Katharina Hellmann · Jessica Kreutz Martin Schwichow · Katja Zaki Hrsg.
Kohärenz in der Lehrerbildung Theorien, Modelle und empirische Befunde
Kohärenz in der Lehrerbildung
Katharina Hellmann · Jessica Kreutz Martin Schwichow · Katja Zaki (Hrsg.)
Kohärenz in der Lehrerbildung Theorien, Modelle und empirische Befunde
Hrsg. Katharina Hellmann Freiburg, Deutschland
Martin Schwichow Freiburg, Deutschland
Jessica Kreutz Freiburg, Deutschland
Katja Zaki Freiburg, Deutschland
Die Publikation des Sammelbands wird im Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (Förderkennzeichen 01JA1518A) gefördert.
ISBN 978-3-658-23939-8 ISBN 978-3-658-23940-4 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Inhaltsverzeichnis 1
Einleitung............................................................................................ 1
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Katharina Hellmann Kohärenz in der Lehrerbildung – Theoretische Konzeptionalisierung ......................................................................... 9
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Empirische Befunde zur Bedeutung von Kohärenz in der Lehrerbildung .................................................................................. 31 3.1 Jan Henning-Kahmann, Katharina Hellmann Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung der studentischen Kohärenzwahrnehmung im Lehramtsstudium .... 33 3.2 Tobias Alexander Joos, Anne Liefländer, Ulrike Spörhase Studentische Sicht auf Kohärenz im Lehramtsstudium ............. 51 3.3 Stefanie Rach Lehramtsstudierende im Fach Mathematik – Wie hilft uns die Analyse von Lernvoraussetzungen für eine kohärente Lehrerbildung? .......................................................................... 69
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Fachspezifische Kohärenzmodelle und Curricula ........................ 85 4.1 Thade Buchborn, Georg Brunner, Daniel Fiedler, Gert Balzer Kunst, Wissenschaft, Pädagogik: Kohärenz zwischen den Säulen der Musiklehrerbildung ................................................. 87 4.2 Sabine Pemsel-Maier Theologische Themen in didaktischer Perspektive: Institutionelle und horizontale Kohärenz in der Religionslehrerbildung ............................................................ 101
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Inhaltsverzeichnis
4.3 Jessica Kreutz Lehrkohärenz in der Geschichtslehrerbildung – Schnittmengen zwischen Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik .................................................................. 117 4.4 Franziska Birke, Vivian Conrad, Tim Krieger, Lena Kumm Kohärenzwahrnehmung im Lehramt Wirtschaft: Über die Notwendigkeit einer spezifischen Curriculumsentwicklung ... 133 4.5 Isabelle Mordellet-Roggenbuck, Katja Zaki Professionsorientierung im Lehramt moderner Fremdsprachen: Integrative Curriculums- und Lehrentwicklung in der Romanistik ........................................ 147 5
Lehrentwicklung und Konzepte zur Steigerung der vertikalen und horizontalen Kohärenz ........................................ 165 5.1 Michaela Oettle, Martina Brandenburger, Silke Mikelskis-Seifert, Martin Schwichow Schaffung vertikaler und horizontaler Kohärenz in der Lehrerbildung am Beispiel der Physik .................................... 167 5.2 Michael Schween, Andreas Trabert, Catharina Schmitt ProfiWerk und PraxisLab Chemie – Hochschuldidaktische Innovationen zur kohärenten Professionalisierung angehender Gymnasiallehrkräfte im Rahmen des Projekts ProPraxis ................................................................... 183 5.3 Bärbel Diehr, Annette Becker, Carsten Breul, Stefanie Frisch, Claudia Kastens, Dominik Rumlich Kohärenz im Englischstudium für die Primarstufe: Das Lehr-Lern-Konzept des Wuppertaler Projektes EULE ............ 199
Kohärenz in der Lehrerbildung
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Unterstützung kohärenter Studienverläufe durch Lernportfolios und Lerntagebücher............................................. 215 6.1 Matthias Nückles, Katja Zaki, Martina Graichen, Anne Liefländer, Christian Burkhart, Christiane Klein, Laura Lösch Das e-Portfolio in der Freiburger Lehrerbildung: Selbstgesteuerte Kohärenzkonstruktion durch vernetzte Lernaufgaben ........................................................................... 217 6.2 Georgia Gödecke Ein fachspezifisches e-Portfolio als Baustein reflexionsorientierter Lehrerinnen- und Lehrerbildung ........... 233 6.3 Martina Graichen, Elisabeth Wegner, Matthias Nückles Separieren oder integrieren? Experimentelle Studien zum Einsatz von Lerntagebüchern zur Wissensintegration ............. 247
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Kohärenz zwischen Hochschulstudium, Berufspraxis und professioneller Weiterbildung....................................................... 261 7.1 Karen de Coninck, Martin Valcke, Ine Ophalvens, Ruben Vanderlinde Bridging the theory-practice gap in teacher education: The design and construction of simulation-based learning environments .......................................................................... 263 7.2 Martina von Gehlen, Ulrike Dreher, Lars Holzäpfel, Wolfgang Hochbruck Einblicke in (In-)Kohärenzwahrnehmungen von Akteuren der Lehrerbildung zur Theorie-Praxis-Vernetzung.................. 281
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Inhaltsverzeichnis
7.3 Clémentine Abel Kohärenz in der Fortbildung von Fremdsprachenlehrkräften – Lernzuwachs durch theoretisch-praktische Interventionen...................................... 299 8
Christine Schmider, Katja Zaki Die Reformen der Anderen – Kohärenz und Professionsorientierung in der französischen Lehrerbildung .... 315
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Martin Schwichow, Katja Zaki, Katharina Hellmann, Jessica Kreutz Quo vadis? Kohärenz in der Lehrerbildung ................................ 331
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Einleitung
Die Frage nach einer guten Lehrerbildung ist vermutlich so alt wie die Geschichte der Lehrerbildung selbst. Nicht immer wurde sie allerdings so häufig gestellt und kontrovers diskutiert wie in den letzten beiden Jahrzehnten: Bedingt durch die strukturellen Neuerungen des Bologna-Prozesses wurden vielerorts Reformprozesse angestoßen, die durch die Ergebnisse der Bildungsforschung und viel zitierter Bildungsstudien – man denke beispielsweise an den PISA-Schock – auch konzeptionell zu einem Umdenken führten. Entsprechende bildungspolitische Paradigmenwechsel rückten die Lehrerbildung dabei verstärkt ins Zentrum gesellschaftspolitischer Diskurse und in den Fokus neuer Förderprogramme des Bundes und der Länder. Ein Problem, welches dabei besonders häufig identifiziert wurde, ist die Fragmentierung in der deutschen Lehrerbildung. Eine Forderung besteht nicht selten nach mehr Kontinuität und Kohärenzorientierung. Die Lehramtsausbildung in Deutschland ist durch eine Zergliederung in unterschiedliche Ausbildungsphasen, fachwissenschaftliche, fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Studienanteile, sowie durch eine mangelnde Verknüpfung von Theorie- und Praxisphasen gekennzeichnet. Fragmentierte Strukturen, Inhalte und Phasen der Lehrerbildung an Hochschulen führen nicht selten dazu, dass Lehramtsstudierende ihr Studium als wenig kohärent wahrnehmen und dadurch nur bedingt eine sinnhaft zusammenhängende Wissensstruktur aufbauen können. Ohne einen professionsorientierten und vernetzten Wissenserwerb kann den Anforderungen der beruflichen Tätigkeit allerdings nicht adäquat begegnet werden, weil dadurch das erfolgreiche berufliche Handeln erschwert wird. Die Schaffung von Kohärenz wird in diesem Zusammenhang als Generierung von Lerngelegenheiten verstanden, bei welchen in vertikaler (über den Studienverlauf) und horizontaler Richtung (zwischen Fachdidaktik, Fachwissenschaft und Bildungswissenschaft, zwischen Theorie und Praxis) Bezüge geschaffen werden, die es den Studierenden ermöglichen, ihr Studium strukturell und inhaltlich als zusammenhängend und sinnhaft zu erleben. Kohärente Lerngelegenheiten können sich unter anderem durch curriculare oder konzeptionelle Verknüpfungen von Fachbereichen, Theorie-Praxis-Vernetzungen, instruktionspsychologische Lehr-Lern-Formate, interdisziplinäre Veranstaltungen oder durch personelle Zusammenarbeit auszeichnen. Durch das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt Qualitätsoffensive Lehrerbildung werden seit 2015 verstärkt Innovationen in der Lehrerbildung gefördert. Zahlreiche Lehrprojekte konzentrieren sich dabei auf eine Stärkung von Vernetzungsmöglichkeiten, sprich auf die Schaffung von Kohärenz in der Lehrerbildung. Kohärenz ist somit ein wichtiges Leitmotiv für die Weiterentwicklung von Lehramtsstudiengängen, die Kon© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_1
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Einleitung
zeption neuer Lehr-Lern-Formate und die Förderung der Lehrerprofessionalität sowohl angehender als auch erfahrener Lehrkräfte. Der Sammelband Kohärenz in der Lehrerbildung - Theorien, Konzepte und empirische Befunde stellt zum einen Theorien und Konzepte von Vernetzungsmöglichkeiten zwischen fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Anteilen sowie zwischen der Theorie und Unterrichtspraxis in der Lehrerbildung vor. Zum anderen werden empirische Befunde zur Wahrnehmung von Kohärenz durch Studierende und Akteure der Lehrerbildung sowie zur Wirkung von Kohärenz auf z. B. Einstellungen, Motivation und den Wissens- bzw. Kompetenzerwerb von Studierenden präsentiert. Der sowohl inter- als auch intradisziplinär ausgerichtete Sammelband vereint verschiedene lösungsorientierte Kohärenzansätze aus den geisteswissenschaftlichen (sozialwissenschaftlichen wie philologischen), naturwissenschaftlichen und bildungswissenschaftlichen Fächern von verschiedenen Standorten der Lehrerbildung in Deutschland. Ergänzt wird der Sammelband durch jeweils einen Beitrag aus Belgien und Frankreich. Als theoretische Rahmung fungiert das am Standort Freiburg entwickelte Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz (siehe Kap. 2 in diesem Band). Mit Hilfe des Modells können verschiedene Maßnahmen zur Steigerung von Kohärenz in der Lehrerbildung systematisch verortet, beschrieben und verglichen werden. Die Beiträge des Sammelbandes decken die vielfältigen Möglichkeiten zur Schaffung oder Steigerung von Kohärenz gemäß dem Säulen-Phasen-Modell ab und stellen entsprechende Beispiele aus zahlreichen Unterrichtsfächern und unterschiedlichen Studiengängen vor. Somit stellt der Sammelband Kohärenz in der Lehrerbildung - Theorien, Konzepte und empirische Befunde zum Ende der ersten Förderphase des BMBF-Projekts Qualitätsoffensive Lehrerbildung eine umfängliche Sammlung möglicher Ansätze, Maßnahmen und Befunde zur Steigerung von Kohärenz dar. Die berichteten Lehrkonzepte und Befunde können als Ausgangspunkt für weitere Lehr-Lern-Innovationen an anderen Hochschulstandorten, Fachbereichen und Studiengängen der zweiten Förderphase Qualitätsoffensive Lehrerbildung dienen. Kapitel 2: Kohärenz in der Lehrerbildung – Theoretische Konzeptualisierung Der Beitrag Kohärenz in der Lehrerbildung von Katharina Hellmann thematisiert Kohärenz zunächst theoretisch als Leitmotiv zur Ausgestaltung und Optimierung von Strukturen, Inhalten und Phasen der Lehrerbildung. Nach einer konzeptuellen Schärfung des Kohärenzbegriffs wird das Freiburger Säulen-
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Phasen-Modell vorgestellt, welches die Verortung, Beschreibung und den Vergleich verschiedener kohärenzfördernder Lehr-Lern-Maßnahmen erlaubt. Anschließend werden erste empirische Befunde angeführt, die positive Wirkungen von Kohärenz auf z. B. Einstellungen, Motivation und den Kompetenzerwerb von Studierenden aufzeigen. Kapitel 3: Empirische Befunde zur Bedeutung von Kohärenz in der Lehrerbildung Im dritten Kapitel des Sammelbands werden empirische Ergebnisse zu Kohärenz berichtet. Im Beitrag Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung der studentischen Kohärenzwahrnehmung im Lehramtsstudium (Jan Henning-Kahmann und Katharina Hellmann) wird die Entwicklung und Erprobung eines Fragebogeninstruments auf der Grundlage des Freiburger Säulen-Phasen-Modells vorgestellt. Erste Ergebnisse auf Basis eines varianzanalytischen Ansatzes der Strukturgleichungsmodellierung (PLS-SEM) liefern Nachweise für die Güte des Messmodells und weisen den Fragebogen für empirische Untersuchungen als geeignet aus. Im Beitrag Studentische Sicht auf Kohärenz im Lehramtsstudium (Tobias Alexander Joos, Ulrike Spörhase und Anne Liefländer) wird eine bildungswissenschaftliche Sicht von Kohärenz mit einer gesundheitspsychologischen Sicht verbunden. Auf Basis einer qualitativen Befragung von Biologiestudierenden werden Kriterien vorgestellt und diskutiert, nach welchen die Studierenden die Qualität ihres Lehramtsstudiums bewerten. Im Beitrag von Stefanie Rach, Lehramtsstudierende im Fach Mathematik – Wie hilft uns die Analyse von Lernvoraussetzungen für eine kohärente Lehrerbildung?, werden die Lernvoraussetzungen von (gymnasialen) Lehramtsstudierenden der Mathematik empirisch mit denen von Fachstudierenden verglichen und aufbauend auf den Ergebnissen Vorschläge zur organisatorischen und inhaltlichen Ausgestaltung des Lehrangebotes für Lehramts- und Fachstudierende an Hochschulen gemacht. Kapitel 4: Fachspezifische Kohärenzmodelle und Curricula Das vierte Kapitel stellt theoretische Kohärenzmodelle und hochschulische Curricula aus den Fachbereichen Musik, Theologie, Geschichte, Wirtschaft und Romanistik vor. Das Freiburger Projekt KoMuF – Kooperative Musiklehrer/innenbildung Freiburg (Thade Buchhorn, Georg Brunner, Daniel Fiedler und Gert Balzer) zielt auf die Steigerung von Kohärenz im Studium. Ein in der Musiklehrerbildung etabliertes Drei-Säulen-Modell wird in den Modulen Stimme
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und Klavier umgesetzt und in einen direkten Zusammenhang mit dem (M)TPACK-Ordnungsrahmen zur Darstellung des Professionswissens von Musiklehrkräften gebracht. Auch Sabine Pemsel-Maier stellt am Beispiel des Freiburger Moduls Theologie im Dialog – Theologische Themen in didaktischer Perspektive curriculare Maßnahmen zur horizontalen Kohärenz vor. Der theologische Fächerkanon ist durch seine ausgeprägte Ausdifferenzierung in eine Vielzahl von Fächern prädestiniert für eine inter- und intradisziplinäre Zusammenarbeit im Kontext der Religionslehrerbildung. Hierbei steht vor allem die von angehenden Religionslehrkräften zu erwerbende Dialogkompetenz im Fokus. Ausgehend vom Freiburger Projekt Fachwissenschaft trifft Fachdidaktik! hebt Jessica Kreutz die Notwendigkeit einer kohärenten Lehre in der Geschichtslehrerbildung hervor. Schnittmengen zwischen der Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik sind in wissenschaftlichen Qualitätsstandards beider Disziplinen zu suchen: Fachspezifische Prinzipien, Methoden und Kompetenzen können intradisziplinäre Brücken einer kohärenten Geschichtslehrerbildung sein. Anlässlich der Einführung des neuen Schulfaches Wirtschaft erläutern Franziska Birke, Vivian Conrad, Tim Krieger und Lena Kumm (Kohärenzwahrnehmung im Lehramt Wirtschaft) die Konzeption für den gymnasialen Masterstudiengang vor dem Hintergrund der Kohärenzwahrnehmung. Letztendlich wird im Beitrag Professionsorientierung im Lehramt moderner Fremdsprachen: Integrative Curriculums- und Lehrentwicklung in der Romanistik (Isabelle Mordellet-Roggenbuck und Katja Zaki) das Potential einer phasenübergreifenden Curriculums- und Lehrentwicklung diskutiert. Es wird gezeigt, wie Strukturen einen Rahmen und Impulse für eine nachhaltige Kohärenzerzeugung setzen können. Nach einer Skizzierung ausgewählter Prinzipien der Curriculumsplanung und Lehrentwicklung wird insbesondere die Rolle der Studierenden und Dozierenden (kooperative Lehrentwicklung am Beispiel professionsorientierter Sprachpraxis) in den Blick gerückt. Kapitel 5: Lehrentwicklung und Konzepte zur Steigerung der vertikalen und horizontalen Kohärenz Im fünften Kapitel des Bandes werden konkrete Lehrveranstaltungskonzepte zur Schaffung horizontaler und vertikaler Kohärenz sowie Ergebnisse begleitender Evaluationen vorgestellt. Im Beitrag Schaffung vertikaler und horizontaler Kohärenz in der Lehrerbildung am Beispiel der Physik (Michaela Oettle, Martina Brandenburger, Martin Schwichow und Silke Mikelskis-Seifert) werden drei Konzepte zur Kohärenzsteigerung im Lehramtsstudium präsentiert: die Schaffung vertikaler Kohärenz in der Fachwissenschaft über Big Ideas, die Schaffung
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horizontaler Kohärenz zwischen Fachdidaktik und Fachwissenschaft durch Unterrichtsplanung nach dem Modell der didaktischen Rekonstruktion und die Schaffung horizontaler Kohärenz zwischen der Fachwissenschaft, Fachdidaktik und den Bildungswissenschaften in einer Lehrveranstaltung nach dem InvertedClassroom-Ansatz. In der Chemiedidaktik am Standort Marburg, ProfiWerk und PraxisLab Chemie – Hochschuldidaktische Innovationen zur kohärenten Professionalisierung angehender Gymnasiallehrkräfte im Rahmen des Projekts ProPraxis (Michael Schween, Andreas Trabert und Catharina Schmitt), wurden drei sogenannte Marburger Praxismodule entwickelt, welche eine Fokussierung der Lehre in der Fachwissenschaft (am Beispiel der Organischen Chemie) und Fachdidaktik auf die Unterrichtspraxis ermöglichen. Im Praktikum der Organischen Chemie erklären die Studierenden anhand von Energiebetrachtungen und Experimenten Reaktionsmechanismen und entwickeln zu diesen Themen Unterrichtsentwürfe im zugehörigen fachdidaktischen Seminar. Im darauffolgenden Schulpraktikum werden die Studierenden von denselben Lehrenden bei der Umsetzung ihrer Unterrichtsentwürfe betreut. An der Bergischen Universität Wuppertal befassen sich Studierende des Grundschullehramts im Fach Englisch mit der sprachwissenschaftlichen Analyse von Kinderliteratur, mit fachdidaktischen Ansätzen des Lesens im Englischunterricht sowie mit bildungswissenschaftlichen Ansätzen zur Individualisierung und Leistungsdiagnostik (Kohärenz im Englischstudium für die Primarstufe: Das Lehr-Lern-Konzept des Wuppertaler Projekts EULE von Bärbel Diehr, Annette Becker, Carsten Breul, Stefanie Frisch, Claudia Kastens und Dominik Rumlich). Im anwendungsorientierten Forschungsmodul findet zudem ein Transfer der in den Lehrveranstaltungen vermittelten Theorie auf die Praxis in Form eines Leseworkshops mit Grundschulkindern statt. Kapitel 6: Unterstützung kohärenter Studienverläufe durch Lernportfolios und Lerntagebücher Das sechste Kapitel thematisiert, wie Portofolioformate in der Lehrerbildung eingesetzt werden können, um die Kohärenzorientierung im Studium zu stärken und dabei insbesondere auch die individuelle Kompetenzentwicklung der Studierenden zu unterstützen. Eines der primären Ziele einer kohärenzorientierten Lehrerbildung ist die integrative Förderung der professionellen Handlungskompetenz angehender Lehrkräfte: Um in komplexen Unterrichtssituationen kompetent handeln zu können, müssen diese nicht nur über ein fundiertes fachwissenschaftliches, fachdidaktisches und bildungswissenschaftliches Wissen verfügen, sondern auch in der Lage sein, Facetten unterschiedlicher Wissensdomänen
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situations-, themen- und adressatengerecht zu verbinden. Hierfür ist es unabdingbar, sie bereits im Studium dazu anzuregen, vernetzte Wissensstrukturen aufzubauen und dabei auch über eigene Denk- und Handlungsstrukturen zu reflektieren. Vor diesem Hintergrund diskutieren Nückles et al. (Matthias Nückles, Katja Zaki, Anne Liefländer, Martina Graichen, Christian Burkhart, Christiane Klein und Laura Lösch) den Wert eines phasenübergreifenden Portfolioansatzes: Im Kern des Freiburger Ansatzes stehen dabei vernetzende Lernaufgaben, die Studierende dazu anregen sollen, Verbindungen zwischen bildungswissenschaftlichen, fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Studieninhalten herzustellen und diese auf unterrichtspraktische Fragestellungen zu beziehen. Die Förderung vertikaler Kohärenz steht hier ebenso im Fokus wie die Förderung horizontaler Kohärenz, wie anhand von Beispielen aus der Biologie, Romanistik und den Bildungswissenschaften illustriert wird. Daran anschließend beschreibt Georgia Gödecke in ihrem Beitrag den Bremer Portfolioansatz und dessen Ziel, Praxisphasen im Studium theoriegeleitet zu begleiten und insbesondere die fachspezifische Reflexionskompetenz der Studierenden zu stärken. Am Beispiel des Querschnittsthemas Heterogenität wird anhand ausgewählter Aufgaben das Potential des e-Portfolios für kohärenzorientierte Theorie-Praxis-Bezüge in der Fremdsprachenlehrerbildung erläutert. Mit Bezugnahme auf vier experimentelle Studien geht der Beitrag von Martina Graichen, Elisabeth Wegner und Matthias Nückles schließlich der Frage nach, wie der Aufbau vernetzter Denk- und Wissensstrukturen über die Arbeit mit Lerntagebüchern gefördert werden kann und welcher Wert hier insbesondere Lernprotokollen zukommt, die über prompts angeleitet werden. Kapitel 7: Kohärenz zwischen Hochschulstudium, Berufspraxis und professioneller Weiterbildung Ein Kernthema guter Lehrerbildung sind Kontexte, Ansätze und Potentiale von Praxis- und Professionsorientierung. Dass Theorie-Praxis-Bezüge dabei nicht auf schulpraktische Elemente im Studium beschränkt bleiben dürfen, zeigen die Beiträge des siebten Kapitels. Im ersten Beitrag zeigen Karen de Coninck, Martin Valcke, Ine Ophalvens und Ruben Vanderlinde das Potential von simulationsgestützten Lehr-Lern-Umgebungen in der Lehrerbildung. Sie erläutern die Kernideen eines Rahmenkonzepts zur Entwicklung simulationsbasierter settings, stellen zwei Prototypen (online und face-to-face) vor und illustrieren diese mit Fallbeispielen zu simulierten Lehrer-Eltern-Gesprächen. Abschließend werden Implikationen und Potentiale simulationsgestützter Lehr-Lern-Umgebungen für eine innovative bzw. kohärenzorientierte Weiterentwicklung von Lehrerbildung
Einleitung
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diskutiert. Der Beitrag von Martina von Gehlen, Ulrike Dreher, Lars Holzäpfel und Wolfgang Hochbruck zeigt durch Einblicke einer Interviewstudie, wie (In-) Kohärenzen in der Lehrerbildung von unterschiedlichen Akteuren wahrgenommen werden. Aus ihrer explorativen Analyse leiten die Autorinnen und Autoren ausgewählte Bedarfe und Desiderate ab und diskutieren, wie Theorie-PraxisBezüge in der Lehrerbildung auch institutionell gefördert werden können. Sie illustrieren dies an ausgewählten Kernmaßnahmen des Freiburger Praxiskollegs, wobei sie unter anderem zeigen, wie die Kooperationen mit Schulen sowohl die Praxisorientierung an Hochschulen als auch die Forschungsorientierung an Schulen (über Fort- und Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte) stärken kann. Der Beitrag von Clémentine Abel unterstreicht schließlich, dass kohärenzorientierte Theorie-Praxis-Bezüge nicht mit dem Studium bzw. Vorbereitungsdienst enden, sondern auch die dritte Phase der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften mit einbeziehen sollten. Auf der Basis einer empirischen Interventionsstudie zeigt sie am Beispiel eines design-based Research basierten Fortbildungskonzeptes zur Aussprachedidaktik für Französischlehrkräfte, wie Fortbildungen kohärenzorientiert konzipiert sein sollten, um einen Kompetenzzuwachs zu erzielen. Auch wird das Transferpotential für Fortbildungskonzepte in anderen Fachbereichen diskutiert. Kapitel 8: Die Reformen der Anderen – Kohärenz und Professionsorientierung in der französischen Lehrerbildung Im letzten Beitrag Die Reformen der Anderen – Kohärenz und Professionsorientierung in der französischen Lehrerbildung beschreiben Christine Schmider und Katja Zaki institutionelle, curriculare und personelle Reformen der Lehrerbildung in Frankreich, die das bislang stark fragmentierte französische Lehrerbildungssystem zu einem nunmehr kohärenten Gesamtsystem geführt haben. Durch detaillierte Beschreibung des französischen Systems wird gleichzeitig ein neuer Blick auf die Lehrerbildung in Deutschland sowie potentielle Anregungen zu deren Umgestaltung ermöglicht. Über diesen Sammelband Erste Ideen für diesen Sammelband sind in der Freiburger Arbeitsgruppe Kohärenz im Rahmen des BMBF-Projekts Qualitätsoffensive Lehrerbildung im Mai 2017 entstanden. Die Herausgebergruppe zielt darauf ab, zum Ende der ersten Förderphase mit dem vorliegenden Sammelband sowohl am eigenen Standort
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entstandene Projekte als auch Ergebnisse ausgewählter anderer Standorte zur Steigerung der Kohärenz in der Lehrerbildung zu dokumentieren. Durch die interdisziplinäre Zusammensetzung der Arbeitsgruppe und des Herausgeberteams können geisteswissenschaftliche (sozialwissenschaftliche wie philologische), naturwissenschaftliche und bildungswissenschaftliche Perspektiven in diesem Sammelband gewinnbringend vereint werden. Dies macht es einerseits möglich, einen umfassenden Einblick in die Lehrerbildung mit Fokus auf die Schaffung und Beforschung von Kohärenz zu geben. Andererseits können erste Ergebnisse bezüglich der Kohärenzwahrnehmung von Studierenden und die Wirkungen von Kohärenz z. B. auf den Kompetenzerwerb berichtet werden. Es wird deutlich, dass die Schaffung von Kohärenz in nahezu jeder Institution der Lehrerbildung, in verschiedenen Fachbereichen und über verschiedene Phasen der Lehrerbildung möglich ist. Trotz des engen Zeitrahmens des Gesamtprojektes Kohärenz in der Lehrerbildung - Theorien, Konzepte und empirische Befunde ist es gelungen, einen umfangreichen und vielseitigen Sammelband zu erstellen. Dies war nur durch die Zusammenarbeit zahlreicher beteiligter Personen möglich, denen wir hiermit unseren herzlichen Dank aussprechen wollen. Zuallererst danken wir den zahlreichen Autorinnen und Autoren der vorliegenden Beiträge für die Einreichung ihrer Ideen und Manuskripte zu unserem Sammelband. Weiterhin war unter der Leitung von Susanne Göbel der Springer Verlag jederzeit ein zuverlässiger Ansprechpartner. Die Publikation des Sammelbands wurde durch die finanzielle Förderung des DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) im Rahmen des BMBF-Projekts Qualitätsoffensive Lehrerbildung (Förderkennzeichen 01JA1518A) ermöglicht. Wir danken weiterhin unserer Lektorin Christina Tilp für die gründliche inhaltliche und formale Durchsicht der Manuskripte. Auch danken wir den studentischen Hilfskräften Janina Mönch (Pädagogische Hochschule Freiburg) und Christina Metzger (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) für ihre verlässliche Unterstützung gerade zum Ende des Publikationsprozesses. Zuletzt danken wir allen weiteren Personen, die uns inhaltlich, formal oder persönlich bei der Entwicklung, Ausgestaltung und Umsetzung des Sammelbands Kohärenz in der Lehrerbildung - Theorien, Konzepte und empirische Befunde unterstützt haben. Das Herausgeberteam: Katharina Hellmann, Jessica Kreutz, Martin Schwichow, Katja Zaki im August 2018
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Kohärenz in der Lehrerbildung – Theoretische Konzeptionalisierung
Katharina Hellmann Pädagogische Hochschule Freiburg Keywords: Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz, horizontale und vertikale Kohärenz, synchrone und konsekutive Kohärenz Ziel des vorliegenden Beitrags ist die konzeptionelle Schärfung des Begriffs Kohärenz im Kontext der Lehrerbildung an Hochschulen. Kohärenz beschreibt eine sinnhafte Verknüpfung von Strukturen, Inhalten und Phasen der Lehrerbildung. Kohärente Lehr-Lern-Gelegenheiten stellen systematische Bezüge her, welche es den Lernenden ermöglichen, diese Strukturen, Inhalte und Phasen als zusammenhängend und sinnhaft zu erleben. Dies ermöglicht in der Folge einen professionsorientierten und vernetzten Wissenserwerb, welcher Grundlage für das erfolgreiche unterrichtliche Handeln von Lehrkräften darstellt. Ein vernetzter Wissenserwerb muss hierbei gerade an der Institution Hochschule angeregt werden, welche die Ausbildung professioneller Handlungskompetenzen zentral anbahnt. Auf Basis theoretischer Überlegungen wurde ein Säulen-Phasen-Modell entwickelt, in welchem konzeptionell und zeitlich kohärente Verknüpfungen in der Lehrerbildung differenziert werden. Dabei sind zum einen horizontale Verknüpfungen zwischen den Säulen Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Bildungswissenschaften und Praxiserfahrungen sowie vertikale Verknüpfungen innerhalb dieser Säulen unterscheidbar. Zum zweiten sind zeitliche, synchrone und konsekutive, Verknüpfungen über die Phasen der Lehrerbildung hinweg möglich. Das Säulen-Phasen-Modell hat zum Ziel, unterschiedliche kohärente Lehr-Lern-Konzeptionen zu verorten, vergleichbar zu machen und einen möglichen Transfer dieser Konzeptionen anzuregen. Es werden erste empirische Befunde zusammengefasst, welche eine positive Wirkung von Kohärenz z. B. auf den Wissenszuwachs, die instruktionalen Qualitäten, Einstellungen, Überzeugungen und die Studienzufriedenheit angehender Lehrkräfte ebenso wie auf den Lernzuwachs von Schülerinnen und Schülern aufzeigen. Das Konzept der Kohärenz kann als Leitmotiv für die Beschreibung, Entwicklung und den Transfer professionsorientierter, vernetzter Bildungsstrukturen und Lehr-Lern-Gelegenheiten angewendet werden und entspricht somit der Forderung nach einer professionsorientierten Lehrerbildung.
Gute Lehrerbildung als Voraussetzung für guten Unterricht Lehrkräfte müssen über professionelle Handlungskompetenzen verfügen, um in Schule und Unterricht wissenschaftlich fundiert, reflektiert und wirksam zu agieren und die Schülerinnen und Schüler bei ihrem Wissensaufbau zu unterstützen. Als „Fachleute für das Lehren und Lernen“ (Kultusministerkonferenz (KMK), 2004, S. 3) haben Lehrkräfte einen Bildungsauftrag, welcher unter anderem die Planung, Organisation und Durchführung von Lehr-Lern-Prozessen im Unterricht als zentrale Tätigkeit, sowie deren spätere Bewertung beinhaltet. Unterricht © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_2
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soll dabei inhaltlich, didaktisch und methodisch an den Erkenntnissen aktueller Forschung orientiert sein und individuell auf die Lernenden angepasst werden. Hierzu ist erforderlich, dass Lehrkräfte über eine fundierte Wissensbasis verfügen und in der Lage sind, sich in ihrer Profession beständig und selbstverantwortlich weiter zu entwickeln (European Commission (EC), 2007; KMK, 2004; 2008). Die Anforderungen an die professionellen Kompetenzen von Lehrkräften sind folglich hoch und werden – bedingt durch einen stetigen Wandel gesellschaftlicher Anforderungen – zunehmend komplexer (Herzog & Makarova, 2014; Neuber & Lipowsky, 2014; Rothland, 2013). Für diese Anforderungen und Herausforderungen muss die Lehrerbildung angehende und erfahrene Lehrkräfte hinreichend ausbilden und ihnen den Erwerb professioneller Handlungskompetenzen ermöglichen. Professionelle Handlungskompetenzen werden in der bildungswissenschaftlichen Literatur als ein prozesshaftes Zusammenspielen verschiedener Facetten verstanden (z. B. Baumert & Kunter, 2006; Blömeke, Gustafsson & Shavelson, 2015). Gängige Modelle professioneller Handlungskompetenz unterscheiden zwischen kognitiven und nicht-kognitiven (motivationalen, volitionalen und affektiven) Komponenten sowie selbstregulativen Fähigkeiten und Überzeugungen (Baumert & Kunter, 2006; Weinert, 2001). Das Professionswissen, welchem in der Diskussion um Lehrkompetenzen ein zentraler Stellenwert zufällt, entspricht der kognitiven Komponente (z. B. Bromme, 2014; Shulman, 1987; Terhart, 2002). Es setzt sich aus drei Facetten zusammen: dem Fachwissen aus einem oder mehreren Fachbereichen, dem entsprechenden fachdidaktischen Wissen sowie dem bildungswissenschaftlichen (auch: pädagogischpsychologischen) Wissen. Fachwissen besteht aus den Inhalten des zu vermittelnden Wissens (z. B. Fakten, Konzepte, Modellierungen) und wird meist als Basis professioneller Kompetenzen beschrieben. Fachdidaktisches Wissen beinhaltet Wissen über die adäquate Vermittlung dieser Inhalte (z. B. durch didaktische Reduktion, Vorwissensaktivierung). Bildungswissenschaftliches Wissen umfasst fächerübergreifende Theorien des Lehrens und Lernens, der Unterrichtsplanung und -durchführung oder diagnostische Aspekte (Baumert & Kunter, 2006; Krauss et al., 2004; Voss, Kunina-Habenicht, Hoehne & Kunter, 2015) 1. Lehrkräfte müssen das Wissen aus diesen drei zentralen Domänen des Professionswissens bei der Planung, Durchführung und Reflexion von Unterricht systematisch verknüpfen und in entsprechenden Lehr-Lern-Situationen effektiv einsetzen.
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Das von Baumert & Kunter (2006) ebenfalls als zentral benannte Organisations- und Beratungswissen ist nicht im Fokus der vorliegenden Arbeit.
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Modellen zur professionellen Kompetenz von Lehrkräften ist zumeist gemein, dass Kompetenzen als erlernbar gelten 2. Sie entwickeln und verändern sich durch Anwendung in wiederholt dargebotenen, authentischen Lehr-LernSituationen beständig weiter. Die zu diesem Zweck dargebotenen Lehr-LernGelegenheiten sollten den professionellen Handlungskontext spezifisch abbilden, folglich also kohärente Verknüpfungen zwischen den erworbenen Wissenskomponenten ermöglichen (Blömeke et al., 2015; Hartig & Klieme, 2006; Kunter, Kleickmann, Klusmann & Richter, 2011). Die Bedeutung des Hochschulstudiums für den Erwerb professioneller Handlungskompetenzen Der Lehrerbildung an Hochschulen kommt als erster formaler Lerngelegenheit im Professionalisierungsprozess von angehenden Lehrkräften eine wichtige Rolle zu. An der Hochschule wird das für die berufliche Tätigkeit notwendige Professionswissen primär vermittelt, in Praxisphasen erprobt und die Entwicklung professioneller Handlungskompetenzen angebahnt (Kunter et al., 2011; Terhart, 2009). Folglich muss Lehrerbildung an der Hochschule derart gestaltet werden, dass angehende Lehrkräfte eine fundierte und systematisch verknüpfte Wissensbasis erwerben, welche ihnen als Grundlage für die spätere berufliche Tätigkeit dient (Cochran-Smith & Zeichner, 2005). Bedingt durch die föderale Struktur des Bildungswesens ist die formale Lehrerausbildung an deutschen Hochschulen heterogen. Unterschiede in Ausbildungsformen bestehen zumeist bezüglich der Trennung in ein Primar- oder Sekundarstufen(I/II)-Lehramt, der Anzahl studierter Fächer, einer unterschiedlichen Gewichtung von z. B. fachlichen oder pädagogischen Studienanteilen sowie der unterschiedlichen Ausgestaltung von Praxisphasen und des Referendariats (z. B. Kleickmann & Anders, 2011; Terhart, 2004, 2009) 3. Fragen nach der Wirkung und Effektivität von Lehrerbildung sind entsprechend nicht allgemein zu beantworten und Generalisierungen über gute Lehrerbildung aufgrund unterschiedlicher Untersuchungsgegenstände und empirischer Zugänge nicht möglich
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Gegenteilige Konzeptualisierungen gehen davon aus, dass berufsunspezifische, stabile Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Intelligenz, Autorität) für eine erfolgreiche Berufsausübung zentral sind (Bromme & Rheinberg, 2006); diese Ansätze finden empirisch allerdings wenig Evidenz (z. B. Kennedy, Ahn, & Choi, 2008). In Baden-Württemberg erfolgt die Lehramtsausbildung getrennt für das gymnasiale Lehramt (Sekundarstufe II) an Universitäten und für das Lehramt an Grund-, Werkreal-/Haupt- und Realschulen (Sekundarstufe I) an Pädagogischen Hochschulen.
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(z. B. Blömeke, 2004; Hascher, 2011). Nichtsdestotrotz lassen sich zahlreiche Ergebnisse und Befunde zur Wirkung von Lehrerbildung und zur Struktur und Entwicklung des Professionswissens von Lehrkräften diskutieren (z. B. CochranSmith, Feiman-Nemser, McIntyre & Demers, 2008; Kunter et al., 2011; Oser & Oelkers, 2001; Terhart, Bennewitz & Rothland, 2014; Zlatkin-Troitschanskaia, Beck, Sembill, Nickolaus & Mulder, 2009). Lehramtsstudierende erwerben im Studium nicht nur Fachwissen, sondern auch fachdidaktisches und bildungswissenschaftliches Wissen (z. B. Terhart et al., 2014). Forschungsbefunde deuten dabei zumeist auf differentielle Effekte verschiedener Ausbildungsarten und -strukturen hin. Die Höhe des erworbenen Fach- und fachdidaktischen Wissens hängt z. B. positiv mit der Anzahl institutioneller Lerngelegenheiten zusammen (Brunner et al., 2006). Analoge Ergebnisse werden auch für das pädagogische Wissen berichtet (z. B. König & Blömeke, 2010). Weiterhin bedingt sich der Wissenserwerb in den Domänen gegenseitig: Verfügt eine Lehrperson über ein ausreichend hohes Fachwissen, geht dies zumeist auch mit einem höheren fachdidaktischen Wissen einher (z. B. Krauss et al., 2008). Das erworbene pädagogische Professionswissen steht beispielweise in positivem Zusammenhang zu instruktionaler Qualität (Biermann et al., 2014) und konstruktiver Lernunterstützung von Lehrkräften beim Unterrichten (Voss, Kunter, Seiz, Hoehne & Baumert, 2014). Die Höhe des erworbenen Fachwissens hat schließlich einen positiven Effekt auf den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern (z. B. Hill, Rowan & Ball, 2005; Santagata, Kersting, Givvin & Stigler, 2011; Wayne & Youngs, 2003). Das Lehramtsstudium hat darüber hinaus Effekte auf Einstellungen (Koch, 1972), Überzeugungen (Blömeke, 2011) und selbstregulative Fähigkeiten (Roloff Henoch, Klusmann, Lüdtke & Trautwein, 2015) von Lehrkräften. Empirische Forschungsbefunde zeigen insgesamt positive Zusammenhänge des Lehramtsstudiums zu z. B. Wissenserwerb und Einstellungen von Studierenden, zur instruktionalen Qualitäten von Lehrkräften und dem Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern. Fragen nach einer möglichst adäquaten und wirksamen Ausgestaltung von Lehrerbildung an der Hochschule sind jedoch bisher nur unzureichend beantwortet (z. B. Cochran-Smith et al., 2015; DarlingHammond, Hammerness, Grossman, Rust & Shulman, 2005; Kleickmann & Anders, 2011). Fragmentierung und doppelte Diskontinuität in der Lehrerbildung Vergleicht man die oben genannten Anforderungen an und Ziele von Lehrerbildung mit den spezifischen Eigenschaften dieser Ausbildung, zeigen sich Diskrepanzen. Strukturelle Charakteristika der Lehrerbildung – nicht nur in Deutsch-
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land – erschweren den vernetzen Erwerb des Professionswissen. Fragmentierung (z. B. Terhart, 2004) und doppelte Diskontinuität (Klein, 1908) bezeichnen dabei eine systematisierte Zersplitterung von Strukturen und Inhalten innerhalb des Studiums und zwischen verschiedenen Phasen des Professionalisierungsprozesses. Wird Fragmentierung bzw. mangelnde Vernetzung thematisiert, ist die Aufspaltung und getrennte Vermittlung des professionsspezifischen Wissens in die drei Domänen Fachwissen, fachdidaktisches Wissen und bildungswissenschaftliches Wissen an der Hochschule gemeint (z. B. Ben-Peretz, 1995; Hammerness, 2006; Kolbe & Combe, 2008; Kotthoff & Terhart, 2013). Durch eine Aufteilung der Studieninhalte in drei – voneinander augenscheinlich unabhängige – Domänen werden den Studierenden wenige bis keine Verknüpfungen zwischen den entsprechenden Wissensbereichen ermöglicht. Als Folge steht das Wissen aus diesen Domänen unverbunden nebeneinander und kann nicht sinnvoll integriert oder in entsprechenden Handlungssituationen effektiv kombiniert werden (träges Wissen; Gruber, Mandl & Renkl, 2000). Erschwert wird der Aufbau einer vernetzten Wissensstruktur zudem dadurch, dass oftmals auch Lehrveranstaltungen innerhalb der einzelnen Domänen (z. B. innerhalb der Bildungswissenschaften) wenig aufeinander abgestimmt und vernetzt sind – im Studienverlauf erscheinen die gelernten Inhalte entsprechend ohne Zusammenhänge aneinandergefügt. Zudem kann sich mangelnde Vernetzung an der Hochschule auch auf eine nicht vorhandene Passung von Studieninhalten, deren Darbietung in Lehrveranstaltungen und deren Abfrage über entsprechende Prüfungsformate beziehen (constructive alignment; Biggs & Tang, 2011). Auf einer übergeordneten Ebene werden fragmentierte Studienstrukturen durch das Fehlen eines gemeinsamen Leitbilds zur Lehrerbildung (vision; Hammerness, 2006) auf Hochschulebene, welches die Elemente des Lehramtsstudiums zueinander in Beziehung setzt, deutlich. Zersplitterung kann jedoch nicht nur an Hochschulen verortet werden. Eine mangelhafte Vernetzung über die Phasen der Lehrerbildung hinweg – insbesondere zwischen der Ausbildung an Hochschulen und dem anschließenden Referendariat – trägt ebenfalls dazu bei, dass Wissensbestände und Fertigkeiten unzusammenhängend erworben werden (z. B. Hammerness & Klette, 2015; Muller, 2009; Terhart, 2004). Der Begriff der doppelten Diskontinuität (Klein, 1908) beschreibt die im Professionalisierungsprozess einer angehenden Lehrkraft gleich zweifach erlebte mangelhafte Vernetzung von Wissensbeständen zwischen Ausbildungsphasen. An in der Schulzeit erworbenes Wissen wird an der Hochschule meist nicht angeknüpft. Stattdessen wird das schulische Wissen durch spezialisiertes – vorwiegend fachliches – Wissen ersetzt. Das an der Hochschule erworbene Wissen wiederum findet in der späteren beruflichen Tätigkeit – erneut an der Schule – kaum mehr Anwendung. Eine mangelnde Verknüpfung von Studieninhalten untereinander und mit der Unterrichtspraxis erschwert den
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systematischen Aufbau des für den komplexen Lehrberuf notwendigen Professionswissens (z. B. Blömeke, 2006; Terhart, 2004). Als Konsequenz kann theoretisches Wissen aus dem Studium – sofern erworben – zu trägem Wissen werden, welches nicht in effektives Handeln umgesetzt wird (Gruber et al., 2000). Die Hochschule, welche die Aufgabe hat, die Entstehung professioneller Handlungskompetenzen anzubahnen, muss der Herausforderung der Fragmentierung und der doppelten Diskontinuität mit entsprechenden strukturellen und inhaltlichen Maßnahmen begegnen. Desiderate Von Seiten der Bildungsforschung wird zunehmend argumentiert, dass eine systematische Verknüpfung der Domänen Fachwissen, fachdidaktisches Wissen und bildungswissenschaftliches Wissen sowie eine verbesserte Theorie-PraxisVerzahnung die Qualität des Lehramtsstudiums steigert und zu einem erhöhtem Wissenszuwachs sowie einem größeren Kompetenzerwerb von angehenden Lehrkräften führt (z. B. Darling-Hammond, 2013; Hammerness & Klette, 2015; Kotthoff & Terhart, 2013; Wittwer et al., 2015). Auch bildungspolitisch werden vermehrt Hochschulprogramme gefordert und gefördert, welche dem Wunsch nach einer Verschränkung von Studienphasen und -inhalten nachkommen (z. B. BMBF, 2013). Lehrkräfte müssen befähigt werden, das Wissen aus den verschiedenen Domänen und Phasen ihres Professionalisierungsprozesses miteinander zu verknüpfen und effektiv in unterrichtliches Handeln umzusetzen, um Schülerinnen und Schüler beim Wissenserwerb zu unterstützen (KMK, 2004). Genau wie junge Lerner müssen aber auch angehende Lehrkräfte bei ihren Lehr-LernProzessen unterstützt werden. Von einem selbstverantworteten vernetzten Wissenserwerb von Studierenden kann nicht ausgegangen werden (KuninaHabenicht et al., 2013). Daher müssen den Studierenden von Seiten der Hochschule Lehr-Lern-Gelegenheiten dargeboten werden, welche ermöglichen, das notwenige vernetzte Professionswissen systematisch zu erwerben. Dabei sollte der Wissenserwerb domänenspezifisch erfolgen, um professionelles Handeln und dessen Reflexion in spezifischen Handlungskontexten zu ermöglichen und so authentisch auf die spätere Profession vorbereiten. Lehrerbildung muss dazu strukturell wie inhaltlich so ausgestaltet werden, dass der Erwerb des vernetzten Professionswissens möglichst frühzeitig und dauerhaft erfolgt. Schließlich sollte sich der Erwerb idealerweise nicht nur auf Wissen, sondern auch auf Fertigkeiten beziehen und Möglichkeiten zur Erprobung bieten. Die konsequente Verknüpfung der drei Wissensdomänen Fachwissen, fachdidaktisches und bildungswis-
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senschaftliches Wissen sowie die Verzahnung von Theorie und Praxis über geeignete Lehr-Lern-Gelegenheiten sollte eine zentrale Aufgabe bei der Weiterentwicklung der hochschulischen Lehrerbildung sein. Das Konzept der Kohärenz kann dabei als ein innovatives und gewinnbringendes Leitmotiv zur Beschreibung und Entwicklung von vernetzten, professionsorientierten Bildungsstrukturen und Lehr-Lern-Gelegenheiten herangezogen werden Kompetenz durch Kohärenz in der Lehrerbildung Der Begriff der Kohärenz wird unter anderem in der Linguistik (Kohärenz als semantische Eigenschaft; Dietrich, 2018), in der Physik (Kohärenz als Interferenzfähigkeit von Wellen; Paul, 2003) und in der Klinischen Psychologie (mangelnde Kohärenz im Denken als Symptom von Entwicklungsstörungen; Dilling, Mombour & Schmidt, 2015) verwendet, um die Passung, Verknüpfung oder Abstimmung zwischen Textteilen, Wellen oder Gedanken zu beschreiben. Ähnlich beschreibt Kohärenz in den Lehrerbildung eine Abstimmung, Verknüpfung und Passung von Lehr-Lern-Strukturen, -Gelegenheiten und -Inhalten. Verstärkt seit den 1990er Jahren wird der Begriff Kohärenz vor allem im angloamerikanischen Sprachraum mit vornehmlich positiver Konnotation zur Beschreibung von guten Programmen an Hochschulen (z. B. Buchmann & Floden, 1991; Darling-Hammond et al., 2000; Tatto, 1996) und Schulen (z. B. Fullan & Quinn, 2015) verwendet. Kohärenz als Merkmal des Lehrerbildungssystems hat mittlerweile aber auch Eingang in bildungswissenschaftliche Diskussionen des deutschsprachigen Raums gefunden (z. B. Blömeke, Suhl & Döhrmann, 2012; Terhart, 2004). Kohärenz als Charakteristikum guter Lehrerbildung lässt sich dabei mit Blick auf den gesamten Professionalisierungsprozess von Lehrkräften diskutieren. Konzeptualisierungen von Kohärenz unterschieden zum Teil zwischen struktureller, konzeptueller, kontextueller Kohärenz oder Programmkohärenz (z. B. Canrinus, Bergem, Klette & Hammerness, 2015; Hammerness, 2006; Muller, 2009), wobei die Begriffe inhaltliche Überschneidungen aufweisen: Je nach Autorengruppe werden curriculare (also inhaltliche) Verknüpfungen, im Idealfall auf Basis eines geteilten Leitbilds, die Passung von Studienstrukturen zu den zu vermittelnden Studieninhalten, Verknüpfungen von Theorie und Praxiserfahrungen oder alle Aspekte gleichermaßen als Kohärenz thematisiert. Gemein ist allen Ansätzen das Ziel, kohärente Lehr-Lern-Gelegenheiten zu generieren und systematische Bezüge zu schaffen, die es den Lernenden ermöglichen, verschiedene Programme (z. B. Studiengänge, Aus- und Weiterbildungen, Kurse), (Lehr)Veranstaltungen und Theorie-Praxis-Erfahrungen als
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strukturell und inhaltlich zusammenhängend und sinnhaft zu erleben. Kohärente Lehr-Lern-Gelegenheiten erlauben es den Studierenden, die Inhalte dieser Programme aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und sie, auch wenn sie in verschiedenen Phasen der Lehrerbildung erworben wurden, zu einer vernetzen Wissensstruktur auszubauen. Kohärente Programme offerieren den Lernenden klare Studienstrukturen, schaffen sinnhafte inhaltliche Verknüpfungen und integrieren Praxiserfahrungen systematisch und professionsorientiert (Buchmann & Floden, 1991; Canrinus et al., 2015; Darling-Hammond et al., 2017; Tatto, 1996; Zeichner, 2010). Oftmals wird in der Diskussion um Kohärenz die Wichtigkeit eines geteilten Verständnisses oder gemeinsam umgesetzten Leitbilds (‚shared understandings‘, Tatto, 1996, S. 176; ‚vision‘, Hammerness, 2006, S. 1241) auf das gemeinsame Ziel gute Lehrerbildung hin betont. Die Schaffung von Kohärenz an Hochschulen ist dabei nicht als Zielzustand, sondern als ein dauerhafter dynamischer Prozess zu verstehen, welcher beständig Anpassungsprozesse in alle Richtungen (das heißt zwischen Hochschulleitungen, Fakultäten, Studierenden, etc.) erfordert (Hammerness, 2006). Die Schaffung kohärenter struktureller und inhaltlicher Verknüpfungen kann einen vernetzten Wissenserwerb angehender und erfahrener Lehrkräfte anregen und folglich die Entwicklung professioneller Kompetenzen begünstigen. Um kohärenzfördernde Lehr-Lern-Maßnahmen zu vergleichen, aus diesen Vergleichen allgemeingültige Ableitungen zur Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Lehrerbildung an Hochschulen durchführen zu können (z. B. Studiengänge, Curricula oder Lehr-Lern-Umgebungen) und pädagogische Maßnahmen zu begründen, muss eine systematisierte Beschreibung und Verortung dieser Maßnahmen ermöglicht werden. Das Freiburger Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz Zum Zweck der systematischen Beschreibung und Verortung kohärenzfördernder Maßnahmen wurde das Freiburger Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz entwickelt (siehe Abb. 1) 4. Das zweidimensionale Modell hat die Funktion, Lehr-Lern-Gelegenheiten zu identifizieren, welche für eine kohärente und professionsorientierte Kompetenzentwicklung der Lernenden geeignet sind.
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Beteilige Arbeitsgruppe (in alphabetischer Reihenfolge): Katharina Hellmann, Christiane Klein, Jessica Kreutz, Martin Schwichow, Katja Zaki.
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Die Säulen und Phasen des Kohärenz-Modells Kohärenz als relationaler Begriff beschreibt Verknüpfungen zwischen mindestens zwei Säulen oder zwei Phasen der Lehrerbildung. Drei Säulen des Modells stehen dabei repräsentativ für die drei Domänen des Professionswissens von Lehrkräften: Fachwissen, fachdidaktisches Wissen und bildungswissenschaftliches Wissen (z. B. Baumert & Kunter, 2006; Krauss et al., 2004; Shulman, 1987; Voss et al., 2015). Der Bereich schulpraktischer Studien (nach Terhart, 2009) wurde im Modell um Erfahrungen in Studium und Referendariat ergänzt und bildet als schulpraktische und unterrichtliche Erfahrung die vierte Säule des Modells. Dieser Bereich beinhaltet eine Vielzahl potentieller Praxiserfahrungen, so z. B. integrierte Semesterpraktika im Studienverlauf, Unterrichtssimulationen in Lehrveranstaltungen, Exkursionen mit Erprobungsphasen, aber auch die tatsächliche Berufsausübung in Referendariat und Beruf. Im Modell werden zudem Unterstützungsstrukturen benannt, welche formale Lehr-Lern-Maßnahmen der Lehrerbildung flankieren (z. B. Lernen und Austausch von Studierenden über ELearning-Plattformen, referendariatsbegleitende Mentoring-Programme), aber auch informeller Art sein können (z. B. selbstgewählte Kurse an der Volkshochschule). Die Phasen des Modells beschreiben alle potentiellen Abschnitte des Professionalisierungsprozesses einer angehenden und berufstätigen Lehrkraft. Ein wichtiges Postulat des Modells begründet sich hierbei aus der Annahme, dass der Professionalisierungsprozess von Lehrkräften im Sinne eines berufsbiographischen Prozesses (Terhart, 2002) nie als vollständig abgeschlossen gilt und Möglichkeiten zur Kompetenzerweiterung im Verlauf des Berufslebens dauerhaft gegeben sind (Baumert & Kunter, 2006; KMK, 2004). Auch die Schaffung kohärenter Lehr-Lern-Gelegenheiten ist folglich über den gesamten Professionalisierungsprozess möglich: Beginnend von der eigenen schulischen Erfahrung, über mögliche Orientierungspraktika oder Vorbereitungskurse im Vorfeld des Studiums, über das eigentliche Bachelor- und Masterstudium mit seinen diversen Veranstaltungsformaten, über den Vorbereitungsdienst, die berufliche Ausübung bis hin zur lebenslangen beruflichen Fort- und Weiterbildung. Dem Modell nach sind konzeptionelle und zeitliche Verknüpfungen zwischen den Säulen sowie innerhalb der Säulen der Lehrerbildung möglich.
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Abb. 1: Das Freiburger Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz in der Lehrerbildung Konzeptionelle Verknüpfungen – Horizontale und vertikale Kohärenz Verknüpfungen, die zwischen den Säulen Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften erzeugt werden, werden diesem Verständnis nach als horizontal kohärent bezeichnet, wohingegen Verknüpfungen innerhalb einer Säule als vertikal kohärent bezeichnet werden (in Anlehnung an Tyler, 1949). Horizontal und vertikal sind folglich Beschreibungen konzeptioneller Verknüpfungen und geben Antwort auf die Frage, welche Bereiche und Aspekte miteinander vernetzt werden. Die Verknüpfung von theoretischen (fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen) Inhalten zu schulpraktischen und unterrichtlichen Erfahrungen wird ebenfalls als horizontal kohärent bezeichnet: Verknüpfungen zur Praxis sind keiner alleinigen Säule zuzuordnen, da dort idealerweise das Wissen aus allen drei Domänen zum Einsatz kommt. Zeitliche Verknüpfungen – Synchrone und konsekutive Kohärenz Kohärenzmaßnahmen können sich nicht nur konzeptionell, sondern auch in der zeitlichen Abfolge ihrer Bezüge unterscheiden. Werden Veranstaltungen oder
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Inhalte im Rahmen derselben Lehr-Lern-Einheit bzw. -Phase (z. B. im selben Semester, Referendariatskurs, in derselben Weiterbildungseinheit) zueinander in Beziehung gesetzt, handelt es sich um einen synchronen Kohärenzbezug. Werden Verknüpfungen über verschiedene (vorangehende wie nachfolgende) Einheiten oder Phasen der Lehrerbildung erzeugt, so lässt sich dies als konsekutiver Kohärenzbezug definieren. Feinabstufungen sind im Modell dahingehend möglich, dass konsekutive Kohärenz auch innerhalb eines einzigen Semesters erzeugt werden kann (z. B. wenn zentrale Inhalte einer bestimmten Lehrveranstaltung im Semesterverlauf wiederholt in verschiedenen Sitzungen aufgegriffen werden). Zentral ist, dass die konzeptionelle (vertikal – horizontal) und zeitliche (synchron – konsekutiv) Dimension der Kohärenzbezüge kombinierbar sind und Kohärenz folglich mithilfe einer Vielzahl diverser Lehr-Lern-Maßnahmen geschaffen werden kann. Charakter konzeptioneller und zeitlicher Verknüpfungen Der Charakter der erzeugten konzeptionellen und zeitlichen Verknüpfung kann ebenfalls variieren. Auf struktureller Ebene, z. B. über die modulare Anordnung von Kursen oder die institutionelle Organisation von Praxiserfahrungen, sind Verknüpfungen ebenso möglich wie auf inhaltlicher Ebene, so z. B. über die Vernetzung von Inhalten möglicherweise gänzlich voneinander unabhängiger Lehrveranstaltungen. Auch personell sind innerhalb von oder zwischen Institutionen, Programmen oder Kursen Kooperationen verschiedener Akteure der Lehrerbildung möglich. Strukturelle, inhaltliche und personelle Verknüpfungen können innerhalb jeder Säule der Lehrerbildung sowie zwischen den Säulen über den gesamten Professionalisierungsprozess hinweg erzeugt werden. Das SäulenPhasen-Modell der Kohärenz zielt dabei darauf ab, den Professionalisierungsprozess von Lehrkräften möglichst vollständig abzubilden; aufgrund seines allgemeinen Charakters kann es verständlicherweise aber nicht sämtliche Varianten oder Details denkbarer, kohärenzfördernder Lehr-Lern-Maßnahmen detailliert darstellen. Das Modell sollte deshalb vornehmlich als ein potentieller Möglichkeitsraum verstanden werden, in welchem diverse kohärenzfördernde Strukturen, Programme, Formate, Lehr-Lern-Gelegenheiten oder Kooperationen verortet werden können. Wirkung von Kohärenz Das Freiburger Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz impliziert, dass eine Vernetzung innerhalb der und zwischen den drei Säulen Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaft sowie eine verbesserte Theorie-Praxis-
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Verzahnung einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den Kompetenzerwerb angehender und erfahrener Lehrkräfte effektiv zu unterstützen. Es gibt noch keine verallgemeinerbare Befundlage zu den Wirkungen oder differentiellen Effekten kohärenter Lehr-Lern-Maßnahmen auf den Kompetenzerwerb von Studierenden, die Unterrichtspraxis oder den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern (Hammerness, 2006). Nachfolgende Abschnitte tragen erste exemplarische Forschungsbefunde zusammen, welche einen Einfluss von Kohärenz auf die Entwicklung professioneller Kompetenz belegen. Kohärenz wird, aus kognitionspsychologischer Perspektive betrachtet, bereits seit geraumer Zeit als wichtiges Element für einen erfolgreichen Wissenserwerb diskutiert. Bereits Ansätze aus den frühen 1990er Jahren betonen die Wichtigkeit einer systematischen Vernetzung von Wissensinhalten. Um eine elaborierte und kognitiv flexible Wissensstruktur sowie folglich auch transferierbare Fähigkeiten zu erlangen, muss das hierfür benötigte Wissen aus verschiedenen Perspektiven und zu verschiedenen Zeitpunkten im Lernprozess erworben und vernetzt werden (Spiro, Feltovich, Jacobson & Coulson, 1992); dies kann ganz im Sinne sowohl konzeptueller als auch zeitlicher Verknüpfungen von Kohärenz interpretiert werden. Dass eine kohärente Ausgestaltung von Studienprogrammen von Studierenden als kohärent wahrgenommen wird und folglich gewinnbringend für die Lehrerbildung sein kann, konnten Canrinus, Klette und Hammerness (2017) in ihrer länderübergreifenden Studie zeigen. Hochschulprogramme, welche durch strukturelle und inhaltliche Neuorganisation explizit Verknüpfungen zwischen theoretischen Inhalten, aber auch zwischen Theorie und Praxiserfahrungen schufen, erzielten bei Studierenden, dass diese kohärenten Verknüpfungen auch als solche wahrgenommen wurden. Aus diesen Ergebnissen kann geschlussfolgert werden, dass Hochschulen Kohärenz aktiv erzeugen und fördern können, um der erlebten Fragmentierung von Studieninhalten und -phasen entgegenzuwirken. Tatto (1996) untersucht mit einer Studie den Einfluss, den Lehrerbildungsprogramme auf die Entwicklung und Veränderung von Einstellungen und Überzeugungen angehender Lehrkräfte nehmen (z. B. Einstellungen gegenüber einer heterogenen Schülerschaft). Kohärenz wurde hier als ein geteiltes Verständnis von Inhalten und ein entsprechendes Arrangement von Lerngelegenheiten auf gemeinsame Lernziele hin konzeptualisiert. Tatto (ebd.) konnte zeigen, dass vor allem diejenigen lehrerbildenden Institutionen einen positiven Einstellungswandel bei Studierenden erzeugten, deren Programme auf übergeordneter, institutioneller Ebene eine kohärente Sichtweise auf diese entsprechenden Werte und Einstellungen einnahmen (im Sinne eines gemeinsamen Leitbilds). In ihrer international vergleichenden Studie im Rahmen von TEDS-M identifizierten Blömeke et al. (2012) verschiedene Kompetenzprofile von Lehrkräften. Dabei
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konnte gezeigt werden, dass die Wahrscheinlichkeit, über signifikant höhere konstruktivistische, schülerorientierte Lehr-Lern-Überzeugungen zu verfügen, durch das Erleben kohärenter Lehr-Lern-Gelegenheiten (als aufeinander abgestimmte Lehr-Lern-Veranstaltungen im Sinne horizontaler und vertikaler Kohärenz) positiv mitbeeinflusst wird. Landeen, Jewiss, Vajoczki und Vine (2013) wiesen nach, dass eine als konsistent wahrgenommen Ausbildung – unter anderem konzeptualisiert über eine fakultätsweite Lernzielorientierung, die Verknüpfungen von Ausbildungsinhalten mit bildungswissenschaftlichen Theorien, transparente Syllabi und Absprachen zwischen verschiedenen Lehrpersonen (gemeinsames Leitbild; horizontale und vertikale Kohärenz) – gerade bei Studienanfängerinnen und Studienanfängern positive Effekte auf die Zufriedenheit mit der Ausbildung hat. Kohärenz als instruktionales Gestaltungsprinzip von Lehr-LernUmgebungen wirkt sich ebenfalls positiv auf motivationale Variablen aus. Dies konnte insbesondere bereits für die Verwendung von Lernzielen gezeigt werden. Positive Effekte einer kohärenten Darbietung verschiedener Ziele (hier: vertikale Verknüpfung von Lern- und Leistungszielen) auf motivationale Variablen zeigten sich z. B. bei Durik und Harackiewicz (2003). Analoge Ergebnisse wurden auch für das schulische Lernen berichtet: Eine kohärente Darbietung von Lernzielen, -aufgaben und -inhalten (vertikale Kohärenz) resultierte bei einer Stichprobe von Schülerinnen und Schülern unter anderem in mehr Identifikation mit dem Thema, einem größeren Interesse und einer erhöhten intrinsischen Lernmotivation (Seidel, Rimmele & Prenzel, 2005). Wenn Erwartungen, die an Studierende während deren Praxisphasen gestellt wurden, systematisch mit den Anforderungen der Hochschule verknüpft waren (im Sinne horizontaler Kohärenz zwischen Theorie und Praxis), berichteten die Studierenden einem größeren erlebten Kompetenzerwerb (McQuillan, Welch & Barnatt, 2012). Die Autoren (ebd.) sprechen sich daher für eine bessere Vernetzung aller Akteure der Lehrerbildung – also gerade auch von Theorie und Praxis – aus. Haben Lernende die Möglichkeit, theoretische mit praktischen Erfahrungen im Studium kohärent zu verknüpfen (horizontale Kohärenz), zeigt dies positive Effekte auf deren wahrgenommenen Wissenszuwachs und Erwerb von Handlungskompetenzen (Smeby & Heggen, 2014). Vergleichbar wiesen Brouwer und Korthagen (2005) nach, dass Studierende, welche zwischen Lernphasen an der Hochschule und Erprobungsphasen im Feld wechselten (horizontale Kohärenz), eine gesteigerte Kompetenz wahrnahmen. Dies zeigte sich unter anderem in einer wahrgenommenen verbesserten Unterrichtsdurchführung durch die verstärkte Nutzung theoretischer Inhalte sowie durch eine vertiefte Reflexion des durchgeführten Unterrichts.
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Auch liegen Befunde zu einem tatsächlich erhöhten Kompetenzerwerb aufgrund von Kohärenz vor. Fortus, Sutherland Adams, Krajcik und Reiser (2015) konnten zeigen, dass curriculare Kohärenz (hier konzeptualisiert als eine wiederholte Verwendung zentraler Konzept im Sinne vertikaler Kohärenz) einen positiven Effekt auf die vertiefte Wissensverarbeitung sowie den Lernzuwachs von Studierenden im Bereich der Physik hat. Hammerness (2006) fand ebenfalls positive Effekte von curricularer Kohärenz auf das Lehrverhalten bei Studierenden. Diese gingen im unterrichtlichen Dialog vermehrt auf ihre Schülerinnen und Schüler ein und nutzten bei der Vermittlung fachwissenschaftlicher Inhalte signifikant häufiger fachdidaktische Elemente, wenn die Nutzung dieser Elemente (im Sinne horizontale Kohärenz) in der Ausbildung verstärkt angeregt worden war. In ihrer international vergleichenden Studie im Rahmen von TEDS-M identifizierten Blömeke et al. (2012) verschiedene Kompetenzprofile von Lehrkräften. Dabei konnte gezeigt werden, dass auch die Wahrscheinlichkeit, in einem Leistungstest (Fachwissen und fachdidaktisches Wissen) signifikant besser abzuschneiden, durch das Erleben kohärenter Lehr-Lern-Gelegenheiten positiv beeinflusst wird. Zwischen Studium und Referendariat kann es auch zu negativen Auswirkungen einer nur als mangelhaft erlebten Kohärenz kommen. Es konnte beispielsweise gezeigt werden, dass ein erhöhtes Beanspruchungserleben von angehenden Lehrkräften im Referendariat zu Stress und emotionaler Erschöpfung sowohl beim Eintritt ins Referendariat als auch beim Berufseinstieg führen kann (z. B. Rothland, 2013; Schaarschmidt, 2005; Zimmermann & Klusmann, 2016). Dieses Beanspruchungserleben ist dabei in Teilen durch eine wahrgenommene mangelhafte Vorbereitung erklärbar, welche sich in unzureichenden Bezügen des Lehramtsstudiums zur beruflichen Praxis (im Sinne horizontaler Kohärenz) zeigt. Positive Wirkungen einer kohärenten Ausgestaltung von Bildungsprogrammen konnten schließlich auch für Lerneffekte bei Schülerinnen und Schülern nachgewiesen werden. In Schulen, welche ihr Programm kohärent umgestalteten (z. B. über curriculare Abstimmungen, gemeinsame Nutzung von Lernmaterialien, Absprachen zwischen Lehrkräften), erzielten die untersuchten Schülerinnen und Schüler signifikante Leistungszuwächse in den Bereichen Lesen und Mathematik (Newmann, Smith, Allensworth & Bryk, 2001). Angehende Lehrkräfte, welche die Möglichkeit erhielten, im Verlauf ihres Studiums theoretische Inhalte mit schulpraktischen Erfahrungen (im Sinne horizontaler Kohärenz), z. B. über Erprobungsphasen, zu verknüpfen, erzielten in ihrem ersten Lehrjahr höhere Lernzuwächse bei Schülerinnen und Schülern als Lehrkräfte, in deren Ausbildungsprogrammen solche Erprobungsphasen nicht vorgesehen waren (Boyd, Grossmann, Lankford, Loeb & Wyckoff, 2009).
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Die berichteten exemplarischen Befunde demonstrieren, wie umfangreich Kohärenz bereits als Leitmotiv genutzt wird, um sinnhafte inhaltliche und strukturelle Verknüpfungen diverser Art in der Lehrerbildung zu verankern. Dabei werden zumeist konzeptuelle Verknüpfungen (horizontal und vertikal) innerhalb der sowie zwischen den Säulen geschaffen, Effekte der Verknüpfungen von Theorie und Praxiserfahrungen untersucht und gemeinsame Leitbilder zur Lehrerbildung bzw. Absprachen auf übergeordneter institutioneller Ebene beforscht. Es zeigt sich, dass eine kohärente Ausgestaltung von Bildungsprozessen positive Wirkungen z. B. auf Einstellungen, Motivation, wahrgenommenen Kompetenzerwerb, unterrichtliches Verhalten und den Kompetenzerwerb von Studierenden bzw. Lehrkräften hat. Auch ein Wissenszuwachs bei Schülerinnen und Schülern aufgrund von Kohärenz in der Lehrerbildung ist nachgewiesen. Diese Befunde stützen somit die Bedeutung von Kohärenz für die Qualität der Lehrerbildung. Diskussion Die Fragmentierung und doppelte Diskontinuität in der Lehrerbildung, welche sich in mangelnden Verknüpfungen zwischen Strukturen, Inhalten und Phasen der Aus- und Weiterbildung zeigt, stellt eine Herausforderung für einen vernetzten Wissens- und Kompetenzerwerb von Lehrkräften dar. Die Hochschule, in welcher die Entwicklung professioneller Handlungskompetenzen angebahnt und das für die berufliche Tätigkeit notwendige Professionswissen zentral erworben wird, muss sich dieser Herausforderung mit neuen und innovativen Lehr-LernKonzeptionen stellen. Kohärenz in der Lehrerbildung beschreibt in diesem Zusammenhang eine systematische Verknüpfung von Strukturen, Inhalten und Phasen des Professionalisierungsprozesses. Das Freiburger Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz differenziert zwischen konzeptuellen (horizontal – vertikal) und zeitlichen (synchron – konsekutiv) Verknüpfungen und erlaubt eine Verortung sowie einen Vergleich verschiedener kohärenter Lehr-Lern-Maßnahmen. Ziel des Vergleichs ist es, transferierbare Aussagen über den Nutzen und die Wirkungen dieser Lehr-LernKonzeptionen zu treffen und die Lehrerbildung zu verbessern. Erste empirische Studien, welche Kohärenz zumeist als vertikale oder horizontale Verknüpfung operationalisieren, zeigen positive Effekte dieser Verknüpfungen auf instruktionale Qualitäten, Einstellungen, Motivation, Studienzufriedenheit und den wahrgenommenen bzw. tatsächlichen Kompetenzerwerb von angehenden Lehrkräften sowie auf den Lernzuwachs von Schülerinnen und Schülern. Das Säulen-PhasenModell der Kohärenz kann zur Verortung und zum Vergleich verschiedener
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kohärenzfördernder Lehr-Lern-Konzeptionen und folglich zur aktiven Schaffung von Kohärenz gewinnbringend herangezogen werden. Die bloße Generierung kohärenter Lehr-Lern-Gelegenheiten von Seiten der Hochschule ist nicht mit einem Wissens- oder Kompetenzerwerb angehender Lehrkräfte gleichzusetzen. Denn die Schaffung von Kohärenz garantiert nicht automatisch, dass diese Kohärenz auch von Studierenden wahrgenommen wird (Canrinus et al., 2015). Ein kumulativer Wissens- und Kompetenzaufbau wird zudem maßgeblich durch die individuelle Nutzung von zur Verfügung stehenden Lerngelegenheiten beeinflusst (Kunter et al., 2011). Umstrukturierungsmaßnahmen der Hochschule bleiben daher möglicherweise erfolglos, wenn die studentische Wahrnehmung und Nutzung augenscheinlich kohärenter Lehr-LernGelegenheiten nicht überprüft und angeregt wird. Zusätzlich fokussieren einige im vorangegangenen Abschnitt genannten Untersuchungen zu Wirkungen von Kohärenz rein auf Selbstberichtsdaten von Studierenden zu deren wahrgenommenem Wissens- und Kompetenzerwerb und nicht auf tatsächliche Kompetenzmessungen. Da Selbstberichte und tatsächliche Leistung jedoch nicht zwingend zusammenhängen, muss die Forschung zu Kohärenz um objektivierbare Daten ergänzt werden (Kunter & Klusmann, 2010). Weiterhin können Maßnahmen zur besseren Vernetzung von Strukturen, Inhalten und Phasen der Lehrerbildung nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn alle relevanten Akteure daran mitbeteiligt sind. Ein geteiltes Verständnis guter Lehrerbildung zu erreichen und dieses über alle Strukturen der Hochschule und anderer lehrerbildender Institutionen gemeinsam umzusetzen, erfordert Zeit und Energie (Darling-Hammond et al., 2005); entsprechend sind zahlreiche Absprachen und Kollaborationen erforderlich (Canrinus et al., 2017; Russel, McPherson & Martin, 2001). Wird Kohärenz nur von wenigen Personen einer Institution verantwortet, bleiben Umstrukturierungsmaßnahmen oftmals diffus und erfolglos (Timperley, 2005). Schließlich wird Kohärenz als Merkmal guter Lehrerbildung teilweise dahingehend kritisch diskutiert, dass ein zu viel bzw. Maximum an Kohärenz den Studierenden keine Möglichkeiten böte, ihren Kompetenzerwerb durch das selbstständige Schaffen von Verknüpfungen aktiv mitzugestalten (Buchmann & Floden, 1991). Die Entwicklung alternativer Denk- und Verhaltensweisen würde somit eingeschränkt (Hammerness, 2006). Da der Lehrberuf von Natur aus mit Dilemmata und Widersprüchen behaftet ist, könnte den Herausforderungen der Profession auch durch die kohärenteste Ausbildung niemals vollständig begegnet werden (Buchmann & Floden, 1991). Folglich sollte Kohärenz als Leitmotiv der Lehrerbildung zwar umgesetzt werden, den Studierenden und Lehrkräften aber auch Freiräume für das Schaffen eigener Verknüpfungen und Denkweisen offerieren. Betrachtet man die bisherigen Maßnahmen und Konzepte, Kohärenz in der Lehrerbildung umzusetzen, wird einerseits deutlich, dass vermehrt Anstren-
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gungen unternommen werden, Strukturen, Inhalte und Phasen der Lehrerbildung systematisch miteinander zu vernetzen. Nichtsdestotrotz sind Ansätze zur Kohärenzschaffung bislang noch nicht an allen bzw. zwischen lehrerbildenden Institutionen umgesetzt und variieren zudem in ihrem Charakter, Umfang und ihrer Wirkung. Weiterhin sind neben eher nahe liegenden Verknüpfungen, z. B. zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik, bestimmte kohärente Verknüpfungen zwischen den Säulen der Lehrerbildung (z. B. Fachwissenschaft und Bildungswissenschaft) bislang kaum in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen gerückt worden, da sie sich als herausfordernder in der Umsetzung erweisen. Ebenso finden sich bislang kaum empirische Arbeiten, welche die Wirkung zeitlicher Verknüpfungen (z. B. konsekutiv über verschiedene Semester des Hochschulstudiums hinweg) explizit untersuchen. Auch die Schaffung von Verknüpfungen über die Hochschulebene hinaus ist in der empirischen Bildungsforschung mit Bezug auf Kohärenz noch wenig thematisiert. Kohärente Strukturen z. B. zwischen verschiedenen Hochschulen, zwischen Hochschulen und anderen an der Lehrerbildung beteiligten Institutionen (z. B. den für das Referendariat zuständigen Staatlichen Seminaren), zu Schulen, Weiterbildungseinrichtungen oder der Verwaltungsebene bedürfen ebenfalls einer vermehrten Anstrengung und Zusammenarbeit aller Akteure. Das Freiburger Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz ist in diesem Zusammenhang als eine Diskussions- und Arbeitsgrundlage zu werten, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Das Modell kann geeigneter Weise für die Verortung, Entwicklung und Erprobung unterschiedlichster kohärenzfördernder Maßnahmen herangezogen werden und erlaubt zudem einen systematischen Vergleich dieser Maßnahmen, welche Strukturen, Inhalte und Phasen der Lehrerbildung sinnhaft in einen Zusammenhang bringen. Die aus den Vergleichen gezogenen Schlussfolgerungen zu den Wirkungen von Kohärenz erlauben in einem nächsten Schritt den Transfer in andere Säulen, Fachbereiche oder Institutionen und können zudem als Orientierung für eine Weiterentwicklung von LehrLern-Konzeptionen, Kooperationen oder auch Strukturen lehrerbildender Institutionen herangezogen werden. In den im vorliegenden Sammelband publizierten Beiträgen werden Konzepte, Modelle und empirischen Befunde aus diversen lehrerbildenden Einrichtungen und Fachbereichen vorgestellt, welche Kohärenz als Leitmotiv umsetzen und damit wichtige Schritte zur Optimierung der Lehrerbildung gehen.
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3 Empirische Befunde zur Bedeutung von Kohärenz in der Lehrerbildung
3.1
Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung der studentischen Kohärenzwahrnehmung im Lehramtsstudium
Jan Henning-Kahmann, Katharina Hellmann Pädagogische Hochschule Freiburg Keywords: Fragebogenkonstruktion, formatives Messmodell, Evaluation horizontaler und vertikaler Kohärenz Der vorliegende Beitrag skizziert die Konzeption, Entwicklung und Erprobung eines Fragebogeninstruments zur Kohärenz in der Lehrerbildung, das auf Basis des Freiburger Säulen-Phasen-Modells entwickelt wurde. Der Fragebogen hat zum Ziel, die Kohärenzwahrnehmung von Lehramtsstudierenden bezüglich ihres Studiums zu erfassen. Hierzu wird sowohl auf die drei zentralen Säulen der Lehrerbildung (Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Bildungswissenschaften) als auch auf die verschiedenen Phasen des Professionalisierungsprozesses im Studium Bezug genommen. Bei der Konzeption wurden verschiedene Ebenen von Kohärenz identifiziert und entsprechende Indikatoren über ein formatives Messmodell operationalisiert. Das daraus entwickelte Instrument wurde in einer explorativen Erhebung am Standort Freiburg eingesetzt und seine messtheoretischen Eigenschaften mithilfe eines varianzanalytischen Ansatzes der Strukturgleichungsmodellierung (PLS-SEM) bestimmt. Die Ergebnisse liefern Nachweise für die Validität der verwendeten Indikatoren sowie die Güte des Messmodells und weisen den Fragebogen für empirische Untersuchungen als geeignet aus.
Einleitung Lehrerinnen und Lehrer benötigen professionsspezifische Kompetenzen, um wirksamen Unterricht für Schülerinnen und Schüler zu gestalten und effektiv auf die Herausforderungen des beruflichen Alltags reagieren zu können. Die erforderlichen professionellen Kompetenzen von Lehrkräften werden durch sich wandelnde gesellschaftliche Anforderungen an das Schulsystem jedoch zunehmend komplexer (z. B. Herzog & Makarova, 2011; KMK, 2004; Rothland, 2013). Darauf muss die Lehrerbildung angehende und erfahrene Lehrkräfte vorbereiten. Eine zentrale Herausforderung ist dabei die bestehende Fragmentierung in der deutschen Lehreraus- und Weiterbildung (z. B. Terhart, 2004). Die daraus resultierende mangelnde Abstimmung zwischen verschiedenen Ausbildungsphasen (Studium, Referendariat und berufliche Tätigkeit), Wissensdomänen (Fachwissen, fachdidaktisches Wissen und bildungswissenschaftliches Wissen) sowie zwischen Theorie und Unterrichtspraxis erschwert die Vernetzung verschiedener Wissensinhalte. Ein profundes und gut vernetztes Professionswissen ist jedoch © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_3
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Jan Henning-Kahmann, Katharina Hellmann
Kern der professionellen Handlungskompetenz von Lehrkräften (Baumert & Kunter, 2006), da in unterrichtlichen Handlungssituationen auf Wissen aus verschiedenen Domänen und Bereichen zurückgegriffen werden muss. Folglich muss ein wichtiges Anliegen der Lehrerbildung sein, die Vernetzung unterschiedlicher Wissensressourcen zu fördern. Für die Beschreibung und Entwicklung vernetzter, professionsorientierter Bildungsstrukturen und Lehr-Lern-Gelegenheiten kann das Konzept der Kohärenz (z. B. Canrinus, Bergem, Klette & Hammerness, 2015; Hammerness & Klette, 2015) als gewinnbringendes Leitmotiv angewendet werden. Beim Generieren kohärenter Lehr-Lern-Gelegenheiten werden strukturelle und inhaltliche Bezüge geschaffen, die es den Lernenden ermöglichen, das jeweils erworbene Wissen über verschiedene Programme, (Lehr)Veranstaltungen und Zeitpunkte als zusammenhängend und sinnhaft zu erleben und zu einer zunehmend komplexeren, inhaltlich verknüpften Wissensstruktur auszubauen. Der Erwerb dieses Professionswissens vollzieht sich dabei vornehmlich an der Hochschule, welche als erste formale Ausbildungsstruktur der Lehrerbildung zentral dafür verantwortlich ist, dieses Wissen für die spätere berufliche Tätigkeit zu vermitteln und somit die Entwicklung professioneller Handlungskompetenz anzubahnen (Kunter, Kleickmann, Klusmann & Richter, 2011). Im Lehramtsstudium sollten Ausbildungsstrukturen und -inhalte daher derart gestaltet sein, dass sie den erfolgreichen Aufbau dieser inhaltlich verknüpften Wissensbasis ermöglichen und entsprechend die Entstehung von trägem Wissen verhindern (Gruber, Mandl & Renkl, 2000). Die Generierung kohärenter Lehr-Lern-Gelegenheiten durch die Hochschule garantiert allerdings noch nicht die Entwicklung entsprechender, kohärenter Wissensstrukturen. Lernen findet nicht als „passiver Automatismus“ (Kunter et al., 2011, S. 62) statt, sondern wird über eine aktive Nutzung von Gelegenheiten durch die Lernenden mit gestaltet. Studierende müssen die Kohärenz zwischen verschiedenen Studieninhalten daher wahrnehmen, um aktiv Verknüpfungen zwischen diesen herzustellen (Canrinus et al., 2015). Diese Wahrnehmung ist somit ein wichtiger Indikator für den potentiellen Erfolg von innovativen Lehr-Lern-Konzeptionen im Studium. Um die Wirkung solcher Konzeptionen zu untersuchen, mögliche Einflussfaktoren auf die Kohärenzwahrnehmung von Studierenden zu identifizieren und daraus sinnvolle Ableitungen für die Gestaltung von Studiengängen, Curricula oder Lehrveranstaltungen zu treffen, wird im vorliegenden Beitrag die Entwicklung und Erprobung eines Fragebogens zur Erfassung der Kohärenzwahrnehmung von Studierenden vorgestellt. Da Kohärenz ein relationaler Begriff ist, der Verknüpfungen zwischen Wissensdomänen beschreibt, bedarf es jedoch zunächst einer Kategorisierung potentieller LehrLern-Maßnahmen, um die Wahrnehmung von Studierenden im Hinblick auf
Entwicklung eines Fragebogens zu Kohärenz
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diese Maßnahmen empirisch erfassen zu können. Hierzu wurde der Kohärenzbegriff in der Lehrerbildung zunächst konzeptualisiert und anschließend in ein Erhebungsinstrument überführt. Das Freiburger Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz Kohärenz ist ein relationaler Begriff, der Verknüpfungen zwischen mindestens zwei Wissensdomänen oder zwei Phasen der Lehrerbildung beschreibt. Um Kohärenz zwischen den Domänen des Professionswissens und zwischen den Phasen der Lehrerbildung systematisch zu erfassen, wurde das Freiburger Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz (siehe Kap. 2 in diesem Band) als Ausgangspunkt gewählt. Die Säulen des Modells repräsentieren die drei zentralen Domänen des Professionswissens von Lehrkräften: Fachwissen, fachdidaktisches Wissen und bildungswissenschaftliches Wissen (z. B. Baumert & Kunter, 2006; Krauss et al., 2004; Shulman, 1987). Das Professionswissen nimmt in allen gängigen Modellen zur Lehrkompetenz einen zentralen Stellenwert ein (z. B. Baumert & Kunter, 2006; Shulman, 1987; Terhart, 2002). Der Bereich der schulpraktischen Studien (Terhart, 2009) wurde um Erfahrungen in Studium und Referendariat sowie Beruf erweitert und bildet als schulpraktische und unterrichtliche Erfahrung die vierte Säule des Modells. Sie beinhaltet Praxiserfahrungen wie z. B. integrierte Semesterpraktika im Studium, Unterrichtssimulationen, Exkursionen, sowie die Berufsausübung in Referendariat und Beruf (siehe Abb. 1). Die Phasen des Modells beschreiben die Abschnitte des Professionalisierungsprozesses einer Lehrkraft. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass der Professionalisierungsprozess einer Lehrkraft im Sinne eines berufsbiographischen Prozesses (Terhart, 2002) nie abgeschlossen ist und immer wieder Möglichkeiten zur Kompetenzerweiterung gegeben sind (Baumert & Kunter, 2006).
Abb. 1: Auszug des Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz in der Lehrerbildung mit Fokus auf das Lehramtsstudium (für das vollständige Modell, siehe Kap. 2 in diesem Band)
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Auch die Schaffung kohärenter Lehr-Lern-Gelegenheiten ist somit über den gesamten Professionalisierungsprozess – von schulischen Erfahrungen, Praktika oder Vorbereitungskursen vor dem Studium, dem Bachelor- und Masterstudium, dem Vorbereitungsdienst bis hin zur beruflichen Tätigkeit und der lebenslangen beruflichen Fort- und Weiterbildung – möglich. Kohärente Verknüpfungen in der Lehrerbildung sind sowohl zwischen den Säulen Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften als auch innerhalb der Säulen möglich, und zwar konzeptionell wie zeitlich. Verknüpfungen innerhalb einer Säule werden im Modell als vertikal kohärent bezeichnet. Bezüge, die zwischen den Säulen erzeugt werden, lassen sich als horizontal kohärent bezeichnen (in Anlehnung an Tylor, 1949). Auch die Verknüpfung von fachlichen, fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Inhalten zu schulpraktischen und unterrichtlichen Erfahrungen wird diesem Verständnis nach als horizontal kohärent bezeichnet, da schulpraktische Erfahrungen sich keiner alleinigen Säule zuordnen lassen. Vielmehr kommt dort idealerweise das Wissen aus allen drei Domänen zum Einsatz, sodass folglich auch Verknüpfungen zwischen diesen Domänen in der Schulpraxis stattfinden. Vertikal und horizontal sind also Beschreibungen konzeptioneller Vernetzung und geben Antwort auf die Frage, welche Bereiche und Aspekte des Studiums miteinander verknüpft werden. Kohärenzmaßnahmen können sich nicht nur konzeptionell, sondern auch in der zeitlichen Abfolge der Bezüge unterscheiden. Werden Veranstaltungen oder Inhalte im Rahmen derselben Lehr-Lern-Einheit (z. B. im selben Semester, Referendariatskurs, in derselben Weiterbildungseinheit) zueinander in Beziehung gesetzt, stellt dies einen synchronen Kohärenzbezug dar. Werden Verknüpfungen über verschiedene (vorangehende wie nachfolgende) Phasen der Lehrerbildung erzeugt, lässt sich dies als konsekutiver Kohärenzbezug bezeichnen. Feinabstufungen sind im Modell dahingehend möglich, dass konsekutive Kohärenz auch innerhalb einer einzelnen Lehr-Lern-Phase erzeugt werden kann, beispielsweise wenn zentrale Inhalte einer Lehrveranstaltung im Semesterverlauf wiederholt in verschiedenen Sitzungen aufgegriffen werden. Eine zentrale Annahme des Modells ist, dass die konzeptionelle (vertikal – horizontal) und zeitliche (synchron – konsekutiv) Dimension der Kohärenzbezüge unterschiedlich kombinierbar sind und dadurch Kohärenzschaffung mithilfe einer Vielzahl verschiedener Maßnahmen ermöglicht wird. Der Charakter der konzeptuellen oder zeitlichen Verknüpfung variiert ebenfalls. Strukturen (z. B. die zeitliche Anordnung von Kursen, die Organisation von Praxiserfahrungen) und Curricula innerhalb des Lehrerbildungssystems können ebenso kohärent verknüpft werden wie Inhalte einzelner Lehrveranstaltungen. Auch personell sind innerhalb von oder zwischen Institutionen und Programmen der Lehrerbildung Bezüge möglich. Strukturelle, inhaltliche oder personelle Verknüpfungen
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können dementsprechend innerhalb jeder Säule der Lehrerbildung sowie zwischen diesen Säulen und über den gesamten Professionalisierungsprozess erzeugt werden. Im vorliegenden Beitrag wird die Konzeption eines Fragebogens skizziert, welcher im Rahmen des Säulen-Phasen-Modells die studentische Wahrnehmung konzeptioneller Vernetzung (vertikal und horizontal) im Lehramtsstudium fokussiert. Die Erfassung der Kohärenzwahrnehmung Das Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz in der Lehrerbildung (siehe Abb. 1) verdeutlicht, dass die Wahrnehmung von Kohärenz kaum adäquat mit nur einem Maß zu erfassen ist. Kohärenz im Studium kann innerhalb von oder zwischen Domänen, Fachbereichen, Phasen und Lehrveranstaltungen in unterschiedlichem Maße wahrgenommen werden. Während beispielsweise Lehrveranstaltungen der Fachwissenschaft als kohärent empfunden werden können, mag dies für Lehrveranstaltungen der Bildungswissenschaften anders aussehen. Auch ist es denkbar, dass fachwissenschaftliche Lehrveranstaltungen eines bestimmten Fachbereichs als kohärenter wahrgenommen werden als die eines anderen Fachbereichs. Des Weiteren kann die wahrgenommene Kohärenz der Fachdidaktik der ersten Phase im Studium durchaus anders als die der Fachdidaktik der zweiten Phase wahrgenommen werden. Zudem tragen auch einzelne Lehrveranstaltungen in unterschiedlichem Maße dazu bei, dass das Studium als strukturell und sinnhaft verknüpft erlebt wird. Weiterhin kann sich auch die Art der wahrgenommenen Verknüpfung unterscheiden: Sowohl die Struktur des Studiums (z. B. der generelle Aufbau von Lehrveranstaltungen) als auch dessen Inhalte (z. B. inhaltliche Verknüpfungen zwischen Lehrveranstaltungen) können innerhalb und zwischen den Säulen verschieden ausfallen. Schließlich können auch Dozierende in differierendem Maße zur Wahrnehmung von Kohärenz im Studium beitragen (z. B. durch explizite Verweise auf andere Lehrveranstaltungen oder Studienphasen etc.). Folglich wird man der Vielfalt von Kohärenz nicht gerecht, wenn man sie mit nur einem einzigen Maß erfasst. Das Konstrukt Kohärenz setzt sich vielmehr aus diversen Teilaspekten zusammen, welche in unterschiedlichem Maße dazu beitragen können, dass das Lehramtsstudium als strukturell und inhaltlich zusammenhängend sowie sinnhaft verknüpft wahrgenommen wird. Bei der Fragebogengestaltung wurde daher darauf geachtet, die Komplexität von Kohärenz über differenzierte Items zu berücksichtigen.
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Fragestellung Ziel des Forschungsprojektes war es zunächst, ein Instrument zu entwickeln, welches die Erfassung der Kohärenzwahrnehmung von Lehramtsstudierenden hinsichtlich ihres bislang durchlaufenen Studiums in Bezug auf die drei Säulen Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften ermöglicht. Weiterhin sollte es im Zuge der Erhebung ermöglicht werden, zwischen Strukturen, Inhalten und anderen Aspekte potentiell kohärenter Lehr-Lern-Maßnahmen zu unterscheiden, woraus in der Folge Implikationen für eine Um- oder Neugestaltung von Lehr-Lern-Maßnahmen an der Hochschule abgeleitet werden können. Die zentralen Fragestellungen lauteten: Inwiefern kann Kohärenz innerhalb der Säulen, also innerhalb der Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften, ebenso wie zwischen den Säulen (z. B. zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik) von Studierenden als vertikale und horizontale Kohärenz wahrgenommen werden? Kann zwischen strukturellen und inhaltlichen Aspekten bei der Kohärenzwahrnehmung unterschieden werden? Darüber hinaus sollte untersucht werden, wie sich die studentische Wahrnehmung horizontaler und vertikaler Kohärenz messtheoretisch modellieren lässt. Methoden Itementwicklung An die theoretische Konzeptualisierung von Kohärenz im Lehramtsstudium über das Säulen-Phasen-Modell schloss sich eine intensive Recherche und Sichtung empirisch überprüfter Instrumente zur Kohärenzerfassung an. Neben Verfahren, die zwar thematisch angrenzend sind, in ihrer Konzeptualisierung jedoch ein anderes Kohärenzverständnis aufweisen (z. B. Brunner, Maier, Gritsch & Jenull, 2009), zeigte sich, dass bislang kaum auf bestehende Instrumente zur Erfassung von studentischer Kohärenzwahrnehmung im Lehramtsstudium zurückgegriffen werden kann. Lediglich im Rahmen zweier groß angelegter, internationalvergleichender Studien im Bildungs- bzw. Lehramtsbereich wurden Items verwendet, bei denen Studierende explizit nach ihrer wahrgenommenen Kohärenz im Lehramtsstudium gefragt wurden. So kam etwa im Rahmen von TEDS-M (Tatto, 2013) bei der Befragung von Mathematiklehrkräften für die Primar- bzw. Sekundarstufe I u. a. eine sechs Items umfassende Skala zur Erfassung von “Kohärenz in der Ausbildung” zum Einsatz (Laschke & Blömeke, 2014). Im Zuge der CATE-Studie (Hammerness & Klette, 2015) wurden darüber hinaus zwei Skalen entwickelt, die zur Erfassung von a) Gelegenheiten zur Verknüpfung einzelner Ausbildungsanteile sowie b) deren wahrgenommener Kohärenz dienten
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(Hammerness, Klette & Bergem, 2014). Trotz zufriedenstellender psychometrischer Eigenschaften sind diese Skalen jedoch nicht geeignet, das hier beschriebene Kohärenzverständnis zu erfassen und empirisch abzubilden. Dies ist v. a. darauf zurückzuführen, dass es den Verfahren insgesamt an einer expliziten inhaltlichen Differenzierung hinsichtlich der einzelnen Säulen und Phasen der Lehrerbildung fehlt, die eine zentrale Voraussetzung zur Messung wahrgenommener vertikaler und horizontaler Kohärenz darstellt. Gleichwohl ließen sich einzelne Items identifizieren, die zur Erfassung von Kohärenz nach dem oben genannten Verständnis geeignet erschienen und sich jeweils der Erfassung von vertikaler oder horizontaler Kohärenz im Lehramtsstudium zuordnen ließen. Diese Items wurden, sofern erforderlich, ins Deutsche übersetzt und im Hinblick auf die hier verfolgte Fragestellung in ihrer Formulierung angepasst. Durch Hinzunahme weiterer Items, die auf Grundlage des Theorie- und Forschungsstandes sowie projektspezifischen Überlegungen neu entwickelt wurden, konnte vertikale Kohärenz schließlich mit sechs Items sowie horizontale Kohärenz mit neun Items abgedeckt werden. Den theoretischen Annahmen folgend wurden die Items für beide Bereiche so formuliert, dass sie zum einen Verknüpfungen aller drei Säulen des Lehramtsstudiums (Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Bildungswissenschaften) umfassten und zum anderen neben einer generellen Kohärenzwahrnehmung auch die Schaffung von expliziten Bezügen (durch die Lehrenden) erfragten (siehe Tab. 1) 1. Um sicherzustellen, dass die Antworten der Studierenden eindeutig einem Fachbereich zugeordnet werden können, wählten die Studierenden zu Beginn der Befragung explizit eines ihrer Studienfächer aus. Alle Fragen, die sich auf die Fachwissenschaft und/oder Fachdidaktik bezogen, wurden stets hinsichtlich dieses einen Faches beurteilt. Zur Beantwortung der Items wurde den Empfehlungen von Menold und Bogner (2015) folgend eine Likert-Type-Skala mit fünf voll verbalisierten Antwortkategorien in aufsteigender Skalenorientierung (stimme nicht zu – stimme eher nicht zu – teils, teils – stimme eher zu – stimme zu) und einer zusätzlichen – visuell abgehobenen – nicht-inhaltlichen (DK-)Kategorie (keine Angabe) verwendet.
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Beteiligte Arbeitsgruppe (in alphabetischer Reihenfolge): Vivian Conrad, Katharina Hellmann, Jan Henning-Kahmann, Christiane Klein, Jessica Kreutz, Anne Liefländer, Laura Lösch, Silke Mikelskis-Seifert, Martin Schwichow, Lena Wessel, Katja Zaki.
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Tab. 1: Beispielhafte Items zur Erfassung vertikaler und horizontaler Kohärenz Bereich: Generelle Kohärenzwahrnehmung
Bereich: Schaffung kohärenter Bezüge durch Lehrende
Vertikale Kohärenz (innerhalb der Säulen)
„Inhaltlich bauten spätere Lehrveranstaltungen der Fachwissenschaft auf früheren auf.“ (Items insgesamt: 3)
„In den Lehrveranstaltungen der Bildungswissenschaften wurden von den Lehrenden explizite Verweise auf andere bildungswissenschaftliche Lehrveranstaltungen gemacht.“ (Items insgesamt: 3)
Horizontale Kohärenz (zwischen den Säulen)
"Es gab inhaltliche Verknüpfungen zwischen den jeweiligen Lehrveranstaltungen aus der Fachwissenschaft und der Fachdidaktik.“ (Items insgesamt: 3)
„In den Lehrveranstaltungen der Fachdidaktik wurden von den Lehrenden explizite Verweise auf Lehrveranstaltungen der Fachwissenschaft gemacht.“ (Items insgesamt: 6)
Um die Stichprobe hinreichend beschreiben sowie ggf. weiterführende Analysen vornehmen zu können, wurden neben demographischen Angaben (z. B. Alter, Geschlecht) vor allem relevante studienbezogene Angaben wie z. B. Abschlussart, Lehramtstyp, Studienordnung, Studiendauer sowie studierte Fächer erfasst. Alle Items und dazugehörigen Instruktionstexte wurden schließlich einem mehrfachen Korrekturverfahren unterzogen sowie mittels kognitiver PretestInterviews (Lenzner, Neuert & Wanda, 2014) hinsichtlich ihrer Verständlichkeit überprüft, um potenzielle Probleme bei der Beantwortung aufzudecken und eine möglichst valide Interpretation der Ergebnisse zu ermöglichen. Datenerhebung und Stichprobe Die Daten wurden zum Ende des Sommersemesters 2017 in Lehramtsstudiengängen an der Pädagogischen Hochschule Freiburg sowie der Albert-LudwigsUniversität Freiburg erhoben. Dazu wurden die Items in Form eines Papierfragebogens 2 in unterschiedlichen Lehrveranstaltungen des Lehramtes durch die Dozierenden ausgegeben und von den teilnehmenden Studierenden auf freiwilliger Basis beantwortet. Die Bearbeitungszeit betrug etwa 15 Minuten. Nach Ausschluss von acht Fragebögen, von denen sieben unvollständig ausgefüllt (über 50 % fehlende Antworten) waren und einer eine ungültige Studienfachwahl zur Beurteilung der Items aufwies, lagen Daten von insgesamt 377
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Der Fragebogen kann zu Forschungszwecken per Email (
[email protected]) bezogen werden.
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Lehramtsstudierenden (66 % weiblich; 33 % männlich) vor, die sich in etwa gleichem Maße auf beide Hochschulen verteilten (PH: 48 %; Universität: 52 %). Während alle Studierenden der Universität ein Lehramt der Sekundarstufe I & II studierten, gaben die Teilnehmenden der Pädagogischen Hochschule zu etwa gleichen Teilen an, ein Lehramt der Primarstufe (23 %) bzw. Sekundarstufe I (25 %) zu studieren 3. Weniger als die Hälfte aller Befragten (42 %) studierte bereits nach der neuen Studienordnung (PO 2015), entsprechend dem BachelorMaster-System für das Lehramt, während die Mehrheit der Studierenden noch eine der vorangegangenen Staatsexamensstudienordnungen, d. h. GymPO 2009 (35 %) bzw. PO 2011 (23 %), angaben. Insgesamt wurden von den Studierenden 22 verschiedene Studienfächer 4 für die Beantwortung der Items ausgewählt, die zu jeweils (knapp) einem Drittel den Bereichen Sprachen, MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) sowie Soziales, Gesellschaft & Wirtschaft entstammten. Das durchschnittliche Alter der Befragten (M = 23.45, SD= 3.42) spiegelte sich in einer entsprechenden Studiendauer wider: So befand sich knapp die Hälfte aller Studierenden zum Zeitpunkt der Befragung im ersten bzw. zweiten Studienjahr sowie weitere 42 % im dritten bzw. vierten Studienjahr. Etwa 10 % wiesen zudem eine darüber hinausgehende Studiendauer auf. Durchführung der Analysen Basierend auf der theoretischen Konzeptualisierung von Kohärenz im Lehramtsstudium (siehe Kap. 2 in diesem Band) wurde zur Erfassung der latenten Konstrukte, vertikaler und horizontaler Kohärenz, ein formatives Messmodell entwickelt. Formative Messmodelle zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Vergleich zu reflektiven Messmodellen von einer umgekehrten Beziehungsrichtung zwischen dem zu erfassenden Konstrukt (latente Variable) und den zur Messung verwendeten Indikatoren (manifeste Variablen) ausgehen (Diamantopoulos & Winklhofer, 2001). Während die Indikatoren in reflektiven Messmodellen eine Auswahl möglicher Erscheinungsformen (Effekte) des Konstruktes sind, die (hoch) miteinander korreliert sein sollten und sich somit prinzipiell auch gegen andere Indikatoren austauschen ließen, stellen sie in formativen Messmodellen die definierenden Merkmale des Konstruktes dar, die dieses als Linearkombina-
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In Baden-Württemberg erfolgt die Lehramtsausbildung schulartspezifisch für das gymnasiale Lehramt (Sekundarstufe II) an den Universitäten und für das Lehramt an Grund-, Werkreal-/Hauptund Realschulen (Sekundarstufe I) an den Pädagogischen Hochschulen. Alltagskultur & Gesundheit, Biologie, Chemie, Deutsch, Englisch, Französisch, Geographie, Geschichte, Informatik, Italienisch, Kunst, Mathematik, Musik, Philosophie/Ethik, Physik, Politik, Politik/Wirtschaft, Spanisch, Sport, Technik, Theologie, Wirtschaft (am häufigsten ausgewählte Studienfächer sind kursiv hervorgehoben).
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tion gleichsam formen bzw. bilden und nicht zwingend untereinander korreliert sein müssen. Wesentliche Kennzeichen formativer Messmodelle sind auf der Ebene der Operationalisierung daher, dass die Indikatoren zum einen inhaltlich unterschiedliche Aspekte abdecken und zum anderen im Falle einer Veränderung ihrer Ausprägungen auch zu einer Veränderung des Konstruktes führen. Während die psychometrischen Eigenschaften reflektiver Messmodelle in der Regel mittels konfirmatorischer Faktorenanalysen oder vergleichbaren Verfahren überprüft werden, muss dazu bei formativen Messmodellen ein regressionsanalytischer Ansatz herangezogen werden. Hierfür stehen im Rahmen der Strukturgleichungsmodellierung (SEM) grundsätzlich ein kovarianzanalytischer Ansatz (CB-SEM) sowie ein varianzanalytischer Ansatz (Partial Least Squares, PLS-SEM) zur Verfügung (Weiber & Mühlhaus, 2014). Zu den wesentlichen Vorteilen der PLS-SEM als vorwiegend exploratives Verfahren zählt dabei, dass es a) sich für kleine und/oder nicht normalverteilte Stichproben eignet, b) eine einfache Integration von formativen (und reflektiven) Messmodellen ermöglicht, c) komplexe Modelle (viele Konstrukte/Indikatoren) mit einem effizienten Algorithmus verarbeitet und d) die erhaltenen Konstruktwerte als Input für anschließende Analysen verwendet werden können (Hair et al., 2017). Darüber hinaus lassen sich mit Hilfe der PLS-SEM auch Modelle höherer Ordnung bzw. hierarchische Komponentenmodelle (Hierarchical Component Models, HCM) überprüfen (Wetzels, Odekerken-Schröder & van Oppen, 2009), weshalb sich dieser Ansatz besonders zur Untersuchung der hier vorliegenden Fragestellung eignet. Um einerseits der Komplexität des theoretischen Konstruktes Kohärenz gerecht zu werden und andererseits eine Operationalisierung auf einem höheren Abstraktionsniveau zu ermöglichen, wurde ein hierarchisch-formatives Komponentenmodell entwickelt (siehe Abb. 2). Darin stellt die vertikale bzw. horizontale Kohärenz jeweils eine Komponente höherer Ordnung (Higher-Order Component, HOC) dar, welche die abstraktere Ebene erfasst. Als Komponenten niedrigerer Ordnung (Lower-Order Component, LOC) wurden gemäß der theoretischen Konzeptualisierung die wahrgenommene Kohärenz innerhalb (vertikal) bzw. zwischen (horizontal) den drei Säulen der Lehrerbildung (Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Bildungswissenschaften) in das Modell aufgenommen, welche die Subdimensionen der beiden höheren Komponente erfassen. Es handelt sich daher im Sinne der von Jarvis, MacKenzie und Podsakoff (2003) eingeführten Typologie hierarchischer Komponentenmodelle um ein formativformatives HCM. Die (mess-)theoretischen Vor- und Nachteile verschiedener Ansätze zur Modellierung und Schätzung von hierarchischen Komponentenmodellen sind in der Literatur gut dokumentiert (z. B. Becker, Klein & Wetzels, 2012; Ringle, Sarstedt & Straub, 2012).
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Abb. 2: Hierarchisch-formatives Komponentenmodell zur wahrgenommenen Kohärenz im Lehramtsstudium Schuberth und Henseler (in review) konnten darüber hinaus jedoch in einem empirischen Vergleich der statistischen Eigenschaften mittels einer Monte Carlo Simulation zeigen, dass sich für Modelle, die Komposite 5 höherer Ordnung enthalten, eine zweistufige HCM-Analyse (Two-Stage-Approach) als ein konsistentes Schätzverfahren erweist. Dabei werden die Konstruktwerte der latenten Variablen sequentiell bestimmt, indem zunächst die Werte der LOCs in einem Modell ohne die HOC geschätzt werden (Schritt 1), um diese anschließend als Indikatoren für die HOC zu verwenden (Schritt 2). Die im Folgenden berichteten Ergebnisse basieren auf Analysen, die nach einem solchen zweistufigen Verfahren vorgenommen wurden. Die entsprechenden Berechnungen wurden mit SmartPLS v. 3.2.7 (Ringle, Wende & Becker, 2015) durchgeführt. Dabei wurden fehlende Werte, die bei sechs Items mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil auftraten (FD1 & BW1: je 27 %; FD2, FW-BW1 & FD-BW1: je 15 %; BW2: 19 %), mittels des paarweisen Fallausschlusses behandelt, bei dem alle verfügbaren Daten der einzelnen Items für die Schätzung der Parameter genutzt werden.
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Da die Dichotomie reflektiv vs. formativ inzwischen als unvollständig gilt (zur begrifflichen Differenzierung siehe Sarstedt, Hair, Ringle, Thiele & Gudergan, 2016), wird hier der Begriff Komposit anstelle (formative) Komponente verwendet.
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Ergebnisse der Gütebeurteilung des formativen Messmodells Die zur Gütebeurteilung formativ spezifizierter Messmodelle angewendeten Kriterien (Hair et al., 2017) werden im Folgenden jeweils für beide Schritte bzw. Ebenen (LOC & HOC) der zweistufigen HCM-Analyse dargestellt und umfassen die Prüfung der (Multi-)Kollinearität der Indikatoren sowie deren Signifikanz und Relevanz im Hinblick auf das zu messende Konstrukt. Ebene 1 (LOC): Kohärenz innerhalb bzw. zwischen den drei Säulen der Lehrerbildung Um die Modellidentifikation sicherzustellen, wurde mit allen sechs auf Ebene 1 vorhandenen Kompositen (siehe Abb. 2) ein voll-rekursives Modell spezifiziert, das unter Verwendung des Pfad-Gewichtungsschemas mittels PLS-Algorithmus geschätzt wurde. Die Überprüfung der Kollinearitätsstatistik anhand des Varianzinflationsfaktors (Variance Inflation Factor, VIF), zeigte mit Werten von < 2, dass bei keinem der Indikatoren ein kritisches Niveau an Kollinearität vorlag (siehe Tab. 2). Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass die Indikatoren auf Ebene 1 (LOC) nur in sehr geringem Ausmaß miteinander korrelierten, was eine anschließende Analyse der Signifikanz der Gewichte sowie eine Betrachtung der Relevanz der Indikatoren ermöglichte. Eine entsprechende Überprüfung mit Hilfe des Bootstrapping-Verfahrens unter Verwendung von 5000 Subsamples ergab, dass sich alle Gewichte signifikant von 0 unterscheiden (siehe Tab. 2) und somit substantiell zur Bildung der einzelnen Komposite beitrugen. Aufgrund der positiven Gütebeurteilung des Messmodells auf Ebene 1 (LOC) konnte im nächsten Schritt eine Evaluation des Messmodells auf Ebene 2 (HOC) vorgenommen werden. Ebene 2 (HOC): Vertikale und horizontale Kohärenz im Lehramtsstudium Gemäß der zweistufigen HCM-Analyse wurden die auf Ebene 1 geschätzten (standardisierten) Konstruktwerte der LOCs exportiert und im zweiten Schritt als Indikatoren eines Modells auf Ebene 2 (HOC) verwendet, das ebenfalls unter Verwendung des Pfad-Gewichtungsschemas mittels PLS-Algorithmus geschätzt wurde. Die Überprüfung der Kollinearitätsstatistik zeigte mit VIF-Werten von < 2.2, dass auch bei den Indikatoren der Ebene 2 (HOC) kein kritisches Niveau an Kollinearität vorlag (siehe Tab. 2) und sie nur in sehr geringem Ausmaß miteinander korrelierten. Das Bootstrapping-Verfahren unter Verwendung von 5000 Subsamples zeigte, dass sich fünf der insgesamt sechs Gewichte signifikant von 0 unterscheiden (siehe Tab. 2) und damit substantiell zur Bildung der beiden Komposite, d. h. vertikaler und horizontaler Kohärenz, beitrugen.
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Tab. 2: Kollinearitätsstatistik (VIF-Werte), relativer Beitrag (äußere Gewichte) und absoluter Beitrag (äußere Ladungen) der zur Bildung der Komposite verwendeten Indikatoren Komposit
Indikatoren
VIF-Werte
Äußere Gewichte
Äußere Ladungen
Ebene 1 (LOC) 1.130 0.642 0.828 1.130 0.579 0.785 FD 1.285 0.594 0.845 1.285 0.572 0.792 BW 1.333 0.718 0.912 1.333 0.425 0.718 FW-FD 1.210 0.354 0.657 1.372 0.654 0.890 1.439 0.250 0.684 FW-BW 1.568 0.403 0.804 1.819 0.402 0.821 1.585 0.393 0.787 FD-BW 1.432 0.547 0.845 1.896 0.231 0.752 1.660 0.431 0.775 Ebene 2 (HOC) Vertikale FW 1.341 0.283 0.626 Kohärenz FD 1.491 0.350 0.745 BW 1.281 0.622 0.866 Horizontale FW-FD 1.667 0.362 0.734 Kohärenz FW-BW 2.107 0.202 (n .s.) 0.791 FD-BW 1.496 0.638 0.895 Anmerkung: Alle Werte (außer für FW-BW) sind signifikant von Null verschieden (p 0.50) und signifikante Ladung. Die relative Relevanz (= Gewicht) dieses Indikators bei der Bildung des Komposits horizontale Kohärenz war daher als vergleichsweise gering einzuschätzen. Da sein absoluter Beitrag (= Ladung) für die Messung des Komposits, d. h. die Information, die der Indikator ohne Berücksichtigung der anderen Indikatoren liefert, hingegen hoch ausfiel, musste dieser nicht aus dem Modell entfernt werden. Um die erhaltenen Werte der Komposite inhaltlich interpretieren zu können
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und somit Aussagen über die Höhe der wahrgenommenen Kohärenz in der Stichprobe zu ermöglichen, wurden die nicht-standardisierten (latenten) Konstruktwerte als gewichtete additive Indices (der Ebenen 1 und 2) exportiert (siehe Tab. 3), die sich auf der verwendeten fünfstufigen Antwortskala (siehe oben) verorten lassen. Dabei zeigte sich, dass die von den Studierenden wahrgenommene Kohärenz sowohl innerhalb als auch zwischen den Säulen durchaus unterschiedlich ausfiel. So wurden die Bildungswissenschaften mit einem Wert von M = 3.03 als lediglich teilweise vertikal kohärent beurteilt, während die Fachwissenschaft ein höheres Ausmaß an wahrgenommener vertikaler Kohärenz (M = 3.43) aufwies. In der Fachdidaktik wurde von den Studierenden schließlich eine etwas überdurchschnittliche vertikale Kohärenz (M = 3.22) wahrgenommen. Diese Indices der Ebene 1 spiegeln sich in einem Indexwert der vertikalen Kohärenz (Ebene 2, HOC) von M = 3.16 wider, der insgesamt nur leicht oberhalb der Mitte der verwendeten fünfstufigen Antwortskala liegt. Die horizontale Kohärenz wurde von den Studierenden mit einem Indexwert von M = 2.82 insgesamt unterdurchschnittlich beurteilt. Dabei zeigte sich zwischen der Fachdidaktik und den Bildungswissenschaften die vergleichsweise stärkste horizontale Kohärenz, die mit einem Wert von M = 2.93 jedoch nur teilweise wahrgenommen wurde. In einem ähnlichen, leicht unterdurchschnittlichen Ausmaß (M = 2.79) wurde die horizontale Kohärenz zwischen der Fachwissenschaft und der Fachdidaktik beurteilt, während zwischen der Fachwissenschaft und den Bildungswissenschaften mit einem Wert von M = 2.25 die geringste horizontale Kohärenz wahrgenommen wurde. Tab. 3: Übersicht der gewichteten additiven Indices der Ebenen 1 und 2 Gewichtete additive Indices der Ebene 1 (LOC): Fachwissenschaft Fachdidaktik Bildungswissenschaften Fachwissenschaft Fachdidaktik Fachwissenschaft Bildungswissenschaften Fachdidaktik Bildungswissenschaften Gewichtete additive Indices der Ebene 2 (HOC): Vertikale Kohärenz Horizontale Kohärenz
3.43 3.22 3.03 2.79 2.25 2.93 3.16 2.82
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Diskussion Der vorliegende Beitrag beschreibt die theoretische Konzeptualisierung, Entwicklung und messtheoretische Modellierung eines Fragebogens zur Erfassung der studentischen Wahrnehmung von Kohärenz in der Lehrerbildung. Das dem Fragebogen zugrunde liegende Säulen-Phasen-Modell erlaubt eine konzeptuelle und zeitliche Differenzierung von Lehr-Lern-Maßnahmen, welche sowohl innerhalb als auch zwischen den Säulen der Lehrerbildung (Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Bildungswissenschaften) auf die Schaffung von Kohärenz abzielen. Der entwickelte Fragebogen zur Kohärenz im Lehramtsstudium bildet sowohl strukturelle wie inhaltliche Aspekte der Kohärenzwahrnehmung von Lehramtsstudierenden ab. In einer ersten explorativen Befragung in Lehramtsstudiengängen am Standort Freiburg konnte gezeigt werden, dass sich ein hierarchisch-formatives Messmodell mithilfe eines varianzanalytischen Ansatzes der Strukturgleichungsmodellierung (PLS-SEM) zur Modellierung von Kohärenz eignet. Geringe Kollinearitätsstatistiken auf beiden Ebenen sowie die auf Ebene 1 durchgängig signifikanten bzw. auf Ebene 2 nahezu vollständig signifikanten relativen und absoluten Beiträge der zur Bildung der Komposite verwendeten Indikatoren können als Nachweise für deren Validität sowie die Güte des Messmodells interpretiert werden. Die Ergebnisse weisen den Fragebogen somit für empirische Untersuchungen als geeignet aus. Es wird daher angenommen, dass sich Kohärenz in der Lehrerbildung nur angemessen mittels eines formativen Komponentenmodells erfassen lässt, das der Komplexität des theoretischen Konstruktes gerecht wird, indem es die Variabilität studentischer Wahrnehmung von Kohärenz in unterschiedlichen Säulen und Phasen der Lehrerbildung explizit berücksichtigt. Eine potentielle Einschränkung hinsichtlich der Belastbarkeit des gewählten Messmodells ergibt sich aus dem relativ hohen Anteil an fehlenden Werten bei sechs der verwendeten Items (15 % bis 27 %). Diese wurden mittels des paarweisen Fallausschlusses behandelt, der im Vergleich zu neueren Verfahren wie z. B. Multiple Imputation oder Maximum Likelihood-Techniken häufig als unterlegen betrachtet wird, da er zu ungenauen bzw. verzerrten Parameterschätzungen führen kann. Newman (2014) zeigt jedoch auf, dass es v. a. bei Analysen auf Konstruktebene (z. B. Komposit-basierte SEM) durchaus legitim sein kann, fehlende Werte mittels paarweisen Fallausschlusses zu behandeln. Auch wenn Befragte nur eines von mehreren zusammengehörenden Items beantwortet haben, ist es demnach ratsam, alle verfügbaren Daten jeder Person für die Repräsentation eines Konstruktes zu nutzen. Dieses Vorgehen kann ebenso im Rahmen formativ spezifizierter Messmodelle angewandt werden, wenngleich mit
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besonderer Vorsicht (Newman, 2014, Appendix B). Ein anderer methodischer Aspekt betrifft die mangelnde relative Relevanz des Indikators FW-BW, d. h. der Kohärenz zwischen der Fach-und Bildungswissenschaft, die sich in einem nicht signifikanten Gewicht zeigt. Dies lässt aktuell die Frage offen, ob inhaltliche Verknüpfungen zwischen diesen beiden Domänen nicht vorliegen bzw. empirisch abbildbar sind, zumal die Befunde (siehe Tab. 3) den entsprechenden Indexwert mit M= 2.25 als relativ gering ausweisen. Theoretisch wie inhaltlich ist dieses Ergebnis jedoch durchaus plausibel bzw. erwartungskonform, da es sich um jene beiden Säulen handelt, die bislang am wenigsten Überschneidungen im Lehramtsstudium aufwiesen. Eine letzte Limitation besteht derzeit noch hinsichtlich möglicher praktischer Implikationen: Ungeachtet seiner messtheoretischen Güte können mithilfe des Instruments bisher noch keine validen Aussagen über das tatsächliche Ausmaß der am Standort Freiburg wahrgenommenen Kohärenz getroffen werden. Da die Anzahl der Studierenden in relevanten Teilstichproben noch zu gering ist, sind bislang keine Vergleiche zwischen Studiengängen, Fachbereichen oder Lehrveranstaltungen möglich, die z. B. mit dem Ziel der Kohärenzsteigerung geplant und durchgeführt wurden. Die bisherige Fragebogenentwicklung und -erprobung eröffnet vielfältige Anknüpfungspunkte für weitere Forschungsvorhaben: Für die nächste Projektphase ist zunächst geplant, die Stichprobe am Standort Freiburg auszuweiten und mehr Studierende unterschiedlicher Studiengänge und Fachbereiche hinsichtlich ihrer Kohärenzwahrnehmung zu befragen. Anhand einer solchen Stichprobe soll eine detailliertere Überprüfung des Messmodells mit ergänzenden Gütekriterien wie z. B. einer Confirmatory Tetrad Analysis (CTA) sowie geeigneten Modell-Fit-Maßen vorgenommen und das Modell ggf. um eine weitere Ebene (HOC 2) zur Erfassung einer „Gesamtkohärenz“ erweitert werden. Die Erhöhung der Fallzahlen pro Analysebereich (z. B. Domäne, Fachbereich, Studienphase) soll dabei aber auch einen ersten Vergleich von Maßnahmen erlauben, die in der studentischen Wahrnehmung strukturelle oder inhaltliche Verknüpfungen schaffen. So könnten bspw. konkrete Studienstrukturen, Lehr-LernUmgebungen, Veranstaltungskonzepte oder Kooperationsformate an Hochschulen, die als kohärent wahrgenommen werden, als Anregung für die Weiterentwicklung von kohärenten Lehr-Lern-Maßnahmen dienen. Auch die Erweiterung des Fragebogens um die Säule der schulpraktischen Erfahrungen und deren Wahrnehmung aus studentischer Sicht ist ein wichtiger Schritt zur Erfassung vorhandener oder noch fehlender Vernetzung im Lehramtsstudium. Zudem könnten Hochschulstandorte und auch Länder miteinander verglichen werden, welche evtl. unterschiedliche Herangehensweisen an die strukturelle und inhaltliche Ausgestaltung des Lehramtsstudiums aufweisen.
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Letztendlich können Ergebnisse zur Kohärenzwahrnehmung in der Lehrerbildung aber nur dann als konstruktvalide bezeichnet werden, wenn aus dem Zuwachs von (wahrgenommener) Kohärenz auch ein erhöhter Kompetenzerwerb bei angehenden bzw. berufserfahrenen Lehrkräften resultiert, welcher sich wiederum in verbessertem Lernen bei Schülerinnen und Schülern zeigt. Die Forschung zur Kohärenzwahrnehmung muss daher um Aspekte der Kompetenzzuwachsmessung bei Lehrenden wie auch bei Lernenden erweitert werden. Die Etablierung kohärenzfördernder Maßnahmen kann somit als notweniger, aber nicht hinreichender Schritt gesehen werden, die Lehrerbildung in Deutschland und folglich den Wissenszuwachs bei Schülerinnen und Schülern dauerhaft zu verbessern. Dieses Ziel wiederum ist nur über ein Forschungsvorhaben mit längsschnittlichem Design zu erreichen und sollte konsequent an den Hochschulstandorten verfolgt werden. Literatur Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9(4), 469–520. Becker, J.-M., Klein, K., & Wetzels, M. (2012). Hierarchical latent variable models in PLS-SEM: Guidelines for using reflective-formative type models, Long Range Planning, 45, 359–394. Brunner, E., Maier, M., Gritsch, A., & Jenull, B. (2009). Die Universität – Ein kohärentes Setting? Prävention und Gesundheitsförderung, 4, 66–70. Canrinus, E. T., Bergem, O. K., Klette, K., & Hammerness, K. (2015). Coherent teacher education programmes: Taking a student perspective. Journal of Curriculum Studies, 1–21. Diamantopoulos, A. & Winklhofer, H. M. (2001). Index construction with formative indicators: An alternative to scale development, Journal of Marketing Research, 38, 269–277. Gruber, H., Mandl, H., & Renkl, A. (2000). Was lernen wir in Schule und Hochschule: Träges Wissen? In H. Mandl & J. Gerstenmeier (Hrsg.), Die Kluft zwischen Wissen und Handeln. Empirische und theoretische Lösungsansätze (S.139–156). Göttingen: Hogrefe. Hair, J. F., Hult, G. T. M., Ringle, C. M., Sarstedt, M., Richter, N. F., & Hauff, S. (2017). Partial Least Squares Strukturgleichungsmodellierung (PLS-SEM): Eine anwendungsorientierte Einführung. München: Vahlen. Hammerness, K. & Klette, K. (2015). Indicators of quality in teacher education: Looking at features of teacher education from an international perspective. International Perspectives on Education and Society, 27, 239–277. Hammerness, K., Klette, K., & Bergem, O. K. (2014). Coherence and assignments in teacher education: Teacher education survey. Oslo: University of Oslo. Herzog, W. & Makarova, E. (2014). Anforderungen an und Leitbilder für den Lehrerberuf. In E. Terhart, H. Bennewitz, & M. Rothland (Hrsg.), Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf (S. 83–102). Münster: Waxmann. Jarvis, D., MacKenzie, S., & Podsakoff, P. (2003). A critical review of construct indicators and measurement model misspecification in marketing and consumer research. Journal of Consumer Research 30(3), 199–218. KMK (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland) (2004). Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004. Abgerufen am 15. Juni 2018 von
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3.2
Studentische Sicht auf Kohärenz im Lehramtsstudium
Tobias Alexander Joos1, Anne Liefländer2, Ulrike Spörhase1 1 Pädagogische Hochschule Freiburg 2 Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Keywords: Kohärenzerleben, Unterrichtsqualität, Angebot-Nutzungs-Modell Lehramtsstudierende sehen sich oftmals mit mangelnder Kohärenz im Studienverlauf konfrontiert – ein Umstand, der sich vor allem durch fehlende Abstimmung von Ausbildungszielen und -inhalten zeigt. Die Perspektive auf das Konstrukt der Kohärenz, die wir einnehmen, verbindet eine bildungswissenschaftliche mit einer gesundheitswissenschaftlichen Sicht, welche sich besonders mit dem Kohärenzerleben auseinandersetzt: Werden Studierende als Adressaten/-innen von kohärenzsteigernden Maßnahmen in den Fokus gestellt, so tragen die drei zentralen Aspekte der Verstehbarkeit, Bewältigbarkeit sowie Bedeutsamkeit wesentlich zum Erleben von Kohärenz bei. In diesem Beitrag werden Kriterien vorgestellt, mit welchen Lehramtsstudierende die Qualität ihres Studiums bezüglich des Kohärenzerlebens in einer qualitativen Befragung beschreiben. Aus den Ergebnissen wird abgeleitet, welche Rolle Kohärenz aus studentischer Sicht einnimmt. Die Befunde werden vor dem übergeordneten Kontext der Unterrichtsqualität diskutiert und Vorschläge der Kohärenzförderung im Studium entwickelt.
Einleitung Die Qualität universitärer Lehrerbildung wird maßgeblich durch die Thematisierung von professionsrelevanten Inhalten, welche den Aufbau professioneller Kompetenzen anbahnen, bestimmt. Weiterhin hängt sie davon ab, wie dieser Aufbau institutionell durch Lehrveranstaltungen und Schulpraktika organisiert wird. Kohärenzfördernde Maßnahmen zielen hier zum Beispiel auf eine Verknüpfung der zentralen Wissensdomänen (Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften). Dabei sollen Lehr-Lern-Gelegenheiten geschaffen werden, die Studieninhalte verschiedener Lehrveranstaltungen miteinander vernetzen und in eine sinnhafte Reihenfolge bringen (Canrinus, Klette & Hammerness, 2017; Darling-Hammond, 2006). Ein „Stolperstein“ auf dem Weg zu einer kohärenten Lehrerausbildung liegt jedoch nicht nur in der Schaffung, sondern gerade auch in der Wahrnehmung von Kohärenz: Selbst wenn sie durch Lehrende hergestellt wurde, gehen diese Maßnahmen nicht zwangsläufig mit erhöhter Kohärenzwahrnehmung aufseiten der Studierenden einher (Canrinus, Bergem, Klette & Hammerness, 2015) oder führen sogar zu einer ganz anderen als der intendierten Wahrnehmung (Clift & Brady, 2005). Deshalb stellt die Erweiterung des Konstrukts der Lehrkohärenz © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_4
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um tatsächliches Kohärenzerleben einen wichtigen Perspektivwechsel in den Bemühungen um Kohärenzförderung dar. Das Kohärenzerleben selbst ist seit vielen Jahren fester Bestandteil gesundheitswissenschaftlicher Forschung und manifestiert sich hier in den drei Dimensionen Verstehbarkeit, Bewältigbarkeit sowie Bedeutsamkeit (Bengel, Strittmatter & Willmann, 2001). Nach Felbinger (2010) können diese drei Komponenten des Kohärenzerlebens als Voraussetzung für erfolgreiche Lernprozesse gelten, da Verstehbarkeit im Aneignungsprozess sowie Bedeutsamkeit als Handlungsgrundlage gefordert sind und die Bewältigbarkeit durch die Erschließung weiterer eigener Ressourcen erhöht wird. Verstehbarkeit bedeutet, Situationen kognitiv sinnhaft wahrzunehmen. Im Kontext von Aneignungsprozessen gründet sich Verstehbarkeit auf die individuelle (Vor-) Erfahrung von Lernenden und hilft bei der Einordnung und Verarbeitung von (neuem) Wissen (Felbinger, 2010). Wie im Freiburger Säulen-PhasenModell (siehe Kap. 2 in diesem Band) deutlich wird, können Maßnahmen zur Schaffung von Kohärenz einen inhaltlichen wie zeitlichen Bezug zu anderen Veranstaltungsteilen einnehmen und haben zum Ziel, mitunter komplexe Wissensstrukturen zusammenzubringen. Damit solche kohärenten Lernprozesse gelingen, kann Verstehbarkeit z. B. über den Einsatz vernetzten Lernens oder metakognitiver Kompetenzen gefördert werden, sodass die zu verknüpfenden, komplexen Inhalte in einem ersten Schritt überblickt und anschließend durchschaut werden können. Bedeutsamkeit als Handlungsgrundlage entscheidet über „die Frage nach dem Sinn einer Erfahrung, einer Handlung, eines Inhaltes“ und somit über die Aufnahme von Lernprozessen (Felbinger, 2010, S. 152): So wird zum Beispiel die subjektive Aneignung von Sinn sowie Selbstreflexion als Beispiele für eine innere Bedeutungszuschreibung innerhalb von Lernprozessen gefordert, um auf der Grundlage individueller Erfahrungen von Lernenden den Sinn einer (Lern-) Erfahrung aufzuzeigen. Die wahrgenommene Bedeutsamkeit entscheidet darüber, mit welchem Engagement Lernprozesse aufgenommen und aufrechterhalten werden. Bewältigbarkeit entsteht durch Copingressourcen, die bei einem Durchlaufen von Anforderungen eingesetzt werden und so zum Empfinden von Bewältigbarkeit beitragen können. Das Ziel für die dritte Komponente ist die Entwicklung von Bewältigungsstrategien, sodass eigene Ressourcen aktiviert und dazu genutzt werden können, Lernprozesse erfolgreich zu absolvieren (z. B. durch selbstorganisiertes Lernen, Felbinger, 2010). Kohärente Lehr-Lern-Formate unterstützen dabei auf unterschiedliche Weise die Copingressourcen ihrer Teilnehmenden.
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Für die empirische Überprüfung des Kohärenzerlebens erscheint uns das Angebot-Nutzungs-Modell (Helmke, 2007) besonders anschlussfähig: Es fokussiert auf die Tatsache, dass Lernprozesse nicht direkt von Lehrpersonen gesteuert werden können. Die Wirksamkeit bereitgestellter Lerngelegenheiten (Angebot) hängt von der Wahrnehmung und Nutzung durch Lernende ab. Die Unterrichtsqualität (Feicke & Spörhase, 2012; Klieme, Lipowsky, Rakoczy & Ratzka, 2006; Seidel & Shavelson, 2007) wird hierbei wesentlich durch die Interaktion der Lernenden (Nutzung) mit dem Angebot bestimmt. Erlebte Kohärenz kann in diesem Zusammenhang als Erfolgsfaktor dafür gesehen werden, inwiefern die Wahrnehmung, Einordnung und Nutzung mehrerer Lerngelegenheiten im Studienverlauf durch die Studierenden gelingt. Wir betrachten die drei gesundheitswissenschaftlichen Kohärenzdimensionen Verstehbarkeit, Bewältigbarkeit und Bedeutsamkeit dabei als mögliche Mediatoren, welche die Wahrnehmung von Kohärenz befördern können. Um die erlebte Kohärenz der Studierenden sowie die vermutete Bedeutung der drei Kohärenzdimensionen auf das Kohärenzerleben zu untersuchen, knüpfen wir mit einem halb-strukturierten Interviewleitfaden an das oben beschriebene Kohärenzkonstrukt an. Dabei untersuchen wir in Gruppeninterviews die Forschungsfrage „Wie und in welchem Ausmaß erleben Lehramtsstudierende Kohärenz in ihrem Studium?“ und ordnen die erhaltenen Aussagen in Hinblick auf die erlebte Wahrnehmung und Nutzung kohärenter Lerngelegenheiten (z. B. inhaltliche Zusammenhänge zwischen Veranstaltungen) sowie kohärenzfördernde Faktoren, die zu Verstehbarkeit, Bewältigbarkeit und Bedeutsamkeit der Studieninhalte beitragen, ein. Auf diese Weise rücken die Studierenden als Adressaten/-innen kohärenzfördernder Maßnahmen in den Mittelpunkt, wobei sich das Erkenntnisinteresse der Befragung auf Kriterien bezieht, die die Wahrnehmung und Nutzung kohärenter Lerngelegenheiten aus Studierendensicht fördern. Methodik Stichprobe Um über das Konstrukt der Kohärenz innerhalb des eigenen Studiums reflektieren zu können, wurden zwölf Lehramtsstudierende (Ø 25.1 Jahre ± 1.1, 3♂, 9♀) aus höheren Semestern (Ø 9.75 Semester ± 1.7) zur Befragung eingeladen. Die Geschlechterverteilung in diesem Studiengang (ca. 70 % weibliche Studierende) spiegelt sich in der Anzahl männlicher und weiblicher Teilnehmender wider. Alle Befragten studierten das Hauptfach Biologie (Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg). Ein Schwerpunkt ihrer Ausbildung liegt im Bereich der fachwissenschaftlichen Wissensdomäne, wes-
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halb biologische Grundmodule zusammen mit Bachelorstudierenden (B. Sc. Biologie) besucht werden. Ein besonderes Interesse für das Fach Biologie (durch Mitarbeit in der Fachschaft, Leitung von Tutoraten) wurde vorausgesetzt. Die Teilnehmenden wurden in Gruppen (jeweils zwei bis drei Interviewpartner pro Gruppe) zur Befragung eingeladen. Instrument Ein halb-strukturierter Interviewleitfaden (Flick, 2006) war Grundlage der Befragung zum Kohärenzerleben im bisherigen Lehramtsstudium (Bengel et al., 2001; Brunner, Maier, Gritsch & Jenull, 2009; Darling-Hammond, 2006; Faltermaier & Dietrich, 2017; Felbinger, 2010). Hierzu wurden Meinungen, Einstellungen und Haltungen der Studierenden innerhalb fünf fokussierter Gruppeninterviews erhoben und auf Vorerfahrungen eingegangen. Der Leitfaden enthält vier thematische Schwerpunkte (siehe Tab. 1). In der Einführung in das Interviewthema (A) wird nach einer ersten offenen Phase zur Einschätzung des Lehramtsstudiums (im Fach Biologie) der Fokus auf das Kohärenzkonstrukt gelegt sowie ein einheitliches Begriffsverständnis mithilfe von Textauszügen (DarlingHammond, 2006) erarbeitet. Der zweite Teil beschäftigt sich mit Kohärenz auf Lehrveranstaltungsebene (B). Hier schätzen die Befragten ein, inwiefern Lehrveranstaltungen des Faches Biologie aufeinander Bezug nehmen und daraus ein veranstaltungsübergreifender Kompetenzaufbau erwächst. Die beiden konzeptionellen Dimensionen der Kohärenz (siehe Kap. 2 in diesem Band) werden vor allem in diesem Abschnitt thematisiert. Ob und inwiefern die Studierenden in der Lage sind, den Aufbau ihres Studiengangs zu durchschauen, ist Gegenstand des dritten Blocks Verstehbarkeit des Studiums (C). Zuletzt wird das erlebte Studium vor dem Hintergrund des Professionswissens (D) reflektiert und die Passung zwischen Inhalten des Studiums und späteren Anforderungen im Berufsalltag eingeschätzt. Es kommt also auf die empfundene Bedeutsamkeit der Inhalte sowie die daraus entstehende Bewältigbarkeit aufgrund gewonnener Kompetenzen an, die die Befragten in diesem Teil einschätzen. Tabelle 1 zeigt eine Zusammenstellung der Befragungsschwerpunkte sowie Beispielitems des Leitfadens. Interviewablauf Nach einer Begrüßung und Information über Datenschutzbestimmungen wurden die Teilnehmenden erneut über die Ziele und Inhalte der Befragung aufgeklärt. Die anschließenden Gespräche wurden mithilfe von digitalen Audiorekordern aufgenommen und die Interviewsituation sowie etwaige Besonderheiten mithilfe von Feldnotizen durch eine zweite Person, die Protokoll führte, festgehalten. Die Interviews dauerten im Durchschnitt ca. 64 Minuten (mind. 50 min, max. 80 min) und fanden in den Räumen der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg statt.
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Tab. 1: Ablauf und thematische Schwerpunkte der Befragung Einführung (A)
„Wenn Sie Änderungen an Ihrem Lehramtsstudium vornehmen könnten, welche Aspekte wären Ihnen generell für das Fach Biologie wichtig?“
Veranstaltungskohärenz (B) als Verbindung von Studieninhalten und -zielen
„Klassischerweise teilen sich die Wissensdomänen im Lehramtsstudium auf in fachwissenschaftliches, pädagogisches und fachdidaktisches Wissen. Können Sie aussagen, inwiefern Sie hier eine Verbindung zwischen Lehrveranstaltungen im Fach Biologie sehen?“ „Würden Sie abschließend sagen, ob und wie Sie durch alle belegten Lehrveranstaltungen und Ihr Studium hinweg einen roten Faden erkannt haben?“
Verstehbarkeit des Studiums (C)
„Empfinden Sie das Lehrangebot als eher zufällig oder aufeinander aufbauend?“
Professionswissen (D) als Beitrag zu Bedeutsamkeit und Bewältigbarkeit
„Glauben Sie, dass die Lehrveranstaltungen im Fach Biologie und deren Inhalte im Lehramtsstudium mit späteren Anforderungen in der Schule abgestimmt sind?“ „Fühlen Sie sich durch Ihre universitäre Ausbildung ausreichend auf die erste Schulpraxis im Referendariat vorbereitet?“
Auswertung Zur Aufbereitung und Analyse des Datenmaterials wurden zunächst relevante Interviewausschnitte mithilfe der Dokumentarischen Methode nach Nohl (2017) identifiziert: Anhand thematischer Verläufe aller Interviews und einer spezifischen Leitfrage erfolgte die gezielte Auswahl von zu transkribierenden Interviewabschnitten. So wurden zunächst Inhalte ausgewählt, die für erfahrene Studierende ganz allgemein die Qualität ihres Studiums bestimmen. Die Abschnitte wurden mithilfe des Programms „f4transkript“ nach Transkriptionsregeln (Kuckartz, 2016) durch die Autoren verschriftlicht und mit der strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2016) ausgewertet. Nach einer hermeneutischinterpretativen Phase wurden entlang der Forschungsfrage Kodierungen am Material vorgenommen. Die Kodiereinheiten wurden inhaltlich bestimmt und so ausgewählt, dass sie thematisch einem Aspekt zuzuordnen sind. Die Kodierungen wurden paraphrasiert und zu Aussagen zusammengefasst. Aus dem verdichteten Material konnten insgesamt 206 Aussagen gewonnen und fünf Kategorien induktiv abgeleitet werden (siehe Tab. 2). Die Reliabilität des nach zwei Durchgängen überarbeiteten Kodiermanuals zeigt im Intrarating (87 %) sehr zufriedenstellende und im Interrating zwischen Erstautor und Zweitautorin (Cohen’s κ = 0.69) gute Übereinstimmungswerte (Kuckartz, 2016).
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Ergebnisse Die Aussagen der Befragten beschreiben Kategorien des Kohärenzerlebens, die aus Sicht der Studierenden besonders relevant für die Qualität eines Lehramtsstudiums sind und die Wahrnehmung von Kohärenz im Studium ermöglichen (siehe Tab. 2). Tab. 2: Identifizierte Kriterien, die aus studentischer Sicht das Wahrnehmen und Erleben von Kohärenz positiv beeinflussen (1) Professionsorientierung bezüglich Inhalt und Aufbau von Veranstaltungen (2) Integration von Theorie-Praxis-Verknüpfungen für einen Schultransfer (3) Sinnstiftende Verknüpfungen professionsrelevanter Veranstaltungen (4) Wertschätzende Wahrnehmung von Lehramtsstudierenden (5) Lehrkompetenz der Lehrenden Anmerkung: Prozentanteil der Kodierungen am Gesamtmaterial, insgesamt 206 Kodierungen
29 % 19 % 26 % 8% 18 %
(1) Professionsorientierung bezüglich Inhalt und Aufbau von Veranstaltungen Ein Anliegen, welches in jedem Gruppeninterview zur Sprache kam und von den Teilnehmenden lebhaft diskutiert wurde, bezieht sich auf die Professionsorientierung. Die Überlegungen der Befragten beziehen sowohl die inhaltliche Ausrichtung, d. h. was mögliche Themen sind, als auch den Aspekt, wie diese Themen handlungsorientiert umgesetzt werden sollten, mit ein. Diese beiden Subkategorien werden nachfolgend vorgestellt. Professionsrelevanz der Inhalte Die Interviewaussagen zeigen hier mangelnde Passung zwischen den in Lehrveranstaltungen erfahrenen Inhalten und den von den Studierenden als relevant erachteten Inhalten auf. Bezüglich der Tiefe und Breite der Inhalte wird auf Schulrelevanz verwiesen. Ja, also generell so der menschliche Körper (…) kommt wirklich ziemlich zu kurz. (…) Also ich finde, da müsste noch mal viel mehr geschaut werden: ‚Ok, was steht im Lehrplan eigentlich für die Biologen drin und was müssen sie eigentlich auch wirklich aus dem Effeff können‘ und da bin ich schon mal gespannt, wie das dann im Ref(erendariat) wirklich laufen wird, also was man sich da noch so alles aneignen muss. (B01: Ja!). GI_1, B02: 165-172
Die Nennung von zentralen Inhalten, die in der Schule „aus dem Effeff“ beherrscht werden sollen, wird häufig mit folgender Argumentation verknüpft: Vertiefungen mit sehr spezifischem Fachwissen (z. B. über einzelne Organismen) sollten zugunsten zentraler Inhalte gekürzt werden. In diesem Zusammen-
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hang werden als „abgehoben“ erlebte Praktika („Chemie für Lehrämtler“ zusammen mit Medizinstudierenden) genannt, welche als kaum professionsorientiert erlebt wurden. Gleichzeitig erscheinen den Befragten vertiefte Einblicke sinnvoll: Ich habe mich gewundert, wenn ich mir den Lehrplan angucke und das, was wir in bestimmten Bereichen in der Biologie wirklich in die Tiefe lernen, wo ich gedacht habe: ‚Das werde ich nie brauchen!‘/ Was ich alles im Praxissemester tatsächlich abrufen konnte und was dann eben bei schlauen/ in meiner schlauen Oberstufe alles an Fragen kamen/ und da war ich heilfroh, dass ich das alles mal in die Tiefe gelernt habe und ich will bloß nicht, dass dieses Studium irgendwann in, in (B12: Abflacht.) ja abflacht und eben nur das abdeckt, was der Lehrplan überhaupt hergibt, (…) und dieses ganze Wissen, was wir in die Tiefe haben, finde ich jetzt persönlich spannend, aber hat mir auch wirklich im Praxissemester wirklich viel gebracht, weil ich dann punkten konnte mit mehr Wissen. GI_5, B11: 31-41
Die Bedeutsamkeit der behandelten Themen stellt aus Sicht der Studierenden ein Qualitätskriterium für Lehramtsstudiengänge dar. Die Bedeutung der Themen ergibt sich für die Studierenden aus einer professionsorientierten Auswahl relevanter Inhalte sowie der tiefergehenden Beschäftigung mit ausgewählten Themen und steht somit in einem Spannungsverhältnis zwischen Übersichtswissen und einer für das fachliche Verständnis förderlichen Vertiefung. Professionsorientierte Auseinandersetzung mit Inhalten Nach Auffassung der Befragten sollte die Universität stärker als Lerngelegenheit wahrgenommen werden, um die Vermittlungskompetenz der Studierenden zu schulen und Inhalte bei Präsentationen mit angemessener Fachsprache zu verbalisieren. So käme man der späteren Tätigkeit in der Schule näher und gäbe dem Diskutieren und Hinterfragen von Inhalten Raum. (…) auf der anderen Seite ist da halt auch viel mit Präsentationen, also dass jeder Student einfach einen Themenbereich bekommt, den er präsentiert und ich glaube, da ist es einfach schon mal auf natürliche Art so ein bisschen reduziert und verständlich/ und gleichzeitig übt man halt auch nochmal vor einer Gruppe zu stehen, was man zum Beispiel in anderen Fächern, wie in Englisch/ hat man das viel mehr, also da muss man eigentlich jedes Semester mindestens drei Präsentationen halten und in Biologie eher weniger, also da war es jetzt nur Oberseminar und Fachdidaktik. Und sonst keine. GI_3, B06: 97-105
Auch im Fach Biologie wünschen sich die Befragten, mehr in ihrer professionellen Entwicklung unterstützt und auf die spätere Tätigkeit im (Fach-)Unterricht („Vermittlungskompetenz“, „gegenseitiges Erklären“) vorbereitet zu werden.
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(2) Integration von Theorie-Praxis-Verknüpfungen für einen Schultransfer Fordert die erste Kategorie ganz allgemein eine Professionsorientierung in Lehrveranstaltungen (z. B. durch die Inhalte, siehe Kategorie 1), so fasst nun diese zweite Kategorie Aussagen zusammen, die lehramtsspezifische Veranstaltungen mit Blick auf die Schulpraxis konkretisieren. Zwei grundlegende Überlegungen der Befragten konnten identifiziert werden: Fachwissenschaftliche Lehrveranstaltungen werden durch weitere schulbezogene Kurse ergänzt oder als fachdidaktischer Kursteil in bestehende Lehrveranstaltungen integriert. Ergänzende (Kurs-)Angebote Die Befragten beschreiben hier, wie der Transfer der rein fachwissenschaftlichen Inhalte aus dem Bachelorstudiengang auf die Schulpraxis zu bewältigen ist. Ein häufig genanntes Beispiel ist das Angebot zusätzlicher Kursteile, in denen Lehramtsstudierende die Inhalte bezüglich einer Thematisierung in der Schule „nachbereiten“. Sie fordern, eine didaktische Reduktion der Themen vorzunehmen, Unterrichtsentwürfe zu gestalten oder fachliche Inhalte auf ihre „Brauchbarkeit“, ihr „Bildungspotenzial“ in der Schule, zu untersuchen. So entstehe die Möglichkeit, in lehramtsunspezifischen Modulen ein professionsorientiertes Angebot zu schaffen und Schulbezug herzustellen. Ja ich könnte mir vorstellen, dass wenn man quasi ein Modul abgeschlossen hat (…) dass man dann nochmal so einen einwöchigen Kurs hätte, wo man speziell auf die Schule das Gelernte überträgt und da vielleicht mal irgendwie so einen (…) Unterrichtsplan entwirft oder einen Stundenplan, also eine einzelne Unterrichtseinheit vielleicht und sich noch einmal genauer anschaut, was steht im Buch drin oder wie tief geht es da in Klasse acht oder so. Könnte ich mir vorstellen, dass das ganz hilfreich wäre. GI_4, B08: 157-164
Integration professionsorientierter Maßnahmen Auf der anderen Seite werden Möglichkeiten vorgeschlagen, den Schulbezug direkt in bestehende Lehre zu integrieren. Hier fokussieren die Studierenden eher auf ein lehramtsspezifisches Angebot, das in reguläre Veranstaltungen integriert wird. Beispiele hierfür sind alternative Leistungsnachweise, wenn Lehramtsstudierende zum Beispiel anstatt Praktikumsprotokollen Unterrichtsentwürfe schreiben oder über „didaktische Zusatzaufgaben“ den Schulbezug in Übungen selbst diskutieren und herstellen müssen. Ist vielleicht gar nicht so eine schlechte Idee, anstelle von normalen Protokollen oder bei einer wissenschaftlichen Zeichnung zu sagen: ‚Macht doch jetzt mal dazu/ (B12: Unterrichtsentwurf.) einen Unterrichtsentwurf‘ (…), dass man das einmal durchstrukturiert und im Kopf durchgespielt hat: ‚Wie würde ich jetzt diesen Stoff aufbereiten?‘ und dass das dann von den Kursadministratoren auch einfach anerkannt wird als Form des Protokolls, weil man da genauso hineindringen muss in den Stoff, wie wenn ich jetzt in mei-
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ner Chemievorlesung da ein Experiment aufschreiben muss, was ich nie so benutzen könnte in der Schule. GI_5, B11: 137-146
(3) Sinnstiftende Verknüpfungen professionsrelevanter Veranstaltungen Diese Kategorie umfasst die studentische Forderung, sinnstiftende Verknüpfungen zwischen den Veranstaltungen im Studienverlauf zu schaffen. Die Befragten geben an, nicht immer einen „roten Faden“ erkannt zu haben. Das Lehrangebot scheint zuweilen willkürlich und nicht aufeinander abgestimmt zu sein. Nur im Rückblick, zum Beispiel während der Examensvorbereitung am Ende des Studiums, wäre der rote Faden erkennbar, der sich vor allem auf den logischen Aufbau der Inhalte und die Zusammenhänge innerhalb der Fachwissenschaft bezieht (Beispiel: Grundlagen der Zellbiologie werden für Immunbiologie benötigt). Das selbstständige Verknüpfen von Inhalten mehrerer Lehrveranstaltungen wäre kaum durch Studierende alleine zu leisten – hierfür wünschten sich die Befragten, dass solche inhaltliche Verknüpfungen durch die Lehrenden aufgezeigt werden. In diesem Kontext wurde das Geben von Querverweisen (z. B. relevantes Vorwissen aus bisherigen Lehrveranstaltungen aktivieren, daran anknüpfen) oder das Anbieten einer Überblicksvorlesung, die Orientierung schafft und Zusammenhänge gleich zu Beginn eines Moduls verdeutlicht, genannt. Auch werden Informationsveranstaltungen als hilfreiches Mittel genannt, um die Kursorganisation transparent zu machen. Als eine Ursache für die mangelnde Verknüpfung nennen die Befragten Lehrveranstaltungen des Bachelorstudiengangs, die sie besuchen müssen. Hier werden die einzelnen Disziplinen der Biowissenschaften relativ unverbunden erlebt, während das Berufsziel Lehramt in den konkreten Vorlesungen und Seminaren keine Berücksichtigung findet. Ja vielleicht dazu auch, dass man so das Gefühl hatte (…) das wurde alles auf die Bachelorleute ausgerichtet und wir Lehrämtler laufen so als (B8: Laufen so mit.) ja, mit halt, genau. Also man ist da, aber irgendwie juckt es halt auch keinen, ob man da ist oder/ also so das Gefühl hatte man oft und dass da eben wenig Bezug genommen wurde, was für uns für die Schule relevant ist, also, wie wir das auch umsetzen können, das ist/ wie gesagt, kam eigentlich de facto gar nicht vor [lacht]. GI_4, B10: 63-71
Die erlebte Ausrichtung der Lehrveranstaltungen auf den Bachelorstudiengang geht mit dem Wunsch nach konkretem Schulbezug bzw. originär lehramtsspezifischen Veranstaltungen einher, die nach Meinung der Befragten bisher zu kurz kommen. Eine Verbesserung wäre durch die Erhöhung des Anteils fachdidaktischer Lehrveranstaltungen denkbar. Generell wurden solche lehramtsspezifischen Kurse auch sehr positiv konnotiert, da sie den späteren Berufsanforderun-
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gen am nächsten kämen und „professionsorientierte“ Brücken zu den rein fachwissenschaftlichen Veranstaltungen schlügen. Also gerade was die Didaktik angeht und wie man jetzt diesen ganzen Stoff, den man lernt, nochmal rüberbringen kann, da zerbricht man sich dann gerade, wenn man ins Praxissemester kommt, unglaublich den Kopf (…) und da merkt man dann erst, wie wenig das überhaupt stattgefunden hat (…) aber dass man das tatsächlich das komplette Studium begleitend hat, dass es nicht immer nur ein Einzelfall ist (…) weil dann ist es präsent, dann macht man sich dauerhaft Gedanken darüber: ‚Wie könnte ich das jetzt aufbereiten? Wie könnte ich jetzt da einen Einstieg finden? Was könnte ich von den Sachen, die ich hier habe, vielleicht als Arbeitsblatt mal umwursteln?‘/ Dass das einfach eine begleitende Funktion hat, weil das ist später, was wir 30 Jahre machen müssen: Dauerhaft uns irgendeinen biologischen Stoff ankucken und uns überlegen: ‚Wie bringe ich den jetzt rüber?‘. Das muss einfach mehr stattfinden. Am besten begleitend, würde ich sagen. GI_5, B11: 84-88, 104-114
Neben der als schwach empfundenen Verbindung zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik wurden keine Lehrveranstaltungen erinnert, die diese zusätzlich mit den Bildungswissenschaften verbinden. Auch pädagogische Inhalte sollten in fachwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen – quasi fächerübergreifend – einbezogen werden. Jedoch gab es auch kritische Bedenken, inwiefern fachliche Inhalte nicht besser getrennt von didaktischen und pädagogischen Inhalten thematisiert werden sollten. (4) Wertschätzende Wahrnehmung von Lehramtsstudierenden Die Qualität eines Lehramtsstudiums sei auch durch eine wertschätzende Wahrnehmung durch Lehrende bestimmt. Die Befragten erinnern gerade solche Veranstaltungen positiv, in denen sie „als Lehramtsstudierende wahrgenommen“ wurden und Lehrende besonderes professionsorientiertes Engagement gezeigt haben. Positiv wurden Verweise auf schulrelevante Themen, die in den Lehrveranstaltungen des Bachelorstudiengangs selten erlebt wurden, sowie allgemeine Überlegungen zum Lernen in der Schule aufgefasst. (…) und deswegen war das auch so erfrischend, (…) durch den Dozent, der das auch angesprochen hat, ja er habe sich schon viel mit Lernen beschäftigt und/ das fand ich dann wirklich erfrischend, mal zu hören: ‚Ok, wir sehen euch auch als Lehrämtler, also ihr seid nicht nur irgendwie halt die Lehrämtler, die da so zwischen den Bachelorn rumsitzen‘/ (B07: Die halt nur soviel ((Geste mit Daumen und Zeigefinger)) Ahnung haben.) Genau! Ja genau, das fand ich in den Veranstaltungen halt sehr gut, dass man da wirklich auch mal so gemerkt hat: Ok, da haben sie sich auch wirklich was überlegt, was auf uns passt und nicht unbedingt nur auf die Bachelorleute. GI_3, B06: 138-146
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(5) Lehrkompetenz der Lehrenden Die Befragten haben zusätzlich eine klare Vorstellung, wie Lehrveranstaltungen methodisch-didaktisch durch Lehrende zu gestalten sind. Ein wichtiger Aspekt beschäftigt sich mit Lernprozessen, die durch eine interessante Aufbereitung schulrelevanter Themen, passende und abwechslungsreiche Prüfungsformen oder zusätzliche E-Learning-Angebote als besonders nachhaltig erlebt wurden. Auch über eine webbasierte mediale Nachbereitung sehen die Studierenden eine gute Möglichkeit, die besprochenen Inhalte zu wiederholen und zu vertiefen. Und auch online hat er einfach viel zusätzlich angeboten, wo man als wie ein Art Lernquiz spielen und durchklicken konnte und dann so wiederholen konnte und ich glaube, das war auch irgendwie gut, dass er halt auf verschiedenen Kanälen da versucht hat, den Inhalt zu präsentieren und das blieb tatsächlich auch einfach hängen dann. GI_3, B07: 10-15
So böten zum Beispiel online einzureichende Übungsaufgaben wiederum eine Chance, lehramtsspezifische Angebote in Bachelorkursen zu implementieren und einen professionsorientierten Anwendungsbezug zu ermöglichen. Diskussion und Ausblick In Bezug zur Forschungsfrage, wie und in welchem Ausmaß Lehramtsstudierende Kohärenz in ihrem Studium erleben, deuten die Ergebnisse auf einen wahrgenommenen Mangel an Professionsorientierung hin. Genau diese verspräche im Kontext späterer Berufsanforderungen eine höhere Anwendbarkeit (durch konkreten Schulbezug thematisierter Inhalte) und könnte die Integration der unterschiedlichen Wissensdomänen (zumindest durch eine Verknüpfung fachwissenschaftlicher mit fachdidaktischen Inhalten) leisten. Zum anderen wird die Verantwortung der Lehrenden bezüglich ihrer Lehrkompetenz hervorgehoben und im Sinne einer wertschätzenden Wahrnehmung deren Sicht auf das Lehramt thematisiert. Professionsorientierte Lehr-Lern-Gelegenheiten, die Inhalte während des Studiums miteinander verbinden und einen veranstaltungsübergreifenden Kompetenzaufbau ermöglichen, werden vor allem den Unterrichtsqualitätsfaktoren klare Strukturierung und Teilnehmerorientierung gerecht. Kohärenz kann deshalb als Zeichen von Unterrichtsqualität im Lehramtsstudium verstanden werden (Canrinus et al., 2017). In einem ersten Schritt kommt es auf die Förderung der Wahrnehmung von Kohärenz durch adäquate Mediationsprozesse an. Deshalb werden die Ergebnisse der Studie nachfolgend in dem übergreifenden Kontext der Unterrichtsqualität diskutiert. Ein seit vielen Jahren allgemein akzeptiertes
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Modell hierzu ist das Angebot-Nutzungs-Modell (Helmke, 2007; Helmke & Schrader, 2017). Die Ergebnisse wurden so in das Modell integriert, dass die Studierenden als Adressaten/-innen kohärenzfördernder Maßnahmen im Mittelpunkt stehen (siehe Abb. 1). Mit Blick auf die Verbesserung der Unterrichtsqualität erscheinen die folgenden drei Aspekte besonders wichtig. Die Wahrnehmung von Kohärenz ist nicht durch Studierende allein zu erreichen Das Kohärenzerleben der Studierenden ist abhängig von der Kohärenz der Lernangebote, den Mediationsprozessen, welche die Wahrnehmung von Kohärenz vermitteln und der tatsächlichen Nutzung der Lernangebote durch die Studierenden (siehe Abb. 1). Die Unterrichtsqualität wird dabei durch Einflussgrößen bestimmt, die zum Kohärenzerleben beitragen können. Hier sollten die Angebotsstrukturen der Lerngelegenheiten unter die Lupe genommen werden – denn zur Organisation der geplanten Lehrprozesse können eine Zielklärung (die zu verknüpfende Lehrinhalte benennt), die Orientierung an diesen Zielen, verwendete Aufgabenstellungen (die Lernaktivität und kohärente Lernprozesse initiieren) sowie die Begleitung und Evaluation des Lernens beitragen (Seidel & Reiss, 2014) und Kohärenzerleben ermöglichen. Erste Hinweise auf derartige Angebote wurden von den Studierenden in Form von Impulsen „von außen“ (Anknüpfen an Vorwissen, Aufzeigen inhaltlicher Verbindungen zu anderen Lehrveranstaltungen, Herstellung von Schulpraxisbezug durch Zusatzaufgaben etc.) erwähnt. Steht also die Wahrnehmung von Kohärenz im Vordergrund, so ist im Sinne des erweiterten Kohärenzkonstrukts Verstehbarkeit gefordert, was bei der Planung kohärenter Lehr-Lern-Gelegenheiten berücksichtigt und durch Mediationsprozesse unterstützt werden kann: Um Verstehbarkeit im Aneignungsprozess zu fördern und Kohärenz wahrzunehmen, können die genannten Impulse helfen, die zu verknüpfenden Wissensstrukturen zu überblicken und neues Wissen mit Vorerfahrungen in Verbindung zu bringen. Die Schaffung struktureller Kohärenz wird wertgeschätzt und als bereichernd empfunden Aus Sicht der Studierenden sollen zentrale schulrelevante Inhalte in den Veranstaltungen thematisiert werden. Zudem geht es darum, Veranstaltungsteile, die Schulbezug ermöglichen, sinnhaft miteinander zu verknüpfen. Über die Hälfte der erhaltenen Aussagen beschäftigt sich mit der Forderung nach professionsorientierten Veranstaltungen, die zusammenhängend thematisiert werden (siehe Ergebniskategorie 1 und 3). Es wird deutlich, dass wenige, aber dafür inhaltlich stark aufeinander aufbauende Veranstaltungen, die zum Beispiel fachliche, professionsorientierte Inhalte thematisieren („menschlicher Körper“) und mit einer
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fachdidaktischen Auseinandersetzung verbinden („Aufbereitung und Durchstrukturierung der Inhalte“), als positives Beispiel hervorgehoben werden. In diesen Punkten zeigen sich die beiden Kohärenzdimensionen der Bedeutsamkeit und Bewältigbarkeit. In vielen Aussagen der Befragten manifestiert sich wahrgenommene Bedeutsamkeit im Professionsbezug, welche dann auch mit scheinbar gesteigertem Engagement einhergeht (GI_3, B06: 138-146: „wirklich erfrischend, mal zu hören: ‚Ok, wir sehen euch auch als Lehrämtler‘/ (…) da haben sie sich auch wirklich was überlegt, was auf uns passt und nicht unbedingt nur auf die Bachelorleute.“). Werden die als bedeutsam erachteten Inhalte anschließend noch professionsorientiert behandelt (GI_5, B11: 137-146: ‚Macht doch jetzt mal dazu (…) einen Unterrichtsentwurf‘ (…), dass man das einmal durchstrukturiert und im Kopf durchgespielt hat: ‚Wie würde ich jetzt diesen Stoff aufbereiten?‘ (…)), wird Bewältigbarkeit aus Sicht der Studierenden sowohl in Hinblick auf das spätere Berufsziel als auch zur Verknüpfung zweier Studieninhalte gefördert. Eine Steigerung der Wertschätzung von Lehramtsstudierenden kann das Ausmaß des Kohärenzerlebens positiv beeinflussen In den Aussagen der Befragten kommt der Wunsch nach wertschätzender Wahrnehmung zum Ausdruck, welche ihrer Meinung nach (gerade in Veranstaltungen des polyvalenten Bachelorstudiengangs) zuweilen fehlt. Ein unterstützendes und teilnehmerorientiertes Sozialklima kann durch die Erkenntnisse der Unterrichtsforschung jedoch als empirisch belegte Basisdimension guten Unterrichts gelten (z. B. Klieme et al., 2006) und stellt eine wichtige Komponente unterrichtlicher Lerngelegenheiten dar (Feicke & Spörhase, 2012; Seidel & Shavelson, 2007). Eine Lernatmosphäre, die von Engagement für Lehramtsstudierende geprägt ist, könnte zum Beispiel begleitende Reflexionsaufgaben („didaktische Zusatzaufgaben“) oder professionsorientierte Prüfungsformate („Unterrichtsentwürfe“) berücksichtigen und somit Studierende bei ihrem professionsorientierten Kompetenzaufbau unterstützen.
Abb. 1: Kohärenzwahrnehmung der Studierenden im Angebot-Nutzungs-Modell (nach Feicke & Spörhase, 2012; Helmke & Schrader, 2017, verändert)
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Schlussfolgerungen Anhand der vorgestellten Befunde lassen sich weitreichende Schlussfolgerungen zur Förderung von Kohärenz und damit der Qualität der Lehre formulieren. Lehrende sollten professionsorientierte Veranstaltungen mit Schulpraxisbezug anbieten (Struktur des Angebots, siehe Abb. 1), diese Veranstaltungen zu einem sinnstiftenden Studienangebot über einzelne Fächer hinweg vernetzen und Lehramtsstudierende genauso wertschätzen wie andere Studierende (siehe Kap. 2 in diesem Band). Bedeutsamkeit und Bewältigbarkeit können hier aus studentischer Sicht als wesentliche Auswahlkriterien gelten, wenn es zum Beispiel um Überblicks- und Vertiefungswissen sowie professionsorientierte Prüfungsformate geht. Die vorgeschlagenen Kriterien können kohärente Lernprozesse durch wahrgenommene Bedeutsamkeit als Handlungsgrundlage sowie Bewältigbarkeit aufgrund eigener Ressourcen befördern. Der Komponente der Verstehbarkeit kommt bei der Wahrnehmung von Kohärenz eine besondere Bedeutung zu. Eine explizite Thematisierung von zu verknüpfenden Inhalten scheint angebracht, um Impulse „von außen“ zu setzen und die Bedeutung notwendiger Vorerfahrungen (bisherige oder parallele Lehrveranstaltungen, Überblicksvorlesungen etc.) zu verdeutlichen. Für die Vernetzung zu einem sinnstiftenden Studienangebot sind mit Fachvertretern/-innen und Studierenden besetzte Studienkommissionen nötig, die sich mit der Abstimmung von Inhalten und Kompetenzen über die Fächergrenzen hinweg auseinandersetzen und dabei auf eine kohärente professionsorientierte Lehrerausbildung fokussieren. Ähnliche Schlussfolgerungen ziehen z. B. Canrinus und Kollegen (2017), die Absprachen in der Gestaltung und Organisation universitärer Lerngelegenheiten für den kohärenten Kompetenzaufbau als wesentlichen Erfolgsfaktor beschreiben. Anknüpfend an die hier vorgestellten Befunde kann als eine erste wirksame Maßnahme die Konzeption von einzelnen kohärent aufeinander abgestimmten Veranstaltungsmodulen angesehen werden. So könnte strukturelle Kohärenz zunächst durch einzelne Ausbildungsmodule (z. B. Germ, Müller & Harms, 2013) ausgebaut und anschließend über die Fächergrenzen hinweg (z. B. McQuillan, Welch & Barnatt, 2012) hergestellt werden, wobei das Studienangebot bezüglich der Verstehbarkeit, Bewältigbarkeit sowie Bedeutsamkeit überprüft werden sollte. Tabelle 3 zeigt eine Zusammenstellung exemplarischer Schlüsselfragen, die hierbei hilfreich sein können.
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Tab. 3: Vorschläge zur Förderung der Kohärenzwahrnehmung durch Abstimmung und Vernetzung von Studienangeboten Kohärenzdimension
Verstehbarkeit
Bedeutsamkeit
Bewältigbarkeit
Mögliche Schlüsselfragen • An welches Vorwissen aus bisherigen/parallelen Veranstaltungen kann über die Fachgrenzen hinweg zurückgegriffen werden? • Steht die Veranstaltung in Zusammenhang mit weiteren Ausbildungsteilen? Werden Zusammenhänge explizit gemacht? • Wie können Zusammenhänge im Studienverlauf und über Fächergrenzen hinweg expliziert werden? • Wird professionsorientiertes Wissen und Können vermittelt und ist es Gegenstand von Studienleistungen? • Kann ein Schulpraxisbezug (z. B. über professionsorientierte Themen/professionsorientierte Auseinandersetzung) in die Veranstaltung integriert werden? • Wird die Bedeutung der zu erzielenden Kompetenzen explizit thematisiert? • Können die Kompetenzen unter den angegebenen Umständen (z. B. Zeit, Veranstaltungsform, Studienverlauf) erzielt werden? • Werden Kompetenzen aus verschieden fachlichen Kontexten angebahnt und sind Übungsphasen eingeplant?
Methodische Limitationen Die vorgestellten Ergebnisse sind vor dem Hintergrund zweier limitierender Aspekte zu lesen. Zum einen bestand die Gruppe der Befragten aus Studierenden, die sich in besonderer Weise im Fach engagiert haben (z. B. als Mitglied der Fachschaft). Diese Auswahl wurde bewusst vorgenommen. So sollte ein höheres Reflexionsniveau bezüglich der erlebten Kohärenz im bisherigen Studium erzielt werden (Bortz & Döring, 2006), denn die Annahme bestand darin, dass sich diese Stichprobe in höherem Maß mit Fragen der Studierbarkeit, Curricula und Prüfungsmodalitäten auseinandersetzt. Zum anderen ergibt sich eine Limitierung aus der Anzahl befragter Studierenden, sodass zu empfehlen ist, die Befunde dieser Interviewstudie in größeren Stichproben quantitativ zu überprüfen. Literatur Bengel, J., Strittmatter, R., & Willmann, H. (2001). Was erhält Menschen gesund? Antonovskys Modell der Salutogenese – Diskussionstand und Stellenwert. Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung, 6. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Bortz, J. & Döring, N. (2006). Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. Heidelberg: Springer.
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3.3
Lehramtsstudierende im Fach Mathematik – Wie hilft uns die Analyse von Lernvoraussetzungen für eine kohärente Lehrerbildung?
Stefanie Rach Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Keywords: kognitive und motivationale Lernvoraussetzungen, Studieneingangsphase, Mathematikstudium Der Übergang in ein Lehramtsstudium im Fach Mathematik ist häufig mit Problemen verbunden, was hohe Studienabbruchquoten anzeigen. Durch eine stärkere Kohärenz des fachlichen, universitären Lehrangebotes zu dem schulischen Lehrangebot in der Studieneingangsphase könnten die Probleme beim Übergang gemildert wird. Diese Kohärenz ist auf den ersten Blick schwierig zu erreichen, da sich der Lerngegenstand Mathematik zwischen Schulunterricht und Hochschulstudium deutlich unterscheidet. Nutzt man jedoch stärker die von den Studierenden mitgebrachten Lernvoraussetzungen, z. B. Fähigkeiten, Selbstkonzepte und Interessen, bei der Konzipierung des Lehrangebotes, ist eine Verbesserung vorstellbar. Anhand empirischer Untersuchungen werden die Lernvoraussetzungen von (gymnasialen) Lehramtsstudierenden im Vergleich mit denen von Fachstudierenden beleuchtet und mit Vorschlägen zur organisatorischen und inhaltlichen Ausgestaltung des Lehrangebotes in Verbindung gesetzt. Anhand der Lernvoraussetzungen ist nicht klar herauszustellen, dass beispielsweise eine organisatorische Trennung von Lehrveranstaltungen in die beiden Studiengänge Fach und Lehramt notwendig ist. Jedoch könnte die Trennung anhand der Ziele der verschiedenen Studiengänge begründet werden. Weitere Vorschläge, z. B. zur Etablierung neuer Lehrveranstaltungen, werden anhand der vorliegenden Lernvoraussetzungen der Studierenden diskutiert.
Einleitung Als ein wichtiges Element der Lehrerbildung ist das Hochschulstudium zu sehen, da in diesem die wissenschaftliche Grundlage für die spätere praktische Bildung im Referendariat gelegt wird. Insbesondere im ersten Studienjahr in MINT 1Studiengängen, in welche sowohl Fachwissenschaftsstudierende als auch Lehramtsstudierende eingeschrieben sind, werden hohe Studienabbruchquoten berichtet (Heublein, Richter, Schmelzer & Sommer, 2014). Eine viel diskutierte Möglichkeit, die Studienabbruchquote zu verringern, liegt in der Verbesserung der Passung zwischen den Lernvoraussetzungen der Studierenden und dem Lehrangebot in der Studieneingangsphase (Nagy, 2006; Rach, 2014). Bei dieser
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MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_5
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Anpassung sollten auch die spezifischen Ziele eines Lehramtsstudiums beachtet werden, die sich aufgrund der lehramtsspezifischen, beruflichen Orientierung von den Zielen eines Fachstudiums unterscheiden. In diesem Beitrag werden am Beispiel des gymnasialen Lehramtsstudiums im Fach Mathematik affektive und kognitive Lernvoraussetzungen der Studierenden analysiert. Im Vergleich zu den Lernvoraussetzungen von Fachstudierenden wird deutlich, dass durch eine stärkere vertikale, konsekutive Kohärenz im fachwissenschaftlichen Lehrangebot insbesondere die Passung mit den Lernvoraussetzungen der Lehramtsstudierenden angestrebt werden kann. Diese Kohärenz kann u. a. durch die Verknüpfung von aus der Schule bekannter Fachinhalte und mit Inhalten der Hochschule geschaffen werden. Bedeutung von Übergängen für universitäre Lehr-Lern-Prozesse Die Lehrerbildung besteht aus mehreren aufeinander aufbauenden Phasen: dem wissenschaftlichen Hochschulstudium, dem praktischen Referendariat und der späteren beruflichen Fort- und Weiterbildung. Zudem ist das eigene schulische Lernen als eine informelle Lerngelegenheit für den Erwerb fach- und fachdidaktischen Wissen angehender Lehrkräfte zu berücksichtigen (Kleickmann, Richter, Kunter, Elsner, Besser, Krauss & Baumert, 2013). Wenn man diese Erfahrung als Schülerin bzw. Schüler als ersten Schritt in der Lehrerbildung ansieht, dann sind zwei institutionelle Übergänge in der Lernbiographie von einer angehenden Lehrkraft zu meistern – der Schritt von der Schule zur Hochschule und wieder zurück an die Schule. An institutionellen Übergängen sind neben den Anforderungen, die sich aus veränderten Lernprozessen ergeben, weitere spezifische Herausforderungen zu bewältigen, wie z. B. der Aufbau einer neuen PeerGruppe. Gerade deshalb ist bei Übergängen wichtig, dass sich keine inhaltlichen und methodischen Brüche zu den Vorerfahrungen der Lernenden ergeben, sondern ein kohärenter Lernprozess ermöglicht wird (Hefendehl-Hebeker, 2013; Heinze & Grüßing, 2009). In diesem Beitrag steht der Übergang von der Schule zur Hochschule im Mittelpunkt. Sowohl aus Angebots-Nutzungs-Modellen zur Lehrqualität (Helmke & Schrader, 2010) als auch aus Theorien zur Person-Umwelt-Passung (Nagy, 2006) lässt sich schlussfolgern, dass eine Passung zwischen Merkmalen der Studierenden (z. B. individuellen Lernvoraussetzungen) und Merkmalen der Lernumwelt (z. B. Qualität des Lehrangebots) einen starken Einfluss auf die Effektivität von Lehr-Lern-Prozessen hat (z. B. Helmke & Schrader, 2010; Rach, 2014; siehe Abb. 1).
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Abb. 1: Bedeutung der Passung zwischen Studierendenmerkmalen und dem Lehrangebot für den Studienerfolg Dieser Beitrag fokussiert auf das Lehramtsstudium mit Fach Mathematik. In der Literatur werden zwei Veränderungen im Lehren und Lernen diskutiert, die beim Übergang von der Schule in ein Mathematikstudium (Fachstudium oder gymnasiales Lehramtsstudium) auftreten: (i) die Veränderung des Lerngegenstandes von einer anwendungsorientierten und z. T. schemaorientierten Schulmathematik zu einer wissenschaftlichen Mathematik, die auf formalen Begriffsdefinitionen und deduktiven Beweisen fußt (Gueudet, 2008; Witzke, 2015); (ii) die Veränderung von einem durch die Lehrkraft angeleiteten Lernen zu einem stärker selbstständigen Lernen (Wild, 2005). Als ein Beispiel für Veränderung (i) dient die Begriffsbildung: In der Schule wird ein Begriff häufig an mentalen Vorstellungen festgemacht (concept image), in der Hochschule wird mit einem Begriff oft anhand einer formalen Definition gearbeitet (concept definition) (Tall & Vinner, 1981). Veränderung (ii) hängt z. T. auch damit zusammen, dass universitäre Fachveranstaltungen von Fachwissenschaftlerinnen bzw. Fachwissenschaftlern gestaltet werden, die häufig geringer als schulische Lehrkräfte (hochschul)didaktisch ausgebildet sind. Somit leiten die Hochschuldozierenden möglicherweise weniger den Lernprozess an als schulische Lehrkräfte. Zudem fällt es einigen Dozierenden an der Hochschule schwer einzuschätzen, mit welchen Lernvoraussetzungen Studierende ihr Studium beginnen (Clark & Lovric, 2009). Ziele eines Lehramtsstudiums Das berufliche Ziel eines Lehramtsstudiums ist im Gegensatz zu vielen anderen Studiengängen von vornherein klar: das spätere Unterrichten an einer Bildungsinstitution. Aus diesem Grund sind die Kompetenzen, die eine Lehramtsstudentin bzw. ein -student erwerben soll, an den Anforderungen des späteren Berufs-
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lebens orientiert. Nach dem KMK-Anforderungskatalog (2008) sollten Studierende neben dem fachdidaktischen Wissen sowohl über anschlussfähiges Fachwissen als auch über Erkenntnis- und Arbeitsmethoden des Faches verfügen. Für das Fach Mathematik bedeutet dies konkret, dass die Studierenden sowohl die deduktiv geordnete Mathematik als Theoriegebäude kennenlernen als auch explizit „Bezüge[n] zur Schulmathematik“ (KMK, 2008, S. 38) herstellen sollten. Dreher, Lindmeier, Heinze und Niemand (2018) adressieren aufgrund der Diskrepanz zwischen akademischer und Schulmathematik einen dritten Wissensbereich von fachlichem Wissen für Lehramtsstudierende, den sie als „schulbezogenes Fachwissen“ bezeichnen (Dreher et al., 2018, S. 2) bezeichnen. Unter diesem schulbezogenen Fachwissen verstehen sie sowohl das Wissen über die (Begründung der) curriculare(n) Struktur als auch das Wissen über Zusammenhänge zwischen Schul- und akademischer Mathematik in top-down- als auch bottomup-Richtung. Bedeutung von Lernvoraussetzungen für erfolgreiche Lernprozesse An Übergängen im Bildungsprozess werden Lernvoraussetzungen eine zentrale Rolle für erfolgreiche Lernprozesse eingeräumt (Heinze & Grüßing, 2009). Als wichtige Lernvoraussetzungen werden in der Literatur sowohl kognitive, z. B. fachliches Vorwissen, schulische (Vor)Leistung, als auch affektive Merkmale, z. B. fachspezifisches Selbstkonzept und fachspezifisches Interesse, diskutiert. Diese Merkmale bilden nicht nur den Ausgangspunkt neuen Lernens, da beispielsweise neu zu erwerbendes Wissen an schon vorhandenes Wissen anzuknüpfen ist, sondern sie beeinflussen auch substanziell den Lernprozess. Dieses wird anhand der folgenden Wirkungskette untermauert: Hohes Fachinteresse führt zu mehr Engagement in Lernprozessen, was wiederum zu höherem Lernerfolg beiträgt (Hidi & Renninger, 2006; Schiefele, Streblow & Brinkmann, 2007). Empirische Arbeiten zu Lernprozessen in verschiedenen Studiengängen berichten heterogene Erkenntnisse: Während sich sowohl das fachliche Vorwissen (Hailikari, Nevgi & Komulainen, 2008) als auch die schulische Leistung in Form der Abiturnote (Richardson, Abraham & Bond, 2012; Trapmann, Hell, Weigand & Schuler, 2007) als bedeutende Prädiktoren für den Studienerfolg gezeigt haben, ist die Rolle von fachspezifischem Selbstkonzept und Interesse bislang unklar (Hailikari et al., 2008; Nagy, 2006; Schiefele et al., 2007). Spezifisch für die Studienzufriedenheit konnten das Fachinteresse (Blüthmann, 2012), die intrinsische Studienwahlmotivation (Künsting & Lipowski, 2011) und adäquate Erwartungen an die inhaltlichen Anforderungen (Rach, Heinze & Ufer, 2014) als Prädiktoren identifiziert werden.
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Aufgrund der Bedeutung kognitiver und affektiver Lernvoraussetzungen für den Studienerfolg stellt sich die Frage, mit welchen Ausprägungen in diesen Lernvoraussetzungen Lehramtsstudierende ihr Studium beginnen. Da absolute Aussagen schwer zu treffen sind, werden häufig Vergleichsstudien von Lehramtsstudierenden mit anderen Studierendengruppen, z. B. mit Fachstudierenden des gleichen Faches, durchgeführt. Bisherige Studien weisen darauf hin, dass Fachstudierende insgesamt als leistungsstärker anzusehen sind, z. B. was die schulische Leistung (im Vergleich zu nicht-gymnasialen-Lehramtsstudierenden, Neugebauer, 2013), das Vorwissen (Mathematik: Buchholtz & Kaiser, 2013; Physik: Woitkowski, 2017), das Selbstkonzept (Chemie: Klostermann, Hoeffler, Anschütz, Busker & Parchmann, 2014) und das Fachinteresse (im Vergleich zu nicht-gymnasialen-Lehrkräften, Neugebauer, 2013; Mathematik: Blömeke, 2009) betrifft. Im Vergleich von Lehramtsstudierenden verschiedener Fachgruppen konstatieren Kaub et al. (2012), dass sich MINT-Lehramtsstudierende durch günstigere kognitive Lernvoraussetzungen auszeichnen, jedoch eine geringere Studienzufriedenheit aufweisen als Nicht-MINT-Lehramtsstudierende. Inhaltliche und methodische Ausgestaltung von Lehrangeboten Die Ausgestaltung von Lehrangeboten orientiert sich erstens an den Zielen, die durch das Lehrangebot erreicht werden sollen (siehe Abschnitt „Ziele eines Lehramtsstudiums“). Zweitens stellt das Lehrangebot ein Angebot dar (Helmke & Schrader, 2010), dessen Wirkung von unterschiedlichen Faktoren abhängt. Generell sollte es so gestaltet sein, dass Lernende mit Hilfe ihrer mitgebrachten Lernvoraussetzungen dieses Angebot erfolgreich nutzen können (siehe Abschnitt „Bedeutung von Lernvoraussetzungen…“). Diese normativ bzw. theoretisch begründeten Kriterien an das Lehrangebot werden durch empirische Untersuchungen spezifiziert. In einem aktuellen, systematischen Review haben Schneider und Preckel (2017) beispielsweise als ein wichtiges Qualitätskriterium das Kriterium „stimulating meaningful learning“ identifiziert (Schneider & Preckel, 2017, S. 6). Ein wichtiger Indikator dieses Kriteriums ist das Herstellen von Bezügen zwischen Lerninhalt und Lernende, so dass diese den Lerninhalt mit ihrem Vorwissen bzw. ihren Interessenslagen verknüpfen können (auch Nowakowski, Vervecken, Braun & Hannover, 2012). Dieses Qualitätskriterium wird häufig mit einer studierendenorientierten Vorgehensweise assoziiert, welche vor allem in naturwissenschaftlichen Studiengängen im Vergleich zu sozialwissenschaftlichen Fächern weniger anzutreffen ist (Lindblom-Ylänne, Trigwell, Nevgi & Ashwin, 2006; Lübeck, 2010).
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Im Folgenden werden konkrete, aktuelle Vorschläge zur Veränderung des Lehrangebotes in der Studieneingangsphase eines Mathematikstudiums präsentiert. Diese Vorschläge werden in der Diskussion dieses Beitrages dann vor dem Hintergrund der Lernvoraussetzungen der Lernenden beleuchtet. Die drei Vorschläge sind auf verschiedenen Ebenen anzusiedeln: (1) Etablierung neuer Lehrveranstaltungen in Form von Übergangsveranstaltungen zwischen Schule und Hochschule (2) Weiterentwicklung fachlicher Lehrveranstaltungen a) Verknüpfung zwischen Schul- und akademischer Mathematik b) Fokussierung auf schulbezogenes Fachwissen für Lehramtsstudierende (3) Steigerung der Kommunikation zwischen Dozierenden und Studierenden (1) In der Studieneingangsphase Mathematik werden klassischerweise Lehrveranstaltungen zur „Analysis“ und zur „Linearen Algebra“ angeboten. In aktuellen Projekten zur Verbesserung der Lehrqualität werden sogenannte Übergangsveranstaltungen konzipiert und erprobt, die in die Methoden der akademischen Mathematik einführen. Denn aus der Schule sind den Lernenden diese Methoden weniger bekannt (siehe Abschnitt „Bedeutung von Übergängen…“) und somit reichen die mitgebrachten Lernvoraussetzungen nicht aus, um die „klassischen“ fachlichen Lehrveranstaltungen erfolgreich zu nutzen. Beispiele für derartige Veranstaltungen sind die Veranstaltung „Einführung in die Kultur der Mathematik“ (Lehramt Sekundarstufe I, Biehler & Kempen, 2016) und die Veranstaltung „Einführung in mathematische Denk- und Arbeitsweisen“ (Lehramt Sekundarstufe II, Panse, Hilgert & Hoffmann, 2014) an der Universität Paderborn. (2) Die zweite Möglichkeit der Verbesserung des Lehrangebotes liegt in der Weiterentwicklung der „klassischen Lehrveranstaltungen“ in der Studieneingangsphase. Hierfür gibt es zwei verschiedene Ansatzpunkte: zum ersten die stärkere Verknüpfung zwischen Schul- und akademischer Mathematik und zum zweiten die Fokussierung des schulspezifischen Fachwissens für Lehramtsstudierende. Der erste Punkt kann durch die Anknüpfung an die Lernvoraussetzungen der Studierenden begründet werden, der zweite Punkt durch die Ziele eines Lehramtsstudiums. Eine mögliche Umsetzung beider Punkte ist durch die Implementation von sogenannten Schnittstellenaufgaben möglich, bei denen Aussagen der Schulmathematik mit Hilfe von Methoden der Hochschulmathematik näher beleuchtet werden (Ableitinger, Hefendehl-Hebeker & Herrmann, 2013; Bauer, 2013). Bauer (2013) führt aus, dass mithilfe solcher Schnittstellenaufgaben „inhaltliche Längsschnitte“ (S. 235) gebildet werden können, welche auf
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einer mathematischen Fragestellung basieren, für deren Beantwortung je nach Erfahrungsgrad verschiedene mathematische Werkzeuge zur Verfügung stehen. (3) Die letzte hier angeführte Möglichkeit bezieht sich auf die Dozierenden. In der Literatur wird berichtet, dass manche Dozierende die Lernvoraussetzungen der Lernenden, z. B. das mathematische Vorwissen, nicht adäquat einschätzen können (Clark & Lovric, 2009). Auch werden unterschiedliche Erwartungen von Studierenden und Dozierenden zu den Zielen und Anforderungen von mathematischen Fachveranstaltungen berichtet. Während Fachdozierende häufiger daran interessiert sind, den Studierenden einen Einblick in die wissenschaftliche Disziplin Mathematik zu geben, haben die meisten Lehramtsstudierenden eher die Schulmathematik im Blick (Weber, Fukawa-Connelly, MejiaRamos & Lew, 2016). Aus diesem Grund erscheint es von Bedeutung, dass Dozierende Ziele und Anforderungen von Lehrveranstaltungen transparent machen und mit Studierenden über deren Vorerfahrungen und Motive kommunizieren. Aufgrund der Kenntnis der Lernvoraussetzungen könnten Dozierende zudem das Lehrangebot besser an diese anpassen. Forschungsfragen und methodisches Vorgehen Das Ziel dieses Beitrages ist es, basierend auf einer empirischen Analyse von individuellen Lernvoraussetzungen vorliegende Vorschläge zur Ausgestaltung des Lehrangebotes im Lehramtsstudium zu diskutieren. Die Lernvoraussetzungen werden anhand der folgenden Fragestellungen analysiert: 1.
2.
Welchen Einfluss haben individuelle Lernvoraussetzungen auf den Studienerfolg in der Studieneingangsphase? Hypothesen: Es ist zu erwarten, dass kognitive Lernvoraussetzungen, z. B. Vorwissen und Schulleistung, einen Einfluss auf den Modulerfolg im ersten Semester besitzen, während affektive Lernvoraussetzungen, z. B. fachspezifisches Interesse und Selbstkonzept, auf die Studienzufriedenheit im ersten Semester wirken. Inwiefern unterscheiden sich Fach- und gymnasiale Lehramtsstudierende im Fach Mathematik in ihren Lernvoraussetzungen? Hypothesen: Es ist zu erwarten, dass Fachstudierende bessere schulische Vorleistungen aufweisen und ein größeres mathematisches Vorwissen bezüglich akademischer Mathematik mitbringen als Lehramtsstudierende. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen der Studiengänge ist zudem zu erwarten, dass Lehramtsstudierende ein höheres Interesse und Selbstkonzept an der Schulmathematik aufweisen als Fachstudierende.
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Die hier präsentierten Daten basieren auf zwei Projekten, einem Dissertationsprojekt (Studie 1; Rach, 2014; Rach & Heinze, 2017) und dem Projekt SISMa („Selbstkonzept und Interesse in der Studieneingangsphase Mathematik“; Studie 2; Rach, Ufer & Kosiol, 2017; Ufer, Rach & Kosiol, 2017). Die Stichprobe umfasst in Studie 1 140 Lehramtsstudierende für Gymnasien und 42 Fachstudierende an einer norddeutschen Universität, in Studie 2 104 Lehramtsstudierende für Gymnasien bzw. Realschulen und 184 Fachstudierende an einer süddeutschen Universität. Alle Studierenden waren im ersten Fachsemester eingeschrieben und nahmen informiert und freiwillig an der jeweiligen Studie teil. Tab. 1: Übersicht über die erhobenen Lernvoraussetzungen in den beiden Studien mit einem Beispielitem, den jeweiligen Itemanzahlen und Reliabilitäten (n. e. bedeutet, dass das Konstrukt nicht erhoben wurde. NStudie 1 = 181-182 bzw. NStudie 2 = 217-288) Konstrukt
Beispielitem
Schulische Vorleistung Mathematisches Vorwissen bzgl. Hochschulmathematik
Gesamtabiturnote Gegeben ist die Funktion f: ℝ → ℝ → f(x) = |x|. Geben Sie einen mathematischen Beweis dafür, dass f im Nullpunkt nicht differenzierbar ist. (Studie 1) Multiple-Choice-Item zum Wert von
Selbstkonzept bzgl. Mathematik Selbstkonzept bzgl. Schulmathematik Selbstkonzept bzgl. Hochschulmathematik Interesse an Mathematik Interesse an Schulmathematik Interesse an Hochschulmathematik
√2+h−√2
limh→∞ (Studie 2) h Was Mathematik angeht, bin ich ziemlich fit. Was die Mathematik angeht, die ich in der Schule kennengelernt habe, bin ich ziemlich fit. Was die Mathematik angeht, die ich in der Hochschule kennenlernen werde, werde ich ziemlich fit sein. Mathematik gehört für mich persönlich zu den wichtigsten Dingen. Mich interessiert die Mathematik, die ich in der Schule kennengelernt habe. Mich interessiert die Mathematik, wie sie an der Hochschule betrieben wird.
Studie 1: Anzahl an Items und Cronbachs α 1 Item 11 Items, α = .62
Studie 2: Anzahl an Items und Cronbachs α 1 Item 8 Items, α = .57
4 Items, α = .78 n. e.
4 Items, α = .77 3 Items, α = .88
n. e.
3 Items, α = .59
6 Items, α = .76 n. e.
6 Items, α = .72 5 Items, α = .74 5 Items, α = .85
n. e.
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Die Lernvoraussetzungen wurden mit Fragebögen und Tests erfasst. Die Studierenden wurden jeweils in der ersten Mathematikvorlesung gebeten, Aussagen auf einer vierstufigen Likertskala von „trifft zu“ bis „trifft nicht zu“ zu bewerten bzw. mathematische Testitems zu bearbeiten. Das mathematische Vorwissen ist als Voraussetzung zum Lernen von Hochschulmathematik operationalisiert. Eine Übersicht über die selbst entwickelten Instrumente mit Beispielitems findet sich in Tabelle 1 – übernommen und adaptiert sind die Skalen „Selbstkonzept bzgl. Mathematik“ und „Interesse an Mathematik“. Der Studienerfolg wurde in beiden Studien durch den Erfolg in einem Modul zur Analysis operationalisiert; in Studie 2 wurde zusätzlich noch die Studienzufriedenheit zur Mitte des Semesters erfragt (Beispielitem: „Insgesamt bin ich mit meinem Mathematikstudium zufrieden“). Ergebnisse Die zwei Forschungsfragen werden anhand der Daten der beiden Studien beantwortet. Bedeutung individueller Lernvoraussetzungen für den Studienerfolg Die beiden Studien geben erste Hinweise auf den substanziellen Einfluss kognitiver Lernvoraussetzungen, konkret von schulischer Vorleistung und mathematischem Vorwissen, auf einen objektiven Indikator für Studienerfolg. Durch diese beiden Variablen lassen sich zwischen 29 % bis 48 % der Varianz im Modulerfolg des ersten Semesters aufklären (Rach, 2014; Rach et al., 2017). Bei den Ergebnissen von Studie 2 ist auffällig, dass bei Lehramtsstudierenden das mathematische Vorwissen keinen zusätzlichen Beitrag zur Aufklärung des Modulerfolges im Vergleich zur Abiturnote liefert. Demgegenüber gibt es in beiden Studien keine substanziellen Hinweise darauf, dass Interessens- und Selbstkonzeptfacetten zu Studienbeginn den Modulerfolg im ersten Semester beeinflussen (Rach & Heinze, 2017; Rach et al., 2017). Für einen subjektiven Indikator des Studienerfolgs, die Studienzufriedenheit, zeigt sich in Studie 2 nur ein Einfluss des allgemeinen Interesses an Mathematik und des Interesses an Hochschulmathematik. Mit Hilfe dieser beiden Variablen können 25 % der Varianz in der Studienzufriedenheit aufgeklärt werden. Insgesamt ist zu konstatieren, dass unterschiedliche Lernvoraussetzungen unterschiedliche Indikatoren des Studienerfolges in der Studieneingangsphase beeinflussen: Während das mathematische Vorwissen auf den Modulerfolg wirkt, prädiziert das Interesse an Hochschulmathematik die Studienzufriedenheit.
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Unterschiede individueller Lernvoraussetzungen zwischen Fach- und Lehramtsstudierenden Die Ergebnisse der Studien unterstützen die These, dass Fachstudierende leistungsstärker sind als Lehramtsstudierende; diese Aussage gilt vor allem in Bezug auf Konstrukte bezüglich. Hochschulmathematik. Das Interesse für Schulmathematik ist in der Gruppe der Lehramtsstudierenden stärker ausgeprägt (Tab. 2). Tab. 2: Übersicht über die Unterschiede in den Mittelwerten zwischen den beiden Gruppen „Fachstudierende“ und „Lehramtsstudierende“ (Referenzgruppe). n. e.: Merkmal nicht erhoben, n. s.: keine signifikanten Gruppenunterschiede identifiziert Konstrukt
Fach M (SD) 2.18 (0.65) 5.60 (2.73) 1.94 (0.57) n. e.
Studie 1 Lehramt M (SD) 2.37 (0.65) 4.56 (2.08) 1.82 (0.42) n. e.
Cohens d n. s.
Fach M (SD) 1.96 (0.62) 3.24 (1.80) 2.13 (0.55) 1.61 (0.65)
Studie 2 Lehramt M (SD) 1.93 (0.56) 2.48 (1.57) 2.07 (0.39) 1.42 (0.62)
Cohens d
Schulische Vorn. s. leistung ** Mathematisches 0.46 0.44*** Vorwissen Selbstkonzept bzgl. n. s. n. s. Mathematik Selbstkonzept bzgl. n. e. 0.29* Hochschulmathematik Selbstkonzept bzgl. n. e. n. e. n. e. 2.36 2.40 n. s. Schulmathematik (0.58) (0.54) Interesse an Mathe2.29 2.10 2.30 2.17 0.46** 0.33** matik (0.49) (0.41) (0.39) (0.43) Interesse an n. e. n. e. n. e. 2.18 1.84 0.65*** Hochschulmathematik (0.52) (0.55) Interesse an Schuln. e. n. e. n. e. 2.02 2.29 -0.49*** mathematik (0.57) (0.50) Anmerkung: Fragebogenskalen: Einzelitems auf einer vierstufigen Likert-Skala von 0 (trifft nicht zu) bis 3 (trifft zu). Studie 1: NLehramt = 140, NFach = 42, Vorwissenstest mit 11 Items, Studie 2: NLehr*** p < .001, ** p < .01, * p < .05 amt = 73-104, NFach = 157-184, Vorwissenstest mit 8 Items.
Bei derartigen Gruppenvergleichen ist zu hinterfragen, ob eine Überlappung der Verteilungen zwischen den Gruppen vorhanden ist. Für die beiden Variablen „mathematisches Vorwissen“ und „Interesse an Hochschulmathematik“ sind die Verteilungen der beiden Gruppen für die jeweiligen Variablen in den Abbildungen 2 und 3 dargestellt. Es wird deutlich, dass sich zwar jeweils der Mittelwert zwischen den beiden Gruppen deutlich unterscheidet, es aber auch einen substanziellen Anteil an Lehramtsstudierenden gibt, die gute Lernvoraussetzungen mitbringen und bei-
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spielsweise an Hochschulmathematik interessiert sind. Demgegenüber gibt es auch Fachstudierende, die ein niedriges Interesse an Hochschulmathematik berichten.
Abb. 2: Prozentuale Verteilung der Studierenden bezüglich ihres mathematischen Vorwissens, Fachstudium: N = 184 weiß dargestellt, Lehramtsstudium: N = 104 schwarz dargestellt (Studie 2)
Abb. 3: Prozentuale Verteilung der Studierenden bezüglich ihres Interesses an Hochschulmathematik, Fachstudium: N = 165 weiß dargestellt, Lehramtsstudium: N = 79 schwarz dargestellt (Studie 2). Niedriges Interesse: Mittelwert zwischen 0 und 0,75; eher niedriges Interesse: Mittelwert zwischen 0,76 und 1,50; eher hohes Interesse: Mittelwert zwischen 1,51 und 2,25; hohes Interesse: Mittelwert zwischen 2,26 und 3
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Diskussion Die hier berichteten Studien geben einen Einblick in die Lernvoraussetzungen von Lehramtsstudierenden im Fach Mathematik. Es gibt Evidenzen dafür, dass kognitive Lernvoraussetzungen objektive Indikatoren des Studienerfolges, z. B. den Modulerfolg, beeinflussen, während affektive Lernvoraussetzungen auf subjektive Indikatoren, z. B. Studienzufriedenheit, wirken. Anhand des Vergleichs mit der Gruppe der Fachstudierenden lassen sich Besonderheiten der Gruppe der Lehramtsstudierenden identifizieren und daraus Implikationen für das Lehrangebot ableiten. Implikationen für das Lehrangebot Die Etablierung von Übergangsveranstaltungen (Biehler & Kempen, 2016; Panse et al., 2014) erscheint aufgrund des eher geringen fachlichen Vorwissens der Studierenden im Bereich der akademischen Mathematik als sinnvoll. Sicherlich ist die absolute Interpretation von Testergebnissen mit Vorsicht zu genießen, aber aufgrund des neuen Charakters von Mathematik im Studium und der daraus ergebenden Lernziele in einem Mathematikstudium, wie z. B. das Kennenlernen einer deduktiv geordneten Theorie, erscheinen derartige Lehrveranstaltungen für alle Studierenden als gewinnbringend. Da sich viele Lehramtsstudierende weniger als Fachstudierende für akademische Mathematik interessieren, könnten durch die Explizierung der Methoden der akademischen Mathematik die Relevanz und Akzeptanz der akademischen Mathematik gesteigert werden. Neben der Etablierung neuer Fachveranstaltungen kann die Lehrqualität auch durch die Entwicklung der bestehenden Veranstaltungen durch das Herstellen von Bezügen zwischen Schul- und akademischer Mathematik erhöht werden. Vor dem Hintergrund der besonderen Ziele eines Lehramtsstudiums, der Diskussion um das schulbezogene Fachwissen (Dreher et al., 2018) und der Unterschiede zwischen Fach- und Lehramtsstudierenden in wichtigen Lernvoraussetzungen, z. B. fachlichem Vorwissen und Interesse an Hochschulmathematik, könnte argumentiert werden, dass für Lehramtsstudierende eigenständige Lehrveranstaltungen mit dem oben genannten Schwerpunkt angeboten werden sollten. Wenn jedoch nicht nur die Mittelwerte der Merkmale beachtet werden, sondern auch die Verteilungen der beiden Studierendengruppen in Betracht gezogen werden, dann kann nicht von zwei unterschiedlichen, aber in sich homogenen Studierendengruppen in Bezug auf die Lernvoraussetzungen ausgegangen werden. Zudem spricht die Anknüpfung an Vorwissen (hier: Wissen der Schulmathematik, z. B. in Form eines concept image) dafür, auch für Fachstudierende die Bezüge zwischen Schulmathematik und akademischer Mathematik stärker in die Fachveranstaltungen einzubauen. Dieses kumulative Lernen erscheint aufgrund der Hete-
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rogenität des Vorwissens zur akademischen Mathematik auch für Fachstudierende hilfreich zu sein. Bezieht man zusätzlich in die Überlegungen mit ein, dass es an einigen Hochschulen nur wenige Fach- oder Lehramtsstudierende pro Fach gibt, so sprechen ebenso kapazitäre Gründe gegen eine organisatorische Trennung der Studiengänge in der Studieneingangsphase. Aufgrund der nicht eindeutigen Befundlage könnte eine Zwischenlösung für diesen Bereich sinnvoll sein: eine gemeinsame Vorlesung, aber getrennte Tutorien (Woitkowski, 2017). In diesem Fall könnte in den Tutorien für Lehramtsstudierende verstärkt das schulbezogene Fachwissen fokussiert, in den Tutorien für Fachstudierende eher tiefergehende Fragen der akademischen Mathematik diskutiert werden. Diese Diskussion führt verstärkt von Vorschlägen auf der Makroebene (neue Lehrveranstaltungen) zu Möglichkeiten auf der Mikroebene von Lehrveranstaltungsplanungen, bei denen die Dozierenden eine wichtige Rolle spielen. Da die Lernvoraussetzungen von der betreffenden Studierendengruppe stark abhängen, erscheint es wichtig, dass sich Dozierende über das Vorwissen und die Interessenslagen ihrer Lerngruppe zu Beginn und während der Veranstaltung informieren. Die vorgestellte Analyse der Lernvoraussetzungen zeigt eine große Heterogenität der Merkmale sowohl bei Fach- als auch bei Lehramtsstudierenden, die Dozierende bei der Planung ihres Lehrangebotes berücksichtigen sollten. Limitationen und Ausblick Limitiert werden die Ergebnisse durch die Fokussierung auf das Fach Mathematik und auf die Gruppe der gymnasialen Lehramtsstudierenden. Die Ergebnisse auf Studiengänge für andere Schultypen zu übertragen, ist aus dem Grund schwierig, dass für Studiengänge anderer Schultypen im Fach Mathematik die Heterogenität der fachlichen Ziele des Studiums je Hochschule noch größer erscheinen als für den gymnasialen Lehramtsstudiengang. Die Übertragung auf andere Fächer ist sicherlich möglich. Beispielsweise ist im Fach Chemie die Heterogenität in den kognitiven Lernvoraussetzungen ebenfalls zu konstatieren (Klostermann et al., 2014) und sollte im Lehrangebot berücksichtigt werden. Bezogen auf die Übertragung des Vorschlages zur organisatorischen Trennung von Lehrveranstaltungen auf andere Fächer ist zu beachten, wie groß die (wahrgenommene) Lücke zwischen dem Fach an der Schule und an der Hochschule ist und ob aus diesem Grund Lehramtsstudierende explizit Bezüge zwischen dem Fach in der Schule und in der Hochschule kennenlernen sollten. Zudem scheint in sozialwissenschaftlichen Fächern eher eine studierendenorientierte Lehrorientierung vorzuherrschen als in naturwissenschaftlichen Fächern (Lübeck, 2010),
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so dass möglicherweise schon ein stärkerer Berufsbezug in diesen Fächern zu finden ist. Insbesondere ist bei der Frage nach der Passung zwischen Studierendenmerkmalen und dem Lehrangebot auch das Selbstverständnis der Dozierenden zu beachten. Insgesamt scheint es sinnvoll zu sein, die Lernvoraussetzungen der Studierenden bei der Ausgestaltung des Lehrangebots einzubeziehen. Dieser Ansatz kann neben einer Reduzierung der hohen Abbruchquoten im Mathematikstudium auch zu einer gesteigerten Studienzufriedenheit beitragen. Als weiterer Anknüpfungspunkt für die Kohärenzherstellung im Studium sollte auch das konkrete Lernverhalten von Studierenden betrachtet werden. Anmerkung Die angesprochenen Projekte wurden mit Aiso Heinze (IPN Kiel) bzw. Stefan Ufer und Timo Kosiol (LMU München) durchgeführt.
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4 Fachspezifische Kohärenzmodelle und Curricula
4.1
Kunst, Wissenschaft, Pädagogik: Kohärenz zwischen den Säulen der Musiklehrerbildung
Thade Buchborn1, Georg Brunner2, Daniel Fiedler2,Gert Balzer2 1 Hochschule für Musik Freiburg 2 Pädagogische Hochschule Freiburg Keywords: Musiklehrerbildung, Curriculumsentwicklung, Professionswissen von Musiklehrkräften Die Steigerung von Kohärenz in der Musiklehrerbildung ist seit der Einführung von Studienprogrammen in den 1920er-Jahren ein zentrales Anliegen und eine große Herausforderung. Im Gegensatz zu anderen Fächern umfassen die Curricula für das künstlerisch-wissenschaftliche Fach Musik 1 neben Fachwissenschaft und Fachdidaktik ein intensives künstlerisch-praktisches Studium. Zur Vorbereitung auf ihr breites Aufgabenspektrum im Beruf erwerben die angehenden Lehrkräfte künstlerische sowie wissenschaftlich-theoretische Kompetenzen und werden Experten für die Vermittlung und Förderung künstlerischer und wissenschaftlicher Zugänge zu Musik in der Schule. Damit das auf Vielfalt angelegte Studium nicht in Einzelfächer zerfällt, müssen die Studienprogramme kohärent gestaltet werden und den Studierenden die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Studienbereichen transparent gemacht werden. Wir beschreiben Modulkonzeptionen der Hochschule für Musik Freiburg sowie Initiativen der Curriculumsentwicklung im Lehrendenteam der Pädagogischen Hochschule Freiburg als exemplarische Maßnahmen zur Steigerung von Kohärenz in der Musiklehrerbildung. Schließlich entfalten wir Perspektiven für weitere Maßnahmen im Rahmen des Projekts KoMuF – Kooperative Musiklehrer/innenbildung Freiburg: Die institutionelle Kooperation zwischen der Hochschule für Musik, der Albert-Ludwigs-Universität und der Pädagogischen Hochschule, die gemeinsame Entwicklung einer Musikdidaktik aus einem Guss durch Akteure der Hochschulen, Staatlichen Seminare und Schulen, Forschungsprojekte mit engen Bezügen zur fachdidaktischen Entwicklung und Initiativen der kohärenten Lehrentwicklung.
Die künstlerische Praxis im Zentrum der Musiklehrerbildung Musiklehramtsstudierende erhalten im Studium Gesangs- und Instrumentalunterricht, singen und musizieren in Bands, Orchestern, Chören und anderen Ensembles. Die künstlerischen Fächer sind ein immens wichtiger Bereich der Studienprogramme für Musik. Dementsprechend viel Raum nehmen sie in den Curricula
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Auch wenn in der baden-württembergischen Rahmenverordnung derzeit lediglich zwischen künstlerischen und wissenschaftlichen Fächern differenziert wird (RahmenVO-KM, 2015), ist es aus unserer Sicht treffender, Musik als künstlerisch-wissenschaftliches Fach zu bezeichnen (KrauseBenz, 2018).
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_6
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und im Studienalltag ein. Auch die Studierenden und Absolventen schätzen diese künstlerischen Fächer als wichtig ein. So äußerten sie in einer Befragung, dass sie dort im Vergleich zu anderen Studienbereichen die höchsten Kompetenzen aufbauen konnten (Bailer, 1999). Zudem unterscheidet sich die künstlerischpraktische Auseinandersetzung mit Musik deutlich von den wissenschaftlichen Zugängen, die die Fächer Musikwissenschaft und Musikpädagogik eröffnen. Dennoch wird in der Rahmenverordnung für die Lehrerbildungsstudiengänge im Fach Musik – analog zu anderen Fächern – lediglich zwischen dem Fachanteil Musik und Fachdidaktik unterschieden, aber nicht zwischen dem künstlerischen und wissenschaftlichen Studienanteilen innerhalb des Fachanteils Musik (RahmenVO-KM, 2015). Für die Beschreibung und Analyse curricularer Strukturen der Musiklehrerbildung bietet dieses zweigliedrige Modell zu wenig Orientierung, da gerade die Bedeutung, Funktion und Verortung künstlerisch-praktischer Studienanteile im Verhältnis zu wissenschaftlichen und fachdidaktischen im Fachdiskurs zur Musiklehrerbildung oft zentral diskutiert wird (z. B. KrauseBenz, 2018; Richter, 2018; Schäfer-Lembeck, 2018¸ Schilling-Sandvoß, 2017). Im Zuge der Neuausrichtung der Studienprogramme wird auch am Standort Freiburg der Kanon der künstlerisch-praktischen, wissenschaftlichen und fachdidaktischen Studienanteile analysiert. Mehrere Maßnahmen des Projekts KoMuF – Kooperative Musiklehrer/innenbildung Freiburg 2 zielen auf die Steigerung von Kohärenz im Studium – mithilfe stärkerer Bezüge zwischen Einzelfächern, zwischen den von unterschiedlichen Institutionen verantworteten Phasen der Musiklehrerbildung sowie durch mehr Synergien aus Kooperationen. In diesem Beitrag stellen wir zwei Bezugspunkte vor, mit deren Hilfe wir am Standort Freiburg curriculare Strukturen und Studieninhalte analysieren und zugunsten von mehr Kohärenz optimieren. Wir beschreiben ein in der Musiklehrerbildung etabliertes Drei-Säulen-Modell, das zwischen Kunst, Wissenschaft und Pädagogik differenziert. Daneben orientieren wir uns bei der Reflexion und Weiterentwicklung von Studienangeboten im Lehrendenteam am Professionswissen von Musiklehrkräften, wie es der Ordnungsrahmen des Musical Technological Pedagogical and Content Knowledge (MTPACK) strukturiert. Auch dieses Modell wird erläutert. Zudem beschreiben wir zu beiden Ansätzen Anwendungsbeispiele in der Studiengangsentwicklung.
2
Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) Baden-Württemberg fördert das gemeinsame Projekt der Pädagogischen Hochschule Freiburg, der Hochschule für Musik Freiburg und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg in der Förderlinie „Leuchttürme der Lehrerbildung ausbauen“ des Programms „Lehrerbildung in Baden-Württemberg“.
Kunst, Wissenschaft, Pädagogik
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Kunst – Wissenschaft – Pädagogik: Das Drei-Säulen-Modell nach Kestenberg Bereits in den 1920er-Jahren gab es entscheidende Lehrerbildungsreformen, auf die die heutige Stellung und konzeptionelle Ausrichtung des Schulfachs Musik sowie die Grundstruktur aktueller Lehramtsstudienprogramme für Musik zurückgehen. Leo Kestenberg, Musikreferent des Preußischen Kultusministeriums, war maßgeblich an diesen Reformprozessen beteiligt. Sein Anliegen war die Aufwertung und Neuausrichtung des musisch geprägten schulischen Gesangsunterrichts hin zu einem mit den anderen „kulturkundlichen“ Fächern gleichwertigen künstlerisch-wissenschaftlichen Schulfach Musik (Cvetko, 2017; Gruhn, 2003;). Er war bestrebt, die bis dahin übliche musikpraktische, auf die Anleitung des Klassengesangs ausgerichtete Ausbildung durch ein neu konzipiertes Studium zu ersetzen, welches „die wissenschaftliche, pädagogische und künstlerische Ausbildung [umfasst]. Die wissenschaftliche befähigt den ‚Obermusiklehrer’ – so ist er nach der Prüfungsordnung zu bezeichnen –, den Gesamtunterricht mit musikalischen Erkenntnissen und Ergebnissen zu bereichern; die pädagogische macht ihn zum Erzieher einer musikfreudigen Jugend, und die künstlerische wird in den Unterricht den Geist der Meisterwerke der Tonkunst und die Grundlagen einer umfassenden deutschen Musikkultur tragen” (Kestenberg, 1923, ed. Gruhn 2009). Kestenberg ordnete die Inhalte des Studiums folgenden drei Säulen zu: Kunst, Wissenschaft und Pädagogik. Dies wären die drei Bereiche, die aus seiner Sicht auch das Berufsbild des Musiklehrers prägten. Im Gegensatz zu aktuellen Theorien zum Professionswissen von Lehrkräften (s. u.) oder dem in diesem Band vorgestellten Säulen-Phasen-Modell zur Beschreibung von Kohärenz in der Lehrerbildung (siehe Kap. 2 in diesem Band) wies Kestenberg der Fachdidaktik keinen gesonderten Bereich zu. Diesbezüglich ist sein Modell wenig ausdifferenziert, während es hinsichtlich der Unterscheidung zwischen künstlerisch-praktischen und wissenschaftlichen Ausbildungsbereichen aus fachspezifischer Sicht relativ genau ist. Ebenfalls interessant ist Kestenbergs Säule der Wissenschaft. Nach seinem Verständnis beschränkte diese sich auf die Musikwissenschaft. Aktuelle Studienkonzeptionen basieren auf einem weiteren fachwissenschaftlichen Verständnis; festes Element der Curricula ist neben der Musikwissenschaft die Musikpädagogik. Kestenberg betonte die Notwendigkeit enger Verbindungen zwischen den einzelnen Säulen – sowohl in der Lehrerbildung als auch in der beruflichen Praxis: [D]ie künstlerische Ausbildung befähigt ihn, den Schülern Einblick zu geben in die großen Werke der deutschen Tonkunst, sie zum Instrumentalunterricht hinzuleiten und sie in der Harmonie- und Formenlehre, in der Analyse der Hermeneutik in die eigentliche Werkstatt
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Thade Buchborn et al. des Musikers einzuführen. Der Obermusiklehrer wird nicht mehr lediglich Methodiker oder Musiklehrer im engeren Sinne des Wortes sein. Er muß den Künstler und Lehrer in sich vereinigen, muß im Künstlerischen pädagogisch, im Methodischen künstlerisch wirken. (Hervorhebungen im Original) (Kestenberg 1923, ed. Gruhn 2009, S. 171)
Kestenberg war der Ansicht, dass sich Kunst, Wissenschaft und Pädagogik auch im Handeln von Musiklehrkräften gegenseitig durchdringen. Dieses Professionsprofil etablierte er in den Prüfungsordnungen der 1920er-Jahre: So wird in der Prüfungsordnung für das ‚Künstlerische Lehramt’ vom Mai 1922 eine Synthese zwischen dem Erzieher, Künstler und Wissenschaftler angestrebt, eine Einheit, die alle Forderungen musikalischer Erziehung erfüllen sollte. (Kestenberg 1924, ed. Gruhn, 2013, S. 35)
Die Neuausrichtung des Musiklehrerstudiums wurde allerdings von manchen Zeitgenossen kritisiert: Kestenberg wurde z. B. die Verwissenschaftlichung des Studiums vorgeworfen, obwohl er ein klarer Verfechter der Idee eines Musiklehrers als Künstler war und sich stets gegen Kürzungen der künstlerischen Studienanteile einsetzte (Cvetko, 2017). Dieser Rückblick auf die Reformen der 1920er-Jahre verdeutlicht die Ursprünge des Drei-Säulen-Modells, das seither vielerorts – wenn auch mit einem modifizierten Verständnis von Kunst, Wissenschaft und Pädagogik – als Grundlage für die Konzeption von Musiklehrerstudienprogrammen dient. Auch zur Beschreibung des Berufsbilds des Musiklehrers wird es häufig herangezogen (z. B. Bäßler, 2001; Krause-Benz, 2018; Richter, 2018; Schäfer-Lembeck, 2018; Schilling-Sandvoß, 2017). Das Modell eröffnet daher einen analytischen Zugang zu den fachspezifischen Besonderheiten und Strukturen der Musiklehrerbildung. Fächerdenken und Kohärenz in der Musiklehrerbildung Obwohl bereits Kestenberg (1924, ed. Gruhn, 2013) eine hohe Kohärenz in der Musiklehrerbildung anstrebte, wird diesbezüglich bis heute auf Defizite verwiesen (z. B. Bäßler, 2001; Krause-Benz, 2018;): Vielen Studierenden und Lehrenden sind die Zusammenhänge zwischen einzelnen Lehrveranstaltungen nicht oder zu wenig präsent, Lerninhalte sind nicht gut aufeinander abgestimmt und Bezüge zu wenig transparent. Ein Grund dafür ist ggf. die Gliederung der künstlerischen Studiengänge, insbesondere an den Musikhochschulen 3, in Einzelfächer (Hauptinstrument/Gesang, Klavier, Musikwissenschaft, Musikpädagogik
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Hier liegt ein Unterschied zu den Pädagogischen Hochschulen vor, an denen viele Fächer und Ausbildungsbereiche enger aufeinander und vor allem auf die spätere Lehrtätigkeit bezogen werden.
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etc.). Diese sind jeweils auf eine kontinuierliche, langfristige, also vertikale und konsekutive Kompetenzentwicklung ausgerichtet. Darin wiederum liegt auch eine Qualität, da der Aufbau künstlerisch-praktischer Kompetenzen, z. B. beim Erlernen eines Instruments oder bei der Ausbildung der Stimme, viel Zeit benötigt. Führt diese Fokussierung auf lange Lernwege in den Einzelfächern allerdings zu einem Nebeneinander der Fächer, wird die Integrationsleistung größtenteils den Studierenden überlassen. In der Berufspraxis ist integratives Denken und Handeln allerdings zwingend erforderlich. Seit den späten 1990er-Jahren wird bei der Neukonzeption von Curricula daher vermehrt auf die Steigerung horizontaler Kohärenz geachtet, z. B. durch Modularisierung (z. B. Jank & Schilling-Sandvoß, 2016). Dies wird im Folgenden am Beispiel der Module Stimme und Klavierspiel des neu konzipierten Bachelorstudiengangs an der Hochschule für Musik Freiburg dargestellt. Kohärente Curriculumsgestaltung am Beispiel der Module Stimme und Klavierspiel Gesang ist im Musiklehramtsstudium ein Pflichtfach; in früheren Curricula der Hochschule für Musik war es den künstlerischen Nebenfächern zugeordnet. Schulbezogene Lehrveranstaltungen wie Klassensingen, Sprechen, Kinder- und Jugendstimmbildung waren fachdidaktischen Modulen zugeordnet. Im aktuellen BA-Studienplan ist die Modulstruktur stärker inhaltlich ausgerichtet: Die Module Stimme 1 und Stimme 2 vereinen alle Fächer, in denen es um die Stimme geht: Gesang, Klassensingen, Sprechen, Kinder- und Jugendstimmbildung und eine Praxisphase: eine Kindersingwoche. Diese Modulstruktur steigert die horizontale – synchrone wie konsekutive – Kohärenz zwischen künstlerischer Praxis, Musikdidaktik und Fachwissenschaft. Ein weiteres Beispiel sind die Module Klavierspiel. Auch hier werden im aktuellen Studienplan künstlerische und fachdidaktische Studieninhalte stärker aufeinander bezogen. Die Module enthalten Unterricht in den Fächern Klavier und Schulpraktisches Klavierspiel. Letzteres wurde eingeführt, um das in der Regel auf klassische Musik und Repertoirespiel ausgerichtete Studium am Klavier um anwendungsbezogene, pädagogisch-didaktische Lerninhalte zu ergänzen und den Studierenden mit der Improvisation in heterogenen Stilfeldern weitere musikalische Praxen am Klavier zugänglich zu machen. Der Unterricht folgt zumeist einem kohärenten Konzept, indem künstlerische (z. B. Improvisation), musikdidaktische (z. B. Liedbegleitung) sowie fachwissenschaftliche Lerninhalte (z. B. Realisieren musiktheoretischer Formmodelle am Klavier) integrativ vermittelt werden. Im aktuellen BA-Curriculum werden die Fächer Klavier Klassik und Schulpraktisches Klavierspiel stärker vernetzt, indem sie in den Modulen Klavierspiel zusammengeführt werden. Die Lerninhalte und Qualifikationsziele
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sind fachübergreifend formuliert. Zudem finden Modulprüfungen integrativ statt: Die Studierenden präsentieren ihre künstlerischen und fachdidaktischen Fähigkeiten am Klavier nicht mehr isoliert. Als weitere Folge dieses Prüfungsformats wird der Austausch zwischen den Lehrenden über die individuellen Lernverläufe der Studierenden sowie über die Inhalte und Kompetenzanforderungen des Moduls gefördert, sodass diese kontinuierlich optimiert werden können. Beide Beispiele verdeutlichen, wie die Weiterentwicklung der Curricula dazu führt, dass das traditionelle Fächerdenken der Musiklehrerbildung durch Säulen-übergreifende Konzeptionen abgelöst wird. Die Bezüge zwischen den Fächern sind für Studierende und Lehrende transparenter geworden und der Dialog zwischen Angehörigen der unterschiedlichen Studienbereiche wird im Studienalltag beispielsweise durch fachübergreifende und integrative Prüfungsformate intensiviert. MTPACK 4 – Ein Ordnungsrahmen zur Beschreibung und Erfassung des Professionswissens von Musiklehrkräften Alternativ zu den Säulen-Modellen kann der theoretische Zugang zur Beschreibung von Kohärenz im Studium auch darin liegen, ausgehend von Modellen zum Professionswissen von Musiklehrern die Ausbildungsstrukturen und -ziele zu analysieren. Am Standort Freiburg nutzen wir den MTPACK-Ordnungsrahmen als Ausgangspunkt für kollegialen Austausch, für curriculare Entwicklungsprozesse und zur Darstellung der angestrebten Lernziele der einzelnen Lehrveranstaltungen innerhalb eines übergeordneten konsistenten Modells. Der in der Pädagogik und den Fachdidaktiken breit rezipierte TPACK 5Ordnungsrahmen (Koehler & Mishra, 2008) bietet einen empirischen Zugang zur Beschreibung und Messung des Professionswissens von Lehrkräften. Bauer (2013) hat mit MTPACK eine Adaption dieses Ordnungsrahmens für den englischsprachigen Raum vorgenommen, die der Beschreibung und Erfassung des Professionswissens von Musiklehrkräften dient. Sein MTPACK-Fragebogen wurde ins Deutsche übersetzt und wird aktuell auf Anwendbarkeit im deutschen Sprachraum hin untersucht (Godau & Fiedler, in Druck). Ausgangspunkt dieser Ordnungsrahmen ist das von Shulman (1986) entwickelte Konzept eines pedagogical content knowledge (PCK), das die Kompetenz von Lehrkräften beschreibt, Lehrstoff bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Lernendenkognition
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MTPACK steht für Musical Technological Pedagogical and Content Knowledge. TPACK steht für Technological Pedagogical and Content Knowledge.
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darzustellen (Strunz-Maireder, 2010). In der von Shulman (1986) präsentierten Taxonomie wird dabei zwischen Inhaltswissen (CK) und Pädagogischem Wissen (PK) sowie deren Überschneidungsbereich, dem Pädagogischen Inhaltswissen (PCK) bzw. Fachdidaktischen Wissen, unterschieden. Der TPACK Ordnungsrahmen enthält zusätzlich das Technologische Wissen (TK) (Koehler & Mishra 2008). Koehler und Mishra (ebd.) verstehen unter Technologien: (…) tools created by human knowledge of how to combine resources to produce desired products, to solve problems, fulfill needs, or satisfy. (…) This definition includes analog technologies (e.g., chalkboard, pencil and microscope) and digital technologies (e.g., the computer, blogging, and internet). (S. 5).
Damit stellen Technologien „Artefakte als Objektivationen von Bedürfnissen und Wissen dar. Vom Stein über Musikinstrumente bis hin zu digitalen Devices kann alles als Technologien bezeichnet werden” (Godau & Fiedler, in Druck). Aus der Erweiterung um das Technologische Wissen (TK) ergeben sich drei zusätzliche Überschneidungsbereiche: Technologisches Inhaltswissen (TCK), Technologisch-Pädagogisches Wissen (TPK) und Technologisch-Pädagogisches Inhaltswissen (TPACK). By simultaneously integrating knowledge of technology, pedagogy and content, expert teachers bring TPACK into play any time they teach. Each situation presented to teachers is a unique combination of these three factors, and accordingly, there is no single technological solution that applies for every teacher, every course, or every view of teaching. (Koehler & Mishra, 2009, S. 66)
Zum Technologischen Wissen (TK) zählen „die individuellen Fähigkeiten technische Probleme zu lösen sowie mit unterschiedlichen Technologien umzugehen, Wissen über aktuelle oder innovative Technologien und das Interesse an Technologien” (Bauer, 2013, S. 14; Godau & Fiedler, in Druck). Dieser Wissensdomäne können spezifische im schulischen Musikunterricht angewandte Technologien wie elektroakustische oder akustische Instrumente (z. B. Xylophone, Klaviere, E-Gitarren) und Materialien (z. B. Kreide, Arbeits- und Notenhefte, Notenständer, CDs), aber auch digitale Technologien (z. B. Smartboards, Laptops oder Tablets) zugeordnet werden. Der MTPACK-Ordnungsrahmen als Ausgangspunkt für Reflexions-, Diskussions- und Implementierungsprozesse Ziele eines aktuellen Entwicklungsprozesses am Institut für Musik der Pädagogischen Hochschule Freiburg sind die Intensivierung des kollegialen Austauschs, die gemeinsame Weiterentwicklung der Curricula unter Beteiligung aller Lehrenden und die Steigerung von Kohärenz zwischen den Säulen und Phasen der
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Musiklehrerbildung. Der MTPACK-Ordnungsrahmen dient als Ausgangs- und Bezugspunkt für Reflexions-, Diskussions- und Implementierungsprozesse. Kohärenz verstehen wir in unseren Entwicklungsvorhaben ebenso wie in anderen FACE-Projektkontexten als „Generierung von Lerngelegenheiten“, bei welchen in vertikaler und/oder horizontaler Richtung Bezüge und Verknüpfungen geschaffen werden, die es den Studierenden ermöglichen, ihr Studium über die verschiedenen Lehrveranstaltungen hinweg sowohl strukturell als auch inhaltlich als zusammenhängend und sinnhaft zu erleben (siehe Kap. 2 in diesem Band). Im ersten Schritt wurden regelmäßige Mitarbeitergespräche, Teamsitzungen, Klausurtagungen, Inputs und Workshops eingeführt und damit Strukturen für den Austausch zwischen den Lehrenden über die unterschiedlichen MTPACK-Wissensdomänen geschaffen. Die dadurch ausgelösten Dynamiken erinnern stark an Prozesse von Change-Management (Lauer, 2014; Malik, 2014). Ziel ist, alle Lehrenden zu motivieren, den Weg zu einer kohärenten Lehre im Sinne einer Verknüpfung der im MTPACK-Ordnungsrahmen aufgezeigten Wissensdomänen mitzugehen. Ausgangspunkt war die Verständigung über ein gemeinsames Bild vom „guten Musiklehrer“ und über Ziele von „nachhaltigem Musikunterricht“ in Anlehnung an das Konzept des Aufbauenden Musikunterrichts (AMU) (Brunner, 2017; Fuchs, 2015). Wechselnde Arbeitsgruppen erarbeiteten Kompetenzbeschreibungen zu den Lehrveranstaltungen der aktuellen Curricula und ordneten sie den Wissensdomänen des MTPACK-Ordnungsrahmens sowie deren Überschneidungsbereichen zu. Das Lehrendenteam formulierte auf der Grundlage dieser Strukturierung Anknüpfungspunkte, die die Steigerung horizontaler und vertikaler Kohärenz ermöglichen – z. B. sinnvoll aufeinander aufbauende Lehrveranstaltungen sowie Bezüge zwischen Inhalten und Qualifikationszielen einzelner Lehrveranstaltungen und Fächer. Im nächsten Schritt wurden Maßnahmen definiert, um diese Bezüge in der Lehre effektiver zu nutzen. Neben der Förderung des kollegialen Austauschs und der Weiterentwicklung der Studienstrukturen geht es auch darum, Kohärenz auf unterschiedlichen Ebenen der Studienprogramme für die Studierenden transparent zu machen, etwa in Beschreibungen von Lehrveranstaltungen, auf der Website bzw. in der App des Instituts für Musik oder in LSF, der Studien- und Organisationssoftware der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Für diesen Bereich entwickeln wir aktuell eine mehrschichtige Matrix, bei der die einzelnen Veranstaltungen, Inhalte, Kompetenzen und deren Bezüge durch Verlinkungen sichtbar werden. Grundlage ist auch hier MTPACK. Eine andere Maßnahme besteht derzeit darin, ein Mentoring-System (Beech & Brockband, 2016; Findeisen, 2006; Pflaum, 2017; Westphal et al., 2014) zu entwickeln und zu etablieren, dessen Maßnahmen in einem durchgehenden
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(e-)Portfolio dokumentiert werden, das den Professionalisierungsprozess von der Eignungsprüfung über das Studium bis zum Vorbereitungsdienst abbildet. Geplante Elemente des (e-)Portfolios sind z. B. eine Biographiearbeit (z. B. ein Kompetenzprofil, basierend auf der Analyse des bisherigen Lebensverlaufs), die Entwicklung einer persönlichen „Professionalisierungslandkarte“ sowie ein Prozessportfolio (Dokumentation von Eignungsprüfung, Gruppenveranstaltungen, Ersteinschätzung, Kompetenzraster, erarbeitete Repertoire-Liste etc.). Flankiert wird dieses Verfahren von regelmäßigen Beratungsgesprächen, sodass das (e-)Portfolio sowohl Selbstreflexionen, Peer-to-Peer-Feedback als auch Expertenfeedback, Zielvereinbarungen und damit verbundene Evaluationen enthält. Als Reflexions- und Beratungsgrundlage dienen neben den Kompetenzbeschreibungen ausformulierte Kompetenzraster auf der Grundlage der Fachpapiere Musik (KMK-Standards). Mithilfe der geschilderten Maßnahmen wird der MTPACK-Ordnungsrahmen sowohl für den kollegialen Austausch und die Lehrentwicklung als auch als (Selbst-)Reflexionsinstrument für Studierende eingesetzt. Der MTPACKOrdnungsrahmen hilft auf beiden Ebenen, Lerninhalte und Qualifikationsziele mit dem Professionswissen von Musiklehrenden in Bezug zu setzen und Kohärenz zu betonen, zu stärken und zu reflektieren, sowohl zwischen den Phasen als auch zwischen den Säulen der Musiklehrerbildung. Kohärenz durch institutionelle Kooperation Weitere Maßnahmen zur Steigerung von Kohärenz in der Musiklehrerbildung sind aus institutionellen Kooperationen am Standort Freiburg entstanden, die durch die Projekte FACE 6 und KoMuF intensiviert wurden. In enger Zusammenarbeit entwickeln wir ein kohärentes Gesamtkonzept einer Musiklehrerbildung von der elementaren Musikpädagogik über den Primar- und Sekundarschulbereich, das Gymnasium bis hin zur Erwachsenenbildung. In diesem Zusammenhang wurde z. B. das kooperative Studienprogramm Musik im Elementarund Primarbereiche (MEP) etabliert, das eine doppelte Qualifikation für die Arbeit in der Elementaren Musikpädagogik in außerschulischen musikpädagogischen Arbeitsfeldern sowie – nach Abschluss des Master of Education an der PH – für das Primarlehramt beinhaltet. Des Weiteren entsteht in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Seminar für Lehrerbildung ein aufbauendes, kohärentes
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FACE steht für Freiburg Advanced Center of Education.
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Studienkonzept zur Musikdidaktik aus einem Guss, in dem Bezüge zwischen den Praxisphasen der Musiklehrerbildung gestärkt werden. In KoMuF werden in institutionenübergreifenden Lehrendentandems kohärente Lehrveranstaltungen konzipiert: So eröffnet beispielsweise das Seminar „Jede Kultur hat ihre zeitlichen Fingerabdrücke (…)“ – Theoretische und praktische Annäherungen an Musikkulturen im Unterricht von Susanne Kittel und Jonas Völker sowohl künstlerische, wissenschaftliche als auch pädagogische Zugänge zum Themenfeld. Charlotte Rott-Fournier und Elisabeth Theisohn leiten ein institutionenübergreifendes Tutorat zu integrativen Prüfungsformaten, in denen die Studierenden künstlerische, pädagogische und wissenschaftliche Lernergebnisse integrativ präsentieren. Darüber hinaus zielen auch die Forschungsprojekte von KoMuF auf die Steigerung von Kohärenz in der Lehrerbildung: Die Studien zum Musik Erfinden sowie zum interkulturellen Musikunterricht beispielsweise stärken die Bezüge zwischen Forschung, Schulpraxis und Lehrerbildung, indem die Entwicklung innovativer Unterrichtskonzepte und (lokale) Theoriebildung mit dem Forschungsformat der Design-based Research integrativ in Beziehung gesetzt werden. Ein Säulen-Phasen-Modell für die Musiklehrerbildung Sowohl das Drei-Säulen-Modell als auch der MTPACK-Ordnungsrahmen sind geeignet, um Musikstudienprogramme in Bezug auf Kohärenz zu analysieren und weiterzuentwickeln. Ein Vergleich der beiden Modelle zeigt Parallelen und Unterschiede: Kestenberg strebt „eine Synthese zwischen dem Erzieher, Künstler und Wissenschaftler” (Kestenberg, 1924, ed. Gruhn, 2013, S. 35) an und vertritt damit ein integratives Berufsbild von Musiklehrenden. Analog dazu werden im TPACK- und MTPACK-Ordnungsrahmen besonders die Überschneidungen zwischen den Bereichen des Professionswissens hervorgehoben. Auch dort bedeutet Professionalisierung die Balancierung des wechselseitigen Verhältnisses zwischen verschiedenen Wissensformen, die insbesondere im MTPACK-Ordnungsrahmen als Kompetenz- und nicht allein als Wissensbereiche formuliert werden (Godau & Fiedler, in Druck). Ein bedeutender Unterschied zwischen den Modellen besteht hinsichtlich der künstlerischen Praxis. Obwohl dieser im Drei-Säulen-Modell zur Beschreibung der Studienstrukturen eine extra Kategorie eingeräumt wurde, wird in der Darstellung des Professionswissens diesbezüglich nicht differenziert. Unseres Erachtens kann die künstlerische Kompetenz von Musiklehrkräften zwei verschiedenen Wissensdomänen des MTPACK-Ordnungsrahmens zuordnet werden: dem Inhaltswissen (CK), das laut Bauer (2014) die musikalische Expertise
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bzw. „musicianship“ (S. 14) der Lehrkraft beschreibt und sich sowohl auf das knowing-what als auch auf das knowing-how in Bezug auf Musik bezieht. Es umfasst „die individuellen musikalischen Fähigkeiten im Komponieren, Improvisieren und Arrangieren sowie im Hören von Musik, Wissen über Musiktheorie, Musikgeschichte und kulturelle Kontexte usw.” (Godau & Fiedler, in Druck). Zum anderen kann die künstlerische Kompetenz im Technologischen Wissen (TK) verortet werden, da sie auch den Umgang mit (Musik-)Technologien umfasst. Musikpädagogische Forschung könnte Antwort auf die Frage geben, ob die künstlerische Kompetenz im MTPACK-Ordnungsrahmen in mehreren Wissensdomänen sowie deren Überschneidungsbereichen verortet sein kann oder ob in Analogie zum Säulen-Phasen-Modell eine Ausdifferenzierung eines künstlerisch-praktischen Bereichs innerhalb des Content Knowledge (CK) sinnvoll ist. Sowohl das Drei-Säulen-Modell als auch der MTPACK-Ordnungsrahmen weisen spezifische Vorzüge für die Beschreibung der Studienstrukturen auf. Deshalb könnte ein fachspezifisches Säulen-Phasen-Modell für die Musiklehrerbildung lohnenswert sein, das die Stärken der jeweiligen Modelle vereint: Das Drei-Säulen-Modell weist den künstlerisch-praktischen Studienanteilen mit der Säule Kunst einen gesonderten Ort zu. Der MTPACK-Ordnungsrahmen hingegen ist differenzierter in der Unterscheidung zwischen pädagogischem Inhaltswissen und pädagogischem Wissen. Auch bestehende nicht fachspezifische Modelle zur Beschreibung von Kohärenz in der Lehrerbildung wie das in diesem Band vorgestellte SäulenPhasen-Modell (siehe Kap. 2 in diesem Band) differenzieren zwischen Fachdidaktik und Bildungswissenschaft. In einem fachspezifischen Strukturmodell für die Musiklehrerbildung könnte die Darstellung der „Sonderrolle“ der Kunst mit der Differenzierung zwischen Fachdidaktik und Bildungswissenschaft zusammengeführt werden, z. B. durch die Erweiterung des Säulen-Phasen-Modells von Hellmann et al. um die Säule künstlerische Praxis. Dieser könnten alle künstlerisch-praktischen Studienanteile zugeordnet werden: Fächer, deren Schwerpunkt in der künstlerischen Ausbildung liegen, wie das Hauptinstrument, der Gesangsund Klavierunterricht sowie Ensemblekurse und die künstlerischen Inhaltsbereiche von Fächern und Lehrveranstaltungen, in denen künstlerische, wissenschaftliche und/oder fachdidaktische Anteile aufeinander bezogen vermittelt werden, z. B. das Schulpraktische Klavierspiel, die Musiktheorie als künstlerisch-wissenschaftliches Fach (Holtmeier, 1997), Lehrveranstaltungen wie das Klassensingen, Percussion in der Schule oder themenbezogene musikdidaktische Seminare. Ein fachspezifisch erweitertes Säulen-Phasen-Modell wäre dazu geeignet, die curricularen Strukturen und Inhaltsbereiche der Musiklehrerbildung zu beschreiben und die Beziehungen zwischen künstlerischer Praxis, Fachwissenschaft, Musikdidaktik, Bildungswissenschaft und Schulpraxis herauszuarbeiten.
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Die Säule künstlerische Praxis ist essenziell für ein fachspezifisches Modell, weil sie in Überlegungen zur Weiterentwicklung der Musiklehrerbildung eine zentrale Rolle spielt. Dies zeigt auch der aktuelle Fachdiskurs: Für Christoph Richter bildet „der Unterricht in einem künstlerischen Studienfach – in einem Instrument, im Dirigieren, im Komponieren, in Tanz und Rhythmik – den Höhepunkt und das quantitative wie qualitative Schwergewicht des Musik-Lehrerstudiums” (Richter, 2018, S. 10). Diskutiert wird aber auch der „Nutzen der künstlerischen Studienfächer im Musiklehrerstudium” für die Lehrenden und die Schüler (ebd.) sowie die Ausrichtung des Künstlerischen in Lehrerbildungsstudiengängen im Vergleich zu den künstlerischen Studiengängen. Martina Krause-Benz schlägt diesbezüglich eine „transdisziplinäre Auffassung des künstlerischen Bereichs in der Musiklehramtsbildung” (Krause-Benz, 2018, S. 29) vor, der ausgehend von der „künstlerischen Grundbildung” (ebd.) zu einer eigenen auf die anderen Säulen des Studiums Bezug nehmenden künstlerisch-musikalischen Praxis der Lehramtsstudierenden führen könnte. Diese „könnte (...) dazu beitragen, dass sich die verschiedenen Fächer innerhalb der Musiklehramtsbildung nicht nur stärker wahrnehmen, sondern in einen fruchtbaren und Neues hervorbringenden Austausch kommen. Studierende gewinnen ein künstlerisches Selbstbewusstsein, das sie in die Schule mitnehmen können” (ebd.). Mit dieser innovativen Idee liefert Krause-Benz ein starkes Argument für die Steigerung der Kohärenz im Musiklehrerstudium. Fazit und Ausblick Wir unterstreichen die hohe Bedeutung aktueller Maßnahmen zur Steigerung von Kohärenz in der Lehrerbildung aus der Perspektive des Faches Musik. Mit Blick auf die professionelle Praxis von Musiklehrkräften, deren berufliches Handeln sich im Idealfall als Zusammenspiel von Kunst, Wissenschaft, Fachdidaktik und Pädagogik konkretisiert, erscheinen uns die Abkehr vom traditionellen „Fächerdenken“ hin zu kohärenten Strukturen sowie die Akzentuierung von Synergien als wichtige Schritte in die angestrebte Richtung. Die dargestellten Maßnahmen bilden lediglich den Beginn dieses Prozesses. Vielleicht könnten unsere Überlegungen zur Positionierung der Fachpraxis dennoch auch anderen Fächern mit hohen fachpraktischen Anteilen Anregungen bieten, z. B. der bildenden Kunst, Sport oder den Philologien, in denen die Sprachpraxis der Studierenden eine zentrale Rolle für den Aufbau professioneller Kompetenzen im Lehrberuf darstellt. Eine weitere zentrale Aufgabe ist die Steigerung von Kohärenz zwischen Musik, dem zweiten Fach und der Bildungswissenschaft sowie die Stärkung der
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Theorie-Praxis-Bezüge durch bessere Vernetzung der schulpraktischen Ausbildungsanteile der ersten und zweiten Phase. Gerade institutionelle Kooperationen sind ein wichtiger Motor für entsprechende Veränderungsprozesse. Akteure in Wissenschaft, Kunst und Pädagogik ebenso wie jene der Institutionen Pädagogische Hochschule, Musikhochschule, Universität und Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung sind häufig in der Logik ihres eigenen Systems verhaftet. Deshalb ist der Weg zu einer „Musiklehrerbildung aus einem Guss“ nicht einfach und erfordert kontinuierliche und konstruktive Kommunikation. Die Aussicht, durch die kohärente Neuausrichtung der Musiklehrerbildung eine Verbesserung der musikalischen Bildung insgesamt zu erreichen, ist erfreulich und motivierend. Literatur AACTE Committee on Innovation and Technology (2008). Handbook of technological pedagogical content knowledge (TPCK) for educators. New York: Routledge. Bäßler, H. (2001). Man lernt nur durch Praxis. Musik & Bildung, 6, 32–36. Bailer, N. (1999). Musikerziehung als Beruf? Eine Befragung. Wien: Universal Edition. Bauer, W. I. (2013). The acquisition of musical technological pedagogical and content knowledge. Journal of Music Teacher Education, 22(2), 51–64. Beech, N. & Brockbank, A. (2016). Power/Knowledge and psychosocial dynamics in mentoring. Management Learning, 30(1), 7–25. Brunner, G. (2017). The concept of teaching music step by step. Hubda – Integrácie – Interpretácie, 20, 186–220. Clausen, B. & Dreßler, S. (in Druck). Soziale Aspekte des Musiklernens (= Musikpädagogische Forschung) (Bd. 39). Münster: Waxmann. Cvetko, A. (2017). Schulmusiker als Künstler und Pädagogen im Denken und Wirken Leo Kestenbergs. In J.-P. Koch & K. Schilling-Sandvoß (Hrsg.), Lehrer als Künstler. Musikpädagogik im Diskurs (S. 64–79). Aachen: Shaker. Findeisen, I. & Prey, H. (2006). Mentoringprogramm Evaluation 2005. Abgerufen am 1. Juli 2018 von http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-opus-19324 Fuchs, M. (2015). Musikdidaktik Grundschule. Theoretische Grundlagen und Praxisvorschläge. Innsbruck/Esslingen: Helbling. Godau, M. & Fiedler, D. (in Druck). Erfassung des Professionswissens von Musiklehrkräften. Validierung einer deutschen Übersetzung eines Selbstauskunftsfragebogens zur Erfassung des Musical Technological Pedagogical And Content Knowledge (MTPACK). In B. Clausen & S. Dreßler (Hrsg.), Soziale Aspekte des Musiklernens (= Musikpädagogische Forschung) (Bd. 39). Münster: Waxmann. Gruhn, W. (2003). Geschichte der Musikerziehung. Eine Kultur- und Sozialgeschichte vom Gesangsunterricht der Aufklärungspädagogik zu ästhetisch-kultureller Bildung. Hofheim: Wolke. Gruhn, W. (2009). Leo Kestenberg. Gesammelte Schriften (Bd. 1). Freiburg: Rombach. Gruhn, W. (2013) Leo Kestenberg. Gesammelte Schriften (Bd. 4). Freiburg: Rombach. Holtmeier, L. (1997). Nicht Kunst? Nicht Wissenschaft? Zur Lage der Musiktheorie. Musik & Ästhetik, 1, 119–136. Jank, W. & Schilling-Sandvoß, K. (2016). Was und wie viel haben wir festgelegt? Frankfurter Eckpunkte der Professionalisierung in der GrundschullehrerInnen-Bildung. In S. Orgass (Hrsg.), Wie
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4.2
Theologische Themen in didaktischer Perspektive: Institutionelle und horizontale Kohärenz in der Religionslehrerbildung
Sabine Pemsel-Maier Pädagogische Hochschule Freiburg Keywords: Institutionelle Kooperation, konzeptionelle Entwicklung, Theologie und Religionspädagogik Das Studium der Theologie setzt sich aus sehr vielen Fächern zusammen. Die Religionsdidaktik ist in diesem Kanon fest verankert, steht jedoch an vielen Stellen unverbunden neben den anderen fachwissenschaftlichen Disziplinen. Das Modul „Theologie im Dialog – Theologische Themen in didaktischer Perspektive“, das in Kooperation zwischen Theologischen Fakultät der Albert-LudwigsUniversität Freiburg und der Abteilung Katholische Theologie der Pädagogischen Hochschule Freiburg für das Lehramtsstudium im Sekundarbereich entwickelt wurde, zielt auf eine bessere Vernetzung. Es soll zu verstärkter Kohärenz zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik beitragen und zugleich die Dialogfähigkeit der Studierenden in Bezug auf den Dialog mit Menschen mit anderen Weltanschauungen, anderen christlichen Konfessionen und anderen Religionen fördern. Dieser Beitrag beschreibt die inhaltliche und formale Konzeption dieses Moduls und zeigt Möglichkeiten und Bedingungen auf, unter denen eine Kooperation zwischen zwei ungleichen Hochschuleinrichtungen gewinnbringend sein kann.
Ausgangspunkte Theologie und die Ausdifferenzierung des theologischen Fächerkanons Der theologische Fächerkanon ist gekennzeichnet durch eine ausgeprägte Ausdifferenzierung der Fächer. Er reicht von den literarisch ausgerichteten biblischen Wissenschaften über die historischen Disziplinen der Kirchen- und Dogmengeschichte, der Systematischen Theologie und Ethik bis zu den Teilgebieten der Praktischen Theologie. Diese Differenzierung ist dem wissenschaftlichen Selbstverständnis der Theologie geschuldet: „Die Theologie ist nicht durch spezielle materiale Gegenstände bestimmt (…). Ihr genuiner wissenschaftlicher Beitrag in der Universität besteht darin, alle Gegenstände sub ratione Dei zu erforschen.“ (Miggelbrink, 2013, S. 15) Ihr Anspruch und Auftrag erwächst aus ihrem spezifischen Weltzugang und Modus des Weltverstehens, der, wie in anderen Wissenschaften, mit einer eigenen Rationalität verbunden ist. Der Bildungswissenschaftler Jürgen Baumert beschreibt sie als „konstitutive Rationalität“ (Baumert, 2004, S. 107-113) und unterscheidet sie von der naturwissen© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_7
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schaftlich-mathematisch kognitiven Rationalität, der ästhetisch-expressiven Rationalität in Sprache und Literatur, Musik, Bildender Kunst und physischer Expression (Tanz, Sport) sowie der normativ-evaluativen Rationalität, die Geschichte, Ökonomie, Politik, Gesellschaft und Recht kennzeichnet. Durch ihre starke inhaltliche Ausdifferenzierung ist die Theologie als Wissenschaft sowohl für inter- als auch für intradisziplinäre Zusammenarbeit prädestiniert. Eben weil sie literarisch, historisch, systematisch und praktisch ausgerichtet ist, ist sie auf Interdisziplinarität hin angelegt: auf den Dialog mit Philosophie, mit Sprache und Literatur, mit Geschichte, mit den Naturwissenschaften und mit den bildenden Künsten. Zugleich bedarf sie der intradisziplinären Zusammenarbeit, damit die unterschiedlichen theologischen Fachrichtungen nicht in kommunikationsloser Diversität bleiben. Eben dies war Grund für die institutionelle Kooperation der Katholisch-Theologischen Fakultät an der AlbertLudwigs-Universität Freiburg und der Abteilung Katholische Theologie an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Unterschiedliche Gegebenheiten der Religionslehrerbildung an Universitäten und Theologischen Instituten bzw. Abteilungen an Pädagogischen Hochschulen Die folgenden Ausführungen für die institutionelle Kooperation der Katholischen Theologie an Universität und Pädagogischer Hochschule am Standort Freiburg gelten analog für das Fach Evangelische Theologie und für die Kooperation zwischen Theologischen Fakultäten und Theologischen Instituten in anderen Bundesländern. Baden-Württemberg hält als einziges Bundesland an den Pädagogischen Hochschulen für das Lehramtsstudium an Grund-, Haupt-, (Werk-)Real-, Gemeinschafts- und Förderschulen fest, während das Studium für das Gymnasiallehramt an den Fakultäten der Universitäten stattfindet. Dem skizzierten Fächerkanon der katholischen Theologie wird auf sehr unterschiedliche Weise Rechnung getragen. Die Theologischen Fakultäten an den Universitäten bilden das breite Fächerspektrum nach einer Vorgabe des Staatskirchenrechts mithilfe von mindestens zwölf bis zu fünfzehn Lehrstühlen ab. Zu jeder Professur wiederum gehört eine beträchtliche Anzahl an Akademischen Mitarbeitenden. Fester Bestandteil jeder Katholisch-Theologischen Fakultät ist ein Lehrstuhl für Religionspädagogik und -didaktik, da die Theologie durch ihren genuinen Verkündigungsauftrag auf kommunikative Prozesse der Vermittlung und Aneignung angelegt ist. Die in der Denomination signalisierte Verbindung von Pädagogik und Didaktik macht einerseits darauf aufmerksam, dass Religionspädagogik mehr und anderes umfasst als nur Didaktik, nämlich auch empirische, historische und hermeneutische Forschung und Lehre, signalisiert aber andererseits, dass Religionsdidaktik eine wesentliche und zentrale Dimension und Aufgabe von Religionspädagogik ist. Dieser Lehrstuhl schafft
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einen Unterschied zu vielen anderen Fächern, die nicht notwendigerweise über Didaktik-Lehrstühle oder zumindest Mitarbeiterstellen verfügen. Im Unterschied zur Theologie an den Universitäten sind für die Theologischen Abteilungen der Pädagogischen Hochschulen in der Regel nur zwei, teilweise sogar nur eine Professur sowie ein bis zwei dauerhafte Mitarbeiterstellen vorgesehen. An den Theologischen Instituten der anderen Bundesländer sind es bis auf Ausnahmen zwei bis fünf Professuren. Eine Lehrperson vertritt an diesen Institutionen also in der Regel mehrere Fächer. Stärken und Grenzen Beide Institutionen haben Stärken und Grenzen. Die fächerspezifische Ausdifferenzierung und die hohe fachliche Spezialisierung an Theologischen Fakultäten führen zu großer fachwissenschaftlicher Expertise in der Forschung und zu einem breiten Wahlangebot an fachwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen. Dies kann die Theologie an Pädagogischen Hochschulen – und in der Regel auch an Theologischen Instituten – allein schon aufgrund ihrer Ausstattung nicht leisten. Die Kehrseite der fachspezifischen Diversifizierung an Theologischen Fakultäten ist die Segmentierung der Fächer und die damit verbundene Trennung von fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen. Die Vertreter/-innen der Fachwissenschaften konzentrieren sich in Forschung und Lehre in der Regel auf fachwissenschaftliche Aspekte, ohne didaktische Bezüge herzustellen: Die biblische Theologie betreibt in der Regel keine Bibeldidaktik, die Kirchengeschichte keine Kirchengeschichtsdidaktik, die Ethik keine Ethikdidaktik etc. Im Gegenzug fallen alle fächerspezifischen theologischen Didaktiken – also Bibeldidaktik, Kirchengeschichtsdidaktik, Ethikdidaktik etc. – in den Aufgabenbereich der Religionsdidaktik. Dies bedeutet keineswegs, dass fachwissenschaftliche Theologie an der Universität ohne didaktische Ausrichtung und ohne Praxisbezug betrieben würde. Doch es ist ein Unterschied, ob die Praxis im Allgemeinen als Ziel und Bewährungsort der Theologie im Blick ist oder ob in den jeweiligen Lehrveranstaltungen explizit didaktische Herausforderungen und Unterrichtsarrangements thematisiert werden. Demgegenüber findet die theologische Lehre an Pädagogischen Hochschulen und vielfach auch an Theologischen Instituten stärker integrativ statt. Auch wenn sie fachwissenschaftlich ausgerichtet ist, bezieht sie zumeist didaktische Perspektiven von Anfang an ein. Diese Verquickung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik spiegelt sich auch in der Bezeichnung der Studiengänge an den Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg mit dem Titel „Katholische Theologie/Religionspädagogik“ wider.
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Eine win-win-Situation: Die Kooperation zwischen Theologischen Fakultäten und Theologischen Instituten bzw. Abteilungen an Pädagogischen Hochschulen Ungleiche Ausgangsbedingungen Was die personellen Ressourcen betrifft, sind die Ausgangsbedingungen höchst ungleich: Die Kooperation zwischen den kleinen Abteilungen der Theologie an Pädagogischen Hochschulen bzw. den relativ kleinen Theologischen Instituten und den großen Theologischen Fakultäten an Universitäten gleicht der sprichwörtlichen David-und-Goliath-Konstellation. Da an den Universitäten durch die Lehrstühle für Religionspädagogik und -didaktik das didaktische Angebot nicht nur gesichert ist, sondern aufgrund der personellen Ressourcen weitaus mehr Lehrstunden umfasst als das didaktische Lehrangebot an den Theologischen Instituten oder Abteilungen von Pädagogischen Hochschulen, stellt sich berechtigterweise die Frage, warum Theologische Fakultäten überhaupt mit diesen weitaus kleineren Institutionen kooperieren sollten. Dass dies durchaus sinnvoll ist und die Zusammenarbeit für beide Institutionen mit Blick auf die Kohärenz in der Lehre eine win-win-Situation werden kann, zeigt die Kooperation am Standort Freiburg im Studiengang Master of Education der Albert-Ludwigs-Universität und im Masterstudiengang Sekundarlehramt der Pädagogischen Hochschule. Wesentlicher Anlass für die Initiierung der Kooperation war die Beteiligung beider Institutionen an der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“. Den institutionellen Rahmen für die Kooperation bot das Kooperationsnetzwerk von Universität und Pädagogischer Hochschule „Freiburg Advanced Center of Education“ (FACE). Da in Freiburg an der Universität, im Unterschied zur Pädagogischen Hochschule, keine evangelische Theologie angeboten wird, erstreckt sich die Kooperation ausschließlich auf die katholische Theologie. Gemeinsames Anliegen: Die Stärkung horizontaler Lehrkohärenz Bei der gemeinsamen Auslotung potenzieller Möglichkeiten einer Kooperation kristallisierte sich eine engere Verzahnung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik als gemeinsames Anliegen heraus. Während die Aufmerksamkeit bislang vor allem auf die Entwicklung eines konsekutiven Spiralcurriculums in den Fachwissenschaften vom Bachelor- bis zum Masterstudiengang gerichtet wurde, sollen zukünftig verstärkt Bemühungen um eine horizontal-synchrone Lehrkohärenz für das Masterstudium unternommen werden, um die unterschiedlichen innertheologischen Wissenschaftsbereiche mit den jeweiligen Fachdidaktiken zu vernetzen.
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Um dieses Anliegen zu realisieren, wurde von den beiden Hochschulen gemeinsam ein Modul konzipiert, das fachwissenschaftliche sowie fachdidaktische Anteile enthält und miteinander verbindet. Dieses Modul wurde sowohl an den konkreten Anforderungen unterrichtlicher Praxis an die Lehrkräfte ausgerichtet als auch am fachspezifischen Kompetenzprofil für das Lehramt an Sekundarstufe I und Gymnasien, demzufolge Studierende „die Basis für eine zu entfaltende theologisch-religionspädagogische Kompetenz“ erwerben sollen (Kompetenzprofil, 2015, S. 491). Horizontale Lehrkohärenz als Ziel Mehr Professionsorientierung: Ein Plädoyer aus der theologischen Fachwissenschaft Die Religionsdidaktik erhebt insbesondere in jüngerer Vergangenheit einen klaren Anspruch auf die Konturierung fachwissenschaftlicher Inhalte (PemselMaier & Schambeck, 2015). Der evangelische Religionspädagoge Martin Rothgangel votierte bereits 2005 für die Religionspädagogik als „Mitte der Theologie“ (Rothgangel & Thaidingsmann, 2005) und sah im religionspädagogischen Bezug eine bildungstheoretisch bestimmte Gesamtaufgabe der Theologie. Nichtsdestotrotz leuchtete im Vorfeld der geplanten Maßnahme nicht allen Vertretern/-innen der anderen theologischen Fachwissenschaften die Notwendigkeit horizontaler Lehrkohärenz ein. Aus diesem Grund ist es bei einem solchen Vorhaben wichtig, sich auf einen ausgewiesenen Fachwissenschaftler zu berufen, der als ideeller Gewährsmann gelten kann: Im vorliegenden Fall ist dies Karl Rahner (1904-1984), der als Theologe innerhalb der verschiedenen fachwissenschaftlichen Disziplinen hohe Autorität genießt. Rahner, Systematischer Theologe, betrieb Theologie auf höchstem Abstraktions- und Sprachniveau ohne unmittelbaren Praxisbezug. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – erkannte er nicht nur klar die Grenzen einer strikten Trennung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik, sondern machte den bis heute als radikal erachteten Vorschlag, das Theologiestudium völlig neu zu strukturieren: Für die theologische Lehre im Unterschied zur theologischen Forschung sind die traditionellen theologischen Disziplinen zu zerschlagen und der Lehrstoff von ganz anderen Prinzipien aus zu organisieren. (Rahner, 1995, S. 524)
Auch wenn die damit zwangsläufig verbundene und von ihm postulierte Trennung von Forschung und Lehre grundsätzlich und besonders angesichts der in den gegenwärtigen Studienordnungen vorgesehenen Forschungsorientierung der Studierenden kritisch zu hinterfragen ist, gibt seine Forderung nach einem „be-
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ruflichen Konzept“ (Rahner, 1995, S. 527), von dem her Studium und Lehre zu konzipieren seien, bis heute zu denken, zumal kein anderweitiges entsprechendes Konzept aus dem Bereich Theologie vorliegt. Verstand Rahner angesichts der traditionellen Ausrichtung des Theologiestudiums auf eine spätere priesterliche bzw. pastorale Tätigkeit hin 1 unter dem geforderten beruflichen Konzept „eine Strukturierung des ganzen Corpus der Theologie durch die Pastoraltheologie“ (Rahner, 1995, S. 527), die zu seiner Zeit als leitende Handlungswissenschaft galt, so ließe sich für die Lehramtsstudiengänge sein Vorschlag so modifizieren, dass die gesamte Theologie durch die Religionspädagogik und -didaktik zu strukturieren sei. Rahners Vorschlag wurde in dieser radikalen Form, von wenigen Ausnahmen abgesehen 2, institutionell nicht aufgegriffen. Doch er bringt auch überzeugte Fachwissenschaftler/-innen zum Nachdenken, gerade weil er von einem nicht minder überzeugten und als theologische Autorität anerkannten Fachwissenschaftler stammt, und weckt die Bereitschaft zu einer engeren konzeptionellen Verflechtung von Fachdidaktik und Fachwissenschaft. Die Kooperationsvereinbarung am Standort Freiburg Die stärkere Vernetzung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik mit dem Ziel der Förderung horizontal-synchroner Lehrkohärenz ist das Proprium, das die Abteilung Katholische Theologie in die Kooperation einbringen und von dem die Theologie an Universitäten profitieren kann. Umgekehrt kann die Theologische Fakultät ein sowohl breiter gefächertes als auch stärker in die Tiefe gehendes Angebot an fachwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen bieten, von dem die Katholische Theologie an der Pädagogischen Hochschule profitieren kann. Für die Kooperation am Standort Freiburg wurde vereinbart: 1) Die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität bietet ihre Lehrveranstaltungen im Master of Education zugleich für das erste Modul des Masterstudiengangs Katholische Theologie/Religionspädagogik für das Lehramt der Sekundarstufe an der Pädagogischen Hochschule an. Dazu öffnet sie ihr Angebot an fachwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen für Theologiestudierende der Pädagogischen Hochschule; diese belegen im ersten Mastermodul drei Lehrveranstaltungen aus drei verschiedenen Bereichen an der Universität. 2) Das zweite Modul des betreffenden Masterstudiengangs bietet die Abteilung Katholische Theo-
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Bis in die jüngste Vergangenheit zielte die Einrichtung von Theologischen Vollfakultäten auf die priesterliche Ausbildung ab; erst mit der am 8. Dezember 2017 erlassenen und am 29. 1. 2018 veröffentlichten Apostolischen Konstitution „Veritatis gaudium“ (Papst Franziskus 2018) wurde diese zwingende Verbindung aufgegeben. Eine solche Ausnahme stellt die Konzeption des Studiums an der PH Schwäbisch Gmünd dar. Ausführlich dazu Benk, Wiemer, 2017.
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logie der Pädagogischen Hochschule zugleich für die Studierenden des Master of Education an der Universität an, indem sie dieses Modul für die Studierenden der Katholisch-Theologischen Fakultät öffnet. Das Modul „Theologie im Dialog – Theologische Themen in didaktischer Perspektive“ Intention, formale und inhaltliche curriculare Gestaltung des Moduls Das gemeinsam konzipierte Modul zur Förderung horizontaler Kohärenz trägt den Titel „Theologie im Dialog – Theologische Themen in didaktischer Perspektive“. Die Fokussierung auf den „Dialog“ schien sowohl aus inhaltlichen Gründen geboten als auch von den institutionellen Gegebenheiten her naheliegend. Erstens zählt das In-Dialog-Treten, egal ob mit Atheist/-innen, Agnostiker/-innen oder Angehörigen anderer Weltanschauungen und Religionen, zu den dringendsten Aufgaben der Theologie von heute und zu den grundlegenden Aufgaben von Religionslehrkräften. Zweitens kann die katholische Theologie, die an der PH Freiburg gemeinsam mit der evangelischen Theologie und der islamischen Theologie das Institut der Theologien bildet, institutionell und personell zwei Dialogforen bieten. Diese stehen der Theologischen Fakultät nicht zur Verfügung, weil es an der Universität Freiburg weder Studiengänge für evangelische noch für islamische Theologie gibt. Mit Blick auf die von angehenden Religionslehrkräften zu erwerbende Dialogkompetenz sind drei Dialogfelder bzw. drei Lehrveranstaltungen vorgesehen, die sich aus den gegenwärtigen gesellschaftlichen Herausforderungen an die Theologie ergeben: erstens der Dialog mit anderen Weltanschauungen, der in die Lehrveranstaltung „Fundamentaltheologie mit ihren didaktischen Implikationen“ eingebettet ist; zweitens der Dialog mit anderen Konfessionen, insbesondere der evangelischen, der durch das zukünftig favorisierte Modell des konfessionellkooperativen Religionsunterrichts hohe Dringlichkeit erhält und in der Lehrveranstaltung „Konfessionell-kooperativer Religionsunterricht“ verortet ist; drittens der Dialog mit dem Islam im Rahmen der Lehrveranstaltung „Interreligiöses Lernen: Christentum und Islam“. Der Titel „in didaktischer Perspektive“ kennzeichnet die formale curriculare Gestaltung des Moduls: die Verbindung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik. Theologisch-fachwissenschaftliche Perspektiven – neuzeitliche Religionskritik und christliches Gottesverständnis; Ökumenische Theologie und Konfessionskunde; islamische Theologie und Religionstheologie – werden mit neueren didaktischen Ansätzen – der Didaktik der Fundamentaltheologie (die den christlichen Glauben nach außen mit Blick auf Nichtglaubende darstellt und
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begründet); der konfessionell-kooperativen Didaktik (die auf die zukünftige Kooperation zwischen Lehrkräften für evangelischen und katholischen Religionsunterricht abzielt) sowie der interreligiösen Didaktik – verbunden.
Abb. 1: Modul „Theologie im Dialog – Theologische Themen in didaktischer Perspektive“ Alle drei Dialogfelder mit den zugehörigen Lehrveranstaltungen nehmen Bezug auf aktuelle inhaltliche und didaktische Herausforderungen im Religionsunterricht der Sekundarstufe I und haben daher auch für die Praxis außerhalb Freiburgs und außerhalb Baden-Württembergs Modellcharakter. Während fundamentaltheologisch ausgerichtete Lehre ein traditioneller Bestandteil von theologischen und religionspädagogischen Curricula ist, haben die beiden letztgenannten Lehrveranstaltungen innovativen Charakter, sofern sie auf aktuelle Entwicklungen in der Gesellschaft und in der Religionspädagogik reagieren: Die Implementierung konfessionell-kooperativen Lernens antwortet auf die Notwendigkeit, Religionsunterricht zunehmend konfessionell-kooperativ zu erteilen, wenn das Zustandekommen konfessionell homogener Religionsgruppen aufgrund zu
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geringer Zahlen erschwert ist. Interreligiöses Lernen ist das Gebot der Stunde angesichts des Religionsplurals und der infolge von Migrationsbewegungen wachsenden Anzahl muslimischer Schüler/-innen (Meyer & Tautz, 2015). Je nach Standort und Studiengängen vor Ort können die dialogorientierten Lehrveranstaltungen auch modifiziert werden. So können Studiengänge der Ethik oder der Philosophie, aber auch orthodoxe Theologie oder jüdische Theologie in das Dialogmodul integriert werden. Positionierung des Moduls im Studienverlauf Das Modul ist als zweites und damit abschließendes Modul am Ende des Masterstudiums vorgesehen. Es setzt Kenntnisse voraus, die im Bachelor-Studium erworben werden, insbesondere in den Lehrveranstaltungen „Einführung in die Dogmatik und ihre Forschungsmethoden“, „Einführung in die Didaktik des Religionsunterrichts“ sowie „Interreligiöse und interkonfessionelle Grundlegung“. Je nach gewählter Lehrveranstaltung aus dem von der Theologischen Fakultät bereitgestellten Angebot können die entsprechenden Kompetenzen im ersten Modul des Masterstudiengangs vertieft werden; dies ist jedoch nicht obligatorisch. Die anzustrebenden Kompetenzen Die Kompetenz-Zielbestimmungen der Katholischen Theologie für die Lehrämter der Sekundarstufe I, die nicht zwischen den Studiengängen des Gymnasiallehramtes und den anderen Studiengängen der Sekundarstufe I differenzieren, sehen übergreifend für alle Disziplinen vor: Die Studierenden - „können Erkenntnisse der einzelnen theologischen Disziplinen selbstständig rekonstruieren und miteinander verbinden“ (Kompetenzprofil, 2015, S. 492), - „können verschiedene Erkenntnis- und Arbeitsweisen der theologischen Disziplinen im Verbund mit der Religionsdidaktik vertieft anwenden“ (Kompetenzprofil, 2015, S. 492), - „kennen fachdidaktische Modelle und Konzeptionen, um theologische Inhalte für die Schule zu transformieren“ (Kompetenzprofil, 2015, S. 493). Mit Blick auf die Lehrveranstaltungen innerhalb des skizzierten Moduls werden folgende Kompetenzen angebahnt: Für „Fundamentaltheologie und ihre Didaktik“: Die Studierenden - „können Religion und Glaube aus der theologischen Binnenperspektive und aus der Außenperspektive anderer Wissenschaften wahrnehmen und reflektieren“ (Kompetenzprofil, 2015, S. 492),
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„können sich im fachübergreifenden und fächerverbindenden Diskurs und im Gespräch mit weltanschaulich-säkularen Ansätzen theologisch begründet positionieren“ (Kompetenzprofil, 2015, S. 493).
Für „Konfessionell-kooperativen Religionsunterricht“: Die Studierenden - „können sich im Bewusstsein der eigenen katholischen Identität mit anderen christlichen Konfessionen auseinandersetzen und verständigen“ (Kompetenzprofil, 2015, S. 492), - „können die gelebte Praxis der Kirche sachgerecht darstellen und theologisch reflektiert beurteilen“ (Kompetenzprofil, 2015, S. 493). Für „Interreligiöses Lernen: Christentum und Islam“: Die Studierenden - „können nichtchristliche Religionen, vor allem Judentum und Islam, im Horizont interkultureller und interreligiöser Fragestellungen sachgerecht darstellen“ (Kompetenzprofil, 2015, S. 493), - „können im interreligiösen Dialog theologisch argumentieren und Position beziehen“ (Kompetenzprofil, 2015, S. 493). Dies sind die vorgegebenen Kompetenz-Zielbestimmungen für alle Lehramtsstudiengänge der Sekundarstufe I in Baden-Württemberg. Entsprechend den Kompetenzvorgaben anderer Bundesländern können diese variiert werden. Institutionelle Kohärenz – besondere Herausforderungen Das Modul mit den drei dargestellten Lehrveranstaltungen verantworten Lehrende der Pädagogischen Hochschule; umgekehrt verantworten Lehrende der Theologischen Fakultät die Lehrveranstaltungen im fachwissenschaftlichen Modul. Lehrimport und Lehrexport sind also in beiden Institutionen ausgeglichen. Für zwei der drei Lehrveranstaltungen des skizzierten Moduls – für die konfessionelle Kooperation und das interreligiöse Lernen – ist jeweils ein Tandem aus zwei Lehrenden der Pädagogischen Hochschule vorgesehen, die der Katholischen und der Evangelischen Theologie bzw. der Katholischen und der Islamischen Theologie angehören. Entsprechende Lehrtandems und das damit verbundene team teaching wurden an der Pädagogischen Hochschule bereits in einzelnen Lehrveranstaltungen in den Bachelorstudiengängen sowie im Kontext des Projekts Tandem-Teaching IntegraL-TT erprobt, das innerhalb der Hochschullehre Lehrtandems mit Dozierenden aus verschiedenen Fachdisziplinen fördert. Die Tandemkonstellationen sind in der Studienordnung jedoch nicht festgeschrieben. Sollten sie sich aufgrund von personeller Fluktuation, Elternzeit, Forschungssemestern und anderen Veränderungen nicht realisieren lassen, kann auch eine Lehrperson der Pädagogischen Hochschule die Veranstaltungen zum
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interreligiösen oder konfessionell-kooperativen Lernen allein durchführen, allerdings unter Berücksichtigung der wesentlichen inhaltlichen Perspektiven des anderen Fachs. Die Herausforderungen dieser institutionellen Kooperation beziehen sich nicht auf die Lehrenden, sondern auf die Studierenden: Im geplanten Modul, das die Pädagogische Hochschule verantwortet, aber auch im fachwissenschaftlich ausgerichteten Modul, das die Theologische Fakultät anbietet, treffen zwei unterschiedliche Lerngruppen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und unterschiedlichen Studienverläufen aufeinander. Wie sich dies auf die gemeinsamen Lernprozesse auswirkt, wird die Praxis zeigen. Zudem bestehen bei manchen Studierenden mehr oder weniger offen artikulierte stereotype Bilder in Bezug auf die andere Gruppe, z. B. „mehr intellektuell“ oder „weniger intellektuell“, „praxisferner“ oder „praxisnäher“ als die eigene Gruppe. Es ist noch offen, ob und wie ein konstruktiver Umgang mit sich solchen Typisierungen möglich ist. Prüfungsmodalitäten und Studienleistungen Die Prüfungsmodalitäten mit den entsprechenden Aufgabenformaten sind analog zu den genannten Kompetenzen zu gestalten. Die Art und Weise der Modulabschlussprüfung ist durch die prüfungsrechtliche Mitwirkung der Kirchen vorgegeben, die für das letzte Mastermodul eine mündliche Prüfung unter Beteiligung von Kirchenvertretern/-innen vorsehen. Die Studienleistungen im Modul sind kompetenzorientiert: Die Studierenden werden aufgefordert, unter Einbeziehung der inhalts- und prozessbezogenen Kompetenzen des Bildungsplans ihrer jeweiligen Schulart einen thematischen „Unterrichtsbaustein“ zu erarbeiten, für den sie fachwissenschaftliche und fachdidaktische Reflexionen vernetzen. Für die Lehrveranstaltung „Didaktik der Fundamentaltheologie“ könnte ein solcher Baustein beispielsweise sein: „Religionskritik im 20. und 21. Jahrhundert“ oder „Auseinandersetzung mit zeitgenössischen atheistischen Positionen“; für die Lehrveranstaltung „Konfessionell-kooperativer Religionsunterricht: „Menschenbild in katholischer und evangelischer Perspektive“ oder „Kirchenverständnis im Vergleich der Konfessionen“; für das interreligiöse Lernen: „Unterschiedliches Offenbarungsverständnis in Christentum und Islam“ oder „Jüdische und christliche Feste im Jahreskreis“. Didaktische Konkretisierungen Der Elementarisierungsansatz als Arbeits- und Planungsmodell Grundsätzlich bietet es sich an, für das Modul den Elementarisierungsansatz heranzuziehen, der als Planungsmodell und didaktisches Prinzip in der Religi-
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onsdidaktik beider Konfessionen breite Rezeption erfahren hat. Demnach sind fünf Dimensionen zu bedenken und zwar in ihrer wechselseitigen Verschränkung (Hanisch, 2010; Schweitzer, 2011, 2013). Dabei sind die elementaren Erschließungsdimensionen, die nachfolgend beschriebenen werden, im Sinne eines Kreises oder Zirkels zu verstehen, der an jeder Stelle „betreten“ werden kann.
Abb. 2: Elementarisierungsansatz Aufgabenformate im Kontext der Elementarisierung Die Studierenden arbeiten die elementaren Strukturen ihres „Bausteins“ heraus, indem sie entsprechende fachwissenschaftliche philosophisch-systematische, ökumenische und religionstheologische bzw. religionskundliche Analysen vornehmen und begründen, welche Inhalte bedeutsam sind. Sie treffen diese Überlegungen unter Berücksichtigung sowohl der elementaren Erfahrungen, die Kinder und Jugendliche heutzutage machen, als auch jener Erfahrungen, die in den überlieferten Zeugnissen, Texten, Riten und Bräuchen ihren Niederschlag gefunden haben. Indem die Studierenden mit den elementaren Zugängen die alters- und lebensgeschichtlich bedingten kognitiven Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen berücksichtigen, beziehen sie im Sinne horizontaler Kohärenz entwicklungspsychologische Kenntnisse und konstruktivistische Theorien mit ein. Schließlich entwickeln sie elementare Lernformen. Im Rekurs auf die Grundregeln der Religionsdidaktik achten sie dabei auf methodische Vielfalt, auf kognitive, affektive und handlungsorientierte Aspekte des Lernens sowie auf Möglichkeiten kreativer Aneignung. Ein Spezifikum des Theologiestudiums und
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des Religionsunterrichts ist die Verständigung über elementare Wahrheiten: Sie scheinen sowohl im existenziellen Bezug eines Themas als auch in der Suche nach Vergewisserung auf. Gerade für das skizzierte Modul ist diese Dimension unverzichtbar, da sich Wahrheitsfragen angesichts anderer Weltanschauungen, Konfessionen und Religionen mit Vehemenz stellen. Perspektivenverschränkung als didaktisches Prinzip Das Prinzip Perspektivenverschränkung wurde im Kontext des konfessionellkooperativen Unterrichts entwickelt (Woppowa, 2015), lässt sich jedoch auch auf die in diesem Modul geforderten dialogischen Lehr-Lern-Prozesse übertragen. Denn sowohl im interreligiösen Lernen als auch im Dialog mit anderen Weltanschauungen geht es um jeweils andere Perspektiven auf die Wirklichkeit bzw. auf ein und denselben Gegenstand: Mensch, Welt, Universum, Begrenzung, Selbstverwirklichung, Glück, Leid, Tod etc. Wenn unter den Bedingungen der Spätmoderne Wahrheit nur noch perspektivisch Gestalt finden kann, folgt daraus, dass Theologie und Religionspädagogik Räume für unterschiedliche Perspektiven eröffnen müssen. Perspektivenwechsel bietet einen inhaltlich und didaktisch begründeten Modus, um sich konstruktiv und kritisch mit Vielfalt auseinanderzusetzen. Perspektivenverschränkung geht insofern darüber hinaus, als dass sie die unterschiedlichen Perspektiven miteinander ins Gespräch bringt. Ausblick: Angedachte hochschuldidaktische Forschung Zur Evaluierung und Weiterentwicklung des skizzierten Moduls bietet sich eine empirische Studie an. Diese sollte den Vergleich zwischen den unterschiedlichen Lerngruppen beinhalten, um erheben zu können, ob sich die unterschiedlichen Voraussetzungen von PH-Studierenden und Uni-Studierenden auf deren Lernpotenzial auswirkt oder nicht. Forschungsmethodisch gilt es zu erwägen, inwiefern das von Nikolova, Schluß, Weiß und Willems (2007) aus bildungswissenschaftlicher und religionspädagogischer Perspektive entwickelte Berliner Modell religiöser Kompetenz auf Kohärenz hin modifizierbar ist. Es handelt sich um ein Testmodell, das im Unterschied zum Modul nicht mit didaktischen Aufgaben arbeitet, die LehrLernprozesse strukturieren, sondern mit Testaufgaben, die die in einer vorgegebenen Zeit erworbenen Fähigkeiten erfassen. Damit hat das Modell eine andere Zielrichtung als die Evaluierung gelingender oder nicht-gelingender Kohärenz. Anschlussfähigkeit ist jedoch insofern gegeben, als dass auch religiöse Kompetenz das Resultat einer Verschränkung unterschiedlicher Kompetenzen darstellt und in diesem Sinne ebenfalls auf Kohärenz zielt. In beiden Fällen findet deshalb
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eine theoretisch ausgewiesene und empirisch kontrollierte Verknüpfung von theologischen, religionsdidaktischen (und darüber hinaus auch bildungstheoretischen) Fragestellungen statt. Wie kann diese Verknüpfung gestaltet werden? Wie kann das Modell religiöser Kompetenz transformiert werden? Welche Bedingungen, Kriterien und Aufgabenstile für die Konstruktion von Testaufgaben müssen beachtet werden? Diese und andere Fragen stellen für beide involvierte Institutionen ein herausforderndes Forschungsdesiderat dar. Literatur Altmeyer, S., Bitter, G., & Theis, J. (2013). Religiöse Bildung. Optionen, Diskurse, Ziele. Stuttgart: Kohlhammer. Baumert, J. (2004). Deutschland im internationalen Bildungsvergleich. In N. Killius, J. Kluge, & L. Reisch (2004). Die Zukunft der Bildung (S. 100-150). Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Benk, A. & Wiemer, A. (2017). Thematisch strukturiertes Studium in konfessioneller Kooperation. Das Schwäbisch Gmünder Modell des theologischen Lehramtsstudiums. Religionspädagogische Beiträge, 76, 108–114. Die deutschen Bischöfe (2016). Die Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts. Empfehlungen für die Kooperation des katholischen mit dem evangelischen Religionsunterricht. Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz: Bonn. Abgerufen am 26. Mai 2018 von http://www.dbk-shop.de/de/die-zukunft-konfessionellen-religionsunterrichts.html Hanisch, H. (2010). Unterrichtsplanung im Fach Religion. Theorie und Praxis. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Killius, N., Kluge, J., & Reisch, L. (2004). Die Zukunft der Bildung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Kompetenzprofil Lehramt Sekundarstufe I und Lehramt Gymnasium Katholische Theologie/ Religionspädagogik (2015). In Gesetzblatt Baden-Württemberg, 13, 442–443. Abgerufen am 26. Mai 2018 von https://www.phfreiburg.de/fileadmin/dateien/zentral/studienplanung/rv_km_la_2015_anlagen.pdf Meyer, K. & Tautz, M. (2015). Interreligiöses Lernen. In: Wissenschaftliches Lexikon der Religionspädagogik (WiRelex) (2017). Abgerufen am 26. Mai 2018 von https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/100068/ Miggelbrink, R. (2013). Gottesdiskurse im Bildungszusammenhang. In S. Altmeyer, G. Bitter, & J. Theis (2013). Religiöse Bildung. Optionen, Diskurse, Ziele (S. 13–22). Stuttgart: Kohlhammer. Nikolova, R., Schluß, H., Weiß, T., & Willems, J. (2007). Das Berliner Modell religiöser Kompetenz: Fachspezifisch – Testbar – Anschlussfähig. Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik, 6, 67–87. Papst Franziskus (2018). Apostolische Konstitution Veritatis Gaudium. Über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten. Abgerufen am 26. Mai 2018 von http://w2.vatican.va/content/francesco/de/apost_ constitutions/documents/papa-francesco_costituzione-ap_20171208_veritatis-gaudium.html Pemsel-Maier, S. & Schambeck, M. (2015). Keine Angst vor Inhalten! Systematisch-theologische Themen religionsdidaktisch erschließen. Freiburg: Herder. Rahner, K. (1995). Sämtliche Werke (Bd. 19). Freiburg: Herder. Rothgangel, M. & Thaidigsmann, E. (2005). Religionspädagogik als Mitte der Theologie? Theologische Disziplinen im Diskurs. Stuttgart: Kohlhammer.
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Schweitzer, F. (2011). Elementarisierung im Religionsunterricht. Erfahrungen, Perspektiven, Beispiele. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlagsgesellschaft. Schweitzer, F. (2013). Elementarisierung und Kompetenz. Wie Schülerinnen und Schüler von „gutem Religionsunterricht“ profitieren. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlagsgesellschaft. Woppowa, J. (2015). Garant konfessioneller Vielfalt?! Zu einer notwendigen Didaktik des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts. Loccumer Pelikan, 4, 157–161.
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Lehrkohärenz in der Geschichtslehrerbildung – Schnittmengen zwischen Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik
Jessica Kreutz Pädagogische Hochschule Freiburg Keywords: Intradisziplinarität, Lehrentwicklungsmodell, Qualitätsstandards Viele hochschuldidaktische Lehrentwicklungsprojekte laufen nach einer Pilotphase ohne nachhaltige Rückwirkung auf den Lehrbetrieb aus. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Neben der Finanzierung sind struktur- und/oder personalbedingte Faktoren für eine erfolgreiche Implementierung innovativer Lehrkonzepte entscheidend. Auch das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „Fachwissenschaft trifft Fachdidaktik!“, ein institutionelles Konzept der Abteilung Geschichte an der Pädagogischen Hochschule Freiburg und des Historischen Seminars an der AlbertLudwigs-Universität Freiburg, endete nach drei Jahren. Die Durchführung dieses Projekts ist am Ende dennoch positiv zu bewerten: intradisziplinär bedingte Diskussionspunkte zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik geben Anlass zu einer weiterführenden Reflexion über die Geschichtslehrerbildung. Dieser Beitrag widmet sich daher dem Thema konzeptioneller Kohärenz zwischen der Geschichtswissenschaft und der Geschichtsdidaktik: Inwiefern kann kohärente Lehre im Hochschulfach Geschichte für eine professionsorientierte Lehrerbildung zweckdienlich sein? Daneben geht es darum, einen Beitrag zur Überwindung intradisziplinärer Grenzen zu leisten, indem Schnittmengen zwischen Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik diskutiert werden.
Kontext Die Lehrerbildung ist, u. a. durch das bundesweite Projekt „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“, aktuell im Umbruch. Das hat nicht nur strukturelle Konsequenzen für die Hochschullandschaft, sondern auch Auswirkungen auf das Selbstverständnis einzelner Fachvertreterinnen und Fachvertreter. Die mithilfe des Projekts angestrebte professionsorientierte Ausbildung angehender Lehrkräfte führt zu einer emanzipierenden Wende nicht nur in den Bildungswissenschaften, sondern auch oder vermutlich sogar besonders in den Fachdidaktiken. Dies kann insofern als positiv bewertet werden, als dass Lehrkräfte im Unterrichtsalltag nicht nur auf ihre fachwissenschaftlichen, sondern auch auf ihre fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Kompetenzen zurückgreifen müssen. Entgegen diesen beruflichen Anforderungen zeigt eine Befragung von Freiburger Lehramtsstudierenden, dass das derzeitige Studium die Kriterien einer kohärenten Lehrerbildung, die auf theoretisch und empirisch fundierten Kohärenzkon© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_8
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zepten aus den jeweiligen Fachdisziplinen basieren sollte, nicht erfüllt. Der von der Freiburger Projektgruppe entwickelte Fragebogen (siehe Kap. 3.1 in diesem Band) widmet sich dem Verhältnis zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik im Lehramtsstudium der Grundschule sowie Sekundarstufe I (Haupt-, Werkrealund Realschullehramt) an der Pädagogischen Hochschule Freiburg (PH) und im Gymnasiallehramt an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Uni). An dieser ersten explorativen Studie im Sommersemester 2017 beteiligten sich insgesamt 82 Studierende. Tab. 1: Beispielitems Beispielitem
1. Es gab inhaltliche Verknüpfungen zwischen den jeweiligen Lehrveranstaltungen der FW und der FD. 2. In den Lehrveranstaltungen der FW wurden von den Dozierenden explizite Verweise auf Lehrveranstaltungen der FD gemacht. 3. In den Lehrveranstaltungen der FD wurden von den Dozierenden explizite Verweise auf Lehrveranstaltungen der FW gemacht.
PH GS
PH Sek
Uni Sek
3.83
3.29
2.92
3.49
3.07
1.88
3.58
3.00
3.04
Anmerkung: FW: Fachwissenschaft, FD: Fachdidaktik. Skala: 1: stimme nicht zu; 2: stimme eher nicht zu; 3: teils, teils; 4: stimme eher zu; 5: stimme zu
Item 1: Die Differenz zwischen den Ergebnissen der Studierenden des Grundschullehramts und denen der Studierenden des Gymnasiallehramts ist deutlich höher als die Differenz zwischen den Ergebnissen der Studierenden des Sekundarschulamtes an der Pädagogischen Hochschule und an der Universität. Dies lässt vermuten, dass das Angebot an kohärenter Lehre im Sekundarstufenbereich an beiden Institutionen ausbaufähig ist. Item 2: Die Ergebnisunterschiede zwischen den Studierenden der Universität gegenüber den Studierenden der Pädagogischen Hochschule sowohl im Sekundarschulbereich als auch Grundschulbereich lassen vermuten, dass Dozierende an der Pädagogischen Hochschule in fachwissenschaftlichen Veranstaltungen häufiger Bezüge zur Fachdidaktik herstellen als Dozierende an der Universität.
Lehrkohärenz in der Geschichtslehrerbildung
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Item 3: Demgegenüber unterscheiden sich die Ergebnisse im dritten Beispielitem kaum, sodass davon ausgegangen werden kann, dass sowohl an der Pädagogischen Hochschule als auch an der Universität in fachdidaktischen Veranstaltungen gleichermaßen auf die Fachwissenschaft verwiesen wird. Diese Ergebnisse spiegeln zugleich die strukturelle Situation im Fach Geschichte am Hochschulstandort Freiburg wider: Derzeit gibt es acht Professuren in der Geschichtswissenschaft, aber keine Universitätsprofessur in der Geschichtsdidaktik. Die fachdidaktische Ausbildung im Gymnasiallehramt erfolgt durch die Studienseminare, d. h. durch abgeordnete Lehrkräfte. An der Pädagogischen Hochschule sind dagegen drei wissenschaftliche Professuren mit der Denomination für Geschichte und Geschichtsdidaktik strukturell verankert. Dieses hochschulische Verhältnis zwischen Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik ist charakteristisch für die deutsche Hochschullandschaft: „In der Lehre sind sie (Fachdidaktiken) zwar vertreten, an vielen Hochschulen, namentlich an Universitäten, sind sie aber noch unzureichend institutionalisiert und haben auch nicht immer die Anerkennung als Fach gefunden, die von den Programmtexten der Lehrerbildung gefordert wird.“ (KMK, 2004, S. 10). Eine Zusammenarbeit der Disziplinen, d. h. Fachwissenschaft und Fachdidaktik, kann für die Lehrerbildung im Hinblick auf das jeweilige Lehrpotenzial der Freiburger Hochschulen gewinnbringend sein. Kohärentes Lehr-Lernkonzept Ziel kohärenzorientierter Lehre ist, in der ersten hochschulischen Ausbildungsphase eine systematische und sinnbildende Vernetzung verschiedener Disziplinen sowohl auf horizontaler (zwischen den Disziplinen) als auch auf vertikaler Ebene (innerhalb einer Disziplin) zu etablieren. Dabei ist es möglich, die Disziplinen synchron (innerhalb eines Semesters) oder konsekutiv (vorangehende oder nachfolgende Semester) miteinander zu verknüpfen (siehe Kap. 2 in diesem Band). Durch kohärente Lehre können Lehramtsstudierende von Beginn an zu professionsorientiertem Handeln befähigt werden. Kohärenzschaffung ist eine wichtige Möglichkeit, um die Professionsorientierung im Lehramtsstudium zu erhöhen, da zukünftige Lehrkräfte Kompetenzen aus unterschiedlichen Handlungsfeldern benötigen. Im Freiburger Lehrentwicklungskonzept des Fachbereichs Geschichte „Fachwissenschaft trifft Fachdidaktik!“ wurde eine horizontal-konsekutive Kohärenz angestrebt. Über ein zweisemestriges Tandem-Teaching der jeweiligen
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Hochschuldozierenden wurden intradisziplinäre Bezüge zwischen der Geschichtswissenschaft und der Geschichtsdidaktik geschaffen (Buck & Kreutz, 2017). Das historische Forschungsthema wurde zunächst in einen direkten Zusammenhang mit dem Bildungsplan 2016 gebracht (Kreutz & von Reden, 2017), um sowohl die schulische Relevanz als auch das didaktische Potenzial des Themas für die Studierenden deutlich zu machen. Anschließend wurden unterschiedliche Forschungsfelder und -ansätze des jeweiligen Themas wissenschaftlich bearbeitet. Dies bot kontinuierlich Anlass sowohl für die Diskussion der geschichtswissenschaftlichen Ergebnisse im geschichtsdidaktischen Kontext als auch für die kritische Reflexion unterschiedlicher Umsetzungen im Schulbuch. Im zweiten Tandemteil wurden die geschichtswissenschaftlichen Ergebnisse unter Berücksichtigung von Forschungsansätzen der Geschichtsdidaktik durch die Konzipierung von Unterrichtsentwürfen neu reflektiert und von den Studierenden an Schulen umgesetzt. Das stete Herstellen intradisziplinärer Bezüge machte es möglich, dass Aspekte der Geschichtswissenschaft und der Geschichtsdidaktik nicht additiv nacheinander behandelt, sondern als zusammenhängende Bestandteile der Lehrerbildung parallel und integriert gelehrt und gelernt wurden. Eine solche kohärente Geschichtslehrerbildung zeichnet sich durch ein Ineinandergreifen fachspezifischer Eigenschaften der Disziplinen zum Zweck professionsorientierter Lehre aus. Das zweisemestrige Tandem konnte in dieser formalen Umsetzung letztendlich nicht gemäß der Rechtsverordnung des baden-württembergischen Kultusministeriums mit zehn ECTS-Punkten als geschichtsdidaktische Ausbildung im Master of Education angerechnet werden (Rechtsverordnung, 2015), da das integrierte Konzept geschichtswissenschaftliche Anteile enthält. Dies ist im Hinblick auf eine mit der Reform angestrebte professionsorientierte Lehrerbildung bzw. eine professionsorientierte Ausbildung in der Fachwissenschaft wenig zielführend, bietet jedoch Anlass, über ein bislang fehlendes theoretisches Kohärenzkonzept im Hochschulfach Geschichte nachzudenken, um Tandemprojekte bzw. intradisziplinäre Lehr-Lernprojekte entweder in der geschichtsdidaktischen oder in der geschichtswissenschaftlichen Ausbildung curricular und damit nachhaltig verankern zu können. Hierzu scheint es zuvorderst notwendig zu sein, spezifische Eigenschaften der Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik aufzuzeigen, um intradisziplinäre Schnittmengen herausarbeiten zu können. Ausgangspunkte Die Addition von geschichtswissenschaftlichen und geschichtsdidaktischen Inhalten zieht nicht zwangsläufig eine intradisziplinäre Zusammenarbeit nach sich:
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Ein reines Nebeneinander oder Nacheinander reicht nicht aus. Es geht nicht um das Zusammenführen mehrerer, interdisziplinärer Fachgebiete, sondern um die Vernetzung zweier intradisziplinärer Teilgebiete. Mehr denn je stellt sich die Herausforderung, die Disziplinen zugunsten eines professionsorientierten Master of Education zusammenzuführen. Die gezielte Entscheidung der Studierenden, den Lehrberuf zu wählen, muss ein disziplinäres Umdenken in der Geschichtswissenschaft als eine professionsorientierte, d. h. eine auf den Lehrberuf ausgerichtete Geschichtswissenschaft nach sich ziehen. Hierfür ist eine Rückbesinnung auf den Kern historischer Arbeit notwendig, um die geschichtswissenschaftliche und die geschichtsdidaktische Disziplin einander (wieder) näher zu bringen. Die fachspezifische Systematik der Geschichtswissenschaft prägt das Potenzial kohärenter Lehre in der Geschichtslehrerbildung. Folgende Fragen treten in diesem Zusammenhang auf: Was ist das Fachspezifische der Geschichtswissenschaft und was macht eine geschichtswissenschaftliche Ausbildung aus? Was ist demgegenüber das Fachspezifische der Geschichtsdidaktik und was macht eine geschichtsdidaktische Ausbildung aus? Oder: Was ist geschichtswissenschaftliches Wissen verglichen mit geschichtsdidaktischem Wissen? Diese intradisziplinäre Abgrenzung ist insofern für eine Annäherung zielführend, als dass auf diese Weise grundlegende Basiskonzepte beider Disziplinen ermittelt werden können, mit denen strukturierte Vernetzungen möglich werden: Was ist der common ground im Hochschulfach Geschichte? Was ist das Gemeinsame von Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik? In welchem Verhältnis stehen geschichtswissenschaftliches und geschichtsdidaktisches Wissen zueinander? Gibt es eine professionsorientierte Geschichtswissenschaft bzw. was kann darunter verstanden werden? Eine Explikation dieser Gemeinsamkeiten eignet sich als Grundlage für eine gleichberechtigte Diskussion zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik über die Geschichtslehrerbildung. Begriffsverständnis und Selbstverständnis Der intradisziplinäre Diskurs über das Verhältnis von Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik gestaltet sich ebenso vielfältig wie komplex. Den historischen Hintergrund dieser Diskussion beschrieb zuletzt Sandkühler (2016). Man könnte resümieren, dass die Geschichtswissenschaft die Geschichtsdidaktik zu ihrer Appendix degradiert, während diese um entsprechende disziplinäre Anerkennung ringt: „Bleibt die Geschichtswissenschaft in [ihrer] exklusiven Fachwelt befangen, rotiert sie letztlich nur um sich selbst. Nur in dem Maße, in dem die
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Historie sich verständlich mitzuteilen versteht, vermag sie etwas zu bewegen." (Rohlfes, 2005, S. 10). Die Reduzierung der Geschichtsdidaktik auf den schulischen Kontext resultiert aus dem abgrenzenden Selbstbewusstsein der Geschichtswissenschaft; umgekehrt dient das erweiterte Selbstverständnis der Geschichtsdidaktik als Rechtfertigung für das Postulat einer eigenständigen wissenschaftlichen Teildisziplin. Intradisziplinäre Unterschiede scheinen vor allem in der Zielsetzung der jeweiligen Disziplinen zu bestehen: Während sich die Geschichtswissenschaft der „Rekonstruktion vergangener Wirklichkeit mithilfe historischer Erkenntnisverfahren" (Handro, 2007, S. 27) widmet, sehen Geschichtsdidaktikerinnen und Geschichtsdidaktiker Basiswissen als Voraussetzung für ein reflektiertes Geschichtsbewusstsein: „In der Geschichtsdidaktik gibt es heute einen breiten Konsens darüber, dass das Ziel des Geschichtsunterrichts die Ausbildung eines Geschichtsbewusstseins sein sollte.“ (Pandel, 2013, S. 133). Geschichtsbewusstsein ist als zentrale Kategorie der Geschichtsdidaktik nach Sauer (2010, S. 10) die Verknüpfung der drei Zeitebenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unter dem Aspekt der Geschichtlichkeit. Geschichtsbewusstsein ist allerdings kein Spezifikum der Geschichtsdidaktik, sondern wiederum Gegenstand geschichtswissenschaftlicher Forschung: „Historiker/innen bewegen sich, indem sie die Geschichte erforschen, in gewisser Weise zwischen Vergangenheit und Gegenwart (und Zukunft).“ (Goetz, 2006, S. 25). Derartige intradisziplinäre Gemeinsamkeiten gilt es, erneut bewusst zu machen. Um Schnittmengen zwischen den Disziplinen herstellen zu können, ist es zunächst notwendig, die Geschichtsdidaktik nicht auf ein Abbild der Geschichtswissenschaft zu reduzieren. Vielmehr muss sie als eine eigenständige wissenschaftliche Fachdisziplin mit unterschiedlichen Arbeitsfeldern differenziert betrachtet werden: die empirische Geschichtsdidaktik als Erfahrungswissenschaft, die theoretische Geschichtsdidaktik als Reflexionswissenschaft und die pragmatische Geschichtsdidaktik als Handlungswissenschaft (Schönemann, 2014, S. 13f.). Der Begriff Geschichtswissenschaft suggeriert unweigerlich, dass die Geschichtsdidaktik ihrerseits kein Forschungsgebiet ist. Auch die gängige terminologisch geführte Diskussion des Begriffs Geschichtsdidaktik beschränkt die fachdidaktische Disziplin allzu sehr auf den schulischen Kontext (zuletzt Baumgärtner, 2015, S. 24). Die Geschichtsdidaktik ist mehr als die „Theorie und Praxis von Lehren und Lernen“ (Jank & Meyer, 2011, S. 14). Je umfassender eine Definition von Geschichtsdidaktik gefasst ist, desto mehr intradisziplinäre Schnittmengen lassen sich zur Geschichtswissenschaft ausmachen: Die Didaktik der Geschichte befaßt sich mit der Entstehung, Vermittlung und Rezeption historischen Wissens, Denkens, Urteilens und Bewußtseins (Rohlfes, 2005, S. 20).
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Qualitätsstandards der Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik als gemeinsame Sprache Ziel kohärenter Lehre ist es, Synergien zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik zu schaffen und zu nutzen. Dazu kann die Spezifizierung von fachübergreifenden Kriterien als eine gemeinsame und damit verbindende Disziplinsprache sinnvoll sein. Anknüpfungspunkte könnten hierfür disziplinspezifische Standards sein. Grundsätzlich müssen die unterschiedlichen Zielsetzungen der Disziplinen, d. h. die Erforschung von Vergangenheit seitens der Geschichtswissenschaft und die Vermittlung (Lehre) und Adaption (Lernen) von Vergangenheit seitens der Geschichtsdidaktik, nach wissenschaftlichen und empirisch überprüfbaren Qualitätsstandards verfolgt werden. Anknüpfungspunkte bietet die Historik bzw. die Geschichtstheorie als Teilgebiet der Geschichtswissenschaft. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Berücksichtigung von fachinternen Diskursen werden im Folgenden drei Beispiele skizziert, die als gemeinsame Qualitätsstandards der Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik gelten können. Historische Kompetenzen In der Geschichtsdidaktik werden unterschiedliche Kompetenzmodelle und Kompetenzen diskutiert (Barricelli, Gautschi & Körber, 2012). Einigkeit besteht darüber, dass der Erwerb historischer Kompetenzen einen komplexen Prozess seitens der Lernenden voraussetzt. Als Beispiel sei hier die Förderung von Narrationskompetenz genannt: Narrative Kompetenz ist die Fähigkeit, aus zeitdifferenten Ereignissen durch Sinnbildung eine kohärente Geschichte herzustellen und mit erzählter Geschichte umzugehen (Pandel, 2005, S. 127).
In diesem Kontext spielen so genannte Operatoren als handlungsinitiierende Verben eine wichtige Rolle. Diese spiegeln die Hierarchiestufen der Fähigkeit, historisch zu denken, wider und unterstützen die stufenweise angeleitete kognitive Auseinandersetzung mit Wissen. Beispielsweise ist bei der Anwendungsfähigkeit Erörtern gemäß den Anforderungen der Kultusministerkonferenz zu erwarten, dass eine „These oder Problemstellung durch eine Kette von Für-undWider- bzw. Sowohl-als-Auch-Argumenten auf ihren Wert und ihre Stichhaltigkeit hin abwägend [überprüft] und auf dieser Grundlage eine eigene Stellungnahme dazu [entwickelt wird]“ (KMK, 2005, S. 7). Narrationskompetenz ist zweifelsohne auch eine zentrale Fähigkeit von Geschichtswissenschaftlerinnen und Geschichtswissenschaftlern, die sich bei der Darstellung von Forschungsergebnissen zeigt:
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Jessica Kreutz Es geht mir um die Zeitstruktur und Repräsentationsform der in der Sprechblase bildhaft vorgestellten Geschichte. Es ist die Zeitstruktur eines Ereigniszusammenhangs, und sie wird narrativ präsentiert (Rüsen, 2013, S. 43).
Historische Prinzipien Prinzipien bezeichnen in der Geschichtsdidaktik „die Art und Weise, wie Themen und Inhalte dargestellt werden“ (Pandel, 2013, S. 331). Als didaktische Grundsätze müssen diese bei der Unterrichtsplanung stets mitgedacht und umgesetzt werden. Als Beispiel dienen an dieser Stelle die Prinzipien Multiperspektivität und Kontroversität: Dass historische Ereignisse schon von den Zeitgenossen unterschiedlich gesehen und beurteilt worden sind und es (…) nicht die Geschichte „an sich“ gibt, ist eine elementare Einsicht, die der Geschichtsunterricht Schülerinnen und Schülern vermitteln muss. Und wie Historiker auch müssen sie lernen, Quellen im Hinblick auf ihre Standortgebundenheit zu befragen (Sauer, 2010, S. 81).
Ein ähnliches Verständnis von Geschichte findet sich in geschichtswissenschaftlichen Einführungen, z. B. für die Mediävistik: Die heutige Mediävistik vertritt die Auffassung, dass es unmöglich ist, herauszufinden, „wie es war“, denn man hat erkannt, dass wir die Geschichte immer nur in Ausschnitten und unter bestimmten Blickwinkeln durch die Quellenautoren geboten bekommen (Hartmann, 2011, S. 138f.).
Auch das in der Geschichtsdidaktik formulierte Unterrichtsprinzip der Kontroversität wird geschichtswissenschaftlich reflektiert: Nicht zuletzt daraus erwachsen auch innerhalb der Geschichtswissenschaft einer Zeit und einer Gesellschaft immer wieder unterschiedliche Deutungen, die mehr oder weniger kontrovers diskutiert werden (Goetz, 2006, S. 25).
Historische Methode Sowohl die Geschichtswissenschaft als auch die Geschichtsdidaktik wenden wissenschaftliche Methoden an, die aufgrund ihrer gemeinsamen disziplinären Eigenschaften ähnlich, wenn nicht sogar gleich sind. Darunter umfasst das Historische Erkenntnisverfahren den erkenntnisleitenden Dreischritt bestehend aus Heuristik, Kritik und Interpretation: Historische Methode ist eine Regelung dieses Erkenntnisprozesses, die seine einzelnen (…) kognitiven Vorgänge (oder Denkschritte) nachvollziehbar, überprüfbar und damit auch kritisierbar macht. Sie lässt sich als Einheit dreier Denkformen oder Erkenntnisstrategien explizieren: als Heuristik, Kritik und Interpretation (Rüsen, 2013, S. 171).
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Dieser methodische Ansatz, der auf den Geschichtstheoretiker Johann Gustav Doysen zurückgeht, findet sich auch in der Geschichtsdidaktik: Historische Erkenntnisverfahren bilden mit ihren wesentlichen Elementen das domänenspezifische prozedurale (Handlungs-)Wissen, das es im Geschichtsunterricht zu vermitteln gilt. (…) Nur Lernende, denen der Prozess historischer Erkenntnisgewinnung vertraut ist, die wiederholt historische Erkenntnisverfahren anwenden und reflektieren, wissen, wie „Geschichte gemacht wird“ und werden „fertige Geschichten“ kritisch hinterfragen (Handro, 2007, S. 25, 43).
Mithilfe dieser synoptischen Verfahrensweise können viele weitere Querbezüge zwischen der Geschichtsdidaktik und der Geschichtswissenschaft – ganz konkret der Historik bzw. Geschichtstheorie als Teilgebiet der Geschichtswissenschaft – hergestellt werden (siehe Abb. 1). Als Theorie der Geschichtswissenschaft ist die Historik „ein Denken, das die Geschichte als Fachwissenschaft in Augenschein nimmt“ (Rüsen, 2013, S. 23). Der exemplarische Vergleich zeigt, dass die Historik als intradisziplinäre Brücke zwischen Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik für eine kohärente Geschichtslehrerbildung obligatorisch ist. 1 Letztendlich kann ein solcher Vergleich auch einer begrifflichen Annäherung an das Verständnis von professionsorientierter Geschichtswissenschaft einerseits und forschungsbasierter oder theoriegeleiteter Geschichtsdidaktik andererseits zweckdienlich sein. Dazu gehört ebenso das Bestreben, geschichtswissenschaftliche und geschichtsdidaktische Kompetenzen in einer professionsorientierten Geschichtslehrerbildung aufeinander abzustimmen: „[Es hat] in der Fachdidaktik Geschichte bislang keine wirkliche Debatte darüber gegeben, wie die einschlägigen Kompetenzen einer Geschichtslehrkraft aussehen sollten und wie sie in der Ausbildung zu realisieren seien.“ (Pandel, 2013, S. 25). So gilt es zu ermitteln, welche weiteren Schnittmengen zwischen der Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik denkbar sind.
1
Das Potenzial der Geschichtstheorie für historisches Lernen im schulischen Kontext hat jüngst Pandel (2017) hervorgehoben.
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Kompetenzen
• Narrationskompetenz • Methodenkompetenz • etc.
Prinzipien
Methoden
• Multiperspektivität • Gegenwartsbezug • etc.
• Erkenntnisverfahren • Strukturierungskonzepte • etc.
Abb. 1: Qualitätskriterien als intradisziplinäre Querbezüge zwischen Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik Qualitätskriterien zum Aufbau eines fachinternen Spiralcurriculums Was haben eine Geschichtswissenschaftlerin und ein Geschichtswissenschaftler mit einer Geschichtsdidaktikerin und einem Geschichtsdidaktiker gemeinsam? Die (hoch)schulische Lehre ist insofern ein gemeinsames Aufgabenfeld, als dass es um die Vermittlung von historischen Themen geht. Die spezifischen Professionen, d. h. das jeweilige berufliche Aufgabenfeld beider Disziplinen, sind kongruent. Rüsen betont, dass „die Historik in der akademischen Lehre für eine didaktische Professionalisierung unverzichtbar [ist].“ (2013, S. 27). Dozierende der Geschichtswissenschaft, die wissenschaftlich erforschte Daten lediglich aufzählen, entsprechen nicht zwingend den Anforderungen guter Hochschullehre: Welcher Geschichtswissenschaftler bzw. welche Geschichtswissenschaftlerin würde von der eigenen Arbeit behaupten, dass die Forschungsergebnisse a) zusammenhangslos dargestellt wurden (Narrationskompetenz), b) einseitig beurteilt worden sind (Multiperspektivität) und c) nicht auf einer methodisch abgesicherten Quellenarbeit beruhen (Quellenkritik)? Das ist mehr als logisch, wenn man davon ausgeht, dass Geschichtslehrkräfte durch ihren Geschichtsunterricht im besten Fall zukünftige Geschichtswissenschaftlerinnen und Geschichtswissenschaftler motivieren können:
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Im Kern entspricht das gemeinsame Fragen, Entdecken, Untersuchen und Beurteilen der Geschichte dem professionellen historischen Forschungsprozess. Die Kinder erfahren sich dabei als eigenständig und erfolgreich handelnde in einer ihnen zunächst neuen Welt (Bildungsplan, 2016, S. 9f.).
Ähnliches ist in den von der Kultusministerkonferenz formulierten Standards zur Lehrerbildung zu lesen: Studienabsolventinnen und -absolventen sind mit den Erkenntnis- und Arbeitsmethoden und Medien ihrer Fächer bzw. Fachrichtungen vertraut, sind in der Lage Methoden und Medien in zentralen Bereichen ihrer Fächer und Fachrichtungen adressaten- und sachgerecht anzuwenden (KMK, 2017, S. 34).
Anders gesagt: Die fachspezifischen Kompetenzen in der Geschichtsdidaktik entsprechen denen in der Geschichtswissenschaft: Sicher gibt es wesentliche Unterschiede zwischen dem Forschungsprozess des Historikers und dem Lernprozess des Schülers. Doch liegen diese Unterschiede weniger im Bereich der Methoden und Verfahren als in Umfang, Struktur und Reflexion des fachlichen Vorwissens (…), lebensweltlichen Erfahrungswissens (…), altersspezifischen Vergangenheits- und Geschichtsverständnis (Handro, 2007, S. 27f.).
Die Geschichtswissenschaft kann von der Geschichtsdidaktik hinsichtlich ihrer theoriegeleiteten Ansätze profitieren. In der Konsequenz müsste die gegenwärtig herrschende hochschulische Addition der Geschichtsdidaktik zur Geschichtswissenschaft gründlich überdacht werden. Die exemplarisch genannten intradisziplinären Bezüge können für die Konzeption eines hochschulischen Spiralcurriculums hilfreich sein. Eine solche horizontal-konsekutive Kohärenz ermöglicht den systematischen Aufbau von historischem Wissen und historischen Kompetenzen, über die eine angehende Geschichtslehrkraft am Ende ihres Studiums verfügen sollte, so dass das Spiralprinzip wesentlich zu einer strukturgebundenen und Zusammenhänge herstellenden Lehrerbildung beiträgt. Mehr noch: Eine reflektierte Anwendung wissenschaftlicher Qualitätsstandards bei der Erarbeitung historischer Themen kann ebenso in polyvalenten, d. h. lehramtsspezifischen und nicht-lehramtsspezifischen, Veranstaltungen in der Bachelorphase erfolgen. Eine durch die Verteilung von ECTS-Punkten bedingte Trennung zwischen geschichtswissenschaftlichen und geschichtsdidaktischen Veranstaltungen müsste hier erneut überdacht werden.
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Umsetzung kohärenzorientierter Lehre: Mögliche Lernziele Im Sinne des constructive alignments werden die Lernaktivitäten mit den Lernzielen und der Überprüfung der Lernzielerreichung abgestimmt, um deep learning zu fördern (Biggs & Tang, 2011). Im kohärenten Lehr-Lernkonzept „Fachwissenschaft trifft Fachdidaktik!“ sind in Anlehnung an die formulierten intradisziplinären Qualitätsstandards folgende Lernziele erstrebenswert – sowohl im theoretischen als auch praktischen Kontext (siehe Abb. 2). Die transparente Kommunikation dieser Lernziele kann zugleich die Wahrnehmung von kohärenter Lehre bei den Studierenden fördern.
1. Studierende können ...
geschichtsdidaktische Prinzipien durch Beispiele in Beziehung mit wissenschaftlichen Forschungsprinzipien setzen und den intradisziplinären Zusammenhang erörtern.
historische Verfahrensweisen als didaktische und wissenschaftliche Methoden erläutern. den intradisziplinären Zusammenhang zwischen Geschichtsdidaktik als Teildisziplin der Geschichtswissenschaft begründen.
2. Studierende können ...
Forschungsthemen im geschichtsdidaktischen Kontext diskutieren und Lernpotenziale für historisches Denken und Lernen abwägen. Möglichkeiten der curricularen Anbindung von Forschungsansätzen der Geschichtswissenschaft an den aktuellen Bildungsplan erörtern. Unterrichtsmaterialien im Hinblick auf Forschungsansätzen und Konzepten sowohl der Geschichtswissenschaft als auch der Geschichtsdidaktik prüfen und differenziert beurteilen.
Abb. 2: Theoriebezogene (1) und praxisbezogene (2) Lernziele in Abstimmung mit den Qualitätsstandards
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Fazit und Ausblick Das Konzept des Freiburger Tandemprojekts „Fachwissenschaft trifft Fachdidaktik!“ ist eine gute Möglichkeit, um die Lehrerbildung kohärent und professionsorientiert zu gestalten. Es bietet Ansatzpunkte für weitere kohärente LehrLernkonzepte, in denen sowohl Dozierende als auch Studierende in gewinnbringenden Lehr- und Lernsituationen agieren können. Das Tandemmodell war und ist Kommunikationsanlass zwischen den Freiburger Hochschulen und führte zur modularen bzw. curricularen Abstimmung in der Geschichtslehrerbildung (siehe Abb. 3). Dies betrifft vor allem den Austausch zwischen geschichtswissenschaftlichen und geschichtsdidaktischen Vorlesungen sowie die Abstimmung von Seminarinhalten.
Abb. 3: Lehraustausch zwischen der Albert-Ludwigs-Universität und der Pädagogischen Hochschule am Hochschulstandort Freiburg Basierend auf den Erfahrungen im Tandemprojekt lassen sich hinsichtlich intradisziplinärer Schnittmengen zwischen Geschichtsdidaktik und Geschichtswissenschaft folgende Punkte resümieren:
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1.
Die Zielsetzungen der Disziplinen sind verschieden: Während die Geschichtswissenschaft die Rekonstruktion vergangener Wirklichkeit mithilfe historischer Erkenntnisverfahren umfasst, sehen Geschichtsdidaktikerinnen und Geschichtsdidaktiker Basiswissen als Voraussetzung für ein reflektiertes Geschichtsbewusstsein.
2.
Die Arbeitsweisen der Disziplinen sind ähnlich: Dazu zählen Strategien, Methoden, Prinzipien, Operatoren, Denkansätze und das Verständnis von Geschichte. Die Historik bzw. die Geschichtstheorie gilt als intradisziplinäre Brücke zwischen Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik. Die Ziele historischen Denkens und Lernens entsprechen im Wesentlichen den Prinzipien wissenschaftlichen Arbeitens.
3.
Geschichtsdidaktik, verstanden als Teildisziplin der Geschichtswissenschaft, lässt sich nicht auf eine Übersetzungslehre der Geschichtswissenschaft beschränken. Sie ist eine forschungsbasierte, wissenschaftliche und eigenständige Disziplin, die intradisziplinäre Schnittmengen zur Geschichtswissenschaft aufweist.
4.
Intradisziplinäre Grenzen sollten zugunsten einer professionsorientierten Lehrerbildung überwunden werden. Eine Zusammenarbeit zwischen den Fachwissenschaften und den jeweiligen Fachdidaktiken ist in Anbetracht einer professionsorientierten Lehrerbildung nicht nur grundsätzlich sinnvoll, sie kann darüber hinaus für die einzelnen Vertreterinnen und Vertreter beider Disziplinen fruchtbar sein.
Literatur Barricelli, M., Gautschi, P., & Körber, A. (2012). Historische Kompetenzen und Kompetenzmodelle. In M. Barricelli & M. Lücke (Hrsg.), Handbuch Praxis des Geschichtsunterricht, Bd. 1 (S. 207– 235). Schwalbach: Wochenschau Verlag. Baumgärtner, U. (2015). Wegweiser Geschichtsdidaktik. Historisches Lernen in der Schule. Paderborn: Schöningh. Biggs, J. & Tang, C. (2011). Teaching for Quality Learning at University. Maidenhead: Open University Press. Buck, T. M. & Kreutz, J. (2017). Fachwissenschaft trifft Fachdidaktik – Das Freiburger Modell in der Lehrerbildung im Fach Geschichte. Integrative Lern- und Lehrformate in der Lehrerbildung. Greifswalder Beiträge zur Hochschullehre, 8, 91–102. Goetz, H. W. (2006). Proseminar Geschichte. Mittelalter. Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer. Handro, S. (2007). Historische Erkenntnisverfahren. In H. Günther-Arndt (Hrsg.), Geschichtsmethodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II (S. 25–45). Berlin: Cornelsen. Hartmann, M. (2011). Mittelalterliche Geschichte studieren. Konstanz: UVK-Verlags-Gesellschaft.
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Helmke, A. (2015). Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. Seelze: Klett-Kallmeyer. Jank, W. & Meyer, H. (2011). Didaktische Modelle. Berlin: Cornelsen. Jordan, S. (2016). Theorien und Methoden der Geschichtswissenschaft. Paderborn: Schönigh. Kreutz, J. & von Reden, S. (2017). Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik im Dialog. Das Thema Migration und Kolonisation in Wissenschaft und Schule. VHD Journal: Geschichtswissenschaft und Unterricht, 1, 23–27. Kultusministerkonferenz (2017). Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung. Abgerufen am 28. Februar 2018 von https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2008/2008_10_16Fachprofile-Lehrerbildung.pdf Kultusministerkonferenz (2005). Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung. Geschichte. Abgerufen am 28. Februar 2018 von http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/1989/1989_12_01EPA-Geschichte.pdf Kultusministerkonferenz (2004). Standards für die Lehrerbildung. Bericht der Arbeitsgruppe. Abgerufen am 28. Februar 2018 von https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16Standards_L ehrerbildung-Bericht_der_AG.pdf Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (2016). Bildungsplan. Allgemeinbildendes Gymnasium. Geschichte. Abgerufen am 28. Februar 2018 von http://www.bildungsplaene-bw.de/site/bildungsplan/get/documents/lsbw/export-pdf/depotpdf/ALLG/BP2016BW_ALLG_GYM_G.pdf Pandel, H.-J. (2017). Geschichtstheorie. Eine Historik für Schülerinnen und Schüler – aber auch für ihre Lehrer. Schwalbach: Wochenschau-Verlag. Pandel, H.-J. (2013). Professionalisierung von Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrern. In S. Popp, M. Sauer, B. Alavi, M. Demantowsky, & A. Kenkmann (Hrsg.), Zur Professionalisierung von Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrern. Nationale und internationale Perspektiven (S. 19–38). Göttingen: V & R Unipress. Pandel, H.-J. (2013). Geschichtsdidaktik. Eine Theorie für die Praxis. Schwalbach: WochenschauVerlag. Pandel, H.-J. (2005). Geschichtsunterricht nach Pisa. Kompetenzen, Bildungsstandards und Kerncurricula. Forum Historisches Lernen. Schwalbach: Wochenschau-Verlag. Rechtsverordnung des Kultusministeriums für die Umstellung der Lehramtsstudiengänge in BadenWürttemberg (2015). Abgerufen am 28. Februar 2018 von http://www.landesrechtbw.de/jportal/?quelle=jlink&query=LehrRahmenV+BW&psml=bsbawueprod.psml&max=true Rohlfes, J. (2005). Geschichte und ihre Didaktik. Stuttgart: Vandenhoeck & Ruprecht. Rüsen, J. (2013). Historik. Theorie der Geschichtswissenschaft. Köln: Böhlau Verlag. Sandkühler, T. (2016). Geschichtsdidaktik und Geschichtswissenschaft. In M. Sauer, C. BühlGramer, A. John, A. Schwabe, A. Kenkmann, & C. Kuchler (Hrsg.), Geschichte im interdisziplinären Diskurs. Grenzziehungen – Grenzüberschreitungen – Grenzverschiebungen (S. 415–433). Göttingen: V & R Unipress. Sauer, M. (2010). Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik. SeelzeVelber: Kallmeyer mit Klett. Schönemann, B. (2014). Geschichtsdidaktik, Geschichtskultur, Geschichtswissenschaft. In H. Günther-Arndt & M. Zülsdorf-Kerstin (Hrsg.), Geschichtsdidaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II (S. 11–22). Berlin: Cornelsen.
4.4
Kohärenzwahrnehmung im Lehramt Wirtschaft: Über die Notwendigkeit einer spezifischen Curriculumsentwicklung
Franziska Birke1, Vivian Conrad1, Tim Krieger2, Lena Kumm2 1 Pädagogische Hochschule Freiburg 2 Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Keywords: Kohärenz, Wirtschaftswissenschaften, Curriculumsentwicklung Drei Entwicklungsprozesse treffen in den Lehramtsstudiengängen Wirtschaft am Standort Freiburg aktuell aufeinander: Die Einführung des neuen Schulfaches Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung (WBS) in Baden-Württemberg, die dadurch angestoßene Entwicklung eines entsprechenden neuen Lehramtsstudiengangs Wirtschaft sowie die Umstellung der bisherigen Staatsexamens- auf Bachelor- und Masterstudiengänge. In diesem Artikel wird die Konzeption beschrieben, die für den gymnasialen Masterstudiengang im Fach Wirtschaft entwickelt wurde und bei der ein besonderes Augenmerk darauf gelegt wurde, die Kohärenzwahrnehmung der Studierenden zu unterstützen und dabei die inhaltlichen Besonderheiten des Fachs zu berücksichtigen.
Kontext Im Zuge der Lehrerbildungsreform des Landes Baden-Württemberg wurden zum Wintersemester 2015/16 alle Lehramtsstudiengänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse umgestellt. Im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften wurde an der Universität Freiburg außerdem wegen der parallelen Einführung des neuen Schulfachs Wirtschaft / Berufs- und Studienorientierung (WBS) an allen allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg der neue Studiengang Polyvalenter Zwei-Hauptfächer-Bachelor mit Lehramtsoption und daran anschließend der Master of Education Wirtschaftswissenschaften für das Gymnasiallehramt eingerichtet. Mit Beginn des Wintersemesters 2015/16 ersetzt dieser neue Studiengang mit Wirtschaft als eigenständigem Fach den wirtschaftswissenschaftlichen Anteil im früheren Integrationsfach „Politik/Wirtschaftswissenschaft“ (GymPO), das nun im Rahmen des polyvalenten Zwei-Hauptfächer-Bachelorstudiengangs ebenfalls als eigenständiges Fach „Politikwissenschaft“ angeboten wird. Diese strukturellen Änderungen sind verbunden mit konzeptionellen Überlegungen zur Ausgestaltung des Studiengangs. Zunächst ist bekannt, dass verschiedene Bereiche des Professionswissens von Lehrkräften – Fachwissenschaft, Fachdidaktik sowie Bildungswissenschaft – elementar für eine gute Lehr© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_9
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Franziska Birke et al.
erbildung sind (z. B. Darling-Hammond, 2006 und 2013). Dazu gehören die Vernetzung des Wissens innerhalb der drei Bereiche (vertikale Kohärenz) und zwischen ihnen, einschließlich einer Verknüpfung mit Situationen aus der schulischen Praxis (beides horizontale Kohärenz). Um diese Vernetzung zu beschreiben und ihre Umsetzung im Studium zu evaluieren, wurden an den Freiburger Hochschulen (Universität Freiburg, Pädagogische Hochschule Freiburg) das Freiburger Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz (siehe Kap. 2 in diesem Band) sowie zur Überprüfung der Kohärenzwahrnehmung der Studierenden ein Fragebogen entwickelt (siehe Kap. 3.1 in diesem Band). Die Herausforderung, Kohärenz vertikal und horizontal umzusetzen, wird durch inhaltliche Besonderheiten des Fachs Wirtschaft noch vergrößert. Als Gesellschaftswissenschaft verwendet die Wirtschaftswissenschaft Theorien und Modelle, um wirtschaftliche Vorgänge zu analysieren. Eine ökonomische Theorie bzw. ein ökonomisches Modell kann manche Aspekte ökonomischer Phänomene plausibel beschreiben, andere wiederum nicht. Insofern müssen die Reichweite und die Grenzen der Theorien und Modelle zur Erklärung empirischer Befunde reflektiert werden. Zudem kann es intradisziplinär wie auch interdisziplinär konkurrierende Theorien geben. Dies hat gerade auch für das Lehramtsstudium besondere Relevanz. Denn um im eigenen Wirtschaftsunterricht, das Kontroversitätsgebot, nach dem alles, was in Gesellschaft und Wissenschaft kontrovers ist, auch im Unterricht kontrovers dargestellt werden muss (z. B. KöttersKönig, 2001), zu beachten, müssen Lehramtsstudierende die Reichweite und Grenzen von Modellen reflektieren sowie konkurrierende Diskurse, intradisziplinär, und in Ansätzen auch interdisziplinär, nachvollziehen (Birke & Krieger 2017). Dies ist ein bedeutsamer Unterschied zum Umgang mit Modellen in den Naturwissenschaften, bei dem eine kontroverse Gegenüberstellung verschiedener Theorien und Modelle weniger stark im Zentrum steht. Eine weitere Herausforderung für das Lehramt Wirtschaft ist, dass manche Inhalte des Schulfaches WBS, wie insbesondere die Berufsorientierung, in konventionellen wirtschaftswissenschaftlichen Curricula (ohne Lehramt) an den Universitäten nicht explizit berücksichtigt werden. Auch diese inhaltlichen Besonderheiten des Bereichs Wirtschaft müssen im Rahmen einer kohärenten Gestaltung des Lehramts bedacht werden. Im vorliegenden Beitrag werden zunächst die strukturellen und inhaltlichen Veränderungen im Studiengang Wirtschaft an der Universität dargestellt, um zu zeigen, welche erweiterten Möglichkeiten der eigenständige Lehramtsstudiengang Wirtschaft in formaler Hinsicht bietet. Danach erfolgt eine explorative Analyse mit Hilfe des Kohärenzfragebogens, wie verschiedene Gruppen von Lehramtsstudierenden der Wirtschaftswissenschaften die Kohärenz im Studium bis dato (also vor Beginn des Masterstudienganges, der zum Wintersemester
Kohärenzwahrnehmung im Lehramt Wirtschaft
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2018/19 startet) wahrnehmen. Auch wenn die Zahlen keine differenzierten Interpretationen zulassen, scheinen sie doch nahe zu legen, dass die Kohärenzwahrnehmung der Studierenden an der Universität im bisherigen Studiengang (Staatsexamen und Bachelorstudiengang) noch Raum für Verbesserung bietet. Im Anschluss wird dargestellt, wie die Konzeption für das Wirtschaftsstudium (insbesondere für den Master of Education) entwickelt wurde, um die Kohärenzwahrnehmung unter Universitätsstudierenden zu erhöhen. Neue Möglichkeiten für das Fach Wirtschaft Während im bisherigen Staatsexamens-Studiengang „Politik / Wirtschaftswissenschaft“ (GymPO) der Umfang in den drei für das Lehramt relevanten Bereichen Fachwissenschaft (FW), Fachdidaktik (FD) sowie Bildungswissenschaft (BW) in der Wirtschaftswissenschaft bedingt durch die Struktur als Integrationsfach relativ gering war, wurden diese Anteile durch die neue Struktur des polyvalenten Bachelorstudiengangs in Wirtschaftswissenschaft mit Lehramtsoption deutlich ausgeweitet. Dies lässt sich schon an der ECTS-Anzahl im Vergleich zwischen altem und neuem Universitätsstudiengang – bezogen auf den Wirtschaftsanteil – erkennen. Tabelle 1 stellt diese beiden Studiengänge gegenüber und zeigt auch die Struktur des Lehramtsstudiengangs Wirtschaftswissenschaft an der PH. Vergleicht man die beiden Studiengänge an der Universität im Detail, wird deutlich, dass bei der Anzahl der Veranstaltungen Unterschiede bestehen. So gibt es im neuen polyvalenten Studiengang vier eigenständige fachdidaktische Veranstaltungen und den fachdidaktischen Anteil im Rahmen des integrierten Abschlussmoduls „Fachwissenschaftliche und fachdidaktische Herausforderungen des Wirtschaftsunterrichts“. Dem steht lediglich eine fachdidaktische Veranstaltung im bisherigen fächerübergreifenden Studiengang gegenüber. 1 Diese Ausweitung des Studienangebots ist für die Vernetzung der einzelnen Bereiche eine große Chance. Sie bietet die Möglichkeit, in allen drei Domänen solide Grundlagen zu legen sowie die Verknüpfung zwischen diesen zu stärken. Durch den erweiterten Umfang der Fachwissenschaft ist es möglich, Inhalte vertiefend und differenzierter abzudecken und damit eine Grundlage zu legen,
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Im neuen Lehramtsstudium der Universität werden die fachdidaktischen Veranstaltungen von der Pädagogischen Hochschule als Lehrimport übernommen; die fachwissenschaftlichen sowie die bildungswissenschaftlichen Kurse werden von der Universität Freiburg selbst verantwortet. Dies bedeutet, dass die Lehramtsstudierenden sowohl Kurse an der Universität Freiburg als auch an der Pädagogischen Hochschule Freiburg besuchen.
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um dem Ziel der Kontroversität gerecht zu werden. Zugleich besteht jedoch eine Herausforderung darin, dass die Lehramtsstudierenden an der Universität anders als an der Pädagogischen Hochschule in ihrer Fakultät (Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaft) in der Minderheit sind und man prüfen muss, inwiefern die Gepflogenheiten der ‚traditionellen‘ Wirtschaftsausbildung auch für die Herausforderungen der Lehramtsausbildung geeignet sind. Tab. 1: Lehramtsstudiengänge Wirtschaftswissenschaft im Vergleich 2 Universität Lehramt Politik/ Wirtschaftswissenschaft (GymPO 2010, 2013) FW FD
38 ECTS (nur Wirtschaftswissenschaften) 4-5 ECTS (je nach PO) 18 ECTS
Universität Polyvalenter ZweiHauptfächerBachelorstudiengang (Lehramtsoption) sowie Master of Education 92 ECTS (BA: 75, MA: 17)
Pädagogische Hochschule Bachelorstudiengang sowie Master of Education (Lehramt Sekundarstufe 1) 66 ECTS (BA: 60, MA: 6)
15 ECTS 21 ECTS (BA: 5; MA: 10) (BA: 6, MA: 15) BW 38 ECTS 57 ECTS (BA: 3; MA: 35) (BA: 24, MA: 33) Anmerkung: Weitere ECTS werden durch das Verfassen der jeweiligen Abschlussarbeiten in den entsprechenden Bereichen sowie durch die Schulpraxis und durch Angebote des Übergreifenden Studienbereichs (nur PH) erworben. Die Anzahl der ECTS im Studiengang nach GymPO 2010 / 2013 bezieht sich nur auf den Anteil der wirtschaftswissenschaftlichen Veranstaltungen und schließt die politikwissenschaftlichen nicht mit ein
Der Vergleich der beiden universitären Studiengänge mit dem Studiengang für die Sekundarstufe I an der Pädagogischen Hochschule zeigt, dass dort ein größerer Schwerpunkt auf die Bereiche Fachdidaktik und Bildungswissenschaft gelegt wird. Dies lässt sich u. a. an der ECTS-Anzahl erkennen (siehe Tab. 1). 3 Der Vergleich mit der Pädagogischen Hochschule ist interessant, weil diese eine
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Vgl. LA Gym.-PO 2010, LA Gym.-PO 2013; Studien- und Prüfungsordnung der Albert-LudwigsUniversität für den polyvalenten Zwei-Hauptfächer-Bachelorstudiengang; Studien- und Prüfungsordnung der Albert-Ludwigs-Universität für den Master of Education, Anlage B, Fachspezifische Bestimmungen, Wirtschaftswissenschaft (Vorläufige Version vom Juli 2018); Studien- und Prüfungsordnung der Pädagogischen Hochschule Freiburg für den Bachelorstudiengang Lehramt Sekundarstufe 1 (Anlage 4, S. 208-213) sowie Auskunft der Stabsstelle Qualitätsentwicklung beim Prorektorat für Lehre und Studium vom 04. und 08.05.2018. 3 Institutionell gibt es in diesem Studiengang ebenfalls eine Kooperation zwischen Pädagogischer Hochschule und Universität, in dem die Studierenden an universitären fachwissenschaftlichen Veranstaltungen teilnehmen. Weitere fachwissenschaftliche sowie alle fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Veranstaltungen werden an der Pädagogischen Hochschule besucht.
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andere Tradition der Ausbildung für das Lehramt hat. Zunächst sind an dieser Hochschule die Studierenden in Lehramtsstudiengängen in der Mehrzahl. Darüber hinaus werden fachwissenschaftliche und fachdidaktische Veranstaltungen häufig von denselben Lehrpersonen in Personalunion übernommen oder zumindest von Lehrpersonen des gleichen Lehrstuhlteams. Aus diesen Gründen kann vermutet werden, dass die Bereiche enger miteinander verzahnt sind und die Studierenden dies auch so wahrnehmen. Befragung und Ergebnisse In einer explorativen Untersuchung wurden im Juli 2017 sowie im Januar 2018 Lehramtsstudierende schriftlich mit einem Fragebogen zu ihrer Kohärenzwahrnehmung im Studium befragt. Dieser wurde von der Freiburger Projektgruppe entwickelt (siehe Kap. 3.1 in diesem Band) und bezieht sich auf das in diesem Band dargestellte Kohärenzkonzept (siehe Kap. 2 in diesem Band). Ziel der Befragung ist es, erste Hinweise auf das Kohärenzempfinden der verschiedenen Gruppen von Lehramtsstudierenden zu finden und zu überprüfen, ob es hier Anzeichen für systematische Abweichungen zwischen den Studiengängen gibt. Befragt wurden daher Studierende der beiden Hochschulen aus den genannten Lehramtsstudiengängen des Fachs Wirtschaft. An der Universität Freiburg sind dies der neue polyvalente Bachelorstudiengang (mit Lehramtsoption) 4 sowie der „alte“ Lehramtsstudiengang „Politik/Wirtschaftswissenschaft“ (nach GymPO). Unter den Befragten an der Pädagogischen Hochschule sind sowohl Studierende des „alten“ Staatsexamensstudiengangs für Werkreal-, Haupt- und Realschulen (Sek I) als auch Studierende des neuen Bachelor-/Masterstudiengangs für Werkreal-, Haupt- und Realschulen (Sek I). Der Stichprobenumfang beträgt 97 Studierende, die sich zu ähnlich großen Teilen auf die drei Studiengänge verteilen. Einen Überblick über die Stichprobe gibt Tabelle 2.
4
Eine alternative Option ist ein rein fachwissenschaftliches Zwei-Hauptfächer-Studium ohne fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Kurse, das inhaltlich auf andere Berufsfelder als das Lehramt vorbereitet. Denkbar sind Kombinationen wie Wirtschaft/Deutsch, die z. B. in Richtung (Wirtschafts-) Journalismus zielen könnte, oder Wirtschaft/Mathematik, die auf Masterprogramme in Wirtschaftsmathematik oder Empirischer Wirtschaftsforschung vorbereitet.
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Tab. 2: Angaben zur Stichprobe
Anzahl Durchschnittliches Alter Geschlecht (w/m/k.A.)
PH
Uni - Polyvalenter Bachelor
Uni - GymPO
34
29
34
23.2
21.3
23.8
18/15/1
19/7/3
19/14/1
2.6
6.8
Durchschnittliches Fachsemester 2.6 Wirtschaftswissenschaft Anmerkung: w = weiblich, m = männlich, k. A. = keine Angabe
Tabelle 3 zeigt die Mittelwerte der drei Studierendengruppen für verschiedene Kohärenzmaße. 5 Vertikale Kohärenz bedeutet hierbei, dass es Verknüpfungen innerhalb eines Bereichs (FW, FD oder BW) über Semester hinweg gibt; horizontale Kohärenz meint die Abstimmung zwischen diesen drei Bereichen. Die aufgelisteten sechs Kohärenzmaße in Tabelle 3 bilden sich aus je zwei bzw. drei gleich gewichteten und auf das jeweilige Kohärenzmaß abzielenden Items aus dem Fragebogen (siehe Kap. 3.1 in diesem Band). Eine erste Betrachtung der Mittelwerte deutet darauf hin, dass die Studierenden vertikale Kohärenz stärker als horizontale Kohärenz erleben. Dies scheint für alle Studierendengruppen gleichermaßen zu gelten. Besonders schwach ausgeprägt erscheint die Wahrnehmung horizontaler Kohärenz zwischen Fachwissenschaft und Bildungswissenschaft in den universitären Lehramtsstudiengängen. Offenbar werden hier die Verknüpfungen zwischen den entsprechenden Inhalten kaum wahrgenommen. Dies mag auch einer organisatorischen Eigenschaft des universitären Lehramtsstudiums auf Bachelorniveau geschuldet sein. Die bildungswissenschaftliche Einführungsveranstaltung ist nicht fachspezifisch und wird von Lehramtsstudierenden aus allen Fächern besucht. Dies erschwert es, ein spezifisches Kohärenzempfinden mit einem einzelnen Fach zu erzeugen.
5 Die Angaben zum Studienfach „Politik / Wirtschaftswissenschaft“ (GymPO) sind wegen der Andersartigkeit des Fachs, der relativ kleineren Stichprobe sowie der eingeschränkten Vergleichbarkeit der Studierendengruppen (z. B. bzgl. ihrer Semesterzahl) nur zur Information angegeben. Auf eine gesonderte Auswertung wird hier verzichtet. Bei zukünftigen Wiederholungen der Befragung sollte sich allerdings die Datenbasis verbessern, sodass aussagekräftige Vergleiche möglich werden.
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Kohärenzwahrnehmung im Lehramt Wirtschaft
Tab. 3: Mittelwerte der jeweiligen Kohärenzempfindung Kohärenz
PH
Uni - Polyvalenter Bachelor
Uni - GymPO
Vertikale Kohärenz FW* 3.33 (0.64) 3.80 (1.01) 3.35 (0.91) (F(1, 42) = 3.5; p = 0.069) Vertikale Kohärenz FD 3.35 (1.02) 2.88 (1.09) 2.88 (0.79) (F(1, 34) = 1.7; p = 0.201) Vertikale Kohärenz BW 3.19 (0.68) 3.09 (0.97) 2.75 (0.67) (F(1, 30) = 0.12; p = 0.737) Horizontale Kohärenz FW-FD* 3.07 (0.66) 2.20 (0.69) 2.52 (0.64) (F(1, 46) = 2.95; p = 0.093) ** Horizontale Kohärenz FW-BW 2.64 (0.71) 2.12 (1.03) 1.76 (0.59) (F(1, 51) = 4.78; p = 0.033) Horizontale Kohärenz FD-BW* 3.00 (0.60) 2.53 (1.17) 2.69 (0.95) (F(1, 44) = 3.26; p = 0.078) Anmerkungen: Angabe der Mittelwerte, Standardabweichungen in Klammern, Likertskalen von „1 = stimme nicht zu“ bis „5 = stimme zu“. Einfaktorielle Varianzanalyse (ANOVA) zur Bestimmung von systematischen Unterschieden im Antwortverhalten zwischen den Gruppen Polyvalenter Bachelor und PH mit p < 0.1*, p < 0.05** und p < 0.01***
Generell wird sichtbar, dass sich bezüglich einiger Kohärenzmaße das Empfinden zwischen Universitätsstudierenden im polyvalenten Bachelor und PHStudierenden deutlich und – wenn auch zumeist nur schwach – signifikant unterscheiden kann. Während die Universitätsstudierenden die Kohärenz innerhalb der Fachwissenschaft systematisch besser beurteilen als ihre Pendants an der PH, 6 empfinden diese eine stärkere horizontale Kohärenz zwischen allen drei lehramtsrelevanten Bereichen. Die stärkere Kohärenzwahrnehmung unter den PH-Studierenden zwischen den drei Bereichen könnte vor allem auf die strukturellen Unterschiede zwischen den beiden Hochschularten zurückzuführen sein. An der PH sind fachwissenschaftliche und fachdidaktische Veranstaltungen „aus einem Guss“, während an der Universität der Lehramtsstudiengang Wirtschaftswissenschaft neu ist und lehramtsspezifische kohärente Strukturen daher erst geschaffen und ausgebaut werden müssen. Des Weiteren zeigt sich, dass Universitätsstudierende im auslaufenden Staatsexamensstudiengang eine Tendenz zu niedrigerem Kohärenzempfinden haben. Dies kann evtl. dadurch erklärt werden, dass diese Studierenden sich bereits in höheren Fachsemestern befinden (siehe Tab. 2) und möglicherweise
6
Der Vergleich der beiden universitären Gruppen weist – mit allen in Fußnote 5 genannten Einschränkungen – ein ähnliches Muster auf: die „neuen“ Bachelorstudierenden an der Uni empfinden die Kohärenz in der Fachwissenschaft offenbar stärker, was sich möglicherweise aus dem breiteren und stärker ausdifferenzierten fachwissenschaftlichen Angebot erklärt.
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durch ein höheres Wissen in allen drei Bereichen die Unterschiede deutlicher wahrnehmen. Hierdurch wird auch die Wichtigkeit von Kohärenz vor allem in höheren Fachsemestern deutlich und zeigt die Notwendigkeit eines kohärenten Curriculums speziell für den Master of Education. In diesem gilt es, die geringer ausgeprägte Kohärenzwahrnehmung vor allem in den universitären Lehramtsstudiengängen zu verbessern. Implikationen für den Master of Education Die Ergebnisse unserer explorativen Untersuchung haben gezeigt, dass es durchaus Unterschiede in der Wahrnehmung von Kohärenz zwischen einzelnen Gruppen und Institutionen in den wirtschaftswissenschaftlichen Lehramtsstudiengängen zu geben scheint. Aus der Sicht derjenigen, die diese Studiengänge entwickeln, muss es am Standort Freiburg, der den Kohärenzgedanken in den Mittelpunkt seiner Lehramtsausbildung gestellt hat, ein zentrales Ziel sein, ein geringes Kohärenzempfinden zu überwinden und Kohärenz sichtbar und erlebbar in die bestehenden Curricula einzubinden. Als zentrales Gestaltungsfeld hat sich hierbei der im Wintersemester 2018/19 beginnende Master of Education im Fach Wirtschaftswissenschaft herausgestellt. Verschiedene curriculare Vorgaben, die schon zu diesem Zeitpunkt getroffen worden sind, versprechen, die Kohärenz besser zu verankern. Sie sollen im Folgenden vorgestellt werden. Zunächst ist hervorzuheben (siehe Tab. 1), dass sich im Master of Education der Anteil der Fachdidaktik und Bildungswissenschaften im Vergleich zum polyvalenten Bachelorstudiengang, aber auch im Kontrast zum bisherigen Staatsexamens-Studiengang, deutlich erhöht hat. Bereits hierdurch bieten sich zusätzliche Chancen für die Umsetzung von konsequent am Gedanken der horizontalen Kohärenz ausgerichteten Lehrkonzepten unter Einbeziehung von Dozierenden aller drei Teilbereiche und von beiden Hochschulen. Der Einsatz innovativer Lehrveranstaltungen (wie Tandem-Veranstaltungen) und Prüfungsformen (wie dem e-Portfolio) wird diese Entwicklung zu mehr Kohärenz ebenso unterstützen wie die Tatsache, dass eine Reihe von fachwissenschaftlichen Veranstaltungen sowohl im Bachelor als auch im Master für angehende Lehrerinnen und Lehrer ausgerichtet sein werden, z. B. eine ergänzende Übung zum Modul „Mikroökonomik I“ sowie die Überblicksvorlesung „Geschichte der Ökonomik: Zentrale Theorien und Entwicklungslinien“. Die Entwicklung des Spiralcurriculums in den drei Säulen Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaft über die Semester hinweg stärkt zudem die vertikal-konsekutive Kohärenz. Folgende Elemente des neuen Curriculums (siehe Abb. 1) verdeutlichen in besonderer Weise, wie der Studiengang – trotz der Herausforderung, „kosten-
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Kohärenzwahrnehmung im Lehramt Wirtschaft
neutral“ 7 in ein gewachsenes wirtschaftswissenschaftliches Studienprogramm ohne Lehramtstradition eingepasst werden zu müssen – auf die spezifischen Anforderungen der Lehramtsausbildung im Bereich Wirtschaft zugeschnitten werden konnte. Maßnahmen im Bachelor Reflexion ökonomischer Modelle (Reichweite und Grenzen) I: Zusatzveranstaltung zur Mikroökonomik I Stärkung interdisziplinärer Bezüge
Maßnahmen im Master of Education Reflexion ökonomischer Modelle (Reichweite und Grenzen) II: Geschichte der Ökonomik Veranstaltung zur Vermittlung von Berufs- und Studienorientierung Verknüpfung von fw. und fd. Veranstaltungen im Einführungsmodul und im Abschlussmodul Kohärenzfördernde Prüfungsformen (z. B. e-Portfolio)
Abb. 1: Maßnahmen zur Steigerung der Kohärenzwahrnehmung im Lehramtsstudiengang Wirtschaft (fw.= fachwissenschaftlich, fd.= fachdidaktisch) Zusatzveranstaltung für Studierende des polyvalenten Bachelorstudiengangs zur Reflexion der Reichweite und Grenzen mikroökonomischer Modelle Zur Vertiefung der mikroökonomischen Inhalte, die zentral in den neuen Bildungsplänen vertreten sind, sowie zur Reflexion der Reichweite und Grenzen wirtschaftswissenschaftlichen Modelle zur Erklärung ökonomischer Phänomene wurde am Beispiel der Mikroökonomik bereits im Bachelorstudiengang eine ergänzende Übung zur „Mikroökonomik I“ eingeführt. In der Lehrveranstaltung führen die Studierenden u. a. Experimente durch und reflektieren die Ergebnisse. Diese Herangehensweise legt den Fokus verstärkt auf das Hinterfragen der ökonomischen Modelle.
7
Tatsächlich musste der neue Master of Education ohne zusätzliche Stellen eingerichtet werden, dennoch ist – ökonomisch betrachtet – die Einführung aufgrund der damit verbundenen Opportunitätskosten natürlich nicht kostenneutral.
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Stärkung interdisziplinärer Bezüge Veranstaltungen wie z. B. die Vorlesungen „Einführung in das politische System der BRD und vergleichende Politikwissenschaft“ oder „Verbraucherpolitik“ führen schon im Bachelorstudium zu einer Stärkung interdisziplinärer Bezüge. Indem in der Pflichtveranstaltung „Verbraucherpolitik“ alltägliche Situationen, in denen jede Person als Verbraucher agiert, analysiert werden, werden Schnittstellen zwischen ökonomischer Perspektive und Perspektiven aus der Psychologie und Politikwissenschaft beleuchtet. Auch spielen die kritische Diskussion aktueller Politikreformen und ihre Implikationen für die Menschen als Verbraucher eine wichtige Rolle. Einordnung verschiedener ökonomischer Theorien und Modelle in den intradisziplinären Diskurs Aufbauend auf den Veranstaltungen des Bachelorstudienganges befasst sich die eigens für den Master of Education konzipierte Überblicksveranstaltung „Geschichte der Ökonomik: Zentrale Theorien und Entwicklungslinien“ mit Meilensteinen der wirtschaftswissenschaftlichen Theoriebildung. Diese werden im Zusammenhang mit wichtigen Entwicklungslinien der nationalen und internationalen Wirtschaft und Gesellschaft vorgestellt. Ziel ist ein fundierter Überblick über die großen Wirtschaftsdebatten der letzten 250 Jahre sowie eine ideengeschichtliche Einordnung der heutigen Positionen. So wird eine fundierte Analyse von kontroversen Positionen in den Wirtschaftswissenschaften ermöglicht. Eigene Veranstaltung zur Berufs- und Studienorientierung Im fachwissenschaftlichen Bereich des Master of Education wird es eine eigens für die Lehramtsstudierenden entwickelte, auf die neuen Bildungspläne bezogene Veranstaltung zur „Berufs- und Studienorientierung“ geben. Berufs- und Studienorientierung ist nicht nur Thema des Wirtschaftsunterrichts, sondern – wie auch „Verbraucherbildung“ 8 – eine der sechs Leitperspektiven in den neuen Bildungsplänen, die durch den Unterricht in verschiedenen Fächern vermittelt werden (Bildungspläne, 2016). Stärkung der Kohärenz zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik, (i) Einführungsmodul Für das erste Semester des Masterstudiengangs ist ein horizontal-synchroner Kohärenzbezug zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik geplant, d. h. es 8
Im polyvalenten Bachelorstudiengang ist aus diesem Grund die Vorlesung „Verbraucherpolitik“ als Pflichtveranstaltung berücksichtigt worden. Die Vorlesung wird auch von den Lehramtsstudierenden der PH besucht.
Kohärenzwahrnehmung im Lehramt Wirtschaft
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werden Bezüge zwischen zwei Veranstaltungen eines Semesters hergestellt (siehe Kap. 2 in diesem Band). Die neue Überblicksveranstaltung „Geschichte der Ökonomik: Zentrale Theorien und Entwicklungslinien“ wird mit der Veranstaltung „Wirtschaftsdidaktik III: Lehren und Lernen in zentralen ökonomischen Bereichen” verknüpft. Während die fachwissenschaftliche Vorlesung einen benötigten und immer wieder in der Diskussion um das Fach Wirtschaft eingeforderten Überblick über die Entwicklung wirtschaftswissenschaftlicher Theorien gibt, werden in der fachdidaktischen Vorlesung professionelle Aufgabenfelder für angehende Lehrerinnen und Lehrer vertieft. Dazu gehören z. B. die grundsätzliche Frage der didaktischen Reduktion, die allgemeinverständliche Formulierung fachlicher Inhalte, die Diagnose von Schülervorstellungen, Lernprozessen und Lernergebnissen, die Entwicklung aktivierender Aufgaben sowie Strategien der Differenzierung. Dabei baut die fachdidaktische Veranstaltung auf den vorausgegangenen Veranstaltungen aus dem Bachelor auf, verweist aber immer wieder ausdrücklich auf die Inhalte der fachwissenschaftlichen Veranstaltung „Geschichte der Ökonomik“ und nutzt diese in den fachdidaktischen Anwendungen. Umgekehrt greift die fachwissenschaftliche Überblicksveranstaltung auf fachdidaktische Anwendungen zurück, z. B. indem Schulbuchinhalte zum Ausgangspunkt vertiefender theorie- und wirtschaftsgeschichtlicher Analysen gemacht werden. Dies erlaubt es den zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern, einen unmittelbaren kohärenten Bezug zwischen den Bereichen herzustellen. Stärkung der Kohärenz zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik, (ii) Integriertes Abschlussmodul Vorgesehen im 4. Semester des Master of Education nimmt das geplante Integrierte Abschlussmodul „Fachwissenschaftliche und fachdidaktische Herausforderungen des Wirtschaftsunterrichts“ den Faden aus dem ersten Semester wieder auf und stellt damit einen vertikal-konsekutiven Kohärenzbezug dar (siehe Kap. 2 in diesem Band). In der Veranstaltung werden Erkenntnisse des Studiums für die Praxis als Lehrende/r im Bereich Wirtschaft mit Hilfe von Lernaufgaben gefestigt und reflektiert. Die Gestaltung als Tandemveranstaltung verweist auch strukturell auf die Herstellung eines horizontal-synchronen Kohärenzbezugs. Fazit Die Notwendigkeit, bei der Planung des Studienganges das Ziel der Kontroversität zu berücksichtigen, scheint zunächst im Widerspruch zu einer kohärenten Curriculumsentwicklung zu stehen. Denn die Wahrnehmung vertikaler Kohärenz im Rahmen der Fachwissenschaft ist schwieriger aufzubauen, wenn fachwissen-
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schaftlich kontroverse Theorien dargestellt werden. Diesem Spannungsfeld zwischen vertikaler Kohärenz und der fachwissenschaftlichen Betrachtung verschiedener, zum Teil miteinander konkurrierender Theorien soll über eine explizite historische Betrachtung verschiedener Theorieentwicklungen in einer Veranstaltung begegnet werden. Modelle und Theorien werden in ihren Entstehungskontext eingebettet und ihr Geltungsbereich reflektiert. Ausgangspunkt von horizontalen Kohärenzbezügen sind die Lehrveranstaltungen im 1. Semester des Master of Education bzw. das integrierte Abschlussmodul, die Fachwissenschaft und Fachdidaktik verknüpfen. Dabei ist eine enge Abstimmung – sowohl inhaltlicher als auch organisatorischer Art – zwischen den verschiedenen Fachbereichen und Hochschulen von großer Bedeutung. Organisatorisch ist es wichtig, die Zusammenarbeit strukturell zu verankern, so dass auch eine personelle Unabhängigkeit gewährleistet werden kann. Inhaltlich ist es gerade bei Tandemveranstaltungen oder Lehrveranstaltungen, die direkt aufeinander bezogen sind, unabdingbar, die fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Lernziele abzustimmen. Die beschriebenen Planungen mögen verdeutlichen, dass auch die Studierenden an der Universität Freiburg in der Zukunft eine deutliche Stärkung der horizontalen und vertikalen Kohärenz erwarten können, die dann in erneuten Befragungen zu einer signifikant höheren Kohärenzwahrnehmung der Studierenden (absolut und im Vergleich zu den „alten“ Studiengängen) führen sollte. Literatur Birke, F. & Krieger, T. (2017). Wirtschaft in der Schule. Wie eine gute Lehrerausbildung aussehen sollte. Wirtschaftliche Freiheit – Das ordnungspolitische Journal. Abgerufen am 15. Juni 2018 von http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=21479 Darling-Hammond, L. (2006). Constructing 21st-century teacher education. Journal of Teacher Education, 57(3), 300-314. Darling-Hammond, L. (2013). Getting teacher evaluation right. What really matters for effectiveness and improvement. New York: Teachers College Press. Kötters-König, C. (2001). Handlungsorientierung und Kontroversität im Sozialkundeunterricht. Politik und Zeitgeschichte, 50, 6–12. LA Gym.-PO 2010 (2014), Studien- und Prüfungsordnung der Albert-Ludwigs-Universität für den Studiengang Lehramt an Gymnasien vom 24.03.2011 in der Fassung der Fachspezifischen Bestimmungen vom 23.06.2014. Abgerufen am 15. Juni 2018 von http://www.geko.unifreiburg.de/studiengaenge/lehramt/gympo1 LA Gym.-PO 2013 (2016). Studien- und Prüfungsordnung der Albert-Ludwigs-Universität für den Studiengang Lehramt an Gymnasien vom 24.03.2011 in der Fassung der Fachspezifischen Bestimmungen vom 04.11.2016. Abgerufen am 15. Juni 2018 von http://www.geko.unifreiburg.de/studiengaenge/lehramt/gympo2014/po/Politik-HF-2013.pdf
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Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (2016). Bildungsplan des Gymnasiums Wirtschaft / Berufs- und Studienorientierung (WBS). Abgerufen am 15. Juni 2018 von http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/LS/BP2016BW/ALLG/SEK1/WBS Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (2016). Bildungsplan des Gymnasiums Wirtschaft. Abgerufen am 15. Juni 2018 von http://www.bildungsplaenebw.de/,Lde/LS/BP2016BW/ALLG/GYM/WI Studien- und Prüfungsordnung der Albert-Ludwigs-Universität für den polyvalenten ZweiHauptfächer-Bachelorstudiengang. Vom 28. August 2015 (Amtliche Bekanntmachungen Jg. 46, Nr. 60, S.261–346) in der Fassung vom 23. Januar 2018 (Amtliche Bekanntmachungen Jg. 49, Nr. 3, S.45–50). Studien- und Prüfungsordnung der Albert-Ludwigs-Universität für den Master of Education, Anlage B, Fachspezifische Bestimmungen, Wirtschaftswissenschaft (Vorläufige Version vom Juli 2018). Studien- und Prüfungsordnung der Pädagogischen Hochschule Freiburg für den Bachelorstudiengang Lehramt Sekundarstufe 1 vom 13. Mai 2015 (s. Amtliche Bekanntmachung 14/2015).
4.5
Professionsorientierung im Lehramt moderner Fremdsprachen: Integrative Curriculums- und Lehrentwicklung in der Romanistik
Isabelle Mordellet-Roggenbuck, Katja Zaki Pädagogische Hochschule Freiburg Keywords: Fremdsprachenlehrerbildung, kooperative Curriculums- und Lehrentwicklung, professionsorientierte Sprachpraxis Die Fremdsprachenlehrerbildung befindet sich im Umbruch: Die Einführung konsekutiver Studienstrukturen bedingt vielerorts neue curriculare Konzepte, um Professionalisierungsprozesse kohärent zu gestalten. Der Beitrag skizziert vor diesem Hintergrund das reformierte Lehramtsmodell der Freiburger Romanistik, das auf einer studienphasenübergreifenden Konzeption gründet. Leitgedanke und Ziel ist die Gestaltung von Studienstrukturen, die es den Studierenden ermöglichen, ihr Studium als sinnhaft und professionsorientiert zu erleben. Zu den fachlichen Kernbereichen gehört dabei neben einem fundierten fachwissenschaftlichen Studium der Literatur-, Sprach- und Kulturwissenschaft sowie der Fremdsprachendidaktik auch eine handlungsorientierte Sprachpraxis. Kohärenzfördernde Maßnahmen wie integrative Modulstrukturen, interdisziplinäre Lehrentwicklungsprojekte und kollegiale Fortbildungsmaßnahmen sollen dabei im Hinblick auf Herausforderungen und zukünftige Perspektiven diskutiert werden. Die individuelle Verantwortung der Studierenden rückt ebenso in den Fokus wie die gestalterische Rolle von Dozierenden und Hochschulen.
Fremdsprachenlehrerbildung: Von der Kompetenz- zur Kohärenzorientierung? Kompetenzorientierte Reformen der Fremdsprachenlehrerbildung rückten in den vergangenen Jahren zunehmend fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Aspekte in den Vordergrund, um die traditionell stark fachwissenschaftlich geprägten Studiengänge professionsorientierter zu gestalten (de Florio-Hansen, 2015; Legutke & Schart, 2016). Setzt man sich zum Ziel, die professionelle Handlungskompetenz von Lehrkräften bereits im Studium nachhaltig zu fördern, stellt sich allerdings nicht nur die Frage nach der Modellierung und der Gewichtung einzelner Wissensdomänen (Baumert & Kunter, 2006; König, 2014; Shulman, 1987), sondern auch nach deren Funktion und Interaktion beim späteren unterrichtlichen Handeln – und im Studium. Zudem sind motivationale und selbst-regulative Aspekte zu berücksichtigen. Eine umfassende professionelle Kompetenz von Lehrkräften, die sich in der beruflichen Praxis auch in komplexen Unterrichtssituationen als handlungs© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_10
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relevant erweist, erfordert von Fremdsprachenlehrkräften schließlich nicht allein fundiertes fachwissenschaftliches, sprachpraktisches, fachdidaktisches und bildungswissenschaftliches Wissen und Können, sondern auch die Fähigkeit, Verknüpfungen zwischen unterschiedlichen Komponenten professioneller Kompetenz herzustellen und diese situations- und themenadäquat abzurufen (Gruber, Mandl & Renkl, 2000). Hierfür sollte bereits im Studium auf eine stärkere Vernetzung der bislang oft als fragmentiert wahrgenommen Ausbildungsanteile und -phasen hingewirkt werden. Eine kohärente Fremdsprachenlehrerbildung erfordert daher eine „ganzheitliche Architektur“ (Kirschner & van Merriënboer, 2007): Erforderlich sind Ansätze, die curriculare Strukturen, modulare Zielvorgaben, interdisziplinäre Lehrkonzepte und die aktive Rolle der Studierenden aufeinander abgestimmt in den Blick nehmen. Das reformierte Lehramtskonzept der Romanistik am Standort Freiburg setzt vor diesem Hintergrund auf eine kooperative Lehrentwicklung zur Steigerung horizontaler (Vernetzung von Fachwissenschaft, Sprachpraxis, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften) und vertikaler Kohärenz in einem phasenübergreifend konzipierten, spiralcurricularen Studienprogramm. In der Folge werden integrative Ansätze der Curriculums- und Lehrentwicklung im Rahmen des Freiburger Kontextes skizziert und exemplarisch für den Bereich der Sprachpraxis diskutiert. Kontext: Die Lehramtsreform in Baden-Württemberg und Spezifika romanistischer Lehramtsstudiengänge Im Jahr 2013 beschloss die Landesregierung Baden-Württembergs eine umfassende Reform der Lehrerbildung, wodurch das grundständige Lehramtsstudium mit erster Staatsprüfung durch die Kombination aus einem polyvalenten Bachelor of Arts bzw. Science (B.A. / B.Sc.) und einem Master of Education (M.Ed.) ersetzt wurde (RahmenV, 2015). 1 Durch die Herausforderung der strukturellen Neugestaltung bot die Umstellung auf lehramtsbezogene Bachelor- und Masterstudiengänge auch die Chance, bestehende Modelle, Modulstrukturen und Lehrkonzepte nicht nur in neue Studiengänge zu übertragen, sondern sie kriterienbasiert zu hinterfragen und auch konzeptionell neu zu gestalten. Trotz bildungspolitischer Rahmenvorgaben gestaltet sich die Umsetzung und Ausgestaltung dabei sowohl standort- als auch fachspezifisch sehr unterschiedlich.
1
Quelle: http://www.landesrecht-bw.de/jportal/?quelle=jlink&docid=jlr-LehrRahmenVBWrahmen& psml=bsbawueprod.psml&max=true [03.05.2018].
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Reform der Lehrerbildung am Standort Freiburg Am Standort Freiburg wurde die Entwicklung neuer Studiengänge insbesondere durch den Leitbegriff der Kohärenz (siehe Kap. 2 in diesem Band) geprägt. Um Ansätze zur Kohärenzsteigerung zu erproben und evidenzbasiert weiterzuentwickeln, wurden hierfür in teils fachspezifischen, teils fachübergreifenden Maßnahmengruppen curriculare Reformen und integrative Lehrentwicklungsprojekte initiiert. Die Zielperspektive war und ist dabei eine gleichsam kompetenz-, forschungs- und reflexionsorientierte Lehrerbildung, die Studierende durch phasenübergreifende Studienstrukturen und professionsorientierte Lehr-LernArrangements bei einem integrativen Aufbau professionellen Wissens unterstützt und sie auf die komplexen Anforderungen des Lehrberufs vorbereitet (Wittwer, Nückles, Mikelskis-Seifert, Schumacher, Rollett & Leuders, 2015). Einen Schwerpunkt bildete dabei die Entwicklung und Erprobung professionsorientierter Ansätze und Maßnahmen zur Verknüpfung von Fachdidaktik, Bildungswissenschaft und Fachwissenschaft bzw. Sprachpraxis. Gerade für die Fremdsprachenlehrerbildung gibt es bislang allerdings kaum gesicherte Erkenntnisse in diesem Bereich (Legutke & Schart, 2016). So stellt sich beispielsweise die Frage, welche Lehr-Lern-Gelegenheiten im Studienverlauf eingesetzt werden können, um ausgewählte Facetten professionellen Wissens zu verknüpfen – aber auch, wie kohärenzorientierte Maßnahmen von den Studierenden selbst wahrgenommen werden bzw. wie sie wirksam zum Aufbau vernetzter Wissensstrukturen und komplexer Kompetenzen beitragen können. Von zentraler Bedeutung war für die romanistischen Lehrentwicklungsprojekte dabei die Prämisse, auch die Rollen und individuellen Professionalisierungsverläufe der Studierenden in den Blick zu nehmen. Kohärenzorientierung impliziert schließlich nicht zuletzt die Stärkung einer personalisierten Lehrerbildung, die auf unterschiedliche Dispositionen, Vorkenntnisse und -erfahrungen (im Rahmen des Fremdsprachenlehramts u. a. unterschiedliche Sprachlernbiographien und sprachkulturelle Hintergründe) adaptiv zu reagieren vermag, um die individuelle Kompetenzentwicklung und Kohärenzwahrnehmung der Studierenden zu fördern. Zudem galt es im Rahmen der Reform, die Spezifika romanistischer Lehramtsstudiengänge zu berücksichtigen. Spezifika der Kohärenzorientierung im Lehramt der Romanischen Sprachen Vergleicht man das Lehramtsstudium der Romanistik mit dem anderer Fachbereiche, so stechen insbesondere zwei Faktoren ins Auge, die auch im Rahmen der Entwicklung bzw. konzeptionellen Gestaltung von lehrerbildenden Studiengängen prägend sind: Zum einen bildet die Romanistik in Deutschland in der Regel für mindestens drei romanische Schulsprachen aus – Französisch, Italienisch, Spanisch –, zum anderen umfasst sie neben fachwissenschaftlichen und
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fachdidaktischen Anteilen auch die sprachpraktische Ausbildung der Studierenden, deren Rolle und Funktion in der Folge kurz diskutiert werden soll. Das Sekundarstufenlehramt weist für Französisch, Spanisch und Italienisch traditionell einen hohen Anteil an fachwissenschaftlichen, also sprach-, literatur- und kulturwissenschaftlichen Studienanteilen auf. Dies geht nicht allein auf die bildungspolitisch akzentuierte Wichtigkeit des Fachwissens als Teil des Professionswissens (RahmenV, 2015) zurück, sondern hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung auch auf die Tradition der philologischen Fächer: Für alle drei romanischen Schulsprachen markieren Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft schließlich die Eckpunkte des Fachwissens und machen nach Legutke & Schart (2016) bundesweit ca. 60 bis 70 % der Studienanteile für den Gymnasialbereich aus. An Bedeutung gewonnen haben durch die bildungspolitischen Paradigmenwechsel der vergangenen Jahre zudem die bildungswissenschaftlichen Anteile sowie die forschungsorientierte Fremdsprachendidaktik, verstanden als Forschungsdisziplin und als Lehrfach, dessen theoretisches Ziel darin besteht, „die einzelnen Faktoren fremdsprachlichen Lernens und Lehrens differenziert zu erforschen und in ihrem Zusammenwirken zu verstehen“ (Caspari, 2016, 11). Die Erforschung wie auch die grundlegende Konzeptualisierung und Modellierung des professionellen Wissens von Fremdsprachenlehrkräften befindet sich dabei allerdings in vielen Bereichen noch in den Anfängen. Dies hat, wie Legutke & Schart (2016) betonen, nicht nur mit wissenschaftsdisziplinären Traditionen, sondern auch mit der Konturierung des Fachs an sich zu tun: Die augenfällige Konzentration auf den mathematischen Bereich [in der empirischen Professionsforschung] erscheint naheliegend, handelt es sich doch – gerade im Vergleich zu den Fremdsprachen – um ein vergleichsweise gut konturiertes Wissens- und Fertigkeitsgebiet. Die für Testverfahren notwendige Operationalisierung der Wissensdomänen fällt dadurch leichter als bei den fremdsprachlichen Fächern mit ihrer deutlich stärkeren Differenzierung (z. B. in Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Kulturstudien, Fachdidaktik, Sprachpraxis).
Ausgehend von etablierten Modellen zum professionellen Wissen von Lehrkräften (König, 2014; Shulman, 1987), die vornehmlich im Rahmen der Forschung zur Professionalisierung von Mathematiklehrkräften entwickelt wurden, wäre für die Fremdsprachenlehrerbildung folglich ein adaptiertes Modell als Referenzrahmen zu entwickeln, das zum einen die spezifische Strukturierung des professionellen Wissens (im Sinne der Dispositionen) als auch dessen Implikationen für das konkrete Zusammenwirken der Facetten im professionellen Handeln von Fremdsprachenlehrkräften berücksichtigt bzw. operationalisierbar macht. Das Professionswissen beinhaltet in den Philologien durch die Sprachpraxis neben fachwissenschaftlichen (d. h. literatur-, sprach-, kulturwissenschaftlichen) und fachdidaktischen Anteilen schließlich eine zusätzliche, praktische
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Facette. Und anders als etwa in den wissenschaftlich-künstlerischen Fächern ist diese, insbesondere im Kontext des unterrichtlichen Handelns, auch das Medium bzw. der Code: In der schulischen Praxis wird schließlich nicht nur über die Fremdsprache, sondern in der Fremdsprache – mit ihren unterschiedlichen allgemein-, bildungs- oder auch fachsprachlichen Registern – unterrichtet. Nur wer selbst im Französischen, Spanischen oder Italienischen kompetent handeln kann, wird diese im schulischen Fremdsprachenunterricht effektiv, d. h. kompetenzorientiert wie auch situations- und adressatenadäquat vermitteln können. Vor diesem Hintergrund erfüllt die hochschulische Fremdsprachenpraxis im Lehramt also die Aufgabe, Studierende sowohl als Fremdsprachenlernende als auch als spätere Fremdsprachenlehrende zu begreifen. So sollten die Kompetenzziele der fremdsprachlichen Kurse auch auf strukturelle und inhaltliche Bezüge zum späteren Berufsfeld überprüft werden. Was dabei die Perspektive der Studierenden als Sprachenlernende betrifft, so sind die fachspezifischen Kompetenzprofile eindeutig: Für die drei romanischen Schulsprachen sollen die Absolventinnen und Absolventen ein Mindestniveau von C1 (in Einzelkompetenzen der Niveaustufe C2) erreichen. 2 Was in den gültigen Rahmenpapieren bislang allerdings vergleichsweise wenig berücksichtigt wird, ist die Dimension einer berufsfeldbezogenen Sprachkompetenz (bzw. die Wechselwirkung zwischen Sprachkompetenz und professioneller Handlungskompetenz). In den KMK-Bildungsstandards für die Lehrerbildung (2015) wird die Sprachpraxis für die modernen Fremdsprachen zwar als eigener Kompetenzbereich geführt und sowohl im allgemeinen Fachprofil als auch für die detaillierten Kompetenzbeschreibungen an erster Stelle genannt. Auch in der Rahmenverordnung für Baden-Württemberg wird ihr eine zentrale Rolle zugewiesen (RahmenV, 2015). Berufsfeldspezifische Aspekte werden allerdings in beiden Rahmenpapieren nicht explizit genannt. Auch ein gesonderter Studienanteil bzw. eigene ECTS-Punkte werden der Sprachpraxis in den (fächerübergreifenden) Übersichten zum Umfang unterschiedlicher Wissensdomänen im Lehramtsstudium nicht zugewiesen. Die Bedeutung der Sprachpraxis für die professionelle Handlungskompetenz von Fremdsprachenlehrkräften ist also einerseits unstrittig, ihre curriculare Verortung, Gewichtung und Konzeptualisierung sind allerdings abhängig von standortspezifischen Regelungen.
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Studierende mit unterschiedlichen Eingangsniveaus sollen am Ende ihres Studiums über eine (annähernd) muttersprachliche Kompetenz verfügen, wofür unterschiedliche Ansätze diskutiert werden – das Angebot sprachpraktischer Kurse ebenso wie verpflichtende Auslandsaufenthalte und Lehrangeboten (auch fachwissenschaftliche und fachdidaktischer Studienanteile) in der Fremdsprache.
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Nicht allein im Bereich der Sprachpraxis, sondern auch in der Fachdidaktik und in den Fachwissenschaften stellt sich dabei und darüber hinaus zudem die Frage nach curricularen, konzeptionellen und inhaltlichen Bezügen zwischen den romanischen Schulsprachen. Deren sprach- wie kulturgeschichtlich enge Verbindung sollte aus gesamtromanischer Perspektive auch im Rahmen der Lehrerbildung Berücksichtigung finden, um Bezüge zu verdeutlichen und Synergien zu nutzen. Der Leitgedanke der ‚Kohärenz‘ impliziert für den spezifischen Kontext der romanistischen Lehrerbildung also gleichsam ein Nachdenken über Wechselwirkungen der traditionellen Facetten professionellen Wissens (Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Bildungswissenschaften), über die Verortung der sprachpraktischen Anteile im Studium, sowie auch Überlegungen zur Kohärenz zwischen den einzelnen romanischen Sprachen – als Schul- und Studienfächer – sowie ihren Teildisziplinen. Kohärenz durch kooperative Curriculumsentwicklung Das Lehramtskonzept der Romanistik fußt auf der Annahme, dass sich Kohärenz in der Fremdsprachenlehrerbildung nicht allein durch punktuelle Lehrentwicklungsprojekte erreichen lässt, sondern einer kohärenten Gesamtkonzeption bedarf, damit die erworbenen Kompetenzen nicht isoliert, sondern integrativ erworben und in späteren Unterrichtssituationen handlungswirksam werden (Gruber et al., 2000). So wurde bei der Konzeption der Modulstrukturen und Kompetenzziele darauf geachtet, jeweils die vorangegangene sowie auch die folgende Ausbildungsphase mitzudenken und Akteure aller beteiligten Institutionen einzubeziehen. Im Zentrum der Curriculumsentwicklung durch die Planungsgruppe Romanistik (Vertreter der Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Schulpraxis der drei Romanischen Schulsprachen – institutionell zusammengesetzt aus Vertretern und Vertreterinnen von Universität, Pädagogischer Hochschule, Studienseminar und Studierendenfachschaft) stand deshalb ein phasen-, institutionenund disziplinübergreifender Ansatz, der auch die Eigenverantwortung der Studierenden, im Sinne der Förderung einer aktiven Kohärenzerzeugung und wahrnehmung, in den Fokus nimmt. Von besonderer Bedeutung war zudem der Wunsch, die „Mehrsprachigkeit“ der Romanistik zu berücksichtigen und Synergien zu nutzen. Dabei sollten engere Bezüge zwischen den in öffentlichen Vorgaben meist separat und für jede Sprache gesondert definierten fachwissenschaftlichen, sprachpraktischen und fachdidaktischen Qualifizierungszielen hergestellt werden. Dies geschah im Bewusstsein, dass curriculare Vorgaben an sich zwar noch keine Kohärenz erzeugen, aber den Rahmen und Impulse setzen – für Studierende wie auch für die in der Lehrerbildung tätigen Dozierenden.
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Der Bachelor of Arts als Grundlage Die Grundlage einer kohärenten, phasenübergreifend konzipierten Lehramtsausbildung wird im Bachelor gelegt. Der polyvalenten Ausrichtung entsprechend steht hier zwar eine fundierte fachwissenschaftliche Ausbildung im Vordergrund; die professionsorientierten Anteile bleiben auf den Lehramtsoptionsbereich beschränkt. Bestehend aus fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Studienanteilen, erfüllt dieser aber die wichtige Funktion, das Fundament für eine professionsorientierte Ausbildung zu legen und den Studierenden eine reflektierte Entscheidung über die Wahl der folgenden Studien- und Berufsoptionen zu ermöglichen. Um dies trotz eines vergleichsweise geringen Umfangs (20 ECTS: 10 ECTS Bildungswissenschaften sowie 5 ECTS Fachdidaktik je Fach) leisten zu können, ist die Verbindung der bildungswissenschaftlichen, fachdidaktischen und schulpraktischen Anteile von zentraler Bedeutung (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Konzeption des Lehramtsoptionsbereichs (20 ECTS) im polyvalenten B.A.
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Zur Stärkung horizontaler Kohärenz setzt das romanistische Lehramtskonzept im Bachelor dabei vornehmlich auf eine Vernetzung zwischen einzelnen Seminaren, die teilweise parallel in einem Semester stattfinden (im Sinne horizontalsynchroner Kohärenz) oder auch konsekutiv und spiralcurricular aufeinanderfolgen (horizontal-konsekutive Kohärenz). Dies wird insbesondere durch die Abstimmung der Lehr- und Prüfungsformate im Studienverlauf erreicht: So werden die Kompetenzziele und Inhalte der Veranstaltungen nicht nur in kollegialen Planungssitzungen abgestimmt, sondern über gemeinsame Lernaufgaben und digitale Verlinkungen auf der Lernplattform ILIAS in Bezug gesetzt. Im Studienverlauf sieht dies wie folgt aus: Für Romanistikstudierende der Lehramtsoption folgt auf die bildungswissenschaftlichen Grundlagen im 1./2. Semester zunächst die zweistufige Einführung in fachdidaktische Grundlagen: in Form einer gesamtromanischen Grundlagenvorlesung (im 3. Semester), auf die im 4. bzw. 5. Semester schularten- und sprachspezifische Vertiefungsseminare zu „Didaktik und Methodik“ des Französischen, Italienischen und Spanischen aufbauen. Für Studierende, die zwei romanische Sprachen studieren, wurde im Sinne einer auch fächer- und sprachenübergreifenden Kohärenz die Lehrveranstaltung „Einführung in die (romanische) Mehrsprachigkeit und ihre Didaktik“ konzeptualisiert. Während die gesamtromanische Grundlagenvorlesung dabei einen Überblick über allgemeine Theorien und Konzepte liefert, vertiefen die eng darauf abgestimmten Didaktik und Methodik-Übungen im Folgesemester diese aus sprachspezifischer Perspektive. Die Einführung in die Mehrsprachigkeitsdidaktik erweitert dies um einen sprachenübergreifenden, mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansatz. Die Progression der fachdidaktischen Lehrveranstaltungen ist spiralcurricular aufgebaut und bildet eine gesamtromanische wie auch schularten- und sprachspezifische Basis für die vertiefenden Kurse im M.Ed. Im Bereich der Fachwissenschaft existieren im Bachelor bereits vereinzelt professionsbezogene bzw. -sensible Angebote, wie primär für Lehramtsstudierende angebotene Einführungen in die Textlinguistik oder kulturwissenschaftliche Übungen, die erste Querbezüge und Verknüpfungen zu anderen Fachbereichen und oder der schulischen Praxis herstellen. Verstärkt wird der Professionsbezug der fachwissenschaftlichen, sowie insbesondere auch sprachpraktischen Studienanteile jedoch erst im Master of Education. Der Master of Education als Fokus der Professionsorientierung Das Curriculumsmodell der Romanistik führt die Fachwissenschaft und Fachdidaktik auch im Master of Education zunächst in drei getrennten Modulen. Dies zielt darauf ab, eine fokussierte fachwissenschaftliche bzw. sprachpraktische und fachdidaktische Fundierung zu legen, bevor beide im abschließenden Professionsbereich sowohl auf Modul- als auch auf Veranstaltungsebene beispielsweise
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über Tandemstrukturen integriert werden. Der M.Ed. baut dabei kompetenzorientiert auf den Strukturen und Modulen des polyvalenten Bachelor mit Lehramtsoption auf und wurde auch mit dem darauffolgenden Vorbereitungsdienst am Studienseminar abgestimmt. Während die Vernetzung unterschiedlicher Studienanteile im Bachelor zwischen unterschiedlichen Kursen verfolgt wird, steht sie im Master of Education im Rahmen des „integrierten Professionsbereichs“ verstärkt innerhalb von Seminaren im Fokus. Dies geschieht einerseits im Rahmen der Masterseminare zu „Fachwissenschaft und Fachdidaktik im Dialog“ (beispielweise im Tandemkurs zu französischer / italienischer / spanischer Kinder- und Jugendliteratur aus fachdidaktischer und fachwissenschaftlicher Perspektive) sowie andererseits in Veranstaltungen zu professionsbezogener Sprachpraxis (siehe Abb. 2).
Abb. 2: Der romanistische Master of Education (Frz., Ital., Span.) Der integrierte Professionsbereich führt also Wissenskomponenten und Kompetenzfacetten aus bislang vornehmlich getrennt absolvierten fachwissenschaftlichen, sprachpraktischen, fachdidaktischen, bildungswissenschaftlichen und schulpraktischen Studienanteilen in einem den Master abschließenden professionsorientierten Modul, dem sogenannten „integrierten Professionsbereich: Fachwissenschaft und Fachdidaktik im Dialog“, zusammen. Sowohl die Kompe-
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tenzziele als auch die fokussierten Inhalte orientieren sich dabei eng an den Rahmenpapieren und schlagen auch bereits den Bogen zur schulischen Praxis (u. a. durch die Verankerung von Seminaren zu Kinder- und Jugendliteratur für den schulischen Kontext bzw. kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht; RahmenV, 2015). So bildet der integrierte Professionsbereich im letzten Master of Education-Semester eine Brücke in den Vorbereitungsdienst. Kohärenz durch kompetenzorientierte Lehrentwicklung Eine kohärenzorientierte Lehrerbildung bedarf im Sinne eines kurs- und phasenübergreifenden constructive alignements (Biggs, 2003) eine enge Abstimmung kompetenzorientierter Lehr-, Aufgaben- und Prüfungsformate. Im Bereich der Erforschung und Entwicklung entsprechender Konzepte für die Fremdsprachenlehrerbildung besteht allerdings noch ein erheblicher Bedarf (Caspari, 2016; Legutke & Schart, 2016), was Studien zur Wirksamkeit und deren professionstheoretischer Grundlage betrifft. Hierfür kommt gerade auch der Fachdidaktik als Forschungsdisziplin eine besondere Verantwortung zu. So werden die Kursmodelle und Aufgabenformate für die neuen M.Ed.-Studiengänge am Standort Freiburg zunächst in mehrzyklischen Design-Based-Research-Projekten (Prediger, 2012) erprobt und auf der Basis erster Evaluationen weiterentwickelt. Zu den Schwerpunkten der Lehrentwicklungsprojekte zählen dabei: • • •
Horizontale Kohärenzförderung über Lernaufgaben im B.A. Integrierte Tandemseminare „Fachwissenschaft und Fachdidaktik im Dialog“ (z. B. zu Kinder- und Jugendliteratur) im M.Ed. Professionsorientierte Sprachpraxis (mit berufsfeldbezogenen Sprachkompetenzprofilen) im M.Ed.
Von zentraler Bedeutung sind hierbei professionsorientierte Lehr- und Prüfungsformate sowie, damit verbunden, intra- und interdisziplinär entwickelte Lernbzw. Portfolioaufgaben, um den integrierten Wissens- und Kompetenzaufbau der Studierenden aufgabenorientiert und fallbasiert zu fördern (Ralle, Prediger, Hammann & Rothgangel, 2014; van Merriënboer, 1997). Während die Lehr- und Aufgabenformate im Bachelor vornehmlich unterschiedliche Seminare des Lehramtsoptionsbereichs vernetzen, unterstützen die für den M.Ed. erprobten Lehrkonzepte die Interdisziplinarität und Professionsorientierung auch auf Veranstaltungsebene, insbesondere im abschließenden vierten Modul, dem sogenannten „integrierten Professionsbereich“. Dieser setzt sich aus zwei interdisziplinär angelegten, professionsorientierten Veranstaltungen
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zusammen: einem Tandemseminar „Fachwissenschaft und Fachdidaktik im Dialog“ zu schulrelevanten Schwerpunktthemen sowie einer Übung zu „professionsorientierter Sprachpraxis“ (siehe Abb. 2). Die Lehr- und Prüfungsformate sowie die begleitenden Portfolioaufgaben werden intra- bzw. interdisziplinär entwickelt. In der Folge sollen zwei zentrale Aspekte und Leitgedanken der romanistischen Lehrentwicklung kurz beleuchtet werden: zunächst die Verankerung und Konzeption einer phasenübergreifenden e-Portfolioarbeit zur Förderung der individuellen Kohärenzwahrnehmung und -konstruktion der Studierenden, daran anschließend die Wichtigkeit einer kooperativen Lehrentwicklung, die auch die Rolle und Dispositionen der Dozierenden in den Fokus rückt, um innovative Konzepte und Kohärenzmaßnahmen über begrenzte Projektlaufzeiten hinaus im Fach zu verstetigen und weiterzuentwickeln. Das e-Portfolio zur Förderung individueller Kohärenzerzeugung Als gleichsam strukturelle wie individuell wirkende Kohärenzmaßnahme fungiert das phasenübergreifende, in Bachelor und Master curricular verankerte ePortfolio. Als fachspezifische Umsetzung des Freiburger Portfolio-Ansatzes begleitet es die Studierenden über den gesamten Studienverlauf hinweg und unterstützt sie bei der Konstruktion von Kohärenz zwischen unterschiedlichen Studienanteilen und -phasen. Im Kern des Konzepts stehen dabei kurse- und disziplinenverbindende Lernaufgaben, in denen sich Studierende damit auseinandersetzen, wie fachwissenschaftliche, fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Studieninhalte zusammenhängen und auf unterrichtspraktische Fragestellungen angewandt werden können. 3 Im Sinne der phasenübergreifenden Konzeption wird das e-Portfolio im B.A. angelegt und bis zum Abschluss des M.Ed., sowie potentiell auch darüber hinaus, weitergeführt: Das e-Portfolio wird hierfür bereits im ersten Fachsemester in den Bildungswissenschaften implementiert und verbindet zunächst horizontal-konsekutiv theoretische Inhalte der Vorlesung „Einführung in die Bildungswissenschaft“ mit praktischen Erfahrungen und eigenen Beobachtungen aus dem Orientierungspraktikum. Darauf aufbauend zielen die Lernaufgaben, die im Rahmen der Vorlesung „Einführung in die Fachdidaktik der romanischen Sprachen“ bzw. der Übung „(Romanische) Mehrsprachigkeit und ihre Didaktik“ im dritten Fachsemester bearbeitet werden, darauf ab, an das bildungswissenschaftliche Vorwissen anzuknüpfen, (Prä-)Konzepte der Studierenden zu hinter-
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Siehe auch Kap. 6.1 in diesem Band.
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fragen und auf dieser Basis den integrativen Erwerb grundlegender fachdidaktischer bzw. fremdsprachendidaktischer Kenntnisse zu fördern (siehe Abb. 1). Nachdem im B.A. die Förderung vertikaler Kohärenz zwischen Theorie und Praxis bzw. horizontaler Kohärenz zwischen Bildungswissenschaft und Fachdidaktik im Zentrum stand, rückt in der Portfolioarbeit im M.Ed. insbesondere die engere Verzahnung von Fachdidaktik und Fachwissenschaft bzw. Fachdidaktik, Fachwissenschaft und Sprachpraxis in den Fokus. So wird die Integration bildungswissenschaftlicher, fachdidaktischer und fachwissenschaftlicher Inhalte über mehrere Module und das Praxissemester hinweg bis zum integrierten Professionsbereich über kursverbindende, praxisorientierte Aufgabenformate unterstützt (siehe Abb. 2). In der letzten mündlichen Modulprüfung des M.Ed. wird das e-Portfolio schließlich leitfragengestützt präsentiert. So werden die Studierenden durch die durchgehende Verankerung der Portfolioarbeit über den Studienverlauf hinweg dabei unterstützt und gefördert, jeweils individuell vernetzte Wissensstrukturen aufzubauen und einen reflexiven Habitus bezüglich ihres eigenen Lernens und ihrer eigenen Professionalisierung zu entwickeln. Kooperative Lehrentwicklung zur Förderung professionsorientierter Formate – am Beispiel der Sprachpraxis Bislang gibt es kaum gesicherte Forschungsergebnisse, die sich mit der Rolle der Sprachpraxis in der Fremdsprachenlehrerbildung befassen; so fehlen konzeptionelle Arbeiten zu den professionstheoretischen Grundlagen ebenso wie konkrete Lehrkonzepte oder Studien zu wirksamen Fortbildungsmaßnahmen für die Lektorinnen und Lektoren selbst. Die Entwicklung einer professionsorientierten Sprachpraxis bedingt daher theoretisch-konzeptionelle Grundlagenforschung ebenso wie eine kooperative Lehrentwicklung und institutionelle Verankerung, welche auch die Dozierenden selbst in den Fokus rückt. Das für den romanischen M.Ed. vorgesehene Sprachpraxiskonzept sieht ein wie skizziert mehrstufiges, spiralcurriculares Vorgehen vor: Während in Modul 2, „Sprachpraxis und -reflexion“, v. a. eine selbstreflexive Lernendenperspektive im Fokus steht, gehen die Veranstaltungen zur professionsorientierten Sprachpraxis im integrierten Professionsbereich insbesondere auf das berufsbezogene Handeln in der Fremdsprache ein (siehe Abb. 2). Die sprachpraktische Ausbildung im M.Ed. hat dabei einerseits zum Ziel, dass Studierende am Ende des Masters das geforderte Niveau C1 bzw. C2.1 des Europäischen Referenzrahmens erreichen. Darüber hinaus sollen sie auf der Grundlage berufsfeldbezogener Sprachkompetenzprofile sowie entsprechender progressiv angelegter Aufgaben (u. a. nach dem 4C/ID-Format, van Merriënboer & Kirschner, 2007) aber auch dazu befähigt werden, konkrete Handlungen bzw. sogenannte zentrale Tätigkeiten (core practices, Grossman, Hammerness & McDonald, 2009) in der
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Fremdsprache zu planen, in micro teaching-settings zu üben und über ausgewählte e-Portfolio-Aufgaben zu reflektieren. Als Orientierungsrahmen wurden hierfür zunächst die von Kuster et al. (2015) entwickelten Berufskompetenzprofile zugrunde gelegt: Die sprachenübergreifenden Profile decken sprachliche, sprachlernstrategische, kulturelle und interkulturelle Aspekte ab, sind auf den praktischen beruflichen Sprachgebrauch ausgerichtet, nach Unterrichtsstufen (Primarstufe, Sekundarstufe I) differenziert und orientierten sich an aktuellen didaktischen Ansätzen (Didaktik der Mehrsprachigkeit, task based learning, CLIL, bilingualer Sachfachunterricht).
Die für den Schweizer Kontext entwickelten Formate werden für den Freiburger Kontext bzw. das Sekundarstufenlehramt adaptiert, nach zentralen Lehrtätigkeiten ausdifferenziert und durch spezifische Aufgabenformate ergänzt. Die Studierenden greifen im Rahmen der entsprechenden Veranstaltungen also, im Sinne vertikaler und horizontaler Kohärenz, sowohl auf ihre bisher aufgebauten Sprachkenntnisse zurück als auch auf während des bildungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Studiums erworbene Kenntnisse zu zentralen Tätigkeiten von Fremdsprachlehrkräften (Erklären von Grammatik, Feedback geben zu mündlichen Sprachmittlungsaufgaben, Texte gestalten für mehrsprachigkeitsdidaktische Interkomprehensionsaufgaben). 4 Um das Desiderat einer sprachlich anspruchsvollen und professionsorientierten Sprachpraxisausbildung im Studium zu fördern und nachhaltig im Fach zu verankern, bedarf es neben der Entwicklung evidenzbasierter Lehr-LernKonzepte auch der Einbeziehung und Weiterqualifizierung der verantwortlichen Sprachlektorinnen und -lektoren selbst. 5 Mit dieser Zielperspektive wurden im Rahmen der Freiburger Lehramtskooperation FACE erste Veranstaltungskonzepte entwickelt und durchgeführt, um ein hochschulübergreifendes Forum für professionsorientierte Sprachpraxis zu öffnen: Das erste „Scientific Retreat Handlungsorientierte Sprachpraxis“ wurde in Kooperation mit der Hochschuldidaktik der Universität Freiburg und unter Beteiligung Schweizer Kolleginnen und Kollegen durchgeführt. Ziel war es, mit Lektorinnen und Lektoren Prinzipien einer
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Die entsprechenden Lehrformate werden in kollegialen Planungssitzungen entwickelt. Die ECTSPunkte stammen zu gleichen Anteilen aus Fachwissenschaft und Fachdidaktik. Kurse werden häufig von muttersprachlichen Lektorinnen und Lektoren gelegt, die nicht immer eine berufsbezogene bzw. lehramtsspezifische Ausbildung durchlaufen haben und teilweise nur wenige Einblick in das Sekundarstufenlehramt und kulturelle Spezifika des Bildungssystems haben.
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kompetenz- und professionsorientierten Sprachpraxis zu diskutieren und gemeinsam Aufgabenformate für deren Förderung im M.Ed. kollegial zu entwickeln. 6 Abschließend wurde die Veranstaltung von der Hochschuldidaktik in Form einer adaptierten TAP (teaching analysis poll) evaluiert (n=21). Von den Teilnehmenden positiv hervorgehoben wurde insbesondere die Verbindung aus wissenschaftlichem Input mit interaktiven Phasen, in denen die kooperative Entwicklung und Diskussion professionsorientierter Konzepte für die Sprachpraxis im M.Ed. im Zentrum stand. Ein Ausbau der hochschul- wie sprachenübergreifenden Kommunikation und weiterer Weiterbildungsangebote wurde explizit gewünscht. Eine Folgeveranstaltung im Herbst 2018 wird dazu dienen, den zwischenzeitlichen Einsatz und die Erprobung der Konzepte in der Praxis zu diskutieren und zu eruieren, in welchen Bereichen insbesondere weiterer Fortbildungsbedarf besteht. – Durch professionsorientierte Weiterbildungen, kollegiale Lehrentwicklungen und die dadurch geförderte Verankerung neuer Konzepte im Fach sind so bereits Impulse für die universitäre Sprachpraxis initiiert worden. Mittelbar sind dadurch nicht nur auf die sprachpraktische Ausbildung, sondern auch auf das spätere sprachpraktische Handeln von Lehramtsstudierenden nachhaltige Effekte zu erwarten. „Tag der Didaktik“ als institutionalisierter Dialog Um die Förderung vertikaler und horizontaler Kohärenz, also eine verstärkte Verzahnung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik, zwischen Theorie und Praxis durch ein forschungsorientiertes Begleitangebot zu stärken, wurde bereits 2014 der sogenannte „Tag der Didaktik“ (ab 2018 „Tag der Didaktik der romanischen Schulsprachen“) ins Leben gerufen. Die einmal jährlich stattfindende, gesamtromanische Veranstaltung widmet sich jeweils einem Schwerpunktthema (2018 z. B. „Mehrsprachigkeit im Regelunterricht“), das in wissenschaftlichen Inputs und Workshops aus fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer und schulpraktischer Perspektive beleuchtet wird. Die Referenten und Referentinnen stammen dabei gleichsam von der Universität, der Pädagogischen Hochschule, dem Studienseminar und von externen Institutionen aus dem In- und Ausland. Im Rahmen des neuen M.Ed. wird die Tagung für Studierende zudem integraler Bestandteil ihrer Lehrveranstaltungen im „integrierten Professionsbereich“ (Mo-
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Nach einführenden Impulsvorträgen wurden Konzepte der sprachpraktischen Lehre diskutiert. In der Folge wurden von Prof. Kuster und Prof. Egli Cuenat Schweizer Berufskompetenzprofile vorgestellt, bevor Formen der Förderung und Beurteilung berufsbezogener Sprachkompetenzen in fallbasierten Aufgaben und Rollenspielen aufgezeigt und erprobt wurden. Siehe auch: http://www.face-freiburg.de/event/handlungsorientierte-sprachpraxis-im-master-of-education/ (Abgerufen am 26. März 2018).
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dul 4), um hier das forschende Lernen bzw. auch den engen Dialog zwischen Studierenden, Dozierenden und Schulpraktikern zu fördern. 7 Der kooperative, dialogische Ansatz, der die skizzierten Maßnahmen verbindet, dient dabei jeweils nicht nur der Dissemination romanistischer Projektkonzepte nach außen, sondern ebenso der Förderung und Weiterentwicklung eines konsensfähigen Leitgedankens innerhalb des Fachbereichs. Damit sich auch nichtProjektmitglieder sukzessive mit dem Leitbild identifizieren und ihre eigenen Überzeugungen und Praktiken daraufhin hinterfragen, erscheint es schließlich elementar, dass Kommunikations- und Entscheidungsprozesse im Bereich des Lehramts auch institutionenübergreifend geführt und der Zugang zu ausgewählten Lehrkonzepten (sowie der Erwerb notwendiger Kompetenzen und Unterstützungsstrukturen) über Institutionengrenzen hinweg ermöglicht wird. Fazit und Ausblick Die Fremdsprachenlehrerbildung befindet sich im Umbruch und angesichts bildungspolitischer Paradigmenwechsel an vielen Stellen auch am Anfang. Für eine kompetenzorientierte Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften sind dabei integrative Ansätze notwendig – im strukturellen und konzeptionellen Sinn sowie auch im Hinblick auf die Wahrnehmung und individuelle Kohärenzerzeugung auf Seiten der Studierenden. Zielperspektive des reformierten romanistischen Lehramtskonzepts war und ist dabei die progressive Förderung horizontaler und vertikaler Kohärenz im Studienverlauf (über unterschiedliche Grade und Formen der Vernetzung) sowie die für die Fremdsprachenlehrerbildung elementare Stärkung einer professionsorientierten Sprachpraxis. Durch ein gesamtromanisches Dachkonzept sollen zudem auch Bezüge und Synergien zwischen den romanischen Sprachen genutzt und bewusst gemacht werden. Dabei erhalten Studierende über adaptive, personalisierbare Konzepte und e-Portfoliostrukturen auch Lerngelegenheiten, die ihren individuellen Vorkenntnissen und Studienschwerpunkten gerecht werden und ein differenziertes, selbstreguliertes Lehramtsstudium des Französischen, Spanischen und Italienischen ermöglichen. Um die Wirksamkeit der skizzierten Maßnahmen zu hinterfragen, ist zukünftig noch eine verstärkte Begleit- und Grundlagenforschung nötig. Wie am Beispiel der Sprachpraxis illustriert, greifen eine theoretisch-konzeptionelle und empirische fremdsprachendidaktische Forschung hier Hand in Hand: Um evi-
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Die Teilnahme gilt als Teil des Seminars und bietet die Möglichkeit, eigene studentische Forschungsprojekte und Qualifikationsarbeiten im Rahmen einer studentischen Sektion vorzustellen.
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denzbasierte Konzepte für die bislang wenig erforschte Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften zu entwickeln, sind etablierte Kompetenzmodelle zunächst auf ihre Passung für den Kontext der Fremdsprachenlehrerbildung zu reflektieren und fachtheoretische Grundfragen zu diskutieren, um kompetenzbzw. professionsorientierte Lehrkonzepte zu erproben und weiterzuentwickeln. Ein nachhaltiges kohärentes Vorgehen bedingt zudem immer auch kooperative Prozesse, unter individuellen Dozierenden und „lernenden Institutionen“, um innovative Maßnahmen über Projektlaufzeiten hinaus im Fach zu verankern und zu verstetigen. So haben sich institutionalisierte Kohärenzprojekte wie professionsorientierte Dozierendenfortbildungen oder auch der romanistische „Tag der Didaktik“ als wichtige Säulen zur Etablierung einer kooperativ gestalteten Lehrerbildung erwiesen, in der Kohärenz zwar durch institutionelle und curriculare Vorgaben gerahmt, aber erst durch das Zusammenwirken unterschiedlicher Akteure und deren Impulse auf die immer auch individuelle studentische Kompetenzentwicklung gestärkt wird. Literatur Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9(4), 469–520. Biggs, J. B. (2003). Teaching for quality learning at university. Buckingham: Open University Press. Caspari, D., Klippel, F., Legutke, M., & Schramm, K. (2016). Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik. Ein Handbuch. Tübingen: Narr. De Florio-Hansen, I. (2015). Standards, Kompetenzen und fremdsprachliche Bildung. Tübingen: Narr. Egli Cuenat, M., Kuster, W., Bleichenbacher, L., Klee, P., & Roderer, T. (2016). Aufbau berufsspezifischer Sprachkompetenzen in der Aus- und Weiterbildung zur Fremdsprachenlehrperson. Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung, 34(1), 13–20. Grossman, P., Hammerness, K., & McDonald, M. (2009). Redefining teaching, re-imagining teacher education. Teachers and Teaching: Theory and Practice, 15(2), 273–289. Gruber, H., Mandl, H., & Renkl, A. (2000). Was lernen wir in Schule und Hochschule: Träges Wissen? In H. Mandl & J. Gerstenmeier (Hrsg.), Die Kluft zwischen Wissen und Handeln. Empirische und theoretische Lösungsansätze (S.139–156). Göttingen: Hogrefe. Kirschner, P. & van Merriënboer, J. (2007). Ten steps to complex learning. London: Routledge. Kultusministerkonferenz (2017). Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.10.2008 i. d. F. vom 12.10.2017). Abgerufen am 03. Mai 2018 von https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2008/2008_10_16Fachprofile-Lehrerbildung.pdf König, J. (2014). Kompetenzen in der Lehrerbildung aus fächerübergreifender Perspektive der Bildungswissenschaften. In A. Bresges, B. Dilger, T. Hennemann, J. König, H. Lindner, A. Rohde, & D. Schmeinck (Hrsg.), Kompetenzen diskursiv. Terminologische, exemplarische und strukturelle Klärungen in der LehrerInnenbildung (S. 17–47). Münster: Waxmann.
Professionsorientierung moderner Fremdsprachen
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5 Lehrentwicklung und Konzepte zur Steigerung der vertikalen und horizontalen Kohärenz
5.1
Schaffung vertikaler und horizontaler Kohärenz in der Lehrerbildung am Beispiel der Physik
Michaela Oettle, Martina Brandenburger, Silke Mikelskis-Seifert, Martin Schwichow Pädagogische Hochschule Freiburg Keywords: Spiralcurriculum, Didaktische Rekonstruktion, Inverted Classroom Zur Förderung professioneller Handlungskompetenz wurde die Physiklehrerbildung an der Pädagogischen Hochschule und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg umstrukturiert. Ziel war, die Verzahnung physikalischer, physikdidaktischer und bildungswissenschaftlicher Inhalte und die Vernetzung zwischen einzelnen physikalischen Inhalten zu erhöhen. Dies soll die Studierenden dabei unterstützen, Querbezüge zwischen den Bereichen des Professionswissens herzustellen und die Entwicklung eines adäquaten Professionswissens sowie unterrichtliche Handlungskompetenz anzubahnen. In diesem Beitrag werden drei Maßnahmen zur Kohärenzsteigerung in der Physiklehrerbildung vorgestellt. In der fachwissenschaftlichen Ausbildung werden Inhalte aus unterschiedlichen Teilgebieten der Physik im Rahmen eines Spiralcurriculums über gemeinsame Big Ideas verbunden (Schaffung vertikaler Kohärenz in der Fachwissenschaft). In der Veranstaltung „Didaktik der modernen Physik“ planen Studierende nach dem Modell der Didaktischen Rekonstruktion Unterrichtsreihen zur Teilchenphysik und verknüpfen Fachwissen mit fachdidaktischem Wissen (Schaffung horizontaler Kohärenz zwischen Physik und Physikdidaktik). Das dritte Beispiel ist eine Einführung in die Fachdidaktik nach dem Inverted-Classroom-Ansatz, in der Studierende Inhalte aus der Physik, der Physikdidaktik und den Bildungswissenschaften bei der Bearbeitung von Lernaufgaben verknüpfen (Schaffung horizontaler Kohärenz zwischen Physik, Physikdidaktik und Bildungswissenschaften). Alle Maßnahmen wurden hinsichtlich ihrer Wirkung auf die von den Studierenden wahrgenommene Kohärenz evaluiert.
Einleitung Eine zeitgemäße Physiklehrerbildung muss solide fachliche Kenntnisse und berufsfeldbezogene Fähigkeiten und Fertigkeiten gleichermaßen fördern. Es wurde jedoch wiederholt festgestellt, dass professionsorientiertes Wissen, beispielsweise das schulrelevante Fachwissen, teilweise erst im Referendariat oder in den ersten Berufsjahren erworben wird (Borowski, Kirschner, Liedtke & Fischer, 2011; Schödl & Göhring, 2017). Zur konsequenten Förderung einer für den Lehrerberuf adäquaten Handlungskompetenz fand an der Pädagogischen Hochschule und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg eine Umstrukturierung der Physiklehrerbildung statt, die auf eine Verzahnung physikalischer, physikdidaktischer und bildungswissenschaftlicher Inhalte zielte. Die Studierenden sollen dabei unterstützt werden, Querbezüge zwischen den verschiedenen Bereichen des Professionswissens herzustellen und ihr Wissen bei der Bewältigung typi© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_11
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Michaela Oettle et al.
scher Aufgaben von Lehrkräften anzuwenden. Eine stärkere Kohärenz zwischen den Studieninhalten und das Lösen professionsrelevanter Aufgaben sollen zudem das Relevanzempfinden im Studium erhöhen. Die Anwendung bereits erlernten Wissens aus vorherigen Veranstaltungen führt zu subjektivem Kompetenzerleben, sodass zu erwarten ist, dass sich ein kohärentes Curriculum positiv auf die Motivation der Studierenden auswirkt (siehe Kap. 2 in diesem Band). In diesem Beitrag werden drei Konzepte zur Kohärenzschaffung in der Physiklehrerbildung an den beiden Freiburger Hochschulen vorgestellt: Die Erzeugung vertikaler Kohärenz in der Fachausbildung sowie zwei Beispiele für horizontale Kohärenz durch Vernetzung unterschiedlicher Wissensbereiche in fachdidaktischen Veranstaltungen. Es wird exemplarisch aufgezeigt, wie Fachwissenschaft und Fachdidaktik sowie Fachdidaktik und Bildungswissenschaften verknüpft werden können. Alle drei Maßnahmen wurden auf ihre Wirksamkeit untersucht. Erste Ergebnisse zum Kohärenzerleben der Studierenden sowie zur deren Motivation werden vorgestellt und diskutiert. Vertikale Kohärenz in der fachwissenschaftlichen Ausbildung Aufgabe der Naturwissenschaft ist, Naturphänomene zu untersuchen und sowohl qualitativ als auch quantitativ zu beschreiben, zu modellieren und zu erklären. Aus der Metaperspektive betrachtet kann Physik als eine systematisierte, sich historisch wandelnde und wachsende Sammlung an Erfahrungen mit Produktund Prozesscharakter beschrieben werden (Mikelskis, 2006). Die für die Physik charakteristischen Forschungsmethoden sowie deren Resultate, die in kumulativen Prozessen entstehen, bilden die Struktur der Disziplin bzw. die sogenannte Fachsystematik. Die Abgrenzung der einzelnen Teilgebiete der Physik (z. B. Mechanik, Thermodynamik, Elektrodynamik oder Moderne Physik) ist nicht scharf: Es gibt zahlreiche Überlappungen und Verknüpfungen zwischen den Teilgebieten – sowohl auf konkrete Themen als auch auf grundsätzliche Ideen und Herangehensweisen bezogen. Ein typisches Beispiel ist die Teilchenphysik: Die hohen Geschwindigkeiten der zu betrachtenden Objekte erfordern relativistische Modellierungen von physikalischen Größen wie Zeit, Länge, Masse. Des Weiteren wird in der Teilchenphysik auf das Wissen über die Natur der Elementarteilchen und deren Wechselwirkungen zurückgegriffen. Neben themenbezogenen Verknüpfungen zwischen den Teilgebieten zeigt die Physik in ihrer Sachstruktur einen hohen Verknüpfungsgrad über Big Ideas – das sind übergreifende Konzepte, Methoden und Verbindungsglieder innerhalb des fachwissenschaftlichen Kanons (Kuhn, 2001). Eine typische Big Idea in der Physik ist die Energieerhaltung: Die Größe „Energie“ wird bei physikalischen
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Vorgängen lediglich umgewandelt und kann weder erzeugt noch zerstört werden. Dieses Prinzip der Energieerhaltung bildet in allen Teilbereichen der Physik die Basis zur Modellierung von Phänomenen und zur Lösung von Problemen. Auch „Kraft“ als Wechselwirkung zwischen Objekten ist ein zentrales Konzept der Physik. Wie Kräfte jeweils wirken (Stärke und Richtung der Kraft), wird in den einzelnen Teilbereichen herausgearbeitet. Wie bei der Energieerhaltung werden Kraftansätze aufgestellt, um physikalische Probleme zu lösen und Phänomene zu modellieren. Nicht nur physikalische Konzepte können Big Ideas sein. Auch mathematische Modellierungen über Differenzialgleichungen, die in der Regel durch die Analyse der relevanten Kräfte aufgestellt werden, sind Big Ideas. Die genannten Beispiele verdeutlichen die hohe vertikale Kohärenz innerhalb der Fachwissenschaft Physik. Das Hervorheben der Big Ideas vernetzt unterschiedliche physikalische Inhalte. Zentrale Konzepte und Methoden der Physik werden im Kontext unterschiedlicher Phänomene und in unterschiedlichen Teilgebieten der Physik aufgegriffen, um ein aufeinander aufbauendes Lernen (kumulatives Lernen nach Gagné, 1968) zu ermöglichen. Im Sinne eines Spiralcurriculums können so komplexes Wissen und komplexe Kompetenzen (durch vertikale Kohärenz) aufgebaut werden (Hammerness & Darling-Hammond, 2007) 1. Schaffung vertikaler Kohärenz über Big Ideas Im Folgenden werden konkrete Gemeinsamkeiten zwischen Teilbereichen der Physik herausgearbeitet, um einen Einblick in unsere Curriculumskonzeption zu geben. Die gewählten Teilbereiche – Mechanik und Elektrodynamik – sind typische Themen aus dem fachwissenschaftlichen Studium an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, aber auch an anderen Hochschul- und Universitätsstandorten. Anhand von zwei Phänomenen aus zwei verschiedenen physikalischen Teilgebieten wird die vertikale Kohärenz der Physik über einen Vergleich mathematischer Strukturen veranschaulicht. Die (klassische) Mechanik mit der Newtonschen Axiomatik, dem Gravitationsgesetz von Newton, der Energie- und Impulserhaltung etc. beschreibt, wie sich Massen in bestimmten Situationen verhalten. Mithilfe der Mechanik lässt sich beispielsweise erklären, warum sich der Mond auf einer annährend kreisförmigen Bahn um die Erde bewegt, obwohl diese über die größere Masse verfügt. Im Fokus der Elektrodynamik bzw. Elektrostatik steht das Verhalten von Ladungen. Die Elektrostatik hilft beispielsweise,
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Ein ähnliches Lehrveranstaltungskonzept zur Vernetzung von Grundkonzepten für die Mechanik ist bei Starauschek, Rubitzko & Laukenmann (2018) zu finden.
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folgende Situation zu verstehen: Ein Luftballon wird an Haaren gerieben. In der Folge stehen die Haare voneinander ab und werden vom Luftballon angezogen. Auf den ersten Blick scheinen diese beiden Phänomene kaum Gemeinsamkeiten aufzuweisen. Sie beschäftigen sich mit unterschiedlichen Objekten: Massen vs. Ladungen. Betrachtet man jedoch die tieferen Strukturen der beiden Bereiche, wird deutlich, dass die Beschreibungen und Konzepte nahezu identisch sind. Das Phänomen „Umlaufbahnen“ basiert auf der Tatsache, dass sich Massen gegenseitig anziehen (Gravitationskraft). Die abstehenden Haare können über abstoßende Kräfte zwischen gleich geladenen Haaren erklärt werden. Beide Phänomene beinhalten also eine Kraftwirkung. In Tabelle 1 sind die Beschreibungen der Kraftwirkung von Ladungen und Massen einander gegenübergestellt. Dabei wird deutlich, dass Elektrostatik und Mechanik nicht nur über das Konzept „Kraft“ miteinander verknüpft sind, sondern dass auch bei deren mathematischer Modellierung strukturelle Parallelen bestehen. Die beiden Teilbereiche sind also klar über Big Ideas miteinander verknüpft. Tab. 1: Vergleich der Beschreibung von Kraft auf Massen und Ladungen Kraft auf Massen Massen ziehen sich gegenseitig an.
Quadratisches Abstandsgesetz: Auf eine doppelt so weit entfernte Masse wirkt eine halb so große Kraft. 𝑚𝑚1 ∙ 𝑚𝑚2 Newtonsches Gravi𝐹𝐹𝐺𝐺 = 𝐺𝐺 ∙ tationsgesetz 𝑟𝑟 2 m1 bzw. m2: Ladungen 𝐹𝐹𝐺𝐺 : Gravitationskraft zwischen m1 und m2 r: Abstand zwischen m1 und m2 𝐺𝐺: (Gravitations-)Konstante
Kraft auf Ladungen Ungleichnamige Ladungen (positiv/negativ) ziehen sich gegenseitig an. Gleichnamige Ladungen (positiv/positiv oder negativ/negativ) stoßen sich gegenseitig ab. Quadratisches Abstandsgesetz: Auf eine doppelt so weit entfernte Ladung wirkt eine halb so große Kraft. 1 𝑞𝑞1 ∙ 𝑞𝑞2 Coulombsches 𝐹𝐹𝑒𝑒𝑒𝑒 = ∙ Gesetz 4𝜋𝜋𝜀𝜀0 𝑟𝑟 2 q1 bzw. q2: Ladungen 𝐹𝐹𝑒𝑒𝑒𝑒 : Coulombkraft zwischen q1 und q2 r: Abstand zwischen q1 und q2 1 : Konstante 4𝜋𝜋𝜀𝜀0
Die Parallelen zwischen den Modellierungen der unterschiedlichen Teilgebiete der Physik beruhen darauf, dass Kohärenz innerhalb der fachwissenschaftlichen Forschung durchaus erwünscht ist. Zur Verdeutlichung ein kurzer Exkurs in die Geschichte der Physik: Ende des 18. Jahrhunderts beschäftigten sich Physiker mit der Frage, wie elektrostatische Kräfte modelliert werden können. Die Ansätze der Forscher basierten auf dem 1687 bekannten Gravitationsgesetzt von Isaac Newton. Erklärtes Ziel war eine Gesetzmäßigkeit, die Ähnlichkeiten zu Ansatz Newtons Ansatz aufweist. Demzufolge waren die Forscher bestrebt, das quadratische Abstandsgesetz mit der indirekten Proportionalität der Kraft zum Quadrat
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des Abstandes zu berücksichtigen. Charles-Augustin de Coulomb publizierte 1785 einen entsprechenden Ansatz (Coulombsches Gesetz), den allerdings andere Physiker bereits vor ihm erarbeitet, aber nicht veröffentlicht hatten, z. B. Henry Cavendish (Heilbron, 1979). Die beschriebenen Zusammenhänge zwischen Mechanik und Elektrostatik lassen sich auf weitere physikalische Themengebiete anwenden. Um den Studierenden die vertikale Kohärenz innerhalb der Physik zu verdeutlichen, werden in unseren Physikveranstaltungen Lernziele so formuliert, dass sie vorlesungsspezifische Inhalte, aber auch – auf der Metaebene – die Big Ideas beinhalten. Kohärenzerleben der Studierenden in der Fachwissenschaft Um einschätzen zu können, inwieweit die Studierenden die Kohärenz zwischen und innerhalb von Lehrveranstaltungen sowie den Einsatz der veranstaltungsübergreifenden Lernziele in den verschiedenen Physikvorlesungen wahrnehmen, wurde im Sommersemester 2017 eine Befragung durchgeführt. Die Vorlesungen (Experimentalphysik Elektrodynamik und Experimentalphysik Schwingungen und Wellen) waren so konzipiert, dass die Studierenden die Lernziele zu allen Themenbereichen kannten und die Lernaktivitäten darauf abgestimmt waren. Vertikale Kohärenz wurde in allen Lehrveranstaltungen mithilfe von Big Ideas geschaffen. In Bezug auf das Kohärenzerleben war uns wichtig, zu erfahren, ob die Studierenden Kohärenz innerhalb und zwischen Physikveranstaltungen unterschiedlich erleben. Wir gingen davon aus, dass Studierende das Aufzeigen von Querbezügen innerhalb einer Lehrveranstaltung aufgrund der zeitlichen Nähe und der personalen Kohärenz stärker wahrnehmen als zwischen unterschiedlichen Vorlesungen. Da uns die Einschätzung der Kohärenz über unterschiedliche Lehrveranstaltungen hinweg wichtig war, befragten wir Studierende in höheren Semestern des Bachelorstudiums Physiklehramt. Es nahmen 16 Studierende an der Befragung teil (elf Studenten und fünf Studentinnen). Es wurden eine Einschätzung der Lernziele sowie das Kohärenzerleben mit Items (siehe Kap. 3.1 in diesem Band) auf einer vierstufigen Likert-Skala erhoben. Für erste Interpretationen wurden drei Skalen gebildet (siehe Tab. 2). Die Reliabilitätsanalysen ergaben bei allen drei Skalen einen zufriedenstellenden Koeffizienten von .68 bis .77. Grundsätzlich schätzten die Studierenden sowohl die Verwendung von Lernzielen als auch die wahrgenommene Kohärenz der Lehrveranstaltungen sehr positiv ein. Deskriptiv zeigt sich, dass die Studierenden wie erwartet im Mittel die Kohärenz zwischen den Lehrveranstaltungen (M = 3.13, SD = .50) weniger wahrnehmen als innerhalb der Lehrveranstaltung (M = 3.40, SD = .37).
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Tab. 2: Wahrnehmung von Lernzielen und Kohärenz Skala Lernziele in der Vorlesung
Beispielitems Durch die (Lern-)Ziele wird in Bezug auf Themen und Inhalte der Vorlesung ein roter Faden deutlich. Zentrale Ideen und Konzepte wurden in der Veranstaltung wiederholt aufgegriffen.
N (α)
M (SD)
4 (.68)
3.22 (.45)
Wahrgenommene 3.40 Kohärenz innerhalb 6 (.68) (.37) der Lehrveranstaltung In Bezug auf Inhalte und Themen bauen spätere Wahrgenommene 3.13 Physikvorlesungen auf früheren auf. 7 (.77) Kohärenz zwischen (.50) Lehrveranstaltungen Anmerkung: Itemanzahl (N); Cronbachs α; Mittelwerte (M), und Standardabweichungen (SD); N = 16, Likertskalen von „1 = stimme nicht zu“ bis „4 = stimme zu“
Steigerung horizontaler Kohärenz durch Vernetzung von Inhalten aus Physik und Physikdidaktik mit dem Modell der Didaktischen Rekonstruktion Im folgenden Abschnitt wird ein neu entwickeltes und erprobtes Lehrkonzept für ein Seminar zur Didaktik der modernen Physik vorgestellt. Es wird gezeigt, wie die Anwendung des Modells der Didaktischen Rekonstruktion (Kattmann, Duit, Gropengießer & Komorek, 1997) die wahrgenommene Kohärenz zwischen fachlichen und fachdidaktischen Inhalten bei Studierenden im Physiklehramtsstudium steigern kann. Innerhalb des Säulen-Phasen-Modells zur Beschreibung von Kohärenz in der Lehrerbildung (siehe Kap. 2 in diesem Band) handelt es sich im Folgenden um ein Beispiel zur Steigerung der horizontal-konsekutiven Kohärenz: horizontal, weil die Schaffung und Wahrnehmung von Bezügen zwischen der Fachwissenschaft und Fachdidaktik als unterschiedliche Säulen der Lehrerbildung beschrieben wird. Ein konsekutiver Kohärenzbezug liegt vor, da Inhalte aus aufeinanderfolgenden Semestern der Studierenden verknüpft werden (siehe Veranstaltungsbeschreibung). Das Modell der Didaktischen Rekonstruktion Das Modell der Didaktischen Rekonstruktion (Kattmann et al., 1997) wurde in den 1990er-Jahren als Planungsrahmen für naturwissenschaftlichen Unterricht entwickelt. Bezogen auf das Fach Physik bedeutet die Anwendung des Modells verkürzt, dass „ausgehend von der Sachstruktur der Physik die Sachstruktur für den Unterricht unter didaktischer Perspektive konstruiert wird“ (Duit, 2010, S.1). Die Rekonstruktion setzt sich dabei aus den beiden Hauptaufgaben, der Elementarisierung der Sachstruktur der Physik und der anschließenden
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Konstruktion einer Sachstruktur für den Unterricht zusammen. Der gesamte Konstruktionsprozess wird durch die Analyse der Ziele des Unterrichts sowie der Schülerperspektiven beeinflusst (siehe Abb. 1). Bei der Unterrichtplanung wird daher nicht nur die Sachstruktur der Physik übernommen, sondern unter Berücksichtigung der Lernendenperspektive eine neue, eigene Sachstruktur des Unterrrichts rekonstruiert.
Abb. 1: Das Modell der Didaktischen Rekonstruktion (Duit, 2010) Im Rahmen der Didaktischen Rekonstruktion von Unterricht (Kattmann et al, 1997) müssen sich Lehrende mit den drei Teilaufgaben Fachliche Klärung, Lernpotenzial-Erhebung und Didaktische Strukturierung auseinandersetzen. Während der Fachlichen Klärung wird die Sachstruktur des physikalischen Themas (Erkenntnisse, Methoden, Termini etc.) in wissenschaftlichen Quellen untersucht, während sich die Lernpotenzial-Erhebung mit der empirischen Erfassung der Lernendenperspektive, insbesondere mit den vorhandenen Vorstellungen zum jeweiligen physikalischen Sachverhalt, beschäftigt. In der Didaktischen Strukturierung werden die Lernwege von den vorunterrichtlichen Vorstellungen hin zu den wissenschaftlichen Konzepten in Form von Unterrichtssequenzen, Lernumgebungen etc. konstruiert. Die drei Teilaufgaben sind nicht isoliert, sondern hängen zusammen: Insbesondere die Didaktische Strukturierung findet vor dem Hintergrund des Vergleichs von Vorstellungen der Lernenden mit fachlich etablierten Vorstellungen statt. Auch innerhalb der Fachlichen Klärung wird eine fachdidaktische Metaperspektive eingenommen, die die Vermittlungsabsicht in den Vordergrund stellt. Dabei findet eine kritische Untersuchung der fachlichen Quellen unter
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anderem auf fehlende zwischen- und überfachliche Bezüge statt, die bei Wissenschaftlern/-innen, aber nicht bei Schülern/-innen vorausgesetzt werden können. Die Anwendung des Modells der Didaktischen Rekonstruktion zur Unterrichtsplanung ermöglicht also die Verknüpfung von Inhalten und Methoden aus dem Fach Physik und der Fachdidaktik, da die Schaffung von Bezügen zwischen diesen beiden Perspektiven ein immanentes Merkmal des Modells ist. Die Didaktische Rekonstruktion unterstützt Studierende folglich, bei der konkreten Unterrichtsplanung verstärkt Bezüge zwischen physikalischen Themen und physikdidaktischen Konzepten zu erkennen bzw. aufzubauen. Seminar zur Didaktischen Rekonstruktion der Teilchenphysik Das Thema des im nachfolgend vorgestellten Lehrveranstaltungskonzepts ist die Teilchenphysik als Bereich der modernen Physik. Die Teilchenphysik eignet sich als sinnstiftender Kontext für fachdidaktische Betrachtungen und zur Vertiefung fachlichen Denkens. Soll die Teilchenphysik für den Unterricht rekonstruiert werden, gewinnen didaktische Konzepte wie die Elementarisierung oder die Didaktische Strukturierung für die Studierenden durch praktische Anwendung an Bedeutung. Des Weiteren vertiefen die Studierenden bei der Fachlichen Klärung die physikalischen Inhalte der Teilchenphysik. Da das Thema bislang kaum didaktisch für den Schulunterricht aufbereitet wurde, eignet es sich für das authentische Training der Didaktischen Rekonstruktion. Nach einer theoretischen Einführung in das Modell und die einzelnen Teilaspekte der Didaktischen Rekonstruktion erhalten die Studierenden im Rahmen des Seminars die Aufgabe, Themen aus dem Bereich Teilchenphysik didaktisch für den Physikunterricht in der gymnasialen Oberstufe zu rekonstruieren. Die Struktur der Veranstaltung gliedert sich in fünf aufeinanderfolgende Phasen und spiegelt damit die zuvor beschriebenen und in Abbildung 2 dargestellten Teilaufgaben der Didaktischen Rekonstruktion wider. Fachliche Klärung
Ziele des Unterrichts
Elementarisierung
Lernendenperspektive
Sachstruktur Unterricht
Abb. 2: Die fünf Phasen des Veranstaltungskonzepts In jeder der Veranstaltungsphasen setzen sich die Studierenden in Kleingruppen mit der jeweiligen Aufgabe speziell für ein von ihnen ausgesuchtes Thema aus der Teilchenphysik auseinander. Ergebnisse aus einer Arbeitsphase dienen als Grundlage für die nachfolgenden Arbeitsphasen. Ziel der auf diese Weise ablau-
Schaffung von Kohärenz in der Physik
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fenden Projekte ist, eine Sachstruktur für einen Unterricht zum jeweiligen teilchenphysikalischen Thema zu erstellen, an die sich direkt eine konkrete methodische Unterrichtsplanung anschließen könnte. Zwischen den einzelnen Veranstaltungsphasen finden eine Präsentation der Teilergebnisse und eine Reflexion im Plenum statt, um Verknüpfungen zwischen den Teilaufgaben explizit aufzuzeigen. Kohärenzerleben der Studierenden Das Veranstaltungskonzept wurde im Wintersemester 2017/18 mit N = 21 Gymnasiallehramtsstudierenden im Rahmen eines Fachdidaktikseminars an der Pädagogischen Hochschule Freiburg durchgeführt. Die Teilnehmenden befanden sich im sechsten bis elften Fachsemester und konnten an Grundlagenwissen aus Einführungsveranstaltungen zur Kern- und Teilchenphysik in vorangegangenen Semestern anknüpfen. Die von den Studierenden in der Lehrveranstaltung wahrgenommene Kohärenz wurde nach Ende der Veranstaltung mit Items auf einer vierstufigen Likert-Skala von stimmt gar nicht bis stimmt völlig erhoben. Insgesamt wurden neun Items eingesetzt, von denen fünf die wahrgenommene Kohärenz zwischen Fach und Fachdidaktik in der Veranstaltung erfragen. Die restlichen vier Items maßen, ob die Studierenden positive Lerneffekte aus der Kohärenz in der Veranstaltung erlebt hatten. Um feststellen zu können, ob das Lehrkonzept die wahrgenommene Kohärenz der Studierenden im Physikstudium steigern könnte, wurde zusätzlich vor dem Besuch der Veranstaltung eine Kohärenzmessung durchgeführt. Es wurde die wahrgenommene Kohärenz im bisherigen Studium (drei Items) und die persönliche Einstellung zur (Bedeutung der) Kohärenz im Studium (sechs Items) erhoben. Alle Items wurden in Anlehnung an den in Henning-Kahmann und Hellmann (siehe Kap. 3.1 in diesem Band) vorgestellten Fragebogen entwickelt. Ziel einer kohärenten Lehre ist, Studierende bestmöglich auf ihren zukünftigen Beruf vorzubereiten (siehe Kap. 2 in diesem Band). Ausgehend von der Frage, inwieweit die Studierenden den Besuch der Veranstaltung als sinnvoll im Hinblick auf ihre spätere Lehrtätigkeit empfinden, wurde nach dem Seminar die wahrgenommene Berufsorientierung gemessen. Hierzu wurden drei Items in Anlehnung an die Selbstbestimmungstheorie der Motivation von Deci und Ryan (1993) eingesetzt. In Tabelle 3 sind Beispielitems sowie Reliabilitätskoeffizienten, Mittelwerte und Standardabweichungen für alle beschriebenen Skalen dargestellt. Die Skalen besitzen zufriedenstellende Reliabilitäten. Die deskriptiven Kennwerte zeigen, dass die Studierenden in ihrem bisherigen Studium durchschnittlich eine relativ schwache horizontale Kohärenz zwischen Fach und Fachdidaktik erlebten
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(M = 2.2, SD = 0.62), dass sie dieser jedoch grundsätzlich eine hohe Bedeutung beimaßen (M = 3.0, SD = 0.66). Die horizontale Kohärenz zwischen Fach und Fachdidaktik innerhalb der Veranstaltung hingegen wurde stärker wahrgenommen (M = 3.0, SD = 0.38). Die Werte sind signifikant höher als die zur bislang im Studium erlebte Kohärenz, wie ein Wilcoxon-Rangsummen-Test zur Prüfung der Gleichheit zweier Stichprobenmittelwerte für nicht-gaußverteilte Daten mit Effektstärke r = .56 und p = .000*** zeigte. Die Wahrnehmung positiver Lerneffekte aus der Verknüpfung von fachlichen und didaktischen Inhalten fiel durchschnittlich aus (M = 2.6, SD = 0.61). Die Studierenden erkannten die Orientierung der Veranstaltungsinhalte an der zukünftigen Lehrtätigkeit (M = 2.9, SD = 0.66). Interessant ist die Analyse des Zusammenhangs zwischen den Skalen Berufsorientierung und Lerneffekte aus Kohärenz. Die Produkt-MomentKorrelation von r = .71 (p = .001) spiegelt einen höchst signifikanten Zusammenhang zwischen diesen beiden Skalen wider. Dies lässt den Schluss zu, dass Studierende, die positive Lerneffekte aus der Verknüpfung von Inhalten ziehen, die Veranstaltung auch als bedeutungsvoll im Hinblick auf ihren späteren Beruf erleben. Tab. 3: Wahrnehmung von Kohärenz, Lerneffekten und Berufsorientierung Skala Kohärenz im bisherigen Studium Einstellung zu Kohärenz
Beispielitems N (α) M (SD) In meinem bisherigen Studium gab es inhaltliche 2.2 Verknüpfungen zwischen Lehrveranstaltungen der 3 (.66) (0.62) Physik und der Fachdidaktik. Ich halte es für wichtig, dass im Lehramtsstudium 3.0 Inhalte aus Lehrveranstaltungen der Physik und der 6 (.77) (0.66) Fachdidaktik verknüpft werden. In der Veranstaltung wurden von den Dozierenden Kohärenz in der 3.0 5 (.60) Lehrveranstaltung explizite Verknüpfungen von Inhalten aus der (0.38) Physik und der Fachdidaktik aufgezeigt Das explizite Vernetzen von Konzepten aus Physik Lerneffekte aus und Fachdidaktik in der Veranstaltung hat mir 2,6 Kohärenz in 4 (.07) geholfen, Inhalte und Themen aus der Physik besser (0.61) Veranstaltung zu verstehen. Berufsorientierung Die Veranstaltung beschäftigte sich mit didaktischen 2.9 und fachlichen Konzepten, die für meinen Beruf als 3 (.59) (0.66) Physiklehrkraft wichtig sind. Anmerkung: Itemanzahl (N); Cronbachs α; Mittelwerte (M), und Standardabweichungen (SD); N = 21, Likertskala von „1 = stimmt gar nicht“ bis „4 = stimmt völlig“
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Schaffung horizontaler Kohärenz zwischen Bildungswissenschaften, Fachdidaktik, Fachwissenschaft und Unterrichtspraxis durch einen Inverted-Classroom-Ansatz in der Physikdidaktik Ziel der fachdidaktischen Ausbildung im Lehramtsstudium ist, sowohl die Befunde fachdidaktischer Forschung zu vermitteln, als auch ein auf diesen Befunden aufbauendes, professionelles Unterrichtshandeln anzubahnen. Fachdidaktische Lehrveranstaltungen stehen damit in einem Spannungsfeld zwischen einer fundierten Einführung in Fachdidaktik als empirische Bildungsforschung und einem Bezug zur Unterrichtspraxis. Nach Baumert und Kunter (2006) sollte zur Entwicklung eines fundierten und anwendbaren Professionswissens bei Lehramtsstudierenden einerseits eine explizite Vernetzung fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer sowie bildungswissenschaftlicher Inhalte und anderseits die Anwendung adäquater, praxisnaher Situationen erfolgen (siehe Kap. 2 in diesem Band). Im Folgenden wird anhand der Veranstaltung „Einführung in die Fachdidaktik“ für Studierende der Universität und Pädagogischen Hochschule Freiburg erläutert, wie mit dem Inverted Classroom Ansatz Kohärenz zwischen den fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen sowie bildungswissenschaftlichen Wissensbereichen und der Unterrichtspraxis geschaffen werden kann. Physikdidaktik nach dem Inverted-Classroom-Ansatz In Veranstaltungen nach dem Inverted-Classroom-Ansatz werden die Aktivitäten innerhalb und außerhalb des Hörsaals während einer Lehrveranstaltung „umgedreht”. Die Studierenden erarbeiten sich fachdidaktische Theorien, Modelle und empirische Befunde ortsunabhängig, individuell und selbstgesteuert anhand digitaler Lernmaterialien. Hierzu stehen ihnen Vorlesungsaufzeichnungen sowie Skripte und kurze Texte zur Verfügung. Während dieser Selbstlernphasen bearbeiten die Studierenden Lernaufgaben, die üblicherweise eine Reorganisation bzw. Zusammenfassung der Inhalte anstreben (Lo, Hew & Chen, 2017). In den Präsenzphasen der Lehrveranstaltung wenden die Studierenden das zuvor erarbeitete Wissen auf praxisnahe Lernaufgaben an. Beim Thema Schülervorstellungen beispielsweise müssen die Studierenden anhand von Schüleräußerungen aus der fachdidaktischen Forschung bekannte Schülervorstellungen erkennen und diese physikalisch etablierten Konzepte gegenüberstellen. Abschließend reflektieren sie im Plenum die Bedeutung von Schülervorstellungen vor dem Hintergrund konstruktivistischer Lerntheorien sowie ihre eigenen Fehlvorstellungen. Diese Diskussion physikalischer Konzepte vor dem Hintergrund typischer Schülervorstellungen erfordert nicht nur die Aktivierung vorhandenen Fachwissens, sondern oftmals auch eine Erweiterung des Fachwissens um schulrelevante Aspekte, da in Physikvorlesungen der Schwerpunkt auf der mathemati-
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schen Modellierung und nicht auf dem konzeptionellen Verständnis liegt. Wie das Beispiel verdeutlicht, stellen die Lernaufgaben und ihre Reflexion sowohl zur Fachwissenschaft und Fachdidaktik der Physik als auch zu den Bildungswissenschaften (im Beispiel durch Bezug zu Lerntheorien) Bezüge her. Die Einbettung der Lernaufgaben in praxisnahe Kontexte (im Beispiel über die Nutzung von Schüleräußerungen) schafft zudem eine Verknüpfung mit der Unterrichtspraxis (Sherin & van Es, 2009). Die Kombination von Wissensaneignung im Vorfeld der Präsenzphasen mit Wissensanwendung während der Präsenzphasen ermöglicht sowohl eine fundierte Einführung in die fachdidaktische Forschung als auch eine Anbahnung unterrichtspraktischer Handlungskompetenz. Entsprechend erwarteten wir, dass die Studierenden Kohärenz zwischen den Inhalten der fachdidaktischen Veranstaltung und Veranstaltungen der Physik und Bildungswissenschaften wahrnehmen. Zudem ist nach der Selbstbestimmungstheorie von Deci & Ryan (1993) mit einer positiven Wirkung der Veranstaltung auf die Motivation der Studierenden zu rechnen. Rückgriffe auf das Vorwissen aus vorangegangen Veranstaltungen sollten zu erhöhtem Kompetenzerleben, die Gruppenarbeitsphasen zu einer erhöhten sozialen Eingebundenheit und die Arbeit an praxisnahen Lernaufgaben zu einer wahrgenommenen Berufsorientierung führen. Da die Studierenden sich die Arbeit an den vorbereitenden Lernaufgaben selbst einteilen und steuern können, rechneten wir zudem mit einem hohen Autonomieerleben. Kohärenzwahrnehmung und Motivation der Studierenden Um die Wirkung des Lehrkonzepts zu überprüfen, fand eine semesterbegleitende Evaluation hinsichtlich der wahrgenommenen Kohärenz und Motivation der Studierenden statt. Aus vier Veranstaltungen zur „Einführung in die Fachdidaktik“ nahmen 40 Studierende (49 % männlich; 51 % weiblich) im Sommersemester 2017 und im Wintersemester 2017/18 an der Evaluation teil. Alle Befragten studierten entweder Lehramt für Primarstufe (35 %), Lehramt für die Sekundarstufe (25 %) oder gymnasiales Lehramt (40 %) im Bachelor. Zur Evaluation der Veranstaltung wurden das Kohärenzerleben (siehe Kap. 3.1 in diesem Band) und die Motivation der Studierenden erhoben. Die wahrgenommen Querbezüge zwischen der „Einführung in die Fachdidaktik“ und Veranstaltungen der Physik und Bildungswissenschaft wurden mit jeweils einem Einzelitem erfasst. Zudem bewerteten die Studierenden, wie kohärent die Veranstaltung aufgebaut war und wie stark sie Verknüpfungen innerhalb der Veranstaltung wahrnahmen, auf zehn Items. Alle Items wurden auf einer fünfstufigen Likert-Skala (1 = stimme nicht zu bis 5 = stimme zu) beantwortet. Die Items zur Motivation wurden in Anlehnung an Deci und Ryan (1993) entwickelt. Sie erhe-
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Schaffung von Kohärenz in der Physik
ben die wahrgenommene soziale Eingebundenheit, das Autonomie- und Kompetenzerleben sowie die wahrgenommene Berufsorientierung der Studierenden. Tab. 4: Kohärenzwahrnehmung der Studierenden Skala Verknüpfung zur …
Beispielitems Es gab inhaltliche Verknüpfungen zwischen dieser Veranstaltung und …
Physik Bildungswissenschaft
N (α)
M (SD)
anderen Lehrveranstaltungen aus der Fachwissenschaft dieses Fachs
1
4.00 (1.11)
anderen Lehrveranstaltungen aus den Bildungswissenschaften.
1
2.87 (0.84)
Die einzelnen Sitzungen der Veranstaltung 10 3.12 Kohärenz in der bauten inhaltlich aufeinander auf. (.78) (0.48) Lehrveranstaltung Anmerkung: Itemanzahl (N); Cronbachs α; Mittelwerte (M), und Standardabweichungen (SD); N = 40, Likertskalen von „1 = stimmt nicht zu“ bis „5 = stimme zu“
Die Ergebnisse in Tabelle 4 zeigen, dass die Studierenden inhaltliche Verknüpfungen zwischen Fachdidaktik und Physik stärker wahrnahmen als jene zu den Bildungswissenschaften. Das Kohärenzerleben innerhalb der Einführung in die Physikdidaktik war auf einem mittleren Niveau. Tab. 5: Teilskalen und Gesamtskala zur Motivation der Studierenden Skala Soziale Eingebundenheit
Beispielitems In der Veranstaltung wurde ich von meinen Kommilitonen gleichberechtigt behandelt.
N (α)
M (SD)
4 (.82)
3.77 (0.38)
Autonomieerleben
In der Veranstaltung konnte ich meine Meinung und meine Ideen frei äußern.
4 (.58)
2.94 (0.45)
Kompetenzerleben
Ich bin während der Erarbeitung der Inhalte in der Veranstaltung gut mitgekommen.
5 (.68)
3.77 0.38)
5 (.75)
2.94 (0.45)
Berufsorientierung
Die Veranstaltung beschäftigt sich mit didaktischen Konzepten, die für meinen Beruf als Physiklehrkraft wichtig sind. Gesamtskala Motivation
3.32 (0.28) Anmerkung: Itemanzahl (N); Cronbachs α; Mittelwerte (M), und Standardabweichungen (SD); N = 40, Likertskalen von „1 = stimmt nicht zu“ bis „4 = stimme zu“ 18 (.80)
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Michaela Oettle et al.
Das Motivationserleben der Studierenden war hoch (siehe Tab. 5). Um den Einfluss der wahrgenommenen Kohärenz innerhalb der fachdidaktischen Veranstaltungen und zu Lehrveranstaltungen der Physik und Bildungswissenschaft auf die Motivation der Studierenden zu beziehen, wurden Korrelationen zwischen Motivation und wahrgenommener Kohärenz berechnet. Es wurden partielle Korrelationen gebildet, um den Einfluss des Studiengangs zu kontrollieren. Da sich die Curricula der Studiengänge (Primarstufe, Sekundarstufe, gymnasiales Lehramt) unterscheiden, könnte dies Einfluss auf die Kohärenzwahrnehmung haben. Es zeigten sich signifikante Korrelationen mit mittleren bis großen Effektstärken der wahrgenommenen Kohärenz innerhalb der Veranstaltung (r = .54; p < .001), der Fachwissenschaft (r =.49; p < .01) und den Bildungswissenschaften (r = .35; p < .05) zur Motivation der Studierenden. Diskussion und Ausblick Es wurden verschiedene Lehrkonzepte entwickelt und auf ihre Wirksamkeit geprüft, um vertikale und horizontale Kohärenz im Lehramtsstudium der Physik zu schaffen. Das Fach Physik ist aufgrund seiner strukturierten Fachsystematik besonders geeignet, Kohärenz in der Fachausbildung zu schaffen. Themenübergreifende Big Ideas eignen sich für die Lehre im Sinne eines Spiralcurriculums und damit zur Steigerung vertikaler, konsekutiver Kohärenz. Die Didaktische Rekonstruktion bietet den Naturwissenschaftsdidaktiken ein theoretisches Modell zur Vernetzung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik bei der Unterrichtsplanung. Die Anwendung dieses Modells fördert die Schaffung horizontaler Kohärenz zwischen Fachwissenschaften und Fachdidaktik in der Lehrerbildung. Die Einbeziehung der Bildungswissenschaften stellt die größte Herausforderung bei der Schaffung horizontaler Kohärenz dar, weil es keine gemeinsamen Konzepte mit der Physik und nur wenige gemeinsame Konzepte mit der Fachdidaktik (z. B. Lerntheorien, Schülervorstellungen) gibt. Lehrveranstaltungen, in denen die Studierenden theoretisches Wissen auf praxisrelevante Lernaufgaben anwenden – wie in der beschriebenen Veranstaltung nach dem Inverted-ClassroomAnsatz – scheinen geeignet, um horizontale Kohärenz zwischen allen drei Wissensbereichen zu schaffen. Obwohl die Evaluationsergebnisse aufgrund der geringen Stichprobengrößen nur explorativen Charakter haben, zeigen sie, dass die wahrgenommene Kohärenz innerhalb von Lehrveranstaltungen größer ist als zwischen Lehrveranstaltungen. Dies scheint plausibel und wünschenswert, da einzelne Lehrveranstaltungen immer zeitlich kompakter und personell kohärenter sind als unterschiedliche Veranstaltungen, die auf das Studium verteilt sind. Der große Zu-
Schaffung von Kohärenz in der Physik
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sammenhang zwischen der Berufsorientierung und dem wahrgenommenen Kompetenzerwerb in der Veranstaltung zur Didaktischen Rekonstruktion weist auf positive Effekte kohärenter Lehrveranstaltungen auf den Kompetenzerwerb hin. Die Zusammenhänge zwischen Kohärenzwahrnehmung und Motivation in den Einführungsveranstaltungen der Fachdidaktik legen nahe, dass Kohärenz die Motivation von Studierenden fördert. Detaillierte empirische Befunde zum Einfluss kohärenter Lehrveranstaltungen auf den Kompetenzzuwachs bzw. zu den Lernprozessen der Studierenden stehen allerdings noch aus. Erkenntnisse über die Wirkungsweisen kohärenzsteigernder Maßnahmen könnten genutzt werden, um Lehrveranstaltungen zu optimieren und an die Bedürfnisse spezifischer Lerngruppen anzupassen. Dies ist umso wichtiger, als die wahrgenommene Kohärenz immer auch von individuellen Lernvoraussetzungen und Erfahrungen abhängt. Literatur Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9, 469-520. Borowski, A., Kirschner, S., Liedtke, S., & Fischer, H. E. (2011). Vergleich des Fachwissens von Studierenden, Referendaren und Lehrenden in der Physik. PhyDid A - Physik und Didaktik in Schule und Hochschule, 1(10), 1–9. Deci, E. & Ryan, M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 39(2), 223-228. Duit, R. (2010). Piko-Brief Nr. 3: Didaktische Rekonstruktion. Kiel: IPN. Gagné, R. (1968). Contributions of learning to human development. Psychological Review, 75, 177191. Hammernes, K. & Darling-Hammond, D. (2007). The design of teacher education programs. In L. Darling-Hammond & J. Bransford (Hrsg.), Preparing teachers for a changing world (S. 390441). San Francisco: Jossey Bass. Heilbron, John L. (1979): Electricity in the 17th and 18th centuries. A study of early modern physics. Berkeley: Univ. of California Pr. Kattmann, U., Duit, R., Gropengießer, H., & Komorek, M. (1997). Das Modell der Didaktischen Rekonstruktion - Ein Rahmen für naturwissenschaftsdidaktische Forschung und Entwicklung. Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften, 3(3), S. 3–18. Kuhn, W. (2001). Ideengeschichte der Physik. Eine Analyse der Entwicklung der Physik im historischen Kontext. Braunschweig : Vieweg & Sohn. Mikelskis, H. F. (2006). Physikunterricht legitimieren. In: H. F. Mikelskis, (Hrsg.), Physik-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II (S. 11-47). Berlin: Cornelsen. Lo, C. K., Hew, K. F., & Chen, G. (2017). Toward a set of design principles for mathematics flipped classrooms. A synthesis of research in mathematics education. Educational Research Review, 22, 50-73. Schödl, A. & Göhring, A. (2017). FALKO-P: Fachspezifische Lehrerkompetenzen im Fach Physik. In S. Krauss (Hrsg.), Falko: Fachspezifische Lehrerkompetenzen: Konzeption von Professionswissenstests in den Fächern Deutsch, Englisch, Latein, Physik, Musik, Evangelische Religion und Pädagogik (S. 201-243). Münster: Waxmann.
182
Michaela Oettle et al.
Sherin, M. G. & van Es, E. A. (2009). Effects of video club participation on teachers' professional vision. Journal of Teacher Education, 60(1), 20-37. Starauschek, E., Rubitzko, T., & Laukenmann, M. (2018). Kumulatives Lehren und Lernen der Mechanik in der Lehramtsausbildung. In C. Maurer (Hrsg.), Qualitätsvoller Chemie – und Physikunterricht – Normative und empirische Dimensionen (Bd. 38) (S. 146-149). Regensburg: Tagungsband der GDCP-Jahrestagung 2017.
5.2
ProfiWerk und PraxisLab Chemie – Hochschuldidaktische Innovationen zur kohärenten Professionalisierung angehender Gymnasiallehrkräfte im Rahmen des Projekts ProPraxis
Michael Schween, Andreas Trabert, Catharina Schmitt Philipps-Universität Marburg Keywords: Organische Chemie, Lehramt an Gymnasien, doppeltes Praxisverständnis Die Philipps-Universität Marburg begegnet den Ansprüchen an eine zeitgemäße Lehrerbildung seit 2015 mit der Weiterentwicklung des Studiengangs für das Lehramt an Gymnasien (L3) mit dem Projekt ProPraxis. Die Grundstruktur des Studiengangs besteht seither aus fünf Marburger Praxismodulen (MPM), die eine kohärente und praxisorientierte Professionalisierung angehender Lehrkräfte nach der Leitidee des doppelten Praxisverständnisses ermöglichen. Sie bieten einen integrativen Rahmen für das Studium, in den zwei Schulpraktika eingebunden sind. In einem domänenübergreifend vernetzten Professionalisierungsprozess erlernen die Studierenden die Modellierung von Inhalten für schulische Vermittlungsprozesse anhand fachlicher und überfachlicher Leitideen (erste Praxis) und deren Inszenierung in schulischen Vermittlungsprozessen (zweite Praxis). Die erste Praxis bewirkt Kohärenz zwischen Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften auf der Ebene universitären Wissens, während die zweite Praxis Kohärenz zwischen Fachdidaktik, Bildungswissenschaften und schulpraktischen/unterrichtlichen Erfahrungen in Orientierung am schulischen Handlungskontext schafft. Den fachspezifischen Kern des Konzepts bilden die Module ProfiWerk und PraxisLab, die den Übergang von der ersten zur zweiten Praxis beinhalten. In diesem Beitrag beschreiben wir die Etablierung dieser beiden konsekutiven Module im Fach Chemie. Wir legen den Entwurf eines didaktischen Konzepts dar, das den Ansprüchen des Studien- und Unterrichtsfachs Chemie gleichermaßen entspricht und zeigen, wie dieses in zwei universitären Seminaren mit integriertem Schulpraktikum umgesetzt werden kann.
Ausgangspunkt und Zielsetzung des Projekts ProPraxis Die Kernaufgabe des Lehrberufs ist, Schülerinnen und Schülern systematisch verständnisvolles Lernen zu ermöglichen (Baumert & Kunter, 2006). Voraussetzung für einen verständnisorientierten, kognitiv aktivierenden und auf die individuelle Wissenskonstruktion ausgerichteten Unterricht ist die professionelle Handlungskompetenz von Lehrkräften, die wiederum eines umfangreichen Professionswissens bedarf. Dieses umfasst im Kern die Wissensbereiche Fachwissen, fachdidaktisches Wissen und pädagogisch-psychologisches Wissen (Baumert & Kunter, 2011a; Shulman, 1987). Die Studien COACTIV und © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_12
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Michael Schween et al.
TEDS-M 2008 belegen für das Fach Mathematik hohe Korrelationen zwischen Fachwissen und fachdidaktischem Wissen von Lehrkräften (Baumert & Kunter, 2011a; Blömeke, Kaiser, Döhrmann & Lehmann, 2010). Fachdidaktisches Wissen der Lehrenden wirkt sich wiederum direkt auf den Lernfortschritt der Lernenden aus, während der Einfluss des Fachwissens deutlich geringer ist (Baumert & Kunter, 2011b). Aus den Befunden qualitativer Studien folgern Baumert und Kunter (2011b), dass Fachwissen in diesem Zusammenhang jedoch insofern eine große Bedeutung zukommt, als dass es „den Entwicklungsraum des fachdidaktischen Wissens und damit auch indirekt die Unterrichtsqualität“ definiert (Baumert & Kunter, 2011b, S. 185). Studien in anderen Fächern stützen diese Erkenntnisse: Auch bei Lehrkräften für Chemie (Tepner & Dollny, 2014) sowie angehenden Lehrkräften für Physik (Sorge, Kröger, Petersen & Neumann, 2017; Riese & Reinhold, 2012) und Biologie (Großschedl, Harms, Kleickmann & Glowinski, 2015) konnten Korrelationen zwischen Fachwissen und fachdidaktischem Wissen festgestellt werden. Im Fach Physik wurde zudem eine Korrelation zwischen fachdidaktischem Wissen von Lehrkräften und Leistungen der Lernenden nachgewiesen, die anteilig über die kognitive Aktivierung mediiert wird (Keller, Neumann & Fischer, 2017). Diese korrelativen Zusammenhänge deuten auf eine vernetzte Lernentwicklung in den Wissensbereichen hin und lassen erwarten, dass eine kohärente, entsprechende Zusammenhänge explizierende Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften lernförderlich ist. Eine kohärente Professionalisierung 1 sollte folglich konzeptionelle und strukturelle Bezüge zwischen den Säulen der Lehrerbildung zur Stärkung von Wissenserwerb, -vernetzung und -transfer schaffen und die Relevanz der einzelnen Wissensbereiche für die übergeordnete Genese professioneller Kompetenz herausstellen. Wird berücksichtigt, dass Unterricht fachspezifisch erfolgt und zugehöriges Fachwissen vorwiegend im universitären Studium erworben wird, kommt dem Studium als erster Phase der Professionalisierung eine besondere Rolle bei der Integration von Fachwissen und fachdidaktischem Wissen zu. Evaluationen an der Philipps-Universität Marburg zeigen, dass die Kohärenz innerhalb des Studiengangs für das Lehramt an Gymnasien (L3) und zum anschließenden Vorbereitungsdienst bisher als gering eingeschätzt wurde. Die Befragung von Studierenden der Philipps-Universität sowie von Lehrkräften und Ausbildenden im Vorbereitungsdienst des Landes Hessen im Jahr 2003 (Philipps-Universität Marburg, 2003) belegt zwar eine hohe Qualität der fachwissenschaftlichen, dagegen eine mäßige Qualität der fachdidaktischen und bildungs-
1
Der im Beitrag verwendete Kohärenzbegriff nimmt Bezug auf das in diesem Band beschriebene Kohärenzmodell (siehe Kap. 2 in diesem Band).
ProfiWerk und PraxisLab Chemie
185
wissenschaftlichen Veranstaltungen im Studiengang. Bemängelt werden die fehlende Vernetzung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik, ein unzureichender Anteil fachdidaktischer Lehrveranstaltungen und eine geringe Schulrelevanz fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer und bildungswissenschaftlicher Lehre. Befragungen von Studierenden sowie von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst 2 im Jahr 2013 (Philipps-Universität Marburg, 2013a; 2013b) bestätigen dieses Bild weitestgehend. Die Philipps-Universität Marburg begegnet dieser Situation seit 2015 mit der Weiterentwicklung des Studiengangs im Rahmen des Projekts ProPraxis 3 in vorerst zehn Fächern. 4 Das Projekt beinhaltet die Etablierung einer neuen curricularen Grundstruktur aus den fünf Marburger Praxismodulen (MPM), die das Rückgrat eines vernetzten Studiums bilden. Ziel der MPM ist, eine Grundlage für die kohärente und praxisorientierte Professionalisierung angehender Lehrkräfte nach der Leitidee des doppelten Praxisverständnisses zu schaffen. Die erste Praxis umfasst dabei die Restrukturierung von Fachwissen zu einem konzeptuellen Verständnis unterrichtsrelevanter Fachgegenstände anhand fachlicher und überfachlicher Leitideen und den daran gebundenen Erwerb fachdidaktischen Wissens zur Modellierung dieser Inhalte für schulische Vermittlungsprozesse. Sie eröffnet somit Kohärenz zwischen Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften auf der Ebene universitären Wissens in einem maßgeblich durch das jeweilige Fach und dessen Denkweisen geprägten Handlungskontext. Die zweite Praxis schließt mit dem Erwerb fachdidaktischen und pädagogisch-psychologischen Wissens zur Inszenierung in schulischen Vermittlungsprozessen daran an und schafft Kohärenz zwischen Fachdidaktik, Bildungswissenschaften und schulpraktischen/unterrichtlichen Erfahrungen in Orientierung am schulischen Handlungskontext. Entsprechend sind die MPM anteilig in den Fachdidaktiken und den Bildungswissenschaften verortet und beinhalten zwei integrierte Schulpraktika an Kooperationsschulen. Den fachspezifischen Kern des Konzepts bilden die Module ProfiWerk und PraxisLab, die den Übergang von der ersten zur zweiten Praxis schaffen. Im Folgenden wird die Etablierung der Module ProfiWerk und PraxisLab im Fach Chemie beschrieben. Nach einem Überblick über die Struktur der MPM legen wir die Konzeption und Durchführung beider Module dar und diskutieren 2
Hierbei handelt es sich um Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst mit mindestens anteiligem Studium an der Philipps-Universität Marburg. 3 ProPraxis – Gymnasiale Lehrerbildung in Marburg: professionell, praktisch, gut ist ein Projekt der gemeinsamen Qualitätsoffensive Lehrerbildung von Bund und Ländern. 4 Die Entwicklung erfolgt in der ersten Projektphase parallel zur fakultativ weiterbestehenden bisherigen Studienstruktur. An ProPraxis sind die Fächer Biologie, Chemie, Englisch, Erdkunde, Ethik, Geschichte, Mathematik, Philosophie, evangelische Religion und Sport beteiligt.
186
Michael Schween et al.
abschließend erste Evaluationsergebnisse, Erfahrungen aus den Lehrveranstaltungen und die zukünftige Weiterentwicklung des Konzepts. Die Marburger Praxismodule Die Marburger Praxismodule bilden seit 2015 die Grundstruktur des mit der Ersten Staatsprüfung abschließenden Studiengangs für das Lehramt an Gymnasien. Sie sind auf eine hohe Kohärenz untereinander und zu anderen Lehrveranstaltungen ausgerichtet und bieten einen integrativen Rahmen für das Studium. Die eingebundenen neu konzipierten Schulpraktika stärken zugleich die Vernetzung von Universität und Schule in der ersten Ausbildungsphase. Die MPM umfassen in chronologischer Reihung PraxisStart, ProfiWerk Fach, 5 PraxisLab Fach/EGL, 6 ProfiWerk EGL und ProfiPraxis Fach (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Verlaufsplan der Marburger Praxismodule PraxisStart sieht die Anbahnung eines reflektierten Verständnisses von Bildung, Schule und Unterricht insbesondere hinsichtlich fächerübergreifender Kompetenz- und Anforderungsprofile in einem bildungswissenschaftlichen Seminar mit
5
Die fachspezifischen MPM werden bislang in einem der beiden Studienfächer belegt. Die Bezeichnung Fach bezieht sich im Fall von ProfiWerk und PraxisLab auf dieses Studienfach, im Fall von ProfiPraxis dagegen auf das zweite Studienfach. 6 Die Bezeichnung EGL steht für das Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaftliche Studium für das Lehramt und beschreibt die fachunabhängigen bildungswissenschaftlichen Anteile des Studiums.
ProfiWerk und PraxisLab Chemie
187
14-tägigem Beobachtungspraktikum vor. Mit ProfiWerk Fach, PraxisLab Fach/EGL und ProfiWerk EGL folgt diesem eine vernetzte Modulkombination, innerhalb derer der Übergang von der fachdidaktischen Modellierung zur schulpraktischen Inszenierung vollzogen wird. ProfiWerk Fach beinhaltet vorrangig die fachwissenschaftliche und fachdidaktische Professionalisierung im Rahmen der ersten Praxis und ist als Seminar in den Fachdidaktiken verortet. Ziel ist, exemplarisch anhand theoretischer und methodischer Leitideen ein der epistemischen Praxis des Fachs entsprechendes, übergeordnetes Systemverständnis zu entwickeln. Darauf aufbauend erfolgt die didaktische Modellierung von Fachgegenständen für schulische Vermittlungsprozesse, die in die Teilschritte Elementarisierung, Rekonstruktion und Inszenierung untergliedert ist. Die im Zuge des Modellierungsprozesses zu entwerfenden unterrichtsgeeigneten Lerngelegenheiten bilden die Schnittstelle zu PraxisLab Fach/EGL. ProfiWerk Fach stellt somit vornehmlich eine konsekutive horizontale Kohärenz zu Lehrveranstaltungen der Fachwissenschaft her, deren Inhalte restrukturiert und für fachdidaktische Zwecke verfügbar gemacht werden. Kohärenz besteht zudem innerhalb des Moduls, indem fachwissenschaftliche und fachdidaktische Inhalte integrativ diskutiert und über den Seminarverlauf Bezüge zu fachlichen Leitideen und den epistemischen Grundlagen des Fachs hergestellt werden. PraxisLab Fach/EGL schließt im Folgesemester an ProfiWerk Fach an. Es dient der fachdidaktischen und pädagogisch-psychologischen Professionalisierung einschließlich schulpraktischer Erprobungsmöglichkeiten und umfasst ein bildungswissenschaftliches Vorbereitungsseminar sowie ein Schulpraktikum mit Begleitseminar in Kooperation zwischen Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften. Ziel ist, die in ProfiWerk Fach auf universitärer Ebene begonnene Inszenierung von Lerngelegenheiten in der Inszenierung und Reflexion von Unterricht auf schulpraktischer Ebene fortzusetzen. Der Beobachtung von Anknüpfungspunkten an die erste Praxis im Unterricht folgt die aktive Unterrichtsplanung, -durchführung und -reflexion als zweite Praxis. PraxisLab Fach/EGL setzt somit nicht nur den in ProfiWerk Fach begonnenen Modellierungs- und Inszenierungsprozess in konsekutiver Weise fort, sondern stellt zudem konsekutive horizontale Kohärenz zu Lehrveranstaltungen aller Domänen her. Die enge Vernetzung zwischen Schulpraktikum und Seminaren ermöglicht den Studierenden die parallele Auseinandersetzung mit dem eigenen unterrichtlichen Handeln aus schulischer und universitärer Perspektive über den Modulverlauf hinweg. ProfiWerk EGL folgt als bildungswissenschaftliches Blockseminar nach dem Ende von PraxisLab Fach/EGL und bildet den Abschluss des Professionalisierungsprozesses der ersten Ausbildungsphase. Es beinhaltet die überfachliche Reflexion der vorangehend erfolgten Modellierung für und Inszenierung in Ver-
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Michael Schween et al.
mittlungsprozessen im Sinne des doppelten Praxisverständnisses und führt konsekutiv Wissen und Kompetenzen aus allen Modulen zusammen. ProfiPraxis Fach ist ein Kompensationsmodul im zweiten Studienfach und beinhaltet ein fachdidaktisches Seminar, in dem der Ansatz der MPM ähnlich zu ProfiWerk Fach erschlossen wird. Das Modul ProfiWerk Chemie ProfiWerk Chemie wird jährlich im Sommersemester als 14-wöchiges Seminar mit Laborpraktikum für bis zu zwölf Studierende 7 angeboten und von Lehrenden der Fachdidaktik, unterstützt durch Lehrkräfte im Hochschuldienst, geleitet. Die Professionalisierung führt im Rahmen des Moduls von der Restrukturierung bereits erworbenen Fachwissens zu dessen didaktischer Modellierung. Als Fachgegenstände dienen Reaktionsmechanismen und grundlegende Modellvorstellungen der Organischen Chemie, die einen inhaltlichen Schwerpunkt des Kerncurriculums der Sekundarstufe II in Hessen darstellen (Hessisches Kultusministerium, 2016). Entlang dieses Prozesses ist das Seminar in drei Phasen unterteilt (siehe Tab. 1): Der Problemeröffnung folgen als erste Phase die Elementarisierung exemplarischer Fachgegenstände und die theoretische Rekonstruktion eines ausgewählten Themas im Seminar. Die zweite Phase umfasst die laborpraktische Rekonstruktion dieses Themas zu Schlüsselexperimenten im Praktikum. In der dritten Phase werden die Ergebnisse der theoretischen und laborpraktischen Rekonstruktion in Gruppenarbeit zusammengeführt und als unterrichtsgeeignete Lerngelegenheiten inszeniert. Das didaktische Grundkonzept für ProfiWerk Chemie bildet die Theorie des Meaningful Learning (Novak, 2002): Neues Wissen soll durch Anwendung und Vernetzung bereits erlernter Inhalte und Konzepte erschlossen und in bestehende Wissensstrukturen integriert werden. Gleichzeitig können dadurch bestehende limitierte oder fehlerhafte Konstrukte revidiert werden. Meaningful Learning schafft damit eine geeignete Grundlage für die Konstruktion eines kontextunabhängigen konzeptuellen Fachverständnisses. Ziel der Lehrveranstaltung ist ein fachgerechtes Vorhersagen und Erklären von Reaktionsverläufen über den Zusammenhang von Struktur und Reaktivität, das einem Verständnis von Organischer Chemie auf dem Niveau des strukturellen Interaktionismus‘ (Talanquer, 2018) entspricht. Als fachwissenschaftliches Modell für den Erkenntnisgewinn 7
Die Teilnahme an ProfiWerk Chemie setzt den erfolgreichen Abschluss der Module OC-1: Grundlagen der Organischen Chemie und OC-2: Organische Reaktionsmechanismen voraus, sodass das hierfür notwendige organisch-chemische Fachwissen vorhanden ist.
ProfiWerk und PraxisLab Chemie
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dient Goodwins Modell zu Erklärungen in der Organischen Chemie (Goodwin, 2003; 2008), das Reaktionsverläufe durch konzeptgestützte Strukturbetrachtungen und daraus resultierende Annahmen zur potenziellen Energie anhand geeigneter Repräsentation erschließt. Eine fachdidaktische Strukturierungshilfe zur Einordnung und Anwendung von Konzepten bieten die Basiskonzepte der Chemie (Demuth, Ralle & Parchmann, 2005). Alle Fachgegenstände werden in Fallvergleichen nach dem Inventing-with-Contrasting-Cases-Ansatz (ICC) (Schwartz, Chase, Oppezzo & Chin, 2011) elementarisiert, innerhalb derer einzelne Parameter systematisch variiert werden. Dieses Vorgehen spiegelt die epistemische Praxis der Organischen Chemie wider und bietet zugleich didaktisches Potenzial für die Entwicklung kognitiv aktivierender Lerngelegenheiten nach dem Compare-Predict-Observe-Explain-Zyklus (CPOE) (Graulich & Schween, 2018). Entsprechend bildet das didaktische Konzept nicht nur den impliziten Rahmen des Moduls, sondern wird im Verlauf der Lehrveranstaltung sukzessive über die Inhalte expliziert. Die Problemeröffnung konfrontiert die Studierenden mit der Aufgabe, Produkte ausgewählter chemischer Reaktionen vorherzusagen. Hierzu häufig intuitiv herangezogene Heuristiken und Regeln bieten einen Ansatzpunkt, um die Defizite regelbasierter Vorgehensweisen in Abgrenzung zu konzeptbasierten Problemlösungsstrategien zu diskutieren. An zwei Beispielen wird erarbeitet, dass durch Regelanwendung zwar korrekte Produkte postuliert, allerdings keine zufriedenstellenden Erklärungen zum Reaktionsverlauf geboten werden können, wie sie für die Elementarisierung notwendig sind. Nachfolgend werden die Basiskonzepte der Chemie (Demuth et al., 2005) und Goodwins Erklärungsmodell (2003; 2008) eingeführt sowie die konzeptbasierte Vorhersage von Reaktionsverläufen im Diskurs erschlossen und zur Elementarisierung angewendet. Dieses Vorgehen erlaubt den Studierenden, eigenes Fachwissen auf übergeordneter Ebene theoretisch zu restrukturieren und grundlegende funktionelle Zusammenhänge zu erschließen, die für spätere Rekonstruktionen leitend sein können. An SN2-Reaktionen wird in ICC-Fallvergleichen beispielhaft erarbeitet, welchen Einfluss verschiedene Abgangsgruppen auf eine Reaktion haben, die in allen Fällen nach demselben Mechanismus verläuft, und dieser Einfluss auf Struktur- und Energieebene konzeptuell begründet. Am Beispiel der Reaktionen von Carboxylverbindungen mit Hydroxiden wird stattdessen erarbeitet, welche unterschiedlichen Funktionen ein und dasselbe Teilchen aufweisen kann und welche unterschiedlichen Mechanismen daraus resultieren. Dieses Beispiel erfordert disziplintypisches Denken in Alternativen, da zwei konkurrierende Reaktionen möglich sind, von denen die wahrscheinlichere in ICC-Fallvergleichen anhand des Erklärungsmodells schrittweise bestimmt werden muss.
– Zusammenführung theoretischer und laborpraktischer Entwicklungen zu unterrichtsgeeigneten Lerngelegenheiten – Ergebnispräsentation – Seminarevaluation
Woche 13
Abschluss
Phase 2: Laborpraktische Rekonstruktion Phase 3: Inszenierung
Woche 2
Phase 1: Elementarisierung und theoretische Rekonstruktion
Woche 14
Woche 6 bis 12
Woche 5
Woche 4
Woche 3
Thema – Problemeröffnung im Plenum Beispiel 1: Methanolyse von tert-Butylbromid Beispiel 2: SEAr- vs. SR-Reaktion an Toluol – Diskussion der Studienaufgabe – Elementarisierung im Plenum Beispiel 3: SN2-Reaktionen – Diskussion der Studienaufgabe – Elementarisierung im Plenum Beispiel 4: Reaktionen von Carboxylverbindungen – Diskussion der Studienaufgabe – Rekonstruktion eines Themas in Gruppenarbeit – Diskussion der Studienaufgabe Rekonstruktion eines Themas in Gruppenarbeit – Entwicklung und Optimierung von Schlüsselexperimenten – Entwicklung zugehöriger Versuchsvorschriften
Verlauf Woche 1
Phase Einführung
Tab. 1: Verlaufsplan des Moduls ProfiWerk Chemie
– Vorbereitung der Ergebnispräsentation
– Artikel Bhattacharyya & Bodner, 2005 – Vorbereitung der laborpraktischen Rekonstruktion – Dokumentation der Entwicklungsarbeit mittels Laborbuch
– Artikel Graulich, 2015
– Artikel Goodwin, 2008
Studienaufgabe – Artikel Demuth et al., 2005
190 Michael Schween et al.
ProfiWerk und PraxisLab Chemie
191
In zwei weiteren Sitzungen werden bekannte Verständnisschwierigkeiten und fehlerhafte Problemlösungs- und Erklärungsstrategien zu Reaktionsmechanismen anhand von Fachartikeln (Graulich, 2015; Bhattacharyya & Bodner, 2005) erarbeitet. Für einen ausgewählten Reaktionsmechanismus entwickeln die Studierenden durch Elementarisierung und Rekonstruktion in Gruppenarbeit Vergleichsreaktionen, anhand derer die relevanten Konzepte, z. B. die Qualität von Nucleophilen und Nucleofugen in SN2-Reaktionen, fach- und adressatengerecht an Schülerinnen und Schüler vermittelt werden können. Zu diesen Vergleichsreaktionen planen sie entsprechende Schlüsselexperimente für Lerngelegenheiten im Unterricht. In sieben halbtägigen Praktikumseinheiten werden diese Schlüsselexperimente durch Laborarbeit praktisch rekonstruiert, für unterrichtliche Vermittlungsprozesse optimiert und um geeignete Lernmaterialien ergänzt. Mit Unterstützung der Lehrenden inszenieren die Studierenden die entwickelten Experimente und Materialien zu CPOE-Lerngelegenheiten, die als Unterrichtsbausteine für die Sekundarstufe II anschlussfähig an PraxisLab Chemie sind. In einer abschließenden Seminarsitzung erfolgt die Präsentation der entwickelten Lerngelegenheiten, die zugleich die Prüfungsleistung des Moduls ist. Das Modul PraxisLab Chemie PraxisLab Chemie schließt im Wintersemester an ProfiWerk Chemie als achtwöchiges Schulpraktikum im Umfang von 25 Wochenstunden 8 mit Begleitseminar an. Es wird ebenfalls von Lehrenden der Fachdidaktik und Lehrkräften im Hochschuldienst unter anteiliger Begleitung der Bildungswissenschaften geleitet. 9 Die abgeordneten Lehrkräfte übernehmen zudem die Aufgabe von Mentorinnen und Mentoren an den Schulen, sodass neben inhaltlicher auch personelle Kohärenz zu ProfiWerk besteht. In PraxisLab wird der Professionalisierungsprozess mit der Inszenierung und Reflexion von Unterricht fortgesetzt. Der fachdidaktische Ansatz wird in den schulischen Handlungskontext überführt und durch schulnahe fachdidaktische und pädagogisch-psychologische Komponenten erweitert. Das Begleitseminar umfasst entsprechend Phasen zur Beobachtung und Einordnung von Unterricht, zur Planung, Durchführung und Reflexion von Unterricht sowie zur Reflexion des Praktikums, die durch Studienaufgaben mit dem Schulpraktikum vernetzt sind (siehe Tab. 2).
8 9
Neben Beobachtung, Planung und Durchführung von Unterricht sieht das Praktikum auch Hospitationen im zweiten Studienfach sowie die Teilnahme an außerunterrichtlichen Veranstaltungen vor. PraxisLab beinhaltet zudem ein bildungswissenschaftliches Vorbereitungsseminar, das in diesem Beitrag nicht näher erläutert wird.
Phase 3: Reflexion von ProfiWerk und PraxisLab Abschluss
Woche 2
Phase 1: Beobachtung und Einordnung von Unterricht Phase 2: Planung, Durchführung und Reflexion von Unterricht
Sondertermin
Woche 7 Woche 8 Woche 9
Woche 6
Woche 5
Woche 4
Woche 3
Verlauf Woche 1
Phase Einführung – Repetitorium zur Elementarisierung, Rekonstruktion und Inszenierung in Anbindung an ProfiWerk Chemie – Präsentation und Diskussion der Studienaufgabe – Arbeit mit den Kerncurricula – Präsentation und Diskussion der Studienaufgabe – Inhalte, Kompetenzen, Anforderungen und Operatoren – Präsentation und Diskussion der Studienaufgabe – Planung von Unterricht und Unterrichtsteilphasen – Präsentation und Diskussion der Studienaufgabe – Modelle, Medien, Experimente und Fachsprache – Arbeit an individuellen Schwerpunktthemen – Präsentation und Diskussion der Langzeitaufgabe – Präsentation und Diskussion der Langzeitaufgabe – Reflexion des Professionalisierungsprozesses im Plenum – Präsentation des fachspezifischen Professionalisierungsprozesses in einer fächerübergreifenden Abschlusssitzung – Seminarevaluation
Thema – Einführung in Richtlinien, Bestimmungen und Gefährdungsbeurteilungen für den Chemieunterricht
Tab. 2: Verlaufsplan des Moduls PraxisLab Chemie
– Unterrichtsbesuche – Unterrichtsbesuche – Vorbereitung der fächerübergreifenden Abschlusssitzung – Anfertigung des Portfolios
Studienaufgabe – Langzeitaufgabe „Planung und Durchführung einer Unterrichtsstunde mit Unterrichtsbesuch“ – Aufgabenblatt „Unterrichtsbeobachtung“ – Aufgabenblatt „Arbeit mit den Kerncurricula“ – Aufgabenblatt „Aufgabenplanung nach Anforderungsbereichen“ – Aufgabenblatt „Planung und Durchführung eigenen Unterrichts“ – Unterrichtsbesuche
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ProfiWerk und PraxisLab Chemie
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Zum Praktikumsbeginn werden die Studierenden in organisatorische und rechtliche Rahmenbedingungen der Institution Schule eingeführt. Zudem erhalten sie die Langzeitaufgabe, eine Unterrichtsstunde zu planen und durchzuführen, die von den Hochschullehrenden besucht wird. In diese sollen die in ProfiWerk entwickelten CPOE-Lerngelegenheiten oder alternative, nach derselben Vorgehensweise neu entworfene Lerngelegenheiten eingebunden werden. Die erste Phase von PraxisLab Chemie knüpft mit einem Repetitorium zum fachdidaktischen Ansatz an ProfiWerk Chemie an und wird um die Beobachtung von Unterricht aus diesem Blickwinkel ergänzt. Die Ergebnisse dieser Beobachtung fließen in der zweiten Phase in die vertiefte Auseinandersetzung mit den Inhalten der Kerncurricula ein. Darauf aufbauend erwerben die Studierenden schrittweise Kompetenzen zur Planung, Durchführung und Reflexion von Unterricht, die durch Studienaufgaben im Praktikum erprobt werden. Im Seminar wird die Professionalisierung mit der durch Fachliteratur unterstützten Arbeit an Schwerpunktthemen strukturiert begleitet. Diese führt von der Einführung der Kompetenz- und Anforderungsbereiche über Methoden der Unterrichtsplanung zu fachspezifischen Modellen, Medien, Experimenten und Fachsprache im Chemieunterricht. Das Seminar bietet in dieser Phase Raum für individuelle Schwerpunktthemen, die sich aus dem unmittelbaren Bedarf für das Praktikum ergeben. 10 Am Ende dieser Phase finden Unterrichtsbesuche durch die Hochschullehrenden zu der zu Anfang vergebenen Langzeitaufgabe statt. Die dritte Phase beinhaltet die Präsentation der zur Langzeitaufgabe selbst durchgeführten Unterrichtsstunden im Begleitseminar, an die sich die Reflexion des individuellen Professionalisierungsprozesses im Rahmen von ProfiWerk und PraxisLab auf Fachebene anschließt. Die Ergebnisse dieser Phase bilden die Grundlage für die Präsentation des fachspezifischen Ansatzes in fächerübergreifenden Abschlusssitzungen, 11 die durch Lehrende der Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften geleitet werden und der Reflexion auf übergeordneter Ebene dienen. Als Dokumentation der Lern- und Erfahrungsprozesse zur ersten und zweiten Praxis fertigen die Studierenden ein Portfolio an, das die Prüfungsleistung des Moduls bildet.
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Als individuelle Schwerpunktthemen wurden bisher Classroom Management, Lernen mit Aufgaben, Differenzierung und gestufte Lernhilfen sowie Leistungsmotivation gewählt. 11 Hierzu werden mehrere Abschlusssitzungen angeboten, auf die Studierende aller Fächer nach Praktikumsschulen verteilt werden, sodass pro Veranstaltung mindestens fünf Fächer repräsentiert sind.
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Michael Schween et al.
Evaluation Die Etablierung der MPM wird projektintern mit einer formativen und summativen Evaluation begleitet. Die formative Evaluation zeigt bisher fächerübergreifend eine gute bis sehr gute allgemeine Bewertung der Module, die für ProfiWerk Fach besonders positiv ausfällt. Erste Ergebnisse der summativen Evaluation belegen eine Steigerung wahrgenommener Kompetenz über den Längsschnitt in den Bereichen Selbstkonzept zum Professionswissen und fachdidaktische Kompetenz (Stellmacher, Wiemer & Neudenberger, 2017). 12 Im Fach Chemie zeigt die formative Evaluation, dass die Qualität des Seminars im Modul ProfiWerk als sehr hoch bewertet wird. Zugleich werden hohe bis sehr hohe Zustimmungswerte bezüglich der wahrgenommenen Verbesserung fachspezifischer Kompetenzen erreicht. Die Ergebnisse für das Begleitseminar im Modul PraxisLab fallen ebenfalls positiv, wenn auch weniger gut als für ProfiWerk aus. 13 In der Durchführung hat sich das Konzept beider Module als für eine kohärente Professionalisierung tragfähig erwiesen, wozu insbesondere die sehr gute Anschlussfähigkeit der Inhalte aus ProfiWerk an PraxisLab sowie die hohe personelle Kohärenz beigetragen haben. Fazit und Ausblick In der ersten Förderphase von ProPraxis konnte mit den MPM eine geeignete Studienstruktur zur kohärenten und praxisorientierten Professionalisierung angehender Lehrkräfte für vorerst zehn Fächer geschaffen werden. Für das Fach Chemie wurde mit der konsekutiven Modulkombination aus ProfiWerk und PraxisLab Chemie ein inhaltlich und personell kohärentes Konzept erfolgreich umgesetzt, das Studierenden einen fachgerechten Ansatz zur fachdidaktischen Modellierung und schulpraktischen Inszenierung chemischer Fachgegenstände auf der Grundlage des Meaningful Learning eröffnet.
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Die Evaluation erfolgt zentral durch das Referat Evaluation anhand fragebogengestützter subjektiver Bewertungen. Die formative Evaluation umfasst eine allgemeine Bewertung sowie fachspezifische Skalen zur fachwissenschaftlichen Kompetenz, fachdidaktischen Modellierungskompetenz und Kompetenz zur Reflexion fachlicher Inhalte anhand fachbezogener Schlüssel- bzw. Basiskonzepte. Die summative Evaluation umfasst Skalen zur Entwicklung des Selbstkonzepts zum Professionswissen, motivationalen Aspekten, Überzeugungen und Werthaltungen und fachdidaktischer Kompetenz. 13 Hierzu muss angemerkt werden, dass das Konzept zu ProfiWerk Chemie bereits seit 2014 entwickelt und erprobt wird, während PraxisLab Chemie 2017 erstmals umgesetzt wurde. Entsprechend wird insbesondere PraxisLab auf der Grundlage bisheriger Ergebnisse weiter optimiert werden.
ProfiWerk und PraxisLab Chemie
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Für die zweite Förderphase von ProPraxis ab 2019 ist die vollständige Ablösung der bisherigen Studienstruktur für alle 20 grundständigen Studienfächer des Lehramts an Gymnasien geplant. Das Curriculum wird um ein ProfiWerk im zweiten Studienfach anstelle von ProfiPraxis ergänzt, dem ein PraxisLab folgt, das beide Studienfächer gleichwertig beinhaltet. Fächerübergreifend sind Inklusion und Digitalisierung Entwicklungsschwerpunkte. Im Fach Chemie werden die bisher vorwiegend der Organischen Chemie entstammenden und auf die Sekundarstufe II ausgerichteten Fachgegenstände zukünftig um Inhalte der Allgemeinen und Anorganischen Chemie erweitert, die anschlussfähig an die Sekundarstufe I sind. Zudem werden ProfiWerk und PraxisLab Chemie um Aspekte der Inklusion ergänzt, die in der stark visuell ausgerichteten Chemie vorrangig Themen der Blinden- und Sehbehindertendidaktik einschließlich eines barrierefreien Zugangs zu Repräsentationen und Daten betreffen. Dank Für ihre Unterstützung bei der Konzeption und Durchführung von ProfiWerk und PraxisLab Chemie danken wir Frau Dr. Beate Drechsler und Frau Silke Wagner. Förderhinweis Das diesem Artikel zugrundeliegende Vorhaben wird im Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01JA1504 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren. Literatur Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9(4), 469–520. Baumert, J. & Kunter, M. (2011a). Das Kompetenzmodell von COACTIV. In M. Kunter, J. Baumert, W. Blum, U. Klusmann, S. Krauss, & M. Neubrand (Hrsg.), Professionelle Kompetenz von Lehrkräften: Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV (S. 29–53). Münster: Waxmann. Baumert, J. & Kunter, M. (2011b). Das mathematikspezifische Wissen von Lehrkräften, kognitive Aktivierung im Unterricht und Lernfortschritte von Schülerinnen und Schülern. In M. Kunter, J. Baumert, W. Blum, U. Klusmann, S. Krauss, & M. Neubrand (Hrsg.), Professionelle Kompetenz von Lehrkräften: Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV (S. 163–192). Münster: Waxmann.
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Michael Schween et al.
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ProfiWerk und PraxisLab Chemie
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Kohärenz im Englischstudium für die Primarstufe: Das Lehr-Lern-Konzept des Wuppertaler Projekts EULE
Bärbel Diehr1, Annette Becker1, Carsten Breul1, Stefanie Frisch1, Claudia Kastens1, Dominik Rumlich2 1 Bergische Universität Wuppertal 2 Westfälische Wilhelms-Universität Münster Keywords: Professionalisierung von Englischlehrkräften, Grundschulenglisch, Lesen in der Fremdsprache Eine zentrale Herausforderung des Englischunterrichts in der Grundschule ergibt sich daraus, dass für den Einsatz der Schrift und die quasi-simultane Alphabetisierung im Deutschen und Englischen kaum praktische Erfahrungen und empirische Erkenntnisse vorliegen. Umso wichtiger ist es, dass im Studium Wissen und Kenntnisse aus der Englischen Sprachwissenschaft, der Englischen Fachdidaktik und den Bildungswissenschaften vermittelt werden, die die Studierenden dazu befähigen, ihr Wissen aus bisher unverbunden nebeneinander studierten Modulen in integriertes unterrichtliches Planen und Handeln zu überführen. Im Wuppertaler EULE-Projekt werden sie mit der sprachwissenschaftlichen Analyse von Kinderliteratur im Original, mit fachdidaktischen Ansätzen des Lesens im Englischunterricht der Grundschule sowie mit bildungswissenschaftlichen Ansätzen zu Individualisierung und Leistungsdiagnostik vertraut gemacht. In einem innovativen anwendungsorientierten Forschungsmodul findet der Transfer der in den Lehrveranstaltungen vermittelten Theorie auf die Praxis – in Form eines Leseworkshops mit Grundschulkindern – statt. Erste Evaluationsergebnisse deuten auf die Wirksamkeit dieses Konzepts hin.
Einleitung Nachdem die Lehrerbildung in Deutschland häufig als reformbedürftig bezeichnet wurde, ergriff das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit dem Programm „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ (BMBF, 2015; 2016) eine Initiative, die Anreize für konkrete Reformvorschläge setzte. Für deren Ausgestaltung und Umsetzung wurden verschiedenen lehrerbildenden Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in einem wettbewerblichen Verfahren finanzielle Mittel zugewiesen. Das allgemeine Ziel der Initiative besteht darin, die Kohärenz im Lehramtsstudium zu verbessern, um zukünftige Lehrerinnen und Lehrer zu befähigen, ihr Wissen und Können aus verschiedenen Teilen und Phasen des Studiums sowie der fach- bzw. schulpraktischen Ausbildung zusammenzubringen und schulische Bildungs- und Lernprozesse wirkungsvoller als bisher zu fördern. An der Bergischen Universität Wuppertal widmet sich das vom BMBF geförderte Projekt EULE (Entwicklung von Unterrichtskonzepten zum Lesen lernen im © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_13
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Englischunterricht der Grundschule) dem frühen Professionalisierungsprozess zukünftiger Englischlehrkräfte. Ziel ist, den Bezug zwischen sprachwissenschaftlichem, fachdidaktischem und bildungswissenschaftlichem Wissen sowohl im Rahmen eines Seminars als auch durch ein innovatives Modul zu stärken und dieses vernetzte Wissen für Studierende praxisorientiert nutzbar zu machen. 1 Kohärenz als Gelingensbedingung der Professionalisierung Im Beitrag der Bergischen Universität Wuppertal zur „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ fungiert der Kohärenzbegriff als übergreifende sowie integrierende Leitkategorie für unterschiedliche Einzelmaßnahmen, die dazu dienen, „(…) die inhaltliche Kohärenz der Bestandteile der universitären Lehrerbildung weiter zu steigern. Fachwissenschaften, Fachdidaktiken, Bildungswissenschaften und Praxiselemente sollen noch stärker aufeinander bezogen und deutlicher auf die Anforderungen an angehende Lehrerinnen und Lehrer abgestimmt werden“ (Frommer, 2015, S. 2). Ausgangspunkt des gesamten Wuppertaler Vorhabens ist die Annahme, dass der Professionalisierungsprozess zukünftiger Lehrkräfte in der universitären Phase der Lehrerbildung beginnt und anschlussfähig an den Vorbereitungsdienst sein soll. Unter Professionalität wird hier die Gesamtheit der Fähigkeiten, Fertigkeiten und Haltungen verstanden, „die für eine erfolgreiche Ausübung des Lehrerberufs notwendig (…)“ sind (Roters & Trautmann, 2014, S. 51). Grundsätzlich kann Kohärenz zum einen als ein Merkmal der Zusammengehörigkeit von Komponenten des Studien- und Lehrangebots betrachtet werden; zum anderen kennzeichnet Kohärenz das Denken und Handeln der Studierenden und angehenden Lehrpersonen, wenn sie in der Lage sind, verschiedene Bestandteile ihres Wissens und Könnens auf professionsbezogene Situationen und Probleme zu beziehen. Aus diesem grundsätzlichen Verständnis leitet Diehr (erscheint) vier verschiedene Formen von Kohärenz ab. Die kognitive Leistung, die Studierende erbringen, wenn sie die Teilbereiche ihres Studiums und das in diesen erworbene Wissen und Können selbstständig auf professionsbezogene Aufgaben- und Problemstellungen beziehen, wird als kognitive Kohärenz bezeichnet. Wenn Studie-
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Die fachwissenschaftlichen Anteile im Studium des Fachs Englisch stammen aus den Disziplinen anglistische bzw. amerikanistische Literatur- und Kulturwissenschaft sowie Sprachwissenschaft des Englischen. Das Projekt EULE ist auf Fragen der Kohärenz zwischen dem fachwissenschaftlichen Teilbereich der Sprachwissenschaft (des Englischen), der Fachdidaktik (des Englischen) und den Bildungswissenschaften fokussiert.
Kohärenz im Englischstudium für die Primarstufe
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rende z. B. für die Vorbereitung eines Kinderbuchtextes alters- und genderbedingte Interessen der Lerner bei der Auswahl zu semantisierender Lexeme (etwa „knight“, also Ritter) berücksichtigen und gleichzeitig Überlegungen zu den Herausforderungen der Semantisierung (schwierige Phonem-GraphemKombination, deshalb zunächst Verzicht auf das Schriftbild) anstellen, bringen sie Wissenskomponenten aus Sprachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften in einen praxisbezogenen kohärenten Zusammenhang. Die Ausbildung kognitiver Kohärenz wird u. a. durch die zeitliche Nähe von Studienelementen beeinflusst, die als diachrone Kohärenz bezeichnet wird. Sie wird vom Zusammenhang zwischen den zeitlich aufeinander folgenden Phasen der Lehrkräfte(aus)bildung bestimmt und bezieht die Verbindung der Praxiselemente der Bachelorphase mit dem Praxissemester der Masterphase ebenso mit ein wie den Zusammenhang der Praxisphasen des Studiums mit dem Vorbereitungsdienst der zweiten Phase der Lehrkräfteausbildung und der anschließenden Berufseintrittsphase. In Studienangeboten, die in Kooperation zwischen Lehrenden aus unterschiedlichen Teilstudiengängen oder Teilbereichen einer Disziplin entstehen (z. B. zwischen der Kontrastiven Linguistik und der Fremdsprachendidaktik im Kontext Wortschatzarbeit im Englischunterricht), in denen Zusammenhänge explizit thematisiert werden, entsteht idealerweise synchrone Kohärenz. Diese kann erhöht werden, wenn Studierende in einem Semester an unterschiedlichen Lehrangeboten teilnehmen, deren Inhalte aufeinander abgestimmt sind, oder Lehrveranstaltungen besuchen, die von Vertreterinnen und Vertretern der unterschiedlichen Bereiche gemeinsam angeboten werden. Beispielsweise können integrierte oder gemeinsam verantwortete Studienangebote in den Modulhandbüchern der Lehramtsstudiengänge als verbindlich ausgewiesen werden. In solchen Fällen wäre curriculare Kohärenz gewährleistet, die allerdings ein kontinuierliches und verlässliches Lehrangebot erfordert. Aufgrund der Freiheit der Lehre – und Forschung – erfordert diese Form der Kohärenz enge und langfristige Zusammenarbeit in und zwischen den Disziplinen und wird mittelfristig vermutlich die Ausnahme bleiben. Insgesamt ist zu konstatieren, dass mit diesen Unterscheidungen nicht nur eine erweiterte Perspektive auf Wissen und (Aus-)Bildung eröffnet wird, sondern auch konzeptuell-terminologisches Neuland betreten wird. Überlegungen in eine ähnliche Richtung finden sich dabei auch bei Hellmann et al. (siehe Kap. 2 in diesem Band). Dieses Freiburger Säulen-Phasen-Modell zur Beschreibung von Kohärenz in der Lehrerbildung und die von Diehr (erscheint) vorgeschlagenen Differenzierungen weisen insofern Gemeinsamkeiten auf, als in beiden Ansätzen zwischen synchroner und diachroner (konsekutiver) Kohärenz unterschieden wird. Ein Unterschied besteht z. B. darin, dass die Freiburger Termini sich auf die Studien- und Ausbildungsangebote beziehen, während Diehrs Begriff der
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„kognitiven Kohärenz“ die Nutzerinnen und Nutzer dieser Angebote und damit eine Output- bzw. Ergebnisperspektive einbezieht. Lehrerbildung für Englisch in der Grundschule Erst seit Ende der 1990er Jahre besteht an allen lehrerbildenden Universitäten, die das Fach Anglistik anbieten, die Möglichkeit, Englisch für die Primarstufe zu studieren. Ob Studierende jedoch tatsächlich schulstufenspezifische Lehrangebote belegen können, hängt vom Standort und den jeweiligen Schwerpunkten in der Didaktik des Englischen ab. Vereinzelt wurden in den letzten Jahren Professuren eingerichtet, die gezielt das Angebot für angehende Grundschulenglischlehrkäfte abdecken sollen (z. B. Bergische Universität Wuppertal, Universität Potsdam). Die zentralen Herausforderungen des Englischunterrichts auf der Primarstufe bestehen neben der Förderung der mündlichen und interkulturellkommunikativen Kompetenzen insbesondere im Aufbau basaler schriftsprachbezogener Fähigkeiten. Studierende müssen dafür mit der Komplexität des fremdsprachlichen Schriftspracherwerbs, den Besonderheiten der parallelen Alphabetisierung im Deutschen und Englischen sowie der kontrovers geführten Diskussion um die Rolle und Funktion der englischen Schrift (z. B. Bleyhl, 2000; Rymarczyk, 2008) vertraut gemacht werden. Während in den frühen Konzeptionen des Englischunterrichts in der Grundschule das Schriftbild weitestgehend ausgeklammert wurde, um einer möglichen Überforderung der Lernenden entgegenzuwirken, wird ihm in aktuellen Konzeptionen eine lernunterstützende und bildende Funktion zugesprochen. Obwohl es sich beim Unterrichtsfach Englisch in der Grundschule um ein junges Fach handelt, hat es sich in Bezug auf den Einsatz der englischen Schriftsprache in kurzer Zeit weiterentwickelt. Studierende können an diesem Beispiel lernen, welchen substantiellen Einfluss Forschung auf Unterrichtsentwicklung haben kann. Studien belegen beispielsweise, dass die Hinzunahme des Schriftbildes das Fremdsprachenlernen unterstützt (z. B. Duscha, 2007) und motivierend für die Kinder ist (z. B. Diehr & Frisch, 2010b). Bisher liegen keine Hinweise auf eine Überforderung schwacher Lernender durch das Schriftbild vor. Eine besondere Rolle spielt in diesem Kontext u. a. die lernförderliche Verwendung von englischsprachigen Kinderbüchern. Es liegen hier inzwischen zwar zahlreiche Listen mit Kinderbuchempfehlungen vor; aus diesen geht jedoch nicht hervor, anhand welcher Kriterien und theoretischer Leitlinien die Kinderbücher in die Listen aufgenommen wurden. Wie umfangreich und komplex die Texte sein dürfen, um immer noch zugänglich für Lernende im vierten Schuljahr zu
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sein, ist bisher weitgehend ungeklärt und daher – nicht nur – für (angehende) Lehrkräfte schwer zu beurteilen. Professionalisierung durch das Lehr-Lern-Konzept EULE Das Projekt EULE greift die in den vorangehenden Abschnitten aufgezeigten Herausforderungen auf. Es soll Studierende des Studiengangs Master of Education mit dem Ziel Grundschullehramt dazu befähigen, ihr Wissen über die sprachwissenschaftliche Analyse von Texten, über fachdidaktische Ansätze des lernförderlichen Lesens von Kinderliteratur sowie ihr bildungswissenschaftliches Wissen über den Leseerwerbsprozess, Individualisierung und Diagnose professionsorientiert anzuwenden. Die beteiligten Lehrenden aus den drei Bereichen stimmen dazu ihre Lehrangebote aufeinander ab und bieten Themen für kohärente studentische Forschungsprojekte an. EULE ist in die Teilstudiengänge Englisch und Bildungswissenschaften im Wuppertaler Master of Education für das Lehramt an Grundschulen eingebunden und umfasst zwei für das Projekt konzipierte Lehrveranstaltungen: Das Seminar Reading English Children’s Literature – Linguistic Perspectives wird in der sprachwissenschaftlichen Modulkomponente Linguistic Variation 2 angeboten, während das Begleitseminar zum Forschungsprojekt EULE in den Bildungswissenschaften verankert ist. Die zentralen Komponenten des im Seminar angewandten Lehr-Lern-Konzepts mit Anteilen aus Sprachwissenschaft, Fachdidaktik des Englischen und Bildungswissenschaften sind: 1. 2.
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Auffrischung des sprachwissenschaftlichen Fachwissens (z. B. Biber et al., 2002; Bieswanger & Becker, 2017; Collins & Mees, 2013; König & Gast, 2012), Einblicke in aktuelle Forschungsliteratur zum Lesen im Englischunterricht der Grundschule (z. B. Diehr & Frisch, 2012; Diehr & Rymarczyk, 2010; Frisch, 2013),
Die Mehrzahl der Seminare in dieser Modulkomponente ist sprachhistorisch, areal- oder soziolinguistisch ausgerichtet. Da die in Kinderbüchern verwendete Sprache als Subvarietät innerhalb der Literatursprache-Varietät aufgefasst werden kann, bietet sich die Integration des EULEspezifischen Seminars als Varietäten-Seminar auch studienprogrammatisch an; zu in diesem Sinne varietätenlinguistischen, korpus-basierten Analysen der grammatischen und lexikalischen Komplexität in Texten der (narrativen) Literatur für Kinder im Vergleich mit solchen der (narrativen) Literatur für Erwachsene siehe Breul (2017).
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Einblicke in aktuelle Handreichungen und Empfehlungen zum Lesen im Englischunterricht der Grundschule (z. B. Diehr & Frisch, 2010a; Dreßler et al., 2016; Kompetenzteams NRW, 2009; MBJS BB, 2012), kritische Diskussion der dort genannten Auswahlkriterien für englischsprachige Kinderbücher, eigenständiges Analysieren englischsprachiger Kinderbücher und Einschätzung ihrer Eignung für den Unterricht (z. B. Bluthenthal, 2003; Donaldson & Scheffler, 2004; Knapman & Warburton, 2012).
Die ersten vier Komponenten werden sowohl durch eigene Lektüre der Studierenden als auch durch Diskussionen in Gruppen sowie im Plenum abgedeckt. Die fünfte Komponente bildet die Grundlage der für den Leistungsnachweis obligatorischen Präsentationen einzelner englischsprachiger Kinderbücher, je nach Kursgröße durch einzelne Studierende oder durch Teams von maximal drei Studierenden. In den anschließenden Besprechungen werden die Studierenden zur Reflexion ermuntert und erhalten Rückmeldungen zu ihrer Leistung. Das Lehr-Lern-Konzept des als Forschungsprojekt der Bildungswissenschaften wählbaren Begleitseminars zum Forschungsprojekt EULE verfolgt ähnliche Ziele. Darüber hinaus bietet es den Studierenden die Möglichkeit, ihr Wissen in die Praxis umzusetzen und aktiv in Forschungsprojekten mit Grundschulkindern anzuwenden. Dazu wird eine Schulklasse und deren Englischlehrkraft zu einem Workshop über ein originalsprachiges Kinderbuch eingeladen. Die Lehrkraft erhält zur Vorbereitung einführende Unterrichtsmaterialien und Auszüge aus Kinderbüchern, so dass die Schülerinnen und Schüler auf ein für sie ausgewähltes Beispiel von Kinderliteratur bereits eingestimmt sind. Der Lernund Entwicklungsfortschritt der Studierenden manifestiert sich in ihrem abschließenden Forschungsbericht. Er entspricht der Modulabschlussprüfung im Modul Forschungsprojekt im Fach Bildungswissenschaften und enthält eine knappe Erörterung derjenigen fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Bestandteile, die für die Konzeption und Durchführung des Leseprojekts notwendig waren. Für einen Transfer der in den einzelnen Leseprojekten gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis werden den beteiligten Grundschulen im Sinne der Unterrichtsentwicklung die für sie entwickelten Lehr-Lern-Materialien nach Möglichkeit dauerhaft zur Verfügung gestellt. Abbildung 1 gibt einen Überblick über den Zusammenhang zwischen EULE-spezifischen Lehrveranstaltungen mit weiteren, eng mit dem Forschungsthema von EULE verbundenen Lehrveranstaltungen, die nicht EULE-spezifisch sind. Im Anschluss werden diese Zusammenhänge erläutert und in den Kontext des Wuppertaler Studienprogramms in den drei beteiligten Disziplinen für das Ziel des Grundschullehramts mit dem Unterrichtsfach Englisch gebracht.
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Kohärenz im Englischstudium für die Primarstufe Fachwissenschaft (Sprachwissenschaft des Englischen)
Fachdidaktik (Didaktik des Englischen)
Seminar zur sprachwissenschaftlichen Analyse von Kinderliteratur in der Modulkomponente Linguistic Variation (EULE-spezifisch)
Seminar im Modul Fachdidaktik Englisch Grundschule zum englischen Schriftspracherwerb und zur Gestaltung von Lehrund Lernprozessen im Englischunterricht
Bildungswissenschaften Vorlesungen im Modul Diagnostizieren, Unterrichten, Fördern: Grundlagen des Lehrens und Lernens und Pädagogische Diagnostik
Forschungsprojekt in Anbindung an einen EULE-Leseworkshop mit Englischlernenden der Grundschule, vorbereitet und entwickelt im Begleitseminar zum Forschungsprojekt EULE (EULE-spezifisch)
Abb. 1: Lehr-Lern-Konzept EULE im Master of Education (LA Grundschule) Da das fachdidaktische Grundlagenmodul des Bachelorstudiums ein, zwei oder sogar mehr Jahre vor dem Masterstudium absolviert wird, ist die schwache diachrone Kohärenz (vertikale-konsekutive Kohärenz im Freiburger Modell) ein typisches Problem im fachdidaktischen Bereich. Studierenden, die sich für die Teilnahme an EULE entscheiden, wird daher empfohlen, in der Fachdidaktik ein Hauptseminar zum fremdsprachlichen Schriftspracherwerb zu belegen. Dieses Seminar aktiviert das Vorwissen der Studierenden über die Besonderheiten der englischen Phonologie, Phonetik und Orthografie und führt Modelle des Schriftspracherwerbs ein. Die Studierenden lernen darüber hinaus die Bedeutung von Sprache, Literatur und Film für das interkulturelle Verstehen sowie deren Einsatzmöglichkeiten bei der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen im Englischunterricht kennen. Auf dieser Grundlage werden sie mit didaktisch-methodischen Konzepten zum Umgang mit dem Schriftbild, phraseologischen Ansätzen zur Sprachförderung sowie Formen der Leistungsbewertung vertraut gemacht. Auf diese Kenntnisse und Fähigkeiten können die Studierenden zurückgreifen, wenn sie alters- und lernstandsgerechte Unterrichtsmaterialien zur Förderung der Lesekompetenz der am EULE-Leseworkshop beteiligten Schülerinnen und Schüler entwickeln. In den Bildungswissenschaften besuchen die Studierenden während der Bachelorstudium das Modul Bildungs- und Entwicklungsprozesse im Elementarbereich. Hier erwerben sie in den Vorlesungen Theorien und Konzepte frühen Lernens und Grundschulpädagogik u. a. Kenntnisse in Entwicklungspsychologie und beschäftigen sich mit der Frage, wie individuelle Lernendenmerkmale bei der Gestaltung differenzierter Lehrarrangements berücksichtigt werden können. Darauf bauen im Masterstudium die Vorlesungen im Modul Diagnostizieren, Unterrichten und Fördern auf. Das Ziel ist die Weiterentwicklung des Wissens
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über allgemeindidaktische und lehr-lerntheoretische Grundlagen von Unterricht und darüber, welche Faktoren die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen von Schülerinnen und Schüler beeinflussen, wie diese diagnostiziert und bei der Gestaltung von Unterricht berücksichtigt werden können. In der Sprachwissenschaft des Englischen haben die Studierenden im Bachelorstudium eine Introduction to Linguistics, einen Kurs Phonetics and Phonology, ein Foundation Seminar: Syntax, ein Foundation Seminar: Semantics, eine Vorlesung The History of English sowie ein Seminar Contrastive Grammar abgeschlossen. Bei sprachwissenschaftlicher Schwerpunktsetzung kommt ein einschlägiges Vertiefungsseminar hinzu. Die theoretische Basis, auf der die Studierenden an grundlegende, für die Linguistik charakteristische Fragen, Antworten, Methoden und Konzepte in der Introduction sowie den Foundation Seminars herangeführt werden, kann als kognitionsorientiert im Sinne von Radford, Atkinson, Britain, Clahsen und Spencer (2009, S. 1) beschrieben werden: „The major perspective we adopt in this book regards a language as a cognitive system which is part of any normal human being’s mental or psychological structure.“ Die Vertrautheit mit dieser theoretischen Perspektive ermöglicht es den Studierenden, auch das schulische Lehren und Lernen einer Fremdsprache im Allgemeinen und des Lesens in einer Fremdsprache im Besonderen als Aktivitäten zu verstehen, deren Erfolg an die Bedingungen geknüpft ist, denen kognitive Systeme im Geist bzw. Gehirn des Menschen unterliegen. Im Kontext von EULE wirkt eine kognitionsorientierte sprachwissenschaftliche Perspektive insofern kohärenzbildend im Sinne kognitiver Kohärenz, als sie den Studierenden die Einsicht ermöglicht, dass das Erlernen des Lesens in einer Fremdsprache nicht nur allgemeinen mentalen Bedingungen des Lernens unterliegt, sondern auch solchen, die sich ganz spezifisch aus der kognitiven Verankerung der Regelsysteme der Erst- und Fremdsprache einschließlich ihrer Verschriftlichung herleiten. Die Vorlesung The History of English vermittelt Wissen, das in Hinblick auf die schulische Unterrichtung von Anfängerinnen und Anfängern im englischsprachigen Lesen in erster Linie für das Verständnis der englischen Orthografie samt ihrer Unterschiede zur deutschen Orthografie von fundamentaler Bedeutung ist. Das Seminar Contrastive Grammar ermöglicht es den Studierenden, sich einen Überblick über Details von Gemeinsamkeiten und insbesondere Unterschieden in den grammatischen Regelsystemen des Deutschen und des Englischen zu verschaffen. Dieses überwiegend auf sprachliche Phänomene ausgerichtete Seminar sensibilisiert die Studierenden für die bewusste, konzeptuell fassbare Unterscheidung zwischen Aspekten der englischen Grammatik, die viele Lernende mit Deutsch als Erstsprache vor deutliche Schwierigkeiten stellen, und solchen, die dies nicht oder in geringem Maße tun. Die hierbei erworbenen Kompetenzen befähigen die Studierenden, die grammatischen Eigenschaften eines Originaltex-
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tes der englischsprachigen Kinderbuchliteratur zu identifizieren und auf ihren Komplexitätsgrad hin zu untersuchen, um damit die sprachliche Angemessenheit des Textes für den Einsatz im Grundschulunterricht einzuschätzen und didaktische Instrumente zu konzipieren, die den Lernenden helfen, die sprachlichen Herausforderungen zu bewältigen. Evaluation der neuen Lerngelegenheiten Im Rahmen des EULE-Projekts wurden seit dem Sommersemester 2016 fünf sprachwissenschaftliche Seminare und zwei Begleitseminare zum Leseworkshop im Modul Forschungsprojekt geplant und umgesetzt. Drei dieser Lehrveranstaltungen wurden evaluiert. Dabei galt es einzuschätzen, wie sich die selbstberichteten Kompetenzen der Studierenden entwickeln. Die Evaluation der Seminare erfolgte über Selbsteinschätzungen der Studierenden. Bei dieser Methode gelten die Studierenden als Expertinnen und Experten für ihren eigenen Lernfortschritt und geben Einschätzungen über ihr Wissen bzw. ihre Fähigkeiten bezüglich konkreter Kompetenzaussagen (DeGEval, 2004). Der Fragebogen zur Erfassung der Selbsteinschätzungen wurde von der Projektgruppe entwickelt und beinhaltet eine Auswahl an Aussagen zum Fachwissen (FW; Fokus: sprachwissenschaftliche Analyse von Texten), zum fachdidaktischen Wissen (FDW; Fokus: Didaktisierung von Texten) und zum bildungswissenschaftlichen Wissen (BW; Fokus: Berücksichtigung motivationaler und kognitiver Lernvoraussetzungen bei der Auswahl von Texten) 3. Insgesamt beteiligten sich 20 Studierende zu Semesterbeginn an der Befragung, für 14 Personen liegen Daten von zwei Messzeitpunkten vor. Zu Semesterbeginn und am Semesterende (Prä-Post Design) sollten die Studierenden ihre Kompetenzen durch Zustimmung bzw. Ablehnung konkreter Aussagen auf einer vierstufigen Likertskala einschätzen (1 = trifft gar nicht zu bis 4 = trifft völlig zu). In Tabelle 1 sind die Skalen mit entsprechenden Beispielitems und Angaben zur Reliabilität der Skalen dargestellt.
3
Das BW wurde nicht, wie in der Literatur oftmals üblich, als fach- und kontextunabhängiges pädagogisches Wissen operationalisiert (Blömeke & König, 2011), da es vor dem Hintergrund der Kohärenzbildung in den projektbezogenen Lehrveranstaltungen darum ging, BW kontext- und aufgabenbezogen zur Anwendung zu bringen.
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Tab. 1: Beispielitems, Anzahl der Items pro Skala und interne Konsistenz (Cronbachs α) aller drei Kompetenzbereiche im Prä- und Posttest
FW
FDW
Beispielitem Ich kann die Phrasen und Sätze, die in englischen Kinderbüchern vorkommen, syntaktisch analysieren. Ich kann einschätzen, ob die Geschichte eines englischsprachigen Kinderbuches für die SuS einer Grundschulklasse kognitiv anspruchsvoll ist.
N Items
αprä
αpost
10
.81
.81
6
.87
.85
Ich kann einschätzen, ob ein Kinderbuchtext den Interessen von Grundschulkindern in einem bestimm- 3 .84 .65 ten Alter entgegenkommt. Anmerkung: FW = Fachwissen; FDW = fachdidaktisches Wissen; BW = bildungswissenschaftliches Wissen BW
Es wurde sowohl die Mittelwertstabilität als auch die korrelative Stabilität der subjektiven Leistungseinschätzung über die Zeit untersucht (Möller & Trautwein, 2009). Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 dargestellt. Mittels t-Tests für abhängige Stichproben wurde geprüft, ob sich die Skalenmittelwerte über das Semester hinweg verändern (Mittelwertstabilität). Tatsächlich zeigen sich hier erwartete Effekte: Die Studierenden schätzten ihre Fähigkeiten in allen drei Bereichen am Ende des Semesters signifikant höher ein als zu Beginn. Tab. 2: Vergleich Selbsteinschätzung vor (prä) und nach (post) Teilnahme an EULE-Veranstaltungen aller drei Kompetenzbereiche prä post rprä-post M SD M SD t(13) (1) (2) (3) (1) FW 2.88 .43 3.26 .39 3.44* .50 (2) FDW 2.81 .54 3.18 .52 2.90* .60* (3) BW 2.88 .45 3.17 .52 2.88* .54* Anmerkung: FW = Fachwissen; FDW = fachdidaktisches Wissen; BW = bildungswissenschaftliches Wissen; Korrelationen (r), Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD) und t-Prüfgröße (inkl. Freiheitsgrade). * p < .05; N = 14
Die Analyse der korrelativen Stabilität zwischen den Befragungszeitpunkten zeigt, dass das FDW über die Zeit eine höhere interindividuelle Stabilität aufweist (rprä-post = .60*) als das Fachwissen und das bildungswissenschaftliche Wissen (FW: rprä-post = .50 bzw. BW: rprä-post = .54*). Dies interpretieren wir wie folgt: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass diejenigen Studierenden, die sich zu Beginn des Semesters in ihrem FDW als leistungsstark einschätzten, dies auch zum
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Ende des Semesters tun. Für das BW und noch deutlicher für das FW ist diese Wahrscheinlichkeit geringer. Da alle untersuchten Seminare ihre Schwerpunkte in der Vermittlung sprachwissenschaftlicher Inhalte haben, scheint es plausibel, dass hier die größten Restrukturierungen von Vorwissen und damit auch größere interindividuelle Verschiebungen stattfinden. Kognitive Kohärenz ist bei Diehr (erscheint) definiert als die Fähigkeit von Studierenden, Bezüge zwischen Teilbereichen einer Disziplin sowie Fachdisziplinen herzustellen, wobei dies nicht bedeutet, dass die Wahrnehmung von Unterschieden zwischen den Fächern und Disziplinen vollständig aufgelöst wird. Eine empirische Methode zur Prüfung von Bezügen (mathematisch: linearen Dependenzen) zwischen Variablen sind Korrelationsanalysen. Bei erfolgreicher Umsetzung des Lehr-Lern-Konzepts ist zu vermuten, dass Bezüge, aber auch subtilere Unterschiede zwischen den untersuchten Fächern bzw. Disziplinen, z. B. in Hinblick auf Erkenntnisinteressen und Methoden, deutlicher erkannt werden. Kognitive Kohärenz würde sich dann darin widerspiegeln, dass die Studierenden z. B. gelernt haben, dass fachdidaktische Defizite mit fachwissenschaftlichen Lücken und Schwächen zusammenhängen, dass Fachwissen und fachdidaktisches Wissen zusammen gedacht werden müssen. Eine lernförderliche Vorentlastung beim einem Satz wie „Minnie’s ears perked up.“ erfordert eine sprachwissenschaftliche Analyse der Kollokation (ears + perked up) und eine bildungswissenschaftliche Analyse motivationsförderlicher Stützelemente, um die Bedeutung altersgerecht zu semantisieren. Hierbei ist von großer Bedeutung, dass es sich bei den vorliegenden Daten um Fähigkeitseinschätzungen handelt. In der Selbstkonzeptforschung beschreibt das I/E-Modell (Internal/External Frame of Reference) das Phänomen, dass Zusammenhänge zwischen fachspezifischen Selbstkonzepten geringer ausfallen als zwischen entsprechenden Leistungen (Möller, Pohlmann, Köller & Marsh, 2009). Dies betrifft insbesondere Fähigkeitsdomänen, die als gegensätzlich wahrgenommen werden, beispielsweise: Wer gut in Mathematik ist, kann nicht gleich gut in Deutsch sein. Werden Domänen jedoch als ausreichend ähnlich angesehen (beispielsweise Mathematik und Physik), fallen die Zusammenhänge zwischen den Selbstkonzepten stärker aus. Die Ergebnisse unserer Analysen zeigen, dass die Zusammenhänge zwischen dem FW und dem FDW (rprä = .36 bzw. rpost = .41) und insbesondere zwischen dem FW und dem BW (rprä = .14 bzw. rpost = .40) über die Zeit zunehmen. Wie können diese Werte inhaltlich in Hinblick auf wahrgenommene Kohärenz interpretiert werden? Hohe Korrelationen (> .50) werden üblicherweise als Hinweis auf mangelnde Trennschärfe oder mangelnde Varianz gesehen und geringe Korrelationen (< .10) deuten auf fehlende lineare Dependenz zwischen Konstrukten hin. Mittlere Zusammenhänge (zwischen .10 und .50) werden als am
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aussagekräftigsten angesehen, wenn einerseits davon ausgegangen wird, dass zwei Konstrukte ausreichend differenzierbar sind, aber dennoch in linearer Dependenz zueinander stehen (Döring & Bortz, 2016). Um Kohärenz anzunehmen, sollten die Korrelationen zwischen den Teilbereichen daher im mittleren Bereich liegen. Die Zusammenhänge zwischen dem Fachwissen und dem fachdidaktischen und dem bildungswissenschaftlichen Wissen liegen zum Ende des Seminars mit .41 und .40 im mittleren Bereich: Studierende, die sich am Ende des Semesters als kompetent in fachwissenschaftlichen Anforderungen einschätzen, tun dies mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch für fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Anforderungen. Gleichzeitig nehmen sie diese beiden Fähigkeitsdimensionen als ausreichend trennscharf wahr. Der Zusammenhang zwischen dem FDW und dem BW sinkt hingegen im Laufe eines Semesters (rprä = .71* bzw. rpost = .43). Die Tatsache, dass der Zusammenhang zwischen BW und FDW im PräTest mit .71 vergleichsweise hoch ausfällt, lässt folgende interpretatorische Hypothese zu: Zu Beginn des Semesters scheinen die Studierenden keine differenzierte Einschätzung zwischen Fähigkeiten in fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Wissensbereichen vorzunehmen und folgen damit möglicherweise der Idee des „Lehrers als Experte für das Unterrichten“. Sie scheinen davon auszugehen, dass Expertise in fachdidaktischen Fragen zur Auswahl und Vorbereitung von Texten natürlich mit Wissen um die Berücksichtigung von Schülerinteressen und zur Rolle der Motivation im Leseprozess einhergeht. Im Laufe der Veranstaltung scheint ihnen jedoch deutlich geworden zu sein, dass dies zwei unterschiedliche Kompetenzen sind, sie differenzieren nun deutlicher zwischen diesen beiden Dimensionen. Es scheint ihnen klarer geworden zu sein, dass es möglich ist, ausreichend Expertise aufzuweisen, um einen für Schülerinnen und Schüler interessanten Text auszuwählen, dies jedoch nicht unbedingt bedeutet, dass man auch in der Lage ist, diesen didaktisch gut vorzubereiten, um gute Lernergebnisse zu gewährleisten und umgekehrt. Die Stichprobe von N = 20 Studierenden ist zu klein, um empirisch belastbare Aussagen treffen zu können. Dennoch erwiesen sich die statistischen tPrüfgrößen und Korrelationskoeffizienten als signifikant, was bei kleinen Stichproben als Hinweis auf große Effekte gewertet werden kann (Döring & Bortz, 2016). Für die nachfolgenden Durchläufe streben wir größere Studierendenzahlen an. Im Rahmen des Projekts wird derzeit ein Wissenstest erprobt. Es wurden Items entwickelt, deren Lösung sowohl eine fachwissenschaftliche (beispielsweise Morphologie, Semantik) als auch eine fachdidaktische (vorentlastende Semantisierung) Einordnung erfordert. Dadurch erhoffen wir uns, Kohärenz
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direkt anhand von Lösungshäufigkeiten, respektive Testperformanz, erfassen zu können. Fazit Das Studienangebot des EULE-Projekts greift eine aktuelle Herausforderung des Englischunterrichts in der Grundschule auf: den viel diskutierten Umgang mit der englischen Schrift und mit den als Bildungsstandards in den Lehrplänen formulierten Kompetenzerwartungen zum Lesen. Darauf gilt es, angehende Lehrkräfte vorzubereiten. Während der Absprachen unter den im EULE-Projekt beteiligten Lehrenden wurde bereits zu Beginn ersichtlich, dass in den drei Teildisziplinen – der Sprachwissenschaft, der Fachdidaktik und den Bildungswissenschaften – relevante Wissensbestandteile zum fremdsprachlichen Leseprozess behandelt werden. Die Chancen für einen konzeptuellen Transfer (Hallet, erscheint) wurden vom Projektteam beim Thema „Lesen in der Fremdsprache“ prinzipiell als hoch eingestuft. Allerdings erfordert die Schaffung von Kohärenz zeitaufwändige Abstimmung zwischen den Lehrenden bei der Veranstaltungsplanung und intensive Auseinandersetzung mit den Inhalten aus anderen Bereichen als der eigenen (Teil-) Disziplin. Im Projekt EULE zeichnet sich ab, dass nur ein abgestimmtes paralleles Lehrangebot und die expliziten Hinweise auf die zusammengehörigen Veranstaltungen (horizontale synchrone Kohärenz im Freiburger Modell, synchrone Kohärenz nach Diehr (erscheint)) bei den Studierenden die erkenntnisförderliche Vernetzung ihres Wissens aus unterschiedlichen Bereichen ihres Studiums bewirken. Das neue Modul Forschungsprojekt ermöglicht ihnen, erworbenes Wissen praxis-, professions- und handlungsorientiert in einer konkreten alltagsnahen Anforderungssituation kohärent anzuwenden. Um eine dauerhafte Verankerung kohärenter Lehrangebote nach Abschluss der Förderung durch die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ und die interdisziplinäre Abstimmung im Regelbetrieb zu gewährleisten, ist eine Verstetigung personeller Mittel wünschenswert. Daran knüpft sich die Zuversicht, dass dadurch transferfähige kognitive Kohärenz bei den angehenden Englischlehrkräften sichergestellt werden kann. Literatur Biber, D., Conrad, S., & Leech, G. (2002). Longman Student Grammar of Spoken and Written English. Harlow: Longman. Bieswanger, M. & Becker, A. (2017). Introduction to English Linguistics (4. Aufl.). Tübingen: Narr Francke Attempto.
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Bärbel Diehr et al.
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6 Unterstützung kohärenter Studienverläufe durch Lernportfolios und Lerntagebücher
6.1
Das e-Portfolio in der Freiburger Lehrerbildung: Selbstgesteuerte Kohärenzkonstruktion durch vernetzende Lernaufgaben
Matthias Nückles1, Katja Zaki2, Martina Graichen1, Anne Liefländer1, Christian Burkhart1, Christiane Klein1, Laura Lösch2 1 Albert-Ludwigs-Universität Freiburg 2 Pädagogische Hochschule Freiburg Keywords: Portfolio, interdisziplinäre Lernaufgaben, Wissensintegration Um erfolgreich unterrichten zu können, müssen Lehramtsstudierende lernen, fachwissenschaftliches, fachdidaktisches und bildungswissenschaftliches Wissen zu verknüpfen und beim unterrichtlichen Handeln anzuwenden. Allerdings gibt es in der bisherigen Lehrerbildung kaum Lerngelegenheiten, in denen solche vernetzten Wissensstrukturen systematisch gefördert werden. Vor diesem Hintergrund zielt das Freiburger Portfolio darauf ab, die Vernetzung fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer und bildungswissenschaftlicher Studieninhalte einerseits sowie die Verknüpfung dieser Studieninhalte mit den Praxisphasen andererseits gezielt zu fördern. Dies geschieht durch fächerverbindende sowie Theorie und Praxis integrierende Lernaufgaben, die Studierende zur Anwendung von Organisationsund Elaborationsstrategien anregen, die integriertes und flexibel anwendbares Wissen ermöglichen und auf diese Weise den Erwerb unterrichtlicher Handlungskompetenz unterstützen. Der vorliegende Artikel gibt nach einem einführenden Problemaufriss einen knappen Überblick über den Stand der Forschung zu Portfolios und Lerntagebüchern in der Lehrerbildung und skizziert anschließend die Besonderheiten des Freiburger e-Portfolios. Ausgehend von einer lernpsychologischen Taxonomie unterschiedlicher Portfolio-Aufgaben werden beispielhaft erste Implementationen entsprechender Lernaufgaben in das Lehramtsstudium der Biologie und der Romanistik sowie in das bildungswissenschaftliche Begleitmodul zum Orientierungspraktikum vorgestellt und diskutiert.
Einleitung Der Erwerb von Kompetenzen, die professionelles Handeln im Kontext von Unterricht ermöglichen, setzt die Fähigkeit voraus, fachwissenschaftliches, fachdidaktisches und bildungswissenschaftliches Wissen zueinander in Beziehung zu setzen, um es in konkreten Unterrichtssituationen gemeinsam anwenden zu können. Eine Lehrkraft muss beispielsweise bestimmte physikalische Konzepte (z. B. Gravitation) und Prinzipien (Kraft gleich Masse mal Beschleunigung) kennen, um Schülern/-innen eine Erklärung zu einem spezifischen physikalischen Thema geben zu können. Sie sollte darüber hinaus antizipieren können, welche Lernschwierigkeiten und Schülervorstellungen typischerweise mit den Konzepten verbunden sind (z. B. dass die Kraft proportional zur Geschwindigkeit und nicht © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_14
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zur Beschleunigung sei) sowie pädagogisch-psychologische Prinzipien der didaktischen Gestaltung von Erklärungen heranziehen können (z. B. Vorwissensangepasstheit, Wittwer, Nückles & Renkl, 2010). Ein zentrales Problem in vielen Lehramtsstudiengängen besteht darin, dass es kaum Lerngelegenheiten gibt, die einen systematischen Aufbau vernetzter Wissensstrukturen durch gezielte Integration fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer und bildungswissenschaftlicher Inhalte fördern (Darling-Hammond, 2006; Wittwer, Nückles, Mikelskis-Seifert, Schumacher, Rollett & Leuders, 2015). Typischerweise werden fachwissenschaftliche, fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Inhalte separat in spezifischen Lehrveranstaltungen angeboten, ohne dass Bezüge zwischen den jeweils vermittelten Inhalten thematisiert werden. Deshalb kritisieren sowohl Studierende als auch Lehrende, dass fachwissenschaftliche, fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Inhalte nicht in Beziehung zueinander gesetzt werden und sie „eine institutionelle und organisatorische Zersplitterung des Studiums in Einzeldisziplinen“ wahrnehmen (Combe & Kolbe, 2008). Diese mangelnde Kohärenz schließt auch Brüche mit ein, die Studierende zwischen den akademisch orientierten Lehrveranstaltungen an der Hochschule und den Praxisphasen in der Lehrerbildung (z. B. Schulpraxissemester) erleben. Maßnahmen zur Verbesserung der Kohärenz von Studienangeboten auf curricularer Ebene sollten daher einen substanziellen Beitrag zur Förderung der Wirksamkeit von Lehrerbildung leisten können. Unabhängig von der Notwendigkeit kohärenter Lehrangebote ist die Herstellung von Kohärenz auch Aufgabe jedes/r einzelnen Studierenden. Dies wiederum setzt eine ausgeprägte Fähigkeit zu selbstgesteuertem Lernen voraus. Viele Studierende neigen jedoch zu „punktuellem Studieren“, d. h. es kommt ihnen vor allem darauf an, den in einer Lehrveranstaltung gesetzten Anforderungen gerecht zu werden, etwa ihr Referat erfolgreich zu absolvieren. Ein solches lernstrategisches Verhalten erscheint aus Studierendensicht durchaus rational. Es führt jedoch dazu, dass kaum Querverbindungen zu den Inhalten anderer Lehrveranstaltungen hergestellt werden, sofern der/die Dozierende nicht explizit dazu anregt. Empirische Studien zum Lernverhalten von Studierenden zeigen, dass diese zur Erreichung der Studienziele vor allem auf oberflächenorientierte Wiederholungsstrategien zurückgreifen (z. B. mehrmaliges Durcharbeiten des Vorlesungsskripts). Tiefenorientierte Elaborationsstrategien wie das Verknüpfen des neuen Stoffs mit Lerninhalten früher besuchter Veranstaltungen werden dagegen kaum genutzt. Dabei erweisen sich gerade Elaborationsstrategien als für die individuelle Kompetenzentwicklung bedeutsam (Schmidt et al., 2011). Eine Möglichkeit, die Kohärenzwahrnehmung zwischen den Fächern sowie den Theorie- und Praxisphasen bei Studierenden zu stärken, ist die Arbeit
Das e-Portfolio in der Freiburger Lehrerbildung
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mit Portfolioaufgaben. Diese bieten Lehrenden die Möglichkeit, bei Studierenden das Herstellen von Verbindungen zwischen den Inhalten unterschiedlicher curricular aufeinander bezogener Veranstaltungen sowie zwischen Theorie- und Praxisphasen in der Lehrerbildung gezielt anzuregen. Portfolios sind insofern eine Methode zur Förderung selbstgesteuerter Kohärenzkonstruktion in der Lehrerbildung. Portfolios und Lerntagebücher in der Lehrerbildung Portfolios und Lerntagebücher in der Lehrerbildung haben in den vergangenen Jahren große Popularität erlangt. Ausgehend von einer konstruktivistischen Auffassung von Lernen wird angenommen, dass das Führen eines Portfolios oder Lerntagebuchs eine systematische und kontinuierliche Reflexion des eigenen Lernprozesses anregt. Der Grundgedanke hierbei ist, dass die reflexive, sprich metakognitive, Auseinandersetzung mit den eigenen Lernerfahrungen – etwa im Rahmen eines Lehramtsseminars oder eines Schulpraktikums – positive Effekte auf die Entwicklung spezifischer unterrichtlicher Kompetenzen (z. B. Klassenführungskompetenz) sowie generell auf die Entwicklung von Reflexionskompetenz bewirken kann (Hofmann, Wolf, Klaß, Grassmé & Gläser-Zikuda, 2016). Bezüglich ihrer Definition sind die Konzepte Portfolio und Lerntagebuch schwer voneinander abzugrenzen. In einem Lerntagebuch dokumentieren die Lernenden typischerweise über einen längeren Zeitraum (z. B. ein Semester lang oder über die Praktikumszeit hinweg) eigene Lernerfahrungen und Unterrichtsbeobachtungen und setzen sich reflexiv mit diesen auseinander, idealerweise mit Bezugnahme auf wissenschaftliche Konzepte und Theorien (Hascher & Hofmann, 2014). Auch Portfolios verlangen von den Lernenden eine schriftliche Reflexion eigener Lernepisoden und -erfahrungen. Der Unterschied zum Lerntagebuch besteht darin, dass die Reflexion auf bestimmte Aufgaben und Produkte der Lernenden bezogen erfolgt, z. B. durchgeführte Unterrichtsstunden, gehaltene Präsentationen etc. (Lissmann, 2004). Beim Lerntagebuch entscheiden die Lernenden frei, welche inhaltlichen Aspekte ihrer Lernepisoden sie auswählen. Während die Effektivität von Lerntagebüchern im Hinblick auf das tiefgehende Verständnis akademischer Lerninhalte (z. B. in Biologie, Mathematik, Psychologie oder Ethik) als empirisch nachgewiesen gilt (Nückles, Hübner & Renkl, 2012, im Überblick), ist die empirische Befundlage zu den Wirkungen von Lerntagebüchern und Portfolios auf die individuelle Kompetenzentwicklung im Bereich der Lehrerbildung vergleichsweise gering. Empirische Studien fokussieren häufig auf Daten aus Selbstberichten über Akzeptanz und Motivation bezogen auf Lerntagebücher bzw. Portfolios (Gläser-Zikuda, Voigt & Rohde,
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2010; Hofmann et al., 2016). Inhaltsanalysen zur Qualität der schriftlichen Reflexionen liefern meist ein ernüchterndes Bild. Die Studie von Hascher und Hofmann (2014) zeigte, dass die Lehramtsstudierenden in ihren Lerntagebüchern zum Schulpraktikum überwiegend eigene Unterrichtsbeobachtungen und Erfahrungen in beschreibender Weise notierten, ohne dass sie diese anhand der in bildungswissenschaftlichen Lehrveranstaltungen vermittelten wissenschaftlichen Konzepte und Theorien einordneten oder interpretierten. Die Studie verdeutlicht, dass die Reflexion praktischer Unterrichtserfahrungen mithilfe wissenschaftlicher Konzepte für Lehramtsstudierende anspruchsvoll ist. Ein ähnlich pessimistisches Bild zeichnet auch die Studie von Wäschle, Lehmann, Brauch und Nückles (2015). In dieser besuchten fortgeschrittene Lehramtsstudierende mit Hauptfach Geschichte ein fachdidaktisches Seminar, in dessen Rahmen sie gebeten wurden, einen Lerntagebucheintrag über die Lektüre dreier Texte zu verfassen. Es handelte sich um einen fachwissenschaftlichen Text zum Massenmord an den europäischen Juden im Dritten Reich, einen fachdidaktischen Text zu Besonderheiten der Vermittlung des Holocaust im Schulunterricht sowie einen pädagogisch-psychologischen Text zu unterschiedlichen Typen von Lernstrategien. Im Lerntagebucheintrag sollten die Studierenden Überlegungen anstellen, auf der Basis der Informationen aus den drei Texten eine Unterrichtsstunde zum Thema Holocaust aussehen könnte. Die Inhaltsanalyse der Lerntagebücher zeigte, dass es den Studierenden schwerfiel, anhand der drei Texte Ideen für die Unterrichtsgestaltung zu generieren. Meist verfassten sie kurze Inhaltsangaben zu den Texten, ohne Bezüge zwischen den Texten herzustellen. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Verbindung fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer und bildungswissenschaftlicher Inhalte sogar für Lehramtsstudierende in höheren Semestern anspruchsvoll ist, obwohl die konkrete Aufgabenstellung, nämlich Ideen für eine Unterrichtsstunde zu generieren, klar und unzweideutig formuliert worden war. Dies verdeutlicht, dass die Integration dieser für den Erwerb von unterrichtlichen Kompetenzen zentralen Wissensbestände einer sorgfältigen instruktionalen Unterstützung durch geeignete Lernaufgaben und Lerngelegenheiten bedarf. Das Portfolio in der Freiburger Lehrerbildung: Förderung von Kohärenz durch Fächer sowie Theorie und Praxis verbindende Lernaufgaben Ausgehend von den skizzierten Befunden zu Lerntagebüchern und Portfolios in der Lehrerbildung haben wir ein Portfoliokonzept entwickelt, in dessen Mittelpunkt die selbstgesteuerte Konstruktion von Kohärenz durch Fächer verbindende sowie Theorie und Praxis verbindende Lernaufgaben steht. Es stützt sich auf die
Das e-Portfolio in der Freiburger Lehrerbildung
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psychologische Forschung zum trägen Wissen (Renkl, 1996) und zur Entwicklung des Wissens von Experten (Bromme, 2014). Träges Wissen entsteht, wenn Informationen kompartimentalisiert abgespeichert werden, das heißt nur wenige Verbindungen zu bereits vorhandenen Wissensbeständen im Langzeitgedächtnis hergestellt werden. Je schlechter das neu erworbene Wissen organisiert (d. h. strukturiert) und elaboriert (d. h. an das Vorwissen angebunden) ist, desto schwerer fällt es Lernenden, das Wissen in relevanten Anwendungssituationen abzurufen und anzuwenden. Vernetztes, d. h. gut organisiertes und elaboriertes Wissen ist deshalb zentrale Voraussetzung für kompetente Wissensanwendung. Angehende Lehrkräfte sollten im Studium möglichst viele Lerngelegenheiten erhalten, die sie anregen, die in den unterschiedlichen Lehrveranstaltungen vermittelten Inhalte zu vernetzen und in ihr Vorwissen zu integrieren. Je besser diese Wissensintegration gelingt, desto eher werden sie später in der Lage sein, das erworbene Wissen in beruflich relevanten Situationen zu erinnern und zur Lösung unterrichtlicher Problemsituationen anzuwenden. Die Fähigkeit, Wissen anwenden zu können, um beruflich relevante Situationen zu meistern, steht im Kern des erziehungswissenschaftlichen Kompetenzbegriffs (Baumert & Kunter, 2006). Aufgabentypen und lernpsychologische Zielsetzungen Die Lernaufgaben des Portfolios sollen Wissensvernetzung im Hinblick auf folgende lernpsychologische Zielsetzungen anregen: Aufgaben zur Vernetzung deklarativen Wissens Lernaufgaben können dazu anregen, deklarative Wissensbestände, also Wissen über Sachverhalte, die in unterschiedlichen Veranstaltungen behandelt wurden, zu vernetzen. In der Einführungsvorlesung zur Fachdidaktik der Romanischen Sprachen wird beispielsweise das Konzept des mentalen Lexikons thematisiert, das für das Verständnis der Wortschatzaneignung elementar ist. Die Studierenden könnten mithilfe einer entsprechenden Lernaufgabe erkennen, dass das mentale Lexikon eine spezifische Struktur des Langzeitgedächtnisses ist, das in der Vorlesung „Einführung in die Bildungswissenschaft“ bereits behandelt wurde. Weiterhin könnten die Studierenden feststellen, dass das mentale Lexikon semantische, graphemische sowie phonologische Repräsentationen von Wörtern enthält und beim Lesen eines Texts diese Repräsentationen im Arbeitsgedächtnis in speziellen Subspeichern (phonologische Schleife, visueller Notizblock) verarbeitet werden. Die Studierenden würden also durch eine entsprechende Lernaufgabe angeregt, fachdidaktisch spezifische Informationen zum mentalen Lexikon
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mit den Ausführungen zum allgemeinen Drei-Speicher-Modell des Gedächtnisses aus der Vorlesung Einführung in die Bildungswissenschaft zu vernetzen. Aufgaben zum Erkennen der Komplementarität von Wissensbeständen Unser Portfoliokonzept sieht zudem Lernaufgaben vor, bei denen Studierende erkennen, wie fachwissenschaftliches, fachdidaktisches und bildungswissenschaftliches Wissen einander bei der Planung von Unterricht sinnvoll ergänzen. Diese Komplementarität (Wood, 1983) lässt sich am Beispiel „Erklärungen geben“ illustrieren. Eine grundlegende bildungswissenschaftliche Erkenntnis ist, dass Lernen gelingt, wenn die neuen Informationen an das bestehende Vorwissen angebunden werden können. Das macht Strukturierungshilfen (z. B. Advance Organizer) sowie Analogien als Veranschaulichungsmittel zu wichtigen Elementen guten Unterrichts. Die Fachdidaktik bietet Erkenntnisse darüber, mit welchen spezifischen Lernhürden und naiven Vorstellungen bei Schülern/-innen zu rechnen ist, und welche Analogien geeignet sind, um bestimmte abstrakte Sachverhalte und Zusammenhänge zu veranschaulichen. Die Fachwissenschaft liefert die wissenschaftliche Grundlage für die Einschätzung, wie bestimmte Konzepte und Prinzipien zu verstehen sind und worin die Kernidee besteht, die einem wissenschaftlichen Sachverhalt zugrunde liegt (Borko & Putnam, 1996). Für kompetente Unterrichtsplanung sind demnach alle drei fachlichen Perspektiven bedeutsam. Zu dieser Erkenntnis sollen die Studierenden mithilfe entsprechender Lernaufgaben gelangen können. Aufgaben zur Wahrnehmung und Beurteilung von Unterrichtssituationen Ein weiteres Lernziel ist, dass Studierende selbst erlebte oder im Video beobachtete Unterrichtssituationen mit den Begriffen der Bildungswissenschaft und Fachdidaktik beschreiben und beurteilen können. In der Lehrerbildungsforschung wird dies als Professional Vision (Sherin & van Es, 2009) bezeichnet. Entscheidend ist dabei, dass Studierende relevante Ereignisse erkennen und klassifizieren (Noticing), um anschließend deren Bedeutung, Qualität und unterrichtliche Funktion unter Rückgriff auf bildungswissenschaftliche und/oder fachdidaktische Konzepte beurteilen zu können (Reasoning). Beide Teilprozesse können durch Lernaufgaben unterstützt werden. Lehramtsstudierende könnten beispielsweise dazu angeregt werden, bei der Beobachtung von Unterricht die Fragen zu klassifizieren, die die Lehrkraft den Schülern/-innen. Dazu könnten sie sich einer lernpsychologisch begründeten Taxonomie von Fragetypen bedienen (z. B. Unterscheidung zwischen Wissensanwendungs- und Denkfragen), um den kognitiven Anregungsgehalt einzuschätzen. Daraus könnten sie ableiten, ob die Fragen angemessen sind oder Schüler/-innen unter- oder überfordern.
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Aufgaben zur Reflexion eigener unterrichtlicher Handlungen Schließlich werden Lernaufgaben benötigt, die zur kritischen Auseinandersetzung mit eigenen unterrichtlichen Handlungen anleiten. Die Fähigkeit zur Reflexion des eigenen Handelns ermöglicht den angehenden Lehrkräften, aus den eigenen Erfahrungen zu lernen und künftig informierte didaktische Entscheidungen zu treffen. Die Lernaufgaben sollten implizieren, dass es beim Unterrichten in der Regel kein pauschales Richtig und Falsch gibt. Vielmehr gibt es in Bezug auf bestimmte didaktische Handlungsalternativen in einer konkreten Situation jeweils Argumente, die für bzw. gegen eine Alternative sprechen. Es kommt darauf an, Pro- und Kontra-Argumente sorgfältig gegeneinander abzuwägen, um eine gut begründete Entscheidung treffen zu können. In der Psychologie wird dieses abwägende Urteilen als evaluatistisches Denken bezeichnet (King & Kitchener, 2004; Kuhn, 1991). Die Lernaufgaben sollten die Studierenden bei der Planung von Unterricht (etwa im Schulpraxissemester) anhalten, bildungswissenschaftliche, fachdidaktische und fachwissenschaftliche Argumente für und gegen bestimmte didaktische Elemente (z. B. Unterrichtseinstieg, Sozialform des Lernens, Sequenzierung des Lernstoffs) zu artikulieren, um auf dieser Basis didaktisch informierte Entscheidungen zu treffen. Die Studierenden sollten zudem zur Reflexion darüber ermuntert werden, wie geplante Handlungen umgesetzt werden konnten und was daraus für den Unterrichtsverlauf und die Zielerreichung resultierte. Schließlich sollten sie ein Fazit ziehen und Vorsätze in Hinblick auf zukünftiges Unterrichtshandeln formulieren. Beispiele zur Umsetzung des Freiburger Portfolios Portfolio-Lernaufgaben werden im Rahmen des bildungswissenschaftlichen Wahlpflichtmoduls im polyvalenten Zwei-Fächer-Bachelor Lehramt der Universität Freiburg sowie in den Bachelor-of-Education-Studiengängen der Pädagogischen Hochschule Freiburg eingesetzt. Hierbei handelt es sich gemäß der skizzierten Typisierung um Theorie-Praxis-verbindende Lernaufgaben zur Wahrnehmung und Beurteilung von Unterrichtssituationen, die Studierende dazu anhalten, die bildungswissenschaftlichen Inhalte der entsprechenden Einführungsvorlesungen über angeleitete Unterrichtsbeobachtungen im Orientierungspraktikum mit der unterrichtlichen Praxis zu verknüpfen. Darüber hinaus wurden sowohl in Kooperation zwischen Bildungswissenschaft und Fachdidaktik Romanistik als auch in Kooperation zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik Biologie bereits Lernaufgaben zur horizontalen Vernetzung entwickelt und in der Lehre eingesetzt.
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Förderung horizontaler Kohärenz durch Fachwissenschaft und Fachdidaktik vernetzende Lernaufgaben in der Biologie Im Fach Biologie wurden für das erste Mastersemester Lernaufgaben entwickelt, die auf die Vernetzung deklarativen Wissens zwischen der Fachwissenschaft und Fachdidaktik abzielen. Gegenstand der Lernaufgaben sind u. a. Basiskonzepte, die in der Biologiefachdidaktik eingesetzt werden, um Inhalte für den Unterricht auszuwählen. Basiskonzepte sind nach Borko und Putnam (1996) die Kernideen, die das wissenschaftliche Verständnis von Sachverhalten in einem Fach leiten (Gropengießer, Harms & Kattmann, 2013).
Abb. 1: Fachdidaktische Basiskonzepte und ihnen zugeordnete biologische Prinzipien (KMK, 2004; KM & LfS, 2016) In den Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss (KMK, 2004, S. 8) werden „System, Struktur und Funktion, Entwicklung“ als Basiskonzepte der Biologie beschrieben. Diesen Basiskonzepten wurden im Bildungsplan für Gymnasien in Baden-Württemberg (KM & LfS, 2016) biologische Prinzipien zugeordnet, um sie näher zu bestimmen (siehe Tab. 1). Die Lernaufgaben regen dazu an, die zu vermittelnden fachwissenschaftlichen Inhalte mit den fachdidaktischen Basiskonzepten und biologischen Prinzipien in Beziehung zu setzen. Studierende sollten beispielsweise in der fachwissenschaftlichen Veranstaltung des Moduls Humanbiologie für den Themenbereich „Ernährung und Verdauung“ die Elektronentransportkette zur Bereitstellung von Energie erläutern können. Dieses Lernziel lässt sich dem Basiskonzept „System“ und dem biologischen Prinzip „Stoff- und Energieumwandlung“ zu-
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ordnen. Zur Erreichung dieses Lernziels sollten Studierende folgende Lernaufgabe ausführen: „Erläutern Sie die Begriffe ‚Basiskonzept‘ und ‚biologische Prinzipien‘. Stellen Sie die Basiskonzepte und deren biologische Prinzipien tabellarisch dar und geben Sie für jedes Prinzip eine Definition und ein Beispiel aus dem Themenfeld Ernährung und Verdauung an.“ Inhaltliche Gliederung einer Lernaufgabe Die Darstellung einer Lernaufgabe folgt einer vorgegebenen Gliederung mit 1) Kommentar zur ausgearbeiteten Aufgabe und 2) die Aufgabe selbst. In Abbildung 2 ist die inhaltliche Gliederung mit weiteren Aspekten der Bewertung dargestellt.
Abb. 2: Gliederung und Bewertungsaspekte einer Portfolioaufgabe in der Veranstaltung „Biologie des Menschen“ Förderung horizontaler Kohärenz durch Bildungswissenschaft und Fachdidaktik vernetzende Lernaufgaben im Portfolio der Romanistik Die Umsetzung des Portfoliokonzepts in der Romanistik ist phasenübergreifend angelegt. Die Lernaufgaben fungieren als Studien- bzw. Prüfungsleistung der entsprechenden Lehrveranstaltung, aber auch als Knotenpunkte eines Portfolios, das die Studierenden über den gesamten Studienverlauf hinweg begleitet: Es wird im ersten Semester der Lehramtsoption des Bachelor begonnen und im Abschlussmodul des romanistischen Master of Education präsentiert. Durch eine integrative Curriculums-, Lehr- und Aufgabenentwicklung erfüllt es so ab dem Studienbeginn die Funktion, bei Studierenden eine aktive Wissensintegration zu fördern. In der Lehramtsoption des Bachelor stehen Aufgabenformate zur Förderung horizontaler Kohärenz zwischen Bildungswissenschaft und Fachdidaktik im Fokus, im Master of Education hingegen die Verzahnung von Fachdidaktik und Fachwissenschaft bzw. Sprachpraxis. Die Lernaufgaben werden in interdisziplinären Teams entwickelt und entsprechend einer inhaltsbezogenen und kognitionspsychologischen Taxonomie (siehe Aufgabentypen) abgestimmt. Sie weisen eine festgelegte Rahmenstruktur auf, die neben einer veranstaltungsbezogenen
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Kontextualisierung und der konkreten Fragestellung u. a. auch Angaben zu Lernzielen, Literaturempfehlungen und Feedbackformaten beinhaltet. Vernetzende Lernaufgaben am Beispiel der VL Einführung in die Fachdidaktik der romanischen Sprachen Die Vorlesung gibt im dritten Semester des Bachelor einen Überblick über grundlegende fachdidaktische Theorien und Konzepte und legt so die Basis für die spiralcurricular folgenden Vertiefungsveranstaltungen. Dabei nimmt sie Rückgriff auf die Inhalte der vorangegangenen Einführung in die Bildungswissenschaft sowie auf das Orientierungspraktikum. Dies geschieht insbesondere über entsprechende Verweise in den Lehr-Lern-Materialien, über digitale Verlinkung der Veranstaltungen sowie über interdisziplinäre Lernaufgaben (entsprechend den Aufgabentypen 1 und 2). Die Aufgabenstellungen orientieren sich an der Lernzieltaxonomie nach Bloom (Anderson & Kratwohl, 2001). Die Lernziele werden unter Berücksichtigung interdisziplinärer Bezüge formuliert und sollen, wie die entsprechenden Aufgabenstellungen, eine fächerübergreifende Perspektive stärken. Im ersten Themenbereich der Vorlesung (Theorien des Spracherwerbs und individuelle Lernendenvariablen, KMK 2017/45) reflektieren die Studierenden beispielsweise zunächst ihre eigene Sprachlernbiographie und selbstgewählte Metaphern des Sprachenlernens, bevor sie sich unter Nutzung ihres bildungswissenschaftlichen Grundlagenwissens mit Lektüren zu zentralen Theorien des Erst- und Zweitspracherwerbs auseinandersetzen (siehe Abb. 3). 1. Zeichnen oder beschreiben Sie die Metapher des Sprachenlernens, die Sie in der vergangenen Sitzung ausgewählt haben. Erläutern Sie Ihre Auswahl. 2. Lesen Sie nun bitte die ersten beiden angegebenen Texte. Kontrastieren Sie die darin skizzierten Theorien des Spracherwerbs und Sprachenlernens und setzen Sie diese in Bezug zu den allgemeinen Lerntheorien, die Sie in der Einführung in die Bildungswissenschaften kennengelernt haben. 3. Erläutern Sie, welche Bezüge zwischen dem kindlichen Erstspracherwerb und dem (schulischen) Fremdsprachenlernen im Text von Roche (2012) zu erkennen sind – welche zentralen Hypothesen werden hier diskutiert?
Abb. 3: Ausschnitt aus der Lernaufgabe „Spracherwerb und Sprachenlernen“ In den folgenden Lernaufgaben vertiefen die Studierenden die konstruktivistische Sichtweise auf das Lehren und Lernen romanischer Sprachen; dabei werden einzelne Kompetenzbereiche in den Fokus gerückt. In der Lernaufgabe zu sprachlichen Mitteln erläutern sie beispielsweise das Konzept „mentales Lexi-
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kon“ ausgehend vom „Drei-Speicher-Modell des Gedächtnisses“ und diskutieren Strategien und Funktionen der Wortschatzarbeit im kommunikativen Fremdsprachenunterricht (Theorie und Methodik des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts, KMK, 2017). Die Lernaufgaben ziehen sich durch alle Themenblöcke der Vorlesung im Semesterverlauf; die Studierenden erhalten kontinuierlich formatives Feedback: je zwei Peer-Feedbacks pro Aufgabe über die Lernplattform ILIAS sowie Diskussion anonymisierter Beispielbearbeitungen in der Vorlesung. Evaluation des Portfolioansatzes Die Vorlesung wurde erstmals im Wintersemester 2016/17 angeboten und im Rahmen eines Design-Based Research-Ansatzes weiterentwickelt. Eine begleitende Evaluation erfolgte durch eine Fragebogenerhebung (im Paper-PencilFormat zu Semesterbeginn und -ende), die u. a. Fragen zu bildungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Präkonzepten, zu den wahrgenommenen Bezügen zwischen Bildungswissenschaft, Fachdidaktik und Fachwissenschaft sowie zur Bewertung der Lernaufgaben enthielt. Im Wintersemester 2017/18 nahmen 87 Studierende daran teil; alle studierten mindestens eine romanische Sprache (Französisch, Italienisch und/oder Spanisch). Die Lernaufgaben, für die ein durchschnittlicher Arbeitsaufwand von knapp vier Stunden rückgemeldet wurde (M = 3.76, SD = 2.28), bewerteten 78,2 % als gut bis sehr gut verständlich, 69,2 % sahen klare Verknüpfungen zwischen der Fremdsprachendidaktik und der Bildungswissenschaft. Auf die Frage, wodurch die Verbindungen zwischen Fachdidaktik und Bildungswissenschaft im Rahmen der Veranstaltung besonders deutlich wurden, nannten 80 % die Lernaufgaben; intertextuelle Verweise wurden von 32,7 %, Verknüpfungen auf der Lernplattform ILIAS von 14,5 % angegeben. Insgesamt zeigte sich, dass die Lernaufgaben Studierende darin unterstützten, Verbindungen zwischen Fachdidaktik und Bildungswissenschaft herzustellen. Förderung vertikaler Kohärenz durch Lernaufgaben zur Wahrnehmung und Beurteilung von Unterrichtshandlungen und -situationen im bildungswissenschaftlichen Curriculum zum Orientierungspraktikum In der reformierten Lehrerbildung am Standort Freiburg wird von Beginn des Studiums an systematisch die Verzahnung von Theorie und Praxis angestrebt, beginnend mit Portfolio-Lernaufgaben, die während des dreiwöchigen Orientierungspraktikums am Ende des ersten Semesters bearbeitet werden. Die Lernaufgaben beziehen sich auf zentrale Tätigkeiten von Lehrkräften wie: Erklärungen geben, Fragen stellen, kooperatives Lernen anleiten, Feedback geben, Klassenführung praktizieren etc. Diese Core Practices des Unterrichtens (Forzani, 2014)
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werden im Rahmen einer bildungswissenschaftlichen Vorlesung eingeführt, wobei die unterrichtspraktischen Aspekte jeder zentralen Tätigkeit vor dem Hintergrund der verfügbaren bildungswissenschaftlichen Erkenntnisse vorgestellt werden. Die Studierenden lernen zu jeder zentralen Tätigkeit die einschlägigen bildungswissenschaftlichen Konzepte, Prinzipien und empirischen Befunde kennen. Im Orientierungspraktikum werden sie in Lernaufgaben aufgefordert, den Einsatz von Core Practices durch erfahrene Lehrkräfte zu beobachten und zu reflektieren und so ihr erworbenes bildungswissenschaftliches Wissen anzuwenden. Die Lernaufgaben fördern gezielt das Noticing und Reasoning (Sherin & van Es, 2009) in Bezug auf zentrale Tätigkeiten des Unterrichtens. Die Aufgaben wurden nach dem Ansatz Minimal Instruction von John Carroll (van der Mey & Carroll, 1995) gestaltet: Die Studierenden beobachten und analysieren im Praktikum selbstgesteuert unterrichtliche Tätigkeiten von Lehrkräften. Sie erhalten nur so viel instruktionale Unterstützung, dass sie die Prozesse des Noticing (Erkennen relevanter Ereignisse) und Reasoning (Interpretieren und Beurteilen des Beobachteten) in produktiver Weise unter Rückgriff auf die in der Vorlesung vermittelten bildungswissenschaftlichen Konzepte realisieren können. Entsprechend unterteilt sich jede Lernaufgabe in eine Beobachtungsaufgabe, die dazu auffordert, bestimmte Beobachtungsschwerpunkte zu bearbeiten, und eine Analyseaufgabe, bei der die schriftlich dokumentierten Beobachtungen analysiert werden sollen. Die Beobachtungsaufgabe zur zentralen Tätigkeit Fragenstellen enthält beispielsweise u. a. folgende Beobachtungsschwerpunkte: • •
Welche Arten von Fragen stellt die Lehrkraft mit welcher Häufigkeit? Welche Absichten verfolgt die Lehrkraft vermutlich mit ihren Fragen? Denken Sie dabei an die Funktionen unterschiedlicher Fragetypen im Lernprozess!
Für die Analyseaufgabe werden auf einer gesonderten Karte komprimierte Hintergrundinformationen aus der entsprechenden Vorlesungsstunde (hier zur Tätigkeit Fragestellen) als Erinnerungsstütze angeboten. Erste Evaluationen dieser im WS 2015 eingeführten Portfolioaufgaben zeigen, dass die Studierenden (N = 338) gegenüber Kommilitonen/-innen, die nach dem herkömmlichen Lehramtsmodell studierten (N = 223), eine höhere wahrgenommene Komplexität in Bezug auf die Anforderungen des Lehrerberufs berichteten (p < .01). Die betreuenden Lehrkräfte in den Schulen nahmen die Studierenden als besser vorbereitet wahr. Inhaltsanalytische Auswertungen der Aufgabenbearbeitungen zeigen jedoch, dass die Qualität der Verknüpfung wissenschaftlicher Konzepte mit den eigenen Unterrichtsbeobachtungen relativ
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niedrig ist und reproduktive sowie beschreibende Ausführungen dominieren. Diese Befunde decken sich mit denen der Studie von Hascher und Hofmann (2014). Zu berücksichtigen ist, dass das Orientierungspraktikum am Ende des ersten Semesters absolviert wird und die Studierenden zu diesem Zeitpunkt noch am Anfang ihrer beruflichen Kompetenzentwicklung stehen. Fazit und Ausblick Ausgangspunkt dieses Beitrags ist die an deutschen Hochschulen vielfach vorhandene strukturelle Zersplitterung des Lehramtsstudiums in Einzeldisziplinen. Diese mangelnde curriculare Kohärenz wird sowohl von Studierenden als auch Lehrenden als problematisch bewertet. Sie erschwert das Verständnis darüber, wie fachwissenschaftliche, fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Inhalte zusammenhängen und welchen Beitrag sie jeweils für die Gestaltung von Unterricht leisten. Aus kognitionspsychologischer Sicht birgt fehlende Kohärenz in den mentalen Wissensrepräsentationen der Studierenden letztlich das Risiko, dass im Studium träges statt flexibel anwendbares Wissen erworben wird, was in der Praxis dazu führt, dass die angehenden Lehrkräfte in nicht optimaler Weise auf die Anforderungen ihres Berufs vorbereitet werden. Um dieser strukturellen und curricularen Zersplitterung entgegen zu wirken, bedarf es konzertierter, fächerübergreifender Bemühungen vonseiten der Lehrenden und der Institutionen, die in systematisch aufeinander bezogene Lehrveranstaltungen münden (z. B. Kohärenz zwischen fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Veranstaltungen) sowie Lernangebote wie das Freiburger Portfolio hervorbringen, die Studierende darin unterstützen, selbstgesteuert Kohärenz zu konstruieren. Vor diesem Hintergrund zielt das entwickelte Portfolio für die Freiburger Lehrerbildung darauf ab, die selbstgesteuerte Kohärenzkonstruktion der Studierenden durch fächer- und studienphasenübergreifende Lernaufgaben zu fördern: Im Kern stehen Lernaufgaben, die die Wissensintegration fördern und einen konkreten Bezug zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik bzw. zwischen Fachdidaktik und Bildungswissenschaft einerseits und zwischen Theorie und Praxis andererseits herstellen. Erste Implementierungen solcher Portfolioaufgaben in das Orientierungspraktikum sowie in die Pilotfächer Biologie und Romanistik erweisen sich als vielversprechend. Das Freiburger Konzept zum Orientierungspraktikum z. B. ist wurde als Good-Practice-Beispiel auf den Seiten der Hochschulrektorenkonferenz gelistet (Hochschulrektorenkonferenz. Projekt Nexus. Gute Beispiele und Konzepte; HRK, 2018).
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Die Lernaufgaben im Freiburger Portfolio tragen in zweierlei Hinsicht zur Kohärenzkonstruktion bei: Erstens können die fächerübergreifenden Lernaufgaben sinnvollerweise nur in Tandems oder Tridems von Lehrenden der beteiligten Wissensbereiche (Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Bildungswissenschaft) erstellt werden. Dies ist für sich genommen bereits ein Schritt zur Überwindung der diszipilinären Zerplitterung auf curricularer Ebene. Zweitens regen die kooperativ erstellten Lernaufgaben die Studierenden zur selbstgesteuerten Konstruktion von Kohärenz an. So klar die Potenziale des Freiburger Portfolio-Konzepts benannt werden können, so groß sind die Herausforderungen, die mit seiner Umsetzung verbunden sind. Ausgehend von den skizzierten Implementationen in einige Pilotfächer gilt es, weitere am Lehramt beteiligte Fächer einzubeziehen, bis für alle Lehramtfächer (über 20 am Standort Freiburg) ausreichend Lernaufgaben für den gesamten Studienverlauf vorliegen. Darüber hinaus ist wichtig, neue technische Formate und didaktisch-methodische Ansätze zu nutzen, beispielsweise die Einbindung von e-Tutoren zur Stärkung kollaborativer Elemente und Portfoliogruppen, die Weiterentwicklung flankierender Unterstützungsstrukturen (z. B. begleitender Inverted-Classroom-Ansätze zur Förderung reflexiver Diskussions- und Feedbackkulturen) und der Ausbau videographiebasierter Aufgabenformate für die Praktikumsbegleitung. Schließlich sind Evaluationsstudien mit experimentellen oder quasiexperimentellen Längsschnittdesigns ein wichtiges Desiderat, denn langfristig wird sich das Freiburger Portfolio nur etablieren können und auf Akzeptanz stoßen, wenn sich die auf Basis der geschilderten theoretischen Überlegungen vorhersagbaren Effekte auch empirisch nachweisen lassen. Literatur Anderson, L. & Krathwohl, D. A. (2001). Taxonomy for learning, teaching and assessing: A revision of bloom's taxonomy of educational objectives. New York: Longman. Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9(4), 469–520. Borko, H. & Putnam, R. T. (1996). Learning to teach. In D. C. Berliner & R. C. Calfee (Hrsg.), Handbook of educational psychology (S. 673–708). New York: Macmillan. Bromme, R. (2014). Der Lehrer als Experte: Zur Psychologie des professionellen Wissens (Vol. 7). Waxmann Verlag. Combe, A. & Kolbe, F. U. (2008). Lehrerprofessionalität: Wissen, Können, Handeln. In W. Helsper & J. Böhme (Hrsg.), Handbuch der Schulforschung (S. 857–875). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Darling-Hammond, L. (2006). Constructing 21st-century teacher education. Journal of Teacher Education, 57(3), 300–1314.
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Forzani, F. M. (2014). Understanding “core practices” and “practice-based” teacher education: Learning from the past. Journal of Teacher Education, 65(4), 357–368. Gläser-Zikuda, M., Voigt, C., & Rohde, J. (2010). Förderung selbstregulierten Lernens bei Lehramtsstudierenden durch portfoliobasierte Selbstreflexion. In M. Gläser-Zikuda (Hrsg.), Lerntagebuch und Portfolio aus empirischer Sicht, (S. 142–163). Landau: Verlag Empirische Pädagogik. Gropengießer, H., Harms, U., & Kattmann, U. (2016). Fachdidaktik Biologie. Hallbergmoos: Aulis. HRK - Hochschulrektorenkonferenz (2018). Projekt Nexus (2014-2018). Abgerufen am 16. April 2018 von https://www.hrk-nexus.de/material/gute-beispiele-und-konzepte-good-practice/ King, P. M. & Kitchener, K. S. (2004). Reflective judgment: Theory and research on the development of epistemic assumptions through adulthood. Educational Psychologist, 39(1), 5–18. KM & LfS - Ministerium für Kultus, Jugend und Sport & Landesministerium für Schulentwicklung (2016). Bildungsplan, Gymnasium - Biologie. Abgerufen am 16. April 2018 von http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/LS/BP2016BW/ALLG/GYM/BIO KMK - Kultusministerkonferenz (2004). Bildungsstandards im Fach Biologie für den Mittleren Schulabschluss (Jahrgangsstufe 10). München: Luchterhand. Abgerufen am 16. April 2018 von https://www.kmk.org/themen/qualitaetssicherung-in-schulen/bildungsstandards.html Kuhn, D. (1991). The skills of argument. Cambridge: Cambridge University Press. Hascher, T. & Hofmann, F. (2014). One size fits all? Differences in the use of learning diaries and preconditions for their effective use in field experiences. In K.-H. Arnold, A. Gröschner, & T. Hascher (Hrsg.), Schulpraktika in der Lehrerbildung: Theoretische Grundlagen, Konzeptionen, Prozesse und Effekte, (S. 257–276). Münster: Waxmann. Hofmann, F., Wolf, N., Klaß, S., Grassmé, I., & Gläser-Zikuda, M. (2016). Portfolios in der Lehrer Innenbildung. Ein aktueller Überblick zur empirischen Befundlage. In M. Boos, A. Krämer, & M. Kricke (Hrsg.), Portfolioarbeit phasenübergreifend gestalten: Konzepte, Ideen und Anregungen aus der LehrerInnenbildung, (S. 23–39). Münster: Waxmann. Lissmann, U. (2004). Beurteilung und Beurteilungsprobleme bei Portfolios. In R. S. Jäger (Hrsg.), Von der Beobachtung zur Notengebung. Ein Lehrbuch (4. Aufl.) (S. 211–241). Landau: Verlag Empirische Pädagogik. Nückles, M., Hübner, S., & Renkl, A. (2012). Fostering self-regulated learning by journal writing. In J. R. Kirby & M. J. Lawson (Hrsg.), Enhancing the Quality of Learning (S. 178–200). Cambridge: Cambridge University Press. Renkl, A. (1996). Träges Wissen: Wenn Erlerntes nicht genutzt wird. Psychologische Rundschau, 47, 78–92. Schmidt, K., Allgaier, A., Lachner, A., Stucke, B., Rey, S., Frömmel, C., Fink, S., & Nückles, M. (2011). Diagnostik und Förderung selbstregulierten Lernens durch Self-Monitoring-Tagebücher. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 6(3), 246–269. Sherin, M. G. & van Es, E. A. (2009). Effects of video club participation on teachers' professional vision. Journal of Teacher Education, 60(1), 20–37. van der Meij, H. & Carroll, J. M. (1995). Principles and heuristics for designing minimalist instruction. Technical Communications, 42(2), 243–261. Wäschle, K., Lehmann, T., Brauch, N., & Nückles, M. (2015). Prompted journal writing supports preservice history teachers in drawing on multiple knowledge domains for designing learning tasks. Peabody Journal of Education, 90(4), 546–559. Wittwer, J., Nückles, M., Mikelskis-Seifert, S., Schumacher, M., Rollett, W., & Leuders. T. (2015). Kohärenz, Kompetenz- und Forschungsorientierung – Zur Weiterentwicklung der Lehrerbildung am Standort Freiburg. In W. Benz, J. Kohler, P. Pohlenz, & U. Schmidt (Hrsg.), Handbuch Qualität in Studium und Lehre (S. 93–115). Berlin: Raabe. Wittwer, J., Nückles, M., & Renkl, A. (2010). Using a diagnosis-based approach to individualize instructional explanations in computer-mediated communication. Educational Psychology Review, 22, 9–23.
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Wood, P. K. (1983). Inquiring systems and problem structure: Implications for cognitive development. Human Development, 26(5), 249–265.
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Ein fachspezifisches e-Portfolio als Baustein reflexionsorientierter Lehrerinnen- und Lehrerbildung
Georgia Gödecke Universität Bremen Keywords: Lehrerbildung, e-Portfolio, Reflexion Die Bologna-Erklärungen aus dem Jahr 1999 sowie die Einführung bundesweit geltender Lehrerbildungsstandards durch die Kultusministerkonferenz (KMK) im Dezember 2004, die u. a. eine verstärkte Integration von Praxisphasen als verbindliche Studienelemente beinhalteten, gaben vermutlich die wichtigsten Impulse für die Umgestaltung der Lehrerbildung 1 in Deutschland. Lehramtsstudierende begrüßen die Ausweitung von Praxisphasen und die damit verbundene Entwicklung hin zu Lehrerbildung, die sich stärker an der beruflichen Praxis orientiert als bisher. Praxisphasen können sich jedoch auch negativ auswirken, insbesondere wenn geeignete Lerngelegenheiten fehlen, die einer sinnvollen Relationierung von Theorie und Praxis zuträglich sind und den Aufbau von vernetztem Wissen fördern. Ein innovatives e-Portfoliokonzept in der Didaktik der romanischen Sprachen der Universität Bremen soll Studierende dabei unterstützen, fachspezifische Reflexionskompetenz aufzubauen, anhand dieser zentrale Schnittstellen zwischen Wissenserwerb und Praxiserfahrungen zu erkennen, zu hinterfragen und für ihr eigenes professionelles Handeln produktiv nutzbar zu machen.
Herausforderungen von Praxisphasen im Lehramtsstudium In vielen deutschen Bundesländern findet aktuell eine wichtige Reform der Lehrerbildung statt: Die schulpraktischen Anteile in der ersten Phase der Lehrerbildung erfahren an vielen Standorten eine Ausweitung, die z. B. in Bremen zur Einführung des so genannten Praxissemesters führte. Grund hierfür ist nicht zuletzt die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes auf 18 Monate. Nicht nur Experteninnen und Experten, sondern auch Lehramtsstudierende fordern mehr Praxisbezug im Studium: Sie betrachten insbesondere Unterrichtserfahrungen als wichtige Vorbereitung auf ihre spätere berufliche Praxis. Dies ist nachvollziehbar, da die Überprüfung der Eignung sowie der Kontakt zu Schülerinnen und Schülern sowie erfahrenen Lehrkräften durch Praxiserfahrungen möglich werden (Bergau, Mischke & Herfter, 2013). Hascher (2005) spricht in diesem Zusam-
1
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden Lehrerinnen- und Lehrerbildung durch Lehrerbildung ersetzt.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_15
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menhang jedoch von einer verbreiteten, aber unreflektierten Haltung gegenüber Erfahrungswissen und nennt dies die „Erfahrungsfalle“. Zu folgenden drei Annahmen kämen viele Studierende und Lehrkräfte irrtümlicherweise: „Je mehr Erfahrungen Lehrpersonen aufweisen, desto besser unterrichten sie; Erfahrungen zu machen bedeutet, aus Erfahrungen zu lernen; Wissen, das auf eigenen Erfahrungen aufbaut, ist wertvoller als Theoriewissen“ (Hascher, 2005, S. 41–42). Problematisch ist außerdem, dass die Qualität der Praxiserfahrungen häufig vernachlässigt wird. So bleibt oftmals unreflektiert, dass Beobachtungen in der Praxis auch zu einer Orientierung an ungünstigen Vorbildern führen können oder dass sich eigene ineffektive Unterrichtsstrategien verfestigen können. Schulische Praxisphasen sind folglich keine Selbstläufer, die automatisch eine positive Wirkung entfalten. Hascher (2011) bezeichnet die Unterstellung einer per se positiven Wirkung von schulischen Praxisphasen als Mythos: Der Praktikumsmythos bezeichnet die Gesamtheit an subjektiven und kollektiven Überzeugungen, dass ein Praktikum, unabhängig von der Überprüfung seiner Wirksamkeit und trotz der im Feld vorhandenen Probleme der sinnvollste und beste Ort für die schulische Lern- und Professionalisierungspraxis ist und dementsprechend eine zentrale Bedeutung für die angehenden Lehrerinnen und Lehrer, ihre aktuelle Entwicklung und ihr (künftiges) schulisches Handeln hat (S. 9).
Die Ausweitung der Praxisphasen wird also zwar dem Wunsch nach mehr Praxis gerecht, im Sinne des Mythos Praktikum gilt es jedoch sicherzustellen, dass die Bedingungen der Praxisphasen die Entwicklung von Professionalität bestmöglich fördern. Professionalität wird in diesem Kontext in Anlehnung an Terhart (2011) als Konglomerat aus Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen, Überzeugungen usw. verstanden, die für eine erfolgreiche Ausübung des Berufs notwendig sind. Um den angehenden Lehrkräften nicht nur ein „Mehr an Praxis“ zu bieten, sondern diese auch besser in das Lehramtsstudium einzubinden, sind Lerngelegenheiten erforderlich, die eine Theorie-Praxis-Relationierung unterstützen. Im Folgenden wird ein e-Portfoliokonzept vorgestellt, das an der Universität Bremen entwickelt wurde und vor allem die curriculare und didaktische Qualität der Schulpraktischen Studien fokussiert. „Schnittstellen gestalten“ – Studierende als reflective practitioner Das e-Portfoliokonzept ist eingebettet in das Zukunftsprojekt „Schnittstellen gestalten“ der Universität Bremen, das die zentralen Handlungsfelder des BundLänder-Programms „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ (BMBF, 2016) aufgreift: Zentral sind daher die Schnittstellen zwischen Theorie und Praxis und Schnitt-
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stellen zwischen den an der Lehrerbildung beteiligten Disziplinen, da bislang häufig partikulares anstatt vernetztes Wissen vermittelt wird. Das Projekt zielt auf die Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte zu reflective practitioner (Schön, 1983), die beide Schnittstellen (er-)kennen, kritisch reflektieren und für ihr eigenes professionelles Handeln produktiv nutzbar machen (ZfLB Bremen, 2018). Vier Teilprojekte sowie das Kooperationsprojekt „Duale Promotion“ (Kombination von fachdidaktischer Promotion und Referendariat) stärken die Kohärenz einer reflexionsorientierten Lehrerbildung. Diese umfasst curriculare, inhaltliche und personelle Vernetzungen 2. In Teilprojekt 2, auf das sich dieser Beitrag konzentriert, wurde ein e-Portfolio als Lern- und Dokumentationsplattform entwickelt. Ziel ist die systematische Initiierung fachspezifischer Reflexionsprozesse bei den Lehramtsstudierenden in Hinblick auf die eigene Praxis. Fachspezifische Reflexionskompetenz wird dabei verstanden als gezieltes, kriterienorientiertes Nachdenken über zeitlich vorausgegangene Aktivitäten im Berufsalltag (vgl. Abschnitt „Förderung fachspezifischer Reflexionskompetenz“ dieses Beitrags). Darüber hinaus werden der kontinuierliche Auf- bzw. Ausbau von professioneller Handlungskompetenz im Umgang mit Heterogenität im schulischen Kontext anvisiert (Doff & Wulf, 2018). Das e-Portfoliokonzept der Universität Bremen Das lehrerbildende Studium an der Universität Bremen sieht eine Reihe von Praxisphasen unterschiedlicher Länge in Bremer Schulen vor, die in erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Veranstaltungen vor- und nachbereitet werden 3. Ziel ist, das spätere Berufsfeld zu erkunden sowie die eigene Professionskompetenz zu entfalten und zu reflektieren. Bislang erstellten die Studierenden zur Aufarbeitung dieser Praxisphasen für jede Fachdisziplin sowie für die Erziehungswissenschaft ein separates Portfolio mit jeweils spezifischen, nicht aufeinander abgestimmten Anforderungen. Reflexionen und Rückmeldungen aus den Praktika bauten wenig aufeinander auf und wurden kaum interdisziplinär in den gesamten Studienverlauf einbezogen. Zudem blieb weitgehend intransparent,
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An dieser Stelle bietet sich ein Blick auf das Säulen-Phasen-Modell von Kohärenz in der Lehrerbildung an, das anschaulich zwischen vertikaler und horizontaler Kohärenz unterscheidet (siehe Kap. 2 in diesem Band). 3 Im Bachelor: Ein Orientierungspraktikum und die praxisorientierten Elemente. Im Master: Das Praxissemester.
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ob bzw. welche Möglichkeiten innerhalb der praktischen Studienanteile bestanden, Praxiserfahrungen wissenschaftlich-reflexiv aufzuarbeiten. Das neue e-Portfoliokonzept fokussiert stärker als bisher die Kohärenz der Lehrerbildung an der Universität Bremen: Lehramtsstudierende erstellen dazu ein e-Portfolio, das auf die systematische Vernetzung von erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Perspektiven zielt und eine Verknüpfung zwischen e-Portfolioarbeit und den universitären Begleitveranstaltungen sowie eine engere Bezugnahme zwischen Universitäts- und Schulkontext ermöglicht. Das e-Portfolio besteht aus drei Säulen: dem fachspezifischen Teil I (Fach 1), dem fachspezifischen Teil II (Fach 2) sowie dem fachübergreifenden erziehungswissenschaftlichen Teil. Verknüpfungen zwischen den einzelnen Säulen finden hauptsächlich auf den Ebenen Heterogenität 4 und Reflexion statt, sowohl bei der Aufgabenbearbeitung als auch im Reflexionsgespräch: Im Anschluss an die Praxisphasen werden im Bachelor- und im Masterstudium Einzelgespräche mit den Studierenden zur Reflexion ihrer professionellen Entwicklung geführt. An diesen Gesprächen nehmen – wenn möglich – die Dozierenden von Fach 1, Fach 2 sowie der Erziehungswissenschaft teil. Die Rückschau auf den bisherigen Professionalisierungsprozess beinhaltet den Blick auf die fachspezifischen und die erziehungswissenschaftlichen Anteile des Studiums sowie die Praxisphasen und verbindet diese Erfahrungen. Im Folgenden wird anhand des fachspezifischen e-Portfolios der Didaktik der romanischen Sprachen vorgestellt, wie die Aufgabenkonzeption solche Vernetzungen fördern kann. Das fachspezifische e-Portfolio Französisch/Spanisch Sowohl für Bachelorstudierende im Kurzpraktikum (POE) als auch für Masterstudierende im Praxissemester (PS) wurde ein fachspezifischer Aufgabenpool entwickelt. Obwohl sich die POE- und PS-Aufgaben in Anspruchsniveau und Umfang unterscheiden, sind sie denselben französisch- bzw. spanischdidaktischen Einheiten zugeordnet. Die Studierenden erweitern das e-Portfolio studienbegleitend und bauen auf vorherigen Erfahrungen und Ergebnissen auf. Der Aufgabenpool greift grundlegende Konzepte der Französisch- bzw. Spanischdidaktik auf und enthält obligatorische und fakultative Aufgaben: Die Reflexion des Hospitationsunterrichts sowie die Konzeption und Durchführung eines eigenen Unterrichtsversuchs sind tragende Elemente der Schulpraktischen 4
Heterogenität ist eine Querschnittsaufgabe. Das führt in einem Bundesland mit derart heterogener Schülerschaft wie Bremen dazu, dass Differenzierung bei der Konzeption aller Aufgabenstellungen mitgedacht wird und integraler Bestandteil von Unterrichtskonzeptionen ist.
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Studien im Land Bremen, daher ist die Bearbeitung dieser beiden Aufgaben im fachspezifischen e-Portfolio verpflichtend. Aus den fakultativen Themenfeldern (z. B. Leistungsmessung, digitale Medien) wählen die Studierenden diejenige Aufgabe aus, die sie als für sich relevant erachten und die ihnen dabei hilft, die in den Praxisphasen aufkommenden Fragen und Probleme aufzugreifen und zu bearbeiten. Die Aufgaben sind identisch aufgebaut und beinhalten: wissenschaftliche Einführung, weiterführende Literatur, Aufgabenstellung und Bewertungsraster. Das Bewertungsraster ist aufgabenspezifisch gestaltet und jederzeit transparent. Einzelne Aufgaben sind mit Video-/Audiodaten oder auch mit Good-PracticeBeispielen versehen, auf die die Studierenden bei Bedarf zurückgreifen können. Auf der e-Portfolioplattform können sie Rückmeldungen von Lernpartnerinnen und -partnern, Mentorinnen und Mentoren sowie Universitätslehrenden einholen. Was auf elektronischem Wege nicht geklärt werden kann, findet in den begleitenden universitären Veranstaltungen Raum, denn die e-Portfolioarbeit ist systematisch mit den Lehrveranstaltungen verbunden. Die vorbereitende und begleitende Lehre gestaltet sich bei den romanistischen Studiengängen mit dem Berufsziel Lehramt wie folgt (siehe Abb. 1):
Abb. 1: Struktur der vorbereitenden und begleitenden Lehre, Andreas Grünewald Das e-Portfolio der Didaktik der romanischen Sprachen dient vor allem dem Sichtbarmachen von Lernprozessen und der fachspezifischen Reflexionskompetenz. Im Folgenden wird erläutert und an einer Aufgabe veranschaulicht, was in diesem Konzept unter fachspezifischer Reflexionskompetenz verstanden wird und wie das e-Portfolio diese systematisch fördert.
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Förderung fachspezifischer Reflexionskompetenz Die Einrichtung systematischer Reflexionsgelegenheiten in Form von authentischen Lernaufgaben ist eine Möglichkeit, der Forderung nach reflektierter Praxis gerecht zu werden. In diesem Rahmen werden die Studierenden dazu aufgefordert, das eigene Lernen und erzielte Ergebnisse zu reflektieren. Reflexion wird dabei verstanden als aktiver Prozess zur Bewältigung lösungsoffener, authentischer Probleme (Moon, 1999). Das theoretische Vorwissen soll den Studierenden helfen, aufkommende Probleme während der Praxisphase zu bewältigen. Umgekehrt können in der Praxis Fragen auftauchen, die mithilfe der Theorie beantwortet werden können. Der Begriff Reflexion ist bislang jedoch terminologisch vage geblieben, eine allgemeingültige Definition fehlt ebenso wie eine Differenzierung (Barsch & Glutsch, 2016). Wenn Ansätze vorhanden sind, dann sind sie vorrangig in der pädagogischen Forschung angesiedelt (Hascher, 2012; Leonhard & Rihm, 2011; Neuweg, 2005), in deren Rahmen Reflexionskompetenz vor allem als Kernstück pädagogischer Handlungsfähigkeit gilt. Die fachspezifische Komponente bleibt dabei weitgehend unberücksichtigt. Im Zuge der Konzeption des e-Portfolios der Didaktik der romanischen Sprachen wurde daher ein Reflexionsmodell entwickelt, mit dessen Hilfe explizit fachspezifische Reflexionsprozesse von Französisch- und Spanischstudierenden konkretisiert werden können. Darüber hinaus ist es sinnvoll, spezifische Kriterien zu formulieren, anhand derer sich solche Reflexionsprozesse sowohl unterstützen als auch einschätzen lassen. Das Reflexionsmodell knüpft an das Modell STORIES (Levin & MeyerSiever, 2018) an, das Reflexion als Entwicklungsaufgabe für die Bildung von Lehrpersonen handhabbar macht und die unterschiedlichen Perspektiven (individuell, theoretisch, gesellschaftlich/systemisch) integriert. Während sich STORIES einer Säulenmetaphorik bedient, in der vier Reflexionssäulen zunächst unverbunden nebeneinanderstehen, geht das Reflexionsmodell der Didaktik der romanischen Sprachen von fachspezifisch zusammenhängenden Phasen aus: Das Reflexionssetting ist so angelegt, dass die Studierenden zunehmend emotionaldistanziert, wie „von oben“ bzw. einer Metaebene aus, auf das eigene Handeln und Denken blicken. Berndt und Häcker (2017) formulieren dies folgendermaßen: Diese Distanzierungsfigur mag die Metaphorik der Reflexionsstufen (vom ‚Niederen‘ zum ‚Höheren‘) begründen: Je stärker sich der Beobachter von sich selbst und dem ‚Boden der Welt‘ entfernt, desto klarer und unverstellter scheint er ‚Wesentliches‘ erkennen zu können, und desto weniger scheint er beschäftigt und gebunden zu sein durch die unmittelbaren Erfordernisse des Hier und Jetzt (S. 247).
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Erst durch eine allmähliche und distanzierter werdende Bewusstmachung können zunächst verborgene Handlungsoptionen offenbar werden. Die einzelnen Phasen des Modells werden im Folgenden umrissen (Gödecke, 2017). Das Reflexionsmodell ist anwendbar, wenn Studierende ein Unterrichtselement planen, in der Praxis umsetzen und sich die Durchführung anschließend vergegenwärtigen. Dieser komplexe Reflexionsprozess wird durch das Modell in Teilprozesse untergliedert. Zur Steigerung der Reflexionsqualität werden für jeden Teilprozess adäquate Reflexionsimpulse angeboten, auf die die Studierenden zurückgreifen können. Die Abbildung des aufgabenbasierten Reflexionsmodells (siehe Abb. 2) zeigt, dass die Reflexionsimpulse R1 und R2 den gesamten Reflexionsprozess rahmen. Mit Blick auf ihre eigene Lehr-/Lernbiografie legen die Studierenden in R1 dar, warum sie sich für die jeweilige Schwerpunktaufgabe im Bereich der Unterrichtsgestaltung entschieden haben, was sie zu dem Thema bereits wissen und was sie lernen möchten. Diese Kontextualisierung ist notwendig, da jede angehende Fremdsprachenlehrkraft – bewusst oder unbewusst – über Annahmen darüber verfügt, was fremdsprachliche Lernprozesse erfolgreich macht (Grünewald, in Druck). Diese Annahmen bilden den Hintergrund, vor dem neue Informationen und Erfahrungen überhaupt aufgenommen werden können und sollten deshalb nicht vom Reflexionsprozess ausgeschlossen werden. Im Anschluss an die Aufgabenbearbeitung erfolgt R2: Die Studierenden ziehen Rückbezüge zu den in R1 formulierten Annahmen, Fragen, Bedürfnissen, Wünschen und Zielen. Auch offen gebliebene Fragen oder weiterführende Zielsetzungen für die eigene Professionalisierung als Fremdsprachenlehrkraft können festgehalten werden. Nach der Durchführung des Unterrichtselements geht es in der ersten Phase (Darstellen und Beschreiben) darum, den Planungsrahmen zu erinnern, der sich sowohl aus individuellen Vorerfahrungen als auch aus Theoriewissen rund um den spezifischen Schwerpunkt der jeweiligen Aufgabe zusammensetzt. An dieser Stelle rekurrieren die Studierenden nicht nur auf den fremdsprachendidaktischen Bezugsrahmen, sondern werden anhand von Leifragen wie Welche weiteren Theorien, Konzepte etc. (aus dem Studium) aus der Erziehungswissenschaft oder der Fachwissenschaft konnten Sie in die Planung mit einbringen? gezielt zur Berücksichtigung interdisziplinärer Perspektiven aufgefordert. Im Anschluss skizzieren die Studierenden die Praxisdurchführung auf der Basis ihrer subjektiven Eindrücke. Die zweite Phase (Analysieren und Vergleichen) beinhaltet eine Detailbetrachtung: Abweichungen von der Planung während der Durchführung werden analysiert. Diese subjektive Analyse wird in der folgenden Phase (In Beziehung setzen) um externes Feedback (z. B. von Mentorinnen und Mentoren oder Universitätslehrenden) ergänzt. Ebenso wie im Modell STORIES (Levin & Meyer-Siever, 2018) stellen die Studierenden die Selbst- der Fremd-
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einschätzung gegenüber. Diese Perspektivenerweiterung hilft bei der vertiefenden Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit sich das entwickelte Unterrichtselement tatsächlich in die Praxis übertragen lässt und welche Fragen noch offen sind (Beurteilen und Schlussfolgern). Schließlich formulieren die Studierenden, welche Erkenntnisse über (alternative) Handlungsmöglichkeiten für zukünftige analoge Situationen generiert werden konnten (Planungsphase).
Abb. 2: Fachspezifisches Reflexionsmodell, eigene Darstellung
Das Modell verdeutlicht, dass fachspezifische Reflexionskompetenz aus vielen Teilprozessen besteht. Studierende verfügen nicht per se über diese komplexe Kompetenz; diese muss vielmehr systematisch gefördert werden. Während die Studierenden im Bachelorstudium die ersten beiden Phasen des Modells „trainieren“ und einen Reflexionsaspekt aus den Phasen drei bis fünf verstärkt in den Blick nehmen, durchlaufen Studierende im Masterstudium den gesamten Reflexionsprozess. Dieses phasenübergreifende Konzept ermöglicht einen sukzessiven Auf- bzw. Ausbau fachspezifischer Reflexionskompetenz.
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Aufgabenbeispiel: Individuelle Förderung und Differenzierung Im Folgenden wird eine e-Portfolioaufgabe der thematischen Einheit Heterogenität erläutert sowie durch exemplarische Studierendenlösungen veranschaulicht. Der aufgabenspezifische Schwerpunkt Individuelle Förderung und Differenzierung sensibilisiert die Studierenden für die bildungspolitischen und gesellschaftlichen Forderungen nach einem reflektierten Umgang mit Heterogenität, Diversität und Inklusion. Bildungspolitische Entscheidungen wie die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems sowie gesellschaftliche Entwicklungen (Globalisierung, Migration, demographischer Wandel) steigern die Diversität in der Schülerschaft. Hinzu kommt, dass sich Kinder und Jugendliche unterschiedlich schnell und ungleich entwickeln. Erkennbar sind diese wachsenden Unterschiede beispielsweise bezüglich der Lernendenvariablen Leistungsvermögen, Vorkenntnisse, kulturelle und soziale Hintergründe, Interessen und Persönlichkeit. Die wachsende Heterogenität in Schulklassen stellt Fremdsprachenlehrkräfte bei der Gestaltung von Unterricht vor die große Herausforderung, alle Lernenden im Sinne einer Individualisierung von fremdsprachlichen Lehr/Lernprozessen zu integrieren, also individuelle Lernvoraussetzungen zu berücksichtigen. Ein Mittel zur Individualisierung von Lernen ist differenzsensibles Unterrichten: unterschiedliche Bearbeitungszeiten für dieselbe Aufgabenstellung, abwechslungsreiche Sozialformen und Arbeitsweisen (Methoden) bei der Durchführung von Aufgaben oder Scaffolding-Angebote für leistungsschwächere und leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler (Grünewald & Kracht, 2014). Die e-Portfolioaufgabe „Individuelle Förderung und Differenzierung“ sensibilisiert Studierende bereits im Studium für differenzsensibles Unterrichten und bereitet sie diesbezüglich auf ihre Lehrtätigkeit vor. Hierzu planen die Studierenden eine Form Offenen Unterrichts, führen sie durch und reflektieren diese. Auf die thematische Einführung und Literaturhinweise folgt die Aufgabe, in Teilaufgaben untergliedert. Der rahmende Reflexionsimpuls R1 dient zur Annäherung an den ausgewählten methodisch-didaktischen Schwerpunkt (vgl. Abschnitt „Förderung fachspezifischer Reflexionskompetenz“). Zu der Aufgabenbearbeitung 5, als Partnerarbeit gelöst, schreiben zwei Französischstudierende:
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Diese Aufgabenbearbeitung wurde im Sommersemester 2017 von zwei weiblichen Masterstudierenden angefertigt. Die nachfolgenden Ausschnitte und Bilder in diesem Unterkapitel stammen ebenfalls aus dieser Aufgabenbearbeitung.
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Georgia Gödecke Bei der Auswahl der Aufgaben fiel unsere Wahl sehr schnell auf die Aufgabe Individuelle Förderung und Differenzierung aus dem Bereich Heterogenität. Dies lag vor allem an den Beobachtungen, die wir in unseren Hospitationen in der betreffenden Lerngruppe machen konnten (...). Nach Absprache mit der Lehrkraft, die ebenfalls sehr an der Aufgabe interessiert war, stand demnach relativ schnell fest, dass wir eben diese Aufgabe in der sechsten Klasse durchführen werden. Offener Unterricht stellte ein für uns beide relativ neues Feld dar. Aus unserer eigenen Schulzeit sind uns vor allem traditionelle Formen von Unterricht (Frontalunterricht, Gruppenarbeitsphasen etc.) bekannt, Formen Offenen Unterrichts wie beispielsweise Stationenlernen oder Projektarbeit wurden dagegen nur selten durchgeführt. Auch Studien zeigen, dass Offener Unterricht bisher relativ selten im Schulalltag zu finden ist (Popp 2014: 107). Dies ist besonders hinsichtlich des großen Potentials, welches Offene Lernarrangements zur inneren Differenzierung bieten können, bedauerlich. Individuelle Förderung und Differenzierung sind in unserer (fach-)didaktischen Ausbildung ein wichtiger Bestandteil und werden von vielen Studierenden als eine bedeutende Herausforderung des Lehrberufs wahrgenommen. (…) Offenen Unterricht als eine Möglichkeit für individuelle Förderung und Differenzierung zu nutzen, erscheint uns als interessante und gewinnbringende Herangehensweise. Durch die vielen verschiedenen Formen Offenen Unterrichts, die situationsbedingt ein größeres oder kleineres Ausmaß an Offenheit in verschiedenen Dimensionen aufweisen können (vgl. Aufgabe 1), handelt es sich um ein vielfältig einsetzbares Konzept. Aus diesem Grund ist es vielversprechend für unsere zukünftige pädagogische Praxis – wir erhoffen uns, neue Wege kennenzulernen, individuelle Förderung und Differenzierung im Unterricht zu realisieren (…).
Dieser Auszug verdeutlicht, dass die Studierenden an ihre biografisch bedingten Erfahrungen und Einstellungen sowie an ihr Vorwissen anknüpfen. In einem zweiten Schritt ziehen sie ausgewählte Fachliteratur hinzu und legen ihr erworbenes Theoriewissen über Formen, Merkmale, Chancen und Herausforderungen von Offenem Unterricht speziell im Französischunterricht dar. Im nächsten Schritt treten die Studierenden mit ihren schulischen Mentorinnen und Mentoren in Austausch, um sich unter Berücksichtigung der Lerngruppe über die Form Offenen Unterrichts sowie deren inhaltliche und organisatorische Ausgestaltung zu verständigen. Die Vorbereitung soll mithilfe der Planungshilfe „10 Schritte zur Planung des offenen Unterrichts“ (Grünewald, 2017, S. 97) erfolgen. Offener Unterricht geht vom Modellfall des selbstgesteuerten Lernens aus und erfordert aktive, handlungsorientierte Schülerinnen und Schüler. Um diese Rolle ausfüllen zu können, brauchen die Lernenden Mitbestimmungsmöglichkeiten hinsichtlich der Intentionen, Inhalte, Arbeitsweisen und Materialien. Interessen, Bedürfnisse und Initiativen von Schülerinnen und Schülern müssen berücksichtigt werden (ebd., S. 95). Im beschriebenen Beispiel erfolgte dieser Schritt vor allem in Phase zwei. Nach Abschluss der Planungsphase setzen die Studierenden ihr Konzept in der Praxis um und vergegenwärtigen sich die Durchführung anhand des aufgabenorientierten Reflexionsmodells. Die beiden Masterstudierenden entschie-
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den sich für Projektunterricht, den sie in einer 6. Gymnasialklasse zum Thema Moi et mes activités (= Ich und meine (Freizeit-)Aktivitäten) durchführten. Eine der beiden Studentinnen schreibt im Reflexionsteil 6: (…) Wie in Aufgabe 1 herausgestellt, erlaubt Offener Unterricht den Lernenden, ihren Lernprozess selbständig zu planen, zu steuern und zu evaluieren (Kuty, 2006, S. 210). Dies stellte in unserem Fall für einige Schüler*innen eher eine Herausforderung als einen Vorteil dar. Probleme in diesem Bereich haben wir antizipiert und dementsprechend versucht, durch die Rollenkarten und den Arbeitsplan dem entgegenzuwirken. Es zeigte sich, dass trotz dessen einige Schüler*innen die Selbststeuerung faktisch nicht durchführten, da sie in Gruppenphänomenen wie dem social loafing oder dem free-rider-Effekt verhafteten. Meist funktionierte das eigenständige Arbeiten in den Gruppen insgesamt gut, da die Schüler*innen am Ende gemeinsam das Lernprodukt sehr gut und zu richtiger Zeit fertiggestellt hatten. Innerhalb des Lernprozesses, der uns neben dem Produkt wichtiger war, sind aber in einigen dieser Gruppen einzelne Schüler*innen unbeteiligt geblieben. Eine Gruppe war sogar insgesamt sehr wenig produktiv und fiel auch hinsichtlich ihrer Motivation aus dem Rahmen aller anderen Gruppen (…). (…) Die Frage, wie die Zusammenarbeit in der Gruppe funktioniert hat, antwortete die Mehrheit mit grün, es gab jedoch auch geteilte Meinungen (gelb). Die betreffenden Lernenden äußerten, dass einige der Schüler*innen sich nicht an die Rollenkarten gehalten haben und diese somit keinen Effekt hatten. Diesem Hinweis stimmen wir vollkommen zu, würden aber Rollenkarten in der Zukunft trotzdem wieder einsetzen, sie lediglich besser methodisch einüben. Denn auch die Lernenden sagten im gleichen Satz, dass sie das Prinzip der Rollenkarten gut fänden; es nur noch so ‚lustig’ gewesen sei, da es neu war. Die Zusammenarbeit in den Gruppen hat tatsächlich bei einer Gruppe wie oben geschildert nicht so gut geklappt, jedoch spiegelte diese Gruppe das in diesem Feedback nicht wider (…).
Dieser Ausschnitt zeigt entscheidende Teilprozesse einer fachspezifischen Reflexion. Zentral sind die wechselnden Bezüge: Die Studierende tritt aus ihrem subjektiven Rahmen heraus und lässt andere Perspektiven zu, um einen distanzierteren Blick auf das eigene Denken und Handeln zu gewinnen. Das Feedback der Schülerinnen und Schüler wird genutzt, um Selbst- und Fremdeinschätzung einander gegenüberzustellen (vgl. Phase drei). Darüber hinaus ergeben sich Rückbezüge zum gewählten wissenschaftlich-theoretischen Rahmen, die einer vertieften Auseinandersetzung mit Konzepten, Ansätzen und Theorien in Hinblick auf Verbindlichkeit und Praxistauglichkeit dienen (Phase vier). Reflexion wird dann relevant, wenn daraus unmittelbare Einsicht über Handeln in künftigen analogen Situationen gewonnen wird (Fraefel, 2017). In oben zitiertem Reflexionstext wird der Blick nach vorne gerichtet, indem Folgerungen und Handlungsalternativen für eine erneute Durchführung des Praxisvor-
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Die Aufgaben aus dem fakultativen Bereich können grundsätzlich kooperativ bearbeitet werden. Der Reflexionsteil wird jedoch individuell formuliert.
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habens diskutiert und Folgerungen in Bezug auf das aufgabenspezifische Thema formuliert werden. Der rahmende Reflexionsimpuls R2 rundet die Aufgabenbearbeitung ab, indem die Studierenden Rückbezüge zu den in R1 formulierten Erwartungen, Fragen, Bedürfnissen, Wünschen und Zielen erarbeiten. Der Vergleich des Erworbenen bzw. Gelernten mit den ursprünglichen Zielen verdeutlicht den Lernprozess und hilft, Entwicklungsziele für die weitere Professionalisierung zur Fremdsprachenlehrkraft zu formulieren. Fazit Das fachspezifische e-Portfolio wurde in den vergangenen drei Semestern in der Praxisphase des Bachelorstudiums und im Praxissemester des Masterstudiums in den Fächern Französisch und Spanisch eingesetzt, evaluiert und weiterentwickelt. Insgesamt haben bisher rund 100 Studierende damit gearbeitet. Aus ihren Rückmeldungen lässt sich ableiten, dass die Studierenden die freie, digitale Gestaltungsform und die durch die Plattform entstehenden kreativen Freiräume und Möglichkeiten schätzen, vor allem aber das kooperative Arbeiten und die Wahlfreiheit bezüglich der Themen. Alle Aufgaben bieten fachspezifisch ausdifferenzierte, reflexionsorientierte Lerngelegenheiten; insbesondere die mit den Praxisphasen verbundenen Lerngelegenheiten werden positiv bewertet. Hier spiegelt sich der ausdrückliche Wunsch der Studierenden wider, sich reflexiv mit dem Verhältnis zwischen Theorie und Praxis auseinanderzusetzen. Die Studierenden sehen auch die Notwendigkeit, Reflexionsprozesse sinnvoll zu strukturieren. Dies unterstützt die Bedeutung des entwickelten aufgabenorientierten Reflexionsmodells zur systematischen Förderung fachspezifischer Reflexionskompetenz. Allerdings gibt beispielsweise eine Masterstudentin auf die Interviewfrage, inwieweit sie die als Unterstützung angedachten Reflexionsimpulse für ihre Reflexion genutzt hat, folgende Antwort: Im Endeffekt habe ich die Reflexionsimpulse mehr oder minder abgearbeitet. (...) Ja, im Endeffekt war da eine gewisse Reihenfolge vorgegeben und für die Reflexion war es ziemlich sinnvoll, zu sagen, Ok, ich behalte die Reihenfolge bei (...) ähm (...) also für mich war es ziemlich simpel, sie abzuarbeiten, weil ich mir dann keine neue Reihenfolge überlegen musste, also ich konnte eine vorhandene Struktur einfach anwenden (...) ähm (...) auf meine Unterrichtsdurchführung und mir dann auch stringent Gedanken machen zu den einzelnen Punkten (...). Wie gesagt, ich musste mir dann kein eigenes System überlegen, ich kannte ein System, mit dem ich arbeiten konnte, konnte dadurch aber auch, was meine Reflexion belangt, (...) ähm (...), wesentlich mehr in die Tiefe gehen und das nicht auf einer oberflächlichen Ebene abarbeiten.(...) Dementsprechend glaube ich, dass die Qualität dadurch positiv beeinflusst wurde. #00:04:04-3#.
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Diese Antwort verdeutlicht: Die Studierende bemerkte einen positiven Effekt auf ihre Reflexionskompetenz durch das Beantworten der Fragen, obwohl sie diese größtenteils lediglich abgearbeitet zu haben glaubt. Dennoch ist das reine Abarbeiten von Reflexionsfragen nicht erstrebenswert, da die Gefahr besteht, dass sich die Reflexion ohne bewussten, eigenständigen Anteil vollzieht. Intensiver Austausch mit den Studierenden über Inhalte und Ziele von Reflexion beugt diesem Effekt vor. Didaktisch induziertes bzw. sozial erwünschtes Reflektieren kann umgangen werden, indem die Studierenden dazu animiert und befähigt werden, sich eigenständig subjektiv bedeutsame Reflexionsanlässe zu suchen (Leonhard & Abels, 2017). Dies umzusetzen, ist eine Herausforderung für die Weiterentwicklung des e-Portfoliokonzepts, auch in Bezug auf die rahmenden Veranstaltungen. Literatur Barsch, S. & Glutsch, N. (2016). Der reflektierte Blick auf Praxis. Empirische Befunde zum Kölner Portfoliomodell. In M. Boos, A. Krämer, & M. Kricke (Hrsg.), Portfolioarbeit phasenübergreifend gestalten: Konzepte, Ideen und Anregungen aus der LehrerInnenbildung. Bd. 8 (S. 54–69). Münster: Waxmann. Bergau, M., Mischke, M., & C. Herfter (2013). Erwartungen von Studierenden an das Lehramtsstudium. Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie mit Lehramtsstudierenden an der Universität Leipzig (Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung, Projektbericht). Abgerufen am 24. März 2018 von http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:15-qucosa-151462 Bundesministerium für Bildung und Forschung (2016). Neue Wege in der Lehrerbildung. Die Qualitätsoffensive Lehrerbildung. Abgerufen am 24. März 2018 von https://www.bmbf.de/pub/Neue_Wege_in_der_ Lehrerbildung.pdf Doff, S. & Wulf, M. (2018). Schnittstellen gestalten – Das Zukunftsprojekt für die Lehrerbildung an der Universität Bremen. Professionalisierung zum Reflective Practitioner. Resonanz. Magazin für Lehre und Studium an der Universität Bremen. Sonderausgabe 2018. Abgerufen am 24. März 2018 von www.uni-bremen.de/forsta/resonanz Fraefel, U. (2017). Wo ist das Problem? Kernideen des angloamerikanischen Reflexionsdiskurses bei Dewey und Schön. In C. Berndt, T. Häcker, & T. Leonhard (Hrsg.), Reflexive LehrerInnenbildung revisited – Konzepte, Befunde, Perspektiven und Rahmungen (S. 56–73). Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Gödecke, G. (2017). Ein e-Portfolio in der ersten Phase der Lehrer*innenbildung – Gestaltung von Schnittstellen. Greifswalder Beiträge zur Hochschullehre (8),121–138. Grünewald, A, & Kracht, K. (2014). Heterogenität, Binnendifferenzierung, Individualisierung: Herausforderungen für den Spanischunterricht. Hispanorama, 145, 8–12. Grünewald, A. (2017). Offene Formen des Lernens und Unterrichten. In A. Nieweler (Hrsg.), Fachdidaktik Französisch. Tradition – Innovation – Praxis (S. 95–106). Stuttgart: Klett Grünewald, A. (in Druck): „Theoretisch dachte ich, es funktioniert, und in der Praxis finde ich, funktioniert es nicht“ – Die Rolle der Lehrkraft in Designexperimenten“. In A. Bikner-Ahsbach & M. Peter (Hrsg.), Unterrichtsentwicklung macht Schule. Forschung und Innovation im Fachunterricht. Wiesbaden: Springer VS. Hascher, T. (2005). Die Erfahrungsfalle. Journal für Lehrerinnen- und Lehrerbildung, 5(1), 39–45.
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6.3
Separieren oder integrieren? Experimentelle Studien zum Einsatz von Lerntagebüchern zur Wissensintegration
Martina Graichen, Elisabeth Wegner, Matthias Nückles Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Keywords: Lerntagebücher, Kohärenzbildung, Lehramtsstudierende Um Unterricht fundiert vorzubereiten und durchzuführen, müssen Lehrkräfte fachwissenschaftliches, fachdidaktisches und bildungswissenschaftliches Wissen miteinander verbinden und aufeinander beziehen. Dies fällt vielen Lehramtsstudierenden schwer, da die Inhalte der belegten Veranstaltungen an den Hochschulen meist überwiegend separiert gelehrt werden. In einer experimentellen Studie wurde von den Autoren/-innen untersucht, ob bzw. inwiefern Lernprotokolle, die durch Prompts gezielt Vernetzung anregen, Studierende bei der Verbindung unterschiedlicher Wissensbereiche unterstützen. Die Ergebnisse zeigen, dass die genutzten Prompts tatsächlich helfen, das Wissen besser miteinander zu verbinden. Allerdings waren die Studierenden nicht in der Lage, das Wissen bei der anschließenden Lösung von Anwendungsaufgaben zu nutzen. Daher wird erörtert, inwiefern die systematische Modellierung von Denkprozessen im Sinne des Cognitive Apprenticeship und des Lernens aus Lösungsbeispielen die Vernetzung von Wissen aus verschiedenen Bereichen fördern und gleichzeitig auch angehende Lehrkräfte dabei unterstützen können, dieses Wissen in der Praxis anzuwenden.
Einleitung Effektive Unterrichtsvorbereitung und -durchführung setzt Wissen aus den Domänen Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaft voraus (Shulman, 1986). Darüber hinaus müssen Lehrkräfte in der Lage sein, diese drei Wissensbereiche systematisch miteinander zu verknüpfen und die jeweiligen Implikationen gegeneinander abzuwägen, um informierte didaktische Entscheidungen treffen zu können (Ball, 2000; Loewenberg Ball & Forzani, 2009; Wegner, Anders & Nückles, 2014). Allerdings werden die unterschiedlichen Wissensbereiche im Lehramtsstudium üblicherweise stark separiert voneinander gelehrt (Darling-Hammond, 2006), sodass die Studierenden die Inhalte eigeninitiativ und selbstständig in ein kohärentes Netz integrieren müssen. Findet das nicht statt, bleibt das Wissen isoliert und kann nicht nutzbar gemacht werden – es bleibt so genanntes träges Wissen (Renkl, 1996). Studierende sollten bereits während des Studiums bei der Kohärenzbildung unterstützt werden. Dies beinhaltet neben der unmittelbaren Vernetzung von Inhalten, Denk- und Arbeitsweisen zu erlernen und einzuüben, mithilfe derer alle Wissensbereiche gleichermaßen und aufeinander bezogen genutzt werden © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_16
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können. So kann Expertenwissen angebahnt werden, das „sehr gut vernetzt und hierarchisch organisiert“ (Baumert & Kunter, 2006, S. 483) ist und durch die Integration unterschiedlicher Kontexte variantenreiches Handeln erlaubt (ebd.). Lernprotokolle als Möglichkeit zur Unterstützung von Kohärenzbildung Untersuchungen zeigen, dass Lerntagebücher eine vielversprechende Möglichkeit sind, um tiefergehendes Verständnis der Lerninhalte sowie nachhaltiges Lernen zu fördern (z. B. Nückles, Hübner & Renkl, 2012). In Lerntagebüchern halten Lernende ihre Reflexionen über die bearbeiteten Lerninhalte fest, die Art des Schreibens ist sehr frei. Man spricht von einem Lerntagebuch, wenn die Reflexionen über die Lerninhalte regelmäßig und über einen längeren Zeitraum stattfinden, zum Beispiel über ein Semester hinweg. Punktuelle Reflexionen über Lerninhalte werden als Lernprotokoll bezeichnet. Beide Varianten, Lerntagebuch und Lernprotokoll, beinhalten dieselbe Tätigkeit: das Anwenden kognitiver und metakognitiver Lernstrategien, um Lerninhalte zu reflektieren. Besonders effektiv sind Lerntagebücher, wenn das Schreiben durch Prompts – Leitfragen oder Hinweise – unterstützt wird (z. B. Berthold, Nückles & Renkl, 2007; Hübner, Nückles & Renkl, 2010). Prompts dienen als Strategie-Aktivatoren (Reigeluth & Stein, 1983): Sie regen produktive kognitive und metakognitive Lernstrategien (Weinstein & Mayer, 1986) an. Kognitive Lernstrategien beziehen sich auf das Ordnen und Strukturieren der Lerninhalte (Organisationsstrategien) und auf das Ausarbeiten der Inhalte (Elaborationsstrategien), z. B. indem eigene Beispiele formuliert oder persönliche Erfahrungen erinnert werden, um die neuen Lerninhalte zu verdeutlichen. Metakognitive Lernstrategien beziehen sich darauf, das eigene Verständnis zu überwachen und zu reflektieren, welche Inhalte gut verstanden wurden, welche Inhalte noch nicht verstanden wurden und was selbst zur Überwindung dieser Verständnisschwierigkeiten beigetragen werden kann. Üblicherweise zielen Prompts darauf ab, dass Wissen zu einem Thema systematisch erschlossen wird. Darüber hinaus haben Lernprotokolle das Potenzial, dass Lernende dazu angeregt werden, unterschiedliche Inhalte miteinander in Bezug zu setzen und zu reflektieren, welche Konsequenzen diese Inhalte für spezifische didaktische Entscheidungen nach sich ziehen. Lernprotokolle sind deshalb geeignet, Denk- und Arbeitsweisen zu fördern, die angehende Lehrkräfte langfristig nutzen können. Dies erfordert Prompts, die auf das Verbinden von Inhalten aus unterschiedlichen Texten hinweisen. Tabelle 1 enthält Beispiele für solche Prompts. Wäschle, Lehmann, Brauch und Nückles (2015) untersuchten, inwiefern das Schreiben von Lerntagebüchern Lehramtsstudierende bei der Verknüpfung
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unterschiedlicher Wissensbereiche unterstützt. Die quasi-experimentelle Studie fand im Rahmen eines fachdidaktischen Seminars im Fach Geschichte statt. Die Lehramtsstudierenden (N = 54) lasen einen fachwissenschaftlichen Text über die Endlösung der Judenfrage, einen fachdidaktischen Text zum Unterricht über den Holocaust und einen bildungswissenschaftlichen Text über kognitive Lernprozesse und Lernstrategien. Im Anschluss verfassten alle Teilnehmenden ein Lernprotokoll. Sie erhielten dazu die Aufforderung, die Textinhalte allgemein zu reflektieren und zu überlegen, wie sie für die Planung von Unterricht nutzbar gemacht werden können. Eine Hälfte der Teilnehmenden erhielt zusätzlich vier intertextuelle Prompts, die dazu aufforderten, Verbindungen zwischen den Texten herzustellen. Im Anschluss an die Protokollphase bearbeiteten alle Teilnehmenden einen deklarativen Wissenstest zu den drei Texten sowie mehrere Transferaufgaben, z. B. Bewertung von Arbeitsaufträgen, Formulierung von Lernzielen zum Thema. Es zeigte sich, dass die Teilnehmenden, die den Lerntagebucheintrag mit Unterstützung durch die Prompts verfasst hatten, durchschnittlich mehr integrierende Strategien anwandten als die übrigen Teilnehmenden. Außerdem nutzten die Studierenden ohne Prompts häufiger oberflächlichere Lernstrategien. Bezüglich der Ergebnisse des deklarativen Wissenstests und des Transfertests wurden keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen festgestellt. Diese Ergebnisse von Wäschle et al. (2015) zeigen, dass intertextuelle Prompts die Kohärenzbildung anregen konnten, auf das Gesamtergebnis der Studierenden in den Wissen- und Transferaufgaben jedoch keine Auswirkung hatten. Letzteres könnte auf die Bedingungen der Studie zurückzuführen sein: Bei diesem Quasi-Experiment im Feld könnten Störvariablen dazu geführt haben, dass die Studierenden ihr Wissen nicht für die Bearbeitung der Anwendungsaufgaben nutzten. Zudem fehlte eine Kontrollgruppe, die Prompts erhielt, die zwar auf die vertiefte Auseinandersetzung mit den Texten, jedoch nicht auf die Verbindung der Inhalte untereinander abzielten. Weiterhin zeigte sich, dass es den Teilnehmenden besonders schwer fiel, die bildungswissenschaftlichen Inhalte zu nutzen. Dies könnte am vergleichsweise hohen Abstraktionsgrad des verwendeten Textes liegen, der dadurch schwerer zu erschließen war als die anderen beiden Texte. Zusammenfassung und Fragestellung Wäschle et al. (2015) kommen zu dem Ergebnis, dass Lernprotokolle das Potenzial haben, bereits im Studium die Vernetzung unterschiedlicher Wissensbereiche sowie Denkweisen zu fördern, die auf die Verbindung unterschiedlicher
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Inhalte als Voraussetzung didaktischer Entscheidungen zielen. Die Ergebnisse von Wäschle et al. (2015) verdeutlichen jedoch auch, dass eine verbesserte Vernetzung der Wissensbereiche keine Vorteile in Bezug auf das deklarative Wissen und die Transferleistung mit sich bringt. Da diese Ergebnisse möglicherweise durch methodische Einschränkungen zustande kamen, führten wir die im Folgenden beschriebene Untersuchung durch, die auf eine verbesserte konzeptuelle Replikation abzielte. Dabei untersuchten wir, ob angehende Lehrkräfte in einem besser kontrollierten experimentellen Setting mit anwendungsorientierteren Texten dazu angeregt werden können, das erworbene Wissen auch für didaktische Entscheidungen zu nutzen. Mithilfe einer zusätzlichen Kontrollgruppe, die intratextuelle, aber keine intertextuellen Prompts erhielt, wurde überprüft, ob sich die bessere Vernetzung tatsächlich auf die intertextuellen Prompts zurückführen lässt. Hypothesen Wir erwarteten, dass Lehramtsstudierende, die intertextuelle Prompts für das Schreiben des Lernprotokolls erhalten (Inter-Gruppe), mehr Verbindungen zwischen den drei Wissensbereichen herstellen als Studierende, die intratextuelle Prompts (Intra-Gruppe) oder keine Prompts (Kontrollgruppe) erhalten (Hypothese 1). Weiterhin nahmen wir an, dass die Inter-Gruppe die Textinhalte tiefer verarbeitet als die beiden anderen Gruppen, da die Teilnehmenden beim Lernprotokollschreiben zusätzliche Verknüpfungen schaffen müssen. Folglich müssten sich die Teilnehmenden der Inter-Gruppe besser an die im Lernprotokoll notierten Inhalte erinnern und im abschließenden Wissenstest besser abschneiden als die anderen Gruppen (Hypothese 2). Darüber hinaus gingen wir davon aus, dass die Inter-Gruppe mehr Aspekte aus dem eigenen Lernprotokoll zur Bearbeitung der Anwendungsaufgaben verwendet als die Gruppe mit intratextuellen Prompts und die Gruppe ohne Prompts (Hypothese 3). Methodik Stichprobe An der experimentellen Studie nahmen 66 Studierende (48 % weiblich, MAlter = 24.36, SDAlter = 3.29) teil, die das Fach Geschichte auf gymnasiales Lehramt studierten. Insgesamt handelte es sich um Studierende im fortgeschrittenen Stadium des Studiums (MSemester = 7.75, SDSemester = 3.80), von denen mehr als die Hälfte (58 %) das Orientierungspraktikum bereits absolviert hatte.
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Material und Durchführung Die Teilnehmenden wurden randomisiert auf die drei experimentellen Gruppen verteilt. Zuerst erhielten alle Teilnehmenden eine Einführung in das Schreiben von Lerntagebüchern. Dann lasen die Teilnehmenden drei Texte: einen fachwissenschaftlichen Text über die Endlösung der Judenfrage (Mommsen, 1983), einen fachdidaktischen Text zum Unterricht über den Holocaust (HenkeBockschatz, 2004) und einen bildungswissenschaftlichen Text über verschiedene Unterrichtsmethoden, z. B. projektorientiertes Lernen und direkte Instruktion (Renkl, 2008). Im Anschluss erhielten alle Teilnehmenden die Aufgabe, ein Lernprotokoll zu schreiben, in dem sie über die Texte und deren Bezug zum Unterricht reflektierten. In der Kontrollgruppe (n = 22) erhielten die Teilnehmenden hierfür keine Prompts. Die Teilnehmenden der Intra-Gruppe (n = 22) erhielten Prompts, die auf die Organisation und Elaboration der Textinhalte abzielten (intratextuelle Prompts). In der Inter-Gruppe (n = 22) erhielten die Teilnehmenden intertextuelle Prompts. Diese enthielten die Aufforderung, die Inhalte aus den drei Texten zu verbinden, also etwa nach textübergreifenden Zusammenhängen zu suchen und diese durch selbst gewählte Beispiele zu veranschaulichen (siehe Tab. 1). Im Anschluss an das Lernprotokoll bearbeiteten die Teilnehmenden vier Anwendungsaufgaben. Sie waren aufgefordert, unterschiedliche Aufgabenstellungen für Schülerinnen und Schüler einer 9. Klasse zu bewerten. Die Aufgabenstellungen orientierten sich an den Unterrichtsmethoden, die im bildungswissenschaftlichen Text vorgestellt worden waren und beinhalteten außerdem inhaltliche Aspekte aus dem fachwissenschaftlichen und dem fachdidaktischen Text. Die zu beurteilenden Aufgabenstellungen waren so aufgebaut, dass sie auf der Basis der drei Texte sowohl positive als auch kritikwürdige Aspekte enthalten konnten. Des Weiteren bearbeiteten die Teilnehmenden einen deklarativen Wissenstest, der aus mehreren Multiple-Choice- und Kurz-Antwort-Fragen zu den drei Texten bestand.
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Tab. 1: Intra-textuelle und inter-textuelle Prompts Intra-Textuelle Prompts (Ohne Text-Verbindungs-Hinweise)
Inter-Textuelle-Prompts (Mit Text-Verbindungs-Hinweisen) Organisation
• Welche zentralen Inhalte („Hauptpunkte“) werden in den Texten dargestellt? • Können Sie die Hauptpunkte in strukturierter Weise wiedergeben?
• Können Sie zwischen den wichtigsten Punkten der Texte Verbindungen herstellen? • Können Sie Bezüge zwischen den drei Texten herstellen? Elaboration
• Welche Beispiele oder eigenen Erfahrungen (z. B. aus Ihrem bisherigen Lehramtsstudium) fallen Ihnen ein, welche die Inhalte veranschaulichen, sie bestätigen oder ihnen widersprechen? • Welche Schlüsse können Sie aus den Texten ziehen?
• Welche Beispiele oder eigenen Erfahrungen (z. B. aus Ihrem Lehramtsstudium) können Ihnen helfen, Bezüge zwischen den Texten herzustellen? • Wenn Sie die drei Texte im Zusammenhang betrachten: Welche Schlussfolgerungen bzw. welches Fazit lassen sich aus den drei Texten ziehen?
Metakognition • Welche Inhalte fallen Ihnen schwer bzw. an welchen Stellen haben Sie Verständnisschwierigkeiten? • Was können Sie in der jetzigen Situation tun, um Ihre Verständnisschwierigkeiten zu überwinden?
• Welche Aspekte der Texte und deren Bezüge untereinander haben Sie sehr gut verstanden und welche Aspekte/Bezüge noch nicht, bzw. wo sehen sie noch Verständnisschwierigkeiten? • Können Sie konkrete Fragen stellen, in denen Sie ihre Verständnisschwierigkeiten formulieren? • Welche Möglichkeiten sehen Sie, um Ihre Verständnisschwierigkeiten zu beheben?
Auswertung der Lernprotokolle In den Lernprotokollen der drei Gruppen kodierten wir die Anzahl der angewandten Lernstrategien jeweils auf intratextueller und auf intertextueller Ebene. So wurde z. B. ein Statement, das Inhalte aus mindestens zwei Texten miteinander verband, als intertextuelle Organisation gewertet. Wurde diese Verbindung mit einem eigenen Beispiel veranschaulicht, werteten wir zusätzlich eine intertextuelle Elaboration.
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Tab. 2: Inter- und intra-textuelle Lernstrategien je Experimentalgruppe im Lernprotokoll
Lernstrategie Inter-textuelle Strategien Organisation Elaboration Metakognition Gesamt Intra-textuelle Strategien Organisation Elaboration Metakognition Gesamt
Inter-Gruppe M SD
Intra-Gruppe M SD
Kontrollgruppe M SD
2.73 1.64 1.91 6.27
2.41 1.94 2.18 4.93
0.64 0.18 0.41 1.23
0.93 0.66 1.05 1.51
1.23 0.59 0.91 2.73
1.48 1.33 1.69 3.45
22.86 3.64 2.95 21.09
14.51 4.83 2.55 10.20
23.73 4.32 4.86 24.77
10.96 4.20 4.37 8.03
23.09 4.64 5.27 24.14
13.09 4.93 6.37 8.36
In Bezug auf die Anwendungsaufgaben interessierte uns der Wissenstransfer: Wie viele Aussagen aus dem Lernprotokoll wurden zur Beantwortung der Anwendungsaufgabe verwendet. Dazu codierten wir Transfer-Statements und werteten jede inhaltliche Überschneidung zwischen Lernprotokoll und Antwort innerhalb der Anwendungsaufgaben als ein Transfer-Statement. Ergebnisse Verwendete Lernstrategien (Hypothese 1) Insgesamt umfassten die Lernprotokolle je etwa eine getippte Seite. Dies entspricht knapp 40 inhaltlichen Aussagen (M = 37.05, SD = 10.95), die je einer Lernstrategie zugeordnet werden konnten. Erwartungsgemäß nutzte die InterGruppe häufiger intertextuelle Strategien als die anderen beiden Gruppen (siehe Tab. 2). Dies konnte durch einen Kontrast entsprechend der Hypothese bestätigt werden (Kontrast: Inter-Gruppe = 2, Intra-Gruppe = -1, Kontrollgruppe = -1), F(1, 63) = 21.03, p = .000, ηp2 = .250. Insgesamt zeigte sich, dass alle drei Gruppen die kognitiv einfacheren intratextuellen Lernstrategien gegenüber den kognitiv anspruchsvolleren intertextuellen Lernstrategien bevorzugten. Eine explorative ANOVA mit den Lernstrategien (inter- oder intratextuell) als Wiederholungsfaktor zeigte einen großen Effekt für die Art der genutzten Lernstrategien, F(1, 63) = 235.19, p = .000, ηp2 = .789.
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Tab. 3: Anzahl der Transferstatements und Inhalte in den Anwendungsaufgaben je Experimentalgruppe, auf eine Anwendungsaufgabe gemittelt
Transferstatements Statements mit Textbezug Statements ohne Textbezug
Inter-Gruppe M SD 5.09 4.65 3.55 2.50
Intra-Gruppe M SD 8.18 7.14 5.09 4.57
4.77
4.95
3.38
3.68
Kontrollgruppe M SD 9.09 8.29 3.55 2.70 6.68
3.12
Ergebnisse im Wissenstest (Hypothese 2) Entgegen der Hypothese schnitt die Kontrollgruppe (M = 33.65, SD = 1.08) im Wissenstest besser ab als die Intra-Gruppe (M = 30.28, SD = 1.08) und die InterGruppe (M = 30.14, SD = 1.08). Dies blieb auch so, wenn Unterschiede im Vorwissen kontrolliert wurden. Die Hypothese, die Integration verschiedener Texte führten zu einer tieferen Verarbeitung und somit zu einer besseren Behaltensleistung, wurde demnach nicht bestätigt, F(2, 62) = 3.39, p = .040, ηp2 = 0.098 (mittlerer Effekt; signifikant entgegen der Hypothese). Nutzung der Texte für die Anwendungsaufgaben (Hypothese 3) Die dritte Hypothese konnte nicht bestätigt werden. Wir gingen davon aus, dass die Inter-Gruppe mehr Aspekte aus dem eigenen Lernprotokoll zur Bearbeitung der Anwendungsaufgaben verwendet als die Gruppe mit intratextuellen Prompts und die Gruppe ohne Prompts. Der aufgestellte Kontrast zeigte keinen signifikanten Effekt (Kontrast: Inter-Gruppe = 2, Intra-Gruppe = -1, Kontrollgruppe = 1), F(1, 63) = 3.91, p = .052, ηp2 = .058; kleiner Effekt. Ähnlich wie bei Wäschle et al. (2015) verwendete nicht die Inter-Gruppe die meisten inhaltlichen Statements aus dem Lernprotokoll zur Bearbeitung der Anwendungsaufgaben, sondern die Kontrollgruppe, die keine Prompts zum Lernprotokollschreiben erhalten hatte (siehe Tab. 3). Insgesamt fiel auf, dass viele Studierende die Anwendungsaufgaben beantworteten, ohne sich dabei auf die Texte zu beziehen, insbesondere in der Kontrollgruppe. So konzentrierten sich viele Teilnehmende bei der Beurteilung der Anwendungsaufgabe auf allgemeine Hinweise statt auf die inhaltliche Ebene der Aufgabe. (Beispiel: „Der Lehrer sollte die Schüler bei der Arbeit im Computerraum immer beaufsichtigen, damit sie [die Schüler] keinen Blödsinn machen und sich auch wirklich mit der Aufgabe befassen.“). Eine explorative ANOVA mit Textbezug als Wiederholungsfaktor zeigte einen signifikanten Unterschied für den Faktor „Textbezug“, F(1, 63) = 4.39, p = .040, ηp2 = .065; mittlerer Effekt. Für den Faktor „Experimentalbedingung“
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war dies nicht der Fall: F(1, 63) = 1.50, p = .231, ηp2 = .045; kleiner Effekt. Dies zeigt, dass sich die meisten Teilnehmenden – unabhängig von den Experimentalbedingungen – bei der Bearbeitung der Anwendungsaufgaben wenig auf die Inhalte der Texte bezogen. Explorative qualitative Analyse der Texte Die quantitativen Analysen zeigten, ähnlich wie bei Wäschle et al. (2015), dass die intertextuellen Prompts zwar das Herstellen von Verbindungen zwischen den drei Texten förderten, dies aber keine signifikante Auswirkung auf die Bearbeitung sowohl der Anwendungsaufgaben als auch des deklarativen Post-Tests hatte. Eine genauere Analyse der Art der Wissensaneignung ergab, dass ein Grund hierfür die mangelhafte Umsetzung der Prompts war. Die meisten Teilnehmenden der Inter-Gruppe erstellten trotz Prompts zunächst eine Zusammenfassung für jeden der drei Texte, wobei sie vor allem die Hauptaspekte der Texte hervorhoben (Lernstrategie: intratextuelle Organisation) und teilweise veranschaulichten (Lernstrategie: intratextuelle Elaboration). Erst am Ende des Lernprotokolls stellten die meisten Teilnehmenden anhand einiger Aspekte (siehe Tab. 2) Zusammenhänge zwischen den Texten her (intertextuelle Lernstrategien). Die Lernprotokolle der beiden anderen Gruppen sahen sehr ähnlich aus, dort wurden allerdings noch weniger Verbindungen hergestellt. Insgesamt zeigte sich, dass viele der Teilnehmenden sehr allgemeine Verbindungen herstellten, z. B. „Die drei vorliegenden Texte beschäftigen sich mit dem Holocaust und dessen Vermittlung im Unterricht.“ oder „Die drei Texte geben Möglichkeiten und Grundlagen, eine Unterrichtseinheit zum Holocaust aufzubauen.“ Die Prompts verstärkten die Verbindungen zwar, es kann jedoch nicht von Integration gesprochen werden. Auch in dieser Studie fielen den Teilnehmenden insbesondere Verbindungen mit dem bildungswissenschaftlichen Text schwer, trotz der größeren Anwendungsnähe. Dies verdeutlichen Aussagen, in denen sich Teilnehmende eine/n Praxisexperten/-in oder konkrete Beispiele wünschen, die Verbindungen zum bildungswissenschaftlichen Text aufzeigen. Ein/e Teilnehmende/r schrieb: Wie kann ich ein projektorientiertes Lernen beim Thema Holocaust anwenden? Wie sinnvoll ist die Methode der Direkten Instruktion für das Lernen des Holocaust? Ich denke, die meisten dieser und ähnlicher Fragen lassen sich am besten im Gespräch mit erfahrenen Pädagogen und durch eigene Erfahrungen beantworten.
Ähnliches zeigt die Aussage eines/r anderen Teilnehmenden: „Um die Modelle nachvollziehen zu können, müsste ich die Anwendung an konkreten Beispielen vor Augen geführt bekommen, um sie dann selbst eventuell umzusetzen.“
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Diskussion Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Teilnehmenden, die intertextuelle Prompts erhalten hatten, mehr Verbindungen zwischen den Texten herstellten. Die Verbindungen waren jedoch eher oberflächlich und führten weder dazu, dass die Teilnehmenden im Wissenstest besser abschnitten, noch dass sie das Wissen besser für konkrete didaktische Entscheidungen nutzten. Das besser kontrollierte experimentelle Setting führte also nicht dazu, dass die verbesserte Wissensintegration in eine bessere Nutzung des Wissens mündete. Diese Ergebnisse lassen verschiedene Interpretationen zu: Aus der Lernstrategieforschung ist bekannt, dass die Nutzung von neuen Lernstrategien zunächst viel kognitive Kapazität bindet (Wittwer & Renkl, 2010). Es könnte demzufolge sein, dass die Teilnehmenden mit den intertextuellen Prompts überfordert waren, sodass es zu einem Nutzungsdefizit bezüglich der verarbeiteten Informationen kam. Die Lernprotokollausschnitte verdeutlichen außerdem, dass die Studierenden nicht erkannten, wie insbesondere die bildungswissenschaftlichen Informationen für die Praxis genutzt werden können. Sie verwiesen stattdessen auf einen Bedarf nach weiteren Beispielen oder Anleitung. Dies lässt sich als ein Defizit in den Metaprozessen zur Nutzung des Wissens interpretieren (Renkl, 1996): Ihnen war nicht klar, welche Denkschritte geeignet wären, um das Wissen selbstständig zu nutzen. Schlussfolgerung daraus ist: Studierende brauchen mehr Anleitung bei der Entwicklung der Kompetenz, eigenständig Denkprozesse anzustoßen, mit denen sie nicht nur Verbindungen zwischen den Wissensbereichen, sondern auch zwischen universitärem Wissen und der Schulpraxis generieren können. Dabei sollte verdeutlicht werden, wie die Verbindung zwischen den Inhalten aussieht, aber vor allem, wie die Studierenden sich Wissen aus allen drei Bereichen so erschließen können, dass sie es für ihren Unterricht nutzen können. Ausblick: Lernprotokolle als Methode zur Modellierung von kohärenzfördernden Denkweisen Wie eingangs geschildert, sind Lernprotokolle mit intertextuellen Prompts eine Möglichkeit, um unterschiedliche Wissenbestände zu integrieren, aber auch, um eine Denkweise systematisch einzuüben, die die Nutzung unterschiedlicher Wissensbereiche für eine methodisch variantenreiche Unterrichtsgestaltung ermöglicht. Die vorliegende Studie sowie die Studie von Wäschle et al. (2015) zeigten jedoch, dass Prompts nicht ausreichen, um solche Denkweisen ausreichend zu initiieren. In einer Vorstudie wurde daher erprobt, wie angehende Lehrkräfte ergänzend durch a) die Einbettung in eine Praxissituation und b) die systemati-
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sche Modellierung im Sinne des Cognitive Apprenticeship dabei unterstützt werden können, Defizite in den Metaprozessen zu überwinden. Diese Vorstudie wurde mit angehenden Geographie-Lehrkräften durchgeführt und bezog sich auf die Themen Vulkanismus und Visualisierungen. Einbettung in eine Praxissituation Um das Lernprotokoll bewusst als Methode einzuführen, die auch nach dem Studium genutzt werden kann, wurden die Teilnehmenden dazu aufgefordert, sich in eine Situation während des Referendariats zu versetzen. Sie sollten sich beim Schreiben des Lernprotokolls vorstellen, sie hätten drei Texte zur Vorbereitung auf ein Gespräch mit ihrer Betreuungslehrkraft erhalten und sollten als Vorbereitung auf dieses Gespräch ein Lernprotokoll verfassen. Im Anschluss wurde die fiktive Situation mithilfe passender Anwendungsaufgaben weitergeführt. Die Teilnehmenden sollten beispielsweise passende Graphiken auswählen und ihre Auswahl gegenüber der Betreuungslehrkraft begründen. Diese Einbettung erzeugt einen direkten Bezug zu späteren Phasen der Lehrerbildung. Systematische Modellierung durch Cognitive Apprenticeship Der Ansatz des Cognitive Apprenticeship, auch kognitive Meisterlehre genannt (z. B. Collins, Brown & Newmann, 1989), nutzt die Vorteile der praktischen Ausbildung beim Erlernen von theoretischen Inhalten und zielt darauf ab, träges Wissen zu verhindern (Renkl, 1996). Die einzelnen Schritte einer Aufgabe werden dem Lernenden vorgeführt, sodass sie nachvollziehbar werden und später selbst ausgeführt werden können: Zunächst werden alle Schritte gezeigt und die kognitiven Prozesse expliziert (Modeling). Anschließend führt der Lernende die Schritte unter Anleitung selbst aus (Scaffolding). Dabei wird das Vorgehen verbessert und korrigiert (Coaching), bevor die ganze Aufgabe ohne Unterbrechung selbstständig gelöst wird. Durch das langsame Ausschleichen (Fading) der Unterstützung tritt die Instruktion in den Hintergrund und der/die Lernende wird selbstständig. Um den Studierenden ein Modell für kognitive und metakognitive Prozesse bei der Verknüpfung verschiedener Wissensbereiche zu geben, wurde ihnen zunächst ein ganzes exemplarisches Lernprotokoll als Fließtext vorgelegt. Anschließend bekamen sie das Bespiel noch einmal, allerdings so strukturiert, dass in der linken Spalte das Beispiel zu sehen war und in der rechten Spalte die korrespondierende Lernstrategie genannt und erläutert wurde (Artikulation). Auf diese Weise wurden alle möglichen Lernstrategien mindestens einmal dargestellt (Modeling). Im zweiten Teil des Lernprotokolls waren die Lernstrategien lediglich benannt und die Lernenden sollten erklären, weshalb es sich um die genannte Lernstrategie handelt. Im dritten Teil des Beispiels waren nur noch die Wech-
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sel zwischen den Lernstrategien markiert. Die Lernenden sollten selbst herausfinden, um welche Strategie es sich handelt, und diesen Denkprozess in eigenen Worten notieren. Im letzten Teil mussten auch die Wechsel zwischen den Lernstrategien eigenständig erkannt werden. Durch diese Abstufung (Scaffolding und Fading) der Unterstützung konnten sich die Lernenden die Anwendung der Lernstrategien selbst erklären und die Denkprozesse systematisch einüben. Die ersten Auswertungen zeigen, dass die Lernenden die Lernprotokolle stärker nutzen, um Kohärenz zu erzeugen, sich weniger auf Aspekte aus einzelnen Texten, dafür stärker auf konkrete Unterrichtssituationen bzw. die konkrete Umsetzung der Textinhalte in Unterrichtssituationen fokussieren. Das folgende Beispiel zeigt einen Ausschnitt aus einem integrierenden Lernprotokoll: Beim Unterrichten von Vulkantypen ist es besonders hilfreich sich einer realistischen Zeichnung zu bedienen. An die Zeichnungen dieser beiden Vulkantypen kann ich mich selbst aus der Schulzeit erinnern. Anhand dieser können die beiden Vulkantypen Schildund Schichtvulkan vereinfacht dargestellt werden. Um eine integrierte Präsentationsform zu verfolgen, sollten einzelne Elemente der Zeichnung beschriftet sein. Da SuS [Schülerinnen und Schüler] glauben, dass Magma aus dem heißen Kern der Erde kommt, ist es hilfreich, den oberen Mantel und die Kruste ergänzend einzuzeichnen. So kann dem Präkonzept entgegengewirkt werden. Unter die Zeichnungen können außerdem Beispiele eines solchen Vulkantyps eingetragen werden (Mauna Loa vs. Vesuv).
Hier zeigt sich im Vergleich zu den Vorläuferstudien eine deutlich tiefere Integration des Wissens: Der Teilnehmende verknüpft sowohl Informationen aus dem fachwissenschaftlichen Text (Vulkantypen) mit Informationen aus dem bildungswissenschaftlichen Text (Wissen über geeignete Visualisierung) als auch beides mit der eigenen Erfahrung aus der Schulzeit sowie Informationen aus dem fachdidaktischen Text (Prä-Konzept über Magmaentstehung). Insgesamt wurden Inhalte aus allen drei Texten miteinander verbunden und konkret auf die Anwendung im Unterricht bezogen. Fazit: Lernprotokolle haben durchaus Potenzial für die Herstellung vertikaler und horizontaler Kohärenz im Lehramtsstudium. Allerdings müssen die angehenden Lehramtsstudierenden bei der Herstellung von Kohärenz stark unterstützt werden, damit sie Denkweisen einüben, die eine bessere Integration und einen besseren Transfer begünstigen, und ihr Wissen nicht träge bleibt. Integrierende Lernprotokolle könnten begleitend zu Veranstaltungen im Bereich Bildungswissenschaft angeboten werden, müssten jedoch explizit angeleitet werden. Möglich wäre auch, das vernetzende Lerntagebuch in ein studienbegleitendes Portfolio einzubinden, um einen stärkeren Fokus auf die Herstellung beider Kohärenzarten (vertikal und horizontal) zu legen. So würden alle Lehramtsstudierenden, unabhängig von der gewählten Fächerkombination, angeregt, Wissen aus den unterschiedlichen Veranstaltungen zusammenzuführen. Die längerfristigen
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Effekte solcher integrierenden Lernprotokolle zu untersuchen, wäre ein interessantes Thema für eine empirische Längsschnittstudie. Literatur Ball, D. L. (2000). Bridging practices: Intertwining content and pedagogy in teaching and learning to teach. Journal of Teacher Education, 51(3), 241–247. Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9(4), 469–520. Berthold, K., Nückles, M., & Renkl, A. (2007). Do learning protocols support learning strategies and outcomes? The role of cognitive and metacognitive prompts. Learning and Instruction, 17(5), 564–577. Collins, A., Brown, J. S., & Newmann, S. E. (1989). Cognitive apprenticeship: Teaching the crafts of reading, writing, and mathematics. In R. Glaser & L. B. Resnick (Hrsg.), Knowing, learning, and instruction: Essays in honor of Robert Glaser (S. 453–494). Hillsdale: Lawrence Erlbaum Associates. Darling-Hammond, L. (2006). Constructing 21st-century teacher education. Journal of Teacher Education, 57(3), 300–314. Henke-Bockschatz, G. (2004). Der „Holocaust“ als Thema im Geschichtsunterricht. Kritische Anmerkungen. In W. Meseth, M. Proske, & F.-O. Radtke (Hrsg.), Schule und Nationalsozialismus: Anspruch und Grenzen des Geschichtsunterrichts (S. 298–322). Frankfurt: Campus. Hübner, S., Nückles, M., & Renkl, A. (2010). Writing learning journals: Instructional support to overcome learning-strategy deficits. Learning and Instruction, 20(1), 18–29. Loewenberg Ball, D. & Forzani, F. M. (2009). The work of teaching and the challenge for teacher education. Journal of Teacher Education, 60(5), 497–511. Mommsen, H. (1983). Die Realisierung des Utopischen: Die „Endlösung der Judenfrage“ im „Dritten Reich“. Geschichte und Gesellschaft, 3, 381–420. Nückles, M., Hübner, S., & Renkl, A. (2012). Fostering self-regulated learning by journal writing. In J. R. Kirby & M. J. Lawson (Hrsg.), Enhancing the quality of learning (S. 178–200). Cambridge: Cambridge University Press. Reigeluth, C. & Stein, F. S. (1983). The elaboration theory of instruction. In C. M. Reigeluth (Hrsg.), Instructional-design theories and models (S. 335–381). Hillsdale: Lawrence Erlbaum Associates. Renkl, A. (1996). Träges Wissen: Wenn Erlerntes nicht genutzt wird. Psychologische Rundschau, 47, 78–92. Renkl, A. (2008). Lehren und Lernen im Kontext der Schule. In A. Renkl, A. (Hrsg.), Lehrbuch Pädagogische Psychologie (S. 109-153). Bern: Huber. Shulman, L. S. (1986). Those who understand: Knowledge growth in teaching. Educational Researcher, 15(2), 4–14. Wäschle, K., Lehmann, T., Brauch, N., & Nückles, M. (2015). Prompted journal writing supports preservice history teachers in drawing on multiple knowledge domains for designing learning tasks. Peabody Journal of Education, 90(4), 546–559. Wegner, E., Anders, N., & Nückles, M. (2014). Student teachers’ perception of dilemmatic demands and the relation to epistemological beliefs. Frontline Learning Research, 2(3), 46–63. Weinstein, C. E. & Mayer, R. E. (1986). The teaching of learning strategies. In M. C. Wittrock & American Educational Research Association (Hrsg.), Handbook of research on teaching (S. 315–327). New York: Macmillan. Wittwer, J., & Renkl, A. (2010). How effective are instructional explanations in example-based learning? A meta-analytic review. Educational Psychology Review, 22(4), 393–409.
7 Kohärenz zwischen Hochschulstudium, Berufspraxis und professioneller Weiterbildung
7.1
Bridging the theory-practice gap in teacher education: The design and construction of simulation-based learning environments
Karen De Coninck, Martin Valcke, Ine Ophalvens, Ruben Vanderlinde Ghent University Keywords: simulation-based learning environments, design principles, parentteacher communication Clinical simulations have recently been presented as a promising instructional strategy to overcome the theory-practice gap in teacher education. Taking this into account, this chapter aims to enhance insight into the core ideas underlying the design and construction of simulation-based learning environments. For this purpose, this chapter first presents a general design framework. Next, the construction process and two prototypes of simulation-based learning environments in the context of parent-teacher communication — an online and a face-to-face prototype — are described. A pilot implementation of the prototypes reflects a positive student appreciation with a slightly higher appreciation for the face-to-face prototype. The chapter concludes by discussing implications for future teacher education programs and research.
Introduction One of the major and enduring problems in teacher education is the theorypractice gap. This gap refers to the discrepancy novice teachers encounter between the nature of their teacher preparation program and their experiences as licensed professionals (Korthagen, 2001; Korthagen & Kessels, 1999). Furthermore, the theory-practice gap is often linked to a technical rationality approach in teacher education. This points to the assumption that the mastery of general or propositional (declarative) knowledge will automatically lead to its application. In this sense, knowledge is considered to be of value for its own sake, independent of its potential relevance in professional contexts (see e. g., Kielhofner, 2005). To overcome this problem, clinical simulations have recently been put forward as a promising instructional approach in the field of teacher education (Dotger, 2013; Grossman, 2010). Clinical simulations offer “clinically rich learning opportunities where all participating (student) teachers experience, practice, reflect on, and build from discreet professional experiences that closely approximate realistic problems of practice” (Dotger, 2013, p. 9). In essence, simulations are designed settings in which the transfer of knowledge into © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_17
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professional action is enhanced by providing the student teacher with authentic learning opportunities to actively practice and develop their professional competency (Dotger, 2013). Although clinical simulations are new and innovative in the context of teacher education, they have been used as an educational tool in disciplines such as aviation, the military, medicine, and nursing for many years (see e. g., Aper, 2015; Boril, Leuchter, Smrz, & Blasch, 2015; de Oliveira et al., 2015; Drews & Backdash, 2013; Lateef, 2010). In these disciplines, simulations are used to replace or amplify real-world practice, which, otherwise, can be too risky, unethical, costly, or difficult to organize. Similarly, the educational literature started to point at the advantages of using clinical simulations in the context of teacher education, such as incorporating immediate feedback and advice, providing scenarios that are ethically or logistically difficult to create in the realworld, allowing mistakes to be made without harming others, giving the opportunity to pause or repeat, enabling students to collaborate and share experiences, and viewing the effects of decisions from multiple perspectives (Badiee & Kaufmann, 2015; Dotger, 2013; Ferry, Kervin, Cambourne, Turbill, & Puglise, 2004; Gibson, Knezek, Redmond, & Bradley, 2014). However, in order to realize the potential of a simulation in the context of teacher education, they must be both cleverly designed and embedded in a supportive learning environment (see e. g., Badiee & Kaufman, 2015; Dieker, Rodriguez, Lignugaris/Kraft, Hynes, & Hughes, 2014; Dotger, 2013; Ferry, Kervin, & Carrington, 2009; Ferry et al., 2004). As such, this chapter puts forward the term “simulation-based learning environments”, which can be described as supportive learning environments where clinical simulations are embedded and combined with effective instructional strategies in order to support the student teachers’ learning process. Accordingly, the following research question is explored in this chapter: how to design and construct simulation-based learning environments in the context of teacher education? In view of this research question, this chapter first presents a theoretical framework in which the core ideas underpinning the design of simulation-based learning environments in teacher education are explored. This section starts by addressing the current competence-based approach toward teacher education programs, and, accordingly, puts forward four critical design principles. Next, the chapter — through the description of two prototypes of simulation-based learning environments focusing on parent-teacher communication — illustrates how these design ideas can be operationalized. The following section then further explores how these newly developed prototypes are perceived by student teachers. Finally, implications for future teacher education programs and future research are discussed.
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Toward a framework underpinning the design of simulation-based learning environments in teacher education Currently, teacher education programs are increasingly based on competence frameworks describing the key competences needed to become a high-quality teacher (European Commission, 2013). Competences are usually approached as complex combinations of knowledge, skills, understanding, values, attitudes, and desire, leading to effective action in particular situations (Caena, 2014; Deakin Crick, 2008). Teacher education programs, accordingly, are expected to help student teachers to attain the teacher competences included in the teacher competence frameworks. In view of this competence-based approach, Blömeke, Gustafsson and Shavelson (2015) recently presented a conceptual model. Building on a literature review, they argue that competences and competence development should be viewed along a continuum. On the left side of the continuum, Blömeke et al. (2015) state that competences represent dispositions. These dispositions cover both cognitive and affective-motivational components. On the right side of the continuum, competences represent performance as observable behavior. Hence, competences are conceptualized as cognitive and affective-motivational dispositions that will, eventually, affect future performance as observable behavior. In view of this process, Blömeke et al. (2015) draw attention to the importance of situation-specific skills as these skills link both sides of the continuum. Put differently, competence development evolves through three interconnected processes that become active when being confronted with complex situations: (1) perceiving particular events or identifying what is important in a setting, (2) interpreting these perceived events, and (3) decisionmaking as a response to the event. The focus on these so-called PID-skills reappears in various frameworks about teacher competences, capacities, and abilities; see, for example, the reflection framework of Korthagen (2004), teacher efficacy models (Tschannen-Moran, Hoy, & Hoy, 1998), pedagogical thoughts models (Shavelson & Stern, 1981), and approaches stressing differences between novice and expert teachers (Borko & Livingston, 1989; Westerman, 1991). The competence-based approach to teacher education programs also has clear implications for the design of simulation-based learning environments. This approach suggests that the design of simulation-based learning environments in teacher education should be directed toward the development of student teachers’ dispositions (i. e., cognition and affect-motivation), situation-specific skills, and performance. As such, four critical principles underpinning the design of simulation-based learning environments in teacher education can be put forward: (1) build on a structured theoretical background, (2) engage students in real-
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world learning contexts, (3) invoke a cyclical process including concrete simulation-based experiences, feedback, and reflection, and (4) foster collaborative participation. The design principles are grounded in key theories on learning, cognition, and emotion. They especially build on previous studies focusing on clinical simulations in the context of teacher education (Badiee & Kaufman, 2015; Dieker et al., 2014; Dotger, 2013; Gartmeier et al., 2015;;) as well as in theories developed in the context of nursing and medical educational simulations (see e. g., Issenberg, Mcgaghie, Petrusa, Gordon, & Scalese, 2005; Jeffries, Rodgers, & Adamson, 2015;). Furthermore, the design principles are inspired by theories concerning teachers’ professional development (Merchie, Tuytens, Devos, & Vanderlinde, 2016) and by the insights from expert-novice studies (see e. g., Borko & Livingston, 1989). (1) Provide teachers with a structured theoretical background Simulation-based learning environments should draw from a structured theoretical background (see e. g., Gartmeier et al., 2015). Put differently, simulation-based learning environments should be designed toward clear learning objectives or a set of performance targets that are believed to be crucial for the competence area at stake (Dieker et al., 2014; Issenberg et al., 2005; Jeffries, Rodgers, & Adamson, 2015). This theoretical background provides student teachers with a common lens for feedback and supervision, and, as such, increases the consistency of the learning program (Ferry et al., 2009; Gartmeier et al., 2015; Grossman, 2010). Ultimately, this supports the construction of student teachers’ cognitive schemata or so-called mental models that guide their actions when confronted with new situations. Expert-novice research has shown that expert teachers possess, to a larger extent, such cognitive schemata (e. g Berliner, 2001; König & Kramer, 2016). (2) Engage students in a real-world learning context Several theories emphasize the importance of involving learners in authentic learning contexts, for example, the experiential learning theory (Kolb, 1984), the social cognitive theory (Bandura, 1977; 1997), and situated cognition (Brown, Collins, & Duguid, 1989). Accordingly, this design principle stresses that simulation-based learning environments should be structured around authentic, relevant, and real-world tasks and scenarios that are both of interest to the learners and respond to their actual competence level at that time (see e. g., Dotger, 2013; Gibson et al., 2014; Herrington, Oliver, & Reeves, 2003). Moreover, student teachers should believe that learning experiences are realistic as this triggers their feelings of personal responsibility (Dieker et al., 2014).
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(3) Provide a cyclic process including concrete simulation-based experiences, feedback, and reflection Simulation-based learning environments represent an experience-based type of learning. Following Kolb’s (1984) experiential learning theory, this suggests being involved in four phases: (1) having a concrete experience followed by (2) observation of and reflection on that experience, which leads to (3) the formation of abstract concepts and generalizations that are then used for (4) experiments in future situations, resulting in new experiences. Learners need multiple iterations of this experiential learning cycle until their competence level has reached a sufficient level. In line with this approach, researchers in both medical/nursing education (e. g., Fanning & Gaba, 2007; Issenberg et al., 2005) and teacher education (e. g., Badiee & Kaufman, 2015; Dieker et al., 2014; Dotger, 2013) support that simulation-based learning environments should invoke a cyclic interaction between concrete experiences, feedback, and reflection (e. g., Badiee & Kaufman, 2015; Dieker et al., 2014; Dotger, 2013). (4) Engage students in collaborative participation Finally, grounded in social cognitive theory (Bandura, 1977; 1997), the zone of proximal development and scaffolding (Vygotsky, 1978), and situated learning (Lave & Wenger, 1991), the fourth design principle stresses the need to engage students in collaborative learning opportunities (see also Merchie et al., 2016). Student teachers should get the opportunity to share their experiences as reflected in the cyclic process of having concrete experiences, getting/giving feedback, and invoking reflection. From theory to practice: Toward two prototypes of simulation-based learning environments in teacher education To illustrate how the design framework presented above influences the construction of simulation-based learning environments in teacher education, this section describes the creation of two prototypes of simulation-based learning environments. The central aim of these prototypes is to enhance student teachers’ preparation for parent-teacher communication, as the theory-practice gap is particularly visible in this competence area (see e. g., de Bruïneet al., Willemse, D’Haem, Griswold, Vloeberghs & van Fynde, 2014; Epstein & Sanders, 2006; EVALO, 2012; Evans, 2013). Also, research shows that student teachers get limited opportunities to engage and practice the competences needed to communicate successfully with parents or their so-called parent-teacher communication competences (PTCC) (De Coninck, Vanderlinde, & Valcke,
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2018). Whereas lectures and reading are mostly adopted as instructional formats, active and authentic learning opportunities remain scarce in this domain (de Bruïne et al., 2014; Epstein & Sanders, 2006; Evans, 2013; Shartrand et al., 1997). As a result, student teachers’ PTCC are not developed to a sufficient level by the time they graduate (e. g., EVALO, 2012). This explains why simulationbased learning environments are a promising way forward in this domain (see e.g., Dotger, Harris, & Hansel, 2008; Gartmeier et al., 2015). As presented in figure 1, the construction of the two prototypes of simulation-based learning environments supporting the development of student teachers’ PTCC, was built on the design framework presented above. Figure 1 illustrates into detail how the four design principles were operationalized. During this process, and following the guidelines of educational design research (McKenney & Reeves, 2012), both practitioners (i. e., teacher educators) and stakeholders (i. e. teachers, parents, student teachers) were consulted.
Fig. 1: Operationalizing the model’s design principles First of all, figure 1 illustrates how the first design principle – providing student teachers with a structured theoretical background – was operationalized by focusing the prototype design on the PTCC model (De Coninck et al., 2018) based on work by Walker and Dotger (2012) and Gartmeier, Bauer, Fischer, Karsten and Prenzel (2011). The PTCC model represents a conceptual understanding of what constitutes successful parent-teacher communication (see figure 2). This theoretical background helps determine the goals or performance targets directing the prototype design, but also offers a theoretical framework
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that directs the way student teachers will understand their competence-related development. Importantly, the PTCC model is presented to the student teachers during a brief introductory session. (1) Sequencing of an effective parent-teacher conference Teacher immediately establishes a context for the conversation by (1) greeting the parent in a friendly manner, and (2) clarifying the goals of the parent-teacher conference. Teacher gathers pertinent information from the Gathering parent by (1) asking questions and (2) information listening actively. Teacher explains the situation from his/her point of view by (1) giving concrete Sharing information and examples, and (2) information communicating in a way that the parent can understand. Teacher reaches agreement on a promising Reaching course of action by (1) suggesting potential solutions to the situation and (2) incorporating agreement parents’ ideas if possible. Teacher closes the conversation in a positive way by (1) agreeing on how to monitor Positive progress and to cooperate further, and (2) closing saying goodbye to the parent in a friendly manner. (2) Psychological structures of an effective parent-teacher conference Positive opening
Accepting parents’ emotions Maintaining a positive relationship
Teacher accepts the emotions of parents by (1) recognizing emotions and letting parents vent their feelings, and (2) expressing empathy for parents’ emotional state. Teacher maintains a positive interpersonal relationship with parents by (1) being friendly and encouraging − regardless of the parent’s behavior − and (2) showing interest in and understanding of the situation.
MANAGING FLOW
(1b) Final phase
(1a) Initial phase
Teacher manages the structure of the parent-teacher conference to guarantee efficiency through (1) time management and (2) using authority.
Teacher manages the flow of the parent-teacher conference by (1) managing the emotions of the parent and (2) keeping the conversation focused on the subject.
Fig. 2: The PTCC model (De Coninck et al., 2018; Gartmeier et al., 2011; Walker & Dotger, 2012) As illustrated in figure 2, the PTCC model conceptualizes successful parentteacher communication following two dimensions: (1) being able to follow a successful sequence in a parent-teacher conference, and (2) adopting supportive
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psychological structures. The first sequencing-dimension describes subsequent steps teachers can follow in order to communicate successfully with parents. These steps can be divided into two phases: (1a) sequencing in the initial phase, in which the central steps are a positive opening, gathering information, and sharing information, and (1b) sequencing in the final phase, in which reaching an agreement and a positive closing are important steps. The second dimension, related to the adoption of psychological structures, stresses the importance of maintaining a positive interpersonal relationship between teachers and parents and accepting parents’ emotions. At a meta-level, the PTCC model acknowledges the importance of managing the flow of both the sequencing and the psychological structure of parent-teacher conferences. Next, figure 1 shows how the second design principle – offering an engaging real-world learning context – was operationalized by creating both online and face-to-face simulations representing authentic and realistic learning environments in which student teachers can actively practice their PTCC. The simulations were based on nine authentic cases. All cases represent realistic scenarios concerning parent-teacher communication and were taken from the literature about parent-teacher communication, the analysis of student teacher portfolios about their field experiences, observations of real-life parent-teacher conferences, and interviews with parents, teachers, and teacher educators. Some cases were adapted from Dotger (2013). The simulations cover a range of common topics and themes concerning parent-teacher communication. Furthermore, each case focuses on a particular phase or dimension of the PTCC model. Three cases are particularly challenging with regard to the sequencing of a parent-teacher conference in the initial phase, three cases are particularly challenging with regard to the sequencing of a parent-teacher conference in the final phase, and three cases are particularly challenging with regard to the psychological structures of a parent-teacher conference. To guarantee that the simulations were within student teachers’ zone of proximal development, the cases vary in their difficulty level and, therefore, should be implemented following this order. An online simulation followed a clear scenario: (1) reading an online introduction to the case, and (2) watching a related, frequently paused video clip showing a simulated parent-teacher conference. At each pause, participants are requested to write down what they would do or say at that particular moment. Hence, to construct these online simulations, both written introductions and video clips were developed and, accordingly, implemented in an online learning environment. It is important to note that a turning moment was built into each online simulation. This turning moment reflects the phase or dimension of the PTCC model on which the simulation focuses (i. e. sequencing in the initial
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phase, sequencing in the final phase, or psychological structures). Depending on participants’ (re)actions at this particular moment, different video clips follow. If a participant gives a desirable answer, video clips follow in which parents/pupils are rather willing to cooperate and the conference consequently ends positively. If a participant gives a less desirable answer, video clips follow in which parents/pupils are less willing to cooperate and the conference ends in a rather negative way. A face-to-face simulation included (1) reading an introduction to the case and (2) engaging with standardized individuals in a real-time simulated parentteacher conference. To construct these face-to-face simulations, Dotger’s (2013) guidelines were followed. As such, introductions or so-called student teacher protocols were developed. Besides, actors were recruited and trained to play the role of a standardized parent or pupil. The role of the parents was played by carefully trained (semi)professional actors. The term “standardized individuals” denotes that individuals were carefully trained to portray their role in an established, standard manner that closely adheres to a case-based interaction protocol. This ensures that all student teachers encounter similar situations. When applicable, the role of the pupils was played by carefully trained undergraduate educational sciences students. As in the online simulations, a turning moment – reflecting the phase or dimension of the PTCC model on which the simulation focuses – was built into each face-to-face simulation. In this respect, actors were given clear guidelines on how to trigger participants and how to respond to their (re)actions. Hence, the roles of the parents/pupils were designed in such a way that they reflected particular challenges related to the phase or dimension of the PTCC model on which the simulation focused. Actors were trained to be more cooperative if participants responded well to the key challenges incorporated in the simulation, and to offer more resistance if participants’ (re)actions were less desirable. Finally, figure 1 illustrates how the third and fourth design principle – invoking a cyclic process including concrete experiences, feedback, and reflection, and fostering collaborative participation – were covered by combining the online and face-to-face simulations with a training session and a reflection session. During a training session, three student teachers collaborated by sharing their personal simulation-based experiences, including their feedback. Each student teacher actively practices his/her PTCC during an online or face-to-face simulation. This performance is observed and evaluated by two of their peers whom they receive feedback from. Alternately, each student teacher observes and evaluates the performance of two peers during an online or face-to-face simulation and gives feedback to them. In order to structure this feedback process, student teachers are provided with a rubric representing the PTCC
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model. Taking into account that one training session encompasses three simulation-based experiences – one active experience and two second-hand experiences – student teachers experience three different cases. Interestingly, each case focuses on a different phase or dimension of the PTCC model: A case focusing on the sequencing of an effective parent-teacher conference in the initial phase, a case focusing on the sequencing of an effective parent-teacher conference in the final phase, and a case focusing on the psychological structures of an effective parent-teacher conference. As such, this training session addresses all essential features of the PTCC model. It is important to note that the training sessions including online simulations, and the training sessions including faceto-face simulations, are set up in a similar way. The main difference between them is the format of the training session: online versus face-to-face. When it comes to feedback, student teachers participating in online training sessions receive standardized feedback after submitting answers, whereas, in the face-toface training sessions, student teachers receive additional feedback from the actors. Next, each training session is followed by a reflection session in which nine student teachers (three groups of three students who took part in the training session) reflect together about their experiences during the training session. This process is guided by a coach who carefully triggers a discussion about what they perceived during the training sessions, how they interpreted this, and what decisions they consequently made (cf. PID-skills). Furthermore, the coach encourages student teachers to link their experiences and reflections to the PTCC model and clarifies the simulations’ central topics and themes. Additional background information and further reading are also provided. As such, the formation of abstract schemata and a deeper understanding are stimulated. This fits with the theoretical approach toward competence development as explained earlier. Is it worth the effort? Exploring student teachers’ perceptions of simulation-based learning environments After completing the design and construction process, the newly developed prototypes of simulation-based learning environments were implemented and tested in the context of a Flemish teacher education program (Belgium). In total, 323 student teachers participated in the study. Respectively, 233 and 99 were randomly assigned to either the online simulation prototype or the face-to-face simulation prototype. The total sample of student teachers included 64.6 % female participants and 35.4 % male participants. The average age was 23.9 years, vary-
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ing from 19 to 56 years. Most student teachers had no prior experiences with parent-teacher communication (55.6 %), whereas others did have some prior experiences outside (34.2 %) or within (10.2 %) an educational setting. In order to gain insight into the extent to which the newly developed prototypes were experienced as well-designed simulation-based learning environments and how they can be improved, participants were asked to rate several statements on a Likert scale ranging from 0 = completely disagree to 5 = completely agree. Participants were asked to rate statements concerning (a) the authenticity and engagement of the prototypes (e. g., “I think the learning environment was realistic”), (b) the training value of the simulation experience (e. g., “I think it was instructive to participate in a simulated parent-teacher conference”), (c) the added-value of the reflection sessions (e. g., “I think that the reflection sessions triggered me to reflect about my own behavior during the simulations”), and (d) their general appreciation of learning in the simulationbased learning environment (e. g., “I think that simulation-based learning environments should be used more often in the context of teacher education”). For each aspect or cluster, sum scores were calculated. Next, these sum scores were standardized in order to calculate Independent-Samples T-test in view of comparing the scores from participants in both prototype conditions. In addition, participants got the opportunity to clarify their ratings by writing additional comments. Together, this data set was helpful to understand how participants perceived both prototypes and how future prototypes can be improved. In general, the descriptive results indicated that both prototypes were positively evaluated as all average statement scores and standardized average cluster scores were above three. This suggests that both prototypes represent welldesigned simulation-based learning environments offering a rich learning context. A detailed overview of descriptive results is provided in the appendix. When comparing student teacher responses after working in different prototype conditions, results showed that student teachers involved in the face-toface prototype were usually more positive, compared to those involved in the online prototype. First of all, (a) the authenticity and engaging nature of the faceto-face prototype was rated significantly higher (M = 3.97, SD = .69) than the online prototype (M = 3.81, SD = .66); d = 0.24, t(302) = -1.99, p = 0.05. Furthermore, significant differences were found with regard to (b) perceived training value and (d) the general appreciation of learning in simulation-based learning environments. Participants involved in the face-to-face prototype were more positive about the training sessions (M = 4.3, SD = .61), than those involved in the online prototype (M = 3.5, SD = .72); d = 1.01, t(302) = -9.1, p < .01. Besides, the face-to-face prototype were generally higher appreciated (M = 4.21,
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SD = .85) than the online prototype (M = 3.24, SD = 1.04); d = .99, t(220) = 9.61, p < .01. In their written comments, participants of the face-to-face prototype often explained that they experienced the face-to-face simulations as a realistic opportunity to practice their PTCC because “you really had to react as you will have to do in reality”. Apparently, this high sense of reality or authenticity during practice was decisive for student teachers. They considered the face-to-face simulations to be very instructive and a good preparation for their future practice. Interestingly, student teachers valued the reactions of the actors during face-to-face simulations as the most instructive feedback: “The actors’ reactions were instructive because you sometimes don’t know how others interpret your actions. The reactions gave me insight into how it feels to sit on the other side of the table as a parent”. Participants in the online simulations often mentioned that the online simulations triggered their reflective thinking processes. However, they also mentioned that the online simulations felt less realistic: “Through the online simulations I could think more thoroughly about how to handle the conversation. Maybe you think more than when you immediately have to react, like in reality. In real-life you obviously do not have this opportunity, but because we are still learning I believe that this extra time to think about your actions is very good”. As such, some student teachers suggested that, in addition to the online simulations, real practice is still needed in order to be fully prepared: “After a couple of online simulations, I would have liked more direct interactivity, such as actually conducting a real-life parent-teacher conference”. Finally, it is important to note that, in both prototypes, student teachers acknowledged that it was very instructive to observe others conducting a parent-teacher conference: “By observing how others dealt with particular situations, I had the feeling that I could expand my ideas and approaches”. Although the face-to-face prototype was usually valued more positively as compared to the online prototype, this did not hold for student teacher perceptions about (c) the added value of the reflection sessions. The results showed that students who interacted with the online prototype rated the reflection sessions significantly higher (M = 3.87, SD = .88), than those in the face-to-face prototype (M = 3.40, SD = 1.11); d = -0.49, t(151) = 3.65, p = .00. Although these sessions were set up in a similar way, participants involved in the online prototype explained that the reflection sessions were “very much needed in addition to the training sessions”. In contrast, participants in the face-to-face simulations considered the reflection sessions less valuable because they already learned a lot during the actual training sessions; including the immediate feedback from students and actors.
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Discussion and conclusion Taking into account that simulation-based learning environments can help bridge the theory-practice gap in teacher education, this chapter explored the core ideas underpinning their design and construction. First, a general design framework was presented. This theoretically grounded design framework can be considered as the first important step toward a more comprehensive theoretical basis underlying the design and evaluation of simulation-based learning environments in the context of teacher education. Thereafter, grounded in the framework’s design ideas, the construction of two prototypes of simulation-based learning environments supporting the development of student teachers’ PTCC was described. This section exemplified how the design framework can be used to construct simulation-based learning environments in the context of parentteacher communication. In addition, building on student teachers’ positive evaluation of both prototypes, the chapter provided the first empirical underpinning of the design framework and its operationalization. Hence, this chapter offers interesting perspectives for both practitioners and researchers in the field of teacher education. This chapter might inspire teacher educators to design and construct new simulation-based learning environments supporting student teachers’ competence development. Teacher educators can adapt the design framework to construct new prototypes of simulation-based learning environments and they can implement their simulation-based learning environments in their own practice, and, as such, help bridge the theory-practice gap in teacher education. However, the theoretical and empirical basis underlying the use of simulation-based learning environments in the context of teacher education is still in its infancy. More research concerning the design, construction, and impact of simulation-based learning environments in the context of teacher education is needed in order to reach its full potential. Taking this into account, this chapter can be considered as a first step. In particular, the design framework presented in this chapter represents an interesting theoretical basis for setting up future intervention studies following a pre-test/post-test design. Such intervention studies are needed to gain empirical insights into the impact of simulation-based learning environments on the development of student teachers’ competences. In turn, these empirical findings can be used to refine, optimize, and strengthen the proposed design framework. Hence, in line with the guidelines of educational design research (McKenny & Reeves, 2012), this will, again, result in the construction of new and better prototypes. Against this background, the prototypes presented in this chapter have already been incorporated into a teacher education intervention to study their im-
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pact on student teachers’ PTCC development. Preliminary results indicate that both prototypes positively influence student teachers’ self-efficacy beliefs as well as PID-skills and that their general beliefs remain stable. Future studies will report thoroughly on the results of this study. Literature Aper, L. (2015). Teaching and learning the art of conducting consultations: exploring effective and efficient training opportunities within the medical curriculum. Doctoral dissertation, Ghent University. Badiee, F. & Kaufman, D. (2015). Design evaluation of a simulation for teacher education. Accessed on April 2018 from http://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1177/2158244015592454 Bandura, A. (1977). Self-efficacy: Towards a unifying theory of behavioural change. Psychology Review, 84(2), 191–215. Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. New York: Freeman. Berliner, D. C. (2001). Learning about and learning from expert teachers. International Journal of Educational Research, 35(5), 463–482. Blömeke, S., Gustafsson, J.-E., and Shavelson, R. J. (2015). Beyond dichotomies. Competence viewed as a continuum. Zeitschrift für Psychologie, 223(1), 3–13. Boril, J., Leuchter, J., Smrz, V., & Blasch, E. (2015). Aviation simulation training in Czech air force. Accessed March 2018 from http://ieeexplore.ieee.org/xpls/icp.jsp?arnumber=7311484 Borko, H. & Livingston, C. (1989). Cognition improvisation: Differences in mathematics instruction by expert and novice teachers. American Education Research Journal, 26(17), 473-498. Brown, J. S., Collins, A., & Duguid, S. (1989). Situated cognition and the culture of learning. Educational Researcher, 18(1), 32–42. Caena, F. (2014). Teacher Competence Frameworks in Europe: Policy‐as‐discourse and policy‐as‐ practice. European Journal of Education, 49(3), 311–331. de Bruïne, E., Willemse, T. M., D’Haem, J., Griswold, P., Vloeberghs, L., & van Eynde, S. (2014). Preparing teacher candidates for family–school partnerships. European Journal of Teacher Education, 37, 409–425. De Coninck, K. Valcke, M. & Vanderlinde, R. (2018). A measurement of student teachers’ parentteacher communication competences: The design of a video-based instrument. Journal of Education for Teaching, 44(3), 333–352. de Oliveira, S. N., do Pardro, M. L., Kempfer, S. S., Martini, J. M., Caravaca-Morera, J. A., & Bernandi, M. C. (2015). Experiential learning in nursing consultation education via clinical simulations with actors: Action research. Nurse Education Today, 35(2), 50-54. Deakin Crick, R. (2008). Key competencies for education in a European context. European Educational Research Journal, 7(3), 311–318. Dieker, L., Rodriguez, J., Lignugaris/Kraft, B., Hynes, M., & Hughes, C. (2014). The potential of simulated environments in teacher education: current and future possibilities. Teacher Education and Special Education, 37(1), 21–33. Dotger, B. H. (2013). “I had no idea”: Clinical simulations for teacher development. Charlotte: Information Age Publishing. Dotger, B. H., Harris, S., & Hansel, A. (2008). Emerging authenticity: The crafting of simulated parent-teacher candidate conferences. Teaching Education, 19, 335–347. Drews, F. A. & Backdash, J. D. (2013). Simulation training in health care. Reviews of Human Factors and Ergonomics, 8, 191–234.
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Bridging the theory-practice gap in teacher education
Appendix Table 1: Student teachers’ perceptions of the newly developed prototypes of simulation-based learning environments supporting their PTCC Statements (a) Authentic and engaging learning contexts I think the learning environment was realistic. I think the content of the cases was recognisable. I think that the simulations prepared me well for what will be expected from me in my future practice as a teacher. I think that the simulations’ difficulty level aligned what I could handle at that certain moment. (b) Training sessions I think it was instructive to actively participate in a simulated parent-teacher conference. I think the simulations prepared me well for what will be expected from me as a future teacher. I think it was instructive to receive feedback from peers. I think it was instructive to receive standardized feedback (online)/ feedback from the actors (face-to-face). I think the reactions of the parents (and pupils) during the simulated parent-teacher conference were also a kind of feedback. I think it was instructive to observe simulated parent-teacher conferences I think it was instructive to give my peers feedback with the help of a rubric. (c) Reflection sessions I think that the reflection sessions triggered me to reflect about my own behaviour during the simulations. I think that I have come to more profound understandings of parent-teacher collaboration and communication through the reflection sessions.
Prototype including online simulations (mean, [SD])
Prototype including face-to-face simulation (mean, [SD])
3.72 [1.00]
4.13 [.81]
4.00 [.90]
3.84 [.84]
3.45 [.99]
4.16 [.84]
4.05 [.91]
3.76 [1.09]
3.89 [1.01]
4.62 [.64]
3.45 [1.00]
4.16 [.84]
3.13 [1.21]
4.11 [.94]
3.51 [1.14]
4.33 [.82]
3.36 [1.27]
4.59 [.69]
4.04 [.91]
4.36 [.96]
3.16 [1.33]
3.82 [1.19]
3.82 [1.02]
3.25 [1.26]
3.86 [1.00]
3.27 [1.29]
280
I think that the reflection sessions provided sufficient tips and tricks which I can use in my future practice. (d) General I think that simulation-based learning environments are a suitable strategy to learn how to communicate successfully with parents. I think that simulation-based learning environments should be used more often in the context of teacher education.
Karen de Coninck et al.
3.94 [1.01]
3.68 [1.06]
3.35 [1.13]
4.44 [.81]
3.12 [1.29]
4.20 [1.04]
7.2
Einblicke in (In-)Kohärenzwahrnehmungen von Akteuren der Lehrerbildung zur Theorie-PraxisVernetzung
Martina von Gehlen1,2, Ulrike Dreher2, Lars Holzäpfel2, Wolfgang Hochbruck1 1 Albert-Ludwigs-Universität Freiburg 2 Pädagogische Hochschule Freiburg Keywords: Praxiskolleg, Schulnetzwerk, Community of Practice Bei der Umstellung auf eine Bachelor-/Masterstruktur für das Lehramtsstudium kooperieren die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und die Pädagogische Hochschule Freiburg im Freiburg Advanced Center of Education (FACE). Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts „Freiburger Lehramtskooperation in Forschung und Lehre [FL]² Kohärenz und Professionsorientierung“ wurde zur Förderung der Kohärenz von Theorie und Praxis der Lehrerbildung ein Praxiskolleg etabliert, das die Vernetzung aller Akteure der Lehrerbildung forciert. In Leitfadeninterviews mit Studierenden, Hochschulangehörigen, Lehrkräften und Vertretern der Bildungsverwaltung (N=24) wurden zu Projektbeginn 2016/17 deren Sichtweisen auf die Lehrerbildung und Wahrnehmungen von (In-)Kohärenzen expliziert. Die identifizierten Bedarfe dienten als Ausgangspunkte zur Entwicklung von Formaten zur Steigerung der vertikalen Kohärenz über alle drei Phasen der Lehrerbildung. Vernetzungsveranstaltungen sowie die Konsolidierung bzw. Etablierung eines Schulnetzwerks unterstützen die Überwindung einer phasenbedingten Fragmentierung und tragen dazu bei, dass sich ein aufeinander abgestimmtes Lehrerbildungssystem „aus einer Hand“ etabliert. Zur Steigerung der horizontalen Kohärenz wurden darüber hinaus die Inhalte der hochschulseitigen Begleitveranstaltungen an der PH erfasst, um sie den schulischen Ausbildungslehrkräften zugänglich zu machen.
Ausgangssituation Die fachliche Kompetenz, die angehende Lehrkräfte in ihrem Studium erlangen, war je nach Fach bislang nur teilweise auf die Anforderungen der Schule abgestimmt. Hinzu kam, dass das Studium in den Fachbereichen (einschließlich Erziehungswissenschaften) dezentral organisiert und verantwortet wurde. Kohärenz der Inhalte des Lehramtsstudiums ist daher eine große Herausforderung. Zur Kohärenzbildung werden gezielt Lehrmethoden eingesetzt, die Studierende bei der Theorie-Praxis-Verbindung unterstützen. Beispielsweise wird in der Unterrichtsvorbereitung ein kokonstruktiver Ansatz gewählt, bei dem Studierende und Betreuende gemeinsam Unterricht planen (Futter, 2017). Im Rahmen der Unterrichtsnachbereitung unterstützen Instrumente der Reflexion oder auch des (Peer-)Coachings die Verknüpfung von Theorie und Praxis (Kreis & Staub, © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_18
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Martina von Gehlen et al.
2017). Sowohl von Seiten der Hochschulen als auch der Staatlichen Seminare für Didaktik und Lehrerbildung (SSDL) werden Anstrengungen unternommen, um eine systematische Verknüpfung von Hochschullehre und Schulpraxis und damit Kohärenz zu erzielen. Studierende werden während ihrer schulpraktischen Studien von Lehrkräften bzw. Dozierenden (im gymnasialen Bereich von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der SSDL) begleitet. Um die Kohärenz der TheoriePraxis-Vernetzung nicht nur innerhalb der Hochschulen, sondern auch mit den weiteren beteiligten Institutionen zu gewährleisten, ist es erforderlich, diese Akteure in den Abstimmungsprozess der Inhalte und Ziele einzubeziehen. So kann ein in sich stimmiges und aufeinander aufbauendes kohärentes System der Aus- und Fortbildung entstehen, das über die erste Phase hinaus die Inhalte und Akteure der zweiten und dritten Phase einbezieht. Am Standort Freiburg kooperieren seit 2015 die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (ALU) mit der Pädagogischen Hochschule Freiburg (PH) im Freiburg Advanced Center of Education (FACE). Um die Kohärenz über alle drei Phasen der Lehrerbildung zu fördern wurde das Praxiskolleg eingerichtet. Kohärenz – Wahrnehmung und Bedeutung im Kontext von Gesundheitsforschung und Lehrerbildung In der Gesundheitsforschung wurde der Begriff der Kohärenz Ende der 1970er für eine neue salutogenetisch orientierte Sichtweise geprägt. Aaron Antonovsky (1998) stellte der dichotomen Vorstellung von Krankheit und Gesundheit das Konzept eines Kontinuums gegenüber. Er bezeichnete die kognitive und affektiv-motivationale Grundhaltung des Menschen als Kohärenzgefühl. Dieser Sense of Coherence (SOC) setzt sich zusammen aus dem Gefühl von Verstehbarkeit als kognitives Verarbeitungsmuster (kV), dem Gefühl von Handhabbarkeit bzw. Bewältigbarkeit als kognitiv-emotionales Verarbeitungsmuster (keV) und dem Gefühl von Sinnhaftigkeit bzw. Bedeutsamkeit als motivationale Komponente (mV). Er definiert das Kohärenzgefühl als eine globale Orientierung, die das Ausmaß ausdrückt, in dem jemand ein durchdringendes, überdauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, dass erstens die Anforderungen aus der inneren oder äußeren Erfahrenswelt strukturiert, vorhersagbar und erklärbar sind und, dass zweitens die Ressourcen verfügbar sind, die nötig sind, um den Anforderungen gerecht zu werden. Und drittens, dass diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Investition und Engagement verdienen. (Antonovsky, 1993, S. 12).
Antonovskys Modell der individuellen Kohärenzwahrnehmung im kontinuierlichen Feld von Gesundheit und Krankheit kann auf den Theorie-Praxis-Kontext
Einblicke in (In-)Kohärenzwahrnehmungen von Akteuren
283
der Lehrerbildung übertragen werden, indem die Vorstellung von Theorie einerseits und Praxis andererseits durch eine Vorstellung von Lehrerbildung als Kontinuum ersetzt wird (Dubs, 2008). Leonhard (2017) sieht den Umgang mit Theorie heute im Sinne eines Kontinuums als eine Praxis der Wissenschaft und den Umgang mit der Praxis als eine Praxis des Berufsfelds an. Kohärenz ist nicht nur als Planungs- und Gestaltungskriterium sinnvoll; es wird davon ausgegangen, dass Menschen Kohärenz assoziativ wahrnehmen. Im Falle erlebter Kohärenz ist „jedes Element (...) mit dem anderen verbunden und jedes stützt und stärkt die anderen“ (Kahneman, 2011, S. 70). Kohärenzempfinden ist damit ein zentrales Element der menschlichen Identität. Für die Zielsetzung des Praxiskollegs bedeutet dies, dass anhand solcher Sense of Coherence-Wahrnehmungen von Akteuren in den Institutionen der Lehrerbildung (Hochschule, Seminare, Schule und Bildungsverwaltung), Handlungsfelder fehlender Kohärenz identifiziert und Maßnahmen daraus abgeleitet werden müssen. Daher wurde eingangs eine Akteursbefragung durchgeführt; ausgewählte Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt. Akteursbefragung Zum Aufbau eines Schulnetzwerks sowie einer zentralen Vernetzungsstruktur über die drei Phasen der Lehrerbildung hinweg wurden zu Beginn des Projekts Aufgaben und Verantwortlichkeiten sowie Sichtweisen und Kohärenzwahrnehmungen der Akteure erhoben. Die aus diesem Material identifizierten Bedarfe dienten als Ausgangspunkte, um Formate für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu entwickeln. Zielsetzung Zur Erfassung der Ausgangssituation wurden leitfadengestützte Interviews mit ausgewählten Akteurinnen und Akteuren der Lehrerbildung durchgeführt. Diese dienten dazu, Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Erwartungen zu erfassen, Schnittstellen zwischen Institutionen aber auch zwischen Individuen zu identifizieren und die zentralen Herausforderungen benennbar zu machen. Hierbei zeigten sich bereits Synergien sowie denk- und planbare Maßnahmen zur Förderung der Kohärenz. Parallel hierzu konnten erste zielgruppenorientierte Maßnahmen in die Wege geleitet werden. Methode Von Mai 2016 bis Mai 2017 erfolgten 24 Interviews mit Dozierenden und Studierenden der ALU und der PH Freiburg, Personen der SSDL, des Staatlichen
284
Martina von Gehlen et al.
Schulamts sowie mit Schulleitungen und Lehrkräften verschiedener Schularten. Der Interviewleitfaden wurde mit Vertretern des Feldes einem Vorabtest unterzogen und angepasst. Die Interviews wurden transkribiert (Dresing & Pehl, 2013) und anonymisiert (Meyermann & Porzelt, 2014). Bei der Auswertung wurden Aspekte auftretender bzw. fehlender Kohärenzen identifiziert (Kuckartz, 2014, S. 109ff.). Hierbei wurde das Augenmerk auf Äußerungen assoziativer Wahrnehmungen gelegt. In einer offenen Codierung in Anlehnung an die Grounded Theory (Strauss & Corbin, 1996) wurden Äußerungen von Gefühlen oder Wahrnehmungen bezogen auf die drei von Antonovsky definierten Komponenten der Verstehbarkeit (strukturiert, vorhersagbar, erklärbar), Handhabbarbzw. Bewältigbarkeit (Ressourcen) und Bedeutsamkeit (Motivation) von (In-) Kohärenzen identifiziert und ausgewertet. Wahrnehmungen vorhandener oder fehlender Kohärenzen von Akteuren der Lehrerbildung Die qualitative Auswertung der Interviews bot Einblicke in Vorstellungen und Wahrnehmungen von Akteuren zur Kohärenz im Rahmen der bisherigen Lehrerbildung. Nachfolgend werden diese entlang der drei Phasen dargestellt. (In-)Kohärenzwahrnehmungen verschiedener Akteure in der 1. Phase Studierende nehmen wahr, inwieweit Hochschullehrende aus einer eigenen Schulpraxiserfahrung Bezüge herstellen können. Im Interview mit einer Studentin der PH kommt zum Ausdruck, dass sie sich wünscht, dass Hochschullehrkräfte Bezüge zur Schulpraxis authentisch herstellen: Ich finde es immer interessant, wenn Dozenten aus ihrer Lehrerzeit berichten. Weil das nochmal ein anderer Blickwinkel ist. Also manche haben da ein Wahnsinnsrepertoire an Wissen und immer, wenn sie dann so einen Einwurf bringen, denkt man sich: `Mehr! Mehr!` Weil das sind so die Sachen, wo man merkt, ja er kommt aus der Praxis und er kennt die Probleme, aber ja, wir sind da nicht alleine, und er redet da nicht einfach nur, weil er Dozent ist, sondern weil er Ahnung hat. Das ist schon (.), gibt dann nochmal so ein anderes Gefühl einfach. (Studentin, PH, vor dem 1. Staatsexamen, Zeilen 153–163)
Problematisch hieran ist für die Kohärenzkonstruktion, dass bisher Schulpraxis nur für die Einstellung von Professorinnen und Professoren an der Pädagogischen Hochschule gefordert wird; eine entsprechende Regelung für die mit dem Lehramt befassten Studiengänge an der ALU gibt es nicht. Eine Mitarbeiterin der Universität und Gymnasiallehrkraft sieht die Notwendigkeit, durch gezielte Abstimmungen zwischen den Akteuren Transparenz zu schaffen und Inhalte besser aufeinander abzustimmen:
Einblicke in (In-)Kohärenzwahrnehmungen von Akteuren
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Also, was brauchen die Lehrer? Die brauchen glaub ich, mehr Infos, was an der Uni läuft und was die [Anm.: Studierenden] mitbringen – deshalb könnte ein Schulnetzwerk hier ganz sinnvoll sein. (…) Die müssen miteinander reden. Nein, also ich glaub tatsächlich, das ist schon der Punkt. Also alle Akteure müssen immer zusammen an einen Tisch und müssen wissen, wovon sie reden. Also das ist meiner Meinung nach im Moment einer der Hauptprobleme, dass ich einerseits die Kohärenz will, die ist sinnvoll, und nachher vor allem auch aus jedem einzelnen Blick der Studierenden sinnvoll. Also der muss das Gefühl haben, das baut hier aufeinander auf. Meine Ausbildung ist eine kohärente, macht Sinn und damit bin ich nachher gestärkt an der Schule. (…) Also wenn man jetzt mal in diese in diese (…) Lehrerausbildung guckt, und es hätte sich geändert, so dass die Referendare und die Praktikanten nicht mehr sagen: 'Das haben wir schon alles gehört – oh, nicht schon wieder!'. Also, wenn wirklich dieser Begriff Kohärenz bei denen wirksam wird, dass die das Gefühl haben, das baut aufeinander auf. (Gymnasiallehrkraft/Mitarbeiterin ALU 2, 23.12.2016; Zeilen: 111–114, 448–459, 1000–1008)
Allerdings sehen nicht alle Studierenden eine Trennung zwischen Theorie und Praxis im Sinne der institutionalisierten Trennung von Lernorten als Dichotomie. Die folgende Aussage eines Absolventen der ALU zeigt seine Vorstellung eines Kontinuums von Theorie und Praxis, in dem er sich je nach Kontext bewegt und eine Schwerpunktsetzung nach Phasen für sinnvoll erachtet. Er sieht nicht nur die Hochschullehre als Theorie und Schulpraxis als Praxis an, sondern durchaus zwei Praxen, die dieses Referenzsystem aufweichen: Gerade weil ich glaube, dass man vieles am besten in der Praxis erst vollziehen und nachvollziehen kann, finde ich das Verhältnis von Theorie und Praxis gar nicht so unausgewogen im Lehramtsstudium. (…) Ich habe in den paar Monaten an der Schule die Erfahrung gemacht, (…) in den Themenbereichen, wo ich mich fachlich und inhaltlich sehr fit gefühlt habe, ist es mir sehr viel leichter gefallen, das dann auch methodisch und didaktisch aufzubereiten. Daher finde ich es gar nicht so verkehrt, im Studium auf die Theorie den Schwerpunkt zu legen. Es ist natürlich auf jeden Fall so, besonders an der Uni, dass das Studium klar auf die Theorie ausgerichtet ist. Ich meine, Theorie ist ja auch irgendwie ein Handeln und eine Praxis. Und jede Praxis fußt auch auf einer theoretischen Überlegung. Und auch wenn der theoretische Teil im Studium überwiegt, kommt die Praxis nicht ausschließend zu kurz, weil man da erstens mal den Grundstein legt, dann auch die Dinge vermitteln zu können. (…) Ich glaube auch, dass durch die theoretische Beschäftigung und durch ein Wissen, das man dadurch aufbaut, die Praxis als Lehrer später sehr viel einfacher ist. Zumindest hab' ich das so wahrgenommen in der Zeit an der Schule. (…) Ich finde, dass man das nicht so einfach gegenüberstellen kann und sich dann denken kann, man gewinnt aus der Theorie einfach konkrete Handlungsanweisungen, die man dann in der Praxis umsetzen kann. Ich finde, das ist immer was, was sich auch gegenseitig beeinflusst und deswegen, finde ich, ist es grundsätzlich auch nicht problematisch, wenn es Phasen gibt, in denen das eine mehr Gewicht hat, als das andere, weil sich das ja in der Regel später irgendwann wieder verkehrt und man dann in der Praxis auch von der theoretischen Vorarbeit zehren und profitieren kann. (Absolvent der ALU nach dem 1. Staatsexamen, 13.06.2016, Zeilen 573–608, 946–956)
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Martina von Gehlen et al.
Mit der Umstellung des Lehramtsstudiums auf einen polyvalenten Bachelor-/ Masterstudiengang wird die erste Phase der Lehrerbildung zukünftig nicht mehr durch eine Staatsprüfung, sondern mit einer Masterarbeit und -prüfung abgeschlossen. Eine Studentin beendete kurz vor dem Interview ihr Studium mit dem Staatsexamen. Sie befürchtete, dass mit der neuen Struktur der Zeitraum intensiver Prüfungsvorbereitung verloren geht, in dem Studierende eigenständig Verknüpfungen zwischen den Studieninhalten und damit Kohärenz herstellen. Sie empfand die intensive Lernphase zur Vorbereitung auf das Staatsexamen als Zeit, in der sie Zusammenhänge zwischen den Fächern herstellte: Ich glaube, das Scheinesammeln hat schon den Nachteil, dass man es [Anm.: das Bachelorstudium] ja dann fertig hat. Und so hatte ich ja nichts fertig, also es hätte [Anm.: im 1. Staatsexamen] alles dran kommen können. Und dann muss man sich überlegen, wie es zusammenhängt, sonst kann man ja gar nicht so viele Sachen zusammen lernen. (PH Absolventin Sekundarstufe, 12.05.2016, Zeilen 663–672)
Der zukünftige Wegfall der intensiven Lernphasen mit ihrer Herstellung von Kohärenz zumindest innerhalb der Fachwissenschaften vor den Examina ist vielleicht nicht gewollt, aber ein Kollateralschaden der politischen Entscheidung zum Rückzug aus dem Staatsexamen. Wenn dem gegenüber Professionalisierungselemente und Schulpraktika aufgewertet werden, dann kann und sollte daraus eine bessere Kohärenzerfahrung der Verbindung von Hochschullehre und schulpraktischer Erfahrung entstehen. Es sollte allerdings nicht vergessen werden, dass dadurch letztlich fehlende fachwissenschaftliche Kompetenz nicht kompensiert werden kann. Nicht nur der Zeitraum des Studienabschlusses wird als eine Zeit intensiver Theorie-Praxis-Vernetzung im Sinne von Vernetzungen der Studieninhalte angesehen, sondern insbesondere auch die Phasen der Schulpraktika. Allerdings bleiben auch im neuen System die Schulpraktischen Studien an den beiden Hochschulen entsprechend den ministeriellen Vorgaben unterschiedlich organisiert (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, 2017): Studierende des Gymnasiallehramts werden im Gegensatz zur Struktur an der PH im Rahmen ihres zwölfwöchigen Praxissemesters nicht von Dozierenden der Universität, sondern von (Ausbildungs-)Lehrkräften der Studienfächer betreut. Mitarbeiter der SSDL (Gymnasium (GYM)/ Berufliche Schulen (BS)) bieten begleitende Veranstaltungen an. Eine auf die Einführung des Schulpraxissemesters im Jahr 2001 zurückgehende kohärenzrelevante Maßnahme war die Kürzung des Referendariats in Baden-Württemberg von zwei Jahren auf anderthalb Jahre. Die entstandene Praxisphase wird von Betreuenden manchmal gedanklich bereits als Vorgriff auf das Referendariat in der Studienphase gesehen, wie es im Interview mit einer Studentin deutlich wurde:
Einblicke in (In-)Kohärenzwahrnehmungen von Akteuren
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Im Praxissemester hat man uns gesagt in der Schule, in der ich war, wir seien jetzt in der ersten Phase unseres Referendariats. Und das fand ich irgendwie falsch. Also ich habe gedacht, ich bin im Praxissemester und nicht im Referendariat. Im Referendariat habe ich einen ganz anderen Stellenwert, ich habe schon erstes Staatsexamen, ich kann mich wirklich voll und ganz auf meine neue Rolle einlassen. Aber schon diese Anforderung, die an uns gestellt wurde: Die erste Phase des Referendariats, das konnten wir gar nicht leisten. Das war in diesem Moment, in dieser Phase unseres Studiums einfach völlig fehl am Platz. (Lehramtsstudentin, ALU, 03.05.2016, Zeilen 849–869)
(In-)Kohärenzwahrnehmungen von Akteuren der 2. Phase Mit Abschluss des wissenschaftlichen Studiums endet die hochschulische Verantwortung der ersten Phase der Lehrkräftebildung. Im anschließenden Vorbereitungsdienst als zweiter Phase erfolgt die Begleitung der Referendarinnen und Referendare durch schulische Mentorinnen und Mentoren und durch Mitarbeitende der Staatlichen Seminare für Didaktik und Lehrerbildung (SSDL). Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der nachfolgenden Institutionen haben ein großes Interesse, über Änderungen von Studieninhalten informiert zu sein, um in den Begleitveranstaltungen Bezüge herstellen und adäquat an vorhandenes Wissen anknüpfen zu können. Den begleitenden Institutionen der zweiten Phase geht es jedoch auch darum, welche Anforderungen sie an die Referendarinnen und Referendare beim Eintritt in den Vorbereitungsdienst stellen. Im folgenden Zitat aus dem Interview mit einem Vertreter des SSDL (BS) Freiburg tritt dieser Aspekt am Übergang zwischen der ersten und der zweiten Phase deutlich zutage: Eigentlich müssten ja alle, die zu uns in den Vorbereitungsdienst gehen, so sattelfest sein, dass sie wissen, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben und dass sie auch die Fachkompetenz mitbringen, um wirklich den Vorbereitungsdienst erfolgreich zu absolvieren. (…) Wir fragen uns manchmal, wie es kommt, dass Uniabsolventen in den Vorbereitungsdienst kommen und von uns bescheinigt bekommen, dass die [Anm.: fremdsprachliche] Sprachkompetenz nicht ausreicht, um zu unterrichten. Das ist auch bei uns ein Problem, das zugenommen hat, muss man auch ganz ehrlich sagen. Und das ist natürlich schmerzlich, wenn Leute dann (…) erst an dem Punkt ihres Lebens erfahren, dass es die falsche Berufswahl war. (Mitarbeiter des SSDL (BS), 29.06.2016, Zeilen 113–131)
In den Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern der Institutionen der zweiten Phasen trat als ein Leitmotiv der Wunsch nach einer übergreifenden Abstimmung der Anforderungen und Inhalte der Lehrerbildung zutage. Die interviewten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SSDL aller drei Schularten äußerten den Wunsch nach einer phasenübergreifenden, gemeinsam gestalteten Lehrerbildung. Ein Vertreter des SSDL (Werkreal-, Haupt-, Real- und Gemeinschaftsschulen (WHRS)) Freiburg bringt im Interview seinen Wunsch nach einer kohärenteren Lehrerbildung über alle Phasen und Institutionen hinweg zum Ausdruck:
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Martina von Gehlen et al. Was erwarten wir von einer guten Unterrichtsplanung, damit erfolgreiches Lernen bei Schülern ermöglicht wird? Das gilt ja für das Gymnasium genauso wie für die Hauptschule. Darum geht es eigentlich: Welche Bausteine sind uns wichtig und für uns bedeutsam? (…) Das wäre ein interessantes Anliegen (…) bis in einem Jahr versuchen wir mal ein Konzept vorzulegen, das über alle Schularten hinweg und alle Phasen der Lehrerbildung hinweg tragfähig und empirisch fundiert ist. (…) Wir haben ein Leitbild für unser Seminar aber da fehlen natürlich solche bündelnde Elemente. (Mitarbeiter des SSDL (WHRS), 15.09.2016, Zeilen 844–891)
(In-)Kohärenzwahrnehmungen von Lehrkräften in der dritten Phase Die Begleitung Studierender während ihrer schulischen Praxisphasen durch Lehrkräfte ist ein Kooperationsfeld, an dem eine hochschulische Begleitung (PH) bzw. Begleitung durch SSDL (GYM/BS) und die Begleitung durch schulische (Ausbildungs-)Lehrkräfte bzw. -beraterinnen und -berater eine entsprechende Kooperation der Institutionen notwendig macht. Lehrkräfte, die Studierende im Rahmen ihres Praxissemesters betreuen, erhalten für diese zusätzliche Leistung einen Nachlass von Deputatsstunden. Allerdings wurde mit der Verkürzung des Vorbereitungsdienstes der Umfang dieser Deputatsnachlasse gekürzt, was die Motivation zur Betreuung beeinträchtigt haben könnte. Wie das folgende Zitat impliziert, wird die Verpflichtung zur Betreuung von Studierenden in Praxisphasen von Lehrkräften als zusätzliche Belastung für die Schulen angesehen. Dies wird noch dadurch erschwert, dass der Betreuungszeitraum vom Studienrhythmus abhängt und für die Schulen von der Universität vorgegeben wird: „die Schulen müssen halt die Plätze stellen, zähneknirschend, zum gleichen Zeitraum“ (Gymnasiallehrkraft, Mitarbeiterin 1 ALU, 14.06.2016, Zeilen 415-417). Neben der Belastung u. a. durch solche Zusatzaufgaben wird von einer Lehrkraft eine fehlende Passung zwischen Forschungs- und Entwicklungsergebnissen (z. B. Lehrbücher) und dem thematisiert, was sie an spezifischen Materialien für ihre Schülerinnen und Schüler benötigen: [A]ls normale Lehrerin bist du nur am Rotieren, musst neue Bücher, Konzepte von anderen Leuten, die halt irgendwas entwickelt haben, übernehmen. (…) ich hab immer das Gefühl: Schule und Forschung, das sind zwei Paar Stiefel. Wenn was rüberkommt in Form eines Schulbuchs, dann denk ich 'Ja, aber es passt halt dann auch wieder nicht'. Und dann hat man wieder tolle Konzepte entwickelt und man hat´s auch getestet. Und dennoch, hat´s halt nicht genug getestet oder dann auch wieder irgendwie so am Stand vorbei oder vielleicht auch ´ne ganz spezielle Schülerklientel irgendwie im Fokus und dann passt´s halt nicht bei uns. Ich find´ das schon spannend, manchmal hab ´ich auch das Gefühl: Was forschen die denn eigentlich auch an Schülern vorbei? Also an dem Alltag. Was hab´ ich da vor mir sitzen, das können die Forscher gar nicht sehen. Die wissen doch gar nicht, wie die funktionieren. Die haben da viel zu wenig Einblick – in die Rahmenbedingungen. Konkret: Wie sieht so ´ne Stunde aus? Wie sieht die Situation aus? (Lehrkraft Gymnasium/ Gesamtschule, 09.05.2016, Zeilen 949–953, 1195–1213)
Einblicke in (In-)Kohärenzwahrnehmungen von Akteuren
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Diese Problematik wird im Bereich der gymnasialen Lehre durch die relativ größere Distanz zwischen den Lehrenden an den Schulen und an den Hochschulen durch eingeschränkte schulische Erfahrungen weiter verschärft – ein Kohärenzkontinuum ist an dieser Stelle durch eingeschränkte wechselseitige Integration nur schwer zu erreichen. (In-)Kohärenzwahrnehmungen eines Vertreters der Bildungsverwaltung Ein weiterer Akteur in der Lehrerbildung ist die kommunale Bildungsverwaltung. Der Interviewpartner aus diesem Bereich sieht die Notwendigkeit einer besseren strukturellen Verankerung der Ausbildungsleistung im Rahmen der Lehrerbildung für Schulen und Lehrkräfte, damit diese ihre Aufgabe verantwortungsvoll wahrnehmen können: [D]as ist eine zentrale Frage, welche Strukturen werden eigentlich für diese Dinge geschaffen, die man auf den Weg bringt (…) Es braucht Ausbildungsschulen und dann in den Schulen qualifiziertes Personal, also da wage ich jetzt auch den Vergleich mit der Wirtschaft. Wenn Sie ein großes Unternehmen sind, dann haben Sie einen Ausbildungsmeister, da haben Sie eine Struktur und diese Struktur braucht´s in den Schulen auch (…) Ich glaube, von Hochschulseite ist viel angelegt, aber in der Schule selber muss die Kompetenz sitzen, da reichen die Seminare nicht aus alleine, weil das ist ja immer nur punktuell. Aber dieses Know-how in die Schule zu packen, würde ja für die Schule bedeuten, ich müsste mich ja nochmal weiterentwickeln, ich müsste ja gucken, dass ich letzten Endes up to date bin und dann muss man sich auch trauen zu sagen, nicht jede Schule kommt als Ausbildungsschule in Frage. (Mitarbeiter Bildungsverwaltung, 23.09.2016, Zeilen 447– 448, 525–549)
Maßnahmen zur Förderung der Kohärenz von Theorie und Praxis Die gewonnenen Einblicke in die unterschiedlichen Verständnisse, Sichtweisen und Erfahrungen im Rahmen der Interviews liefern Anhaltspunkte für zielführende Maßnahmen für die Zusammenarbeit in einem hybriden Diskurs- und Vernetzungsraum (Fraefel, 2018, S. 20ff.). Den Zielvorgaben der Qualitätsoffensive Lehrerbildung entsprechend sind Lehramtsstudierende nicht im direkten Fokus des Praxiskollegs. Die Maßnahmen zielen vorwiegend auf die Akteure, die Studierende in Praxisphasen begleiten: Hochschuldozierende, Verantwortliche der SSDLs, Ausbildungslehrkräfte bzw. Ausbildungsberaterinnen und -berater in den Schulen sowie in der Auslotung der Ebenen der Zusammenarbeiten im Schulnetzwerk mit Hochschulpartnerschulen und deren Schulleitungen. Tabelle 1 zeigt die Übersicht der Interviewergebnisse in Verbindung mit den Kohärenzkriterien Antonovskys und den aus den Zuständigkeiten des Praxiskollegs abgeleiteten Maßnahmen, die im Folgenden ausführlicher dargestellt
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werden: Strukturierte Abstimmungen zwischen den Akteuren, Dissemination von Ergebnissen der Unterrichts- und Bildungsforschung und Vernetzung der Akteure der Lehrerbildung über alle drei Phasen hinweg. Tab. 1: Ergebnisse der Akteursbefragung und Maßnahmen des Praxiskollegs Akteur Phase 1 Studierende
Mitarbeiterin Universität 2/ Gymnasiallehrkraft
Phase 2 Mitarbeiter SSDL (BS) Mitarbeiter SSDL (BS)
Wahrnehmung
Verarbeitungsmuster: kV/keV/mV
Ursache der (In-)Kohärenz
Maßnahme Praxiskolleg
Hochschullehrkräfte mit Schulpraxisbezügen; Schulpraxisphase und Referendariat mischen sich; Schwerpunktsetzungen je nach Kontext in Phasen; Intensive Lernphase am Studienende
kV: Glaubwürdigkeit
Wissenschaftliches Personal hat nur bedingt Erfahrungen als Lehrkraft
kV: Rollenklarheit
Kürzung des Referendariats führt zu Unklarheiten in der Begleitung
Projektbedingt keine direkte Ableitung von direkten zielgruppenorientierten Maßnahmen
kV: Kontinuumvorstellung
Information, was Studierende von Uni an Schule mitbringen
kV: Transparenz und Erklärbarkeit
Orientierung im fragmentierten System/ Annahme der Anforderungen der TheoriePraxis-Vernetzung 1. Staatsexamen führt zur intensiven Auseinandersetzung mit inhaltlichen Verbindungen Fragmentierung der Betreuung von Studierenden in Praxisphasen. Änderungen der Studieninhalte
Redundanzen in den Phasen
kV: Abstimmungsprozesse aller Akteure
Institutionelle Fragmentierung der Betreuung angehender Lehrkräfte; Veränderung der Ausbildungsinhalte
Teils mangelnde Fachkompetenz für Vorbereitungsdienst
kV: Nachfolgende Institution muss Voraussetzungen definieren keV: Bewältigbarkeit: Berufswahlentscheidung im Studium
Durch Kürzung der Referendariatszeit können fehlende Kompetenzen nur bedingt nachgeholt werden
Runder Tisch Universität – PH – Staatliche Seminare
Berufswahlentscheidung im Studium nur eingeschränkt möglich trotz Begleitung im Schulpraxissemester
keine Maßnahmen des Praxiskollegs ggf. Mentoring im Schulnetzwerk
Berufswahlentscheidung sollte vor Referendariat erfolgen
kV: Konstruktion von Kohärenz
Broschüre für Lehrkräfte: AK „ISPBegleitveranstaltung Dozierende“ Runder Tisch, Community of Practice (CoP), Schulnetzwerk
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Einblicke in (In-)Kohärenzwahrnehmungen von Akteuren
Tab. 1 (Fortsetzung): Ergebnisse der Akteursbefragung und Maßnahmen des Praxiskollegs Akteur Phase 2 Mitarbeiter SSDL (WHRS)
Phase 3 Lehrkraft Gymnasium und Gesamtschule
Wahrnehmung
Verarbeitungsmuster: kV/keV/mV
Ursache der (In-)Kohärenz
Maßnahme Praxiskolleg
Bedarf: Schulart und Phasenübergreifendes Konzept
kV/mV: Gemeinsames Konzept als Leitbild
Institutionelle Fragmentierung der Betreuung der angehenden Lehrkräfte und Veränderung der Ausbildungsinhalte
CoP, Schulnetzwerk mit Hochschulpartnerschulen, Praxisphasentag
Forschung generiert praxisferne Ergebnisse
kV: Erklärbarkeit: Forschungsergebnisse sollten z. B. als Schulbücher in Schule nutzbar sein
Entwickelte Schulbücher sind nicht passgenau für spezifischen Bedarfe
Forschungsdrehkreuz, Schulnetzwerkveranstaltungen, Praxisphasentag, Ringvorlesung Es braucht keV: Know-How Ausbildungslehrkräfte, AK „SchuliMitarbeiter AusbilRessourcen zur die Studieninhalte sches AusbilBildungsdungsschuBewältigung der kennen. Ausbildungsdungskonzept“, verwaltung len und Anforderunleistung von LehrkräfFortbildungsqualifiziergen/mV: Bedeutten für Studierende konzept für tes Personal samkeit sollte einen höheren AusbildungsStatus haben lehrkräfte PersonenkeV: Know-How tragende Community DialogveranMitarbeigebundenund Ressourcen: erforderlich staltungen terin Uniheit Gruppe und mV: (CoP), Hochversität 1/ Unterstützung schulpartnerGymnasialschulen lehrkraft Anmerkung: Verarbeitungsmuster nach Antonovsky (1998): kV: kognitives Verarbeitungsmuster, keV: kognitiv-emotionales Verarbeitungsmuster, mV: motivationales Verarbeitungsmuster, AK: Arbeitskreis
Strukturierte Abstimmungen zwischen den Akteuren der Lehrerbildung Um ein kohärentes System über alle Phasen der Lehrerbildung hinweg zu unterstützen, sieht das Praxiskolleg seine vornehmliche Verantwortung darin, den Informationsaustausch und Dialog zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der in der Ausbildung angehender Lehrkräfte verantwortlichen Institutionen zu fördern. Damit kommt es dem in den Interviews deutlich gewordenen Wunsch nach Abstimmung und Informationsaustausch entgegen, um anschlussfähige Inhalte vermitteln zu können und Motivationsverluste durch Wiederholungen zu vermeiden, die im fragmentierten System auftreten. Mit den Formaten zur Ver-
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netzung unterstützt das Praxiskolleg im Sinne der o.g. Kohärenzkriterien von Antonovsky die Verstehbarkeit, Vorhersagbarkeit und Erklärbarkeit durch Förderung der interinstitutionellen strukturellen Abstimmungen zwischen den Verantwortlichen der Hochschullehre und der Praxisphasen bzw. nachfolgenden Phasen im Referendariat und im Lebenslangen Lernen. Dieser Vernetzungs- und Kommunikationsraum als „Community of Practice“ der Lehrerbildung richtet sich an Hochschulmitglieder, Schulen, SSDL, Staatliche Schulämter und das Regierungspräsidium Freiburg (Wenger, 1998, S. 3). Hierzu bietet das Praxiskolleg verschiedene Veranstaltungsformate zur Vernetzung an (Dreher, Gehlen, Holzäpfel, & Hochbruck, in Druck). Gezielte Abstimmungen zur inhaltlichen Konzeption des gymnasialen Masterstudiums und des Schulpraxissemesters, das von den SSDL (GYM/BS) betreut wird, fanden im Jahr 2017 im Format eines Runden Tisches „Seminare – Universität / Pädagogische Hochschule“ statt. Ziel war die Stärkung der vertikalen Kohärenz an der Schnittstelle zwischen Hochschulen und SSDL. In zwei Arbeitskreisen (AK) zur engeren Theorie-Praxis-Verzahnung innerhalb des Praxissemesters an der PH erfolgte eine Stärkung der horizontalen Kohärenz: Der AK „ISP-Begleitveranstaltungen Dozierende“ erarbeitete hochschulseitig fachdidaktische Informationsbroschüren für das Schulpraxissemester. Hierbei wurden die Inhalte der Begleitveranstaltungen für betreuende Lehrkräfte expliziert. Außerdem geht das Papier auf das Vorwissen der Studierenden aus den vorangehenden Semestern und auf die fachspezifischen Erwartungen während des Praxissemesters ein. Die Broschüren enthalten für die Lehrkräfte gebündeltes Überblickswissen, um ihre Studierende bei der Theorie-PraxisVerzahnung zu unterstützen. Im AK „Schulisches Ausbildungskonzept“ des Zentrums für Schulpraktische Studien, der vom Praxiskolleg unterstützt wurde, haben Ausbildungsschulen ihr schulisches Ausbildungskonzept für das Praxissemester expliziert. In diesem Konzept wurden neben der aktuellen Betreuungspraxis und den Besonderheiten im Schulablauf auch allgemeine Prinzipien zur kooperativen Betreuung der Studierenden im Praxissemester formuliert. Dieses Papier kann zum strukturellen Dialog außerhalb der Betreuungspraxis zwischen Lehrkräften und Dozierenden genutzt werden. Beide Arbeitsprozesse machen die Zusammenarbeit in der Betreuung Studierender im Praxissemester für Dozierende und Lehrkräfte transparenter. Förderung der Praxisnähe durch Hochschulpartnerschulen Ein Schwerpunkt der Aktivitäten des Praxiskollegs ist die Förderung einer engeren Verbindung zwischen Hochschulen und Schulen durch den Aufbau und die Konsolidierung eines Schulnetzwerks mit Hochschulpartnerschulen. In den In-
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terviews wurde deshalb nach Feldern gemeinsamen Interessens gefragt, die zu Synergien im Rahmen einer Zusammenarbeit führen (Gehlen, Dreher, Epting, Fesenmeier, Holzäpfel, & Hochbruck, in Druck). Hierbei lassen sich neben Praxisphasen weitere Kooperationsfelder explizieren: Forschung, Fort- und Weiterbildung sowie Lehre und Mentoring. Diese Felder wurden mit elf Hochschulpartnerschulen verschiedener Schularten exemplarisch erprobt. Die auf persönlicher Ebene basierende Zusammenarbeit sollte durch eine verbindliche Form der Kooperation institutionalisiert werden. Die beiden oben genannten Zitate von Lehrkräften zeigen, dass die Zielgruppenorientierung für Lehr- und Lernmaterialien eine große Rolle bei ihrer Verwendung spielt. Die Einbringung der Expertise von Lehrkräften in die forschungsbasierte Entwicklung bzw. Auswahl von Lehr- und Lernmaterialien kann dazu beitragen, dass Materialien entstehen, die in der schulischen Praxis Anwendung finden und Lehrkräfte von eigener Entwicklungsarbeit entlasten. Um Forschende bei der Vermittlung von schulischen Partnern zu unterstützen und wiederum Schulen Kontakte zu wissenschaftlicher Fort- und Weiterbildung zu ermöglichen, wurde ein Forschungsdrehkreuz etabliert. Forschende richten ihre Anfragen mit einer Beschreibung des Forschungsvorhabens und der geplanten Einbindung der Schulen an das Praxiskolleg. Hierbei wird die Expertise von Lehrkräften bereits zum Zeitpunkt der Entwicklung von Fragestellungen und Erhebungsinstrumenten einbezogen. So wird durch kokonstruktive Prozesse eine Theorie-Praxis-Verbindung ermöglicht. Umgekehrt richten Schulen ihre Fragestellungen über das Forschungsdrehkreuz an die Wissenschaft. Darüber hinaus wurden vom Praxiskolleg Leitlinien für die Zusammenarbeit zwischen den Partnern für eine Kooperation auf Augenhöhe ausgearbeitet. Alle Maßnahmen dienten dabei der Förderung der Kohärenz im Bereich der Forschungszusammenarbeiten des Schulnetzwerks. Dissemination von Ergebnissen der Unterrichts- und Bildungsforschung Zur Dissemination von Erkenntnissen der Bildungs- und Unterrichtsforschung wurden Formate der wissenschaftlichen Fort- und Weiterbildung etabliert. Durch Ringvorlesungen und Praxisphasentagungen erfolgt ein Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis. Zur Ringvorlesung „Lehr- und Lernperspektiven – Impulse aus der Forschung für Schule und Unterricht“ werden Forschende eingeladen, um im Austausch mit den anderen Akteuren Chancen und Grenzen relevanter Themen für die Praxis zu diskutieren. Das Praxiskolleg richtet außerdem in Kooperation mit dem Zentrum für Lehrerfortbildung (ZELF) Tagungen zu den Praxisphasen im Lehramtsstudium aus. Im Austausch über Best-Practice-Beispiele zu verschiedenen Formaten, über unterschiedliche Konzepte der Praxisphasenbetreuung und über den pro-
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duktiven Umgang mit Lernenden in allen Phasen der Lehrerbildung können Potenziale der vernetzten Betreuung durch die Institutionen erörtert werden. Vernetzung der Akteure der Lehrerbildung über alle drei Phasen hinweg Die Veranstaltungsreihe „Community of Practice“ fungiert als zentraler Vernetzungsraum für einen institutionsübergreifenden Dialog zur Stärkung der vertikalen und horizontalen Kohärenz. Die Akteure erhalten Einblicke in die Konzepte, Ziele und Aufgaben anderer verantwortlicher Institutionen und tauschen sich über aktuelle Fragen und Herausforderungen aus. Dieser phasenübergreifende Abstimmungsprozess dient als Ausgangspunkt für gemeinsame Aktivitäten und als Basis für die Entwicklung eines gemeinsamen Leitbildes für die Lehrerbildung im Raum Freiburg. Eine weitere Zielsetzung des Praxiskollegs besteht darin, ähnlich der geäußerten Vorstellung des Mitarbeiters SSDL (WHRS), ein hochschul- und institutionenübergreifendes gemeinsames Leitbild für die Lehrerbildung im Raum Freiburg zu entwickeln. Das Institut für Erziehungswissenschaft der ALU entwickelte in einem partizipativen Prozess mit den FACE-Mitarbeitern der ALU und der PH ein hochschulübergreifendes Leitbild der Lehrerbildung am Standort Freiburg (Voss & Wittwer, 2017). Dieses soll zu einem übergreifenden Leitbild der Akteure der Lehrerbildung am Standort zusammengeführt werden. Die Wahrnehmungen vorhandener oder fehlender vertikaler oder horizontaler Kohärenz der Akteure in der Lehrerbildung, die fallbasiert beispielhaft dargestellt wurden, verweisen auf Mängel bzw. Problematiken und auch Widerstände in den zugrundeliegenden Strukturen, Verantwortlichkeiten und Rollen sowie Ressourcen im Lehrerbildungssystem. Im Sinne von Antonovskys Kriterium der Bedeutsamkeit ist die Frage der Anerkennung für die Leistungen der schulischen Lehrkräfte für die Betreuung von Studierenden eine mögliche Quelle fehlender Kohärenz. Hier stößt jedoch das Praxiskolleg an Grenzen der Ressourcen und Verantwortlichkeiten. Die Übertragung von Antonovskys salutogenetischem Kohärenzbegriff (1998) auf die Lehrerbildung mag zunächst überraschen. Aus den Antworten der Akteure lässt sich jedoch die Bedeutung eines kohärenten Systems für die Motivation ableiten (Tramm & Naeve-Stoß, 2016): Letztlich sind es Menschen, die miteinander kooperieren, auch wenn Kooperationsverträge eine Institutionalisierung bewirken und zu Verbindlichkeit beitragen können. Auf diesen Aspekt weist eine Lehrkraft und ALU Mitarbeiterin im Interview deutlich hin: [D]as hängt sehr stark von den Personen ab. (…) ganz stark, ganz ganz stark. Ganz stark, weil ja vieles nicht in dem Sinn im Kanon steht, sondern DU machst das und du weißt, wer das mitmacht (Gymnasiallehrkraft, ALU-Mitarbeiterin 1, 14.06.2016, Zeilen 89–90, 105– 107)
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Ausblick Der Vertrauensaufbau und die Kontaktpflege sind zentral für den Erfolg einer Kooperation, denn „die Frage nach den Rollen, Selbstverständnissen und Interaktionen zwischen Wissenschaft und Praxis – im Sinne einer „Subjekt-SubjektBeziehung“ – erhält insbesondere im Kontext von gestaltungsorientierter Forschung an Relevanz“ (Hemkes, Srbeny, Vogel & Zaviska, 2017, S. 5); hierzu zählen auch Innovationen in Bezug auf den Aufbau von HochschulSchulpartnerschaften, in dessen Rahmen Forschende und Studierende mit Lehrkräften in der Entwicklung von Lernumgebungen mikrosyndikalistisch zusammenarbeiten, wie überhaupt kooperative Methoden Kohärenzsysteme am ehesten in der Entwicklung und Konsolidierung unterstützen können. „Um eine möglichst ertragreiche Wissenschafts-Praxis-Kooperation zu initiieren, sollten von Anfang an alle Ebenen des ‚vertikalen Transfers‘ (Kastrup, Kuhlmeier & Reichwein, 2014, S. 176) eingebunden werden“ (Hemkes et al., 2017, S. 10). Eine Studentin bringt in ihrer Beschreibung ihres Kohärenzverständnisses zum Ausdruck, wie stark diese Zusammenhänge wirken: Meine subjektiven Theorien haben Folgen für meine Praxis. Also das, was ich mir, wie ich mir Schüler vorstelle und lerne und unterrichte, so gut wird nachher mein Unterricht. (…) Aus den Praktika kommen auch Erfahrungen und daraus entstehen Forschungsvorhaben. Was ich im Staatsexamen festgestellt habe, dass Theorie viel mehr Auswirkungen auf die Praxis hat, als man denkt. (…) Also die Praxis bestätigt die Theorie (…), aber es wird auch irgendwie klar, dass es kein Huhn und kein Ei gibt. (…) Man muss die Sachen ausprobiert haben. (…) Ich vermute, dass die Übersetzung für „guten Unterricht“ ins Englische „kohärente Lehre“ ist. Weil da gibt es das „Kohärenz-Curriculum“, es gibt den „kohärenten Lehrer“, bei uns gibt es einen „guten Lehrer“, dann gibt es den „kohärenten Unterricht“, das ist bei uns der „gute Unterricht“. Es gibt die „kohärente Schule“, das ist bei uns die „gute Schule“. (PH Absolventin, nach dem 1. Staatsexamen, 26.07.2016, Zeilen I:869–873, 884–889, 931–932, 960–961, 1066–1067, II:8–14)
Das Praxiskolleg kann in der Herstellung von Kohärenz da ansetzen, wo es um die Verknüpfung der bisher getrennten Bereiche von Hochschulen, Schulen, SSDL und andere Institutionen der Lehrerbildung geht. Die Maßnahmen stoßen allerdings da an Grenzen, wo Strukturen und Verantwortlichkeiten politisch vorgegeben und absehbar weiterhin erwünscht sind. Was sich aus der bisherigen Arbeit des Praxiskollegs ableiten lässt, ist trotzdem ermutigend, auch wenn sich bereits abzeichnet, dass den in diesem Beitrag dargestellten Initiativen und operativen Bewegungen sowohl eine gewisse Trägheit der beteiligten Institutionen wie Vorbehalte Beteiligter gerade im Hochschulbereich gegenüberstehen, die in allen beteiligten Institutionen eine größere Geschwindigkeit der Weiterentwicklung und konsequenten Umstellung vor Herausforderungen stellt.
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Es gibt eine hohe Bereitschaft und große Kompetenz zur Kooperation und Kokonstruktion. Für die von allen beteiligten Akteuren gewünschte phasenübergreifende Kohärenz müssen weitere Anreize zur Kooperation geschaffen werden, z. B. über phasenübergreifende Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Erste Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Hochschulpartnerschulen zeigen, wie Kooperationen auf den Ebenen der Praxisphasenbetreuung, der Forschung, der Lehrerfort- und Weiterbildung sowie in der Lehre und im wechselseitigen Mentoring funktionieren können. Die intensiven Zusammenarbeiten sollen im weiteren Projektverlauf insbesondere durch Multiplikatorenschulung und Etablierung von Professionellen Lerngemeinschaften, in denen Lehrkräfte verschiedener Schulen themenbezogen zusammenarbeiten, noch weiter gestärkt werden. Um Nachhaltigkeit zu erreichen, sind die im Rahmen des Projekts eingerichteten Arbeitskreise und Plattformen gut geeignet. Über Deputate oder Stellen abgesichert sind sie allerdings nicht. Um die im Projekt etablierten Netzwerkstrukturen langfristig zu sichern wird im Oktober 2018 eine gemeinsame School of Education gegründet, in der das Know-how der ALU und der PH im Bereich der Lehramtsausbildung gebündelt wird. Ein weiterer Ausbau in Richtung auf eine syndikalistische Struktur, an der alle Akteure der Lehrerbildung beteiligt sind, ist wünschenswert. Literatur Antonovsky, A. (1998). Sense of coherence. Stress, coping, and health in families. Sense of coherence and resiliency, 1(1). Antonovsky, A. (1993). Gesundheitsforschung versus Krankheitsforschung. In A. Franke & M. Broda (Hrsg.), Psychosomatische Gesundheit. Versuch einer Abkehr vom Pathogenese-Konzept (S. 3–14). Tübingen: dgvt. Dreher, U., Gehlen, M. v., Holzäpfel, L., & Hochbruck, W. (in Druck). Optimierung der Vernetzung in den Praxisphasen der Lehrer*innenausbildung am Standort Freiburg. In J. Jennek, K. Kleemann, & M. Vock (Hrsg.), Kooperation von Universität und Schule fördern. Schulen stärken, Lehrerbildung verbessern. Leverkusen: Verlag Barbara Budrich. Dresing, T. & Pehl, T. (2013). Praxisbuch Interview, Transkription & Analyse. Anleitungen und Regelsysteme für qualitativ Forschende. Abgerufen am 1. Oktober 2017 von www.audiotranskription.de/praxisbuch Dubs, R. (2008). Lehrerbildung zwischen Theorie und Praxis. Pädagogische Professionalität als Gegenstand empirischer Forschung. Münster: Waxmann. Fraefel, U. (2018). Hybride Räume an der Schnittstelle von Hochschule und Schulfeld: Ein zukunftsweisendes Konzept zur Professionalisierung von Lehrpersonen. In L. Pilypaitytè & H.-S. Siller (Hrsg.), Schulpraktische Lehrerprofessionalisierung als Ort der Zusammenarbeit (S. 13– 43). Wiesbaden: Springer Fachmedien. Futter, K. (2017). Lernwirksame Unterrichtsbesprechungen im Praktikum. Nutzung von Lerngelegenheiten durch Lehramtsstudierende und Unterstützungsverhalten der Praxislehrpersonen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
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Gehlen, M. v., Dreher, U., Epting, B., Fesenmeier, S. J., Holzäpfel, L., & Hochbruck, W. (in Druck). Das Schulnetzwerk im Praxiskolleg der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Pädagogischen Hochschule Freiburg. In J. Jennek, K. Kleemann, & M. Vock (Hrsg.), Kooperation von Universität und Schule fördern. Schulen stärken, Lehrerbildung verbessern. Leverkusen: Verlag Barbara Budrich. Hemkes, B., Srbeny, C., Vogel, C., & Zaviska, C. (2017). Zum Selbstverständnis gestaltungsorientierter Forschung in der Berufsbildung – Eine methodologische und methodische Reflexion. In T. Tramm, H.-H. Kremer, & G. Reinmann (Hrsg.), Entwicklungsbezogene (Praxis-)Forschung 33. Abgerufen am 13. Juni 2018 von http://www.bwpat.de/ausgabe33/editorial_bwpat33.pdf Kahneman, D. (2011). Schnelles Denken, Langsames Denken. München: Siedler. Kastrup J., Kuhlmeier W., & Reichwein, W. (2014). Der Transfer der Ergebnisse des Förderschwerpunktes Berufsbildung für reine nachhaltige Entwicklung (BBNE). In W. Kuhlmeier, A. Mohoric, & T. Vollmer (Hrsg.), Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung (S. 171–181). Bielefeld: Bertelsmann. Kreis, A. & Staub, F. C. (2017). Kollegiales Unterrichtscoaching. Ein Instrument zur praxissituierten Unterrichtsentwicklung. Köln: Carl Link. Kuckartz, U. (2014). Mixed Methods: Methodologie, Forschungsdesigns und Analyseverfahren. Wiesbaden: Springer. Leonhard, T. (2017). Lernen für die Praxis als Lernen in zwei Praxen? Versuch einer theoretischen Neuorientierung schulpraktischer Studien mit praktischen Konsequenzen. Vortrag im Rahmen des Praxisphasentages an der PH Freiburg am 22.9.2017. Abgerufen am 6. Juni 2018 von https://www.face-freiburg.de/2017/praxisphasentag-2017/ Meyermann, A. & Porzelt, M. (2014). Hinweise zur Anonymisierung von qualitativen Daten. In: forschungsdaten bildung informiert, Nr. 1. Frankfurt am Main: Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung. Abgerufen am 6 Juni 2018 von https://www.forschungsdaten-bildung.de/get_files.php?action=get_file&file=fdb-informiert-nr3.pdf Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (2017). Handreichung zum Schulpraxissemester - Lehramt Gymnasium (Stand 26.07.2017). Abgerufen am 16. Juli 2018 von www.praxissemester-bw.de/RVO15_Handreichung.pdf Strauss, A. & Corbin, J. (1996). Grounded Theory. Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz. Tramm, T. & Naeve-Stoß, N. (2016). „Wanderer zwischen den Welten“ – Lehramtsstudierende zwischen Professionalisierungsanspruch und segmentiertem Studienalltag. Abgerufen am 13. Juni 2018 von https://www.ew.uni-hamburg.de/ueber-diefakultaet/personen/tramm/files/wandererzwischendenweltenlehramtsstudierendezwischenprofessionalisierungsanspruchundsegmentiertemstudienalltag.pdf Voss, T. & Wittwer, J. (2017). Die Zukunft der Lehrer*innenbildung in Freiburg. Abgerufen am 17. März 2018 von http://www.face-freiburg.de/leitbild-lehrerbildung/ Wenger, É. (1998). Communities of practice: Learning as a social system. Systems thinker, 9(5), 1–8.
7.3
Kohärenz in der Fortbildung von Fremdsprachenlehrkräften – Lernzuwachs durch theoretisch-praktische Interventionen
Clémentine Abel Pädagogische Hochschule Freiburg Keywords: Fortbildung, Fremdsprachenlehrkräfte, aussprachedidaktische Kompetenz Aussprache ist ein wesentlicher Aspekt der kommunikativen Kompetenz. Dennoch wird sie im schulischen Fremdsprachenunterricht häufig vernachlässigt. Hier liegt es nahe, einen Zusammenhang zwischen der aussprachebezogenen Kompetenz der Lehrkraft und dem diesbezüglichen Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler zu vermuten. Der vorliegende Beitrag zeigt, wie eine neuentwickelte Fortbildung eine Verbesserung insbesondere der aussprachedidaktischen Kompetenz der teilnehmenden Lehrkräfte bewirken kann. Wesentlicher Aspekt von Fortbildung in diesem Sinn sind Lerngelegenheiten, die Bezüge zwischen Fortbildungsinhalten, dem bereits vorhandenen Wissen und der Schulpraxis herstellen, die also im Sinne des Freiburger Modells kohärent sind. Abschließend werden die wesentlichen Merkmale der entwickelten Fortbildung hinsichtlich ihres Transferpotenzials auf andere Inhalte überprüft.
Einleitung Die Einführung des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (Goethe-Institut Inter Nationes, 2001) und von mündlichen Prüfungsformaten im Fremdsprachenunterricht sind sprach- und bildungspolitische Maßnahmen, die die Bedeutung der Kommunikationsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern im Fremdsprachenunterricht stärken. Des Weiteren sind in den vergangenen beiden Jahrzehnten vermehrt Arbeiten erschienen, denen zufolge die Aussprache konstitutiv für gelingende Kommunikation ist (Derwing & Munro, 2015; Moyer, 2013; Sturm, 2013). Entsprechend werden zunehmend Unterrichtssettings zur Ausspracheschulung empirisch auf ihre Wirksamkeit überprüft (Metaanalysen von Lee, Jang & Plonsky, 2015; Saito, 2012). Demgegenüber existieren zahlreiche Hinweise darauf, dass im schulischen Fremdsprachenunterricht die idiomatische Kommunikationsfähigkeit im Allgemeinen und kommunikationsrelevante Aussprachephänomene im Besonderen unzureichend trainiert werden (Chavez, 2014; Foote, Trofimovich, Collins & Urzúa, 2016; Martinsen, Alvord & Tanner, 2014). Es werden unterschiedliche Ursachen für dieses Desiderat diskutiert, denen gemein ist, dass sie im Einwir© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_19
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kungsbereich von Lehrerinnen und Lehrern liegen (Correa & Grim, 2014; Saalfeld, 2012). Deshalb ist es notwendig, in der Aus- und Weiterbildung gezielt auf die aussprachedidaktischen Kompetenzen von (angehenden) Lehrkräften einzuwirken. Ein für die Wirksamkeit von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen grundlegender Aspekt scheint die Kohärenz zwischen den unterschiedlichen Aus- und Fortbildungsinhalten und der Schulpraxis zu sein (König & Klemenz, 2015). Dieser Beitrag beschreibt, wie eine aussprachedidaktisch kohärente Ausund Fortbildung gestaltet sein sollte. Es wird zunächst die Besonderheit der sprach- und aussprachedidaktischen Kompetenz dargestellt und Kohärenz für diesen Bereich definiert. Anschließend wird ein Dissertationsprojekt vorgestellt, das sich unter anderem in einem Design-Based-Research-Vorhaben (z. B. Bakker & Van Eerde, 2014) der Entwicklung einer kohärenten Fortbildungsmaßnahme widmet. Die Ergebnisse werden daraufhin überprüft, ob eine Übertragung bestimmter methodischer und didaktischer Merkmale der Fortbildung auf andere Themen- und Fachbereiche möglich ist. Aussprachedidaktische Kompetenz: Definition Zahlreiche Forschungsarbeiten der vergangenen zehn Jahre betonen die kommunikative (Celce-Murcia & Olshtain, 2000; Derwing & Munro, 2015), interkulturelle (Lippi-Green, 2012; Settinieri, 2011) und lernerbezogene (Moyer, 2013; Sturm, 2013) Bedeutung der Aussprache. Durch die Implementation mündlicher Prüfungsformate – beispielsweise in den Abiturprüfungen des Landes BadenWürttemberg – in einen bis dahin vielerorts stark auf die grammatische Progression fokussierten schulischen Französischunterricht (Caspari, 2010) werden Lehrkräfte verstärkt vor die Aufgabe gestellt, die kommunikative Kompetenz – und damit auch die Aussprache – ihrer Schülerinnen und Schüler zu fördern. Gleichzeitig geben erste empirische Befunde (für Deutschland z. B. Abel, 2018b; Reimann, 2017) Hinweise darauf, dass die Aussprache – und in noch stärkerem Maß die Aussprachedidaktik – in der Lehreraus- und -fortbildung zugunsten anderer Inhalte vernachlässigt wird. Aus dieser Diskrepanz zwischen dem schulischen Bedarf und der Gewichtung von Ausbildungsinhalten ergibt sich die Notwendigkeit, die Erstausbildung so umzugestalten, dass auch Aussprache und Aussprachedidaktik als wichtige Teilaspekte der kommunikativen Kompetenz gelehrt werden. Um aber auch die aussprache- und aussprachedidaktische Kompetenz der bereits berufstätigen Lehrkräfte verbessern zu können, müssen darüber hinaus entsprechende effektive Fortbildungsprogramme entwickelt werden.
Kohärenz in der Fortbildung von Fremdsprachenlehrkräften
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Sowohl für die Entwicklung der Fortbildungsintervention als auch für die Messung der durch die Fortbildung möglicherweise induzierte Verbesserung der aussprachedidaktischen Kompetenz der Lehrpersonen ist es unerlässlich, das Konstrukt „aussprachedidaktische Kompetenz“ zunächst zu definieren. In Ermangelung empirischer Studien muss dabei aktuell auf theoretische Wissensbestände zu denjenigen Facetten zurückgegriffen werden, die die professionelle Lehrerkompetenz allgemein und insbesondere die fremdsprachendidaktischen Kompetenzen modellieren (Baumert & Kunter, 2006; Blömeke, 2011; König & Klemenz, 2015; Roters, König, Tachtsoglou & Nold, 2013; Wipperfürth, 2009) 1. Das heuristische Modell der aussprachebezogenen Lehrerkompetenz weist sechs Dimensionen auf: • • • • • •
Inhalte Lehrprozesse Lern- und Erwerbsprozesse lernerbezogene Aspekte eigene Aussprache-/Hörverstehenskompetenz persönliche Adaptivität 2
Dabei umfassen die Inhalte beispielsweise das linguistische Wissen über zu vermittelnde Aussprachephänomene (Segmente und Suprasegmente des Französischen) und deren kommunikative Bedeutung. Die Lehrprozesse beziehen sich auf wirksame Unterrichtssettings und Vermittlungsstrategien (z. B. Lee u. a. 2015; Saito 2012), wohingegen die Lern- und Erwerbsprozesse u. a. auf das Wissen um (interferenzbedingte) Ausspracheprobleme und passende individuelle Hilfestellungen rekurrieren. Die Kenntnis lernerbezogener Aspekte bezieht sich auf den Umgang mit eventuellen (Fehl-)Vorstellungen der Lernenden (z. B. der Klang des Französischen als „weiblich“) und mit (repräsentationsbedingten) Blockaden und Hemmungen (z. B. Moyer 2013; Tarone 2005). Die eigene Aussprache- und Hörverstehenskompetenz bezieht sich auf die diesbezüglichen Fertigkeiten der Lehrenden, die nicht nur als sprachliches Vorbild fungieren, sondern auch in der Lage sein müssen, die Ausspracheabweichungen ihrer Schülerinnen und Schüler zu identifizieren. Die persönliche Adaptivität beinhaltet schließlich ein in der Forschung bisher schlecht abgegrenztes Konglomerat aus Überzeugungen, Haltungen und Persönlichkeitsmerkmalen (Gräsel, Decristan &
1
Eine ausführliche Diskussion der verschiedenen Modelle führt an dieser Stelle zu weit. Details können in der zugrundeliegenden Dissertation (Abel, 2018b) nachgelesen werden. 2 Für eine ausführliche Erläuterung der unterschiedlichen Aspekte siehe Abel (2018b).
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König, 2017), das im Unterricht dann bedeutsam wird, wenn Lehrkräfte mit komplexen Situationen konfrontiert werden, die rasch entschieden werden müssen. Zu diesen sogenannten „ill-defined problems“ gehören nach Lipowsky (2014, S. 398f.) Situationen, in denen es zu unvermeidlichen Zielkonflikten (beispielsweise zwischen verschiedenen Wissensbeständen oder Überzeugungen) kommt. In der Fremdsprachendidaktik kann dies beispielsweise der Fall sein, wenn Lehrkräfte beurteilen müssen, ob sie nach einer Schüleräußerung pragmatisch angemessen reagieren sollen und/oder ob sie ein sprachliches Feedback geben sollten (Abel, 2018a; Wipperfürth, 2009). Es liegt somit auf der Hand, dass die aussprachebezogene Kompetenz von Lehrkräften ein vielseitiges, kognitive sowie affektiv-motivationale Aspekte umfassendes Konstrukt ist, das sich nur aus der Verknüpfung verschiedener Bezugsdisziplinen (Pädagogik, Fachdidaktik, Linguistik, Psychologie) und Persönlichkeitsmerkmale (z. B. durch Selbstreflexion) fördern lässt. Zugleich macht die Komplexität des Konstrukts eine gezielte Messung sehr schwer. Die im Folgenden beschriebene Studie beschränkt sich deshalb auf die empirische Überprüfung der Kompetenzen in bestimmten Teilbereichen. Dies sind vor allem diejenigen Aspekte, die die Aussprache und deren Vermittlung direkt betreffen (Inhalte, Lehrprozesse, Lernprozesse und lernerbezogene Aspekte). Kohärenz in der Fortbildung von Fremdsprachenlehrkräften Die oben genannten Kohärenzmerkmale beziehen sich auf die Lehrkräfteausbildung. Fortbildungen weisen Besonderheiten auf, die es bei der Konzeption kohärenter Veranstaltungen zu bedenken gilt. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die Teilnehmenden einer Lehrerfortbildung bereits im Beruf tätig sind und infolgedessen Handlungstheorien entwickelt und erprobt haben, die sie möglicherweise nicht zur Disposition stellen möchten (Kennedy, 2016). Entsprechend ist es wichtig, in einer Fortbildungsveranstaltung neue Wissensstände und Handlungsmuster sowie deren Etablierung kooperativ mit den Lehrkräften zu erarbeiten. Nur so können Implementationsbrüche verhindert werden, also dass die Implementation „neuer, zunächst fremder evidenzbasierter Implementationsgegenstände“ (Hetfleisch, Goeze & Schrader, 2017, S. 187) fehlschlägt. Eine so verstandene Fortbildung kann kein rein präskriptives Programm sein, das darauf abzielt, den Lehrkräften einen Lerninhalt „beizubringen“. Vielmehr muss ein komplexer Entwicklungsprozess angestrebt werden, in dessen Rahmen Lernen möglich wird (Clarke & Hollingsworth, 2002; Merk, Cramer & Bohl, 2016).
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Für diese als Wachstum verstandene Form des Lernens ist es neben verschiedenen fortbildungsmethodischen Aspekten 3 wesentlich, dass die Veranstaltung von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern als kohärent wahrgenommen wird. Dabei wird Kohärenz im Sinne des Freiburger Kohärenzmodells (siehe Kap. 2 in diesem Band) als Generierung von Lerngelegenheiten verstanden, bei welchen Bezüge geschaffen werden, die es den [Lernenden] ermöglichen, [die Intervention] sowohl strukturell als auch inhaltlich als zusammenhängend und sinnhaft zu erleben.] Für Lehrerfortbildungen bedeutet dies, dass sie diachron auf das im Studium erworbene akademische Wissen – im Fall der Ausspracheschulung z. B. im Sinne einer vertikalen Kohärenz auf den Spracherwerb, im Sinne einer horizontal-konsekutiven Kohärenz auf pädagogische und psychologische Wissensbestände – rekurrieren müssen. Es ist notwendig, eine Verknüpfung der bereits vorhandenen, oftmals jedoch fragmentiert vorliegenden Wissensbestände vorzunehmen und dann, mittels eines plausiblen Ausspracheschulungskonzepts eine Kohärenzwahrnehmung zu fördern, die die unterschiedlichen Wissensfacetten umfasst. Zudem müssen Fortbildungen Bezüge zur aktuellen Lehrtätigkeit herstellen. Auf die Bedeutung einer solchen horizontal-synchronen Kohärenz weisen beispielsweise Putnam und Borko (2000, S. 6) hin. Ihnen zufolge gelten solche Fortbildungen als besonders effektiv, die “ground teachers' learning experiences in their own practice by conducting activities at school sites, with a large component taking place in individual teachers' classrooms”. Fortbildungsveranstaltungen, die klassenraumfern stattfinden, seien – so Kennedy (2016, 947) – der Gefahr ausgesetzt, nur auf der deklarativen Ebene eine Veränderung herbeizurufen. Bei Fortbildungen ohne Übungsmöglichkeiten könne es passieren, dass Lehrkräfte einen neuen Lerninhalt zwar kognitiv aufnähmen und lernten, in ihrer konkreten Unterrichtspraxis jedoch in ihrer alten Handlungsweise verhaftet blieben – ohne den Widerspruch zu bemerken. Entsprechend erwiesen sich in Kennedys (2016) Metaanalyse solche Fortbildungen als effektiver, die von Personen durchgeführt wurden, die mit dem Lehrerberuf und dessen Problematiken sehr gut vertraut waren. Interventionen dagegen, die von eher schulfernen Multiplikatoren oder Multiplikatorinnen geleitet wurden, waren weniger wirksam. Ein wichtiges Mittel zur Förderung der Wahrnehmung von Kohärenz zwischen theoretischem Fortbildungsinput und dem Unterrichtsalltag scheinen Videographien zu sein (Clarke & Hollingsworth, 2002). Diese „eignen sich als anschauliche und prozessnahe Grundlage für die Reflexion und Diskussion über
3
Für eine detaillierte Darstellung siehe Kennedy (2016) oder Lipowsky (2014).
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Fragen der Unterrichtsgestaltung und die Verknüpfung von Theorie und Praxis mit dem Ziel eines vertieften Verständnisses von Unterrichtsprozessen und des Aufbaus eines transferfähigen Wissens“ (Krammer et al., 2010, S. 228). Um die Erkenntnis horizontaler und vertikaler Kohärenzstrukturen durch die Fortbildungsteilnehmenden zu favorisieren, müssen darüber hinaus Reflexionszeiten und -möglichkeiten eingeräumt werden (Clarke & Hollingsworth, 2002). Diese können sich aus entsprechenden Aufgaben im Rahmen der Fortbildung ergeben. Idealerweise haben die Teilnehmenden jedoch auch die Möglichkeit, während einer Erprobungszeit die neuen Methoden und Wissensbestände auf ihre Praktikabilität zu überprüfen und ihre Erfahrungen anschließend zu reflektieren (Lipowsky, 2014). Die Kohärenzwahrnehmung kann auch durch den Fortbildungsort beeinflusst werden: Eine schulinterne Fortbildung (Wenzel, 2010) kann dazu beitragen, dass die Fortbildungsinhalte als unmittelbar schulrelevant angesehen werden: Denn die Möglichkeit, sich auch außerhalb der Fortbildung mit Kolleginnen und Kollegen über die neu angeeigneten Wissensbestände und deren Implementation im Unterricht auszutauschen, kann dabei helfen, das neue Wissen kognitiv mit dem konkreten Schulalltag zu verknüpfen, was wiederum die Wahrnehmung von Kohärenz verstärken kann. Aus der Forderung nach einem Fortbildungssetting, das sowohl Klassenraumnähe als auch Aktion, Reflexion und Austausch ermöglicht, ergibt sich unmittelbar, dass die Fortbildung nicht auf einen einzelnen Tag reduziert werden kann, sondern mindestens zwei Termine mit einer zwischengeschalteten Erprobungsphase umfassen sollte. Rahmenbedingungen in Baden-Württemberg und Fortbildungskonzeption Die Forderung nach einer mehrtägigen Fortbildung erscheint im deutschen – und insbesondere im baden-württembergischen Schulkontext, im Rahmen dessen die vorliegende Studie durchgeführt wurde – problematisch. In Baden-Württemberg besteht für Lehrpersonen keine Fortbildungspflicht. Lehrkräfte, die an einer Fortbildung teilnehmen möchten, müssen sich für diese anmelden und sind – sofern die Fortbildung während der Schulzeit stattfindet – auf eine Genehmigung durch ihre Schulleitung angewiesen. Gerade bei mehrtägigen Veranstaltungen wird diese Genehmigung häufig verwehrt, da sie zu einem, von vielen Schulleitungen als unzumutbar wahrgenommenen Unterrichtsausfall führen. Diese Erwägungen – zusammen mit oben genannten Forschungsergebnissen zu Kohärenz und Kohärenzwahrnehmung in der Fortbildung – haben bei der Konzeption der Fortbildung zur Wahl einer schulinternen Fortbildung geführt: Konkret handelte es sich um eine Fortbildungsveranstaltung, die idealerweise an
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mehreren Terminen (mit zwischengelagerter Erprobungs- und Reflexionsphase) an einer Schule durchgeführt wird. Teilnehmende sind diejenigen Mitglieder einer Schulfachschaft (im vorliegenden Fall handelte es sich um die Französischfachschaft), die sich für die Fortbildungsthematik interessieren. Auf diese Weise wurde der freiwilligen Fortbildungsteilnahme, die in Baden-Württemberg vorgegeben ist, Rechnung getragen. Studie Die Tatsache, dass zum Fortbildungsgegenstand (Ausspracheschulung) sowie zu den zu fördernden Kompetenzfacetten noch keine Interventionen existieren, macht ein exploratives Vorgehen erforderlich, das auf die Schaffung innovativer didaktischer Lehr- und Lernarrangements abzielt. Gleichzeitig wird auf den vorhandenen theoretischen und empirischen Wissensstand zur Aussprachedidaktik zurückgegriffen. Hierfür eignet sich das Forschungsparadigma des DesignBased Research (DBR) (Collective, 2003) in besonderem Maß, da es, wie Prediger u. a. (2015, S. 883) anmerken, die Rückbindung an wissenschaftliche Einsichten mit einem explorativ-experimentellen Moment vereint 4. Eine iterative Struktur und das Alternieren zwischen experimentellen und reflexiven Phasen tragen während des Forschungsprozesses zur Optimierung der entwickelten Intervention bei. Entsprechend unterscheiden sich die Gütekriterien von DBRProjekten von anderen Forschungsvorhaben. Es gilt, wie Bakker und Van Eerde (2014, S. 6) beschreiben, „the products of DBR are judged on innovativeness and usefulness, not just on the rigor of the research process that is more prominent in evaluating true experiments“. Probandinnen und Probanden Die Fortbildung wurde in fünf experimentellen Zyklen 5 mit insgesamt 43 Lehrkräften der Sekundarstufen I und II optimiert: Die ersten beiden je zweitägigen Fortbildungsblöcke fanden in den Räumen der PH Freiburg statt, wohingegen die übrigen drei Zyklen als jeweils zweistündige schulinterne Fortbildung außer-
4 5
Für einen Überblick über die wesentlichen Gestaltungsmerkmale von DBR-Projekten s. z. B. Bakker & Van Eerde (2014). „Zyklus“ bezeichnet hier einen Fortbildungsdurchgang mit je einer Probandengruppe. Jeder Zyklus umfasste jeweils zwei Präsenztermine mit einer zwischengeschalteten Erprobungsphase. Zwischen den Zyklen wurde die Intervention optimiert und es wurden neue Lehrkräfte für einen weiteren Durchgang rekrutiert.
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halb der Unterrichtszeit an den Schulen der Teilnehmenden durchgeführt wurden. Fortbildnerin war in allen Fällen die Autorin selbst. Erhebungsinstrumente und Auswertung Zur Evaluation des Effekts der Fortbildung auf die aussprachebezogenen Kompetenzen kamen Fragebögen, Leitfadeninterviews und Reflexionsbögen zum Einsatz. 6 Die Kompetenzen wurden in Fragebögen über Items abgefragt, die die Lehrkräfte mit unterrichtstypischen Szenarien konfrontierten und um Schilderung der eigenen Reaktion in Verbindung mit einer kurzen Begründung baten. Dabei wurden, wie bereits dargestellt, diejenigen Kompetenzfacetten fokussiert, die Inhalte, Lehr- und Lernprozesse sowie lernendenbezogene Aspekte umfassten. Die Leitfadeninterviews und die Reflexionsbögen hingegen zielten darauf ab, diejenigen Aspekte der Fortbildung herauszufiltern, die von den Teilnehmenden als besonders relevant bewertet wurden. Die Auswertung der quantitativen Daten erfolgte mithilfe der Statistiksoftware JMP (JMP Pro 13.1.0, 2017). Die offenen Fragen wurden dabei zu einem Fünftel doppelt – und nach Erreichen einer guten Interrater-Reliabilität (Cohen’s Kappa κ = 0.7) einfach geratet. Für die Bewertung der aussprachedidaktischen Kompetenz wurde für jede Probandin und jeden Probanden zum einen ein Gesamtkompetenzwert gebildet. Zum anderen wurden aber auch die dem Wert zugrundeliegenden Einzelkompetenzen in ihrer Entwicklung über die Fortbildungstermine hinweg betrachtet. Die qualitativen Daten wurden nach dem Paradigma der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring, 2010) ausgewertet. Dabei wurde – je nach Bedarf – eine theoriebasiert-deduktive oder eine datengesteuert-induktive Vorgehensweise gewählt. Die Hälfte der erhobenen Interviewdaten wurde von zwei weiteren Personen kodiert. Das Kategoriensystem wurde in einer anschließenden Diskussion weiter ausdifferenziert. Datenerhebung In den ersten beiden Zyklen füllten die Teilnehmenden die Fragebögen zu Beginn des ersten und am Ende des zweiten Fortbildungstermins aus. Ab dem dritten Zyklus musste die Befragung vorab stattfinden, da eine reduzierte Fortbildungsdauer das Ausfüllen eines Fragebogens während der Intervention verbot: Entsprechend wurden die Prä-Fragebögen per Post an die jeweiligen Schulen gesandt und von den Teilnehmenden vor der Intervention ausgefüllt. Die Post-
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Zu den Erhebungsinstrumenten und den Codierungsmanualen siehe Abel (2018b).
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Fragebögen sowie die Reflexionsdokumente wurden nach der Intervention an die Probandinnen und Probanden ausgegeben – verbunden mit der Bitte, sie in einem beiliegenden frankierten Rückumschlag zurückzusenden. Es gab einen Rücklauf von 32 vollständigen (Prä- und Posttest umfassenden) Fragebogensätzen sowie 17 Reflexionsdokumenten. Ergebnisse Die Fortbildungsteilnehmenden erzielten zum zweiten Erhebungszeitpunkt signifikant (im Wilcoxon-Test für abhängige Stichproben: z = 3.83, p < .0001) höhere Kompetenzwerte als vor der Intervention (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Entwicklung des Kompetenzwerts aller Fortbildungsteilnehmenden nach Testzeitpunkt (1: vor der Intervention, 2: nach der Intervention) Bei der Analyse der Einzelitems stellte sich heraus, dass sich die Verbesserung auf 8 von 11 Items beschränkt. Ein Zuwachs lässt sich bei denjenigen Items feststellen, die Inhalte abfragten, die in der Fortbildung intensiv behandelt und von den Teilnehmenden in der Erprobungsphase zwischen den Terminen teilweise auch ausprobiert worden waren. Diejenigen Items, deren Inhalte – konkret handelte es sich um das aussprachebezogene Feedbackverhalten (zwei Items) sowie um die Beherrschung des internationalen phonetischen Alphabets (ein Item) – theoretisch gestreift, aus Zeitmangel jedoch nicht geübt werden konnten, erfuhren keine Veränderung. In den qualitativen Interviews betonten zwei Teil-
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nehmerinnen, dass der theoretische Input in Verbindung mit praxisnahen Beispielen für sie sehr wichtig gewesen sei: P1: Also, Sachen, die ich einfach theoretisch verstehe, kann ich einfach auch bei der Anwendung besser berücksichtigen und (…) das finde ich sehr wichtig und finde es kommt manchmal zu kurz, diese Theorie.
Dies korrespondiert mit den Reflexionsdokumenten, in denen 50 % der Lehrkräfte betonten, dass der wissenschaftliche Input sowie die Ergebnisse empirischer Studien in Verbindung mit eigenen Erfahrungen mit den angebotenen Methoden (35 % der Lehrkräfte) für sie besonders überzeugend gewesen seien. Eine besondere Rolle kommt in diesem Kontext offenbar auch den Videographien zu. So betonten alle vier interviewten Lehrerinnen, dass die videographierten Sequenzen, in denen eine Teilnehmerin die in der ersten Fortbildungssitzung erlernten Methoden erprobte, für sie von besonderem Interesse gewesen seien. Dieses Interesse, so eine Lehrerin, bestehe darin, sich zu vergewissern, dass die eigene Umsetzung der Fortbildungsinhalte „richtig“ sei: P2: Also, (...) dann macht man seine eigenen Erfahrungen im Unterricht und dann weiß man ja immer noch nicht, ist das jetzt so (...) gut oder nicht. Man hat zwar ein Gefühl dafür, aber so war (...) das schon schön. [So h]at man (…) eine Orientierung.
Die Videographien hatten somit eine selbstvergewissernde, aber auch eine motivierende Funktion, wie zwei Probandinnen betonten: P2: Aber (…) der Punkt ist ja, (…) ich hab das auch immer oder ich denke das auch immer, dass alle anderen das immer besser können. P3: Also (…) mich motiviert das. Also wirklich, weil [oft] guckt man über seinen eigenen Tellerrand nicht raus und macht immer dasselbe, und dann kommt dieser Schülerwiderstand manchmal, und man ist dann demotiviert. Und dann sieht man andere Kollegen und denkt wieder: „Ach, das mache ich jetzt doch auch mal wieder“.
Videographien, so Probandin 3, stellten für sie ein Mittel dar, den eigenen, durch die Schulpraxis und die damit verbundenen Zwänge möglicherweise eingeengten Fokus wieder zu erweitern und den eigenen Unterricht zu überdenken. Darüber hinaus wurde durch die Videoaufnahme deutlich gemacht, dass der Einsatz der in der Fortbildung neu erlernten Methoden möglich und sinnvoll ist. Alle Probandinnen bewerteten die Abwechslung zwischen Fortbildungsveranstaltungen und Erprobungsphasen als sinnvoll und hilfreich. Von einer Probandin wurde allerdings angemahnt, dass eine noch stärkere Verzahnung von Theorie und Praxis, beispielsweise über konkrete Unterrichtsszenarien, wünschenswert wäre. Als sehr wertvoll wurde sowohl in den Interviews als auch in den Reflexionsbögen der Austausch mit anderen Fortbildungsteilnehmenden benannt. Dies deckt
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sich mit methodischen Überlegungen zu Gütekriterien von DBRForschungsprojekten, die die Kriterien der Praktikabilität und Nützlichkeit zu erfüllen haben: So konnte durch die schulinterne Fortbildung einerseits der Austausch favorisiert werden, zugleich aber auf lange Wege und ausfallende Unterrichtsstunden verzichtet werden. Zugleich konnte aber durch die Expertise der Fortbildnerin sichergestellt werden, dass ein evidenzbasierter Input vorhanden war und so ein Kompetenzaufbau geleistet werden konnte 7. Diskussion Die nach dem DBR-Verfahren entwickelte Fortbildung hat sich in der Evaluation als für die Verbesserung der aussprachedidaktischen Kompetenzen wirksam erwiesen. Die Verbesserung konzentrierte sich auf Kompetenzfacetten, die sowohl theoretisch als auch praktisch – durch eine Verzahnung von theoretischem Input, konkreten Beispielen und Erprobungsmöglichkeiten – behandelt worden waren. Dies legt nahe, dass Bezüge zwischen Fortbildungsinhalten, dem bereits vorhandenen Wissen und der konkreten Schulpraxis für das Lernen in Fortbildungen eine große Rolle spielen. Die Bedeutung solcher Bezüge spiegelt sich auch in den Interviewaussagen zu den Videographien wider: So wurden diese Videoaufnahmen, in denen Lehrkräfte Fortbildungsinhalte erprobten, von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern als besonders sinnvolles Fortbildungselement benannt. Insbesondere sei durch diese Aufnahmen die Relevanz der Fortbildungsinhalte veranschaulicht worden. Dieser Befund korrespondiert zum einen mit empirischen Forschungsergebnissen zur Wirksamkeit von Videographien in Lehrkräftefortbildungen (Krammer et al. 2010). Zum anderen zeigt er auf, dass die Herstellung von Kohärenz zwischen Lerninhalt und Lehrpraxis ein relevantes Fortbildungsmerkmal ist. Auch die Gesamtkonzeption der Intervention, die als schulinterne Fortbildung durchgeführt wurde, gestattete eine Verzahnung zwischen Lerninhalt und Lehrpraxis. Zum einen ermöglichte sie den Lehrkräften, sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen auch außerhalb der Fortbildungstermine über die Implementation der Fortbildungsinhalte auszutauschen und bot daher ähnliche Vorteile wie Lehrkräftekooperationen (Gräsel, Fußangel & Pröbstel, 2006; Stoll, Bolam, McMahon, Wallace & Thomas, 2006). Zum anderen wurde durch die externe Fortbildnerin gewährleistet, dass neue Wissensbestände an die Teilnehmenden 7
Zur Gefahr schulinterner Fortbildungen ohne Expertensupervision siehe Kennedy (2016).
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herangetragen wurden. Es wurde also das von Kennedy (2016) benannte Risiko minimiert, dass mangelnder Input einem Lernfortschritt der Lehrkräfte entgegenwirkt. Die im Rahmen der Fortbildung initiierten Reflexions- und Verknüpfungsaufgaben sollten es den Lehrkräften erleichtern, Bezüge zwischen den neuen und den bereits erworbenen Wissens- und Erfahrungsbeständen herzustellen. Aus den genannten Befunden lässt sich ableiten, dass die Forderung nach einer kohärenten Gestaltung von Lerngelegenheiten, wie sie in diesem Band für die Lehrerbildung erhoben wird, auch auf Lehrkräftefortbildungen ausgeweitet werden kann und sollte. Trotzdem müssen die erzielten Ergebnisse problematisiert werden. Die Probandengruppe war relativ klein und durch die Beschränkung auf den baden-württembergischen Schulkontext sehr spezifisch: Dies mag eine Generalisierung der Befunde prekär erscheinen lassen. Hier wären weitere Studien notwendig, um die oben dargestellten Ergebnisse zu ergänzen. Transferpotenzial Diejenigen fortbildungsmethodischen und -didaktischen Gestaltungsprinzipien, die sich als besonders effektiv erwiesen haben, können auf andere fachnahe und fachfremde Fortbildungen übertragen werden (siehe Abb. 2): Das gilt insbesondere für die Gestaltung der Fortbildung als schulinterne Fortbildung mit Experteninput, bei der eine Verknüpfung zwischen Schulnähe und -praxis und neuen Lerninhalten geleistet werden kann. So können die Vorteile von Lehrkräftekooperationen ohne die Gefahr eines Inputmangels genutzt werden. Videographien schulinterne Fortbildung mit Expertensupervision Reflexion Lernszenarien Alternation zwischen Input und Erprobung
Abb. 2: Bausteine einer kohärenten Lehrkräftefortbildung Ebenso können Teilnehmervideographien genutzt werden, um eine Kohärenzwahrnehmung zwischen den neuen Wissensbeständen und der Schulpraxis zu favorisieren. Die Möglichkeit zu Austausch und Reflexion im Rahmen der
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Fortbildung sowie die Erprobungsphasen zwischen den Fortbildungsterminen können die Relevanzwahrnehmung der Fortbildungsteilnehmenden stärken. Zudem ist es denkbar, der Anregung durch die Teilnehmenden zu entsprechen und die Handlungsorientierung weiter zu steigern, beispielsweise durch den Einsatz von Lernszenarien während der Präsenztermine. Literatur Abel, C. (2018a). „Aus Fehlern wird man schlau“? Feedbackbezogene Praktiken und Kompetenzen von Französischlehrkräften. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung, 29(1). Abel, C. (2018b). Ausspracheschulung: Erhebung von Kompetenzen, Überzeugungen und Praktiken von Französischlehrkräften. Entwicklung eines bedarfsbezogenen Fördermoduls. Tübingen: Narr Francke Attempto. Bakker, A. & Van Eerde, D. (2014). An introduction to design-based research with an example from statistics education. In A. Bikner-Ashbahs, C. Knipping, & N. Presmeg (Hrsg.), Doing qualitative research: Methodology and methods in mathematics education (S. 429–466). New York: Springer. Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9(4), 469–520. Blömeke, S. (2011). Teacher education and development study: Learning to teach (TEDS-LT) Erfassung von Lehrerkompetenzen in gering strukturierten Domänen. In Kompetenzen von Lehramtsstudierenden in gering strukturierten Domänen erste Ergebnisse aus TEDS-LT (S. 7–24). Münster: Waxmann. Caspari, D. (2010). Französischunterricht in Deutschland – Aktuelle Situation und Zukunftsperspektiven. In R. Porsch, B. Tesch, & O. Köller (Hrsg.), Standardbasierte Testentwicklung und Leistungsmessung Französisch in der Sekundarstufe I (S. 11–24). Münster: Waxmann. Celce-Murcia, M. & Olshtain, E. (2000). Discourse and context in language teaching: A guide for language teachers. Cambridge: Cambridge University Press. Chavez, M. (2014). Variable beliefs about the need for accuracy in the oral production of German: An exploratory study – Variable beliefs about the need for accuracy in the oral production. International Journal of Applied Linguistics, 24(1), 97–127. Clarke, D. & Hollingsworth, H. (2002). Elaborating a model of teacher professional growth. Teaching and teacher education, 18(8), 947–967. Collective (2003). Design-based research: An emerging paradigm for educational inquiry. Educational Researcher, 32(1), 5–8. Correa, M. & Grim, F. (2014). Audio recordings as a self-awareness tool for improving second language pronunciation in the phonetics and phonology classroom: Sample activities. Currents in Teaching & Learning, 6(2), 55–63. Derwing, T. M. & Munro, M. J. (2015). Pronunciation fundamentals: Evidence-based perspectives for L2 teaching and research. Amsterdam: John Benjamins Publishing Company. Foote, J. A., Trofimovich, P., Collins, L., & Urzúa, F. S. (2016). Pronunciation teaching practices in communicative second language classes. The Language Learning Journal, 44(2), 181–196. Goethe-Institut Inter Nationes. (2001). Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: Lernen, lehren, beurteilen [Niveau A 1, A 2, B 1, B 2, C 1, C 2]. Abgerufen am 15. März 2018 von http://www.goethe.de/z/50/commeuro/5020104.htm Gräsel, C., Fußangel, K., & Pröbstel, C. (2006). Lehrkräfte zur Kooperation anregen – Eine Aufgabe für Sisyphos. Zeitschrift für Pädagogik, 52(2), 205–219.
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Die Reformen der Anderen – Kohärenz und Professionsorientierung in der französischen Lehrerbildung
Christine Schmider1, Katja Zaki2 1 Université Nice Sophia Antipolis, 2 Pädagogische Hochschule Freiburg Keywords: Lehrerbildungsreform in Frankreich, Theorie-Praxis-Verzahnung, tutorats mixtes Die Lehrerbildung in Frankreich befindet sich seit 2012 in einem tiefgreifenden Wandel: Von einem fragmentierten System par excellence führten und führen zentralistische Reformen zur Etablierung einer starken Professionsorientierung. Die dadurch angestoßene Förderung horizontaler und vertikaler Kohärenz wird durch bildungspolitische Rahmenverordnungen („top-down“) ebenso gestärkt wie durch institutionelle, curriculare und personelle Reformen an den einzelnen Lehrerbildungsstandorten. Der folgende Beitrag skizziert zunächst grundlegende Unterschiede zwischen dem französischen und dem deutschen System der Sekundarstufenlehrerbildung und diskutiert daran anschließend ausgewählte Meilensteine und Charakteristika der französischen Reform. In den Fokus rückt dabei der neue „Master MEEF“ (ein für das Lehramt qualifizierender Masterstudiengang, der nicht auf das Refrendariat vorbereitet, sondern dieses bereits beinhaltet), die nationale culture commune der Lehrerbildung, sowie die équipes pédagogiques mixtes als das personelle Herzstück der reformierten französischen Lehrerbildung.
Kulturen der Lehrerbildung – ein Blick nach Frankreich Traditionell wurde dem Ziel einer kohärenten Professionalisierung in der französischen Lehrerbildung kaum Bedeutung beigemessen. Die Struktur war vielmehr geprägt durch die strikte Trennung zweier weitgehend autonomer Ausbildungsphasen, d. h. zwischen einem fachwissenschaftlichen Universitätsstudium einerseits, das ohne jegliche Spezifizierung gleichermaßen auf forschungsorientierte Masterstudiengänge sowie auf die staatliche Zugangsprüfung zum Lehramt (concours) vorbereitete, sowie einem schulpraktischen Vorbereitungsdienst andererseits, der wiederum losgelöst von fachwissenschaftlichen Inhalten oder fachdidaktischer bzw. bildungswissenschaftlicher Forschung rein praxis- und methodenorientiert verlief. Diese Separation machte das französische System jahrzehntelang zum Paradefall einer konsekutiven und kompartimentalisierten Lehrerbildung aus weitgehend voneinander isolierten Professionalisierungsphasen. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_20
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Erst seit 2011 werden infolge allgemein-europäischer Impulse aus Bildungspolitik und -forschung sowie der daraus resultierenden Paradigmenwechsel (Stichwort: Kompetenz- und Handlungsorientierung) auch in Frankreich grundlegende Reformen initiiert, die auf eine integrative Stärkung der professionellen Handlungskompetenzen von Lehrkräften in den unterschiedlichen Bereichen und Facetten zielen (Baumert & Kunter, 2006; König, 2014; Shulman, 1987). Vor diesem Hintergrund wird in Bezug auf Ziele, Voraussetzungen, Umsetzung und Perspektiven dieser großangelegten Reformen deutlich: Die Forderung nach horizontaler und vertikaler Kohärenz, in deren Rahmen sowohl fachwissenschaftliche, fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Inhalte aufeinander bezogen (horizontal) als auch Theorie und Praxisphasen (vertikal) miteinander verzahnt wurden (siehe Kap. 2 in diesem Band), traf in Frankreich auf andere bildungssystemische und -kulturelle Voraussetzungen als beispielsweise in vielen deutschen Bundesländern. Entsprechend wurde sie in vielen Entscheidungsund Gestaltungsfeldern auch anders problematisiert und realisiert. Nach einer Skizzierung der historisch gewachsenen Kultur des französischen Lehrerbildungssystems und der Reformen, die seit 2012 dezidiert auf eine stärkere Professionsorientierung der Lehrerbildung zielen, werden ausgewählte Maßnahmen und Ansätze vorgestellt, die aus deutscher Sicht teils innovative, teils überraschende Wege zur systematischen Verankerung und Förderung horizontaler und vertikaler Kohärenz aufzeigen. Der Fokus liegt auf Maßnahmenbündeln und -perspektiven, die auf unterschiedlichen Systemebenen verortet sind (bildungspolitisch, institutionell, curricular, personell). Sie werden in der Folge in ihrer jeweiligen fächerübergreifenden Dimension skizziert und mit konkreten Umsetzungsbeispielen aus der französischen Fremdsprachenlehrerbildung am Standort Nice-Toulon veranschaulicht. Auf bildungspolitischer Ebene steht dabei insbesondere die für den deutschen Kontext ungewöhnliche zentrale, d. h. landesweit gültige, Regelung der Lehrerbildung im Mittelpunkt, auf curricularer Ebene die integrative Vernetzung des Master MEEF (Métiers de l’Enseignement, de l’Education et de la Formation) und der Vorbereitungsdienst (sowie die entsprechende Wahrnehmung der einzelnen Phasen), auf der institutionellen und personellen Ebene die Wirkung interdisziplinärer équipes pédagogiques mixtes als Herzstück und personelles Rückgrat der französischen Lehrerbildung. Kontext: Lehrerbildung in Frankreich und die Reform von 2012 Traditionell war die universitäre Lehrerbildung in Frankreich sehr stark auf den sukzessiven Aufbau eines vorwiegend fachwissenschaftlich akzentuierten Professionswissens fokussiert, während fachdidaktische und bildungswissenschaftli-
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che Studienanteile sowie Praxisphasen eine marginale Rolle spielten. Das französische Modell beruhte dabei auf einer strikten Trennung der ersten und zweiten Phase: Zwischen ihnen gab es keinerlei Verbindung – weder institutionell noch konzeptionell. Die erste Phase fand ausschließlich an der Universität statt und sah ein rein fachwissenschaftliches Studium vor, auf das ein ebensolcher concours 1, das CAPES (Certificat d’Aptitude au Professorat de l’Enseignement du second degré) folgte. Im Gegensatz dazu war die zweite Phase an den IUFM (Institut universitaire de la formation des maîtres) angesiedelt, die – losgelöst von der Universität – die Praxisphasen der Referendare/-innen betreuten. Erst im Zuge der Bologna-Reform und der Agenda 2020 kam es seit 2012 zu einer stärkeren Berücksichtigung und Verzahnung schulpraktischer und fachdidaktischer Studienanteile, sowie zu einer verstärkt phasen- und institutionenübergreifenden Konzeptualisierung von Lehrerbildung, welche nicht zuletzt durch eine traditionell zentralistische Bildungspolitik und eine top down-vermittelte culture commune, also ein gemeinsames Leitbild von Lehrerbildung, gestärkt wird. Ausgewählte Spezifika des französischen Systems Um die Tragweite der Reformen für Außenstehende zu verdeutlichen, werden zunächst einige grundlegende Spezifika des französischen Bildungssystems, insbesondere der Lehrerbildungsstrukturen für die Sekundarstufe (second degré) betrachtet. In den Fokus rücken hier der Zentralismus der französischen Bildungspolitik, der concours du CAPES als staatliche Auswahlprüfung, die Gliederung der Sekundarstufe, sowie die Ein-Fach-Spezialisierung der Lehrkräfte. Education nationale – Zentralismus in Bildungssystem und Lehrerbildung Elementar für das französische System ist die vollständige Zentralisierung der education nationale: das nationale Erziehungswesen, das die Ausbildung französischer Lehrerinnen und Lehrer landesweit vereinheitlicht und nach ministeriellen Vorgaben lenkt. Der deutschen Kulturhoheit der Länder steht in Frankreich damit eine streng zentralisierte, nationale Bildungspolitik gegenüber – nicht nur in Bezug auf das Schulwesen, sondern auch auf die Lehrerbildung an französischen Hochschulen. Der institutionelle Rahmen der education nationale, der von den beiden zuständigen Ministerien, dem MEN (Ministère de l’Education Nationale) und dem MESR (Ministère de l’Enseignement Supérieur et de la Recher-
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Eine staatliche Auswahlprüfung, vergleichbar mit dem Staatsexamen (das in einigen deutschen Bundesländern noch immer zentrale Voraussetzung für den Zugang zur Lehrbefähigung ist).
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che) vorgegeben wird, ist dabei einerseits sehr rigide. Gleichzeitig ist er in der Anwendung aber sehr transparent und für jede der 30 Académies – vergleichbar mit Schulamtsbezirken – identisch, von Paris über die französische Provinz bis zu den vier Académies d’Outre Mer, d. h. den Académies der Überseegebiete Gouadeloupe, Martinique, Guyane und La Réunion. Der Zugang zum Lehramt, die Einstellung der Lehrerinnen und Lehrer, deren Versetzung sowie sämtliche laufbahnrechtliche Entscheidungen werden nicht von den Akademien, sondern zentral vom Ministère de l'Education Nationale geregelt. Concours du CAPES: Der staatliche Zugang zum Lehrberuf Voraussetzungen für den Zugang zum Lehramt der Sekundarstufe waren in Frankreich bisher: ein universitärer Master of Education und ein erfolgreich absolvierter staatlicher concours (vergleichbar mit dem ersten Staatsexamen). Das Prinzip dieses concours du CAPES sieht für das Sekundarstufenlehramt beispielweise vor, dass jedes Jahr in Abhängigkeit von der Bedarfslage (d. h. den freien oder benötigten Stellen) in den verschiedenen Fächern, eine bestimmte Anzahl an Plätzen ausgeschrieben wird und die Kandidatinnen und Kandidaten, die in den schriftlichen und mündlichen Prüfungen am besten abschneiden, den concours bestehen. Sie bekommen sie in der Folge einen der vorgesehenen Plätze für den einjährigen Vorbereitungsdienst zugeteilt und haben das Anrecht auf eine Beamtenstelle – die aufgrund der zentralisierten Einstellungspraxis jedoch irgendwo in Frankreich sein kann. Die Zusicherung einer Beamtenstelle im staatlichen System erhalten die Studierenden also mit bestandenem CAPES und damit bevor sie den Vorbereitungsdienst beginnen. Dieser hat folglich keine Selektionsfunktion wie in Deutschland, was sich auch auf die Rahmenbedingungen des Vorbereitungsdienstes auswirkt 2. Ein-Fach-Spezialistinnen und -Spezialisten Ein weiteres Spezifikum des französischen Systems ist die Ein-FachAusbildung. Traditionell werden Lehrkräfte der Sekundarstufe in Frankreich schließlich monovalent als Spezialistinnen und Spezialisten für ein Unterrichtsfach ausgebildet. Auch der concours du CAPES und der neue Master MEEF werden in einem Fach abgelegt – mit Ausnahme einiger Fächerkombinationen
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Neben, teilweise auch aufbauend auf dem CAPES existiert ein zweiter, selektiverer concours, die Agrégation, für die ebenfalls nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen bereitgestellt wird. Die Kandidatinnen und Kandidaten, die die agrégation bestehen, unterrichten später vorwiegend in der Oberstufe, d. h. in den Abiturklassen, insbesondere den classes préparatoires, den Zugangsklassen zu den französischen Elitehochschulen. Sie haben ein reduziertes Deputat.
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wie Geschichte/Geographie und Physik/Chemie. Die fachwissenschaftliche und fachdidaktische Fokussierung auf ein Unterrichtsfach, die im französischen System bereits in der licence, d. h. in einem Ein-Fach-Bachelorstudium angelegt ist, verändert auch die Gewichtung fachwissenschaftlicher und bildungswissenschaftlicher bzw. theoretischer und praktischer Ausbildungsanteile. Die Konzentration auf ein Unterrichtsfach bietet professionsorientierten Formaten mehr Raum und erleichtert Dozierenden wie Studierenden die Abstimmung. Auch fachwissenschaftliche bzw. fachdidaktische und bildungswissenschaftliche bzw. schulpraktische Inhalte können eindeutiger aufeinander bezogen werden als dies in einer Zwei-Fach-Ausbildung der Fall wäre, in der oft unterschiedliche Fachkulturen sowie Vorstellungen von Lehrerbildung in Einklang gebracht werden müssen. Zwei Schultypen – Ein Sekundarstufenlehramt Ein weiterer bedeutender Unterschied zum deutschen Lehrerbildungssystem ist, dass in der französischen Lehrerbildung nicht kategorische zwischen Sekundarstufenlehramt I und II unterschieden wird. Die Masterstudiengänge der französischen Universitäten bereiten auf collège (Sekundarstufe I für 10- bis15-jährige Schülerinnen und Schüler) und lycée (Gymnasium für 15- bis 18-jährige Schülerinnen und Schüler) vor. Hervorzuheben ist hierbei außerdem, dass das Collège – wie das Modell der Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg und anderen Bundesländern – von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Lern- bzw. Leistungsniveaus gemeinsam besucht wird; es findet keine Selektion statt, was, je nach Schuleinzugsgebiet sehr heterogene Klassen zur Folge hat: Die Ausbildung der Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer muss deshalb auf den Einsatz im Brennpunkt-collège, das von Kindern aus tendenziell bildungsfernen Elternhäusern besucht wird, genauso vorbereiten wie auf den Unterricht in binationalen Abiturklassen (Abi-Bac). Eine kohärente Gewichtung und Verzahnung fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer und bildungswissenschaftlicher Studieninhalte stellt in diesem Kontext eine Herausforderung für die Studiengangskonzeption dar. Die Reform von 2012 – Von der Kompetenz- zur Kohärenzorientierung Im Zuge der 2012 in Frankreich initiierten Reform der Lehrerbildung wurde an den lehrerbildenden Standorten zum Studienjahr 2013/2014 der berufsfeldbezogene, auf einen polyvalenten Bachelorabschluss folgende Master MEEF eingerichtet und erstmals angeboten. Dies hat die Struktur der französischen Lehrer-
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bildung wie auch die Gewichtung und Gestaltung einzelner Studienanteile grundlegend verändert (siehe Abb. 1) 3.
Abb. 1: Struktur der frz. Sekundarstufenlehrerbildung (eigene Darstellung) Die 2013 gegründeten Bildungszentren, die ESPEs (Ecole Supérieure du Professorat et de l’Enseignement), fungieren als den Universitäten zugeordnete Fakultäten. Zuständig für die Aus- und Weiterbildung der Lehrenden sollen sie den Erwerb berufsbezogener Kompetenzen ermöglichen und haben dabei die Funkti3
Arrêté du 27 août 2013. JORF n° 0200 du 29 août 2013. Bereits die 2010/2011 erfolgte masterisation des concours hatte die Zugangsmodalitäten zum Lehramt verändert: Statt der bislang ausreichenden licence mussten Kandidaten/-innen, die den concours für die Sekundarstufe II, das CAPES, ablegen wollten, nun einen M.Ed. absolvieren. Zudem wurde das bislang rein fachwissenschaftlich ausgerichtete CAPES um Prüfungen mit didaktischen Anteilen ergänzt.
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on, eine stärkere Verzahnung von fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Studienanteilen (i. S. horizontaler Kohärenz) ebenso zu fördern wie die Vernetzung von Theorie und Praxis bzw. Studium und Beruf (i. S. vertikaler Kohärenz). Sie sind also, anders als die früheren IUFMs, keine separate Institution, sondern im Sinne einer School of Education mit den Universitäten assoziiert und verwaltungstechnisch in diese integriert. In der Regel sind Universitätsdozierende, die in der Lehrerbildung tätig sind, auch Mitglieder der ESPEs. Die Zentralisierung des französischen Lehrerbildungssystems lässt den ESPEs dabei wenig Gestaltungsspielraum bezüglich der Studien- und Ausbildungsinhalte. Zu eng sind die staatlichen Vorgaben auf inhaltlicher und curricularer Ebene, die vor Ort implementiert werden. In positiver Hinsicht hat die zentralistische Organisation der Lehrerbildung im Zuge der Reformen dazu geführt, dass im top down-Modus innerhalb kürzester Zeit tiefgreifende Änderungen und Neuorientierungen durchgesetzt wurden. Kohärenz im französischen System – Lehrerbildung aus einem Guss? Die Geschwindigkeit und Radikalität, mit der das französische Lehrerbildungssystem so neue Ansätze der Professionalisierung und kohärenten Verzahnung fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer und bildungswissenschaftlicher sowie theoretischer und praktischer Studienanteile fokussiert und diese mittels zentraler, allgemeinverbindlicher Standards und Kompetenzraster durchsetzt, kann aus der Perspektive einer föderalen Bildungspolitik erstaunen. Diese Dynamik wird im Folgenden anhand ausgewählter Ansätze mit Blick auf die französische Sekundarstufenlehrerbildung skizziert. Der neue Master MEEF mit reformiertem Concours du CAPES Auf curricularer Ebene überrascht aus deutscher Sicht insbesondere die Struktur der neuen Master MEEF-Studiengänge, da sie Phasen der Lehrerbildung, die im französischen System bis 2012 streng getrennt waren, verbindet: nämlich den Master-Grad mit einem staatlichen Examen und dem Vorbereitungsdienst (stage). Französische Studierende beginnen den Vorbereitungsdienst seit der Reform nicht mehr im Anschluss an ihr Studium, sondern absolvieren ihn parallel zum bzw. integriert im zweiten Masterjahr, im Anschluss an den concours du CAPES. Die Herausforderung einer kohärenten curricularen Konzeption bestand dabei im Wesentlichen darin, zum einen die stark fachwissenschaftliche concoursVorbereitung mit den fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Inhalten des Masterstudiums zu verbinden, zum anderen aber auch darin, die schulprakti-
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sche Erfahrung kohärent im Kontext der theoretischen Studienanteile zu verankern. Um dies zu gewährleisten, erließ das Ministerium im Vorfeld der Reform ein cahier de charges, dessen maßgebliche Vorgabe war, den Master MEEF nicht ausschließlich nach inhaltlich aufeinander bezogenen Modulen auszurichten, sondern diesen Modulen gleichzeitig transversale Rollen- und Kompetenzblöcke (beispielsweise mit einem Fokus auf Inklusion oder Medienkompetenz) zuzuordnen, die über verzahnte Theorie- und Praxisphasen zu implementieren waren (Meser, 2013). Ein Herzstück der Reform ist dadurch die duale Lehrerbildung en alternance, d. h. die Verbindung von akademischen Studienanteilen an der Universität und ESPE mit eigenverantwortlichem Unterricht an der Schule, die den Vorbereitungsdienst der zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer in die universitäre Lehrerbildung integriert (zur Struktur des Master MEEF und Abfolge der einzelnen Studienanteile siehe Abb. 1). 4 Der concours du CAPES selbst wurde durch die Reform von 2012 ebenfalls maßgeblich verändert: An die Stelle der fast ausschließlich fachwissenschaftlichen Prüfung früherer Jahre trat ein Prüfungsformat aus schriftlichen und mündlichen Teilen, in dem fachdidaktische Anteile bzw. integrative Aufgabenformate an der Schnittstelle zwischen Fachwissenschaft, -didaktik und -methodik weiter in den Fokus rücken. Auch die Zusammensetzung der nationalen Jury, die die schriftlichen und mündlichen Prüfungen zentral korrigiert bzw. abnimmt, trug dieser Tatsache Rechnung: Seit 2013 setzen sich die Mitglieder nicht mehr geschlossen aus Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftlern zusammen, sondern wurden durch interinstitutionelle Prüfungskommissionen ersetzt, mit Vertreterinnen und Vertretern von Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Schulpraxis. Nach Bestehen des concours im ersten Masterjahr haben die Studierenden im zweiten Masterjahr einen doppelten Status: Sie sind mit einem halben Deputat (9 Stunden) im Schuldienst und unterrichten eigenständig und vollverantwortlich in unterschiedlichen Klassenstufen entweder im collège (Sek. I) oder im lycée (Sek. II). Als Professeur Fonctionnaire Stagiaire de l’Education Nationale (PFSE) gelten sie als Beamte auf Probe, haben aber gleichzeitig Studierendenstatus, da sie die zweite Hälfte ihres Lehrdeputats an der ESPE verbringen und dort fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Kurse absolvieren.
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Die Studierenden sind im zweiten Masterjahr also gleichzeitig Studierende und Referendarinnen und Referendare: Sie verbringen ca. drei Schultage in ihren Einsatzschulen, wo sie bereits besoldet und mit halbem Deputat unterrichten. Sie sind aber auch Studierende und besuchen an zwei bis drei Tagen pro Woche Lehrveranstaltungen an Universität und ESPE. Studium und Referendariat sind in mehrfacher Hinsicht eng verzahnt.
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Professionsorientierte Lehre und kooperative Formate Das Hauptaugenmerk des Lehrangebots bzw. der Lehrentwicklung im zweiten Masterjahr („M2“, siehe Abb. 2) liegt im Rahmen der teils fachspezifischen, teils transversalen Kompetenzblöcke auf Unterrichtsmodulen, die gezielt auf die Konzeption, Begleitung und Reflexion von Unterrichtseinheiten ausgerichtet sind und die studierenden Lehrerinnen und Lehrer bzw. lehrenden Studierenden in ihrer beruflichen Entwicklung unterstützen. So werden seit 2012 verstärkt integrative professionsorientierte Kurse an der Schnittstelle zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik angeboten – im Bereich der Fremdsprachenlehrerbildung beispielsweise „Literaturvermittlung im Deutschunterricht“, „Neue und soziale Medien im Klassenraum“ oder „Kontrastive Grammatik und ihr Potenzial in kompetenzorientierten Unterrichtseinheiten“, in denen Erfahrungen, Probleme und Unterrichtsverläufe aus den Schulpraktischen Studien der Studierenden besprochen werden bzw. gemeinsam geplante Aufgaben oder Einheiten in den Unterricht getragen werden. Ziel dieser Kurse ist, den Druck, der nicht selten auf den Junglehrerinnen und -lehrern lastet, zu verringern und sie mithilfe kritischreflexiver Diskussions- und Arbeitsformen in ihrem Professionsverständnis als reflective practioners zu bestärken. Kooperative Formate der Unterrichtsvorund -nachbereitung sollen so nicht nur den Aufwand der individuellen Stundenkonzeption reduzieren sondern auch die Teamfähigkeit, Feedbackkultur und Selbstwirksamkeitserwartung der Studierenden stärken (beispielweise durch die Erprobung der Sequenzen in micro-teaching-Settings). Équipes pédagogiques mixtes: Professionelle Lehr-Lern-Gemeinschaften Im Zuge der Entwicklung einer gemeinsamen culture commune der institutionell verankerten Theorie-Praxis-Verzahnung spielt auch der Ansatz der équipes pédagogiques mixtes – kooperative, überinstitutionelle Lehr- und Prüfungskommissionen, die die Lehrerbildung tragen, betreuen und evaluieren – eine entscheidende Rolle (siehe später auch den Spezialfall der tutorats mixtes). Als klassische comunities of practice (Wenger, 1991) bestehen sie für jedes Fach und setzen sich aus Vertreterinnen und Vertretern der universitären Fachwissenschaften und Fachdidaktiken, Betreuungslehrkräften der Praktikumsschulen, Mentorinnen und Mentoren, Schulinspektoren und abgeordneten Lehrkräften.
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Abb. 2: Kohärenz durch kooperative Lehrerbildung und Betreuungsstrukturen (eigene Darstellung, in Anlehnung an Michaud, 2010) Bis zur Reform waren schulpraktische Studienanteile und die universitäre, fachwissenschaftliche Lehrerbildung wie skizziert zwei getrennte Bereiche, die sogar unterschiedlichen Ministerien unterstanden. Es gab keinen Austausch über Qualifizierungsziele, Lerninhalte oder Bewertungskriterien. Vor allem für die Universität war die Lehrerbildung dabei sehr auf die Vorbereitung des concours fokussiert, sodass es insbesondere darum ging, fachwissenschaftliche Kenntnisse und fachspezifisches Wissen zu vermitteln, nicht aber darum, zukünftige Lehrkräfte für die Praxis auszubilden. Die Einführung der équipes pédagogiques mixtes hingegen – Teams aus universitären und schulischen Betreuerinnen und Betreuern – machte die Lehrerbildung auch auf der institutionellen bzw. personellen Ebene zu einer gemeinsamen Aufgabe mit geteilter Verantwortung. Die Studierenden wurden so auch in
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den Augen der Hochschullehrenden zu zukünftigen Lehrkräften, für die es neben einem fundierten Studium der Fachwissenschaften auch professionsorientierte Formate zu entwickeln gilt. Um die beiden Bereiche – Universität und Schule, Theorie und Praxis – nachhaltig zu verzahnen, beließ es das Ministerium dabei nicht bei einer einfachen Aufforderung zur Kooperation, sondern gab den équipes pédagogiques mixtes konkrete Verantwortungs- und Aufgabenbereiche mit auf den Weg. Eine Vorgabe lautet, nicht nur schulpraktische Studien, sondern auch Lehrveranstaltungen und wissenschaftliche Arbeiten (wie die Masterarbeit) von einem gemischten Mentorenteam, den sogenannten tutorats mixtes (Michaud, 2010/2015, siehe auch Abb. 3) kooperativ zu begleiten und anhand des nationalen Kompetenzrasters zu bewerten. Als binôme, also im Tandem, betreuen sie die Studierenden so während ihrer Praktikumsphase in der Schule und verantworten auch gemeinsam die Betreuung und Begutachtung der Masterarbeit sowie deren Verteidigung. Die enge Zusammenarbeit mit den Kollegen/-innen aus der Schulpraxis verschafft den Hochschullehrenden so Einblicke in den zukünftigen Berufsalltag ihrer Studierenden. In kollegialen Feedbackschleifen reflektieren sie den Professionsbezug ihrer Kursinhalte – die Schulpraktiker/-innen wiederum reflektieren theoriegeleitete Fragestellungen und den Wissenschaftsbezug ihrer eigenen Praxis. Das doppelte Mentoratssystem und die von diesem ausgelösten Impulse wurden schnell zum Herzstück der französischen Lehrerbildung. Gemeinsames Leitbild: Die culture commune in der französischen Lehrerbildung Die Reform der französischen Lehrerbildung war eine Reform von oben, die über die Etablierung konkreter nationaler Kompetenzstandards und Vorgaben stattfand. Die universitäre Lehrerbildung, die formation initiale, wird seit 2012 in neu konzipierten Master MEEF-Studiengängen durchgeführt, die u. a. eine erweitertes Angebot in Fachdidaktik und Bildungswissenschaften sowie eine Ausrichtung am nationalen Kompetenzrahmen von 2013 5 vorsehen. Das Professionswissen und -verständnis soll zudem insbesondere in transversalen, interdisziplinären Modulen vermittelt werden; es zielt darauf ab, eine einheitliche culture commune – ein gemeinsames, fächerübergreifendes Leitbild von Lehrerbildung zu stärken und zu vermitteln. Die institutionelle Vereinheitlichung wird gewährleistet durch die ministeriellen Vorgaben, die Leitgedanken der culture commune an allen ESPEs – gemäß den 14 Kompetenzbereichen des nationalen Kompetenzrahmens für die
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Référentiel des compétences professionnelles des métiers du professorat et de l’éducation. NOR: MENE1215928A. Arrêté du 1-7-2013- JO du 18-7-2013.MEN-DGESCO A3-3.
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Lehrerbildung (réferentiel de compétences professionnelles des métiers du professorat et de l’éducation) – zu implementieren und zu entwickeln. Damit tritt zum ersten Mal die Idee einer konsequenten Professionsorientierung – bzw. auch eines reflektierten Professionsverständnisses auf Seiten der Studierenden – ins Zentrum der Lehrerbildung Frankreichs. Bis zur Reform hingegen hatte diese vornehmlich „Fachspezialistinnen und -spezialisten“ (z. B. der Germanistik, der Mathematik oder auch anderer Disziplinen) hervorbracht – nur sehr bedingt auch Spezialistinnen und Spezialisten des schulischen Lehrens und Lernens dieser Fächer. Ein weiterer entscheidender Baustein der reformierten Lehrerbildung ist dabei das Modul contexte d’exercice, sozusagen eine culture commune für die schulpraktischen Studienanteile, wie im jährlich erscheinenden rapport de suivi der Inspection Générale wiederholt hervorgehoben wurde. So unterstreicht der Evaluationsbericht von 2016 (Filâtre, 2016) zusammenfassend die Notwendigkeit, eine gemeinsame Bildungskultur zu schaffen, deren Konzeption, Implementierung und Weiterentwicklung Aufgabe aller an der Lehrerbildung beteiligten Gruppen und Akteure ist. Ein integratives, kohärentes Verständnis von Lehrerbildung ist dementsprechend „das Ergebnis sich kreuzender, perspektivierender Blicke, die den gemeinsamen Gegenstand erst hervorbringen“ (Filâtre, 2016, 43; eigene Übersetzung). Gemäß dem Prinzip einer offenen, aus dem Austausch aller Beteiligten entstehenden culture commune rät der rapport dazu, die vom Ministerium angeregte Mischung der Studierenden verschiedener Fächer und Schulformen beizubehalten, ebenso wie die équipes pédagogiques mixtes. Auch die dezidierte Rückkopplung der culture commune an wissenstheoretische und berufspraktische Fragestellungen, an universitäre Seminare sowie schulpraktische Kontexte – beispielweise in Form von Fallstudien und Projekten vor Ort, vor allem an Brennpunktschulen – zielt darauf, eine reflektierte, kohärente und dabei kooperative und personalisierte Professionalisierung zu fördern (Filâtre, 2016). Die Vorgaben des rapport verstehen sich als Richtlinien, die zu einem gemeinsamen Leitbild der Lehrerbildung beitragen bzw. dieses bestätigen sollen. Nach der Reform ist vor der Reform: Eine standortspezifische Zwischenbilanz an der ESPE Nice-Toulon Gerade in zentralistischen Bildungskulturen können neue Rahmendaten rasch entscheidende Veränderungen schaffen und Systeme neu strukturieren. Nichtsdestotrotz verändern sich Bildungs- bzw. Lehrerbildungskulturen eher allmählich. Eine Bilanz über Folgen und Erfolge der Reform von 2012 wäre zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich verfrüht und nicht belastbar. In Bezug auf institutionelle und curriculare Maßnahmen zur Förderung einer professionsorientierten Lehrerbildung, die seit 2012 getroffen wurden, lassen sich standortspezifisch jedoch
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durchaus erste Beobachtungen und Evaluationsergebnisse dokumentieren und für die Weiterentwicklung und ggf. Nachjustierung nutzen. Um Rückmeldungen der Studierenden zur Reform zu evaluieren, wurde von der ESPE Nice-Toulon für das Studienjahr 2017/18 (wie bereits 2014/15) eine Befragung in Auftrag gegeben, in der die Zufriedenheit von Lehramtsstudierenden (n=95) mit der Studienorganisation, den Studieninhalten und Betreuungsstrukturen erhoben wurde. Die Befragung differenzierte dabei zwischen Studierenden des ersten und des zweiten Studienjahres. Der Fokus lag jeweils auf fünf Bereichen, die ausgewählte Items zusammenfassten: • Bewertung des gemeinsamen bildungswissenschaftlichen Angebots und der beruflichen Kernkompetenzen • Bewertung der schulpraktischen Studien • Beteiligung von Schulpraktikern/-innen und • Zufriedenheit mit der Verzahnung Theorie – Praxis • Bewertung der Vorbereitung auf den concours und dessen Gewichtung im M1 Die Fragen wurden mithilfe einer sechsstufigen Likert-Skala beantwortet (von 1 = „stimme nicht zu“ bis 6 = „stimme völlig zu“; ESPE Nice-Toulon, 2017). Zentral war die Bewertung der Gewichtung zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik. Eine erste explorative Analyse der Daten aus der Erhebung von 2017/18 fallen folgende Aspekte ins Auge: Die Frage nach der allgemeinen Zufriedenheit mit fachwissenschaftlichen bzw. fachdidaktischen Studienanteilen erzielte im ersten Masterjahr relativ hohe Werte (M = 4.2 bzw. 3.8), ging im zweiten Masterjahr aber zurück (M = 3.5 bzw. 3.2), also gerade dann, wenn die Konfrontation mit der Unterrichtsrealität einsetzt. Auch die Mittelwerte der neun spezifischeren Fragen zur Bewertung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik im Master 1 (Klarheit der Kursstruktur, Eröffnung neuer Perspektiven auf Lernstrategien, Berufsfeldbezug etc.) lagen für das erste Masterjahr weitgehend bei mindestens vier Punkten, für das zweite Masterjahr maximal im Bereich von drei Punkten. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass die im reformierten System angelegte Verzahnung von Theorie und Praxis zumindest in der Wahrnehmung der Studierenden noch ein Stück hinter den Erwartungen zurückbleibt, vermutlich nicht zuletzt durch die Positionierung und Konzeption des concours du CAPES im ersten Studienjahr. Die Erhebungen der kommenden Jahre werden zeigen, inwieweit die anvisierte Steigerung der Professionsorientierung des concours einerseits sowie die sukzessive curriculare Einbindung der Praxisphasen andererseits (u. a. durch eine noch engere Verzahnung von akademischen Stu-
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dien- und schulischen Praxisanteilen in Forschung und Lehre) zu einer weiteren Nivellierung bzw. größeren Zufriedenheit führen werden. Eine sehr gute Bewertung erhält – wie bereits in der ersten Erhebung von 2014 – durch alle Studienabschnitte hinweg das für Frankreich neu konzipierte tutorat mixte (M = 5.1 für das Betreuungsteam, M = 4.5 für die Beteiligung der Fachwissenschaft und Fachdidaktik sowie M = 5.3 für die Betreuung durch Schulmentorinnen bzw. -mentoren). Die institutionenverbindenden Betreuerteams scheinen erheblich dazu beizutragen, dass die beabsichtige Kohärenzsteigerung und Verzahnung von Theorie und Praxis auch in konkreten Studien- und Praxissituationen (z. B. der Betreuung der Schulpraxis oder der Masterarbeit) sichtbar und wirksam wird. Hinsichtlich des Vorbereitungsdienstes (stage) bewertete die große Mehrheit der Studierenden die tutorats mixtes als sehr gute Betreuung mit ausreichend Zeit für eigenverantwortliche praktische Unterrichtserfahrung. Gleichzeitig hatte die Zielgruppe allerdings das Gefühl, die an der Universität/ESPE vermittelten Inhalte selbst nur unzureichend im eigenverantwortlichen Schulalltag umsetzen zu können. Der Mittelwert zur Frage, ob der Vorbereitungsdienst es erlaube, die fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Studieninhalte eigenverantwortlich sinnvoll zu aktivieren und zu implementieren, lag bei M = 3.7. Kritisiert wird hier also nicht ein Mangel an Unterrichtspraxis oder -begleitung, sondern die in der eigenen, individuellen Praxis weiterhin subjektiv wahrgenommene Kluft zwischen theoretischen Wissen und dessen Umsetzung bzw. dem eigenen unterrichtlichen Handeln in der Praxis. Eine von Studierenden selbstständig und aktiv umsetzbare Verzahnung unterschiedlicher Studienanteile und insbesondere deren aktive, situationsadäquate Übertrag- bzw. Anwendbarkeit in der Praxis bleibt demnach problematisch. Dieses Desiderat erfordert die nachhaltige Entwicklung und Erprobung einer professions- und praxisorientierteren Verknüpfung unterschiedlicher Wissensdomänen und Kompetenzbereiche im Studium sowie mehr Möglichkeiten, diese bereits im ersten Masterjahr vernetzt zu reflektieren, z. B. in micro-teaching-Settings auf Kursebene oder durch eine stärker theoriegeleitete bzw. forschungs- und reflexionsorientierte Begleitung der Praxisphasen. 6
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Um dem Desiderat einer gestärkten aktiven, selbstregulierenden Kohärenzerzeugung durch die Studierenden entgegenzukommen, entwickelt das nationale Netzwerk der ESPE derzeit unter anderem weiterführende Ansätze zur ergänzenden Stärkung einer reflexiven Praxis, beispielsweise über standardisierte Portfolioformate (Michaud, 2010; 2013).
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Fazit und Ausblick – ein französischer Blick nach Deutschland Der Blick nach Frankreich ermöglicht auch einen differenzierteren Blick zurück nach Deutschland. Dieser zeigt einmal mehr: Vieles, was wir – bedingt durch die eigene Sozialisation, landestypische Ausbildung, öffentliche Debatten und Vorgaben im Bereich der Lehrerbildung – als normal ansehen, ist ebenso kulturhistorisch geprägt wie das System, das oftmals gestalterisch und rahmend wirkt. Die Unterschiede zwischen der französischen und deutschen (oder beispielsweise baden-württembergischen) Lehrerbildung sind vielfältig: Dem bundesdeutschen Föderalismus mit der Kulturhoheit der Länder steht der französische Zentralismus gegenüber. Besonders deutlich drückt sich dieser Unterschied z. B. in der Etablierung und Durchsetzung einer gemeinsamen culture commune (in) der Lehrerbildung aus. Eine analoge Maßnahme ließe sich im deutschen Kontext selbst in einzelnen Bundesländern nur schwerlich standort-, institutionen- und fächerübergreifend entwickeln und durchsetzen. Auch in curricularer Hinsicht sind die Unterschiede erheblich: Die Förderung einer phasenübergreifenden horizontalen und vertikalen Kohärenz zeigt sich institutionell, curricular und in der kooperativen Planung und Durchführung von Lehre beispielsweise im Bereich Praktikumsbegleitung. In der Studienarchitektur sticht die Verzahnung von Studium und Vorbereitungsdienst – durch die deutsche Brille gesehen also der ersten und zweiten Phase – hervor. Der neue Master MEEF stärkt, gerade im zweiten Jahr, curricular und strukturell die enge Verzahnung von Theorie und Praxis bzw. von Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Bildungswissenschaften und Schulpraxis in den unterschiedlichen, oft fächerübergreifend konzipierten Kompetenzbereichen. Personelles Herzstück dieser institutionellen und konzeptionellen Verzahnung sind dabei die tutorats mixtes, die in der Lehrentwicklung ebenso zusammenarbeiten wie in der Betreuung und Bewertung der Referendarinnen und Referendare (bzw. Studierenden des zweiten Masterjahres) im Praktikum und bei der Masterarbeit. Die Studierenden sind zu diesem Zeitpunkt, den bestandenen staatlichen concours du CAPES vorausgesetzt, bereits französische Staatsbeamte auf Probe, die mit Eintritt in das zweite Masterjahr eine Stellensicherheit für die Zeit nach dem Master haben. Nicht nur die Strukturen und Phasen der Lehrerbildung in Deutschland und Frankreich, sondern auch die Funktionen und Professionalisierungskulturen unterscheiden sich klar. Was bedeutet dies nun für die Perspektive aus bzw. auf Deutschland? Modelle aus den Bildungssystemen und -kulturen anderer Länder eins zu eins zu übernehmen, kann sicherlich nicht das Ziel oder der Weg sein – die kulturhistorisch gewachsenen Strukturen und Systemeigenschaften der französischen Bildungspolitik sind zu unterschiedlich, als dass sich Maßnahmen ohne Weiteres
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auf den deutschen Kontext übertragen ließen bzw. dabei auch dieselben Effekte zu erwarten wären. Was ein Blick auf die Praxis und Reformen der Anderen jedoch sehr wohl vermag, ist eine Neujustierung unserer Sichtweisen auf das eigene System zu bewirken. Auf diese Weise relativiert sich häufig das, was wir als normal, möglich, gesetzt oder auch als getrennt betrachten – wie beispielsweise die systematische Unterscheidung zwischen einer ersten und zweiten Phase der Lehrerbildung anstelle einer konsequenteren Verzahnung. So können neue, vielleicht auch transnationale Diskurse über scheinbar universelle, kulturell aber doch sehr unterschiedlich ausgefüllte Paradigmen und Perspektiven angestoßen werden, als ein Schritt dahin, Lehrerbildung über eigene bildungspolitische und -systemische Grenzen hinweg stärker trans- und international zu denken. Literatur Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9(4), 469–520. ESPE Nice-Toulon (2017). Evaluation du parcours de formation „Master MEEF“. Ergebnisse der Studienevaluationen des Master MEEF an der ESPE Nice-Toulon, 2014-2017. Filatre, D. (2016). Rapport sur la continuation continue. Abgerufen am 18. März 2018 von http://cache.media.education.gouv.fr/file/2016/19/2/Formation_des_enseignants_Rapport_N6_F TLV_674192.pdf Hammerness, K. (2006). From coherence in theory to coherence in practice. Teachers College Record, 108(7), 1241–1265. König, J. (2014). Kompetenzen in der Lehrerbildung aus fächerübergreifender Perspektive der Bildungswissenschaften. In Bresges, A., Dilger, B., Hennemann T., König, J., Lindner, H., Rohde, A., & Schmeinck, D. (Hrsg.), Kompetenzen diskursiv. Terminologische, exemplarische und strukturelle Klärungen in der LehrerInnenbildung (S. 17–47). Münster: Waxmann. Michaud, C. (2010). Le portfolio: un en-(je)u de formation et de développement professionnel. Education: Université Claude Bernard, Lyon. Michaud, C. (2015). Tutorat mixte: Professionnalisation et conception des outils. In Marin B. & Berger, D., Recherches en éducation, recherches sur la professionnalisation: Consensus et dissensus. Le Printemps de la recherche en ESPE 2015 (S. 123–141). Paris: Réseau national des ESPE. Meser (2013). Arrêté du 27 août. JORF n°0200 du 29 août 2013. Abgerufen am 18. März 2018 von https://www.legifrance.gouv.fr/affichJO.do?idJO=JORFCONT000027904794&fastPos=1&fastR eqId=1205187121 Meser (2014). Arrêté du 22 août 2014 fixant les modalités de stage, d'évaluation et de titularisation de certains personnels enseignants et d'éducation de l'enseignement du second degré stagiaires. [online]. JORF n°0196 du 26 août 2014,texte n° 7. Abgerufen am 18. März 2018 von https://www.legifrance.gouv.fr/eli/arrete/2014/8/22/MENH1411675A/jo/texte Shulman, L. (1987). Knowledge and teaching: Foundations of the new reform. Harvard Educational Review 57(1), 1–22. Wenger, E. (1991). Communities of practice: Learning, meaning and identity. Cambridge: Uni Press.
Quo vadis? Kohärenz in der Lehrerbildung Martin Schwichow, Katja Zaki, Katharina Hellmann, Jessica Kreutz Pädagogische Hochschule Freiburg Keywords: Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz, Kohärenzerzeugung und wahrnehmung, professionsorientierte Lehrerbildung Kohärenz ist in der aktuellen Bildungsforschung und Hochschulentwicklung ein oftmals verwendetes Leitmotiv zur Begründung und Umsetzung von Innovationen in der Lehrerbildung. Der Kohärenzbegriff beschreibt dabei die Schaffung von strukturell und inhaltlich sinnhaften Bezügen innerhalb der und zwischen den fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen, bildungswissenschaftlichen und unterrichtspraktischen Ausbildungsanteilen bzw. Säulen der Lehrerbildung). Ferner wird die Verknüpfung von unterschiedlichen Phasen der Lehrerbildung, beispielsweise zwischen Studium und Referendariat, als Kohärenz bezeichnet. Im Beitrag werden zunächst Ursachen für die zunehmende Prominenz des Begriffs im Kontext der Lehrerbildung diskutiert, bevor Funktionen und potentielle Erweiterungen des Freiburger Säulen-Phasen-Modells der Kohärenz reflektiert werden. Der Beitrag diskutiert weiterhin die Ergebnisse der im vorliegenden Sammelband publizierten Konzeptionen und empirischen Befunde zu Wirkungen diverser Kohärenzmaßnahmen und leitet hieraus Desiderate sowie Entwicklungsperspektiven für die Lehrerbildung ab. Eine Zusammenfassung der im Sammelband dargestellten Maßnahmen zur Kohärenzsteigerung demonstriert schließlich die Bandbreite verschiedener Konzeptionen diverser Standorten, zeigt aber auch auf, dass diese bislang hauptsächlich auf die universitäre Lehrerbildung beschränkt sind und kaum phasenübergreifende Bezüge berücksichtigen.
Einleitung Gute Lehrerbildung hat die Aufgabe, die Entwicklung professioneller Handlungskompetenzen von angehenden Lehrkräften anzubahnen, um auf die komplexen und sich wandelnden Anforderungen des Lehrberufs vorzubereiten (Herzog & Makarova, 2014; Terhart, 2009). Kern dieser Handlungskompetenzen ist neben motivationalen und selbstregulativen Fähigkeiten dabei vor allem der Aufbau einer fundierten und vernetzten Wissensbasis, welche sich gemäß gängigen Modellen aus den Domänen bzw. Säulen Fachwissenschaft (content knowledge), Bildungswissenschaften (pedagogical knowledge) und Fachdidaktik (pedagogical content knowledge) zusammensetzt. Letztere wird dabei oftmals als Amalgam der ersten beiden bezeichnet (z. B. Baumert & Kunter, 2006; Krauss et al., 2004; Shulman, 1987; Weinert, 2001). In den fremdsprachlichen (MordelletRoggenbuck & Zaki, in diesem Band) und künstlerischen Fächern (Buchborn, Brunner, Fiedler & Balzer, in diesem Band) werden die Säulen zudem häufig durch fachpraktische Anteile ergänzt. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Hellmann et al. (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23940-4_21
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Während des Hochschulstudiums erhalten Lehramtsstudierende eine systematische Einführung in die Fachwissenschaften der von ihnen gewählten Unterrichtsfächer sowie in die dazugehörigen Fachdidaktiken (z. B. ZlatkinTroitschanskaia, Beck, Sembill, Nickolaus & Mulder, 2009). Weiterhin erwerben sie im bildungswissenschaftlichen Studienbereich Wissen über das Lehren und Lernen innerhalb und außerhalb der Institution Schule (Voss, Kunina-Habenicht, Hoehne & Kunter, 2015). Ergänzend geben schulpraktische Studien einen ersten Einblick in die zukünftige Profession (Terhart, 2009). Bezüge und Vernetzungen zwischen diesen Bereichen treten in der deutschen Lehrerbildung traditionell allerdings nur selten auf: An deutschen Universitäten wird das Wissen aus den genannten Säulen in der Regel in getrennten Veranstaltungen vermittelt, meist also ohne Verknüpfungen zwischen den unterschiedlichen Domänen, und ohne Einbezug der Unterrichtspraxis (Fragmentierung; Terhart, 2004). Dieser Sachverhalt ist aus strukturell-organisatorischer und bildungshistorischer Perspektive (vgl. hierzu Kleickmann & Anders, 2011) zwar verständlich: Oftmals haben die Fachbereiche bzw. einzelnen Lehrstühle sehr spezifische Profile, was sich nicht zuletzt in deren Lehrangebot niederschlägt. Eine konsequente Lehramts- bzw. Professionsorientierung, z. B. durch bewusste Bezugnahme zu anderen Ausbildungsbereichen oder Anbindung der hochschulischen Lehrveranstaltungen an die schulische und berufliche Praxis, ist oftmals nur mit erhöhtem Aufwand realisierbar. Eine Folge von Fragmentierung ist allerdings, dass Lehramtsstudierende kaum Lerngelegenheiten zur Integration von Strukturen und Inhalten aus den drei Säulen erhalten (z. B. über die verschiedenen Lehrveranstaltungen der Säulen oder über verschiedenen Semester hinweg), so dass Wissen aus den Domänen nicht zusammenhängend erworben werden kann. Fehlende Verknüpfungen zu eigenen Unterrichtserfahrungen oder schulischen Beobachtungen begünstigen zusätzlich die Entstehung von fragmentiertem Wissen. Als Konsequenz entsteht bei Studierenden träges Wissen: Dieses ist zwar theoretisch vorhanden, jedoch kann in entsprechenden Handlungssituationen nicht zur Lösung variabler, unterrichtlicher Problemstellungen darauf zurückgegriffen werden. Folglich wird effektives Handeln in Schule und Unterricht erschwert. Die Darbietung von fragmentiertem Wissen steht somit einem vernetzen Wissenserwerb und der Entwicklung professioneller Handlungskompetenzen von Lehramtsstudierenden entgegen (Gruber, Mandl & Renkl, 2000; Terhart, 2004). Den beschriebenen Problemen wird zunehmend durch verschiedene Maßnahmen zur Steigerung der Kohärenz- und Professionsorientierung in der Lehrerbildung begegnet (z. B. Canrinus, Bergem, Klette & Hammerness, 2015; Hammerness, 2006). Der Begriff Kohärenz wird dabei bereits seit den 1940er Jahren in der Curriculumsforschung verwendet, um die Abstimmung von Inhal-
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ten und das Herstellen von Bezügen zwischen Curricula zu beschreiben (Tyler, 1949). Übertragen auf aktuelle Paradigmen der Lehrerbildung beschreibt Kohärenz die Abstimmung, Verknüpfung und Passung von Lehr-LernStrukturen, -Gelegenheiten und -Inhalten innerhalb der und zwischen den Säulen der Lehrerbildung sowie über unterschiedliche Phasen des Professionalisierungsprozesses. Kohärente Lehr-Lern-Gelegenheiten ermöglichen es Lehramtsstudierenden, die Inhalte ihres Studiums aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und zu einer vernetzen Wissensstruktur auszubauen, auch wenn diese Inhalte in verschiedenen Säulen, Phasen, Fachbereichen und Kursen erworben wurden. Kohärente Lehrerbildungsprogramme offerieren den Lernenden klare Studienstrukturen, schaffen sinnhafte inhaltliche Verknüpfungen und integrieren systematisch Theorie und Praxiserfahrungen. Auch wenn der Begriff Kohärenz bzw. Kohärenzorientierung nicht immer explizit als Leitmotiv von Reforminitiativen und Innovationen in der Lehrerbildung ausgewiesen wird, liegt er aktuell doch vielen Maßnahmen als Zielperspektive zugrunde - insbesondere dann, wenn es um eine stärkere Abstimmung unterschiedlicher Fach- und Wissensbereiche, Phasen sowie Perspektiven geht. Angesichts der standortübergreifenden Bedeutung von Kohärenz im Zuge aktueller Bildungsreformen und -initiativen führt der Sammelband Kohärenz in der Lehrerbildung - Theorien, Konzepte und empirische Befunde erstmals theoretische Überlegungen, konkrete Curriculums- und Lehrkonzeptionen sowie empirische Befunde zur Kohärenzschaffung aus einer intra- und interdisziplinären Perspektive zusammen. Die einzelnen Beiträge des Sammelbands verdeutlichen, dass Maßnahmen zur Steigerung von Kohärenz zwischen allen Säulen und Phasen der Lehrerbildung sowie in nahezu allen Fachbereichen existieren bzw. zumindest potentiell denk- und umsetzbar sind. Die vorliegende Diskussion hat zum Anliegen, den aktuellen Stand der Forschung zu Kohärenz in der Lehrerbildung darzustellen und Kernideen der unterschiedlichen Beiträge des Sammelbands zusammenzuführen. Hierfür werden sowohl die Bedeutung von Kohärenz für Innovationen in der Lehrerbildung als auch theoretische Modelle, konkrete Konzeptionen und empirische Befunde reflektiert. Ziel ist weniger, einen allumfassenden Stand der Konzeptionen und Forschungsarbeiten zu dokumentieren als vielmehr, mögliche Desiderate und Entwicklungsbedarfe zu identifizieren und Implikationen für die weitere Entwicklung und Beforschung einer kohärenzorientierten Lehrerbildung abzuleiten. Hierzu wird zunächst der Begriff Kohärenz in seiner Bedeutung für aktuelle Reformen der Lehrerbildung diskutiert und das Freiburger Säulen-PhasenModell, das diesem Band konzeptionell zugrunde liegt, skizziert.
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Kohärenz als Leitmotiv für Reformen in der Lehrerbildung Das steigende Forschungsinteresse an Kohärenz in der Lehrerbildung und die zunehmende Zahl von Maßnahmen zur Kohärenzförderung im deutschen Lehrerbildungssystem sind nicht zuletzt auf die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierte und geförderte Qualitätsoffensive Lehrerbildung (QLB) zurückzuführen. Als Ziele des Förderprogramms werden explizit die Verknüpfung von Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften sowie eine stärkere Theorie-Praxis-Verzahnung genannt. Weiterhin sollen Bezüge zwischen Strukturen und Inhalten von Universität, Referendariat und berufsbegleitender Fort- und Weiterbildung geschaffen werden, “um eine kohärente Lehrerausbildung über alle Phasen hinweg zu ermöglichen” (BMBF, 2013, § 3). Entsprechend wird Kohärenz als Leitmotiv in mehreren von der QLB geförderten Projekten thematisiert oder impliziert. In einem gemeinsamen Kooperationsprojekt der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Pädagogischen Hochschule Freiburg wird ein Schwerpunkt struktureller und inhaltlicher Maßnahmen auf die Schaffung kohärenter Studienstrukturen und Lehr-LernGelegenheiten gelegt. Eine besondere Herausforderung und Chance am Freiburger Standort ist, Kohärenz sowohl zwischen verschiedenen Säulen und Phasen als auch zwischen beiden Hochschulen herzustellen (Hellmann & Zaki, 2018). Das zur Koordination der Zusammenarbeit gegründete Freiburg Advanced Center of Education (FACE) nennt die Schaffung von Kohärenz als wesentliches Ziel einer professionsorientierten Curriculums- und Lehrentwicklung. Als konkrete Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels werden die Orientierung der Studieninhalte an den beruflichen Anforderungen, eine kohärente, kompetenzorientierte Gestaltung phasenübergreifender Curricula sowie die Ko-Konstruktion und kooperative Durchführung von Lehrveranstaltungen durch Lehrende unterschiedlicher Disziplinen aufgeführt (Voss & Witter, 2017). Ähnliche Ansätze finden sich auch in den QLB-Projekten anderer Hochschulen, wie z. B. am Standort Wuppertal (KoLBi - Kohärenz in der Lehrerbildung; Diehr et al., in diesem Band), in Bremen (Schnittstellen gestalten; Gödecke, in diesem Band), in Potsdam (PSI - Professionalisierung - Schulpraktische Studien - Inklusion) oder in Regensburg (KOLEG - Kooperative Lehrerbildung gestalten). Dabei ist die Suche nach wirksamen Konzepten der Kohärenz- und Professionsorientierung in der Lehrerbildung kein rein deutsches Phänomen. Vielmehr wird deutlich, dass es unterschiedliche Definitionen und Konzeptualisierungen gibt (für einen Überblick zu Befunden von Kohärenz in der Lehrerbildung in internationalen Publikationen, siehe Hellmann in diesem Band). Vergleichbare Initiativen und Reformprozesse lassen sich auch an anderen europäischen Hochschulstandorten beobachten (Schmider & Zaki, in diesem Band).
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Weiterhin zeigt sich, dass nicht nur politische Vorgaben, sondern auch wissenschaftliche Erkenntnisse, z. B. aus der Kognitionspsychologie und den Bildungswissenschaften, die Anstrengungen zur Umsetzung von Kohärenz rechtfertigen. Theoretische und empirische Bedeutung von Kohärenz Der Begriff Kohärenz, von lat. cohaerere (zusammenhängen), bezeichnet im Allgemeinen Bezüge und Zusammenhänge mehrerer Teile in einem Gesamtgefüge und hat in unterschiedlichen Fachkulturen verschiedene disziplinäre Bedeutungen, wie z. B. in der Gesundheitsforschung, Linguistik, Psychologie oder Physik. Im Kontext der Lehrerbildung bzw. Curriculums- und Lehrentwicklung bezeichnet Kohärenz ein theoretisches Konzept, welches als Leitmotiv für die Planung, Umsetzung und den Transfer von Studiengängen, Curricula und einzelnen Lehr-Lern-Konzeptionen herangezogen werden kann und sinnhafte Verknüpfungen einzelner Ausbildungselemente intendiert. In seiner konkreten Ausgestaltung für einzelne Studienprogramme ist Kohärenz dabei ebenso abhängig von strukturellen Vorgaben und leitenden Paradigmen wie von ausgewählten Kompetenzzielen und daher als ein dynamisches Konstrukt zu verstehen. Theoretische Konzeptionen von Kohärenz in der Lehrerbildung unterscheiden je nach Ausgangslage und Erkenntnisinteresse zwischen einem Input (als Curriculums- und Lehrentwicklung und damit verbundenen Absichten auf Seiten lehrerbildender Institutionen) und einem Output (als Wirkungen kohärenzfördernder Maßnahmen für Studierende sowie Schülerinnen und Schüler; z. B. Wahrnehmungen, Motivation, Entwicklung kohärenter Wissensstrukturen, Kompetenzentwicklung) von Kohärenz. Für die Diskussion der Beiträge des vorliegenden Sammelbands wird im Folgenden entsprechend zwischen einer Input- und einer Output-orientierten Sichtweise auf Kohärenz differenziert. Beschreibung des Inputs von Kohärenz mithilfe eines Säulen-Phasen Modells Das Freiburger Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz (Hellmann, in diesem Band), welches nicht nur diesem Sammelband, sondern auch den am Standort Freiburg durchgeführten Kohärenzprojekten zugrunde liegt, konzentriert sich auf die Darstellung möglicher kohärenzfördernder Studienstrukturen und Lehr-LernGelegenheiten (Input). Das Modell wurde von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe mit dem Ziel entwickelt, Kohärenz innerhalb von und zwischen unterschiedlichen Domänen, Phasen und Fachbereichen sowie zwischen Theorie und Praxisphasen systematisiert zu beschreiben und zu verorten.
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Die Säulen des Modells stellen das Fachwissen, das fachdidaktische Wissen und das bildungswissenschaftliche Wissen sowie schulpraktische und unterrichtliche Erfahrungen dar. Letztere beinhalten Praxiserfahrungen wie integrierte Semesterpraktika im Studium, Unterrichtssimulationen oder Exkursionen. Kohärenz lässt sich sowohl innerhalb einzelner Säulen der Lehrerbildung (vertikale Kohärenz, z. B. innerhalb der Bildungswissenschaften) als auch zwischen den Säulen (horizontale Kohärenz, z. B. zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik) herstellen. Die Phasen des Modells beziehen sich auf die verschiedenen Abschnitte des Professionalisierungsprozesses angehender und erfahrender Lehrkräfte (Hochschulbildung, Referendariat, professionelle Fort- und Weiterbildung). Die Anzahl an Phasen ist dabei von den bildungspolitischen und strukturellen Rahmenbedingungen einzelner Standorte abhängig. So ist es beispielsweise plausibel, das Hochschulstudium nicht (mehr) als eine, sondern als zwei Phasen zu betrachten, wenn sich die Ziele und das Studienangebot zwischen den Phasen (hier: zwischen Bachelor- und Masterstudium) deutlich unterscheiden. Dies ist insbesondere in jenen Bundesländern der Fall, in denen es eine Studienstruktur bestehend aus einem polyvalenten Bachelor und einem Master of Education gibt. Der Schwerpunkt in den fachwissenschaftlich ausgerichteten BachelorStudiengängen liegt auf der Vermittlung von Fachwissen, während sich der Fokus auf die Fachdidaktiken, Bildungswissenschaften und schulpraktischen Studien oftmals erst im Master of Education richtet. Zudem kann es vorkommen, dass Studierende innerhalb eines Ausbildungsabschnitts die Institution wechseln. Da es auch bei Übergängen an neue Institutionen im selben Ausbildungsabschnitt zu Inkohärenz kommen kann, schlagen wir vor, immer dann von einer neuen Phase zu sprechen, wenn sich entweder die Ziele bzw. Profile oder die Institution, an der die Ausbildung verortet ist, ändern. Die Säulen und Phasen des Modells spiegeln somit die geforderten Ziele der QLB hinsichtlich der Schaffung von Kohärenz wider. Die Vielzahl möglicher vertikaler und horizontaler ebenso wie zeitlicher Verknüpfungen zeigt dabei, dass das Potenzial kohärenzfördernder Maßnahmen groß ist: So kann Kohärenz beispielsweise zwischen der Fachwissenschaft, Fachdidaktik und den Bildungswissenschaften einer Studienphase, aber auch zwischen der Fachwissenschaft im Bachelor und der Fachdidaktik im Master hergestellt werden. Das Freiburger Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz soll die Kommunikation möglichst vieler Akteurinnen und Akteure der Lehrerbildung über Institutions- und Fachgrenzen hinweg anregen und ist daher explizit allgemein gehalten. Es zeigt ein großes Potenzial zur Herstellung von Kohärenz auf und kann sowohl die Entwicklung fachspezifischer als auch intra- und interdisziplinärer Maßnahmen anbahnen. Das Modell kann jedoch nicht nur in der Entwicklungs-
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arbeit, sondern auch bei der Beforschung von Kohärenz genutzt werden. Auf Grundlage des Modells können Studiengänge, Curricula und Lehrveranstaltungen systematisch verglichen und empirische Befunde eingeordnet werden. Die Ergebnisse der in diesem Sammelband vorgestellten Arbeiten zeigen jedoch auch, dass Erweiterungen des Modells notwendig sind, um der Komplexität von Kohärenz in der Lehrerbildung ausreichend Rechnung zu tragen. Die im Sammelband Kohärenz in der Lehrerbildung - Theorien, Konzepte und empirische Befunde vorgestellten kohärenzfördernden Lehr-Lern-Maßnahmen unterscheiden sich zumeist hinsichtlich der organisatorischen bzw. strukturellen Ebene. Aus theoretischer Sicht wird insbesondere die Makroebene (in Anlehnung an Ditton, 2010), also die Bedeutung kohärenter Curriculumsentwicklung und gemeinsamer Leitmotive innerhalb von Bildungsinstitutionen, betont. Zweifelsohne sind Maßnahmen auf der Makroebene auch hilfreich und notwendig zur Kohärenzsteigerung. Allerdings bedürfen diese Maßnahmen Abstimmungsprozesse zwischen unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren, welche, wie der Beitrag von von Gehlen, Dreher, Holzäpfel & Hochbruck (in diesem Band) zeigt, durchaus verschiedene Ansichten bezüglich der Organisation von Lehrerbildung und der Verteilung von Ressourcen haben. Die für solche Abstimmungsprozesse notwendigen Anstrengungen sind möglicherweise eine der Ursachen für die Konzentration vieler Kohärenzmaßnahmen auf die Mesound Mikroebene, d. h. auf Studiengänge oder einzelne Lehrveranstaltungen. Das Säulen-Phasen-Modell selbst differenziert bisher nicht zwischen Ansätzen auf unterschiedlichen Organisationsebenen. Eine Erweiterung um Dimensionen, welche die organisatorische bzw. strukturelle Ebene von Maßnahmen beschreibt, erscheint in diesem Kontext daher sinnvoll. Maßnahmen auf der Makroebene zur Herstellung von Kohärenz innerhalb von oder zwischen Institutionen (z. B. zwischen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen) sind beispielsweise auf den Aufbau institutioneller Netzwerke (Buchborn et al.; von Gehlen et al.; in diesem Band) und die Erstellung von Leitbildern (Voss & Wittwer, 2017) bzw. auch auf die Verankerung zentraler Gestaltungsprinzipien in den Rahmenprüfungsordnungen fokussiert. Auf der Mesoebene werden kohärente Curricula innerhalb einzelner Fachbereiche (Birke, Conrad, Krieger & Kumm; Buchborn et al.; Mordellet-Roggenbuck & Zaki; in diesem Band), die Schaffung von Unterstützungsstrukturen wie e-Portfolios (Gödecke; Graichen, Wegner & Nückles; Nückles et al.; in diesem Band) oder auch die Kommunikation und Abstimmung von Lehrenden über theoretische Modelle (Kreutz; Pemsel-Maier; in diesem Band) aufgeführt. Auf der Mikroebene werden konkrete Lehrkonzepte und -evaluationen einzelner Lehrveranstaltungen (Kreutz; Oettle, Brandenburger, Schwichow & Mikelskis-Seifert; Schween, Trabert & Schmitt; in diesem Band) vorgeschlagen.
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Aber nicht nur Maßnahmen, sondern auch empirische Befunde zur Wahrnehmung und den Wirkungen von Kohärenz können sich auf unterschiedliche organisatorische Ebenen beziehen. Die von Henning-Kahmann und Hellmann (in diesem Band) sowie die von von Gehlen et al. (in diesem Band) durchgeführten Befragungen unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure sowie Fachbereiche lehrerbildender Institutionen sind auf der Makroebene zu verorten, während sich die Befunde von Joos, Liefländer und Spörhase (in diesem Band) auf die Mesoebene eines einzelnen Studiengangs beziehen. Die Evaluationsergebnisse von Oettle et al. (in diesem Band) sind wiederum auf der Mikroebene einzuordnen. Eine weitere Einschränkung des Freiburger Säulen-Phasen-Modells ist, dass gerade die für die musisch-künstlerischen Fächer und Fremdsprachen zentralen Aspekte, nämlich fachpraktische Anteile der Lehrerbildung, bislang nicht explizit abgedeckt werden. So stellen die künstlerische bzw. musikalische Praxis und die Sprachpraxis in den betreffenden Fächern zusätzliche Kompetenzen dar, welche oft nicht eindeutig einer Säule des Modells zugeordnet werden können (Buchborn et al.; Mordellet-Roggenbuck & Zaki; in diesem Band). Weiterhin werden die Fachwissenschaft und die Fachdidaktik im Freiburger Kohärenz-Modell bisher als eine Säule dargestellt, wenngleich angehende Lehrkräfte in Deutschland für das Unterrichten von mindestens zwei Fächern ausgebildet werden. Gerade, wenn die studierten Fächer demselben übergeordneten Bereich (z. B. den Naturwissenschaften oder Fremdsprachen) zuzuordnen sind, kann es sinnvoll sein, auch Kohärenz zwischen unterschiedlichen Fachinhalten und Fachdidaktiken herzustellen. Dies wird ansatzweise bereits im Lehramtsstudium moderner Fremdsprachen umgesetzt, beispielsweise im Rahmen eines binnendifferenzierenden, auch mehrsprachigkeitsdidaktischen Angebots an Lehrveranstaltungen für Studierende, die mehr als eine Fremdsprache studieren (Mordellet-Roggenbuck & Zaki; in diesem Band). Folglich ist bei der Weiterentwicklung des Freiburger Säulen-Phasen-Modells der Kohärenz über eine Ausdifferenzierung der Säulen Fachwissenschaft bzw. Fachdidaktik und über eine Berücksichtigung von Kohärenz zwischen den Säulen unterschiedlicher Fächer, die von Studierenden in Kombination studiert werden können, nachzudenken. Ansätze und Maßnahmen zur Förderung von Kohärenz (Input) Im vorliegenden Sammelband werden verschiedene Maßnahmen zur Kohärenzsteigerung zwischen den Säulen und Phasen der Lehrerbildung vorgestellt. Entsprechend der jeweiligen theoretischen Konzeptionalisierung von Kohärenz können die unterschiedlichen Ansätze dabei zwar getrennt voneinander betrachtet werden, ergänzen sich aber oft gegenseitig (z. B. im Rahmen einer aufeinander abgestimmten Curriculums- und Lehrentwicklung oder der Unterstützung der
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Lehrentwicklung durch säulen- und phasenübergreifende Strukturen wie e-Portfolios). Unabhängig von der konkreten horizontalen oder vertikalen Zielperspektive der Kohärenzmaßnahme lassen sich diese dabei wiederum bezüglich ihrer strukturellen, d. h. makro-, meso- oder mikrostrukturellen Dimensionen und der darin implizierten Kontextfaktoren weiter ausdifferenzieren. Die Beiträge dieses Bandes verdeutlichen, dass derzeitige Maßnahmen zur Kohärenzsteigerung überwiegend auf die Schaffung horizontaler oder vertikaler Kohärenz auf der Mikro- oder Mesoebene beschränkt sind. Bei der Betrachtung von kohärenzorientierten Fachkonzepten bzw. Curriculumsmodellen fällt auf, dass sowohl die Voraussetzungen als auch die gewählten Schwerpunkte und Maßnahmen der Kohärenzförderung unterrichts- und/oder fachspezifisch sind: Beispielsweise ist in den Sprachen und musischkünstlerischen Fächern, wie bereits erläutert, immer auch die Vermittlung praktischer Fertigkeiten sowie deren Relevanz für das spätere professionelle Handeln mitzudenken und zu fördern. Zudem hat die jeweilige Fachsystematik bzw. Fachkultur starken Einfluss auf die Notwendigkeit von strukturellen wie inhaltlichen Möglichkeiten zur Konzeptionierung und Umsetzung von Kohärenz. Die Auswirkungen solcher fachspezifischer Systematiken sind an den Kohärenzmaßnahmen der Fachbereiche zu erkennen: In der Physik wird beispielsweise versucht, vertikale Kohärenz in der Fachwissenschaft über den Verweis auf Big Ideas herzustellen (Oettle et al., in diesem Band), wohingegen in der Wirtschaft die Vielfalt existierender Theorien in einer Veranstaltung zur Geschichte der Ökonomik aufgezeigt wird, um die Studierenden auf die Umsetzung des Kontroversitätsgebots vorzubereiten (Birke et al., in diesem Band). Damit die Schaffung vertikaler und horizontaler Kohärenz auf Ebene der Curriculums- und Lehrentwicklung gelingen kann, müssen zunächst fachspezifische theoretische Konzeptionalisierungen bezüglich gemeinsamer Kompetenzen, Prinzipien und Methoden vorliegen, welche die Schnittstellen zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik sowie Fachdidaktik und Bildungswissenschaften repräsentieren. Die Beiträge von z. B. Kreutz, Oettle et al. und Pemsel-Maier (in diesem Band) zeigen, dass zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik viele Anknüpfungspunkte vorliegen, die als Ausgangspunkte für die Schaffung von Kohärenz dienen können. Schween et al. (in diesem Band) ergänzen den Sammelband wiederum um ein Konzept, welches fachliche, fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Studieninhalte mit der Unterrichtspraxis verknüpft. Die genannten Modelle sind nicht nur zur Ausgestaltung von einzelnen Lehrveranstaltungen, Curricula oder ganzen Studiengängen geeignet, sondern, wie von Kreutz (in diesem Band) herausgearbeitet wird, auch eine wichtige Grundlage zur Kommunikation zwischen Akteurinnen und Akteuren aus unterschiedlichen Teildisziplinen.
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Kohärenz zwischen der Fachwissenschaft, Fachdidaktik, den Bildungswissenschaften und der Unterrichtspraxis kann auch gesamtheitlich durch die Bearbeitung von Lernaufgaben zu sogenannten Core Practices hergestellt werden (Nückles et al.; Mordellet-Roggenbuck & Zaki; in diesem Band). Core Practices sind zentrale Tätigkeiten wie das Erklären oder Diagnostizieren, welche von Lehrkräften aller Fächer häufig in ihrer Berufspraxis durchgeführt werden (Grossmann, Hammerness & McDonald, 2009). Entsprechende Lernaufgaben sollten im Idealfall Erkenntnisse der Bildungswissenschaften (z. B. Merkmale effizienter Erklärungen), der Fachdidaktiken (z. B. Schülervorstellungen bezüglich des erklärten Sachgegenstands) und der Fachwissenschaft (fachlich angemessene Erklärung) berücksichtigen. Zur Stärkung der Kohärenz von Theorie und Praxis werden im Sammelband ebenfalls Konzepte diskutiert. Von Gehlen et al. (in diesem Band) stellen strukturelle Maßnahmen zum Informationsaustausch zwischen Lehrenden, welche die theoretische Ausbildung an der Hochschule gestalten und den betreuenden Personen der Staatlichen Seminare (im Praxissemester) vor. Nückles et al. (in diesem Band) hingegen sehen die Arbeit an vernetzenden Lernaufgaben im Rahmen eines e-Portfolios, welches eine Übertragung theoretischer Inhalte auf Beobachtungen und Erfahrungen im Praktikum anregt, als eine Möglichkeit an, Theorie-Praxis-Verzahnungen herzustellen. Auch Gödecke (in diesem Band) zeigt in ihrem Beitrag den Nutzen eines e-Portfolios zur theoriegeleiteten Unterstützung von Praxisphasen im Lehramtsstudium auf. Ebenso nutzen de Coninck, Valcke, Ophalvens und Vanderline (in diesem Band) die Möglichkeiten von Online-Simulationen, um bei Lehramtsstudierenden Kompetenzen im Führen von Elterngesprächen zu fördern. Ein möglicher Grund für die Dominanz von onlinebasierten Maßnahmen zur Schaffung von Theorie-Praxis-Bezügen ist sicherlich der geringe bzw. fehlende Zugriff von Hochschullehrenden auf die Unterrichtspraxis. Simulationen und e-Portfolios kompensieren hier aber nicht nur fehlende Möglichkeiten zur Theorie-Praxis-Integration, sondern ermöglichen den Studierenden gleichsam die Herstellung von Bezügen zur Berufspraxis in geschützten Räumen, die einerseits weniger überfordernd wirken als die komplexe Unterrichtsrealität an Schulen und andererseits individualisierte, selbstregulierte sowie kooperative Arbeitsphasen ermöglichen. Kohärenz wird in den berichteten Beiträgen oftmals als ein von der jeweiligen Institution in Form von Curricula und Lehrveranstaltungen vorgegebener Input dargestellt. Um jedoch auch eine aktive bzw. selbstregulierte Wissensintegration und Kohärenzerzeugung von angehenden und erfahrenen Lehrkräften zu fördern, eignen sich vor diesem Hintergrund Begleit- und Unterstützungsstrukturen, wie die im Beitrag von Nückles et al. (in diesem Band) und Gödecke (in diesem Band) vorgestellten e-Portfolios sowie die von Graichen et al. (in
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diesem Band) diskutierten Lerntagebücher. In e-Portfolios werden den Studierenden Lernaufgaben elektronisch gestellt und von diesen auch elektronisch beantwortet. Dies erlaubt eine orts- und zeitunabhängige Bearbeitung der Aufgaben und ermöglicht somit, Bezüge über mehrere Semester und zwischen den Domänen der Lehrerbildung herzustellen (z. B. zwischen Veranstaltungen der Bildungswissenschaften und Erfahrungen aus dem Schulpraktikum, zwischen bildungswissenschaftlichen und fachdidaktische Lehrveranstaltungen). Zusätzlich initiieren unterschiedliche Aufgabenformate von e-Portfolios nicht nur eine aktive Wissensintegration, sondern auch die Entwicklung einer fachspezifischen oder allgemeinen Reflexionskompetenz (Gödecke, in diesem Band), welche die Wahrnehmung von Bezügen zwischen den Säulen und Phasen der Lehrerbildung ebenso anregt wie eine Reflexion über eigene Lern- und Denkprozesse. Ein möglicher Zugriff auf Aufgaben und Ergebnisse früherer Lernprozesse könnte sich bis in die berufliche Fort- und Weiterbildung erstrecken, um Vorwissen aus vorangegangenen Ausbildungsphasen zu aktivieren und effektiv daran anzuknüpfen. Nicht zu unterschätzen ist in diesem Kontext, dass bei der Erstellung von Portfolioaufgaben, welche eine Vernetzung zwischen Säulen und Phasen der Lehrerbildung anstrebt, auch die Kooperation unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure der Lehrerbildung möglich ist, was zu einem institutionsinternen wie institutionsübergreifenden Austausch von Informationen führen und so zusätzlich zur Steigerung der Kohärenz in der Lehrerbildung beitragen kann. Bei der resümierenden Betrachtung von Maßnahmen zur Schaffung horizontaler Kohärenz zwischen den Säulen der Lehrerbildung bzw. zwischen Domänen professionellen Wissens fällt ein Ungleichgewicht auf: Die Mehrheit der im Sammelband vorgestellten Ansätze und Konzepte initiiert Kohärenz primär zwischen der Fachwissenschaft und der Fachdidaktik (Birke et al.; Kreutz; Oettle et al.; Pemsel-Meier; in diesem Band), nur ein kleinerer Teil ergänzend zwischen der Fachdidaktik und den Bildungswissenschaften (Buchborn et al.; Diehr et al.; Oettle et al.; Mordellet-Roggenbuck & Zaki; Schween et al.; in diesem Band). Kohärenzansätze zwischen Fachwissenschaft und Bildungswissenschaften werden lediglich ansatzweise berücksichtigt (Diehr et al.; Gödecke; in diesem Band), wenn es um Maßnahmen der allgemeinen Verzahnung von Theorie und Praxis geht. Die horizontale Kohärenz zwischen Theorie bzw. Hochschullehre und Unterrichtspraxis wird wiederum in mehreren Beiträgen fokussiert (Diehr et al.; Gödecke; Nückles et al.; Schween et al.; in diesem Band). Dabei fällt allerdings auf, dass sich die meisten der dargestellten Theorie-PraxisBezüge direkt auf die Phase des Hochschulstudiums beziehen bzw. darauf beschränken. Kohärenzansätze, die den Vorbereitungsdienst bzw. die Zusammenarbeit mit Staatlichen Seminaren miteinbeziehen oder die berufliche Fort- und
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Weiterbildung von Lehrkräften mit Maßnahmen an den Hochschulen verbinden (Abel; in diesem Band), sind hingegen selten. Einschränkend ist zu beachten, dass sich der Wert bzw. der Nutzen kohärenzorientierter Ansätze nicht quantitativ oder im Sinne einer vermeintlichen “Vollständigkeit” potentieller Bezüge bestimmen lässt. Ein Mehr oder Maximum an Kohärenz ist nicht zwangsläufig sinnvoll oder erstrebenswert, sondern die jeweilige Kombination und Fokussierung von Maßnahmen abhängig von Kontext und Zielsetzung. So kann es im Rahmen vieler Fachcurricula, mit ihren zugrundeliegenden Kompetenzzielen und Kerninhalten, plausibel sein, auf die Entwicklung von Kohärenzansätzen zwischen der Fachwissenschaft und den Bildungswissenschaften zu verzichten, da es je nach Fachbereich keine bzw. kaum gemeinsame Konzepte oder Inhalte gibt (Oettle et al., in diesem Band). So könnte es sinnvoller bzw. wirksamer erscheinen, die Fachdidaktik als ein Bindeglied zwischen den Bildungswissenschaften und der Fachwissenschaft zu betrachten und entsprechende kohärenzfördernde Maßnahmen in diesem Bereich zu initiieren. Die vorgestellten Maßnahmen verteilen sich nicht nur ungleichmäßig über die Säulen, sondern auch ungleichmäßig über die Phasen der Lehrerbildung. Größtenteils wird in den berichteten Beiträgen des Sammelbands die Schaffung von Kohärenz innerhalb der Hochschule angestrebt. Wenn es um die phasenübergreifende Schaffung von Kohärenz geht, dann fast ausschließlich zwischen dem Bachelor- und Master-Studium (Birke et al.; Mordellet-Roggenbuck & Zaki; in diesem Band). Maßnahmen zur Verknüpfungen der hochschulischen Inhalte mit Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit oder mit dem Referendariat gibt es bisher kaum. Lediglich Rach (in diesem Band) diskutiert, inwiefern die Vorerfahrungen der Studierenden aus der eigenen Schulzeit bei der Konzeption von Lehrveranstaltungen in der Studieneingangsphase zu berücksichtigen sind. Ihre Ergebnisse zeigen, dass Lehramtsstudierende sich von Fachstudierenden der Mathematik zwar signifikant in ihren Interessen und ihrem Vorwissen unterscheiden, die Verteilung beider Gruppen aber stark überlappt und folglich bislang keine klare Zuteilung in zwei Gruppen (Lehramt - Nicht-Lehramt) möglich ist. Eine frühzeitige Verknüpfung der Unterrichtspraxis mit der fachwissenschaftlichen Ausbildung ist somit nur konzeptionell und nicht anhand spezifischer Merkmale von Lehramtsstudierenden zu begründen. Möglichkeiten zur kohärenten Ausgestaltungen der Fort- und Weiterbildung beruflich tätiger Lehrkräfte werden in den Beiträgen von Abel und de Coninck et al. (in diesem Band) vorgestellt. In dieser Professionalisierungsphase sind organisierte Weiterbildungen zeitlich begrenzt und im Umfang deutlich geringer als die eigentliche Unterrichtspraxis. Dies stellt einerseits eine Herausforderung bezüglich der zeitlich kompakten Organisation von Weiterbildungs-
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einheiten dar, erhöht aufgrund der Möglichkeit, parallel eine Umsetzung im eigenen Unterricht zu erproben, aber die Übertragbarkeit der gelernten Inhalte auf die Praxis. Allerdings gibt es zwischen den Bundesländern in Deutschland große Unterschiede hinsichtlich der Rahmenbedingungen für Fortbildungen (da bspw. nicht überall eine Fortbildungspflicht besteht und sich die verfügbaren, meist schulischen, Ressourcen für Weiterbildungen stark unterscheiden), so dass generalisierte Aussagen zu kohärenten Weiterbildungskonzepten schwerer zu treffen sind als zu kohärenten Konzepten an Hochschulen. Phasenübergreifende Kohärenzmaßnahmen sind selten oder ausschließlich auf die Makro- und Mesoebene beschränkt und beziehen sich vornehmlich auf kollegiale Absprachen (beispielsweise auf die spiralcurriculare Planung fachdidaktischer Studienanteile in Bachelor und Master, auf den Vorbereitungsdienst) oder auf eher punktuelle Kooperationen mit Kooperationen des Schulnetzwerks (von Gehlen et al., in diesem Band). Zwar ist denkbar, dass beispielsweise die Nutzung eines e-Portfolios über die Zeit des Studiums hinaus im Referendariat angeregt wird, doch sind solche phasen- und institutionsübergreifenden Maßnahmen aus organisatorischer Sicht schwer umsetzbar, da hierfür zahlreiche Absprachen diverser Akteurinnen und Akteure der Lehrerbildung notwendig wären (Canrinus, Klette & Hammerness, 2017). Zudem kommt es zwischen dem Hochschulstudium und nachfolgenden Referendariat zu einer Fluktuation an Studierenden, so dass die Eingangsvoraussetzungen dieser, ähnlich wie beim Übergang von der Schule an die Hochschule (Rach, in diesem Band), sehr heterogen sind. Entsprechend widmet sich lediglich ein Beitrag (von Gehlen et al., in diesem Band) konkret der Schaffung von Kohärenz zwischen verschiedenen Institutionen (Staatliches Seminar für Lehrerbildung und Hochschulen in Freiburg) und Phasen des Professionalisierungsprozesses: Aufgrund unterschiedlicher beruflicher Hintergründe, Ressourcen und Bedarfe wurden Interviews mit den Akteurinnen und Akteuren der Lehrerbildung am Standort durchgeführt und passgenaue Maßnahmen zur besseren Ausgestaltung von Kohärenz zwischen Phasen der Lehrerbildung generiert. Ein solches Vorgehen erscheint vor allem dann sinnvoll, wenn das Wissen über die jeweils andere Institution bei den Beteiligten gering ist und zudem keine Zwänge zur Abstimmung vorliegen. Entsprechend sind institutions- und phasenübergreifende Maßnahmen oft auf einen gegenseitigen Informationsaustausch und die Vernetzung einzelner Akteure beschränkt, was die Gefahr birgt, dass Kohärenzmaßnahmen und Kooperationen erfolglos bleiben (Timperley, 2005). Der Vergleich mit dem französischen Lehrerbildungssystem (Schmider & Zaki, in diesem Band) zeigt, dass die Notwendigkeit von Abstimmungsprozessen oder die Anzahl von Phasenübergängen im Professionalisierungsprozess nicht nur von strukturellen Rahmenbedingungen an Hochschulen abhängen, sondern
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auch bildungspolitisch bedingt sind. Aufgrund des zentralistischen bildungspolitischen Systems in Frankreich lassen sich makro- wie mesostrukturelle Kohärenzansätze dort häufig schneller und wirksamer implementierten als an deutschen Hochschulstandorten. Aber auch in Deutschland unterscheiden sich die Rahmenbedingungen für die Lehrerbildung teilweise deutlich. Die Anzahl studierter Fächer oder die Ausgestaltung der Praxisphasen im Studiums variieren stark zwischen den Bundesländern (Kleickmann & Anders, 2011; Terhart, 2004). Auch findet die Ausbildung von Primar- und Sekundarstufenlehrkräften I in Baden-Württemberg an Pädagogische Hochschulen und die Ausbildung von Gymnasiallehrkräften und Lehrkräften für berufliche Schulen an der Universität statt. Aufgrund der Fokussierung auf Lehrerbildung an Pädagogischen Hochschulen ist zumindest die Schaffung horizontaler Kohärenz dort einfacher umzusetzen (Birke et al.; Kreutz; in diesem Band) als an anderen Hochschulstandorten innerhalb Deutschlands. Die dargestellten Beispiele verdeutlichen, dass die Schaffung von Kohärenz immer von den jeweiligen gegebenen Rahmenbedingungen und Ressourcen sowie dem Willen beteiligter Akteurinnen und Akteure abhängt. Dabei kann eine strukturelle, konzeptionell-inhaltliche oder auch zeitliche Verortung im Freiburger Säulen-Phasen-Modell noch nicht zwingend etwas über die Gelingensbedingungen oder Wirkungen der Maßnahmen aussagen. Entsprechend sind die im Sammelband Kohärenz in der Lehrerbildung - Theorien, Konzepte und empirische Befunde vorgestellten Maßnahmen nicht als Patentrezepte zu verstehen, welche direkt transferiert werden können, sondern als Anregungen, welche einen Ausgangspunkt für eigene, standortspezifische Innovationen und Anpassungsprozesse darstellen können. Wahrnehmung und Wirkung kohärenter Lerngelegenheiten (Output) Eine positive Wirkung von Kohärenz auf den Wissenszuwachs und Kompetenzerwerb von Studierenden sowie schlussendlich auf Lernzuwächse von Schülerinnen und Schülern ist nur dann zu erwarten, wenn Studierende die in Lehrveranstaltungen geschaffene Kohärenz (Input) wahrnehmen und auf der Grundlage aufgezeigter Bezüge aktiv vernetztes Wissen aus unterschiedlichen Säulen und Phasen erwerben (Output). Das Wahrnehmen von Kohärenz ist demnach eine zentrale Voraussetzung dafür (Canrinus et al., 2015), das in einem nachfolgenden Prozess die aktive Verknüpfung der Inhalte aus verschiedenen Säulen und Phasen erfolgen kann, so dass schlussendlich der kognitive Zustand der Kohärenz in Form einer elaborierten Wissensstruktur vorliegt. Dieses vernetzte Wissen kann in schulischen und unterrichtlichen Situationen dann effektiv zum Einsatz kommen.
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Im Beitrag von Nückles et al. (in diesem Band) wird dieser Prozess als aktive Wissensintegration oder auch aktive Kohärenzerzeugung bezeichnet. Diehr et al. (in diesem Band) wiederum führen den Begriff der kognitiven Kohärenz ein, um den Prozess der Kohärenzschaffung bei Lernenden zu bezeichnen. Diehr et al. (ebd.) konnten zeigen, dass kohärenzfördernde Maßnahmen zu einer Zunahme der Korrelation zwischen fachwissenschaftlichem, fachdidaktischem und bildungswissenschaftlichem Wissen führen, was sie als Nachweis für die angestrebte Vernetzung (als kognitiver Zustand) von Inhalten aus den unterschiedlichen Domänen des Professionswissens interpretieren. Dass Kohärenz ein Zustand ist, welchen Lehrende wie Studierende anstreben, wird ferner aus den Interviewergebnissen der Studien von von Gehlen et al. und Joos et al. (in diesem Band) deutlich: Die Schaffung von sinnhaften strukturellen und inhaltlichen Verknüpfungen, sowie die Verzahnung von theoretischer Ausbildung an der Hochschule und unterrichtspraktischer Erfahrung in Studium und Referendariat wird von Studierenden und Lehrenden gleichermaßen als wichtiges Qualitätskriterium der Lehrerbildung benannt. Inwiefern derzeitige Maßnahmen zur Erreichung dieses kohärenten Zielzustands beitragen, ist bislang jedoch ebenso wenig erforscht wie der potentielle Einfluss von individuellen Merkmalen der Studierenden (z. B. Motivation, Vorwissen, Unterrichtserfahrung) auf das Erreichen dieses Zustands. Auch einer quantitativen Messung der Wahrnehmung von Kohärenz widmen sich Beiträge im vorliegenden Sammelband: Im Beitrag von HenningKahmann und Hellmann (in diesem Band) wird ein mehrdimensionaler Fragebogen zur umfassenden empirischen Erfassung von Kohärenz im Hochschulstudium vorgestellt. Entsprechend der vorangegangenen theoretischen Konzeptualisierung zeigen die Ergebnisse einer durchgeführten Studierendenbefragung, dass die Wahrnehmung von Kohärenz, wie theoretisch angenommen, nicht mit einem einzelnen Maß zu erfassen ist. Kohärenz im Studium kann innerhalb von oder zwischen Säulen, Phasen und Lehrveranstaltung vielmehr in unterschiedlichem Ausmaß wahrgenommen werden. Während Lehrveranstaltungen z. B. der Fachwissenschaft als kohärent empfunden werden, mag dies für Lehrveranstaltungen der Bildungswissenschaften bereits anders aussehen. Daher eignen sich für die Erfassung der Wahrnehmung von Kohärenz formative Messmodelle (Diamantopoulos & Winklhofer, 2001), welche keine Korrelationen zwischen unterschiedlichen Kohärenzfacetten voraussetzen. Dies spiegelt zudem die theoretische Annahme der Kombinierbarkeit unterschiedlicher Maßnahmen zur Kohärenzsteigerung wider. Für die Validität des dem Fragebogen zugrunde gelegten Messmodells spricht zusätzlich, dass bereits erste theoretisch plausible Effekte empirisch nachgewiesen wurden. So finden Birke et al. (in diesem Band), dass Studierende
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einer Pädagogische Hochschule vermehrt Kohärenz zwischen der Fachwissenschaft und Fachdidaktik wahrnehmen als Studierende einer Universität. Dies ist insofern plausibel, als dass an Pädagogischen Hochschulen Veranstaltungen aus den genannten Säulen oftmals von Lehrenden derselben Lehrstühle ausgebracht werden und Bezüge zwischen Inhalten somit einfacher hergestellt werden können. Zudem konnten Oettle et al. (in diesem Band) zeigen, dass die wahrgenommene Kohärenz innerhalb einer Lehrveranstaltung größer ist als zu anderen Lehrveranstaltung und Studierende, welche eine größere Kohärenz wahrnehmen, auch über eine höhere Lernmotivation verfügen. Wenngleich diese Befunde plausibel erscheinen, fehlte bislang der Nachweis eines empirischen Zusammenhangs zwischen der Wahrnehmung von Kohärenz und der Kompetenzentwicklung bei Studierenden. Auch wenn es Anhaltspunkte aus der Kognitionspsychologie und Bildungsforschung gibt, welche positive Wirkungen von Kohärenz und Kohärenzerleben auf erlebten oder tatsächlichen Kompetenzerwerb nahelegen (z. B. Canrinus et al., 2017; Fortus, Sutherland Adams, Krajcik & Reiser, 2015; Hammerness, 2006; Spiro, Feltovich, Jacobson & Coulson, 1992), gibt es in Bezug auf die Ausgestaltung von Lehrerbildung noch viele offene Fragen, welche nicht auf der Grundlage von Laborexperimenten zu beantworten sind. So ist bisher z. B. ungeklärt, wie Veranstaltungen in einem Curriculum angeordnet sein sollten, um sowohl kohärente Lehre als auch einen effizienten Wissenserwerb zu ermöglichen, oder inwiefern fachspezifische Unterschiede bei der Umsetzung von Kohärenz zum Tragen kommen müssten. Dabei kann es grundsätzlich zu Konflikten zwischen beiden Zielen kommen, da zur Schaffung von Kohärenz einerseits eine zeitlich parallele (horizontal-synchrone Kohärenz) oder fest aufeinander folgende Anordnung (horizontal-konsekutive Kohärenz) von Veranstaltungen z. B. der Fachwissenschaft und Fachdidaktik sinnvoll ist, während für einen effizienten Erwerb fachdidaktischen Wissens eine solide fachwissenschaftliche Wissensbasis hilfreich zu sein scheint. In einer experimentellen Studie konnten Tröbst et al. (2018) für das Fach Mathematik zeigen, dass Studierende, die zunächst eine Einführung in einen fachlichen Inhalt erhalten, einen Vorteile beim Erwerb des zugehörigen fachdidaktischen Wissens gegenüber einer Vergleichsgruppe aufweisen, die nur eine Einführung in das fachdidaktische Wissen erhalten hatten. Grundsätzlich ermutigt dieser Befund zu einer stärkeren Umgestaltung von Curricula im Sinne der Kohärenz. Zur Klärung idealer curricularer Verortungen von kohärenten Lehr-Lern-Maßnahmen sind jedoch weitere Forschungsbefunde aus verschiedenen Disziplinen und mit längsschnittlichem Design nötig. Informativ wären hier insbesondere solche Längsschnittstudien, welche die Entwicklung des Professionswissens von angehenden Lehrkräften über den Studienverlauf an
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Standorten mit unterschiedlichen Studienstrukturen vergleichen. Das Freiburger Säulen-Phasen-Modell der Kohärenz wäre sich für solche Studien dienlich. Herausforderung einer nachhaltigen Implementierung kohärenter Lehrerbildung Viele Fragen, welche die Wirkung spezifischer Kohärenzmaßnahmen betreffen, sind derzeit noch offen. Außer Frage steht jedoch, dass sich eine kohärente Lehrerbildung mittelfristig nur dann als wirksam erweisen kann (sowohl was die Kohärenzwahrnehmung als auch die aktive Kohärenzerzeugung und den Kompetenzerwerb von Studierenden betrifft), wenn sie nicht auf punktuelle Maßnahmen beschränkt bleibt, sondern nachhaltig angelegt wird. Dies bedingt zum einen, dass konkrete Kohärenzmaßnahmen nicht isoliert für sich stehen, sondern in ein fachspezifisches Gesamtkonzept oder auch Leitbild von Lehrerbildung (Hammerness, 2006) eingegliedert sind. Es ist davon auszugehen, dass Maßnahmen auf der Makroebene sich ebenso wie das Formulieren von Leitbildern nicht direkt auf die Kohärenzwahrnehmung auswirken, sondern indirekt über den Einfluss von Dozierenden auf Studierende vermittelt werden. Zum anderen darf die Implementierung und Weiterentwicklung von Kohärenz nicht von beschränkten Projektlaufzeiten oder dem personellen Engagement einzelner Personen abhängig sein, sondern muss verbindlich und in allen Disziplinen und Ebenen sowie Institutionen von Lehrerbildung verankert werden (Timperley, 2005). Die Kontinuität und Nachhaltigkeit von Kohärenz als Prozess (Hammerness, 2006) kann dabei auf unterschiedlichen Ebenen (institutionell, curricular, personell) bzw. über unterschiedliche Initiativen und Unterstützungsstrukturen gefördert werden. So können innovative Lehr-Lern-Projekte und -Strukturen (wie integrierte Module, Tandemveranstaltungen von Fachwissenschaft und Fachdidaktik, gemeinsame Kolloquien oder auch die Implementierung von e-Portfolios als Prüfungsformat) institutionell bzw. curricular über deren Aufnahme in Rahmenprüfungsordnungen und Modulverordnungen verankert werden (Birke et al.; Buchborn et al.; Mordellet-Roggenbuck und Zaki; in diesem Band). Die curricularen Vorgaben setzten somit Impulse, welche z. B. begrenzte Projektlaufzeiten überdauern. Jedoch regeln und sichern sie noch nicht die Art der Umsetzung und sagen zudem nichts darüber aus, inwieweit die verantwortlichen Lehrenden über kohärente Lehr-Lern-Formate informiert sind oder über entsprechende Qualifikationen zur Umsetzung solcher Formate verfügen. Auf der Ebene von Fakultäten bzw. Fachbereichen erscheint für eine dauerhafte Verankerung von Kohärenzprojekten zudem eine Unterstützung von Kommunikation und Kooperationsstrukturen in und zwischen Fachbereichen
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essentiell (Kreutz, in diesem Band). Bedeutsam ist schließlich, dass sich auch Akteurinnen und Akteure der Lehrerbildung, die z. B. nicht direkt über Projektmaßnahmen in hochschulische Umstrukturierungsprozesse eingebunden sind, sukzessive mit den Zielen und möglichen Ansätzen einer kohärenzorientierten Lehrerbildung auseinandersetzen. So können Leitgedanken temporärer Projekte zu dauerhaften Leitgedanken und Referenzpunkten für die Fachbereiche werden. Hierfür sollten bereits entwickelte Ansätze und entsprechende empirische Befunde disseminiert und der Zugang zu relevanten Informationen (z. B. über LehrLern-Maßnahmen, Weiterbildungsangebote und Wirkungen von kohärenten Lerngelegenheiten) ermöglicht werden. Der vorliegende Sammelband mit seinen vielfältigen Befunden zur Kohärenz in der Lehrerbildung leistet hierzu einen wichtigen Beitrag. Als hilfreich können sich zusätzlich institutionalisierte Dialogforen und fest etablierte communities of practice erweisen (von Gehlen et al.; Schmider & Zaki; in diesem Band). Darüber hinaus ist eine nachhaltige Förderung und Verankerung kohärenter Lehrerbildung als fächerübergreifende Aufgabe von Hochschulen und derer zentraler Einrichtungen zu sehen. Die Entwicklung und Dissemination eines institutionellen Leitbilds guter Lehrerbildung (Voss & Wittwer, 2017) kann folglich ebenfalls ein Mittel zur Schaffung von Kohärenz sein. Auf allen organisatorischen Ebenen impliziert die nachhaltige Schaffung von Kohärenz in der Lehrerbildung, diese als einen ganzheitlichen Prozess zu verstehen und beständig weiterzuentwickeln (Hammerness, 2006). Die Beiträge im Sammelband beschreiben daher aktuelle Entwicklungen, welche in Zukunft weiter auszugestalten und an die spezifischen Anforderungen diverser Institutionen der Lehrerbildung anzupassen sind. Dabei entscheidet die Schaffung von Kohärenz nicht alleine über die Qualität der Lehrerbildung, da auch eine noch so konsequent durchgeführte Kohärenzorientierung keinen Garant für eine erfolgreiche Professionalisierung von Lehrkräften darstellt. Vielmehr ist Kohärenzorientierung als ein wichtiger Baustein zu verstehen, der dazu beitragen kann, angehende Lehrerinnen und Lehrer professionsorientiert auf die komplexen Anforderungen ihres Berufs vorzubereiten. Literatur Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9(4), 469–520. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (2013). Bund-Länder-Vereinbarung über ein gemeinsames Programm "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" gemäß Artikel 91 b des Grundgesetzes. Abgerufen am 11. Juni 2018 von https://www.bmbf.de/files/bund_laender_vereinbarung_qualitaetsoffensive_lehrerbildung.pdf
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