Idea Transcript
Meffert Marketing Edition
Heribert Meffert Christoph Burmann Manfred Kirchgeorg Maik Eisenbeiß
Marketing Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung Konzepte – Instrumente – Praxisbeispiele 13. Auflage
Marketing
Heribert Meffert Christoph Burmann Manfred Kirchgeorg Maik Eisenbeiß
Marketing Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung Konzepte – Instrumente – Praxisbeispiele 13., überarbeitete und erweiterte Auflage
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert Marketing Center Münster Institut für Marketing Münster, Deutschland Prof. Dr. Christoph Burmann Lehrstuhl für innovatives Markenmanagement Universität Bremen Bremen, Deutschland
Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg SVI-Stiftungslehrstuhl für Marketing, insbes. E-Commerce und Crossmediales Management HHL Leipzig Graduate School of Management Leipzig, Deutschland Prof. Dr. Maik Eisenbeiß Lehrstuhl für ABWL, insb. Marketing Universität Bremen Bremen, Deutschland
Ergänzendes Material zu diesem Buch finden Sie auf https://www.springer.com/de/book/9783658211950. ISBN 978-3-658-21195-0 https://doi.org/10.1007/978-3-658-21196-7
ISBN 978-3-658-21196-7 (eBook)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 1977, 1978, 1979, 1980, 1982, 1986, 1998, 2000, 2008, 2012, 2015, 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Barbara Roscher Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Vorwort zur 13. Auflage
Wir freuen uns, Ihnen die aktualisierte und inhaltlich überarbeitete 13. Auflage des Standardwerkes „Marketing“ präsentieren zu können. In bewährter Form soll die neue Auflage Studierenden im Bachelor- und Masterprogramm sowie Praktikern einen aktuellen, ganzheitlichen und entscheidungsorientierten Überblick des Marketingmanagements vermitteln. Durch die Digitalisierung steht das Marketingmanagement vor grundlegenden Veränderungen, welche in der vorliegenden Auflage an verschiedenen Stellen aufgegriffen wurden. Beispielsweise werden die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Customer Journey diskutiert und neue Methoden der digitalen Informationsgewinnung und -nutzung (Stichwort „Big Data“) erläutert. Im Rahmen des Marketing-Mix wurden unter anderem die Abschnitte zu Preisstrategien im Internet, zur Multichannel-Distribution und zur digitalen Kommunikation umfassend überarbeitet. Darüber hinaus sind die Themenfelder Customer-Relationship-Management (CRM), Beschwerde- und Key Account-Management sowie Corporate Social Responsibility (CSR) ergänzt worden. Um den kompakten Charakter des Standardwerks beizubehalten, haben wir neben Aktualisierungen und Erweiterungen auch zahlreiche Kürzungen vorgenommen. Die Überarbeitung dieser Auflage wäre ohne die maßgebliche Unterstützung unserer Mitarbeiter in Bremen, Leipzig und Münster nicht möglich gewesen. Unser großer Dank gilt hierbei vor allem Verena Sander, Henk Lütjens, Dr. Silko Pfeil, Eike Abraham, Andre Lienemann, Marius Diegel und Dr. Michael Schade, die in vielfältiger Weise und mit großem Engagement an der Entstehung dieses Buches mitgewirkt haben. Darüber hinaus möchten wir unseren studentischen Mitarbeitern Carolin Schumacher, Dustin Wiese, Simon Hinz, Kevin Rocker und Antje Stefanie danken. Schließlich gilt unser Dank dem Team von Springer Gabler für die wie immer hoch engagierte und professionelle Zusammenarbeit. Insbesondere bei Frau Birgit Borstelmann und Frau Barbara Roscher möchten wir uns dabei stellvertretend für das ganze Team herzlich bedanken. Münster, Bremen und Leipzig
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert Prof. Dr. Christoph Burmann Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg Prof. Dr. Maik Eisenbeiß V
Vorwort zur 12. Auflage
Dieses bewährte Standardwerk liefert Studierenden im Bachelor- und Masterprogramm sowie Praktikern umfassende und aktuelle Grundlagen des Marketingmanagements aus einer entscheidungsorientierten Sicht. In der 12. Auflage dieses Marketing-Klassikers wurden alle Kapitel gründlich überarbeitet. Insbesondere wurden bei den Verhaltens- und Informationsgrundlagen des Marketing aktuelle Erkenntnisse aus der neurowissenschaftlichen Forschung integriert. Hierbei war es uns besonders wichtig, den tatsächlichen Aussagegehalt neurowissenschaftlich ausgerichteter Marketingpublikationen für Wissenschaft und Praxis vertiefend zu analysieren. Entgegen dem gerade sehr modischen „Neuro-Trend“ im Marketing kommen wir hier zu einer distanzierteren Einschätzung. Darüber hinaus wurden neuere Entwicklungen im Bereich der interaktiven Kommunikationsinstrumente umfassender und tiefer berücksichtigt. Besonderes Augenmerk haben wir dabei der Vermittlung von Erlebnissen und den sozialen Medien geschenkt. Schließlich haben wir auch die Ausführungen zum Marketingcontrolling im Rahmen der Marketing-Mix-Kapitel in erheblichem Maße überarbeitet. Zuletzt darf nicht unerwähnt bleiben, dass wir auch zahlreiche Kürzungen vorgenommen haben, um die Prägnanz und Didaktik des Buches deutlich zu verbessern. Zudem haben wir den gesamten Literaturstand auf den neuesten Stand gebracht und formale wie strukturelle Defizite der vorhergehenden Auflage beseitigt. Die vorgenommene Überarbeitung dieser Auflage wäre ohne die maßgebliche Unterstützung unserer Mitarbeiter in Bremen, Leipzig und Münster nicht möglich gewesen. Unser großer Dank gilt hierbei vor allem Herrn Dr. Rico Piehler. Unser Dank gilt ferner Katja Rudolph, Anna Maleen Ulbricht, Dr. Daniela Eilers, Corinna S. Beckmann, Ines Nee sowie allen weiteren Mitarbeitern, die an der Überarbeitung dieses Werks engagiert mitgewirkt haben. Schließlich gilt unser Dank dem Team von Springer Gabler für die wie immer hoch engagierte und professionelle Zusammenarbeit. Insbesondere bei Frau Barbara Roscher möchten wir uns dabei stellvertretend für das ganze Team herzlich bedanken. Münster, Bremen und Leipzig
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert Prof. Dr. Christoph Burmann Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg VII
Inhaltsverzeichnis
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Grundlagen des Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Entwicklung und Konzept des Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Anbieter-Nachfrager-Beziehungen auf Märkten . . . . . . . 1.2 Entwicklung des Marketingbegriffes . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Merkmale des modernen Marketing . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Merkmale des modernen Marketingmanagements . . . . . . 1.5 Institutionelle Besonderheiten des Marketingmanagements 1.5.1 Investitionsgütermarketing . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.2 Dienstleistungsmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Ansätze der Marketingtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Gegenstand und Entwicklung der Marketingwissenschaft . 2.2 Klassische Ansätze der Absatztheorie . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Institutionenorientierter Ansatz . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Warenorientierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Funktionenorientierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . 2.3 Moderne Ansätze der Marketingtheorie . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz . . . . . . . . . 2.3.2 Entscheidungsorientierter Ansatz . . . . . . . . . . . 2.3.3 Systemorientierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Situativer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 „Neuere“ Paradigmen in der Marketingtheorie . . . . . . . . 2.4.1 Informationsökonomischer Ansatz . . . . . . . . . . 2.4.2 Ressourcen- und kompetenzorientierter Ansatz . . 2.4.3 Beziehungs- und prozessorientierter Ansatz . . . . 2.5 Einordnung des Marketing als wissenschaftliche Disziplin . 2.6 Integrativer Bezugsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Märkte und Umwelt im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Märkte als Mikroumwelt des Marketing . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Kennzeichnung unterschiedlicher Marktformen . . 3.1.3 Problem der Abgrenzung des relevanten Marktes .
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1 3 3 6 10 17 22 23 25 30 30 31 31 32 32 33 33 33 34 35 35 35 37 40 43 44 47 49 49 52 54 IX
X
Inhaltsverzeichnis
3.1.4
Kennzeichnung des relevanten Marktes anhand von quantitativen Merkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.5 Anbieter-Nachfrager-Beziehungen auf Märkten . . . . . 3.1.5.1 Markttransaktionen und Wettbewerbsvorteile 3.1.5.2 Markttransaktionen und Nachfragerbeziehungen . . . . . . . . . . . . . 3.1.6 Kooperationsbeziehungen auf Märkten . . . . . . . . . . 3.2 Makroumwelt des Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Sphären der Makroumwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Kennzeichnung unterschiedlicher Anspruchsgruppen . 3.3 Veränderungsdynamik der Mikro- und Makroumwelt . . . . . . . 3.3.1 Dynamik in Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Dynamik und Vernetzung von Anspruchsgruppen . . . . 3.3.3 Dynamik durch Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
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55 58 58
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60 63 65 65 66 68 68 70 72 76
Verhaltensgrundlagen des Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1 Erklärungsansätze des Käuferverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1.1 Fragestellungen und Ansätze der Käuferverhaltensforschung . . . 89 1.2 Kaufentscheidungstypen und -träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1.3 Kaufentscheidungsverhalten von Nachfragern . . . . . . . . . . . . 93 1.3.1 Verhaltenswissenschaftliche Bestimmungsfaktoren . . . . 93 1.3.1.1 Intrapersonale Bestimmungsfaktoren . . . . . . 94 1.3.1.2 Interpersonale Bestimmungsfaktoren . . . . . . 117 1.4 Totalmodelle zur Erklärung des Kaufentscheidungsverhaltens von Nachfragern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1.4.1 Strukturmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1.4.2 Prozessmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1.5 Partialmodelle zur Erklärung des Kaufentscheidungsverhaltens von Nachfragern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1.6 Kaufentscheidungsverhalten von Unternehmen . . . . . . . . . . . . 132 2 Nachfragerverhalten im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2.1 Verändertes Nachfragerverhalten infolge des gesellschaftlichen Wertewandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2.1.1 Wertewandel als Determinante . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2.1.2 Postmaterialistisches Konsumverhalten . . . . . . . . . . . 138 2.2 Veränderungen im Nachfragerverhalten infolge der Digitalisierung 142 2.2.1 Digitalisierung als Determinante . . . . . . . . . . . . . . . 142 2.2.2 Digitales Kaufverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2.3 Generationscharakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
Inhaltsverzeichnis
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XI
Informationsgrundlagen des Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1 Marketingforschung als Grundlage des Marketingmanagements . . . . . . 169 1.1 Marketingforschung im Zeitalter der Digitalisierung . . . . . . . . 169 1.2 Gegenstand und Funktionen der Marketingforschung . . . . . . . . 173 2 Methoden der Informationsgewinnung in der Marketingforschung . . . . 178 2.1 Aufgaben und Entscheidungsprobleme der Informationsgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2.2 Formen der Informationsgewinnung und Arten von Daten . . . . . 179 2.3 Informationsgewinnung durch Sekundärforschung . . . . . . . . . 181 2.3.1 Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2.3.2 Methoden der Informationsgewinnung . . . . . . . . . . . . 184 2.4 Informationsgewinnung durch Primärforschung . . . . . . . . . . . 187 2.4.1 Mess- und Auswahlverfahren der Informationsgewinnung 187 2.4.2 Methoden der Informationsgewinnung . . . . . . . . . . . . 191 2.4.2.1 Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2.4.2.2 Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2.4.2.3 Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2.4.2.4 Spezialformen der Informationsgewinnung . . 198 3 Methoden der Informationsverarbeitung in der Marketingforschung . . . 201 3.1 Aufgaben und Entscheidungsprobleme der Informationsverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 3.2 Methoden der Informationsverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3.2.1 Methoden zur Verarbeitung von strukturierten Daten mit dem Ziel der Strukturprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 3.2.2 Methoden zur Verarbeitung von strukturierten Daten mit dem Ziel der Strukturentdeckung . . . . . . . . . . . . . . . 206 3.2.3 Methoden zur Verarbeitung von unstrukturierten Daten . 208 4 Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements . . . . . 209 4.1 Absatzprognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 4.1.1 Begriff und Gegenstand der Absatzprognosen . . . . . . . 209 4.1.2 Quantitative Prognosemethoden . . . . . . . . . . . . . . . . 210 4.1.3 Qualitative Absatzprognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 4.2 Marktsegmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4.2.1 Gegenstand, Ziele und Komponenten der Marktsegmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4.2.2 Erfassung von Marktsegmenten . . . . . . . . . . . . . . . . 217 4.2.2.1 Abgrenzung des relevanten Marktes . . . . . . 217 4.2.2.2 Kriterien zur Marktsegmentierung . . . . . . . . 221 4.2.2.3 Verfahren zur Identifikation von Marktsegmenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 4.2.3 Das Problem der optimalen Marktsegmentierung . . . . . 241 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
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Inhaltsverzeichnis
Strategische Marketingplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Ausgestaltungsformen der strategischen Marketingplanung . . . . . . . . 1.1 Customer-Relationship-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Relevanz des strategischen Customer-RelationshipManagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2 Begriffsdefinition und Ziele des Customer-RelationshipManagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3 Maßnahmen und Erfolgswirkungen des CustomerRelationship-Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Stakeholder-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Relevanz des Stakeholder-Managements . . . . . . . . . . 1.2.2 Begriffsdefinition und Ziele des StakeholderManagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Strategien des Stakeholder-Managements . . . . . . . . . . 1.2.4 Erfolgswirkungen des Stakeholder-Managements . . . . . 1.3 Marken-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Relevanz von Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Modell der identitätsbasierten Markenführung . . . . . . . 1.3.3 Markenidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4 Markenimage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Strategische Situationsanalyse im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Chancen-Risiken-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Ressourcenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Business Model Canvas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Festlegung von Unternehmens- und Marketingzielen . . . . . . . . . . . . 3.1 Zielplanung als mehrstufiger Entscheidungsprozess . . . . . . . . . 3.2 Zunehmende Relevanz von Nachhaltigkeitszielen . . . . . . . . . . 3.3 Ableitung von konsistenten Zielsystemen . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Marketingziele im Zielsystem des Unternehmens . . . . . . . . . . 4 Entscheidungen der strategischen Unternehmensplanung . . . . . . . . . . 4.1 Zusammenhang zwischen der Planung von Unternehmens- und Marketingstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Bildung strategischer Geschäftsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Geschäftsfeldwahl und Marktabdeckungsstrategie . . . . . . . . . . 4.4 Ableitung der strategischen Stoßrichtung . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Ableitung von Normstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Normstrategien auf Basis der Portfolioanalyse . . . . . . . 4.5.2 Normstrategien auf Basis der Erfahrungskurvenanalyse . 4.5.3 Normstrategien auf Basis der Marktlebenszyklusanalyse 4.5.4 Risiken bei der Orientierung an Normstrategien . . . . . . 5 Festlegung von Marketingstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Systematisierung von Marketingstrategien . . . . . . . . . . . . . . .
253 255 256 256 257 259 260 260 261 262 263 264 264 265 267 267 269 271 272 274 279 279 286 290 292 298 298 302 306 308 312 312 315 318 324 325 325
Inhaltsverzeichnis
5.2
Planung von Marktwahlstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Marktfeldstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Marktarealstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Marktsegmentierungsstrategien . . . . . . . . . . . . . 5.3 Planung von Marktteilnehmerstrategien . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Abnehmergerichtete Strategien . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Konkurrenzgerichtete Strategien . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Absatzmittlergerichtete Strategien . . . . . . . . . . . 5.3.4 Anspruchsgruppengerichtete Strategien . . . . . . . . 6 Strategiebewertung und Strategieanpassungen . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Bewertung als Teilaufgabe der strategischen Planung . . . . . 6.2 Elemente des strategischen Bewertungsprozesses . . . . . . . 6.3 Methoden der Strategiebewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Strategiebewertung durch Checklisten- und Strategieprofilmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Strategiebewertung durch die Kapitalwertmethode . 6.3.3 Strategiebewertung durch das Capital Asset Pricing Model . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Prozess der Strategieanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
XIII
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330 330 330 334 338 338 349 353 360 364 364 365 370
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Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen . . . . 1 Ziele und Entscheidungstatbestände der Produkt- und Programmpolitik . 2 Programmgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Gegenstand der Programmgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Verbundeffekte im Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Produktinnovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Inhalt und Bedeutung von Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Innovationsziele und -strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Phasen des operativen Innovationsmanagements . . . . . . . . . . . 3.3.1 Gewinnung von Neuproduktideen . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Prüfung von Neuproduktideen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Realisation von Neuproduktideen . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Bedeutung der Verpackungsgestaltung bei Neuprodukten 3.3.5 Markteinführung und Diffusion . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Implementierung von Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Produktvariation und Produktdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Gegenstand und Ziele der Produktvariation und -differenzierung . 4.2 Prozess der Produktvariation und -differenzierung . . . . . . . . . . 4.3 Probleme der Produktvariation und -differenzierung . . . . . . . . 5 Produktelimination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Integrierte Erfolgsmessung in der Produkt- und Programmpolitik . . . . .
393 395 399 399 403 405 405 410 413 418 428 436 441 445 453 457 458 461 464 466 468
XIV
Inhaltsverzeichnis
6.1
Strategische Erfolgsmessung in der Produktund Programmpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 6.2 Operative Erfolgsmessung in der Produkt- und Programmpolitik . 471 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 6
Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Ziele und Entscheidungstatbestände bei preispolitischen Entscheidungen 2 Bestimmungsfaktoren preispolitischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . 2.1 Preiselastizität als Bestimmungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Verhaltenstheoretische Erkenntnisse als preispolitische Bestimmungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Preisinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Preiskenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Referenzpreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Relative und absolute Preisschwellen . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Psychologische Preise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.6 Preisgünstigkeit versus Preiswürdigkeit . . . . . . . . . . . 2.2.7 Preisabhängige Qualitätsbeurteilung . . . . . . . . . . . . . 2.3 Marktform als preispolitischer Bestimmungsfaktor . . . . . . . . . 3 Preispolitische Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Preispositionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Lebenszyklusabhängige Preisstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Preisstrategien bei Produktneueinführungen: Penetrations- und Skimmingpreispolitik . . . . . . . . . . . 3.2.2 Preisstrategien im weiteren Verlauf des Produktlebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Grundlagen der Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Preisdifferenzierung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Mengenbezogene Preisdifferenzierung durch eine nichtlineare Preispolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Preisbündelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Preisdifferenzierung bei Dienstleistungen: Revenue Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Besonderheiten von preispolitischen Entscheidungen im Internet . 3.4.1 Digitale Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Preismodelle im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Methoden der Preisfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Kostenorientierte Preisfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Konkurrenzorientierte Preisfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Nachfrageorientierte Preisfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Grundlagen der nachfrageorientierten Preisfindung . . . .
487 491 494 495 499 500 502 506 507 508 509 509 511 513 513 515 515 517 520 520 523 528 529 531 535 535 536 542 542 546 549 550
Inhaltsverzeichnis
4.3.2 Preisentscheidungen im Monopol . . . . 4.3.3 Preisentscheidungen im Polypol . . . . 4.4 Empirische Erfassung der Preisbereitschaft . . . 5 Konditionenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Rabattpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Lieferungs- und Zahlungsbedingungen . . . . . . 5.3 Absatzkreditpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Integrierte Erfolgsmessung in der Preispolitik . . . . . . 6.1 Strategische Erfolgsmessung in der Preispolitik 6.2 Operative Erfolgsmessung in der Preispolitik . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
8
XV
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Marketing-Mix: Distributionspolitische Entscheidungen . . . . . . . . . . . 1 Ziele und Entscheidungstatbestände der Distributionspolitik . . . . . . . 2 Absatzkanalmanagement zur Realisierung der absatzmittlergerichteten Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Verhaltensbeziehungen in Absatzkanalsystemen . . . . . . . . . . 2.2 Selektionskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Klassifizierung der vertikalen und horizontalen Absatzkanalstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Direkter und indirekter Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Mehrkanalvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Kontraktkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Klassifizierung vertraglicher Beziehungsstrukturen zwischen Herstellern und Absatzmittlern . . . . . . . . . 2.3.2 Kommissionsvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Vertriebsbindungs- und Alleinvertriebssysteme . . . . . 2.3.4 Vertragshändler- und Franchisesysteme . . . . . . . . . . 2.4 Stimulierungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Optimierungsansätze für die integrierte Steuerung des gesamten Absatzkanalsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Supply Chain Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Efficient Consumer Response Management (ECR) . . . 3 Marketinglogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Integrierte Erfolgsmessung in der Distributionspolitik . . . . . . . . . . . 4.1 Strategische Erfolgsmessung in der Distributionspolitik . . . . . 4.2 Operative Erfolgsmessung in der Distributionspolitik . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
551 553 555 561 561 564 565 566 566 569 571
. 577 . 579 . 582 . 583 . 585 . . . .
585 589 593 600
. . . . .
600 601 602 604 609
. . . . . . . .
610 610 612 618 619 619 621 624
Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen . . . . . . . . . 631 1 Ziele und Entscheidungstatbestände der Kommunikationspolitik . . . . . 634 2 Festlegung der Kommunikationsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637
XVI
Inhaltsverzeichnis
3
4
5
6
7
Festlegung des Kommunikationsbudgets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Wirkungsgestützte Methoden zur Festlegung des Kommunikationsbudgets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Nicht-wirkungsgestützte Methoden zur Festlegung des Kommunikationsbudgets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verteilung des Kommunikationsbudgets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Klassische Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Out-of-Home-Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Plakatwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Hinweismedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Transportmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Ambient Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Digital Out-of-Home . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.6 Aktuelle Trends bei Out-of-Home-Medien . . . . . . . . . 4.3 Digitale Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Online-Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Social-Media-Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Mobile Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Instrumentenübergreifende Aspekte der digitalen Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Direktkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Public Relations (PR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Messen und Ausstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8 Event-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.9 Sponsoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10 Product-Placement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11 In-Game Advertising . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.12 Guerilla-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mediaplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Definition und Begriffsabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Der Mediaplanungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Situationsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Mediaziele und -zielgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Media-Briefing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4 Verteilung des Mediabudgets . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.5 Media-Detailplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltung der kommunikativen Botschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Verhaltenswissenschaftliche Grundlagen der Botschaftsgestaltung 6.2 Gestaltung der Botschaftsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Gestaltung des Botschaftsinhaltes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integrierte Erfolgsmessung in der Kommunikationspolitik . . . . . . . . .
640 641 643 650 655 665 665 676 677 684 687 691 700 702 718 744 751 755 757 760 763 767 771 777 780 784 787 788 788 790 792 794 795 810 812 812 819 823 827
Inhaltsverzeichnis
XVII
7.1 Strategische Erfolgsmessung in der Kommunikationspolitik . . . . 828 7.2 Operative Erfolgsmessung in der Kommunikationspolitik . . . . . 829 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 836 9
Marketing-Mix: Übergreifende Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 857 1 Key Account Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 859 1.1 Aufgaben des Key Account Managements . . . . . . . . . . . . . . . 861 1.2 Chancen und Herausforderungen im Key Account Management . 863 2 Beschwerdemanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 863 2.1 Ziele des Beschwerdemanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865 2.2 Der Beschwerdemanagement-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . 866 2.2.1 Aufgaben des direkten Beschwerdemanagementprozesses 867 2.2.2 Aufgaben des indirekten Beschwerdemanagementprozesses . . . . . . . . . . . . . . 868 3 Corporate Social Responsibility . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 870 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 876
10
Marketingimplementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Ziele und Entscheidungstatbestände der Marketingimplementierung . . . 2 Prozess der Marketingimplementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Durchsetzung von Marketingstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Implementierungsbarrieren und Konfliktlösung . . . . . . 2.1.2 Implementierungsträger (Promotoren) und internes Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Umsetzung von Marketingstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Übersetzung von Marketingstrategien in Marketingmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Funktionsspezifische Koordination von Marketingmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.1 Gegenstand und Entscheidungstatbestände der funktionsspezifischen Koordination . . . . . . . 2.2.2.2 Verfahren der funktionsspezifischen Koordination im Marketing . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Funktionsübergreifende Koordination des Marketing . . . 2.2.3.1 Ansatzpunkte zur Reduktion des Koordinationsbedarfes . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2 Ansatzpunkte zur Deckung des verbleibenden Koordinationsbedarfes . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Gestaltung der Marketingorganisation . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Anpassung der Unternehmenssysteme . . . . . . . . . . . . 2.3 Erstellung eines Marketingplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
879 881 883 883 883 889 891 891 892 892 896 908 908 911 915 917 918 921
XVIII
11
Inhaltsverzeichnis
Marketingcontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Ziele und Entscheidungstatbestände des Marketingcontrollings . 2 Kennzahlen und Kennzahlensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Strategisches Marketingcontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Berechnung von Kundenwerten . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Berechnung von Markenwerten . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Messung des Stakeholder Value . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Erfolgsmessung auf der Grundlage von Kunden- und Markenwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Integrierte Erfolgsmessung unter Einbeziehung des Stakeholder Value . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Operatives Marketingcontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Erweiterte Möglichkeiten des Marketingcontrollings im Web 2.0 7 Informationstechnische Infrastruktur des Marketingcontrollings . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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925 927 930 935 936 939 943
. . . . . 947 . . . . .
. . . . .
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949 952 952 954 959
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 963
1
Grundlagen des Marketing
Inhalt 1
2
3
Entwicklung und Konzept des Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Anbieter-Nachfrager-Beziehungen auf Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Entwicklung des Marketingbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Merkmale des modernen Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Merkmale des modernen Marketingmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Institutionelle Besonderheiten des Marketingmanagements . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.1 Investitionsgütermarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.2 Dienstleistungsmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansätze der Marketingtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Gegenstand und Entwicklung der Marketingwissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Klassische Ansätze der Absatztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Institutionenorientierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Warenorientierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Funktionenorientierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Moderne Ansätze der Marketingtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Entscheidungsorientierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Systemorientierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Situativer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 „Neuere“ Paradigmen in der Marketingtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Informationsökonomischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Ressourcen- und kompetenzorientierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Beziehungs- und prozessorientierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Einordnung des Marketing als wissenschaftliche Disziplin . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Integrativer Bezugsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Märkte und Umwelt im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Märkte als Mikroumwelt des Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Kennzeichnung unterschiedlicher Marktformen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Problem der Abgrenzung des relevanten Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Kennzeichnung des relevanten Marktes anhand von quantitativen Merkmalen
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Meffert et al., Marketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-21196-7_1
3 3 6 10 17 22 23 25 30 30 31 31 32 32 33 33 33 34 35 35 35 37 40 43 44 47 49 49 52 54 55 1
2
1 3.1.5
Grundlagen des Marketing
Anbieter-Nachfrager-Beziehungen auf Märkten . . . . . . . 3.1.5.1 Markttransaktionen und Wettbewerbsvorteile . . 3.1.5.2 Markttransaktionen und Nachfragerbeziehungen 3.1.6 Kooperationsbeziehungen auf Märkten . . . . . . . . . . . . 3.2 Makroumwelt des Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Sphären der Makroumwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Kennzeichnung unterschiedlicher Anspruchsgruppen . . . . 3.3 Veränderungsdynamik der Mikro- und Makroumwelt . . . . . . . . . 3.3.1 Dynamik in Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Dynamik und Vernetzung von Anspruchsgruppen . . . . . . 3.3.3 Dynamik durch Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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58 58 60 63 65 65 66 68 68 70 72 76
1
Entwicklung und Konzept des Marketing
3
1 Entwicklung und Konzept des Marketing 1.1 Anbieter-Nachfrager-Beziehungen auf Märkten Die Arbeitsteilung, die so viele Vorteile mit sich bringt, ist in ihrem Ursprung nicht etwa das Ergebnis menschlicher Erkenntnis, welche den allgemeinen Wohlstand, zu dem erstere führt, voraussieht und anstrebt. Sie entsteht vielmehr zwangsläufig, wenn auch langsam und schrittweise, aus einer natürlichen Neigung des Menschen, zu handeln und Dinge gegeneinander auszutauschen (Smith 1789).
Der Austausch von Gütern jeglicher Art ist seit der Existenz der Menschheit zu einem prägenden Prinzip geworden. Basare und Wochenmärkte waren im Mittelalter typische Orte für den Güteraustausch. Mit der zunehmenden Arbeitsteilung haben Markttransaktionen weiter an Bedeutung gewonnen. Als Begründer der industriellen Arbeitsteilung bemerkte Adam Smith, dass es wohl in der Natur des Menschen begründet liege, zu handeln und Dinge auszutauschen. Bereits die Philosophen der Antike haben sich mit den Formen und Problemen von Tauschgeschäften auseinandergesetzt. Damit lässt sich die Grundidee des Marketing lange in der Menschheitsgeschichte zurückverfolgen. Die Professionalisierung und wissenschaftliche Durchdringung von Austauschprozessen jeglicher Art markiert den Übergang zum modernen Marketingverständnis. Im Wesentlichen beschäftigt sich das Marketing mit der effizienten und bedürfnisgerechten Gestaltung von Austauschprozessen. Alltäglich findet eine Vielzahl von einfachen und komplexen Austauschprozessen statt. Beginnen wir mit einem einfachen Beispiel auf einem Wochenmarkt: Alle Anbieter bieten ihre Produkte zur gleichen Zeit am gleichen Ort an. Die Angebote unterscheiden sich mehr oder weniger in ihrer Qualität, dem Preis sowie der Art und Weise, wie sie dem Nachfrager präsentiert und erklärt werden. Die Besucher des Wochenmarktes haben bestimmte Wünsche und Vorstellungen. Sie gehen von Anbieter zu Anbieter und vergleichen. Sie sprechen mit den Verkäufern, wissen manche nette Geste zu schätzen und werden aufmerksam, wenn Preisvorteile locken und Qualitätsvorteile lautstark angeboten werden. So manche Kostprobe kann für die Kaufentscheidung dienlich sein. Freundlichkeit und Service des Verkäufers können schließlich den Ausschlag geben, wenn sich die Produkte der einzelnen Anbieter in Preis und Qualität gleichen. Der Nachfrager investiert Zeit und Geld, um schließlich das Produkt zu kaufen, welches seinen Wünschen am ehesten gerecht wird. Der Anbieter benötigt Ressourcen, er investiert in die Produktentwicklung und -herstellung sowie den Vertrieb. Je besser er seine Nachfrager kennt, desto spezifischer kann er seine Kompetenzen auf die Nachfragerwünsche ausrichten. Dies sichert zufriedene Kunden, die jede Woche wieder zu ihm kommen und gewillt sind, den geforderten Preis zu zahlen. An diesem einfachen Beispiel können zwei grundlegende Prinzipien veranschaulicht werden, die das Zustandekommen von Austauschprozessen zwischen den Marktparteien erklären (vgl. Abb. 1):
4
1
Grundlagen des Marketing
Informationen
Nachfrager
Leistungen
Bedürfnisse
Anbieter Leistungen
Geld
Bedürfnisbefriedigung Zufriedenheit Kundennutzen Einkommen Information Zeit
Gratifikationsprinzip Welche Anreize bestehen für die Marktpartner?
Kapazitätsprinzip Welche Ressourcen benötigen die Marktpartner?
Umsatz Gewinn Anbieternutzen Vorprodukte Produktionsprozesse Mitarbeiter & Know-how Finanzielle Mittel
Abb. 1 Einfaches Anbieter-Nachfrager-Modell als Ausgangspunkt
1. Ein Austausch zwischen Anbieter und Nachfrager kommt nur zustande, wenn dieser für beide Parteien vorteilhaft ist. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass in Gratifikationen (Belohnungen, Vermeidung von Bestrafungen) die maßgeblichen Antriebskräfte für das Zustandekommen von Transaktionen liegen. Der Nachfrager wird also nur bei jenem Anbieter kaufen, bei dem er sein Bedürfnis am besten befriedigen kann. Hingegen wird der Anbieter nur verkaufen, wenn er einen hinreichenden Gegenwert bzw. Preis für seine Leistung vom Käufer erhält, um seine Kosten decken und einen Gewinn erwirtschaften zu können. Diese grundlegende Bedingung für das Zustandekommen eines Austausches wird auch als Gratifikationsprinzip bezeichnet. 2. Jegliches Verhalten von Anbieter und Nachfrager unterliegt Begrenzungen. Der Nachfrager verfügt über ein nur begrenztes Einkommen, eine unzureichende Markttransparenz und muss vielfach unter Zeitdruck seinen Einkauf tätigen. Der Anbieter hat für Produktion und Vertrieb i. d. R. nur begrenzte finanzielle, technologische oder natürliche Produktionsressourcen und Informationen zur Verfügung. Die Kapazitäten an finanziellen, technologischen, informationsbezogenen und natürlichen Ressourcen ist also bei beiden Marktpartnern begrenzt. Nun haben beide das Bestreben, mit den knappen Ressourcen einen möglichst hohen Anbieter- bzw. Kundennutzen zu erzielen. Damit wird das Streben nach Austauschprozessen von der jeweiligen Ressourcensituation der Marktparteien bestimmt. Hierdurch ist dem Kapazitäts- bzw. Knappheitsprinzip eine besondere Beachtung bei der Analyse und Gestaltung von Austauschprozessen zu schenken.
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Entwicklung und Konzept des Marketing
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Diese beiden Prinzipien werden auch als zentrale theoretische Leitideen der Marketingwissenschaft bezeichnet (vgl. Silberer 1979; Raffée 1995). Sie besitzen sowohl für Austauschprozesse im kommerziellen als auch im nicht-kommerziellen Bereich ihre Gültigkeit. Vereinfacht lassen sich die Problemstellungen, mit denen sich das Marketing beschäftigt, auf die Analyse der beiden Leitprinzipien und die Beantwortung der hiermit verbundenen Schlüsselfragen zurückführen: Wie lässt sich ein größtmöglicher Nachfrager- und Anbieternutzen durch einen Austauschprozess schaffen? Welche knappen Ressourcen müssen Anbieter und Nachfrager hierfür einbringen? Ihre Entsprechung finden diese beiden Leitprinzipien in der Entwicklung markt- und ressourcenbasierter Ansätze. Der in den 60er Jahren entstandene Market-Based View (MBV) unterstellt, dass ein dauerhafter Unternehmenserfolg zum einen durch die Struktur von Märkten, in denen ein Unternehmen tätig ist, und zum anderen durch das Verhalten des Unternehmens in seinen Märkten determiniert wird. Der MBV basiert auf dem schon in den 30er Jahren entwickelten „structure-conduct-performance“-Paradigma der industrieökonomischen Forschung (vgl. Mason 1939; Bain 1959), welches das Ziel verfolgt, die Profitabilität ganzer Industrien bzw. Branchen zu erklären. Nach Michael Porter, dem bekanntesten Vertreter des MBV, ist ein Unternehmen in der Lage, durch eine geeignete Positionierung in attraktiven Märkten dauerhafte, verteidigungsfähige Wettbewerbsvorteile zu erlangen, um so einen nachhaltigen Unternehmenserfolg zu sichern (vgl. Porter 2000, S. 61 ff.). Attraktive Märkte sind z. B. solche mit geringer Wettbewerbsintensität und hoher Zahlungsbereitschaft der Nachfrager. Zur Beurteilung der Attraktivität von Branchen bzw. Märkten und Marktsegmenten hat Porter sein Konzept der fünf Wettbewerbskräfte (five forces model) entwickelt (vgl. Porter 2008, S. 35 ff.). Allerdings wird diese ausschließlich marktorientierte Sichtweise zur Erklärung des Unternehmenserfolges scharf kritisiert (vgl. Nelson 1991; Rumelt 1991). So wird angeführt, dass der MBV die wechselseitige Beeinflussung von Marktstruktur sowie -verhalten und -erfolg ignoriert und sich das Verhalten von Unternehmen auf ein reines Anpassen an Marktstrukturveränderungen beschränkt (vgl. Proff 1998, S. 31). Die Marktstruktur wird als gegeben interpretiert, obwohl sie von Unternehmen verändert werden kann. Darüber hinaus vernachlässigt der MBV, dass Unternehmen auch deshalb unterschiedliche Erfolgspositionen einnehmen können, weil es Unterschiede bei ihren internen Ressourcen und organisationalen Fähigkeiten gibt. Der MBV unterstellt eine vollständige Homogenität aller Unternehmen einer Branche im Hinblick auf ihre Ausstattung mit Ressourcen und organisationalen Fähigkeiten, weshalb sich die Auseinandersetzung mit den internen Stärken und Schwächen von Unternehmen erübrigt („Black Box-Betrachtung“). Ursprünglich als Gegenkonzept zur marktorientierten Forschungsrichtung entwickelt, gibt der Resource-Based View (RBV) die Betrachtung von Unternehmen als Black Box
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Grundlagen des Marketing
auf (vgl. z. B. Freiling 2001). Auf Basis empirischer Ergebnisse wird argumentiert, dass die klassischen Branchenstrukturvariablen der industrieökonomischen Forschung, auf denen Porter aufbaut, nicht ausreichen, um Unterschiede in der Profitabilität von Unternehmen zu erklären (vgl. Hansen und Wernerfelt 1989; Rumelt 1991). Der RBV bezweifelt insbesondere die Dominanz externer, marktseitiger Faktoren und unterstellt, dass der Erfolg durch interne Stärken und Schwächen determiniert wird, die unternehmensindividuell verschieden sind (vgl. Cool und Schendel 1988; Jacobson 1988; Roquebert et al. 1996). Diese für jedes Unternehmen spezifischen Stärken und Schwächen basieren auf drei aufeinander aufbauenden Komponenten (vgl. Freiling 2004, S. 14 ff.). Ausgangspunkt und erste Komponente sind Inputgüter, die als homogene, grundsätzlich auf Märkten handelbare, unternehmensextern oder -intern erstellte Produktionsfaktoren bezeichnet werden können. Im zweiten Schritt werden die Inputgüter durch interne Veredelungsprozesse zu Ressourcen weiterentwickelt, die einen ersten Beitrag zur Heterogenität von Unternehmen leisten und letztlich dem Aufbau sowie der Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens dienen. Der dritte Schritt zum Aufbau von Stärken bzw. Schwächen eines Unternehmens liegt in der Kombination von Ressourcen zur Erzeugung eines potenziell einzigartigen Nachfragernutzens. Die Durchführung dieses Aktes der Ressourcenkombination ist nur durch Kompetenzen möglich (vgl. Prahalad und Hamel 1990). Es ist offensichtlich, dass sich Nachfrager heute vielfach einem unüberschaubaren Angebot von Gütern und Dienstleistungen gegenübersehen. Täglich werden unzählige Produkte im stationären Einzelhandel oder elektronisch über das Internet angeboten. Damit wird deutlich, dass nicht die Produktionskapazität den Engpassfaktor bildet, sondern der Absatzbereich. Diese für viele Märkte typische Situation wird auch als Käufermarkt bezeichnet. Die Nachfrager können aus einem sehr großen Produkt- und Dienstleistungsangebot wählen, für das sie ihr Einkommen ausgeben können. Somit herrscht ein intensiver Wettbewerb zwischen den Anbietern. Die Nachfrager können frei entscheiden, welche Leistungen ihren Bedürfnissen am besten gerecht werden. In einem Käufermarkt erlangt die Marketingorientierung der Anbieter als „Konzeption zur Bewältigung von Engpässen“ (vgl. Gutenberg 1955; Nieschlag et al. 2002) und als Führungsphilosophie eine besondere Relevanz, um im Wettbewerb mit anderen Anbietern Kunden zu akquirieren und zu binden. Im Vergleich zu den Endverbrauchern, die ihre Einkaufsentscheidung individuell und mehr oder weniger vorbereitet treffen, setzen sich viele Anbieter mit der Gestaltung von Austauschprozessen professionell auseinander.
1.2
Entwicklung des Marketingbegriffes
Die Grundidee des Marketing ist bereits seit vielen Jahrhunderten im Marktgeschehen zu beobachten. Die Entstehung des Begriffes „Marketing“ lässt sich jedoch erst zum Beginn des 20. Jahrhunderts im angloamerikanischen Sprachraum ausmachen. Im Jahr 1906 wurde der Marketingbegriff im wissenschaftlichen Schrifttum von Samuel Sparling in
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Entwicklung und Konzept des Marketing
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seinem Werk „Introduction to Business Organization“ erwähnt (vgl. Sparling 1906). Bald schlossen sich weitere Veröffentlichungen an, und schließlich wurde die traditionsreiche Case-Study-Methode der Harvard Business School erstmals von Melvin Thomas Copeland in seinem Buch „Marketing Problems“ im Jahre 1920 angewendet (vgl. Copeland 1920). 1927 publizierten Maynard, Weidler und Beckman ihr Buch „Principles of Marketing“ mit ersten Strukturierungen der Marketing-Instrumente, die später in die Konzeption des Marketing-Mix einflossen (vgl. Maynard et al. 1927). Kontinuierlich sind weitere Monographien zum Marketing verfasst worden (vgl. z. B. Clark und Clark 1942; McNair und Hansen 1949; Terry 1950; Hansen 1956). Anfang der 60er Jahre definierte Jerome McCarthy den Marketing-Mix als „Systematik aller Marketingaktivitäten“ (vgl. McCarthy 1960). Dies ist auch die Geburtsstunde des „modernen Marketing“, das insbesondere durch Philip Kotler weiter ausgearbeitet wurde. McCarthy und Kotler stellten die konsequente Orientierung aller Unternehmensaktivitäten an den Bedürfnissen und Wünschen der Nachfrager in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen (vgl. McCarthy 1960; Kotler 1967). Erst in den 60er Jahren verbreitete sich der Marketingbegriff im deutschsprachigen Raum und löste den bis dahin geläufigen Begriff „Absatzpolitik“ bzw. „Absatzwirtschaft“ mehr und mehr ab. Allerdings waren bereits Ende des 19. Jahrhunderts umfassende deutsche Monographien zu absatzwirtschaftlichen Instrumenten publiziert worden, ohne den Begriff Absatzpolitik oder Marketing zu verwenden (vgl. Emminghaus 1868; Schär 1911; Seyffert 1914; Gutenberg 1955 sowie der historische Überblick bei Kartte 1993). Die Absatzwirtschaft kennzeichnet eine Form des marktgerichteten Handelns, bei dem es hauptsächlich darauf ankommt, vorhandenen und potenziellen Kunden die bereits gefertigten Güter zu verkaufen und dafür einen adäquaten Preis zu erzielen, der die Gewinnerzielung fördert (vgl. Gutenberg 1955, S. 5; Meffert 1974a; Meissner 1995, S. 786). Mit der zunehmenden Verbreitung des Marketingbegriffes entwickelten sich unterschiedliche Interpretationen des Marketing. Abb. 2 zeigt die Entwicklungsstufen des Marketingbegriffes mit seinen inhaltlichen Schwerpunkten und Erweiterungen im Zeitablauf (vgl. zu Reflexionen über die Entwicklungslinien des Marketing u. a. Hansen und Stauss 1983; Schneider 1983; Raffée 1984; Fullerton 1988; Meffert 1989, 1990, 1995, 1999; Jones und Monieson 1990; Cooke et al. 1992; Webster 1992, 2006; Diller 1995; Sabel 1998; Backhaus 2000; Homburg 2000; Köhler 2002; Meffert und Bongartz 2000). In den 60er Jahren ist das Marketing vor dem Hintergrund der zunehmenden Käufermarktsituation verstärkt als dominante Engpassfunktion erkannt worden. Es wurde in dieser Phase vor allem als eine operative Beeinflussungstechnik verstanden (vgl. McCarthy 1960). Das besondere Interesse galt den Instrumenten des Marketing-Mix und der Implementierung von Marketingabteilungen. Die 70er Jahre lenkten aufgrund der wachsenden Nachfragemacht des Handels („Gatekeeper“) das Interesse verstärkt auf Konzepte des vertikalen Marketing. In diesem Zusammenhang wurden die handelsgerichteten Instrumente des Marketing systematisch ausgebaut. Hinzu kam der Übergang zu einer Langfristorientierung im Marketing (vgl. z. B. Staudt und Taylor 1970; Kollat et al. 1972; Meffert 1974a; Ansoff 1975; Abell 1978;
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Grundlagen des Marketing
Inhaltlicher Fokus des Marketing Digitale Wertschöpfungsorientierung
Digitalisierung
Netzwerkorientierung
Netzwerke
Umweltorientierung
Umwelt
Wettbewerbsorientierung
Wettbewerber
Handelsorientierung
Handel Verbraucher
Verbraucherorientierung Unternehmung
1960’er
1970’er
1980’er
1990’er
2000’er
M Di ark st eti rib ng u fu tio als nk ns t M ion ar En k gp d eti as om ng sf in al un an s kt te io n Fü M hr ar un ke gs tin fu g nk al tio s n St ra te M gis ar ch ke e tin s M g Fü ark hr to un rie m gs nt ul ko ier tio nz tes Be ptio ep t zie na In hu les div ng ve idu sm r n el ar etz les, ke te tin s g
1950’er
2010’er
M Dig ar ita ke le tin s g
Distributionsorientierung
Zeit
Anspruchsspektrum des Marketing
Abb. 2 Entwicklungsstufen des Marketing
Trux und Kirsch 1979). In dieser Phase wurde die strategische Unternehmensplanung noch als eigenständige betriebswirtschaftliche Managementaufgabe aufgefasst, die erst schrittweise Berührungspunkte zu dem sich emanzipierenden Marketing aufwies (vgl. Köhler 1981; Hansen und Stauss 1983). In diesem Kontext beginnt sich das Marketing als Führungsfunktion zu etablieren (vgl. Meffert 1977). In den 80er Jahren stand eine stärkere kompetitive Ausrichtung des Marketing im Vordergrund. Die Marketingwissenschaft beschäftigte sich intensiv mit Wettbewerbsvorteilen und der Positionierung. Unter dem Einfluss der stärkeren Internationalisierung und Globalisierung des Wettbewerbes gewann das sog. „Global-Marketing“ (vgl. Meffert 1980; Meffert und Althans 1982; Levitt 1983; Bonoma 1984; Keegan et al. 2002) besonderes Interesse. Anfang der 90er Jahre beginnt sich das Anspruchsspektrum des Marketing bei zunehmender Orientierung an den rechtlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Rah-
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Entwicklung und Konzept des Marketing
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menbedingungen abermals zu erweitern (vgl. Wiedmann 1993; Meffert und Kirchgeorg 1994, 1998; Kirchgeorg 1995). Konzepte des Nachhaltigkeitsmarketing bzw. Sustainable Marketing, die auf eine integrierte Berücksichtigung von marktbezogenen, sozialen und ökologischen Ansprüchen abstellen, werden in zunehmendem Maße entwickelt (vgl. Balderjahn 2004; Belz und Peattie 2012; Meffert et al. 2014). Die Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien führten nach der Jahrtausendwende wiederum zu neuen Herausforderungen für das Marketing. Es zeichnen sich insbesondere in Netzwerken Entwicklungen ab, die mit Begriffen wie Database-Marketing, Netzwerk-Marketing, interaktives und virtuelles Marketing umschrieben werden können. Speziell das rasante Wachstum sozialer Netzwerke wie z. B. Facebook oder XING sowie die Verbreitung neuartiger Kommunikationsformen wie Twitter konfrontieren das Marketing seither mit gänzlich neuen Fragestellungen. Es bildet sich eine digital-vernetzte Wissensgesellschaft heraus (vgl. Redwitz 2010). Konsumenten entwickeln sich dabei mehr und mehr vom „passiven Abnehmer“ zum aktiven Marktteilnehmer und erhalten durch die neuen Möglichkeiten der Kommunikation und praktisch grenzenlosen Informationsverbreitung eine neue Machtposition. Die zweite Dekade des neuen Jahrtausends ist durch die voranschreitende Digitalisierung von Geschäftsprozessen und den damit einhergehenden disruptiven Veränderungen ganzer Branchenstrukturen gekennzeichnet (vgl. Kollmann 2016). So steht beispielweise die Verlags- und Medienbranche vor neuen Herausforderungen, weil klassische Medienformate wie z. B. Printprodukte in Form von Büchern und Zeitschriften in zunehmendem Maße digitalisiert angeboten werden. Die zunehmende Verfügbarkeit von digitalen Informationen nach dem Prinzip „Anytime & Anywhere & Anyhow“ führt zu grundlegend neuen Wertschöpfungsprozessen (vgl. z. B. Kollmann 2016; Heinemann 2017). Sogenannte Big-Data-Anwendungen bieten dem Marketing neue Möglichkeiten der Datenintegration und der Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen. 3D-Drucker finden zunehmende Verbreitung und eröffnen neue Möglichkeiten der Dezentralisierung von Produktionsprozessen für bestimmte Produktkategorien. Somit ermöglicht die zunehmende Digitalisierung eine individuellere Ansprache wie auch die schnellere Integration von Konsumenten in Leistungserstellungsprozesse. In der Konsumentenverhaltensforschung werden zunehmend neurologische Erkenntnisse integriert, die ein tiefergehendes Verständnis von Kaufentscheidungsprozessen fördern (vgl. u. a. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 18 f.). Problemstellungen der nachhaltigen gesellschaftlichen Zukunftsentwicklung begleiten die wissenschaftliche wie auch praxisbezogene Diskussion des Marketing. Rückblickend haben diese Entwicklungen vier Interpretationen des Marketing geprägt, die sich chronologisch wie folgt aneinanderreihen: 1. 2. 3. 4.
ein instrumentell verkürztes Marketingverständnis, ein klassisches, ökonomisches (enges) Marketingverständnis, ein modernes und erweitertes Marketingverständnis, ein generisches Marketingverständnis.
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1
Grundlagen des Marketing
Das instrumentell verkürzte Marketingverständnis wird durch die Gleichsetzung von Marketing mit Werbung, Verkauf bzw. Distribution repräsentiert. Diese teilweise auch noch heute in der Praxis vorherrschende Sicht verkürzt das Marketing auf ein einzelnes absatzpolitisches Instrument. Dabei wird vernachlässigt, dass die Analyse der Nachfragerbedürfnisse den Ausgangspunkt des Marketing bilden sollte und eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung steht, um Austauschprozesse nachfragergerecht zu gestalten. Dieses Fehlverständnis hat bereits in den 60er und 70er Jahren viel Kritik gegenüber dem Marketing hervorgerufen und seine Akzeptanz in der Praxis sowie in anderen wissenschaftlichen Disziplinen in Mitleidenschaft gezogen (vgl. Packard 1960; Levy und Zaltman 1975; Rust et al. 2010). Die sich etablierende Marketingdisziplin prägte in den 70er Jahren die klassische, ökonomische Interpretation des Marketing. Hier umfasst das Marketing „. . . die Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potenziellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Unternehmensziele verwirklicht werden“ (vgl. Meffert 1974a, S. 8). Marketing besteht demnach aus einem systematischen Entscheidungs- und Gestaltungsprozess, der die Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse bei allen marktgerichteten Unternehmensaktivitäten sicherstellt, um hierüber die Unternehmensziele zu erreichen. Die Bedürfnisbefriedigung der Kunden wird als Mittel zur Erreichung primär ökonomischer Unternehmensziele verstanden. Im Zeitverlauf entwickelte sich eine moderne und erweiterte Interpretation. Das Marketing umfasst hiernach jegliche Form eines Austausches zwischen zwei Parteien, die beide durch den Austauschprozess ihre Bedürfnisse zu befriedigen versuchen. Neben der Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen werden auch die Austauschprozesse zwischen nicht-kommerziellen Organisationen und Individuen in die Betrachtung einbezogen. Dabei haben sich heute vielfältige Formen des sog. nicht-kommerziellen Marketing (z. B. Vermarktung der Leistungen von Parteien, Theatern, Museen) und des Social-Marketing (z. B. Krankenfürsorge, Spendenorganisationen) herausgebildet. Die generische Interpretation des Marketing (Generic Marketing) stellt die weiteste Fassung des Begriffes dar. Hiernach wird Marketing als ein universelles Konzept zur Beschreibung, Erklärung und Beeinflussung von Austauschprozessen und als Sozialtechnik verstanden, die sich auf alle Austauschprozesse zwischen Individuen und Gruppen anwenden lässt (vgl. Kotler 1972, 1992; Nieschlag et al. 2002).
1.3 Merkmale des modernen Marketing Anhand des modernen und erweiterten Marketingverständnisses werden im Folgenden die charakteristischen Merkmale des Marketing vorgestellt. Wie aus Tab. 1 hervorgeht, repräsentiert die Definition der American Marketing Association (AMA) aus dem Jahr 2004 das moderne, erweiterte Marketingverständnis. Sie hat in Wissenschaft und
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Entwicklung und Konzept des Marketing
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Praxis internationale Verbreitung und Anerkennung erfahren. Sie bildet im Folgenden die Grundlage für die Erklärung der spezifischen Merkmale des Marketing.
I AMA Marketingdefinition „Marketing is an organizational function (1) and
a set of processes (2) for creating (3), communicating (4) and delivering (5) value to customers (6) and for managing customer relationships (7) in ways that benefit the organization (8) and its stakeholders (9)“ (vgl. AMA 2004).
Tab. 1 Entwicklung des Begriffsverständnisses des Marketing Autor Sparling 1906
Marketingdefinition
„. . . those commercial processes which are concerned with the distribution of raw materials of production and the finished output of the factory . . . Their function is to give additional value to these commodities through exchange.“ Maynard und „Marketing covers all business activities necessary to effect transBeckman fers in the ownership of goods and to provide for their physical 1946 distribution. It embraces the entire group of services and functions performed in the distribution of merchandise from producer to consumer, excluding only operations relating to changes in the form of goods normally regarded as processing or manufacturing operations.“ Meffert „Marketing ist die Planung, Koordination und Kontrolle aller 1974a auf die aktuellen und potentiellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Unternehmensziele im gesamtwirtschaftlichen Güterversorgungsprozess verwirklicht werden.“ Becker 1998 „Marketing als Führungsphilosophie kann umschrieben werden als die bewusste Führung des gesamten Unternehmens vom Absatzmarkt her, d. h. der Kunde und seine Nutzenansprüche sowie ihre konsequente Erfüllung stehen im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns, um so unter Käufermarkt-Bedingungen Erfolg und Existenz des Unternehmens dauerhaft zu sichern.“ Meffert 2000 „In der klassischen Interpretation bedeutet Marketing die Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potenziellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Unternehmensziele verwirklicht werden.“ AMA 2004 „Marketing is an organizational function and a set of processes for creating, communicating, and delivering value to customers and for managing customer relationships in ways that benefit the organization and its stakeholders.“
Begriffsverständnisa (1)
(1)
(2)
(2–3)
(2–3)
(3)
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Grundlagen des Marketing
Tab. 1 (Fortsetzung) Autor
Marketingdefinition
Begriffsverständnisa (3–4)
Homburg „Marketing hat eine unternehmensinterne und eine unternehmensund Krohmer externe Facette. 2003 a) In unternehmensexterner Hinsicht umfasst Marketing die Konzeption und Durchführung marktbezogener Aktivitäten eines Anbieters gegenüber Nachfragern oder potenziellen Nachfragern seiner Produkte (physische Produkte und/oder Dienstleistungen). Diese marktbezogenen Aktivitäten beinhalten die systematische Informationsgewinnung über Marktgegebenheiten sowie die Gestaltung des Produktangebotes, die Preissetzung, die Kommunikation und den Vertrieb. b) Marketing bedeutet in unternehmensinterner Hinsicht die Schaffung der Voraussetzungen im Unternehmen für die effektive und effiziente Durchführung dieser marktbezogenen Aktivitäten. Dies schließt insbesondere die Führung des gesamten Unternehmens nach der Leitidee der Marktorientierung ein. c) Sowohl die externen als auch internen Ansatzpunkte zielen auf eine im Sinne der Unternehmensziele optimale Gestaltung von Kundenbeziehungen ab.“ AMA 2007 „Marketing is the activity, set of institutions, and processes for crea- (3) (bis heute ting, communicating, delivering, and exchanging offerings that have verwendet) value for customers, clients, partners, and society at large.“ Kotler und „Marketing is a societal process by which individuals and groups (4) Keller 2015 obtain what they need and want through creating, offering, and freely exchanging products and services of value with others.“ a
Die Ziffern geben die Zuordnung zu den Interpretationen des Marketing wieder
Anhand dieser Definition können acht charakteristische Merkmale des modernen Marketingverständnisses hervorgehoben werden: Marketing als duales Führungskonzept (1) C (2) „. . . an organizational function and a set of processes“ Heute wird Marketing als integrierte, marktorientierte Führungskonzeption interpretiert, die sowohl eine funktionsbezogene als auch eine funktionsübergreifende Dimension vereint. In diesem Zusammenhang kann vom Marketing als einem dualen Führungskonzept gesprochen werden (vgl. Meffert 2000, S. 6, 2009, S. 12 f.). Die Dualität kommt durch folgende Merkmale zum Ausdruck (vgl. Abb. 3): Zum einen wird Marketing als Funktion innerhalb der Unternehmensorganisation verstanden, die sich gleichberechtigt neben anderen betriebswirtschaftlichen Grundfunktionen wie z. B. Produktion und Finanzierung einordnet. Dies bedeutet auch, dass innerhalb einer Marketingabteilung spezifische Kompetenzen (z. B. Markenführung, Marktforschung, Kundenbindung etc.) entwickelt werden, die letztlich für die Gestaltung von Austauschprozessen mit den Nachfragern erfolgsentscheidend sind.
1
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Marketing = marktorientierte Unternehmensführung
1.
Marketing als Leitbild des Managements
Konsumenten
Wettbewerber
Gesellschaft ”
Shared Values“
2.
Marketing als gleichberechtigte Unternehmensfunktion
Marketing Ziele Strategien Maßnahmen Kontrolle
Abb. 3 Marketing als duales Führungskonzept
Zum anderen wird mit dem Marketing ein Leitkonzept der Unternehmensführung verbunden. Hiermit ist eine marktorientierte Koordination aller betrieblichen Funktionsbereiche gemeint. Jeder Mitarbeiter soll ein Bewusstsein für den Stellenwert des Nachfragers und seinen Beitrag zum Nachfragernutzen im Sinne von „shared values“ entwickeln. Das gesamte Unternehmen ist auf die Bedürfnisse aktueller und potenzieller Kunden auszurichten. Hierfür sind funktionsübergreifende Prozesse (z. B. Produktentwicklungs-, Qualitäts-, Beschwerdemanagement etc.) zu definieren, in denen Entscheidungsträger des Marketing markt- und kundenorientierte Informationen sowie Marketingkenntnisse mit Verantwortlichen aus anderen Unternehmensfunktionen teilen. Aus dem Koordinationserfordernis wird ersichtlich, dass die Markt- und Kundenorientierung von der Unternehmensführung unterstützt und vorgelebt werden muss. In der leicht veränderten Definition der AMA aus dem Jahr 2007 (siehe Tab. 1) wird dem Querschnittscharakter noch mehr Bedeutung zugeschrieben, da anstelle des Funktionsbezuges der Aktivitäts- und Prozessbezug des Marketing betont wird. Eine im Jahr 2006 und 2012 durchgeführte Studie der Wissenschaftlichen Gesellschaft für marktorientierte Unternehmensführung e. V. (vgl. Abb. 4) bestätigt, dass sich das Verständnis des Marketing in der Wissenschaft von einer operativen Beeinflussungstechnik (Marketing-Mix-Instrumente) immer mehr zu einer funktionsübergreifenden, marktorientierten Führungskonzeption entwickelt hat, die dem modernen, erweiterten Marketingverständnis entspricht. In der Unternehmenspraxis zeigt sich hingegen ein weitaus diffe-
14
1 Wissenschaft
Unternehmenspraxis
(2006: n = 81)
(2006: n = 177)
(2012: n = 201)
(2012: n = 266)
Marketing als Führungsphilosophie
Marketing als gleichberechtigte Funktion Marketing als verkaufsunterstützendes Instrument
Grundlagen des Marketing
78,9
60,1
92,0
36,0
46,8
61,3
51,0
54,0
9,1
68,8
9,0
61,0
Angaben in %
Abb. 4 Verständnis des Marketing in Wissenschaft und Unternehmenspraxis (Quelle: Meffert und Sepehr 2012, S. 15)
renzierteres Bild. Dem Marketing wird immer weniger eine Führungsfunktion zuerkannt, während die Mehrheit der Unternehmen allerdings den instrumentellen Charakter betont. Im Vergleich zu früheren Erhebungen Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts hat der instrumentale Charakter des Marketing damit tendenziell zugenommen. Die Beschränkung des Marketing auf ein verkaufsunterstützendes Instrument wird dem dualen Führungsanspruch des Marketing nicht gerecht und birgt die Gefahr, dass die Marketingorientierung nur operativ, nicht aber strategisch im Unternehmen und der Unternehmenskultur verankert ist. Informations- und Aktionsorientierung (3) C (4) C (5) „. . . for creating, communicating and delivering . . . “ Als Schnittstelle zwischen Markt und Unternehmen erstrecken sich die Aufgaben und Prozesse des Marketing auf alle sequenziell angeordneten Aktivitäten, die einen Kundennutzen generieren, kommunizieren und vertreiben. Solche Prozesse bestehen aus einzelnen Aktivitäten, die in einem sachlogischen und zeitlichen Zusammenhang stehen und auf die Generierung des Kundennutzens abstellen (vgl. Hollensen 2003, S. 21 f.; Kirchgeorg 2005, S. 702). An der Schnittstelle zu aktuellen und potenziellen Kunden bezieht sich das Marketing auf markt- sowie unternehmensgerichtete Prozesse und Aufgaben: Marktgerichtete Prozesse beinhalten die Konzeption, Durchführung und Kontrolle aller auf die Nachfrager ausgerichteten Marketingaktivitäten (z. B. Marktforschung, Gestaltung des Produktangebotes, Preisfestlegung, Vertrieb und Kommunikation). Hierzu
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gehören auch alle Aktivitäten, die z. B. die Abstimmung eines Herstellers mit den Handelsunternehmen betreffen, damit die Produkte für die Nachfrager am richtigen Ort und zur richtigen Zeit verfügbar sind. Die außen- bzw. marktgerichteten Prozesse bewirken im weitesten Sinne eine Nachfragesteuerung. Ausgehend von verschiedenen Nachfragekonstellationen lassen sich dabei bspw. folgende Marketingaufgaben präzisieren: – bei vorhandener Nachfrage: Bedarf decken, – bei fehlender Nachfrage: Bedarf schaffen, – bei latenter Nachfrage: Bedarf entwickeln, – bei stockender Nachfrage: Bedarf beleben, – bei schwankender Nachfrage: Bedarf mit dem Angebot synchronisieren, – bei übersteigender Nachfrage: Bedarf reduzieren. Daraus folgt, dass die marktbezogenen Aufgaben nicht nur auf das Erkennen und die Befriedigung vorhandener Bedürfnisse ausgerichtet sind. Vielmehr geht es auch um die systematische Bedarfs- bzw. Verhaltensbeeinflussung der Nachfrager. In einigen Fällen kann auch die Bedarfsreduzierung im Mittelpunkt stehen. Beispiele hierfür stellen Marketingkonzepte gegen das Rauchen oder den Alkoholkonsum dar (vgl. Kotler und Levy 1969). Um die Leitidee der marktorientierten Führungsphilosophie intern zu verankern und um eine effektive und effiziente Durchführung der marktbezogenen Aktivitäten zu initiieren und zu koordinieren, sind innen- bzw. unternehmensgerichtete Prozesse notwendig (vgl. Homburg und Krohmer 2009). Die Koordinationsaufgabe des Marketing innerhalb des Unternehmens erstreckt sich zum einen auf eine Abstimmung der Marketingaktivitäten mit den Forschungs- und Entwicklungsstrategien, den Produktions- und Lagerhaltungsstrategien sowie den Einkaufs- und Finanzierungsstrategien. Zum anderen sind vor allem die Marketinginstrumente innerhalb des Unternehmens in sachlicher und zeitlicher Hinsicht zu koordinieren. Aus dem Koordinationserfordernis aller nachfrager- und marktrelevanten Ressourcen und Fähigkeiten wird ersichtlich, dass Marketing als Führungsphilosophie im Unternehmen verstanden werden muss. Die alleinige Verankerung des Marketing als Unternehmensfunktion wird diesem Anspruch nicht gerecht. Kundennutzenorientierung (6) „. . . value to customers . . . “ Durch die außen- und innengerichtete Umsetzung des Marketing soll ein einzigartiger Kundennutzen generiert werden. Gemäß dem Gratifikationsprinzip werden Kunden nur dann ein Produkt bzw. eine Dienstleistung eines Anbieters erwerben, wenn sie dabei einen Nutzen erzielen. Nutzen kann allgemein als Grad der Bedürfnisbefriedigung definiert werden, der durch den Erwerb eines Gutes beim Kunden erzeugt wird (vgl. Balderjahn 1995, S. 186). Je besser die Kundenbedürfnisse erfüllt werden, umso zufriedener werden die Kunden sein. Die Erzeugung eines Kundennutzens setzt also zunächst ein Verständnis der Kundenbedürfnisse voraus, die damit einen zentralen Referenzpunkt für das Marketing bilden. Beim Kauf ei-
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ner Leistung muss der Kunde einen Preis zahlen sowie vielfach Zeit und andere Mühen auf sich nehmen. Der erwartete (Brutto-)Nutzen des Produktes muss somit die mit dem Erwerb verbundenen Kosten, zeitlichen Belastungen und Mühen übersteigen. Damit ist letztlich der Saldo aus erwartetem Produktnutzen und Kosten für die Kaufentscheidung relevant. Dieser Saldo wird als Netto-Nutzen bezeichnet. Ein Anreiz für eine Transaktion besteht beim Käufer also nur dann, wenn sein Netto-Nutzen größer Null ist (vgl. Backhaus und Schneider 2009, S. 22 ff.). Beziehungsorientierung (7) „. . . for managing customer relationships . . . “ Während ursprünglich zunächst einzelne Transaktionen im Mittelpunkt des Marketing standen, stellt das moderne Marketingverständnis auf die Gestaltung längerfristiger Beziehungen zwischen Nachfrager und Anbieter ab. Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde eine verstärkte Auseinandersetzung mit dem sog. Relationship-Marketing in Wissenschaft und Praxis deutlich (vgl. z. B. Berry 1983; Czepiel 1990; Grönroos 1990; Backhaus und Diller 1993; Bruhn 2013). Da im traditionellen Marketingansatz die Aktivitäten auf die Bedürfnisbefriedigung durch Kundentransaktionen ausgerichtet waren, wurde zunehmend kritisiert, dass dieser Marketingansatz den Sachverhalt vernachlässigt, dass Kunden nach dem Kauf weiterhin gebunden und zum Wiederkauf angeregt werden sollen. Zunehmende Sättigungserscheinungen auf Märkten führten auch zu dem Phänomen, dass das Marktpotenzial weitgehend ausgeschöpft war und damit die Bedeutung der Kundenbindung gegenüber der Neukundengewinnung stieg. Vergleiche zwischen den Kosten einer Neukundenakquisition und der Bindung eines bestehenden Kunden haben in vielen Fällen bestätigt, dass es günstiger ist, einen Kunden zu halten als einen neuen Kunden zu gewinnen. Das moderne Marketingverständis integriert die Beziehungsorientierung als definitorischen Bestandteil. Der Übergang vom transaktions- zum beziehungsorientierten Marketing führte dabei zu einer Reihe grundlegender Konsequenzen: Die Profitabilität eines Kunden wird nicht mehr dadurch bestimmt, wie viel Gewinn mit dem Kunden bei einer Transaktion erzielt wird. Vielmehr ist das zu realisierende Gewinnpotenzial über den gesamten Beziehungszyklus zu betrachten. In diesem Zusammenhang wird auch vom Kundenlebenszeitwert (Customer Lifetime Value) gesprochen (vgl. z. B. Krafft 2007). Die Marketingziele, -strategien und -maßnahmen sind danach zu differenzieren, in welchem Beziehungsstatus sich ein Kunde befindet. Dabei sind im beziehungsorientierten Ansatz des Marketing einzelne Beziehungsphasen zu unterscheiden, für die kundengerichtete Marketingmaßnahmen geplant und umgesetzt werden. Dies hat dazu geführt, dass spezifische Marketinginstrumente zur Kundenbindung und Kundenrückgewinnung entwickelt wurden. Gleichzeitig haben beziehungsorientierte Erklärungsansätze sowie Netzwerkansätze im Marketing an Bedeutung gewonnen. Wertorientierung (8) „. . . in ways that benefit the organisation . . . “ Das Marketing soll einen Beitrag zum finanziellen Unternehmenserfolg leisten, d. h. die Orientierung an den Kundenbedürfnissen und die Schaffung eines Netto-Nutzen-Vorteils erfolgt nicht aus
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Altruismus, sondern aus der Erkenntnis heraus, dass hiermit finanzielle Unternehmensziele wie Umsatzerhöhung, Gewinn- oder Renditeerzielung besser zu erreichen sind, als wenn dem Marketing nur ein geringer Stellenwert beigemessen wird (vgl. z. B. Meffert 1971). Dies hat letztlich zur Folge, dass die Marketingaktivitäten eines Unternehmens an den jeweiligen Unternehmenszielen auszurichten sind und auch die Unternehmensziele maßgeblich durch die Marketingaktivitäten beeinflusst werden können. Schließlich wird ohne Kunden kein Umsatz erzielt, weshalb der Kundenstamm eines Unternehmens die Quelle der Gewinnerzielung darstellt. Stakeholderorientierung (9) „. . . and its stakeholders“ Nach der AMA-Definition sind die Wirkungen des Marketing nicht nur in der Erzielung eines Nachfrager- und Anbieternutzens zu sehen. Vielmehr sind auch die Auswirkungen gegenüber jenen Personen einzubeziehen, die neben Anbieter und Nachfrager durch die Geschäftstätigkeit im weitesten Sinne betroffen sein können. Hierzu zählen vielfältige Anspruchsgruppen (Stakeholder), z. B. die Aktionäre, Bürger, Umweltschutzverbände, Journalisten oder auch staatliche Institutionen. Letztlich manifestiert sich die für alle Stakeholder geschaffene Wertschöpfung im sogenannten Stakeholder Value. Im Jahr 2007 verweist die AMA über den Stakeholderbezug hinaus auf die Berücksichtigung der gesamtgesellschaftlichen Wirkungen des Marketing (siehe Definition in Tab. 1), welche jedoch im Folgenden über den Stakeholderbezug erfasst werden sollen. Damit wird im modernen, erweiterten Marketingverständnis die markt- und unternehmenszentrierte Perspektive um jene Aufgaben erweitert, die die gesellschaftliche Verantwortung eines Anbieters dokumentieren und die notwendig sind, um die Legitimität aller relevanten Anspruchsgruppen zu erlangen bzw. zu erhalten. Die hierfür notwendigen gesellschafts- und umweltbezogenen Analysen und Aufgaben sind im Marketing zu berücksichtigen (vgl. Kotler 2011; Meffert et al. 2014). Die vorgestellten Merkmale kennzeichnen das moderne, erweiterte Marketingverständnis, das diesem Lehrbuch zugrunde liegt.
1.4
Merkmale des modernen Marketingmanagements
Die Aufgaben des modernen, erweiterten Marketing werden in einem systematisch strukturierten Prozess geplant, umgesetzt und kontrolliert. Dieser Sachverhalt wird durch den Begriff des Marketingmanagements gekennzeichnet. Hierzu lassen sich zwei Perspektiven einnehmen, die zum einen in der Kundenperspektive und zum anderen in der Leistungsperspektive zu finden sind (vgl. Abb. 5). Bei einer systematischen Analyse der Definitionen zum Marketingmanagement wird deutlich, dass hierbei die Aufgaben des Marketing in einen systematischen Planungs-, Durchführungs- und Kontrollprozess eingeordnet werden. Vor diesem Hintergrund präzisiert Abb. 6 die Aufgaben im Rahmen eines Marketingmanagementprozesses. Dieser Prozess vermittelt dem Marketingentscheider wichtige Hilfestellungen für eine systematische Herangehensweise bei der Erstellung und Umsetzung einer Marketingkonzeption (vgl. Meffert 1994b).
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zukünftige Kunden
Kundenakquisition
Kundenbindung
neue Leistungen
Leistungsinnovation
Leistungspflege
Grundlagen des Marketing
aktuelle Kunden
bestehende Leistungen
Abb. 5 Vier Kernaufgaben des Marketing Makroumwelt Nachfrager
Märkte Anbieter
Konkurrenz
1
Situationsanalyse
2
Marketingziele
Analyse
Strategische Marketingplanung
3
Marketingstrategie
4
Marketinginstrumente
Produkt
Preis
Distribution
Kommunikation
5
Marketingimplementierung
6
Marketingcontrolling Die im grauen Feld gekennzeichneten Stufen bilden die Elemente einer Marketingkonzeption
Abb. 6 Aufgaben des Marketing als Managementprozess
Operative Marketingplanung
Realisation
Erfassung und Rückkopplung der Erfolgswirkungen
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Entwicklung und Konzept des Marketing
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I Marketingmanagement Sämtliche Aufgaben und Aktivitäten des Marketing
können zusammenfassend als ein eindeutig identifizierbarer Prozess der Willensbildung und Willensdurchsetzung gekennzeichnet werden. Das Marketingmanagement umfasst folgende rückgekoppelte Aufgaben: (1) Situationsanalyse, (2) Definition der Marketingziele, (3) Zielorientierte Ableitung der Marketingstrategie, (4) Festlegung der strategieadäquaten Marketinginstrumente, (5) Gestaltung der Marketingorganisation zur Implementierung des Marketing-Mix und (6) Marketingcontrolling zur Erfassung der Erfolgswirkung und Initiierung eines Rückkopplungsprozesses mit allen Planungsstufen und Verantwortlichen.
Die Aufgaben im Rahmen dieses Marketingmanagementprozesses können wie folgt näher beschrieben werden. 1. Die Situationsanalyse bildet den Ausgangspunkt des Marketingmanagements. Hierbei geht es im Wesentlichen darum, relevante Informationen über die unternehmensexterne sowie -interne Ausgangssituation zu erlangen, um strategische und operative Marketingentscheidungen zu fundieren. Die wesentlichen Umfeld- und Marktbedingungen sowie die Verhaltensweisen der Marktteilnehmer und relevanter Stakeholder sind zu erfassen. Aufgrund der sich zum Teil rasant verändernden Marktbedingungen spielen Prognosen im Rahmen der Situationsanalyse eine besondere Rolle. Es geht dabei insbesondere um Trends im Nachfragerverhalten, im Konkurrenzverhalten, in der Umwelt sowie die Vorhersage von Markt- und Absatzentwicklungen. Die sich hieraus ergebenden externen Chancen und Risiken sind den Stärken und Schwächen des Unternehmens in systematischer Art und Weise gegenüberzustellen. Hierfür steht ein umfassendes Set von Theorien, Modellen und Methoden aus der Käuferverhaltens- und Marketingforschung sowie der strategischen Marketingplanung zur Verfügung. Mithilfe der Situationsanalyse und der hierfür eingesetzten Methoden gilt es, die Ausgangsfrage zu beantworten: Wo stehen wir? 2. In einem zweiten Schritt sind die langfristigen Marketingziele festzulegen. Marketingziele kennzeichnen die im Marketingbereich gesetzten Imperative (Vorzugszustände), die es durch den Einsatz von Marketinginstrumenten zu erreichen gilt. Die Marketingziele erfüllen im Marketingmanagement eine wichtige Steuerungs-, Motivations- und Kontrollfunktion. Nur wenn Ziele klar definiert werden, können die Marketingmaßnahmen hinsichtlich ihrer Zielerreichung kontrolliert werden. Bei der Festlegung der Marketingziele sind die übergeordneten Unternehmensziele zu berücksichtigen. Ein besonderes Problem der Zielplanung stellt der Sachverhalt dar, dass Unternehmen nicht nur Gewinnziele anstreben. Vielmehr gibt es verschiedene Marketingziele, die in ein Zielsystem einzuordnen sind. Als Besonderheit des Marketing gilt es, neben ökonomischen Zielen (z. B. Rendite, Gewinn, Umsatz, Deckungsbeitrag) sog. vorökonomische bzw. psychographische Ziele zu formulieren.
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Grundlagen des Marketing
Marketingmaßnahmen sollen eine Beeinflussung bzw. Änderung des Nachfrageverhaltens bewirken. Voraussetzung hierfür ist die Erzielung einer psychischen Wirkung beim Nachfrager. Neben ökonomischen und psychographischen Zielen sind auch soziale und ökologische Ziele im Marketingzielsystem zu berücksichtigen, um den Forderungen vielfältiger Anspruchsgruppen zu entsprechen. Weltweit stehen Unternehmen in zunehmendem Maße in der Verantwortung, einen Beitrag zur Lösung von sozialen und ökologischen Problemen zu leisten. Die Weichenstellungen hierfür werden bereits bei der Festlegung von Marketingzielen gelegt. Zusammenfassend ist in dieser Phase des Marketingmanagementprozesses somit die Frage zu beantworten: Was wollen wir erreichen? 3. Auf der Grundlage der festgelegten Marketingziele sind Marketingstrategien abzuleiten. Eine Marketingstrategie kann als ein bedingter, langfristiger, globaler Verhaltensplan zur Erreichung der Marketingziele charakterisiert werden. Marketingstrategien geben damit den Handlungsrahmen vor, der durch die Marketinginstrumente ausgefüllt wird. Im Mittelpunkt steht dabei die Auswahl der Märkte und Marktsegmente, die Entscheidung über die Marktbearbeitungsstrategie, Akzente bei der Programmgestaltung und beim Einsatz der Marketinginstrumente sowie die grundlegenden Verhaltensweisen gegenüber Wettbewerbern, dem Handel und den Anspruchsgruppen. In dieser Phase des strategischen Marketing wird somit das Konzept für das eigene unternehmerische Verhalten im Markt festgelegt. Hierbei ist die Schlüsselfrage zu beantworten: Welche grundlegenden Stoßrichtungen sind bei der Marktwahl und -bearbeitung zu verfolgen? 4. Das strategische Marketing bildet den Rahmen für die operative Marketingplanung, in der die Marketinginstrumente festzulegen sind. Ausgehend von operationalen Subzielen ist der Marketing-Mix zu konzipieren. Traditionell umfasst der Marketing-Mix nach dem Ansatz der „4 Ps“ die folgenden Instrumentebereiche: Product: Leistungs- und Programmpolitik Price: Preis- und Konditionenpolitik Place: Distributionspolitik Promotion: Kommunikationspolitik. In den letzten Jahren war teilweise eine Erweiterung auf über 30 Marketinginstrumente zu beobachten, wenngleich im modernen Marketingverständnis für Konsumgüter die Unterteilung in 4 Ps immer noch vorherrscht. Im Dienstleistungsmarketing wird nach dem 7-P-Ansatz die zusätzliche Interpretation folgender drei Instrumente in den Marketing-Mix diskutiert (vgl. Meffert et al. 2015): People: Dienstleistungspersonal Processes: Dienstleistungserstellungsprozess Physical Facilities: Physisch fassbare Leistungspotenziale des Anbieters (z. B. Gebäude, Warteräume etc.). Im Rahmen der operativen Marketingplanung steht somit die Beantwortung der Frage im Vordergrund: Welche Marketingmaßnahmen ergreifen wir?
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5. Für die geplanten Marketingmaßnahmen ist in einem weiteren Schritt deren zielgerichtete Realisierung und Durchsetzung sicherzustellen (vgl. Köhler 2000). Für diese Implementierung sind Überlegungen hinsichtlich einer effizienten Aufbau- und Ablauforganisation zu treffen und entsprechende Verantwortlichkeiten, Führungskonzepte und Budgets zu definieren. Eine besondere Schwierigkeit stellt dabei der Sachverhalt dar, dass Wissen über Nachfragerbedürfnisse und Marktverhältnisse einer Vielzahl von Unternehmensfunktionen zur Verfügung gestellt werden muss. Allein die Einrichtung einer Marketingabteilung wird dieser Anforderung nicht gerecht, wenn nicht funktionsübergreifende Prozesse definiert werden (z. B. für die Produktentwicklung), die eine Abstimmung aller nachfrager- und marktorientierten Unternehmensaktivitäten sicherstellen. Somit stehen im Rahmen der Marketingimplementierung die Fragen im Vordergrund: Wer bzw. welche Abteilung soll für die Umsetzung welcher Marketingaktivitäten verantwortlich sein? Welche abteilungsübergreifenden Prozesse sind notwendig, um im Unternehmen alle marktbezogenen Aktivitäten zielgerichtet abzustimmen? 6. Die Phase des Marketingcontrollings bildet den Abschluss des Marketingmanagementprozesses. Hier sind die Erfolgswirkungen im Sinne von Zielerreichungsgraden der umgesetzten Marketingmaßnahmen zu erfassen und ggf. Anpassungen in allen Phasen des Planungsprozesses vorzunehmen, um die Zielerreichung zu verbessern. Hierzu sollte ein Marketing-Informationssystem entwickelt werden, in dem die entscheidungsrelevanten Informationen bereitgestellt werden. Im Rahmen eines Rückkopplungsprozesses sind die Fragen zu beantworten: Haben wir unser Ziel erreicht? Welche Ursachen erklären Soll-Ist-Abweichungen? Welche Ziel-, Strategie- und Maßnahmenanpassungen sind notwendig? Wie in Abb. 6 dargestellt, ist der Marketingmanagementprozess nicht als linearer Planungs- und Entscheidungsprozess zu verstehen. Vielfältige Rückkopplungsprozesse können zwischen den einzelnen Stufen bestehen. Schließlich wird mit dem Marketingcontrolling dem Sachverhalt Rechnung getragen, dass ein kontinuierlicher Soll-Ist-Vergleich der durchgeführten Aktivitäten mit den festgelegten Marketingzielen erfolgt und hierüber notwendige Veränderungen auf allen Stufen des Managementprozesses initiiert werden können. Der Marketingmanagementprozess basiert auf dem Grundgedanken eines hierarchischen Planungsansatzes mit entsprechenden Rückkopplungsschleifen. Die Vorteile dieser Vorgehensweise liegen in folgenden Punkten begründet (vgl. Hollensen 2003, S. 7 ff.): Es wird explizit der Zusammenhang zwischen Zielen und Strategien betont, sodass eine ziel- und erfolgsorientierte Planung der Marketingaktivitäten sichergestellt wird. Der Konkretisierungsgrad der Marketingplanung nimmt im Rahmen des Managementprozesses sukzessiv zu. Marketingstrategien werden mit konkreten Maßnahmen hinterlegt. Dies erleichtert die Implementierung einer Marketingkonzeption.
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Grundlagen des Marketing
Weiterhin fördert der hierarchische Ansatz des Marketingmanagements die Einbindung unterschiedlicher Managementebenen und Unternehmensfunktionen. Während die Marketingziele und -strategien auf der Top-Managementebene mit den Unternehmenszielen und -strategien abzustimmen sind, sind bei der Planung und Umsetzung konkreter Marketinginstrumente Führungskräfte im Marketing sowie aus anderen Unternehmensfunktionen einzubinden. Dieses Vorgehen erfordert die Koordination innerhalb des Unternehmens. Wenngleich es eine Rückkopplung zwischen den einzelnen Stufen des Managementprozesses gibt, birgt der stark hierarchisch geprägte Ansatz jedoch auch Nachteile in sich: Es besteht die Gefahr, dass das systematische Durchlaufen des Planungsprozesses zu einem technokratischen Verhalten führt, wodurch die Flexibilität, auf Markt- und Umweltveränderungen adäquat zu reagieren, beeinträchtigt werden kann. Unsicherheit besteht vielfach darin, wann der gesamte Planungsprozess durchlaufen werden sollte und ob zur Änderung einzelner Marketingmaßnahmen (z. B. Durchführung von Preispromotions) die kompletten Stufen des Managementprozesses betrachtet werden müssen. Die Kritikpunkte sind grundsätzlich berechtigt, lassen sich jedoch durch eine entsprechende Gestaltung der Marketingorganisation auffangen. Dabei gilt es agile Planungsphilosophien und flexible Rückkopplungsschleifen zwischen allen Stufen des Managementprozesses zu berücksichtigen. Insgesamt orientiert sich die Grundstruktur des Lehrbuchs an dem in Abb. 6 vorgestellten Marketingmanagementprozess.
1.5 Institutionelle Besonderheiten des Marketingmanagements Während die grundsätzlichen Planungsstufen des Marketingmanagements einen generischen Charakter haben, weisen die Austauschprozesse unterschiedlicher Güterarten und Institutionen spezifische Besonderheiten auf, die es bei der Ausgestaltung einer Marketingkonzeption einzubeziehen gilt. In der Marketingwissenschaft erfolgte deshalb eine besondere Auseinandersetzung mit den Handlungsimplikationen, die aus den spezifischen Charakteristika der Austauschobjekte oder der Marktpartner resultieren. So lassen sich neben dem Konsumgütermarketing die folgenden zentralen institutionellen Ansätze des kommerziellen Marketing unterscheiden: 1. Investitionsgütermarketing 2. Dienstleistungsmarketing Die Besonderheiten dieser institutionellen Ausprägungen werden im Überblick dargestellt. Für eine vertiefende Betrachtung sei auf die jeweilige Literatur zu den institutionellen Marketingansätzen verwiesen.
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Entwicklung und Konzept des Marketing
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1.5.1 Investitionsgütermarketing Wie im Konsumgütermarketing steht auch im Investitionsgütermarketing die Analyse und Gestaltung von Austauschprozessen mit Sachgütern im Mittelpunkt. Die wesentlichen Unterschiede des Investitionsgütermarketing zum Konsumgütermarketing liegen zunächst in der Charakteristik der Nachfrager begründet (vgl. Backhaus und Voeth 2014). Nachfrager von Konsumgütern sind Einzelpersonen oder privaten Haushalten, die Verbrauchsgüter für den einmaligen Verbrauch (z. B. Lebensmittel) oder Gebrauchsgüter für eine mehrmalige Verwendung (z. B. Möbel, Automobil) kaufen. Verbrauchsgüter werden vielfach in kurzen Wiederkaufszyklen erneut erworben. Die englische Bezeichnung dieser Produkte als „Fast Moving Consumer Goods“ (FMCG) hat sich in der Praxis etabliert. Der Erwerb von Konsumgütern gilt der Befriedigung des persönlichen Bedarfes von Konsumenten. Konsumgüter werden über Handelsunternehmen oder von Herstellern direkt an den privaten Nachfrager vertrieben und vielfach besteht angesichts der großen Zahl der Nachfrager kein persönlicher Kontakt zum Anbieter. In der frühen Entwicklungsphase des Marketing stand die Betrachtung von Austauschprozessen auf Konsumgütermärkten zunächst im Mittelpunkt. Im Vergleich zum Konsumgütermarketing beschäftigt sich das Investitionsgütermarketing mit Leistungen, die nicht von Haushalten bzw. privaten Personen sondern von Organisationen beschafft werden. Hierbei handelt es sich z. B. um Maschinen, Produktionsanlagen oder Betriebsmittel. Als Investitionsgüter werden also Leistungen bezeichnet: . . . die von Organisationen beschafft werden, um weitere Leistungen zu erstellen, die nicht in der Distribution an Letztkonsumenten bestehen. Industriegüter lassen sich somit nicht anhand technischer Merkmale beschreiben, vielmehr bestimmt die Zielgruppe (Letztkonsument oder Organisation als Nachfrager), wo der Vermarktungsprozess auf Konsumgüter- oder Investitionsgüter stattfindet (Engelhardt und Günter 1981, S. 24).
Damit besteht der Hauptunterschied zwischen Investitions- und Konsumgütern darin, dass als Nachfrager keine Letztkonsumenten, sondern Organisationen wie z. B. Industrieunternehmen, öffentliche Verwaltungen oder Außenhandelsorganisationen auftreten. Diese Tatsache stellt das zentrale Kriterium für die Abgrenzung des Investitionsgüterbegriffes dar. Zusätzlich lässt sich feststellen, dass die Komplexität der Leistungen und Kaufentscheidungen sowie der Transaktionswert bei Investitionsgütern im Allgemeinen höher als bei Konsumgütern sind. Investitions- und Konsumgütermärkte besitzen jeweils eigene Marktcharakteristika, die eine Übertragung der Erkenntnisse aus dem Konsumgüter- auf das Investitionsgütermarketing nur eingeschränkt erlauben. Die Besonderheiten betreffen die Nachfragerseite, die Anbieterseite und deren Marktbeziehungen (vgl. Engelhardt und Witte 1990; Plinke 1992; Backhaus und Voeth 2014). Auf der Nachfragerseite lassen sich vor allem Besonderheiten ausmachen, die damit zusammenhängen, dass die Nachfrager keine Letztkonsumenten, sondern Organisationen sind:
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Grundlagen des Marketing
Ein zentrales Merkmal des Investitionsgütermarketing besteht darin, dass die Nachfrage nach Investitionsgütern keine originäre, sondern eine abgeleitete (derivative) Nachfrage ist, die sich aus der Nachfrage nach Leistungen, die mithilfe der Investitionsgüter erstellt werden, ergibt. Kundenbedarfsanalysen sollten demnach unter Einbeziehung mehrerer Absatzstufen erfolgen. Bei den Nachfragern von Investitionsgütern handelt es sich um Organisationen, in denen professionelle Einkäufer oder Personengruppen (Buying Center) dem Anbieter gegenüberstehen. Die Kaufentscheidungen kommen somit i. d. R. unter Einbeziehung mehrerer Personen oder sogar mehrerer Organisationen zustande. Organisationale Beschaffungsprozesse erstrecken sich oftmals über einen langen Zeitraum und besitzen einen ausgeprägten Phasenbezug (von der ersten Kenntniserlangung eines Bedarfs bis zum Kaufabschluss). Kaufprozesse im Investitionsgüterbereich können unterschiedlich komplex und intensiv sein. Während einerseits routinierte Kaufprozesse zu beobachten sind (z. B. Einkauf von Bürobedarf), existieren andererseits hochkomplexe Problemlösungen (z. B. Kauf eines Kraftwerks), bei denen in mehrjährigen Interaktionsprozessen alle Leistungs- und Gegenleistungsparameter ausgehandelt werden müssen. Die hohe Komplexität des gesamten Investitionsproblems erfordert einen formalisierten Kaufentscheidungsprozess. Als Konsequenz daraus erfolgt die Auftragsvergabe oftmals auf dem Wege einer Ausschreibung. Häufig existieren auch Beschaffungsrichtlinien, die im Einzelnen regeln, welche Abteilungen bei Investitionsprojekten einzuschalten sind, wem die letzte Entscheidung vorbehalten bleibt oder welche Beurteilungs- und Bewertungsmethoden heranzuziehen sind. In vielen Fällen besteht ein umfangreicher Problemlösungsbedarf der beschaffenden Organisation. Dieser kann weit über die eigentliche technische Problemlösung hinausgehen und sich z. B. auf Dienstleistungen wie die Auftragsfinanzierung, die übergeordnete Projektabwicklung oder das dauerhafte Betreiben einer Anlage erstrecken. Auch auf der Anbieterseite unterscheidet sich der Investitions- vom Konsumgütermarkt durch einige Besonderheiten: Ein entscheidendes Charakteristikum für die Anbieterseite besteht darin, dass sich das Angebot im Investitionsgüterbereich im Gegensatz zum Konsumgüterbereich überwiegend nicht an den anonymen Markt richtet, sondern dass die gesamten Marketinganstrengungen auf ausgewählte Nachfrager fokussiert werden. Eine weitere Besonderheit des Anbieterverhaltens wird in der herausragenden Bedeutung des persönlichen Verkaufs gesehen. In Analogie zum Buying Center auf der Anbieterseite existiert im Verkaufsbereich der Anbieter oftmals ein Selling Center. Darin können mehrere Verkaufsrepräsentanten eines anbietenden Unternehmens zusammengefasst werden. Das Selling Center kann sich aber auch aus Vertretern unterschiedlicher Unternehmen zusammensetzen.
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Der Umfang und die Komplexität der einzelnen Projekte sowie das oft hoch spezialisierte Know-how der Anbieter sind der Grund dafür, dass im Investitionsgütermarketing Kooperationen von Komplementäranbietern und z. T. auch von Konkurrenten eine große Rolle spielen. Investitionsgüter sind oft durch einen hohen Individualisierungsgrad gekennzeichnet. Das geringe Nachfragevolumen und die entsprechend geringe Nachfragehäufigkeit erfordern im Allgemeinen eine Internationalisierung des Angebotes, um die Auslastung wirtschaftlich konkurrenzfähiger Kapazitäten zu gewährleisten. Eine weitere Besonderheit des Investitionsgütermarketing liegt darin, dass ökonomische Entscheidungen z. T. stark durch staatliche Regulierungen (z. B. Exportverbote oder Übernahme von Kreditrisiken) beeinflusst werden. Neben der Nachfrager- und Anbieterseite weist auch die Beziehung zwischen den Marktpartnern eine Besonderheit auf: Problemlösungen werden im Investitionsgüterbereich häufig in einem interaktiven Prozess zwischen Anbieter und Nachfrager entwickelt. Die enge Zusammenarbeit mit einem einzelnen Kunden und die daraus oftmals resultierende Lieferantentreue sind die Basis für den Aufbau einer dauerhaften Geschäftsbeziehung. Das Management solcher Beziehungen wird mittlerweile als Hauptaufgabe des Investitionsgütermarketing gesehen. Die hier aufgeführten Besonderheiten von Investitionsgütergeschäften verdeutlichen, dass sich das Kaufverhalten im Investitionsgütersektor deutlich vom Konsumgütersektor unterscheidet. Die Komplexität des organisationalen Beschaffungsverhaltens führte zu einer Vielzahl von Forschungsansätzen des Investitionsgütermarketing, die sich aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven mit diesem Problem beschäftigen (vgl. z. B. Engelhardt und Günter 1981; Kleinaltenkamp und Plinke 2002; Anderson und Narus 2009; Backhaus und Voeth 2014). Dennoch gibt es in vielen Bereichen große Schnittmengen, Transfer- und Lernpotenziale zwischen dem Konsum- und Investitionsgütermarketing. So kann bspw. das Konsumgütermarketing vom traditionell technologie- und ressourcenbasierten Denken des Investitionsgüterbereiches lernen (Resource-Based View), während das Investitionsgütermarketing verstärkt von der ausgeprägten Marktorientierung (Market-Based View) des Konsumgütermarketing profitieren kann (vgl. Meffert 2007). Einen weiteren institutionellen Bereich des Marketing, der sowohl für das Konsum- als auch das Investitionsgütermarketing von hoher Relevanz ist, stellt das Dienstleistungsmarketing dar.
1.5.2 Dienstleistungsmarketing Die seit den 80er Jahren verstärkte Auseinandersetzung der betriebswirtschaftlichen Forschung mit dem Dienstleistungsmarketing erklärt sich vor allem aus der wachsenden
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Grundlagen des Marketing
Bedeutung des Dienstleistungsbereiches (tertiärer Wirtschaftssektor) in hoch entwickelten Volkswirtschaften. Die Besonderheiten von Dienstleistungen im Vergleich zu Sachgütern ermöglichen keine einfache Übertragung des klassischen, gütergeprägten Marketingansatzes auf diese Leistungskategorie, sodass ein eigenständiger Ansatz des Dienstleistungsmarketing entwickelt wurde (vgl. Scheuch 1982; Kotler und Bloom 1984; Heskett 1988; Lovelock 2011; Hilke 1989; Grönroos 1990; Meyer 1996; Bieberstein 1998; Kurtz und Clow 1998; Meffert et al. 2015). Zu den typischen Anbietern von Dienstleistungen zählen z. B. Hotels, Banken, Autovermietungen, Reiseveranstalter, Versicherungen, Friseure oder Krankenhäuser. Als Gegenstand von Markttransaktionen können Dienstleistungen nach einer marktund einer unternehmensgerichteten Dimension klassifiziert werden. Im Rahmen der marktgerichteten Dimension wird unterschieden, ob Dienstleistungen an Endverbraucher veräußert werden (konsumtive Dienstleistungen) oder aber als Vorleistungen in die Produktionsprozesse eingehen (investive Dienstleistungen). Die unternehmensgerichtete Dimension gibt Auskunft darüber, ob die betrachtete Dienstleistung eine Kernleistung eines Unternehmens oder lediglich eine Zusatzleistung bzw. einen Value-Added-Service darstellt. Im ersten Fall wird die Leistung zwingend durch einen institutionellen Dienstleister (z. B. Autovermieter) erbracht, während es sich im zweiten Fall sowohl um einen institutionellen Dienstleister (z. B. Autovermieter, der zusätzlich Versicherungen anbietet) als auch um ein warenproduzierendes Unternehmen (z. B. Autohersteller, der Versicherungen anbietet) handeln kann. Abb. 7 verdeutlicht den gemeinsamen Bereich des institutionellen Marketing, in dem das Spektrum an konsumtiven und investiven Sachgütern über konsumtive und investive Zusatzleistungen bis hin zu Kerndienstleistungen aufgezeigt wird. Es bleibt zu beachten, dass es sich sowohl bei Konsumgütern als auch bei Dienstleistungen um digitale und analoge Angebote handeln kann (vgl. Kap. 5). Tendenziell ist eine Ausweitung des gemeinsamen Bereiches des institutionellen Marketing zu verzeichnen. Es gibt nur wenige (konsumtive oder investive) Sachleistungen, die ohne einen bestimmten, wenn auch mitunter geringen, Dienstleistungsanteil abgesetzt werden können (vgl. Hilke 1989). So bieten Sachgüterhersteller immer häufiger Dienstleistungen als Value-Added-Services an und werden dadurch mit den Besonderheiten des Dienstleistungsmarketing konfrontiert. Doch auch im Investitionsgüterbereich wird das Angebot von physischen Leistungen häufig um zusätzliche Dienstleistungen (z. B. Finanzierungs- und Implementierungslösungen) ergänzt. Dienstleistungen weisen gegenüber Sachgütern folgende Besonderheiten auf (vgl. Hilke 1989; Meyer 1996; Meffert et al. 2015): 1. Dienstleistungen sind weitestgehend immaterielle Leistungen, 2. Dienstleistungsanbieter stellen keine Güter, sondern Leistungsfähigkeiten in Form personeller, sachlicher oder immaterieller Ressourcen bereit und
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Kommerzielles Marketing (Profit-Organisationen)
Konsumgüter
Dienstleistungen
(digital/analog)
(digital/analog)
Verbrauchsgüter
Gebrauchsgüter
Konsumtive Dienstleistungen
Güter-/ Angebotsspezifische AusprägungsKonsumgüterform marketing
Indirekt Mehrstufig MassenMarketing Zahnpasta, lizensierte Software
Investive Dienstleistungen
Investitionsgüter
Anlagen
Dienstleistungsmarketing
Teile
Investitionsgütermarketing
Direkt Mehrstufig IndividualMarketing
Gemeinsamer Bereich des institutionellen Marketing Automobile, Versicherungen, DatenbankPC, eBooks Autoreparaturen systeme
Fertighäuser
Unternehmensberatung
Roh- und Einsatzstoffe
Schlüsselfertige Fabriken
Elektromotoren, Einspritzpumpen
Chemiefasern, Rohöl
Abb. 7 Theoriezyklen des sektoralen Marketing
3. Dienstleistungen können nur durch die Integration eines externen Faktors hergestellt werden, d. h. bei der Erbringung der Dienstleistung wird zwangsläufig ein externer Faktor in Form von Objekten (z. B. Auto in der Werkstatt) oder Subjekten (z. B. Patient im Krankenhaus) in den Dienstleistungserstellungsprozess eingebunden. Sowohl die in die Dienstleistungserstellung eingehenden Vorleistungen (der Input) als auch ihr Ergebnis (der Output) können materiell oder immateriell sein. Wesentlich aber ist, dass die angebotene Dienstleistung als noch nicht realisierte menschliche bzw. automatisierte Leistungsfähigkeit gilt. Somit ist die Immaterialität als wesentliches Merkmal der Dienstleistung zu bewerten. Fähigkeiten, verstanden als Leistungspotenziale, sind, solange sie nicht realisiert werden, immer unkörperlich und sinnlich nicht wahrnehmbar, verfügen also über einen immateriellen Status. Beispielhaft sei ein Schneider angeführt, dessen Fähigkeiten zur Herstellung eines Maßanzuges immateriell sind, wohingegen der Input (z. B. Stoffe) und der Output (z. B. Maßanzug) materieller Natur sind. Aus der Immaterialität der Dienstleistung resultieren die Merkmale der Nichtlagerfähigkeit und der Nichttransportfähigkeit von Dienstleistungen. Zwar ist das Dienstleistungsergebnis mitunter lagerfähig, die Nichtlagerfähigkeit der Dienstleistung aber impli-
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ziert, dass der Konsument die Dienstleistung nur in dem Moment in Anspruch nehmen kann (Vorführung eines Films, Flugreise), in dem sie produziert wird. Das bedeutet, dass das Leistungsergebnis nicht vorproduziert werden kann. Ein Frisör kann Haarschnitte (Leistungsergebnis) erst erstellen, wenn der Dienstleistungskonsument in den Dienstleistungsprozess „Haareschneiden“ integriert wird. Ebenso ist ein Hotelier zwar im Besitz von Übernachtungspotenzialen, die Übernachtung eines Gastes als Ergebnis der Hotelleistung ist aber erst möglich, wenn der Gast ein Hotelzimmer bezieht. Für das Marketing von Dienstleistungen resultiert aus ihrer fehlenden Lagerfähigkeit, dass eine intensive Koordination zwischen Produktion und Nachfrage erfolgen muss. So bedarf es einerseits flexibel gestaltbarer Kapazitäten (z. B. durch einen hohen Anteil von Teilzeitkräften), andererseits sollte eine kurzfristige Steuerung der Nachfrage erfolgen (z. B. durch Preissenkungen in nachfrageschwachen Zeiten). Die Nichttransportfähigkeit der Dienstleistung ergibt sich aus der Überlegung, dass kaum eine Dienstleistung an einem anderen Ort konsumiert werden kann als dem ihrer Erstellung (eine Ausnahme stellen z. B. internetbasierte Dienstleistungen dar). Produktion und Konsumtion der Dienstleistung erfolgen simultan (Uno-actu-Prinzip). Haarschnitte oder medizinische Untersuchungen können nicht erstellt und dann räumlich transferiert werden, um sie an anderer Stelle zu konsumieren. Auch hieraus lassen sich unterschiedliche Implikationen für das Dienstleistungsmarketing ableiten. So muss bei Dienstleistungen des täglichen Bedarfes eine hohe Vertriebsdichte sichergestellt sein, da die schnelle Erreichbarkeit ein zentrales Auswahlkriterium der Nachfrager darstellt. Hingegen ist bei Dienstleistungen des aperiodischen Bedarfes eine selektive Distributionsstrategie empfehlenswert. Keine Dienstleistung kann ohne spezifische Leistungsfähigkeiten (Know-how, körperliche Fertigkeiten etc.) erstellt werden. Dabei ist es unwesentlich, ob es sich bei den Potenzialen des Dienstleistungsanbieters um einen Menschen oder eine Maschine handelt. In Kombination mit der Immaterialität der Dienstleistung ergeben sich aus der Notwendigkeit der Leistungsfähigkeit des Anbieters Implikationen für das Dienstleistungsmarketing. So sind spezifische Dienstleistungskompetenzen und besondere Fähigkeiten, z. B. im Rahmen der Kommunikationspolitik glaubwürdig zu dokumentieren. Weiterhin stellt die Integration des externen Faktors eine Besonderheit im Dienstleistungsmarketing dar. Jeder Prozess der Erstellung einer Dienstleistung wird damit durch die Einwirkung eines Fremdfaktors mitbestimmt. Demnach hängt gleichzeitig jedes Ergebnis eines solchen Prozesses von dem betreffenden Fremdfaktor ab. Der externe Faktor (z. B. Hotelgast, Patient, Auto in der Werkstatt) grenzt sich von den anderen Produktionsfaktoren im Erstellungsprozess dadurch ab, dass er für den Dienstleistungsersteller nicht frei am Markt disponierbar ist. Weiterhin bleibt er vor, während und nach dem Erstellungsprozess z. T. in der Verfügungsgewalt des Abnehmers der Dienstleistung. Schließlich gilt, dass auf diesen externen Faktor während der Leistungserstellung (z. B. Autoreparatur) eingewirkt wird. Da aber in umgekehrter Richtung auch der Abnehmer von Dienstleistungen während der Leistungserstellung (oder bei objektgerichteten Dienstleistungen zumindest bei der Abgabe seiner Objekte zur Leistungserstellung) auf den Prozess der
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Erstellung der Dienstleistung einwirkt, kann von einer zweiseitigen Beeinflussung durch Anbieter und Abnehmer gesprochen werden (vgl. Benkenstein und Weichelt 2000). Aus der Integration des externen Faktors lassen sich folgende Implikationen für das Dienstleistungsmarketing ableiten. Ein Problem, das aus der Einbeziehung des externen Faktors erwächst, ist dessen Transport und eventuelle Unterbringung bis zum Zeitpunkt der Leistungserstellung. Diese Problematik ist kennzeichnend für zahlreiche Dienstleistungen und muss im Rahmen des Marketing hinreichende Berücksichtigung finden (z. B. Abholdienst für Reparaturobjekte wie Autos oder Fernsehgeräte, ansprechende Gestaltung von Warteräumen oder Einführung von Reservierungssystemen). Ferner resultiert aus der Integration des externen Faktors in die Dienstleistungserstellung der individualistische, personalintensive, schwer standardisierbare Charakter vieler Dienstleistungen. Da der Dienstleistungsnachfrager, sofern er selbst als externer Faktor auftritt, während des Erstellungsprozesses präsent ist, bedarf es vor allem einer marketingorientierten Ausrichtung des Dienstleistungsprozesses. Neben einer den Nachfragerwünschen angepassten Gestaltung des Dienstleistungsumfeldes erlangt die sorgfältige Ausführung der Dienstleistungserstellung bei direktem Kontakt mit dem Nachfrager besondere Bedeutung. Hieraus resultiert, dass dem Personal- und Qualitätsmanagement im Rahmen des Dienstleistungsmarketing eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist.
Besonderheiten von Dienstleistungen
Implikationen für das Dienstleistungsmarketing
Leistungsfähigkeit des Dienstleistungsanbieters
■ Dokumentation von Kompetenz ■ Abstimmung der Leistungspotenziale ■ Materialisierung der Fähigkeitspotenziale
Integration des externen Faktors
■ Transport und Unterbringung des externen Faktors ■ Standardisierungsprobleme bei bestimmten Dienstleistungen ■ Marketingorientierung im Erstellungsprozess ■ Reduzierung asymmetrischer Informationsverteilung ■ Ausschluss unerwünschter Kunden
Immaterialität des Leistungsergebnisses
■ Materialisierung von Dienstleistungen
■ Nichtlagerfähigkeit
■ Koordination von Kapazität und Nachfrage ■ Flexible Anpassung der Kapazität ■ Kurzfristige Nachfragesteuerung
■ Nichttransportfähigkeit
■ Breite Distribution bei Dienstleistungen des periodischen Bedarfs ■ Selektive Distribution bei Dienstleistungen des aperiodischen Bedarfes
Abb. 8 Besonderheiten von Dienstleistungen und Implikationen für das Marketing (Quelle: Meffert, Bruhn und Hadwich 2015, S. 30)
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Darüber hinaus bedarf es einer Reduzierung asymmetrischer Informationsverteilung, die bei der Dienstleistungsinteraktion aufgrund des Informationsvorteils des Anbieters zum eigenen Vorteil genutzt werden kann. Die aus der asymmetrischen Informationsverteilung resultierende Unsicherheit für den Kunden und das damit einhergehende Kaufrisiko gilt es, durch Maßnahmen im Rahmen der Vertragsgestaltung sowie durch Nutzung weiterer Instrumente des Marketing-Mix zu reduzieren. Schließlich ist es Aufgabe des Marketing, Nachfrager, die im Dienstleistungsprozess durch ihre Eigenschaften und ihr Verhalten das Dienstleistungserlebnis anderer (präferierter) Nachfrager negativ beeinflussen könnten, durch Instrumente des Marketing-Mix (z. B. Clubkarten für Diskothekenbesucher) von der Inanspruchnahme der Dienstleistung abzuhalten. In Abb. 8 sind die Besonderheiten der Dienstleistungen und ihre Implikationen für das Dienstleistungsmarketing noch einmal zusammenfassend dargestellt.
2 Ansätze der Marketingtheorie 2.1
Gegenstand und Entwicklung der Marketingwissenschaft
Seitdem sich das Marketing als wissenschaftliche Disziplin etabliert hat, sind unterschiedliche Forschungsansätze und Theorien entwickelt worden, die teilweise ergänzend oder auch konkurrierend zur Analyse, Erklärung oder Gestaltung des Marketing beitragen. Bereits die Diskussion des Marketingbegriffes hat gezeigt, dass das Marketingverständnis einen Wandel und eine Erweiterung erfahren hat. Somit ist es nicht verwunderlich, dass sich diese Entwicklung auch in den Forschungsansätzen widerspiegelt, die dabei teilweise die Entwicklungen der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (BWL) aufgreifen (vgl. Meffert 1989). Abb. 9 zeigt im Überblick, welche Ansätze in der Marketingwissenschaft in den letzten Jahrzehnten diskutiert wurden. Ausgehend von den eher klassischen Ansätzen der Absatztheorie, die in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts das Forschungsprogramm im Marketing bestimmten, werden im Folgenden vor allem neuere Ansätze aufgeführt, deren zunehmende Verbreitung die Diskussion um den Paradigmenwechsel und eine damit einhergehende Neuorientierung im Marketing begründet haben. Ein Paradigma kennzeichnet die grundlegenden Leitideen und wissenschaftlichen Problemlösungsmuster, die von Vertretern eines wissenschaftlichen Fachgebietes weitgehend geteilt werden (vgl. Kuhn 1973). Obwohl die Verwendung des Paradigmabegriffes in der BWL wiederholt kritisiert worden ist, hat er zur Kennzeichnung der grundlegenden Wissenschaftsprogramme breite Verwendung gefunden. Wissenschaftlicher Wandel geht nach Kuhn darauf zurück, dass vorherrschende Paradigmen in Frage gestellt und angesichts von Unsicherheit und Unzufriedenheit neue, konkurrierende Problemlösungsmuster in einer Disziplin vorgeschlagen werden.
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Ansätze der Marketingtheorie
31 Nationalökonomie
Handels-/Exportlehre
1900
Marktlehre/-politik Absatzpolitik
Marketingtheorie Klassische Absatztheorie Institutionenorientierter Ansatz Warenorientierter Ansatz Funktionenorientierter Ansatz
1960
1980
2000
Allgemeine Betriebswirtschaftslehre
1940
Ansätze der modernen Marketingtheorie Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz Entscheidungsorientierter Ansatz Systemorientierter Ansatz Situativer Ansatz „Neuere“ Paradigmen in der Marketingtheorie Informationsökonomischer Ansatz Ressourcen-/Kompetenzorientierter Ansatz Beziehungsorientierter Ansatz Prozessorientierter Ansatz Ansatz des digitalen Marketing
Inhaltlicher Fokus Distributionsorientierung Verbraucherorientierung Handelsorientierung Wettbewerbsorientierung Umweltorientierung Netzwerkorientierung
Entwicklungsstufen des Marketing
1920
Digitale Wertschöpfungsorientierung
2020
Abb. 9 Entwicklungsphasen in der Marketingwissenschaft
2.2
Klassische Ansätze der Absatztheorie
2.2.1 Institutionenorientierter Ansatz Zu den ältesten Ansätzen der Marketingwissenschaft zählen institutionen- und warenorientierte Ansätze. Gegenstand der institutionenorientierten Forschung bildet die Deskription, Klassifikation und Erklärung empirisch relevanter absatzwirtschaftlicher Institutionen (vgl. Schäfer 1950; Seyffert 1955; Meyer und Meyer 1993). Gegenüber der Untersuchung der allgemeinen betriebswirtschaftlichen Funktionen (z. B. Einkauf, Produktion, Absatz) zählen die institutionenbezogenen Forschungen zur „Besonderen BWL“, die grundlegend nach Branchenkategorien (vgl. Tscheulin und Helmig 2001), Wirtschaftsstufen (z. B. Industrie, Großhandel, Einzelhandel) oder Größenklassifikationen (Klein-, Mittelständische und Großbetriebe) untergliedert wurden (vgl. Nicklisch 1938). Einen Schwerpunkt der institutionenorientierten Forschung bildet die Auseinandersetzung mit verschiedenen Betriebsformen des Handels und den Erklärungsansätzen für den institutionellen Wandel im Handel (vgl. Nieschlag 1954).
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Grundlagen des Marketing
2.2.2 Warenorientierter Ansatz Der warenorientierte Ansatz stellt einzelne Produkte und Produkttypologien in den Mittelpunkt der marketingbezogenen Analyse (vgl. Koppelmann 1973). Vorläufer dieser Forschungsrichtung sind güterpolitische und warenkundliche Untersuchungen, die sich im Schrifttum bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen lassen (vgl. Kartte 1993, S. 106 ff.). Diese Betrachtungen haben Eingang in die Marketingforschung gefunden. Ausgehend von der Identifikation spezifischer Produkteigenschaften werden für einzelne Produktkategorien Besonderheiten des Marketing abgeleitet. Dem warenorientierten Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass in Abhängigkeit der jeweiligen Produkteigenschaften unterschiedliche Kaufentscheidungstypen vorherrschen und sich hieraus für die Gestaltung des Marketing differenzierte Anforderungen ergeben. Grundsätzlich hat sich eine güterspezifische Differenzierung von Marketingansätzen nach den Kategorien Konsumgüter, Investitionsgüter und Dienstleistungen in den 70er Jahren durchgesetzt. Spezifische Kategorisierungen im Konsumgüterbereich nehmen eine weitere Unterscheidung in Convenience-, Shopping- und Speciality-Goods vor, während im Investitionsgüterbereich eine güterspezifische Differenzierung nach Komponenten, Anlagen und Systemen erfolgt (vgl. Backhaus und Voeth 2014). Angesichts der zunehmend homogenen Produkte und Dienstleistungen werden auch die Besonderheiten des Marketing für Commodities untersucht. Informationsökonomische Ansätze unterscheiden Produkte anhand von Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften und leiten hieraus Implikationen für Transaktionsprozesse und marketingpolitische Entscheidungen ab. Diese Ansätze werden in Abschn. 2.4 gesondert betrachtet. Grundsätzlich ist im Zusammenhang mit den güterbezogenen Ansätzen im Marketing festzustellen, dass produktbezogene Eigenschaften zunehmend durch die hinter dem Kaufentscheidungsprozess stehenden verhaltensrelevanten Bedürfnisse und Charakteristika der Nachfrager dominiert werden. Entscheidend für die nachfragerorientierte Ausgestaltung der Marketingmaßnahmen ist letztlich nicht die physikalisch-technische Beschaffenheit eines Gutes, sondern die spezifischen Merkmale des Kaufverhaltens eines Nachfragers (z. B. Einstellungen, Risikobereitschaft, Informationsverhalten, Involvement, Produkterfahrung etc.). Dementsprechend ist der Einwand berechtigt, dass ein Produkt a priori nicht eindeutig einer Produktkategorie zugeordnet werden kann, sondern ein und dasselbe Produkt für einen Konsumenten ein Shopping-Gut und für einen anderen ein Convenience-Gut darstellen kann. Dies verdeutlicht, warum in der Marketingtheorie von einer vordergründigen Erfassung der Produktcharakteristika mehr und mehr zu den verhaltenstheoretischen Begründungen für ein differenziertes Kaufverhalten übergegangen wird. 2.2.3 Funktionenorientierter Ansatz Der funktionenorientierte Ansatz setzt sich mit einer Beschreibung der einzelnen Funktionen des Marketing auseinander, die in einer Vielzahl von Systematisierungsansätzen der betrieblichen Funktionenlehre münden. Forschungsgegenstand ist dabei ein bestimmtes Absatzgut, zwischen dessen Herstellung und Verbrauch eine Reihe von Spannungen besteht, die durch absatzwirtschaftliche Instrumente zu überbrücken sind.
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Ansätze der Marketingtheorie
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Die Funktionen des Marketing können z. B. nach objektbezogenen, inhaltlichen, zeitlichen und räumlichen Gesichtspunkten strukturiert werden (vgl. Oberparleitner 1918; Leitherer 1966; Specht 2005). Insbesondere im Hinblick auf die Ausrichtung des Marketing in vertikalen Absatzsystemen ist in den 70er Jahren mit zunehmender Bedeutung der Handelsunternehmen die Funktionsaufteilung zwischen Handels- und Herstellermarketing in den Mittelpunkt der Betrachtungen gerückt (vgl. Hansen 1990).
2.3 Moderne Ansätze der Marketingtheorie Ausgehend von den eher klassischen und von der Absatztheorie geprägten Theorievarianten, haben sich vor allem in den 70er Jahren Ansätze des „modernen“ Marketing im Forschungsprogramm etabliert. Diese Paradigmen der modernen Marketingtheorie sind weniger durch ein konkurrierendes als vielmehr durch ein z. T. komplementäres Verhältnis zueinander geprägt.
2.3.1 Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz Im Rahmen des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes wird versucht, Erkenntnisse über das Verhalten von Nachfragern und Organisationen bereitzustellen (vgl. z. B. Howard und Sheth 1969; Kroeber-Riel 1972; Meffert 1992; Trommsdorff und Teichert 2011; Wiedmann 2004; Kroeber-Riel und Weinberg 2009; Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013). Verhaltenswissenschaftliche Erklärungsmodelle sollen dabei nicht nur Einsichten in Kaufentscheidungsprozesse vermitteln, sondern auch Anhaltspunkte für die Wirkung von Marketinginstrumenten auf das Kaufverhalten geben. Den Ausgangspunkt verhaltenswissenschaftlicher Erklärungsansätze bildet häufig eine grundlegende Typologisierung von Kaufentscheidungen. Differenziert nach Art und Anzahl der Kaufentscheidungsträger wird das Spektrum möglicher Kaufentscheidungstypen durch individuelle und familiäre Kaufentscheidungen sowie Entscheidungen von Repräsentanten oder Einkaufsgremien abgesteckt (vgl. Abschn. 2 in Kap. 2). Während in der Vergangenheit die Erklärung einmaliger Kaufentscheidungsprozesse im Mittelpunkt käuferverhaltenstheoretischer Betrachtungen stand, fokussieren neuere Ansätze im Rahmen des „Relationship Marketing“ auf die Analyse dauerhafter Kundenbeziehungen und heben die Bedeutung der laufenden Interaktionen zwischen Unternehmen und Kunden hervor (vgl. z. B. Berry 1983; Diller und Kusterer 1988; Hollensen 2010; Backhaus und Voeth 2014). 2.3.2 Entscheidungsorientierter Ansatz Der entscheidungsorientierte Ansatz stellt normative Aussagen über rationale Wahlhandlungen des Marketing in den Mittelpunkt der Betrachtung (vgl. Meffert 1999, S. 94 f.). Die Bewältigung von marketingbezogenen Problemstellungen wird hierbei als Entscheidungsprozess aufgefasst. Die Entscheidungsprozesse werden durch die Elemente Ziele, Alternativen, Umweltzustände und Konsequenzen bzw. Entscheidungsresultate
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Grundlagen des Marketing
beschrieben (vgl. Engel 1962; Heinen 1971, 1976; Meffert 1977, 1986). Als konstitutiv zur Abbildung eines Marketingentscheidungsprozesses werden die Situationsanalyse, die Formulierung von Marketingzielen und -strategien sowie die Festlegung alternativer Instrumentekombinationen gesehen (vgl. z. B. Benkenstein 2001; Freter 2008; Homburg und Krohmer 2009; Kotler und Keller 2015; Becker 2013). Dieser Entscheidungsprozess wird, wie eingangs dargestellt, auch als Marketingmanagementprozess bezeichnet. Für die Bestimmung der zieloptimalen Kombination der Marketinginstrumente wurden in der entscheidungsorientierten Marketingtheorie zahlreiche Entscheidungsmodelle entwickelt. Der entscheidungsorientierte Ansatz hat in der amerikanischen und deutschen Marketingtheorie eine weite Verbreitung gefunden und dominiert bis heute die Forschungsprogramme der Marketingwissenschaft. Dies mag darin begründet liegen, dass der Ansatz nicht nur dem Problemlösungsverhalten der Marketingpraxis besonders nahe kommt, sondern auch eine große Offenheit für die Integration von interdisziplinären Bezügen des Marketing aufweist. Bspw. wurde die ökonomisch geprägte Zielebene im Ansatz des ganzheitlichen Marketing um gesellschaftliche, humanistische und umweltbezogene Ziele erweitert (vgl. z. B. Meffert und Kirchgeorg 1998). Dieser erweiterte entscheidungsorientierte Ansatz des Marketing wird in der Literatur als Nachhaltigkeitsmarketing bzw. Sustainability Marketing bezeichnet (Kirchgeorg 2002; Balderjahn 2004; Belz und Peattie 2012).
2.3.3 Systemorientierter Ansatz Zielsetzung des systemorientierten Ansatzes im Marketing ist die Erfassung und Beschreibung komplexer Marketingsysteme und die Erklärung spezifischer Verhaltensweisen einzelner Systemteilnehmer. Darüber hinaus sollen in praktisch-normativer Hinsicht Gestaltungsempfehlungen für das Marketing abgeleitet werden (vgl. Kotler 1967; Ulrich 1971; Baetge 1974; Bagozzi 1974; Meffert 1975; Becker und Homburg 1999). Den Ausgangspunkt der systemtheoretischen Überlegungen bilden die Strukturierung komplexer Systeme und die Analyse einzelner Systemelemente unter Einbeziehung verhaltenswissenschaftlicher Erklärungsansätze. Im Mittelpunkt der Systemanalyse steht die Beschreibung und Erklärung der zwischen den einzelnen Systemelementen bestehenden Austauschbeziehungen. Hier ergibt sich eine enge Verknüpfung zu marketingpolitischen Gestaltungsempfehlungen. Der Vorteil des systemorientierten Ansatzes liegt in der Erfassung und Beschreibung komplexer Beziehungssysteme und in der mehrdimensionalen und ganzheitlichen Betrachtung der Marketingproblemstellung unter Einbeziehung ökonomischer und verhaltenstheoretischer Aspekte. Insbesondere im Zusammenhang mit der stärkeren Einbeziehung des Marketing in den gesellschaftlichen und ökologischen Kontext (vgl. Meffert und Kirchgeorg 1998) erlangen systemorientierte Konzepte für die Beschreibung von Systemen und Beziehungen in Kombination mit dem entscheidungsorientierten Ansatz eine besondere Bedeutung. Systemtheoretische Analysen spielen dabei insbesondere bei der Situations- und Marktanalyse eine besondere Rolle, um das komplexe Geflecht von Marktakteuren und -beziehungen abbilden zu können.
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Ansätze der Marketingtheorie
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2.3.4 Situativer Ansatz Unter Rückgriff auf die Mitte der 60er Jahre in der Organisationstheorie gewonnenen Erkenntnisse stellt der situative Ansatz kontextbezogene, d. h. sich aus dem Umfeld des Unternehmens ergebende Anpassungsnotwendigkeiten, in den Vordergrund (vgl. Kast und Rosenzweig 1970; Meffert 1986; Jaworski und Kohli 1993; Kieser und Kubicek 2007). Zielsetzung des situativen Ansatzes im Marketing ist die Identifikation relevanter Situationsvariablen und „Situationscluster“ (Kategorien ähnlicher Situationen) sowie die Auswahl situationsadäquater Gestaltungsempfehlungen. Hierdurch soll ein möglichst optimaler Fit zwischen der Marktsituation und den Strategien bzw. Marketinginstrumenten sichergestellt werden. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere die situationsadäquate Gestaltung eines Marketingkonzeptes in einzelnen Produktlebenszyklusphasen untersucht (vgl. Meffert 1974b, S. 85 ff.). Die Bedeutung des situativen Ansatzes in der Marketingwissenschaft wird nicht in einem eigenständigen Theorieansatz gesehen, sondern als Weiterentwicklung des entscheidungs- und systemorientierten Ansatzes.
2.4
„Neuere“ Paradigmen in der Marketingtheorie
Nicht zuletzt aus der Kritik an den dargestellten Ansätzen der Marketingwissenschaft heraus sind „neue“ theoretische Ansätze im Marketing diskutiert und entwickelt worden, die in diesem Buch unter die Kategorie der „neueren Paradigmen“ zusammengefasst werden.
2.4.1 Informationsökonomischer Ansatz Die Kernprobleme des Marketing werden in den informationsökonomischen Ansätzen in der Bewältigung von marktbezogenen Informations- und Unsicherheitsproblemen gesehen. Obwohl in den klassischen Ansätzen der Marketingtheorie die Informations- und Unsicherheitsprobleme (z. B. in den verhaltenswissenschaftlichen und entscheidungsorientierten Ansätzen) Berücksichtigung finden, plädieren Vertreter des informationsökonomischen Ansatzes für die Notwendigkeit einer umfassenderen und systematischeren Analyse der marktspezifischen Informations- und Unsicherheitsstrukturen (vgl. Kaas 1990; Kaas und Busch 1996). Insofern kann der informationsökonomische Ansatz als eine Ergänzung der verhaltens- und entscheidungsorientierten Ansätze angesehen werden. Der Ansatz unterstellt, dass bei Transaktionsprozessen zwischen Anbietern und Nachfragern Informationsasymmetrien und damit einhergehend Verhaltensunsicherheiten auftreten können. Der Abbau von Informationsdefiziten bei Anbietern und Nachfragern verursacht Informationskosten, erhöht die Transaktionskosten und wirkt sich damit auf die Transaktionsprozesse in unterschiedlicher Weise aus. In den Überlegungen des informationsökonomischen Ansatzes wird die Höhe der Informationsdefizite bzw. -kosten und damit auch das Maß an Verhaltensunsicherheit eines Nachfragers von seinem Beurteilungsverhalten und den Beurteilungsmöglichkeiten eines Leistungsangebotes determiniert.
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Grundlagen des Marketing
In diesem Zusammenhang wird eine Unterscheidung von Leistungsmerkmalen nach Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften vorgenommen. Eine Leistung besteht i. d. R. aus allen drei Eigenschaftsarten, wobei durch das Überwiegen bestimmter Eigenschaften besondere Implikationen für das Marketing abgeleitet werden können. In Abb. 10 werden verschiedene Produkte anhand der drei Eigenschaftskategorien gekennzeichnet. Charakteristisch für Güter mit einem hohen Anteil von Such- bzw. Inspektionseigenschaften (search qualities) ist, dass sich ihre Qualität ohne Probleme vom Nachfrager durch Informationssuche vor dem Kauf, bspw. in Form einer Inspektion, bewerten lässt. Zu den typischen Sucheigenschaften zählen z. B. die Farbe eines Produktes oder die Passform eines Kleidungsstückes. Produkte, die in hohem Maße Sucheigenschaften aufweisen, sind bspw. Kleidungsstücke oder Möbel. Erfahrungseigenschaften (experience qualities) liegen dann vor, wenn diese vor dem Kauf unter vertretbaren Kosten für einen Nachfrager nicht beurteilt werden können,
Anteil an Vertrauenseigenschaften 100 % Reine Vertrauenskäufe
Gemüse aus biologischem Anbau, Abschluss einer Lebensversicherung
Reine Suchkäufe
100 %
Anteil an Sucheigenschaften
Bekleidung, Möbel
Konserven, Medikamente, Urlaubsreisen oder Weiterbildungsangebote
Reine Erfahrungskäufe
100 % Anteil an Erfahrungseigenschaften
Abb. 10 Informationsökonomische Unterscheidung von Leistungen anhand von Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften (Quelle: In Anlehnung an Hutzschenreuther 2015, S. 184)
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Ansätze der Marketingtheorie
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sondern erst nach dem Kauf durch konkrete Erfahrungen im Umgang mit dem Produkt einer Prüfung zugänglich sind. Im Vergleich zu Sucheigenschaften besteht bei Produkten mit einem hohen Anteil an Erfahrungseigenschaften eine höhere Informationsasymmetrie zwischen Anbieter und Nachfrager. Durch geeignete Marketingmaßnahmen wie z. B. Produktproben, Probefahrten oder Garantiegewährung kann die aus den Informationsasymmetrien resultierende Unsicherheit beim Nachfrager abgebaut werden. Zu Produkten mit einem hohen Anteil an Erfahrungseigenschaften zählen z. B. Konserven, Medikamente, Urlaubsreisen oder Weiterbildungsangebote. Wiederum anders verhält es sich bei Gütern mit einem hohen Anteil an Vertrauenseigenschaften (credence qualities). Hier kann der Nachfrager bestimmte Eigenschaften bzw. Qualitäten weder vor noch nach dem Kauf überprüfen, obwohl diese Eigenschaften für ihn wichtig sind und er hierfür auch einen entsprechenden Preis zu zahlen bereit ist (z. B. Gemüse aus biologischem Anbau, Abschluss einer Lebensversicherung). Ergebnisse von Warentestinstituten, Referenzen zufriedener Kunden sowie Zertifikate können vom Anbieter als Surrogate eingesetzt werden, um dem Nachfrager die Existenz von Vertrauenseigenschaften zu signalisieren. Welche Eigenschaften bei Produkten und Dienstleistungen überwiegen, kann nicht objektiv ermittelt werden. Vielmehr hängt es vom Wissen sowie von der Erfahrung des Nachfragers ab, ob er eine Eigenschaft als Such- oder Vertrauenseigenschaft ansieht. Während bspw. ein Heizungsfachmann aufgrund seines Expertenwissens beim Kauf einer Heizung die Bestandteile dieser Heizung prüfen und besichtigen kann, wird ein Laie sich auf die Aussagen des Verkäufers weitgehend verlassen müssen, weil ihm das Detailwissen und die Erfahrungen mit Heizungen fehlen. Je nach Dominanz einzelner Eigenschaften können unterschiedliche Erscheinungsformen des Marketing abgegrenzt und Empfehlungen zur Vertrauensbildung und zur Ausgestaltung der Transaktionen (z. B. Vertragsgestaltung) gegeben werden. Der Stellenwert des informationsökonomischen Ansatzes im Forschungsprogramm des Marketing ist nicht in der Erweiterung des Gestaltungsspektrums der marketingpolitischen Instrumente zu sehen, sondern liegt darin begründet, dass die Faktoren „Art und Ausmaß der Unsicherheit, Informationsverteilung, Kosten der Informationsgewinnung und moralisches Risiko einen einheitlichen markttheoretischen Bezugsrahmen für die Theorie des Konsumentenverhaltens und für die Marketingtheorie bilden“ (Kaas 1990, S. 546). Über die vorgeschlagene Eigenschaftstypologie lassen sich Ansatzpunkte für die Neuausrichtung spezieller Marketinglehren gewinnen (vgl. Weiber 1993). Die Einbeziehung von Erkenntnissen der neuen Institutionenökonomie führt zu einer gewissen Integrationskraft für die BWL als Ganzes (vgl. Meffert 1994a).
2.4.2 Ressourcen- und kompetenzorientierter Ansatz Zur theoretischen Fundierung und Gestaltung des Marketingmanagementprozesses können ressourcen- bzw. kompetenzbasierte Ansätze herangezogen werden. Dem einleitend bereits erwähntem Market-Based View (MBV) wird der Competence-Based View (CBV)
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Grundlagen des Marketing
gegenübergestellt. Beide Theoriezweige unterscheiden sich nur in ihrer Analyseperspektive. Während der MBV die Attraktivität von Märkten als Ausgangspunkt seiner Überlegungen wählt und anschließend für den attraktivsten Markt geeignete Marketingstrategien (z. B. Qualitätsführerschaft) und -maßnahmen sowie die sich daraus ergebenden finanziellen Implikationen ableitet, geht der CBV entgegengesetzt vor. Er analysiert zunächst die aktuell und potenziell verfügbaren Ressourcen und Kompetenzen des Unternehmens und leitet daraus realisierbare Marketingstrategien, -maßnahmen, bearbeitbare Märkte sowie die aus diesen Determinanten resultierenden Budgetkonsequenzen ab. Für ein langfristig erfolgreiches Marketing bedarf es der Kombination aus MBV und CBV. Aufgrund der besonderen Bedeutung von organisationalen Fähigkeiten für den nachhaltigen Unternehmenserfolg beschäftigt sich der Competence-Based View (CBV) als modernster und am weitesten entwickelter ressourcenorientierter Theorieansatz nahezu ausschließlich mit Kompetenzen (vgl. Gersch et al. 2005; Blinda 2007). Ziel des CBV ist die Erklärung von Performance-Unterschieden, die sich in überdurchschnittlichen Renditen oder in verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen gegenüber Konkurrenzanbietern manifestieren (vgl. Freiling 2004, S. 7). Im Gegensatz zum klassischen RBV betont der CBV, dass zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und dem Aufbau von Wettbewerbsvorteilen die Existenz von Ressourcen im Unternehmen nicht ausreicht. Es bedarf vielmehr in zweifacher Weise des Einsatzes von Kompetenzen, einerseits, um die „richtigen“ Inputgüter und Veredelungsprozesse zu identifizieren, andererseits, um die in Ressourcen gespeicherten Leistungspotenziale auch tatsächlich in Markttransaktionen verwerten zu können. Der CBV interpretiert Kompetenzen als die wichtigste Ursache für die Heterogenität von Unternehmen. Kompetenzen sind im Gegensatz zu Ressourcen aktivitätsorientiert und nur dynamisch in Prozessen zu erfassen. Sie ermöglichen es einem Unternehmen, Inputgüter und Ressourcen zu identifizieren, zu bündeln und ihr Leistungspotenzial relativ zum Wettbewerb ebenbürtig oder sogar in überlegener Weise auszuschöpfen. Kompetenzen sind immer immateriell bzw. intangibel und basieren i. d. R. auf Erfahrungswissen (vgl. Freiling 2004, S. 6). Dieses Wissen wurde im Laufe der Zeit durch Wiederholungen in Regeln und Prozessen kodifiziert und in Teilen oder im gesamten Unternehmen zugänglich gemacht (vgl. Burmann 2002, S. 184 ff.). Die besondere Stellung von Kompetenzen innerhalb des CBV kann mithilfe von Abb. 11 deutlich gemacht werden. Danach ist grundsätzlich zwischen drei Formen von Kompetenzen zu unterscheiden (vgl. Gersch et al. 2005, S. 44): Veredelungs-Kompetenzen bieten die Möglichkeit, potenziell erfolgsrelevante Inputgüter zu identifizieren und in Richtung benötigter Ressourcen zu veredeln. Dies geschieht auf Basis der Einschätzung über die in Zukunft notwendigen Leistungsbereitschaften. Im Marketing ist hier bspw. an die Anmietung eines leeren Ladenlokals an einem für das Unternehmen geeigneten Standort (Inputgut) und deren innenarchitektonische Ausgestaltung zu einer Filiale, welche optimal der Marketingstrategie des Unternehmens entspricht (Veredelung), zu denken.
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Ansätze der Marketingtheorie
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Meta-Kompetenzen (z. B. Marketingflexibilität) Veränderung der Leistungsbereitschaft und Leistungserstellung
Konkrete Veredelung
Grundsätzliche HandlungsAktivierbarkeit potenzial zur Marktzufuhr
Konkrete Aktivierung
Transaktionen in Märkten
Leistungsangebot
Marktzufuhrprozesse
Ressourcen
Veredelungsprozesse
VeredelungsKompetenzen
Inputgüter
Grundsätzliche HandlungsVeredelbarkeit potenzial zur Veredelung
MarktzufuhrKompetenzen
Gestaltung der Leistungserstellung
Gestaltung der Leistungsbereitschaft
Marktangebot
Abb. 11 Arten und Entstehung von Kompetenzen (Quelle: In Anlehnung an Gersch et al. 2005, S. 44 und Burmann et al. 2006)
Marktzufuhr-Kompetenzen beziehen sich auf organisationale Fähigkeiten zur Aktivierung der bestehenden Leistungsbereitschaften in konkrete Leistungsangebote und deren Verwertung am Markt. Durch Marktzufuhr-Kompetenzen ist es möglich, Inputgüter und Ressourcen derart zu kombinieren, dass daraus ein marktfähiges Angebot entsteht. Im Marketing ist hier bspw. an diejenigen Kompetenzen zu denken, die benötigt werden, um mit einem standort- und ausstattungstechnisch optimalen Filialnetz tatsächlich die gewünschten Transaktionen am Markt zu realisieren (z. B. laufendes Training und Motivation des Verkaufspersonals, optimale Gestaltung der Point-ofSale-Kommunikation). Meta-Kompetenzen beziehen sich auf das Rahmensystem des Unternehmens, welches der operativen Leistungserstellung übergeordnet ist und sich auf sämtliche untergeordneten Inputgüter, Ressourcen, Kompetenzen und Prozesse auswirkt. Sie sind für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens und speziell für das Anpassungsvermögen an veränderte Umweltsituationen sehr wichtig. Zu denken ist hier bspw. an die notwendige Marketingflexibilität, die benötigt wird, um frühzeitig neue Nachfragerbedürfnisse und neue Wettbewerber zu erkennen und die Umstellung des Unternehmens auf diese neue Situation zu unterstützen.
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Grundlagen des Marketing
Abb. 11 soll nicht den Eindruck erwecken, der CBV würde den Ressourcenaufbau und die Kombination von Ressourcen zu marktfähigen Leistungen als vollständig planbar betrachten. Zwar kann das Handeln des Unternehmens im Rahmen von Regeln in bestimmte Richtungen gelenkt werden. Jedoch kann mit den im Rahmen des CBV unterstellten Wirkungen von Kompetenzen keine eindeutige, formal-analytische Input-Output-Beziehung entwickelt werden. Deswegen bedingt die Entwicklung von Kompetenzen und Ressourcen zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen ein unternehmerisches Gespür, und ist mit großer Unsicherheit behaftet (vgl. Freiling 2004, S. 9). Die dargestellten markt- und ressourcenbasierten Ansätze bilden keine Gegensätze, sondern befruchten sich gegenseitig (vgl. Meffert 1998, S. 715; Hollensen 2010, S. 28 ff.). Dem Marketingmanagement kommt bei der Verbindung der beiden Perspektiven eine besondere Rolle zu. So wurde einleitend hervorgehoben, dass es als explizite Aufgabe des Marketingmanagements verstanden werden muss, markt- und nachfragerbezogene Informationen auch in marktferne Unternehmensfunktionen hineinzubringen, sodass innen- und marktgerichtete Prozesse optimal aufeinander abgestimmt werden. Auch bei der Entwicklung der Unternehmens- und Marketingstrategie sind ressourcenbasierte wie auch marktbasierte Perspektiven miteinander zu verbinden. Dabei stellt es eine besondere Herausforderung für das Marketingmanagement dar, die im Unternehmen verteilten nachfrager- und marktrelevanten Ressourcen und Kompetenzen zu identifizieren, weiterzuentwickeln und in einer Art und Weise zu aktivieren, dass hierdurch im Zeitablauf immer wieder Wettbewerbsvorteile entstehen.
2.4.3 Beziehungs- und prozessorientierter Ansatz Dem Paradigma interaktiver Netzwerke liegt die These zugrunde, dass die Vorstellung von einzelnen Transaktionen für das Verständnis der Kundenbeziehungen und das Entstehen neuer Organisationsformen (z. B. strategische Allianzen, Netzwerkorganisationen, virtuelle Organisationen etc.) sowie die Verbreitung von sozialen Netzwerken nicht adäquat sei. Die lange Zeit übliche instrumentelle, eher auf den kurzfristigen Erfolg ausgerichtete Einwegbetrachtung soll durch eine prozessuale, ganzheitliche und dynamisch angelegte Betrachtung von Austauschbeziehungen abgelöst werden. An Stelle von „Beeinflussungs-“ wird „Beziehungsmarketing“ gefordert (vgl. z. B. Diller und Kusterer 1988; Grönroos 1990, 1994; McKenna 1991; Christopher et al. 1998; Kotler und Armstrong 2016; Bruhn 2013). Diese Sichtweise hat fundamentale Auswirkungen auf die Analyse und Bewertung von Kundenbeziehungsprozessen und die Gestaltung eines auf die Beziehungspflege ausgerichteten Marketing-Mix. Anhand eines Beispiels sollen die Unterschiede einer transaktions- und beziehungsorientierten Sichtweise verdeutlicht werden. In Abb. 12 sind die Umsatz- bzw. Deckungsbeitragsverläufe von sechs Kunden eines Unternehmens über zehn Perioden dargestellt. Würden die Kunden nach ihren Transaktionen in Periode 1 beurteilt, würden sich keinerlei Unterschiede zeigen. Alle Kunden tätigen den gleichen Umsatz bzw. erzeugen denselben Deckungsbeitrag. Somit würde das Unternehmen auch keine Veranlassung sehen, die Marketingaktivitäten unterschiedlich auszugestalten. Die Kunden zeigen jedoch im Verlauf
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Ansätze der Marketingtheorie
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Statische (Jahr 1) versus dynamische Kundenbewertung (Jahr 1–10) Kunde A
Ertrag einer Kundenbeziehung
Ein Kunde, der die Geschäftsbeziehung beendet …
Kunde B
… kann genauso profitabel aussehen wie ein loyaler Kunde 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Jahr
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Jahr Kunde C
Ertrag einer Kundenbeziehung
Ein Kunde mit schwankenden Deckungsbeiträgen …
1 2
3
4 5 6 7 Jahr
Kunde E
Ein Kunde, dessen Deckungsbeiträge sich reduzieren …
Ertrag einer Kundenbeziehung
8
9 10
Ertrag einer Kundenbeziehung
1
2 3 4 5 6 7 8 9 10 Jahr
Ertrag einer Kundenbeziehung Kunde D
… kann so profitabel aussehen wie ein Kunde, dessen Volumen ansteigt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Jahr
Kunde F
… kann genauso profitabel aussehen wie ein Kunde mit stabilen Volumina
Ertrag einer Kundenbeziehung
1
2 3 4 5 6 7 8 9 10 Jahr
Abb. 12 Beurteilung von Kundentransaktionen und -beziehungen
der folgenden Perioden völlig unterschiedliche Kaufverhaltensweisen. Während bspw. der Kunde A seine Transaktionen in der dritten Periode beendet, kann das Unternehmen mit den Kunden B, D und F in den Folgeperioden kontinuierlich höhere Erträge erzielen. Bei der Ermittlung des Kundenwerts über den gesamten Beziehungszyklus hinweg wird deutlich, dass die Kunden B, D und F einer besonderen Pflege bedürfen, da sie den zukünftigen Ertrag maßgeblich generieren. Daher wäre es kurzsichtig, alle sechs Kunden gleich einzustufen, wie dies bei einer Betrachtung der Transaktionen in Periode 1 der Fall gewesen wäre. Der Kunde vom Typ D könnte z. B. ein Medizinstudent sein, der bisher nur einen geringen Umsatz mit seiner Bank tätigt. Nach dem Studium plant er jedoch die Einrichtung einer eigenen Praxis und wird in diesem Fall hinsichtlich seines Einkommens sowie der möglichen Kreditgeschäfte für eine Bank eine hohe Profitabilität entwickeln. Im Falle einer kurzfristigen, transaktionsbezogenen Betrachtung würden solche Marketingaktivitäten, die auf die Erzielung von Einzahlungen in der Zukunft gerichtet sind, nicht getätigt und damit wichtige Wertbeiträge von Kunden vernachlässigt werden. Infolgedessen stellt ein beziehungsorientiertes Marketing auf die über eine längere Beziehungsdauer zu erzielenden Umsatz- und Gewinnpotenziale eines Kunden ab. Die beziehungsorientierten Ansätze haben eine lange Tradition im Investitionsgütermarketing, wo Geschäftsbeziehungen auf verschiedenen Interaktionsebenen (Organisationen, Gruppen, Personen) untersucht werden (vgl. Kern 1990; Backhaus und Diller 1993). Neu ist die strategisch angelegte Perspektive, die in dem auf Harmonie ausge-
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1
Grundlagen des Marketing
richteten Leitbild für Geschäftsbeziehungen, der inneren Verpflichtung gegenüber den Geschäftsbeziehungen, der Gestaltung ökonomischer Anreize für den Aufbau und die Erhaltung einer dauerhaften Geschäftsbeziehung und vor allem in der Bedeutung des Konstruktes Vertrauen zur Erklärung von langfristigen Geschäftsbeziehungen zum Ausdruck kommt (vgl. Plötner 1995). Die Annahme des opportunistischen Verhaltens der Marktpartner wird bei einer Reihe von beziehungsorientierten Ansätzen zugunsten eines auf Kooperation und Vertrauen ausgerichteten Handelns aufgegeben. Das Beziehungsmarketing kann als eine solche Form der Partnerschaft zu allen externen und internen Anspruchsgruppen interpretiert werden (vgl. Backhaus 1997). Der Vorzug dieses Ansatzes liegt darin, dass der Fokus auf die ganzheitliche Erklärung und nachhaltige Gestaltung der Kundenbeziehungen gelegt wird (vgl. Gummesson 1987; Czepiel 1990; Grönroos 1990, 1994; Bruhn 1999; Mattmüller 2012; Bruhn und Homburg 2017). Dabei wird die Verantwortung für die Kundenbeziehungen auf die gesamte Unternehmensorganisation übertragen. Der Aufbau von Vertrauen als Grundvoraussetzung jeder dauerhaften Beziehung kann nur dann erreicht werden, wenn sich alle Mitarbeiter des Unternehmens in gleicher Weise der Kundenorientierung verpflichtet fühlen. Auf diese Weise gelingt es ferner, empirisch relevante Klassifikationen von Geschäftsbeziehungen – von Gelegenheitsbeziehungen bis hin zu Allianzen – abzugrenzen und im Hinblick auf die Größen Effizienz und Stabilität zu analysieren. Darüber hinaus wird dem Aspekt der Individualisierung im Sinne von Customization (vgl. Pine 1999) und der Aufgabe der Kundenbindung sowie der Gestaltung des finanziellen Kundenwertes ein besonderer Stellenwert zugemessen. Eine neue Dimension der Pflege von Kundenbeziehungen ist durch die Entwicklung der Social Media-Instrumente im Web 2.0 entstanden. Zunehmend findet in diesem Zusammenhang der Begriff Social Media-Marketing in der Literatur Verwendung. Er betont die strategischen und insbesondere instrumentellen Anpassungserfordernisse des Marketing unter Nutzung der Web 2.0-Technologien (vgl. Hettler 2010; Weinberg 2014; Zerfaß und Pleil 2012). Unter Social Media werden alle digitalen Medien verstanden, die den Nutzern den Austausch von Informationen und medialer Inhalte einzeln oder in einer Gemeinschaft (soziales Netzwerk) ermöglichen. Während soziale Netzwerke und die klassische Mundzu-Mund-Propaganda auch in der Vergangenheit in der Marketing- und Käuferverhaltensforschung eine Rolle spielten, ermöglichen die neuen digitalen Social Media-Instrumente hingegen eine globale Reichweite und Vernetzung von Konsumenten innerhalb kürzester Zeit. Insbesondere über electronic Word-of-Mouth (eWoM) findet ein Austausch zwischen den Nachfragern statt. Nachfrager teilen ihre Erfahrungen mit einem Produkt, indem sie Rezensionen verfassen und diese auf Plattformen wie Amazon für jeden zugänglich machen. Durch die Digitalisierung sind ferner neue Kontaktpunke zwischen Nachfragern und Unternehmen, aber auch zwischen den Nachfragern untereinander entstanden. So kommt ein Nachfrager auf seiner „Reise“ zum Kauf eines Produktes auf vielfältige Weise, offline sowie online, mit Unternehmen und anderen Nachfragern in Kontakt (vgl. Abschn. 2 in Kap. 2). Die Interaktion mit und über Unternehmen kann nahezu in Echtzeit erfolgen. Hieraus ergeben sich für die Marktforschung und das Marketingmanagement neue Herausforde-
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Ansätze der Marketingtheorie
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rungen. Im Vergleich zum klassischen Sender-Empfänger-Modell in der Kommunikation besteht für Unternehmen heute die Möglichkeit, kostengünstig mit Millionen von aktuellen und potenziellen Kunden in Interaktion zu treten. Hierdurch ergeben sich neue Chancen zur Initiierung und Pflege von Kundenbeziehungen. Andererseits erlangt der Einfluss von Konsumenteneinschätzungen über Marken und Unternehmen in sozialen Netzwerken eine zunehmende Bedeutung, und auf Märkten besteht zunehmend die Möglichkeit, Nachfragepotenziale über soziale Netzwerke zu bündeln (vgl. z. B. Arnold 2010; Scott 2017; Zerfaß und Pleil 2012). Neue Machtkonstellationen zwischen Unternehmen und Nachfragern auf klassischen und digitalen Märkten sind die Folge. Die beziehungsorientierten Ansätze münden in prozessorientierten Ansätzen, wenn die für die Kundenbeziehungen notwendigen Unternehmensprozesse stärker in die Betrachtung gerückt werden. Insbesondere im Dienstleistungsmarketing bildet die Integration von Kunden in den Dienstleistungserstellungsprozess ein konstitutives Merkmal. Vor diesem Hintergrund haben prozessorientierte Analysen der Dienstleistungserstellung eine besondere Bedeutung erlangt. Dabei werden insbesondere die Interkationen mit dem Kunden im Serviceprozess sowie die hierfür notwendigen Kompetenzen und Ressourcen betrachtet. Beispielhaft seine für prozessorientierte Ansätze seinen Service-Blue Prints oder Servicequalitätsprozesse angeführt (vgl. z. B. Meffert et al. 2015).
2.5 Einordnung des Marketing als wissenschaftliche Disziplin Die Ausführungen zur Entwicklung der Marketingdisziplin zeigen, dass in den letzten Jahrzehnten durch ein Deepening und Broadening des Marketing ein umfassendes Spektrum an theoretischen und empirischen Erkenntnissen entstanden ist. Begleitend gibt es seit den 50er Jahren eine kontroverse Literaturdiskussion darüber, ob Marketing „Art or Science“ ist, das heißt eher als künstlerische bzw. „handwerkliche“ Disziplin oder als Wissenschaftsdisziplin zu verstehen ist (vgl. z. B. Bartels 1951; Buzzell 1963; Hunt 1976; Peter und Olson 1983; Brown 1997; Löbler 2016). Zur Beantwortung der Frage, ob Marketing eine Wissenschaft ist, gilt es die Merkmale heranzuziehen, die eine Wissenschaft auszeichnen. Im Rahmen einer Wissenschaftsdisziplin geht es grundsätzlich darum, unbekannte Phänomene und Sachverhalte mit objektiven und intersubjektiv überprüfbaren Methoden zu beschreiben und zu erklären. Kennzeichnend für eine Wissenschaft ist somit: wirkliche Phänomene zu erkennen (Deskription) generalisierende Erklärungen hierfür abzuleiten (Explikation) und hierauf basierend bedingte Voraussagen vornehmen zu können. Aus diesen drei Merkmalen werden weitere wissenschaftliche Anforderungen (Objektivität, Überprüfbarkeit, Eindeutigkeit, Transparenz, Verlässlichkeit, Offenheit) abgeleitet (Akademien der Wissenschaften 2008).
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Grundlagen des Marketing
Eine enge Fassung des Marketing im Sinne einer Ableitung von Empfehlungen für Anbieter zur Gestaltung von Kundenbeziehungen zur Erreichung der Unternehmensziele unterstreicht einen managementbezogenen und normativen Aussagencharakter und wird somit den oben aufgeführten Anforderungen des Wissenschaftsverständnisses nicht gerecht. Hunt verweist hingegen bereits in den 70er Jahren auf das erweiterte Marketingverständnis eines Generic Marketing, das sich im Kern mit der Generierung von Wissen zur Beschreibung, Erklärung und Vorhersage von Austauschbeziehungen aller Art beschäftigt (Hunt 1976). Dabei können kommerzielle Austauschbeziehungen auf Märkten zwischen Anbietern und Nachfragern betrachtet werden wie auch Austauschbeziehungen in nichtkommerziellen Bereichen. Die durch Austauschbeziehungen erzeugten positiven Auswirkungen (Wertschöpfung, Wertaustausch) werden ebenso analysiert wie die damit einhergehenden negativen Effekte bzw. Externalitäten, die über Märkte vielfach nicht erfasst und gesteuert werden. Entsprechende Austauschprozesse werden z. B. in Ansätzen des Social- und Nachhaltigkeitsmarketing beschrieben sowie erklärt und es werden Gestaltungsempfehlungen für deren Verminderung bzw. Vermeidung analysiert (vgl. z. B. Meffert und Kirchgeorg 1998; Meffert et al. 2014; Löbler 2017). Die Beschreibung und Erklärung von Austauschprozessen, bei denen eine Verringerung oder Beendigung des Austausches (z. B. Verringerung des Ressourcenverbrauches, Reduzierung der Abgabe von Abfallmengen aus dem Konsumprozess in die natürliche Umwelt, Reduzierung des Drogenkonsums etc.) im Mittelpunkt steht, werden auch dem Konzept des De-Marketing zugeordnet (Kotler und Levy 1971). Entsprechende Erkenntnisse der Marketingdisziplin können für Unternehmen, Nachfrager, staatliche Institutionen, Verbände wie auch die Öffentlichkeit als Ganzes Verwendung finden (vgl. Löbler 2016). Wie die Ausführungen zuvor gezeigt haben, hat die Marketingdisziplin ein „Broading“ erfahren und hierüber wurden in der Forschung zunehmend Beschreibungen und Erklärungen von vielfältigsten Austauschbeziehungen für kommerzielle wie auch nicht kommerzielle Institutionen generiert (Kotler 2005). Der enge anbieterbezogene und normative Fokus zur Ableitung von Gestaltungsempfehlungen hat sich somit erheblich erweitert. Selbst wenn im Rahmen dieses Grundlagenwerk eine enge Fassung des Marketing im Mittelpunkt steht, so kann generell für die Marketingdisziplin als Ganzes eine Einordnung als Wissenschaftsdisziplin gerechtfertigt werden.
2.6
Integrativer Bezugsrahmen
Zusammenfassend wird an dieser Stelle zunächst deutlich, dass sich alle neuen und weiterführenden Theorieansätze in der Marketingwissenschaft im Kern mit Kundenbeziehungen beschäftigen und bspw. im Rahmen des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes auch auf organisationaler Ebene analysiert werden. Die Informationsökonomie betrachtet die Kundenbeziehung aus der Perspektive der Informationsverteilung zwischen Anbieter
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Ansätze der Marketingtheorie
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und Nachfrager und dem sich daraus ergebenden wahrgenommenen Risiko auf der Seite des Nachfragers. Der beziehungsorientierte Ansatz betrachtet Kundenbeziehungen demgegenüber in einem umfassenderen Sinn. Hier wird nicht nur die Informationsverteilung bei einer Transaktion analysiert, sondern die gesamte Kundenbeziehung über einen i. d. R. mehrjährigen Zeitraum untersucht. Auch dieses Vorgehen ist immer noch als einseitig zu bezeichnen, weil es die, für eine nachhaltig erfolgreiche Geschäftstätigkeit von Unternehmen, wichtigen Beziehungen zu anderen Anspruchsgruppen (Stakeholdern) außer Kunden (z. B. zu Mitarbeitern, Anwohnern am Firmensitz, Lieferanten, Steuerbehörden) weitgehend vernachlässigt. Ein wirklich umfassender Bezugsrahmen für ein modernes Marketingmanagement muss somit Kunden- und Stakeholderbeziehungen in den Mittelpunkt stellen. Zweitens wird erkennbar, dass zur Erklärung des langfristigen Marketing- und Unternehmenserfolges nicht mehr ausschließlich auf Merkmale des Absatzmarktes zurückgegriffen wird, sondern umfassendere Ansätze gewählt werden. Insbesondere die systemtheoretischen Überlegungen, die vor allem den gesellschaftlichen und ökologischen Kontext in die Erklärung des langfristigen Marketingerfolges einbeziehen und damit die Marktperspektive „nach außen“ erweitern, sind hier zu erwähnen. Auch der zu Beginn des ersten Kapitels erwähnte Resource-Based View erweitert die Marktperspektive, allerdings „nach innen“, indem nicht nur die unternehmensexterne Marktstruktur, sondern die Stärken und Schwächen eines Unternehmens vertiefend analysiert werden. Die neuen digitalen Interaktionsmöglichkeiten mit Nachfragern schaffen in diesem Zusammenhang neue Möglichkeiten für das Marketingmanagement, die Kunden- bzw. Marktperspektive mit der Innenperspektive direkt zu vernetzen. Ein umfassender Bezugsrahmen für ein modernes Marketingmanagement muss also die zu einseitige Marktperspektive um eine innengerichtete Perspektive des Marketing ergänzen, wie dies vor allem im Resource-Based View gefordert wird. Die systemtheoretische Erweiterung der Marktperspektive nach außen kann dabei durch die fundierte Analyse von Stakeholderbeziehungen integriert werden. Hierzu ist ein integrierter und theoretisch fundierter Bezugsrahmen zur Ausgestaltung des modernen Marketingmanagements und zur Erfassung der Erfolgswirkungen im Marketing notwendig. Dieser Bezugsrahmen ist in Abb. 13 dargestellt und dient gleichzeitig als Strukturierungsansatz für das vorliegende Lehrbuch. Nach der im Kap. 1 erfolgten Auseinandersetzung mit den Grundlagen des Marketing widmen sich die Kap. 2 und 3 der Käuferverhaltens- und Marketingforschung, die durch Gewinnung, Analyse und Bereitstellung geeigneter Information ein grundlegendes Verständnis von Märkten und den dort präsenten Anbieter-Nachfrager-Beziehungen gewährleistet. Im klassischen wie auch modernen Marketingverständnis bilden die Bedürfnisse der Nachfrager einen zentralen Bezugspunkt. Unter dem Blickwinkel des „Market Based View“ rücken die Käuferverhaltensforschung und die Erklärung der Kaufentscheidungen von Nachfragern in den Mittelpunkt des Kap. 2. Hieran schließt sich in Kap. 3 eine umfassende Betrachtung von Methoden und Instrumenten der Informationserfassung und -verarbeitung an. Die Einbeziehung von Marketinginformationen für Markt- und Absatz-
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Grundlagen des Marketing
I. Markttransaktionen
II. Entscheidungsprozesse
III. Wertebene Stakeholder Value
Abb. 13 Bezugsrahmen für den Aufbau des Lehrbuchs
prognosen sowie für Marktsegmentierungsentscheidungen vermittelt einen vertiefenden Einblick in die Anwendungsbereiche der Marketingforschung. Wie die obige Darstellung zum Aufbau des Lehrbuches veranschaulicht, so werden die Marketingentscheidungen von Anbietern durch den dargestellten Marketingmanagementprozess strukturiert. Die Kap. 4–11 beschäftigen sich mit den einzelnen Stufen des Marketingmanagements, d. h. es werden Hilfestellungen gegeben, die für die Planung, Umsetzung und Kontrolle von Marketingentscheidungen notwendig sind. In jedem Kapitel wird Bezug zu den Erfolgswirkungen anhand eines integrierten Marketingerfolgsmodells genommen. Basierend auf den Marktanforderungen (Perspektive des „Market Based View“) werden durch den Marketingmanagementprozess die Unternehmensressourcen und -kompetenzen (Perspektive des „Competence Based View“) koordiniert, um in effizienter Art und Weise Kunden-, Wettbewerbs- und Unternehmensvorteile zu generieren. Die systematische Planung von Marketingzielen und Marketingstrategien bildet hierfür eine zentrale Voraussetzung. Daher wird in Kap. 4 der Zusammenhang zwischen Unternehmens- und
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Märkte und Umwelt im Marketing
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Marketingzielen diskutiert und der Leser erhält einen Überblick über die Ansätze der strategischen Marketingplanung. In den Kap. 5–9 werden die instrumentellen Entscheidungen im Marketing-Mix betrachtet. Systematisch werden die Informationsgrundlagen und Ausgestaltungsmöglichkeiten der Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik sowie einige mixübergreifende Instrumente erörtert. Abschließend wird jedes Instrument im Hinblick auf mögliche Wirkungen auf den Marketingerfolg gewürdigt. Mit der Implementierung der Marketingentscheidungen beschäftigt sich das Kap. 10. Vertiefende Ausführungen zum Prozess der Marketingimplementierung verdeutlichen die Notwendigkeit der sorgfältigen Koordination aller Entscheidungen innerhalb des Marketing sowie zwischen dem Marketingmanagement und den anderen Funktionsbereichen eines Unternehmens. Verschiedene Instrumente und organisatorische Lösungen zur Marketingkoordination werden gegenübergestellt. Im Kap. 11 werden Ansätze des Marketingcontrollings vorgestellt, hierzu werden die nachfrager-anbieterbezogenen Wirkungen des Marketing wie auch die Einflüsse auf die Anspruchsgruppen eines Unternehmens systematisch erfasst. Im Gegensatz zu anderen Grundlagenwerken wird der integrierten Erfassung von Marketingerfolgswirkungen dabei besondere Bedeutung beigemessen. Die Erfolgskontrolle gehört zu einem konstitutiven Merkmal des Marketingmanagementprozesses (vgl. Abb. 6). Allerdings ist in der Marketingpraxis zu beobachten, dass der Messung von Erfolgswirkungen vielfach keine hinreichende Beachtung geschenkt wird beziehungsweise eine zu starke Fokussierung auf gewinn- und renditeorientierte Zielgrößen erfolgt (vgl. Bendle et al. 2010). Im Sinne der in diesem Lehrbuch vertretenen ganzheitlichen Interpretation des Marketing ist es aber zwingend erforderlich, die Erfolgsmessung konsequent im Marketingmanagementprozess zu verankern. Weiterhin dürfen die Wirkungen des Marketing nicht allein auf die Erzielung eines Kunden- und Anbieternutzens begrenzt werden. Vielmehr sind auch die Wirkungen gegenüber jenen Personen zu erfassen, die neben Anbieter und Nachfrager durch die Geschäftstätigkeit im weitesten Sinne betroffen sein könnten (Stakeholder). Letztlich manifestieren sich die Wirkungen den Marketingmanagements in verschiedenen Werten, die über den Wertschöpfungsprozess geschaffen werden. Wie dem Bezugsrahmen in Abb. 13 zu ersehen ist, wird hierbei im Rahmen des Lehrbuches auf der Wirkungs- und Wertebene zwischen dem Kunden-, Marken- und Unternehmenswert sowie dem übergeordneten Stakeholdervalue differenziert. Auf die Definition und Messung dieser Erfolgsgrößen wird im Verlaufe der folgenden Kapitel detailliert eingegangen.
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Märkte und Umwelt im Marketing
Märkte bilden die „Arena des Marketing“. Auf Märkten treffen Anbieter und Nachfrager zusammen und gestalten ihre Austauschprozesse. Märkte werden zur Mikroumwelt eines Unternehmens gezählt.
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Grundlagen des Marketing
Die Mikroumwelt eines Unternehmens wird auch als Aufgabenumwelt bezeichnet, da sie die engste Bindung zwischen den Unternehmensaktivitäten und den externen Transaktionspartnern aufweist. Die Transaktionspartner auf den Beschaffungs- und Absatzmärkten (Lieferanten, Handel, Konsumenten), die Konkurrenten, aber auch jene Institutionen und Teilöffentlichkeiten (Aufsichtsämter, Behörden etc.), die unmittelbar die Unternehmensaktivitäten beeinflussen, zählen zur Aufgabenumwelt. Zur Makroumwelt eines Unternehmens zählen hingegen alle Faktoren, die von einem einzelnen Unternehmen nicht kontrolliert werden können. Sie beeinflussen das Verhalten von Unternehmen und Transaktionspartnern der Aufgabenumwelt zumeist indirekt. Die Makroumwelt kann in die übergeordnete ökologische sowie politisch-rechtliche, sozio-kulturelle, ökonomische und technologische Umwelt differenziert werden. Abb. 14 zeigt ein Systemmodell der Unternehmensumwelt. Alle Umweltebenen sind miteinander vernetzt und beeinflussen in direkter oder indirekter Art und Weise Austauschprozesse auf Märkten. Im Rahmen der Situationsanalyse des Marketingmanagements bildet die Analyse der Mikro- und Makroumwelt, neben der Erfassung der unternehmensinternen Stärken und Schwächen, den zentralen Ausgangspunkt. Daher ge-
International National Regional Globale Umwelt
Interaktionsumwelt Absatzmärkte
Ökologische Umwelt
Öffentlichkeit,
Ökonomische Umwelt
Staat, Soziokulturelle Umwelt
Technologische Umwelt Politischrechtliche Umwelt
Kunden, Handel, Verbraucherorganisationen
Medien,
Unternehmen
Bürgerinitiativen Beschaffungsmärkte Etc.
Digitale Umwelt
Abb. 14 Modell der Unternehmensumwelt (Quelle: Meffert und Kirchgeorg 1998, S. 82)
Lieferanten, Geldgeber, Stellenbewerber
Wettbewerber
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Märkte und Umwelt im Marketing
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hört die Auseinandersetzung mit Märkten und Marktteilnehmern sowie der Dynamik der Mikro- und Makroumwelt zu den grundlegenden Erfordernissen des Marketing.
3.1 Märkte als Mikroumwelt des Marketing 3.1.1 Marktteilnehmer Mit der Definition, Abgrenzung und Kennzeichnung von Märkten haben sich bereits unterschiedliche Forschungsdisziplinen wie die Volkswirtschaftslehre (VWL), die Rechtswissenschaften und die BWL im Allgemeinen sowie die Marketingtheorie im Speziellen beschäftigt (vgl. Meffert 2000, S. 36 f.). In der VWL wird der Markt aus objektiver, neutraler Perspektive („Vogelperspektive“) betrachtet. Dabei werden zwei Forschungszweige unterschieden: Zum einen wird der Markt als Vorgang verstanden, bei dem Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen und Anbieter und Nachfrager, eingebettet in einen Wettbewerbsprozess, Leistungen austauschen. Zum anderen stellt sie auf die Menge der beteiligten Akteure ab. Der Markt wird hierbei als die Menge von Nachfragern und Anbietern für bestimmte Güter definiert, über unterschiedliche Mengenausprägungen werden verschiedene Marktformen (Monopol, Oligopol, Polypol) definiert. In der BWL und speziell in der Marketingtheorie wird der Markt vom Standpunkt einer Marktpartei (Anbieterperspektive) betrachtet. Die Marketingtheorie schenkt der Absatzseite besondere Beachtung, weil die Gestaltung der Marketinginstrumente eines Unternehmens überwiegend im Hinblick auf das Kaufverhalten der aktuellen und potenziellen Kunden erfolgt, obwohl zunehmend auch andere Stakeholder eine Rolle spielen. Allgemein kann ein Markt wie folgt definiert werden: I Markt „Ein Markt besteht aus einer Menge aktueller und potenzieller Nach-
frager bestimmter Leistungen sowie der aktuellen und potenziellen Anbieter dieser Leistungen und den Beziehungen zwischen Nachfragern und Anbietern.“
Damit besteht der Markt aus einer Menge von Akteuren und deren Beziehungen untereinander. Zu den Marktakteuren gehören im Allgemeinen (vgl. Steffenhagen 2008, S. 25 ff.): Aktuelle Nachfrager (Käufer, Konsumenten, Kunden, Verbraucher) Aktuelle Nachfrager fragen Leistungen bei den Anbietern nach und haben diese ggf. auch schon erworben. Zu den grundsätzlichen Kategorien von Nachfragern zählen einzelne Privatpersonen, Haushalte, Unternehmen, öffentliche (z. B. Behörden) und andere Institutionen (z. B. Vereine, Verbände etc.). Haben Nachfrager ein Produkt erworben, werden sie als Käufer bezeichnet, die aus der Sicht desjenigen Anbieters, bei dem sie gekauft haben, den Status eines Kunden einnehmen. Vielfach werden Nachfrager und Käufer auch als Verbraucher (Nutzer) oder Konsumenten bezeichnet. Der
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Grundlagen des Marketing
Begriff Konsument findet dabei für die privaten Nachfrager Anwendung. Wenngleich die Begriffe Nachfrager, Käufer und Verbraucher vielfach synonym verwendet werden, können sie jedoch unterschiedliche Personen betreffen. Insbesondere im Industriegütermarketing, wo die Austauschprozesse zwischen Organisationen wie z. B. Zulieferern und Herstellern betrachtet werden, ist dies häufig der Fall. So artikuliert der Leiter einer EDV-Abteilung bspw. den Bedarf von zehn PCs (Nachfrager), die schließlich von der Einkaufsabteilung gekauft werden (Käufer) und von Mitarbeitern der EDV-Abteilung täglich genutzt werden (Nutzer). Auch im Konsumgütermarketing lassen sich viele Beispiele anführen, bei denen Käufer und Nutzer nicht in einer Person vereint sind. So erfolgt z. B. der Einkauf von Kinderkleidung durch die Eltern (Käufer). Die Kinder sind letztlich die Nutzer, weil sie die Kleidungsstücke tragen. Dieser Sachverhalt führt bei der Analyse der an den Austauschprozessen beteiligten Akteure zu einer erhöhten Komplexität, die auch in spezifischen Kaufentscheidungsmodellen abgebildet wird (vgl. Kap. 2 in diesem Buch). Potenzielle Nachfrager (Käufer, Konsumenten, Kunden, Verbraucher) Potenzielle Nachfrager haben ein Bedürfnis, das sie mit angebotenen, aber bislang noch nicht nachgefragten Marktleistungen befriedigen könnten. Gründe für den nicht getätigten Kauf können im defizitären Informationsstand der potenziellen Nachfrager, ihrer geringen Kaufkraft oder in gesetzlichen Restriktionen liegen. Bspw. müssen Jugendliche erst ein bestimmtes Lebensalter erreicht haben, wenn sie einen Führerschein machen wollen. Für eine Fahrschule bestimmt die Anzahl an potenziellen Automobilnachfragern jedoch in erheblichem Umfang die Zukunftsentwicklung des Marktes. Aktuelle Anbieter (Konkurrenten, Wettbewerber) Hierzu gehören alle Anbieter, die bestimmte Leistungen für die Nachfrager herstellen und am Markt anbieten. Nach der Anzahl der Anbieter lassen sich bestimmte Marktformen unterscheiden. I. d. R. sieht sich ein Anbieter Wettbewerbern bzw. Konkurrenten, d. h. weiteren Anbietern, gegenüber, die für die Nachfrager gleiche oder ähnliche Leistungen anbieten. Welche Anbieter als Wettbewerber zu betrachten sind, erfordert Überlegungen zur Abgrenzung des relevanten Marktes (vgl. Abschn. 3). Potenzielle Anbieter (potenzielle Konkurrenten, Wettbewerber) Hierzu zählen Anbieter, die aus anderen geographischen Regionen (z. B. anderen Ländern) und/oder durch das Angebot von Substitutionsprodukten einen Beitrag zur Bedürfnisbefriedigung der Nachfrager leisten könnten, aber bisher mit noch keinem zu erwerbenden Angebot an die Nachfrager herangetreten sind. Substitutionsprodukte können einen Beitrag zur Befriedigung der Nachfragerbedürfnisse leisten, obwohl sie auf völlig anderen Technologien basieren als die etablierten Produkte. So stellen z. B. die Downloadmöglichkeiten von Musik aus dem Internet ein Substitutionsprodukt zu Musik-CDs dar. Absatzmittler Viele Märkte sind dadurch gekennzeichnet, dass Hersteller und Nachfrager nicht direkt miteinander in Kontakt treten, sondern Anbieter die Möglichkeit des indirekten Absatzes ihrer Leistungen über Absatzmittler wie z. B. Handelsunternehmen, Makler und
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Märkte und Umwelt im Marketing
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Handelsvertreter nutzen (vgl. z. B. Hansen 1990; Müller-Hagedorn 2011). Auf Märkten besitzen Handelsunternehmen heute eine erhebliche Nachfragemacht. Im deutschen Lebensmittelhandel bspw. verteilt sich ein Großteil des Gesamtumsatzes auf wenige prägende Akteure wie Metro, Rewe, Edeka, Aldi und die Schwarz-Gruppe. Die Handelsunternehmen übernehmen damit für die Hersteller eine erfolgskritische „Gatekeeper-Funktion“ bei der Gestaltung von Austauschprozessen. Zunehmend erlangen Onlineanbieter wie Amazon, Ebay oder Zalando als Anbieter eine internationale Machtstellung als Absatzmittler. Folglich sind bei der Entwicklung einer Marketingkonzeption nicht nur die Nachfrager sondern auch die Absatzmittler durch ein absatzmittlergerichtetes Marketingkonzept anzusprechen. Absatzhelfer Zu den Absatzhelfern zählen all jene Unternehmen bzw. Institutionen, die bei dem Zustandekommen von Austauschprozessen Unterstützungsleistungen erbringen. Zu den Absatzhelfern zählen z. B.: – Logistikunternehmen, die den Transport von Gütern übernehmen. – Banken, die die Abwicklung des Zahlungsverkehrs zwischen Anbieter und Nachfrager unterstützen sowie Finanzierungsleistungen erbringen. – Versicherungsgesellschaften, die z. B. Transportversicherungen zur Verfügung stellen. – Adressenverlage, die Adressen zur Kontaktierung von Nachfragern bereitstellen. – Preisagenturen, die Nachfrager bei der Suche nach dem günstigsten Anbieter unterstützen. Sie fördern die Markttransparenz und verringern Informationsasymmetrien. Beeinflusser (Warentestinstitute, Verbraucherberatungen, Internetportale, Blogger) Aufgrund ihres erheblichen Einflusses auf Markttransaktionen werden auch sog. Beeinflusser als Marktakteure betrachtet. Sie übernehmen einen Beitrag zur Schaffung von Markttransparenz und zur Verbraucheraufklärung. Mithilfe von eigenen Informationsmedien (z. B. Internet, Zeitschriften, Broschüren) und Pressearbeit versuchen diese Institutionen Einfluss auf das Wissen und Verhalten der Nachfrager zu nehmen (vgl. Steffenhagen 2008, S. 28 f.) Vielfach wird der Staat nicht nur als Nachfrager und Anbieter von Marktleistungen sondern auch als eigenständiger Akteur aufgeführt, der durch gesetzliche Regelungen in Form von Geboten und Verboten sowie die Erhebung von Steuern und Zöllen (z. B. Mehrwertsteuer) wesentliche Rahmenbedingungen für das Marktgeschehen definiert. Im Folgenden wird der Staat zunächst als diejenige Institution verstanden, die die Rahmenbedingungen und Spielregeln für das Marktgeschehen maßgeblich bestimmt. Hingegen wird der Staat nur dann als Marktakteur betrachtet, wenn er als Nachfrager oder Anbieter von Marktleistungen auftritt. Inwieweit Absatzmittler und Absatzhelfer bei der Gestaltung der Austauschbeziehungen einbezogen werden, hängt von einer Vielzahl von Einflussfaktoren ab. Dabei spielen die Transaktionskosten, die durch den Austauschprozess beim Anbieter und Käufer ent-
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Grundlagen des Marketing
stehen, eine besondere Rolle. Zu den Transaktionskosten zählen nicht nur der Preis eines zu erwerbenden Gutes, sondern die darüber hinausgehenden Kosten des Anbieters und Nachfragers zur Gestaltung und Abwicklung einer Transaktion. Hierzu zählen Kosten für die Anbahnung einer Transaktion, den Kaufabschluss sowie die Durchsetzung und Überwachung von Verträgen (vgl. Coase 1937; Gümbel und Woratschek 1995). Können Absatzmittler oder -helfer bestimmte Leistungen kostengünstiger erbringen als die beiden Marktparteien, bietet es sich aus ökonomischen Gründen an, diese mit einzubeziehen. Bei der Analyse von Märkten sind daher zunächst einmal Art und Anzahl der Akteure wichtige Beschreibungsmerkmale. Gemäß der Marktdefinition stellen die im Folgenden zu betrachtenden Austauschprozesse und Beziehungen zwischen Anbieter und Nachfrager ein weiteres konstitutives Element von Märkten dar.
3.1.2 Kennzeichnung unterschiedlicher Marktformen In der VWL und BWL sowie speziell in der Marketingtheorie erfolgt die Kennzeichnung von Märkten anhand charakteristischer Merkmale wie z. B. Anzahl und Größe von Marktakteuren, Art der ausgetauschten Leistungen, Richtung der Austauschprozesse, Spielregeln des Marktes, räumliche Lage des Marktes und Vollkommenheitsgrad des Marktes und der Markteintrittsbarrieren. Diese Abgrenzungskriterien entstammen überwiegend der Marktformenlehre (vgl. Ott 1978, S. 7 ff.; Nieschlag et al. 2002). Im Einzelnen sind vor allem folgende Aspekte bedeutsam: Anzahl und Größe der Marktteilnehmer: Monopol, Oligopol, Polypol Durch die Verknüpfung von Zahl und Größe der Anbieter und Nachfrager auf einem Markt ergeben sich im Wesentlichen die Marktformen des Monopols, Oligopols und Polypols. Existiert nur ein Anbieter, besteht ein monopolistischer Markt. Stehen sich wenige große Anbieter im Markt gegenüber, wird von einem Oligopol gesprochen, stehen viele Anbieter vielen Nachfragern gegenüber, von einem Polypol. Wird nur die Nachfragerseite betrachtet, kann auch die Situation eines Nachfragemonopols und -oligopols unterschieden werden. Leistungsart: Konsum-, Investitionsgüter-, Dienstleistungs-, Finanzmärkte Hinsichtlich der Transaktionsobjekte lassen sich Märkte nach Konsumgütern (Nachfrager sind Privatpersonen), Investitionsgütern (Nachfrager sind Unternehmen bzw. Institutionen) oder Dienstleistungen (immaterielle Güter mit spezifischen Besonderheiten) differenzieren. Auf den Finanzmärkten werden monetäre Transaktionen durchgeführt (z. B. Börsen). Weiterhin können Märkte nach Güterkategorien wie Verbrauchsgütermärkte (z. B. Markt für Lebensmittel) und Gebrauchsgütermärkte (z. B. Automobilmarkt) klassifiziert werden. Transaktionsrichtung: Beschaffungs- und Absatzmärkte Anhand der primären Richtung einer Transaktion können Beschaffungs- oder Absatzmärkte unterschieden werden (vgl. Nieschlag et al. 2002). Aus der Sicht eines An-
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Märkte und Umwelt im Marketing
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bieters als Verkäufer werden Transaktionen auf einem Absatzmarkt getätigt. Wird die Sicht des Nachfragers eingenommen, der mit seiner Kaufentscheidung eine Beschaffung durchführt, so agiert er aus seiner Sicht auf einem Beschaffungsmarkt. Transaktionsart: stationäre und Distanz- (elektronische) Märkte In der Entstehungsgeschichte dominierte über viele Jahrhunderte das Treffprinzip, nach dem sich Anbieter und Nachfrager an einem physischen Ort trafen. Durch neue Kommunikationstechnologien ist es jedoch auch möglich, Transaktionen im sog. Distanzhandel zu organisieren. Hierzu gehört der Versandhandel, durch den Transaktionen zumeist (z. B. Bestellung, Leistungslieferung) auf dem Telefon- und/oder Postwege erfolgen. Zu den modernen Formen des Distanzhandels zählen elektronische Märkte, auf denen Transaktionen über das Internet abgewickelt werden (Heinemann 2017). Transaktionen können sich dabei sowohl auf den Austausch von Informationen und Finanzmitteln als auch auf die Kernleistung selbst (z. B. elektronische Bücher) beziehen. Im letzteren Fall wird von digitalisierten Produkten gesprochen (vgl. Wirtz 2010). Spielregeln des Marktes: freie und regulierte Märkte Regeln umfassen etwa staatliche Gesetze und Verordnungen, die ein ganzes Kontinuum von Marktbeschränkungen enthalten. Staatlich regulierte Märkte liegen dann vor, wenn der Staat den Marktteilnehmern Beschränkungen hinsichtlich der zu vereinbarenden Transaktionsbedingungen und der Art und Weise der Kontrahierung auferlegt (z. B. Preisregulierung auf Teilen des Energie- und Telekommunikationsmarktes). Zugang zu den Märkten: offene und geschlossene Märkte Der Zugang zum Markt kann faktisch oder juristisch beschränkt sein. Geschlossene Märkte sind meist Ausdruck einer Kontingentierung (mengenmäßige Beschränkung des Angebotes) und/oder einer Konzessionierung. In Deutschland ist bspw. der Betrieb von Gaststätten, Taxi- oder Speditionsunternehmen vom Gesetzgeber kontingentiert. Nicht juristische, wohl aber faktisch geschlossene Märkte finden sich bspw. im Luftverkehr. Aufgrund der starken Nachfrage nach zeitlich genau festgelegten Abflug- und Landerechten (sog. Slots) ist bspw. am Flughafen London-Heathrow der Marktzugang für neue Airlines kaum möglich. Vollkommenheitsgrad des Marktes Ein vollkommener Markt ist gegeben, wenn bei sachlicher Gleichartigkeit der Güter keine persönlichen, räumlichen und zeitlichen Präferenzen auf Seite der Nachfrager bestehen sowie vollständige Markttransparenz vorhanden ist. Ist eine dieser Bedingungen nicht erfüllt, wird von einem unvollkommenen Markt gesprochen (vgl. von Stackelberg 1951). Netzwerkeffekte von Märkten Beim klassischen Verständnis von Märkten stehen Anbieter einer Nachfragergruppe gegenüber. Die Anbieter richten ihr Angebote auf die Nachfragergruppe aus und über den Preismechanismus werden die Leistungen im Wettbewerb ausgetauscht. Gegenüber diesen einseitigen Märkten werden Märkte als zweiseitig charakterisiert, wenn ein Anbieter zwei Nachfragerkategorien mit einem Medium bzw. über eine Plattform bedienen kann, die sich gegenseitig beeinflussen. Typische Beispiele für zweiseitige
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Grundlagen des Marketing
Märkte stellen werbefinanzierte Medien(Rezipienten- und Anzeigengeschäft), digitale Internetplattformen dar oder auch Auktionsanbieter sowie Messeveranstalter (Koordination von Austauschprozessen zwischen Ausstellern und Besuchern) dar. Das Nachfrageverhalten beider Kundengruppen kann sich positiv wie auch negativ bedingen. Dadurch, dass ein Anbieter bzw. eine Plattform die Nachfrager in Interaktion bringt, entstehen externe Effekte (Netzwerkeffekte) zwischen den beteiligten Nachfragergruppen (vgl. Bundeskartellamt 2015), über die Anbieter auf zweiseitigen Märkten einer besonderen Entwicklungsdynamik unterliegen können.
3.1.3 Problem der Abgrenzung des relevanten Marktes Die dargestellten Marktformen und -typen geben zwar Aufschluss über verschiedene Charakteristika, aber zur konkreten Abgrenzung eines Marktes liefern sie keine ausreichenden Hinweise. Die oben dargestellte Marktdefinition liefert zunächst nur die grundsätzlichen Merkmale, die einen Markt auszeichnen. Wie viele Anbieter und Nachfrager zu einem Markt gehören und wo die Grenzen eines Marktes zu ziehen sind, wird durch die Marktdefinition nicht beantwortet. Allerdings nimmt die Beantwortung der Frage nach der Abgrenzung eines Marktes eine zentrale Rolle bei der Unternehmensführung ein. Erst durch die Abgrenzung des Marktes können folgende Schlüsselfragen beantwortet werden: Wie viele Nachfrager beinhaltet der Markt, und wie groß ist der Markt gemessen am zu erzielenden Umsatz? Wie viele Anbieter beinhaltet der Markt, und welche Anbieter gehören zu den Hauptkonkurrenten? Wie groß ist der Marktanteil eines Anbieters? Mit welcher Marktreaktion kann ein Unternehmen bei der Veränderung seiner Marketinginstrumente von Seiten der Konkurrenten und Nachfrager rechnen? Hat ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung, sodass wettbewerbsrechtliche Vorgaben nicht mehr eingehalten werden? Grundsätzlich werden bei der Marktabgrenzung die folgenden Kriterien herangezogen (vgl. Backhaus und Schneider 2009, S. 55 ff.): Sachlich: Welche Arten von Leistungen werden am Markt angeboten? Zeitlich: Ist der Markt zeitlich begrenzt? Räumlich: Ist der Markt lokal, regional, national oder international begrenzt? Während die zeitliche und räumliche Abgrenzung eines Marktes i. d. R. keine großen Schwierigkeiten bereitet, ergeben sich besondere Probleme bei der Marktabgrenzung nach sachlichen Gesichtspunkten. Die sachliche Marktabgrenzung erscheint auf den ersten Blick recht simpel, allerdings werden hierbei in der Marketingpraxis häufig grundlegende
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Fehler gemacht, die folgenschwere Fehlentscheidungen nach sich ziehen können. Bereits in den 60er Jahren hat Theodore Levitt unter dem Stichwort „Marketing Myopia“ (vgl. Levitt 1960) darauf hingewiesen, dass die Märkte in der Praxis oft viel zu eng abgegrenzt werden. Dies hat zur Folge, dass Bedrohungen durch Substitutionsprodukte und neue Wettbewerber viel zu spät erkannt werden, d. h. der Markt wird von der Art und Anzahl der Akteure nicht vollständig definiert. Der Grund hierfür liegt vielfach in einer zu produktzentrierten Abgrenzung des Marktes, sodass die dahinterstehenden Nachfragerbedürfnisse keine Berücksichtigung finden (vgl. Abell 1980). Insbesondere die für die Technologieentwicklung verantwortlichen Ingenieure definieren den Markt vielfach primär über die jeweilige Produkttechnologie. Zudem zeigt sich, dass sich Marktgrenzen im Zeitablauf auch verschieben können. Während Drucker, Kopier-, Fax- und Telefongeräte lange Zeit als getrennte Märkte betrachtet wurden, sind diese über die Technologieintegration heute zusammengewachsen. Ein Beispiel soll das Problem der sachlichen Marktabgrenzung verdeutlichen. Bei Betrachtung der Abgrenzung des Marktes für einen Hersteller von Bohrmaschinen wäre die Marktdefinition über die Produktkategorie „Bohrmaschinen“ zu eng. Die Analyse der dahinterstehenden Kundenbedürfnisse zeigt, dass der Einsatz von Bohrmaschinen der Befriedigung von Befestigungsbedürfnissen dient. Wird der Markt für Bohrmaschinen als Markt für Befestigungstechnologien definiert, so erweitert sich die Betrachtung der Technologien, Nachfrager und relevanten Wettbewerber. Letztlich bieten auch Klebstoffhersteller, Magnetplattenhersteller u. a. Befestigungstechnologien an, die die traditionelle Befestigung mit Bohrlöchern und Dübeln ersetzen können. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass der relevante Markt auf der Grundlage von Kundenbedürfnissen und nicht anhand von eng definierten Produktkategorien abgegrenzt werden sollte, da sonst die Gefahr der Fehleinschätzung des Marktes besteht. Die bedürfnisorientierte Marktabgrenzung führt hingegen zur Berücksichtigung aller Substitutionstechnologien und damit nicht nur zu einer valideren Einschätzung der Marktentwicklung, sondern auch zu einem erweiterten Suchraum für Produktinnovationen. Aufgrund des besonderen Stellenwertes der Marktabgrenzung werden im dritten Kapitel (vgl. Abschn. 3 in Kap. 3) dieses Buches verschiedene Theorien und praktische Ansätze zur Marktabgrenzung detailliert vorgestellt und gewürdigt.
3.1.4 Kennzeichnung des relevanten Marktes anhand von quantitativen Merkmalen Auf der Grundlage einer adäquaten Marktabgrenzung kann der Markt in seiner Gesamtheit analysiert und anhand von quantitativen Schlüsselmerkmalen weitergehend charakterisiert werden. Mithilfe der Schlüsselmerkmale können die folgenden Fragen beantwortet werden: Welches Potenzial hat ein Markt mengen- und wertmäßig? Inwieweit wird das Marktpotenzial bereits ausgeschöpft?
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Welche Position nimmt ein Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz im Gesamtmarkt ein? Wie entwickelt sich der Markt in der Zukunft? Abb. 15 veranschaulicht, mit welchen Schlüsselmerkmalen ein Markt bzw. die Marktentwicklung in quantitativer Form zu beschreiben ist. Das Marktvolumen ist die gegenwärtig von allen Anbietern abgesetzte Menge von Marktleistungen. In einigen Branchen, wie z. B. der Automobilindustrie, ist das Marktvolumen durch die amtlich verfügbaren Statistiken über die Fahrzeuganmeldungen hinreichend gut zu erfassen. In anderen Märkten sind Marktvolumenermittlungen ggf. nur mit großen Schwierigkeiten durchzuführen. Vielfach bieten Marktforschungsinstitute Dienstleistungen an, Marktvolumendaten auf der Grundlage von Hersteller-, Handels- und Kundenbefragungen zu ermitteln bzw. zu prognostizieren. Je nach Lebensdauer eines Produktes kann die Entwicklung des Marktvolumens zunächst nur auf Erstkäufen und im späteren Verlauf auch auf Ersatzbeschaffungen beruhen. Das Marktpotenzial umfasst die Gesamtheit aller möglichen Absatzmengen eines Marktes. Werden neue Märkte geschaffen, so besteht i. d. R. ein hohes, nicht ausgeschöpftes Marktpotenzial, das mit zunehmender Verbreitung der Produkte ausgefüllt wird. Im Zeitablauf kann das Marktpotenzial auch ausgeweitet werden, weil sich zunehmend neue Nachfrager für das Produkt als potenzielle Kunden interessieren. Die Berechnung des Marktpotenzials verlangt neben der Ermittlung des Marktvolumens die Abschätzung, welche zusätzlichen Mengen bzw. Umsätze mit potenziellen Nachfragern und bestehenden Käufern realisiert werden können. Marktpotenzial
Stück/Wert
Marktvolumen
Absatzvolumen von Anbieter A
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t1 Zeit (t)
Abb. 15 Schlüsselgrößen zur quantitativen Beschreibung des relevanten Marktes
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Märkte und Umwelt im Marketing
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Der Marktausschöpfungsgrad bzw. Marktsättigungsgrad kann durch den Vergleich des Marktvolumens mit dem Marktpotenzial ermittelt werden: Marktausschöpfungsgrad D
Marktvolumen Marktpotenzial
(1)
Der Marktausschöpfungsgrad kann zwischen 0 und 1 liegen. Tritt ein Unternehmen als erstes in einen neuen Markt ein und startet mit den Absatzaktivitäten, so wäre der Ausschöpfungsgrad in diesem Fall zunächst 0. Im Zeitablauf erhöht sich i. d. R die Zahl der Anbieter und die Wettbewerbsintensität nimmt zu. Je höher der Ausschöpfungsgrad ist (nahe 1), desto schwieriger wird es für den einzelnen Anbieter sein, neue Käuferschichten zu erschließen. Vielmehr können nur noch Kunden von den bestehenden Konkurrenten abgeworben werden. Das Absatzvolumen kennzeichnet die Absatzmenge des Produktes eines Unternehmens. Das Absatzvolumen des eigenen Unternehmens kann problemlos ermittelt werden, während die Erfassung der Absatzvolumina der Konkurrenten eine intensive Konkurrenzbeobachtung oder die Abschätzung auf Grundlage von Kundenbefragungen erforderlich macht. Die Ermittlung des Marktpotenzials und des Markt- sowie Absatzvolumens kann auf mengen- oder wertmäßiger Basis erfolgen. Der Marktanteil eines Unternehmens ergibt sich aus dem Verhältnis von Absatzvolumen zu Marktvolumen. Marktanteil in % D
Absatzvolumen (pro Zeiteinheit) 100 Marktvolumen (pro Zeiteinheit)
(2)
Der Marktanteil stellt die wichtigste Größe zur Ermittlung der Position eines Unternehmens im Konkurrenzumfeld innerhalb des relevanten Marktes dar. Vielfach wird auch der relative Marktanteil berechnet. Relativer Marktanteil D
Marktanteil des eigenen Unternehmens Marktanteil des stärksten Konkurrenten
(3)
Hierbei wird der Marktanteil des eigenen Unternehmens ins Verhältnis zum Marktanteil des Hauptwettbewerbers gesetzt. Hat ein Unternehmen einen absoluten Marktanteil von 20 % und sein Hauptwettbewerber von 40 %, so beträgt der relative Marktanteil 0,5 (20 % : 40 %). Der eigene Marktanteil beträgt somit nur die Hälfte des Marktanteiles des Hauptwettbewerbers. Die Ermittlung des relativen Marktanteiles kann zur Abschätzung von Kostendegressionseffekten im Vergleich zur Konkurrenz eine wichtige Kenngröße darstellen. Teilweise wird im Nenner auch der Marktanteil der drei wichtigsten Wettbewerber abgetragen, um eine weniger stark schwankende Kennzahl ermitteln zu können.
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1
Grundlagen des Marketing
3.1.5 Anbieter-Nachfrager-Beziehungen auf Märkten Zwischen den oben dargestellten Marktakteuren lassen sich mehr oder weniger intensive Austauschprozesse beobachten. Der Begriff Austausch bzw. Transaktion bezeichnet auf Märkten die Übertragung von Gütern oder Dienstleistungen zumeist durch Verkauf oder Vermietung. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich um die Übertragung von Verfügungsrechten vom Anbieter auf den Käufer gegen ein bestimmtes Entgelt. Der mit einem Austausch verbundene Prozess umfasst die Aktivitäten des Kennenlernens bzw. des Anbahnens, Verhandelns, Abwickelns und Kontrollierens der erhaltenen Leistung und wird in der ökonomischen Theorie auch als Transaktionsprozess bezeichnet. Dieser lässt sich durch Güter- bzw. Leistungs-, Geld- und Informationsströme charakterisieren. 3.1.5.1 Markttransaktionen und Wettbewerbsvorteile In Abb. 16 ist ein einfaches Marktmodell mit zwei Anbietern und einem Nachfrager sowie den Marktbeziehungen dargestellt. Hierbei wird deutlich, dass die Austauschbeziehungen zwischen den Marktakteuren unterschiedliche Ausprägungen haben können. Den Gegenstand von Austauschprozessen zwischen den Marktparteien können Informationen, Produkte und Dienstleistungen sowie nominale Güter bzw. finanzielle Mittel bilden. Kauft der Nachfrager beim Anbieter A ein Produkt, so können hiermit folgende Austauschprozesse einhergehen: 1. Der Nachfrager informiert sich über das Produkt bei Anbieter A und B (Informationsaustausch). 2. Der Nachfrager entscheidet sich für Anbieter A und bestellt das Produkt per Internet (Informationsaustausch). 3. Der Anbieter liefert das Produkt an den Nachfrager (Güteraustausch). 4. Der Nachfrager bezahlt die Rechnung (Finanzmittelaustausch).
Nachfrager
Ge
ld
Pr
od
uk
t
Inf
en
orm
on
ti ma
ati
or
Inf
Anbieter A
Wettbewerbsvorteil A > B
Vom Nachfrager wahrgenommener Netto-Nutzen-Vorteil
Abb. 16 Grundmodell eines Marktes
on
en
Anbieter B
3
Märkte und Umwelt im Marketing
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Die Leistung, die der Nachfrager erwerben will, kann sehr vielfältig sein. Neben Produkten und traditionellen Dienstleistungen (z. B. Haarschnitt, Theaterbesuch) können u. a. Rechte (z. B. Markenlizenzen), Erlebnisse (z. B. Besuch eines Walt Disney-Parks), Personen (z. B. Filmstar, Sänger) oder Städte, Regionen und Länder (z. B. Tourismusziele), Unternehmen (z. B. Verkauf von Firmen), Informationen (z. B. Suchmaschinen) bis hin zu Ideen den Gegenstand von Austauschprozessen bilden (vgl. Kotler und Keller 2015). Im obigen Beispiel findet der Kauf eines Produktes von Anbieter A jedoch nur dann statt, wenn der Nachfrager einen Netto-Nutzen-Vorteil wahrnimmt, d. h. das Produkt des Anbieters A gegenüber dem von Anbieter B präferiert. Wenn dies der Fall ist, dann hat Anbieter A gegenüber Anbieter B einen Wettbewerbsvorteil realisiert. Entscheidend für das Zustandekommen einer Markttransaktion ist somit, dass Anbieter A gegenüber B einen vom Nachfrager wahrgenommenen Wettbewerbsvorteil hat. Dieser wahrgenommene Vorteil wird auch als Unique Selling Proposition (USP) bezeichnet (vgl. Reeves 1970). Vielfach wird Marketing mit dem Primat „Der Kunde ist König“ verbunden. Allerdings besteht in wettbewerbsintensiven Märkten die Gefahr, dass angesichts der Maximierung der Nachfragerorientierung und der Erfüllung aller Nachfragerbedürfnisse die Konkurrenzangebote und die Kosten vernachlässigt werden. Die Wirtschaftlichkeit des vom Nachfrager wahrgenommenen Preis-Leistungsverhältnisses muss als Nebenbedingung berücksichtigt werden (vgl. Backhaus und Voeth 2014). Für das Entstehen eines Wettbewerbsvorteils ist die gleichzeitige Betrachtung der folgenden Einflussgrößen notwendig: Bedürfnisse des potenziellen Nachfragers, die Wahrnehmung der Leistung A sowie die Wahrnehmung des relevanten Konkurrenten durch den Nachfrager. Es ist an dieser Stelle zu betonen, dass sich der Wettbewerbsvorteil in der Wahrnehmung des Nachfragers herausbilden muss. Weist ein Produkt eines Anbieters z. B. eine neue Technologie auf, die einen erhöhten Nachfragernutzen erzeugen kann, dann entsteht hieraus kein Wettbewerbsvorteil, wenn der Nachfrager davon nicht in Kenntnis gesetzt ist oder diese Technologie keine besondere Kaufverhaltensrelevanz für den Nachfrager hat. Es geht also immer um die subjektive Sicht des Nachfragers.
I Generelle Eigenschaften von Wettbewerbsvorteilen Ein Wettbewerbsvor-
teil bzw. Netto-Nutzen-Vorteil kommt nur zustande, wenn er sich auf Leistungsmerkmale eines Anbieters bezieht (vgl. Simon 1988, S. 4; Backhaus und Voeth 2014), die 1. 2. 3. 4.
bedeutsam und wahrnehmbar für den Nachfrager sowie dauerhaft und effizient
gegenüber der Konkurrenz verteidigbar sind.
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Zulieferer I
Grundlagen des Marketing
Zulieferer II Beschaffungsmarkt für Hersteller A & B
Hersteller A
Hersteller B
Absatzmarkt für Hersteller A & B
Einzelhandel
Nachfrager 1
Informationstausch
Nachfrager 2
Leistungstransaktionen
Nachfrager 3
finanzielle Transaktion (Kaufpreis)
Abb. 17 Beispiel eines komplexeren Marktsystems
Austauschprozesse, die diesen Anforderungen gerecht werden, weisen auf die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen eines Anbieters im Markt hin. Gegenüber dem einfachen Marktmodell existieren in der Realität komplexere Marktstrukturen, und es wird deutlich, dass z. B. Hersteller sowohl auf Beschaffungs- als auch auf Absatzmärkten agieren. Vielfach werden in der Anbieter-Nachfrager-Beziehung die oben gekennzeichneten Absatzmittler eingeschaltet. Wie aus Abb. 17 ersichtlich ist, setzt Hersteller A sowohl über Einzelhandelsunternehmen als auch durch einen Direktvertrieb mit Vertretern seine Leistungen ab. Hersteller B verfügt nur über einen Direktvertrieb. Die Nachfrager (2) und (3) sind Kunden von Hersteller B. Nachfrager (1) ist hingegen über einen Absatzmittler Kunde bei Anbieter A. Die Wettbewerbsstärke kommt letztendlich darin zum Ausdruck, wie viele und welche Nachfrager ein Anbieter im Vergleich zu seinen Hauptwettbewerbern an sich binden kann. In diesem Beispiel gelingt es Hersteller B, zwei von drei Nachfragern für sich zu gewinnen. Dies allein lässt jedoch noch keinen Rückschluss auf seine Wettbewerbsstärke zu, da zudem die Qualität der Nachfrager, z. B. Absatzmenge, Preisbereitschaft etc. bestimmt werden muss. 3.1.5.2 Markttransaktionen und Nachfragerbeziehungen Bei der Darstellung der Merkmale des modernen Marketingverständnisses wurde darauf hingewiesen, dass die Gestaltung von Nachfragerbeziehungen verstärkt in den Mittelpunkt des Marketing gerückt ist. Diese Entwicklung wurde durch den Übergang vom transaktionsorientierten zum beziehungsorientierten bzw. Relationship Marketing gekennzeichnet
3
Märkte und Umwelt im Marketing
61
(vgl. z. B. Berry 1983; Diller und Kusterer 1988; Backhaus 1997; Krafft 1997; Hollensen 2010; Bruhn 2013). Somit ergibt sich die Frage, ob aus der veränderten Perspektive auch Auswirkungen auf die Kennzeichnung und Beschreibungen von Märkten mit ihren Akteuren und Austauschprozessen resultieren. Während beim transaktionsorientierten Marketing gemäß der Marketingphilosophie seit jeher die Nachfragerbedürfnisse den Ausgangspunkt der Marketingüberlegungen bildeten, stellte es überwiegend auf die Anbahnung einzelner Kundentransaktionen ab. Dabei wurden die Marketingstrategien und -instrumente darauf ausgerichtet, für das Leistungsangebot Aufmerksamkeit und Präferenz zu schaffen, damit hieraus ein Kauf resultiert. Hingegen konzentriert sich das beziehungsorientierte Marketing auf alle Phasen einer Kundenbeziehung. Die Betonung eines beziehungsorientierten Marketing ist nach dem in diesem Lehrbuch verwendeten modernen, erweiterten Marketingverständnis nicht mehr notwendig, da gemäß der vorgestellten AMA-Definition die Gestaltung von Kundenbeziehungen heute ein elementarer Bestandteil des Marketing ist. Anstelle der einzelnen Transaktionen wird somit der gesamte Kundenbeziehungszyklus zum Gegenstand der Analyse von Anbieter-Nachfrager-Beziehungen. Abb. 18 stellt die Unterschiede der Betrachtung von Austauschprozessen aus der Perspektive der Transaktions- und Beziehungsorientierung gegenüber.
Stärke der Kundenbeziehung Transaktion in t1
Transaktion in t5
Perspektive der Transaktionsorientierung KaufZeitpunkte
t0
t1
t2
t3
t4
AnErstbahnung kauf
t5
t6
Wiederkauf
Stärke der Kundenbeziehung
Perspektive der Beziehungsorientierung
Erstkauf
t0
t1
AnSozialibahnung sation
Wiederkauf
Wiederkauf
Wiederkauf
Wiederkauf
t2
t3
t4
t5
Wachstum
Reife
Wiederkauf
Dauer der Kundenbeziehung
t6
RückGefähr- Aufgewinndung lösung ung
Phasen eines Kundenbeziehungszyklus
Abb. 18 Interpretation von Austauschbeziehungen aus transaktions- und beziehungsorientierter Perspektive
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1
Grundlagen des Marketing
Der Marketingfokus wechselt von der Analyse und Gestaltung einzelner Transaktionen zur Gestaltung eines Kundenbeziehungszyklus, mit dem Ziel, das ökonomische Nachfragepotenzial eines Kunden über die Zeit optimal zu entwickeln und für den Anbieter auszuschöpfen.
I Kundenbeziehungszyklus „Der Kundenbeziehungszyklus beschreibt idealty-
pische Gesetzmäßigkeiten im zeitlichen Verlauf einer Kundenbeziehung, die in verschiedenen Phasen der Kundenbeziehung resultieren und aufgrund der Intensität der Kundenbeziehung Schlussfolgerungen für das Relationship Marketing zulassen“ (Bruhn 2009, S. 46).
Für die Beurteilung der Stärke einer Kundenbeziehung können psychographische (z. B. Zufriedenheit, Vertrauen) sowie verhaltensbezogene (z. B. Wiederkauf, Weiterempfehlung) und ökonomische Kriterien (z. B. Umsatz, Gewinn, Rendite) herangezogen werden. Zusammenfassend lassen sich folgende Besonderheiten hervorheben, die aus dem Wandel von der Transaktions- zur Beziehungsorientierung des Marketing bei der Analyse von Marktbeziehungen resultieren: 1. Nicht mehr eine statische Analyse von einzelnen Austauschprozessen, sondern eine dynamische Betrachtung aller, mit einem Kunden im Zeitablauf zu tätigenden, Austauschprozesse steht im Mittelpunkt. 2. Die Analyse von veränderten Kundenbedürfnissen und -motiven zur Aufrechterhaltung einer Geschäftsbeziehung erlangt eine besondere Relevanz. Kunden sind somit in ihrem Beziehungszyklus nach dem jeweiligen Beziehungsstatus zu verorten. Es erfolgt eine besondere Ausrichtung der Strategien und Instrumente auf die kundenindividuelle Beziehungspflege in unterschiedlichen Phasen. 3. Die Notwendigkeit eines auf den Kundenbeziehungszyklus ausgerichteten Marketing hat zur Entwicklung von neuen Kundenbindungsinstrumenten geführt, deren Wirkung auf die emotionale, technologische und rationale Bindung abzielt. Hierzu gehören Instrumente wie z. B. Kundenclubs, Kundenevents, Kundenkarten etc. Mit Hilfe von CRM-Systemen (Customer Relationship Management-Systemen), in denen alle kundenindividuellen Daten und Aktivitäten abgebildet werden, wird ein professioneller Einsatz der Bindungsinstrumente unterstützt. 4. Die Bewertung des Kunden erfolgt über den gesamten Kundenbindungszyklus hinweg, d. h. statische Umsatz-, Deckungsbeitrags- und Gewinnanalysen werden durch die Ermittlung von Kundenwerten ersetzt, bei der alle kundenspezifischen Ein- und Auszahlungen über den gesamten Kundenbeziehungszyklus betrachtet werden. 5. Vergleichende Analysen zur Profitabilität von Neukunden gegenüber Stammkunden haben in der Marketingwissenschaft seit den 90er Jahren eine weite Verbreitung
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Märkte und Umwelt im Marketing
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erfahren. Wenngleich keine Verallgemeinerungen für alle Branchen gezogen werden können, zeigt sich in vielen Studien, dass die Pflege einer bestehenden Kundenbeziehung vielfach profitabler als die Neukundengewinnung sein kann. Hierdurch erlangte die Beziehungsorientierung im Marketing ihre ökonomische Rechtfertigung. 6. Zunehmend werden auch Kunden als Co-Produzenten und Mitentwickler vor dem Kauf von Anbietern den Wertschöpfungsprozess einbezogen, was letztlich zu einer Ausweitung der Kundenbeziehung führt (vgl. Roth et al. 2018) Angesichts der aufgezeigten Besonderheiten, die durch die Beziehungsorientierung entstehen, gewinnt die systematische Analyse und Gestaltung von Anbieter-NachfragerBeziehungszyklen auf Märkten an Bedeutung. Damit ergeben sich erhöhte Anforderungen an die von der Marktforschung bereitzustellenden Informationen.
3.1.6 Kooperationsbeziehungen auf Märkten Als weitere zentrale Marktbeziehungen sind das Verhältnis zwischen Anbietern sowie die Beziehungen von Anbietern zu Zulieferern und Abnehmern einzustufen. Nicht immer ist die Beziehung zwischen Anbietern auf einem Markt durch eine Konkurrenzbeziehung gekennzeichnet. Gelingt es Unternehmen nicht, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil aufzubauen, oder fehlt es an notwendigen Ressourcen für Konkurrenzauseinandersetzungen, kann eine Kooperation mit dem Wettbewerber eine alternative Marktbearbeitungsstrategie darstellen. Diese Form der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die auf derselben Wertschöpfungsstufe agieren, wird als horizontale Kooperation bezeichnet. Zumeist ist dieses Verhalten durch die Einsicht bestimmt, dass durch die Form der sog. Coopetition eine höhere Rendite erwirtschaftet werden kann als bei einem intensiven Wettbewerb. Die Beteiligten stehen somit zwar im Wettbewerb, versuchen gleichzeitig aber durch Kooperation ihre Kräfte zu bündeln (z. B. Fluglinien der Star Alliance). Die Zusammenarbeit eines Anbieters mit Akteuren auf der vorgelagerten Wertschöpfungsstufe (bspw. mit einem Zulieferer) oder auf der nachgelagerten Wertschöpfungsstufe (bspw. mit einem Abnehmer) wird als vertikale Kooperation definiert. Die Grundidee derartiger Kooperationen ist, die Schnittstellen zwischen vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen zu optimieren (z. B. VW – Bosch). Eine dritte Form der Zusammenarbeit stellt die konglomerate oder laterale Kooperation dar. Hierbei stehen die Partner weder in einer Wertschöpfungsbeziehung zueinander, noch konkurrieren sie unmittelbar miteinander. Solche Kooperationen werden gebildet, wenn die Unternehmen Produkte anbieten, die aus der Sicht der Kunden komplementär sind, sodass eine gemeinsame Vermarktung sinnvoll ist (z. B. Lufthansa – Sixt). Während horizontale Kooperationen als strategische Allianzen definiert werden, hat sich bei den vertikalen Wertschöpfungsbeziehungen der Begriff des strategischen Netzwerkes etabliert (vgl. Porter und Fuller 1986; Backhaus und Meyer 1993). Abb. 19 stellt die unterschiedlichen Wertschöpfungskonstellationen zusammenfassend dar.
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Grundlagen des Marketing
Vertikale Kooperation Ziel Lieferant
Produzent
Abnehmer
Optimierung von Schnittstellen zwischen Wertschöpfungsstufen
Beispiele IBM – Ford
Horizontale Kooperation Ziel Lieferant
Produzent
Abnehmer
Lieferant
Produzent
Abnehmer
Bündelung der Wettbewerbskraft und Teilung von Wettbewerbsrisiken
Beispiele Ford – Mazda IBM – Apple
Konglomerate Kooperation Ziel Produzent
Ausnutzen/Befriedigen komplementärer Kundenbedürfnisse
Beispiele Lufthansa – Sixt Produzent
Abb. 19 Strategische Allianzen als spezielle Kooperationsform (Quelle: Hungenberg 2014, S. 511)
Grundsätzlich besteht der Vorteil von Kooperationen darin, durch die Zusammenarbeit Zeitvorteile – bspw. bei der Entwicklung neuer Produkte – zu generieren und zugleich die Ressourcenbindung gering zu halten (Flexibilitätsvorteil). Zudem ist mit der geringeren Mittelbindung ein Risikovorteil gegenüber einem Alleingang zu konstatieren. Darüber hinaus können durch die Zusammenlegung von Ressourcen Skaleneffekte und durch den komplementären Einsatz von Kompetenzen Verbundeffekte realisiert werden. Schließlich stellen Qualitäts- und Lernvorteile weitere zentrale Motive für das Eingehen einer Kooperation dar (vgl. Porter und Fuller 1986; Backhaus und Plinke 1990; Prahalad und Hamel 1990; Hungenberg 2014). Mit einer Kooperation sind jedoch auch beträchtliche Risiken verbunden. Ein wesentliches Problem ist der Kontrollverlust, der mit der gemeinsamen Durchführung von Aktivitäten einhergeht. Stimmen die Ziele und Interessen von kooperierenden Partnern nicht in ausreichendem Maße überein, so besteht grundsätzlich die Gefahr opportu-
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Märkte und Umwelt im Marketing
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nistischen Verhaltens, d. h. Partner sind geneigt, Aktivitäten zum eigenen Vorteil zu beeinflussen. Dies ist einer der wesentlichen Gründe für die hohe Misserfolgsquote bei Kooperationen (Stabilitätsrisiko). Deshalb ist es besonders erfolgskritisch, vor dem Eingehen einer Kooperation klare Ziele zu formulieren und durch eine transparente Kommunikation für eine angemessene Erwartungshaltung bei allen beteiligten Akteuren zu sorgen (für einen umfassenden Überblick über Ziele, Ausgestaltungsformen, Erklärungsansätze und Erfolgsvoraussetzungen für Kooperationen vgl. Zentes et al. 2005).
3.2 Makroumwelt des Marketing Märkte gehören zur Mikroumwelt eines Unternehmens. Entsprechend der Tradition systemtheoretischer Ansätze ist die Mikroumwelt in ein übergeordnetes System, die sog. Makroumwelt, eingebettet.
3.2.1 Sphären der Makroumwelt Die Makroumwelt kann gemäß dem in Abb. 14 dargestellten Systemmodell der Unternehmensumwelt in die folgenden Sphären unterteilt werden (vgl. Meffert und Kirchgeorg 1998): Ökonomische Umwelt: Sie beinhaltet die übergeordneten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die sich u. a. in der Branchenstruktur, gesamtwirtschaftlichen Kennzahlen (z. B. Bruttoinlandsprodukt, Innovationsraten etc.), Infrastrukturbedingungen und Konjunkturentwicklungen niederschlagen. Gesellschaftliche Umwelt: Umfasst alle gesellschaftlichen Akteure, ihre Lebensgewohnheiten, den Lebensstandard, demographische Merkmale, Normen etc. Wenn Unternehmen internationale Märkte erschließen, verändert sich die gesellschaftliche Umwelt im Vergleich zum Heimatmarkt mitunter erheblich. Politisch-rechtliche Umwelt: Die Konstellation der politischen Institutionen, ihre Akteure, die politische Stabilität sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen (Gesetze, Verbote, Zölle, Abgaben, Steuern etc.) werden im Subsystem der politisch-rechtlichen Umwelt betrachtet (vgl. z. B. Ahlert und Schröder 1996). Technologische Umwelt: Technologien können im weitesten Sinne als Problemlösungen interpretiert werden. Eine Beschreibung der technologischen Umwelt stellt je nach Branchenkontext auf die Verfügbarkeit von wissenschaftlichen Institutionen, den technischen Fortschritt (z. B. Patentanmeldungen) und die Verfügbarkeit von spezifischen Technologien ab. Mit der Digitalisierung verbundene Technologien (und daraus entstehende Prozesse, Objekte und Ergebnisse) werden als Teil der technologischen Umwelt betrachtet. Ökologische Umwelt: Beinhaltet als übergeordnetes System die Umweltmedien Wasser, Luft und Boden (inkl. der natürlichen Ressourcen wie Erdöl, Kohle etc.) sowie alle
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Grundlagen des Marketing
Lebewesen und ihre Lebensräume. Die natürliche Umwelt übernimmt für die Gesellschaft wichtige Produktions- (Lieferant von natürlichen Ressourcen), Träger- (Abfallaufnahme) und Regelungs- bzw. Regenerationsfunktionen.
3.2.2 Kennzeichnung unterschiedlicher Anspruchsgruppen Die Anspruchsgruppen- bzw. Stakeholderorientierung wurde bereits als Merkmal des modernen Marketingverständnisses hervorgehoben. Anspruchsgruppen lassen sich sowohl in der Mikro- als auch in der Makroumwelt eines Unternehmens identifizieren. Anspruchsgruppen sind Interessengruppen, die aus gesellschaftlichen oder marktbezogenen Ansprüchen mehr oder weniger konkrete Erwartungen an das Unternehmen stellen und entweder selbst oder durch Dritte auf die Unternehmensziele oder die Art und Weise der Zielerreichung Einfluss ausüben (vgl. Achleitner 1985; Dyllick 1992, S. 42 ff.; Meffert und Kirchgeorg 1998; Hermann 2005). Anspruchsgruppen lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien abgrenzen, bspw. nach: den Inhalten und Ursachen der Ansprüche, der zeitlichen Dauer und Intensität der Ansprüche, dem geographischen/räumlichen Fokus der Ansprüche oder der Zugehörigkeit zu gesellschaftlichen Subgruppen. Abb. 20 zeigt beispielhaft die Abgrenzung von Anspruchsgruppen nach ihrer Zugehörigkeit zu markt- und gesellschaftsbezogenen Gruppen, den aus Veränderungen einzelner Umweltsphären artikulierten Ansprüchen und dem räumlichen Fokus der Ansprüche. Aus der Sicht des Marketing steht der Nachfrager mit seinen vielfältigen Bedürfnissen und Preis-/Qualitätsansprüchen im Mittelpunkt des Interesses. Als Absatzmittler nimmt der Handel die bereits beschriebene „Gatekeeper“-Funktion zwischen Hersteller und Nachfrager ein. Weiterhin steht ein Unternehmen mit Lieferanten und Absatzhelfern (z. B. Speditionen, Makler etc.) in Transaktionsbeziehungen, denen auf Seite der Marktpartner z. B. Entgeltansprüche zugrunde liegen. Auch die Konkurrenten definieren indirekt über ihr Verhalten unternehmensrelevante Ansprüche. Technologie-, Qualitäts- und Preisführer setzen in ihren Branchen Wettbewerbsstandards und Normen, die es im Rahmen der Festlegung wettbewerbsbezogener Profilierungsstrategien sowie beim Markteintritt zu berücksichtigen gilt. Meinungsführer in Form von Wissenschaftlern, sozialen Bezugsgruppen oder Interessenverbänden (z. B. Verbraucherschutzorganisationen, Gewerkschaften) sind teilweise in Form institutionalisierter Anspruchsgruppen als Elemente der Aufgabenumwelt zu berücksichtigen. Ausgehend von der Konsumerismusbewegung Anfang der 60er Jahre haben sich Verbraucherorganisationen etabliert, die eine Verstärkungs-, Ergänzungs- und Kontrollfunktion von individuellen Verbraucherinteressen übernehmen. Für das Marketing haben insbesondere die von diesen Organisationen artikulierten Interessen und Ansprüche eine besondere Relevanz.
3
Märkte und Umwelt im Marketing
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Ursachen veränderter Ansprüche Natürliche Umwelt Technologische Umwelt Wirtschaftliche Umwelt
rn inte
Gesellschaftliche Umwelt
nat
Politischrechtliche Umwelt Ku
sta
nd
en
n
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Ha
nd
zog
el f Lie
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atio
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al
Räumlicher Fokus von Ansprüchen (Dringlichkeit der Anspruchsbefriedigung)
en
er
an
t
Ko
u nk
/ / de er iter rk- ten dien tik ien än Poli arte hn rbe ewe haf e b o r M c a w it P G s Ve An M AnspruchsGesellschaftsbezogene Anspruchsgruppen gruppen
rre
Marktbezogene Anspruchsgruppen
nz
Anspruchsgruppen Komponenten der Umwelt
Unternehmensbezogene Ansprüche (Beispiele)
Subgruppen Konsumenten
Preis-Leistungs-Verhältnis Umweltgerechte Produktqualität
Handel
Unterstützung am Point of Sale
Lieferanten
Langfristig stabile Lieferbeziehung
Konkurrenten
(Indirekte Ansprüche) Definition von technischen Standards
Verbände (z.B. Verbraucherverbände)
Umweltschutzforderungen Verbraucherschutz (sichere Produkte)
Bürgerinitiativen
Umweltschutzforderungen
Medien
Artikulation der öffentlichen Meinung (z.B. Behindertenarbeitsplätze)
Teilöffentlichkeiten am Standort
Behinderung der Standortwahl Forderung nach Produktionseinstellung
Gesetzgeber
Gesetze, Verbote
Parteien
Handlungsaufforderungen (moral suasion)
Gewerkschaften
Mitbestimmung
Markt
Gesellschaft
Recht und Politik
Abb. 20 Abgrenzung von Anspruchsgruppen
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Grundlagen des Marketing
Im Rahmen gesellschaftlicher Anspruchsgruppen erfüllen Interessengruppen z. B. in Form von Bürgerinitiativen, Naturschutzverbänden und Umweltorganisationen häufig eine Initiativfunktion bei der Artikulation von unternehmensbezogenen Ansprüchen, die sich aus kritischen Veränderungen der einzelnen Umweltsphären (z. B. Umweltschutzprobleme) ableiten lassen (vgl. Hansen 1995). Auch Anlieger der Unternehmensstandorte und Mitarbeiter in Unternehmen sind als Anspruchsgruppen zu berücksichtigen. Im Zusammenhang mit kritischen Teilöffentlichkeiten ist auch der Stellenwert der Medien als „Kanalisator“ öffentlicher Anliegen und Träger der öffentlichen Meinung hervorzuheben (vgl. Löffler 1981; Kirchgeorg 1990). Politische Parteien und staatliche Institutionen determinieren über politische Appelle bis hin zu gesetzlich verbindlichen Vorschriften das Entscheidungsfeld der Unternehmen. Nicht zuletzt sind kirchliche Organisationen im Kontext der Anspruchsgruppen zu beachten. Neben den Bedürfnissen der Nachfrager sind somit die vielfältigen Ansprüche weiterer Gruppen bei der Gestaltung einer Marketingkonzeption zu berücksichtigen. Insbesondere das Auftreten negativer externer Effekte im Rahmen der Herstellung, Nutzung oder Entsorgung von Produkten beinhaltet die Gefahr, dass Anspruchsgruppen in der Öffentlichkeit und über die Medien eine Sensibilisierung herbeiführen können. Dies kann das Unternehmens- und Produktimage gefährden und zu erheblichen Einbußen bei der Erreichung der Unternehmens- und Marketingziele führen.
3.3 Veränderungsdynamik der Mikro- und Makroumwelt Entwicklungen in der Makroumwelt haben einen direkten oder indirekten Einfluss auf die Mikroumwelt und umgekehrt. Somit bedingt sich die Veränderungsdynamik der Umweltebenen gegenseitig, und das Marketingmanagement steht vor der Herausforderung, die komplexen Wechselwirkungen zu erkennen und für ihren relevanten Markt zu analysieren und zu interpretieren. In diesem Zusammenhang sind unterschiedliche Modelle entwickelt worden, die zur Beschreibung und Erklärung der Entwicklungsdynamik auf Märkten und in der Makroumwelt herangezogen werden. Im Folgenden werden Lebenszyklusmodelle zur idealtypischen Abbildung der Markt- und Anspruchsgruppendynamik vorgestellt.
3.3.1 Dynamik in Märkten Die relevanten Märkte eines Unternehmens sind Veränderungen unterworfen. Der Werteund Bedürfniswandel der Konsumenten, die Globalisierung der Märkte, der technologische Fortschritt oder die konjunkturellen Entwicklungen sind u. a. für die Transformation von Märkten verantwortlich. Die Marktdynamik drückt sich in Veränderungen der Art und Anzahl der zwischen den Marktteilnehmern stattfindenden Transaktionen aus. Dies spiegelt sich dann auch in quantitativen Veränderungen des Marktpotenzials und -volumens wider.
3
Märkte und Umwelt im Marketing
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Branchenrentabilität Gesamtnachfrage (Gesamtkapitalrendite in %) (Mengeneinheiten pro Jahr)
Im Modell des Marktlebenszyklus werden in idealtypischer Form die dynamischen Marktentwicklungen abgebildet (vgl. Meffert 1974b). Ausgehend von der These, dass ein Markt wie ein Produkt durch eine Innovation geschaffen wird, also wächst, ausreift, stagniert und schließlich sogar schrumpft, lässt sich ein idealtypischer Marktlebenszyklus kennzeichnen (vgl. Abb. 21). Wenngleich die Beschreibung der Marktdynamik anhand des Marktlebenszyklusmodells einem Entscheidungsträger eine Vorstellung vom möglichen Verlauf der Marktentwicklung vermittelt, so sind Lebenszyklusbetrachtungen mit typischen Schwächen behaftet. Der unterstellte Verlauf lässt sich selten oder gar nicht empirisch bestätigen (vgl. Polli und Cook 1967; Huppert 1978; Dhalla und Yuspeh 1980; Pfeiffer et al. 1982). Somit kann kein gesetzmäßiger Verlauf unterstellt werden. Vielfach zeigen empirische Marktlebenszyklen die in Abb. 22 dargestellten Muster. Weiterhin sind die einzelnen Phasenabgrenzungen und -identifikationen nicht eindeutig, und die hierauf beruhenden Aussagen und Empfehlungen erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Außerdem ist es möglich, dass für bestimmte Märkte kein Zyklus existiert. Als Beispiele können die Märkte für Grundnahrungsmittel angeführt werden. Es bleibt daher zunächst festzuhalten, dass es sich bei dem Marktlebenszyklus-Konzept um ein vereinfachtes Modell handelt, welches der Veranschaulichung von Entwicklungsstufen eines Marktes dient. Situative (z. B. konjunkturelle) Einflüsse, die eine hohe Relevanz für die Marktentwicklung besitzen, sind im Grundkonzept des Marktlebenszyklus nicht berücksichtigt. Es besitzt insofern eine eher globale, heuristische Funktion, als dass es die beson-
Einführungsphase
Wachstumsphase
Reifephase Sättigungsphase
0
±0
Abb. 21 Idealtypischer Verlauf eines Marktlebenszyklus
Degenerationsphase
Zeit
Zeit
1
Maßgröße z. B. Marktvolumen (Menge oder Wert)
70
Grundlagen des Marketing
Fernsehgeräte, Automobile
Motorräder
Modische Oberbekleidung
Zeit
Abb. 22 Empirische Marktlebenszyklen
dere Bedeutung der Marktidentifikation, der (richtigen) -abgrenzung und der -entwicklung als Ausgangspunkt jeder strategischen Marketingplanung aufzeigt.
3.3.2 Dynamik und Vernetzung von Anspruchsgruppen Je nach Anliegen müssen Unternehmen u. U. komplexe und weltweit handlungsfähige Anspruchsgruppennetze berücksichtigen (bspw. die Umweltschutzorganisation Greenpeace), denen zur Durchsetzung ihrer Ansprüche folgende Strategien zur Verfügung stehen (vgl. Dyllick 1990, S. 53 ff.): Mobilisierung des öffentlichen Drucks, Mobilisierung des politischen Drucks, Mobilisierung der Marktkräfte (Konsumentenboykott), Aktivierung der Gesellschafter des Unternehmens und direkte Verhandlungen mit dem Unternehmen. Diese Strategien der Anspruchsgruppen werden vielfach miteinander verknüpft und können bei Ignoranz das Unternehmen in eine Legitimitätskrise führen. Welche Anspruchsgruppen wann und mit welcher Intensität ihre Anliegen gegenüber einem Unternehmen artikulieren, kann mit Rückgriff auf Erkenntnisse der Stakeholdertheorie (sowie eines spezifischen Lebenszyklusmodells gesellschaftlicher Anliegen; vgl. Abb. 23) analysiert werden (vgl. Meffert und Kirchgeorg 1998). Welche Wechselwirkungen zwischen der Mikro- und Makroumwelt bestehen, kann mit der veränderten Bedeutung der „natürlichen Umwelt“ für Gesellschaft und Wirtschaft verdeutlicht werden. In der Vergangenheit wurde der natürlichen Umweltsphäre in der
3
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71
Anzahl Interessierter
Soziopolitische Bedeutung
Latenzphase
Emergenzphase Aufschwungphase Reifephase
Trend Anliegen Öffentliche Potenzieller Konkreter EinzelAnliegen Anspruch Anspruch ereignisse
Abschwungphase
Anspruchsbefriedigung
Zeit
Latenter Anspruch
Direkt Betroffene Intellektuelle, Wissenschaftler, Aktivisten Massenmedien, Politiker Anspruchsgruppen Zunehmende Formalisierung Abnehmende Einflussmöglichkeit der Unternehmen
Abb. 23 Lebenszyklusmodell gesellschaftlicher Ansprüche (Quelle: In Anlehnung an Dyllick 1992, S. 241)
betriebswirtschaftlichen Auseinandersetzung vielfach keine besondere Bedeutung zugemessen. Hieraus entstand auch der berechtigte Vorwurf der „Naturvergessenheit der BWL“ (vgl. Meffert und Kirchgeorg 1998, S. 1 ff.). Mit den Problemen der Ressourcenverknappung (z. B. Erdöl, Wasser) und einer zunehmenden Umweltbelastung durch Abfälle und Emissionen ist der besondere Stellenwert einer intakten ökologischen Umwelt ins Bewusstsein der Gesellschaft gerückt. Unternehmen und Konsumenten haben zur extensiven Nutzung von natürlichen Ressourcen beigetragen, weshalb unterschiedliche Anspruchsgruppen verstärkte Forderungen eines umweltverträglicheren Wirtschafts- und Konsumverhaltens artikulierten. Heute herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die natürliche Umwelt als übergeordnetes System zu verstehen ist, in dem die anderen Umweltsphären sowie die Mikroumwelt eingebettet sind. Damit wird hervorgehoben, dass die Beeinträchtigung der Entwicklungsfähigkeit der ökologischen Umwelt auch die Überlebensfähigkeit der anderen Umweltsphären gefährdet. Alle Umweltsphären sind in hohem Maße vernetzt, und Veränderungen, etwa in der technologischen Umwelt (z. B. Entwicklung des Internets), können tiefgreifende Auswirkungen auf alle anderen Umweltebenen haben und umgekehrt. Die Internationalisierung der Geschäftstätigkeit führt dazu, dass das Marketingmanagement im Rahmen einer Situationsanalyse eine erweiterte, sich auf verschiedene
72
1
Grundlagen des Marketing
Länder erstreckende Analyse der Makro- und Mikroumwelt durchführen muss. Durch eine systematische Chancen- und Risiken-Analyse sind diejenigen Einflussfaktoren zu identifizieren, die das Verhalten der Marktteilnehmer determinieren. Im Rahmen der Analyse der Aufgaben- und Makroumwelt sind die markt- und gesellschaftsbezogenen Rahmenbedingungen und Ansprüche somit detailliert zu erfassen, um sie in Strategie- und Maßnahmenkonzepte frühzeitig einzubeziehen. Mit Hilfe des Stakeholdermanagements (vgl. Abschn. 1.3 in Kap. 4) werden entsprechende Konzepte gezielt entwickelt und umgesetzt.
3.3.3 Dynamik durch Digitalisierung Seit Mitte der 90er Jahre führt die technologisch initiierte Digitalisierung zu erheblichen Auswirkungen auf die Akteure in der Mikro- und Makroumwelt. Selbst wenn die Digitalisierung seit Jahrhunderten als Phänomen bekannt ist (z. B. Übertragung von Informationen mithilfe eines Binärcodes mit der Morsetechnologie Anfang des 19. Jahrhunderts) und genutzt wird, so führen aktuell die verfügbaren Computerkapazitäten, große individualisierbare Datenmengen und deren Vernetzung sowie ihre mobile Gewinnung und Nutzung zu neuen betriebswirtschaftlichen und marktbezogenen Effekten (vgl. u. a. Kollmann 2016; Rifkin 2014; Bitkom 2017). Diese manifestieren sich in Netzwerkeffekten und der damit verbundenen Exponentialität, der Neu- und Rekombination von Informationen in Echtzeit, dem Null-Grenzkostenphänomen und der Sprengung von Grenzen der MenschMaschine-Interaktion. Die Digitalisierung bietet abei auch vielfältige Chancen, durch die zunehmende Einbeziehung von kundenbezogenen Daten individueller und schneller auf Kundenwünsche zu reagieren (Kotler et al. 2017; Bitkom 2017; Bruhn und Kirchgeorg 2018). Die Digitalisierung bezieht sich dabei nicht auf eine Branche, vielmehr stellt sie eine branchenübergreifende Querschnittstechnologie dar, die zunehmend Eingang in Beschaffungs-, Produktions-, Vermarktungs-, Service- und Nutzungsprozesse findet. Vor diesem Hintergrund werden die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Mikro- und Makroumwelt von Unternehmen auch als vierte industrielle Revolution eingestuft. Einflüsse auf die Mikroumwelt Auf der Nachfragerseite hat die Digitalisierung zu verschiedenen Veränderungen des Konsum- und Kaufverhaltens geführt. Durch die hohe Informationstransparenz des Internets sind Nachfrager heutzutage besonders aufgeklärt. Sie tendieren dazu, mehr zu vergleichen und werden gleichzeitig preissensibler. Des Weiteren durchlaufen sie, insbesondere durch die Vielzahl an Absatz- und Kommunikationskanälen, die durch die Digitalisierung entstanden sind, einen veränderten Kaufprozess. Sie wechseln bspw. vermehrt zwischen einzelnen Kanälen, wobei sie manche Kanäle gezielt zur Informationssuche und andere zum Kauf nutzen – ein Phänomen, was gemeinhin als Research Shopping bezeichnet wird. Darüber hinaus beeinflussen sich Nachfrager stärker unterein-
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ander durch sog. Electronic Word-of-Mouth (eWoM). Die technischen Voraussetzungen dieser besonderen Form der Mundpropaganda liefert das Web 2.0 bzw. Social-MediaPlattformen wie Online-Bewertungsportale, über welche Konsumerfahrungen mit einer großen Zahl anderer Nachfrager geteilt werden können. In Abschn. 2 in Kap. 2 werden die Einflüsse der Digitalisierung auf das Konsum- und Kaufverhalten ausführlich erläutert. Auf der Anbieterseite sind durch die Digitalisierung neue Vertriebswege und somit auch Veränderungen auf den Absatzmärkten entstanden. Waren vor der Digitalisierung indirekte Absatzkanäle besonders verbreitet, so gewinnt der direkte Vertrieb, insbesondere über Online-Absatzkanäle, zunehmend an Bedeutung. Dieses führt zu komplexen Vertriebssystemen – von der Multi-, über die Cross- bis hin zur Omni-Channel-Distribution. Gleichzeitig verändern sich dadurch aber auch die Beziehungen zwischen einzelnen Marktakteuren. So verschieben sich z. B. die Machtverhältnisse zwischen Herstellern und Absatzmittlern oder es treten neue Arten von Kanalkonflikten auf (vgl. Abschn. 2 in Kap. 7). Zuletzt hat die Digitalisierung auch die Rivalität unter den Wettbewerbern erhöht. Dafür lassen sich verschiedene Gründe anführen (vgl. Laudon und Traver 2015, S. 346): Substitution von Produkten: Durch die Digitalisierung kommen Substitute für physische Produkte auf, z. B. ersetzt das Video- oder Musikstreaming den Kauf einer DVD bzw. CD. Digitale Produkte lassen sich zu Grenzkosten von nahezu null verteilen, was Anbietern dieser Produkte Kostenvorteile verschafft und zumindest vorübergehend zu einem verschärften Preiswettbewerb führen kann (vgl. Abschn. 4 in Kap. 6). Verhandlungsmacht der Nachfrager: Durch die gestiegene Informationstransparenz, insb. die Preistransparenz im Internet haben Nachfrager eine stärkere Verhandlungsmacht. Die mobile Technologie ermöglicht es Nachfragern, sich jederzeit und vor Ort über Preise von Wettbewerbern zu informieren und das Unternehmen auch noch kurz vor dem Kauf zu wechseln (vgl. Abschn. 3 in Kap. 6). Eintrittsbarrieren für Unternehmen: Die Barrieren in den Online-Handel einzusteigen, sind insgesamt relativ gering, was zu neuen Marktteilnehmern und somit zu mehr Wettbewerb führen kann. Steigt ein stationärer Händler zudem erst spät in den Online-Handel ein, hat dieser mit Barrieren aufgrund von First-Mover-Advantages (vgl. Abschn. 2 in Kap. 7) der existierenden Marktteilnehmer zu rechnen. Neue Geschäftsmodelle: Zudem entstehen im Zeitalter der Digitalisierung neue Geschäftsmodelle, welche die Existenz von bestehenden Modellen gefährden (vgl. Meffert und Meffert 2017, S. 18 f.). Ein Beispiel dafür ist Airbnb, ein Online-Marktplatz für die Buchung und Vermietung von Unterkünften, welcher die traditionellen Geschäftsmodelle von Hotels sowie Reisebüros zunehmend unter Druck setzt (vgl. Abschn. 4 in Kap. 5).
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Einflüsse auf die Makroumwelt Die ökonomische Umwelt wird insofern durch die Digitalisierung beeinflusst, als dass digitale Innovationen die technischen Infrastrukturbedingungen grundlegend verändern. So können z. B. seit der Entwicklung des Internetdienstes E-Mail Textnachrichten ebenso wie digitale Dokumente in wenigen Sekunden ihren Empfängern zugestellt werden. Ähnlich bedeutsam waren die Entwicklungen zunächst des World Wide Web (Web 1.0) und schließlich des Web 2.0. Auch hierdurch hat sich der Handlungsspielraum für Unternehmen maßgeblich verändert bzw. erweitert. Über digitale Kommunikationsinstrumente können Unternehmen heute in vielfältiger Weise mit Nachfragern kommunizieren, sie gezielt und sogar individuell ansprechen (vgl. Abschn. 4.3 in Kap. 8). Ebenso hat die Digitalisierung zu einem nahezu lawinenartigen Anstieg von neuen Datenquellen geführt, was zu neuen Rahmenbedingungen für die Marketingforschung geführt hat (vgl. Abschn. 1 in Kap. 3). Das Internet hat des Weiteren dazu beigetragen, dass Transaktionskosten geringer ausfallen. Zu den Transaktionskosten zählen auf Nachfragerseite unter anderem Such- und Informationskosten. Durch Suchtechnologien und Suchmaschinen im Internet (z. B. Google) sind Transaktionskosten in diesem Bereich deutlich gesunken. Auch bei der Kaufabwicklung über Online-Shops oder durch Reservierungs- und Buchungssysteme können auf Nachfrager- und Unternehmensseite Transaktionskosten eingespart werden. Nicht zuletzt helfen digitale Zahlungssysteme (z. B. PayPal) Transaktionskosten zu verringern (vgl. Clement und Schreiber 2016, S. 212). Auch die politisch-rechtlichen Umwelt wird durch die Digitalisierung beeinflusst. Besonders zentral ist dabei das Thema Datenschutz. Insbesondere durch die Vielzahl an Kontaktpunkten in der digitalen Welt, können Unternehmen immer mehr Daten von Nachfragern sammeln. Häufig liegt das Sammeln von Daten nicht in der Kontrolle der Nachfrager, wodurch auf Nachfragerseite sog. Privatsphärebedenken entstehen. Generell haben Fälle von Internetkriminalität aber auch Datenmissbrauch durch private Unternehmen oder öffentliche Behörden das Vertrauen der Nachfrager in die Datensicherheit und den Schutz der Privatsphäre erschüttert (vgl. Warwitz 2016, S. 69 f.). Dies führt schließlich dazu, dass gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den unternehmerischen Umgang mit Daten von Nachfragern regeln und die Privatsphäre von Nachfragern schützen. Jüngstes Beispiel dafür ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union. Ziel der Verordnung ist es, die Verarbeitung sog. personenbezogener Daten EU-weit zu regeln. Die gesellschaftliche Umwelt wurde vor allem durch die veränderten Lebensgewohnheiten der Nachfrager beeinflusst. Es ist zunehmend zu beobachten, dass Nachfrager ihr Leben in den digitalen Kontext verlagern. Sie brechen dabei aus der lokalen OfflineWelt aus und sind z. B. auf Social-Media-Plattformen in Interaktion miteinander. Dabei nutzen Nachfrager nicht nur stationäre, sondern zunehmend mobile Endgeräte (z. B. Smartphones). Aus diesem Grund sind sie im Online-Kontext omnipräsent sowie immer und überall vernetzt. Nachfrager verstehen sich als dabei als Individuen in der immer gegenwärtigen Sphäre der digitalen Gesellschaft (vgl. Hamidian und Kraijo 2013, S. 5).
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Fragen zu Kapitel 1 1.
2.
3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22.
Was versteht man unter dem Gratifikations- und Kapazitätsprinzip, und warum werden diese Prinzipien auch als Leitideen der Marketingwissenschaft bezeichnet? Wodurch unterscheiden sich Käufer- und Verkäufermarkt, und welchen Einfluss haben die beiden Marktsituationen auf die Marketingorientierung von Unternehmen? Welche Interpretationsformen des Marketing können unterschieden werden? Kennzeichnen Sie die besonderen Merkmale des Marketingbegriffes auf der Grundlage der Definition nach der American Marketing Association (AMA)! Was wird unter Marketingmanagement verstanden? Beschreiben Sie die einzelnen Aufgaben des Marketingmanagement-Prozesses! Aus welchen Inhalten besteht eine Marketing-Konzeption? Wodurch unterscheidet sich das Investitionsgüter- vom Konsumgütermarketing? Was sind die Besonderheiten des Dienstleistungsmarketing? Welche zentralen Ansätze der Marketingtheorie lassen sich unterscheiden? Welchen Beitrag leisten informationsökonomische Ansätze in der Marketingtheorie? Warum haben beziehungsorientierte Ansätze im Marketingmanagement zunehmend Bedeutung erlangt? Welche Herausforderungen kommen durch die digitalen sozialen Netzwerke des Web 2.0 auf das Marketingmanagement zu? Warum ist das Verständnis von markt- und ressourcenbasierten Ansätzen für das Marketingmanagement relevant? Welche Arten von Kompetenzen, die für das Marketing relevant sind, können unterschieden werden? Wie wird ein Markt definiert, und anhand welcher Merkmale kann er beschrieben und quantifiziert werden? Was sind die Besonderheiten von zweiseitigen Märkten und warum sind diese in der Internetökonomie besonders relevant? Welche Akteure gehören zu den relevanten Marktteilnehmern? Welche sind die zentralen Eigenschaften von Wettbewerbsvorteilen? Was ist unter einem Netto-Nutzen-Vorteil zu verstehen? Erläutern Sie die Unterschiede zwischen einem transaktions- und einem beziehungsorientierten Marketingansatz! Welche Besonderheiten resultieren aus der Beziehungsorientierung des Marketing? Was wird unter dem Phänomen „Marketing Myopia“ verstanden?
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23. Welche Sphären der Makro-Umwelt werden unterschieden? 24. Wie lässt sich ein idealtypischer Verlauf eines Marktlebenszyklus kennzeichnen? 25. Anhand welchen Modells lassen sich Dynamik und Vernetzung von Anspruchsgruppen beschreiben und erklären? 26. Was ist unter Digitalisierung zu verstehen und warum wird dieser Trend auch als vierte industrielle Revolution bezeichnet? 27. Wie verändert die Digitalisierung das Nachfrager- und Anbieterverhalten auf Märkten?
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2
Verhaltensgrundlagen des Marketing
Inhalt 1
Erklärungsansätze des Käuferverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Fragestellungen und Ansätze der Käuferverhaltensforschung . . . . . . . . . . . . . 1.2 Kaufentscheidungstypen und -träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Kaufentscheidungsverhalten von Nachfragern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Verhaltenswissenschaftliche Bestimmungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1.1 Intrapersonale Bestimmungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1.2 Interpersonale Bestimmungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Totalmodelle zur Erklärung des Kaufentscheidungsverhaltens von Nachfragern . . 1.4.1 Strukturmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Prozessmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Partialmodelle zur Erklärung des Kaufentscheidungsverhaltens von Nachfragern . 1.6 Kaufentscheidungsverhalten von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Nachfragerverhalten im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Verändertes Nachfragerverhalten infolge des gesellschaftlichen Wertewandels . . 2.1.1 Wertewandel als Determinante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Postmaterialistisches Konsumverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Veränderungen im Nachfragerverhalten infolge der Digitalisierung . . . . . . . . . 2.2.1 Digitalisierung als Determinante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Digitales Kaufverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Generationscharakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Meffert et al., Marketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-21196-7_2
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89 89 91 93 93 94 117 122 122 124 130 132 136 136 136 138 142 142 145 151 155
87
88
2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
Ausgangspunkt von Marketingentscheidungen ist ein grundlegendes Verständnis darüber, wie Nachfrager eine Kaufentscheidung treffen und wie das Konsumverhalten in der weiteren Sicht beeinflusst wird. Insbesondere im Zeitalter der Digitalisierung hat sich das Nachfragerverhalten gewandelt und es können neue Determinanten identifiziert werden. Erklärungsansätze zum Kaufentscheidungsverhalten sowie zum veränderten Nachfragerverhalten im Zeitalter der Digitalisierung stehen im Mittelpunkt des zweiten Kapitels (vgl. Abb. 1).
I. Markttransaktionen Competence-Based View
Market-Based View
Anbieter
Nachfrager
II. Entscheidungsprozesse Kaufentscheidungen von Marketingentscheidungen von Nachfragem Anbietern Marktinformationen
Situationsanalyse
Bedürfnisse
Marketingziele
Altemativenbewertung
Marketingstrategie
Kaufpräferenz
Marketinginstrumente
Kaufdurchführung
Marketingimplementierung
Nachfragerzufriedenheit
Marketingcontrolling
III. Wertebene
Kunden- und Markenwert
Stakeholder Value
Unternehmenswert
Abb. 1 Einordnung der Käuferverhaltensforschung in die Struktur des Lehrbuches
1
Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
89
Dabei wird zunächst auf Erklärungsansätze des Kaufverhaltens von Endverbrauchern eingegangen. Auch Einflussgrößen des Kaufverhaltens sowie ihre Messung werden umfassend erörtert. Totalmodelle, worunter Struktur- und Prozessmodelle zu verstehen sind, werden vorgestellt. Die Customer Journey, als Ausprägung eines Prozessmodells, wird ausführlich erläutert und mit dem klassischen Trichtermodell ins Verhältnis gesetzt. Des Weiteren werden in diesem Zusammenhang die Customer Experience sowie die damit verbundenen (Kunden-)Kontaktpunkte dargestellt. Ferner wird auf Partialmodelle zur Erklärung des Entscheidungsverhaltens von Nachfragern eingegangen. Neben Endverbrauchern treten Unternehmen als Nachfrager auf Märkten auf. Hierfür wurden in der Marketingforschung eigene Kaufverhaltensansätze entwickelt, die ebenfalls in diesem Kapitel vorgestellt werden. Abschn. 2 widmet sich dem gewandelten Nachfragerverhalten im Zeitalter der Digitalisierung. Hierbei können zwei Bereiche identifiziert werden. Zum einen bedingt der gesellschaftliche Wertewandel, dass Nachfrager anders bzw. im Speziellen bewusster konsumieren. Zum anderen hat die Digitalisierung dazu geführt, dass Nachfrager neue Muster im Kaufverhalten aufweisen. Das Kapitel beginnt mit der Erläuterung des gesellschaftlichen Wertewandels als Verhaltensdeterminante und dem daraus abgeleiteten postmaterialistischen Konsumverhalten (z. B. ethischer Konsum). Anschließend wird die Digitalisierung als Einflussfaktor des Kaufverhaltens und die damit einhergehenden Verhaltensänderungen (z. B. Research Shopping) erläutert. Darüber hinaus können Generationscharakteristika herausgestellt werden, die aufzeigen, warum einige Generationen eine mehr oder weniger starke Ausprägung des veränderten Nachfragerverhaltens aufweisen.
1 Erklärungsansätze des Käuferverhaltens 1.1 Fragestellungen und Ansätze der Käuferverhaltensforschung Dem Käuferverhalten kommt bei der Abschätzung von Marktreaktionen eine Schlüsselrolle zu. Die Käuferverhaltensforschung beschäftigt sich daher damit, die zentralen Determinanten des Verhaltens zu identifizieren und leistungsfähige Erklärungsansätze zu liefern. Das Paradigma des Kaufverhaltens fasst folgende Fragestellungen zusammen (vgl. Meffert 1971, S. 392): Wer kauft? ! Kaufakteure, Träger der Kaufentscheidung Was? ! Kaufobjekte Warum? ! Kaufmotive Wie? ! Kaufentscheidungsprozesse, -praktiken Wie viel? ! Kaufmenge Wann? ! Kaufzeitpunkt, -häufigkeit Wo bzw. bei wem? ! Einkaufsstätten-, Lieferantenwahl
90
2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
Forschungsansätze des Käuferverhaltens
S-R-Modelle (Behavioristische Forschungsansätze)
Neobehavioristische Forschungsansätze
S-O-R-Modelle (Echte Verhaltensmodelle)
Kognitive Forschungsansätze
Abb. 2 Kennzeichnung der Forschungsansätze des Käuferverhaltens
Zur Erklärung des Verhaltens von Nachfragern existiert eine Fülle von Modellen und Theorien, die je nach Art und Umfang einbezogener Situations- und Bedingungskonstellationen einen unterschiedlich hohen Komplexitätsgrad aufweisen. Den verschiedenen Modellansätzen der Käuferverhaltensforschung liegen abweichende Menschenbilder zugrunde. Stark vereinfacht können behavioristische, neobehavioristische und kognitive Forschungsansätze des Käuferverhaltens unterschieden werden (vgl. Abb. 2). Behavioristische Erklärungsansätze lassen für ihre Analysen nur beobachtbare und messbare Variablen des Käuferverhaltens zu. Vertreter dieser Ansätze gehen davon aus, dass psychische Prozesse des Nachfragers nicht beobachtbar sind und daher nicht Gegenstand der Untersuchungen sein sollten (vgl. Skinner 1938). In diesem Zusammenhang wird häufig auch von Black-Box-Modellen oder S-R-Modellen gesprochen. Das Verhalten des Menschen wird als Reaktion (R – Response) auf beobachtbare Stimuli (S) interpretiert. Zu den Stimuli zählen alle Sinnesreize und damit auch alle auf den Nachfrager ausgerichteten Marketingaktivitäten. So kann bspw. die attraktive Gestaltung einer Produktverpackung (Stimulus) zu einem Impulskauf (Reaktion) führen. Unbeachtet bleiben dabei nicht-beobachtbare Prozesse, die im Nachfrager vor und während des Kaufes wirksam werden. Neobehavioristische Erklärungsansätze arbeiten mit sog. „intervenierenden Variablen“ (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 35 f.). Neben beobachtbaren und messbaren Variablen werden auch solche zugelassen, die nur indirekt über Indikatoren empirisch erfasst werden können. So wird versucht, die im Organismus (O) ablaufenden, nicht beobachtbaren Vorgänge zur Erklärung menschlichen Verhaltens heranzuziehen. Folglich werden diese Modelle als „echte Verhaltensmodelle“ (Stimulus-OrganismResponse/S-O-R-Modelle) bezeichnet. So kann bspw. die Wirkung einer Werbeanzeige (Stimulus) durch die Einstellung, die ein Nachfrager (Organismus) einem beworbenen
1
Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
91
Produkt entgegenbringt, positiv oder negativ verstärkt werden und dazu führen, dass er dieses kauft oder nicht kauft (Response). Neobehavioristische Ansätze unterstellen, dass die „intervenierenden Variablen wie Schaltelemente die eingehenden Stimuli in einer bestimmten Weise verändern“ (Behrens 1991, S. 18). Diese Annahme wird den differenzierten Informationsverarbeitungsprozessen beim Käufer nur bedingt gerecht. Zwar finden die Konstrukte Aktiviertheit, Involvement, Emotionen, Motive und Einstellungen Beachtung, nicht jedoch die kognitiven Prozesse. Dies hat zur Entwicklung kognitiver Erklärungsansätze geführt, die aktivierende, emotionale, motivationale und kognitive Prozesse gleichermaßen berücksichtigen. Die kognitiven Erklärungsansätze betrachten zusätzlich zu den genannten Konstrukten Informationsverarbeitungsprozesse im Lang- und Kurzzeitgedächtnis und damit die Variablen „Lernen“, „Denken“ und „Wissen“. Zu den kognitiven Erklärungsansätzen zählen auch das interdisziplinäre Forschungsfeld der Neurowissenschaft und insbesondere der Teilbereich des Neuromarketing (vgl. umfassend Bielefeld 2012 sowie Abschn. 1.3.1.1 dieses Kapitels). Ein Beispiel zur Veranschaulichung der kognitiven Erklärungsansätze stellt das neue Auto des Nachbarn (Stimulus) von Nachfrager A dar, der sich dadurch veranlasst sieht, sich ebenfalls einen Neuwagen anschaffen zu wollen. Bei der Suche wird sich Nachfrager A aufgrund des hohen Preises von Neuwagen i. d. R. genau überlegen, welches Fahrzeuge mit welcher Ausstattung in die engere Wahl zu ziehen sind. Dabei wird er auf vorhandenes Wissen (z. B. Erfahrungen mit einer bestimmten Automarke) zurückgreifen. Eine Entscheidung wird Nachfrager A i. d. R. erst nach einem relativ langen Kaufentscheidungsprozess treffen, der gleichermaßen durch affektiv-gefühlsmäßige (bspw. bei der Wahl der Sitzfarbe) und kognitiv-rationale Bestandteile (bspw. bei der Wahl des Motors) gekennzeichnet ist.
1.2
Kaufentscheidungstypen und -träger
Bei der Erklärung des Käuferverhaltens sind Art und Anzahl der bei der Modellbildung berücksichtigten Entscheidungsträger von grundlegender Bedeutung. Folglich ist einerseits zwischen dem Kaufverhalten von privaten Haushalten und Unternehmen bzw. Institutionen zu unterscheiden, andererseits zwischen individuellen und kollektiven Kaufentscheidungen. Werden diese Kriterien kombiniert, ergeben sich die in Tab. 1 dargestellten Grundtypen von Kaufentscheidungen. Die größte Aufmerksamkeit in der Käuferverhaltensforschung galt bisher den individuellen Kaufentscheidungen der Nachfrager (Typ 1a). Ebenso wie bei individuellen Kaufentscheidungen lag die Annahme einzentriger Willensbildungen lange Zeit auch den Erklärungsversuchen von Kaufentscheidungen in Organisationen zugrunde (Typ 2a). Analog zur ökonomischen Haushaltstheorie, die den nutzenmaximierenden Nachfrager betrachtet, wurden zur Prognose der Einkaufsentscheidungen gewinnmaximierender Un-
92
2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
Tab. 1 Grundtypen von Kaufentscheidungen (Quelle: Meffert 1992, S. 38) Haushalt Individuum Typ 1a Kaufentscheidungen des Nachfragers Kollektiv Typ 1b Kaufentscheidungen von Familien
Unternehmen bzw. Institution Typ 2a Kaufentscheidungen des Repräsentanten Typ 2b Kaufentscheidungen des Einkaufsgremiums (Buying Center)
ternehmen Investitions- und Beschaffungskalküle unter der wenig realistischen Annahme vollständig rationalen Verhaltens herangezogen. Erklärungsmodelle kollektiven Kaufverhaltens tragen der Tatsache Rechnung, dass mehrere Personen mit verschiedenen Zielsetzungen und möglicherweise konträren Bewertungskriterien am Entscheidungsprozess teilnehmen. Dass die Kaufentscheidung dabei arbeitsteilig vollzogen wird, wirft bereits bei der Analyse familiärer Kaufentscheidungen (Typ 1b) Probleme auf. Obwohl ein Großteil aller Nachfragerentscheidungen im Familienkollektiv getroffen wird, wurde erst Anfang der 1980er Jahre damit begonnen, die entsprechenden Einflussgrößen theoretisch zu analysieren (vgl. Dahlhoff 1980; Böcker 1987). Ähnliches gilt für die kollektiven Kaufentscheidungen in Unternehmen (Typ 2b). Hier konzentrieren sich die Betrachtungen auf das Einkaufsgremium (Buying Center), das für die Umsetzung von Einkaufsentscheidungen verantwortlich ist (vgl. Wind 1978; Wesley und Bonoma 1981; Kern 1990; Büschken 1994; Backhaus und Voeth 2014). An dieser Stelle ergibt sich nicht nur die Schwierigkeit, den Verantwortlichen des Einkaufes zu identifizieren, vielmehr ist es ebenso problematisch, die Zusammensetzung des Buying Centers sowie die darin bestehende Macht- und Autoritätsstruktur zu eruieren. Es ist daher notwendig, die wichtigsten formalen und informalen Rollen sowie die Rollenbeziehungen der Mitglieder des Buying Centers hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Kaufverhalten zu analysieren (vgl. Bänsch 2002, S. 207 ff.; Backhaus und Voeth 2014, S. 39 ff.). Neben der Unterteilung in Grundtypen von Kaufentscheidungen kann des Weiteren zwischen echten und habituellen Kaufentscheidungstypen unterschieden werden (vgl. Katona 1960). Bei echten Kaufentscheidungen sind die kognitive Beteiligung und der Informationsbedarf des Nachfragers besonders groß. Die vergleichende Analyse verschiedener Alternativen verursacht eine verhältnismäßig lange Entscheidungsdauer. Vor allem bei hochwertigen, langlebigen Gebrauchsgütern finden extensive Kaufentscheidungen statt, bei denen sich der Nachfrager häufig nicht auf bestehende produktspezifische Erfahrungen stützen kann. Kennzeichnend für habituelle Kaufentscheidungen ist die gewohnheitsmäßig getroffene Produkt- und Markenwahl. Der Verzicht auf die Suche nach neuen Produktalternativen hat zur Folge, dass zwischen Stimulus und Reaktion keine Informationssuche und -verarbeitung stattfindet und die kognitive Steuerung derartiger Käufe entsprechend gering ist. Habituelle Kaufentscheidungen betreffen insbesondere Güter des täglichen Bedarfs.
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Howard und Sheth differenzieren des Weiteren zwischen impulsiven und limitierten Kaufentscheidungstypen (vgl. Howard und Sheth 1969). Bei impulsiven Kaufentscheidungen reagiert der Käufer spontan auf bestimmte Reize am Point of Sale. Es erfolgt keine Informationsaufnahme und -verarbeitung, sondern die Kaufentscheidung ist rein affektgesteuert. Bei limitierten Kaufentscheidungen gelangen mehrere Produkte bzw. Marken in die engere Auswahl, ohne dass ein bestimmtes Produkt favorisiert wird. Der kognitive Problemlösungsaufwand bleibt dabei begrenzt, da lediglich Produktalternativen miteinander verglichen werden. Eine umfassende Typologie des Kaufverhaltens von Nachfragern wurde von Ruhfus (1976) entwickelt. Hauptgliederungskriterien sind dabei der Grad der Kollektivität der Entscheidungsfindung (Anzahl der beteiligten Personen) und die Ausprägung des Kaufprogrammes (vgl. Ruhfus 1976, S. 23).
1.3 Kaufentscheidungsverhalten von Nachfragern 1.3.1 Verhaltenswissenschaftliche Bestimmungsfaktoren Eine Vielzahl von verhaltenswissenschaftlichen Bestimmungsfaktoren ist von grundlegender Bedeutung für das Verständnis des Kaufentscheidungsverhaltens von Nachfragern. Es lassen sich zwei Subkategorien unterscheiden. Zum einen wird das Nachfragerverhalten durch intrapersonale Bestimmungsfaktoren beeinflusst. Diese betreffen den Menschen selbst und beinhalten interne, psychologische Konstrukte. Auf der anderen Seite gibt es sog. interpersonale Bestimmungsfaktoren, die von der Umwelt ausgehen, in der ein Nachfrager lebt (vgl. Abb. 3). I Intrapersonale Bestimmungsfaktoren Als intrapersonale Bestimmungsfak-
toren des Nachfragerverhaltens werden interne, psychologische Konstrukte bezeichnet, die sich durch einen unterschiedlichen Komplexitätsgrad auszeichnen. Sie bauen im Sinne einer Hierarchie aufeinander auf, sodass die „Persönlichkeit“ alle anderen Konstrukte – Aktiviertheit und Involvement, Emotion, Motiv, Einstellung und Werte – integriert.
Intrapersonale Bestimmungsfaktoren werden durch externe interpersonale Bestimmungsfaktoren beeinflusst. So prägen z. B. die Kultur, gesellschaftliche Normen oder auch die Schicht-, Gruppen- und Familienzugehörigkeit das Wertesystem eines Menschen. Andererseits beeinflusst auch ein Individuum sein soziales Umfeld, sodass hier von einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis (Interdependenz) gesprochen werden kann. Interpersonale Determinanten werden in kulturelle und soziale Bestimmungsfaktoren unterteilt (vgl. Abschn. 1.3.1.2). Die zahlreichen wechselseitigen Beziehungen zwischen den Bestimmungsfaktoren des menschlichen Handelns bedingen, dass das Kaufverhalten von Nachfragern nur ansatz-
94 Interpersonale Bestimmungsfaktoren
2 Verhaltensgrundlagen des Marketing Intrapersonale Bestimmungsfaktoren
Aktiviertheit/Involvement + Interpretation Emotion + Zielorientierung
• Gesellschaftliche Normen
Motiv
• Soziale Schicht • Gruppen • Familie
Kognition
+ Objektorientierung Einstellung + Integration Werte + weitere persönliche Merkmale Persönlichkeit
Komplexitätsgrad
• Kultur, Subkultur
Abb. 3 Bestimmungsfaktoren des Käuferverhaltens (Quelle: In Anlehnung an Trommsdorff und Teichert 2011, S. 31)
weise erklärt werden kann. Die isolierte Betrachtung eines Bestimmungsfaktors des Käuferverhaltens reicht zur Erklärung des Nachfragerverhaltens nicht aus, ist jedoch notwendige Voraussetzung für ein ganzheitliches Verständnis. Viele Lehrbücher zum Käuferverhalten basieren auf den zwei Standardwerken von Trommsdorff und Teichert (2011) und Kroeber-Riel und Gröppel-Klein (2013). Diese Arbeiten greifen jedoch neue, neurowissenschaftliche Erkenntnisse nicht bzw. nur am Rande auf. Bielefeld (2012, S. 2 f.) konnte in seiner Arbeit zeigen, dass neurowissenschaftliche Erkenntnisse ein besseres Verständnis des Nachfragerverhaltens ermöglichen. Insbesondere zur Wahrnehmung von Reizen, der Informationsverarbeitung sowie dem daraus resultierenden Nachfragerverhalten liefern die Neurowissenschaften wichtige Erklärungsansätze (vgl. Kenning 2014). In den folgenden Abschnitten werden die wichtigsten Bestimmungsfaktoren unter Berücksichtigung des neurowissenschaftlichen Forschungsstandes vorgestellt. 1.3.1.1 Intrapersonale Bestimmungsfaktoren Wahrnehmung und visuelle Informationsverarbeitung Die Erklärung des Käuferverhaltens basiert auf dem kognitiven Bestimmungsfaktor der visuellen Wahrnehmung und der damit verbundenen Informationsverarbeitung (vgl. Bielefeld 2012, S. 68 ff.).
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Kognitive Bestimmungsfaktoren beeinflussen die Vorgänge, mit denen der Mensch sich gedanklich innerhalb seiner Umwelt orientiert. Sie stehen in engem Zusammenhang mit der Aktiviertheit und den Emotionen, die im Sinne eines Filters die Steuerung, Hemmung und Intensivierung von gedanklichen Vorgängen übernehmen.
I Kognition Kognitionen (Wissenszustände) werden definiert als „eigenständig
bewusst zu machende Wissenseinheiten, d. h. als subjektives Wissen, das bei Bedarf zur Verfügung steht, sei es intern als gespeicherte Information, die durch Erinnern (Abrufen) verfügbar ist, sei es als externe Information, die durch Wahrnehmen (Aufnehmen) verfügbar wird“ (Trommsdorff und Teichert 2011, S. 75).
Im Gegensatz zu den Kaufverhaltensmodellen von Trommsdorff und Teichert (2011) und Kroeber-Riel und Gröppel-Klein (2013) wird im neurowissenschaftlichen Modell von Bielefeld die Wahrnehmung den aktivierenden Determinanten Aktiviertheit, Involvement und Emotionen vorgelagert (vgl. Bielefeld 2012, S. 69).
I Wahrnehmung Die Wahrnehmung umfasst den Prozess der Aufnahme und
Selektion von Informationen sowie deren Organisation (Gliederung und Strukturierung) und Interpretation durch das Individuum. Von großer Bedeutung für das Verständnis der Wahrnehmung ist ihre Aktivität, Subjektivität und Selektivität (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 363 ff.).
Nach aktuellem Forschungsstand können Objekte vom menschlichen Gehirn weder ganzheitlich wahrgenommen noch als solche verarbeitet und gespeichert werden (vgl. Bielefeld 2012, S. 75 ff.; Roth 2009, S. 69 ff.; Raab et al. 2013, S. 229 ff.). Der grundsätzliche Prozess der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung beginnt vielmehr mit der sensorischen Verarbeitung und Speicherung von Reizen zu neuronalen Netzen. Hierbei handelt es sich um einen sogenannten Bottom-up-Prozess (vgl. Kenning 2014, S. 50 ff.; Bielefeld 2012, S. 45 ff.). Wahrgenommene Objekte werden zunächst in verschiedene Einzelreize zerlegt und analysiert. Der erste Verarbeitungsschritt findet in dem primären visuellen Areal statt (Brodmann Areal 17). In den nachfolgenden „höheren“ Arealen werden die zuvor in Einzelelemente zerlegten Gestalten zu einem umfangreichen assoziativen, neuronalen Markennetz, welches wiederum aus verschiedenen Sub-Netzen besteht, zusammengeschaltet. Diese Muster werden bei einer kurzzeitigen Speicherung im Kurzzeitgedächtnis mit bereits bekannten Mustern von ähnlich gespeicherten Informationen verglichen. Im Anschluss erfolgt die semantische Identifikation, bei der u. a. erkannt wird, um welches Objekt bzw. um welche Marke es sich handelt. Erst darauf aufbauend kann ein (vor-)bewusster, kognitiver Vergleich mit den gespeicherten Informationen aus dem Gedächtnis erfol-
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
gen. Es wird überprüft, ob es sich bei den aktuell wahrgenommenen Informationen um jene handelt, die bereits bekannt sind (vgl. umfassend Bielefeld 2012, S. 45 f. sowie S. 70 ff.; Kenning 2014, S. 50 ff.; Heath 2000). Abb. 4 stellt den neuronalen Prozess der Informationsverarbeitung in Anlehnung an Birbaumer und Schmidt (2006) im Überblick dar. Neben dem Bottom-up-Prozess existiert bei der Wahrnehmung zudem der Top-downProzess, bei dem der Nachfrager die Marke visuell identifiziert und somit vorhandenes Wissen abruft. Hierbei wird bewusst auf abgelegte Merkmale einer Marke aus dem semantischen Gedächtnis zurückgegriffen. Es folgt die Zusammenschaltung des neuronalen Netzes mit den visuellen Eigenschaften der Marke. Dieses Vorstellungsbild erscheint dann als ganzheitliches Bild vor dem Auge des Nachfragers. Das neuronale Netz, das die neuronale Repräsentation des Erinnerten beinhaltet, entspricht in den wesentlichen Elementen dem neuronalen Netz der subjektiven und selektiven Wahrnehmung. Mit jeder neuen Wahrnehmung oder jeder mentalen Vorstellung einer Marke verändert sich das gespeicherte neuronale Netz. Die beiden Prozesse, Bottom-up und Top-down, beeinflussen sich folglich gegenseitig (vgl. Bielefeld 2012, S. 46 f.). Zusammenfassend handelt es sich bei dem Prozess der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung um eine Kombination aus Wahrnehmung und Erinnerung. Damit ein Stimulus inmitten von Reizüberflutung (Information Overload) überhaupt vom Nachfrager bewusst wahrgenommen wird, muss dieser einen spezifischen IntensitätsSchwellenwert überschreiten. Findet trotz einer Reizintensität unterhalb dieses Schwellenwertes eine Wahrnehmung statt – ist die Reizdarbietung bspw. zu schwach oder zu kurz –, wird von unterschwelliger bzw. subliminaler Wahrnehmung gesprochen. Die subliminale Wahrnehmung wird vor allem unter dem Gesichtspunkt der unkontrollierten Steuerung des Nachfragerverhaltens durch Werbebotschaften vielfach diskutiert (vgl. Koeppler 1972; Brand 1978; Dichter 1961; Trommsdorff und Teichert 2011, S. 227 ff.), einen eindeutigen Nachweis ihrer Wirkung gibt es bislang jedoch nicht. Höhere Prozessoren mit weiten Verbindungen Energetisches Modul: unspezifische Aktivierung
Energetisches Modul „effort“
Aktivierung von langen und funktionell starken Verbindungen über längere Zeit (> 100 ms) erzeugt bewusstes Erleben. Modul 1 Vorverarbeitung
Modul 2 Musterextraktion
Modul 3 Vergleich im Gedächtnis
Modul 4 Modul 5 Entscheidung Reaktionsauswahl Reaktionsverarbeitung
Stimuli
ausgewähltes Modul Kaskade von automatisch aktivierten Modulen α (Prozessoren mit Mikrozuständen)
Abb. 4 Modell neuronaler Prozesse der Informationsverarbeitung (Quelle: Birbaumer und Schmidt 2006, S. 513)
Reaktion
nicht bewusst
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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Die Ausführungen verdeutlichen, dass die Wahrnehmung einer Person in hohem Maße von weiteren aktivierenden, intrapersonalen Bestimmungsfaktoren des Käuferverhaltens geprägt werden: der Aktiviertheit und dem Involvement sowie den Emotionen. Aktivierung und Involvement Nach den Käuferverhaltensansätzen von Trommsdorff und Teichert (2011) sowie Kroeber-Riel und Gröppel-Klein (2013) gehört die Aktiviertheit zu den grundlegenden Konstrukten des Kaufverhaltens und gilt als Basis aller Antriebskräfte des menschlichen Verhaltens (vgl. Foscht et al. 2017, S. 37). Im Kontext der neuropsychologischen Verhaltensforschung wird die Aktivierung „als (verstärkte) objektbezogene Aufmerksamkeit verstanden“ (Bielefeld 2012, S. 160) und folgt erst im Anschluss an die ihr vorgelagerte Reizwahrnehmung und -bewertung.
I Aktiviertheit Nach klassischem Verständnis beschreibt die Aktiviertheit den
inneren Erregungszustand eines Menschen. Aus physiologischer Sicht ist damit die Erregung des zentralen Nervensystems gemeint, die den Organismus des Menschen in einen Zustand der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit versetzt.
Die Wirkung der Aktiviertheit auf die Leistung des Menschen wird zumeist durch die Lambda-Hypothese (oder umgekehrte U-Hypothese) wiedergegeben (vgl. Abb. 5). Die Lambda-Hypothese sagt aus, dass die Leistung eines Individuums bei zunehmender Stärke der Aktiviertheit zunächst steigt, jedoch ab einer bestimmten Aktivierungsstärke wegen Überreizung wieder fällt (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 86 ff.). Aus neurowissenschaftlicher Sicht ist die Bewertung von Reizen für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Marken entscheidend. Diese Bewertung erfolgt nicht primär über eine intensive kognitive Beschäftigung mit der Marke, sondern ist eine Folge der mit einer Marke verbundenen Gefühle (vgl. dazu den Abschnitt zur Wahrnehmung und visueller Informationsverarbeitung). Dieser sogenannte Belohnungswert einer Marke ergibt sich aus drei aktivierenden Determinanten, die für die Markenbewertung relevant sind: dem Involvement, dem Anspruchsniveau und dem symbolhaften Markennutzen (vgl. Bielefeld 2012, S. 184 f.).
I Involvement Involvement bezeichnet den Grad der „Ich-Beteiligung“ bzw. des
Engagements einer Person, sich für bestimmte Sachverhalte oder Aufgaben zu interessieren und einzusetzen. Es ist die auf die Informationsverarbeitung gerichtete Aktivität des Nachfragers und damit ein spezielles Sub-Konstrukt der Aktiviertheit (vgl. Trommsdorff und Teichert 2011, S. 42; Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 461 f.).
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing Leistung
Aktivierung EDR Schlaf
Entspannte Wachheit
Wache Aufmerksamkeit
Starke Erregung
Panik
Das Aktivierungskontinuum wird in verschiedene Abschnitte eingeteilt. Jeder Abschnitt kennzeichnet einen psychischen Erregungszustand und lässt sich durch bestimmte elektrodermale Reaktionsmuster charakterisieren.
Abb. 5 Zusammenhang zwischen Aktivierung und Leistung des menschlichen Organismus (Quelle: Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 87)
Das Involvement-Konstrukt hat innerhalb der Käuferverhaltensforschung einen zentralen Stellenwert erlangt. Es dient der Beschreibung und Kategorisierung von Kaufentscheidungsprozessen in High- und Low-Involvement-Käufe (vgl. Kroeber-Riel und GröppelKlein 2013, S. 461 ff.). High-Involvement-Käufe sind für den Nachfrager wichtig und stehen in enger Verbindung mit seiner individuellen Persönlichkeit und Selbsteinschätzung. Der Nachfrager nimmt hier ein gewisses finanzielles, soziales, psychologisches oder gesundheitliches Risiko in Kauf und verwendet in komplexen Entscheidungsprozessen viel Zeit und Energie für die wohlüberlegte Auswahl von Produktalternativen. Zu typischen HighInvolvement-Entscheidungen zählen bspw. der Hauskauf, der Erwerb von Luxusmarken oder die Entscheidung für eine Urlaubsreise. Low-Involvement-Käufe bringen im Allgemeinen nur begrenzte Entscheidungsprozesse mit sich. Sie sind für den Nachfrager weniger wichtig, nur mit geringen Risiken verbunden und oft durch verfestigte Verhaltensmuster (Gewohnheiten) bestimmt. Hierzu zählt vielfach der Kauf von generischen Produkten wie Zucker, Salz oder Toilettenpapier.
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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Der Grad der Aufmerksamkeit, der durch das Involvement gegenüber einem Objekt oder Sachverhalt in hohem Maße beeinflusst wird, ist abhängig von personen-, situations- und reizspezifischen Einflussfaktoren (vgl. Deimel 1989, S. 154 f.). Bei den personenspezifischen Einflussfaktoren sind vor allem individuelle Persönlichkeitsmerkmale, Bedürfnisse, Ziele und Wertstrukturen für die Stärke des inneren Engagements gegenüber einem Objekt ausschlaggebend. Situationsspezifische Einflussgrößen stehen für die Realisationsbedingungen einer Entscheidung wie bspw. Zeitdruck oder die Nicht-Verfügbarkeit eines Produktes. Bei den reizspezifischen Faktoren steht neben dem Einfluss der Kommunikationsform vor allem die Beeinflussung durch das Produkt, das Produkt-Involvement, im Vordergrund (vgl. Mühlbacher 1988). Die Ausprägung des Involvements wird häufig mit der Bedeutsamkeit einer Produktkategorie für den Nachfrager in Verbindung gesetzt. Daraus ergibt sich, dass das Involvement innerhalb einer Produktkategorie selten als Differenzierungsmerkmal genügt, sondern lediglich Unterschiede in der Bedeutung unterschiedlicher Produktkategorien erklärt. Um die Aufmerksamkeitsunterschiede zwischen Marken innerhalb einer Produktkategorie erklären zu können, ist die Analyse des produktspezifischen Anspruchsniveaus notwendig.
I Anspruchsniveau Das Anspruchsniveau ist der von einer Person als verbind-
lich erlebte Standard der Zielerreichung, d. h. der individuelle Anspruch an seine Persönlichkeit, seine Bedürfnisse und sein Lebensstil. Jedes Individuum entscheidet bei der Markenwahl hinsichtlich seines individuellen Anspruchsniveaus, welche Alternativen als zufriedenstellend angesehen und akzeptiert und welche zurückgewiesen werden (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 481 f.; Bielefeld 2012, S. 186).
Neben dem Involvement und dem Anspruchsniveau wird zusätzlich der symbolhafte Markennutzen zur Ermittlung des Belohnungswertes einer Marke und somit zur Erklärung der Informationsverarbeitung analysiert (vgl. Burmann et al. 2018, S. 52 f.). Hierbei findet eine subjektive Bewertung statt, ob und in welchem Ausmaß eine Marke emotional geprägte Ansprüche erfüllt, die über die technisch-funktionale Nutzenstiftung der Marke hinausgehen. Die gezielte Auslösung der Aktivierung bei Nachfragern kann durch verschiedene Reizmechanismen erfolgen (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 80 ff.): affektive bzw. emotionale Reizwirkungen: Schaffung innerer Erregung durch emotionale Reize („biologische“ Schlüsselreize), z. B. durch die Darstellung von nackten Menschen in der Werbung, kognitive Reizwirkungen: gedankliche Konflikte, Widersprüche und Überraschungen, die die Informationsverarbeitung stimulieren, indem sie die Wahrnehmung vor unerwartete Aufgaben stellen, und
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
physische Reizwirkungen: physisch intensiv wirkende Reize wie Regen, Berührung, Musik, Farben, Geruch etc. Im Zusammenhang mit der gezielten Aktivierung sind verschiedene Risiken zu berücksichtigen. Zu nennen sind hier Vampir-, Bumerang- und Irritationseffekte. Die zunehmende Informationsüberflutung führt zu immer intensiveren Aktivierungstechniken, weshalb eine Beleuchtung dieser Formen der übertriebenen Aktivierung immer wichtiger wird (vgl. Kroeber-Riel und Esch 2015, S. 275). Der Vampireffekt beschreibt die aufmerksamkeitsabsorbierende Wirkung von bestimmten Reizen, die von der Werbebotschaft ablenken. Höchst aufmerksamkeitsstarke Reize stammen häufig aus den Bereichen Erotik und Angst. Zur Vermeidung des Vampireffektes sollten aktivierende Elemente und nicht-aktivierende Elemente (die Werbebotschaft) als eine Wahrnehmungseinheit dargestellt werden (vgl. Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 279). Von einem Bumerangeffekt wird gesprochen, wenn die Kommunikation zur gegenteiligen Wirkung des beabsichtigten Werbeziels führt. Dieser Effekt entsteht bei einer fehlgeleiteten inhaltlichen Ausrichtung des zur Aktivierung dienenden Reizes. Bei dem Empfänger können Meinungsbildungsprozesse ausgelöst werden, die gänzlich konträr zur Absicht des Werbenden stehen (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 100; Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 435). Bspw. kann eine durch erotische Reize unterstützte Werbeanzeige eines seriösen Anbieters bei dem Empfänger falsche Assoziationen hervorrufen. Die unangemessene Verwendung von kognitiven Reizen kann zu Irritationseffekten führen. Hier löst die Werbung bei dem Empfänger eine Verunsicherung oder Verstörung aus, die letztlich zu einer Abwehrhaltung führen kann. Kroeber-Riel und Esch kennzeichnen den zu Irritationseffekten führenden Werbestil wie folgt: „vordergründiges und aufdringliches Argumentieren, Hinweise auf unliebsame Konsequenzen, die eintreten, wenn man das Produkt nicht benutzt und aufdringliche, peinliche und geschmacklose Aktivierungsreize“. Irritationseffekte treten häufig bei gebildeten und gegenüber Werbung voreingenommenen Zielgruppen auf (Kroeber-Riel und Esch 2015, S. 278). Die Werbekampagnen von United Colors of Benetton werden immer wieder in Verbindung mit Irritationseffekten genannt. Emotionen Die im Abschnitt zu Wahrnehmung und visueller Informationsverarbeitung beschriebene Bewertung von Reizen wird unmittelbar von Emotionen geleitet. Somit stehen Emotionen in enger Verbindung mit der Wahrnehmung und sind ein wichtiger, aktivierender, intrapersonaler Bestimmungsfaktor des Käuferverhaltens.
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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I Emotion Emotionen sind jene inneren, physiologischen Erregungszustände
(Körperzustände), die als angenehm oder unangenehm empfunden und mehr oder weniger bewusst erlebt werden (vgl. Foscht et al. 2017, S. 45). Bewusst erlebte und verbalisierbare Emotionen werden als Gefühle bezeichnet.
Emotionen können in primäre bzw. universelle und sekundäre bzw. soziale Emotionen unterteilt werden. Universelle Emotionen sind jene, die angeboren sind und übergreifend in allen Kulturen sowohl bei Menschen als auch Tieren auftreten. Hierzu zählen folgende Emotionen: Freude, Trauer, Ärger, Überraschung, Furcht und Ekel (vgl. Damasio 2013; 2014). Die sozialen Emotionen sind abhängig vom jeweiligen Umfeld eines Menschen und nicht auf gleicher Art und Weise in allen Kulturen vertreten. Dazu zählen: Mitgefühl, Scham, Verlegenheit, Eifersucht, Schuldgefühl, Stolz, Neid, Dankbarkeit, Bewunderung, Entrüstung und Verachtung (vgl. Damasio 2014). Die sekundären Emotionen können zudem in verschiedenen Kombinationen auftreten (vgl. Foscht et al. 2017, S. 48). Nach der Aktivierungstheorie von Schachter schließen Emotionen die Konstrukte Aktiviertheit, Aufmerksamkeit und Involvement mit ein (vgl. Schachter und Singer 1962). Sie bestimmen die Intensität einer Emotion. Die Qualität einer Emotion entsteht jedoch erst durch die Interpretation der physiologischen Erregung. Emotionen sind demnach von kognitiven Prozessen abhängig. Im Rahmen der Emotionstheorie wird den Emotionen als Folge ihres Belohnungswertes vor allem eine Antriebsfunktion für menschliches Handeln zugesprochen (vgl. Trommsdorff und Teichert 2011, S. 62). Die zunehmende Emotionalisierung des Nachfragerverhaltens (vgl. Freundt 2006) ist eine Folge der wachsenden technisch-funktionalen Homogenität vieler Produkte. Die mit einem Produkt verbundenen Emotionen und Gefühle sind zu ausschlaggebenden Differenzierungskriterien im Wettbewerb geworden. Bei Produkten, die aus technisch-funktionaler Sicht vom Nachfrager als austauschbar wahrgenommen werden, kommt der Vermittlung produktspezifischer Emotionen und Gefühle für den Unternehmenserfolg die höchste Bedeutung zu. Beispielhaft können hier Produkte aus dem HiFi- und Biermarkt genannt werden. Menschliche Emotionen treten im Allgemeinen nicht einzeln auf. Sie sind vielmehr ein komplexes Zusammenspiel mehrerer primärer, sekundärer und erlernter Emotionen und können daher nur anhand ihrer Dimensionen Erregung (Aktiviertheit), Richtung (Adressat), Qualität (Inhalt) und Bewusstsein (bewusst bzw. unbewusst) erfasst werden. Die Messung von Emotionen kann durch psychobiologische Instrumente erfolgen, die vor allem die Stärke emotionaler Erregungen und Aktivierungen erfassen. Zu nennen sind hier die Verfahren zur Messung der elektrischen Hautleitfähigkeit, Blickmessungsverfahren sowie die Messung von Pupillenerweiterungen und -verengungen (vgl. umfassend z. B. Dawson et al. 2007, S. 159 ff.; Berekoven et al. 2009, S. 171 ff.). In den letzten Jahren sind für die Messung von Emotionen auch Technologien aus der medizinischen Hirnforschung in den Fokus der Marketingwissenschaft gerückt. Als maßgebliche Verfahren
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
sind in diesem Zusammenhang die Elektroenzephalographie (EEG), die Positronen-Emissions-Tomographie (PET), und die (funktionale) Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) zu nennen (vgl. Berekoven et al. 2009, S. 175 f.; Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 140 f.). In der Praxis wurde bereits eine Reihe von Marketingstudien unter Anwendung dieser Verfahren durchgeführt. Häufig wird eine fMRT-Untersuchung in Kombination mit anderen Methoden wie beispielsweise einer Befragung via Fragebogen eingesetzt. Die Interpretation der Ergebnisse ist häufig jedoch sehr schwierig, denn diese verlangt ein tiefgründiges Verständnis der spezifischen neurowissenschaftlichen Zusammenhänge und der verwendeten Technologie (vgl. Kenning et al. 2007, S. 147 f.). So muss die Aussagekraft der durchgeführten Marketingstudien zum jetzigen Zeitpunkt noch kritisch beurteilt werden. Es ist bislang z. B. gänzlich ungeklärt, wie einzelne Hirnareale jenseits der beobachteten neuronalen Aktivität zusammenwirken, um Bewertungen oder ein bestimmtes Verhalten zu induzieren (vgl. Berekoven et al. 2009, S. 175 f.; Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 140 f.). Zudem bieten fMRT-Untersuchungen zahlreiche Eingriffsmöglichkeiten des Anwenders, die zu einem hohen Maß an Subjektivität bei der Generierung und Darstellung neurowissenschaftlicher Studienergebnisse führen. Neurowissenschaftliche Verfahren werden somit in absehbarer Zeit lediglich zur Bestätigung bereits anderweitig generierter Erkenntnisse und Theorien eingesetzt werden können (vgl. Bagozzi 2010, S. 16). Die neurowissenschaftlichen Instrumente sollten deswegen durch verbale und nonverbale Messansätze ergänzt werden, um Aufschluss über die Richtung und den Inhalt emotionaler Erregungszustände zu erhalten. Angesichts der problematischen Verbalisierung von Emotionen rückt auch die Beobachtung zunehmend in den Blickpunkt des Interesses (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 134 ff.). Lernen und Gedächtnis Der kognitive Prozess des Lernens ist ein wichtiger Prozess im Zusammenhang mit der Informationsspeicherung (vgl. den Abschnitt zu Wahrnehmung und visueller Informationsverarbeitung sowie Foscht et al. 2017, S. 85 ff.).
I Lernen Lernen kann als die systematische Änderung des Verhaltens aufgrund
von Erfahrungen bezeichnet werden (vgl. Meffert 1992, S. 62; Gerrig und Zimbardo 2015, S. 200).
In der Lernforschung werden unterschiedliche Konzeptionen diskutiert, die vom Prinzip des auf „Versuch und Irrtum“ beruhenden Lernens (elementare empirische Lerntheorien) bis zum „intelligenten“ Lernen (komplexe empirische Lerntheorien) reichen (vgl. Bower und Hilgard 1984; Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 418 ff.). Unter den elementaren Lerntheorien haben vor allem die S-R-(Stimulus-Response) Theorien Bekanntheit erlangt, darunter besonders die klassische Konditionierung, die operante (oder auch instrumentelle) Konditionierung und das Modell des sozialen Lernens.
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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Grundannahme der 1927 von Pawlow eingeführten klassischen Konditionierung ist, dass jeder Mensch über ungelernte Reflexe verfügt und „automatisch“ auf bestimmte Umweltreize reagiert. Treten parallel zu diesen angeborenen Reflexreaktionen wiederholt neutrale Reize auf, so wird im Laufe der Zeit eine neue Stimulus-Response-Assoziation gelernt: Der neutrale Stimulus ist schließlich auch ohne gleichzeitiges Auftreten des ursprünglichen Stimulus in der Lage, die gleiche Reaktion auszulösen. Das bekannteste Beispiel der klassischen Konditionierung ist das Experiment der Hundefütterung von Pawlow. Anwendung findet dieses Phänomen in der assoziativen Werbung, indem Produkte (z. B. Autos) wiederholt mit emotional geladenen Reizen (z. B. Naturlandschaften, schöne Frauen) präsentiert werden. Es wird in diesem Fall von emotionaler Konditionierung gesprochen (vgl. Bänsch 2002, S. 86 f.; Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 163 f.). Die Theorie der instrumentellen Konditionierung beschreibt Lernen nach dem Verstärkungsprinzip. Das Individuum reagiert auf einen bestimmten Stimulus zunächst unregelmäßig und zufällig. Durch eine nachfolgende Belohnung (positiver Verstärker) oder Bestrafung (negativer Verstärker) erhält die Reaktion eine Bedeutung und tritt entsprechend der Konsequenzen, die sie für das Individuum hat, mit höherer oder geringerer Wahrscheinlichkeit auf: Belohnte Reaktionen werden tendenziell verstärkt, bestraftes Verhalten geschwächt. Mithilfe der operanten Konditionierung können bspw. Kundenbindung, Produkt- oder auch Markentreue erklärt werden: Ein Nachfrager, der positive Erfahrungen mit einer Ware gemacht hat (Belohnung), wird mit großer Wahrscheinlichkeit seinen Kauf wiederholen und u. U. ein habituelles Kaufverhalten entwickeln (vgl. KroeberRiel und Gröppel-Klein 2013, S. 426 ff.; Kuß und Tomczak 2007, S. 36) (vgl. Abb. 6). Den Einfluss von Marken bzw. gelernten Markenerfahrungen auf die Wahrnehmung und Beurteilung von Produkten haben die Ergebnisse der Hirnforschung bei der Anwendung des „Pepsi-Testes“ eindrucksvoll bestätigt. In einem Blindtest wurde Probanden Pepsi-Cola und Coca-Cola verabreicht. Während des Trinkens wurden die Hirnaktivitäten der Probanden in einem Kernspintomografen gemessen. Der Genuss von PepsiCola führte zu einer stärkeren Gehirnaktivität im Bereich des „Belohnungszentrums“ als der Genuss von Coca-Cola. Bei einer direkten Frage zum Geschmack der im Blindtest verkosteten Getränke entschied sich die Mehrheit der Probanden auch für Pepsi-Cola. In einem zweiten Durchgang war den Probanden bekannt, welche Marke sie verkosten. Hierdurch änderten sich gemäß der Auswertung der Bilder des Kernspintomografen die aktivierten Gehirnregionen sowie die explizit geäußerte Beurteilung des Getränkes nach dem Genuss. So führte das Trinken von Coca-Cola zu einer höheren Gehirnaktivität und besseren Beurteilung. Außerdem wurde der Bereich im Gehirn aktiviert, der für das „Selbstbild des Menschen“ steht. Dieses Experiment belegt den Einfluss einer starken Marke auf die Wahrnehmung und Beurteilung von Nachfragern sowie auf die damit verbundene Aktivierung verschiedener Gehirnregionen. In diesem Experiment wirkten die positiven Markenerfahrungen und das gestiegene Selbstwertgefühl folglich stärker als die Geschmackswahrnehmung (vgl. McClure et al. 2004).
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
Zeitpunkt
t1
Klassische Konditionierung
Emotional gestaltetes Bild (gemeinsam) Markenname
t2
Emotional gestaltetes Bild (gemeinsam) Markenname
Emotion Emotion
Instrumentelle Konditionierung
Angebot eines Produktes
Zufriedenheit mit dem Produkt
Verstärkung Verstärkung
Wahrnehmung Wahrnehmung
Emotion Emotion
Kauf eines Produktes
Angebot eines Produktes
Kauf eines Produktes
Zufriedenheit mit dem Produkt
Verstärkung Verstärkung
Wahrnehmung Wahrnehmung
Häufige Wiederholungen Emotion Emotion
tn Markenname
Wahrnehmung Wahrnehmung
Angebot eines Produktes
Kauf eines Produktes
Zufriedenheit mit dem Produkt
Verstärkung Verstärkung
Abb. 6 Beispiele für die Anwendung der klassischen und der instrumentellen Konditionierung im Marketing (Quelle: Kuß und Tomczak 2007, S. 36)
Die Theorie des sozialen Lernens, auch „Lernen am Modell“ genannt, beschreibt einen Lernvorgang als die Verknüpfung externer Reizsituationen mit internen kognitiven Verarbeitungsvorgängen (vgl. Bandura 1976, 1981). Das Individuum macht dabei keine eigenen Erfahrungen, sondern beobachtet in seiner sozialen Umwelt das Verhalten anderer Personen und daraus folgende Konsequenzen. Informationsverarbeitende und verhaltenssteuernde kognitive Prozesse führen zu einem Behalten und Reproduzieren der Verhaltensweisen dieser „Fallstudien“, sodass es zu einem Imitationsverhalten des Individuums kommt. Lernen stellt somit einen aktiv gesteuerten Prozess erlebter Erfahrung dar, der durch positive Selbstverstärkung zu Gewohnheiten führen kann (vgl. Bänsch 2002, S. 109). Das Erlernte wird im Gedächtnis gespeichert. Das sog. „3-Speicher-Modell“ (heute auch oftmals als „modales Gedächtnismodell“ bezeichnet) differenziert dabei zwischen dem sensorischen Register, dem Kurzzeit- bzw. Arbeitsgedächtnis und dem Langzeitgedächtnis. Wenn das Informationsverhalten des Nachfragers als Ablauf eines Prozesses interpretiert wird, dann können die Phasen der Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung den drei genannten Speicherarten wie folgt zugeordnet werden (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 308 ff.):
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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Sensorisches Register (Ultrakurzzeitgedächtnis): Hier werden die durch die Sinnesorgane aufgenommenen Reize für ihre Weiterverarbeitung im Arbeitsspeicher zunächst zwischengelagert und in bioelektrische Impulse umgewandelt. Da das sensorische Gedächtnis noch keine Auswahl der eingehenden Eindrücke trifft, ist seine Speicherkapazität entsprechend groß, die Speicherdauer jedoch sehr klein (ca. 0,1 bis 1 s). Das sensorische Gedächtnis wird somit auch als die „Brücke zwischen Wahrnehmung und dem, was eher einer konventionellen Vorstellung von Gedächtnis entspricht“ (Buchner und Brandt 2017, S. 402) verstanden. Kurzzeit-(Arbeits-)gedächtnis: Im Arbeitsgedächtnis wird eine erste Auswahl der Reize in Abhängigkeit von ihrem Aktivierungspotenzial getroffen. Die Reize werden anschließend zu Informationen umgewandelt, indem sie entschlüsselt, interpretiert und mit im Langzeitgedächtnis vorhandenem Wissen früherer Erfahrungen verglichen werden. Da das Kurzzeitgedächtnis nur eine sehr begrenzte Kapazität hat, werden die Informationen entweder nach einigen Sekunden gelöscht oder im Langzeitgedächtnis abgelegt. Langzeitgedächtnis: Das Langzeitgedächtnis stellt das eigentliche Gedächtnis des Menschen dar. Die Psychologie unterscheidet an dieser Stelle zwischen implizitem (bzw. nondeklarativem) und explizitem (bzw. deklarativem) Gedächtnis. Das implizite Gedächtnis umfasst nicht-verbalisiertes Wissen und kann nicht auf Anfrage abgerufen werden. Es zeigt sich aber in Erinnerungseffekten. So ist bspw. die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ein vergessener Personenname wieder präsent wird, wenn er inmitten von mehreren anderen Namen genannt wird. Auch prozedurales Wissen ist implizit: Eine Sekretärin beherrscht möglicherweise nahezu perfekt das Zehn-Finger-Schreibsystem, ist aber nicht in der Lage, die genaue Position einzelner Buchstaben auf der Tastatur anzugeben. Im Gegensatz dazu beinhaltet das explizite Gedächtnis einen Informationsschatz, der auf externe Anfrage abruf- und reproduzierbar ist (vgl. Gerrig und Zimbardo 2015, S. 167). Die Einspeicherung von Informationen im Gedächtnis erfolgt dadurch, dass neue mit bereits gespeicherten Informationen verglichen werden und mit ihnen verbunden werden, soweit ein inhaltlicher Zusammenhang zu diesem Kontext besteht (vgl. Bielefeld 2012, S. 196 f.). Bielefeld unterscheidet zwischen fünf inhaltlich verschiedenen Gedächtnissystemen, die im Zusammenhang mit den neuropsychologischen Prozesse stehen und hierarchisch aufeinander aufbauen (vgl. Abb. 7 sowie umfassend Bielefeld 2012, S. 203 ff.): Prozedurales Gedächtnis beinhaltet die (vorbewussten) Muster von meist motorischen und quasi „automatisch“ ablaufenden Handlungen wie z. B. Fußballspielen. Priming bedeutet, dass durch einen (vorbewusst) wahrgenommenen Reiz bereits vorhandene Gedächtnisinhalte aktiviert werden und die Verarbeitung von Reizen erleichtert wird.
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
Gedächtnissysteme
neuropsychologische Prozesse
Markenwirkungen
7. autobiografisches Gedächtnis
7.1 Hohe Bedeutung der Markenassoziationen für die Identität der Nachfrager (Selbstbezug)
7.2 Persönliche Identifikation mit der Marke und hohes Brand Attachment
6. episodisches Gedächtnis
6.1 Ereignisse und Erfahrungen in Zeit und Raum
6.2 Weitere Anreichung der emotionalen Aufladung einer Marke mit individuellen Erlebnissen
5. emotionales Gedächtnis
5.1 Emotionale Bedeutung
5.2 Emotionale Aufladung der Marke
4. semantisches Gedächtnis
4.1 Kognitive Bedeutung
4.2 Erkennen des Nutzenversprechens
3. perzeptuelles Gedächtnis
3.1 perzeptuelle Verarbeitung
3.2 passive (visuelle) Marken(wieder-)erkennung (gestützte Markenbekanntheit)
2. Priming
2.1 Priming-Effekt: „Bahnung“
2.2 vorbewusste „Bekanntheit“ als Folge von Wiederholungen („Habe ich vermutlich schon mal gesehen“)
1. Wahrnehmung der Markenreize (Ultrakurzzeit-Gedächtnis)
1.1. Unterschwellige, nicht bewusst verarbeitete Reize
1.2 Reize zerfallen sofort nach ihrer Wahrnehmung im Ultrakurzzeit-Gedächtnis
Abb. 7 Prozess der Informationsverarbeitung, Gedächtnissysteme und Markenwirkung (Quelle: In enger Anlehnung an Bielefeld 2012, S. 213)
Perzeptuelles Gedächtnis ermöglicht die sensorische (visuelle, auditorische etc.) Identifikation von Objekten aufgrund von kategorial typischen Merkmalen. Der bewusst wahrgenommene Reiz wird auf dieser Stufe mit den im Gedächtnis abgespeicherten Informationen verglichen, sodass ein Erkennen des Objektes aufgrund von Ähnlichkeit zu anderen, bekannten Objekten möglich ist. Eine semantische Kategorisierung ist erst auf der nächsten Stufe möglich. Semantisches Gedächtnis entspricht dem Wissenssystem eines Menschen. Dies beinhaltet Fakten, die unabhängig von Zeit und Raum abgespeichert werden und keinen persönlichen Bezug aufweisen. Eine Bewertung oder Verknüpfung mit Bedürfnissen erfolgt nicht. Episodisches Gedächtnis beinhaltet Erlebnisse der eigenen Biographie mit einem direkten Raum- und Zeitbezug. Innerhalb des episodischen Gedächtnissystems kann zwischen dem emotionalen Gedächtnis, dem episodischen Gedächtnis i. e. S. und dem autobiographischen Gedächtnis unterschieden werden. Motive und Motivation In engem Zusammenhang mit emotionalen Vorgängen stehen die menschlichen Motivationen. Motivation kann als ein hypothetisches Konstrukt verstanden werden, mit dem die
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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Antriebe des Verhaltens und Handelns erklärt werden können. Eine Motivation versorgt den Nachfrager mit Energie und richtet das Verhalten auf ein Ziel aus (vgl. KroeberRiel und Gröppel-Klein 2013, S. 178 ff.; Bielefeld 2012, S. 219 f.). Die Begriffe Motiv und Bedürfnis müssen dabei unterschieden werden. Ein Motiv wird als ein wahrgenommener Mangelzustand definiert, der die Veranlassung impliziert, nach Möglichkeiten zu suchen, um diesen Mangelzustand zu beseitigen (vgl. Foscht et al. 2017, S. 55). Motive, die für eine Persönlichkeitsdisposition stehen, sind demzufolge Grundlage für die Entstehung von Beweggründen. Des Weiteren können Motive als Ausdruck von Bedürfnissen verstanden werden (vgl. Bielefeld 2012, S. 220 f.). Motivationspsychologische Theorien gehen davon aus, dass Motivation einerseits eine Aktivierungskomponente, d. h. die Konstrukte Aktiviertheit, Involvement und Emotionen (das Motiv), und andererseits auch eine kognitive Komponente (das Bedürfnis) beinhaltet. Deutlich wird dies am Beispiel der Nahrungssuche. Während ein Mangel an Nahrung zu Hunger führt (Aktivierungskomponente), bedarf es zunächst kognitiver Prozesse der zielgerichteten Suche nach Alternativen (kognitive Komponente), um schließlich Nahrung zu finden und das Hungergefühl zu befriedigen. Motivationen liegen verschiedene Arten von Motiven zugrunde: Primäre und sekundäre Motive: Primäre Motive sind nicht gelernte, biologische Triebe. Sie stehen in direktem Zusammenhang mit dem Überleben des Menschen (Hunger, Durst und Schlaf). Im Gegensatz dazu sind sekundäre Motive erlernt (z. B. der Gelderwerb). Sie werden mit den primären Motiven assoziiert oder dienen direkt bzw. indirekt deren Befriedigung: Das sekundäre Motiv des Geldverdienens hilft, das Bedürfnis der Existenzsicherung zu befriedigen. Intrinsische und extrinsische Motive: Intrinsische Motive liegen vor, wenn das Handeln zu einer Belohnung durch den Nachfrager selbst führt. Bspw. können in einem Vergnügungspark die Neugierde auf eine neue Achterbahn oder das Bedürfnis nach Abwechslung (Stimulusvariation) wichtigere Handlungsmotive für ein Individuum sein als ein möglicherweise gleichzeitig auftretendes Hungergefühl. Extrinsische Motive zielen dagegen auf ein Handeln ab, dessen Konsequenz die Belohnung durch die Außenwelt ist. Bewusste und unbewusste Motive: Unbewusste Motive unterscheiden sich dadurch von bewussten Motiven, dass ihr Einfluss auf den Nachfrager nicht feststellbar ist, d. h., dass sie unterhalb der Schwelle der persönlichen Wahrnehmung liegen und vom Nachfrager nicht artikuliert werden können. Auch Bedürfnisse lassen sich in verschiedene Arten unterteilen. Die gebräuchlichste Differenzierung wurde von Maslow vorgenommen und gestaltet sich wie folgt (Maslow 1970): Selbstverwirklichung (Entfaltung der Persönlichkeit, Kreativität) Prestigebedürfnisse (Selbstachtung, Anerkennung durch andere)
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
Soziale Bedürfnisse (Pflege der Geselligkeit, Zuneigung, Liebe) Sicherheitsbedürfnisse (Erhaltung der Erwerbsfähigkeit, Alterssicherung) Physiologische Bedürfnisse (Nahrung, Schlaf, Erhaltung der Gesundheit) Nach Maslow kann jede Bedürfnisstufe bis zum „höchsten“ Bedürfnis (Selbstverwirklichung) erst dann erreicht werden, wenn die darunter liegenden Bedürfnisse befriedigt werden konnten. Diese Betrachtungsweise ist jedoch idealtypisch, da es Menschen gibt, denen Prestige bspw. wichtiger ist als die Pflege sozialer Kontakte. Auch ist es unwahrscheinlich, dass Bedürfnisse immer komplett befriedigt werden. Vielmehr kommt es auf eine relative Bedürfnisbefriedigung an, die dem Situationsempfinden eines Nachfragers angemessen ist (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 181 f.). Vielfach können auch Motive verschiedener Hierarchieebenen in einer Verknüpfung ein Kaufverhalten erklären (vgl. Kirchgeorg und Greven 2008). Wenn die Motive eines Nachfragers im Widerspruch zueinander stehen, kommt es zu motivationalen Konfliktsituationen (vgl. Berelson und Steiner 1974, S. 171; Bänsch 2002, S. 35 ff.). Derartige motivationale Konfliktsituationen machen Nachfragern die Entscheidungsfindung zwar schwerer, bieten Herstellern jedoch die Möglichkeit, durch die Betonung anderer Eigenschaften Konfliktinhalte zu verstärken oder zu relativieren und so auf den Nachfrager einzuwirken. Einstellungen und Images Das Verhaltenskonstrukt „Einstellung“ ist die am häufigsten zur Erklärung des Käuferverhaltens herangezogene Variable (vgl. Trommsdorff 1975; Geise 1984; Schnedlitz 1985; Böhler 2004; Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 232 ff.). I Einstellung Einstellungen sind innere Bereitschaften (Prädispositionen) eines
Individuums, auf bestimmte Stimuli der Umwelt konsistent positiv oder negativ zu reagieren. Objekte der Einstellungen können Sachen, Personen oder Themen sein (sog. Objektorientierung der Einstellung).
Der Einstellungsbegriff ist somit weiter gefasst als der Begriff der Motivation, da die Einstellung zusätzlich eine Gegenstandsbeurteilung vornimmt und an ein Objekt gebunden ist. Ferner zeichnen sich Einstellungen durch eine hohe zeitliche Stabilität aus. Die Änderung einer Einstellung hat Auswirkungen auf andere Einstellungen, da Einstellungen prinzipiell untereinander in Beziehung stehen und ein System (Image) bilden. Der Begriff „Image“ wird als weitgehend deckungsgleich mit dem Einstellungsbegriff angesehen. Das Image wird auch als mehrdimensionales Einstellungskonstrukt beschrieben und kann als differenziertes und dabei ganzheitliches Bild eines Einstellungsobjektes begriffen werden (vgl. Trommsdorff und Teichert 2011, S. 133 f.). Einstellungen entstehen durch Lernprozesse. Die Käuferverhaltensforschung geht davon aus, dass mit zunehmender Stärke positive (bzw. negative) Einstellungen gegenüber Leistungen die Wahrscheinlichkeit des Kaufes steigt (sinkt).
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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Insgesamt lassen sich bei der Interpretation und Analyse von Einstellungen drei Komponenten unterscheiden (3-Komponenten-Theorie der Einstellung; vgl. Triandis 1975; Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 242 f.): Affektive Komponente: Sie enthält die mit der Einstellung verbundene gefühlsmäßige Einschätzung eines Objektes. Das heißt sie enthält sowohl emotionale als auch motivationale Elemente. Kognitive Komponente: Sie beinhaltet die mit einer Einstellung verbundenen Gedanken (subjektives Wissen) über das Einstellungsobjekt. Konative Komponente: Sie bezeichnet eine mit der Einstellung verbundene Handlungstendenz (Verhaltensabsicht, Kaufbereitschaft). Ausgehend von den drei Konstruktdimensionen (affektiv, kognitiv, konativ) können die Teilkomponenten der Einstellungen anhand physiologischer Reaktionen (z. B. Hautwiderstandsänderungen), durch die im Rahmen einer Befragung gegebenen Antworten oder anhand des beobachtbaren Verhaltens (z. B. Kauf, Probierverhalten) erfasst werden. Den Einzelindikatoren werden direkte oder indirekte Skalenwerte zugeordnet, welche die Anwendung mathematisch-statistischer Analyseverfahren ermöglichen. Unter den zahlreichen Modellen zur Messung von Einstellungen sind das Einstellungsmodell von Fishbein und die Konzeption von Trommsdorff die bekanntesten und am häufigsten verwendeten mehrdimensionale Methoden. Das Einstellungsmodell von Fishbein (vgl. hierzu umfassend Fishbein 1967; Ajzen und Fishbein 1980) basiert auf der Annahme, dass zwischen der Einstellung eines Individuums zu einem ausgewählten Objekt (Produkt) und der kognitiven bzw. affektiven Beurteilung des Produktes durch den Nachfrager ein funktionaler Zusammenhang besteht. Das kognitive Wissen von Produkteigenschaften, das durch subjektive Wahrscheinlichkeiten erfasst wird (Bijk ), und die affektive Bewertung dieser Eigenschaften anhand von Notenskalen (aijk ) werden multiplikativ miteinander verknüpft und über die Anzahl der in beiden Dimensionen enthaltenen Merkmale summiert. Da das Modell von Fishbein zu den kompensatorischen Modellen zählt, kann der resultierende Wert positiv (positive Einstellung), gleich null (Indifferenz) oder negativ (negative Einstellung) sein. Prämisse ist dabei, dass nur wichtige Merkmale abgefragt werden. In einer Formel ausgedrückt ergibt sich folgender Zusammenhang (vgl. Cohen et al. 1972, S. 456 ff.): Aij D
n X
Bijk aijk
(1a)
kD1
mit: Aij = Einstellung der Person i zu Objekt j (attitude) Bijk = Wahrscheinlichkeit dass nach Auffassung der Person i Objekt j ein Merkmal k besitzt (belief)
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
aijk = Bewertung des Merkmals k beim Objekt j durch Person i N = Zahl der relevanten Merkmale Die Konzeption von Trommsdorff, die aus dem Fishbein-Modell entwickelt wurde, nimmt folgenden funktionalen Zusammenhang an (vgl. Trommsdorff 1975): Eij D
w X ˇ ˇ ˇBijk Iik ˇ
(1b)
kD1
mit: Eij Bijk Iik Bijk Iik W
= Einstellung der Person i zu Objekt j = Realeindruck des k-ten Merkmals beim Objekt j durch Person i = Idealbild das Person i vom k-ten Merkmal derartiger Objekte hat = Eindruckswert = Zahl der relevanten Merkmale
Bei diesem Modell wird davon ausgegangen, dass sich der Nachfrager an einem produktarttypisches Idealbild orientiert. Im Gegensatz zur multiplikativen Verknüpfung bei Fishbein werden Distanzen zwischen Real- und Idealeindruck von Objekteigenschaften ermittelt und über alle Merkmale summiert. Je kleiner die Distanz zwischen Ideal- und Realeindruck, desto positiver ist die Einstellung des Nachfragers gegenüber dem Einstellungsobjekt. Die sogenannten impliziten Einstellungen lassen sich hingegen auf Nachfrage nicht verbalisieren und spiegeln sich lediglich im Verhalten wider. Folglich muss hier auf alternative Verfahren zur Messung zurückgegriffen werden (vgl. Felser 2015, S. 259 ff.). Die Kenntnis von Einstellungen betrifft unmittelbar die Aktionsseite des Marketing (Werbung, Marktsegmentierung, Produkt- und Sortimentspolitik). Die Einflussnahme des Marketing erstreckt sich dabei auf die Art, Anzahl und Gewichtung einstellungsrelevanter Produkteigenschaften, die produktbezogene Beurteilung der Merkmalsausprägungen sowie die Idealanforderungen an ein Produkt. Um Veränderungen in diesen Faktoren feststellen zu können, sind regelmäßige Analysen notwendig. Dadurch kann bspw. festgestellt werden, welche Eigenschaften an Bedeutung gewonnen haben (etwa aufgrund der Aktivitäten der Konkurrenz) oder bei welchen Eigenschaften sich die Bewertung des eigenen Produktes (Realbild) verbessert und dem Idealbild angenähert hat (z. B. aufgrund von Produktverbesserungen oder Intensivierung der Werbeanstrengungen). Risiko und Vertrauen Im Zusammenhang mit den Einstellungen einer Person muss auch die generelle Risikobereitschaft und das wahrgenommene situationsbezogene Risiko gesehen werden.
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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I Risikobereitschaft Unter der generellen Risikobereitschaft, die auch als Ri-
sikoeinstellung bezeichnet wird, ist eine dauerhafte, mehrdimensionale Verhaltensdisposition zu verstehen (vgl. Panne 1977). Sie gibt einen individuellen Toleranzbereich vor, dessen Grenzen die maximal oder minimal akzeptablen Werte der Risikobereitschaft darstellen. Dieser Toleranzbereich ist von Person zu Person unterschiedlich, d. h. sowohl das Niveau als auch die Breite des Toleranzbereiches sind individuell verschieden.
Demgegenüber bezieht sich das wahrgenommene Risiko auf spezifische Kaufsituationen. Entscheidend ist dabei nicht das objektive, sondern das bei der Kaufentscheidung vom Individuum subjektiv wahrgenommene Risiko (vgl. Bauer 1976). Es beschreibt die als nachteilig empfundenen potenziellen Folgen des Verhaltens, die vom Nachfrager nicht konkret vorhersehbar sind. Je nach Kaufsituation wirken verschiedene Einflussfaktoren (z. B. interpersonelle Einflüsse und Kaufort) auf das wahrgenommene Risiko des Nachfragers (vgl. Wesener 2006, S. 72 ff.). Risiken, die Nachfrager beim Kauf erwarten, können in folgende Arten klassifiziert werden: Finanzielles Risiko: Gefahr finanzieller Einbußen, weil das Produkt in einem anderen Geschäft günstiger gewesen wäre oder die ausgegebenen Geldmittel nicht mehr für etwas anderes eingesetzt werden können. Funktionales Risiko: Gefahr, dass das Produkt qualitative Mängel aufweist und nur bedingt funktionstüchtig ist. Gesundheitliches Risiko: Gefahr, dass die Verwendung der gekauften Produkte gesundheitliche Schäden verursacht (z. B. Zigaretten- oder Alkoholkonsum). Soziales Risiko: Gefahr, dass die Verwendung eines gekauften Produktes zu einem Verlust an Sozialprestige bei den Bezugsgruppen führt (vgl. auch Abschn. 1.3.1.2). Psychisches Risiko: Unzufriedenheit mit dem erworbenen Produkt. Mit der Bildung von Vertrauen beim Nachfrager kann zusammen mit dem Konstrukt der Zufriedenheit die Basis für die langfristige Gestaltung einer Anbieter-NachfragerBeziehung geschaffen werden. Gleichzeitig wird durch Vertrauen das wahrgenommene Risiko beim Nachfrager abgebaut. Wenngleich der Begriff des Vertrauens in vielfältiger Weise im Marketing Verwendung findet, ist es beachtenswert, dass sich die Marketingwissenschaft erst relativ spät mit der Erforschung des Konstruktes beschäftigt hat (vgl. z. B. Lorbeer 2003; Kenning 2002; Wesener 2006; Bauer et al. 2006; Kirchgeorg und Lorbeer 2006; Plötner 2012).
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
I Vertrauen Vertrauen existiert, wenn ein Nachfrager in einer risikobehafteten
Situation bereit ist, sich gegenüber einer Marke bzw. einem Anbieter verletzbar zu machen. Diese Bereitschaft beruht auf der Überzeugung, dass eine Marke bzw. ein Anbieter sowohl die Fähigkeit als auch die Bereitschaft hat, ihr Nutzenversprechen zu erfüllen und somit den Erwartungen der Nachfrager gerecht zu werden (vgl. Hegner 2012; Schallehn 2012).
Im ersten Kapitel wurden bereits Leistungen hervorgehoben, die einen hohen Anteil an Vertrauenseigenschaften haben (z. B. Versicherungen), bei denen ein Nachfrager vor dem Kauf nicht in der Lage ist, die Leistung direkt zu prüfen. Vielmehr muss er sich auf die Leistungsfähigkeit des Anbieters verlassen. Vertrauen basiert damit sowohl auf affektiven als auch kognitiven Einstellungskomponenten, wobei sich mit zunehmenden positiven Erfahrungen ein Vertrauensgefühl („blindes Vertrauen“) entwickeln kann (vgl. Lorbeer 2003, S. 127), das mit einer hohen Anbieterloyalität verbunden ist. Zufriedenheit Zufriedenheit ist ein wichtiger Einflussfaktor des Wiederkaufverhaltens.
I Zufriedenheit Zufriedenheit bezeichnet beim Kunden die Übereinstimmung
zwischen den subjektiven Erwartungen und der tatsächlich erlebten Motivbefriedigung (Soll-Ist-Vergleich) bei Leistungen (vgl. Bruhn 1982; Burmann 1991). Sind Erwartungen und Erfahrungen identisch, ist der Kunde zufrieden. Zufriedenheit ist somit ein „positives Gefühl nach einer Entscheidung bzw. Handlung“ (Trommsdorff 2009, S. 127).
Vielfach wird die Zufriedenheit fälschlicherweise synonym mit dem Konstrukt der Einstellung verwendet. Im Gegensatz zur Einstellung setzt die (Un-)Zufriedenheit jedoch eine direkte Produkterfahrung des Nachfragers voraus. Darüber hinaus handelt es sich bei der Zufriedenheit um ein sehr viel kurzfristigeres und sich schneller veränderndes Konstrukt (vgl. Homburg 2016). In zahlreichen empirischen Studien konnte belegt werden, dass die Zufriedenheit einen positiven Einfluss auf die Kundenloyalität hat (vgl. z. B. Burmann 1991; Giering 2000, S. 2 f.; Homburg und Bucerius 2016, S. 56 f.; Skala-Gast 2012). Vor allem in Branchen, die durch relativ niedrige Wechselbarrieren gekennzeichnet sind (z. B. Automobilbranche), wurde bis dato der Kundenzufriedenheit ein besonders hohes Maß an Bedeutung für die langfristige Kundenbindung und Markenloyalität zugesprochen (vgl. Fornell 1992, S. 16). Aktuelle Forschungsergebnisse aus der Automobilindustrie zeigen hingegen, dass die Einflussstärke der Zufriedenheit auf die Loyalität in hohem Maße abhängig vom betrachteten Segment ist. Während der Einfluss der Zufriedenheit für die Loyalität bei Volumenmarken
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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(z. B. Opel oder Ford) hoch ist, fällt er bei Premiummarken (z. B. Mercedes, BMW oder Audi) niedrig aus (vgl. Abb. 8). Die Gründe, warum sich Kunden an eine Automobilmarke binden, sind sehr unterschiedlich. Während im Volumensegment vorrangig kognitive Motive zur Markenbindung führen, sind es im Premiumsegment maßgeblich affektive Motive. Der lineare Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Loyalität bei Volumenmarken bestätigt die Annahme, dass eine Marke-Kunde-Beziehung auf Basis von rationalen Motiven vorliegt. Hingegen weist der nichtlineare Zusammenhang bei Premiummarken darauf hin, dass hierbei eine emotionale Bindung zur Marke vorliegt und der Einfluss der Zufriedenheit auf die Loyalität eher gering ist (vgl. Abb. 8). Insgesamt kann auf Basis der empirischen Ergebnisse von Skala-Gast festgehalten werden, dass das Konstrukt der Zufriedenheit für den Wiederkauf insbesondere im Premiumsegment wesentlich weniger wichtig ist als die Marke-KundeBeziehung (vgl. Skala-Gast 2012, S. 211 ff.). Werden die Erwartungen eines Nachfragers nicht erfüllt, so liegt Unzufriedenheit vor. Nachfrager können (still) zur Konkurrenz abwandern („unvoiced complaints“) und/oder ihren Widerspruch gegenüber den am Kaufakt Beteiligten sowie anderen Personen und Institutionen zum Ausdruck bringen (z. B. durch Beschwerden) (vgl. Hirschman 1974; Stauss und Seidel 2014; Kaiser 2005, S. 173 ff.). Die Messung der Zufriedenheit kann sowohl ohne als auch mit Bezugnahme auf Kundenprobleme erfolgen. Man unterscheidet in diesem Zusammenhang merkmals-, 80 %
Loyalität (Durchschnitte)
70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 %
Ø 1–5
6
7
8
9
10
Zufriedenheit (Durchschnitte) Volumenmarken
Premiummarken
Abb. 8 Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Loyalität bei Volumen- und Premiummarken in der Automobilbranche (Quelle: In Anlehnung an Skala-Gast 2012, S. 168 ff.)
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
ergebnis- und problemorientierte Messansätze (vgl. Homburg und Werner 1998; Beutin 2008, S. 128 f.): merkmalsorientierte Verfahren beschäftigen sich mit einem breiten Spektrum an ereignisübergreifenden Produkt-, Service- oder Interaktionsmerkmalen, über die sich ein Kunde im Zeitverlauf eine Meinung bildet (z. B. beim Kauf einer Produktionsanlage). Im Rahmen einer merkmalsorientierten Messung wird der Kunde zu verschiedenen Merkmalen seiner Produktionsanlage hinsichtlich der Zufriedenheit befragt. ereignisorientierte Verfahren messen die Zufriedenheit eines als besonders wichtig empfundenen Kundenkontaktereignisses (z. B. ein kürzlich stattgefundenes Telefonat oder Servicebesuch in einer Werkstatt) oder eines Vertragsabschlusses (z. B. Kauf eines Autos). Bei den ereignisorientierten Messverfahren wird der Kunde nach der Zufriedenheit des Ereignisses, wie z. B. des Servicebesuches in der Werkstatt, befragt. problemorientierte Verfahren sind eine Weiterentwicklung der ereignisorientierten Verfahren. Diese Methoden verfolgen das Ziel, zufriedenheitsrelevante Problemfelder während der Leistungserstellung bzw. Leistungsbereitstellung offen zu legen. Auf der Grundlage dieser Unterscheidung sind in Abb. 9 Ansatzpunkte zur Messung der Nachfragerzufriedenheit aufgeführt. Sind Informationen über die Nachfragerzufriedenheit und die Kundenprobleme rechtzeitig verfügbar, können sie als Frühwarnsignale für das Marketing verwendet werden.
Ansätze zur Messung der Kundenzufriedenheit
Merkmalsorientierte Verfahren
Ereignisorientierte Verfahren
Multiattributive Modelle SERVQUAL Dekompositionelle Verfahren Integrierte Qualitätsmessung
Story-Telling Critical Incident Technique Sequenzielle Ereignismethode Critical-PathAnalyse Root-CauseAnalyse
Vignette-Methode Willingness-to-payAnsatz Penalty-RewardFaktoren-Ansatz
Abb. 9 Methoden zur Messung der Kundenzufriedenheit (Quelle: In Anlehnung an Kaiser 2006, S. 68)
Problemorientierte Verfahren
Problem DetectingMethode Frequenz-RelevanzAnalyse (FRAP) Lob- und Beschwerdeanalyse
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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Insgesamt bleibt festzuhalten, dass eine Analyse der Nachfragerzufriedenheit und des Beschwerdeverhaltens die Erklärung von Marktreaktionen erheblich verbessern kann. Persönliche Werte Werte werden auch als „Über-Einstellungen“ bzw. als ein konsistentes System von Einstellungen bezeichnet (vgl. Trommsdorff und Teichert 2011, S. 152), das i. d. R. dauerhafter als Einstellungen ist.
I Werte Ein Wert stellt eine Auffassung von Wünschenswertem dar, die explizit
oder implizit für ein Individuum oder für eine Gruppe kennzeichnend ist und die Auswahl der zugänglichen Weisen, Mittel und Ziele des Handelns beeinflusst (vgl. Kluckhohn 1962, S. 395). Einfacher formuliert bezeichnen Werte demnach „[...] wesentliche Elemente der menschlichen Psyche [...], die festlegen, was im Leben wichtig ist, was im Leben angestrebt wird“ (Wesener 2006, S. 45).
Werte können auf drei unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sein: Die erste Ebene umfasst Basiswerte bzw. Grundorientierungen des Nachfragers wie Frieden, Gerechtigkeit oder Sicherheit (= globale Werte). Die zweite Ebene beinhaltet sog. Bereichswerte, die Auskunft über Werte in verschiedenen Lebens- und Gesellschaftsbereichen des Nachfragers geben. Die dritte Ebene nimmt auf produktbezogene Bewertungen (= Einstellungen) Bezug. Auf dieser Ebene sind Nachfrager in der Lage, ihre Wertvorstellungen bezüglich bestimmter Produkte zu artikulieren. Werte wie Sauberkeit, Sparsamkeit und Umweltfreundlichkeit geben einerseits bereits erste Hinweise auf Produktpräferenzen des Nachfragers und zeigen andererseits warengruppenbezogene Grundhaltungen auf. Im Rahmen der Messung von Wertestrukturen bei Nachfragern ist es sinnvoll, die aus Sicht des Individuums idealen Werte und die relative Wichtigkeit der Einzelwerte heranzuziehen (vgl. Windhorst 1985, S. 101 f.; Trommsdorff und Teichert 2011, S. 145 ff.). Insbesondere die Wichtigkeitsabfrage, die die Bedeutung einzelner Werte wie Freizeit oder gesellschaftliche Anerkennung für den Nachfrager erfasst, kann Aufschluss über die Stärke der Beeinflussung des Verhaltens durch die Einzelwerte geben. Neben der Erfassung der aktuellen Wertorientierung ist es sinnvoll, die individuelle zukunftsgerichtete Einschätzung der Wertorientierung zu erheben, um so einen möglichen Wertewandel erkennen zu können. Grundsätzlich ändern sich die Werte eines Menschen jedoch nur sehr langsam. Gegenüber den persönlichen Werten ist das Lebensstil-Konstrukt weiter gefasst.
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
I Lebensstil Der Lebensstil ist als eine Menge miteinander verbundener typi-
scher Einstellungen und Verhaltensweisen zu verstehen, die gesellschaftliche Gruppen oder Untergruppen voneinander differenziert und gut dazu geeignet ist, kulturelle Unterschiede aufzuzeigen (vgl. Windhorst 1985, S. 34 f.; Drieseberg 1995; Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 638 ff.).
Lebensstile lassen sich anhand der A(ctivities)-I(nterests)-O(pinions)-Variablen erfassen (vgl. Wells und Tigert 1971; Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 641 f.). Diese beinhalten die drei wesentlichen Formen menschlicher Verhaltensmuster: Beobachtbare Aktivitäten (A), bspw. in den Bereichen Arbeit, Freizeit, Konsum oder im sozialen Bereich, emotional bedingtes Interesse (I) hinsichtlich Familie, Beruf oder Erziehung sowie kognitive Meinungen (O), z. B. über sich selbst, Wirtschaft, Politik oder Erziehung. Individuelle Werte und Lebensstile stehen in einem hierarchischen Verhältnis zueinander, wobei Werte den Lebensstilen übergeordnet sind und sie maßgeblich beeinflussen (vgl. Windhorst 1985; vgl. detailliertere Ausführung zur Messung von „Life-Style“-Konstrukten in Kap. 3). Ein weiteres Konstrukt, das in enger Verbindung mit Werten steht, sind Normen.
I Normen Normen bezeichnen „Regeln über Meinungen, Einstellungen, Werte
und Verhalten, die von Mitgliedern einer (Sub-) Kultur oder Gruppe akzeptiert, erwartet, kontrolliert und sanktioniert werden“ (Trommsdorff und Teichert 2011, S. 162). Normen sind an spezifische Situationen gebunden und leiten sich daher aus situationsübergreifend geltenden Werten ab.
Bei der Auswahl von Produkten können Normen eine große Rolle spielen, weil nur jene Produkte ausgewählt werden, die sozialen Normen entsprechen. So wird eine Person bei einem Hauskauf nur jene Alternativen auswählen, die mit ihrer Rolle im gesellschaftlichen Leben und den Erwartungen ihrer sozialen Gruppe verträglich sind. Damit werden dann z. B. nur Wohnhäuser in einem bestimmten Wohnviertel in die engere Wahl gezogen. Persönlichkeit Die Persönlichkeit ist das komplexeste Konstrukt des Nachfragerverhaltens, das alle bisher behandelten Konstrukte beinhaltet. Deren Interaktion hat darüber hinaus zur Folge, dass die Persönlichkeit mehr als nur die Summe ihrer Teile ist.
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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I Persönlichkeit Unter der Persönlichkeit ist ein jedem Menschen imma-
nentes, einzigartiges, relativ stabiles sowie normalerweise nicht zu änderndes und somit den Zeitablauf überdauerndes Verhaltens- und insbesondere Reaktions- und Kommunikationsmuster zu verstehen (vgl. Meffert 1992, S. 66).
Zur Persönlichkeit eines Individuums gehören neben den bereits genannten Konstrukten weiterhin bestimmte Anlagen und Züge (sog. „traits“) wie Intelligenz, Musikalität, Sportlichkeit, Spontaneität, Geiz etc. (vgl. Trommsdorff und Teichert 2011, S. 176 ff.). Persönlichkeitsmerkmale können sowohl angeboren und damit genetisch bedingt als auch von anderen erlernt und damit umweltbedingt sein. Zu den umweltbedingten Einwirkungen zählen insbesondere kulturelle und durch die soziale Schicht bestimmte Einflüsse. Im Rahmen einer differenzierten Marktbearbeitung werden oft Käufertypologien auf Basis der Persönlichkeit gebildet, um die Marketinginstrumente an die besonderen Ansprüche und Erwartungen dieser Gruppen anzupassen. 1.3.1.2 Interpersonale Bestimmungsfaktoren Mit den interpersonalen Bestimmungsfaktoren des Käuferverhaltens werden jene Einflussfaktoren berücksichtigt, die sich aus der sozialen Abhängigkeit des Nachfragers von seiner Umwelt ergeben. Hierbei wird der Nachfrager als Mitglied verschiedener sozialer Gemeinschaften gesehen, die seine Entscheidungen beeinflussen. Die interpersonalen Bestimmungsfaktoren des Käuferverhaltens nehmen Einfluss auf alle bisher angeführten Konstrukte des Käuferverhaltens. Am deutlichsten wird dieser Einfluss im Zusammenhang mit den persönlichen Werten, die wesentlich durch das soziale Umfeld eines Nachfragers geprägt sind. Aus diesem Grund sind innerhalb bestimmter sozialer Systeme (z. B. Kultur, Schicht etc.) einheitliche (homogene) Wertestrukturen zu finden, während zwischen verschiedenen sozialen Gemeinschaften die Werte so unterschiedlich sein können, dass Wertestrukturen als Abgrenzungskriterium dieser Systeme herangezogen werden. Von besonderer Bedeutung sind die folgenden interpersonalen Bestimmungsfaktoren: Kultur und Subkultur, gesellschaftliche Normen, soziale Schicht, Gruppen und Familien.
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
I Kultur Kultur kann als Übereinstimmung der Verhaltensmuster einer Vielzahl
von Individuen verstanden werden. Diese Übereinstimmung ist auf größere soziale Einheiten wie Sprachgemeinschaften oder Länder übertragbar, sodass Kultur gesellschaftlich übereinstimmende Muster in Denken, Fühlen und Handeln umfasst, die sich in kollektiven Wertesystemen und Normen ausdrücken und innerhalb bestimmter Toleranzen zu einem weitgehend konformen Verhalten der Gesellschaftsmitglieder führen (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 631 ff.; Stolle 2013, S. 117 ff.).
Dabei sind nach dem Ausmaß der Verhaltensbeeinflussung Muss-, Soll- und Kann-Normen zu unterscheiden (vgl. Dahrendorf 1974; Hillmann 1971; Kroeber-Riel und GröppelKlein 2013, S. 631 ff.): Konsumrelevante Muss-Normen beruhen auf Ge- und Verboten (z. B. Haftpflichtversicherung beim Autokauf, Verbot von Rauschgiftgenuss), die von den Gesellschaftsmitgliedern eingehalten werden müssen. Soll- bzw. Kann-Normen legen allgemeinere Verhaltensstandards fest und gewährleisten einen größeren Verhaltensspielraum (z. B. Leistungsdruck, Rolle der Hausfrau, Kleidung zu bestimmten Anlässen). Die Einhaltung dieser sich im Zeitablauf wandelnden kulturellen Normen und Erwartungen wird durch ein System von Belohnungen und Bestrafungen sichergestellt. Die Auswahl und Bewertung von Kaufalternativen bleibt davon nicht unberührt. Ähnliche Einflüsse ergeben sich aus Subkulturen der Gesellschaft. Mithilfe von Subkulturen lassen sich Verhaltensweisen sozialer Gruppierungen innerhalb einer Gesellschaft analysieren. Sie können sich bspw. nach ethischen (z. B. Rasse, Religion, Nationalität), altersbezogenen (z. B. Jugendliche, Senioren) oder geographischen (z. B. Stadt- und Landbevölkerung) Gesichtspunkten bilden und entwickeln eigene Werte und Vorstellungen (vgl. KroeberRiel und Gröppel-Klein 2013, S. 648 ff.).
I Soziale Schicht Soziale Schichten lassen sich durch Gleichartigkeit oder Ähn-
lichkeit von Merkmalen, wie z. B. Prestige oder sozialem Status kennzeichnen.
Es gibt eine Vielzahl von Beschreibungen sozialer Schichten und Analysen ihrer Verhaltensweisen. Die für Industriegesellschaften üblichste Einteilung ergibt eine Hierarchiepyramide mit 20 % Unter-, 60 % Mittel- und 20 % Oberschicht. Nachfrager innerhalb einer bestimmten sozialen Schicht orientieren sich häufig am Konsum der in der Sozialpyramide über ihnen stehenden Gruppe. Der stärkste Einfluss auf das Verhalten des Nachfragers geht von den sozialen Gruppen aus, denen er angehört.
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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I Soziale Gruppe Bezeichnet man eine soziale Gruppe als jene Mehrzahl von
Personen, die in wiederholten und nicht nur zufälligen wechselseitigen Beziehungen zueinander stehen (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 522 ff.), so ist das Ausmaß des Gruppeneinflusses auf das Kaufverhalten stark vom Grad der Identifikation des Individuums mit dieser Gruppe abhängig.
Der Gruppeneinfluss ist im Wesentlichen eine Funktion der Häufigkeit der Gruppeninteraktionen, der Zahl der durch die Gruppe befriedigten Bedürfnisse, des Gemeinsamkeitsgrades der verfolgten Ziele sowie des wahrgenommenen Prestiges und der wahrgenommenen Konkurrenz in der Gruppe. Dabei kann zwischen informalen und formalen Gruppen einerseits und Mitgliedschaftsund Bezugsgruppen andererseits unterschieden werden (vgl. Kroeber-Riel und GröppelKlein 2013, S. 525 f.; Kuß und Tomczak 2007, S. 218 ff.): Informale Gruppen (sog. Primärgruppen) sind zumeist Kleingruppen, die sich durch Face-to-Face-Interaktionen auszeichnen. Diese Gruppen haben ein ausgeprägtes „WirGefühl“ (z. B. der Freundeskreis eines Individuums). Die Ziele und strukturellen Beziehungen werden innerhalb informaler Gruppen i. d. R. nicht offiziell festgelegt. Im Gegensatz dazu sind formale Gruppen (sog. Sekundärgruppen) häufig Großgruppen, deren Mitglieder in einem formal begründeten und daher distanzierten Verhältnis zueinander stehen. Die Struktur einer formalen Gruppe unterliegt einer festgelegten Organisation und ist klar definiert. Der Kontakt der Gruppenmitglieder ist weniger regelmäßig mit der Folge, dass sich die Gruppenmitglieder teilweise nur flüchtig oder überhaupt nicht kennen (z. B. bei Gewerkschaften, Parteien, Schulen, Unternehmen). Mitgliedschaftsgruppen sind formale Gruppen, in denen das Mitglied faktisch oder nominell integriert ist (z. B. aktive bzw. passive Mitgliedschaft in einem Sportverein). In solchen Gruppen sind die Ziele sowie die organisatorischen Strukturen relativ klar festgelegt. Die Meinungen, die in diesen Gruppen vertreten werden, beeinflussen die Wünsche, Bedürfnisse, Einstellungen und Wahrnehmungen des Nachfragers. Bezugsgruppen sind jene Gruppen, mit denen sich das Individuum identifiziert. Eine formale Gruppenzugehörigkeit muss nicht bestehen. Bezugsgruppen erfüllen zunächst eine normative Funktion, sofern ihre Wertvorstellungen als Bezugsrahmen für das individuelle Verhalten genutzt werden. Dabei können zwischen den Bezugsgruppenmitgliedern kognitive (gegenseitige Wahrnehmung), affektive (gefühlsmäßige Bindungen und Beeinflussungen) oder Verhaltensbeziehungen (Verhaltensbeeinflussung) bestehen. Die Anerkennung durch die Bezugspersonen wird als Belohnung bzw. bei Nichterreichen der Bezugsgruppennormen als Strafe empfunden. Die normative Funktion wird häufig begleitet von einer Vergleichsfunktion, indem die Wertvorstellungen, Konsumniveaus und Verbrauchsgewohnheiten anderer als Vergleichsmaßstab für das eigene Verhalten dienen.
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
Im Rahmen der Gruppenzugehörigkeit des Nachfragers ist das Konzept des Meinungsführers (sog. opinion leader) von Bedeutung. Als Meinungsführer werden jene Mitglieder einer Gruppe bezeichnet, die im Rahmen eines Kommunikationsprozesses einen stärkeren Einfluss ausüben als andere und somit Einstellungen und Verhalten von anderen beeinflussen können (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 604). Meinungsführer sind in allen sozialen Schichten zu finden. Die Rolle des Meinungsführers kann in unterschiedlichen Produktbereichen von jeweils anderen Personen übernommen werden. Ihre Lebensverhältnisse und Interessen sind denen der von ihnen Beeinflussten oft sehr ähnlich, wodurch eine Einflussnahme erleichtert wird. Die zahlreichen Außenkontakte von Meinungsführern und ihre aktive Teilnahme an sozialen Interaktionen von Gruppen geben ihnen eine Schlüsselposition innerhalb des Kommunikationsgefüges. Das Meinungsführerkonzept wird auch im Bereich der Werbung angewendet. So können bspw. „populäre Stars“ und auch „Experten“, die als Meinungsführer in der Werbung eingesetzt werden, ein erhöhtes Maß an positiver Produktwahrnehmung und Glaubwürdigkeit vermitteln. Einen ähnlich starken Einfluss auf das Käuferverhalten wie Gruppen besitzt auch die Familie.
I Familie Die Familie eines Nachfragers ist eine soziale Gemeinschaft, zu der ein
Nachfrager einen regelmäßigen persönlichen Kontakt hat und deren Mitglieder aufgrund vielfältiger Interaktionen den Ausgang von Kaufentscheidungen mitbestimmen (vgl. Ruhfus 1976; Szybillo und Sosanie 1977; Meffert und Dahlhoff 1979; Dahlhoff 1980; Lutz 1983).
Aus Sicht der Käuferverhaltensforschung ist es vor allem interessant, die Mitwirkung von Mann, Frau und Kindern beim Kauf verschiedener Produkte zu erklären. Eine Studie des Stern-Verlages aus dem Jahr 1993 zeigt, dass bei Kaufentscheidungen ein traditionelles Familienbild unterstellt werden kann. So dominiert der Ehemann die Produktentscheidung, wenn es um den Kauf technischer Erzeugnisse wie Auto, Fotoapparat und TVGerät oder Angelegenheiten des Geldmanagements (Versicherungen, Kredite) geht. Demgegenüber kommen den Ehefrauen überwiegend Entscheidungen über Wohnungseinrichtung, Lebensmittelversorgung und Kleidung, aber auch im Hinblick auf Haushaltsgeräte zu. Neben der Abhängigkeit der Einflussdominanz von persönlichkeits- und geschlechtsspezifischen Merkmalen ist insgesamt jedoch ein zunehmender Trend zu gemeinsamen Entscheidungen beim Kauf von Produkten mit gemeinsamer Nutzung festzustellen (z. B. beim Kauf eines Hauses oder einer Wohnung oder bei der Entscheidung über Urlaubsreisen) (vgl. Die Stern-Bibliothek 1993, S. 23; Solomon et al. 2016, S. 410 f.; Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 549 ff.). Darüber hinaus wird zunehmend der Beteiligung von Kindern an kollektiven Kaufentscheidungen der Familie Beachtung geschenkt (vgl. Lutz 1983; Meffert und Windhorst 1985; Egmont Ehapa Verlag 2013). In welchem Ausmaß und bei welchen Produktbe-
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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reichen Kinder und Jugendliche mitentscheiden dürfen, hängt dabei wesentlich von ihrem Alter ab. Generell gilt, dass der Einfluss von Kindern und Jugendlichen mit zunehmendem Alter steigt (vgl. Mayer und Boor 1988). Während bei Kleinstkindern die Eltern als sog. Gate Keeper über den Einkauf bestimmen, ist die Einflussnahme kleinerer Kinder (etwa drei bis zwölf Jahre) trotz einer Beschränkung auf Produktbereiche, die ihrem eigenen Bedarf dienen (z. B. Frühstücksflocken oder Spielsachen), beträchtlich (vgl. Douglas 1983; Lutz 1983; Haedrich et al. 1984). So zeigte ein Experiment von Atkin (1978), dass zwei Drittel aller Kinder Einfluss auf die Auswahl ihrer Frühstücksflocken haben (vgl. KroeberRiel und Gröppel-Klein 2013, S. 557). Darüber hinaus haben Kinder bei der Anschaffung für sich selbst sowie bei der Freizeitgestaltung nach aktuellen Studienergebnissen des Egmont Ehapa Verlags volles Stimmrecht. 86 % der 6- bis 13-jährigen Kinder dürfen mitbestimmen, was die Familie gemeinsam unternimmt, und nehmen somit Einfluss auf Ausflüge (vgl. Egmont Ehapa Verlag 2013). Jugendliche besitzen meist in geringem Maße eigene finanzielle Mittel, die ihnen den eigenständigen Erwerb bestimmter Produkte ermöglichen. Insgesamt kommt Jugendlichen ein umso größerer Einfluss auf die Kaufentscheidung zu, je mehr sie in der Lage sind, ihre Eltern mit entscheidungsrelevanten und diesen bisher unbekannten Informationen zu versorgen (vgl. Hilger 1981; Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 557). Im Zusammenhang von interpersonaler Kommunikation ist auf die Wichtigkeit des sog. Word-of-Mouth (Mundpropaganda) hinzuweisen. Bei der Mundpropaganda geht es primär um den Austausch von Informationen und Empfehlungen von Nachfragern untereinander, was das Nachfragerverhalten stark beeinflussen kann (vgl. Ismagilova et al. 2016, S. 354). Eine Studie von Nielsen (2013) bestätigt, dass Nachfrager das größte Vertrauen in Meinungen von Freunden und Familienmitglieder haben. Weniger Vertrauen schenken Nachfrager hingegen unternehmensgenerierter Werbung.
I Word-of-Mouth (WoM) Word-of-Mouth kann als Teil der interpersonalen
Kommunikation verstanden werden und beschreibt die an andere Nachfrager gerichtete informelle Kommunikation über den Besitz, die Nutzung oder Charakteristika von speziellen Leistungen oder deren Anbieter (vgl. Westbrook 1987, S. 261).
In der digitalen Umwelt kommt das Konzept des Electronic-Word-of-Mouth (eWoM) (vgl. Abschn. 2) zum Tragen und kann als Erweiterung von interpersonaler Kommunikation in die neue Generation des Internets betrachtet werden (vgl. Cheung et al. 2008, S. 231).
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
1.4
Totalmodelle zur Erklärung des Kaufentscheidungsverhaltens von Nachfragern
Modelle des Entscheidungsverhaltens sind vereinfachte Abbildungen der Wirklichkeit. Sie beinhalten eine systematische Auswahl von Bestimmungsfaktoren (Abschn. 1.3.1), die zueinander in Beziehung gesetzt werden und das Zustandekommen des Kaufentscheidungsverhaltens von Nachfragern theoretisch erklären (vgl. Kroeber-Riel und GröppelKlein 2013, S. 464). Diese Modelle können in verschiedener Weise gruppiert werden. Eine Möglichkeit ist die Einteilung in Partialmodelle (Abschn. 1.5) und Totalmodelle. Totalmodelle versuchen das gesamte Kaufentscheidungsverhalten abzubilden und sind aus diesem Grund besonders komplex bzw. auf starke Abstraktion angewiesen. Ferner kann die Gruppe der Totalmodelle in Strukturmodelle und in Prozessmodelle unterteilt werden. Während in Strukturmodellen die Beziehungen zwischen den verschiedenen Bestimmungsfaktoren des Entscheidungsverhaltens erklärt werden, findet in Prozessmodellen eine reine Phasenbetrachtung der Kaufentscheidung statt (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 464).
1.4.1 Strukturmodelle Eine zentrale Eigenschaft von Strukturmodellen ist, dass der Prozess des Zustandekommens von Kaufentscheidungen im Detail rekonstruiert und abgebildet wird. Dabei werden die zentralen Bestimmungsfaktoren identifiziert, welche die Kaufentscheidung beeinflussen und deren Beziehungen zueinander aufgedeckt (vgl. Berndt 2013, S. 39 ff.). Das Strukturmodell von Howard und Sheth (1969) ist in Wissenschaft und Praxis auf breite Resonanz gestoßen und lieferte gewissermaßen den Ausgangspunkt für verschiedene nachfolgende Modellvorschläge (z. B. Engel, Blackwell und Kollat 1978; Blackwell et al. 2006). Hier stehen psychische Vorgänge des Nachfragers im Vordergrund. Der Ansatz folgt der Grundstruktur eines S-O-R-Modells und ist so aufgebaut, dass zwischen den Inputvariablen (z. B. Produktdarbietungen, symbolische Informationen, soziale Einflüsse) und Outputvariablen (Kauf, Kaufabsicht, Einstellungen etc.) Wahrnehmungs- und Lernkonstrukte zwischengeschaltet sind. Die Wahrnehmungs- und Lernkonstrukte sind weiter untergliedert und miteinander verknüpft (vgl. Abb. 10). Beginnend mit den Wahrnehmungskonstrukten wirkt auf den Nachfrager eine Vielzahl von Stimuli (Inputvariablen) ein. Er wird mit Informationen von Freunden und Bekannten (Informationen aus sozialen Quellen) und Informationen wie Preis, Qualität usw. aus Medien oder einer Firmenwerbung konfrontiert. Verständnisprobleme im Sinne einer Mehrdeutigkeit ergeben sich, wenn die erhaltenen Informationen von den gespeicherten symbolischen Informationen (z. B. Preis, Qualität) abweichen. Reaktionen darauf können ein erneutes Suchverhalten oder eine gesteigerte Aufmerksamkeit sein. Welche Stimuli Aufmerksamkeit erzeugen, hängt von den Einstellungen gegenüber den Informationsquellen und Marken ab. Motive führen zur Erhöhung der Aufmerksamkeit, bedingen jedoch gleichzeitig in Abhängigkeit von den Einstellungen eine Filterung der aufgenommenen Informationen.
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens Inputvariable
Wahrnehmungskonstrukte
Lernkonstrukte
Outputvariable
Kaufabsicht
Signifikative Informationen – Qualität – Preis – Eigenart – Service – Erhältlichkeit
Suchverhalten
Symbolische Informationen – Qualität – Preis – Eigenart – Service – Erhältlichkeit
Stimulusmehrdeutigkeit
Informationen aus sozialen Quellen – Familie – Referenzgruppe – soziale Klasse
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Kauf
Grad der Sicherheit + Kaufabsicht
Einstellung + Einstellung Entscheidungskriterien Aufmerksamkeit
Wahrnehmungsverzerrung
Informationsfluss
Markenkenntnis
Motive
Zufriedenheit
Rückkopplungseffekte
Marken- + kenntnis
Aufmerk- + samkeit
+gemessene Werte
Abb. 10 Erklärungsmodell des Nachfragerverhaltens von Howard und Sheth (Quelle: In Anlehnung an Howard und Sheth 1969, S. 30)
Eng verbunden mit den Wahrnehmungskonstrukten sind die Lernkonstrukte. Während die Markenkenntnis als Lernkonstrukt das Wissen um die Existenz und die Eigenschaften von Marken beschreibt, dienen Entscheidungskriterien der Bewertung von Alternativen bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Motive. Nach der Bewertung ordnen die Einstellungen den einzelnen Marken ihre Möglichkeit zur Motiverfüllung zu. Die vom Nachfrager empfundene Sicherheit bezüglich seiner Markenkenntnis löst je nach Ausprägung eine Kaufabsicht für die Marke oder erneutes Suchverhalten aus. Werden alle Erwartungen und Wünsche durch den Kauf erfüllt, kann der Kaufentscheidungsprozess als befriedigt bezeichnet werden. Die erfüllten oder übererfüllten Erwartungen stabilisieren die positive Einstellung zum Produkt und die Sicherheit, richtig gehandelt zu haben. Der Kauf eines Produktes führt schließlich zu Zufriedenheit (Abschn. 1.3.1.1; positive Diskonfirmation oder Konfirmation) oder Unzufriedenheit (negative Diskonfirmation). Positive Diskonfirmation tritt auf, wenn die Ist-Situation positiver ist als die Soll-Situation, während Konfirmation eintritt, wenn die Ist-Situation der Soll-Situation entspricht. Negative Diskonfirmation bedeutet entsprechend, dass der Ist-Zustand schlechter als der Soll-Zustand ist (vgl. Oliver 1977; Day 1977). Demzufolge befinden sich Individuen in einer stetigen Handlungsschleife, in der sie die Resultate ihres Handelns (Ist-Werte) mit ihren Erwartungen, Zielen und Ansprüchen hinsichtlich dieser Handlungen (Soll-Werte) vergleichen (vgl. Kaiser 2005, S. 46).
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
Das Strukturmodell von Howard und Sheth ist, wie viele seiner „Nachfolgemodelle“ (z. B. Engel, Blackwell und Kollat 1978), sehr komplex. Wenngleich es somit zwar wertvolle Hilfestellung bei der Strukturierung von Bestimmungsfaktoren des Käuferverhaltens geben kann, ist die empirische Überprüfung des Modells aufgrund von Operationalisierungs- und Messproblemen kaum möglich.
1.4.2 Prozessmodelle Prozessmodelle untergliedern den Kaufprozess in mehrere zusammenhängende Prozessphasen, durch die Nachfrager vor, während und auch nach dem Kauf gehen (vgl. Pescher et al. 2014, S. 45). Vorreiter dieses linearen Prozessmodells finden sich zum einen in der Werbewirkungsforschung. Hier sind als prominenteste Beispiele die sog. Stufenmodelle der Werbewirkung zu nennen, bei denen Werbung als Reiz bzw. „Stimulus“ beschrieben wird, mit dem eine bestimmte Reaktion bei Nachfragern ausgelöst wird. Darauf aufbauend durchleben Nachfrager verschiedene Stufen bis zum Kauf und auch noch darüber hinaus (vgl. Blackwell et al. 2006, S. 70 ff.). Ebenso das AIDA-Modell (vgl. Abschn. 6 in Kap. 8) folgt in seiner Grundstruktur diesem Prozessgedanken und kann als Vorreiter eines Prozessmodells zur Kaufentscheidung verstanden werden. Des Weiteren finden sich Beispiele zu Prozessmodellen in der verhaltenswissenschaftlichen Forschung. So stellen Blackwell, Miniard und Engel (2006, S. 70) ein Entscheidungsmodell von Nachfragern vor, das verschiedene Stufen beinhaltet – von der Erkennung eines Bedürfnisses, über den Kauf bis hin zum Konsum und Weiterverkauf. Je nach Entscheidungssituation des Nachfragers sind diese Stufen einfach oder komplex mit weiteren Zwischenstufen ausgeprägt. Die Ursprünge eines Prozessmodells zur Kaufentscheidung sind somit in verschiedenartigen Marketingdisziplinen zu finden und ähneln diesen bereits etablierten Modellen stark. Abhängig von Autoren und auch Komplexität der Entscheidungsfindung seitens der Nachfrager wird von verschiedenartigen Prozessstufen gesprochen. Einheitlich lässt sich jedoch festhalten, dass Prozessmodelle die Kaufentscheidung in Vorkaufsphasen, Kaufphase und Nachkaufphasen untergliedern. Erweitern lässt sich diese Sichtweise um die Alternativenauswahl (vgl. Abb. 11). Brisoux und Larouche (1980) liefern hier mit ihrem Modell zur selektiven Markenwahl die Grundlage. Hierbei wählt ein Nachfrager aus einem verfügbaren Set an Alternativen eine Alternative zum Kauf aus, indem er das anfängliche Alternativenset sukzessiv evaluiert und reduziert. Abb. 11 illustriert die Gegenüberstellung der Kaufprozessphasen mit der trichterförmigen Reduzierung der Auswahlalternativen. In der Literatur wird das sukzessive Abnehmen an Kaufalternativen auch als sog. Kauftrichter bezeichnet, der in sog. Trichtermodellen dargestellt wird. Diese basieren auf der Grundannahme, dass die Kaufentscheidung als linearer Prozess entlang den Prozessphasen verläuft. Dabei ist der Verlauf unidirektional sowie trichterförmig, das heißt es wird eine monoton abnehmende Anzahl entscheidungsrelevanter Alternativen angenommen (vgl. Dierks 2017, S. 9). Die Vorkaufsphase beginnt mit der Problemerkennung. Diese kann extrinsisch durch beispielsweise das Betrachten von Werbung hervorgerufen werden und zum Kauf einer
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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Prozessphasen (Theoretische Grundlagen: Verhaltenswissenschaftliche Prozess- und hierarchische Werbewirkungsmodelle)
Vorkaufphasen (z.B. Problemerkennung, Informationssuche, Alternativenbewertung)
X
X
X
Kaufphase
X Gewählte Alternative
Nachkaufphasen (z.B. Konsum und Bewertung)
„Trichterförmige“ Reduzierung der Auswahlalternativen
Consideration Set Retrieval Set Universal Set Alternativenwahl (Theoretische Grundlage: Mehrstufige Markenwahlmodelle)
Abb. 11 Kaufprozessmodell von Nachfragern
Alternative inspirieren. Ebenso kann der Stimulus intrinsisch hervorgerufen werden, beispielsweise durch die gefühlte Notwendigkeit, das Produkt einer Marke zu erwerben (vgl. Dierks 2017, S. 131). Darauf folgt die Informationssuche und Alternativenbewertung. Hierbei steht am Anfang das sog. Universal Set, welches das universell verfügbare Set an Alternativen im Gedächtnis des Nachfragers repräsentiert. Aufgrund der Annahme, dass Nachfrager nicht alle verfügbaren Alternativen überschauen können, verfügt jeder Nachfrager über ein sog. Retrieval Set, oder auch Awareness Set, das alle dem Nachfrager bekannten Alternativen beinhaltet (vgl. Dierks 2017, S. 7). Aus Gründen der Komplexitätsreduktion verringern Nachfrager die Ausgangsmenge aller Alternativen um solche, die im Rahmen der weiteren Entscheidungsfindung keine Berücksichtigung mehr finden sollen. Die konkreten Eliminationsregeln können unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund stellen. Sind Nachfrager zum Beispiel vertraut im Umgang mit einem Produkt bzw. einer Marke, könnten sie Alternativen dieser Marke weniger vertrauten Alternativen tendenziell vorziehen (vgl. Sattler und Völckner 2007, S. 70). Übrig bleibt eine überschaubare Anzahl an für Nachfrager in der Situation relevanten und bedürfnisbefriedigenden Alternativen – das sog. Consideration Set. Das Consideration Set ist ein Bündel an Alternativen, das sich im Rahmen eines traditionellen Trichtermodells nicht mehr erweitert (vgl. Court et al. 2009). Im Rahmen der Kaufphase entscheiden sich Nachfrager schließlich unter Anwendung verschiedener Heuristiken für den Kauf einer bestimmten Alternative (vgl. Dierks 2017, S. 7). Die Nachkaufphase bezieht sich auf den Konsum und die Bewertung der gewählten Alternative. Die Nachkauferfahrung ist entscheidet dafür, ob ein Nachfrager der gewählten Alternative loyal bleibt und zum Wiederkäufer wird (vgl. Dierks 2017, S. 7 f.). Insbesondere aufgrund der Digitalisierung ist das traditionelle Trichtermodell nur noch in seinen Grundstrukturen haltbar, da es digitale Einflüsse sowie die Präsenz des
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
Web 2.0 weitestgehend außer Acht lässt. Zum Beispiel zeigen Bronnenberg, Kim und Mela (2016) im Rahmen ihrer Studie zum Online-Kaufverhalten im Kontext von Digitalkameras, dass das Produkt, welches schlussendlich gekauft wird, erst sehr spät im Kaufentscheidungsprozess entdeckt wird (vgl. Bronnenberg et al. 2016, S. 706). Das bedeutet, dass der trichterförmige Kaufentscheidungsprozess, bei dem die Anzahl an Alternativen im Laufe des Prozesses immer kleiner wird, nicht mehr anwendbar ist. Im Gegenteil ist es möglich, dass Phasen wiederholt werden und Alternativen erst im Verlauf des Kaufentscheidungsprozesses entdeckt werden. Möglich ist dieses veränderte Kaufentscheidungsverhalten insbesondere auch durch die Vielzahl an neuen (Kunden-)Kontaktpunkten, die im Zuge der Digitalisierung entstanden sind. In der Literatur wird neben Kontaktpunkten auch häufig von sog. Touchpoints als synonymen Begriff gesprochen. Dabei kann es sich um Absatzkanäle, Kommunikationsinstrumente sowie auch um den generischen Kontaktpunkt der Produktnutzung handeln.
I Kontaktpunkt/Touchpoint Ein Kontaktpunkt ermöglicht einen Kontakt zwi-
schen Anbieter und Nachfrager. Er erfüllt in Abhängigkeit seiner Ausgestaltung Funktionen der Kundenansprache, der Kundeninformation und Kommunikation, der Interaktion, der Distribution von Leistungen, der Nutzenstiftung durch die bereitgestellten Leistungen, sowie unterschiedliche Formen des Kundenservice (vgl. Steinmann 2011, S. 9).
Customer Journey Unter Berücksichtigung dieser neuen Rahmenbedingungen ergibt sich ein veränderter Kaufentscheidungsprozess bei Nachfragern, der im Allgemeinen unter dem Begriff der Customer Journey zusammengefasst werden kann. In der Literatur gibt es inzwischen zahlreiche Ansätze, die Customer Journey in Form eines konkreten Prozessmodells zur Kaufentscheidung darzustellen (beispielsweise Court et al. (2009) mit der Customer Decision Journey). Abb. 12 liefert eine Übersicht über die Veränderungen im Vergleich zum klassischen Trichtermodell. Die erste Verallgemeinerung, die im Vergleich zum klassischen Trichtermodell getroffen werden kann, besagt, dass ein linearer Zusammenhang zwischen und innerhalb der Prozessphasen nicht mehr zu erkennen ist. Kontaktpunkte können wiederholt aufgesucht und Phasen übersprungen oder auch wiederholt werden (d. h. nicht unidirektional). Das Konzept der Customer Journey beschreibt den Kaufentscheidungsprozess als eine schleifenartige Reise des Käufers über die Vorkaufphasen hinweg (vgl. Dierks 2017, S. 130 f.). Die zweite Verallgemeinerung drückt aus, dass die Customer Journey nicht länger von einem trichterförmigen Prozessverlauf ausgeht. Alternativen können nicht nur reduziert, sondern auch ergänzt werden (d. h. nicht trichterförmig), wodurch sich das Retrieval
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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Alternativenwahl
Prozessphasen
Verallgemeinerung Nr. 1: Kein linearer Verlauf innerhalb/zwischen Prozessphasen
Vorkaufphasen (z.B. Problemerkennung, Informationssuche, Alternativenbewertung)
X
Alternativen
Verallgemeinerung Nr. 3: Direkter Wiederkauf („Loyalitätsschleife“) und WoM-Effekte (Beeinflussung der Customer Journeys anderer Nachfrager)
Kaufphase
X
Nachkaufphasen (z.B. Konsum und Bewertung)
Verallgemeinerung Nr. 2: Keine „trichterförmige“ Reduzierung der Auswahlalternativen
Gewählte Alternative
Abb. 12 Customer Journey
Set nicht sukzessiv zum Consideration Set verkleinert. Vielmehr kann sich die Anzahl der Alternativen über die gesamte Vorkaufsphase hinweg verkleinern und auch wieder vergrößern. Begründet liegt dieses darin, dass die Informationssuche und Alternativenbewertung aufgrund der Vielzahl an neuen Kontaktpunkten leichter geworden ist. Nachfragern ist es nun möglich eine umfangreichere Recherche zu betreiben und sich auch extern Informationen zu den Alternativen zu beschaffen. Dieses können sie beispielsweise über Unternehmenswebsites oder auch über Kundenrezensionen im Internet tun. Da Nachfrager auf der Suche nach Informationen auf weitere, bedürfnisbefriedigende Alternativen stoßen können, ist das Set an in Frage kommenden Alternativen in der Vorkaufphase variabel (vgl. Dierks 2017, S. 131). Court et al. (2009, S. 4 f.) sprechen in diesem Zusammenhang von einem Pull seitens der Nachfrager. Das heißt, im Gegensatz zum trichterförmigen Kaufentscheidungsprozess wird an dieser Stelle nicht davon ausgegangen, dass Unternehmen Informationen an die Nachfrager heranbringen (Push), sondern dass Nachfrager sich aktiv Informationen beschaffen. Die dritte Verallgemeinerung bezieht sich auf Veränderungen innerhalb der Nachkaufphasen von Nachfragern. Dabei berücksichtigt die Customer Journey zunächst, dass das Teilen von persönlichen Nachkauferfahrungen via Mundpropaganda (Word-ofMouth [WoM]) für viele Nachfrager stark an Bedeutung gewonnen hat. Der Grund dafür ist, dass WoM nicht länger auf eine mündliche Weitergabe im persönlichen Gespräch beschränkt ist, sondern über diverse Social-Media-Plattformen (z. B. über persönliche Blogs oder Online-Bewertungsplattformen) einer großen Anzahl an Nachfragern zugänglich gemacht werden kann (Electronic Word-of-Mouth [eWoM]) (vgl. Abschn. 2). Durch die im Vergleich zu WoM höhere Reichweite von eWoM, gewinnt die Erstellung in Form von beispielsweise Online-Rezensionen immer größere Bedeutung für Nachfrager. Berger (2014) führt die Gründe für die Erstellung von eWoM ausschließlich auf egoistische Moti-
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
ve zurück. Beispielsweise kann ein Nachfrager danach streben, durch die Verbreitung von eWoM als besonders informativ, unterhaltsam oder hilfreich wahrgenommen zu werden (vgl. Berger 2014, S. 589 f.). Neben egoistischen Motiven, können aber auch altruistische Gründe vorliegen. Beispielsweise finden Cheung und Lee (2012) einen positiven Zusammenhang zwischen der Freude, anderen Nachfragen zu helfen, und der Intention, eWoM zu kreieren. Auch auf Seiten der Empfänger ist die Bedeutung von WoM bzw. eWoM angestiegen, welches insbesondere in den Vorkaufsphasen, in denen Nachfrager Informationen suchen und Alternativen evaluieren, sehr beeinflussend wirken kann (vgl. Dierks 2017, S. 132). Die Nachkaufphasen können zudem aus einer Loyalitätsschleife bestehen, in die Nachfrager eintreten können, wenn diese mit der gekauften Alternative zufrieden sind. Das bedeutet, dass Nachfrager bei der nächsten Kaufentscheidung die Vorkaufsphasen überspringen und die ursprünglich gewählte Alternative direkt wiederkaufen. Wiederkäufer in der Loyalitätsschleife können aktiv loyale Nachfrager sein, die sich an die Alternative gebunden haben, diese aktiv weiterempfehlen und damit positiven WoM generieren. Gleichzeitig gibt es passiv loyale Nachfrager, die die Alternative zwar wiederkaufen, jedoch keine WoM-Effekte generieren (vgl. Court et al. 2009, S. 6 f.). Customer Experience Die zuvor beschriebene Customer Journey bildet die Grundlage für die Customer Experience. Während die Customer Journey die Kaufentscheidungsphasen beschreibt, geht es in der Customer Experience um die nachfragerseitige Gesamterfahrung mit einem Anbieter über die Kontaktpunkte entlang der durchlaufenen Customer Journey.
I Customer Experience Die Customer Experience beschreibt die Gesamterfah-
rung mit einem Unternehmen (bzw. seinen Produkten, Services oder Marke) über verschiedene Kontaktpunkte entlang der Customer Journey (vgl. Homburg et al. 2017, S. 378).
Dabei ist die Customer Experience ein multidimensionales Konstrukt, das sich auf die kognitive, emotionale, sensorische und soziale Reaktion sowie auf das generelle Verhalten als Reaktion eines Nachfragers auf die Erfahrung mit dem Unternehmen fokussiert (vgl. Lemon und Verhoef 2016, S. 74). Damit eine gesamtheitliche positive Erfahrung seitens der Nachfrager zu Stande kommt, müssen laut Homburg et al. (2017, S. 389 f.) folgende Kriterien erfüllt sein: Thematischer Zusammenhang zwischen den Kontaktpunkten, d. h. das Ausmaß, zu dem Nachfrager verschiedene Kontaktpunkte als zusammenhängend im Sinne einer Markenidentität und dem daraus abgeleitetem Markenversprechen wahrnehmen.
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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Konsistenz der Kontaktpunkte, d. h. das Ausmaß, zu dem Nachfrager verschiedene Kontaktpunkte als einheitlich und harmonisch im Sinne der Markenidentität wahrnehmen und Kontextsensitivität, d. h. das Ausmaß, zu dem Nachfrager verschiedene Kontaktpunkte als passgenau für unterschiedliche Situationen, Kontexte und Vorlieben wahrnehmen. Während der Customer Journey kommen Nachfrager mit einer Vielzahl an Kontaktpunkten in Berührung. Zum einen können diese aus dem digitalen Bereich (z. B. Social Media, Apps, Webseite) und zum anderem aus dem analogen Bereich (z. B. Printkataloge, Messen, stationärer Handel) stammen (vgl. Zinkann und Mahadevan 2018, S. 160). Die zuvor bereits erwähnte Kontextsensitivität zielt unter anderem darauf ab, dass Nachfrager Kontaktpunkten innerhalb der verschiedenen Phasen der Customer Journey (Vorkaufs-, Kauf- und Nachkaufphase) mit einem anderen Bedürfnis begegnen. Da es in der Vorkaufsphase um die Zusammenstellung des persönlichen ConsiderationSets geht, sind vor allem Kontaktpunkte wichtig, die bei der Problemerkennung, Informationssuche und Alternativenbewertung unterstützen können. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass das persönliche Consideration-Set innerhalb der gesamten Vorkaufphase variabel ist, sind Kontaktpunkte, die Aufmerksamkeit auf weitere bedürfnisbefriedigende Alternativen lenken, von besonderer Wichtigkeit (vgl. Lemon und Verhoef 2016, S. 76). Vor allem Kommunikationsinstrumente aus dem Bereich Paid Media (vgl. Abschn. 4 in Kap. 8), beispielsweise Display Banner, können als Kontaktpunkte eine solche aufmerksamkeitserregende Funktion erfüllen (vgl. Dahlen 2001). Aber auch eWoM aus dem Bereich Earned Media (vgl. Abschn. 4 in Kap. 8) kann die Zusammenstellung des persönlichen Consideration-Sets beeinflussen (vgl. Dierks 2017, S. 132), wobei Kontaktpunkte aus diesem Bereich außerhalb der Kontrolle des Unternehmens liegen (z. B. Online-Rezensionen) (vgl. Lemon und Verhoef 2016, S. 78). In der Kaufphase geht es um die finale Auswahl der Alternative. Nachfrager befinden sich hier primär im Bereich der Owned Media (vgl. Abschn. 4 in Kap. 8), das heißt beispielsweise auf der unternehmenseigenen Website bzw. dem Online-Shop. Als absatzbezogenes Pendant aus dem Offlinebereich wäre hier das Ladengeschäft als möglicher Kontaktpunkt zu nennen. In der Nachkaufphase stehen die Nutzung der gewählten Alternative sowie die damit verbundenen Erfahrungen im Vordergrund. Der generische Kontaktpunkt der Produktnutzung ist somit von besonderer Bedeutung. Des Weiteren können Nachfrager Serviceanfragen an ein Unternehmen richten, z. B. über den Kontaktpunkt der Unternehmenswebsite (vgl. Lemon und Verhoef 2016, S. 76). Ebenso werden Nachfrager im Bereich Earned Media tätig und gestalten aktiv Kontaktpunkte mit, beispielsweise in Form von Online-Rezensionen. Agiert ein Nachfrager in der Vorkaufsphase als Empfänger von eWoM, so ist er in Nachkaufphase als Transmitter aktiv und beeinflusst andere Nachfrager in deren Vorkaufsphasen. Auch in der Nachkaufphase liegen Kontaktpunkte aus dem Earned-Media-Bereich größtenteils außerhalb der Kontrolle des Unternehmens (vgl. Lemon und Verhoef 2016, S. 76).
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing Customer Journey
Absatzkanal/ Kommunikationsinstrument
Kaufphase
Vorkaufphasen
Nachkaufphasen
A B
C …
Customer Experience
Abb. 13 Kontaktpunkte entlang der Customer Journey
Insbesondere bleibt zu beachten, dass die Kontaktpunkte, mit denen Nachfrager während der persönlichen Customer Journey in Berührung kommen, für jeden Nachfrager individuell sind. Und nur die von einem Nachfrager tatsächlich realisierten Kontaktpunkte bestimmen dessen Customer Experience, wie in Abb. 13 anhand einer beispielhaften Customer Journey veranschaulicht wird.
1.5 Partialmodelle zur Erklärung des Kaufentscheidungsverhaltens von Nachfragern Während Totalmodelle versuchen, alle relevanten Aspekte des Kaufentscheidungsverhaltens abzudecken, beziehen sich Partialmodelle (oder auch Teilmodelle) auf bestimmte Teilaspekte des Entscheidungsverhaltens (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 464; Trommsdorff und Teichert 2011, S. 27). Sie sind empirisch überprüfbar und der Einfluss von unabhängigen Variablen (UV) auf die abhängigen Variablen (AV) ist quantifizierbar. UV stellen dabei die erklärenden Variablen dar, deren Einfluss auf die zu erklärende Variable (AV) untersucht wird. Die aktuelle Käuferverhaltensforschung beschäftigt sich primär mit Partialmodellen (vgl. Hoffmann und Akbar 2016, S. 9). Das Partialmodell soll also einen bestimmten abgrenzbaren Problembereich erfassen, z. B. die Beeinflussung von Käufereinstellungen durch Werbung. Solche Partialmodelle müssen Aussagen mit folgenden Eigenschaften enthalten (vgl. Trommsdorff und Teichert 2011, S. 27 f.): Mehrfach empirisch bewährte Hypothese (z. B.: das Preisniveau beeinflusst die Qualitätsvorstellung), durch Marketingmaßnahmen steuerungsfähiges WENN (UV, hier das Preisniveau), marketingzielwirksames DANN (AV, hier die Qualitätsvorstellung),
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Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
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Allgemeinheitsgrad „mittlere Reichweite“ (gilt bei einer abgrenzbaren Menge von Marktsituationen), ggf. Spezifizierbarkeit von Hypothesen über Interaktionseffekte (z. B. gemeinsames Wirken von Preis und Absatzweg) und Nebenwirkungshypothesen (z. B. Wirken des Preises auch auf das Herstellerimage). Als Beispiel eines Partialmodells kann ein vereinfachender Ausschnitt aus dem von Bleier und Eisenbeiss (2015) konzipierten Modells zur Wirkung personalisierter OnlineWerbung herangezogen werden. Das Modell zeigt, wie sich das Betrachten einer personalisierten Online-Werbeanzeige (UV) auf die Klickabsicht (AV) auswirkt. Die Zusammenhänge sind in Abb. 14 veranschaulicht. Der Haupteffekt der UV auf die AV wird in vielen Partialmodellen der Käuferforschung durch intervenierende Variablen näher beschrieben. Zwei Arten von intervenierenden Variablen können dabei unterschieden werden (vgl. Baron und Kenny 1986, S. 1173; Hoffmann und Akbar 2016, S. 9): Mediatorvariable. Die Mediatorvariable kann als Vermittler zwischen der UV und der AV betrachtet werden. Sie erklärt, wie die UV indirekt auf die AV wirkt. Im beispielhaften Partialmodell von Bleier und Eisenbeiss (2015) würde der Rezipient nach Betrachten der personalisierten Online-Werbung (UV) die Anzeige, je nach Ausmaß der Personalisierung, zunächst als mehr oder weniger nützlich beurteilen (Mediatorvariable). Diese wahrgenommene Nützlichkeit wiederum würde einen positiven Einfluss auf die Absicht haben, auf die Werbeanzeige zu klicken (Klickabsicht, AV). Moderatorvariable. Die Moderatorvariable nimmt Einfluss auf die Stärke und Form des Zusammenhangs zwischen UV und AV. Am Beispiel des zuvor genannten Modells von Bleier und Eisenbeiss (2015) ist das Vertrauen seitens der Nachfrager in das Unternehmen, von dem die Werbeanzeige stammt, eine Moderatorvariable. Je größer das Vertrauen, desto positiver wirkt die personalisierte Werbeanzeige (UV) auf die Klickabsicht (AV).
Vertrauen (Moderator)
Personalisierte Werbeanzeige (UV)
Wahrnehmung der Nützlichkeit (Mediator)
Klickabsicht (AV)
Abb. 14 Vereinfachtes Modell zur Wirkung personalisierter Online-Werbung (Quelle: In Anlehnung an Bleier und Eisenbeiss 2015)
132
2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
Bei der Modellbildung und deren empirischen Überprüfung ist zu beachten, dass Ursächlichkeit genauso wenig beweisbar ist wie die faktische Wahrheit einer Aussage oder die Gültigkeit einer Messung (vgl. Trommsdorff und Teichert 2011, S. 28). Trommsdorff und Teichert (2011) konkretisieren vier Bedingungen für Kausalität, die in den Wirtschaftswissenschaften anerkannt sind: 1. Bei einer Veränderung der UV muss regelmäßig eine Veränderung der AV zu beobachten sein. 2. Die Veränderung der AV muss zeitlich nach der der UV liegen. 3. Die Kovariation darf nicht ersichtlich auf einer beiden Veränderungen gemeinsam zugrunde liegenden dritten Größe beruhen. 4. Die Hypothese „UV bedinge AV“ muss durch Vorwissen aus der Theorie gerechtfertigt sein.
1.6 Kaufentscheidungsverhalten von Unternehmen Das Kaufverhalten von insbesondere industriellen Unternehmen weicht in vielerlei Hinsicht vom Kaufverhalten der Nachfrager ab. Bei den Kaufentscheidungen von Unternehmen handelt es sich in den meisten Fällen um Kollektiventscheidungen. Zumeist liegt dabei ein hoher Formalisierungsgrad vor, der sich aus fixierten Verfahrensregeln und Zuständigkeitsbereichen für die an der Kaufentscheidung Beteiligten ergibt. Diesem Merkmal kommt besondere Bedeutung zu, wenn die öffentliche Hand als Nachfrager in Erscheinung tritt, da die Beschaffungsvorgänge von öffentlichen Institutionen gesetzlich geregelt sind (vgl. Backhaus und Voeth 2014). Zahlreiche Beschaffungsvorgänge werden durch die Vorgaben der Kunden bestimmt (Fremddeterminiertheit unternehmerischer Kaufentscheidungen). Dies ist bspw. der Fall, wenn ein Kunde dem Anbieter industrieller Anlagen vorschreibt, welche Teilkomponenten von welchem Sublieferanten zu beziehen sind. Eine weitere Besonderheit der Kaufentscheidungen von Unternehmen betrifft die Anreiz- und Sanktionsmechanismen, die auf den Beschaffungsvorgang einwirken. So kann die Verletzung der fixierten „Spielregeln“ durch einen an der Kaufentscheidung Beteiligten zu beruflichen Konsequenzen (Versetzung, Entlassung) führen. Andererseits haben monetäre oder nicht-monetäre Anreize eine Leistungssteigerung der Entscheider zum Ziel. Neben den Besonderheiten industrieller Kaufentscheidungen erweist es sich für die weitere Analyse als sinnvoll, zwischen verschiedenen Typen von Kaufentscheidungen zu differenzieren (vgl. Robinson et al. 1967; Kuß und Tomczak 2007, S. 107 ff.): 1. Erstkauf: Die Entscheidungsbeteiligten stehen vor einer völlig neuen und bisher nicht gegebenen Problemstellung, etwa bei der Vorbereitung von Innovationen. Die bisherigen Erfahrun-
1
Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
133
gen im Kaufverhalten sind daher irrelevant. Es besteht ein großer Informationsbedarf vor der Kaufentscheidung. Anforderungen an das zu kaufende Produkt müssen definiert und mögliche Lieferanten gesucht werden. 2. Modifizierter Wiederholungskauf: Die Entscheidungssituation ist durch eine Problemstellung gekennzeichnet, die nicht neu ist, jedoch in verschiedener Hinsicht von früheren, ähnlichen Situationen abweicht. Obwohl bisherige Erfahrungen vorliegen, müssen mit mittlerem Aufwand zusätzliche Informationen beschafft, die Anforderungen an das Produkt modifiziert und neue Lieferanten gesucht werden. 3. Reiner Wiederholungskauf: Hierbei handelt es sich um ständig wiederkehrende Problemstellungen (bei wiederholtem Bedarf). Die bisherigen Erfahrungen der Entscheidungsbeteiligten werden als völlig oder annähernd ausreichend erachtet. Der Beschaffungsvorgang kann automatisiert werden. Die Erklärungsansätze des Kaufverhaltens industrieller Unternehmungen lassen sich in zwei Gruppen einteilen, monoorganisationale sowie multiorganisationale (vgl. Abb. 15). Zur Erklärung industriellen Kaufverhaltens wird bei den monoorganisationalen Ansätzen der Frage nachgegangen, wodurch das Beschaffungsverhalten eines einzelnen Unternehmens gekennzeichnet ist (vgl. Backhaus und Voeth 2014, S. 39 ff.). Je nachdem, ob nur Ausschnitte des industriellen Kaufverhaltens erklärt oder ganze Systeme von Einflussfaktoren abgebildet werden sollen, werden Partial- von Systemmodellen unterschieden. Bei komplexen oder nicht routinemäßig durchgeführten Entscheidungen spielt das Buying Center als Partialmodell eine bedeutsame Rolle (vgl. Büschken 1994). Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen dabei die Zusammensetzung des Einkaufsgremiums sowie die Entscheidungsprozesse der beteiligten Personengruppen. Nach herrschender Meinung (vgl. Webster und Wind 1972a; Hill und Hillier 1977; Crow und Lindquist
Erklärungsansätze industrieller Kaufentscheidungen
Monoorganisationale Erklärungsansätze
Partialmodelle
Systemmodelle
Multiorganisationale Erklärungsansätze
Personale Organisationale Interaktionsansätze Interaktionsansätze
Abb. 15 Erklärungsansätze industrieller Kaufentscheidungen
134
2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
1985; Kuß und Tomczak 2007; Backhaus und Voeth 2014) werden folgende fünf Rollen im Buying Center unterschieden: Benutzer sind Organisationsmitglieder, die das gekaufte Produkt anwenden. Ihre Erfahrung bestimmt im Wesentlichen über den Erfolg oder Misserfolg des Einkaufes. Einkäufer sind autorisiert und verantwortlich für den Vertragsabschluss. Da ihnen das Kontaktmanagement zu den Lieferanten obliegt und sie insbesondere Einfluss auf die Auswahl der Lieferanten nehmen, kommt dieser Rolle im Buying Center besondere Bedeutung zu. Entscheidungsträger wählen aufgrund ihrer Machtposition zwischen alternativen Kaufoptionen aus. Es handelt sich häufig um Mitglieder der Unternehmensführung. Einflussagenten bestimmen durch Normen oder gezielte Informationspolitik über den Verlauf einer Wahlentscheidung. Dabei sind ihre Forderungen als Entscheidungsrestriktionen anzusehen. Gatekeeper kontrollieren den internen Informationsfluss und den Zustrom von neuen Informationen im Einkaufsgremium. Ihr Einfluss liegt daher vor allem in der Phase der Entscheidungsvorbereitung. Die Ausgestaltung der Rollenverteilung in der Unternehmenspraxis ist vielseitig. So kann ein Mitglied des Buying Centers während des Informationsprozesses mehrere Rollen einnehmen (Einkäufer ist zugleich Gatekeeper), während andere Entscheidungsbeteiligte die gleiche Rolle innehaben (mehrere Einflussagenten) (vgl. Kuß und Tomczak 2007, S. 260 f.). Bei der Aufnahme von Verhandlungsbeziehungen zwischen dem nachfragenden Unternehmen und dem Anbieter weiß der Anbieter oft nicht, welche Mitglieder des Buying Centers Schlüsselpositionen während des Verhandlungsprozesses einnehmen. Schlüsselpositionen haben Mitglieder einer Organisation inne, wenn sie intern legitimiert sind, Vertragsabschlüsse zu tätigen (sog. Machtpromotoren), oder aufgrund einer fachlichen Legitimation am Entscheidungsprozess teilnehmen (sog. Fachpromotoren) und entsprechenden Einfluss ausüben. Personen mit Schlüsselpositionen sind vom verkaufenden Unternehmen zu identifizieren, damit sie gezielt angesprochen werden können. Systemmodelle streben eine vollständige Erfassung aller Faktoren an, die die unternehmerische Kaufentscheidung beeinflussen. Einer der ersten umfassenden und gleichzeitig bekanntesten Erklärungsansätze zum organisationalen Kaufverhalten ist das Modell von Webster und Wind (vgl. Webster und Wind 1972b, S. 12 ff.). Multiorganisationale Erklärungsansätze tragen der Erkenntnis Rechnung, dass sich bei industriellen Kaufentscheidungen der Beschaffungsprozess schrittweise in wechselseitiger Beziehung zwischen den verschiedenen Parteien auf Anbieter- und Nachfragerseite vollzieht (vgl. Backhaus und Voeth 2014, S. 107 ff.). Insofern sind alle Beteiligten des Kauf- und Verkaufsprozesses nicht isoliert, sondern als Mitglieder einer sozialen Gruppe zu betrachten, die einerseits voneinander abhängen und sich andererseits gegenseitig beeinflussen. Zur Erfassung des Beziehungsgeflechts ist ein Interaktionsansatz
1
Erklärungsansätze des Käuferverhaltens
135
heranzuziehen, der die Grundlage zur Analyse längerfristiger Geschäftsbeziehungen (Abfolge von Interaktionen) bildet (vgl. Kern 1987; Backhaus und Voeth 2014). Je nachdem, ob die beteiligten Individuen oder die Organisationen schwerpunktmäßig betrachtet werden, lassen sich personale und organisationale Interaktionsansätze unterscheiden (vgl. Kuß und Tomczak 2007, S. 262 ff.). Bei den personalen Interaktionsansätzen handelt es sich vorwiegend um sog. „Matching-Studien“, die das Resultat eines Interaktionsprozesses (Kauf/Nicht-Kauf) in Abhängigkeit von der Ähnlichkeit (Matching) beider Partner betrachten. Dabei ist die subjektive Wahrnehmung der Beteiligten von größerer Bedeutung als die objektive Ähnlichkeit, die sich in der Gleichartigkeit von ökonomischen, sozialen, physischen und Persönlichkeitsmerkmalen der Interaktionspartner ausdrückt (vgl. Evans 1963; Kuß und Tomczak 2007, S. 263). Grundsätzlich gilt: Je ähnlicher die Interaktionspartner, desto einfacher verläuft die Kommunikation. Ferner werden Machtverhältnisse und die Interaktionsatmosphäre untersucht (vgl. Kern 1987, S. 22; Backhaus und Voeth 2014, S. 110 f.). Hierarchien beinhalten die Gefahr von Statusproblemen, wenn bspw. Vorstandsmitglied und Sachbearbeiter Angehörige desselben Buying Centers sind. Darüber hinaus verschieben sich mit steigender Anzahl der Interaktionsbeteiligten die Machtverhältnisse, und es kann zu Absprachen oder zur Bildung von Koalitionen kommen. Organisationale Interaktionsansätze bedeuten eine Erweiterung der personalen Ansätze, da die Rollenerwartungen und Beziehungsmuster gegenüber anderen Organisationsmitgliedern mit in die Analyse einbezogen werden. Sie gehen u. a. davon aus, dass ein Kaufabschluss umso wahrscheinlicher ist, je intensiver und engagierter die Verhandlungen zwischen Käufer und Verkäufer sind (vgl. Backhaus und Voeth 2014). Weiterhin haben Produktespezifika wie Innovations- und Komplexitätsgrad einen Einfluss auf den organisationalen Interaktionsgrad (vgl. Hakansson und Östberg 1975; Backhaus und Voeth 2014), denn mit zunehmender Neuartigkeit und Komplexität einer Problemlösung steigt die Intensität der Interaktion, um die Ungewissheit auf beiden Seiten abzubauen. Bisherige Forschungen, die sich mit der Erklärung des Kaufverhaltens organisationaler Entscheider beschäftigt haben, fokussieren sich primär auf kognitive Faktoren und vernachlässigen weitestgehend emotionale Einflüsse (vgl. beispielhaft Weitz et al. 1986). Wenn emotionale Determinanten im Rahmen von Kundenbeziehungen im B2B-Bereich analysiert werden, dann beziehen sich diese Untersuchungen hauptsächlich auf die Mitarbeiter-Kunde-Interaktion (vgl. Weitz und Bradford 1999). Die alleinige Betrachtung der Mitarbeiter-Kunde-Interaktion reicht für die Analyse jedoch nicht aus, denn hierbei werden entscheidende intrinsische Einflüsse nicht ausreichend genug berücksichtigt (vgl. Bendapudi und Leone 2002; Palmatier et al. 2007). Eine Einbindung der Marke-KundeBeziehung wurde im B2B-Bereich lange nicht aufgegriffen. Die Lücke wurde in einer empirischen Studie geschlossen. Krause (2013) untersuchte den Einfluss der Marke-KundeBeziehung relativ zur Mitarbeiter-Kunde-Beziehung.
136
2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
2 Nachfragerverhalten im Wandel Entwicklungen in der Unternehmensumwelt können auch das Verhalten von Nachfragern beeinflussen (vgl. Abschn. 3 in Kap. 1). Im Folgenden sollen insbesondere diejenigen Entwicklungen in der Unternehmensumwelt aufgegriffen werden, die zu nachhaltigen Veränderungen im Nachfragerverhalten geführt haben (vgl. Abb. 16). Dieses ist einerseits der gesellschaftliche Wertewandel (gesellschaftliche Umweltsphäre) und andererseits die Digitalisierung (technologische Umweltsphäre). Dabei hat der gesellschaftliche Wertewandel vor allem das Konsumverhalten von Nachfragern verändert (sog. postmaterialistisches Konsumverhalten). Während die Digitalisierung diesen Effekt noch zusätzlich verstärkt, ist sie in erster Linie als Determinante für zentrale Veränderungen im Kaufverhalten von Nachfragern anzusehen.
2.1
Verändertes Nachfragerverhalten infolge des gesellschaftlichen Wertewandels
2.1.1 Wertewandel als Determinante Der gesellschaftliche Wertewandel kann als Determinante betrachtet werden, die das postmaterialistische Nachfragerverhalten bedingt hat. In diesem Zusammenhang spricht Inglehart (2015) von der sog. „stillen Revolution“, einer in den 1970er-Jahren begonnenen und allmählich voranschreitenden Transformation der individuellen Wertprioritäten der Bevölkerung in entwickelten Industriegesellschaften (vgl. Inglehart 2015, S. 3ff.). Inglehart (2015) prägt damit die Postmaterialismus-Hypothese, die besagt, dass Nachfrager im
Determinante: Gesellschaftlicher Wertewandel (Abschn. 2.1.1)
Determinante: Digitalisierung (Abschn. 2.2.1)
Postmaterialistisches Konsumverhalten (Abschn. 2.1.2) Ethischer Konsum Umweltbewusster Konsum Gesundheitsbewusster Konsum Gemeinschaftlicher Konsum
Digitales Kaufverhalten (Abschn. 2.2.2) Customer Journey / Experience Channel Hopping / Research Shopping Showrooming / Webrooming eWoM und UGC
Abb. 16 Zentrale Determinanten eines veränderten Nachfragerverhaltens
Generationscharakteristika Digital Natives/Digital Immigrants (Abschn. 2.2.3)
Verändertes Nachfragerverhalten
2
Nachfragerverhalten im Wandel
137
Allgemeinen materiellen Gütern weniger Bedeutung beimessen. Hingegen werden Themen wie ethischer, umwelt- und gesundheitsbewusster sowie gemeinschaftlicher Konsum immer wichtiger (vgl. Hoffmann und Akbar 2016, S. 193 f.).
I Postmaterialismus Postmaterialismus bezeichnet eine Einstellung einzelner
Personen oder ganzer Bevölkerungsgruppen, nicht dem greifbaren Materiellen zu streben, sondern das „Übergeordnete“ erreichen zu wollen – z. B. Gesundheit, Kultur, Freizeit, Bildung oder Umweltschutz (vgl. Benedikter 2005).
Nach der Postmaterialismus-Hypothese treten in wohlhabenden Industriegesellschaften materielle Werte (des „Habens“) in den Hintergrund und werden immer stärker durch postmaterielle Werte (des „Seins“) ersetzt (vgl. Inglehart und Welzel 2005, S. 48 ff.; Hoffmann und Akbar 2016, S. 193 f.). Damit steht die Hypothese im Zusammenhang mit der Bedürfnishierarchie von Maslow (Abschn. 1.3.1.1). Werden die Bedürfnisse einer Entwicklungsstufe befriedigt, strebt der Mensch nach den Bedürfnissen der nächst höheren Stufe. Vor dem Hintergrund, dass existenzielle Grundbedürfnisse in wohlhabenden Industriegesellschaften weitgehend abgesichert sind, gewinnen „höhere“ (postmaterielle) Werte innerhalb der Bevölkerung entsprechend an Bedeutung (vgl. Inglehart 1997, S. 131 ff.). Chancellor und Lyubomirsky (2014, S. 17 ff.) unterstreichen diese Argumentation, indem sie herausstellen, dass eine Verbesserung der finanziellen Situation nicht zwingend mit mehr Glück verbunden ist. Sie liefern dafür zwei Begründungen (vgl. Hoffmann und Akbar 2016, S. 194): Hedonische Adaption: Bringt der Erwerb eines materiellen Gegenstandes zunächst Zufriedenheit, so lässt dieses Gefühl mit zunehmender Gewöhnung nach. Hoffmann und Akbar (2016, S. 194) geben hier das Beispiel eines neuen Badezimmers im Haus. Zunächst empfindet der Besitzer ein Glücksgefühl bei dem Anblick des neuen Zimmers. Zunehmend gewöhnt man sich jedoch durch den täglichen Gebrauch an das neue Zimmer und das Glückgefühl schwindet. „Anspruchsspirale“: Analog zu Inglehart’s (1997) Hypothesen, strebt ein Mensch nach immer höheren Zielen, sobald ein gesetztes Ziel erreicht worden ist. Die Befriedigung von hohen Zielen hat somit zur Folge, dass immer weitere hohe Ziele erreicht werden wollen, wodurch niemals eine vollständige Befriedung erreicht werden kann. Auch hier bringen Hoffmann und Akbar (2016, S. 194) das Beispiel des neuen Badezimmers ein. Nimmt man an, der Hausbesitzer ist zufrieden mit dem Anblick des neuen Badezimmers, so hat dieses möglicherweise zur Folge, dass das Wohnzimmer im Vergleich dazu veraltet wirkt. So befindet man sich allzu schnell wieder am Ausgangspunkt: Ein Zimmer im Haus gefällt nicht.
138
2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
2.1.2 Postmaterialistisches Konsumverhalten Das durch den beschriebenen Wertewandel ausgelöste postmaterialistische Konsumverhalten zeichnet sich insbesondere durch eine ethische Orientierung, starkes Umweltund Gesundheitsbewusstsein sowie die Tendenz, gemeinschaftlich zu konsumieren, aus. Ethischer Konsum Devinney et al. (2006) sowie Devinney, Auger und Eckhardt (2010) beschäftigen sich im Zuge des postmaterialistischen Wertewandels mit dem Phänomen Consumer Social Responsibility (ConSR) sowie mit der Bedeutung des ethischen Konsums. Nach den Autoren ist ConSR eine Komponente eines komplexen Entscheidungsprozesses (vgl. Devinney et al. 2006, S. 32).
I Consumer Social Responsibility (ConSR) ConSR ist die bewusste und vor-
sätzliche Entscheidung, eine bestimmte Konsumentscheidung aufgrund von persönlichen und moralischen Überzeugungen zu treffen. Ausgedrückt wird dieses in einem bewussten Konsum- oder Nicht-Konsumverhalten (vgl. Devinney et al. 2006, S. 32).
ConSR kann dabei als Bestandteil der Wirtschaftsethik gesehen werden. Eine Vielzahl an Studien in diesem Bereich bezieht sich auf das empirisch beobachtbare Phänomen veränderter Konsummuster. Hierzu können Boykotte gegen bestimmte Unternehmen oder Produkte, der Konsum von ökologisch hergestellten oder fair gehandelten Produkten oder sogenannte Downshifting-Tendenzen, das heißt eine Reduktion des materiellen Konsums, gezählt werden (vgl. Schmidt 2015, S. 24 f.). Diese bewusste Reduktion ist zu einem Zeichen für eine Besinnung auf mehr Lebensqualität avanciert und wird auch als Voluntary Simplicity, Ethical Simplifiers oder Slow Living bezeichnet (vgl. Newholm und Shaw 2007, S. 259). Die bewusste Entscheidung, bestimmte Dinge nicht zu konsumieren, lässt sich als sog. Antikonsum bezeichnen. Dieser ist nicht, wie man vermuten könnte, das Gegenteil der Konsumentscheidung. Vielmehr basiert der Antikonsum auf Gründen, die sich von den Konsummotiven unterscheiden können. Zum Beispiel ist ein bewusster Verzicht auf das Autofahren auf Umweltschutzgründe zurückzuführen. Wer jedoch Auto fährt, möchte nicht zwingend bewusst die Umwelt verschmutzen (vgl. Chatzidakis und Lee 2013, S. 191; Hoffmann und Akbar 2016, S. 198). In der Regel sind es politische, soziale, ökologische oder ökonomische Gründe, die einen Konsumverzicht auslösen. Eine besondere Form des Antikonsums ist der sog. Konsumentenboykott. Dabei meiden Nachfrager gezielt Produkte bestimmter Unternehmen, um ihren Unmut über deren Verhalten zum Ausdruck zu bringen und/oder diese zu einer Änderung ihres Verhaltens zu bewegen (vgl. Hoffmann und Akbar 2016, S. 198).
2
Nachfragerverhalten im Wandel
139
Im Zeitalter der Digitalisierung verbreiten sich Informationen über Fehlverhalten von Unternehmen schnell. Insbesondere Social-Media-Plattformen wie Facebook unterstützen in der Verbreitung und im Austausch über solche Informationen und legen häufig den Grundstein für Boykottaufrufe (vgl. Hoffmann und Akbar 2016, S. 199). In diesem Zusammenhang treten im Social-Media-Bereich häufig auch sog. Shitstorms auf, bei denen zunächst meist nur ein Nachfrager negative Kritik gegenüber einem Unternehmen äußert. Lawinenartig folgt daraufhin weitere Kritik von anderen Nachfragern in Form von Kommentaren, Likes oder Shares. Ein Beispiel dafür ist der Song des kanadischen Musikers David Carroll und seiner Band Sons of Maxwell „United Breaks Guitars“. Carroll beschwerte sich öffentlich in Form eines selbstgeschriebenen und auf YouTube veröffentlichten Songs darüber, dass seine Gitarre während eines United-Airlines-Flugs beschädigte wurde und die Fluggesellschaft sich aus der Verantwortung ziehen wollte. Der Song wurde in den ersten Monaten nach Upload über 10 Mio. Mal angeklickt, begleitet von massiver öffentlicher Kritik an United Airlines seitens anderer Nachfrager, die sich durch dieses Ereignis in ihren ebenfalls negativen Erfahrungen mit der Fluggesellschaft bestätigt und zum Handeln aufgefordert fühlten (vgl. Tuten und Solomon 2015, S. 30). Umweltbewusster Konsum Dem ConSR unterliegend hat sich des Weiteren bei vielen Menschen das Bewusstsein herausgebildet, dass sie durch eine Veränderung ihres Konsumstils Umweltverschmutzung vorbeugen können (vgl. Hoffmann und Akbar 2016, S. 196). Wachsendes Umweltbewusstsein bestimmt das Konsumverhalten zunehmend im Zeitalter der Digitalisierung. Nach Balderjahn (2013, S. 207) gibt es verschiedene Optionen des umweltbewussten Konsums: Nachfrager verzichten bewusst auf Produkte, die Kriterien der Nachhaltigkeit nicht erfüllen, bzw. reduzieren den Konsum dieser (Suffizienz-Option). Nachfrager entscheiden sich für das relativ nachhaltigste Produkt innerhalb einer Produktgruppe (Effizienz-Option). Nachfrager nutzen Produkte und Dienstleistungen nachhaltig (Effizienz-Option). Nachfrager entsorgen und verwerten Produkte nachhaltig (Recycling-Option). Zur Bestimmung der Motive (vgl. Abschn. 2.1.1) für einen umweltbewussten Konsum greift Stern (2000, S. 412) auf die Value Belief Norm Theory zurück. Demnach handeln Nachfrager aus drei unterschiedlichen Wertorientierungen: Aus Egoismus (Umweltschutz, um selbst Nutzen daraus zu ziehen), Altruismus (Umweltschutz, da die Umwelt dem Wohl anderer Menschen dient) oder einer biosphärischen Orientierung (Umweltschutz um ihrer selbst und den darin lebenden Arten willen) (vgl. Hoffmann und Akbar 2016, S. 196). Hoffmann und Akbar (2016, S. 197) ziehen das Norm-Aktivierungs-Modell von Schwartz (1977) heran, um zu erklären, wann die genannten Motive das Verhalten der Nachfrager steuern. Abb. 17 zeigt die Phasen des kognitiven Verhaltensprozesses.
140
2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
Erkenntnis der Umweltverschmutzung als Problem und Einsicht, dass das eigene Konsumverhalten zur Minderung des Problems beitragen kann.
Erkenntnis und Einsicht
Umweltbewusster Konsum kann subjektive Kosten verursachen, z. B. das selbst auferlegte Verbot bestimmte Produkte zu konsumieren.
Aktivierung persönlicher Normen Interne, moralische Überzeugungen, welche die Ansprüche der Person an sich selbst ausdrücken, werden aktiviert. Das führt dazu, dass die Person sich moralisch verpflichtet fühlt, zu intervenieren.
Subjektive Kosten
Ökologisches Handeln Das schlussendlich ökologische Handeln entscheidet sich aus dem Zusammenspiel von Normen, Verantwortung und den Konsequenzen im Fall des Nichthandelns.
Abb. 17 Prozessphasen des Norm-Aktivierungs-Modells (Quelle: In Anlehnung an Hoffmann und Akbar, S. 197; Schwartz 1977)
Als Teil des Norm-Aktivierungs-Modells kann die sog. Low-Cost-Hypothese gesehen werden. Diese besagt in ihrer Grundidee, dass Interesse an einem umweltbewussten Konsum insbesondere in Situationen entsteht, die niedrige Kosten verursachen und geringe Unannehmlichkeiten bereiten. Je geringer der Kostendruck, desto einfacher können Nachfrager ihr Konsumverhalten entsprechend an ihre moralischen Überzeugungen anpassen. Sind die (subjektiven) Kosten hoch, so wird das reine Umweltbewusstsein und die moralische Überzeugung nicht zu einer entsprechenden Anpassung des Konsumverhaltens, das heißt zum ökologischem Handeln, führen (vgl. Diekmann und Preisendörfer 2003, S. 443, Hoffmann und Akbar 2016, S. 197). Gesundheitsbewusster Konsum Die eigene Gesundheit erreicht eine immer größere Bedeutung für Nachfrager. Daraus resultierende Veränderungen des Konsumverhaltens zeigen sich mitunter dadurch, dass z. B. Bioprodukte verstärkt nachgefragt werden (vgl. Hoffmann und Akbar 2016, S. 195). Auch Entscheidungen über die Auswahl des Arbeitsgebers oder die Urlaubsplanung sind nach der Philips Gesundheitsstudie (Zukunftsinstitut 2015, S. 11) davon betroffen. So wird der „neue“ Nachfrager als ein proaktiver, aufgeklärter und partizipationswilliger Gesundheitskonsument bezeichnet, der besser über seine Gesundheit informiert ist als je eine Kohorte vor ihm (Zukunftsinstitut 2015, S. 11 f.). Bereits 65 % der Bevölkerung in Deutschland ab 16 Jahren nutzen das Internet als Informationsquelle in Gesundheitsfragen. Das Internet bietet interessierten Laien (in der Regel kostenlosen) Zugang zu
2
Nachfragerverhalten im Wandel
141
Informationen, die früher nur für Experten zugänglich waren. Zum Beispiel liefert Google heute im Bruchteil einer Sekunde über 33 Mio. Einträge zum Suchbegriff „Krebs“ (vgl. Zukunftsinstitut 2015, S. 21). Das Gesundheitsbewusstsein lässt sich insbesondere über sozial-kognitive Einflussgrößen erklären, wie z. B. die Risikowahrnehmung, die Handlungsergebnis- oder die Selbstwirksamkeitserwartungen von Nachfragern (vgl. Faselt et al. 2010; Hoffmann und Akbar 2016, S. 195 f.). Ein Beispiel für eine gesundheitsbewusstseinsfördernde Kampagne in den sozialen Medien, welche diese Einflussgrößen adressiert, ist die Antitabak-Kampagne „Feel free to say no“ der EU-Kommission 2003 (vgl. Loss und Nagel 2010). Hier werden Nachfragern die Risiken des Rauchens (Risikowahrnehmung) sowie konkrete Maßnahmen zur Verbesserung dieser Situation (Handlungsergebniserwartung) aufgezeigt. Ferner wird Mut gemacht, dass jeder in der Lage sei, seinen Tabakkonsum zu reduzieren (Selbstwirksamkeitserwartung) (vgl. Hoffmann und Akbar 2016, S. 195 f). Gemeinschaftlicher Konsum Aus dem gestiegenen Umwelt- und Nachhaltigkeitsbewusstsein und aus der generellen Entwicklung zum Postmaterialismus resultiert in der Gesellschaft die Tendenz, gemeinschaftlich zu konsumieren. Es bildet sich ein Bewusstsein darüber, dass die Kombination aus Konsum mit endlichen Ressourcen nicht aufgehen kann, woraus sich die Motivation bildet, mehr Nutzen aus Gütern zu ziehen als zuvor und die Erkenntnis, dass individueller Konsum nicht die effizienteste Bedürfnisbefriedigung darstellt (Kassan und Orsi 2012, S. 4). Besitzer werden zu Benutzern von Produkten.
I Gemeinschaftlicher Konsum Als gemeinschaftlicher Konsum werden solche
Ereignisse bezeichnet, in denen mehr als eine Person ökonomische Leistungen im Prozess einer gemeinsamen Aktivität mit einer oder mehreren Personen konsumiert (vgl. Felson und Speath 1978, S. 614).
Während der gemeinschaftliche Konsum das Ereignis des Konsums bezeichnet, versteht man unter Sharing den Akt und den Prozess des Teilens (vgl. Belk 2007, S. 126). Sharing kann des Weiteren in Sharing-in und Sharing-out unterschieden werden. Sharing-in geschieht meist im privaten Umfeld – beispielsweise das Teilen einer Portion Popcorn im Kino mit Freunden. Sharing-out betrifft den gemeinschaftlichen Konsum mit Fremden und hat meist nützlichkeitsorientierte Gründe (vgl. Belk 2014, S. 1596). Beispielsweise erfolgt das Inserieren der eigenen Wohnung bei AirBnB meist aus Kostenersparnisgründen. Sharing-out findet heute in der sogenannten Sharing Economy statt. In dieser Sharing Economy bieten Unternehmen oder Privatpersonen Nachfragern den Zugang zu Ressourcen für eine Gebühr an. Dabei kann man folgende Unterscheidungen treffen (vgl. Hoffmann und Akbar 2016, S. 199):
142
2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
Tab. 2 Einflussgrößen des Sharing-Verhaltens (Quelle: In Anlehnung an Hoffmann und Akbar 2016, S. 200; Lamberton und Rose 2012; Ozanne und Ballantine 2010; Hellwig et al. 2015; Möhlmann 2015; Seegebarth et al. 2016; Akbar et al. 2016) Autor(en) Lamberton und Rose (2012)
Ozanne und Ballantine (2010)
Hellwig et al. (2015) Möhlmann (2015)
Seegebarth et al. (2016) Akbar et al. (2016)
Einflussgrößen Substituierbarkeit Sozialer Nutzen Funktionaler Nutzen Besitzkosten Sparsamkeit Anti-Konsum Sozialer Nutzen Vertrautheit Idealismus Besitzkosten Sparsamkeit Anti-Industrie Sozialer Nutzen Nachhaltigkeit Zufriedenheit Anti-Konsum Einzigartigkeit (der Produkte)
C2P-Sharing (Company to Person). Die Ressource gehört einem Unternehmen. P2P-Sharing (Person to Person). Die Ressource gehört einer Privatperson. Hoffmann und Akbar (2016, S. 200) liefern hier BMW Drive Now als Beispiel für C2P-Sharing. Die Autoflotte bei Drive Now gehört BMW und wird den Nachfragern zur Verfügung gestellt, während z. B. Drivy ein Beispiel für P2P-Sharing ist. Hier können Privatpersonen ihr Auto anderen Nachfragern für eine Gebühr zur Verfügung stellen. Das Unternehmen ist hier nur Vermittler zwischen Anbieter und Nachfrager und verlangt für die Vermittlung eine Provision (vgl. Hoffmann und Akbar 2016, S. 200). Tab. 2 liefert eine Übersicht aus der aktuellen Literatur über zentrale Gründe, SharingAngebote zu nutzen.
2.2
Veränderungen im Nachfragerverhalten infolge der Digitalisierung
2.2.1 Digitalisierung als Determinante Die Digitalisierung, die auch als die vierte industrielle Revolution bezeichnet wird (vgl. Ittermann et al. 2015), verzeichnet ihren Durchbruch und Verbreitung in weiten Teilen der Gesellschaft Mitte der 1990er-Jahre (vgl. Doyle 2008, S. 326). „Der Begriff Digitalisierung bezeichnet die Überführung kontinuierlicher Größen in abgestufte Werte als Binärcode“ (vgl. Hamidian und Kraijo 2013, S. 5), so lautet eine sehr rudimentäre Defini-
2
Nachfragerverhalten im Wandel
143
tion von Digitalisierung. Historisch können bereits Rauchzeiten der Indianer als Binärcode (Rauch, kein Rauch) interpretiert werden. Bekannt wurden Binärcodes (Morsealphabet) insbesondere durch die Informationsübertragung mit Hilfe des Morsens. Der besondere Einfluss der Digitalisierung kann heute allerdings darin gesehen werden, dass größte Datenmengen mit hoher Geschwindigkeit verarbeitet und über Netzwerke in Echtzeit durch stationäre oder mobile Computer (PC, Smartphone, Sensoren) nahezu überall empfangen und versendet werden können. Durch das Zusammenwirken dieser technologischen Merkmale in Kombination mit spezifischen ökonomischen Effekten (Null-GrenzkostenPhänomen, vgl. Rifkin 2014) entwickelt die Digitalisierung den Charakter einer industriellen Revolution mit besonderen Auswirkungen auf das Verhalten aller Marktteilnehmer und das Marketingmanagement (vgl. Kirchgeorg und Bruhn 2018). Hierzu gibt es viele aktuelle Veranschaulichungen, z. B. die Digitalisierung ganzer Bibliotheken durch Onlineplattformen, so dass dieses Wissen weltweit elektronisch an jedem Ort nahezu ohne zusätzliche Grenzkosten abgerufen werden kann. Mit der Digitalisierung wird auch zunehmend Übertragung des Menschen und seiner Lebenswelt auf eine digitale Ebene verbunden. Nachfrager brechen aus der lokalen Offline-Welt aus und wollen omnipräsent, vernetzt und „always-on“ sein. Dabei verstehen sie sich als Individuen in der immer gegenwärtigen Sphäre der digitalen Gesellschaft (vgl. Hamidian und Kraijo 2013, S. 5). Digitalisierung als Determinante des veränderten Konsumverhaltens Die Informationsbeschaffung ist einer der zentralen Grundpfeiler des Internets. Durch Suchmaschinen sind Informationen für jeden Nachfrager transparent verfügbar und unkompliziert mit geringen Suchkosten zu beschaffen. Des Weiteren ermöglicht es die mobile Kommunikation, dass Informationen zu jeder Zeit und an jedem Ort abgerufen werden können. Durch den fortschreitenden technischen Fortschritt sind seit über einer Dekade auch audio-visuelle Bereiche wie Videos, Bilder und Musik gewachsen. Insbesondere der Bereich Social Media (vgl. Abschn. 4 in Kap. 8) konnte davon profitieren, wodurch die Nutzung entsprechend stark angestiegen ist (vgl. Hamidian und Kraijo 2013, S. 6). Der Austausch mit Gleichgesinnten über räumliche Distanzen ist dadurch möglich geworden. Aus diesem Grund stehen Nachfrager viel stärker in Interaktion miteinander (vgl. Schmidt 2015, S. 163). Durch diese Aspekte der Digitalisierung können Informationsasymmetrien abgebaut werden (vgl. Rezabakhsh et al. 2006) und es lässt sich festhalten, dass Nachfrager im Zeitalter der Digitalisierung aufgeklärter sind und sich bewusst und gezielt über verschiedene Arten und Weisen des Konsums informieren und austauschen können. In dieser Beziehung hat die Digitalisierung sich mit dem Wertewandel verflochten. Zum einen kann argumentiert werden, dass durch die einfachere Informationsbeschaffung und Informationstransparenz die Digitalisierung den Wertewandel unterstützt bzw. beschleunigt hat. Zum anderen unterstützt die Digitalisierung das postmaterialistische Konsumverhalten durch die Verfügbarmachung von Plattformen für bspw. Sharing-Angebote (z. B. BlaBlaCar) (vgl. Abschn. 2.1) oder auch Social-Media-Plattformen (z. B. Facebook).
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
Digitalisierung als Determinante des veränderten Kaufverhaltens Im Zeitalter der Digitalisierung hat sich das Kaufverhalten der Nachfrager stark verändert. Nachfrager kommen in den Vorkauf-, Kauf- und Nachkaufphasen mit einer Vielzahl an Kontaktpunkten von Unternehmen in Berührung (vgl. Abschn. 1.4). Neben klassischen Offline-Kommunikations- und Absatzkanälen (z. B. Zeitungen oder stationärer Handel) sind neue digitale Kontaktpunkte dazugekommen, die aus dem Bereich Paid Media (z. B. Display Banner), Owned Media (z. B. Unternehmenswebsite) oder Earned Media (z. B. Bewertungsportale) stammen (vgl. Abschn. 4 in Kap. 8). Dadurch ergeben sich auf Seiten der Nachfrager neue Kaufverhaltensmuster. Nachfrager sind nun nicht mehr gezwungen, den stationären Handel aufzusuchen, um dort den Kauf zu tätigen, sondern können zwischen Online- und Offlinekanälen wählen (vgl. Abschn. 2 in Kap. 7). Sie wechseln dabei je nach Bedürfnis zwischen verschiedenen Kommunikations- und Absatzkanälen, was zu einer einzigartigen Aneinanderreihung an Kontaktpunkten führt. Dieses ergibt für jeden Nachfrager eine individuelle Customer Journey und Customer Experience (vgl. Abschn. 1.4.2). Durch die vielen neuen Kontaktpunkte sind die Suchkosten für Preis- und Leistungsinformationen gesunken, da diese Informationen im Internet effizienter beschafft und verglichen werden können, z. B. durch Produktvergleichsseiten wie idealo.de. Durch diese hohe Informationstransparenz tendieren Nachfrager dazu, generell mehr zu vergleichen, und werden damit gleichzeitig preissensibler (vgl. Broeckelmann 2010, S. 39 f.) Die neuen Kaufverhaltensmuster zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass Nachfrager im Rahmen des Kaufprozesses sog. Research Shopping betreiben, d. h. die Informationssuche und den Kauf einer Leistung in verschiedenen Absatzkanälen vornehmen. In diesem Zusammenhang kann es zum sog. Showrooming kommen, welches das explizite Kaufen in einem Onlinekanal beschreibt, während die Informationssuche offline abläuft. Showrooming kann dabei auch eine kompetitive Ausprägung haben, d. h. die Offline-Informationssuche findet nicht bei dem identischen Anbieter statt wie der spätere Kauf (vgl. Gensler et al. 2017). Das Pendant zu Showrooming stellt das sog. Webrooming dar, welches das Kaufen in einem Offlinekanal und die Onlineinformationssuche meint. Darüber hinaus haben das Web 2.0 (vgl. Hamidian und Kraijo 2013, S. 6) und das daraus resultierende Wachstum von sozialen Medien (vgl. Abschn. 4.3 in Kap. 8) zu weiteren Veränderungen geführt. Nachfrager können jetzt miteinander interagieren und werden zu Produzenten ihrer eigenen Inhalte, dem sog. User-generated Content (UGC), den sie auf Social-Media-Plattformen (z. B. YouTube) verbreiten können (vgl. Tuten und Solomon 2015, S. 170). In diesem Zusammenhang können sich Nachfrager auch über Leistungen von Unternehmen austauschen. Die Digitalisierung macht es möglich, dass Konsumerfahrungen von Nachfragern in Form von Electronic-Word-of-Mouth (eWoM) einer großen Zahl anderer Nachfrager zugänglich gemacht werden können (bspw. in Form von Rezensionen auf Amazon). Diese Nachfrager werden davon wiederum in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst und ggf. später selbst zu Sendern von eWoM.
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Nachfragerverhalten im Wandel
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2.2.2 Digitales Kaufverhalten Customer Journey und Experience Folgte die Kaufentscheidung vor der Digitalisierung einem linearen Prozess, so wird diese heute als „schleifenartige Reise des Käufers“ veranschaulicht, das heißt einzelne Prozessphasen können übersprungen, aber auch wiederholt werden (vgl. Abschn. 1.4.2). Insbesondere in den Vorkaufphasen (Problemerkennung, Informationssuche, Alternativenbewertung) kommen Verhaltensmuster zum Tragen, die in der Digitalisierung begründet liegen. Zum einen kann hier zur Informationssuche und Alternativenbewertung Research Shopping betrieben werden. Research Shopping stellt eine zentrale Veränderung im veränderten Nachfragerverhalten dar und wird nachfolgend in diesem Kapitel noch ausführlich erläutert. Da Nachfragern nun eine Vielzahl an Online- und Offlinekanälen zur Verfügung stehen, kommen diese entsprechend mit mehreren Kontaktpunkten in Berührung. Durch diesen Umstand kann sich das Consideration-Set in den Vorkaufsphasen verringern, aber auch vergrößern, d. h. Nachfrager können auch in einer späten Vorkaufsprozessphase auf eine andere, zum Kauf in Frage kommende Alternative aufmerksam werden. Die Digitalisierung hat somit bewirkt, dass das Consideration-Set nicht mehr „trichterförmig“ ist, d. h. sich nicht mehr sukzessiv verkleinert. Dieses ist insbesondere auch deshalb möglich, da Nachfrager als Empfänger von electronic Word-of-Mouth (eWoM) in der Vorkaufsphase sensibel auf Produktempfehlungen anderer Nachfrager reagieren. Nachdem ein Nachfrager in der Kaufphase sich zwischen einem Online- und Offlinekanal entscheiden kann, tritt er in die Nachkaufphasen ein. Hier geht es um den Konsum und die Bewertung der gewählten Alternativen. Nachfrager können hier zu Produzenten von User-generated Content (UGC) werden und positives oder negatives eWoM generieren. In dieser Phase sind Nachfrager als Sender von eWoM aktiv und können wiederrum andere Nachfrager in ihrer Vorkaufphase beeinflussen. eWoM und UGC werden als zentrale Veränderungen im Nachfragerverhalten in diesem Kapitel ausführlich beschreiben. Neben der Beeinflussung von anderen Nachfragern, kann ein besonders zufriedener bzw. loyaler Kunde bei einer erneuten Kaufentscheidung die Vorkaufsphase überspringen und direkt in die Kaufphase einsteigen. Das folgende beispielhafte Szenario soll als weitere Veranschaulichung dienen: Beispiel
Ein Nachfrager wird durch eine Bannerwerbung eines bekannten Online-Schuhhändlers inspiriert, sich ein neues Paar Schuhe zu kaufen [Problemerkennung]. Er klickt auf die Website des Händlers und entscheidet sich für ein Paar Schuhe, d. h. legt diese in sein persönliches Consideration-Set zur weiteren Betrachtung. Wäre vor der Digitalisierung, d. h. in einem stationären Geschäft, nach der näheren Betrachtung die
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
Kaufentscheidung zu treffen gewesen, beginnt im Zeitalter der Digitalisierung die Informationssuche und Alternativenbewertung. Der Nachfrager klickt auf Vergleichsseiten im Internet und informiert sich darüber, ob der Händler die ausgewählten Schuhe wirklich zum günstigsten Preis anbietet. Ferner geht er auf Online-Bewertungsplattformen oder andere Social-Media-Plattformen und liest Rezensionen und Meinungen über die ausgewählten Schuhe. In den Vorkaufphasen kann es jederzeit passieren, dass der Nachfrager auf ein anderes Schuhmodell trifft, das ihm besser gefällt, oder er ändert seine Schuhauswahl aufgrund einer negativen Rezension über den Händler oder über die Schuhmarke. Ebenfalls kann er auf einen Händler treffen, der das ausgewählte Modell günstiger anbietet, so dass der Nachfrager auch den Händler wechselt. Nach dem Kauf der Schuhe werden diese in der Regel nach Hause geliefert, aber auch ein Abholen in einer Filiale ist oft möglich [Kauf]. In der nun beginnenden Nachkaufphase registriert sich der Nachfrager bei Zufriedenheit mit dem Produkt für einen Newsletter beim Schuhhändler, um über aktuelle Neuigkeiten und Trends informiert zu werden. Besonders zufriedene bzw. loyale Kunden würden einer erneuten Kaufentscheidung die Vorkaufsphase überspringen und direkt in die Kaufphase einsteigen. Unabhängig davon hat der Nachfrager die Möglichkeit, seine Zufriedenheit oder auch eventuelle Unzufriedenheit mit dem Produkt und/oder dem Händler auf Online-Bewertungsplattformen kundzutun. Er verfasst Online-Rezensionen und beeinflusst damit andere Nachfrager in ihren Vorkaufphasen [Konsum und Bewertung]. Das Beispiel macht deutlich, dass Nachfrager im Zeitalter der Digitalisierung einer zunehmenden Anzahl an Kontaktpunkten im Rahmen ihres Kaufentscheidungsprozesses ausgesetzt sind. Dadurch bewertet ein Nachfrager nicht nur die einzelnen, sondern die Summe aller Kontaktpunkte. Diese Gesamterfahrung entlang der Customer Journey wird als Customer Experience (vgl. Abschn. 1.4.2) bezeichnet, deren Bedeutung im Zuge der Digitalisierung stark an Bedeutung gewonnen hat. Durch das häufige Wechseln von Kommunikations- und Absatzkanälen ist es für Nachfrager besonders wichtig, dass sie insbesondere den Markenauftritt über alle Kontaktpunkte hinweg als konsistent wahrnehmen, um nicht irritiert zu werden (vgl. Lemon und Verhoef 2016). Channel Hopping und Research Shopping Das Verhalten von Nachfragern, bewusst auf verschiedene Kontaktpunkte entlang der Customer Journey zuzugreifen, wird gemeinhin als Channel Hopping bezeichnet. Auch dieses Verhalten hat bedingt durch die vielen neuen (digitalen) Kontaktpunkte aus Paid, Owned und Earned Media (vgl. Abschn. 4 in Kap. 8), die für Nachfrager in der Regel leichter und schneller zugänglich sind als traditionelle (analoge) Kontaktpunkte, im Zuge der Digitalisierung stark zugenommen. Insbesondere in den Vorkaufsphasen der Customer Journey kommt Channel Hopping häufig vor. Nachfrager wechseln nicht nur entlang verschiedener Kommunikations- (Online-Suchmaschine, Online-Bewertungsplattform, Telefon-Support etc.) und Absatzkanäle (Fachgeschäft, Online-Shop etc.), sondern auch zwischen Endgeräten (Smartphone versus Desktop-PC) (vgl. Kannan et al. 2016, S. 449).
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Nachfragerverhalten im Wandel
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In diesem Zusammenhang wird insbesondere dem Phänomen des Research Shopping besondere Aufmerksamkeit gewidmet, welches eine spezifische Ausprägungsform des Channel Hopping darstellt.
I Research Shopping Research Shopping liegt vor, wenn Nachfrager die Infor-
mationssuche nach einer Leistung in einem anderen Absatzkanal vornehmen als den später getätigten Kauf dieser Leistung (vgl. Devinney et al. 2006, S. 32; Verhoef et al. 2007, S. 129).
Im Rahmen des Research Shopping wird also explizit danach differenziert, ob Nachfrager einen Kanal zu Informations- oder Transaktionszwecken nutzen. Es liegt folglich nur vor, wenn im Rahmen des Channel Hopping mindestens ein Kanal auch tatsächlich für die Informationssuche nach einer Leistung und ein anderer Kanal für den Kauf dieser Leistung genutzt wird. Zudem bezieht sich das Research-Shopping-Phänomen auf die reine Absatzkanalwahl im Rahmen der Customer Journey, da Absatzkanäle im Gegensatz zu Kommunikationskanälen sowohl zu Informations- als auch zu Transaktionszwecken genutzt werden können. Theoretisch gesehen kann Research Shopping in einer Vielzahl von Absatzkanalkombinationen auftreten (z. B. Informationssuche im Online-Shop des Herstellers und Kauf im Ladengeschäft eines Handelspartners; Informationssuche im Ladengeschäft eines Handelspartners und Kauf im Ladengeschäft des Herstellers; Informationssuche im Online-Shop des Herstellers und Kauf über den Versandhandel), jedoch wird in der Literatur primär danach unterschieden, ob die Informationssuche bzw. der Kauf in einem Online- bzw. Offlinekanal stattfindet. Abb. 18 zeigt eine einfache Klassifizierung von Nachfragern nach dieser Systematik. Die entsprechenden Ausprägungsformen von Research Shopping reduzieren sich somit auf die Formen Showrooming (Nachfrager informieren sich offline und kaufen online) und Webrooming (Nachfrager informieren sich online und kaufen offline). Beide Research-Shopping-Verhaltensweisen lassen sich inzwischen häufig in der Praxis beobachten (vgl. Verhoef et al. 2007, S. 129). Bitkom Research (2015) dokumentiert, dass 47 % der Online-Shopper in Deutschland gelegentlich Webrooming (14 % regelmäßig) und 41 % der Online-Shopper gelegentlich Showrooming betreiben (9 % regelmäßig). Verhoef et al. (2007) identifizieren drei verschiedene Treiber des Research Shopping: Attribut-basierte Entscheidungsfindung, d. h. Nachfrager tendieren dazu, solche Kanäle zu benutzen, die ihnen für ihr bestimmtes Ziel am relevantesten erscheinen. Geringe Channel-Lock-In, d. h. es gibt für Nachfrage keine Hürden, die Kanäle bei Informationssuche und Kauf einer Leistung zu wechseln. Cross-Channel-Synergien, d. h. das Heranziehen von mehreren Kanälen bis zum Kauf einer Leistung geht mit einer höheren Nachfragerzufriedenheit einher.
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
Online
„Treue Onliner“
Informiert sich offline und kauft Führt alle Schritte online aus: Produktinformation online Preisvergleich Kauf „Treue Offliner“
Offline
Durchführung des Kaufs
„Showroomer“
„Webroomer“
Führt alle Schritte offline aus: Produktinformation Preisvergleich Kauf
Informiert sich online und kauft offline
Offline
Online
Kaufvorbereitung (Information und Vergleich)
Abb. 18 Ausprägungsformen von Research Shopping (Quelle: In Anlehnung an Heinemann 2018, S. 59)
Showrooming Showrooming bedeutet allgemeingefasst, dass, entgegengesetzt zum Webrooming, Informationen in einem Ladengeschäft gesucht werden und das Produkt schlussendlich in einem Online-Shop gekauft wird. Lipsman und Fulgoni (2012) berichten, dass 60 % der „Showroomer“ nicht im Voraus planen, Showrooming zu betreiben. Vielmehr beabsichtigen diese tatsächlich einen stationären Kauf, ändern jedoch im Kaufprozess ihre Meinung und kaufen schlussendlich online. In erster Linie sind Nachfrager zum Showrooming motiviert, weil sie sich dadurch erhoffen, den „besten Deal“ zu finden. Das ist genau genommen allerdings kein reines Phänomen der Digitalisierung, da Nachfrager immer schon nach den besten Preisen und dem möglichst höchsten Nutzen gestrebt haben. Insbesondere bei höherpreisigen und komplexen Produkten suchen Nachfrager mehrere Ladengeschäfte auf und vergleichen Produkte (vgl. Rapp et al. 2015, S. 360). Hierbei können Nachfrager bei einem Anbieter bleiben oder diesen wechseln, d. h. kompetitives Showrooming betreiben. I Kompetitives Showrooming Kompetitives Showrooming ist definiert als das
Offline-Suchen von Informationen bei Anbieter A und das Online-Kaufen bei Anbieter B (vgl. Gensler et al. 2017, S. 42).
Gensler, Neslin und Verhoef (2017) identifizieren die erhoffte durchschnittliche Preisersparnis eines Nachfragers als den zentralen Treiber für kompetitives Showrooming. Ferner haben die wahrgenommene Abweichung zwischen Online- und Offlinepreisen, die wahrgenommene Qualitätssteigerung eines Produktes während des Showrooming und die Wartezeit für Serviceleistungen im Ladengeschäft einen positiven Effekt darauf, kompetitives Showrooming zu betreiben (vgl. Gensler et al. 2017, S. 33).
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Nachfragerverhalten im Wandel
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Rapp et al. (2015, S. 360) argumentieren, dass das Showrooming-Verhalten durch die Verbreitung von mobiler Technologie gefördert wurde. Die Benutzung von Smartphones führt dazu, dass sich Nachfrager vor Ort und in Echtzeit im Ladengeschäft über alternative Anbieter informieren und so eine für sie optimale Kaufentscheidung treffen können. Das Phänomen des Research Shopping im Allgemeinen bzw. des Showrooming im Speziellen zeigt, dass die Digitalisierung die Markttransparenz erhöht hat (vgl. Cruz und McKenna 2011). Mussten Nachfrager vor Verbreitung von mobiler Technologie von Verkaufsstätte zu Verkaufsstätte gehen, um den „besten Deal“ zu identifizieren, so ist diese physische Informationsbarriere heute durch das Vorhandensein von Smartphones nicht mehr vorliegend. Informationsasymmetrien werden dadurch abgebaut, dass Nachfrager nun fähig sind, sich ein umfassendes Bild von Produkten, deren Preisen und Anbietern zu machen und in Echtzeit im Ladengeschäft ein Produkt online zu erwerben, sofern dieses als „bester Deal“ identifiziert wurde (vgl. Lunden 2013). Als Gegenreaktionen kommen zunehmend digitale Interaktionstechnologien zum Einsatz, die die Kundenbindung gegenüber einem Anbieter erhöhen sollen (vgl. Manss und Kirchgeorg 2017). Electronic Word-of-Mouth und User-Generated Content Word-of-Mouth (WoM) ist eine der ältesten und wichtigsten Kommunikationsformen zwischen Konsumenten (vgl. Abschn. 1.3) und gewinnt im Zeitalter der Digitalisierung in Form von Electronic-Word-of-Mouth (eWoM) zunehmend an Bedeutung. Die Unterschiede zwischen WoM und eWoM gehen einher mit den Eigenschaften des Internets. Bezogen auf eWoM lassen sich die höhere Reichweite und Geschwindigkeit der Verbreitung, die einfachere Verfügbarkeit sowie die bessere Messbarkeit nennen (vgl. Cheung und Thadani 2010, S. 330). Insbesondere die Reichweite von eWoM ist beispiellos. Nachfrager haben nun Zugang zu Informationen, die für sie vorher nicht verfügbar waren. Sie sind nun fähig, kontinuierlich Informationen zu generieren und ebenso solche zu konsumieren. Vor Zeiten des Internets konnte ein Großteil der Informationen über Leistungen von den Unternehmen selbst kontrolliert werden. In der heutigen Zeit tauschen Nachfrager Erfahrungen über Leistungen für alle Marktteilnehmer transparent aus und sprechen explizite Empfehlungen aus (vgl. Goswami 2016, S. 225; Tabbane und Debabi 2016, S. 2 ff.).
I Electronic Word-of-Mouth Electronic Word-of-Mouth (e-Word-of-Mouth/
eWoM) ist jede positive oder negative Aussage eines Nachfragers über eine materielle bzw. immaterielle Leistung oder einen Anbieter, die einer großen Anzahl an anderen Nachfragern über das Internet verfügbar gemacht wird (vgl. Hennig-Thurau et al. 2004, S. 39).
eWoM kann als Teil der Earned Media betrachtet werden und kann auf mehreren Plattformen im Internet vorkommen. Litvin, Goldsmith und Pan (2008) klassifizieren hier anhand der Interaktionsstufe und Richtung der Kommunikation. So kann eWoM bei-
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
spielsweise in Form von Blog-Beiträgen oder Beiträgen in Social Media (Many-to-Many Kommunikation), auf Websites oder in Form einer Online-Rezension auf z. B. Amazon (One-to-Many Kommunikation) oder auch in Form von E-Mails (One-to-One Kommunikation) generiert werden. eWoM hat einen starken Einfluss auf das Kaufverhalten, insbesondere seit der steigenden Nutzung von Social Media. Nachfrager beeinflussen einander, indem sie ihre Erfahrungen über eine Leistung miteinander teilen und Empfehlungen aussprechen (vgl. Tabbane und Debabi 2016, S. 2 ff.). Eng mit dem eWoM verbunden ist User Generated Content (UGC). Während eWoM, analog zu WoM (vgl. Abschn. 1.3), als Teil der interpersonalen Kommunikation definiert werden kann, bezeichnet UGC den selbst produzierten Inhalt eines Nachfragers, z. B. ein selbst produziertes Video oder eine selbst geschriebene Rezension (vgl. Tuten und Solomon 2015, S. 13; Abschn. 4.3 in Kap. 8). Eine Folge der Digitalisierung ist, dass Konsumenten selbst zu Produzenten von Content im Internet werden können, den sie durch die Kommunikationsform eWoM verbreiten. Es konnte bereits empirisch belegt werden, dass Online-Rezensionen die Kaufwahrscheinlichkeit eines Produktes, die Einstellung gegenüber einer Marke sowie auch die spätere Weiterempfehlungswahrscheinlichkeit der Nachfrager beeinflussen (vgl. Purnawirawan et al. 2015, S. 18). Wie eWoM auf das Kaufverhalten wirkt, hängt mitunter von den Inhalten des UGC ab. Insbesondere die Valenz der Botschaft, d. h. ob beispielsweise eine Rezension positiv, neutral oder negativ geschrieben ist, ist ausschlaggebend dafür, wie stark das Kaufverhalten davon beeinflusst wird. Baker, Donthu und Kumar (2016, S. 227) fanden heraus, dass erstens eine starke Valenz, d. h. eine klare positive oder negative Botschaft, einen stärkeren Effekt auf die Kaufentscheidung hat, als eine Botschaft, die neutral geschrieben ist oder einen Mix aus positiven und negativen Elementen enthält. Zweitens geht die Kaufintention eines Konsumenten mit der Richtung der Valenz einher, d. h. eine negative Botschaft wird die Kaufwahrscheinlichkeit verringern, während eine positive Botschaft diese erhöht. Chevalier und Mayzlin (2006, S. 346) kommen ebenso zu diesem Ergebnis und können zusätzlich empirisch belegen, dass der absolute Effekt größer für negative als für positive Rezensionen ist. Negatives eWoM stellt Unternehmen vor eine besondere Herausforderung. Am Beispiel der Hotelindustrie untersuchte Nee (2016), wie mit negativen Online-Rezensionen auf Online-Bewertungsplattformen seitens der Unternehmen umgegangen werden kann. Es zeigte sich, dass Anbieter etwaige negative Nachfragerreaktionen abschwächen können, wenn sie auf die negativen Rezensionen antworten (vgl. Management-Antworten in Abschn. 4 in Kap. 8). Um den größten Effekt zu erzielen, sollte die Antwort neben einer Begründung für die negativ beurteilte Leistung noch eine monetäre Kompensation enthalten. eWoM kann insbesondere auch auf die digitale Customer Journey bezogen werden. Durch positiven eWoM kann ein Nachfrager auf ein Produkt aufmerksam werden und so kann es in das persönliche Consideration-Set zur weiteren Evaluation gelangen. Ist ein Nachfrager, nachdem er das Produkt erworben hat, zufrieden mit diesem, kann er zum
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einen zum loyalen Nachfrager werden und zum anderen seine Zufriedenheit mit anderen Nachfragern teilen, was sich wiederum positiv auf die Kaufentscheidung von potenziellen Käufern auswirken kann (vgl. Abschn. 1.3).
2.3 Generationscharakteristika Jeder Generation einer Bevölkerung können bestimmte Charaktereigenschaften zugeschrieben werden. So ist die Stärke der Ausprägung des in Abschn. 2.2 und 2.2.3 beschriebenen veränderten Nachfragerverhaltens auch von der Generation abhängig. Im Vergleich zu einer Geburtskohorte, die alle Personen umfasst, die in einem Kalenderjahr geboren wurden, erstreckt sich eine Generation über mehrere aufeinanderfolgende Geburtskohorten. Generationen können bestimmte Charaktereigenschaften zugeschrieben werden, da sie historische Großereignisse zusammen erlebt haben und sie dadurch in einer ähnlich Weise geprägt sowie sozialisiert wurden (vgl. Pfeil 2017, S. 6 f.). Tab. 3 zeigt zunächst eine Klassifizierung nach Geburtsjahrkohorten. Dabei ist zu beachten, dass in der Literatur die Kohorten nicht konsistent sind. Die Zuordnung und Zeitspanne der Geburtsjahre unterscheiden sich häufig zwischen den verschiedenen Quellen. Als Digital Immigrants werden die Generationen bezeichnet, die vor 1981 geboren worden sind. Sie sind erst im erwachsenden Alter mit der digitalen Welt in Berührung gekommen und müssen lernen, diese zu adaptieren. Prensky (2001, S. 2) postuliert, dass diese Generationen zu einem gewissen Grad „ihren Fuß in der Vergangenheit“ behalten werden. Bemerkbar macht sich dieses dadurch, dass sie das Internet hauptsächlich zu Informationszwecken nutzen und weniger als die anderen Generationen auf Social MediaPlattformen vertreten sind. Generell sind diese im Umgang mit neuen Technologien eher unsicher und skeptisch. Insbesondere für die Baby-Boomer-Generation war die rasante Verbreitung des Fernsehens ab den 50er Jahren technologisch prägend, da es den Hörfunk als Informationsmedium ablöste. Anders als jüngere Generationen kann man den Digital Immigrants eine eigenverantwortliche Lebensweise mit einer starken Wettbewerbsorientierung zuschreiben (vgl. Pfeil 2017, S. 65 ff.). Werte das „Habens“ sind entsprechend wichtig für diese Generation. So lässt sich schlussfolgern, dass beispielsweise SharingAngebote (vgl. Abschn. 2.2) von dieser Generation weniger angenommen werden.
Tab. 3 Kategorisierung der Generationen (Quelle: In Anlehnung an Brosdahl und Carpenter 2011; Bolton et al. 2013; Scholz 2014) Digital Immigrants
Digital Natives
Generation Silent Generation
Geburtsjahr 1925–1945
Baby Boomers
1946–1960
Generation X Generation Y
1961–1981 1981–1999
Generation Z
Ab 2000
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
Die Generation Y, auch häufig als Millennials bezeichnet, sind im Gegensatz zu älteren Generationen Digital Natives und somit die erste Generation, die ein Großteil ihres Leben in einer digitalen Umwelt verbracht hat. Technologisch prägend war insbesondere die flächendeckende Verbreitung von Computern für den privaten Gebrauch und die zunehmende Bedeutung mobiler Endgeräte. Für die Generation Y ist das Internet ein mittlerweile etabliertes Informations- und Kommunikationsmittel, auf das in stark zunehmenden Maße auch mobil zugegriffen wird. Millennials gelten als hoch kommunikativ und nehmen aktiv am digitalen Geschehen teil (vgl. Pfeil 2017, S. 69). Insbesondere auf Social Media-Plattformen sind sie verstärkt vertreten und teilen, suchen und konsumieren dort Content (vgl. Bolton et al. 2013, S. 245 f.). Des Weiteren schreiben sie aktiv Rezensionen, wodurch ihr eWoM sehr beeinflussend ist (vgl. Smith 2012, S. 91). Aus diesem Grund wird die Generation Y teilweise auch als „Internetgeneration“ bezeichnet. Ihr wird eine hohe Kompetenz sowie ein intuitiver Umgang mit modernen Medien und eine umfassende Informationsbeschaffungskompetenz zugeschrieben (vgl. Pfeil 2017, S. 69). So kann geschlussfolgert werden, dass insbesondere diese Generation anfällig für Research Shopping-Aktivitäten ist. Smith (2012, S. 91) postuliert des Weiteren, dass die Generation Y nach postmaterialistischen Werten lebt sowie ein hohes Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein aufweist und insbesondere von Unternehmen erwartet, diese Werte ebenso zu verkörpern. Diese Generation kann als ferner Vorbote für zukünftiges Verhalten von Nachfragern gesehen werden und ist damit in der Wissenschaft und Praxis von besonderem Interesse (vgl. Bolton et al. 2013, S. 246). Die sehr junge Generation Z wird in der Literatur als hochgradig anspruchsvoll und zynisch beschrieben. Sie ist der Generation Y in Bezug auf das Konsumverhalten sehr ähnlich. Vertreter der Generation Z machen jedoch die digitale Welt stärker zu ihrem Milieu, ihrer Domäne, in der sie persönliche Beziehungen entwickeln, pflegen und neue Dinge erlernen. Sie haben im Vergleich zu anderen Generationen früh gelernt, mit Informationsüberschüssen umzugehen und sind hochgradig multi-task-fähig. Haben Millennials bereits schon eine hohe Informationsbeschaffungskompetenz, so wird der Generation Z zusätzlich nachgesagt, bei der Informationsbeschaffung sehr schnell zwischen verschiedenen Endgeräten und Kanälen zu wechseln – online sowie offline (vgl. Spero und Stone 2004, S. 153 ff.). Schlussfolgernd ist eine positiv wahrgenommene Customer Experience entlang aller Touchpoints der Customer Journey speziell für diese Generation von besonderer Bedeutung. Im Bereich Social Media tritt die Generation Z eher als Ersteller oder Kollaborateur von neuem Content auf, während Millennials Kuration und Teilen von bereits bestehenden Content betreiben. So sind Vertreter der Generation Z häufiger als Influencer (vgl. Abschn. 4.3 in Kap. 8) und Verfasser von User-Generated Content (vgl. Abschn. 4.3 in Kap. 8) zu sehen. Bei der Erstellung von Content sowie auch bei der Kommunikation im Allgemeinen, neigt die Generation Z dazu, mit Bildern zu arbeiten, wohingegen die Generation Y eher auf konventionellen Text als Medium zurückgreift (vgl. Prakash und Rai 2017). Neben diesen speziellen Charaktereigenschaften, die jeder Generation zugeschrieben werden können, bleibt es für das Marketing zu beachten, dass auch ein demographischer
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Nachfragerverhalten im Wandel
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Wandel stattfindet. So werden die Digital Immigrants einen großen Anteil der Bevölkerung ausmachen, während die Digital Natives langsam heranwachsen (vgl. StBA 2015). Insbesondere den sog. Best Agern kommt besondere Bedeutung zu, da sie als Nachfragergruppe der Zukunft bezeichnet werden können. Die Abgrenzung von Best Agern ist in der Literatur nicht immer ganz einheitlich, i. d. R. werden jedoch Nachfrager ab dem 50. Lebensjahr als solche bezeichnet (vgl. Senf 2008, S. 17). Die Best Ager zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine deutlich höhere Kaufkraft haben als die restliche Bevölkerung. Dieses liegt meistens darin begründet, dass monatliche Belastungen wie abzuzahlende Kredite aber auch Unterstützung noch nicht berufstätiger Kinder, wegfallen. Des Weiteren legt diese Nachfragergruppe Wert auf leicht zu bedienende Produkte, was auch ein sog. Best Ager-Marketing notwendig macht (vgl. Senf 2008). Die Internetnutzung und somit das Online-Kaufverhalten ist mit steigendem Alter in dieser Generation abnehmend. Nutzen Best Ager das Internet, ist dies meistens ausschließlich zu Informationszwecken (vgl. Prensky 2001, S. 2).
Fragen zu Kapitel 2 1. 2. 3. 4. 5.
6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.
Welche Fragestellungen umfasst das „Paradigma des Kaufverhaltens“? Welche Grundtypen von Kaufentscheidungen lassen sich unterscheiden? Welche Arten von Käuferverhaltensmodellen können grundsätzlich unterschieden werden? Welche intrapersonalen Bestimmungsfaktoren des Kaufverhaltens können unterschieden werden? Was wird im Zusammenhang mit dem Konstrukt Wahrnehmung unter dem Bottom-up bzw. dem Top-down Prozess verstanden? Wodurch unterscheiden sich diese beiden Prozesse? Wie lässt sich das Konstrukt Aktiviertheit definieren und messen? Was ist unter der Lambda-Hypothese zu verstehen? Wodurch unterscheiden sich Aktiviertheit und Involvement? Warum ist es ratsam, zwischen Erklärungsansätzen von High-Involvement und Low-Involvement-Produkten zu unterscheiden? Was wird unter dem Anspruchsniveau verstanden? Wie lassen sich Emotionen definieren und welche Messverfahren sind für die Emotionsmessung geeignet? Welche Arten von Emotionen können unterschieden werden? Nennen Sie für die einzelnen Arten entsprechende Beispiele. Was ist unter Konditionierung im Rahmen der Lernforschung zu verstehen? Was ist unter dem 3-Speicher-Modell zu verstehen? Welche drei Speicherarten sind dabei zu unterscheiden?
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
15. Welcher Stellenwert kommt Motiven bei der Erklärung des Nachfragerverhaltens zu? 16. Welche verschiedenen Arten von Motiven liegen der Motivation zugrunde? 17. Erläutern Sie den Grundgedanken der Bedürfnishierarchie nach Maslow! 18. Wie wird das Konstrukt der Einstellung definiert? 19. Was ist unter der 3-Komponententheorie der Einstellung zu verstehen? 20. Erläutern Sie die Unterschiede zwischen den Einstellungsmodellen von Fishbein und Trommsdorff! 21. Welchen Einfluss hat die Über- und Untererfüllung der Erwartungen im Einstellungsmodell von Trommsdorff? 22. Inwieweit ist es wichtig, die Risikobereitschaft als käuferverhaltensrelevantes Konstrukt zu berücksichtigen? 23. Der Aufbau von Markenvertrauen wird vielfach als besonders wichtig angesehen. Wie ist das Konstrukt Vertrauen zu definieren? 24. Wie wird Zufriedenheit definiert und gemessen? Unterscheiden Sie zwischen merkmals-, ereignis- und problemorientierten Messverfahren! 25. Welchen Beitrag leisten persönliche Werte und der Life-Style zur Erklärung des Kaufverhaltens? 26. Welche Faktoren gehören zu den interpersonalen Bestimmungsfaktoren des Kaufverhaltens? 27. Welchen Einfluss haben soziale Gruppen auf das Kaufverhalten von Individuen? Verdeutlichen Sie Ihre Ausführungen anhand von familiären Kaufentscheidungen! 28. Worin liegen Unterschiede zwischen Totalmodellen und Partialmodellen? 29. Welchen Erkenntnisgewinn liefert das Totalmodell von Howard und Sheth im Vergleich zu Partialmodellen des Kaufverhaltens? 30. Was ist ein Strukturmodell im Vergleich zu einem Prozessmodell? 31. Welche Phasen kennzeichnen ein Prozessmodell zur Kaufentscheidung? 32. Wie verläuft die Alternativenauswahl in einem klassischen Trichtermodell zur Kaufentscheidung? 33. Warum ist das klassische Trichtermodell im Zeitalter der Digitalisierung nur noch bedingt anwendbar? 34. Wie lässt sich ein Kontaktpunkt (Touchpoint) definieren? 35. Welche drei Verallgemeinerungen können in der Customer Journey getroffen werden? 36. Wie lässt sich die Customer Experience definieren und wie hängt sie mit der Customer Journey zusammen? 37. Aus welchen Bereichen können Kontaktpunkte innerhalb der Customer Experience stammen?
Literatur
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38. Erklären Sie die Funktion einer abhängigen Variable (AV), einer unabhängigen Variable (UV), einer Mediatorvariable und eine Moderatorvariable innerhalb eines Partialmodells! 39. Welche Besonderheiten sind bei Kaufentscheidungen von Unternehmen im Vergleich zu Kaufentscheidungen von Nachfragern hervorzuheben? 40. Welche organisationalen Kaufverhaltensmodelle können unterschieden werden? 41. Wie hat der Wertewandel als Determinante das Konsumverhalten verändert? 42. Welche konkreten Ausprägungen des postmaterialistischen Konsumverhaltens gibt es? 43. Warum wird die Digitalisierung auch als vierte industrielle Revolution bezeichnet? Inwieweit spielt das Zusammenwirken verschiedener technologischer Entwicklungen hierbei eine Rolle? 44. Wie hat die Digitalisierung als Determinante das Konsumverhalten verändert? 45. Wie hat die Digitalisierung als Determinante das Kaufverhalten verändert? 46. Erklären Sie die Customer Journey und Customer Experience anhand eines Beispiels! 47. Erklären Sie das Research Shopping Verhalten! 48. Was bedeutet Showrooming bzw. Webrooming? 49. Definieren Sie electronic Word-of-Mouth (eWoM)! 50. Wie können Generationen klassifiziert werden und welche Eigenschaften können diesen zugeschrieben werden? 51. Was zeichnet sog. Best Ager aus?
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2 Verhaltensgrundlagen des Marketing
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3
Informationsgrundlagen des Marketing
Inhalt 1
2
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4
Marketingforschung als Grundlage des Marketingmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Marketingforschung im Zeitalter der Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Gegenstand und Funktionen der Marketingforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methoden der Informationsgewinnung in der Marketingforschung . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Aufgaben und Entscheidungsprobleme der Informationsgewinnung . . . . . . . . . . 2.2 Formen der Informationsgewinnung und Arten von Daten . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Informationsgewinnung durch Sekundärforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Methoden der Informationsgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Informationsgewinnung durch Primärforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Mess- und Auswahlverfahren der Informationsgewinnung . . . . . . . . . . . 2.4.2 Methoden der Informationsgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2.1 Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2.2 Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2.3 Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2.4 Spezialformen der Informationsgewinnung . . . . . . . . . . . . . Methoden der Informationsverarbeitung in der Marketingforschung . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Aufgaben und Entscheidungsprobleme der Informationsverarbeitung . . . . . . . . . 3.2 Methoden der Informationsverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Methoden zur Verarbeitung von strukturierten Daten mit dem Ziel der Strukturprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Methoden zur Verarbeitung von strukturierten Daten mit dem Ziel der Strukturentdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Methoden zur Verarbeitung von unstrukturierten Daten . . . . . . . . . . . . Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Absatzprognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Begriff und Gegenstand der Absatzprognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Quantitative Prognosemethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Qualitative Absatzprognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Marktsegmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Gegenstand, Ziele und Komponenten der Marktsegmentierung . . . . . . . .
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Meffert et al., Marketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-21196-7_3
169 169 173 178 178 179 181 181 184 187 187 191 191 193 197 198 201 201 203 204 206 208 209 209 209 210 213 214 214 165
166
3 4.2.2
Informationsgrundlagen des Marketing
Erfassung von Marktsegmenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.1 Abgrenzung des relevanten Marktes . . . . . . . . . 4.2.2.2 Kriterien zur Marktsegmentierung . . . . . . . . . . 4.2.2.3 Verfahren zur Identifikation von Marktsegmenten 4.2.3 Das Problem der optimalen Marktsegmentierung . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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217 217 221 240 241 245
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Informationsgrundlagen des Marketing
167
Aufgabe der Marketingforschung ist es, die Marktbedürfnisse zu analysieren und zu antizipieren, das konkrete Marktverhalten durch geeignete Methoden zu messen und es in einen Zusammenhang mit den eingesetzten Marketinginstrumenten zu bringen (vgl. Abb. 1). Die Durchführung eines Marketingforschungsprojektes kann als ein systematischer Prozess mit den folgenden Phasen beschrieben werden: Problemdefinition, Informationsgewinnung, Informationsverarbeitung und Kommunikation der Ergebnisse. Während der Schwerpunkt der Marketingforschung lange Zeit auf der Erhebung und Auswer-
Informationsgrundlagen des Marketing
I. Markttransaktionen
⎧ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩
Competence-Based View
Market-Based View
Anbieter
Nachfrager
II. Entscheidungsprozesse Kaufentscheidungen von Marketingentscheidungen von Nachfragern Anbietern Marktinformationen
Situationsanalyse
Bedürfnisse
Marketingziele
Alternativenbewertung
Marketingstrategie
Kaufpräferenz
Marketinginstrumente
Kaufdurchführung
Marketingimplementierung
Nachfragerzufriedenheit
Marketingcontrolling
III. Wertebene
Kunden- und Markenwert
Stakeholder Value
Unternehmenswert
Abb. 1 Einordnung der Marketingforschung in die Struktur des Lehrbuches
168
3
Informationsgrundlagen des Marketing
tung von originären Daten lag (sog. Primärforschung), hat vor allem die Digitalisierung zu einem Bedeutungszuwachs der Informationsgewinnung und -verarbeitung von bereits vorhandenem Datenmaterial (sog. Sekundärforschung) geführt. Aus diesem Entwicklungsprozess sind einerseits zahlreiche neue Datenquellen für die Marketingforschung hervorgegangen (z. B. Online-Bewertungsplattformen, Websites oder soziale Netzwerke), andererseits aber auch neue Arten von Daten (z. B. Online-Rezensionen oder ClickstreamDaten), die ihrerseits zu neuen Auswertungsmethoden in der Marketingforschung geführt haben (z. B. Data-Science-Methoden). In dieser Hinsicht hat sich die Marketingforschung auf der Ebene der Informationsgewinnung und auf der Ebene der Informationsverarbeitung weiterentwickelt. In Abschn. 1 werden diese Weiterentwicklungen zunächst näher erläutert, um daraus ein Verständnis für die Marketingforschung im Zeitalter der Digitalisierung abzuleiten. Auf dieser Grundlage werden die Funktionen sowie die einzelnen Prozessschritte der Marketingforschung einleitend vorgestellt. Abschn. 2 stellt anschließend die Methoden der Informationsgewinnung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei wird in die Aufgaben und Entscheidungsprobleme der Informationsgewinnung eingeführt sowie die Formen der Primär- und Sekundärerhebung vorgestellt. Da die jeweiligen Erhebungsformen, je nach Ausgestaltung, unterschiedliche Arten von Daten hervorbringen können (was wiederum Auswirkungen auf die Auswahl der Auswertungsmethodik im nachfolgenden Schritt haben kann), werden anschließend verschiedene Datenarten voneinander abgegrenzt (z. B. strukturierte versus unstrukturierte Daten). Darauf aufbauend werden die Instrumente der Informationsgewinnung vorgestellt, jeweils getrennt nach der Erhebungsform. Im Kontext der Sekundärerhebung werden zunächst verschiedene Arten von internen und externen Informationsquellen dargestellt sowie anschließend verschiedene Such- und Erhebungsmöglichkeiten aufgezeigt. Im Zusammenhang mit der Primärerhebung wird insbesondere auf die Instrumente „Beobachtungen“, „Befragungen“ und „Experimente“ sowie auf ausgewählte Spezialerhebungsformen eingegangen. Abschn. 3 stellt die Methoden der Informationsverarbeitung in der Marketingforschung in den Vordergrund. Hierbei werden zunächst Methoden zur Auswertung von strukturierten Daten mit dem Ziel der Strukturprüfung vorgestellt. Darunter fallen bspw. die Regressionsanalyse, Varianzanalyse oder Strukturgleichungsmodelle. Des Weiteren werden Methoden zur Auswertung von strukturierten Daten mit dem Ziel der Strukturentdeckung erläutert. Darunter fallen bspw. die Faktorenanalyse, Clusteranalyse, multidimensionale Skalierung (MDS) sowie Methoden aus dem Bereich Data Science. Darüber hinaus wird auf Methoden zur Auswertung von unstrukturierten Daten, insbesondere auf das Text Mining, eingegangen. Abschn. 4 thematisiert Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements. Für die Fundierung von Marketingentscheidungen sind Kenntnisse über das zukünftige Verhalten von Marktteilnehmern von zentraler Bedeutung. Insbesondere der Zusammenhang zwischen den von Unternehmen geplanten Marketinginstrumenten und dem dadurch bewirkten Kauf- oder Nichtkaufverhalten ist von großem Interesse. Hierauf nehmen Absatzprognosen Bezug, die in diesem Kapitel erläutert werden. Darüber
1
Marketingforschung als Grundlage des Marketingmanagements
169
hinaus wird die Marktsegmentierung als spezifisches Problem des Marketingmanagements vorgestellt. Hierbei geht es darum, die aktuellen und potenziellen Kunden im Gesamtmarkt in homogene Teilmärkte aufzuteilen. Im Gegensatz zum undifferenzierten Angebot für den Massenmarkt soll durch ein segmentbezogenes Angebot ein höheres Maß an Bedürfnisbefriedigung beim Nachfrager und auf diese Weise ein größerer Markterfolg für den Anbieter erzielt werden. Die Ziele, Anforderungen und Vorgehensweisen zur Marktsegmentierung werden in diesem Kapitel erläutert.
1 Marketingforschung als Grundlage des Marketingmanagements 1.1 Marketingforschung im Zeitalter der Digitalisierung Seit den ersten Ansätzen einer systematischen Auswertung von Informationen über Marketingsituationen eines Unternehmens, die angefangen mit dem Manager Charles Coolidge Parlin der Curtis Publishing Company bis in das Jahr 1911 zurückreichen (vgl. Bartels 1988, S. 125; Wedel und Kannan 2016), hat sich die Marketingforschung zunächst langsam, später jedoch umso schneller weiterentwickelt. Abb. 2 fasst die wesentlichen Entwicklungsschritte zusammen. Dabei lassen sich sowohl Weiterentwicklungen auf der Ebene der Informationsgewinnung als auch auf der Ebene der Informationsverarbeitung konstatieren. Im Rahmen der Informationsgewinnung lag der Fokus lange Zeit ausschließlich auf der Gewinnung von Daten mittels verschiedener Erhebungsverfahren, sog. Primärerhebungen. Besonders beliebt war hierbei das Verfahren der mündlichen Befragung (vgl. Abschn. 2.4.2.2). Im Zuge der weiteren Entwicklung der Marketingforschung haben sich jedoch auch andere Formen der Primärerhebung etabliert, wie etwa Beobachtungen, Experimente sowie
Standortdaten Internetdaten CRM-Daten Paneldaten Scannerdaten Transaktionsdaten Informationsgewinnung Small Data 1900 Informationsverarbeitung
Daten aus Befragungen, Beobachtungen und Experimenten 1925
1950
1975
2000
2025
Uni- und multivariate statistische Methoden Ökonometrische Methoden Data Science
Abb. 2 Entwicklung der Marketingforschung
Big Data
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3
Informationsgrundlagen des Marketing
andere Kommunikationsformen der Befragung (vgl. Wedel und Kannan 2016, S. 98 f.; White 1931). Im Jahr 2016 gehörte z. B. die telefonische Befragung mit 36 % zu der am häufigsten eingesetzten Befragungsform der Marktforschungsinstitute in Deutschland (vgl. Statista 2017). Die verschiedenen Erhebungsformen haben sich dabei auch in methodischer Hinsicht weiterentwickelt. Zum Beispiel wurden Maßnahmen zur Verminderung von Reaktivität (Verzerrungen durch das Wissen der Befragten, Teil einer Untersuchung zu sein), zur Verringerung von Interviewer-Effekten (Verzerrungen durch die bloße Präsenz des Interviewers) oder sozialer Erwünschtheit (Versuch der Befragten, im Sinne des Fragenden zu antworten) erarbeitet (vgl. Abschn. 2.4.2.2). Zudem werden fortlaufend Konzeptualisierungs- und Operationalisierungsvorschläge zur Erfassung und Messung nicht beobachtbarer Variablen (sog. hypothetischer Konstrukte) entwickelt (vgl. Abschn. 2.4.1), wie etwa für das Konstrukt Consumer Brand Engagement (vgl. Hollebeek et al. 2014). Ab Mitte des 20. Jahrhunderts erweiterten sich schließlich die Möglichkeiten der Informationsgewinnung schrittweise um verschiedene Ansätze der sog. Sekundärerhebung, der Beschaffung von anderweitig bereits vorhandenen Daten. Dabei lag der Fokus zunächst auf der Informationsgewinnung aus erfassten Kundentransaktionen. Während die Erfassung anfänglich noch manuell verlief, haben die Entwicklung des Strichcodes (Universal Product Code) und der Scannerkassentechnologie zu einer elektronischen und damit systematischen Verkaufsdatenerfassung geführt (vgl. Wedel und Kannan 2016, S. 98 f). In Verbindung mit Kundenkarten konnten die so erfassten Scannerdaten zusätzlich einzelnen Nachfragern zugeordnet werden, woraus schließlich verschiedene Formen von Paneldaten entstanden sind. Paneldaten können einerseits intern vorliegen, z. B. wenn ein Unternehmen ein eigenes Kundenkartenprogramm betreibt, andererseits aber auch von externen Quellen bezogen werden, z. B. als Verbraucherpanel eines Marktforschungsinstituts. Mit dem Hinwenden zu Themen des Beziehungsmanagements und dem damit verbundenen Einsatz von CRM-Systemen in Unternehmen hat sich in den 1990er Jahren eine weitere Datenquelle für die Marketingforschung eröffnet. CRM-Daten können unterschiedlich umfangreich wie komplex ausfallen. Typischerweise enthalten CRMSysteme eine operative Kundendatenbank, in der verschiedene Informationen zu realisierten Kundenkontakten abgelegt werden (z. B. gekaufte Produkte, Beschwerden im CallCenter), und eine analytische Kundendatenbank mit betriebswirtschaftlich relevanten Kennzahlen (z. B. Umsatz, Absatz, Deckungsbeitrag). Je nach Spezifikation des Systems lassen sich aus den abgelegten Daten noch zusätzlich verschiedene CRM-Kennzahlen ableiten (z. B. Kündigungswahrscheinlichkeit, „Next Product To Buy“, Kundenwert). Während die beschriebenen Entwicklungen die für die Informationsgewinnung potenziell relevanten Datenquellen zwar substanziell, jedoch eher allmählich erweitert haben, hat die Digitalisierung zu einem nahezu lawinenartigen Anstieg von neuen und z. T. sehr unterschiedlichen Datenquellen geführt. Die zugrunde liegenden digitalen Medien und Technologien führen dazu, dass Daten ohne großen Aufwand in großen Mengen erhoben, gespeichert und über das Internet verfügbar gemacht werden (Internet-Daten). So werden z. B. beim Besuch einer Website automatisch Protokolldateien (sog. Logfiles) erstellt und
1
Marketingforschung als Grundlage des Marketingmanagements
171
gespeichert, aus denen (je nach Art, Inhalt und Umfang der Aufzeichnungen) verschiedene Informationen abgeleitet werden können. Darüber hinaus erzeugen auch Nachfrager freiwillig eigene Daten und stellen diese über die diversen Social-Media-Plattformen öffentlich zur Verfügung, z. B. in Form von Online-Rezensionen auf Bewertungsplattformen oder Einträgen in Online-Communitys (vgl. User Generated Content in Abschn. 2.2 in Kap. 2 und Abschn. 4.3 in Kap. 8). Auch diese Daten bzw. Datenquellen können wertvolle Informationen für die Marketingforschung liefern. Ferner können Unternehmen auch potenziell auf Standortdaten von Smartphone-Besitzern zugreifen. Wenngleich die technischen Rahmenbedingungen (Standort-Lokalisierung per GPS) schon seit geraumer Zeit gegeben sind, verhalten sich Nachfrager bisweilen eher zurückhaltend, was die Freigabe ihrer Standortdaten betrifft. Aus diesem Grund ist der Einsatz von Standortdaten für die Marketingforschung aktuell eher als ein potenzielles Zukunftsthema zu sehen. Insgesamt kann die Marketingforschung somit auf zahlreiche Formen und Quellen der Informationsgewinnung zurückgreifen, die deutlich über die Möglichkeiten einer reinen Primärerhebung hinausgehen. Allerdings sind die zugrunde liegenden Daten im Zuge dieser Entwicklungen auch zunehmend komplexer geworden. In jüngster Zeit hat sich für das Phänomen der stetig komplexer werdenden Datensätzen die Bezeichnung Big Data etabliert, wobei sich das Attribut „Big“ auf die vier Dimensionen Volume, Velocity, Variety und Veracity bezieht (vgl. Buhl et al. 2013). Volume beschreibt das Datenvolumen. So weist ein Datensatz mit Scannerdaten eines Handelsunternehmens i. d. R. einen größeren Umfang auf als ein Datensatz mit Antworten aus einer schriftlichen Befragung. Velocity steht für die Geschwindigkeit, mit der die Datenmengen generiert und übermittelt werden. So produzieren Nachfrager im Kontext der sozialen Medien quasi unentwegt eigene Inhalte und damit stetig neue Daten, die für ein Marketingforschungsprojekt potenziell relevant sind. Variety bezieht sich hingegen auf die Bandbreite der Datentypen und -quellen. Während die Daten aus einer standardisierten Befragung i. d. R. eine klare Struktur aufweisen (d. h. sie sind Messwerte von vorab definierten Variablen), sind nutzergenerierte Daten in sozialen Netzwerken oftmals sehr unstrukturiert. Zum Beispiel liegen Online-Bewertungen von Nutzern als Texte vor, die typischerweise keiner klaren Struktur unterliegen. Veracity steht für die Unsicherheit von Daten bzw. die Tatsache, dass gerade große Daten auf vielfältige Weise fehlerhaft sein können. Zum Beispiel werden Webseitenaufrufe, die über den Arbeitsspeicher eines PCs geladen werden, nicht in Logfiles erfasst. Daher gibt das Protokoll das wahre Surfverhalten eines Nutzers entsprechend fehlerhaft wieder. Ebenso kann ein Datensatz mit Nutzerkonversationen zu einem bestimmten Thema in einem sozialen Netzwerk aufgrund einer unzureichend präzise formulierten Suchanfrage fälschlicherweise kommerzielle Unternehmensbeitrage zu diesem Thema enthalten. Auch auf der Ebene der Informationsverarbeitung hat sich die Marketingforschung weiterentwickelt. Da sich die Auswahl der Auswertungsverfahren mitunter aus den vorliegenden Daten ergibt, lag der Fokus – quasi spiegelbildlich zur Entwicklung der Informationsgewinnung – anfänglich auf einer Gruppe von Auswertungsverfahren, den uni- und multivariaten statistischen Methoden. Dazu zählen bspw. die einfache und multiple Regressionsanalyse, die Varianzanalyse, die Diskriminanzanalyse, die Faktorenanalyse,
172
3
Informationsgrundlagen des Marketing
die Clusteranalyse, die multidimensionale Skalierung sowie die Strukturgleichungsmodellierung (vgl. Abschn. 3.2.1). Die Verfahren eignen sich vornehmlich, wenn auch nicht ausschließlich, für die Analyse von sog. Querschnittsdaten (d. h. Daten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt an verschiedenen Untersuchungsobjekten erhoben werden). Querschnittsdaten resultieren z. B. aus den meisten Primärerhebungen. Aufgrund ihres großen Anwendungsspektrums stellen uni- und multivariate statistische Verfahren bis heute die bedeutsamste Gruppe von Auswertungsverfahren für die Marketingforschung dar. Dennoch eignen sie sich nur eingeschränkt für die Analyse von Längsschnitt- oder Paneldaten (d. h. Daten, die zu mehreren Zeitpunkten an einem oder mehreren Untersuchungsobjekten erhoben werden) oder komplexen Wirkungsbeziehungen. Derartige Datenstrukturen treten bspw. im Zusammenhang mit Scanner-, Panel- oder auch CRM-Daten auf. Um den spezifischen Anforderungen an diese Daten gerecht zu werden, haben ab den 1960er Jahren diverse Methoden aus der Ökonometrie Einzug in die Marketingforschung erhalten (vgl. Hanssens 2014, S. 99) – von einfachen Zeitreihenmodellen bis hin zu komplexen ökonometrischen Modellen. Schließlich hat sich mit Aufkommen von Big Data das Anforderungsprofil an die Auswertungsmethodik noch einmal erweitert. Die zentralen Anforderungen liegen nunmehr in den vier Big-Data-Dimensionen. Zum Beispiel werden Methoden benötigt, die Informationen aus besonders großen Datensätzen ziehen können (Volume). Andererseits sind Methoden erforderlich, die den Umgang mit unstrukturierten Daten ermöglichen, wie z. B. mit extrahierten Texten aus Online-Rezensionen (Variety). Die meisten dieser Methoden lassen sich dem Bereich Data Science zuordnen. Data Science kann als wissenschaftliche Disziplin an der Schnittstelle von Statistik und Informatik verstanden werden. Data-Science-Verfahren basieren auf Algorithmen der Informatik, mit denen Strukturen in Daten erkannt oder Prognosen getroffen werden sollen. Dieses algorithmische Vorgehen wird gemeinhin auch als „Machine Learning“ bezeichnet (vgl. Kauermann und Küchenhoff 2016, S. 143). Beispielhafte Verfahren aus dem Bereich Data Science, die zunehmend Anwendung in der Marketingforschung finden, sind Künstliche Neuronale Netze, Entscheidungsbäume sowie Text-Mining-Ansätze. Die Marketingforschung im Zeitalter der Digitalisierung ist somit gekennzeichnet durch vielfältige Methoden der Informationsgewinnung und -verarbeitung. Während der Schwerpunkt lange Zeit auf Methoden der Primärforschung lag, gewinnt die Sekundärforschung zunehmend an Bedeutung. Es gilt jedoch nach wie vor, dass die Auswahl des Forschungsansatzes unter Abwägung von Kosten und Nutzen zu erfolgen hat. Oftmals bietet es sich auch an, die beiden Ansätze miteinander zu kombinieren. Das kann zwar auch die Kombination von Primär- und Sekundärdaten in einem Modell sein (vgl. Srinivasan et al. 2010), viel häufiger ist dies jedoch eine sinnvolle Kombination von Evidenz aus Primär- und Sekundärdatenquellen (vgl. Eisenbeiss et al. 2015; Kauermann und Küchenhoff 2016, S. 148).
1
Marketingforschung als Grundlage des Marketingmanagements
1.2
173
Gegenstand und Funktionen der Marketingforschung
Die Marketingforschung stellt die wesentlichen unternehmensexternen und -internen Informationsgrundlagen für das Marketingmanagement bereit.
I Marketingforschung Marketingforschung umfasst die Gewinnung, Auswer-
tung und Interpretation von Informationen über gegenwärtige und zukünftige Marketingsituationen und Entscheidungen eines Unternehmens (vgl. Meffert 1980, 1992; Bruhn 2016).
Informationen über die Marketingsituation umfassen sowohl Inhalte über die Marktsituation und die Entwicklung der Makroumwelt, die auch die relevanten Stakeholder mit einbezieht, als auch über die unternehmensinterne Situation. Zu den typischen Untersuchungsbereichen der Marketingforschung zählen: Marktentwicklung Analyse und Prognose des Marktpotenzials und Marktvolumens unter Berücksichtigung von Einflussfaktoren der Makroumwelt. Marktteilnehmerverhalten Die Analyse des aktuellen und zukünftigen Verhaltens der Marktteilnehmer stellt einen der wichtigsten Bereiche der Marketingforschung dar. Auf der Grundlage von Käuferverhaltenstheorien werden Modelle zur Analyse und Erklärung des Nachfragerverhaltens für die Forschung bereitgestellt. Neben den Nachfragern beschäftigt sich die Handels- und Konkurrenzforschung mit weiteren Informationsgrundlagen relevanter Marktteilnehmer. Auch erfolgskritische Stakeholdergruppen gehören nach dem modernen Marketingverständnis zum Untersuchungsbereich der Marketingforschung. Marktreaktionsfunktionen für Marketinginstrumente Durch Marktreaktionsfunktionen wird ermittelt, welche Wirkung der Einsatz von Marketinginstrumenten (Produkt, Preis, Distribution, Kommunikation) hat. Aus den Informationen zur Wirkung der einzelnen Marketinginstrumente lassen sich z. B. wichtige Hinweise für die Verbesserung der Effizienz des eingesetzten Marketingbudgets ableiten. Unternehmensbezogene Marketingfaktoren Die Marketingforschung hat auch innerhalb des Unternehmens marketingrelevante Informationen (z. B. Absatzvolumen, Marktanteil, Marketingbudget, Vertriebskosten, Deckungsbeitrag, Customer Lifetime Value) zu erfassen und aufzubereiten. Vielfach wird in der Unternehmenspraxis anstelle von Marketingforschung der Begriff „Marktforschung“ verwendet. Dieser zielt auf den Markt als Bezugspunkt für die Informationsgewinnung ab.
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Informationsgrundlagen des Marketing
I Marktforschung Marktforschung ist die systematisch betriebene Erforschung
(Gewinnung, Aufbereitung, Interpretation) der Absatz- und Beschaffungsmärkte eines Unternehmens (vgl. Meffert 1980; Böhler 2004; Bruhn 2016).
Marketingforschung ist somit umfassender angelegt, da sie die gesamten externen und internen Informationsprobleme zum Gegenstand hat, die zur Gestaltung von Marktbeziehungen eines Unternehmens zu lösen sind. Die Marketingforschung übernimmt im Rahmen des Marketingmanagements die in Tab. 1 dargestellten Funktionen (vgl. Schäfer und Knoblich 1978; Rogge 1992; Barabba und Zaltman 1991; Meffert 1992; Shao 2006; Hammann und Erichson 2006). Die Funktionen der Marketingforschung unterstreichen, wie wichtig die Schaffung und Pflege von Marketingwissen zur Fundierung von Marketingentscheidungen sowie für die Ausgestaltung des Marketingcontrollings ist (vgl. Tab. 1). Erfüllt die Marketingforschung diese Funktionen, so wird sie auch als „Marketing-Intelligence“ (Diller et al. 2011, S. 152) bezeichnet. Gerade die Intelligenzverstärker- und die Strukturierungsfunktion betonen das systematische und theoriegeleitete Vorgehen in der Marketingforschung. In diesem Zusammenhang ist auf die Bedeutung der Marketingtheorie hinzuweisen. Aufgabe der Marketingtheorie ist die Bereitstellung leistungsfähiger Hypothesen und die Bildung von Markt- bzw. Verhaltensmodellen z. B. über das Kaufverhalten. Die Darstellung die-
Tab. 1 Funktionen der Marketingforschung Funktion Selektionsfunktion
Frühwarnfunktion Innovationsfunktion Strukturierungsfunktion
Unsicherheitsreduktionsfunktion Kontrollfunktion Intelligenzverstärkerfunktion
Bedeutung Sie sorgt dafür, dass aus der Informationsflut die für die marketingbezogenen Ziel-, Strategie- und Maßnahmenentscheidungen relevanten Informationen selektiert und aufbereitet werden Sie sorgt dafür, dass Risiken frühzeitig erkannt und abgeschätzt werden können Sie trägt dazu bei, dass Chancen aufgedeckt, antizipiert und genutzt werden können Sie fördert das Verständnis für die strukturierte und theoriegeleitete Gewinnung, Analyse und Interpretation von Informationen sowie die daraus abzuleitenden Ziel-, Strategie- und Maßnahmenempfehlungen Sie trägt in der Phase der Entscheidungsfindung zur Präzisierung und Objektivierung der Sachverhalte bei Sie erforscht die Ursachen des Erfolgs bzw. Misserfolgs von Marketingentscheidungen Sie trägt im willensbildenden Prozess zur Unterstützung des Marketingentscheiders bei
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Marketingforschung als Grundlage des Marketingmanagements
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Marketingtheorie Markt- bzw. Verhaltensmodelle
Hy po b il t h e s du n e
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Marketingentscheidungen
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Informationsbedarf Marketingforschung Marketingmanagement
Aktionsprogramme
Informationsprogramme
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Informationsversorgung
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b k t kt ar M M ar Marktverhalten Reale Marketingsysteme
Abb. 3 Zusammenhang zwischen Marketingtheorie, Marketingentscheidung, Marketingforschung und Marktverhalten (Quelle: Meffert 1992, S. 8)
ses Zusammenhangs erfolgt durch Marktreaktionsfunktionen (vgl. Steffenhagen 1978; Balderjahn 1993). Bei Marketingentscheidungen steht die Hypothesenbildung, bei der Marketingforschung hingegen die Hypothesenprüfung im Vordergrund. Das Zusammenspiel von Marktverhalten, Marketingentscheidungen, Marketingforschung und Marketingtheorie wird in Abb. 3 deutlich. Beispiel
Der in Abb. 3 dargestellte Zusammenhang zwischen den Bereichen soll am Beispiel eines Handyherstellers beleuchtet werden. Im Rahmen einer Marktforschungsstudie wurde ermittelt, dass der Absatz der eigenen Handymarke in Deutschland langfristig zurückgehen wird (Frühwarnfunktion). Als Ursache dieser Entwicklung konnte durch
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Informationsgrundlagen des Marketing
Befragungen erhoben werden, dass sich zukünftig eine verstärkte Nachfrage nach Handys mit hochauflösenden Touchscreens ergeben wird, die im derzeitigen Portfolio des Unternehmens nicht enthalten sind. Die Ergebnisse der Marktforschungsstudie werden dem Marketingmanagement präsentiert (Informationsversorgung). Tatsächlich tritt der prognostizierte Trend ein, dass der Marktanteil im deutschen Handymarkt um zehn Prozent sinkt (Marktverhalten). Um dem Umsatzrückgang entgegenzuwirken, wird über die Einführung eines Handys mit Touchscreen diskutiert. Die Verantwortlichen wissen jedoch nicht genau, wie groß das Marktpotenzial für diese Art von Handys in Deutschland ist (Informationsbedarf). Aus diesem Grund wird von der Marktforschungsabteilung das Potenzial (Marktbedürfnisse) durch schriftliche und mündliche Befragungen ermittelt (Informationsversorgung). Es stellt sich heraus, dass das Marktpotenzial so groß ist, dass die Einführung eines Handys mit einem neu entwickelten hochauflösenden Touchscreen im deutschen Markt beschlossen wird (Marketingentscheidung). Um in Zukunft derartige Trendentwicklungen frühzeitig erkennen zu können, wird auf ein Modell zurückgegriffen, das den Kaufentscheidungsprozess bei Konsumgütern beschreibt (Marketingtheorie). Dieses Modell wird so modifiziert, dass die Nachfragertrends im Handymarkt mit einer Vorlaufzeit von drei Monaten vorhergesagt werden können (Modellbildung). Grundlage dieses Modells ist eine Funktion, die durch verschiedene Variablen (z. B. Einkommen der potenziellen Kunden oder Werbebudget) den zukünftigen Absatz von Handys mit Touchscreens ermittelt. Erste Tests des neuen Modells haben ergeben, dass mit einer Genauigkeit von nur zwei Prozent Abweichung der Absatz vorhergesagt werden kann (Hypothesenprüfung). Durch das frühzeitige Erkennen der Trends kann das marketingpolitische Instrumentarium entsprechend angepasst werden (z. B. bei Umsatzrückgängen durch verstärkte Werbung oder Preisaktionen). Das Beispiel verdeutlicht die unterschiedlichen Perspektiven von Marketingentscheidern und Marketingforschung. Der Marketingentscheider muss „richtige Programmfragen“ stellen und die Marketingforschung die „richtigen Antworten“ geben (vgl. Malhotra 2010). Dazu bedarf es einerseits einer engen Verbindung mit dem Marktgeschehen, andererseits der Kenntnis gewisser Gesetzmäßigkeiten über das Verhalten der Marktteilnehmer. In diesem Sinne trägt die verhaltensorientierte Marketingtheorie zur Effizienzsteigerung bei der Formulierung des Informationsbedarfs und der Informationsversorgung bei. Besonders relevant dafür sind die in Abschn. 1 in Kap. 2 aufgeführten Grundlagen des Käuferverhaltens, die einen zentralen Stellenwert innerhalb der verhaltensorientierten Marketingtheorie einnehmen. Die Aufgaben der Marketingforschung können in Form eines Prozesses strukturiert werden. In der Literatur werden verschiedene Prozessmodelle vorgestellt, die sich im Detaillierungsgrad der einzelnen Schritte unterscheiden (vgl. z. B. Meffert 1992; Homburg 2017, S. 253 f.; Malhotra 2010, S. 41 f.). Im Wesentlichen können folgende Phasen des Marketingforschungsprozesses unterschieden werden.
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Marketingforschung als Grundlage des Marketingmanagements
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1. Phase der Problemdefinition Die klare Formulierung des Marketingproblems durch den Marketingmanager ist eine wichtige Voraussetzung um den Informationsbedarf und die Anforderungen an die zu gewinnenden Informationen (z. B. Zuverlässigkeit, Aktualität) zu ermitteln. Stellt der Marketingleiter eines Verlages bspw. fest, dass der Umsatz eines Kinderlexikons rückläufig ist, so ergibt sich damit ein besonderes Marketingproblem. Die Übersetzung dieses Problems in eine Fragestellung für die Marketingforschung kann zur Analyse der Einstellung der Käufer sowie Nichtkäufer führen. Wenngleich die Nutzer des Buches Kinder sind, wird der Kauf dennoch primär durch die Eltern getätigt. Damit zeigt sich, dass sowohl Nutzer als auch Käufer in die Analyse einzubeziehen sind, was ein komplexeres Marktforschungsdesign erfordert. Vielfach verfügen Unternehmen über eigene Marketingforschungsabteilungen oder es werden externe Marktforschungsinstitute eingeschaltet. In beiden Fällen ist es wichtig, dass die Marketingforscher das Entscheidungsproblem richtig erkannt und den Informationsbedarf adäquat festgestellt haben. Ferner ist die Erstellung eines Briefings mit Vorgaben von Zielen, Anforderungen, Restriktionen und Verantwortlichkeiten für die Projektdurchführung notwendig (vgl. Malhotra 2010, S. 68 ff.). 2. Informationsgewinnungsphase In dieser Phase ist gemäß des Briefings und der Festlegung der Untersuchungsobjekte bzw. Zielgruppen die Informationsgewinnung durchzuführen. Die Qualität der Informationsgewinnung hängt davon ab, inwieweit Erkenntnisse der Marketingtheorie zur Strukturierung des Informationsbedarfs einbezogen werden. So kann zur Erklärung des Käuferverhaltens auf eine Vielzahl von Modellen zurückgegriffen werden. Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob und welche Erhebungsinstrumente der Primär- oder Sekundärforschung eingesetzt werden können. Gerade die Zahl der Sekundärquellen ist mit den Jahren stark angewachsen (vgl. Abschn. 1.1). Die Auswahlentscheidung darüber wird einerseits von der Qualität der zu erwartenden Daten (d. h. Eignung der Daten zur Beantwortung des spezifischen Marketingproblems), andererseits aber auch von dem Erhebungs- und Weiterverarbeitungsaufwand bestimmt (z. B. Zeit-, Kosten, und Personalaufwand). 3. Informationsverarbeitungsphase Die erhobenen Informationen sind ggf. datentechnisch zu prüfen sowie für die EDVgestützte Analyse aufzubereiten. Der Datenaufbereitungsaufwand variiert dabei je nach Erhebungsmethodik und Datentyp (Daten aus Primär- versus Sekundärerhebungen, strukturierte versus unstrukturierte Daten etc.). Im Anschluss ist aus den Phasen 1 und 2 ein Auswertungsplan abzuleiten, der die zu analysierenden Variablen, Zusammenhänge, das Ziel der Modellierung (Erklärung oder Aufdeckung von Zusammenhängen zwischen Variablen, Prognose von Werten bestimmter Variablen etc.) und schließlich die dafür geeigneten Methoden festlegt. Auch das Spektrum der verfügbaren Methoden ist im Laufe der Jahre größer geworden. So kommen neben den klassischen (uni- und multivariaten) statistischen Methoden auch neuere Verfahren zum Einsatz, wie z. B. Methoden aus dem Bereich Data Science (vgl. Abschn. 1.1).
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Informationsgrundlagen des Marketing
Die Datenanalyse ist allerdings kein Selbstzweck, sondern der Informationsgehalt ist im Hinblick auf die Lösung des eingangs definierten Marketingentscheidungsproblems auszuwerten und zu interpretieren. 4. Kommunikationsphase Für die Kommunikation der Ergebnisse gegenüber den entsprechenden Marketingentscheidern oder beteiligten Vertretern aus anderen Abteilungen des Unternehmens sind die Ergebnisse zielgruppengerecht und entscheidungsorientiert aufzubereiten. Zu komplex dargestellt können sie ebenso Verständnisprobleme erzeugen wie unzureichend ausgewertete Informationsgrundlagen. Dieser Schritt gewinnt insofern immer mehr an Bedeutung, als dass gerade die Analysen zunehmend auf komplexen Datenbeständen und/oder Analysemethoden basieren. Das Einpflegen der Ergebnisse in ein Marketinginformationssystem stellt den Zugriff auf entsprechende Informationen in der Zukunft sicher. Die Qualität dieses Prozesses – und damit letztendlich auch der Nutzen von Marketingforschungsergebnissen für die Entscheidungsunterstützung – hängt im Wesentlichen davon ab, inwieweit Marketingentscheidungen mit Marketingforschungsaufgaben verknüpft (Definitionsprobleme), leistungsfähige Methoden zur Informationsgewinnung und -verarbeitung eingesetzt (Methodenprobleme) und die gewonnenen Informationen richtig interpretiert, kommuniziert und von den Entscheidungsträgern akzeptiert werden (Akzeptanzprobleme). Durch einen systematisch geplanten und abgestimmten Marketingforschungsprozess können die skizzierten Problemfelder weitestgehend vermieden werden. Die verschiedenen Methoden der Informationsgewinnung und -verarbeitung bilden den Schwerpunkt der weiteren Ausführungen.
2 Methoden der Informationsgewinnung in der Marketingforschung 2.1
Aufgaben und Entscheidungsprobleme der Informationsgewinnung
Nach der sorgfältigen Definition des Untersuchungsproblems und des Informationsbedarfs (Phase 1 im Marketingforschungsprozess) sind die Anforderungen an die Informationsgewinnung festzulegen. Dabei haben die durch die Marketingforschung zu gewinnenden Informationen den folgenden grundsätzlichen Anforderungen der Entscheidungsträger zu genügen (vgl. Meffert 2000, S. 145 f.): Es ist nicht Ziel der Informationsgewinnung, alle nur denkbaren Informationen zu beschaffen, vielmehr sollen alle für die Entscheidung relevanten Informationen vollständig erhoben werden. Die Informationen sollten zuverlässig (reliabel) und bei wiederholten Messungen stabil sein. Reliabilität bedeutet somit die Reproduzierbarkeit eines Ergebnisses unter identischen Bedingungen.
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Methoden der Informationsgewinnung in der Marketingforschung
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Die Gültigkeit (Validität) von Informationen bringt zum Ausdruck, inwieweit ein Messergebnis auch tatsächlich auf den zu untersuchenden Sachverhalt Bezug nimmt bzw. inwieweit inhaltlich jene Informationen gemessen und wiedergegeben werden, die zu messen beabsichtigt waren. Die Informationen sollten aktuell und in einem moderaten Zeitraum zu beschaffen sein. Die Erfüllung dieses Kriteriums wird maßgeblich durch die Art und Komplexität der gewählten Datengewinnungsmethoden bestimmt. Kosten und Nutzen von Marketinginformationen müssen abgeschätzt und gegeneinander aufgewogen werden. Besondere Probleme treten bei der Schätzung des Informationsnutzens auf, der letztlich in einem durch Entscheidungsverbesserung bedingten Ertragszuwachs gesehen werden kann.
2.2
Formen der Informationsgewinnung und Arten von Daten
Wie in Abschn. 1.1 dargelegt, stehen der heutigen Marketingforschung vielfältige Formen der Informationsgewinnung zur Verfügung. Dabei kann grundlegend danach unterschieden werden, ob die benötigten Informationen unter Anwendung von Methoden der Primär- oder Sekundärforschung gewonnen werden (vgl. Berekoven et al. 2009, S. 39 ff.). I Primär- und Sekundärforschung Im Rahmen der Primärforschung werden
originäre Daten für ein gegebenes Untersuchungsproblem erhoben und analysiert. Demgegenüber werden im Rahmen der Sekundärforschung Daten aus bereits vorhandenen Informationsquellen gesammelt, aufbereitet und analysiert.
Daten, die im Rahmen der Primärforschung erhoben werden, können somit speziell auf das Untersuchungsproblem und den damit verbundenen Informationsbedarf zugeschnitten werden. Dagegen geht es bei der Sekundärforschung darum, bestehende Daten zu sammeln und so weiterzuverarbeiten, dass sie dem Informationsbedarf möglichst gerecht werden. Bei der Entscheidung zwischen Primär- oder Sekundärforschung ist grundsätzlich zwischen Kosten- und Nutzenaspekten abzuwägen. Tendenziell ist Sekundärforschung weniger kostenintensiv als Primärforschung. Der resultierende Nutzen fällt jedoch oftmals geringer aus – z. B. weil Daten nur bedingt zum Untersuchungsproblem passen oder veraltet sein können (vgl. Fantapié Altobelli 2017, S. 21). Derartige Unterschiede nehmen jedoch mit Aufkommen der zahlreichen neuen Datenquellen im Kontext von Big Data stetig ab (vgl. Abschn. 1.1). Einerseits ist die Sammlung und Weiterverarbeitung von Big Data oftmals mit großem Aufwand verbunden, andererseits erhöhen die Besonderheiten von Big Data (d. h. die 4 Vs) aber auch das Nutzenpotenzial der Sekundärforschung. Auch aus diesen Gründen werden die beiden Ansätze in der Anwendungspraxis zunehmend öfter miteinander kombiniert (vgl. Kauermann und Küchenhoff 2016, S. 148). Die
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Informationsgrundlagen des Marketing
Primärforschung
Sekundärforschung
strukturiert
Daten aus standardisierten Befragungen, Daten aus Laborbzw. Feldexperimenten, Daten aus vollstandardisierten Interviews
Transaktionsdaten, CRMDaten, Daten aus Verbraucherbzw. Handelspanels, PaidMedia-Daten (z.B. Reaktionsdaten auf BannerWerbung)
unstrukturiert
Datenstruktur
Form der Informationsgewinnung
Daten aus freien Interviews, Daten aus Gruppendiskussionen, Daten aus Eye-TrackingBeobachtungen
Earned-Media-Daten (z.B. User Generated Content), OwnedMedia-Daten (z.B. ClickstreamDaten, Call-Center-Mitschnitte), GPS-Daten
Abb. 4 Daten in der Marketingforschung in Abhängigkeit von der Form der Informationsgewinnung und der Datenstruktur
idealtypische Vorgehensweise sieht vor, das Untersuchungsproblem zunächst im Rahmen der Sekundärforschung anzugehen (vgl. Berekoven et al. 2009, S. 39). Erweist sich diese (bereits vor Beginn) als ungeeignet bzw. (nach Ende) als unzureichend, um den Informationsbedarf des Untersuchungsproblems vollständig zu decken, kann die Primärforschung ergänzt werden. Während im Rahmen der Primärforschung die Erhebungsmethodik auszuwählen ist (z. B. Befragung versus Beobachtung; vgl. Abschn. 2.4), steht die Auswahl geeigneter Datenquellen im Mittelpunkt der Sekundärforschung (z. B. unternehmensinterne versus unternehmensexterne Datenquellen) (vgl. Abschn. 2.3). In beiden Fällen führen die jeweils unterschiedlichen, aber gleichermaßen vielfältigen Auswahlalternativen dazu, dass verschiedene Arten von Daten gewonnen werden können. Dies wird in Abb. 4 verdeutlicht. Zunächst unterscheiden sich die resultierenden Daten nach der zugrunde liegenden Form der Informationsgewinnung in Primär- und Sekundärdaten. Abhängig von ihrer Datenstruktur liegen sie darüber hinaus entweder in strukturierter oder unstrukturierter Form vor. Strukturierte Daten weisen eine gleichartige Struktur auf, wie z. B. Daten aus standardisierten Befragungen, CRM- oder Paneldaten. Unstrukturierte Daten dagegen haben keine einheitliche Struktur, so dass sie z. B. nicht unmittelbar in eine
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Methoden der Informationsgewinnung in der Marketingforschung
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Datenbank übertragen werden könnten (vgl. Wedel und Kannan 2016, S. 104 f.; Verhoef et al. 2016, S. 76 ff.). Neben Textelementen wie Blogeinträgen trifft dies auch auf Bilder oder Videos zu. Typische Beispiele für unstrukturierte Daten sind Protokolle oder Multimediamitschnitte von Gruppendiskussionen, aber auch Social-Media-Daten wie OnlineRezensionen auf Bewertungsplattformen oder Nutzerbeiträge in Online-Communitys. Durch Kombination der Systematisierungskriterien lassen sich vier grundlegende Arten von Daten identifizieren, die im Rahmen der Informationsgewinnungsphase erhoben werden können: Strukturierte Primärdaten: Daten, die sich aus quantitativ orientierten Erhebungsmethoden der Primärforschung ergeben, wie etwa aus standardisierten Befragungen, Feld- oder Laborexperimenten oder vollstandardisierten Interviews. Aufgrund ihrer klaren Struktur können sie mehr oder weniger unmittelbar ausgewertet werden. Unstrukturierte Primärdaten: Daten, die sich aus qualitativ orientierten Erhebungsmethoden der Primärforschung ergeben, wie etwa aus freien Interviews oder Gruppendiskussionen, aber auch aus innovativen Erhebungsformen wie Eye-Tracking. Sie sind teilweise unstrukturiert und erfordern daher verschiedene Datenaufbereitungsschritte, bevor sie ausgewertet werden können. Strukturierte Sekundärdaten: Daten, die sich im Wesentlichen aus Datenbank- bzw. Informationssystemen gewinnen lassen. Dieses können sowohl interne Quellen (z. B. CRM-System) als auch externe Quellen (z. B. Datenbank eines externen Panelbetreibers) sein. Die Daten sind strukturiert, jedoch nicht selten von großem Umfang. Je nach Größe der Datensätze können sie mehr oder weniger unmittelbar ausgewertet werden. Allerdings liegen sie teilweise als Längsschnittdaten vor, was besondere Anforderungen an die Auswertungsverfahren stellt. Unstrukturierte Sekundärdaten: Daten, die unterschiedlichen Informationsquellen entstammen, wobei ein Großteil dieser Daten aus dem Internet kommt, sowohl aus dem Earned-Media-Bereich (z. B. User Generated Content) als auch aus dem OwnedMedia-Bereich (z. B. Clickstream-Daten). Die Daten stellen aufgrund ihrer Größe und ihrer uneinheitlichen Struktur die größten Anforderungen an die nachgelagerte Informationsverarbeitung.
2.3 Informationsgewinnung durch Sekundärforschung 2.3.1 Informationsquellen Die Sekundärforschung stellt einen wichtigen und oftmals ersten Schritt im Rahmen der Informationsgewinnung dar (vgl. Büning et al. 1981, S. 67 ff.; Kromrey 1998, S. 510; Koch 2016, S. 41 ff.). Die Informationsgewinnung durch Sekundärforschung hat die Beschaffung und Zusammenstellung bereits vorhandenen Datenmaterials zum Gegenstand.
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Informationsgrundlagen des Marketing
Somit ist Sekundärforschung im Wesentlichen Quellenforschung. Dabei lassen sich zwei Arten von Datenquellen unterscheiden: unternehmensinterne und unternehmensexterne Datenquellen (vgl. Abb. 5). Unternehmensinterne Datenquellen beinhalten Daten, die dem Unternehmen vorliegen und für andere Zwecke als dem zugrunde liegenden Untersuchungszweck erhoben wurden. Hierzu zählen bspw. Absatzdaten, Finanz- und Kostendaten oder auch Daten aus dem CRM-System eines Unternehmens. Diese Daten liegen i. d. R. strukturiert vor. Weniger strukturiert könnten dagegen z. B. Besuchsberichte von Außendienstmitarbeitern oder erfasste Kundenbeschwerden ausfallen. Eine besondere interne Datenquelle beinhaltet digital erfasste Kundenkontakte mit unternehmenseigenen Marketingkanälen (Owned Media; vgl. Abschn. 2), z. B. in Form von Daten aus Webserver-Logdateien (sog. Clickstream-Daten) oder Marketing Dashboards (vgl. Abb. 6). Die Sammlung und Auswertung von Daten zum Verhalten von Besuchern auf Websites wird auch unter dem Begriff „Web Analytics“ zusammengefasst. Interne Datenquellen stellen eine wertvolle Informationsquelle dar, weil sie kostenlos und i. d. R. schnell zugänglich sind. Allerdings hängt ihr Nutzenpotenzial davon ab, in welcher Form sie vorliegen. Ein gut ausgestaltetes Berichts- und Informationswesen stellt dabei sicher, dass die entsprechenden Daten in leicht zugänglicher und zugleich strukturierter Form verfügbar sind (Berekoven et al. 2009, S. 39 f.). Unternehmensexterne Datenquellen beinhalten Daten, die durch Dritte gesammelt bzw. generiert werden und öffentlich verfügbar sind. Diese Daten liegen nicht nur in
Sekundärdatenquellen
Interne Datenquellen
■ Absatzdaten (z.B. Umsätze insg., nach Produktgruppen) ■ Finanz- und Kostendaten (z.B. Vertriebskosten, Deckungsbeiträge) ■ Kundendaten (z.B. Daten aus CRM-System, Kundenfeedback) ■ Außendienstberichte ■ Owned-Media-Daten (z.B. Clickstream -Daten der Unternehmenswebsite) ■…
Externe Datenquellen
Veröffentlichungen
gedruckt
Standardisierte Datenquellen von Dritten
Internet
elektronisch
■ Zeitungen und Zeitschriften ■ Studien ■ Geschäftsberichte ■ Amtliche Statistik ■ Branchenberichte bzw. -statistiken ■…
■ Verbraucher- und Handelspanels von externen Dienstleistern ■ Tracking-Services (z.B. Media-Monitoring) ■ Sonstige Datenservices von externen Dienstleistern ■…
Abb. 5 Quellen der Sekundärforschung (Quelle: In Anlehnung an Aaker et al. 2012, S. 85)
■ Nutzerverhalten (z.B. User Generated Content) ■ Wettbewerberverhalten (Preise, Produkte etc.) ■ …
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Methoden der Informationsgewinnung in der Marketingforschung
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Abb. 6 Beispiel eines Marketing Dashboard auf der Grundlage von Google Analytics (Quelle: eigene Darstellung)
(nahezu unüberschaubar) großer Zahl, sondern auch in stark unterschiedlicher Form vor. Drei grundsätzliche Arten von Datenquellen können jedoch unterscheiden werden. In die erste Gruppe fallen Veröffentlichungen in Form von Zeitschriften, Studien, Geschäftsberichten, aber auch Statistiken von Ämtern oder nichtamtlichen Einrichtungen. Daten aus diesen Quellen liegen zunehmend elektronisch und je nach Ausprägung strukturiert wie unstrukturiert vor. Deutlich strukturierter sind Daten der zweiten Gruppe, der standar-
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Informationsgrundlagen des Marketing
disierten Marketingdaten von externen Dienstleistern wie Betreibern von Handels- und Verbraucherpanels oder Anbietern von Tracking- bzw. Monitoring-Services (z. B. Media Monitoring oder Brand Monitoring). Die dritte zentrale Informationsquelle bildet das Internet. Hieraus lassen sich vor allem Daten in Form von veröffentlichten Social-MediaBeiträgen von Nutzern (User Generated Content) gewinnen, wie etwa Kommentare in sozialen Netzwerken, Beiträge in Online-Communitys oder Online-Rezensionen auf Bewertungsplattformen (vgl. Abschn. 2 und Abschn. 4.3 in Kap. 8). Ebenso können aber auch Daten zu (Online-)Marketing-Aktivitäten von Wettbewerbern aus dem Internet gesammelt werden.
2.3.2 Methoden der Informationsgewinnung Die große Zahl und Unterschiedlichkeit der verfügbaren Sekundärdatenquellen macht einen systematischen Auswahl- und Bewertungsprozess erforderlich. Eine idealtypische Vorgehensweise ist in Abb. 7 dargestellt.
Informationsbedarf bestimmen
Informationen suchen in internen Quellen ja
zusätzlicher Informationsbedarf
Informationen suchen in externen Quellen ja
Informationen vorhanden? ja
nein
Informationen vorhanden? ja
nein
Informationen zugänglich? ja
nein
Informationen zugänglich? ja
nein
Qualität ausreichend?
nein
ja
Primärforschung erforderlich
nein Qualität ausreichend? ja
Erheben
Ordnen
Systematisieren Klassifizieren
Verdichten
Analysieren und interpretieren (Phase 3 des Marketingforschungsprozesses)
Abb. 7 Arbeitsschritte der Sekundärforschung (Quelle: In Anlehnung an Decker und Wagner 2002, S. 114)
Vergleichen
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Methoden der Informationsgewinnung in der Marketingforschung
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Ausgehend vom Untersuchungsproblem ist zunächst der Informationsbedarf zu bestimmen. Zur Erfassung des Bedarfs sollten verschiedene Kriterien berücksichtigt werden (vgl. Decker und Wagner 2002, S. 109 f.), z. B. Informationsgegenstand: Zu welchem Sachverhalt sollen Informationen beschafft werden? Aggregationsniveau: Welchen Verdichtungsgrad dürfen bzw. sollen die Informationen haben? Entscheidungsphase: Zu welchem Zeitpunkt werden die Informationen benötigt? Bedarfsfrequenz: In welcher Regelmäßigkeit fällt der Informationsbedarf an? Im Anschluss erfolgt die Informationssuche zunächst innerhalb der unternehmensinternen Datenquellen. Falls die vorliegenden internen Informationen nicht ausreichen, um den Informationsbedarf zu decken, wird die Suche auf externe Quellen verlagert. Erweist sich auch diese als nicht ausreichend, bedarf es einer Primärforschung. Die Qualität der internen bzw. externen Sekundärdaten lässt sich einerseits anhand der in Abschn. 1 in Kap. 2 aufgeführten allgemeingültigen Qualitätskriterien beurteilen. Andererseits sind verschiedene, für Sekundärdaten spezifische Aspekte zu überprüfen (vgl. Decker und Wagner 2002, S. 112 f.; Malhotra 2010, S. 101 ff.; Sudman und Blair 1998, S. 143 ff.): Wissenschaftlichkeit: Die Wissenschaftlichkeit einer Sekundärquelle bringt zum Ausdruck, inwieweit den Informationen in der Quelle ein wissenschaftlich angemessenes Vorgehen zugrunde liegt. Sofern keine Details zum Vorgehen vorliegen, kann die fachliche Expertise der Bearbeiter herangezogen werden. Ein weiterer Indikator ist die Anerkennung durch Dritte, die z. B. daran festzumachen ist, wie häufig die Quelle von Dritten verwendet bzw. zitiert wird. Objektivität: Die Informationen sollten unabhängig von den im Rahmen der Erstuntersuchung beteiligten Personen bzw. Institutionen sein. Sofern den Beteiligten besondere Interessen hinsichtlich der Untersuchungsergebnisse unterstellt werden können, können die Informationen verfälscht sein. Gleiches gilt auch für die Institutionen, welche die Ergebnisse veröffentlichen. Strukturgleichheit: Es sollte eine strukturelle Ähnlichkeit zwischen den Untersuchungsobjekten in den Sekundärdaten und der für die vorliegende Untersuchung relevanten Grundgesamtheit bestehen. Gerade im Anwendungsbereich der sozialen Medien ist die Gefahr groß, dass z. B. gepostete Inhalte nicht repräsentativ für eine bestimmte Grundgesamtheit sind, da sich die Nutzer, die die Beiträge verfasst haben, strukturell von Personen aus der Grundgesamtheit unterscheiden. Vor dem Hintergrund, dass der Informationsbedarf selten durch die Informationen aus einer Sekundärquelle gedeckt werden kann, werden i. d. R. Sekundärdaten aus unterschiedlichen Quellen erhoben. Der Prozess der Erhebung unterscheidet sich je nach Informationsquelle. Eine grundsätzliche Unterscheidung besteht jedoch darin, ob die
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Informationsgrundlagen des Marketing
Datenerhebung manuell oder automatisiert erfolgt. Im Rahmen der manuellen Datenerhebung werden die erforderlichen Informationen quasi per Hand gesammelt und gespeichert. Dies erweist sich insbesondere dann als zweckmäßig, wenn die entsprechenden Informationen in Datenbanken und somit bereits in gebündelter und strukturierter Form vorliegen. Inzwischen stehen viele Sekundärdaten in Datenbanken zur Verfügung, insbesondere interne, aber in zunehmendem Maße auch externe Daten (vgl. Berekoven et al. 2009, S. 40 f.). Eine manuelle Datenerhebung stößt hingegen dann an ihre Grenzen, wenn das zu sammelnde Datenmaterial unstrukturiert und zugleich in großer Menge vorliegt. Das trifft vor allem auf die Sekundärdaten aus dem Internet zu. Sollen z. B. Nutzerkommentare in einem sozialen Netzwerk zu einem bestimmten Thema gesammelt werden, ist der Aufwand der Datensammlung manuell kaum zu bewerkstelligen. In derartigen Fällen kommt eine automatisierte Datenerhebung zur Anwendung. Dafür kommen drei unterschiedliche Vorgehensweisen in Betracht. Erstens bieten verschiedene Anbieter von Social-Media-Plattformen die Möglichkeit, öffentlich zugängliche Daten (z. B. Nutzerbeiträge) auf ihrer jeweiligen Plattform über eine sog. Schnittstelle zur Anwendungsprogrammierung (Application Programming Interface – kurz API) zu erheben und lokal zu speichern. Der Vorteil besteht darin, dass Informationen gezielt abgerufen und so bereits einen relativ hohen Strukturierungsgrad haben. Besteht diese Möglichkeit nicht, so bietet das sog. Web Scraping eine Alternative. Web Scraping bezeichnet Verfahren zum (i. d. R.) automatisierten Auslesen von Inhalten auf Websites. Im idealtypischen Fall ist es nicht erforderlich, den gesamten Inhalt einer Webseite zu erheben, sondern zuvor festgelegte Inhaltselemente (Massimino 2016), was mit einem erhöhten Strukturierungsgrad der Daten verbunden ist. Die dritte Möglichkeit besteht schließlich darin, die Informationen von einem Dienstleister zu beziehen, der sich darauf spezialisiert hat, mittels eines sog. Webcrawlers das Internet zu durchsuchen und die Inhalte von Websites mittels Verschlagwortung zu erfassen. Auf dieser Grundlage kann später gezielt nach bestimmten Inhalten gesucht werden. Daten, die auf diese Weise bezogen werden, liegen i. d. R. unstrukturiert vor (vgl. Aaker et al. 2012, S. 136). Nach der Datenerhebung sind die verschiedenen Sekundärdaten schließlich zu systematisieren, klassifizieren und zu vergleichen. Die Systematisierung erfolgt einerseits nach inhaltlichen Gesichtspunkten, d. h., Daten mit inhaltlich vergleichbaren Informationen werden zusammengefasst (vgl. Decker und Wagner 2002, S. 113). Darüber hinaus sollte danach unterschieden werden, ob die Daten nach Erhebung unmittelbar gebrauchsfertig sind oder für die nachgelagerte Informationsauswertung noch aufbereitet werden müssen. An dieser Stelle empfiehlt sich bspw. eine Unterteilung in strukturierte (d. h. relativ geringer Aufbereitungsaufwand) und unstrukturierte Daten (d. h. relativ hoher Aufbereitungsaufwand). In Verbindung mit dem zugrunde liegenden Untersuchungsproblem bestimmt die Datenstruktur schließlich, in welcher Weise (d. h. mit welchem Auswertungsverfahren) die gewonnenen Informationen im Rahmen der nachgelagerten Informationsverarbeitung analysiert werden können (vgl. Abschn. 3.2).
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Methoden der Informationsgewinnung in der Marketingforschung
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Informationsgewinnung durch Primärforschung
Sind die im Rahmen der Sekundärforschung gewonnenen Informationen nicht ausreichend, müssen die erforderlichen Daten originär erhoben werden. Diese Art der Marktforschung, die i. d. R. erheblich kostenintensiver ist als die Sekundärforschung und bei der bislang noch nicht erfasste Daten erhoben werden, wird als Primärforschung bezeichnet (vgl. Koch 2016, S. 48; Kuß 2014, S. 42 f.). Unter Berücksichtigung der spezifischen Situation innerhalb der Unternehmen ist bei der Informationsgewinnung durch die Primärforschung eine Reihe von Detailentscheidungen zu treffen: Die Festlegung der zu untersuchenden Zielgruppen und Untersuchungsobjekte, die Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes im Hinblick auf die Art und Operationalisierung der zu messenden Größen bzw. Variablen (Skalen/Skalierungsverfahren), die Festlegung des notwendigen Stichprobenumfanges in Abhängigkeit des geforderten Sicherheitsgrades der Aussagen und der untersuchten Grundgesamtheit, eine Analyse der Anwendbarkeit alternativer Stichproben-Auswahlverfahren und die Auswahl eines Verfahrens sowie die Bestimmung der einzusetzenden Informationsgewinnungs-Methoden bzw. Methodenkombinationen. Im Folgenden soll insbesondere auf die Mess- und Auswahlverfahren sowie die Methoden der Informationsgewinnung eingegangen werden.
2.4.1 Mess- und Auswahlverfahren der Informationsgewinnung Messen im allgemeinen Sinn beinhaltet den Prozess der Informationsgewinnung, während Messen im engeren Sinn eine nach bestimmten Regeln vollzogene Zuordnung von Symbolen (Zeichen und Zahlen) zu festgestellten Ausprägungen von Merkmalen der Untersuchungsobjekte bedeutet (vgl. Mayntz et al. 1978, S. 38). I Messen „Messen ist eine homomorphe Abbildung eines empirischen Relativs
(z. B. Objekte oder Ereignisse und die für sie definierten Relationen) in ein numerisches Relativ. Das aus einer solchen Messung resultierende numerische Relativ wird auch als Skala bezeichnet“ (Wirtz und Nachtigall 2012, S. 48).
Während bei quantitativen, beobachtbaren Größen die Messung i. d. R. unproblematisch ist, da operationale Maßstäbe vorliegen (z. B. Umsatzzahlen), gibt es insbesondere im Bereich der Quantifizierung und intensitätsmäßigen Erfassung nicht beobachtbarer, qualitativer Variablen (sog. theoretische Konstrukte) wie Einstellungen, Motive oder Zufriedenheit keine allgemeingültigen, verlässlichen Maßstäbe, Messeinheiten oder Indikatoren. Als Grundvoraussetzung für das Messen bedarf es hier vorab einer Operationalisierung der theoretischen Konstrukte. Das Problem der Operationalisierung besteht
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Informationsgrundlagen des Marketing
darin, Indikatoren oder empirische Äquivalente zu finden, mit denen Schlussfolgerungen im Hinblick auf das zu untersuchende Konstrukt nicht nur möglich, sondern auch gültig (valide) sind. Im Anschluss an die Definition eines Messobjektes und seines empirischen Maßstabs können den Merkmalen bzw. Merkmalsausprägungen der Objekte Zahlenwerte zur Abbildung zugeordnet werden, sog. Skalen. Insgesamt lassen sich vier Skalenarten verschiedener Messniveaus unterscheiden (vgl. Abb. 8). Die Messung von Merkmalsausprägungen auf nominalem Niveau stellt die einfachste Form des Messens dar. Nominalskalen dienen lediglich der Klassifikation von Untersuchungsgegenständen. Außer der Ermittlung von Häufigkeiten sind keine statistischen Operationen durchführbar. Die Nominalskala ist zur Messung von nicht-metrischen Daten wie bspw. dem Geschlecht oder Postleitzahlen geeignet. Bei ordinalskalierten Daten lassen sich die Untersuchungsobjekte hinsichtlich ihrer Messwerte auf einer Merkmalsdimension nach „größer“, „kleiner“ oder „gleich“ einordnen. Es lässt sich eine Rangreihe erstellen, ohne dass Aussagen über die Abstände zwischen den Rangplätzen gemacht werden können. Mithilfe der Ordinalskala kann
Nicht-metrische Daten
Mathematische Eigenschaften der Messwerte
Nominal A=A
B
Ordinal A>B>C
Intervall Metrische Daten
Zunahme des Informationsgehaltes
Skala
A>B>C und A – B= B – C Ratio (Verhältnis)
A = x .B
Zulässige Transformationen
Beispiel
Beschreibung der Eigenschaften
Definiert ist zusätzlich
Klassifikation: Die Rangwerte zweier UEn sind identisch oder nicht identisch
Äquivalenzrelation
eindeutig, Umbenennung Mittelwert: Modus
Zweiklassig: Geschlecht Mehrklassig: Postleitzahlen
Rangordnung: Messwerte lassen sich auf einer MD als kleiner/größer/gleich einordnen
Ordnungsrelation
streng monoton steigend Mittelwert: + Median
Präferenzund Urteilsdaten, Windstärke (Beaufort)
Rangordnung und Abstandsbestimmung: Abstände sind angebbar
äquidistante Skalenpunkte
linear y = ax + b Mittelwert: + arithmet. Mittel
Intelligenzquotient, Temperatur (Celsius)
absoluter Nullpunkt: Neben Abstandsbestimmung auch Messwertverhältnis berechenbar
natürlicher Nullpunkt
proportional y = ax Mittelwert: + geometr. Mittel
Alter, Jahresumsatz
UE = Untersuchungseinheit MD = Merkmalsdimension
Abb. 8 Messniveaus und Messwerteigenschaften (Quelle: In Anlehnung an Berekoven et al. 2009, S. 65; Wirtz und Nachtigall 2012, S. 56)
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Methoden der Informationsgewinnung in der Marketingforschung
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ebenfalls nur eine Messung von nicht-metrischen Daten, wie z. B. Präferenz- und Urteilsdaten sowie Windstärken erfolgen. Intervallskalen weisen eine feste Messeinheit, d. h. feste Abstände (Standardentfernungen) zwischen den Skalenrängen, auf. Auf Basis der Messeinheiten lassen sich die Unterschiede zwischen zwei Messobjekten genau fixieren. Der Intelligenzquotient oder die Temperatur sind metrische Daten, die mithilfe einer Intervallskalierung gemessen werden können. Verhältnisskalen (Ratioskalen) sind außer durch die Eigenschaften der Intervallskalen zusätzlich durch einen absoluten Nullpunkt gekennzeichnet. Alle Formen der mathematischen Operationen sind bei verhältnisskalierten Daten möglich. Metrische Daten, wie z. B. das Alter oder der Jahresumsatz können mithilfe von Verhältnisskalen gemessen werden. Im Rahmen der Messungen von subjektiven Sachverhalten wie Einstellungen, Motiven und Images, die eine Transformation der qualitativen Sachverhalte in quantitative Größen erfordern, finden häufig sog. Rating-Skalen Anwendung (vgl. Green und Tull 1982, S. 162 ff.; Tull und Hawkins 1990; Pepels 1995, S. 286 ff.). Die befragten Personen haben dem Untersuchungsobjekt (Einstellungsobjekt) auf einer vorgegebenen Antwortskala einen Messwert zuzuordnen. Bei diesen Rating-Skalen handelt es sich von der Grundstruktur zunächst nur um Ordinalskalen, deren Rangplätze meist verbal – „gut“ bis „schlecht“, „trifft zu“ bis „trifft nicht zu“, „wichtig“ bis „nicht wichtig“ – bestimmt und differenziert werden. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die Abstände zwischen den Rangplätzen von den Befragten bei entsprechender grafischer Darstellung als konstant betrachtet werden. Es wird damit vielfach vorausgesetzt, dass Rating-Skalen (quasi-metrische Skalen) die mathematischen Voraussetzungen von metrischen Skalen erfüllen und den Einsatz entsprechender statistischer Operationen erlauben. Abb. 9 gibt einen Überblick über weitere in der Marketingforschung benutzte Skalenarten. In der Frage, über welche Gesamtheit von Analyseobjekten (Personen, Produkte bzw. Marken, Geschäftsstätten) Schlüsse gezogen werden sollen und wie die Auswahl der zu untersuchenden Elemente erfolgt, liegt eins der zentralen Entscheidungsprobleme der Informationsgewinnung. Um gesicherte Aussagen über eine Gesamtheit von Elementen machen zu können, besteht die Möglichkeit, im Rahmen einer Vollerhebung alle Elemente oder im Rahmen einer Teilerhebung nur eine bestimmte Auswahl von Einheiten der definierten Gesamtheit zu untersuchen. Da in den meisten Fällen eine Informationsbeschaffung durch Vollerhebungen unter wirtschaftlichen, zeitlichen, technischen und organisatorischen Aspekten nicht zweckmäßig ist, werden in der Praxis fast ausschließlich Teilerhebungen durchgeführt. Aus den Aussagen über die Teilmenge werden dabei Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit gezogen (Repräsentationsschluss). Ein solcher Rückschluss ist nur dann gerechtfertigt und vermag gesicherte Erkenntnisse zu liefern, wenn die Teilmenge hinsichtlich der Untersuchungsmerkmale ein verkleinertes, wirklichkeitsgetreues Abbild der Grundgesamtheit darstellt, d. h. den Anspruch der Repräsentativität erfüllt. Eine Teilerhebung erfordert dann die Konstruktion einer Stichprobe, worunter die
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Informationsgrundlagen des Marketing
Rangordnungsverfahren
Konstantsummenverfahren Wie wichtig sind die folgenden vier Faktoren für Ihre Entscheidung über den Kauf des genannten Softwareproduktes? Bitte verteilen Sie gemäß ihrer Bedeutung insgesamt 100 Punkte auf die vier Faktoren. ____________ Leistungsumfang (Anzahl Tools) ____________ Preis Kompatibilität mit bestehender Software ____________ Verwendbarkeit bestehender Daten ____________ Summe 100
Wie wichtig sind die folgenden Kriterien für Sie? (Bitte Rangordnung angeben) Kriterium Produktqualität Auftragsabwicklung Technischer Kundendienst Vertriebsteam/Betreuung Dokumentation/Information
Rang (1.–5.) ___________ ___________ ___________ ___________ ___________
Likert-Skalierung Inwieweit stimmen Sie der Aussage zu … „Handelsmarken haben Qualitätsprobleme“?
stimme voll und ganz zu
stimme gar nicht zu
Rating-Skalierung Wie zufrieden sind Sie mit … … .. der Übersichtlichkeit der Rechnung?
sehr zufrieden
sehr unzufrieden
Stapelskalierung
Semantisches Differential Bitte beurteilen Sie die Mitarbeiter des technischen Services anhand der folgenden Kriterien. schnell zuvorkommend zuverlässig
langsam gleichgültig unzuverlässig
Bitte beurteilen Sie den Außendienst anhand der folgenden Kriterien. stimme voll zu
stimme gar nicht zu
kompetent freundlich zuverlässig
Abb. 9 Beispiele für in der Marketingforschung verwendete Skalenarten (In Anlehung an Homburg 2017, S. 315)
nach einem bestimmten Auswahlverfahren erfolgende Entnahme einer begrenzten Anzahl von Elementen aus einer Grundgesamtheit verstanden wird (vgl. Mayntz et al. 1978, S. 68; Wirtz und Nachtigall 2012, S. 33 f.). Abb. 10 gibt einen Überblick über mögliche Auswahlverfahren. Bei den Verfahren der nicht-zufälligen Auswahl wird die Stichprobe konstruiert und die Auswahl der zu untersuchenden Elemente gezielt nach sachrelevanten Merkmalen vorgenommen. Demgegenüber erfolgt bei der Zufallsauswahl die Selektion der Untersuchungseinheiten durch einen Zufallsprozess. Der Zufallsprozess wird so gestaltet, dass jedes Element der definierten Grundgesamtheit mit einer bestimmten berechenbaren und von Null verschiedenen Wahrscheinlichkeit in die Auswahl gelangen kann. Damit ergibt sich die Möglichkeit, den Stichproben- bzw. Zufallsfehler statistisch exakt zu ermitteln (vgl. Koch 2016, S. 31 ff.). Demgegenüber sind bei den nicht-zufälligen Auswahlverfahren immer eine subjektive Einflussnahme und damit eine bewusste, nicht quantifizierbare Beeinträchtigung der Repräsentativität möglich. Die Entscheidung, welches der Auswahlverfahren anzuwenden ist, hat unter Berücksichtigung der Erhebungsziele und der organisatorischen und finanziellen Aspekte zu erfolgen. Für detaillierte Erläuterungen zu den einzelnen Auswahlverfahren vergleiche umfassend u. a. Hammann und Erichson (2006), Kromrey et al. (2016) und Berekoven et al. (2009).
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Methoden der Informationsgewinnung in der Marketingforschung
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Abgrenzung der Grundgesamtheit
Teilerhebung
Vollerhebung
Nicht-zufällige Auswahl
willkürliche Auswahl (Auswahl aufs Geratewohl)
Zufallsauswahl
bewusste Auswahl (Auswahl nach Gutdünken) Auswahl „typischer Fälle“
Auswahl nach „Konzentrationsprinzip“
Karteiauswahl
Gebietsauswahl
Klumpenauswahl (cluster sample)
Geschichtete Auswahl
proportional geschichtet
Quotenauswahlverfahren (geschichtete willkürliche Auswahl) Schneeballverfahren
komplexe Wahrscheinlichkeitsauswahl
einfache Wahrscheinlichkeitsauswahl
reine Zufallsauswahl
Mehrstufige Auswahl
disproportional geschichtet
systematische Zufallsauswahl
Abb. 10 Auswahlverfahren (Quelle: Hammann und Erichson 2006, S. 133; Kromrey et al. 2016, S. 266)
2.4.2 Methoden der Informationsgewinnung Zu den gebräuchlichsten Methoden zur Erhebung von Primärdaten zählen die Instrumente „Beobachtung“, „Befragung“ und „Experimente“. Diese werden im Folgenden diskutiert. Abschließend werden noch ausgewählte Spezialformen der Informationsgewinnung vorgestellt. 2.4.2.1 Beobachtung Eine vor allem in der Psychologie eingesetzte Methode zur Informationsgewinnung ist die Beobachtung.
I Beobachtung Die Beobachtung wird als die von Personen oder technischen
Hilfsmitteln vollzogene systematische Erfassung von sinnlich wahrnehmbaren Sachverhalten zum Zeitpunkt ihres Geschehens verstanden (vgl. Becker 1973, S. 6; Kromrey et al. 2016, S. 325 ff.). Zu den wahrnehmbaren Sachverhalten zählen z. B. Sortimentsbestände oder, im Bereich der Beobachtung von Personen, alle
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Informationsgrundlagen des Marketing
objektiven Tatbestände wie bspw. physische Aktivitäten, Verhaltensweisen und bestimmte soziodemographische Merkmale (vgl. Kuß et al. 2014, S. 132 ff.).
Bei der Beobachtung werden verschiedene methodische Varianten unterschieden, deren Anwendung sich je nach Ziel und Gegenstand der Untersuchung richtet (vgl. Pepels 1995, S. 213 f.; Kromrey et al. 2016, S. 327 f.; Koch 2016, S. 67 ff.; Kuß et al. 2014, S. 132 ff.): Fremd- und Selbstbeobachtung: Fremdbeobachtung zielt auf die Untersuchung von Vorgängen ab, die außerhalb der Person des Beobachters liegen. Demgegenüber beinhaltet die Selbstbeobachtung die Analyse und Beschreibung eigener psychischer Vorgänge. Persönliche und unpersönliche Beobachtung: Hinsichtlich der Form der Wahrnehmung wird die persönliche Erfassung durch einen Beobachter von der unpersönlichen Erfassung durch Beobachtungsgeräte unterschieden. Teilnehmende und nicht-teilnehmende Beobachtungen: Der Beobachter beschränkt sich bei der nicht-teilnehmenden Beobachtung ausschließlich auf die Wahrnehmung der Aktionen der zu beobachtenden Personen, während er sich bei einer teilnehmenden Beobachtung auf einer Ebene mit den zu beobachtenden Personen bewegt. Bewusstseinsgrade der Beobachtung: Es lassen sich folgende Beobachtungssituationen und damit verbundene Bewusstseinsgrade unterscheiden: – offene und durchschaubare Situation, in der die Versuchsperson von der Beobachtung, dem Zweck und dem eigentlichen Beobachtungsgegenstand weiß, – nicht durchschaubare Situation, in der der Versuchsperson nur die Tatsache und der eigentliche Gegenstand der Untersuchung, nicht aber das Versuchsziel bekannt ist, – quasi-biotische Situation, in der der Versuchsperson lediglich ihre Rolle als Versuchsobjekt bekannt ist, und – biotische Situation, in der die Versuchsperson vollkommen im Ungewissen gelassen wird und ihre Reaktionen in lebensechten Situationen ermittelt werden. Feld- und Laborbeobachtung: Bei Feldbeobachtungen findet die Aufzeichnung der Tatbestände und Verhaltensweisen in der gewohnten Umgebung der beobachteten Personen statt, etwa im Geschäft, auf der Straße oder zu Hause. Laborbeobachtungen beschränken sich auf künstlich geschaffene Situationen, die die Erfassung und Kontrolle eines komplexen Beobachtungsfeldes ermöglichen (vgl. Becker 1973, S. 47 ff.; Kuß et al. 2014, S. 138 f.).
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Methoden der Informationsgewinnung in der Marketingforschung
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Der wesentliche Vorteil der Beobachtung liegt darin, dass Ereignisverläufe in ihrer spezifischen Umweltsituation synchron festgehalten werden können. Diese Zeitgleichheit impliziert jedoch auch eine Flüchtigkeit des Untersuchungsgegenstandes, sodass Handlungen, die sich über einen längeren, möglicherweise unterbrochenen Zeitraum erstrecken, nur schwierig durch Beobachtung erfassbar sind. Trotz einer Unabhängigkeit des Untersuchenden von der Auskunftsbereitschaft der Versuchspersonen ist die Beobachtung eine sehr reaktive Methode der Datenerhebung. Je nach Bewusstseinsgrad der Beobachtung tritt ein „Beobachtungseffekt“ (Pepels 1995, S. 216) auf, bei dem sich die Probanden innerhalb der Beobachtungssituation anders verhalten als unter normalen Umständen. Je stärker sie sich der Beobachtung bewusst sind, desto erheblicher sind mögliche Verzerrungen. Eine generelle Einschränkung der Anwendbarkeit der Beobachtung zeigt sich darüber hinaus im Hinblick auf die Messung bestimmter subjektiver Sachverhalte wie Einstellungen, Meinungen, Präferenzen oder Verhaltensabsichten. Diese können nur mittels Indikatoren erhoben werden, die auf ihre Reliabilität und Validität schwer überprüfbar sind. Darüber hinaus kann bei allen nicht-experimentellen Beobachtungen die Ursache für das beobachtete Verhalten nicht ermittelt werden, ohne zusätzlich auf die Befragung als Erhebungsmethode zurückzugreifen. 2.4.2.2 Befragung Die Befragung ist die am weitesten verbreitete und am besten entwickelte Informationsgewinnungsmethode im Marketing (vgl. Schäfer und Knoblich 1978, S. 276; Kromrey et al. 2016, S. 335).
I Befragung Ziel und Aufgabe von Befragungen ist es, ausgewählte Personen
zu bestimmten und vorgegebenen Sachverhalten Auskunft geben zu lassen (vgl. Kuß et al. 2014, S. 80 ff.). Damit können Befragungen für zahlreiche Marketingproblemstellungen eingesetzt werden. Sie dienen der Erfassung sowohl des beobachtbaren als auch des nicht-beobachtbaren Verhaltens.
Eine Befragung kann entweder in schriftlicher, mündlicher oder telefonischer Form erfolgen (vgl. Berekoven et al. 2009, S. 87 ff.). Bei der schriftlichen Befragung werden den Versuchspersonen die Fragebögen zugeschickt, die sie nach Beantwortung der Fragen ausgefüllt zurücksenden sollen. Eine besondere Form der schriftlichen Befragung stellt die Durchführung von Online- bzw. Internetbefragungen dar (vgl. Malhotra 2010, S. 356 f.). Hierbei haben Befragte die Möglichkeit, einen Online-Fragebogen bzw. einen per E-Mail zugesandten Fragebogen auszufüllen und elektronisch wieder zurückzusenden. Gegenüber der klassischen schriftlichen Befragung ist die Internetbefragung mit Zeit- und Kostenvorteilen bei z. T. noch eingeschränkter Repräsentativität verbunden. Die im Vergleich bedeutendere Befragungsform ist die mündliche Befragung, bei der die
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Informationsgrundlagen des Marketing
Informationen durch Interviewer erhoben werden. Die Befragung mithilfe des Telefons wird aufgrund der Leistungsfähigkeit moderner computergestützter Befragungstechniken (Computer Assisted Telephone Interviewing, CATI) sowie der Kosten- und Zeitvorteile zunehmend häufiger eingesetzt (vgl. Koch 2016, S. 54 f.). Darüber hinaus lässt sich bei bestimmten Zielgruppen die Antwortbereitschaft erhöhen. Insbesondere die MultimediaMarktforschung gewinnt weiter an Bedeutung. So bieten Multimedia-Systeme grundsätzlich eine Protokollierungsfunktion aller Kundenkontakte (vgl. Silberer 1995, S. 92; Lampe 1996, S. 110; Jaspersen 1997, S. 122 ff.). Die wesentlichen Vor- und Nachteile sind zusammenfassend in Tab. 2 dargestellt. Nach der Festlegung der Befragungsform ist im Rahmen der Bestimmung des befragungstaktischen Instrumentariums über die Gestaltung des Fragebogens und über die Art der Fragenformulierung zu entscheiden. Inhaltlich sind vier Gruppen von Fragen zu unterscheiden, die zugleich den Aufbau des Fragebogens bzw. die Fragensequenz prägen (vgl. Nieschlag et al. 1997, S. 698 ff.; Koch 2016, S. 63 ff.): Einleitungs-, Kontakt- und Eisbrecherfragen sollen bei den Auskunftspersonen eine mögliche Befangenheit nehmen, Reserviertheit auflösen und damit eine Aufgeschlossenheit gegenüber dem nachfolgenden Interview herbeiführen. Sachfragen stellen den Hauptteil der Befragung dar und beziehen sich primär auf den eigentlichen Untersuchungsgegenstand. Kontroll- und Plausibilitätsfragen dienen zum einen der Überprüfung der Auskünfte auf Konsistenz bzw. auf Konditionierung durch den Fragebogen und zum anderen zur Kontrolle der Interviewer. Fragen zur Person werden meist am Ende des Interviews gestellt und dienen der Erfassung von soziodemographischen und ökonomischen Merkmalen der Befragten. Bei der Art der Fragenformulierung können grundsätzlich direkte und indirekte Frageformen unterschieden werden (vgl. Kromrey 1998, S. 356 f.; Koch 2016, S. 58 f.). Die direkte Befragung stand lange Zeit im Mittelpunkt der Marketingforschung. Hier wird der Befragte aufgefordert, Auskünfte über seine eigene Person und sein Verhalten zu geben (z. B.: „Sind Sie für Tempo 100 auf Autobahnen?“). Probleme dieser Befragungstaktik treten zum einen dann auf, wenn die Befragten das Ziel der Frage zu durchschauen glauben und im Sinne des Fragenden zu antworten versuchen (soziale Erwünschtheit). Zum anderen kann es bei tabuisierten Themen zu Antwortverzerrung oder sogar -verweigerung kommen, wenn der Befragte befürchtet, sich durch die Beantwortung der Frage bloßzustellen (vgl. Blair et al. 1978, S. 225 ff.). Daher wird heute häufig die indirekte Befragungsform bevorzugt. Hier wird die Auskunftsperson durch psychologisch geschickte Frageformulierungen veranlasst, über Sachverhalte zu berichten, die sie bei direkter Ansprache verschweigen oder nur verzerrt wiedergeben würde (z. B.: „Ist jemand in Ihrer Familie für Tempo 100 auf Autobahnen?“).
Nachteile
Vorteile
Mündliche Befragung
Hohe Erfolgsquote, dadurch hohe Repräsentativität der Ergebnisse Fragebogenumfang und -inhalt kaum eingeschränkt Befragungstaktisches Instrumentarium (Frageformen und -reihenfolge) bestmöglich einsetzbar Befragungssituation weitgehend kontrollierbar Zusätzliche Informationen zu Spontanität oder emotionalen Reaktionen erhebbar Nur Personen erreichbar, deren Hohe Kosten Adresse bekannt ist Interviewer-Effekt: Verzerrungen Rücklauf- und Erfolgsquoten durch Situation und Einfluss des von nur 5 bis 30 % Interviewers Fragenumfang ist limitiert, tabuisierte Themenstellung wenig erfolgreich Kein Kontakt in der Ausfüllsituation, dadurch weniger repräsentativ (Wer füllt aus?) Keine Kontrolle der Reihenfolge der Fragebeantwortung sowie des situativen Umfeldes und dessen Einfluss
Abdeckung eines großen räumlichen Gebiets Niedrige Kosten, wenn Interesse seitens der Stichprobe und damit eine hohe Rücklaufquote zu erwarten ist Keine Beeinflussung durch Interviewer (Interviewer-Effekt)
Schriftliche Befragung
Durch Anonymität des Interviewers und fehlenden Sichtkontakt Einschränkung der Befragungsthemen und bei Verwendung von Hilfsmitteln (keine optischen Hilfen möglich)
Sehr kurzfristig einsetzbar Geringere Kosten als bei mündlicher Befragung
Telefonische Befragung
Tab. 2 Vor- und Nachteile der schriftlichen, mündlichen, telefonischen und Online-Befragung
Rücklaufquoten ggf. gering Oftmals unzureichende Information über die Grundgesamtheit Repräsentativität ggf. eingeschränkt Selbstselektion von Internetnutzern Keine Kontrolle der Ausfüllsituation – Antwortverzerrung aufgrund von Anonymität der Befragten
Online-Befragung per Internet Relativ geringe Kosten Schnelle Kontaktierung von Befragten per E-Mail bzw. Internetseite (Zeitvorteil) Hohe Reichweite und Möglichkeit der Ansprache internationaler Zielgruppe Automatische Erfassung der Daten
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Ferner ist zwischen offenen und geschlossenen Fragestellungen zu differenzieren (vgl. Pepels 1995, S. 181; Koch 2016, S. 58 ff.). Die weitaus gebräuchlichsten Fragestellungen sind die geschlossenen Fragen. I. d. R. werden sie als Alternativfragen gestellt, bei denen mehrere Antwortmöglichkeiten vorgegeben sind, von denen der Befragte eine oder mehrere wählen muss. Eine weitere Form ist die Antwortbewertung anhand von Skalen. Hier nehmen die Versuchspersonen eine Einstufung der Stärke oder Ausprägung von Meinungen oder Tatbeständen vor. Bei offenen Fragen sind demgegenüber keine festen Antwortkategorien vorgesehen. Ob eine offene oder geschlossene Frage gestellt werden soll, hängt vom Ziel der Befragung ab. Beispiel
Soll die Einstellung einer Person A zu einem bestimmten Produkt ermittelt werden, kann damit bspw. das Ziel verfolgt werden, ihre Einstellung zu diesem Produkt mit der Einstellung einer Person B zu diesem Produkt zu vergleichen. Wird die Befragung mit Rating-Skalen (geschlossene Fragen, da die Antwortmöglichkeiten genau vorgegeben sind) durchgeführt, ist aufgrund des gleichen Skalenniveaus ein Vergleich möglich. Offene Fragen dienen I. d. R. dazu, Aspekte, die bei der Befragung nicht behandelt wurden, aber für den Befragten von besonderer Wichtigkeit sind, zu erfassen. Mit offenen Fragen wie z. B. „Woran denken Sie, wenn Sie das Produkt X sehen?“ können sehr gut Pauschalurteile und Assoziationen abgefragt werden. Für den Befragten ergibt sich so die Möglichkeit, ohne vorgegebenen Rahmen seine Meinung unverfälscht zu äußern. Eine weitere formale Gestaltungsmöglichkeit von Befragungen betrifft ihre Standardisierung, bei der drei Arten zu unterscheiden sind: Das freie (nicht-standardisierte), das teilstandardisierte und das vollstandardisierte Interview (vgl. Kromrey 1998, S. 364; Pepels 1995, S. 185 ff.; Koch 2016, S. 46 ff.). Ein vollstandardisiertes Interview ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Interviewer ein Fragebogen vorgegeben ist, in dem sämtliche Fragen in einer festgelegten Reihenfolge explizit vorformuliert sind, wodurch Fehlerquellen und Einflussmöglichkeiten weitestgehend vermieden werden können. Nachteilig ist, dass der Interviewer nicht auf den Befragten eingehen kann und somit möglicherweise Informationen verloren gehen. Beim freien (nicht-standardisierten) Interview sind dem Interviewer nur Thema und Ziel der Befragung vorgegeben. Es ist ihm die Entscheidung über Inhalt, Form und Reihenfolge der Fragen überlassen, weshalb er großen Einfluss auf das Ergebnis des Interviews nehmen kann. Häufig besteht durch die jederzeitige Anpassung an den Gesprächspartner jedoch erst die Möglichkeit, die tatsächliche Meinung des Befragten zu erfahren und wertvolle Zusatzinformationen zu erfassen. Die teilstandardisierte Befragung besteht aus einem Gerüst vorgegebener, meist offener Fragen oder einem Katalog von zu erfragenden Themen. Mithilfe von Sondierungsoder Zwischenfragen kann der Interviewer die Situation je nach Auskunftswillen und
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Methoden der Informationsgewinnung in der Marketingforschung
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Befinden des Befragten jedoch selbst mitstrukturieren und Sachverhalte intensiver erfassen. Im mündlichen Bereich spricht man von teilstandardisierten Befragungen als Leitfadengespräch oder Tiefeninterview. Die Befragung ist das reaktivste Instrument zur Informationsgewinnung (vgl. KroeberRiel und Gröppel-Klein 2013, S. 329). Da hier nicht vermieden werden kann, dass der Befragte sich der Messsituation bewusst ist, führen die bloße Präsenz und die Einflussnahme des Interviewers (Interviewer-Effekt) sowie die Angst vor „falschen“ Antworten (soziale Erwünschtheit) zur Verzerrung der Ergebnisse und damit zusätzlich zu einem Messproblem. Während bei standardisierten Interviews und geschlossenen Fragen die Reliabilität innerhalb definierter Grenzen gut ist – es ist dabei immer zu bedenken, dass nicht die Eigenschaften von Sachverhalten, sondern Aussagen über Eigenschaften von Sachverhalten gemessen werden – sind offene Fragen hinsichtlich ihrer Interpretation durch den Befragten und damit auch seiner Antworten problematisch. Demgegenüber sind sie gleichzeitig aussagefähiger und damit gültiger (valider) hinsichtlich der Erfassung tatsächlicher Meinungen und Einstellungen von befragten Personen als geschlossene Fragen. 2.4.2.3 Experiment
I Experiment Unter einem Experiment wird eine wiederholbare, unter kontrol-
lierten, vorher festgelegten Umweltbedingungen durchgeführte Versuchsanordnung verstanden, die es mithilfe der Messung von Wirkungen eines oder mehrerer unabhängiger Faktoren auf die jeweilige(n) abhängige(n) Variable(n) gestattet, aufgestellte Hypothesen empirisch zu überprüfen (vgl. Kinnear und Taylor 1996; Kromrey 1998, S. 501; Weis und Steinmetz 2012, S. 221; Berekoven et al. 2009, S. 146 ff.).
Im Bereich der Marketingforschung werden durch den Einsatz von Experimenten Aussagen darüber ermöglicht, ob und inwieweit der Einsatz oder die Variation einer Marketingvariablen in einer ursächlichen Beziehung zu der Veränderung einer gemessenen abhängigen Zielgröße wie Umsatz oder Marktanteil steht (Marktreaktionen) (vgl. umfassend Berekoven et al. 2009, S. 146 ff.). Experimente, bei denen die Messung der Ursache-Wirkungs-Beziehungen in einer natürlichen, realistischen Umgebung vollzogen wird, werden als Feldexperimente bezeichnet, während man bei Experimenten in einer speziell geschaffenen, künstlichen und stark vom Forscher beeinflussten Situation von Laborexperimenten spricht (vgl. Pepels 1995, S. 235; Berekoven et al. 2009, S. 146 ff.). Die künstliche Situation ermöglicht im Gegensatz zum natürlichen Umfeld insbesondere aufgrund des Einsatzes von technischen Hilfsmitteln und Apparaturen eine größere Kontrolle der unabhängigen Variablen und anderer Einflussfaktoren (hohe Reliabilität), verliert aber aufgrund der isolierten und atypischen Betrachtung an Realitätsgehalt (geringe Validität).
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Informationsgrundlagen des Marketing
Der Anwendung experimenteller Methoden zur Aufdeckung von Kausalzusammenhängen sind verschiedene Grenzen gesetzt: Langfristige Auswirkungen lassen sich aufgrund der problematischen Kontrolle möglicher Einflussfaktoren über einen großen Zeitraum nur schwer messen (geringe Reliabilität). Zahlreiche Störeinflüsse führen zu einer Einschränkung der Aussagekraft gewonnener Ergebnisse (geringe Validität). Die Laborsituation eines Experimentes beeinflusst allein durch den Versuchsaufbau die Ergebnisse. Im Anwendungsbereich des Internets bzw. des Online-Marketing haben Experimente jedoch eine zunehmend große Bedeutung, da sie sich dort oftmals ohne großen Aufwand in einer realistischen Feldsituation umsetzen lassen (z. B. Vergleich von zwei unterschiedlich gestalteten Webseiten). 2.4.2.4 Spezialformen der Informationsgewinnung Zu den für die Marketingforschungspraxis wichtigsten Spezialformen der Informationsgewinnung zählen Panel, apparative Verfahren, computergestützte Verfahren, psychologische Testverfahren sowie Testmärkte und Testmarktkombinationen. Diese Spezialformen werden im Nachfolgenden in ihren Grundzügen dargestellt.
I Panelerhebung Unter Panelerhebungen werden Untersuchungen verstan-
den, die bei einem bestimmten gleichbleibenden Kreis von Untersuchungseinheiten (Personen, Einkaufsstätten, Unternehmen) in (regelmäßigen) zeitlichen Abständen wiederholt zum gleichen Untersuchungsgegenstand durchgeführt werden (vgl. Weissmann 1983, S. 10 ff.; Berekoven et al. 2009, S. 120 ff.; Weis und Steinmetz 2012, S. 196).
Das Panel stellt dabei keine eigene Erhebungstechnik dar, sondern ist eine besondere Art der Forschungsanordnung unter Zuhilfenahme der bereits diskutierten Erhebungsmethoden. Das Ziel von Panelerhebungen ist die Erforschung von Markt- bzw. Verhaltensänderungen im Zeitablauf (vgl. Koch 2016, S. 78 ff.). Neben der deskriptiven Erfassung von Markenwechselvorgängen haben die Paneluntersuchungen im Sinne eines Experimentes die Erklärung von Verhaltensänderungen zur Aufgabe. Grundsätzlich lassen sich nach der Art der Untersuchungseinheiten das Verbraucherpanel, das Unternehmerpanel und das Handelspanel unterscheiden (vgl. umfassend Günther et al. 2006, S. 9 ff.; Hammann und Erichson 2006; Berekoven et al. 2009, S. 121 ff.):
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Verbraucherpanels lassen sich nach der untersuchten Zielgruppe differenzieren. Setzt sich ein Verbraucherpanel nur aus Einzelpersonen zusammen, wird von einem Individualpanel gesprochen. Besteht die Untersuchungseinheit aus einem Haushalt, handelt es sich um ein Haushaltspanel. Charakteristisches Kennzeichen beider genannten Formen ist die aktive Beteiligung der Panelteilnehmer. Diese müssen, da die Datengewinnung meist durch eine schriftliche Befragung erfolgt, periodisch Fragebögen ausfüllen oder Ausgabenlisten führen. Im Unternehmerpanel wird eine repräsentative Stichprobe von Unternehmen oder auch nur der einer einzelnen Branche (z. B. Textilpanel) regelmäßig einer Befragung zu allgemeinen Einschätzungen wie Konsumklima, Investitionsklima oder zu konkreten Entwicklungstendenzen wie Auftragsbestand und Umsatzentwicklung unterzogen. Das Handelspanel stellt eine spezielle Form des Unternehmerpanels dar. Handelspanels können auf jeder Stufe des Distributionssystems aufgebaut sein und je nach Untersuchungsgegenstand ein breites Aufgabenspektrum besitzen oder auch nur einen sehr speziellen Tatbestand analysieren. Im Gegensatz zum Verbraucherpanel werden die Informationen beim Handelspanel hauptsächlich durch Beobachtung gewonnen. Die Mitglieder bzw. Untersuchungseinheiten des Handelspanels setzen sich dabei aus Großhandels- und Einzelhandelsbetrieben zusammen. Die Panelinformationen betreffen vor allem die Entwicklung von Warenbewegungen und Lagerbeständen der in das Panel einbezogenen Handelsgeschäfte und Produkte. Die Ergebnisse von Paneluntersuchungen werden durch die sog. Panelsterblichkeit, den Paneleffekt und die Panelerstarrung eingeschränkt (vgl. Rogge 1992, S. 122 ff.; Hansen 1982, S. 107 ff.; Homburg 2017, S. 295). Die Panelsterblichkeit beinhaltet das Ausscheiden von Teilnehmern aus dem Panel durch laufende Fluktuation, bspw. aufgrund eines Ortswechsels. Von zentraler Bedeutung ist auch der Paneleffekt, der dadurch entsteht, dass die Panelteilnehmer auf die ständige (Selbst-)Kontrolle mit unbewussten oder bewussten Verhaltensänderungen reagieren (Panelreaktivität). Zum Beispiel werden manche Käufe nicht ausgeführt, wenn der Nachfrager in „Begründungsnot“ geraten könnte (Impulskäufe). Darüber hinaus ist das Phänomen der Panelerstarrung anzuführen, das durch die Entwicklung bzw. Veränderung von soziodemographischen Merkmalen (Familienstand, Alter, Einkommen) des Panels im Zeitablauf ausgelöst wird. Die Zusammensetzung der Panelstichprobe entspricht dann zunehmend weniger der Grundgesamtheit und erfüllt damit nicht mehr die Voraussetzung der statistischen Repräsentativität (Validitätsproblem). Apparative Verfahren basieren im Vergleich zu den durch Befragungen erhobenen subjektiven Auskünften der Testpersonen auf objektiven Messungen durch technische Apparaturen.
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I Apparative Verfahren Die apparativen Verfahren versuchen, die psychischen
Zustände und Reaktionen des Menschen messbar zu machen.
Ihre Einsatzmöglichkeiten erstrecken sich auf Verhaltensbeobachtungen von Wahrnehmungs-, Entscheidungs- und Handlungsabläufen und auf die Erfassung bzw. Beobachtung von psychischen Reaktionen wie Erregung oder Ablehnung, die einen Ausdruck in messbaren physischen Aktivitäten (z. B. Herzschlag) finden. Beispiele apparativer Verfahren sind: Messung der Lidschlagfrequenz, des elektrischen Hautwiderstandes, des Gehirnstromes, der Pupillenweite und der Stimmenfrequenz, aber auch Blickregistrierungsverfahren, tachistoskopische Tests (Darstellung von Gegenständen für Bruchteile von Sekunden) und die sog. Schnellgreifbühne (während des kurzen Momentes der Darbietung muss der Gegenstand ausgewählt werden, der der Testperson am meisten zusagt). Im Rahmen psychologischer Testverfahren wird von den Versuchspersonen neben der Beantwortung von Fragen häufig eine Lösung von vorgegebenen Aufgabenstellungen verlangt (vgl. Hammann und Erichson 2006).
I Psychologische Testverfahren Ziel dieser Verfahren ist es, von den Verhal-
tensreaktionen bzw. Problemlösungen der Versuchspersonen Rückschlüsse auf ihr Verhalten, ihre Persönlichkeitsstruktur und auf die ihnen selbst nur teilweise bewussten Einstellungen, Wünsche und Motive zu ziehen. So werden die Testpersonen durch Fragen oder Bildvorlagen veranlasst, ihre subjektiven Wertvorstellungen, Meinungen und Emotionen darzulegen.
Aus der Vielzahl psychologischer Testverfahren sollen hier die Methoden des lauten Denkens, die Laddering-Technik sowie die Gruppenexploration hervorgehoben werden. Bei der Methode des lauten Denkens (MLD) werden Nachfrager aufgefordert, alles, was ihnen bei der Lösung einer Aufgabe (z. B. der Suche nach einer bestimmten Ware im Internet) oder bei alltäglichen Handlungen (z. B. Einkauf einer Hose) in den Sinn kommt, synchron zu äußern bzw. zu protokollieren (Protokollanalyse). Durch die schnellen Gedankenabläufe können so unbewusste, durch den Probanden nicht interpretierbare Prozessabläufe beobachtet und erfasst werden (vgl. Pepels 1995, S. 187; Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 328 f.). Die Means-end-chains, auch Ziel-Mittel-Ketten genannt, sind eine Theorie „zur Erklärung kognitiver Strukturen der Organisation von Wissen und Erfahrung im Gedächtnis von Nachfragern“ (vgl. Trommsdorff und Teichert 2011, S. 79 ff.; Kirchgeorg 2005, S. 162 ff.). Bei ihrer Erfassung stehen die Ermittlung konsumrelevanter Denk- und Assoziationsstrukturen sowie deren Einfluss auf die Kaufentscheidung im Mittelpunkt. Es wird unterstellt, dass die kognitiven Strukturen hierarchisch aufgebaut sind und aus mehreren Kettengliedern bestehen: terminale Werte wie bspw. Selbstbewusstsein, instrumentale Werte wie der
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Wunsch, respektiert zu werden, psychosoziale Konsequenzen wie das Bedürfnis schön zu sein, funktionale Konsequenzen wie etwa schlank zu bleiben, abstrakte Produktmerkmale wie bspw. Kalorienarmut sowie konkrete Produktmerkmale wie der niedrige Fettgehalt eines Nahrungsmittels. Mithilfe der Identifikation der Ziel-Mittel-Ketten sollen die Ursachen des Kaufverhaltens analysiert werden. Gemessen werden die Ziel-Mittel-Ketten durch Einsatz der Laddering-Technik (Leitertechnik) (vgl. Gutman 1982; Reynolds und Gutman 1988). Diese Form der Befragung verlangt vom Nachfrager, seine Ziel-Mittel-Vorstellungen zu einem bestimmten Thema zu äußern, beginnend mit konkreten Produktvorteilen (unterste Ebene) bis hin zu dahinter stehenden Werten (abstrakteste Ebene). Mithilfe von „Warum-Fragen“ wird der Nachfrager dabei von einer Ebene in die nächst höhere geleitet. Ergebnis sind sog. Motivationsstrukturen, die Unternehmen eine Einschätzung ihrer Positionierung innerhalb des Assoziationsnetzwerks von Nachfragern erlauben (vgl. KroeberRiel und Gröppel-Klein 2013, S. 199 ff.; Trommsdorff und Teichert 2011, S. 98). Die Gruppenexploration (Gruppendiskussion) beinhaltet eine gleichzeitige Befragung mehrerer Personen, denen während des Gesprächs die Kommunikation und Interaktion untereinander erlaubt ist. Die Verhaltensweisen innerhalb der Gruppe sind ebenso Teil der Untersuchung. Es wird angenommen, dass diese Mischform von Befragung und Beobachtung eine größere Anzahl valider Erkenntnisse liefert als Einzelinterviews, da sie der natürlichen Gesprächsform sehr nahe kommt (vgl. Koch 2016, S. 50 f.). Alle psychologischen Testverfahren sind geeignet, Verarbeitungs- und Verhaltensprozesse zu erfassen. Ihre Ergebnisse sind jedoch interpretationsbedürftig und daher nur unter Vorbehalt auf reale Situationen und Problemstellungen übertrag- und verallgemeinerbar (vgl. Pepels 1995, S. 182 ff.). Schließlich können Testmärkte zu den Spezialformen der Informationsgewinnung gezählt werden. Mithilfe von Testmärkten werden gesamte Marketingkonzeptionen (z. B. eine Neuprodukteinführung unter realen Anwendungsbedingungen) getestet, um Marktanteils- und Absatzvolumenprognosen zu erstellen (vgl. Kuß et al. 2014, S. 201 ff.). Ausführlich werden Testmärkte im Rahmen der Produktpolitik bei der Produktneueinführung behandelt (vgl. Kap. 5).
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Methoden der Informationsverarbeitung in der Marketingforschung
3.1 Aufgaben und Entscheidungsprobleme der Informationsverarbeitung Die Datenerhebung mithilfe der skizzierten Erhebungsverfahren liefert eine Vielzahl von detaillierten Einzelinformationen. Diese Informationen aufzubereiten, zu analysieren und auf ein für die Entscheidungsfindung notwendiges Maß zu komprimieren, ist Aufgabe der Informationsauswertung.
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Zu den zentralen auswertungstechnischen Aufgaben und Detailentscheidungen zählen: 1. Die Erstellung eines Auswertungsplanes in Abhängigkeit des Untersuchungsaufbaus bzw. der Zielsetzung. Hier sind z. B. die interessierenden und zu untersuchenden Abhängigkeiten und Zusammenhänge von Variablen oder Tatbeständen aufzulisten und zu strukturieren. 2. Die Überprüfung und Auswahl der für die Fragestellung möglichen oder notwendigen Auswertungsverfahren. 3. Die Interpretation und Bewertung der erarbeiteten bzw. errechneten Ergebnisse. Wie in Abschn. 1 dargelegt, stehen der heutigen Marketingforschung vielfältige Auswertungsverfahren zur Verfügung, wobei die Anwendungspraxis insbesondere durch multivariate statistische Methoden, ökonometrische Methoden und Data-Science-Methoden gekennzeichnet ist. Die Auswahlentscheidung bzgl. der für die weitere Analyse heranzuziehenden Auswertungsverfahren hängt von zwei Entscheidungsparametern ab: zum einen, ob das primäre Ziel der Auswertung in der Überprüfung oder Entdeckung von Zusammenhängen zwischen Untersuchungsvariablen besteht (Untersuchungsausrichtung) (vgl. Backhaus et al. 2015, S. 21 ff.); zum anderen, ob die vorliegenden Primär- bzw. Sekundärdaten strukturiert oder unstrukturiert sind (vgl. Abb. 11). Liegen etwa strukturierte Daten vor und besteht das Ziel der Untersuchung darin, inhaltlich begründete Zusammenhänge zwischen Untersuchungsvariablen zu überprüfen, können entweder die sog. strukturprüfenden Verfahren aus der Gruppe der multivariaten Analysemethoden oder auch ökonometrische Verfahren zum Einsatz kommen. Der Ausgangspunkt beider Verfahrensklassen ist ein inhaltlich begründetes Modell, welches die Zusammenhänge zwischen den einbezogenen Variablen beschreibt. Die unbekannten Parameter des Modells, welche die Richtung und Stärke der Beziehungen erfassen, werden schließlich auf Basis der vorliegenden (strukturierten) Daten geschätzt. Dies könnte bspw. die Schätzung des Einflusses von Werbeausgaben auf die Absatzmenge eines Produktes sein. Es geht folglich um die Schätzung von unbekannten Parametern in einem vorab begründeten Modell und daraus abzuleitenden Schlüssen und Prognosen (vgl. Kauermann und Küchenhoff 2016, S. 143). Wird hingegen (bei Vorliegen von strukturierten Daten) das Ziel verfolgt, nicht näher spezifizierte Zusammenhänge zwischen Untersuchungsvariablen zu erlernen bzw. zu entdecken, können einerseits die sog. strukturentdeckenden Verfahren aus der Gruppe der multivariaten Analysemethoden oder auch neuere Verfahren aus dem Bereich des Data Science zur Anwendung kommen. Hierbei handelt es sich i. d. R. um Algorithmen, mit denen Strukturen in den Daten (Mustererkennung, Clusterung) erkannt oder Prognosen getroffen werden können. Es wird also kein inhaltlich begründetes Modell geschätzt, sondern eine Art Black-Box-Verfahren verwendet, welches auf Basis der Daten optimale Prognosen erzeugt (vgl. Kauermann und Küchenhoff 2016, S. 143). Ein dafür beispielhaftes Untersuchungsproblem wäre die Prognose des Produktes, welches Nachfrager jeweils
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im Rahmen ihres nächsten Besuches in einem Online-Shop kaufen werden (sog. Next Product To Buy). Aufgrund des algorithmischen Vorgehens eignet sich die Gruppe der Data-ScienceVerfahren auch für die Analyse von unstrukturierten Daten. Bei Vorliegen von unstrukturierten Daten besteht das Ziel der Untersuchung erklärtermaßen in der Entdeckung von Strukturen in den Daten. Im Fall von unstrukturierten Textdaten etwa zielen die entsprechenden Methoden darauf ab, implizit vorhandene Informationen in den Textdaten herauszuarbeiten. Eine beispielhafte Zielsetzung könnte die Analyse von textbasierten Online-Rezensionen sein, um kaufverhaltensrelevante Produkteigenschaften zu identifizieren.
3.2 Methoden der Informationsverarbeitung Gemäß der in Abb. 11 dargestellten Systematisierung ergeben sich im Rahmen der Marketingforschung drei unterschiedliche Untersuchungskonstellationen, die jeweils durch spezifische Methoden der Informationsverarbeitung gekennzeichnet sind. Für die drei Bereiche werden im Folgenden jeweils ausgewählte Methoden vorgestellt.
strukturiert unstrukturiert
Datenstruktur
Untersuchungsausrichtung „Strukturen prüfen “
„Strukturen erlernen und entdecken“
Multivariate statistische Methoden (strukturenprüfende Verfahren)
Multivariate statistische Methoden (strukturenentdeckende Verfahren)
Ökonometrische Methoden (z.B. VAR-Modelle)
Data Science (z.B. Künstliche Neuronale Netze, Entscheidungsbäume)
Data Science (z.B. Text Mining, Opinion Mining)
Abb. 11 Kategorisierung der Auswertungsverfahren nach Untersuchungsausrichtung und Datenstruktur
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Informationsgrundlagen des Marketing
3.2.1 Methoden zur Verarbeitung von strukturierten Daten mit dem Ziel der Strukturprüfung Eine Voraussetzung für die Anwendung von Methoden zur Strukturprüfung ist, dass bereits im Vorfeld der Analyse eine sachlogisch begründete Vorstellung über die UrsacheWirkungsbeziehungen zwischen den Variablen entwickelt worden ist. Es wurde also bestimmt, welche der Variablen (sog. unabhängige Variablen) theoretisch auf andere (sog. abhängige Variablen) einwirken (vgl. Backhaus et al. 2016, S. 61 ff.). Die Richtungen der Wirkungszusammenhänge sind also eindeutig bestimmt, d. h. nicht umkehrbar. Die Bedeutung dieser Methoden für das Marketing besteht auch darin, dass gerade für Marketingentscheidungen das Wissen um Ursache-Wirkungsbeziehungen von besonderer Relevanz ist. Je nach Art der Beziehungen können verschiedene Methoden herangezogen werden. Zu den gebräuchlichsten Methoden gehören in erster Linie die strukturprüfenden Verfahren der multivariaten statistischen Analyse. Hierzu zählen: einfache und multiple Regressionsanalyse, Varianzanalyse, Diskriminanzanalyse Strukturgleichungsmodellierung und Conjoint-Analyse. Die Regressionsanalyse kommt zur Anwendung, wenn vermutete Wirkungsbeziehungen zwischen einer (metrisch skalierten) abhängigen und einer oder mehrerer (nominal oder metrisch skalierten/r) unabhängigen Variablen überprüft werden sollen (zur Skalierung von Variablen vgl. Abb. 8) (vgl. Bleymüller und Weißbach 2015, S. 172 f.; Bortz und Schuster 2010, S. 183 ff.). Die Idee der Regressionsanalyse lässt sich anhand eines Streudiagramms verdeutlichen, in dem die jeweiligen Beobachtungswerte der Untersuchungsobjekte für die abhängige und eine unabhängige Variable abgetragen werden. Die Aufgabe der Regressionsanalyse besteht darin, eine Gerade oder Kurve durch die Punktwolken zu legen und den Funktionsverlauf (d. h. den Zusammenhang zwischen der abhängigen und der unabhängigen Variablen) durch eine mathematische Funktion zu beschreiben (vgl. Abb. 12). Im Einzelnen lassen sich mit der Regressionsanalyse z. B. folgende Fragestellungen beantworten (vgl. Backhaus et al. 2016, S. 64 ff.): Wie stark ist der Einfluss einer Marketingvariablen auf die Zielgrößen Umsatz, Image oder Bekanntheitsgrad (Ursachenanalyse in Art und Intensität)? Wie verändern sich die abhängige Variable Umsatz und ähnliche, wenn die Marketingvariablen verändert werden (Wirkungsprognose)? Wie verändert sich die abhängige Größe im Zeitablauf bei gleichbleibendem Instrumenteneinsatz (Zeitreihenanalyse)? Sofern nur eine unabhängige Variable Berücksichtigung findet, wird von einer einfachen Regressionsanalyse gesprochen, bei mehreren unabhängigen Variablen hingegen von einer multiplen Regressionsanalyse. Das Verfahren der Varianzanalyse verfolgt das Ziel, den Zusammenhang zwischen einer (metrisch skalierten) abhängigen Variablen (z. B. Absatzmenge) und einer oder mehrerer (nominal skalierten) unabhängigen Variablen bzw. Einflussgrößenkategorien zu
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untersuchen (z. B. Verpackungsalternativen eines Produktes). Der Unterschied gegenüber einer Regressionsanalyse ist folglich, dass die unabhängigen Variablen nominal skaliert sind. Die Varianzanalyse dient in dieser Weise der Prüfung von Gruppenunterschieden. Genau genommen prüft sie, inwieweit sich die gruppenspezifischen Mittelwerte der abhängigen Variablen voneinander unterscheiden (vgl. Green und Tull 1982, S. 324 ff.; Bleymüller und Weißbach 2015, S. 202 ff.; Weis und Steinmetz 2012, S. 329 ff.; Backhaus et al. 2016, S. 174 ff.). Die Varianzanalyse wird häufig zur Auswertung von experimentell erhobenen Daten eingesetzt (vgl. Abschn. 2.4.2.3). Ist die abhängige Variable nominal skaliert und besitzen die unabhängigen Variablen metrisches Skalenniveau, so wird die Diskriminanzanalyse eingesetzt. Ziel dieser Analyse ist die Erklärung von vorgegebenen Gruppenunterschieden (vgl. Backhaus et al. 2016, S. 216 ff.). So wird ermittelt, ob zwischen a priori vorgegebenen Gruppen von Objekten (z. B. Käufer versus Nichtkäufer) signifikante Unterschiede hinsichtlich einzelner Merkmale (Alter, Einkommen etc.) bestehen. Gleichzeitig wird ermittelt, welche Linearkombination dieser Merkmale eine bestmögliche Trennung der vorgegebenen Gruppen erreichen lässt und welche relative Gewichtung den einzelnen Merkmalen bei der Trennung der Gruppen zukommt. Im Sinne eines Prognoseproblems lässt sich auf dieser Basis auch bestimmen, welcher der vorgegebenen Gruppen ein neu hinzukommendes Element (in Abhängigkeit seiner Merkmalsausprägungen) zugeordnet werden kann. Strukturgleichungsmodelle eignen sich zum einen für die Analyse komplexer Wirkungsbeziehungen, die über die Möglichkeiten der bisher genannten multivariaten Verfahren hinausgehen. Zum anderen können aber auch nichtbeobachtbare Variablen (sog. latente Variablen oder hypothetische Konstrukte) unmittelbar in die Modelle integriert
Umsatz (y)
α
a
tan α = b
Werbeaufwand (x)
Abb. 12 Beispiel einer Regressionsgeraden und einer Punktwolke
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Informationsgrundlagen des Marketing
werden (z. B. Einstellung gegenüber einer Marke). Sofern latente Variablen einbezogen werden sollen, ist neben dem sog. Strukturmodell (erklärt die Wirkungszusammenhänge zwischen den Variablen) noch ein sog. Messmodell zu spezifizieren (setzt die latenten Variablen in Beziehung zu geeigneten beobachtbaren Indikatoren). Ein Strukturgleichungsmodell kann sowohl latente als auch manifeste (beobachtbare) Variablen enthalten (vgl. Backhaus et al. 2015, S. 65 ff.; Hildebrandt 1983; Fritz 1995; Homburg et al. 2008b). Mit dem Begriff Conjoint-Analyse oder auch Conjoint Measurement bezeichnet man eine Gruppe psychometrischer Verfahren (vgl. Thomas 1979, S. 199). Genau genommen handelt es sich um eine Kombination aus Erhebungs- und Auswertungsverfahren für die Analyse von ordinal gemessenen Präferenzen. Das Ziel ist es, den Beitrag einzelner Merkmale von Objekten (z. B. verschiedene Eigenschaften von Produkten) zum Gesamtnutzen dieser Objekte zu bestimmen. Dafür werden ausgehend von erhobenen Gesamturteilen („Welches Produkt würden Sie kaufen?“) die Einzelbeiträge der jeweiligen Merkmale (Produkteigenschaften) errechnet (vgl. Mazanec 1976, S. 14; Backhaus et al. 2016, S. 517 ff.). Das Ergebnis sind Teilnutzenwerte, die jeweils einem Merkmal (konkrete Produkteigenschaft) zugeordnet werden können (vgl. Parasuraman 1986, S. 717). Es existieren verschiedene Verfahrensvarianten der Conjoint-Analyse, welche sich in Bezug auf die Erhebung der Präferenzurteile unterscheiden. Des Weiteren befinden sich innerhalb dieser verschiedenen Verfahren unterschiedliche Optionen zur Art der Erhebung, wie bspw. die Wahl des Schätzalgorithmus und der verwendeten Skala (vgl. Backhaus et al. 2016, S. 517 ff.). Die dargestellten multivariaten Methoden eignen sich vornehmlich, wenn auch nicht ausschließlich, für die Analyse von strukturierten Querschnittsdaten (d. h. Daten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt an verschiedenen Untersuchungsobjekten erhoben werden). Für die Analyse von Wirkungsbeziehungen unter Verwendung von strukturierten Längsschnittdaten (d. h. Daten, die zu mehreren Zeitpunkten an einem Untersuchungsobjekt erhoben werden) bieten sich hingegen vornehmlich Verfahren der Ökonometrie an (vgl. Wooldridge 2015). Daneben weisen ökonometrische Methoden den Vorteil auf, dass auch äußerst komplexe Wirkungsbeziehungen berücksichtigt werden können. Trotz vielfältiger Anwendungsformen in der Marketingforschung erfreuen sich insbesondere Vektorautoregressionsmodelle (VAR-Modelle) zunehmender Beliebtheit (vgl. Hanssens 2014, S. 99). VAR-Modelle haben den Vorteil, dass Zeitreihen (zeitliche Abfolgen von Daten) von mehreren Variablen simultan, d. h. in einem Modell berücksichtigt werden können (z. B. Absatzmenge, Werbeausgaben und Preise eines Produktes). In dieser Weise ist es möglich, Aussagen über die dynamischen Wirkungszusammenhänge zwischen den einzelnen Variablen zu machen (vgl. Asteriou und Hall 2011).
3.2.2 Methoden zur Verarbeitung von strukturierten Daten mit dem Ziel der Strukturentdeckung Methoden zur Strukturentdeckung werden – dem Namen zufolge – dafür eingesetzt, um Wirkungszusammenhänge zwischen Variablen zu entdecken. Die genauen Zusammenhänge zwischen den Variablen müssen dafür nicht näher spezifiziert werden. Auch für diesen
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Bereich kommen die gebräuchlichsten Methoden aus der Gruppe der multivariaten Analysemethoden, allerdings in Form der strukturentdeckenden Verfahren. Dazu zählen: Faktorenanalyse, Clusteranalyse sowie Multidimensionale Skalierung. Bei der Faktorenanalyse wird ohne eine Einteilung in abhängige und unabhängige Variablen eine gleichzeitige Auswertung mehrerer Variablen vorgenommen (vgl. Überla 1971; Harman 1976). Die Faktorenanalyse untersucht Variablenmengen, bei denen es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie von gemeinsamen Einflussgrößen (sog. Faktoren) abhängig sind, die selbst nicht direkt erfassbar sind. Das Hauptziel der Faktorenanalyse ist daher die Identifikation dieser Faktoren aus einer Menge beobachteter Variablen. Die Faktoren sollen inhaltlich möglichst homogen sein und die zahlreichen Ursprungsvariablen weitestgehend verdichten. Die Faktorenanalyse wird insbesondere dann eingesetzt, wenn eine Vielzahl von Variablen zu einer bestimmten Fragestellung vorliegt. Durch Einsatz der Faktorenanalyse können die einzelnen Variablen auf einige wenige Faktoren verdichtet werden (vgl. Backhaus et al. 2016, S. 385 ff.). Die Clusteranalyse hat zum Ziel, eine Anzahl von Objekten (z. B. Nachfrager, Produkte oder Unternehmen) entsprechend ihrer Ähnlichkeit in eine natürliche Ordnung von sich unterscheidenden Gruppen (sog. Cluster) zu bringen. Die dabei gebildeten Gruppen sollen sich dadurch auszeichnen, dass die in ihnen enthaltenen Objekte im Hinblick auf die untersuchten Eigenschaften oder Merkmalsausprägungen eine große Homogenität aufweisen, die Unterschiede zwischen den Gruppen aber möglichst groß sind (vgl. Backhaus et al. 2016, S. 453 ff.). Ein typischer Anwendungsbereich der Clusteranalyse in der Marketingforschung ist die Marktsegmentierung. Bei der Multidimensionalen Skalierung (MDS) handelt es sich um eine Gruppe von Verfahren, deren Ziel es ist, Objekte (z. B. Marken oder Einkaufsstätten) als Punkte in einem möglichst niedrig dimensionierten Raum (zwei- bzw. dreidimensional) derart zu positionieren, dass die geometrische Nähe die von den Befragten wahrgenommene Ähnlichkeit der Untersuchungsobjekte wiedergibt (vgl. Green und Wind 1973, S. 47; Dichtl und Schobert 1979, S. 1; Backhaus et al. 2015, S. 14 f.). Der Hauptanwendungsbereich der MDS sind Positionierungsanalysen. Beispiel
Als Beispiel für die häufig zu empfehlende Anwendung mehrerer multivariater Analysemethoden sei an dieser Stelle eine groß angelegte Marktforschungsstudie in Deutschland angeführt, in deren Rahmen bestimmt werden sollte, welche Faktoren den Kauf eines Autos beeinflussen. Die befragten Personen mussten Angaben zu ihrer Person machen (z. B. Alter, Herkunft etc.) und 22 Kriterien auf einer Skala von „überhaupt nicht wichtig“ bis „sehr wichtig“ beurteilen. Des Weiteren sollten zehn Herstellermarken entsprechend der von den Befragten wahrgenommenen Ähnlichkeit in einem zweidimensionalen, eigenschaftslosen Raum eingeordnet werden. Zunächst konnten die 22 Kriterien mithilfe der Faktorenanalyse auf fünf Faktoren komprimiert werden (Funktionalität, Außendesign, Innendesign, Preis/Kosten und Service). Die befragten
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Informationsgrundlagen des Marketing
Personen gaben bei den 22 Kriterien sehr unterschiedliche Urteile ab. Mithilfe der Clusteranalyse wurden die Personen daher in folgenden Gruppen zusammengefasst: Die „Kostenminimierer“, „Prestigefahrer“ und „Durchschnittsfahrer“. Mithilfe der Diskriminanzanalyse wurde festgestellt, dass vor allem der Faktor Preis/Kosten in der Lage ist, die mit der Clusteranalyse gefundenen Gruppen zu trennen. Ferner konnte durch die Varianzanalyse festgestellt werden, dass Personen, die aus Norddeutschland kommen, preissensibler als Personen aus Süddeutschland sind. Eine vor der Erstellung des Fragebogens geäußerte Vermutung, dass junge Personen vor allem eine hohe PS-Zahl präferieren, konnte anhand der Strukturgleichungsmodellierung bestätigt werden. Durch die geschickte Kombination von Statistik, Informatik und innovativer Datenmanagementsysteme hat sich der Bereich des Data Science entwickelt, der weitere, z. T. sehr leistungsfähige Algorithmen zur Entdeckung komplexer Wirkungszusammenhänge in strukturierten wie unstrukturierten Daten hervorgebracht hat. Im Kontext strukturierter Daten gibt es besonders viele Methoden (vgl. Hastie et al. 2009), sie können jedoch grob in die Bereiche überwachtes und unüberwachtes maschinelles Lernen (supervised bzw. unsupervised machine learning) unterteilt werden. Die überwachten Lernverfahren verfolgen das Ziel, vorab bekannte (aber nicht näher spezifizierte) Abhängigkeiten zwischen Variablen zu erlernen (das sog. Trainieren) und in ein Prognosemodell zu überführen (vgl. Chamoni und Gluchowski 2017, S. 11). Zu den gebräuchlichsten Methoden dieser Gruppe gehören Künstliche Neuronale Netzwerke und Entscheidungsbäume (Decision Trees) (vgl. Backhaus et al. 2015, S. 295 ff.; Hastie et al. 2009). Die unüberwachten Lernverfahren dagegen versuchen Muster in Daten zu finden, ohne dabei auf bereits bekannte Abhängigkeiten in den Daten zugreifen zu können. Derartig identifizierbare Muster können z. B. Assoziationen zwischen einzelnen Variablen (Dimensionsreduktion) oder Objekten (Clusterung) eines Datensatzes sein. In dieser Hinsicht überschneiden sich diese Ansätze mit den bereits genannten Methoden der Faktoren- und Clusteranalyse.
3.2.3 Methoden zur Verarbeitung von unstrukturierten Daten Unstrukturierte Daten erfordern ein grundlegend anderes Auswertungsinstrumentarium als strukturierte Daten. Demnach liegt der Hauptaufgabenbereich der Methoden zur Auswertung unstrukturierter Daten weniger in der quantitativen Analyse von Wirkungszusammenhängen, als vielmehr in der schrittweisen Strukturierung mehr oder weniger unstrukturierter Daten mit dem Ziel, implizit vorhandene Informationen herauszuarbeiten. Ein für die Marketingforschung besonders zentraler Anwendungsbereich stellt die Analyse von unstrukturierten Textdaten dar, wie etwa textbasierte Online-Rezensionen oder Nutzerbeiträge in sozialen Medien. Die dafür geeignete Methodik ist Text Mining, welche dem Bereich Data Science zugeordnet werden kann (vgl. Chamoni und Gluchowski 2017, S. 13). Text Mining bezeichnet den – weitgehend automatisierten – analytischen Prozess der Gewinnung von Informationen aus Textdokumenten (vgl. Hippner und Rentzmann 2006, S. 287). Im Anschluss an die Datensammlung (vgl. Abschn. 2.3) werden die Texte zu-
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nächst in einzelne Wörter oder Wortbestandteile zerlegt (sog. Terme), bevor sie mit verschiedenen Techniken der maschinellen Verarbeitung natürlicher Sprache analysiert werden. Dies beinhaltet z. B. eine morphologische Analyse zur Reduzierung der Terme auf ihren Wortstamm, eine syntaktische Analyse zur Markierung einzelner Textbestandteile (z. B. Subjekt, Prädikat, Objekt) oder eine semantische Analyse zur Ermittlung des Bedeutungszusammenhangs einzelner Terme. Anschließend werden die extrahierten Terme in eine sog. Term-Dokument-Matrix überführt, in der z. B. die Häufigkeiten der jeweiligen Terme pro Dokument angegeben werden (vgl. Hippner und Rentzmann 2006, S. 288 f.). Auf diese Weise erlangen die Texte eine Struktur, so dass sie in einem letzten Schritt mit „klassischen“ Methoden zur Auswertung strukturierter Daten analysiert werden können (vgl. Abschn. 3.2.1 und 3.3.2.2). Eine besondere Form des Text Mining ist die sog. Sentiment-Analyse, welche auf die Erfassung von in Texten enthaltenen Stimmungen abzielt. Hierfür werden, je nach Ausgestaltung der Analyse, ganze Texte oder einzelne Terme nach ihrer Tonalität, bspw. in positive, negative oder neutrale, aufgeteilt. Die möglichen Vorgehensweisen lassen sich in zwei Arten unterteilen. Zum einen wird mittels Methoden des überwachten maschinellen Lernens ein Klassifikationsmodell trainiert, welches in der Lage ist, Texte automatisch in positive, negative und neutrale Text zu klassifizieren (vgl. Abschn. 3.2.2). Zum anderen werden sog. lexikonbasierte Verfahren eingesetzt. Die Verfahren bewerten die Tonalität in Texten danach, wie häufig sie bestimmte Wörter aus vorliegenden Listen von positiven und negativen Wörtern beinhalten (vgl. Liu 2012).
4 Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements 4.1
Absatzprognosen
4.1.1 Begriff und Gegenstand der Absatzprognosen Die Vorausschätzung des Absatzes ist traditionell ein zentraler Gegenstand der Marketingforschung.
I Absatzprognose Unter Absatzprognose versteht man allgemein eine auf die
Empirie gestützte Vorhersage des zukünftigen Absatzes von Produkten eines Unternehmens an bestimmte Käuferschichten (Abnehmer) in einem bestimmten Zeitabschnitt und bei einer bestimmten absatzpolitischen Instrumentekombination (vgl. Meffert 1992, S. 333 ff.; Pepels 1995, S. 393).
Gegenstand von Absatzprognosen sind vor allem die zukünftige Entwicklung des Markt- und Absatzpotenzials, des Markt- und Absatzvolumens sowie des Marktanteiles (vgl. zur Definition Abschn. 1). Dabei ist zunächst zwischen Entwicklungs- und Wir-
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Informationsgrundlagen des Marketing
kungsprognosen zu unterscheiden. Entwicklungsprognosen zeigen die zu prognostizierende Größe (z. B. Umsatz, Marktanteil) in Abhängigkeit von Variablen, die die Unternehmen nicht direkt kontrollieren (z. B. Zeit). In Wirkungsprognosen wird demgegenüber die zu prognostizierende Größe durch Variablen bestimmt, die von den Unternehmen direkt kontrolliert werden können (z. B. absatzpolitisches Instrumentarium). Prognosetechniken kommen auch bei der Bestimmung von Kundenwerten bzw. Customer Lifetime Value-Berechnungen zum Einsatz. Hierbei geht es darum, die zukünftigen kundenspezifischen Ein- und Auszahlungsströme zu prognostizieren (vgl. Berekoven et al. 2009, S. 243 ff.). Eine weitere Unterscheidung von Prognosen kann hinsichtlich der Fristen ihrer Gültigkeit unternommen werden (vgl. Pepels 1995, S. 395 ff.). Kurzfristige Absatzprognosen reichen bis zu einem Jahr. Im Mittelpunkt steht die Vorhersage von Wochen- bzw. Monatswerten. Bei der langfristigen Prognose (zehn und mehr Jahre) ist demgegenüber der Charakter eines Zeitreihenverlaufes von besonderem Interesse. Es ist zu untersuchen, ob und in welcher Form die Absatzwerte bspw. einen Trend widerspiegeln. Nach der Art der Vorhersage kann zwischen quantitativen (exakten) und qualitativen (inexakten, intuitiven) Methoden unterschieden werden. Während die quantitativen Prognosen auf der Basis mathematischer Verfahren (z. B. Trendextrapolation) zu rechnerischen Ergebnissen führen, liefern die qualitativen Prognosen durch Ausschöpfung vorhandener Erfahrungen, Kenntnisse und Fingerspitzengefühl überwiegend verbale Aussagen (z. B. Expertenvorhersagen) (vgl. Koch 2016, S. 229 ff.).
4.1.2 Quantitative Prognosemethoden Im Rahmen kurzfristiger Absatzprognosen werden in der Marketingforschung vor allem die Methode der gleitenden Durchschnitte und die Methode der exponentiellen Glättung, für langfristige Absatzprognosen insbesondere Trend- und Indikatormodelle herangezogen. Die Methode gleitender Durchschnitte berechnet aus einer Reihe von Beobachtungswerten einen Mittelwert, der als Schätzung für den Erwartungswert der folgenden Periode herangezogen wird: Die Bezeichnung „gleitende“ Durchschnitte ist darauf zurückzuführen, dass bei Vorliegen eines neuen Beobachtungswertes dieser an die erste Stelle tritt. Dafür rücken die übrigen Werte eine Zeiteinheit zurück und der älteste Wert fällt aus der Berechnung heraus. Allen Daten wird somit das gleiche Gewicht zugeordnet (vgl. Berekoven et al. 2009, S. 246). Üblicherweise haben jüngere Daten eine größere prognostische Relevanz als weiter im Zeitablauf zurückliegende Werte. Durch Einführung spezieller Gewichte erreicht man meist eine höhere Güte der Anpassung, insbesondere dann, wenn trendähnliche Tendenzen zu vermuten sind. Ein Verfahren, das dies berücksichtigt, wird als gewogener gleitender Durchschnitt bezeichnet (vgl. umfassend Pepels 1995, S. 409). Das Hauptproblem beim gewogenen Durchschnitt stellt die Bestimmung der Gewichtungskoeffizienten dar. Diese werden entweder subjektiv oder nach dem Kriterium der Reproduktionsfähigkeit historischer Werte mittels Fehlerminimierung aufgestellt. Das Prognoseverfahren der exponentiellen Glättung gilt als eine Weiterentwicklung des gewogenen Durchschnittes. Es gehört zum Standardprogramm in computergestütz-
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Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements
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ten Prognoserechnungen der Praxis. Auch bei diesem Verfahren wird unterstellt, dass die aktuellsten Werte eine höhere prognostische Relevanz aufweisen und damit stärker zu gewichten sind als weiter im Zeitablauf zurückliegende Werte (vgl. umfassend Hüttner 1982, S. 97 f.; Hansmann 1983, S. 28; Koch 2016, S. 299). Unter der Annahme eines tatsächlich über die Zeit konstanten Erwartungswerts ist es bei den bisher vorgestellten Methoden sinnvoll, eine möglichst große Zahl von Beobachtungen in die Mittelwertberechnung einfließen zu lassen. Mit steigender Anzahl sinkt die Varianz, und die Genauigkeit des Prognosewertes steigt. Im Unterschied zu den Kurzfristprognosen, die nur einen Prognosewert für die jeweils folgende Periode ermitteln, ist das Ziel langfristiger Prognosen, eine zeitliche Abfolge unterschiedlicher Prognosewerte zu berechnen. Zu diesen Modelltypen zählen primär Trend- und Indikatorprognosen. Sie ermitteln aus historischem Datenmaterial Gesetzmäßigkeiten bezüglich der Entwicklung der Prognosegröße. Der Grundgedanke aller Trendverfahren ist die Verknüpfung der Beobachtungswerte mit der Zeit. Zwar unterliegt die Entwicklung einer Zeitreihe der Wirkung einer Vielzahl von Ursachen (z. B. Instrumenteeinsatz, Käuferverhalten), deren Wirkung wird jedoch bewusst als Gesetzmäßigkeit für die Zukunft unterstellt, um eine Prognose zu erstellen (Trendextrapolation). Zur Ermittlung der Parameter einer Trendfunktion sind analytische Verfahren anzuwenden. Gewöhnlich bedient man sich der Methode der „kleinsten Quadrate“ oder der „Maximum-Likelihood“-Methode (vgl. umfassend Menges 1972, S. 298 ff.; Koch 2016, S. 238 ff.). Da bei beiden Verfahren der Funktionstyp vorher bestimmt sein muss, wird dieser zunächst auf grafischem Wege ermittelt. Anschließend werden mithilfe analytischer Methoden die Parameter geschätzt. Die Wahl des Funktionstyps bei der Ermittlung der Trendfunktion ist von besonderer Bedeutung. Es wird zwischen linearen, exponentiellen und logistischen Trends unterschieden (vgl. Abb. 13). Der lineare Trendtyp findet am häufigsten Verwendung, da er rechnerisch einfach zu handhaben ist und eine leichte Bestimmung des Prognosewertes durch eine einfache Verlängerung der Trendgeraden erlaubt. Der lineare Trend ist durch gleichbleibende absolute Zuwächse oder Abnahmen pro Zeiteinheit gekennzeichnet. Im Fall einer Absatzfunktion schließt ein linear ansteigender Trend eine Marktsättigung aus. Lineare Trends unterstellen eine unveränderte Markt- und Wettbewerbssituation und werden insofern den in der Realität oftmals diskontinuierlichen Entwicklungen nicht gerecht. Bei dem exponentiellen Trendtyp ist die Zuwachsrate pro Zeiteinheit der zu prognostizierenden Variablen konstant. Das exponentielle Modell ist besonders dann geeignet, wenn Bestands- oder Absatzentwicklungen in zunehmend steigender Weise erfolgen (z. B. zu Beginn des Lebenszyklus eines Produktes). Der logistische Trend berücksichtigt für die Prognosegröße ein Marktsättigungsniveau, das vom Modellbenutzer vorgegeben werden muss. Die logistische Kurve zeigt z. B. die Entwicklung des Marktpotenzials vom Zeitpunkt der Markteinführung bis zur Sättigung. Die Funktion verläuft bis zu ihrem Wendepunkt zunächst progressiv steigend, um dann in eine degressive Entwicklung überzugehen. Sie eignet sich besonders für die
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Prognose der Bestandsentwicklung langlebiger Produkte (z. B. Haushaltsgeräte, Autos, Computer). Als Indikatormodelle werden Entwicklungsprognosen bezeichnet, bei denen die Vorhersage aus einem statistisch gesicherten Zusammenhang zwischen der Prognosegröße und einer oder mehreren beeinflussenden Variablen (Indikatoren) abgeleitet wird. Indikatoren sind Variablen, auf die die Unternehmung nur einen geringfügigen Einfluss hat, von denen die Entwicklung des Absatzes jedoch wesentlich bestimmt wird. Die Indikatorprognose hat gegenüber der Trendextrapolation den Vorteil, dass die bisherige Entwicklungsrichtung nicht beibehalten werden muss (vgl. umfassend Hansmann 1983, S. 104 ff.; Pepels 1995, S. 415 f.; Koch 2016, S. 300 f.). Wirkungsbedingte Absatzprognosen beruhen auf Marktreaktionsfunktionen. Sie zeigen den Verlauf ökonomischer und psychographischer Zielvariablen (z. B. Umsatz, Absatz, Bekanntheitsgrad, Einstellungen) in Abhängigkeit von den jeweils veränderten Aktionsparametern bzw. Aktivitätsniveaus der Marketinginstrumente (vgl. Meffert und Steffenhagen 1977; Steffenhagen 1978; Pepels 1995, S. 416 f.; Koch 2016, S. 293 ff.). Die prognostische Verwendung von Marktreaktionsfunktionen ermöglicht es, bei unterschiedlichen Reaktionsannahmen des Konkurrenzverhaltens die Wirkungen einzelner oder mehrerer Marketinginstrumente auf ihre voraussichtliche Absatzwirkung vorherzusagen. Damit wird eine wesentliche Voraussetzung geschaffen, einen optimalen Marketing-Mix zu planen (vgl. Schmidt und Topritzhofer 1978, S. 228 f.; Hanssens et al. 1990; Lilien et al. 1992, S. 523 ff.).
yt Absatz
exponentieller Trend II III logistischer Trend I linearer Trend
X = Beobachtungswerte
Abb. 13 Grundformen von Trendfunktionen
t Jahre
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Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements
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4.1.3 Qualitative Absatzprognosen Neben den quantitativen Prognosen, die auf der Basis von Vergangenheitsdaten den Absatz der Zukunft vorausberechnen, haben in der Unternehmenspraxis die qualitativen oder intuitiven Absatzprognosen an Bedeutung gewonnen (vgl. Hüttner und Schwarting 2002, S. 379 f.; Wöller 1999). Zur Absatzentwicklung können die Geschäftsführung und die Verkaufsorganisation sowie der Handel und die Endverbraucher Vorausschätzungen abgeben. Bei Prognosen durch die Geschäftsführung werden die Leiter der einzelnen Geschäftsbereiche zu der erwarteten Verkaufsentwicklung der Produkte oder Produktgruppen befragt. Der Prognosewert ergibt sich aus der Summierung und anschließenden Mittelung der Ergebnisse. Die Vorteile dieses Verfahrens liegen in der raschen Durchführung, der Nutzung langfristig gewonnenen Expertenwissens und dem besonderen Urteilsvermögen der Experten. Die Gefahr unrealistischer Prognosen resultiert bspw. aus Eigeninteressen einzelner Bereichsmanager, die zur Sicherung zukünftiger Ressourcen überhöhte Schätzungen abgeben. Eine große Zahl von Firmen erstellt ihre Prognosen durch die Befragung des Außendienstes (sog. „Sales Force Composite Method“) (vgl. Eby und O’Neill 1977, S. 23 ff.; Lilien et al. 1992, S. 361 ff.). Danach werden die Verkäufer aufgefordert, den zu erwartenden Absatz in ihrem Bereich zu schätzen. Die so ermittelten Prognosen werden von den Verkaufsleitern gesammelt, u. U. korrigiert und schließlich an übergeordnete Stellen weitergegeben. Das Verfahren ist schnell durchzuführen, verursacht geringe Kosten und bietet den Vorteil, von Personen mit spezifischen Marktkenntnissen Gebrauch zu machen. Falls Fehler in den Einzelurteilen auftreten, werden sie durch die zumeist große Zahl der Befragten ausgeglichen. Auch bei dieser Methode kann es jedoch zu Fehlprognosen kommen. Zu niedrig wird der Absatz möglicherweise dann prognostiziert, wenn der Verkäufer davon ausgeht, dass seine Prognose in die Sollvorgabe der nächsten Periode eingeht und mit einer Änderung der Provisionssätze verbunden sein könnte. Darüber hinaus fehlt dem einzelnen Verkäufer vielfach die Übersicht, um Tendenzen zu erkennen oder die Wirkung des geplanten Marketinginstrumenteeinsatzes zu antizipieren. Die Einzelprognosen können schließlich auch deshalb falsch sein, weil das zeitraubende Ausfüllen von Außendienstberichten nicht sorgfältig durchgeführt wird. Befragungen von Händlern finden statt, wenn die Prognose auf die Geschäftspolitik des Handels selbst gerichtet ist (z. B. Neuaufnahme von Produkten in das Sortiment). Bedenklich ist die Anwendung des Verfahrens, wenn auf diesem Wege Informationen über das Verbraucherverhalten als Basis der Prognose gewonnen werden sollen. Der Händler steht zwar im engen Kontakt mit dem Kunden, seine Beobachtungen sind aber eher zufällig und lückenhaft. Ferner können Angaben häufig durch massive Eigeninteressen gefärbt sein (überhöhte Angaben bei Produkten mit lukrativen Spannen). Durch die Aggregation der Kaufabsichten der einzelnen Abnehmer lassen sich durch Kundenbefragungen Absatzprognosen aufstellen. Für den Investitionsgüterbereich ist die Abnehmerbefragung am besten durchführbar. Wenn der Abnehmerkreis überschau-
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Informationsgrundlagen des Marketing
bar ist, seine Investitionsvorhaben bis hin zur Einkaufsentscheidung spezifiziert sowie die einkaufsentscheidenden Personen bekannt und auskunftswillig sind, stellt die Befragungsmethode ein ideales Prognoseverfahren dar. Diese Voraussetzungen sind jedoch nur in den wenigsten Fällen erfüllt. Problematischer sind Abnehmerbefragungen im Konsumgüterbereich. Da der Kreis potenzieller Abnehmer fast immer sehr groß und anonym ist, besteht die Notwendigkeit, sich auf eine bestimmte Stichprobe zu konzentrieren. Neben den damit einhergehenden Einschränkungen hinsichtlich der Repräsentativität der Aussagen liegen weitere Probleme in der mangelnden Auskunftsbereitschaft und den hohen Erhebungskosten. Des Weiteren kann es nicht als sicher angenommen werden, dass die Kaufpläne der Nachfrager über den Prognosezeitraum soweit festgelegt sind, dass sie sich als konkrete Kaufentscheidungen erfragen lassen. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Befragung nur in seltenen Fällen eine gesicherte Basis für die Absatzprognose darstellt. Bewährt haben sich allenfalls unternehmensinterne Befragungen bei Kurzfristprognosen. Im Rahmen von Langfristprognosen werden häufig Expertenurteile bevorzugt (vgl. Koch 2016, S. 293 ff.). Im Übrigen erhalten Befragungen dann einen gewissen Wert, wenn sie mit den Methoden der quantitativen Prognose gekoppelt und zur Interpretation der quantitativen Ergebnisse herangezogen werden.
4.2
Marktsegmentierung
4.2.1 Gegenstand, Ziele und Komponenten der Marktsegmentierung Die Marktsegmentierung ist eines der am meisten diskutierten Konzepte des Marketing. Seit den ersten Beiträgen zur Marktsegmentierung in den 1950er Jahren (vgl. Hummel 1954; Smith 1956) ist eine Vielzahl von Ansätzen und Konzepten entwickelt worden, deren Ursprung in volkswirtschaftlichen Überlegungen zur Abgrenzung von Märkten zu finden ist (vgl. Horst 1988, S. 350 ff.; Bauer 1989, S. 46 ff.; Backhaus und Voeth 2014, S. 122 ff.). Trotz der z. T. sehr unterschiedlichen Vorgehensweise beruhen die verschiedenen Ansätze zur Marktsegmentierung auf der gleichen Grundidee: Setzt sich ein Gesamtmarkt aus einer Vielzahl aktueller und potenzieller Nachfrager zusammen und sind diese Nachfrager durch unterschiedliche Bedürfnisse bezüglich der relevanten Produkte gekennzeichnet, so besteht die Möglichkeit, mittels bestimmter Merkmale der Nachfrager den Gesamtmarkt in intern homogene Teilmärkte aufzuteilen, d. h. zu segmentieren. Damit kann den heterogenen Bedürfnissen der Marktsegmente durch differenzierte Marktleistungen entsprochen werden. Eine derartige Ausrichtung der Unternehmensaktivitäten am Nachfrager entspricht dem Grundgedanken des Marketing.
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Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements
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I Marktsegmentierung Unter Marktsegmentierung wird die Aufteilung eines
Gesamtmarktes in bezüglich ihrer Marktreaktion intern homogene und untereinander heterogene Untergruppen (Marktsegmente) sowie die Bearbeitung eines oder mehrerer dieser Marktsegmente verstanden (vgl. Schreiber 1973, S. 9 ff.; Bauer 1977, S. 59 ff.; Freter 1983, S. 18; Homburg 2017, S. 484).
Marktsegmentierung umfasst demnach nicht nur den Prozess der Marktaufteilung (Marktsegmentierung im engeren Sinne), wenngleich in der Vergangenheit vereinzelt diese Auffassung vertreten wurde und hierin lange Zeit ein Schwerpunkt der forscherischen Aktivitäten lag (vgl. Frank et al. 1972, S. 11 ff.). Vielmehr beinhaltet die Marktsegmentierung zusätzlich die gezielte Bearbeitung von Marktsegmenten mithilfe segmentspezifischer Marketingprogramme und stellt somit ein integriertes Konzept der Markterfassung und -bearbeitung dar. Damit ist die Marktsegmentierung im engeren Sinne mit der Situationsanalyse verknüpft, während die Entscheidungen über die Auswahl und gezielte Bearbeitung der Marktsegmente im Rahmen der strategischen Marketingplanung erfolgen. Hauptziel der Marktsegmentierung ist es, einen hohen Identitätsgrad zwischen der angebotenen Marktleistung und den Bedürfnissen der Zielgruppen zu erreichen. Die Marktsegmentierung dient somit einerseits der Marktidentifizierung, die im Einzelnen – die Abgrenzung des relevanten Produktmarktes, – die Ermittlung der relevanten Marktsegmente innerhalb des Produktmarktes und – das Auffinden von Marktlücken umfasst, sowie andererseits der besseren Befriedigung der Nachfragerbedürfnisse durch den differenzierten Einsatz der Marketinginstrumente. Darüber hinaus dient die Marktsegmentierung dazu, den Informationsstand über Strukturen und Gesetzmäßigkeiten des Marktes zu erhöhen. Gelingt es, den Gesamtmarkt in homogene Teilmärkte zu zerlegen, so wird damit auch die Prognose von Marktentwicklungen und die Herleitung von Marktreaktionsfunktionen erleichtert. Damit wird eine zieladäquate Allokation des Marketingbudgets möglich. Markterfassung und Marktbearbeitung erfordern unterschiedliche Entscheidungen und weisen eine Vielzahl spezifischer Fragestellungen auf. Die sich hieraus ergebenden verschiedenen Komponenten der Marktsegmentierung sind in Abb. 14 dargestellt. Bei der Markterfassung stehen zum einen verhaltenswissenschaftliche Aspekte im Vordergrund (kaufverhaltensorientierter Ansatz), zum anderen geht es um mathematischstatistische Verfahren zur Analyse der verhaltenswissenschaftlich relevanten Zusammenhänge (methodenorientierter Ansatz).
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Informationsgrundlagen des Marketing
Marktsegmentierung
Informationsseite: Markterfassung
Erklärungsmodelle des Kaufverhaltens
Informationsgewinnung
kaufverhaltensorientierter Ansatz
Aktionsseite: Marktbearbeitung
Informationsverarbeitung
methodenorientierter Ansatz
Auswahl von Segmenten
segmentspezifischer Einsatz der Instrumente
managementorientierter Ansatz
Marktsegmentierung im engeren Sinne
Marktsegmentierung im weiteren Sinne
Abb. 14 Komponenten der Marktsegmentierung (Quelle: In Anlehnung an Freter 2008, S. 27)
Analyse des Käuferverhaltens: Hierbei steht die Auswahl von Segmentierungsmerkmalen wie etwa die Preissensitivität von Nachfragern im Vordergrund. Die Festlegung solcher Merkmale erweist sich allerdings vielfach als problematisch, da die Verwendung unterschiedlicher Kriterien zumeist auch verschiedene Segmentlösungen nach sich zieht (vgl. Kuhlmann 1979; Stegmüller und Hempel 1996; Homburg 2017, S. 487). Mathematisch-statistische Methoden: Bei diesen Verfahren handelt es sich vor allem um die multivariaten Verfahren der Cluster-, Diskriminanz- und Faktorenanalyse sowie in zunehmendem Maße um die Methoden der Multidimensionalen Skalierung (MDS) und des Conjoint Measurement (vgl. Homburg et al. 2008a; Backhaus et al. 2015; 2016). Bei der Marktbearbeitung steht der Einsatz des Marketinginstrumentariums im Vordergrund. Hier sind die Auswahl der Zielsegmente, die unterschiedlichen Strategien der Segmentabdeckung und die Ausgestaltung segmentspezifischer Marketing-MixProgramme festzulegen (managementorientierter Ansatz). Grundvoraussetzung für die Erfassung von Marktsegmenten ist, dass die aktuellen und potenziellen Nachfrager Unterschiede im Kaufverhalten und in der Reaktion auf den Ein-
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Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements
217
satz der Marketinginstrumente aufweisen. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, ist eine Marktsegmentierung nicht sinnvoll. Aber auch wenn derartige Unterschiede bestehen, ist es nicht immer lohnend, den Markt zu segmentieren und die Segmente differenziert anzusprechen. Eine differenzierte Marktbearbeitung sollte nur dann erfolgen, wenn die Kosten der Markterfassung und -bearbeitung durch die zusätzlichen Erlöse überkompensiert werden. Daher muss eine Marktsegmentierung die Entstehung von hinreichend großen und ökonomisch interessanten Marktsegmenten zur Folge haben.
4.2.2 Erfassung von Marktsegmenten 4.2.2.1 Abgrenzung des relevanten Marktes Bevor in einem Markt Segmente identifiziert werden können, gilt es zunächst, den relevanten Markt festzulegen. Grundsätzlich kann der Markt
Tab. 3 Anbieter-, produkt- und nachfragerorientierte Ansätze zur Abgrenzung des relevanten Marktes (RM) im Überblick Orientierung Anbieter- und produktorientierte Ansätze
Konzept Konzept der physisch-technischen Ähnlichkeit Konzept der Kreuzpreiselastizität Konzept der Wirtschaftspläne Konzept der funktionalen Ähnlichkeit
Nachfragerorientierte Ansätze
Konzept der subjektiven Austauschbarkeit Substitution-inuse-Ansatz
KaufverhaltensAnsätze
Konzept der Kundentypendifferenzierung
Aussage RM umfasst alle Produkte, die sich nach Stoff, Verarbeitung, Form, technischer Gestaltung gleichen RM umfasst alle Produkte, die sich durch eine hohe Kreuzpreiselastizität auszeichnen RM umfasst alle Konkurrenzprodukte, die ein Anbieter bei seinen Absatzplanungen berücksichtigt RM umfasst alle Güter, die das gleiche Grundbedürfnis bzw. die gleiche Funktion erfüllen RM umfasst alle Produkte, die vom Verwender als subjektiv austauschbar angesehen werden RM umfasst alle Produkte, die für den Verwender in einer bestimmten Ge- und Verbrauchssituation den gleichen Nutzen stiften RM umfasst alle Produkte, die auf der Grundlage des realen Kauf-/Nutzungsverhaltens als substituierbar zu kennzeichnen sind RM umfasst alle Produkte, die von den gleichen Kundentypen nachgefragt werden
Vertreter Marshall (1925) Triffin (1947)
Schneider (1969) Abbott (1955) und Arndt (1966, 1973) Dichtl et al. (1977) Srivastava et al. (1984)
Fraser und Bradford (1983) Kotler (1984)
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Informationsgrundlagen des Marketing
sachlich (Welche Art von Leistungen werden im Markt angeboten?), zeitlich (Ist der Markt zeitlich begrenzt?) und räumlich (Ist der Markt lokal, regional, national oder international begrenzt?) abgegrenzt werden. Während die räumliche und zeitliche Abgrenzung i. d. R. keine Probleme aufwirft, ist die Frage der sachlichen Marktabgrenzung bis heute umstritten und nicht endgültig gelöst. Die Beantwortung der Frage nach der sachlichen Marktabgrenzung erscheint zunächst recht simpel, allerdings werden hierbei in der Unternehmenspraxis häufig grundlegende Fehler gemacht, die folgenschwere Fehlentscheidungen nach sich ziehen können. Bereits in den 1960er Jahren hat Theodore Levitt unter dem Stichwort „Marketing Myopia“ darauf hingewiesen, dass die Märkte in der Praxis oft zu eng definiert werden (vgl. Levitt 1975). Grundsätzlich werden in der Literatur anbieter- und produktorientierte von nachfragerorientierten Ansätzen der Marktabgrenzung unterschieden (vgl. Kaufer 1967; Oberender 1975; Dichtl et al. 1977; Abell 1980; Bartling 1980; Fraser und Bradford 1983; Srivastava et al. 1984; Bauer 1989; Backhaus und Voeth 2014, S. 129 ff.), die im Überblick in Tab. 3 dargestellt sind und im Folgenden näher erläutert werden. 4.2.2.1.1
Anbieter- und produktbezogene Ansätze der Marktabgrenzung
Nach dem Konzept von Marshall werden alle Unternehmen zu einem Markt zusammengefasst, die ein physisch-technisch ähnliches Gut herstellen. Das Abstellen auf die objektive Beschaffenheit der Güter („performance space“) widerspricht allerdings dem Marketingdenken (vgl. Marshall 1925; Backhaus und Voeth 2014, S. 131). Entscheidend sollte allein die subjektive Bewertung auf Seiten des Verbrauchers sein. So ist etwa denkbar, dass der Verbraucher physisch-technisch ähnliche Produkte nicht als verwandt empfindet oder aber ähnliche Produkte ganz andere intendierte Funktionen besitzen, z. B. bei pharmazeutischen Produkten in der Medizin. Es könnte daher passieren, dass der Markt zu weit oder zu eng abgegrenzt wird. Nach dem auf Triffin zurückgehenden Konzept wird ein Markt von denjenigen Gütern bzw. Leistungen gebildet, die durch eine hohe Kreuzpreiselastizität miteinander verbunden sind (vgl. Triffin 1947). Die Kreuzpreiselastizität (T) ist definiert als das Verhältnis zwischen der relativen Änderung der Nachfragemenge (x) eines Gutes (i) und der sie bewirkenden relativen Änderung des Preises (p) eines anderen Gutes (k): TD
dxi dpk W : xi pk
(1)
Sie stellt ab auf die mengenmäßige Reaktion der Nachfrager von Gut (i) bei Preisänderungen anderer Güter, in diesem Fall von Gut (k). So lässt sich aufgrund des Vorzeichens der Kreuzpreiselastizität feststellen, ob zwischen Gütern eine Substitutions- oder Komplementaritätsbeziehung besteht. Wird bspw. von einer engen Substitutionsbeziehung zwischen Streichhölzern und Feuerzeugen ausgegangen, so führt eine Preiserhöhung bei Feuerzeugen ceteris paribus zu
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Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements
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einer Mehrnachfrage nach Streichhölzern; die Kreuzpreiselastizität ist in diesem Fall positiv. Umgekehrt löst im Fall einer Komplementaritätsbeziehung – z. B. bei Zigaretten und Streichhölzern oder Feuerzeugen – eine Preiserhöhung des einen Gutes eine Mindernachfrage des anderen Gutes aus. Die Kreuzpreiselastizität ist negativ. Je größer die Kreuzpreiselastizität ist, desto enger ist die Substitutions- bzw. Komplementaritätsbeziehung. Die einzelnen Märkte werden durch sog. Substitutionslücken („isolated selling“) voneinander getrennt. Sie entstehen dadurch, dass kein „fühlbarer“ Zusammenhang zwischen Preisänderungen des einen Gutes und Mengenänderungen des anderen Gutes besteht. Auf diese Weise lässt sich feststellen, wann es sich um einen oder verschiedene Märkte handelt. Die Kreuzpreiselastizität ist eine statische Größe. Ihre Aussagefähigkeit ist von der Verwirklichung der Ceteris-paribus-Bedingung (Unveränderlichkeit aller übrigen Einflussfaktoren der Nachfrage, z. B. anderer Marketinginstrumente) abhängig. Offen ist zudem, ab welcher Schwelle auf der von 0 bis 1 reichenden Werteskala die Substitutionslücke festzulegen ist, die eine Grenze des relevanten Marktes bestimmt, d. h. ab wann der Zustand der Konkurrenz gegeben sein soll. Außerdem erweist es sich als schwierig, den Einfluss neuer Produkte, für die es noch keine reale Nachfrage gibt, zu untersuchen (vgl. Bauer 1989, S. 55). Insgesamt gesehen wirft die praktische Verwendung der Kreuzpreiselastizität erhebliche Datengewinnungsprobleme auf. Aus der Sicht des Marketing erscheint es schließlich fraglich, etwaige Substitutionsprozesse allein auf preispolitische Aktivitäten und nicht zugleich auch auf die übrigen Marketingmaßnahmen des Anbieters sowie Veränderungen des Konkurrenzverhaltens oder auch technologische Entwicklungen als Ursache für Nachfrageverschiebungen zurückzuführen (vgl. Dichtl et al. 1977; Backhaus und Voeth 2014, S. 131 f.). Beim Konzept der subjektiven Wirtschaftspläne (vgl. Schneider 1969) wird der individuelle Wirtschaftsplan des Unternehmens von der Einschätzung, wie die Konkurrenten reagieren werden, bestimmt. Ein Unternehmen bildet dann zusammen mit anderen Anbietern einen Markt bzw. steht mit diesen in einer Konkurrenzbeziehung, wenn es damit rechnet und in seinen Planungen berücksichtigt, dass sein Absatz nicht allein vom Einsatz der eigenen Aktionsparameter, sondern auch von den Aktionsparametern der anderen Anbieter abhängig ist. Dem Markt werden also diejenigen Unternehmen zugerechnet, die aufgrund subjektiver Erwartungen bei den eigenen Planungen einbezogen werden (vgl. Oberender 1975, S. 576). Eine derart subjektive Interpretation des Marktes aus der Sicht der Unternehmung wirft erhebliche Operationalisierungsprobleme auf (vgl. Bartling 1980). Im Übrigen ist es fraglich, wie derartige Informationen, insbesondere über Details der Wirtschaftspläne von Wettbewerbern, überhaupt verfügbar gemacht werden können (vgl. Dichtl et al. 1977). Das Konzept hat daher nur geringe praktische Bedeutung. Beim Konzept von Abbott (1955) und Arndt (1966, 1973) wird von der Funktion bzw. dem Bedürfnisbefriedigungspotenzial der Güter ausgegangen. Es handelt sich hierbei um ein Konzept, welches sowohl produkt- als auch nachfragerbezogen ist. Dabei werden all
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Informationsgrundlagen des Marketing
diejenigen Güter, die grundsätzlich eine bestimmte Bedürfnisart befriedigen können, z. B. Stillen des Durstes oder Hungers, zu einem Markt zusammengefasst. In dieser Hinsicht stellt dieses Konzept eine zweckbezogene Weiterentwicklung des Konzeptes der physisch-technischen Ähnlichkeit dar, und zwar insofern, als physischtechnisch ähnliche Produkte ganz unterschiedliche Funktionen erfüllen können. Dennoch weist auch dieses Konzept gewisse Mängel auf. Zunächst bereiten sowohl eine Klassifikation der Bedürfnisse als auch die Zuordnung von Gütern zu Bedürfnisarten erhebliche Probleme. Zum anderen kann nicht a priori davon ausgegangen werden, dass die für die Bedürfnisbefriedigung relevanten Produkte als solche von den Nachfragern wahrgenommen werden bzw. dass die angestrebte Wirkungsweise der Produkte erkannt und akzeptiert wird. 4.2.2.1.2
Nachfragerbezogene Ansätze der Marktabgrenzung
Letztendlich bestimmt der Nachfrager durch die von ihm wahrgenommenen Substitutionsbeziehungen zwischen Produkt- bzw. Dienstleistungen den relevanten Markt. Auf die subjektiv empfundene Substituierbarkeit stellen sowohl das Konzept von Schneider als auch das Konzept der verwenderorientierten subjektiven Austauschbarkeit ab (vgl. Dichtl et al. 1977). Dieses Konzept, das auch als Konzept des „Evoked Set“ bezeichnet wird (vgl. Campbell 1969; Homburg 2017, S. 107 f.), geht ebenso wie das Konzept der funktionalen Ähnlichkeit von der Bedürfnisbefriedigungskapazität von Produktalternativen aus, also vom subjektiven Wahrnehmungsraum der Nachfrager. Allerdings wird bei diesem Konzept der Umfang des relevanten Marktes nicht von sämtlichen Produktalternativen gebildet, sondern lediglich von der Teilmenge, die bei einem Verbraucher ins Bewusstsein tritt (Evoked Set). Entscheidend ist also, dass es sich dabei nur um „einen subjektiv wahrgenommenen Ausschnitt aus dem gesamten Spektrum an Möglichkeiten handelt“ (Dichtl et al. 1977, S. 293). So könnte bspw. ein Hersteller von Surfboards Konkurrenzprodukte in seinem Wirtschaftsplan berücksichtigen, die dem kaufenden Nachfrager gar nicht bekannt sind und die er somit auch nicht als Substitutionsmöglichkeit betrachtet. Der Hersteller würde folglich den relevanten Markt weiter definieren als er tatsächlich ist. Eine Weiterführung des Konzeptes der subjektiven Substituierbarkeit kann im „Substitution-in-use“-Ansatz gesehen werden (vgl. Srivastava et al. 1984). Er stellt auf die Erkenntnis ab, dass die Substituierbarkeit von Produkten nur unter Berücksichtigung einer spezifischen Verwendungssituation erfasst werden kann. Somit sind es nicht ähnliche, den Produkten inhärente Nutzenkomponenten, die deren Austauschbarkeit bedingen, sondern der in einer bestimmten Verwendungssituation vom Nachfrager gewünschte Nutzen (vgl. Bauer 1989, S. 123). Beispiel
Bspw. werden an Motorenöle in Abhängigkeit der Motorleistung und -belastung unterschiedliche Anforderungen gestellt. Ebenso können die Ansprüche an das Produkt „Rasen“ je nach Verwendungssituation sehr unterschiedlich sein. Steht die schnelle
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Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements
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Nutzbarkeit des Rasens im Mittelpunkt, steht der natürliche Rollrasen mit Kunstrasen im Wettbewerb. Spielt hingegen die zeitliche Verfügbarkeit des Rasens keine Rolle, steht der Rollrasen mit dem einfachen Rasensamen (Aussaat) im Wettbewerb. Der Substitutionsgrad kann zum einen aufgrund der Ähnlichkeit von Verwendungszwecken, in denen Produkte zur Anwendung kommen, oder einer individuellen Einschätzung der Substituierbarkeit von Produkten unter Vorgabe bestimmter Verwendungssituationen durch den Nachfrager ermittelt werden. Die situative Relativierung der Substitutionsbeziehungen von Produkten führt zu einer sehr differenzierten Abgrenzung des relevanten Marktes. Nicht zu übersehen sind jedoch die erhöhten Anforderungen an die Informationsgewinnung und Urteilskraft der Nachfrager. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass zwischen dem bekundeten und dem tatsächlichen Substitutions- und Kaufverhalten eine Divergenz besteht. Letztendlich wird der relevante Markt immer durch das reale Nachfragerverhalten bestimmt. Ob Nachfrager Produkte für austauschbar halten und damit zu einem Markt zugehörig ansehen, manifestiert sich im konkreten Kaufverhalten. Die am Kaufverhalten orientierten Ansätze (vgl. Fraser und Bradford 1983) stellen auf das mithilfe von Paneldaten erfasste Wechselverhalten bzw. den Produkt- und Markenwechsel der Nachfrager ab. Diesen Ansätzen wird zumeist eine besonders hohe Eignung zur Bestimmung des relevanten Marktes zugesprochen. Allerdings besteht eine berechtigte Kritik darin, dass diesen Ansätzen eine Black-Box-Betrachtung der Ist-Situation zugrunde liegt, die Ursachen der Austauschbarkeit von Produkten jedoch nicht aufgezeigt werden (vgl. Bauer 1989, S. 153 ff.). Darüber hinaus wird eine Reihe messtechnischer Probleme (Vorabbestimmung austauschbarer Produkte etc.) aufgeworfen. Hieraus wird deutlich, dass ein idealer Ansatz der Marktabgrenzung eine Verknüpfung von psychographischen (wahrgenommene Substituierbarkeit, Nutzen) und verhaltensbezogenen Abgrenzungskriterien (realer Kauf) sicherstellen muss. 4.2.2.2 Kriterien zur Marktsegmentierung Nachdem der relevante Markt abgegrenzt wurde, können in einem weiteren Schritt Marktsegmente identifiziert werden. Zur Aufteilung eines Gesamtmarktes in bezüglich seiner Marktreaktion intern homogene und extern heterogene Marktsegmente bedarf es der Auswahl geeigneter Segmentierungskriterien, die eine sinnvolle Abgrenzung, Beschreibung sowie Bearbeitung von Marktsegmenten ermöglichen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe ist es notwendig, die Marktsegmente so zu bilden, dass die Nachfrager innerhalb eines Segmentes gleiche oder zumindest ähnliche Reaktionen auf den Einsatz der Marketinginstrumente aufweisen. Die Erhebung solcher, auf den Marketing-Mix bezogenen, Reaktionskoeffizienten stellt sich jedoch als sehr problematisch dar (vgl. Freter 1983, S. 45 ff.). Daher wird auf geeignete Ersatzkriterien zurückgegriffen, die leichter erfassbar sind und anhand derer die Nachfrager zu Marktsegmenten zusammengefasst werden können (vgl. Homburg 2017, S. 486 ff.).
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4.2.2.2.1
3
Informationsgrundlagen des Marketing
Anforderungen an Segmentierungskriterien
An die Kriterien der Markterfassung sind bestimmte Anforderungen zu stellen, die einerseits die Zweckmäßigkeit der Marktaufteilung gewährleisten und andererseits eine situationsspezifische Eingrenzung der Vielzahl grundsätzlich möglicher Segmentierungskriterien erlauben (vgl. Freter 2008, S. 90 f.; Pepels 2007, S. 14 f.; Kotler et al. 2007, S. 387; Backhaus und Voeth 2014, S. 121 f.; Homburg 2017, S. 480): Kaufverhaltensrelevanz: Als Kriterien sind geeignete Indikatoren für das zukünftige Käuferverhalten der Nachfrager auszuwählen. Sie sollten Eigenschaften und Verhaltensweisen darstellen, die als Voraussetzungen für den Kauf eines bestimmten Produktes und für eine Abgrenzung zwischen intern homogenen sowie extern heterogenen Marktsegmenten herangezogen werden können. Der gezielte, segmentspezifische Einsatz des Marketinginstrumentariums und die Möglichkeit einer Verhaltensprognose der ermittelten Marktsegmente sind vom Grad der Erfüllung dieser Anforderung abhängig. Messbarkeit (Operationalität): Die Marktsegmentierungskriterien müssen mit den vorhandenen Marktforschungsmethoden messbar und erfassbar sein. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz mathematisch-statistischer Verfahren zur Identifikation von Marktsegmenten. Die Verwendung kaufverhaltenstheoretischer Konstrukte wie Motive und Einstellungen erfordert dabei häufig ein hohes Maß an Expertenwissen. Erreichbarkeit bzw. Zugänglichkeit: Die Segmentierungskriterien müssen die gezielte Ansprache der mit ihrer Hilfe abgegrenzten Segmente gewährleisten. Diese Anforderung beeinflusst das Ausmaß, in dem das Unternehmen mittels der segmentspezifischen Marketingaktivitäten eine direkte Ansprache der Nachfrager innerhalb eines Zielsegmentes erreichen kann. In diesem Zusammenhang kommt der Möglichkeit zur gezielten Ausrichtung der Kommunikations- und der Distributionspolitik besondere Bedeutung zu. Handlungsfähigkeit: Nur wenn die Segmentierungskriterien den gezielten Einsatz des Marketinginstrumentariums ermöglichen, sind sie für eine Marktsegmentierung als geeignet anzusehen. Ist dies der Fall, wird die Verbindung zwischen Markterfassung und -bearbeitung geschaffen. Wirtschaftlichkeit: Die Erhebung der Kriterien hat derart zu erfolgen, dass der sich aus der Segmentierung ergebende Nutzen größer ist als die anfallenden Kosten, und somit die Ausarbeitung segmentspezifischer Marketingstrategien rechtfertigt. Sofern diese Anforderung ex ante nicht eingehalten werden kann, sollten die anhand der Kriterien definierten Segmente zumindest das Ausmaß der segmentspezifischen Nachfrage erkennen lassen. Zeitliche Stabilität: Die Segmente, die mittels der ausgewählten Kriterien gebildet wurden, sollten über einen gewissen Planungszeitraum hinweg stabil sein. Eine Marktsegmentierung ist nur
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Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements
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Marketing-Mixbezogene Reaktionskoeffizienten
Verhaltensorientierte Kriterien Preisverhalten
– Preisklasse – Kauf von Sonderangeboten
Mediennutzung
– Art und Zahl der genutzten Medien – Nutzungsintensität
Einkaufs– Betriebsformen stättenwahl – Geschäftstreue – Geschäftswechsel Produktwahl
Käufer und Nichtkäufer, Markentreue, Markenwechsel Vielkäufer, Wenigkäufer
Produktbzw. Markenwahl
Psychographische Kriterien allgemeine Persönlichkeitsmerkmale
Aktivitäten, Interessen, allgemeine Einstellungen
Soziodemographische Kriterien Lebensstil
– soziale Orientierung, – Risikoneigung produktspezifische Merkmale
– Wahrnehmungen – Motive – spezifische Einstellungen – Nutzenvorstellungen (Benefits) – Kaufabsichten
Kaufvolumen
demographische Merkmale
– – – –
Geschlecht, Alter Familienstand Zahl der Kinder Haushaltsgröße
sozioökonomische Merkmale
– Beruf – Ausbildung – Einkommen
Geographische Kriterien makrogeographische Merkmale
– Bundesländer – Stadt/Land – Gemeinden
mikrogeographische Merkmale
– Ortsteile – Wohngebiete – Straßenabschnitte
Abb. 15 Kriterien der Marktsegmentierung (Quelle: In Anlehnung an Freter 2008, S. 93)
dann sinnvoll, wenn die Ergebnisse der Markterfassung für den Zeitraum der Durchführung und Wirkung der segmentspezifischen Marktbearbeitungsaktivitäten Gültigkeit besitzen. Für die Beurteilung der Marktsegmentierungskriterien müssen diese Anforderungen herangezogen werden, wobei die Ansprüche an Messbarkeit und zeitliche Stabilität von jedem einzelnen Kriterium zu erfüllen sind. Die Vielzahl der in Theorie und Praxis entwickelten und zumeist empirisch getesteten bzw. angewandten Segmentierungskriterien lässt sich nach unterschiedlichen Gesichtspunkten zu Kriteriengruppen zusammenfassen (vgl. Frank et al. 1972, S. 26 ff.; Freter 1983, S. 46; Weinstein 1994; Stegmüller 1995, S. 164; Homburg 2017, S. 487 ff.). Zur Systematisierung soll im Folgenden zwischen geographischen, soziodemographischen, psychographischen und verhaltensorientierten Kriterien der Marktsegmentierung unterschieden werden. Diese Kriteriengruppen bedingen sich gegenseitig und gelangen somit häufig kombiniert zur Anwendung. Abb. 15 gibt einen Überblick über die verschiedenen Segmentierungskriterien und deren mögliche Ausprägungen.
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3
Informationsgrundlagen des Marketing ACNielsen Gebiet 1 Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen
Flensburg Kiel NORD Lübeck Hamburg
Rostock
6
Neu-Brandenburg
Schwerin Emden Bremen
1
Berlin
Osnabrück
SÜD
5
Hannover Münster Essen WEST Köln
Magdeburg
Bielefeld
2
OST
Halle
Cottbus Leipzig
Ruhrgebiet
Kassel
Bonn
OST
WEST
Dresden OST
7 Chemnitz
Erfurt
3a
Koblenz
Potsdam Frankfurt/Oder
Zwickau
Gera
NORD Würzburg Nürnberg
Saarbrücken
Mannheim NORD Stuttgart
Regensburg Passau
Ulm Freiburg
3b SÜD
Augsburg
4
ACNielsen Gebiet 3a Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland ACNielsen Gebiet 3b Baden-Württemberg ACNielsen Gebiet 4 Bayern ACNielsen Gebiet 5 Berlin ACNielsen Gebiet 6 Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern
Frankfurt Trier WEST
ACNielsen Gebiet 2 Nordrhein-Westfalen
ACNielsen Gebiet 7 Thüringen, Sachsen
SÜD
München
Abb. 16 Geographische Marktsegmentierung nach Nielsen-Gebieten
4.2.2.2.2
Geographische Marktsegmentierung
Häufig erfolgt eine erste Segmentierung des Abnehmermarktes auf Basis geographischer Merkmale. Dabei kann zwischen makro- und mikrogeographischen Kriterien unterschieden werden. Bei einer makrogeographischen Segmentierung erfolgt im Wesentlichen eine Aufteilung des internationalen Marktes auf der Ebene von Staaten und im nationalen Kontext nach Kriterien wie Bundesländern, Städten, Landkreisen oder Gemeinden, wie die regionale Aufteilung des Marktforschungsinstituts A. C. Nielsen zeigt (Abb. 16). Andere Segmentierungsmöglichkeiten sind bspw. die Unterscheidung zwischen Stadtund Landbevölkerung oder Gemeindegrößenklassen. Der Vorteil einer makrogeographischen Segmentierung ist in der zumeist sekundärstatistischen und damit vergleichsweise einfachen und kostengünstigen Datenbeschaffung zu sehen. Darüber hinaus liefert diese Segmentierungsform bereits hilfreiche Anhaltspunk-
4
Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements
225
te für den regionalen Einsatz von Marketinginstrumenten. Sie stellt jedoch nur indirekte bzw. grobe Bezüge zum Kaufverhalten her (vgl. Homburg 2017, S. 473). An diesem Schwachpunkt setzt die mikrogeographische Marktsegmentierung an. Unter mikrogeographischer Segmentierung ist die räumliche Aufteilung von Nachfragern in sog. Wohngebietszellen unterhalb des Stadt- bzw. Stadtviertelniveaus zu verstehen. Durch die Verknüpfung regionaler Kenndaten (z. B. Demographie, Beschäftigungs-, Wirtschafts- und Infrastruktur) mit Angaben zum Lebensstil können kleinste Marktsegmente lokalisiert und gezielt angesprochen werden. Der mikrogeographischen Segmentierung liegt die Annahme einer sog. „Nachbarschafts-Affinität“ zugrunde, nach der Personen, die benachbart bzw. in ähnlichen regionalen Bezirken wohnen, einen gleichen oder ähnlichen sozialen Status und Lebensstil sowie ein vergleichbares Kaufverhalten besitzen (vgl. Kirchgeorg 1995). Das Kriterium des Wohnorts stellt somit den Ausgangspunkt einer sich anschließenden Analyse von soziodemographischen und psychographischen Informationen über jede regionale Wohngebietszelle dar (vgl. Bertl 1988). Diese Analyse erlaubt eine Zusammenfassung von Wohngebietszellen zu bestimmten Wohngebietstypen, die durch in sich homogene Lebensstile und Kaufverhaltensmuster gekennzeichnet sind, wie bspw. Künstler- und Studentenviertel oder Villenvororte. Die mikrogeographische Segmentierung kann je nach Zielsetzung auf unterschiedlichen Aggregationsniveaus erfolgen. Die Aussagekraft mikrogeographischer Segmentierungslösungen steigt dabei mit dem Grad der Feinräumigkeit, da hiermit zumeist auch der Homogenitätsgrad der Segmente zunimmt (vgl. Martin 1993). Grundvoraussetzung für den effizienten Einsatz der mikrogeographischen Segmentierung ist ein professionelles Database-Marketing. Durch fortlaufende Pflege und Aktualisierung des Datenbestandes lässt sich eine hinreichende Kaufwahrscheinlichkeit für bestimmte Produktbereiche prognostizieren. Die hierzu erforderlichen differenzierten Informationen (z. B. Aktions-, Reaktions- und Kaufverhaltensdaten) liegen allerdings nur selten vor. Damit ist auch der zentrale Nachteil der mikrogeographischen Marktsegmentierung angesprochen, der in der aufwendigen Datenbeschaffung und den damit einhergehenden hohen Kosten liegt. Probleme ergeben sich auch im Hinblick auf die zeitliche Stabilität mikrogeographischer Segmentierungen. Gerade bei Segmentzuordnungen auf relativ niedrigem Aggregationsniveau (z. B. nach Wohngegenden, Straßenabschnitten) können sich die einmal gebildeten Strukturen relativ kurzfristig ändern, was die Bedeutung einer fortlaufenden Aktualisierung des Informationsbestandes unterstreicht. Dem Vorteil einer hohen Aussagefähigkeit mikrogeographischer Segmentierungen im Hinblick auf den gezielten Einsatz des Marketing-Mix steht damit die oft geringe Wirtschaftlichkeit des Verfahrens gegenüber (vgl. Homburg 2017, S. 488). 4.2.2.2.3
Soziodemographische Marktsegmentierung
Soziodemographische Segmentierungskriterien lassen sich in demographische und sozioökonomische Merkmale unterscheiden. Zu den demographischen Segmentierungs-
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Informationsgrundlagen des Marketing
kriterien zählen Geschlecht, Alter, Familienstand, Haushaltsgröße sowie die Anzahl der Kinder. Diese Kriterien werden vielfach in kombinierter Form eingesetzt (vgl. Homburg 2017, S. 487). Eine Segmentierung des relevanten Produktmarktes nach dem Kriterium Geschlecht bietet sich immer dann an, wenn die Fragestellung bzw. Produktgruppe, auf die sich die Marktsegmentierung bezieht, in einem direkten Zusammenhang zum Geschlecht steht, wie dies etwa bei Produktgruppen wie Schmuck, Bekleidung oder Kosmetika der Fall ist. Darüber hinaus ist eine Segmentierung nach dem Geschlecht des Nachfragers im Hinblick auf Kaufentscheidungsbeeinflussung und -prozesse relevant, vor allem in Märkten, in denen sich die traditionelle Rollenverteilung im Haushalt geändert hat. Das Alter als Segmentierungsmerkmal ist hauptsächlich für Unternehmen bedeutsam, deren Produkte sich an spezifische Altersgruppen wie Senioren oder Teenager richten. In Märkten wie dem Freizeit-, Möbel- oder Bekleidungsmarkt korrelieren die Bedürfnisse und das Verhalten der Nachfrager sowie ihre Sparneigung mit dem Alter (vgl. French und Fox 1985). Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass das kalendarische Alter nur einen bedingten Aussagewert hat. Einen höheren Erklärungsbeitrag für das Kaufverhalten liefert das psychologische Alter, das verdeutlicht, mit welcher Altersgruppe sich die jeweilige Person identifiziert. Probleme können sich hier bei der Messung ergeben. Der Familienstand und die Anzahl der Kinder werden im Rahmen der soziodemographischen Marktsegmentierung kaum als eigenständige Kriterien eingesetzt, gehen allerdings in das häufiger verwendete Merkmal Familienlebenszyklus ein. Diese spezielle Form des Lebenszyklus beschreibt einen, in einzelne Familienphasen eingeteilten, Lebenslauf, bei dem jede einzelne Phase für eine bestimmte Konstellation und Kombination von soziodemographischen Merkmalen der Familienmitglieder steht (vgl. Wells und Gubar 1966; Vossebein 2000, S. 26 f.; Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 532 ff.; Freter 2008, S. 101 ff.). Neben dem Familienstand und der Anzahl der Kinder werden ebenso das Alter der Ehepartner und anderer Haushaltsmitglieder als Einflussgrößen betrachtet. Die Stellung des Nachfragers innerhalb des Familienlebenszyklus weist eine hohe Korrelation mit den Bedürfnissen nach spezifischen Produkten und Dienstleistungen auf. So liefern einzelne Lebenszyklusphasen z. B. einen hohen Erklärungsbeitrag für den Kauf von Einrichtungsgegenständen. Der Prozentsatz des Einkommens, der hierfür ausgegeben wird, ist in den ersten Jahren nach der Hochzeit am größten und steigt erst wieder an, wenn die Kinder älter geworden sind bzw. das Haus verlassen haben. Die zweite Gruppe der soziodemographischen Segmentierungskriterien bilden sozioökonomische Merkmale. Zu dieser Kriteriengruppe zählen Ausbildung, Beruf und Einkommen. Teilweise wird als übergeordnetes Merkmal auch die soziale Schicht verwendet. Eine Segmentierung des relevanten Produktmarktes nach dem Kriterium Ausbildung bietet sich zumeist lediglich in der Kombination mit anderen Merkmalen an. In seiner isolierten Anwendung kann die Ausbildung allenfalls dann als Segmentierungskriterium verwendet werden, wenn für ein bestimmtes Produkt Kaufentscheidungen notwendig sind, die ein echtes Problemlösungsverhalten vom Nachfrager verlangen. Dies ist etwa bei hochwertigen Gütern des langfristigen Bedarfes der Fall. Das Segmentierungskriteri-
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Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements
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um Beruf lässt sich insbesondere dann einsetzen, wenn die Nachfrage nach der relevanten Produktgruppe in einem engen Zusammenhang zum Beruf steht (z. B. bei Arbeitsbekleidung, Heimwerkermaschinen oder Fachmagazinen). Das Einkommen ist eines der am häufigsten verwendeten soziodemographischen Kriterien der Marktsegmentierung. Obwohl das Einkommen in keinem direkten Zusammenhang zum Kaufverhalten steht, ist es dennoch ein bedeutender Indikator für die Kaufkraft der jeweiligen Zielgruppen. Die beiden Extrempunkte der Einkommenspyramide (extrem hohes bzw. niedriges Einkommen) sind häufig mit einem stark unterschiedlichen Kaufverhalten verbunden, sodass eine Segmentierung auf Basis des Einkommens wertvolle Anhaltspunkte für das Marktpotenzial besonders preisaggressiver bzw. hochpreisiger Güter liefern kann. Unter Vernachlässigung der beiden Extremeinkommensgruppen zeigt sich jedoch, dass das Einkommen gerade bei Gütern des täglichen Bedarfes nur einen relativ geringen Bezug zum Kaufverhalten aufweist. Beim Kauf von Gebrauchsgütern spielt es hingegen eine größere Rolle. Dennoch hat das Haushaltseinkommen als alleiniges Kriterium zur Marktsegmentierung an Bedeutung verloren. Zum einen kam es innerhalb der letzten Jahre zu einer wachsenden Vermögensnivellierung (Erbengeneration). Zum anderen hat sich das Phänomen des hybriden Kaufverhaltens (auch Smart Shopping genannt) herausgebildet, bei dem einkommensstarke Nachfrager bewusst preiswerte Produktalternativen bevorzugen (vgl. Esser 2002, S. 40 ff.). Auch die sich aus der Kombination der Merkmale Ausbildung, Beruf und Einkommen ergebende soziale Schichtung findet heute im Rahmen der Marktsegmentierung seltener Anwendung als in der Vergangenheit. Hierfür ist insbesondere die zunehmende Polarisierung und Individualisierung des Nachfragerverhaltens verantwortlich. Darüber hinaus bringt der Einsatz der sozialen Schichtung als Segmentierungsmerkmal Messungs- und Abgrenzungsprobleme mit sich. Die Bildung sozialer Schichten führt heute nur noch selten zu gesellschaftsbezogenen Marktsegmenten, die sich anhand ähnlicher Wertvorstellungen, Interessen, Lebensstile und Verhaltensmuster charakterisieren lassen. Zusammenfassend ist der primäre Vorteil soziodemographischer Marktsegmentierungskriterien in ihrer leichten Erfass- und Messbarkeit zu sehen. Darüber hinaus weisen die Segmentlösungen zumeist eine hohe zeitliche Stabilität auf. Veränderungen, die sich etwa aufgrund wandelnder Altersstrukturen ergeben, lassen sich vielfach gut prognostizieren (vgl. Freter 1983, S. 58). Der zentrale Nachteil der soziodemographischen Marktsegmentierung liegt demgegenüber in der relativ geringen prognostischen Relevanz für das Kaufverhalten. Damit einhergehend weisen allein auf Basis soziodemographischer Kriterien entstandene Segmentlösungen lediglich eine eingeschränkte Aussagefähigkeit für den Einsatz des Marketinginstrumentariums auf. Der ausschließliche Einsatz der soziodemographischen Marktsegmentierung, die auch als „klassische Marktsegmentierung“ (vgl. Vossebein 2000, S. 25) bezeichnet wird, hat daher in der Vergangenheit zunehmend an Bedeutung verloren (vgl. Homburg 2017, S. 487). Abhängig von der Untersuchungsfragestellung erfolgt heute verstärkt ein kombinierter Einsatz mit anderen Segmentierungskriterien oder ein vollkommener Verzicht auf
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Informationsgrundlagen des Marketing
soziodemographische Merkmale zur Segmentbildung. Die Soziodemographie wird jedoch in fast jeder Untersuchung dazu verwendet, die auf Basis anderer Kriterien gebildeten Segmente zu beschreiben. Aufgrund der vergleichsweise hohen Kaufverhaltensrelevanz sind zur Bildung der Segmente besonders die psychographischen Kriterien von Bedeutung („moderne Marktsegmentierung“). 4.2.2.2.4
Psychographische Marktsegmentierung
Bei der psychographischen Marktsegmentierung werden nicht beobachtbare Konstrukte des Kaufverhaltens zur Segmentbildung herangezogen. Dabei lassen sich die Segmentierungskriterien in allgemeine Persönlichkeitsmerkmale sowie produktspezifische Merkmale differenzieren. Dem Konstrukt der Einstellung kommt im Rahmen der psychographischen Marktsegmentierung eine übergeordnete Bedeutung zu, da Einstellungen sowohl isoliert als Segmentierungskriterium eingesetzt werden als auch in weitere psychographische Segmentierungsansätze direkt (Lebensstilsegmentierung) oder indirekt (Nutzensegmentierung) einfließen können. 1. Einstellungen als Kriterium zur Marktsegmentierung: Die Eignung der Einstellung als Segmentierungskriterium resultiert insbesondere aus ihrer konativen (verhaltensbezogenen) Komponente (vgl. dazu Kap. 2). Von der positiven oder negativen Einstellung gegenüber einem Objekt wird hierbei auf eine bestimmte Verhaltensweise, z. B. auf den Kauf oder Nichtkauf eines Produktes, geschlossen. Zur Erhöhung der Aussagefähigkeit für die Marktsegmentierung ist eine Unterscheidung in allgemeine, produktgruppenspezifische und produktspezifische Einstellungen zweckmäßig (vgl. Freter 2008, S. 135 ff.; Stegmüller 1995, S. 195). Allgemeine Einstellungen beziehen sich auf generelle Haltungen zu bestimmten Einstellungsobjekten bzw. -fragestellungen (z. B. Aufgeschlossenheit gegenüber einem modernen Warenangebot, Qualitätsanspruch im Kaufverhalten, Beachtung der Gesundheit oder Einstellung zur Freizeitgestaltung). Marktsegmentierungen auf Basis allgemeiner Einstellungen führen zu einer Bildung von Typen, von deren übergeordneten Einstellungsäußerungen häufig auf Verhaltensaktionen und -reaktionen im Hinblick auf spezifischere Fragestellungen geschlossen wird. Oft sind allerdings Segmentierungen allein auf Basis allgemeiner Einstellungen nicht geeignet, um daraus genaue Prognosen im Hinblick auf ein produktgruppen- oder produktspezifisches Kaufverhalten abzuleiten. Wird z. B. ein Nachfrager grundsätzlich als sparsam eingestuft, so kann daraus nur bedingt eine Aussage bezüglich der Preisbereitschaft in einem konkreten Produktbereich getroffen werden. Von größerer Bedeutung für die Marktsegmentierung sind allgemeine Einstellungen allerdings im Zusammenhang mit der Lebensstilsegmentierung. Ein stärkerer Kaufverhaltensbezug und damit eine Erhöhung der Aussagefähigkeit der Segmentierung für den Einsatz des Marketinginstrumentariums kann erzielt werden, wenn auf Basis von produktgruppen- bzw. produktspezifischen Einstellungen segmentiert wird. Dabei werden die Einstellungen gegenüber bestimmten Produktbereichen (z. B. Ein-
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Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements
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stellung gegenüber medizinischen Heilmitteln oder Einstellung zum Automobil) oder gegenüber spezifischen Produkten bzw. Angeboten (z. B. Einstellung zur Preiswürdigkeit, Sicherheit, Umweltfreundlichkeit eines VW Golf) ermittelt (vgl. Gierl 1989). Beispiel
Ein Beispiel zur Marktsegmentierung mithilfe produktgruppenspezifischer Einstellungen stellt eine in der spanischen Fast Food-Branche durchgeführte Untersuchung dar. Dabei wurde auf Grundlage von insgesamt 50 Einstellungsstatements hinsichtlich der Ernährungsgewohnheiten sowie Einstellung gegenüber Fast Food eine Segmentierung für den spanischen Fast Food-Markt über mehrere tausend Befragte durchgeführt. Hierzu wurde eine fünfstufige Ratingskala verwendet. Abb. 17 zeigt in Auszügen die segmentspezifischen Einstellungsprofile. Der Fast Food Fan hat die besten Einstellungen gegenüber Fast Food und hat auch kein schlechtes Gewissen nach dem Verzehr von Fast Food. Das Segment der Slow Food Fans stellt den Gegenpol zu diesem Segment dar. Sie haben mit Abstand die schlechteste Einstellung gegenüber Fast Food. Gesunde Ernährung und Fast Food sind für Slow Food Fans im Gegensatz zu den Fast Food Fans auch Gegensätze. Die Messung von Einstellungen erfolgt durch Einstellungsskalen (vgl. Kap. 2), deren Ergebnisse durch mehrdimensionale Einstellungsmodelle zu einem Einstellungswert verdichtet werden können (vgl. Fishbein 1967; Trommsdorff und Teichert 2011, S. 145 ff.). Zur Marktsegmentierung scheinen insbesondere diejenigen Konzeptionen geeignet, die ideale Einstellungen in das Modell einbeziehen (vgl. Freter 1983, S. 72). Hierbei wird von der Hypothese ausgegangen, dass sich die Nachfrager bei der Bildung ihrer Einstellungen an einem produktarttypischen Idealbild orientieren (vgl. Trommsdorff 1975, S. 73). Je geringer die Distanz zwischen der Idealproduktvorstellung des Nachfragers und seiner Realproduktbeurteilung, desto positiver ist seine Einstellung gegenüber einem Produkt. Nachfrager mit ähnlichen Idealproduktvorstellungen bilden dann ein in sich homogenes Segment. Die Beliebtheit der Einstellungen als Kriterien zur Marktsegmentierung ist vornehmlich darauf zurückzuführen, dass die Ergebnisse einer Einstellungssegmentierung konkrete Ansatzpunkte für die Ausgestaltung des Marketinginstrumentariums liefern können. Darüber hinaus können Einstellungen als zeitlich relativ stabil angesehen werden. Der vielfach angeführte Vorteil einer hohen Kaufverhaltensrelevanz ist allerdings in Abhängigkeit vom jeweiligen Untersuchungsgegenstand zu relativieren (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 232 ff.; Homburg 2017, S. 43 f.). In der Vergangenheit haben Untersuchungen wiederholt Divergenzen zwischen Einstellungen und tatsächlichem Verhalten aufgezeigt (vgl. Monhemius 1990). So erscheint z. B. die ausschließliche Verwendung von Einstellungen zur Bildung einer Typologie zum umweltbewussten Kaufverhalten recht zweifelhaft. Gerade in diesem Bereich haben zahlreiche Produkt- und Verpackungsbeispiele verdeutlicht, dass das tatsächliche Kaufverhal-
Slow Food Fans Familien
Kontrollierte Genießer
Leidenschaftslose Esser
Fast Food steht für frische Zutaten.
Wegen meiner Kinder gehe ich in Fast Food Restaurants.
Schlechtes Gewissen nach dem Essen von Fast Food.
Fast Food und Natürlichkeit sind Gegensätze.
Trifft gar nicht zu
Fast Food Fans
Trifft voll und ganz zu
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Fast Food ist qualitativ hochwertig.
Fast Food und regionale Produkte sind Gegensätze.
Fast Food ist einfach und bequem.
Fast Food und Bio sind Gegensätze.
Gesunde Ernährung ist mit Fast Food nicht möglich.
Fast Food ist ein richtiger Genuss.
Fast Food bietet abwechslungsreiches Essen.
Fast Food eignet sich, um Zeit mit der Familie/Freunde zu verbringen.
Fast Food ist günstig.
Fast Food schmeckt gut.
Einstellungsmerkmal
230 Informationsgrundlagen des Marketing
Abb. 17 Einstellungssegmente in der spanischen Fast Food-Branche (Quelle: Lehrstuhl für innovatives Markenmanagement und KEY LENS 2013)
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Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements
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ten nur ansatzweise an den umweltbezogenen Einstellungen ausgerichtet ist (vgl. Wimmer 1995). Aufgrund ihrer eingeschränkten Kaufverhaltensrelevanz werden Einstellungen im Rahmen der Marktsegmentierung verstärkt in Kombination mit anderen Kriterien eingesetzt. 2. Segmentierung auf Basis von Persönlichkeitsmerkmalen: Häufig erfolgt eine psychographische Marktsegmentierung auf Basis allgemeiner Persönlichkeitsmerkmale. Hierbei lässt sich zwischen Kriterien des Lebensstils, der sozialen Orientierung und der Risikoneigung differenzieren, wobei eine scharfe Abgrenzung der jeweils herangezogenen Merkmale kaum möglich ist. Die Persönlichkeit eines Menschen führt zu einer konsistenten Reaktion auf Stimuli seiner Umwelt (vgl. Kassarjian 1971). Die Persönlichkeit kommt in verschiedenen Merkmalen wie Kontaktfähigkeit, Selbstständigkeit, Ehrgeiz, Fortschrittlichkeit oder Risikofreude zum Ausdruck und umfasst alle intrapersonalen Bestimmungsfaktoren des Käuferverhaltens (vgl. Abschn. 1.3.1.1 in Kap. 2), was die Messbarkeit des Kriteriums schwierig macht (vgl. Böhler 1977, S. 85 ff.; Bänsch 2002, S. 50 ff.). Darüber hinaus ist der Bezug zum Kaufverhalten als vergleichsweise gering einzustufen. Seit Mitte der 1980er Jahre erfreuen sich dagegen sog. Lebensstil-Segmentierungen (oft auch als „Life-Style-Typologien“ bezeichnet) einer zunehmenden Beliebtheit (vgl. Michman 1991; Drieseberg 1995, S. 5; Blackwell et al. 2006). Vielfach wurde in der Vergangenheit sogar der Begriff der Lebensstil-Segmentierung als Synonym für die psychographische Marktsegmentierung verwendet (vgl. Wells 1974; Weinstein 1994). Lebensstil-Analysen lassen sich sowohl zur Beschreibung einer ganzen Gesellschaft als auch von Gruppen oder Einzelpersonen nutzen. Das Kriterium „Life-Style“ eignet sich somit zur Segmentierung von Gesamt- oder Teilmärkten. Dabei wird unter Lebensstil eine Kombination typischer Verhaltensmuster einer Person oder einer Personengruppe verstanden (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 638 ff.). Der Lebensstil umfasst: Merkmale des beobachtbaren Verhaltens (z. B. Freizeitverhalten, Gewohnheiten etc.) und psychische Variablen (z. B. Werte, allgemeine Einstellungen, Meinungen). Die Messung des Life-Styles kann mittels zweier Konzepte erfolgen (vgl. Frank et al. 1972, S. 58 ff.; Wind und Green 1974; Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 641 ff.): Der Lebensstil eines Nachfragers kann einerseits durch die Erfassung aller von ihm ge- und verbrauchten Produkte gemessen werden. Dieser Ansatz folgt der Hypothese, dass die Persönlichkeit und der Lebensstil einer Person bzw. Personengruppe sich in den konsumierten Produkten niederschlagen. Andererseits stellt der Lebensstil ein Beziehungssystem aus situativen Faktoren und beobachtbaren Handlungen (Activities), emotional bedingtem Verhalten (Interests) und
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Informationsgrundlagen des Marketing
kognitiven Orientierungen und Wertvorstellungen (Opinions) der betreffenden Person bzw. Personengruppe dar (AIO-Ansatz von Wells und Tigert 1971; vgl. dazu KroeberRiel und Gröppel-Klein 2013, S. 643 f.). Für die Marktsegmentierung ist vor allem die zweite Methode zur Operationalisierung des Life-Style-Konzepts von Bedeutung, da sie in besonderer Weise eine Kombination typischer Verhaltensweisen darstellt. Insbesondere die persönlichen Werthaltungen werden in zunehmendem Maße herangezogen, um den Lebensstil von Nachfragern erfassen und typologisieren zu können. Dies wird vor allem damit begründet, dass Werte von kurzfristigen situativen Veränderungen relativ unabhängig sind und sich damit durch ihre besondere prognostische Relevanz für das Kaufverhalten auszeichnen. Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten zur Ermittlung des Lebensstils von Nachfragern hat sich in der Vergangenheit ein breites Spektrum von Studien zu diesem Themenbereich herausgebildet. Die verschiedenen Nachfragertypologien unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Kombination verschiedener Lebensstilmerkmale sowie durch die Zielsetzung und das Aggregationsniveau der Typologie. Eine der bekanntesten Möglichkeiten der Marktsegmentierung anhand des Life-Styles stellt der Milieu-Ansatz des SINUS-Institutes in Heidelberg dar. Seit 1979 nimmt das SINUS-Institut in regelmäßigen Abständen eine Segmentierung der bundesdeutschen Bevölkerung in kombinierte Werte- und Sozialschichtgruppen vor. Zielsetzung dieses Ansatzes ist es, die „Lebenswelt“ von Zielgruppen unter Berücksichtigung sich verändernder Einstellungen und Wertorientierungen möglichst adäquat zu erfassen. Unter Lebenswelt werden dabei alle relevanten Erlebnisbereiche verstanden, mit denen das Individuum tagtäglich zu tun hat (z. B. Arbeit, Familie, Freizeit, Konsum etc.) und die maßgeblich zur Entwicklung und Veränderung von Einstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmustern beitragen. Zentrales Ergebnis der SINUS-Lebensweltforschung ist die Abgrenzung und Beschreibung von sozialen Milieus und ihrer jeweiligen Marktpotenziale für beliebige Untersuchungsobjekte. Die Kriterien zur Abgrenzung solcher Milieus sind in Tab. 4 aufgelistet. Abb. 18 zeigt eine grafische Darstellung der im Jahre 2010 für Deutschland gebildeten Lebenswelt-Segmente bzw. Sinus-Milieus. Hierbei wird in der Vertikalen unterschieden nach sozialer Lage in Schichten, und zwar auf der Grundlage von Bildung, Beruf und Einkommen. Horizontal wird differenziert nach den Grundorientierungen von „traditionell“ bis „postmodern“. Die einzelnen Segmente lassen sich anhand einer Vielzahl von beschreibenden Variablen (z. B. Produkt, Media-Nutzungsverhalten) charakterisieren. In Tab. 5 sind die wesentlichen Merkmale der Sinus-Milieus im Überblick dargestellt. Einschränkend ist festzuhalten, dass eine Marktsegmentierung anhand des Life-Styles maßgeblich von der Auswahl der jeweils im konkreten Anwendungsfall relevanten Merkmalsgruppen determiniert wird (vgl. Gierl 1989). Trotz der Vielzahl vorhandener Studien und der zu berücksichtigenden Lebensstil-Kriterien macht die Standardisierung und Validierung von Lebensstil-Statements ein wesentliches methodisches Problem dieses Konzepts aus. Dennoch wird Ansätzen der Lebensstil-Segmentierung im Rahmen der psychographischen Marktsegmentierung auch in Zukunft eine hohe Bedeutung beizumessen sein
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Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements
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Tab. 4 Kriterien zur Abgrenzung sozialer Milieus Kriterien Lebensziel
Merkmale Lebensgüter Werte
Soziale Lage
Lebensstrategie, Lebensphilosophie Größe (Anteil an der Grundgesamtheit)
Arbeit/Leistung
Soziodemographische Struktur des Milieus Arbeitsethos, Arbeitszufriedenheit Gesellschaftlicher Aufstieg Prestige
Gesellschaftsbild
Materielle Sicherheit Politisches Interesse, Engagement Systemzufriedenheit
Familie/Partnerschaft
Wahrnehmung und Verarbeitung gesellschaftlicher Probleme (technologischer Wandel, Umwelt, Frieden . . . ) Einstellung zu Partnerschaft, Familie, Kindern Geborgenheit, emotionale Sicherheit
Freizeit
Vorstellungen vom privaten Glück Freizeitgestaltung, Freizeitmotive
Wunsch- und Leitbilder
Kommunikation und soziales Leben Wünsche, Tagträume, Phantasien, Sehnsüchte
Lebensstil
Leitbilder, Vorbilder, Identifikationsobjekte Ästhetische Grundbedürfnisse (Alltagsästhetik) Milieuspezifische Stilwelten
(vgl. z. B. Kirchgeorg und Greven 2008). Die Ansätze werden dabei zumeist mit weiteren Merkmalen verknüpft, sodass sich aus diesen Ergebnissen konkrete Ansatzpunkte für das Marketing ableiten lassen. Beispiel
Vorreiter bei der Nutzung des SINUS-Milieus waren Hersteller der Automobilindustrie wie Mercedes-Benz, BMW oder Porsche. Eine einfache Verknüpfung der SINUSMilieus lässt sich z. B. mit Daten des beobachteten Kaufverhaltens vornehmen. Auf diese Weise lässt sich in einfacher Form eine Verteilung und Beschreibung der Marken durch die jeweiligen Milieus erzielen, die den Ausgangspunkt einer Marketingkonzeption darstellen können. Im Hinblick auf die Verhaltensrelevanz der Lebensstil-Typologien bestehen unterschiedliche Auffassungen. Während diese Ansätze vielfach als notwendige Bedingung zur effizienten Befriedigung der Kundenbedürfnisse angesehen werden, wird die Aussagekraft der Life-Style-Typologien für den Einsatz des Marketinginstrumentariums häufig
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Informationsgrundlagen des Marketing
auch sehr kritisch beurteilt (vgl. o. V. 1992; Stegmüller 1995, S. 269 ff.). Einigkeit besteht darin, dass den Lebensstil-Segmentierungen insbesondere in Produktbereichen, in denen ein hohes Involvement der Nachfrager unterstellt werden kann (z. B. Uhren, Schmuck oder Autos), eine vergleichsweise höhere Bedeutung beizumessen ist (vgl. Haley 1985, S. 12). 3. Segmentierung auf Basis von Nutzenvorstellungen: Stärker als allgemeine Persönlichkeitsmerkmale sind produktspezifische, psychographische Variablen mit dem Kaufverhalten der Nachfrager verbunden (vgl. Sampson 1992). Zur theoretischen Fundierung dieses Zusammenhangs lassen sich zahlreiche intrapersonale Erklärungsansätze des Käuferverhaltens heranziehen. Produktspezifische, psychographische Konstrukte wie Motive, Wahrnehmungen oder Einstellungen weisen allerdings neben Operationalisierungs- und Messproblemen den Nachteil eines i. d. R. geringen Erklärungsbeitrages für das tatsächliche Kaufverhalten auf (vgl. Mühlbacher und Botschen 1990). Insgesamt ist somit die Tauglichkeit dieser Kriterien für die Marktsegmentierung eingeschränkt (vgl. Heise und Hünerberg 1995, S. 93).
Oberschicht/ Obere Mittelschicht
Im Gegensatz dazu wird der mit einer bestimmten Leistung verbundene und vom Nachfrager wahrgenommene Nutzen als zentrales Kriterium der Kaufentscheidung angesehen (vgl. Weinstein 1994). Aus diesem Grund stellt die auf Haley (1968) zurückgehende
KonservativEtablierte 10%
Mittlere Mittelschicht
Traditionelle 13%
Sozialökologische 7% Bürgerliche Mitte 13%
Performer 8% Expeditive 8% AdaptivPragmatische 10%
Hedonisten 15% Prekäre 9%
Soziale Lage
Untere Mittelschicht/ Unterschicht
LiberalIntellektuelle 7%
Grundorientierung Festhalten
Bewahren
Tradition Traditionsverwurzelung
Modernisierte Tradition
Haben & Genießen
Sein & Verändern
Modernisierung / Individualisierung Lebensstandard, Status, Besitz
Selbstverwirklichung, Emanzipation, Authentizität
Abb. 18 Die Sinus-Mileus® in Deutschland 2018 (Quelle: Sinus-Institut Heidelberg 2018)
Machen & Erleben
Grenzen überwinden
Neuorientierung Multioptionalität, Beschleunigung, Pragmatismus
Exploration, Refokussierung, neue Synthesen
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Methoden für spezifische Probleme des Marketingmanagements
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Tab. 5 Kurzcharakteristik der SINUS-Milieus® (Quelle: SINUS-Institut Heidelberg 2018) Sozial gehobene Milieus Konservativ-etablier- Das klassische Establishment: Verantwortungs- und Erfolgsethik; tes Milieu Exklusivitäts- und Führungsansprüche versus Tendenz zu Rückzug und 10 % Abgrenzung Liberal-intellektuel- Die aufgeklärte Bildungselite mit liberaler Grundhaltung und postmales Milieu teriellen Wurzeln; Wunsch nach selbstbestimmten Leben, vielfältige 7% intellektuelle Interessen Milieu der Performer Die multi-optionale, effizienzorientierte Leistungselite mit global-ökono7% mischem Denken und stilistischem Avantgarde-Anspruch; hohe IT- und Multimedia-Kompetenz Expeditives Milieu Die unkonventionelle kreative Avantgarde: hyperindividualistisch, mental 6% und geografisch mobil, digital vernetzt und immer auf der Suche nach neuen Grenzen und nach Veränderung Milieus der Mitte Bürgerliche Mitte Der leistungs- und anpassungsbereite bürgerliche Mainstream: Generelle 14 % Bejahung der gesellschaftlichen Ordnung; Streben nach beruflicher und sozialer Etablierung, nach gesicherten und harmonischen Verhältnissen Adaptiv-pragmatiDie zielstrebige junge Mitte der Gesellschaft mit ausgeprägtem Lebenssches Milieu pragmatismus und Nutzenkalkül: Erfolgsorientiert und kompromissbe9% reit, hedonistisch und konventionell, flexibel und sicherheitsorientiert Sozialökologisches Idealistisches, konsumkritisches/-bewusstes Milieu mit normativen Milieu Vorstellungen vom „richtigen“ Leben: Ausgeprägtes ökologisches und 7% soziales Gewissen; Globalisierungs-Skeptiker, Bannerträger von Political Correctness und Diversity Milieus der unteren Mitte/Unterschicht Traditionelles Milieu Die Sicherheit und Ordnung liebende Kriegs-/Nachkriegsgeneration: 15 % In der alten kleinbürgerlichen Welt bzw. in der traditionellen Arbeiterkultur verhaftet Prekäres Milieu Die um Orientierung und Teilhabe bemühte Unterschicht mit starken 9% Zukunftsängsten und Ressentiments: Anschluss halten an die Konsumstandards der breiten Mitte als Kompensationsversuch sozialer Benachteiligungen; geringe Aufstiegsperspektiven und delegative/reaktive Grundhaltung, Rückzug ins eigene soziale Umfeld Hedonistisches Die spaß- und erlebnisorientierte moderne Unterschicht/untere MittelMilieu schicht: Leben im Hier und Jetzt, Verweigerung von Konventionen und 15 % Verhaltenserwartungen der Leistungsgesellschaft
Marktsegmentierung auf Basis von Nutzenvorstellungen bzw. Nutzenerwartungen einen häufig verwendeten Segmentierungsansatz dar (vgl. Gutsche 1995, S. 227). Grundgedanke der Nutzensegmentierung (Benefit-Segmentierung) ist die Aufteilung einer Nachfragergesamtheit bezüglich ihrer Nutzenvorstellungen hinsichtlich bestimmter Leistungen in intern homogene und untereinander heterogene Marktsegmente (vgl. Meffert und Perrey 1997).
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Informationsgrundlagen des Marketing
Tab. 6 Nutzenbasierte Zielgruppen im Markt für schienenbezogene Fernverkehrsreisen (Quelle: In Anlehnung an Perrey 1998, S. 187) Nutzen
Wichtigkeit (in %)
Alle Zielgruppen Service 10,11 Ausstattung 9,74 Preis 41,20 Zeitaufwand 30,59 Sozialer Nutzen 8,36
„Reisezeitminimierer“ (30,39 %) 2,93 4,64 23,64 64,17 4,62
„Preissensible“ (51,30 %) 5,03 8,64 60,64 17,10 8,59
„Komfortorientierte“ (18,31 %) 45,05 25,04 4,82 9,49 15,60
Streng genommen kann die Nutzensegmentierung als eine Variante der produktspezifischen Einstellungsmessung betrachtet werden, wobei mit der Nutzenvorstellung lediglich die motivationale bzw. affektive Komponente der Einstellung zugrunde gelegt wird (vgl. Trommsdorff und Teichert 2011, S. 130 f.). Die Messung der Nutzenvorstellungen kann sowohl auf kompositionelle als auch auf dekompositionelle Weise erfolgen. Bei der kompositionellen Erfassung wird der Gesamtnutzenwert eines Produktes ausgehend von merkmalsspezifischen Einzelbeurteilungen ermittelt (Bottom-up). Die einzelnen Nutzenbeiträge können z. B. auf einer Ratingskala erhoben werden. Der produktspezifische Gesamtnutzenwert lässt sich dann durch einfache Addition der Einzelbeurteilungen ermitteln. Bei der dekompositionellen Erhebung bilden dagegen die Gesamtnutzenurteile der Befragten die Datenbasis (Top-down) zur Bestimmung der Nutzenbeiträge einzelner Attribute (vgl. Gutsche 1995, S. 75). Zur dekompositionellen Erfassung der Nutzenvorstellungen wird das multivariate Verfahren der Conjoint-Analyse eingesetzt (vgl. Green und Srinivasan 1978; Backhaus et al. 2016, S. 518 ff.). Tab. 6 zeigt ein Beispiel der Nutzensegmentierung im Verkehrsdienstleistungsbereich. Aufgrund eines stagnierenden Wachstums des inländischen Personenfernverkehrs veränderte die Deutsche Bahn AG 1998 ihre bis dahin angebotsbezogene Segmentierung des Abnehmermarktes zugunsten einer nutzenbasierten Segmentierung der aktuellen Bahnnutzer. Die in einer explorativen Vorstudie erhobenen nutzenrelevanten Kriterien einer Bahnreise wurden mithilfe einer Faktorenanalyse zu den fünf zentralen Merkmalen Komfort, Ausstattung, Reisezeit, Preis und Aspekte des sozialen Nutzens zusammengefasst. Diese Dimensionen wurden mittels einer Conjoint-Analyse bewertet, die resultierenden Schätzwerte schließlich als Datenbasis für die Segmentierung unter Verwendung einer Clusteranalyse genutzt. Als Cluster von Bahnnutzern ergaben sich die Segmente „Preissensible“, „Reisezeitminimierer“ und „Komfortorientierte“. Die Nutzensegmentierung hat sich in zahlreichen Anwendungen und über viele Branchen hinweg als ein leistungsfähiger Ansatz zur Marktsegmentierung erwiesen (vgl. Mühlbacher und Botschen 1990). Dabei werden erweiterte Ansätze diskutiert, die eine Einbeziehung der Konsumsituation in die Segmentierung vornehmen (sog.
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gelegenheitsorientierte Nutzensegmentierung, vgl. Dubow 1992). Aufgrund der hohen Kaufverhaltensrelevanz weisen Nutzensegmentierungen eine unbestritten hohe Aussagekraft für den zielgruppenspezifischen Einsatz des Marketinginstrumentariums auf. Häufig lassen sich die gebildeten Zielgruppen allerdings nur ansatzweise anhand weiterer Merkmale beschreiben. Dies führt gleichermaßen zum Umkehrschluss, dass solche Variablen (z. B. soziodemographische) nur unzureichend zur Auffindung kaufverhaltensrelevanter Nachfragersegmente beitragen können. Während der Nutzen als Resultat einer Gesamtbeurteilung verschiedener Produktalternativen angesehen werden kann, stellt er gleichzeitig den Ausgangspunkt für die von Nachfragern gebildete Präferenzrangfolge bezüglich bestimmter Produkte dar. Zuweilen erfolgt daher die Bildung von Marktsegmenten auch unmittelbar auf Basis von Kaufwahrscheinlichkeiten, welche direkt aus den Präferenzdaten berechnet werden. Probleme ergeben sich allerdings im Hinblick auf die Messung der Kaufabsichten, da die bekundeten Kaufabsichten vielfach vom tatsächlichen Verhalten abweichen. 4.2.2.2.5
Verhaltensorientierte Marktsegmentierung
Entsprechend den Instrumentalbereichen des Marketing lässt sich bei den verhaltensorientierten Segmentierungskriterien eine Differenzierung in produktbezogene Merkmale, Kriterien des Informations- und Kommunikationsverhaltens sowie Merkmale des Preisverhaltens und des Einkaufsstättenwahlverhaltens vornehmen. Zu den Kriterien des Informations- und Kommunikationsverhaltens zählen insbesondere das Nutzungsverhalten von Medien und die Teilnahme an interpersonellen Kommunikationsprozessen. Informationen über das Nutzungsverhalten von Medien beinhalten sowohl die Art und Zahl der genutzten Medien als auch die Nutzungsintensität und ermöglichen es dem Unternehmen, die Werbeträgerauswahl zielgruppenspezifisch durchzuführen. Die Segmentierung des Gesamtmarktes nach der Teilnahme an interpersonellen Kommunikationsprozessen führt zu einer Segmentierung in Meinungsführer- und Meinungsfolgerschaft. In der Käuferverhaltensforschung wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass von Meinungsführern im privaten Umfeld eines Nachfragers ein hohes Maß an Beeinflussung auf dessen Kauf- und Konsumgewohnheiten ausgeht. Das Meinungsführerkonzept wird daher häufig auf den Bereich der Werbung übertragen. Die werbetreibenden Unternehmen setzen dabei einen sog. Opinion Leader, einen Prominenten mit hohem Ansehen bei der Zielgruppe, zur Erreichung eines möglichst hohen Fits mit dem beworbenen Produkt ein. Neben der gezielten Auswahl von Opinion Leadern kommt auch der zielgruppenspezifischen Selektion der Werbemedien eine hohe Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang ist eine hohe Übereinstimmung der Verwenderstruktur des eingesetzten Mediums zur Verwenderstruktur des zu bewerbenden Produktes anzustreben (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 574 ff.; Trommsdorff und Teichert 2011, S. 200 ff.). Auf Grundlage der Analyse des Nutzungsverhaltens internetbasierter Dienste und Anwendungen kann inzwischen sogar eine nahezu individualisierte oder auch atomisierte Marktsegmentierung für Werbebotschaften vorgenommen werden. In dieser extrems-
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ten Form der Segmentierung werden Internetnutzer entsprechend ihres Surfverhaltens respektive eigenständig preisgegebener Informationen (z. B. in sozialen Netzwerken wie Facebook) angesprochen, um Streuverluste zu minimieren. Diese auf das einzelne Individuum zugeschnittene Informationsdarbietung wird als Targeting bezeichnet (vgl. Burmann et al. 2013, S. 20 f.). In seiner allgemeinsten Form wird unter Targeting verstanden, „Werbemittel anhand verschiedener Parameter automatisiert und zielgerichtet auszusteuern. Targeting dient der optimierten und streuverlustreduzierten Auslieferung von digitaler Werbung an definierte Zielgruppen.“ (Bundesverband Digitale Wirtschaft e. V. 2009, S. 2). Beim verhaltensbasierten Targeting werden Werbebotschaften nicht mehr an die jeweiligen Inhalte der besuchten Website angepasst (z. B. Sportbekleidung in einem Fußballportal). Vielmehr entsprechen die Werbeanzeigen dem Surf- und Suchverlauf des individuellen Internetnutzers und transportieren somit nur noch für die jeweilige Person vermeintlich relevante Informationen. Auch das Re-Targeting, wie z. B. erneute Produktwerbung nach abgebrochenen Kaufaktionen, ist dieser Targeting-Kategorie zuzuordnen. Diese Form der Marktsegmentierung setzt die Verwendung von sogenannten Tracking Cookies im Internet voraus. Derartige Cookies speichern Datum und Uhrzeit eines Webseitenbesuches und geben so Auskunft über Mehrfachbesuche auf einer Webseite und damit auch über das Surfverhalten des Internetnutzers. Dieser Vorgang ist beispielsweise in Onlineshops unumgänglich, um sicherzustellen, dass es sich auf den verschiedenen Seiten während eines Kaufprozesses (Produktauswahl, Kontaktdateneingabe, Bezahlvorgang) um den gleichen Nutzer handelt (vgl. Burmann et al. 2013, S. 6 f). Auch das Profile Targeting orientiert sich direkt am Individuum und seinem Nutzungsverhalten im Internet. Hierbei werden Daten analysiert, die der Nutzer in sozialen Netzwerken oder auf E-Commerce-Seiten selbst zur Verfügung stellt. Entsprechend dieser soziodemografischen Merkmale (z. B. Geschlecht, Alter, Wohnort) und Interessensbekundungen (z. B. Kommentare oder „Likes“ auf Facebook), können Nutzerprofile erstellt werden, die eine individuelle Werbeansprache erlauben (vgl. Hass und Willbrandt 2011, S. 15). Darüber hinaus existieren mit dem technikorientierten und dem sprachbasierten Targeting weitere Arten der Zielgruppensegmentierung, die sich nicht direkt auf Kriterien beziehen, die im Individuum selbst begründet liegen. Beim technikorientierten Targeting wird Werbung anhand von Betriebssystem, Browser, Uhrzeit oder auch dem regionalen Standort (durch die IP-Adresse bestimmt) angepasst. Das sprachbasierte Targeting richtet sich nach Inhalten und Schlüsselbegriffen der Webseiten, an die schließlich die Werbeanzeigen geknüpft werden (vgl. Hass und Willbrandt 2011, S. 14 f.). Zur Marktsegmentierung nach produktbezogenen Verhaltensmerkmalen dienen Kriterien wie Produkt- oder Markenwahl, Markentreue, Kaufrhythmus oder Nutzungsintensität sowie die bevorzugte Packungsgröße (vgl. Blattberg und Sen 1974; Pepels 1995, S. 130 ff.). Eine verhaltensorientierte Segmentierung auf Basis des Produkt- oder Markenwahlverhaltens stellt zwar häufig den notwendigen Ausgangspunkt einer Zielgruppenbestimmung dar, konkrete Ansatzpunkte für gezielte Marketingmaßnahmen lassen sich aber
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erst in der Kombination dieser Merkmale mit anderen Segmentierungskriterien (insbesondere psychographischen) erzielen. Beispiel
Ein Beispiel für die Marktsegmentierung mithilfe des Produkt- oder Markenwahlverhaltens stellt die auch als Angebotssegmentierung bezeichnete Typologisierung der Fahrzeuge in Größensegmente in der Automobilindustrie dar (vgl. Heise und Hünerberg 1995, S. 92). Dabei erfolgt zunächst eine Einteilung der Fahrzeuge in zuvor definierte Größenklassen wie Kleinstwagen (Fiat Panda), Kleinwagen (Opel Corsa), Wagen der unteren Mittelklasse (VW Golf), Wagen der oberen Mittelklasse (Mercedes E-Klasse) und Luxusklasse (BMW 7er). Eine Zuordnung der Neuwagenkäufer zu diesen Angebotsklassen anhand ihres tatsächlichen Wahlverhaltens führt schließlich zu einer angebotsorientierten Segmentierung des Käufermarktes. Nach wie vor erfolgt eine Positionierung neuer Fahrzeuge vielfach aufgrund einer solchen Marktsegmentierung, obgleich eine saubere Abgrenzung der Größenklassen nicht möglich ist. Darüber hinaus ist der Zusammenhang zwischen Kundentypen und Fahrzeugklassen kritisch zu hinterfragen, da Merkmale der Abnehmer hier unberücksichtigt bleiben (vgl. Beger 1994). Ein weiteres produktbezogenes Verhaltensmerkmal ist die Nutzungs- bzw. Verwendungsintensität. Die Nutzungsintensität erfasst jene Menge eines Produktes, die von Personen bzw. Haushalten innerhalb eines bestimmten Zeitraumes durchschnittlich ver- bzw. gebraucht wird. Anhand des Verbrauchsvolumens oder des Kaufrhythmus können die Nachfrager z. B. in die Segmente der Nicht-Käufer, der Wenig-Käufer und der Viel-Käufer (light versus heavy user) eingeteilt werden (vgl. Twedt 1972). Die Verwendungsintensität ist eines der wenigen Segmentierungskriterien, anhand dessen festgestellt werden kann, ob ausreichend große Segmente im Rahmen der Marktsegmentierung entstanden sind. Der Kauf in bestimmten Preisklassen oder die Reaktion auf Sonderangebote kann zu einer Segmentierung anhand des Preisverhaltens von Nachfragern verwendet werden. Hier ergeben sich zum Teil ähnliche Interpretationen wie bei der Verwendung psychographischer Merkmale (Preisbewusstsein). Fraglich ist, ob aufgrund des beobachteten Preisverhaltens auf entsprechendes Verhalten in der Zukunft geschlossen werden kann. An dieser Stelle sei dabei auf hybrides Kaufverhalten hingewiesen, bei dem ohne festes Muster Teuer- mit Billigkäufen einhergehen (vgl. Esser 2002, S. 40 ff.). Nur wenn die Informationen eine zeitliche Stabilität aufweisen, kann das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten unter Vorbehalt in die Zukunft extrapoliert werden. Zu den Kriterien des Einkaufsstättenwahlverhaltens zählen insbesondere die Bevorzugung bestimmter Betriebstypen sowie die Geschäftstreue. In einer Kombination mit psychographischen Merkmalen (z. B. Einstellungen) dient das Einkaufsstättenwahlverhalten häufig zur Bildung einer Einkaufsstättentypologie. Im Fokus der Betrachtungen steht dabei zumeist die Frage, ob die Erlebnisorientierung einen signifikanten Einfluss auf die Anforderungen der Nachfrager an einen Betriebstyp hat.
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Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Verhaltensmerkmale, sofern sie unabhängig von anderen Segmentierungskriterien eingesetzt werden, nur eine eingeschränkte Aussagekraft zur Bestimmung homogener Käufersegmente besitzen. Weil verhaltensorientierte Merkmale lediglich das Ergebnis, nicht aber die Ursachen für das Produktwahlverhalten der Nachfrager offen legen, werden solche Kriterien als „passive“ und damit segmentbeschreibende Variablen eingesetzt. Zusammenfassend gilt, dass die verschiedenen Segmentierungskriterien die zuvor aufgezeigten Anforderungen in unterschiedlichem Maße erfüllen. Während die Vorteile der soziodemographischen und geographischen Kriterien insbesondere in der Möglichkeit einer gezielten Ansprache der Marktsegmente liegen, liefern psychographische und verhaltensorientierte Kriterien aufgrund ihrer Nähe zum Kaufverhalten Ansatzpunkte für die konkrete Ausgestaltung des Marketinginstrumentariums. Häufig werden die Kriterien daher nur in ihrer Kombination den oben genannten unterschiedlichen Anforderungen gerecht. 4.2.2.3 Verfahren zur Identifikation von Marktsegmenten Verfügt der Entscheidungsträger über ausreichende Kenntnisse bezüglich der relevanten Marktsegmentierungskriterien, stellt sich anschließend die Frage, ob und wie gut Marktsegmente identifiziert werden können. Zu diesem Zweck werden mithilfe empirischer Untersuchungen die Ausprägungen der als relevant erachteten Segmentierungskriterien erhoben und i. d. R. mit multivariaten Analysemethoden ausgewertet. Als Verfahren zur Analyse von Interdependenzen zwischen den zu untersuchenden Variablen (den Segmentierungsmerkmalen) bieten sich bspw. die Faktoren- und die Clusteranalyse an. Während die Faktorenanalyse eine Reduktion der Ausgangsdaten auf relevante Grunddimensionen erlaubt, werden mithilfe clusteranalytischer Verfahren jene Nachfrager zu Gruppen zusammengefasst, die durch gleiche oder ähnliche Merkmalsausprägungen gekennzeichnet sind (vgl. Meffert 1992, S. 255 ff.; Backhaus et al. 2016, S. 455 ff.). Im Zuge der breiten Anwendung einer Segmentierung auf Basis von Nutzenvorstellungen haben sich besonders die Conjoint-Analyse und die Multidimensionale Skalierung (MDS) zu beliebten Methoden zur Aufdeckung von Marktsegmenten entwickelt (vgl. Green und Srinivasan 1990, S. 3 ff.; Green und Krieger 1991, S. 20 ff.). Mithilfe der MDS lässt sich aus den von Auskunftspersonen abgegebenen Ähnlichkeits- oder Präferenzurteilen eine Konfiguration der untersuchten Objekte (Produkte bzw. Dienstleistungen) im Wahrnehmungsraum der Nachfrager ableiten (vgl. Backhaus et al. 2015, S. 14 f.). Ist die Gruppierung der Nachfrager bekannt und werden nur diejenigen Variablen gesucht, mit denen sich die Zugehörigkeit der Nachfrager zu diesen Segmenten am trennschärfsten erklären lässt, so findet die Diskriminanzanalyse Anwendung (vgl. Christof 2000, S. 112 ff.; Backhaus et al. 2016, S. 216 ff.). Dieses Verfahren wird auch angewandt, um die Güte der durch die Clusteranalyse erfolgten Segmentbildung zu überprüfen. Anhand der Diskriminanzfunktion können dann Aussagen über die Trennschärfe der einzelnen Segmentierungskriterien getroffen werden. Darüber hinaus wird zur Marktsegmen-
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tierung auch der Einsatz neuronaler Netze, also die Vernetzung der Hirnzellen nachahmender, selbstständig lernender Computerprogramme, vorgeschlagen (vgl. Hruschka und Natter 1995; Raffée et al. 1995), mit denen zukünftige Verhaltensentwicklungen auf Basis programmierbaren Prä-Verhaltens prognostiziert werden können (vgl. Christof 2000, S. 121 ff.). Für die praktische Umsetzung der Ergebnisse müssen die Segmente eingehend beschrieben werden. Die typischen Merkmale der einzelnen Segmente geben Hinweise für die Auswahl der Zielgruppen und sind Ansatzpunkte für den segmentspezifischen Einsatz der Marketinginstrumente.
4.2.3 Das Problem der optimalen Marktsegmentierung Während die Markterfassung die Abgrenzung des relevanten Marktes sowie seine Aufteilung in Segmente beinhaltet, beschäftigt sich die Marktbearbeitung mit der Auswahl von profitablen Zielsegmenten und der segmentspezifischen Ausgestaltung der Marketinginstrumente. Markterfassung und -bearbeitung werden zumeist als unabhängige Problembereiche der Marktsegmentierung dargestellt. Ohne die im Zusammenhang mit diesen beiden Teilaspekten bereits bei isolierter Betrachtung auftretenden Schwierigkeiten zu vernachlässigen, resultiert die eigentliche Komplexität der Marktsegmentierung aus der Interdependenz von Markterfassung und -bearbeitung: Die optimale Segmentierungsintensität lässt sich nicht unabhängig von den Bestimmungsfaktoren der Marktbearbeitung ableiten. Vielmehr kann ein Gesamtmarkt in eine Vielzahl von Segmentkonfigurationen zerlegt werden. Die optimale Anzahl an Segmenten ist diejenige, die den absolut höchsten Zielerreichungsgrad, z. B. gemessen in Deckungsbeiträgen, erbringt (vgl. Dichtl 1974; Resnik et al. 1979). Die segmentspezifischen Marketing-Mix-Programme können andererseits nicht festgelegt werden, wenn die Segmente nicht bekannt sind, denn die Bestimmung der Marketingaktivitäten hängt von den speziellen Bedürfnisstrukturen der Marktsegmente ab. Der Zielerreichungsgrad in den Marktsegmenten lässt sich jedoch nicht bestimmen bevor die einzusetzenden Marketingaktivitäten bekannt sind (vgl. Krautter 1975). Wird als Ziel der Segmentierungsaktivitäten der Gewinn definiert, so lassen sich die bestehenden Interdependenzen auch durch eine Analyse der Gewinneinflussgrößen verdeutlichen (vgl. Abb. 19) Während die Bruttogewinne (ohne Marketingkosten) BG in Abhängigkeit von der Segmentierungsintensität Si degressiv ansteigen, steigen die Marketingkosten MK (inklusive Segmentierungskosten) mit zunehmender Segmentierungsintensität progressiv (vgl. Winter 1979; Freter 1983, S. 166). Die optimale Segmentierungsintensität Siopt ist an dem Punkt erreicht, wo die Steigung von BG gleich der von MK ist (Maximum der Nettogewinn-Kurve NG). Um den optimalen Segmentierungsgrad bestimmen zu können, müssen die Marketingaktivitäten, die sowohl BG als auch MK beeinflussen, bekannt sein. Diese
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Aktivitäten können jedoch erst dann durchgeführt werden, wenn der optimale Segmentierungsgrad ermittelt ist. Die bestehenden Interdependenzen bedingen ein integriertes Konzept der Markterfassung und -bearbeitung (vgl. Arndt 1974, S. 4 f.). Dieser Problembereich wird unter dem Begriff der optimalen Marktsegmentierung diskutiert und durch unterschiedliche Konzepte und Modelle einer Lösung näher gebracht. Eine derartige normative Theorie der Marktsegmentierung hat die beiden folgenden Aufgaben durch eine simultane oder sukzessive Vorgehensweise zu lösen (vgl. Bauer 1977, S. 98 ff.): Die Bestimmung der optimalen Anzahl der Marktsegmente und die Auswahl der Zielsegmente sowie die optimale Allokation der Marketingaktivitäten auf die Zielsegmente. Die in der Literatur beschriebenen Modelle lassen sich in analytische und heuristische Ansätze differenzieren. Zu den analytischen Modellen zählen die auf dem klassischen mikroökonomischen Modell der Bestimmung optimaler Angebotspreise aufbauenden Modelltypen, die insgesamt auf einen Ansatz von Claycamp und Massy (1968) zurückführbar sind, und die Weiterentwicklung dieser Ansätze in einem Modellvorschlag von Krautter (1975). Die heuristischen Modelle bauen zum einen auf den Modellen einer optimalen
BG NG MK
BG
MK
NG
Siopt BG = Bruttogewinn NG = Nettogewinn MK = Marketingkosten Si = Segmentierungsintensität
Abb. 19 Gewinnmaximale Segmentierungsintensität
Si
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Produktpositionierung auf, zum anderen handelt es sich um Decision-Calculus-Ansätze von Winter (1979). Die Problemstruktur wird jeweils durch mathematische Funktionen abgebildet und basiert auf zahlreichen Prämissen und Restriktionen. Bedingung für die Anwendbarkeit der zuvor genannten Modelle ist zudem eine Quantifizierbarkeit aller Variablen, also auch nicht direkt messbarer Größen wie z. B. der Produktqualität. Bereits diese Voraussetzungen machen deutlich, dass es sich bei diesen Ansätzen lediglich um formale Lösungen des Problems der optimalen Marktsegmentierung handelt, deren praktische Einsatzmöglichkeit jedoch sehr eingeschränkt ist.
Fragen zu Kapitel 3 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20.
Was ist der Unterschied zwischen Sekundär- und Primärforschung? Welche Möglichkeiten der automatisierten Erhebung von Sekundärdaten gibt es? Welche Messniveaus können unterschieden werden? Wodurch zeichnen sich Rating-Skalen aus? Worin besteht der Unterschied zwischen strukturierten und unstrukturierten Daten? Welchen Gütekriterien sollte die Informationsgewinnung genügen? Welche Formen der Beobachtung lassen sich unterscheiden? Vergleichen Sie die Vor- und Nachteile der mündlichen, schriftlichen, telefonischen und der Online-Befragung! Welche Arten von Fragen können bei der Gestaltung eines Fragebogens grundsätzlich verwendet werden? Was ist unter einem Experiment zu verstehen? Was ist der Unterschied zwischen Labor- und Feldexperimenten? Wodurch unterscheidet sich eine Panelerhebung von einer Befragung? Worin besteht der Unterschied zwischen Querschnittsdaten und Längsschnittdaten? Was ist unter Web Scraping zu verstehen? Wodurch unterscheiden sich Verbraucher- und Handelspanels? Welche Zielsetzung wird mit dem Text-Mining verfolgt? Nennen sie Anwendungsbeispiele für eine Sentiment-Analyse im Kontext der sozialen Medien. Worin bestehen die Unterschiede zwischen strukturprüfenden und strukturentdeckenden Methoden der Informationsverarbeitung? Welcher Unterschied besteht zwischen einer Varianz- und einer Regressionsanalyse? Welche Zielsetzung wird mit einer Faktorenanalyse verfolgt?
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21. Die Cluster- und die Diskriminanzanalyse werden zur Gruppierung oder Trennung von Objekten eingesetzt. Nennen Sie typische Anwendungsbeispiele der beiden Verfahren in der Marketingforschung! 22. Welche Zielsetzung wird mit der Conjoint-Analyse verfolgt? 23. Welche Arten von Absatzprognosen können unterschieden werden? 24. Welche Grundformen von Trendfunktionen können unterschieden werden? 25. Worin liegen die Vor- und Nachteile des Einsatzes von qualitativen Prognosen? 26. Was sind Gegenstand und Zielsetzung der Marktsegmentierung? 27. Welche multivariaten Analysemethoden würden Sie zur Ermittlung von Marktsegmenten einsetzen? 28. Warum stellt die Abgrenzung des relevanten Marktes eine grundlegende Problemstellung bei der Markterfassung dar und welchen Fehler kann man in der Praxis bei der Marktabgrenzung häufig beobachten? 29. Welche anbieter-, produkt- und nachfragerbezogenen Ansätze der Marktabgrenzung können unterschieden werden? Kennzeichnen Sie aus jeder Kategorie einen Ansatz! 30. Welche Anforderungen sind an die Auswahl der Marktsegmentierungskriterien zu stellen? 31. Welche Arten von Segmentierungskriterien können unterschieden werden? 32. Welche Vor- und Nachteile sind mit der geographischen Marktsegmentierung verbunden? 33. Was ist unter einer mikrogeographischen Segmentierung zu verstehen? 34. Inwieweit kann der Familienlebenszyklus zur Segmentierung von Familien herangezogen werden und welche Erkenntnisse sind damit verbunden? 35. Welche Probleme sind mit der ausschließlichen Verwendung von soziodemographischen Segmentierungskriterien verbunden? 36. Welche psychographischen Marktsegmentierungskriterien können unterschieden werden und welche Vor- und Nachteile weisen sie gegenüber soziodemographischen Kriterien auf? 37. Was ist unter einer Segmentierung nach Persönlichkeitsmerkmalen und Lebenswelten zu verstehen? 38. Welchen Erklärungsbeitrag liefert eine Segmentierung nach Nutzenvorstellungen der Nachfrager? 39. Warum kann es zielführend sein, eine Marktsegmentierung anhand verhaltensorientierter Kriterien durchzuführen? 40. Wann ist aus theoretischer Sicht die „optimale Anzahl an Segmenten“ erreicht und welche Probleme ergeben sich bei der Bestimmung der optimalen Marktsegmentierung?
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Strategische Marketingplanung
Inhalt 1
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Ausgestaltungsformen der strategischen Marketingplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Customer-Relationship-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Relevanz des strategischen Customer-Relationship-Managements . . . . . . 1.1.2 Begriffsdefinition und Ziele des Customer-Relationship-Managements . . . 1.1.3 Maßnahmen und Erfolgswirkungen des Customer-Relationship-Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Stakeholder-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Relevanz des Stakeholder-Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Begriffsdefinition und Ziele des Stakeholder-Managements . . . . . . . . . . 1.2.3 Strategien des Stakeholder-Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.4 Erfolgswirkungen des Stakeholder-Managements . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Marken-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Relevanz von Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Modell der identitätsbasierten Markenführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3 Markenidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4 Markenimage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategische Situationsanalyse im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Chancen-Risiken-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Ressourcenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Business Model Canvas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Festlegung von Unternehmens- und Marketingzielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Zielplanung als mehrstufiger Entscheidungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Zunehmende Relevanz von Nachhaltigkeitszielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Ableitung von konsistenten Zielsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Marketingziele im Zielsystem des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidungen der strategischen Unternehmensplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Zusammenhang zwischen der Planung von Unternehmens- und Marketingstrategien 4.2 Bildung strategischer Geschäftsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Geschäftsfeldwahl und Marktabdeckungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Ableitung der strategischen Stoßrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Ableitung von Normstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Meffert et al., Marketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-21196-7_4
255 256 256 257 259 260 260 261 262 263 264 264 265 267 267 269 271 272 274 279 279 286 290 292 298 298 302 306 308 312 253
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Strategische Marketingplanung
4.5.1 Normstrategien auf Basis der Portfolioanalyse . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Normstrategien auf Basis der Erfahrungskurvenanalyse . . . . . . . . 4.5.3 Normstrategien auf Basis der Marktlebenszyklusanalyse . . . . . . . 4.5.4 Risiken bei der Orientierung an Normstrategien . . . . . . . . . . . . . 5 Festlegung von Marketingstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Systematisierung von Marketingstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Planung von Marktwahlstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Marktfeldstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Marktarealstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Marktsegmentierungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Planung von Marktteilnehmerstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Abnehmergerichtete Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Konkurrenzgerichtete Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Absatzmittlergerichtete Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.4 Anspruchsgruppengerichtete Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Strategiebewertung und Strategieanpassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Bewertung als Teilaufgabe der strategischen Planung . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Elemente des strategischen Bewertungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Methoden der Strategiebewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Strategiebewertung durch Checklisten- und Strategieprofilmethoden 6.3.2 Strategiebewertung durch die Kapitalwertmethode . . . . . . . . . . . 6.3.3 Strategiebewertung durch das Capital Asset Pricing Model . . . . . . 6.4 Prozess der Strategieanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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312 315 318 324 325 325 330 330 330 334 338 338 349 353 360 364 364 365 370 372 372 373 375 379
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Ausgestaltungsformen der strategischen Marketingplanung
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1 Ausgestaltungsformen der strategischen Marketingplanung Die mithilfe der Marketingforschung erfassten Informationen über das Kaufverhalten und die Marktsituation bilden eine wichtige Grundlage für die strategische Marketingplanung eines Anbieters. Als Ausgangspunkt der strategischen Marketingplanung werden die für ein Unternehmen bzw. ein Geschäftsfeld identifizierten Chancen und Risiken aus der Mikro- und Makroumwelt den internen Stärken und Schwächen gegenübergestellt und analysiert. Somit werden Informationen des Market-Based View und Competence-Based View in einer strategischen Situationsanalyse für die weiterführende Ableitung von Marketingzielen und -strategien verknüpft (vgl. Abb. 1).
I. Markttransaktionen Competence-Based View
Market-Based View
Anbieter
Nachfrager
II. Entscheidungsprozesse Kaufentscheidungen von Marketingentscheidungen von Nachfragern Anbietern Marktinformationen
Situationsanalyse
Bedürfnisse
Marketingziele
Alternativenbewertung
Marketingstrategie
Kaufpräferenz
Marketinginstrumente
Kaufdurchführung
Marketingimplementierung
Nachfragerzufriedenheit
Marketingcontrolling
Strategische Situationsanalyse und Prognosen Festlegung der Marketingziele Planung der Marketingstrategien
III. Wertebene
Kunden- und Markenwert
Stakeholder Value
Unternehmenswert
Abb. 1 Einordnung der strategischen Marketingplanung in die Struktur des Lehrbuches
256
4
Strategische Marketingplanung
Die Planung und Festlegung der Marketingziele erfolgt in enger Abstimmung mit den Unternehmenszielen. Deshalb werden im Rahmen der folgenden Betrachtungen die Zusammenhänge zwischen den Unternehmens- und Marketingzielen als mehrstufiger Zielplanungsprozess erläutert. Die festgelegten Marketingziele bilden die Sollvorgaben, deren Erreichung durch die Auswahl geeigneter Marketingstrategien sicherzustellen ist. Marketingstrategien werden auf der Ebene der Geschäftsfelder festgelegt und mit den übergeordneten Unternehmensstrategien koordiniert. In der Literatur wird eine Vielzahl von strategischen Optionen diskutiert, die im Folgenden in Form einer Strategiesystematik übersichtlich zusammengeführt werden. Letztlich zielt die strategische Marketingplanung darauf ab, sowohl Nachfrager- als auch Stakeholderbeziehungen so auszurichten, dass hierüber langfristig marktliche bzw. kundenbezogene und gesellschaftliche Vermögenswerte geschaffen bzw. erhalten werden. Sowohl gegenüber Kunden als auch gegenüber Stakeholdern gilt es im Vergleich zum Wettbewerb einen wahrnehmbaren Nutzenvorteil und Mehrwert zu generieren. Durch eine integrierte Marketingplanung sind alle Wertdimensionen in ihrem Zusammenwirkungen zu betrachten und Synergien wie auch Konflikte zwischen den Wertdimensionen sind zu identifizieren und handzuhaben. Dem Anspruch nach einer integrierten strategischen Marketingplanung soll im Weiteren gefolgt werden. Gleichwohl haben sich in den letzten Jahrzehnten Schwerpunkte bzw. Ausgestaltungsformen der strategischen Marketingplanung herauskristallisiert, die sich auf einzelne Wertdimensionen beziehen bzw. spezifischere Managementansätze abzuleiten versuchen. Sie betonen somit spezifische Aufgaben der strategischen Marketingplanung, die einen hohen Einfluss auf den Unternehmenserfolg ausüben. Das Kundenbeziehungs- und Stakeholder-Management betont Aufgaben des strategischen Marketing, bei denen erfolgskritische Austauschbeziehungen und die damit verbundenen Wertdimensionen im Mittelpunkt stehen. Dabei können Erkenntnisse des Kundenbeziehungs- bzw. CustomerRelationship-Managements auf die Beziehungen gegenüber weiteren Stakeholdergruppen eines Unternehmens im Rahmen der strategischen Marketingplanung übertragen werden. Die besondere Bedeutung der Schaffung von immateriellen Unternehmenswerten durch den Aufbau und die Pflege von Marken hat in der Literatur wie auch Praxis dazu geführt, dass heute die Markenführung bzw. das Marken-Management zu einer zentralen Aufgabe des strategischen Marketing zählt. Markenwerte als Teil des Unternehmenswertes können über die erfolgreiche Gestaltung von Kunden- sowie Stakeholderbeziehungen geschaffen und verteidigt werden.
1.1 Customer-Relationship-Management 1.1.1 Relevanz des strategischen Customer-Relationship-Managements Das Customer-Relationship-Management (CRM) (auch Beziehungsmarketing oder Kundenbeziehungsmanagement genannt) stellt den Aufbau und die Pflege einer profitablen Kundenbeziehung in den Fokus (vgl. Payne und Frow 2005, S. 1). Die zentrale
1
Ausgestaltungsformen der strategischen Marketingplanung
257
Zielgröße ist der Kundenwert, welcher die aktuellen und zukünftigen Zahlungsströme eines Kunden misst (vgl. Abschn. 3 in Kap. 11; Burmann 2003, S. 115). Der Fokus auf den Kundenwert kann als Gegenentwurf zur alleinigen Fokussierung auf die Loyalität des Kunden verstanden werden. Loyale Kunden galten viele Jahre quasi „automatisch“ als profitable Kunden. Loyale Kunden, die jedoch regelmäßig den kostenlosen Kundenservice in Anspruch nehmen oder das Produkt nur zu rabattierten Preisen kaufen, wirken sich negativ auf die Profitabilität aus, weil die Ansprache dieser Kunden Ressourcen in Anspruch nimmt, welche anderweitig rentabler verwendet werden könnten. Der alleinige Fokus auf die Loyalität ist als Zielgröße der strategischen Marketingplanung somit zu eng gefasst. Ferner ermöglicht die Orientierung am Kundenwert eine Segmentierung verschiedener Kundengruppen, um wirkungsvoller potenzielle und aktuelle Kundengruppen anzusprechen (vgl. Kumar und Reinartz 2012, S. 4).
1.1.2 Begriffsdefinition und Ziele des Customer-Relationship-Managements Aufgrund zunehmender Datenmengen und technologischer Entwicklungen entwickelte sich das CRM zunächst in den 1990er Jahren und dann vor allem ab 2010. Aus der Praxis heraus unterlag das CRM lange einer technologieorientierten Definition. Es wurde verkürzt als die Implementierung einer speziellen Technologie zur Erfassung von Kundendaten verstanden (vgl. Schwetz 2001, S. 17; Payne und Frow 2005, S. 168). Es mangelt diesem Verständnis jedoch an der notwendigen strategischen Komponente. Auf Basis der technologielastigen Interpretation war es somit nicht möglich, ein erfolgreiches CRM zu betreiben (vgl. Leußer et al. 2011, S. 17; Eisenbeiß und Bleier 2012, S. 465). Daher ist eine Definition zielführend, die einem erweiterten strategischen Verständnis folgt. Kumar und Reinartz definieren CRM dementsprechend wie folgt:
I „Customer-Relationship-Management ist der strategische Prozess der Auswahl
derjenigen Kunden, die ein Unternehmen mit größter Profitabilität bedienen kann, und der Gestaltung der kontinuierlichen Interaktion zwischen dem Unternehmen und diesen Kunden. Ziel ist es dabei, gleichzeitig den derzeitigen und zukünftigen Kundenwert für das Unternehmen als auch die Zufriedenheit des Kunden zu optimieren“ (Kumar und Reinartz 2012, S. 4).
Auf Basis dieser Definition identifizieren Eisenbeiß und Bleier (2012, S. 465 f.) vier Komponenten als Voraussetzung für ein effektives und effizientes CRM (vgl. Abb. 2): 1. 2. 3. 4.
Strategische Verankerung Analytische Maßnahmen Operative Maßnahmen IT-Infrastruktur.
258
4
Strategische Marketingplanung
Ziel: Kundenwertmaximierung
Analytische Maßnahmen
Operative Maßnahmen
IT-Infrastruktur
Strategische Verankerung
Abb. 2 Komponenten des CRM (Quelle: in Anlehnung an Eisenbeiß und Bleier 2012, S. 466)
Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches und umfassendes CRM ist ein strategisches Verständnis. Es bedarf einer funktionsübergreifenden Implementierung und das Top-Management sollte von Beginn der Implementierung an in den CRM-Prozess involviert sein. Die Implementierung erfordert eine umfassende Kundenfokussierung auf allen Ebenen der Unternehmensorganisation und der Unternehmenskultur. Auch die unternehmensinternen Prozesse müssen an das CRM angepasst werden, um die Effektivität zu gewährleisten (vgl. Krishnan et al. 2014, S. 169). Diese strategische Verankerung bildet das Fundament des CRM. Auf der Maßnahmenebene können analytische und operative Maßnahmen identifiziert werden. Analytische Maßnahmen umfassen die Aktivitäten zur Erfassung, Aufbereitung, Analyse und Bewertung entscheidungsrelevanter Kundeninformationen. Auf Basis des gesammelten Datenmaterials können Schlüsselkennzahlen abgeleitet werden, die eine abgestimmte Kundenansprache ermöglichen. Diese individuellen Kundenansprachen repräsentieren die operative Maßnahmenebene des CRM. Ziel dieser Maßnahmen ist die Akquisition neuer Kunden, der Erhalt und Ausbau bestehender Kundenbeziehungen und die Rückgewinnung verlorener Kunden. Den technologischen Kern des CRM stellt die IT-Infrastruktur dar. Damit eine zielgerichtete Kundenansprache erfolgen kann, müssen adäquate Daten gesammelt und den verantwortlichen Mitarbeitern zugänglich gemacht werden. Während offline die Möglichkeiten der Datensammlung begrenzt sind, bieten sich bei Unternehmensaktivitäten im Online-Bereich heute zahlreiche Möglichkeiten der Datensammlung, welche z. B. in gezielten Rabatt-Angeboten auf dem Smartphone oder Werbebannern zu speziellen Zeitpunkten entlang der Customer Journey umgesetzt werden können (vgl. Dierks 2017).
1
Ausgestaltungsformen der strategischen Marketingplanung
259
Diese Maßnahmen verfolgen das Ziel, den Kundenwert der angesprochenen Kunden zu erhöhen und somit nachgelagert die Profitabilität des Unternehmens zu steigern. Grundsätzlich ist es heute oft möglich, jeden einzelnen Kunden individuell anzusprechen. Allerdings ist dies häufig, insbesondere in B2C-Märkten, mit einem hohen Ressourcenaufwand verbunden. Deswegen ist eine Segmentierung von Kundengruppen auf Basis der Art und Profitabilität von Kundenbeziehungen empfehlenswert. Ein Modell, das sich gut zur Darstellung und Analyse der Kundenbeziehung eignet, ist der Kundenbeziehungszyklus (vgl. Bruhn 2015, S. 66). Dieses Modell unterteilt die Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden in 3 Phasen: 1. Kundenakquisition 2. Kundenbindung 3. Kundenrückgewinnung. Die Einordnung der Kundenbeziehungen in diesen Zyklus erfolgt auf Basis verschiedener Kundendaten. Es werden sowohl psychologische Faktoren (z. B. wahrgenommene Leistungsqualität, Beziehungsqualität, Kundenzufriedenheit, Commitment) als auch verhaltensbezogene Faktoren (z. B. Kaufverhalten, Kundenbindung, Kommunikationsverhalten, Informationsverhalten) und ökonomische Faktoren (z. B. Kundendeckungsbeitrag, Customer Lifetime Value, Umsatz, Marktanteil, Share of Wallet) zur Klassifikation der Kundenbeziehung herangezogen (vgl. Bruhn 2015, S. 67).
1.1.3 Maßnahmen und Erfolgswirkungen des Customer-Relationship-Managements Je nach Beziehungsstatus können unterschiedliche Maßnahmen ergriffen werden, um den Kunden optimal zu bearbeiten. Für die Phase der Kundenakquisition ist eine klassische Maßnahme das Empfehlungsmarketing (vgl. Eisenbeiß und Bleier 2012, S. 476). Die bestehenden Kunden werden hierbei dazu angeregt, Freunde und Bekannte für das Unternehmen anzuwerben. Als Gegenleistung dafür erhalten die Werbenden Belohnungen vom Unternehmen. In der Phase der Kundenbindung sollte systematisch in die Kundenbeziehung investiert werden, um diese zu erhalten und auszubauen. Hierzu werden vielfach sogenannte Loyalitätsprogramme genutzt. Über Kundenkarten oder die weitverbreiteten „Treuepunkte“ wird ein Anreiz zum Wiederkauf geschaffen. Über diesen Anreiz wird eine Wechselbarriere für den Kunden erzeugt. Insbesondere Kundenkarten ermöglichen zudem eine weitergehende Erfassung von Daten, die gezielt für die Pflege der Kundenbeziehung genutzt werden können (vgl. Deitz und Hansen 2015, S. 193). Loyalitätsprogramme werden zunehmend auch im B2B-Bereich verwendet. Viswanathan et al. (2017) konnten zeigen, dass hier insbesondere Loyalitätsprogramme mit unterschiedlichen Status-Ebenen einen positiven Einfluss auf die Nutzungsbereitschaft haben. Zudem sollte der Wert der Belohnung überproportional über die Status-Ebenen zunehmen, um positive Effekte zu erzielen (S. 14 f.). Im B2B-Bereich zählt zudem das KeyAccount-Management zu den wichtigen Maßnahmen der Kundenbindung (vgl. Abschn. 1
260
4
Strategische Marketingplanung
in Kap. 9). Um wieder eine positive Beziehung zu unzufriedenen Kunden aufzubauen, kommt das Beschwerdemanagement im Rahmen des CRM zum Einsatz (vgl. Abschn. 2 in Kap. 9). Zudem wirkt das Beschwerdemanagement auch positiv auf die Kundenrückgewinnung. Für den Fall, dass keine positive Beziehung zum Kunden mehr besteht, kann dieser die Beziehung zum Unternehmen beenden. Sofern keine vertragliche Bindung zwischen Unternehmen und Kunden existiert, kann dies ohne Wissen des Unternehmens erfolgen (z. B. Wechsel des Lebensmitteleinzelhändlers). Ziel des CRM ist es dann, Kunden zu identifizieren, welche potenziell wieder eine Beziehung mit dem Unternehmen eingehen könnten. Ein Beispiel für eine solche Maßnahme ist der Preisnachlass, welcher insbesondere in der Telekommunikationsbranche bei Handy-Verträgen genutzt wird. Weiterhin zählen auch immaterielle Anreize (wie ausgesprochene Entschuldigungen) zu den Kundenrückgewinnungsmaßnahmen (vgl. Nee 2016, S. 86 f.). Die Erfolgswirkungen des CRM sind vielfältig. Auf Basis aller wahrgenommenen Unternehmensleistungen (Produkt, Service und Mitarbeiterverhalten) entsteht ein bestimmter Grad an Zufriedenheit beim Kunden. Diese Zufriedenheit beeinflusst neben dem Wiederkaufverhalten auch die Weiterempfehlungen und das Cross-Buying-Verhalten, die zugleich wichtige Indikatoren für die Stärke der Kundenbeziehung darstellen (vgl. Bruhn 2015, S. 67). Letztendlich resultiert die Zufriedenheit des Kunden in relativ sicheren Zahlungsströmen für das Unternehmen, die nur geringen Schwankungen über die Zeit unterliegen (geringe Volatilität). Dies drückt sich in einem höheren Kundenwert aus und steigert dadurch den Unternehmenswert (vgl. Burmann 2003, S. 123). Neben diesen Wirkungen, die primär bestehende Produkte und Kunden analysieren, sind darüber hinausgehende Effekte durch die Marketingforschung nachgewiesen worden. Zunächst ist bei der Bearbeitung individueller Kunden durch CRM-Maßnahmen zu beachten, dass aufgrund von Netzwerkeffekten über den Adressaten hinaus weitere (potenzielle) Kunden erreicht werden können. Insbesondere aufgrund der Digitalisierung und der Nutzung von Social Media ist diese Wirkung nicht zu vernachlässigen. Ascarza et al. (2017) konnten beispielsweise für die Telekommunikationsbranche starke Wirkungseffekte von CRM-Kampagnen im direkten Netzwerk der Adressaten nachweisen (S. 359). Darüber hinaus wirkt sich ein effizientes CRM auch auf die Entwicklung von Neuprodukten aus. Aufgrund der zahlreichen Daten, die über die IT-Systeme generiert werden, ist es möglich, Neuprodukte genauer an den Bedürfnissen der Kunden auszurichten. Es werden somit Zahlungsströme über den aktuellen Geschäftsbereich hinaus durch CRM positiv beeinflusst (vgl. Ernst et al. 2011, S. 300).
1.2
Stakeholder-Management
1.2.1 Relevanz des Stakeholder-Managements Während das Customer Relationship-Management auf die Beziehungen eines Unternehmens zu ihren Kunden und die Generierung von Kundenwerten abzielt, so wird mit dem Stakeholder-Management die Beziehungspflege gegenüber allen weiteren relevanten
1
Ausgestaltungsformen der strategischen Marketingplanung
261
Anspruchs- bzw. Stakeholdergruppen in den Blick genommen. Die Stakeholder- bzw. Anspruchsgruppenorientierung wurde einleitend bereits als Merkmal des modernen Marketingverständnisses hervorgehoben (Abschn. 3 in Kap. 1). Eine Vielzahl von Beispielen zeigt, dass Unternehmen sowohl positive Auswirkungen (z. B. Schaffung von Arbeitsplätzen, Generierung von Einkommen, Steuerzahlungen) wie auch negative Effekte (Verbrauch von Umweltressourcen, Emissionen, Produktabfälle, Gesundheitsbeeinträchtigungen) auf die Mikro- und Makroumwelt mit ihren vielfältigen Stakeholdern haben können. Eine Befriedigung von Kundenbedürfnissen reicht somit für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg nicht aus, vielmehr gilt es ein Anreiz-Beitrags-Gleichgewicht zwischen einem Unternehmen und dessen relevanten Anspruchsgruppen zu erzielen. Hierzu sind die relevanten Anspruchsgruppen zu identifizieren und strategische Optionen für die Gestaltung von Stakeholderbeziehungen und die Befriedigung der damit verbundenen Ansprüche zu entwickeln.
1.2.2 Begriffsdefinition und Ziele des Stakeholder-Managements In den 80er Jahren wurde die Bedeutung des Stakeholder-Managements insbesondere von Freeman adressiert. Er wies darauf hin, dass Stakeholderansprüche im Rahmen des strategischen Managements frühzeitig zu beachten sind (Freeman 1984). Stakeholder stellen Unternehmen bzw. Institutionen einerseits Ressourcen (z. B. Arbeitskraft, Kapital, Wissen) zur Verfügung und erwarten hierfür vielfach eine Gegenleistung. Andererseits können Unternehmessaktivitäten auch negative Einflüsse auf Stakeholder ausüben (z. B. Gesundheitsbeeinträchtigen durch Emissionen), sodass hieraus ebenfalls Ansprüche resultieren. Es gilt, diese negativen Externalitäten zu vermeiden oder zu verringern bzw. die daraus entstehenden Ansprüche der betroffenen Stakeholder im strategischen Marketing zu berücksichtigen. Aufbauend auf Freemans Diskussion hat sich eine Vielzahl von Literaturbeiträgen mit den Aufgaben eines Stakeholder-Managements beschäftigt (insbesondere Freeman 1984; Freeman et al. 2010; Garvare und Johansson 2010). Zusammenfassend kann hieraus folgende Definition abgeleitet werden.
I Das Stakeholder-Management eines Unternehmens zielt auf die proaktive Ge-
staltung der Beziehungen gegenüber den relevanten Anspruchsgruppen ab, mit dem Ziel, Werte zur Befriedigung der Ansprüche zu schaffen, um damit die Akzeptanz des Unternehmens in der Gesellschaft langfristig zu sichern (sog. Licence to Operate). Die Identifikation von relevanten Anspruchsgruppen und deren Bedürfnisse, die Definition stakeholderspezifischer Ziele, Strategien und Maßnahmen sowie deren Kontrolle werden als wesentliche Inhalte eines Stakeholder-Managements verstanden.
262
4
Strategische Marketingplanung
Bei der Identifikation von Anspruchsgruppen kann eine Unterteilung in interne (Management, Mitarbeiter, Eigentümer) und externe (Kunden, Anwohner, Gewerkschaften, Lieferanten, Handel, Staat u. a.), in marktbezogene (Kunden, Handel, Lieferanten, Konkurrenten) und gesellschaftsbezogene (z. B. Anwohner, Mitarbeiter, Gewerkschaften) oder nach ihrem Einflussgrad auf das Unternehmen in primäre und sekundäre Anspruchsgruppen vorgenommen werden. Die Aufzählung der einzelnen Anspruchsgruppen zeigt, dass ein Stakeholder eine Person oder eine Institution bzw. Organisation darstellen kann, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften einen Anspruch an ein Unternehmen hat und/oder aufgrund des Eigentümerstatus (z. B. Anteilseigner eines Unternehmens, Besitzer eines Produktes) einen Anspruch besitzt, weil sie von Entscheidungen eines Unternehmens direkt oder indirekt betroffen ist. Die Zielsetzung des Stakeholdermanagements ist es, eine weitgehende Konsistenz und Komplementarität zwischen den Ansprüchen der Stakeholder und den Unternehmenszielen herzustellen, d. h. bestehende Divergenzen und Konflikte sind frühzeitig zu identifizieren, um diese in der strategischen Marketingplanung bei der Ableitung von Zielen und Strategien zu berücksichtigen. Sollte es gelingen, dass ein Unternehmen in einer gesamtheitlichen Betrachtung seiner Wertschöpfungsaktivitäten einen Mehrwert für alle beteiligten Anspruchsgruppen und damit einen möglichst hohen Stakeholder Value generiert, so bildet dies eine Basis für die Erhaltung der gesellschaftlichen Legitimität und Akzeptanz des Unternehmens. In der Literatur wird zwischen dem Marketing- und Stakeholder-Management eine enge Beziehung gesehen (Freeman et al. 2010, S. 152 ff.). Weil im Marketing bereits Erkenntnisse für die Analyse und Gestaltung von Kundenbeziehungen vorliegen, kann ein Großteil der Erklärungsansätze wie auch Instrumente auf die Beziehungen zu anderen Stakeholdern übertragen werden. Somit werden im Rahmen der strategischen Marketingplanung anspruchsgruppenorientierte Strategien vertiefend diskutiert.
1.2.3 Strategien des Stakeholder-Managements Grundsätzlich stellen Kunden wie Eigentümer bzw. Anteilseigener (Shareholder) von Unternehmen einen Teil der oben skizzierten Anspruchsgruppen dar und deshalb wird in der Literaturdiskussion letztlich kein grundsätzlicher Gegensatz bei der Generierung eines Kundenwertes und Shareholdervalues zu Lasten des Stakeholder Values gesehen. Schließlich beinhaltet der Stakeholder Value die Gesamtheit aller vom Unternehmen generierten Mehrwerte für Stakeholder. Gleichwohl stellt sich die Frage, welche Ressourcen die Anspruchsgruppen den Unternehmen zur Verfügung stellen und wie letztlich die erzielte Wertschöpfung eines Unternehmens zwischen den Anspruchsgruppen verteilt werden soll. Voraussetzung für die Beantwortung dieser Frage ist die konkrete Messung eines Stakeholder Values. Hierfür werden in der Literatur entsprechende Operationalisierungsansätze
1
Ausgestaltungsformen der strategischen Marketingplanung
263
vorgestellt (z. B. Figge und Schaltegger 2002). Eine Reihe von Anspruchsgruppen stehen mit Unternehmen über Märkte (z. B. Absatz-, Beschaffungs-, Arbeits-, Kapitalmarkt) in Austauschbeziehungen, sodass Bedürfnisse und Leistungen hierüber abgeglichen werden. Für die Ansprüche anderer Gruppen (z. B. Gesundheitsbeeinträchtigung durch Autoabgase in Innenstädten) bestehen vielfach keine Märkte für den Austausch, wodurch die Artikulation von Ansprüchen gegenüber Unternehmen und deren Bewertung erheblich erschwert wird. Hier ist das Stakeholder-Management in besonderer Weise gefordert, mit entsprechenden Analyse- und Bewertungsinstrumenten eine adäquate Informationsgrundlage zu schaffen. Für den Umgang mit unterschiedlichen Anspruchsgruppen werden verschiedene Strategien im Stakeholder-Management entwickelt und diskutiert. So können Unternehmen auf Ansprüche von Stakeholdern grundsätzlich mit Innovations-, Widerstands-, Anpassungs- oder Ausweichstrategien reagieren. Diese Strategieoptionen werden in den folgenden Ausführungen zur strategischen Marketingplanung auch vertiefend behandelt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass aufgrund der Komplexität der unternehmensbezogenen Auswirkungen auf Stakeholder vielfach Unsicherheiten bestehen, gegenüber welchen Unternehmen konkret Ansprüche zu erheben sind. So können z. B. Anwohner von der Verunreinigung des Grundwassers betroffen sein, aber diese Beeinträchtigung lässt sich häufig schwer einem Unternehmen zuzuordnen, sodass in der öffentlichen Diskussion pauschal Ansprüche gegenüber allen Unternehmen artikuliert werden. Sollten Unternehmen von unberechtigten Ansprüchen betroffen sein, so können auch Widerstandsstrategien zielführend sein.
1.2.4 Erfolgswirkungen des Stakeholder-Managements Wie beim Customer-Relationship-Management können auch beim Stakeholder-Management vielfältige Erfolgswirkungen unterschieden und gemessen werden, wobei es Parallelen zur Erfassung der psychographischen Wirkungen wie bei Kunden gibt. Bei Anspruchsgruppen können Motive wie auch Einstellungen gegenüber Unternehmen gemessen werden sowie die Zufriedenheit von Anspruchsgruppen mit dem Verhalten eines Unternehmens beim Auftreten berechtigter Ansprüche (z. B. Beschwerden von Anwohnern eines Produktionsunternehmens aufgrund von Geräuschemissionen). Mitarbeiter gehören zu den internen Anspruchsgruppen, die dem Unternehmen ihre Arbeitskraft in zur Verfügung stellen und hierfür eine faire Entlohnung und entsprechende Arbeitsbedingungen erwarten. Mitarbeiterzufriedenheitsanalysen gehören in vielen Unternehmen zu einem Standard und vielfach ist ein Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit und der Mitarbeiterloyalität zu erkennen. Die vielfältigen Erkenntnisse der Kaufverhaltensforschung zum Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität finden somit im Stakeholderkontext vielfach eine Bestätigung. Schließlich lässt sich der über alle Stakeholder generierte Mehrwert als sogenannter Stakeholder Value erfassen. Aus Unternehmenssicht reflektiert der Stakeholder Value den Wertbeitrag einer bzw. aller Stakeholderbeziehungen für ein Unternehmen. Für Kunden- und Anteilseigner werden Messansätze des Customer- und Shareholder Va-
264
4
Strategische Marketingplanung
lue diskutiert, bei denen die mit der Stakeholderbeziehung in der Zukunft verbundenen Ein- und Auszahlungen in einen Ertragswert überführt werden (Figge und Schaltegger 2002, S. 5 ff.). Die für diese beiden Stakeholdergruppen verwendeten Ertragswertmethoden können prinzipiell für alle weiteren relevanten Stakeholdergruppen Anwendung finden, wobei hier die Zurechnung und Quantifizierung von Ein- und Auszahlungsströmen vielfach erhebliche Probleme bereitet, insbesondere wenn keine Märkte für die Austauschbeziehungen bestehen. Theoretisch ergibt sich der Stakeholder Value eines Unternehmens als aggregierter Wert aus den einzelnen Stakeholderbeziehungen.
1.3 Marken-Management 1.3.1 Relevanz von Marken Die Führung von Marken bzw. das Marken-Management ist seit vielen Jahren eine zentrale Aufgabe des strategischen Marketing. Eine das Kaufverhalten prägende und damit starke Marke ist für viele Unternehmen heute der mit großem Abstand wertvollste Vermögensgegenstand, den sie besitzen. Leider wird er trotz dieses hohen ökonomischen Wertes oft schlecht geführt und nur mit geringer Priorität behandelt. Eine starke Marke bietet dem Nachfrager mehr als die reine Produktleistung. Aus verhaltenstheoretischer Sicht stellt die Marke eine Orientierungshilfe dar. Die Marke erhöht die Markttransparenz, wodurch der Nachfrager schneller, einfacher und besser die für ihn passende Lösung identifizieren kann (Burmann et al. 2018, S. 3). Durch eine Vielzahl austauschbarer Marken wird diese Funktion heute jedoch kaum noch erfüllt. In vielen B2C- und B2B-Märkten ist ein hohes Maß an Austauschbarkeit zu beobachten. Daher besteht die zentrale Herausforderung für das Markenmanagement darin, der Austauschbarkeit von Marken entgegenzuwirken. Dies können Marken durch die Gestaltung der von ihnen angebotenen funktionalen und nichtfunktionalen Nutzen erreichen (vgl. Abschn. 1.3.4). Tab. 1 Die 20 wertvollsten Marken der Welt nach Interbrand (Quelle: Interbrand 2017) Marke 1. Apple 2. Google 3. Microsoft 4. Coca Cola 5. Amazon 6. Samsung 7. Toyota 8. Facebook 9. Mercedes-Benz 10. IBM
Markenwert 2017 in Mrd. US$ 184,154 141,703 79,999 69,733 64,796 56,249 50,291 48,188 47,829 46,829
Veränderung gegenüber 2016 (%) C3 C6 C10 5 C29 C9 6 C48 C10 11
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Ausgestaltungsformen der strategischen Marketingplanung
265
Aus dem nachfragerseitigen Nutzen der Marke ergeben sich zahlreiche Chancen für Unternehmen. So kann eine professionelle Markenführung Präferenzen für das eigene Leistungsangebot schaffen und es damit von konkurrierenden Angeboten differenzieren. Die Marke kann dem Unternehmen weiterhin einen preispolitischen Spielraum verschaffen. Je besser es gelingt, eine Marke im Vergleich zu konkurrierenden Angeboten als „etwas Einzigartiges“ darzustellen, desto größer ist dieser Spielraum. Diese vielfältigen ökonomischen Chancen von Marken drücken sich im ökonomischen Markenwert aus (vgl. Tab. 1).
1.3.2 Modell der identitätsbasierten Markenführung In der identitätsbasierten Markenführung wird die „klassische“ Outside-In-Perspektive (Markenimageorientierung) um eine Inside-Out-Perspektive (Mitarbeiter- und Kompetenzorientierung) ergänzt. Markenführung kann erst durch die Berücksichtigung beider Perspektiven erfolgreich sein (vgl. Burmann et al. 2018, S. 13).
I Der Markenbegriff im Sinne der identitätsbasierten Markenführung geht auf die
Arbeiten von Meffert (1974), Keller (2013) sowie Meffert und Burmann (1996) zurück und versteht unter einer Marke „ein Bündel aus funktionalen und nichtfunktionalen Nutzen, deren Ausgestaltung sich aus Sicht der Zielgruppen der Marke nachhaltig gegenüber konkurrierenden Angeboten differenziert“ (Burmann et al. 2018, S. 13).
Dieses Markenverständnis grenzt sich klar von anderen Ansätzen ab, welche ebenfalls die interne Perspektive aufgreifen (vgl. Kapferer 1992; Aaker 1996 und Esch 2014). Während eine klare Definition des Markenverständnisses bei Kapferer (1992) fehlt, versteht Aaker (1996) unter einer Marke nur ein formales Zeichen (vgl. Welling 2006). Eine Verkürzung des Markenverständnisses nur auf das subjektive Vorstellungsbild in den Köpfen der Nachfrager verwendet Esch (2014). Er nutzt damit die Begriffe Marke und Markenimage synonym und vernachlässigt in seiner Markendefinition die interne Managementperspektive. Nach dem Modell der identitätsbasierten Markenführung wird zunächst das Selbstbild der Marke aus Sicht aller internen Zielgruppen (Management, Mitarbeiter, Eigentümer) analysiert und gestaltet. Dieses Selbstbild wird als Markenidentität bezeichnet. Während die Markenidentität aktiv und direkt von den Markenverantwortlichen gestaltet werden kann, formt sich das Markenimage (Fremdbild) bei den verschiedenen externen Zielgruppen erst mit zeitlicher Verzögerung und lediglich indirekt als Reaktion auf die Markenführungsaktivitäten (vgl. Burmann et al. 2018, S. 14 f.). Den Zusammenhang zwischen Markenidentität und Markenimage zeigt Abb. 3. Der erste Schritt zum Aufbau einer starken Marke liegt in der Formulierung eines Markennutzenversprechens. Es repräsentiert diejenigen funktionalen und nicht-funktionalen
266
4 Markenidentität
Strategische Marketingplanung Markenimage
Markennutzenversprechen
Markenbedürfnisse
Brand Touch Points
Selbstbild der internen Zielgruppen
Fremdbild der externen Zielgruppen
(Customer Journey)
Markenverhalten
Markenerlebnis
Abb. 3 Modell der identitätsbasierten Markenführung (Quelle: Burmann et al. 2018, S. 15)
kaufverhaltensrelevanten Nutzen, welche gegenüber den externen Zielgruppen von der Marke erbracht werden sollen. Es entsteht durch eine Verdichtung der zumeist umfassend beschriebenen Markenidentität auf sehr wenige, klar verständliche Aussagen. Zudem sollte es eine Differenzierung gegenüber den Wettbewerbern sicherstellen und die für das Kaufverhalten wichtigsten, markenbezogenen Bedürfnisse (Markenbedürfnisse) der Nachfrager adressieren. Das Markenverhalten umfasst die Produkt- und Serviceleistungen der Marke (geprägt durch alle Mitarbeiter einer Marke), das Verhalten der Mitarbeiter einer Marke im Kontakt zum Nachfrager (bspw. Mitarbeiter im Kundenservice) und alle weiteren Kontakte des Nachfragers mit der Marke (bspw. durch die klassische Werbung). Dem Markenverhalten steht unmittelbar das Markenerlebnis des Nachfragers gegenüber, also seine Interaktion mit der Marke an den verschiedensten Brand Touch Points während der Customer Journey. Diese Erfahrungen mit der Marke schlagen sich im Markenimage nieder (vgl. Burmann et al. 2018, S. 15). Damit die Markenerlebnisse an sämtlichen Brand Touch Points den Bedürfnissen und Erwartungen der externen Zielgruppen entsprechen, muss das tatsächliche Markenverhalten mit dem kommunizierten Markennutzenversprechen übereinstimmen. Ist dies nicht der Fall, sind eine Verschlechterung des Markenimages, negative Mundpropaganda und eine Abwanderung der Nachfrager zu Konkurrenzmarken die Folge (vgl. Burmann und Jost-Benz 2005, S. 30 f.).
1
Ausgestaltungsformen der strategischen Marketingplanung
267
1.3.3 Markenidentität
I „Die Markenidentität umfasst diejenigen raum-zeitlich gleichartigen Merkma-
le der Marke, die aus Sicht der internen Zielgruppen in nachhaltiger Weise den Charakter der Marke prägen“ (Burmann et al. 2018, S. 26).
Auf der Grundlage der sozialwissenschaftlichen und psychologischen Identitätsforschung lassen sich sechs konstitutive Komponenten identifizieren (vgl. Haußer 1995; Erikson 1973), die eine umfassende Beschreibung der Markenidentität ermöglichen: Markenherkunft, Markenvision, Markenkompetenzen, Markenwerte, Markenpersönlichkeit, Markenleistungen (Burmann et al. 2018, S. 32 ff.). Die Markenherkunft bildet das Fundament der Markenidentität und beantwortet die Frage „Woher kommen wir?“. Die Markenherkunft ist eng mit der Historie einer Marke verknüpft. Im Unterschied zur Markenhistorie greift die Markenherkunft jedoch einzelne Aspekte der Historie heraus und betont diese in besonderer Weise (vgl. Blinda 2007, S. 104). Die Markenvision gibt die langfristige Entwicklungsrichtung einer Marke vor und beantwortet die Frage „Wohin wollen wir?“. Die Markenvision sollte allen internen und externen Zielgruppen eine wichtige Motivation für ihr Arbeits- bzw. Kaufverhalten sein. Die Markenkompetenzen repräsentieren die spezifischen organisationalen Fähigkeiten eines Unternehmens zur marktgerechten Identifikation, Veredelung und Kombination von Ressourcen und beantworten die Frage „Was können wir?“. Der Wert von Kompetenzen bemisst sich stets an der Erzeugung von mit Preisbereitschaft verknüpftem Kundennutzen. Die Markenwerte repräsentieren die Grundüberzeugungen von Managern und Mitarbeitern und beantworten die Frage „Woran glauben wir?“. Die Markenpersönlichkeit findet ihren Ausdruck im verbalen und non-verbalen Kommunikationsstil der Marke und beantwortet die Frage „Wie kommunizieren wir?“. Durch Markenwerte und Markenpersönlichkeit werden vor allem nicht-funktionale Nutzen vermittelt. Die grundsätzliche Art und Form der Markenleistungen, d. h. der Produkte und Dienstleistungen einer Marke basiert auf den Markenkompetenzen. Dabei ist die Frage zu beantworten „Was vermarkten wir?“. Die Markenleistungen determinieren vor allem den funktionalen Nutzen der Marke.
1.3.4 Markenimage Das Markenimage ist das Ergebnis der individuellen, subjektiven Wahrnehmung und Dekodierung aller von der Marke ausgesendeten Signale.
268
4
Strategische Marketingplanung
I Beim Markenimage handelt es sich um ein mehrdimensionales Einstellungs-
konstrukt, welches das in der Psyche relevanter externer Zielgruppen fest verankerte, verdichtete und wertende Vorstellungsbild von einer Marke wiedergibt (Burmann und Jost-Benz 2005, S. 48).
Voraussetzung für die Bildung eines Markenimages bei den externen Zielgruppen ist die Bekanntheit einer Marke. Die Markenbekanntheit misst die Fähigkeit der Nachfrager, sich an eine Marke zu erinnern (Brand Recall oder ungestützte Markenbekanntheit) oder diese nach akustischer und/oder visueller Stützung wiederzuerkennen (Brand Recognition oder gestützte Markenbekanntheit). Im Rahmen der identitätsbasierten Markenführung wird das Markenimage in zwei Hauptkomponenten aufgespalten: die subjektiv wahrgenommenen Markenattribute sowie die daraus abgeleiteten funktionalen und nicht-funktionalen Nutzen der Marke für den jeweiligen Nachfrager (vgl. Burmann et al. 2018, S. 49). Markenattribute sind beschreibende Merkmale einer Marke. Hierzu gehören bspw. das Wissen der Nachfrager über Herkunft, Werte, Persönlichkeit und Leistungen. Der sich für Nachfrager aus den subjektiv wahrgenommenen Markenattributen ergebende Grad der Bedürfnisbefriedigung wird als Markennutzen bezeichnet und besteht aus dem funktionalen sowie dem nichtfunktionalen Nutzen (Abb. 4). Der funktionale Nutzen umfasst den utilitaristischen (physikalisch-technische Eigenschaften der Markenleistung) und den ökonomischen Nutzen (Preis-Leistungs-Verhältnis). Allerdings ist der Aufbau von Markendifferenzierung über funktionale Nutzen häufig kaum mehr möglich. Daher ist insbesondere in gesättigten Märkten der nicht-funktionale Nutzen von besonderer Bedeutung. Untergliedert wird der nicht-funktionale Nutzen in die soziale und persönliche Ebene (vgl. Abb. 4). Der soziale Nutzen einer Marke ergibt sich für den Nachfrager aus einer Befriedigung seiner Bedürfnisse nach externer Wert-
Nicht -funktionale Nutzenebene
Übergeordneter Markennutzen: Risikoreduktion (Markenvertrauen) Persönliche Nutzenebene (intrinsisch)
Sinnlichästhetisch
Soziale Nutzenebene (extrinsisch) Funktionale Nutzenebene
Abb. 4 Markennutzenarten und -ebenen (Quelle: Burmann et al. 2018, S. 50)
Hedonistisch
Sozial
Utilitaristisch
Ökonomisch
2
Strategische Situationsanalyse im Marketing
269
schätzung und Gruppenzugehörigkeit. Die persönliche Nutzenebene umfasst den sinnlichästhetischen (Befriedigung des Bedürfnisses nach Schönheit) sowie den hedonistischen Nutzen (Befriedigung des Bedürfnisses nach Selbstverwirklichung, Lust und Genuss). Als übergeordneter Nutzen einer Marke ist deren Eignung zur Risikoreduktion anzusehen. Je größer die empfundenen Risiken sind, desto wichtiger ist das Markenvertrauen für das Kaufverhalten (vgl. Burmann et al. 2018, S. 50). Eine vertiefende Darstellung des Ansatzes der identitätsbasierten Markenführung ist in Burmann et al. (2018) zu finden. Auf der Grundlage von den skizzierten Ausgestaltungsformen der strategischen Marketingplanung werden im Folgenden, ausgehend von der strategischen Situationsanalyse, die Ableitung und Priorisierung von Marketingzielen und Marketingstrategien umfassend dargestellt.
2 Strategische Situationsanalyse im Marketing Jede Marketingentscheidung hängt grundsätzlich von der eigenen Lage, der Beurteilung der Markt- und Umweltsituation sowie den eigenen Ressourcen und Kernkompetenzen ab, über die das Unternehmen verfügt. Das sorgfältige Analysieren der Marketingsituation und die Prognose wichtiger Schlüsselgrößen bilden daher den Ausgangspunkt der strategischen Marketingplanung. Es ist eine möglichst vollständige und genaue Erfassung der Umweltsituation für die Festlegung der Marketingziele und die Ableitung der Marketingstrategien und Marketinginstrumente notwendig. Aus der Gesamtheit möglicher Variablen der Mikro- und Makroumwelt interessieren nur jene, die in einer spezifischen Entscheidungssituation für das Marketingmanagement relevant sind. Die konkrete Marketingsituation, in der sich ein Unternehmen mit seinen angebotenen Leistungen befindet, ist naturgemäß in jedem Unternehmen verschieden. Im Regelfall ist sie durch eine Vielzahl externer und interner Faktoren zu beschreiben. Unternehmensexterne Faktoren sind z. B. Art des Bedarfes, Wachstumsrate der Branche, Käuferstruktur und -verhalten, Ansprüche kritischer Gruppen, Konkurrenzverhältnisse und rechtliche Vorschriften sowie ökologische Rahmenbedingungen (z. B. Umweltverschmutzung, Klimawandel). Diese Faktoren können i. d. R. von einem Unternehmen nicht direkt und kurzfristig verändert werden. Sie fließen als Daten in die strategische Marketingplanung ein. Zu den unternehmensinternen Faktoren zählen Art und Funktion der angebotenen Marktleistungen, die vorhandenen Kernkompetenzen, finanzielle Mittel, Produktionskapazitäten oder die Vertriebsinfrastruktur. Alle Faktoren, die bei der Lagebeurteilung im Marketing berücksichtigt werden müssen, lassen sich nach verschiedenen Kriterien genauer systematisieren. Tab. 2 vermittelt einen Überblick über wichtige Komponenten, die in der Situationsanalyse zu berücksichtigen sind. Der Markt, die Marktteilnehmer, die Marketinginstrumente und die Makroumwelt beschreiben dabei die relevante Marketingsituation. Das Marketingmanagement muss feststellen, in welcher Richtung und in welcher Stärke die Bestimmungsfaktoren in der konkreten Entscheidungssituation wirksam werden und wie sie sich zukünftig verändern könnten.
270
4
Strategische Marketingplanung
Tab. 2 Wichtige Komponenten der Situationsanalyse im Marketing Komponenten einer Bezugspunkte Situationsanalyse Markt Gesamtmarkt (produktklassenbezogen)
Marktteilnehmer
Marketinginstrumente
Umwelt
Wichtige Bestimmungsfaktoren Entwicklung Wachstum Elastizität
Branchenmarkt (produktgruppenbezogen)
Entwicklungsstand, Sättigungsgrad Marktaufteilung
Teilmarkt (produktbezogen)
Bedürfnisstruktur Substitutionsgrad Produktstärke Marktstellung Produkt- und Programmorientierung Angebotsstärke
Hersteller
Konkurrenz
Wettbewerbsstärke Differenzierungsgrad Programmstärke
Absatzmittler
Funktionsleistung Sortimentsstruktur, Marktabdeckung, Multi-Channelabdeckung
Absatzhelfer
Funktionsleistung
Konsument
Bedürfnislage (Nutzenstiftung) Kaufkraft Einstellung Produkt- und Programmstärke Angebotsflexibilität
Produkt-Mix Kommunikations-Mix
Bekanntheitsgrad und Eignung der Medien Werbestrategie
Preis-Mix
Preisniveau Preisstreuung Rabattstruktur
Distributions-Mix
Distributionsdichte Lieferfähigkeit Liefervorteile Klima Ressourcen
Natur Wirtschaft
Konjunktur Wachstum
Gesellschaft
Soziale Normen Lebensgewohnheiten
Technologie
Wissenschaft Technischer Fortschritt
Recht und Politik
Rechtsnormen Politische Institutionen
2
Strategische Situationsanalyse im Marketing
271
Im Rahmen der strategischen Analyse wird eine Vielzahl von Denkmodellen vorgeschlagen und in der Praxis verwendet. In methodischer Hinsicht handelt es sich um Instrumente zur Bestimmung der Ist- und Sollposition des Unternehmens im Markt- und Wettbewerbsumfeld. Als grundlegende Instrumente der strategischen Diagnose sollen im Folgenden die Chancen-Risiken-Analyse und die Ressourcenanalyse vorgestellt werden. Während diese Analyseinstrumente überwiegend für bestehende Unternehmen zum Einsatz kommen, so hat sich für die Bewertung von neuen Geschäftsideen und die Gründung neuer Geschäftsbereiche oder Unternehmen der Ansatz des Business Model Canvas etabliert, der ebenfalls vorgestellt wird. Bei der Diskussion von Marketingstrategien und -instrumenten werden für spezifische Fragestellungen und Problemstellungen weitere Analyseinstrumente wie z. B. Portfolioanalysen, Markenpositionierungsanalysen, Markttestverfahren für Neuprodukteinführungen oder Werbewirkungsanalysen vorgestellt. Sie liefern weiterführende Detailinformationen zur Fundierung von strategischen und operativen Marketingentscheidungen.
2.1
Chancen-Risiken-Analyse
Im Rahmen der Chancen-Risiken-Analyse versucht das Unternehmen, die unternehmensexternen Umwelteinflüsse zu erkennen, die für die Planung der Unternehmens- und Marketingstrategie von Bedeutung sind. In Zeiten dynamischer Umweltentwicklungen liegt die zentrale Aufgabe der Analyse in der Erkennung „strategischer Diskontinuitäten“ (vgl. Benkenstein und Uhrich 2009, S. 50). Unter strategischen Diskontinuitäten versteht Ansoff schwer vorhersehbare Ereignisse, deren Eintritt das Unternehmen mit Risiken wie bspw. der Gefahr des Konkurses konfrontieren. Zum anderen können sich Diskontinuitäten als Chancen erweisen, die sich plötzlich und unvorhergesehen eröffnen und deren Ausnutzung ein schnelles Handeln erfordert (vgl. Ansoff 1981, S. 263). Tab. 3 zeigt einige ausgewählte Chancen und Risiken am Beispiel eines Automobilherstellers. Den Suchraum für die Identifikation von Chancen und Risiken spannen alle Komponenten der Situationsanalyse auf, die in Tab. 2 dargestellt sind. Differenzierte Systemmodelle der Mikro- und Makroumwelt dienen der systematischen Suche zur Identifikation von Chancen und Risiken im Unternehmensumfeld (vgl. auch Abschn. 3 in Kap. 1), wobei Unternehmen auch bestimmte Ressourcen aufwenden müssen, um ein Frühwarnsystem zur Erkennung von Trends und Diskontinuitäten sicherzustellen. Die Chancen und Risiken sollen nicht nur antizipiert werden, um sich ihnen im Rahmen der Planung anpassen zu können. Es sollen vielmehr alle Möglichkeiten genutzt werden, negative Ereignisse zu verhindern, d. h. ihrem Eintreten aktiv entgegenzuwirken sowie positive Diskontinuitäten zu verstärken. Im Rahmen der strategischen Analyse sind die Hauptbedrohungen und Hauptchancen des Gesamtunternehmens und jeder strategischen Geschäftseinheit (SGE) regelmäßig zu überprüfen.
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4
Strategische Marketingplanung
Tab. 3 Chancen und Risiken für einen Automobilhersteller Chancen Zunehmendes Interesse von Autokäufern an leistungsfähigen Elektrofahrzeugen mit hoher Reichweite und leichten Batterien zu vertretbaren Preisen Hybridtechnologien (z. B. Wasserstoff- und Elektromotor) zur Kombination von geringen Abgaswerten bei gleichzeitig hoher Leistung Zunehmendes Interesse an erweiterten Mobilitätsdienstleistungen (Carsharing-Aktivitäten) Zunehmende Nachfrage von Fahrzeugen im mittleren und oberen Preissegment Wachstumsmarkt für Automobile in China
2.2
Risiken Zunehmende Verbraucherreaktanz gegenüber Fahrzeugen mit Diesel- und Verbrennungsmotoren Geschwindigkeitsbeschränkungen und drohende Fahrverbote für Innenstädte Treibstoffverknappung und steigende Benzinpreise Entwicklung von neuen Fahrzeuggenerationen durch branchenfremde Konkurrenten Zunehmende Akzeptanz von öffentlichen Verkehrsmitteln bzw. Sharing-Alternativen
Ressourcenanalyse
Während die Chancen-Risiken-Analyse des Unternehmens den Möglichkeitsraum der Strategieplanung absteckt, versucht die Ressourcenanalyse festzustellen, was das Unternehmen vor dem Hintergrund der gegenwärtigen und zukünftigen Ressourcensituation (Stärken/Schwächen) strategisch sinnvoll tun kann (vgl. Christensen et al. 1973, S. 236 ff.; Schreyögg 1984, S. 111; Hinterhuber 2004a, S. 123 ff.). Im ersten Kapitel zur Marketingtheorie wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Erfolg von Unternehmen durch interne Ressourcen und Kompetenzen des Unternehmens determiniert wird, die unternehmensindividuell verschieden sind. Somit sind angesichts der zu bewältigenden Chancen und Risiken die jeweiligen Stärken und Schwächen eines Unternehmens durch eine interne Ressourcenanalyse zu bestimmen. Zur Durchführung der Ressourcenanalyse empfiehlt sich eine dreistufige Vorgehensweise (vgl. Hofer und Schendel 1978, S. 144 f.; Backhaus und Schneider 2009, S. 167): Erstellung eines Ressourcenprofils, Ermittlung der Stärken und Schwächen, Identifikation spezifischer Kompetenzen. Im ersten Schritt sind die vorhandenen finanziellen, physischen, organisatorischen und technologischen Ressourcen zu erfassen und zu bewerten. Nachfolgend wird das ermittelte Ressourcenprofil den Schlüsselanforderungen des Marktes gegenübergestellt. Dadurch gelingt es, die Hauptstärken und Synergien zu identifizieren, auf denen eine erfolgreiche Strategie aufgebaut werden kann. Zudem werden die Hauptschwächen identifiziert, die zur Vermeidung von Misserfolgen beseitigt werden müssen. Im dritten Schritt sind durch die Analyse der spezifischen Stärken und Schwächen des Unternehmens im Vergleich mit denen der Hauptkonkurrenten die Kernkompetenzen zu identifizieren, die zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen erhalten oder ausgebaut werden müssen.
2
Strategische Situationsanalyse im Marketing
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Die Ressourcenanalyse gibt nicht nur Hinweise auf eine erfolgreiche Wettbewerbsstrategie in bestehenden Märkten. Es kann ebenfalls geprüft werden, inwieweit die festgestellten Stärken als Kompetenzen in neuen Märkten (Diversifikation) erfolgreich eingesetzt werden können oder notwendige Ressourcen zu ergänzen sind (Collis und Montgomery 2008). Zu diesem Zweck wird die Ressourcenanalyse mit der Chancen-Risiken-Analyse in eine sog. SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats) überführt (vgl. Abell 1978). Wie in Tab. 4 an Hand eines fiktiven Beispiels dargestellt, werden bei der SWOT-Analyse zunächst die ermittelten Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken erfasst (äußere Felder der Tabelle). Durch die Gegenüberstellung kann eine strukturierte Ableitung von Marketingstrategien erfolgen (innere vier Felder der Tabelle). Stärken in Kombination mit Chancen (Feld 1): Es lässt sich erkennen, welche Stärken des Unternehmens die Entwicklungen des Marktes treffen. In einer solchen Phase, in der das „strategische Fenster“ offensteht, muss das Unternehmen alle Anstrengungen aufbieten, um die Gunst der Stunde für einen langfristigen Durchbruch in neue Marktdimensionen nutzen zu können. Stärken in Kombination mit Risiken (Feld 2): Es lässt sich erkennen, welche Risiken durch vorhandene Stärken neutralisiert werden können. Im Idealfall können Risiken letztendlich zu Chancen umgewandelt werden. Schwächen in Kombination mit Chancen (Feld 3): Es lässt sich erkennen, ob bestimmte Chancen der Umwelt nicht ausgeschöpft werden können, weil die hierfür notwendigen Ressourcen- und Kompetenzen des Unternehmens fehlen. Durch eine so genannte Umwandlungsstrategie können Schwächen eliminiert werden, um die Chancen zu nutzen.
Tab. 4 SWOT-Analyse an Hand eines fiktiven Beispiels aus der Automobilindustrie Unternehmensexterne Faktoren Unternehmensinterne Faktoren Stärken - Marktführer im Mittelklassesegment - hohe Rendite
Schwächen - Entwicklungsstand Elektromotoren - schwache Position im Oberklassesegment - keine Marktpräsenz in China
Chancen - Preisbereitschaften im Mittelklasse- und Oberklassesegment c starke Marktführerschaft im Mittelklassesegment zur Abschöpfung der Preisbereitschaft nutzen e Upgrading des Produktprogramms in die Oberklasse zur Partizipation an der höheren Preisbereitschaft
Risiken - Rückgang des Absatzes von PKWs mit Verbrennungsmotoren d hohe Renditen zur Entwicklung alternativer Antriebe nutzen (Elektroantrieb, Brennstoffzelle)
f Abbau des Entwicklungsrückstandes bei Elektroantrieben und Markteintrittsstrategie für China
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Strategische Marketingplanung
Schwächen in Kombination mit Risiken (Feld 4): Es lässt sich erkennen, welche Risiken auf Grund vorhandener Schwächen zunächst nicht neutralisiert werden können. Um eine Existenzgefährdung des Unternehmens zu verhindern, sollten diese Schwächen eliminiert werden (sog. Verteidigungsstrategie). Die SWOT-Analyse führt i. d. R. eine Vielzahl von Detailinformationen zusammen, die mithilfe unterschiedlicher Verfahren und Erhebungsmethoden (wie z. B. Szenarioanalysen, Produktpositionierungsanalysen, Erfahrungskurvenanalysen etc.) ermittelt wurden. Auf der Grundlage einer explorativen Befragung von 77 Unternehmen konnten Bruhn und Kirchgeorg ermitteln, dass sich gemessen an der Nutzungshäufigkeit folgende Reihenfolge der eingesetzten Erhebungsmethoden in der Marketingpraxis ergibt (vgl. Bruhn und Kirchgeorg 2011): Interne Befragung von Mitarbeitern/Führungskräften, Tagungsbesuche zu Trendthemen, Befragung von Branchenexperten, Befragung von Marktpartnern, Befragung von Konsumenten, Zukunftsworkshops, Befragung kritischer Anspruchsgruppen und Szenariotechniken. Weitere Instrumente (Delphi-Methode, Systemanalysen, Simulationsmodelle), die vielfach auch eine analytisch anspruchsvollere Auswertungstechnik voraussetzen, kommen hingegen weniger häufig zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um jene Methoden, die im Bereich der wissenschaftlichen Diskussion besondere Prominenz besitzen, jedoch offenbar in der Praxis kaum eine Anwendung erfahren. Selbst die bereits seit Jahrzehnten entwickelten Szenariotechniken werden nur von weniger als der Hälfte der befragten Unternehmen genutzt. Betrachtet man den Eignungsgrad der Methoden, so zeigt sich, dass eine besonders hohe Eignung den Befragungen von Branchenexperten, den internen Befragungen und den Szenarioanalysen zugesprochen wird. Auch Delphi-Methoden werden vom Eignungsgrad wesentlich besser eingestuft, als ihre tatsächliche Nutzung zum Ausdruck bringt.
2.3 Business Model Canvas Während Chancen-Risiken- und Ressourcenanalysen überwiegend für bestehende Unternehmen zum Einsatz kommen, so hat sich für die Bewertung von neuen Geschäftsideen und die Gründung neuer Geschäftsbereiche oder Unternehmen der Ansatz des Business Model Canvas (BMC) etabliert.
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Strategische Situationsanalyse im Marketing
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I Das Business Model Canvas umfasst die ganzheitliche Analyse und Beschrei-
bung von Geschäftsmodellen. Geschäftsmodelle beschreiben die logische Funktionsweise eines Unternehmens und wie durch die Befriedigung von Kundenbedürfnissen Wertschöpfung generiert werden kann. (vgl. Osterwalder und Pigneur 2010, S. 14).
Geschäftsmodelle können auch als konzeptionelle Verbindung zwischen den drei Ebenen der übergeordneten Geschäftsstrategie, der Unternehmensorganisation sowie der Informationstechnologie verstanden werden. Die Ebenen werden durch unterschiedliche Anspruchsgruppen bzw. Mitarbeiter innerhalb eines Unternehmens repräsentiert. Während hinsichtlich der Geschäftsstrategie die Identifikation von Visionen und Zielen im Fokus steht (z. B. mithilfe einer SWOT), geht es bei der Unternehmensorganisation um die strukturelle wie prozessuale Umsetzung der Strategie. Die Umsetzung wird schließlich durch technologische Komponenten wie Hardware, Software und Systeme ermöglicht. Die Funktion eines Geschäftsmodells besteht maßgeblich darin, zwischen den drei Ebenen und den jeweiligen Mitarbeitern ein gemeinsames Verständnis über Ziele und Prozesse sowie die Art und Weise, wie Gewinne erwirtschaftet werden, zu kreieren. Weit verbreitet sind BMC-Ansätze, die aus neun Dimensionen bestehen, welche jeweils marktbezogene (externe) und unternehmensbezogene (interne) Schlüsselfaktoren eines erfolgreichen Unternehmens repräsentieren, die teilweise in wechselseitigen Beziehungen zueinanderstehen. Folgende Dimensionen bzw. Analysebereiche eines Geschäftsmodells werden dabei unterschieden (Osterwalder 2004; Osterwalder und Pigneur 2010): Marktbezogene Dimensionen: Nutzenversprechen, Kundensegmente, Kommunikations- und Vertriebskanäle, Kundenbeziehungen, Einnahmequellen.
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Strategische Marketingplanung
Unternehmensbezogene Dimensionen: Schlüsselaktivitäten, Schlüsselressourcen, Schlüsselpartner, Kostenstruktur. Das Nutzenversprechen stellt eine zentrale Dimension des BMC dar. Die angebotenen Produkte bzw. Dienstleistungen müssen in der Lage sein, bestehende Kundenprobleme zu lösen und relevante Bedürfnisse zu erfüllen. Somit ist das Nutzenversprechen dem Konzept des wahrgenommenen Wettbewerbsvorteils (unique selling proposition) sehr ähnlich. Ein Nutzenversprechen kann durch verschiedene quantitative und/oder qualitative Nutzenkomponenten wie z. B. Neuheit, Leistung, Anpassung an Kundenwünsche (customization), Design, Prestige/Status, Preis, Erreichbarkeit oder auch Nutzerfreundlichkeit und Kundenerlebnis geprägt werden. Werden mehrere Kundensegmente angesprochen, so sollte auch darüber nachgedacht werden, ob verschiedene Nutzenversprechen darzubieten sind. Es stellt sich somit die Schlüsselfrage: Welcher Wert wird aus Sicht des Kunden durch die Nutzung eines Produkts bzw. einer Dienstleistung generiert? Mit Blick auf den Kunden unterscheidet das BMC die Dimensionen Kundensegmente, Kommunikations- und Vertriebskanäle sowie Kundenbeziehungen. So sind zur Fokussierung und Priorisierung der Aufgaben zunächst die zentralen Kundensegmente zu identifizieren. Aufbauend auf unterschiedlichen Bedürfnissen und Eigenschaften bestehender sowie potentieller Kunden lassen sich relevante Kundengruppen kennzeichnen. Dies ermöglicht wiederum, Kunden gezielt anzusprechen und passende Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Es existiert eine Vielzahl von Unterscheidungsmerkmalen zur Charakterisierung und Segmentierung von Kunden. So lassen sich Privatkunden bspw. entsprechend soziodemografischer Eigenschaften sowie regionaler oder verhaltensorientierter Merkmale kategorisieren. Markforscher haben darauf aufbauend Modelle zur Kundensegmentierung entwickelt (z. B. Sinus-Milieus, Semiometrie-Modell von TNS Infratest, Roper Consumer Style der GfK, Abschn. 3 in Kap. 3). Geschäftskunden hingegen unterscheiden sich bspw. durch Rahmenbedingungen wie Branchenzugehörigkeit und Unternehmensgröße oder operative Merkmale wie Know-how und verfügbare Technologien. Die verschiedenen Segmenttypen umfassen: Massenmarkt (keine spezifische Segmentierung), Nischenmarkt (Ansprache einer Kundengruppe mit spezifischen Bedürfnissen und Merkmalen), segmentierte Kundengruppen (Segmentierung innerhalb bestehender Kundengruppe, z. B. nach Geschlecht, Alter und/oder Einkommen), diversifizierte Kundengruppen (Ansprache mehrerer Kundensegmente mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Merkmalen) und übergreifende Plattformen (gegenseitig abhängige Kundensegmente).
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Strategische Situationsanalyse im Marketing
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Hinsichtlich der Dimension der Kundensegmente steht somit die Beantwortung der Frage im Mittelpunkt: Welche Zielgruppe(n) soll(en) angesprochen werden? Weiterhin stehen verschiedene Kommunikations- und Vertriebskanäle zur Verfügung, um die Kunden zu erreichen. Grundvoraussetzung für den Erfolg eines Geschäftsmodells ist die Erzielung eines gewissen Bekanntheitsgrads für das Angebot des Unternehmens. Potentielle Kunden müssen in der Lage sein, das Unternehmen kennenzulernen. Darüber hinaus sollte auch die Möglichkeit vorhanden sein, sich intensiver mit dem Nutzenversprechen auseinanderzusetzen und dieses zu beurteilen. Schließlich müssen auch hinsichtlich des Kaufprozesses sowie der Auslieferung bzw. des Versands geeignete Kanäle zur Verfügung stehen. Eine wichtige Rolle spielt schließlich die Kundenbeziehung nach dem Kauf. Somit gilt es insbesondere die Fragen zu beantworten: Welche kommunikationspolitischen Maßnahmen sollen genutzt werden, um die Produkte bzw. Dienstleistungen des Unternehmens bekannt zu machen und ein gewisses Maß an Vertrautheit zu erreichen? Welche Vertriebskanäle kommen zum Einsatz und wie gelangt das Produkt zu dem Konsumenten? Wie wird die Kundenbeziehung nach dem Kauf gestaltet? Die Kundenbeziehungen sichern das Überleben eines Unternehmens. Nur wenn es gelingt, einen Erstkunden kontinuierlich zu erneuten Transaktionen zu bewegen – also in einen Stammkunden zu konvertieren, besteht die Aussicht auf langfristigen Unternehmenserfolg. Es existieren verschiedene Formen der Kundenbeziehung, welche sich als direkt (z. B. persönlicher Support) oder indirekt (z. B. Selbstbedienung oder automatisierte Dienstleistungen) charakterisieren lassen. Gemeinschaften (communities) oder die Möglichkeit der Mitgestaltung des Produktes bzw. der Dienstleistung durch den Kunden (cocreation) stellen weitere Beziehungsformen dar. Es steht die Beantwortung der Frage im Mittelpunkt: Auf welchem Weg soll die Kundengewinnung und -bindung stattfinden? Das BMC widmet sich auch den Finanzen des Unternehmens, wobei Einnahmequellen und Kosten gegenüberzustellen sind. Während sich die Kosten eher der unternehmensbezogenen Dimension zuordnen lassen, sind Erlöse die Folge marktbezogener Aktivitäten. So besteht das Hauptziel des Unternehmens darin, von den verschiedenen Kundensegmenten Umsätze zu generieren. Dabei können die Einnahmequellen durch verschiedene Arten der Umsatzerzielung geprägt werden. Hierzu zählen der Verkauf von Gütern, Nutzungsgebühren, Lizenzen, Abonnementgebühren, Verleih/Vermietung/Leasing, Vermittlungsgebühren oder auch Einnahmen aus Werbung. Zudem lassen sich Fixpreise (z. B. Listenpreis, in Abhängigkeit von Produkteigenschaften, Zielgruppe oder Volumen) und variable Preise (z. B. Nachlass durch Verhandlung) differenzieren. Hinsichtlich der Analyse der Erlösstruktur gilt es die Frage zu beantworten: Wofür sind potentielle Kunden bereit, Geld auszugeben? Die Infrastruktur eines Unternehmens lässt sich mithilfe der Dimensionen Schlüsselaktivitäten, Schlüsselressourcen und Schlüsselpartner abbilden. Jene Tätigkeiten, die zur Herstellung der angebotenen Produkte bzw. zur Erbringung der Dienstleistungen unbedingt notwendig sind, werden als Schlüsselaktivitäten bezeichnet. So können auch hinsichtlich der verwendeten Vertriebskanäle, der bestehenden Kundenbeziehungen sowie der Erlösquellen erfolgskritische Aktivitäten eine Rolle spielen. Es gilt, die Schlüsselfrage
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Strategische Marketingplanung
zu beantworten: Welche Kerntätigkeiten sind zu fokussieren, um das Nutzenversprechen zu realisieren? Neben den Schlüsselaktivitäten werden zur Herstellung von Produkten bzw. zur Erbringung von Dienstleistungen Schlüsselressourcen benötigt. Auch diese stehen in engem Zusammenhang mit der Erfüllung des Nutzenversprechens, den genutzten Vertriebskanälen sowie der Sicherstellung der Erlöse. Schlüsselressourcen lassen sich in materielle Ressourcen (z. B. Fahrzeuge, Gebäude) und immaterielle Ressourcen (z. B. Patente, Urheberrechte) sowie menschliche und finanzielle Ressourcen untergliedern. Hinsichtlich dieser Dimensionen steht die Frage im Vordergrund: Welche Schlüsselressourcen sind für die Realisierung des Geschäftsmodells sowie zur Erfüllung des Nutzenversprechens unbedingt notwendig? Die Dimension Schlüsselpartner bezieht sich auf den Aufbau und die Pflege strategischer Partnerschaften und ist inhaltlich eng mit Schlüsselressourcen und -aktivitäten verbunden. So können Kernpartner zentrale Ressourcen beisteuern, aber auch wichtige Tätigkeiten übernehmen. Darüber hinaus lassen sich die Erzielung von Effektivitätssteigerungen oder Risikominimierung und Risikoverteilung als mögliche Motivationen zur Identifikation von Schlüsselpartnern aufzählen. Es ist somit die Schlüsselfrage zu beantworten: Welche Schlüsselpartner bzw. Lieferanten müssen berücksichtigt werden, um Schlüsselressourcen zu beschaffen bzw. Schlüsselaktivitäten umsetzen zu können? Den bereits erläuterten Einnahmequellen ist die Kostenstruktur des Unternehmens gegenüberzustellen. Hierbei steht das Kapital, welches zur Herstellung von Produkten wie auch zur Erbringung von Dienstleistungen notwendig ist, im Mittelpunkt. Insbesondere für Schlüsselaktivitäten, Schlüsselressourcen und Schlüsselpartner fallen Kosten an, wobei die größten Kostenblöcke zu identifizieren und kontinuierlich zu kontrollieren sind. Grundlegend lassen sich Unternehmen entweder als überwiegend wertorientiert (Fokus liegt bspw. auf exklusivem Nutzenversprechen) oder kostenorientiert (Fokus liegt bspw. auf schlanker Kostenstruktur, niedrigen Preisen oder Automatisierung) charakterisieren. Darüber hinaus wird zwischen Fixkosten (z. B. für Miete, Löhne und Versicherungen) und variablen Kosten (z. B. für den Wareneinsatz) unterschieden. Auch Skaleneffekte (economies of scale) und Verbundeffekte (economies of scope) spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle. Die Schlüsselfrage lautet: Welche Kosten sind für die Realisierung des Geschäftsmodells zwingend erforderlich? In der Praxis wird das BMC häufig als großformatiger Ausdruck verwendet (vgl. Abb. 5). Dies ermöglicht die Diskussion und Analyse der vorgestellten Dimensionen auch in größeren Gruppen (z. B. mithilfe von farbigen Notizzetteln und Stiften). Darüber hinaus lässt sich das BMC gut mit anderen Instrumenten verknüpfen. So kann ein Finanzplan die Untersuchung der finanziellen Dimensionen hinsichtlich Kosten und Erlösen sinnvoll ergänzen. Auch die Integration des BMC in einen Business Plan ist üblich. Es lassen sich verschiedene Vor- und Nachteile eines BMC identifizieren (Osterwalder 2004). Ein zentraler Vorteil besteht darin, dass der Ansatz leicht verständlich und schnell erlernbar ist. Somit eignet sich das BMC zur Anwendung in Teams und wirkt kommunikationsfördernd. Auch die Möglichkeit der Visualisierung stellt einen Vorteil gegenüber
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Festlegung von Unternehmens- und Marketingzielen
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Abb. 5 Optische Darstellung einer Business Model Canvas nach Osterwalder und Pigneur (Quelle: Osterwalder und Pigneur 2010, S. 44)
anderen Ansätzen der Situationsanalyse dar. In Praxis und Forschung ist das BMC mittlerweile weit verbreitet. Kritiker postulieren jedoch, dass das Modell sehr vereinfacht ist, da komplexe Netzwerke nicht darstellbar sind. Zudem handelt es sich um einen generischen Ansatz, welcher an spezifische Voraussetzungen angepasst werden muss. Auch die Abgrenzung zwischen den einzelnen Komponenten gestaltet sich teilweise schwierig. Dimensionen wie die Konkurrenz oder das Makroumfeld finden keine explizite Berücksichtigung.
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Festlegung von Unternehmens- und Marketingzielen
3.1 Zielplanung als mehrstufiger Entscheidungsprozess Mit der Analyse der strategischen Ausgangsposition ist die Grundlage für die Festlegung der Marketingziele und die Auswahl einer Marketingstrategie geschaffen worden. Die Formulierung eines klar definierten und langfristig ausgerichteten Zielsystems ist wesentlicher Bestandteil der Marketingkonzeption. Ohne eine zielorientierte Ausrichtung droht die Unternehmens- und Marketingplanung bei einer reaktiven Anpassung an Umweltveränderungen mit der Gefahr eines „Durchwurstelns“ („Muddling Through“) zu degenerieren (vgl. Raffée 1984).
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Strategische Marketingplanung
Die Festlegung von Zielen steht in enger Beziehung mit der Formulierung von Strategien. Strategien dienen einerseits der Erreichung von gesetzten Zielen, andererseits kann die Festlegung von Zielen erst aufgrund einer Analyse der Umweltbedingungen und -trends, der Stärken und Schwächen des Unternehmens, der Beziehungen zwischen Umweltchancen und Unternehmensressourcen zur Entwicklung von Kernkompetenzen, der kulturellen Wertmaßstäbe und Ideale der Unternehmensleitung sowie der Verpflichtungen des Unternehmens gegenüber der Gesellschaft erfolgen (vgl. Grimm 1983; Hinterhuber 2011; Becker 2013).
Unternehmenszweck („Business Mission“) Unternehmensgrundsätze, -leitlinien („Policies“ and „Practices“)
übergeordnete Ziele
Für die Zielplanung erweist sich eine differenzierte Betrachtung des Zielbegriffes als zweckmäßig. Während übergeordnete Ziele quasi als Prämissen bzw. Leitlinien für den Prozess der Bildung und Auswahl von Strategien anzusehen sind, lassen sich konkrete inhaltliche Handlungsziele erst im Anschluss an die gewählte Strategie bilden (vgl. Schreyögg 1984, S. 87). Die unterschiedlichen Zielebenen können als Pyramide (vgl. Steiner 1971; Becker 2013) dargestellt werden, wobei die Zahl und der Konkretisierungsgrad der Ziele von der Spitze zur Basis jeweils zunimmt (vgl. Abb. 6).
Unternehmensidentität („Corporate Identity“)
Funktionsbereichsziele (Marketing) Zwischenziele (Geschäftsfelder) Unterziele (Marketing-Mix-Bereiche)
Abb. 6 Hierarchien von Zielebenen
Handlungs-Ziele
Oberziele des Unternehmens („Goals“)
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Festlegung von Unternehmens- und Marketingzielen
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Die Spitze einer solchen Zielpyramide bildet der eigentliche Unternehmenszweck („Business Mission“), der bestimmt, welche Arten von Leistungen das Unternehmen als Teil der Gesamtwirtschaft erbringen soll. Mit der Beantwortung der Fragen „Was ist unser Geschäft?“ und „Was sollte unser Geschäft sein?“ gibt die „Business Mission“ dem Unternehmen eine klare Grundrichtung (vgl. Kotler et al. 2007). Die Business Mission sollte mit einem dahinterstehenden Business Purpose verbunden werden. Mit dem Business Purpose wird der Beitrag eines Unternehmens in der Gesellschaft beschrieben, denn letztlich dient die Gestaltung und Fortentwicklung von Wertschöpfungsketten einem höheren Zweck, um langfristig ohne Überschreitung der ökologischen Grenzen einen Mehrwert für die Stakeholder und damit einen Beitrag zur Wohlfahrt einer Gesellschaft zu leisten. Gerade in Zeiten des Wandels kann sich ein eng gefasster und über die angebotene Leistung definierter Unternehmenszweck verändern, während der dahinterstehende Beitrag zum großen Ganzen, d. h. der Business Purpose erhalten bleiben kann (vgl. hierzu Kirchgeorg et al. 2017, S. 25 ff.). Während früher der Unternehmenszweck fast immer durch Bezugnahme auf eine Produktklasse (z. B. „Wir sind ein Computerhersteller“) oder auf einen technologischen Bereich („Wir sind ein Hersteller von Mikroelektronik“) umrissen wurde, wählen heute zunehmend mehr Unternehmen eine marktbezogene und auf die Lösung von Kundenproblemen bezogene Formulierung („Wir helfen Unternehmen bei der Bewältigung ihrer Informations- und Kommunikationsprobleme“). Diese Entwicklungen zeigen, dass Unternehmen zunehmend auch den hinter der Leistungserbringung und der Erzielung ökonomischer Erfolgsgrößen stehenden Business Purpose als strategische Leitorientierung formulieren. Bei der Entwicklung einer marktbezogenen Unternehmenszweckbestimmung muss ein Mittelweg zwischen einer zu engen und einer zu breiten Formulierung gefunden werden. Während eine zu enge Definition den Bestand des Unternehmens gefährden kann, ist eine zu breite „Business Mission“ mit der Gefahr behaftet, dass sie nicht in konkrete Aktionen umgesetzt werden kann und eine Erosion der Corporate Identity einsetzt. Unter der Corporate Identity wird im weitesten Sinne die Unternehmenspersönlichkeit bzw. -identität verstanden, die sich im Verhalten, der Kommunikation und dem Erscheinungsbild des Unternehmens ausdrückt (vgl. Meffert und Burmann 1996, S. 23 ff.; Birkigt et al. 1998, S. 20 ff.). Sie spiegelt den gegenwärtigen Zustand des Unternehmens, ihre Tradition, die bisherige Unternehmenspolitik sowie die Einstellungen der Führungskräfte und Mitarbeiter wider. Die Elemente der Unternehmensidentität strahlen kontinuierlich nach innen (auf die Mitarbeiter), aber auch nach außen (auf die Umwelt) ab und produzieren in der Öffentlichkeit ein spezifisches Image als (mehr oder weniger genaues) Abbild der Identität. Die Unternehmensleitung muss detailliert analysieren, was die Stärken und Schwächen des Unternehmens ausmacht, wie sie sich in den einzelnen Elementen der Identität niederschlagen und welches Maß an Veränderung das Unternehmen verträgt, ohne dass es sich damit selbst „untreu“ wird. Es gehört zu den schwierigsten Problemen der langfristigen Zielplanung, die Balance zu halten zwischen Unternehmens- und Marketingstrategien, die dieser Notwendigkeit Rechnung tragen, und Strategien, die einen als notwendig erkann-
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Strategische Marketingplanung
ten grundlegenden Wandel in der Unternehmensführung einleiten (vgl. Reichert 1984, S. 146). Im Rahmen des Kapitels zur Markenführung wird auch verdeutlicht, dass je nach Markenarchitektur die Unternehmensidentität auf die strategische Markenpositionierung auszurichten ist, wodurch die unternehmensstrategische Bedeutung der Markenführung unterstrichen wird. Unternehmenszweck und -identität finden ihren Niederschlag in den Unternehmensgrundsätzen bzw. -leitlinien. Diese Unternehmensgrundsätze beeinflussen in erheblichem Maße die Zielinhalte. So zeigt z. B. Ansoff, dass sich die Zielprioritäten eines gesellschaftlich reagierenden Unternehmens in Abhängigkeit vom jeweiligen Gewinnniveau verändern. Sind Gewinn und Wachstum des Unternehmens in einem Mindestmaß erfüllt, gewinnen zunächst kunden- und arbeitnehmerorientierte sowie in einer weiteren Stufe auch umweltorientierte Verhaltensweisen und Ziele an Priorität (vgl. Ansoff 1987). Die folgenden Beispiele verdeutlichen, wie konkrete Unternehmensgrundsätze und Leitlinien bei Unternehmens ausformuliert wurden. Beispiel: Auszüge aus Unternehmensgrundsätzen
Henkel AG & Co. KGaA Unternehmenszweck Nachhaltig Werte schaffen. Wir wollen Werte schaffen – für unsere Kunden und Konsumenten, unsere Teams und unsere Mitarbeiter, unsere Aktionäre sowie die Gesellschaft und das Umfeld, in dem wir tätig sind. Unsere Mitarbeiter werden dies stets mit Leidenschaft, Begeisterung und Stolz tun. Vision und Werte 1. 2. 3. 4. 5.
Wir stellen unsere Kunden in den Mittelpunkt unseres Handelns. Wir schätzen, fordern und fördern unsere Mitarbeiter. Wir streben herausragenden und nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg an. Wir verpflichten uns, unsere führende Rolle im Bereich Nachhaltigkeit auszubauen. Wir gestalten unsere Zukunft auf dem Fundament eines erfolgreichen Familienunternehmens.
AMAZON Customer Obsession – 100 % kundenorientiert: Leader fangen beim Kunden an und arbeiten von dort aus rückwärts. Sie arbeiten stetig daran, das Vertrauen unserer Kunden zu gewinnen und zu bewahren. Leader behalten Mitbewerber im Blick, aber der Kunde bleibt immer im Fokus. Starbucks Leitbild: Wir möchten Menschen in jeder Umgebung inspirieren und fördern – Tasse für Tasse, Kaffeetrinker für Kaffeetrinker.
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Festlegung von Unternehmens- und Marketingzielen
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Leitorientierungen: Unser Kaffee: Qualität steht im Mittelpunkt – das war schon immer so und wird auch so bleiben. Wir kümmern uns um den nachhaltigen Anbau und gerechten Handel der feinsten Kaffeebohnen, rösten sie mit größter Sorgfalt und verbessern die Lebensbedingungen der Menschen, die den Kaffee anbauen. All das ist uns sehr wichtig, und wir werden daran stets weiter arbeiten. Unsere Partner: Wir Mitarbeiter heißen Partner, weil es nicht nur ein Job ist – es ist unsere Leidenschaft. Gemeinsam begrüßen wir Vielfalt, um ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem wir uns alle so entfalten können, wie wir sind. Wir behandeln einander stets mit Respekt und Würde. Wir verpflichten uns gegenseitig, diesem hohen Standard zu entsprechen. Unsere Gäste: Auch wenn wir viel zu tun haben, gehen wir auf unsere Gäste ein, lachen mit ihnen und verschönern ihren Tag, selbst wenn es sich nur um wenige Augenblicke handelt. Natürlich geht es zunächst um das Versprechen, ein Getränk perfekt zuzubereiten. Doch unsere Arbeit reicht weit darüber hinaus. Es geht im Wesentlichen um zwischenmenschliche Beziehungen. Unsere Coffee Houses: Wenn unsere Gäste sich zugehörig fühlen, werden unsere Coffee Houses zu einem Hafen, einer Zuflucht vor den Alltagssorgen, einem Ort, an dem man sich mit Freunden trifft. Es geht um Genuss in der Hektik des Alltags – manchmal langsam ausgekostet, manchmal schneller genossen. Aber stets voller Menschlichkeit. Unser Umfeld: Jedes Coffee House ist Teil einer Gemeinschaft. Und wir nehmen unsere Verantwortung ernst, gute Nachbarn zu sein. Wo wir tätig sind, möchten wir gerne willkommen geheißen werden. Wir können positive Veränderungen bewirken, indem wir unsere Partner, Gäste und die Gemeinschaft dazu anregen, Gutes zu tun. Unsere Verantwortung – und unser Potenzial, Gutes zu tun – ist aber noch größer. Die Welt erwartet von Starbucks neue Standards. Wir werden als Vorreiter vorangehen. Unsere Aktionäre: Wir wissen: Wenn wir unser Versprechen in jedem dieser Bereiche erfüllen, erzielen wir den Erfolg, von dem auch unsere Aktionäre profitieren. Wir sind dafür verantwortlich, in all diesen Bereichen richtig vorzugehen, so dass Starbucks und alle Menschen, die am Unternehmen beteiligt sind, anhaltenden Erfolg haben. Unser Umwelt-Leitbild: Starbucks verpflichtet sich dem Umweltschutz in allen Bereichen des Unternehmens. Entnommen von den Homepages: Henkel AG & Co. KGaA 2018; Amazon 2018; Starbucks 2018.
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Strategische Marketingplanung
Auf der nächsten Zielplanungsebene steht das Management vor der Aufgabe, den Unternehmenszweck unter Berücksichtigung der Corporate Identity und der Unternehmensgrundsätze in konkrete Unternehmensziele umzusetzen.
I Unternehmensziele Die
Unternehmensziele („goals“) stellen Orientierungs- bzw. Richtgrößen für unternehmerisches Handeln dar. Sie sind zugleich Aussagen über anzustrebende Zustände, die mithilfe unternehmerischer Maßnahmen erreicht werden sollen (vgl. Kupsch 1979, S. 15 f.).
In marktwirtschaftlichen Systemen muss der Gewinn nicht nur als notwendige Stabilitätsbedingung für die Unternehmen angesehen werden, sondern stellt auch eine Voraussetzung für den Bestand und den Fortschritt der Gesellschaft selbst dar (vgl. Gälweiler 1974, S. 144). Trotz der zentralen Bedeutung des Gewinnzieles haben die Befunde der empirischen Zielforschung ergeben, dass die klassische Gewinnmaximierungshypothese in ihrem absoluten Anspruch nicht mehr aufrechterhalten werden kann (vgl. z. B. Meffert und Kirchgeorg 1998, S. 44 ff.). Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Unternehmen dem Gewinnziel eher eine relative Bedeutung einräumen (Mindestgewinn bzw. angemessener Gewinn) und i. d. R. eine Vielzahl von Zielen gleichzeitig verfolgen. Die Fülle möglicher Unternehmensziele kann in folgenden Basiskategorien zusammengefasst werden (vgl. Ulrich und Fluri 1975, S. 80; Meffert und Kirchgeorg 1998; Becker 2013, S. 16 f.): Marktleistungsziele: – Produktqualität – Produktneueinführungen – Servicequalität – Sortimentskompetenz Marktstellungsziele: – Umsatz – Marktanteil – Kundenzufrieden – Marktgeltung – Markterschließung Rentabilitätsziele: – Gewinn – Umsatzrentabilität – Rentabilität des Eigenkapitals – Rentabilität des Gesamtkapitals – Unternehmenswert
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Festlegung von Unternehmens- und Marketingzielen
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Finanzielle Ziele: – Kreditwürdigkeit – Liquidität – Selbstfinanzierungsgrad – Kapitalstruktur Macht- und Prestigeziele: – Unabhängigkeit – Image und Prestige – Politischer Einfluss – Gesellschaftlicher Einfluss – Unternehmensreputation Soziale Ziele: – Arbeitszufriedenheit – Einkommen und soziale Sicherheit – Soziale Integration – Persönliche Entwicklung Gesellschaftsbezogene Ziele: – Nicht kommerzielle Leistungen für Anspruchsgruppen – Sponsoringleistungen für gesellschaftliche Institutionen Umweltschutzziele: – Reduzierung von Emissionen – Reduzierung des Verbrauches natürlicher Ressourcen – Recyclingquoten In der Abb. 7 ist beispielhaft ein klassisches Zielsystem mit wichtigen ökonomischen Unternehmenszielen dargestellt. Dabei ist davon auszugehen, dass die Marktstellungsziele für die Erreichung der Rentabilitätsziele grundlegende Voraussetzung sind. Die finanziellen Ziele stecken demgegenüber die Bedingungen ab, unter denen die Realisierung der Marktstellungs- und Rentabilitätsziele erst möglich ist. Die sozialen Ziele stellen wesentliche Begleitziele dar, während Macht- und Prestigeziele in wechselseitiger Beziehung zur Erreichung der Gewinn- und Rentabilitätsziele stehen. In den 80er Jahren hat die Integration von Umweltschutzzielen in das Zielsystem von Unternehmen eine besondere Bedeutung erfahren (vgl. z. B. Meffert und Kirchgeorg 1998; Kirchgeorg 2002). Nach der Jahrtausendwende haben die Diskussionen um den Klimawandel und die Probleme von sich abzeichnenden Ressourcenengpässen angesichts des weltweiten Wirtschaftswachstums und der zu lösenden Armutsprobleme eine neue Sensibilität für die Berücksichtigung von Umweltschutz- und Nachhaltigkeitszielen ausgelöst (vgl. Winn und Kirchgeorg 2005, 2006). Durch eine frühzeitige Integration von Umweltschutzzielen können Marktchancen und Wettbewerbsvorteile erzielt und Marktstellungs- und Rentabilitätsziele positiv beeinflusst werden.
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Strategische Marketingplanung
Gesamtkapitalrentabilität
Bruttoumsatzrentabilität
Kapitalumschlag
Gewinn
Gesamtkapital
Kosten
Soziale Beziehungen
Wirtschaftlichkeit, Produktivität
Umsatz
Marktanteil (Branchenumsatz)
Eigenkapital
Marktmacht, Prestige
Liquidität (strukturell)
Fremdkapital
Unabhängigkeit (finanzwirtschaftlich)
Kapitalerhaltung (real)
Abb. 7 Deduktiv orientiertes Mittel-Zweck-Schema der wichtigsten Unternehmensziele (Quelle: Heinen 1976, S. 128)
3.2 Zunehmende Relevanz von Nachhaltigkeitszielen Wenngleich der Begriff der Nachhaltigen Entwicklung vielfach als unscharf und nebulös bezeichnet wird, so sind im letzten Jahrzehnt eine ganze Reihe von Bemühungen unternommen worden, dieses Entwicklungsprinzip operationaler zu fassen. Theoretische und praktische Überlegungen haben dazu beigetragen, nachhaltige Zielinhalte zu präzisieren. In diesem Zusammenhang wird immer wieder an die Definition der Brundtland-Kommission angeknüpft: „Sustainable Development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“ (World Commission on Environment and Development 1987, S. 43). Hieraus wurden drei Leitprinzipien, das Verantwortungs-, Kreislauf- und Kooperationsprinzip, für die Übertragung in den Unternehmenskontext abgeleitet (vgl. Meffert und Kirchgeorg 1993; Balderjahn 2004; Meffert, Kenning und Kirchgeorg 2014). Mit dem Verantwortungsprinzip verbindet sich der normative Anspruch, die Folgen des unternehmerischen Handelns für bestehende und nachfolgende Generationen bereits bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Das Kreislaufprinzip basiert auf Erkenntnissen der Ökosystemforschung und lenkt den Blick darauf, dass eine Nachhaltige Entwicklung die Schaffung und Aufrechterhaltung weitgehend geschlossener Stoffströme erfordert (Kirchgeorg 1999). Das Kooperationsprinzip unterstreicht die Notwendigkeit, dass die Suche und Umsetzung von unternehmerischen Lösungsoptionen, die dem Anspruch der Nachhaltigen Entwicklung gerecht werden, in hohem Maße die Einbeziehung betroffener Stakeholdergruppen erfordert.
3
Festlegung von Unternehmens- und Marketingzielen
287
Die Übersetzung dieser Leitprinzipien in Unternehmens- und Marketingziele erfolgt vielfach auf Basis des sog. Drei-Säulen-Modells, das auf die Integration der oben skizzierten ökologischen, sozialen und ökonomischen Zielinhalte abstellt. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Relevanz von Nachhaltigkeitszielen wird das Marketing, welches dieser Zielorientierung folgt, auch als Nachhaltigkeitsmarketing bezeichnet. Dabei wird bei der Planung, Koordination, Durchsetzung und Kontrolle aller markt- und nichtmarktbezogenen Transaktionsaktivitäten die Vermeidung oder Verringerung ökologischer und sozialer Probleme sichergestellt, um über eine dauerhafte Befriedigung der Bedürfnisse aktueller und potenzieller Kunden – unter Ausnutzung von Wettbewerbsvorteilen und bei Sicherung der gesellschaftlichen Legitimität – die angestrebten Unternehmensziele zu erreichen (vgl. Kirchgeorg 2002; Belz und Peattie 2012; Meffert et al. 2014). Abb. 8 verdeutlicht schematisch, wie ökonomische, ökologische und soziale Zielinhalte bei gleichzeitiger Verfolgung von Wettbewerbszielen erreicht werden können. Durch innovative Marketingstrategien gilt es, Umwelt- und Sozialvorteile mit der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen (UMP) zu verbinden. Bei der Umsetzung können sowohl Komplementaritäten (Schnittmengen) als auch Konflikte zwischen Umwelt-, Sozial- und Wettbewerbsvorteilen auftreten. Die Bewältigung von Konflikten zwischen den drei Nachhaltigkeitszielen stellt besondere Anforderungen an die Entscheidungsträger. Die Intensivierung von Dialogen mit Stakeholdern und ein aktives Engagement für die Veränderung marktbezogener Rahmenbedingungen zur Förderung nachhaltiger Marktleistungen (Vergrößerung der Schnittmengen) werden zur Minderung bestehender Konfliktfelder empfohlen. Hierzu
Unternehmung
UMP Kunde
Wettbewerber
SSP
So
zia
ff l-E
izie
nz
Soziale Dimension (Sozial-Effektivität)
UEP
Ök
o-E
ffiz
ien
z
Ökologiedimension (Öko-Effektivität)
Legende: UMP = Unique Marketing Proposition SSP = Sustainable Social Proposition UEP = Unique Environmental Proposition
Abb. 8 Generierung von Wettbewerbsvorteilen bei gleichzeitiger Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen
288
4
Strategische Marketingplanung
erscheint in vielen Fällen eine Neuausrichtung klassischer Wertschöpfungsketten notwendig (vgl. Porter und Kramer 2011). Die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeitszielen für das Marketingmanagement lässt sich auf folgende Gründe zurückführen: Trotz selektiver Anstrengungen ist angesichts des Wachstums der Weltbevölkerung und des gestiegenen Ressourcenbedarfes für Produktions- und Konsumprozesse kein positiver globaler Nettoeffekt bei der Verringerung des Ressourcenverbrauches und der Reduzierung von Emissionen erkennbar. In einer Studie wurden die bereits 1972 im Bericht „Limits to Growth“ des Club of Rome verwendeten Indikatoren für die Darstellung von Entwicklungsszenarien in ihren aktuellen Ausprägungen erneut vermessen (vgl. Netherlands Environmental Assessment Agency 2009). Gemessen an den Indikatoren Bevölkerungswachstum, industrieller Output, Verbrauch nicht regenerierbarer Ressourcen und Entstehung von Emissionen befindet sich die Weltgesellschaft auf dem Pfad des Katastrophenszenarios, welches 1972 im Club of Rome-Bericht abgeleitet wurde (vgl. Abb. 9). Bezieht man die dramatische Abnahme der Biodiversität und die hierdurch bedingte Reduzierung der Regenerationsfähigkeit des Ökosystems mit ein (WWF 2008), so erscheint es besonders dringlich, tatsächlich auf nachhaltige Entwicklungspfade umzuschwenken. Aktuelle Erkenntnisse sensibilisieren weiterhin dafür, dass die zeitliche Reichweite der heute in industriellen Prozessen eingesetzten nicht erneuerbaren Rohstoffe erheblich abnimmt (vgl. z. B. Kreibich 2009). Die Entwicklung von Substituten erlangt damit in den nächsten Jahrzehnten eine besondere Priorität. Setzt sich das WirtschaftswachsPopulation 1.0
Industrial output
Normalised value
1.0
Non-renewable resources
Normalised value
1.0
Normalised value
Pollution 1.0
0.8
0.8
0.8
0.8
0.6
0.6
0.6
0.6
0.4
0.4
0.4
0.4
0.2
0.2
0.2
0.2
0.0 1900
2000
2100
‘Limit to Growth’ scenarios Standard run
0.0 1900
2000
2100
Stabilized world
0.0 1900
2000
2100
Normalised value
0.0 1900
2000
2100
Observed data
Abb. 9 Vergleich der Limit-to-Growth-Szenarien des Clubs of Rome-Berichtes aus dem Jahre 1972 mit aktuellen globalen Daten (Quelle: Netherlands Environmental Assessment Agency 2009, S. 23)
3
Festlegung von Unternehmens- und Marketingzielen
289
tum in den bevölkerungsstarken Entwicklungsländern in der bisherigen Form fort, so werden Verknappungserscheinungen auf den vernetzten Weltmärkten zu erheblichen Preissteigerungen führen, die wiederum sozio-ökonomische Folgeeffekte in den einzelnen Volkswirtschaften hervorrufen werden. Wird weiterhin berücksichtigt, dass in der von den Vereinten Nationen 2015 verabschiedeten Resolution „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ bis zum Jahre 2030 keine Menschen mehr in extremer Armut (Verfügbarkeit von weniger als 1,25 Dollar pro Tag) leben sollen (Vereinte Nationen 2015), so ist eine steigende Nachfrage von Menschen in den sog. „Bottom of the Pyramid (BOP)-Märkten“ zu erwarten (vgl. Prahalad 2005; Winn und Kirchgeorg 2006). Rund vier Milliarden Menschen zählen zu den ärmeren Bevölkerungsschichten, die ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen und am Wohlstand der Industrieländer nicht teilhaben können. Gemäß dem Prinzip der intragenerativen Gerechtigkeit ist die Befriedigung der Nachfrage auf BOP-Märkten leitbildgerecht. Die daraus entstehenden Mehrverbräuche für Produktions- und Konsumprozesse verschärfen die oben skizzierte Ressourcenproblematik. Somit entstehen hieraus sowohl Chancen als auch Risiken für die Entwicklung umwelt- und sozialverträglicher Produkte und Dienstleistungen (vgl. Porter und Kramer 2011). Hinzu kommen die durch den Klimawandel bedingten Herausforderungen. Wegen des zu erwartenden Klimawandels mit der Zunahme von Extremwetterereignissen sind erhebliche Diskontinuitäten für Gesellschaft und Wirtschaft zu erwarten. Gegenüber allen bisher entwickelten Marketingkonzepten erscheint es einzigartig, dass es weltweit einen gemeinsamen Orientierungsrahmen für die Nachhaltige Entwicklung gibt, sodass sich Unternehmen vielfach nationalen wie internationalen Stakeholderforderungen gegenüber sehen, die auf das Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung rekurrieren. Bei der Entwicklung von Lösungsoptionen zur Erfüllung von Kundenbedürfnissen und zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen sind somit aufgrund des Leitbildcharakters oder konkreter Stakeholderforderungen ökologische und soziale Anforderungen zu integrieren (vgl. z. B. Daub 2008). Die Übersetzung der Leitprinzipien der Nachhaltigen Entwicklung in das Marketing fördert weiterhin ein Querdenken und liefert neue Impulse für konzeptionelle Erweiterungen. Hierdurch eröffnen sich auch für die Praxis neue Ansatzpunkte zur Wettbewerbsdifferenzierung, wie dies z. B. die jüngsten Entwicklungen in der Automobilindustrie zeigen. Die im Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung geforderte Verteilungsgerechtigkeit führt zu einer expliziten Auseinandersetzung mit Nachfragern sozial schwacher und armer Bevölkerungsgruppen, die sich aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen bisher nicht an Markttransaktionen beteiligten konnten. Hieraus erwächst für das Nachhaltigkeitsmarketing die Herausforderung, die Gestaltung der Transaktionsfähigkeit armer Menschen in die konzeptionellen Überlegungen zu integrieren (vgl. Winn und Kirchgeorg 2006). Die Forderung nach intergenerativer Verteilungsgerechtigkeit führt weiterhin zu einer Abschätzung der Transaktionsfolgen für jene Generationen, die bisher noch nicht als Nachfrager auf den Märkten ihre Bedürfnisse und Ansprüche artikulieren können.
290
4
Strategische Marketingplanung
Die Ausführungen verdeutlichen, dass zukünftig bei der Festlegung von Marketingzielen spezielle Nachhaltigkeitsziele explizit zu diskutieren und in das Unternehmenszielsystem zu integrieren sind.
3.3 Ableitung von konsistenten Zielsystemen In der Literatur fehlt es nicht an Versuchen, die unterschiedlichen Unternehmensziele im Rahmen eines konsistenten Zielsystems in eine hierarchische Ordnung zu bringen. So basiert z. B. das von Heinen in den 70er Jahren entwickelte deduktiv orientierte MittelZweck-Schema der wichtigsten Unternehmensziele auf dem Oberziel der Gesamtkapitalrentabilität (vgl. Abb. 7). Aus definitionslogischen Beziehungen ergeben sich dabei jeweils aus den übergeordneten Zielen die untergeordneten (Zwischen- bzw. Unter-)Ziele. So ist die Gesamtkapitalrentabilität als Verhältnis von Kapitalgewinn (Gewinn und Fremdkapitalzinsen) zum eingesetzten Kapital definiert. Die Kapitalrentabilität kann wiederum als Produkt aus Umsatzrentabilität (Gewinn und Fremdkapitalzinsen/Umsatz) und Kapitalumschlag (Umsatz/Gesamtkapital) ausgedrückt werden. Neben diesen definitionslogischen Beziehungen umfasst ein solches Zielsystem allerdings auch Mittel-ZweckVermutungen (z. B. zwischen Gewinn und sozialen Bestrebungen oder zwischen Eigenkapital und Liquidität). Neben diesen theoretischen Ansätzen zur Bildung konsistenter Zielsysteme des Unternehmens haben empirische Untersuchungen zur Mittel-Zweck-Beziehung von Zielen seit den 80er Jahren eine besondere Bedeutung erlangt. Abb. 10 zeigt die im Rahmen der empirischen Zielforschung ermittelten Zielprioritäten von Unternehmen sowie die Beziehungen zwischen dem Umweltschutzziel und anderen Zielen. Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und die langfristige Gewinnerzielung werden mit der höchsten Priorität bewertet, während kurzfristige Gewinnerzielungsabsichten eine geringe Bedeutung einnehmen. Umweltschutzziele nehmen in dieser Studie eher eine mittlere Bedeutung ein, stehen jedoch mit den wichtigsten Unternehmenszielen in einer komplementären Beziehung, d. h. ein verstärktes Umweltschutzengagement verbinden Unternehmen mit der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und der Steigerung der langfristigen Gewinnziele. Breite Beachtung hat im Rahmen der empirischen Ziel- und Strategieforschung das PIMS-Projekt des Strategic Planning Institute gefunden, in dem versucht wurde, auf der Basis von Korrelations- und Regressionsanalysen die wichtigsten Determinanten der Oberziele Rentabilität (Return on Investment, RoI) und Cashflow (als Liquiditäts- bzw. Sicherheitsmaßstab) zu ermitteln (vgl. Meffert 1994b, S. 57 ff.). Die dabei identifizierten Schlüsselgrößen bzw. Erfolgsfaktoren Marktanteil, Produktivität und Produktqualität
3
Festlegung von Unternehmens- und Marketingzielen Präferenzrelationen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit langfristige Gewinnerzielung Produktivität Kosteneinsparungen Mitarbeitermotivation
Priorität in der Zielhierarchie
Image Erschließung neuer Märkte
291 Interdependenzen
+ + -++ +++ +
Umweltschutz Erhaltung von Arbeitsplätzen Marktanteil Umsatz kurzfristige Gewinnerzielung
+ + + --
Abb. 10 Ergebnisse der empirischen Zielforschung über Zielprioritäten und Zielbeziehungen (Quelle: Meffert und Kirchgeorg 1998, S. 47)
entsprechen konkreten Unterzielen. Die als ebenfalls bedeutsam eingestuften Eigenschaften Investitionsintensität, Marktwachstum, Innovation/Differenzierung von Mitbewerbern sowie vertikale Integration weisen zwar keinen Zielcharakter auf, sollten aber bei der Bewertung von Unternehmensund Marketingstrategien ebenfalls herangezogen werden. Die Unternehmensziele können nur dann realisiert werden, wenn den einzelnen Funktionsbereichen des Unternehmens (Beschaffung, Produktion, Marketing, Finanzierung) detaillierte Teilziele bzw. Funktionsbereichsziele vorgegeben werden. Die Funktionsbereichsziele des Marketing können wiederum in Zwischenziele der SGE sowie auf der nachfolgenden Ebene in Unterziele für die einzelnen Marketinginstrumente aufgegliedert werden.
292
4
Strategische Marketingplanung
3.4 Marketingziele im Zielsystem des Unternehmens In Bezug auf die Marketingaktivitäten eines Unternehmens kommt den Marketingzielen eine herausragende Steuerungs- und Koordinationsfunktion zu. I Marketingziele Die Marketingziele kennzeichnen die dem Marketingbereich
gesetzten Imperative (Vorzugszustände), die durch den Einsatz der Marketinginstrumente erreicht werden sollen (vgl. Meffert 1971; Heinen 1976, S. 49 ff.). Die Festlegung der Marketingziele beinhaltet zwei Problemkreise:
1. Die Dimensionen der Marketingziele sind zu operationalisieren. Operationalität verlangt eindeutige Messvorschriften, anhand derer die Zielerreichung zu kontrollieren ist. 2. Es ist ein marktorientiertes Zielsystem zu entwickeln, das einen Bestandteil eines integrierten Marketingerfolgssystems, wie es im ersten Kapitel einleitend vorgestellt wurde, bilden sollte. In einem Zielsystem sind die verschiedenen Imperative des Marketing unter Beachtung des Gesamtzusammenhangs der Unternehmensziele (Zielbeziehungen) in eine Ordnung zu bringen. Insbesondere müssen bei Vorliegen von Zielkonflikten Prioritäten gesetzt werden. Das festgelegte Zielsystem bildet die Grundlage für die weitere Strategie- und Maßnahmenplanung und ein zielorientiertes Marketingcontrolling. Die Festlegung der Zieldimension macht eine Präzisierung der Marketingziele nach Inhalt, Ausmaß, Zeit- und Segmentbezug erforderlich. Die Festlegung des Zielinhaltes verlangt eine Entscheidung darüber, was im Marketing angestrebt wird. Dabei kann grundsätzlich zwischen ökonomischen und psychographischen Marketingzielen unterschieden werden. Die ökonomischen Marketingziele hängen naturgemäß eng mit den generellen Unternehmenszielen (Gewinn, Rentabilität, Unternehmenswert) zusammen. Sie lassen sich i. d. R. anhand der Markttransaktionen (Kauf bzw. Absatz) messen und nehmen damit auf beobachtbare Ergebnisse des Kaufentscheidungsprozesses Bezug. Von besonderer Bedeutung als Zielgröße ist der Deckungsbeitrag oder Bruttoerfolg des Unternehmens, der die Schnittstelle zwischen generellen Unternehmens- und Marketingzielen bildet. Der Deckungsbeitrag (Umsatz abzüglich „relativer Einzelkosten“) kann als marktspezifischer Erfolgsbeitrag, d. h. bezogen auf Verkaufsgebiete, Artikelgruppen, Kundengruppen etc. mithilfe der Absatzsegmentrechnung ermittelt werden. In den 90er Jahren haben auch Kunden- und Markenwerte als Zielgrößen des Marketing eine zunehmende Bedeutung erlangt. Der finanzielle Wert dieser Kundenbeziehung wird als Kundenlebenszeitwert (Customer Lifetime Value) bezeichnet (vgl. Burmann 2003; Bruhn und Homburg 2010). Hierbei wird der abdiskontierte Zahlungsstrom aller durch den Kunden hervorgerufenen Einzahlungen und Auszahlungen berechnet. Die
3
Festlegung von Unternehmens- und Marketingzielen
293
Addition der Kundenlebenszeitwerte über alle aktuellen Kunden wird als Kundenstammwert (Customer Equity) bezeichnet. Als weiteres zentrales ökonomisches Marketingziel ist der Marktanteil anzusehen. Er ist definiert als das Verhältnis des mengen- oder wertmäßigen Absatzes eines Unternehmens zum gesamten Absatz in einem Teilmarkt sowie einer Betrachtungsperiode. Der Marktanteil spiegelt den Grad der Ausschöpfung des Marktvolumens wider. Er zeigt auf, in welchen Märkten das Unternehmen gegenüber Mitbewerbern besonders erfolgreich war und ist somit Ausdruck der Marktposition. Ökologische und soziale Marketingziele stellen eine Konkretisierung der zuvor diskutierten Nachhaltigkeitsziele dar (vgl. Meffert et al. 2014). Hierbei geht es zunächst um die Vermeidung und Verringerung von negativen Auswirkungen (externe Effekte) durch Produktherstellung, -nutzung und -entsorgung auf die ökologische Umwelt. In diesem Zusammenhang können Einsparungsziele von nicht erneuerbaren Rohstoffen und Energie, die Erhöhung von Recyclingquoten oder die Verringerung von Emissionen festgelegt werden. Mit Blick auf soziale Ziele geht es z. B. um die Sicherstellung sozialverträglicher Arbeitsbedingungen und die Mitwirkung bei der Lösung sozialer Problemfelder an Firmenstandorten. Zukünftig stehen auch Wachstumsoptionen in sog. BOP-Märken in der Diskussion, durch die eine Versorgung armer Konsumentensegmente in den Blickpunkt des Marketing genommen wird. Entsprechende Ziele dienen dann als Grundlage für die Neuausrichtung der Produktentwicklung und aller weiteren Marketinginstrumente. Marketingmaßnahmen sollen eine Beeinflussung bzw. Änderung des Kaufverhaltens bewirken. Voraussetzung für diesen Aktions- oder Handlungserfolg ist die Erzielung einer psychischen Wirkung beim Käufer. Psychographische Marketingziele knüpfen deshalb in erster Linie an den mentalen Prozessen der Käufer an. Ausgangspunkt bildet die empirisch nachgewiesene Hypothese, dass Motive, Einstellungen und Images der Konsumenten die Kaufbereitschaft und damit letztlich die Kaufwahrscheinlichkeit bestimmen (vgl. Steffenhagen 1999). Dabei sind vor allem folgende Ziele von Bedeutung: Erhöhung des Bekanntheitsgrades, Erzielung von Wissenswirkungen, Veränderung bzw. Verstärkung von Einstellungen bzw. Images, Erhöhung der Präferenzen, Verstärkung der Kauf- und Wiederkaufabsicht Erhöhung der Kundenzufriedenheit Intensivierung des Weiterempfehlungsverhaltens Gemäß dem modernen, erweiterten Marketingverständnis sind die Ziele des Marketing nicht nur mit Bezug zur marktgerichteten Zielgruppe zu definieren. Vielmehr sind auch stakeholderbezogene Ziele gegenüber jenen Personen zu erfassen, die durch die Geschäftstätigkeit im weitesten Sinne betroffen sein könnten (Anspruchsgruppen bzw. Stakeholder). Damit sind auch psychographische Marketingziele für die relevanten Stakeholder (Bekanntheit, Wissen, Akzeptanz, Zufriedenheit) in das Zielsystem zu integrieren.
294
4
Strategische Marketingplanung
Das Kernproblem bei den psychographischen Marketingzielen besteht in der Messung dieser nicht unmittelbar beobachtbaren psychischen Variablen (intervenierende Variable als Konstrukte). Die größte Bedeutung wird bei der Zielplanung den Einstellungen und Images zuerkannt (vgl. Trommsdorff 1975, S. 5 ff.). Einstellungen sind gelernte und relativ dauerhafte Bereitschaften, auf bestimmte Reizkonstellationen der Umwelt konsistent positiv oder negativ zu reagieren. Sie beruhen auf der Einschätzung von Produkten, einer Marke oder eines Unternehmens bezüglich einzelner kaufrelevanter Kriterien wie z. B. Preis, Lieferfähigkeit, Qualität und Solidität (vgl. dazu auch Abschn. 1 in Kap. 2). Images werden als mehrdimensionale Einstellungskonstrukte interpretiert. Stark vereinfacht ausgedrückt bilden sich Images aus der Summe von Einstellungen oder Eindruckswerten von einem Objekt (Produkt, Person, Meinungsgegenstand, Unternehmen etc.). Die Festlegung des Zielausmaßes verlangt eine Dimensionierung des Zielerreichungsgrades. Marketingziele können unbegrenzt oder begrenzt formuliert sein. Unbegrenzte Ziele sind bspw. die Gewinn-, Umsatz- oder Marktanteilsmaximierung. In der Realität liegen meist begrenzte, in einem bestimmten Anspruchssatz formulierte Ziele vor, wie z. B. die Erreichung eines Marktanteiles von x Prozent, das Erzielen eines Umsatzzuwachses von y Prozent, die Sicherung einer bestimmten Mindestrendite von z Prozent oder das Erreichen einer Kaufabsicht im Zielsegment von u Prozent. Der zeitliche Bezug bestimmt, in welchem Zeitraum die Marketingziele erreicht werden sollen. Je nach der zugrunde liegenden Planperiode können kurz-, mittel- und langfristige Zielformulierungen vorliegen. Darüber hinaus können die Ziele statisch oder dynamisch formuliert sein. Eine dynamische Zielformulierung bedeutet z. B. die Formulierung von Wachstumszielen unter Bezugnahme auf die Zielerreichung bestimmter Vorperioden. Zumeist wird neben den drei Zieldimensionen Inhalt, Ausmaß und Zeitbezug noch der Marktsegmentbezug gefordert. Marketingziele müssen auf eine jeweils sich möglichst homogen verhaltende Schicht von Zielgruppen abgestellt werden. Beispiele für die operationale Formulierung von Marketingzielen lauten: Steigerung des Umsatzes für Produkt A im Gebiet B bei der Käuferschicht C um 10 % bis Ende des nächsten Jahres, Aufrechterhaltung des Marktanteils von x % bei einer Gewinnsteigerung von z % im nächsten Jahr bei der Produktgruppe B, Maximierung des Deckungsbeitrages der Produkte C bei den Kunden D im nächsten Monat, Verringerung des Energieverbrauches um 20 % von Produkten in der Nutzungsphase auf dem Ländermarkt y im nächsten Jahr, Erhöhung des Bekanntheitsgrades einer neu eingeführten Marke um 30 % im Seniorensegment innerhalb der nächsten zwölf Monate.
3
Festlegung von Unternehmens- und Marketingzielen
295
Zwischen den Marketing- bzw. Unternehmenszielen bestehen vielfältige Zielbeziehungen. Teilweise können sich die Ziele gegenseitig positiv beeinflussen – so erhöht z. B. die Marktanteilssteigerung in einzelnen Produktmärkten i. d. R. den Gewinn. Jedoch sind auch andere Beziehungen denkbar. Bspw. müssen Marktanteile vielfach durch Intensivierung des Außendienstes, durch Erhöhung der Werbe- und Verkaufsförderungsbudgets oder durch Preissenkungen erkämpft werden. Dies kann zu Gewinneinbußen führen. Die Erhöhung der Aufmerksamkeit von Produkten durch eine aufwendigere Verpackungsgestaltung kann wiederum eine kritische Einschätzung von Umweltverbänden hervorrufen und die Marktakzeptanz des Produktes gefährden. In solchen Konfliktfällen besteht die Notwendigkeit, im Rahmen der Zielplanung die Marketingziele in ein Zielsystem einzuordnen. Eine derartige Einordnung hängt zum einen von der subjektiven Einstellung des Managements (entscheidungsträgerbedingter Aspekt), zum anderen von der jeweiligen Marketingsituation ab (entscheidungsfeldbedingter Aspekt). Drei Gesichtspunkte sind generell beim Entwurf von konsistenten Zielsystemen zu beachten: 1. Der erste Gesichtspunkt bezieht sich auf die Prüfung möglicher Zielbeziehungen. Dabei sind Zielkomplementarität (die Zielerreichung eines Ziels bedeutet zugleich eine bessere Erfüllung eines anderen Ziels), Zielneutralität (die Zielerreichung eines Ziels hat keine Auswirkung auf die Erreichung eines anderen Ziels) und Zielkonflikte (die Erreichung eines Ziels wirkt sich negativ auf die Erfüllung eines anderen Ziels aus) denkbar. Bei komplementären Zielen ist es möglich, das jeweils operationalere Ziel zur Entscheidungsfindung heranzuziehen. Im Rahmen neutraler Zielbeziehungen treten keine Auswahlprobleme auf. Schwierigkeiten bereiten dagegen konfliktäre Ziele. Bei widersprüchlichen Zielen liegt ein Denkfehler des Managements vor. Konkurrieren die Ziele nur in bestimmten Bereichen, so muss zur Entscheidungsfindung ein bestimmtes Entscheidungskriterium herangezogen werden. Folgendes Beispiel soll den Zusammenhang konfliktärer Ziele verdeutlichen: Ein Unternehmen produziert LCD-Fernsehgeräte mit konstanten Grenzkosten. Die abgesetzte Stückzahl hängt von der Höhe des Preises ab. Die Gesamterlöse (U D p x) sind ebenfalls eine Funktion des Preises und der Absatzmenge. Es wird angenommen, dass bei wachsender Marktsättigung die Gesamterlöse nur degressiv steigen. Es gilt somit der in Abb. 11 dargestellte Funktionszusammenhang. 2. Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass die Zielsetzungen Absatzmaximierung (bei angestrebter Kostendeckung, realisiert bei x3 ), Umsatzmaximierung (realisiert bei x2 ) und Gewinnmaximierung (realisiert bei x1 ) auseinander fallen. Es liegt also ein Zielkonflikt vor, und in einer solchen Situation greift der zweite Gesichtspunkt der Ordnung von Zielen. Die für die Präzisierung des Zielsystems Verantwortlichen müssen eine Zielgewichtung vornehmen und klare Prioritäten bzw. eine Rangordnung für die Ziele festlegen. Eine solche Prioritätensetzung ist nichts anderes als die Formulierung einer Entscheidungsregel.
296
4 U K G
Strategische Marketingplanung K= U= G= x =
Gesamtkosten Umsatz Gewinn Absatz
K
U
G
x1
x2
x3
x
Abb. 11 Konflikte zwischen den Marketingzielen Absatz-, Umsatz- und Gewinnmaximierung
3. Dem praktischen Denken kommt die dritte Möglichkeit der Ordnung von Marketingzielen besonders entgegen. Dies ist die Ordnung nach der Mittel-Zweck-Vermutung von Zielen. Danach lassen sich Ober-, Zwischen- und Unterziele im Marketing unterscheiden. So dient bspw. eine Verbesserung des Produktimages der Erhöhung des (mengenmäßigen) Absatzes und diese wiederum dem Umsatzstreben. Das Umsatzstreben ist seinerseits ein Mittel der Gewinnerzielung. Eine Steigerung des Gewinnes führt bei gegebenem Kapitaleinsatz zur Erhöhung der Rendite. Ein zeitbezogenes Konzept für den Aufbau von Zielsystemen auf der Basis von MittelZweck-Vermutungen stellt das sog. Leitlinien- bzw. Trajektorie-Konzept dar (vgl. Crawford 1972; Köhler 1981; Bauer 1989). Dabei wird im Rahmen einer mehrdimensionalen Zielstufenplanung, die über mehrere Perioden reicht, versucht, den erwarteten zeitlichen Zusammenhang zwischen den wichtigsten Zielgrößen abzubilden (vgl. Abb. 12). Für jede Zielgröße wird auf einer Zeitachse eine strategische Leitlinie – in Analogie zur ballistischen Flugbahn eines ferngelenkten Projektils auch als Trajektorie bezeichnet – vorgegeben. Berücksichtigt man mehrere in einer Mittel-Zweck-Beziehung stehende Marketingziele mit ihren jeweiligen Dimensionen gleichzeitig, ergibt sich ein dynamisches Zielsystem, wie dies beispielhaft in Abb. 12 für den Fall einer Produktneueinführung im Konsumgüterbereich dargestellt ist. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Bekanntheitsgrad, der kumulative Käuferanteil (Penetration) sowie die Wiederkaufrate bestimmte Mindestausprägungen aufweisen müssen, damit Marktanteil, Umsatz und Bruttogewinn die angestrebte Höhe erreichen können. Die senkrechten Schnitte ermöglichen einen übersichtlichen Vergleich, in welchem Ausmaß die Einzelziele zu bestimmten Zeitpunkten erfüllt sein müssen, um die strategischen Vorstellungen und die übergeordneten Unternehmensziele zu verwirklichen (vgl. Köhler 1981).
3
Festlegung von Unternehmens- und Marketingzielen
297
70
65 60
50 Bekanntheitsgrad (%)
50 35
30 20 10 0
38 34
30 Kumulativer Käuferanteil oder Penetration (%)
30
20
22 15
10 7,5 0 60
Wiederkaufrate (%)
60
50
50
50
50
45 40 0 Marktanteil (%); hier ermittelt als (Wiederkaufrate t–1 bis t mal Penetration t–1) plus neue Erstkäufer t–1 bis t; Mengenindex = 1
21
20
19
17,9 14,5
12
10 7,5 0
60 50
51
46 Umsatz (100 EUR)
30 10 0 30
20 Bruttogewinn ohne Abzug allgemeiner anteiliger Unternehmens- 10 Fixkosten (100 EUR) 0
30 17
nach 0,5 Jahren
nach 1,5 Jahren
26 22
14 8 -4
-10
0,25 0,5
1
Abb. 12 Beispiel einer Zielbündel-Trajektorie (Quelle: In Anlehnung an Köhler 1981, S. 280)
2
Jahre
298
4
Strategische Marketingplanung
Die im Zielbildungsprozess festgelegten Unternehmens- und Marketingziele erfüllen im Rahmen der konzeptionellen Marketingplanung Bewertungs-, Koordinations- und Kontrollfunktionen. Als Entscheidungskriterien dienen sie der zielgesteuerten Strategieund Maßnahmenauswahl. Ebenso wichtig wie die Entwicklung und operationale Formulierung der Marketingziele ist eine sorgfältige Zielvorgabe und -kontrolle im Rahmen des im ersten Kapitel vorgestellten Marketingerfolgssystems. Nach der Festlegung der Marketingziele schließt sich die Ableitung der Marketingstrategie an, die es in Koordination mit der übergeordneten Unternehmensstrategie zu definieren gilt.
4 Entscheidungen der strategischen Unternehmensplanung 4.1
Zusammenhang zwischen der Planung von Unternehmens- und Marketingstrategien
Strategische Entscheidungen, d. h. Aussagen über das langfristige Verhalten von Organisationen unter Annahme bestimmter Umweltbedingungen (Prämissen), können sich auf die drei folgenden Objekte bzw. Bezugsebenen beziehen (vgl. Hax und Majluf 1996, S. 24 ff.; Hinterhuber 2004b; Backhaus und Schneider 2009, S. 16): auf die Unternehmensebene (Unternehmensstrategie), auf die Geschäftsfeldebene (Geschäftsfeldstrategie), auf die Funktionsebene (Funktionsbereichsstrategie). Im Rahmen der strategischen Unternehmensplanung werden Entscheidungen über das Objekt Gesamtunternehmen getroffen. Strategische Entscheidungen auf der Ebene der Geschäftsfelder bzw. Geschäftseinheiten werden aus der Unternehmensstrategie abgeleitet und sind darauf ausgerichtet, die unterschiedlichen Geschäftsfelder eines Unternehmens wettbewerbsstrategisch zu profilieren. Der Lufthansa-Konzern ist bspw. in die SGEs Passagierbeförderung (Zusammenfassung aller Aktivitäten im Bereich Passagier-Linienluftverkehr), Technik (technische Wartungs- und Reparaturleistungen), Logistik (Luftfrachtverkehr), IT-Services (Datenverarbeitungsinfrastruktur, Softwareentwicklung, EDV-Systemberatung) und Catering (Catering von Luftfahrtgesellschaften) untergliedert (vgl. Lufthansa 2010). Werden strategische Entscheidungen in einzelnen Funktionsbereichen der Geschäftsfelder Beschaffung, Produktion, Absatz oder Finanzierung definiert, so werden diese als Funktionsbereichsstrategien bezeichnet. Die Unterscheidung verschiedener Objekte strategischer Entscheidungen hat sich insbesondere als Folge der verstärkt zu beobachtenden Diversifikation der Unternehmensaktivitäten in heterogene Tätigkeitsbereiche durchgesetzt.
4
Entscheidungen der strategischen Unternehmensplanung
299
I Bezugsebene von Marketingstrategien Entscheidungen der strategischen
Marketingplanung beziehen sich im Kern auf die im Unternehmen definierten strategischen Geschäftsfelder und Geschäftseinheiten (SGE) (vgl. Meffert 1994a; Backhaus und Schneider 2009).
Wie im Folgenden noch zu diskutieren ist, werden relative Nutzenvorteile in der Wahrnehmung der Nachfrager sowie Wettbewerbsvorteile außer bei Einproduktunternehmen nicht auf der Ebene des Gesamtunternehmens realisiert, sondern in einzelnen Geschäftseinheiten, die die zu bearbeitenden Marktsegmente und -teilnehmer definieren. Für das oben dargestellte Beispiel des Unternehmens Lufthansa bedeutet dies, dass für die einzelnen Geschäftseinheiten, wie z. B. Passagierbeförderung, Marketingstrategien zu definieren sind, mit deren Hilfe konkrete Wettbewerbsvorteile im Passagiermarkt realisiert werden können. Verbunden mit den einleitend vorgestellten Merkmalen des modernen Marketingverständnisses wurde auf das duale Führungskonzept des Marketing hingewiesen (vgl. Abschn. 3 in Kap. 1). Dabei wurde betont, dass neben einer funktionsbezogenen Verankerung des Marketing in Form einer Marketingabteilung die Marketingphilosophie als ein funktionsübergreifendes Leitkonzept der Unternehmensführung begriffen werden muss. Somit sollte eine auf der Geschäftsbereichsebene definierte Marketingstrategie in einer marktorientierten Unternehmenskultur eingebettet sein. Die Umsetzung von Marketingzielen und -strategien erfordert somit eine enge Verzahnung mit der Gesamtunternehmensebene, auf der auch eine marktbezogene Koordination zwischen Geschäftsbereichen vorzunehmen ist, wenn z. B. Entwicklungskompetenzen für mehrere Geschäftsbereiche genutzt werden können oder es z. B. kunden- und absatzkanalbezogene Überschneidungen gibt. Vor diesem Hintergrund geben Unternehmensstrategien vor allem Antwort auf die Frage, in welchen Bereichen (Produkt-Markt-Kombinationen) das Unternehmen tätig werden soll und welche marktbezogenen Interdependenzen und Synergien zwischen den Geschäftsbereichen zu berücksichtigen sind. Auf der Grundlage des Unternehmenszweckes, der Unternehmensgrundsätze und der Unternehmensidentität beinhalten Unternehmensstrategien primär Aspekte der Ressourcenverteilung auf verschiedene SGE. Dies geschieht z. B. unter Berücksichtigung der Attraktivität eines Geschäftsfeldes und der Wettbewerbsstärke der eigenen SGE in diesem Geschäftsfeld (vgl. Kreilkamp 1987; Hinterhuber 2011; Hungenberg 2012). Unternehmensstrategien nehmen oft die Form von sog. Normstrategien an, welche die allgemeine Entwicklungsrichtung (strategische Stoßrichtung) für einzelne Geschäftseinheiten aufzeigen. Zu den bekanntesten Normstrategien zählen die Behauptungs-, Wachstums- und Rückzugsstrategie auf Basis der Portfolioanalyse. Die in der Unternehmensstrategie festgehaltenen Entscheidungen über die Stoßrichtungen der einzelnen SGE haben unmittelbare Konsequenzen für die Funktionsbereiche eines Unternehmens. Insbesondere der finanz- und produktionswirtschaftliche Bereich, die For-
300
4
Strategische Marketingplanung
schung und Entwicklung sowie das Personalmanagement sind in enger Abstimmung mit den angestrebten Entwicklungsrichtungen der Geschäftseinheiten auszugestalten. In diesem Sinne wird auch von der Notwendigkeit einer integrierten Unternehmensstrategie gesprochen. Die Vorgaben aus der Unternehmensstrategie werden von der Sparten- bzw. Geschäftsbereichsleitung weiter konkretisiert und in der Strategie der SGE festgehalten. In diesem Zusammenhang wird durch die geschäftsbereichsspezifische Marketingstrategie die grundsätzliche Form der Marktbearbeitung und das Verhalten gegenüber den Marktteilnehmern (Abnehmer, Konkurrenten, Absatzmittler, sonstige Anspruchsgruppen) festgelegt. Im Zuge dieser Festlegungen werden auch Rahmenentscheidungen über die grundsätzliche Gestaltung der Marketinginstrumente für die Produkte bzw. Produktgruppen der Geschäftseinheit (Instrumentalstrategien) getroffen. Die strategische Unternehmensplanung, die strategische Marketingplanung und die operative Marketingplanung können neben der unterschiedlichen Objektorientierung auch hinsichtlich der typischen Entscheidungsträger differenziert werden. Entscheidungsträger bei der strategischen Unternehmensplanung ist die Unternehmensleitung, bei der strategischen Marketingplanung die Sparten- oder Geschäftsbereichsleitung und bei der funktionalen Marketingplanung das Produktmanagement. Die strategische Unternehmensplanung und die strategische und operative Marketingplanung sind jeweils durch eine vorgelagerte Analyse- und Prognosephase sowie eine nachgelagerte Implementierungs- und Kontrollphase zu ergänzen (vgl. Abb. 13). Aufgrund der starken Interdependenzen zwischen den drei Planungsbereichen ergibt sich die Notwendigkeit einer systematischen Verknüpfung (vgl. Köhler 1993, S. 102 ff.; Backhaus und Schneider 2009, S. 34 ff.). Diese Abstimmung der Unternehmens- und Marketingplanung ist u. a. durch eine entsprechende Gestaltung des Strategieentwicklungsprozesses zu gewährleisten. Darüber hinaus leisten eine starke Unternehmenskultur und -identität, die informations- und kommunikationstechnische Infrastruktur und die Gestaltung der Organisationsstrukturen und -abläufe wesentliche Beiträge zur Koordination interdependenter Planungsaktivitäten in unterschiedlichen Unternehmensbereichen. Bei zunehmender Umweltdynamik und Unsicherheit über die Zukunftsentwicklungen werden stark hierarchisch und to-down angelegte strategische Planungsprozesse (sog. Wasserfall-Planung) als zu starr und inflexibel eingestuft (Hanschke 2017). Somit werden die Zeiträume der strategischen Planung verkürzt und mehr Feedbackschleifen zwischen der Unternehmens- und Marketingplanung vorgesehen. Gleichzeitig wird eine strategische Flexibilität (Built-in-Flexibilität) gefordert, die eine schnelle Anpassung von Strategien an veränderte Markt- und Wettbewerbsbedingungen ermöglicht. Auch agilere Planungsmethoden kommen zum Einsatz, bei denen abteilungs- und hierarchieübergreifende Teams gebildet werden, die z. B. bei Innovationsstrategien kleinere Entwicklungsschritte gemeinsamen durchlaufen und durch eine frühzeitige Rückkopplung mit den potentiellen Kunden Anpassungen vorsehen. Aus der Softwareentwicklung stammende agile Planungsmethoden (wie z. B. Scrum, siehe Methodenübersicht z. B. bei Hanschke 2017, S. 7 ff.) werden zunehmend auch zusammen mit den klassischen Methoden der strategischen Unterneh-
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Entscheidungen der strategischen Unternehmensplanung
301
Analyse der internen und externen Umwelt
Strategische Unternehmensplanung Festlegung von Unternehmenszweck, -grundsätzen und -identität Abgrenzung des Marktes und Definition der strategischen Geschäftsfelder Bestimmung der strategischen Stoßrichtung und Allokation der Ressourcen auf die SGE Strategische Marketingplanung Festlegung von SGE-Zielen Entwicklung alternativer SGE-Strategien: – Marktbearbeitungsform – Verhalten gegenüber Marktteilnehmern Strategiebewertung Ableitung der Instrumentalstrategien Festlegung der zur Strategierealisation notwendigen Marketingbudgets Operative Marketingplanung Festlegung (kurz-/mittelfristiger) Produkt- und Instrumenteziele Bestimmung der Instrumentemaßnahmen Festlegung der notwendigen Instrumentebudgets
Implementierung
Kontrolle
Abb. 13 Aufgaben der strategischen Unternehmensplanung sowie der strategischen Marketingplanung zwischen Top-Down und agiler Planung
Ausrichtung Marketingplanung 45
42,6
40 35
Häufigkeit langfristige Planung mehrmals im Jahr einmal im Jahr mehrjährige Abstände
6,5%
Monate
30
48,4%
25
45,2%
20
15,09
15 10 5
5,57
0 kurzfristig
mittelfristig
langfristig
Abb. 14 Planungszeiträume und -frequenz im Marketing
302
4
Strategische Marketingplanung
mensplanung eingesetzt, um die Zeit zur Entwicklung und Umsetzung von Strategien zu verkürzen sowie die Feedbacks zwischen allen Beteiligten zu intensivieren und um mehr Flexibilität für die Reaktion auf Veränderungen von Kundenbedürfnissen und sich wandelnde Marktbedingungen zu erzielen. Eine intelligente Synthese aus strategischer und agiler Unternehmens- und Marketingplanung ist anzustreben. Betrachtet man die Planungszeiträume und -frequenz im Marketingmanagement, so zeigt eine empirische Erhebung bei 77 Unternehmen in Deutschland die in Abb. 14 dargestellten Ergebnisse. Die kurzfristige Marketingplanung ist durchschnittlich auf ein halbes Jahr ausgerichtet, während die Unternehmen 15 Monate für die mittelfristige Planung ansetzen. Bei der Auseinandersetzung mit der langfristigen Marketingplanung wird ein Zeitraum von drei bis vier Jahren angesetzt. Die Beschäftigung mit der langfristigen Zukunftsplanung erfolgt bei 45 % der befragten Unternehmen einmal im Jahr, während 48 % mehrmals im Jahr Fragestellungen der Zukunftsplanung aufgreifen (vgl. Bruhn und Kirchgeorg 2011).
4.2
Bildung strategischer Geschäftsfelder
Der Stellenwert der Geschäftsfelder und Geschäftseinheiten als Bezugsebene für die Festlegung von Marketingstrategien wurde oben verdeutlicht. In der Folge ist es notwendig, die Bildung und Auswahl von Geschäftsfeldern und Geschäftseinheiten näher zu betrachten.
I Bildung strategischer Geschäftsfelder Die Bildung strategischer Geschäfts-
felder (SGF) bedeutet ein Aufbrechen des Gesamtmarktes in intern homogene Segmente, die sich in ihren abnehmerbezogenen Anforderungen und anderen erfolgsrelevanten Charakteristika wie z. B. der Intensität und Struktur des Wettbewerbes deutlich voneinander unterscheiden.
Die Bildung von SGF ist eng mit der Marktsegmentierung verknüpft (vgl. Abschn. 3 in Kap. 3). In beiden Fällen wird der Gesamtmarkt in intern homogene und extern heterogene Teilmärkte zerlegt. Der Unterschied zwischen diesen beiden Aufgaben liegt im Aggregationsniveau. Bei der Bildung der SGF zur Aufteilung des Gesamtmarktes wird auf relativ grobe, häufig direkt beobachtbare Kriterien zurückgegriffen. Innerhalb der auf diese Weise gebildeten Geschäftsfelder erfolgt im Rahmen der Marktsegmentierung eine weitere Differenzierung nach unterschiedlichen Abnehmergruppen. Als grundlegende Eigenschaften der SGF bzw. der in diesen Feldern tätigen SGE gelten die Kriterien der Marktaufgabe, der Eigenständigkeit und des Erfolgsbeitrages. Eine SGE ist demnach dadurch gekennzeichnet, dass sie
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Entscheidungen der strategischen Unternehmensplanung
303
eine eigene, von anderen Geschäftseinheiten unabhängige Marktaufgabe („unique business mission“) besitzt, die auf die Lösung abnehmerrelevanter Probleme ausgerichtet ist, am Markt als vollwertiger Konkurrent mit eindeutig identifizierbaren Konkurrenzunternehmen partizipiert und nicht etwa die Funktion eines internen Lieferanten einnimmt, die Formulierung und Implementierung eines weitgehend eigenständigen strategischen Handlungsplanes erlaubt sowie einen eigenständigen Beitrag zur Steigerung des Erfolgspotenziales des Gesamtunternehmens leistet (vgl. Kreilkamp 1987; Benkenstein 1992; Hungenberg 2012). Neben den konstitutiven Merkmalen sind Kriterien zu formulieren, die eine konkrete Abgrenzung der SGF ermöglichen. In der Literatur findet sich hierzu eine Vielzahl von Ansätzen. Keiner dieser Ansätze kann als eindeutig richtig bezeichnet werden. Vielmehr ist im Einzelfall anhand der konkreten Unternehmens- und Marktsituation zu prüfen, welche Vorgehensweise zu wählen ist. Einigkeit besteht darin, dass eine rein produktbezogene Definition der SGF den Anforderungen einer marktorientierten Unternehmensstrategie nicht genügt. Durch eine produktzentrierte Sicht unterliegen Unternehmen der Gefahr einer „Marketing-Myopia“, da eine Orientierung am Nachfragernutzen fehlt und die Risiken der Substitutionskonkurrenz aufgrund der zu engen Abgrenzung des Betätigungsfeldes verkannt werden (vgl. Levitt 2004). Obwohl sich der Ansatz einer produktbezogenen Definition in der wissenschaftlichen Diskussion als nicht tragbar erwiesen hat, zeigt die Unternehmenspraxis, dass entsprechende Abgrenzungen durchaus üblich sind. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dies nicht unbedingt auf ein fehlendes strategisches Verständnis der Unternehmen zurückzuführen ist. Stattdessen handelt es sich bei der produktbezogenen Abgrenzung häufig um eine vereinfachte Darstellung, die erst nach einem umfassenden Planungsprozess gewählt wird. Angesichts dieser Kritik hat Abell Anfang der 80er Jahre einen umfassenderen Ansatz zur Abgrenzung von Geschäftsfeldern vorgestellt, der bis heute in Wissenschaft und Praxis eine gebührende Berücksichtigung findet (vgl. Abell 1980). Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die These, dass ein Produkt das physische Gegenstück der Anwendung einer Technologie zur Realisierung bestimmter Problemlösungen für eine spezifische Zielgruppe ist. Diesem Gedanken entsprechend entwickelte er einen dreidimensionalen Bezugsrahmen mit den Dimensionen Abnehmergruppe, Funktionserfüllung und Technologie. Entlang der Dimension „Abnehmergruppe“ wird festgelegt, wessen Bedürfnisse angesprochen werden sollen. Hierzu kann auf die Überlegungen zur Marktsegmentierung zurückgegriffen werden. Die Dimension „Funktionserfüllung“ bezieht sich auf die Auf-
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4
Strategische Marketingplanung
Institutionelle Kunden
gabe des Produktes und legt fest, welches Bedürfnis der Abnehmergruppen durch das Produkt befriedigt werden soll. Die dritte Dimension schließlich beschreibt alternative Wege, wie diese Bedürfnisse befriedigt werden können. Für die Konkretisierung der Dimensionen empfiehlt es sich, zunächst von einem relativ hohen Abstraktionsgrad der Achsenbezeichnungen auszugehen und diese in einem stufenweisen Prozess zu konkretisieren (vgl. Krups 1985). Hierdurch wird zum einen eine möglichst umfassende Berücksichtigung potenzieller Geschäftsfelder gewährleistet, sodass Erfolg versprechende Produkt-Markt-Kombinationen nicht von vornherein ausgegrenzt werden. Zum anderen reduziert eine stufenweise Konkretisierung die Komplexität des Planungsproblems, da in jeder Stufe eine weitere Eingrenzung der Geschäftsfelddimensionen vorgenommen wird. Einen Suchraum zur Abgrenzung von SGF im Markt der Finanzdienstleistungen zeigt Abb. 15 beispielhaft. Bei der Konkretisierung des dreidimensionalen Suchraumes ist zu berücksichtigen, dass die Zahl möglicher Geschäftsfelddefinitionen mit zunehmender Differenzierung der
Zielgruppen etc. Fondsgesellschaften
Firmenkunden
Konzerne
Kundenkontaktsituation (Technologie)
Mittelstand
Privatkunden
Kleingewerbe
D igi Au to
Vermögende Privatkunden
Pe r s
ö n li c
h
Standardkunde Preissensible Privatkunden
Filiale
Außendienst
Filiale
mat Fremd standort
t al
Telefon SmartService- phone Center
BlockChain
Finanzierung Zahlungsverkehrabwicklung Vermögenssicherung Risikoabsicherung Immobilien Bedürfnisse
Abb. 15 Geschäftsfeldabgrenzung im Markt für Finanzdienstleistungen
4
Entscheidungen der strategischen Unternehmensplanung
305
Dimensionen exponentiell ansteigt. Eine simultane Abgrenzung des Geschäftsfeldes in allen drei Dimensionen wird damit nahezu unmöglich. Aus diesem Grund ist vorher festzulegen, in welcher Reihenfolge die einzelnen Dimensionen bei der Abgrenzung zu berücksichtigen sind. Der „klassische Marketingansatz“ spiegelt sich in der Reihenfolge „Abnehmer-Funktion-Technologie“ wider, bei der die Abnehmerbedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Die Reihenfolge „Funktion-Technologie-Abnehmer“ dagegen orientiert sich relativ stark an der Realisierbarkeit des Produktes aus Sicht des Unternehmens (vgl. Hinterhuber et al. 2003). Obwohl die optimale Reihenfolge vom situativen Kontext abhängt, führt insbesondere die zuletzt genannte zu recht guten und umsetzbaren Ergebnissen, da sie vorhandene Potenziale und Ressourcen im besonderen Maße berücksichtigt (vgl. Krups 1985). Ein Aspekt, der von Abell vernachlässigt wird, ist die räumliche Abgrenzung der SGF, die für die Ableitung von Internationalisierungsstrategien eine besondere Relevanz hat. Die „Raumdimension“ kann dabei auf Basis von Ländern, aber auch für bestimmte Regionen entwickelt werden. Ihr kommt eine besondere Bedeutung zu, da die Unternehmen aufgrund einer stetigen Verkürzung der Produktlebenszyklen in vielen Branchen (vgl. Gruner 1996, S. 14 f.) in Verbindung mit steigenden Investitionen während des Innovationsprozesses gezwungen sind, ihre Produkte schnell in möglichst vielen Markträumen anzubieten, um so das Risiko einer zu langen Amortisationsdauer zu begrenzen, und in einer Vielzahl von Branchen räumliche Markteintrittsbarrieren relativ gering sind und dies dazu führt, dass in nicht besetzten Markträumen schnell neue Wettbewerber auftreten, die dort das Marktpotenzial ausschöpfen. Insbesondere mit der wachsenden Verbreitung des Internets haben räumliche Markteintrittsbarrieren stark an Bedeutung verloren. Die Möglichkeiten zur räumlichen Abgrenzung eines Marktes sind im Rahmen der Geschäftsfeldabgrenzung insoweit genau zu untersuchen. Neben der Problematik unterschiedlicher Abgrenzungskriterien stellt sich die Frage nach der Übereinstimmung einer marktbezogenen Definition der Geschäftsfelder und der unternehmensinternen Organisationsstruktur. An dieser Stelle ist eine klare Trennung der häufig synonym verwendeten Begriffe SGF und SGE notwendig. Danach wird das SGF allein nach marktorientierten, unternehmensexternen Gesichtspunkten gebildet, wohingegen die unternehmensinterne, organisatorische Verankerung als SGE bezeichnet wird. Beide müssen nicht unbedingt übereinstimmen, d. h. ein Geschäftsfeld kann auch von mehreren Geschäftseinheiten bearbeitet werden und vice versa. Welche Form der organisatorischen Implementierung sich letztlich eignet, ist im Einzelfall an Kriterien wie Unternehmensgröße, den zur Verfügung stehenden Ressourcen sowie anhand von Bedeutung, Umfang und Anzahl der SGF zu prüfen. In jedem Fall muss sichergestellt werden, dass sich die marktorientierte Definition der SGF in Form klarer Kompetenzen und Verantwortungen für ihre Bearbeitung in der Organisation widerspiegelt. Der Art der Beziehung zwischen der Gesamtunternehmensleitung und den SGE
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Strategische Marketingplanung
kommt dabei eine hohe Bedeutung für deren Erfolg zu. Die weitestgehende Eigenständigkeit (Dezentralisierung) der SGE bei allen für die Entwicklung und Implementierung der SGE-Strategien wesentlichen Entscheidungen führt oft zu einer Verbesserung ihrer Rentabilität und ihres Markterfolgs (vgl. Golden 1992). Ausgehend von der Überlegung, dass die meisten breiter definierten Märkte (z. B. Märkte für Finanzdienstleistungen, Kommunikationstechnologien) i. d. R. mehr Abnehmergruppen, -bedürfnisse und Technologien umfassen als ein Unternehmen dauerhaft in überlegener Weise bedienen kann, ist eine Auswahl der vom Unternehmen zu bearbeitenden SGF notwendig.
4.3 Geschäftsfeldwahl und Marktabdeckungsstrategie Bei der Auswahl von SGF und der sich anschließenden Bildung von SGE gilt es, die Unternehmensressourcen in die Felder der größten Chancen und relativen Wettbewerbsvorteile zu lenken. Durch die Geschäftsfeldwahl und SGE-Bildung wird gleichzeitig festgelegt, in welchem Umfang der relevante Markt bearbeitet bzw. abgedeckt werden soll (vgl. Cravens und Piercy 2013). Dabei stehen dem Unternehmen zwei grundlegende Optionen zur Verfügung, die Gesamtmarktabdeckung und die Teilmarktabdeckung bzw. Spezialisierung auf ausgewählte Geschäftsfelder (vgl. Porter 2013). Aufgrund der zunehmenden Integration der Weltwirtschaft, die durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien weiter verstärkt wird, ist die Realisierung einer Gesamtmarktabdeckung heute in vielen Branchen mit erheblichen Problemen verbunden. Durch das Zusammenwachsen bislang abgeschirmter Ländermärkte steigen die Zahl der Anbieter und die Wettbewerbsintensität. Für das einzelne Unternehmen wird hierdurch eine Differenzierung vom Wettbewerb erschwert. Eine Fokussierung der Unternehmenstätigkeiten auf wenige Zielgruppen oder Produkte im Sinne einer Spezialisierung bietet oftmals den einzigen Ausweg, um sich dauerhaft von den Wettbewerbern zu unterscheiden (vgl. Ries 1996a). Beispiel
Diese Entwicklung kann anhand einer Analogie verdeutlicht werden. In einer ländlichen, schwach besiedelten Region, die fernab der großen Ballungszentren gelegen ist, wird sich der einzige Einzelhändler in einem kleinen Dorf als traditioneller Gemischtwarenladen positionieren oder, mit anderen Worten, eine Gesamtmarktabdeckung verfolgen. Demgegenüber könnte sich dasselbe Einzelhandelsgeschäft in einer Großstadt als Gemischtwarenladen kaum im Wettbewerb durchsetzen. Hier kann eine Differenzierung gegenüber den zahlreichen lokalen Wettbewerbern nur durch eine Spezialisierung auf klar abgegrenzte Teilmärkte erreicht werden (vgl. Ries 1996b).
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Entscheidungen der strategischen Unternehmensplanung
307
Bei der Teilmarktabdeckung kann weiter nach der Art der Spezialisierung unterschieden werden. Am Beispiel des Finanzdienstleistungsmarktes können die verschiedenen Marktabdeckungsstrategien verdeutlicht werden: Zielgruppenspezialisierung (Marktspezialisierung) Es erfolgt die Marktbearbeitung mit einer vollständigen Produktpalette, die lediglich einer Abnehmergruppe angeboten wird. Bspw. widmen sich bestimmte Privatbankiers (z. B. Julius Bär, Berenberg Bank, Metzler) primär der Zielgruppe sehr vermögender Privatkunden, bei denen sie alle Finanzdienstleistungsbedürfnisse abzudecken versuchen. Funktions- bzw. Bedürfnisspezialisierung (Produktspezialisierung) Es erfolgt die Marktbearbeitung mit einem Produkt bzw. einem sehr engen Produktprogramm, das sämtlichen Abnehmergruppen angeboten wird. Bspw. haben sich die sog. Realkreditinstitute auf das Angebot von Finanzdienstleistungen „rund um den Immobilienerwerb“ spezialisiert. Diese speziellen Kreditformen werden zumeist allen Zielgruppen angeboten (Privat-, Firmen-, institutionelle Kunden). Technologiespezialisierung Es erfolgt die Marktbearbeitung auf der Grundlage einer speziellen Technologie. Je nach Technologiespezialisierung werden alle bzw. viele Abnehmergruppen mit einem breiten Produktprogramm bearbeitet. Beispielhaft für diese Marktabdeckungsstrategie können so genannte Online-Banken (z. B. DKB, Comdirect Bank) genannt werden, die ihre Produkte hauptsächlich über das Internet anbieten. Ebenso wäre im Markt der Buch- und Zeitschriftenverlage eine ausschließliche Publikation in elektronischen Netzen möglich oder im Fernsehmarkt eine Spezialisierung auf das Angebot digitaler Pay-TV-Programme. Kombinierte Spezialisierung (z. B. Zielgruppen- und Funktionsspezialisierung) Es erfolgt die Marktbearbeitung mit nur einem Produkt bzw. einem sehr engen Produktprogramm, welches lediglich einer Abnehmergruppe unter Verwendung einer bestimmten Technologie angeboten wird. Bspw. konzentrieren sich sog. Discount Broker auf die Bearbeitung sehr preissensibler Privatkunden (unteres bis mittleres Einkommensniveau) mit Vermögensanlagebedarf, denen sie die Abwicklung von Wertpapiertransaktionen zu sehr niedrigen Gebühren anbieten. Der Kontakt zum Kunden wird dabei ausschließlich über das Telefon bzw. via Computer hergestellt. Eine persönliche Kontaktaufnahme in stationären Filialen findet ebenso wenig statt wie eine Vermögensanlage in Immobilien oder anderen Sachgütern (Edelmetalle, Kunstgegenstände etc.). Gesamtmarktabdeckungsstrategie Es erfolgt die Marktbearbeitung mit einer vollständigen Produktpalette, die allen Abnehmern mit verschiedenen Technologien angeboten wird. Hier ist im Markt für Finanzdienstleistungen beispielhaft die Deutsche Bank zu nennen. Bei aller Notwendigkeit zu einer klaren Fokussierung auf ausgewählte Zielgruppen, Funktionen oder Technologien darf nicht übersehen werden, dass mit einer sehr engen
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4
Strategische Marketingplanung
Spezialisierung auf eine kleine Marktnische auch erhebliche Gefahren verbunden sein können. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die hohe Abhängigkeit von einer kleinen Nachfragergruppe bzw. einem spezifischen Nachfragerbedürfnis zu verweisen. Sofern nicht die Strategie der Gesamtmarktabdeckung gewählt wird, beinhaltet die Geschäftsfeldwahl immer einen Ausschluss bestimmter Segmente. Grundlage der Ausschlussentscheidung ist die Einschätzung des Managements, dass aufgrund unterschiedlicher Erfolgsfaktoren nicht alle potenziellen Geschäftsfelder gleich gut bearbeitet werden können, sondern die Marktchancen und -risiken sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Dies trifft insbesondere auf die internationale Unternehmenstätigkeit zu (vgl. Burmann 1995, S. 136 f.). Selbst bei einer Entscheidung für eine kombinierte Spezialisierung kann das gewählte Geschäftsfeld noch zu umfangreich sein, um mit den begrenzten Unternehmensressourcen erfolgreich bearbeitet werden zu können. In diesem Fall ist zunächst eine tiefergehende Segmentierung des ausgewählten Geschäftsfeldes notwendig, auf deren Grundlage dann über den Grad der Marktabdeckung innerhalb des SGF zu entscheiden ist.
4.4
Ableitung der strategischen Stoßrichtung
Nach Festlegung des Grades der Marktabdeckung durch Auswahl der zu bearbeitenden Geschäftsfelder ist die grobe Entwicklungsrichtung der SGE zu bestimmen. Auf Grundlage der Unternehmens- und Marketingziele ist dabei zunächst zu überprüfen, ob mit der bislang verfolgten Unternehmensstrategie eine Erreichung der gesteckten Ziele gewährleistet werden kann. Ist dies nicht der Fall, d. h. treten Ziellücken auf, ist nach grundlegenden Handlungsalternativen zu suchen. Zur Strukturierung dieser Suche kann die sog. Produkt-Markt-Matrix (vgl. Ansoff 1966) herangezogen werden, die Hinweise für die strategische Stoßrichtung des Unternehmens in den verschiedenen Geschäftsfeldern liefert (vgl. Abb. 16). Die Heuristik dient der Verknüpfung von Unternehmens- und Marketingstrategie. Die Festlegung der strategischen Stoßrichtung für jede SGE wird auch als Marktfeldstrategie bezeichnet (vgl. Meffert 1994a; Becker 2013). Die Strategie der Marktdurchdringung (Intensivierungsstrategie) beinhaltet die Ausschöpfung des Marktpotenzials vorhandener Produkte in bestehenden Märkten. Die Marktdurchdringungsstrategie besteht im Wesentlichen in einer Verstärkung der Marketinganstrengungen und stellt quasi die Plattform dar, von der aus alle anderen strategischen Planungen ihren Ausgangspunkt nehmen. Bei dieser Strategie sind grundsätzlich drei Ansatzpunkte möglich, die auch kombiniert verfolgt werden können: Erhöhung (Intensivierung) der Produktverwendung bei bestehenden Kunden, bspw. durch die Schaffung neuer Anwendungsbereiche oder die Beschleunigung des Ersatzbedarfes durch künstliche Obsoleszenz (Veralterung). Gewinnung von Nachfragern, die bisher bei der Konkurrenz gekauft haben. Dies kann z. B. durch direkte oder indirekte Preisreduktionen (umfangreichere Ausstattung bei
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Entscheidungen der strategischen Unternehmensplanung
309
Märkte Gegenwärtig
Neu
Gegenwärtig
Marktdurchdringung
Marktentwicklung
Neu
Produktentwicklung
Diversifikation
Produkte
Abb. 16 Alternative strategische Stoßrichtungen zur Erschließung von Wachstumsquellen (Produkt-Markt-Matrix)
gleichbleibendem Preis), Verkaufsförderungsaktionen oder eine Verbesserung der Warenpräsentation im Einzelhandel erreicht werden. Gewinnung bisheriger Nichtverwender des Produktes, z. B. durch Warenprobenverteilung oder die Einschaltung neuer Vertriebskanäle. Bei der Strategie der Marktentwicklung wird angestrebt, für die gegenwärtigen Produkte einen neuen oder mehrere neue Märkte zu finden. Der Versuch, weitere Marktchancen für ein bestehendes Produkt aufzudecken, umfasst folgende Ansatzpunkte: Erschließung zusätzlicher Absatzmärkte durch regionale, nationale oder internationale Ausdehnung. Gewinnung neuer Marktsegmente, bspw. durch speziell auf bestimmte Zielgruppen abgestimmte Produktvarianten bzw. „psychologische“ Produktdifferenzierung durch Werbemaßnahmen. Die Strategie der Produktentwicklung basiert auf der Überlegung, für bestehende Märkte neue Produkte zu entwickeln. Als grundlegende Alternativen bieten sich an: Schaffung von Innovationen im Sinne echter Marktneuheiten, Programmerweiterung durch Entwicklung zusätzlicher Produktvarianten. Die Diversifikationsstrategie ist durch die Ausrichtung der Unternehmensaktivitäten auf neue Produkte für neue Märkte charakterisiert. Je nach dem Grad der mit dieser Strategie verfolgten Risikostreuung bzw. des Risikoausmaßes lassen sich folgende Typen von Diversifikationsstrategien unterscheiden (vgl. Ansoff 1966, S. 152 ff.; Yip 1982, S. 129 ff.; Hutzschenreuter 2001; Aaker 2007): Die horizontale Diversifikation kennzeichnet die Erweiterung des bestehenden Produktprogrammes um Erzeugnisse, die mit diesem noch in sachlichem Zusammenhang
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4
Strategische Marketingplanung
stehen, indem z. B. gleiche Werkstoffe oder verwandte Technologien verwendet, vorhandene Vertriebssysteme genutzt oder verwandte Teilmärkte beliefert werden (z. B. die Erweiterung des Produktprogrammes eines Pkw-Herstellers um leichte Lkw). Die vertikale Diversifikation entspricht der Vergrößerung der Tiefe eines Programmes sowohl in Richtung Absatz der bisherigen Erzeugnisse (sog. Vorwärtsintegration) als auch in Richtung Herkunft der Rohstoffe und Produktionsmittel (sog. Rückwärtsintegration). Bspw. kauft der Pkw-Hersteller BMW bislang eigenständige Autohandelsbetriebe auf und betreibt damit eine vertikale Diversifikation. Die laterale Diversifikation bedeutet den Vorstoß in völlig neue Produkt- und Marktgebiete, wobei das Unternehmen aus dem Rahmen seiner traditionellen Branche ausbricht und in weitab liegenden Aktivitätsfeldern tätig wird. Da ein sachlicher Zusammenhang zum bisherigen Geschäft nicht mehr besteht, ist dies die chancen- und zugleich risikoreichste der drei Diversifikationsarten. Als prominente Beispiele können der Wandel des Stahlröhrenherstellers Mannesmann zum Mobilfunkanbieter oder die Diversifikation der Preussag AG vom Stahlproduzenten zum Tourismusdienstleister angeführt werden. Als wesentliches Entscheidungskriterium für die Auswahl der zu verfolgenden Strategien der Ansoff’schen Produkt-Markt-Matrix kann der Grad der Synergienutzung angesehen werden. Während die Marktdurchdringungsstrategie das höchste Synergiepotenzial aufweist, lassen sich im Falle der Diversifikation kaum noch Synergien zum bestehen-
Ertrag/Umsatz Gewünschte Entwicklung (Ziellinie)
4. Diversifikation 3. Produktentwicklung 2. Marktentwicklung
Erwartete Entwicklung (Entwicklungslinie)
1. Marktdurchdringung
ohne zusätzliche Maßnahmen
1976
77
78
79
80
81
82
83
84
85
Jahre
Planungszeitpunkt
Abb. 17 Schließung einer Ziellücke durch die Strategien der Produkt-Markt-Matrix (Quelle: In Anlehnung an Becker 2006, S. 416)
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Entscheidungen der strategischen Unternehmensplanung
311
den Geschäft nutzen. Eine Ziellücke sollte daher nach Möglichkeit entsprechend der in Abb. 17 dargestellten Reihenfolge geschlossen werden. In Abb. 18 sind die vier marktfeldstrategischen Optionen am Beispiel einer deutschen Reederei dargestellt, die sich auf Flusskreuzfahrten spezialisiert hat. Den Ausgangspunkt für die Planung der strategischen Stoßrichtung bildete die Feststellung einer Ziellücke. Die vom Unternehmen für die kommenden fünf Jahre geplanten Umsatz- und Deckungsbeitragszuwächse waren nach Einschätzung des Managements durch eine einfache Fortschreibung der bislang verfolgten Unternehmensstrategie nicht zu erreichen. Die Produkt-Markt-Matrix auf Basis einer Lückenplanung war das vorherrschende strategische Denkschema der 60er und 70er Jahre. Bezüglich des Aussagewertes müssen folgende Einschränkungen gemacht werden (vgl. Roventa und Mauthe 1982, S. 191): Die strategischen Stoßrichtungen sind einseitig auf Wachstum ausgerichtet und damit unvollständig. Beim strategischen Marketing in stagnierenden oder schrumpfenden Märkten erweisen sich vielfach auch Desinvestitions- und Rückzugsstrategien (vgl. Schmidt 1994; Strohte 2006) als notwendig, die in der klassischen Produkt-MarktMatrix nicht erfasst werden. Marktteilnehmerbezogene Aspekte, insbesondere die wichtige Konkurrenzdimension, werden nicht explizit berücksichtigt.
Regionen Australien Südamerika
Marktentwicklung
Südostasien/Japan USA/Kanada hrt zfa eu erte r K ht- ssi Nic ntere i
Übriges Europa Italien er Se ahre zf u kre
Großbritannien Frankreich Schweiz
Deutschland
Zielgruppen
ss- r Flu fahre uz kre
g lun ick tw n e kt du Pro
hrt zfa eu ierte r k ss ss Flu tere in
Diversifi
kation
Fluss Intensivierung
See
Schiffstourismus (mehrtägig, mit Übernachtung)
Nah
Fern
Flugreisen
Bahnreisen
BusAutoreisen reisen
Abb. 18 Marktfeldstrategien einer Flusskreuzfahrtreederei
Ferienwohnungen Abenteuerreisen
Urlaubsformen (Funktionen)
312
4
Strategische Marketingplanung
Interne Stärken und Schwächen und die Kompetenzen des Unternehmens werden zwar implizit bei der strategischen Alternativensuche zugrunde gelegt, jedoch nicht systematisch aufgespürt. Die Produkt-Markt-Matrix ist zu sehr an einer Extrapolation und pragmatischen Verbesserung bestehender Zustände orientiert. Die notwendige Abstimmung der einzelnen SGE hinsichtlich der Ressourcenbelastung und der Risikosituation wird nicht berücksichtigt. Aus der Sicht des Gesamtunternehmens müssen die auf Basis der Geschäftsfeldwahl gebildeten SGE so aufeinander abgestimmt werden, dass ein Risiko- und Finanzmittelausgleich innerhalb des Unternehmens gewährleistet ist. Zur Sicherung dieses Ausgleichs muss auf Gesamtunternehmensebene über die Marktbearbeitungs- und damit die Investitionsprioritäten entschieden werden. Es ist somit eine Entscheidung über die Höhe der Finanzmittel zu treffen, die den SGE zur Verfügung gestellt werden sollen. In diesem Zusammenhang ist der richtige Mix aus finanzmittelfreisetzenden und -bindenden Geschäftseinheiten zur Sicherung der Liquidität von hoher Bedeutung. Zur Unterstützung dieser Entscheidung eignen sich vor allem die Portfolio-, die Erfahrungskurven- und die Marktlebenszyklusanalyse, die in Ergänzung zur vorgestellten SWOT-Analyse detailliertere Informationsgrundlagen bereitstellen.
4.5 Ableitung von Normstrategien Auf der Grundlage einer strategischen Situationsanalyse können sog. Normstrategien abgeleitetet werden, die Hinweise darüber geben, welche Schwerpunkte bei der Definition der Unternehmens- und Marketingstrategie besonders erfolgversprechend sein können. Diese Normstrategien werden somit als das Resultat der jeweils eingesetzten Analysemethoden generiert. In der Literatur wird eine Vielzahl von Normstrategien unterschieden, von denen im Folgenden drei Konzepte im Überblick vorgestellt werden: Normstrategien auf Basis der Portfolioanalyse, Normstrategien auf Basis der Erfahrungskurve, Normstrategien auf Basis der Lebenszyklusanalyse. Für eine tiefergehende Beschäftigung mit den Konzepten wird auf die weiterführende Literatur verwiesen.
4.5.1 Normstrategien auf Basis der Portfolioanalyse Eine weite Verbreitung haben sog. Portfoliostrategien erlangt. Sie basieren auf den Resultaten von Portfolioanalysen, in denen die SGE eines Unternehmens gesamthaft betrachtet und bewertet werden. Ziel der Portfolioanalyse ist die Unterstützung von Entscheidungen zur effizienten Mittelverwendung.
4
Entscheidungen der strategischen Unternehmensplanung
313
I Vorgehensweise Portfolioanalyse Die grundsätzliche Vorgehensweise einer
Portfolioanalyse besteht darin, die Chancen und Risiken der SGE durch ein System von Bestimmungsfaktoren zum Ausdruck zu bringen. Gruppiert man diese Bestimmungsfaktoren in zwei Hauptdimensionen, so lässt sich unabhängig von ihrer konkreten Ausprägung eine zweidimensionale Matrix aufstellen, in der sich die SGE des Unternehmens positionieren lassen. Hierbei wird eine der Achsendimensionen zumeist von solchen Faktoren bestimmt, die die Unternehmensleitung direkt beeinflussen kann (z. B. Marktanteil, relative Wettbewerbsvorteile). Die zweite Dimension wird durch nicht bzw. nur indirekt durch die Unternehmensleitung beeinflussbare Faktoren bestimmt, die weitgehend am Markt orientiert sind, wie z. B. das Marktvolumen, das Produktlebenszyklusstadium oder das Marktwachstum.
Um die Marktstellung einer SGE und die damit einhergehenden Erfolgspotenziale beurteilen zu können, sind die langfristigen Erfolgsdeterminanten der SGE zu analysieren (vgl. Köhler 1981, S. 273). Viele Portfolioanalysen knüpfen dabei an die empirischen Ergebnisse des PIMS-Projektes (Profit Impact of Market Strategies) an. Danach kommt v. a. dem Marktanteil eine zentrale Bedeutung für die Gewinnerzielung, den Return on Investment (RoI) sowie den Cashflow zu (vgl. Buzzell und Gale 1989, S. 60 ff.). Eine Erklärung für die Erfolgsrelevanz des Marktanteiles findet sich in drei verschiedenen Ansätzen: Mit steigendem Marktanteil wächst die Betriebsgröße (dabei wird ein stagnierender oder wachsender Gesamtmarkt unterstellt). Damit können Betriebsgrößenvorteile, sog. Economies of Scale genutzt werden (z. B. günstigere Einkaufskonditionen als Folge von Mengenrabatten, sinkende Stückkosten wegen günstigerer Verwaltungskostenumlage). Bei hohen Marktanteilen lassen sich Erfahrungskurveneffekte realisieren. Das Unternehmen profitiert von den mit zunehmenden kumulierten Produktionszahlen gesammelten Erfahrungen und nutzt diese zur Reduktion der Stückkosten. Hohe Marktanteile führen i. d. R. zu einer höheren Marktmacht des Unternehmens. Aufgrund dieser Marktmacht kann bspw. der Zugang zu bestimmten Vertriebskanälen oder Lieferanten für Wettbewerber versperrt werden. Die Kenntnis der Erfolgsrelevanz des Marktanteiles (als Indikator der Marktposition des Unternehmens) und des Marktwachstums (als Indikator der Marktattraktivität) hat im Rahmen der Portfolioanalyse zur Entwicklung einer Vier-Felder-Matrix (Marktwachstums/Marktanteils-Portfolio) durch die Boston Consulting Group (BCG-Matrix) geführt. Im Rahmen dieser Analyse wird der Marktanteil durch den relativen Marktanteil (eigener Marktanteil im Verhältnis zum Marktanteil des stärksten Wettbewerbers) erfasst. Das Marktwachstum wird in der Regel durch die jährliche prozentuale Veränderung des Gesamtmarktes für eine SGE dargestellt. Zur Ableitung von Strategien wird das Portfolio in
4
Strategische Marketingplanung
hoch
314
Marktwachstum
Question Mark
Cash Cow
niedrig
(Poor) Dog
Star
niedrig
relativer Marktanteil
hoch
Abb. 19 BCG-Matrix (Quelle: In Anlehnung an Hedley 1977, S. 10)
vier Felder aufgeteilt. Beim relativen Marktanteil liegt die Trennlinie in der Regel bei 1. Für die Festlegung der Trennlinie beim Marktwachstum gibt es dagegen keine allgemeingültigen Regeln. In Abb. 19 ist die BCG-Matrix grafisch dargestellt. Aus der Zuordnung einer SGE zu einem der vier Felder können folgende Normstrategien hinsichtlich der Ressourcenallokation abgeleitet werden. Question Marks stehen für SGEs mit einem geringen Marktanteil und starkem Marktwachstum. Es gilt die Frage zu beantworten, ob zur Erhöhung des Marktanteils in die SGE investiert werden („Question Mark“ wird zum „Star“) oder ob diese verkauft werden soll, bevor sie sich zum „Poor Dog“ entwickelt. Als Stars gelten SGEs mit hohem Marktanteil und hohem Marktwachstum. Um die führende Position auf einem wachsenden Markt zu behaupten, sind Investitionen notwendig. Nur so ist zu gewährleisten, dass aus einem „Star“ eine „Cash Cow“ wird, wenn der Markt in seine reife Phase eintritt. Cash Cows stehen für profitable SGEs in reifen Märkten. Marketingressourcen sollten nur in dem Umfang investiert werden, wie zur Erhaltung der Marktposition notwendig. Die anfallenden Gewinne sollten für andere SGEs genutzt werden („Stars“ oder „Question Marks“). Poor Dogs sind SGEs mit geringem Marktanteil in reifen Märkten. Damit diese SGEs keine finanzielle Belastung für das Unternehmen darstellen, sollten diese verkauft oder auf einzelne Marktnischen fokussiert werden. Die BCG-Matrix stellt eine in der Praxis leicht anwendbare Methode zur Unterstützung von Investitionsentscheidungen dar. Jedoch ist Umfang und Qualität der Datenbasis bei diesem Verfahren sehr begrenzt. Daher wurden differenziertere Verfahren entwickelt, wie u. a. die Neun-Felder-Matrix von McKinsey & Company. Im Gegensatz zur BCG-Matrix werden bei der Neun-Felder-Matrix die beiden Achsen (Marktattraktivität und relative Wettbewerbsvorteile) an Hand mehrerer Kriterien bewertet. Je nach Unternehmenssituati-
4
Entscheidungen der strategischen Unternehmensplanung
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on werden die geeigneten Maßgrößen festgelegt und ihre Bedeutung durch Gewichte zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus wurden zahlreiche weitere Formen der Portfolioanalyse entwickelt (vgl. Welge und Al-Laham 2017). Unabhängig von der jeweiligen Ausgestaltung weist die Ableitung von Normstrategien auf Basis von Portfolioanalysen verschiedene Schwächen auf: Für die Schaffung von Kundennutzen und einzigartigen Wettbewerbsvorteilen liefern Normstrategien kaum Hinweise, denn diese sind zu global gehalten, um konkrete Aussagen hinsichtlich der abnehmer-, konkurrenz, absatzmittler- und anspruchsgruppengerichteten Marketingstrategie treffen zu können. Die unreflektierte Anwendung der Normstrategien fördert die Austauschbarkeit der Unternehmen und konterkariert damit die vom Marketing angestrebte Schaffung einzigartiger Wettbewerbsvorteile. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die aus den Portfolioanalysen abgeleiteten Normstrategien erste Hinweise für eine effiziente Mittelverwendung liefern können. Zur Entwicklung detaillierter Marketingstrategien sind diese Methoden jedoch allein nicht ausreichend.
4.5.2 Normstrategien auf Basis der Erfahrungskurvenanalyse Weiterhin können Normstrategien betrachtet werden, die auf Grundlage der Erfahrungskurvenanalyse abgeleitet werden. Diese baut wie die Portfolioanalyse auf der zentralen Rolle des Marktanteiles und -wachstums als Schlüsselfaktoren zur Erklärung des Unternehmenserfolges auf. Der Erfahrungskurveneffekt wurde erstmals Ende der 60er Jahre im Rahmen empirischer Untersuchungen der BCG über die Preis- und Kostenentwicklung in verschiedenen Branchen festgestellt (vgl. Henderson 1974). I Erfahrungskurveneffekt Der Erfahrungskurveneffekt besagt, dass die realen
(nicht inflationierten) Stückkosten eines Produktes durchschnittlich um einen relativ konstanten Betrag von 20 bis 30 % zurückgehen, sobald sich die in kumulierten Produktionsmengen ausgedrückte Produkterfahrung verdoppelt (vgl. Henderson 1974, S. 19).
Der Erfahrungskurveneffekt ist dabei nicht als quasi gesetzmäßige Kostenreduktion zu verstehen, sondern lediglich ein Kostensenkungspotenzial. Dieses Kostensenkungspotenzial lässt sich nur dann realisieren, wenn alle Lerneffekte, Produkt- und Verfahrensinnovationen etc. konsequent genutzt werden. Darüber hinaus bezieht sich das Potenzial lediglich auf die Wertschöpfung des Unternehmens (vgl. Chambers und Johnston 2000). Wird der Kostenverlauf in Abhängigkeit von der kumulierten Menge grafisch dargestellt, ergibt sich der in Abb. 20 gezeigte Kurvenverlauf.
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Kosten (in EUR je Stück)
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10 8 6 bei 20 % Rückgang 4 2 0
bei 30 % Rückgang 0
1 2
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6
8
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12
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16
18
Kumulierte Menge (Erfahrung)
Abb. 20 Die Erfahrungskurve bei linear eingeteilten Ordinaten (Quelle: In Anlehnung an Gälweiler 1974, S. 243)
In der Praxis lassen sich zahlreiche Beispiele für die Realisation von Erfahrungskurveneffekten finden. Hierzu gehören insbesondere fixkostenintensive und volumengetriebene Branchen, wie z. B. die Mikroelektronik oder der Flugzeugbau. Im Schiffbau konnten bei der Produktion von Flüssiggastankern Erfahrungskurveneffekte über einen Zeitraum von 1990 bis 2000 von 38 % nachgewiesen werden (vgl. BCG). In diesen Branchen werden Erfahrungskurveneffekte vielfach als Indikator für die Abschätzung von Kostenstrukturen in Abhängigkeit von Lernprozessen und Spezialisierungen herangezogen. Für die strategische Unternehmens- und Marketingplanung kommt der Analyse von Erfahrungskurven eine erhebliche Bedeutung zu, denn das Vorhandensein und die Kenntnis über den Verlauf der jeweils gültigen Erfahrungskurve ermöglicht (vgl. Bamberger 1981, S. 99 f.): die langfristige Prognose der Kostenentwicklung, die langfristige Prognose der Preisentwicklung (wenn unterstellt wird, dass sich die Preisentwicklung zumindest längerfristig an der Kostenentwicklung orientiert), die langfristige Prognose von Gewinnpotenzialen, die Prognose der Kosten- und Gewinnauswirkungen einer Marktanteilsveränderung, die Ermittlung der Kostenentwicklung und damit des preispolitischen Spielraumes der Konkurrenten, wenn deren Marktanteile bzw. Produktionsmengen bekannt sind, die Fundierung von Make-or-Buy-Entscheidungen und die damit verbundenen Kostenvorteile und -nachteile einer Eigen- bzw. Fremdproduktion. Die Kenntnis der jeweils geltenden Erfahrungskurven erlaubt die Ableitung von Normstrategien in Form von Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen für die einzelnen SGE. Die Nutzung der durch Erfahrungskurveneffekte entstehenden Kostensen-
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Entscheidungen der strategischen Unternehmensplanung
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kungspotenziale erfordert i. d. R. hohe Investitionen. Diese sind bspw. erforderlich für den Aufbau großer Produktionskapazitäten, die Sicherstellung eines hohen Werbebudgets zur Unterstützung des Marktanteilswachstums oder den Aufbau einer hohen Distributionsdichte. Vor diesem Hintergrund ist es aus der Sicht des Gesamtunternehmens oftmals sinnvoll, massiv in den Aufbau einer Geschäftseinheit zu investieren, um langfristig Erfahrungskurveneffekte erzielen und damit die Marktposition dauerhaft absichern zu können. Dies kann dazu führen, dass zur Sicherung eines langfristigen Risiko- und Finanzmittelausgleiches auf Investitionen in kurzfristig ertragsreichere Geschäftseinheiten verzichtet wird. Gegenüber Skalierungsstrategien zur Realisierung von Erfahrungskurfeneffekten und der Vermeidung eines Angebots von geringen Stückzahlen (Nischenprodukten), bei deren Vermarktung ggf. kein Gewinn erwirtschaftet werden kann, wird durch die Digitalisierung von Produkten auch das Angebot von Nischenprodukten mit Erfolg möglich. Die Abb. 21 zeigt eine schematische Gegenüberstellung des Angebots von klassischen Musik-CDs mit der heutigen Möglichkeit, Musikstücke von digitalen Plattformen herunterzuladen. Im Fall des klassischen Angebotes von Musikstücken auf CDs sind die Kosten trotz der Realisierung von Erfahrungskurveneffekten im Vergleich zum Download von Songs wesentlich höher. Bei Angebot würde nur mit einem geringen Anteil an Musikstücken ein Gewinn erwirtschaftet werden (Umsatz > Kosten), während ein Longtail von Musikstücken entsteht. Aufgrund der geringeren Nachfrage und Umsätze erwirtschaften Musikstücke im Longtail-Bereich keine Deckungsbeiträge und es können sogar Verluste bzw. negative De-
Umsatz Kosten
Longtail Produkte
Gesamtumsatz pro Musikstück
Kosten für die Produktion und den Vertrieb von CDs
Kosten für Download von Musikstücken von digitalen Plattformen
Musikstücke Musikstücke auf CDs mit einem Grenzgewinn größer Null
Musikstücke auf CDs mit einem negativen Grenzgewinn
Abb. 21 Beispiel eines Angebots von Longtail-Produkten im Musikmarkt – Musikstücke auf CDs vs. Downloadoption von Musikplattformen
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Strategische Marketingplanung
ckungsbeiträge erwirtschaftet werden, dass diese Musikstücke häufig nicht im Sortiment geführt werden. Grundsätzlich können durch digitale Bereitstellung von Musikstücken die Stückkosten erheblich gesenkt werden, sodass auch Longtail-Produkte erfolgreich angeboten werden können. Über den weltweiten Zugriff auf Musikplattformen ist weiterhin eine weltweite Präsenz ohne zusätzliche Kosten möglich, sodass klassische Nischenprodukte wie im Musikbereich heute eine Skalierung erfahren und die Anbieter erwirtschaften hiermit positive Deckungsbeiträge.
4.5.3 Normstrategien auf Basis der Marktlebenszyklusanalyse Eine weitere Möglichkeit zur Ableitung von Normstrategien basiert auf der Marktlebenszyklusanalyse.
I Konzept der Marktlebenszyklusanalyse Die Marktlebenszyklusanalyse kann
zur Typologisierung strategisch relevanter Situationen herangezogen werden. In idealtypischer Darstellung durchlaufen Märkte und Produkte die Einführungs-, Wachstums-, Reife-, Sättigungs- und Degenerationsphase (vgl. auch Abschn. 3 in Kap. 1). Der mit diesen Phasen zu kennzeichnende Marktlebenszyklus liefert Hinweise für das Auffinden von Grundsatzentscheidungen bzw. Normstrategien für SGE (vgl. Meffert 1983, S. 20 f.).
Dabei werden primär Normstrategien für junge Märkte sowie stagnierende und schrumpfende Märkte unterschieden. Die charakteristischen Merkmale von SGE in jungen vs. stagnierenden Märkten sind in Tab. 5 beispielhaft dargestellt. Es wird deutlich, dass die Stellung der SGE in unterschiedlichen Marktlebenszyklusphasen mit ganz charakteristischen Konstellationen im Hinblick auf Marktentwicklung und -teilnehmer konfrontiert ist. Hierdurch ergeben sich erhebliche Auswirkungen auf den Risiko- und Finanzmittelausgleich zwischen den SGE. Auf Basis der Marktlebenszyklusuntersuchung können wie mit der Portfolio- und Erfahrungskurvenanalyse erste Handlungsempfehlungen für eine strategische Ausrichtung abgeleitet werden. Märkte, die sich in der Einführungsphase sowie der schnellen Wachstumsphase befinden, werden als junge Märkte bezeichnet. Unabhängig von branchenspezifischen Unterschieden besteht die wesentliche Eigenschaft dieser Märkte aus strategischer Sicht darin, dass noch keine auf speziellen Erfahrungen begründeten Spielregeln existieren (vgl. Hamel 1996; Porter 2013). Darüber hinaus sind junge Märkte i. d. R. durch eine erhebliche technologische Unsicherheit gekennzeichnet. Häufig konkurrieren mehrere alternative
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Tab. 5 Charakteristische Merkmale von strategischen Geschäftseinheiten in jungen und stagnierenden Märkten
Merkmale Strategieschwerpunkt
Marktstadium Junge Märkte (High-Tech-Märkte) Produktgestaltung: Qualitätssicherung Technologiebeherrschung Digitale Plattformstrategien
Stagnierende und schrumpfende Märkte Prozessgestaltung: Rationalisierung Fokussierung auf Kernprozesse (Outsourcing)
Finanzmittelbedarf
Hoher Investitionsbedarf: Hoher Kapitalbedarf zur Wachstumsfinanzierung (zum Beispiel Betriebsmittel) Hohe F&E-Anwendungen Hohe Markterschließungskosten
Niedriger Investitionsbedarf: Kapitalfreisetzung durch Prozessoptimierung (Outsourcing) Kapitalfreisetzung durch Betriebsgrößenschrumpfung Niedriger F&E-Aufwand Gegebenenfalls hoher Kommunikationsaufwand
Rentabilität
Hohe Rentabilität: Hohe Preisbereitschaft bei „Innovatoren“ (Frühkäufern) Geringe Wettbewerbsintensität
Niedrige Rentabilität: Geringe Preisbereitschaft der Konsumenten Viele Wettbewerber, hohe Wettbewerbsintensität Preis als wichtigster Aktionsparameter der Absatzmittler (Erlösdruck beim Hersteller)
Risiken
Hohes Risiko: Technologieunsicherheit Strategieunsicherheit Kaufverhaltensunsicherheit
Mittleres Risiko: Marktanteilsunsicherheit aufgrund eines scharfen Verdrängungswettbewerbes
Technologien um die Anerkennung als Industriestandard. Mit der technologischen geht vielfach eine strategische Unsicherheit einher. Noch keine der von den Wettbewerbern verfolgten Strategien hat sich als überlegen herausgestellt. Beispiel
Schließlich sind die für das Marketing gravierenden Verunsicherungen auf der Kundenseite hervorzuheben, die u. a. aus der Vielzahl alternativer Produktkonzepte, technologischer Varianten und sich widersprechender Behauptungen einer Vielzahl oftmals kleiner Wettbewerber resultieren. Beispielhaft kann in diesem Zusammenhang auf den Formatkampf zwischen Blu-Ray Disc und HD-DVD verwiesen werden. Diese Speichermedien für hoch auflösende Spielfilme und große Datenmengen wurden unabhängig voneinander als Nachfolgetechnologie für die DVD entwickelt. Sony und Toshiba, die federführenden Unternehmen hinter den beiden Formaten, haben bereits
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Strategische Marketingplanung
in der Entwicklungsphase mit der Bildung von unterstützenden Firmenkonsortien begonnen. Zu den Mitgliedern der Blu-Ray Disc Association gehören neben Sony auch Apple, Dell, Philips, Samsung und Panasonic, während Unternehmen wie Microsoft, Intel, NEC oder Alpine die HD-DVD Promotion Group bilden. So sollte zum Zeitpunkt der Markteinführung eine ausreichende Geräte- und Inhaltevielfalt sichergestellt und den Verbrauchern ein überzeugendes Produktkonzept geliefert werden. Gleichzeitig ergab sich für die Unternehmen aus dem Formatwettbewerb ein hohes Investitionsrisiko. Durch die Inkompatibilität der beiden Systeme entstand ein Verdrängungswettbewerb um die Definition des künftigen Industriestandards. Investitionen in das unterlegene Format werden sich voraussichtlich nicht amortisieren. Im Vorfeld des Produktstarts vorhandene Unsicherheiten über finale Funktionen, den Zeitpunkt der Markteinführung sowie die langfristige Bereitstellung hochwertiger Inhalte bilden jedoch nicht nur Hindernisse für Herstellerfirmen, sondern bremsen auch die Nachfrage von Handelsketten und Endverbrauchern. Die Blu-Ray-Technologie setzte sich im Formatkrieg gegen die Mitbewerber durch, nachdem die Wettbewerber die Produktion und Weiterentwicklung der konkurrierenden HD-DVD-Technik 2008 eingestellt haben (vgl. o. V. 2007; Kremp 2008). Vielfach stehen Unternehmen in diesen Branchen dem „Paradoxon des High-TechManagements“ gegenüber (vgl. Maidique und Hayes 1984). Den immer länger werdenden Entstehungszyklen von Produkten aufgrund des hohen Innovationsgrades und der wachsenden Technologiekomplexität stehen immer kürzer werdende Produkt- bzw. Marktlebenszyklen gegenüber (vgl. Pfeiffer 1985; Popper und Buskirk 1992). Die kurze Präsenz der Produkte am Markt ist mit hohen Investitionen und einem oftmals rapiden Preisverfall verbunden. Somit lassen sich aus der spezifischen Situation junger Märkte Normstrategien für SGE ableiten. Die Bedeutung der Technologie als zentraler Erfolgsfaktor in jungen Märkten führt zu der Notwendigkeit hoher Investitionen in die Forschung und Entwicklung. Diese Investitionen sind mit dem Risiko verbunden, für die eigene Technologie im Markt keine ausreichende Akzeptanz zu finden. Vor diesem Hintergrund kommt der Planung des Markteintrittes, d. h. der Festlegung des Markteintrittszeitpunktes und der Markteintrittsform, eine hohe Bedeutung zu. Die Wichtigkeit des Markteintrittszeitpunktes (Timing-Strategie) resultiert aus dem Paradoxon des High-Tech-Marketing. Wird der richtige Eintrittszeitpunkt versäumt, gerät das Unternehmen schnell in eine „Zeitfalle“, in der die hohen F&E-Investitionen innerhalb der kurzen Vermarktungszeit des Produktes nicht mehr erwirtschaftet werden können. Als Grundtypen von Timing-Strategien werden die Pionier- sowie die frühe und späte Folgerstrategie unterschieden. Während der Pionier als erster Anbieter in einen Markt eintritt und diesen aufbaut und erschließt, tritt der frühe Folger nach dem Pionier ein. Der späte Folger tritt erst nach dem sog. „take-off“ in den Markt ein, nachdem ein Erfolg der ersten Anbieter im Sinne eines sich deutlich beschleunigenden Marktwachstums zu erkennen ist.
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Zu einer ersten Grobeinschätzung des im Einzelfall adäquaten Markteintrittszeitpunktes können die in Tab. 6 genannten Kriterien herangezogen werden. Bspw. übernahm Diamond Multimedia im Markt für portable MP3-Player mit dem Rio-Player 1998 die Pionierrolle. Apple kann mit seinem 2001 eingeführten iPod noch als früher Folger gesehen werden, während Microsoft mit dem Zune als später Folger erst 2007 den Markteinstieg vollzogen hat. Dieses Beispiel demonstriert gleichzeitig, dass eine
Tab. 6 Wichtige Einflussvariablen der unternehmerischen Timing-Entscheidung (Quelle: i. A. an von der Oelsnitz 1996, S. 110) Situationsvariable 1.
2.
3.
4.
5.
Unternehmen Strategische Grundhaltung Risikoneigung Ressourcenstärke Technologie Übereinstimmung mit bisherigem Fertigungsprogramm Einsatz vorhandener Fertigungsanlagen Erfahrung mit der Fertigungstechnologie Wettbewerbsbedeutung der Fertigungstechnologie Einsatz digitaler Plattformen zur Skalierung Produkt Komplexität Innovationsgrad Produktwechselkosten Normierungs- und Standardisierungstauglichkeit Kunden Anteil neuer Kunden Risikobereitschaft Anbieterpräferenzen Erfahrung mit vergleichbaren Leistungsangeboten Markt Marktpotenzial Marktwachstum Distributionspolitische Eintrittsbarrieren Staatliche Reglementierung
Begünstigt eher den Führer
Begünstigt eher den Folger
Offensiv Groß Groß
Defensiv Gering Gering
Groß
Gering
Möglich Groß Groß
Nicht/kaum möglich Gering Gering
Groß
Gering
Nicht eindeutig Groß Hoch Groß
Gering Gering Gering Gering
Groß Groß Stark Groß
Gering Gering Schwach Keine/kaum
Nicht eindeutig Hoch Leicht zu errichten
Groß Niedrig Schwierig zu errichten Groß
Gering
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Strategische Marketingplanung
Pionierrolle nicht automatisch zu einer dominanten Marktposition führt. Vielmehr muss der zeitliche Vorsprung in einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil umgesetzt werden. Die Rio-Produktlinie wurde 2005 eingestellt, während Apple noch heute eine marktdominierende Stellung einnimmt. Der Pionier beabsichtigt beim Markteintritt i. d. R. eine Gesamtmarktabdeckung. Bei der Erschließung größerer Märkte setzt dies erhebliche Ressourcen voraus. Trotz der hohen Kosten der Markterschließung und der ungewissen Nachfrageentwicklung kommt der Pionierrolle zum Aufbau langfristig starker Marktpositionen eine hohe Bedeutung zu. Dies liegt vor allem an der Chance zum frühzeitigen Aufbau von Markt-Know-how und dem oft über mehrere Jahre wirksamen Sympathie- und Kompetenzbonus, den viele Konsumenten Pionieren zusprechen (vgl. Alpert und Kamins 1995; Alpert et al. 1996). Hinsichtlich der Form des Markteintrittes (Markteintrittsstrategie) können die Optionen der Neuprodukteinführung, der Akquisition und der Kooperation unterschieden werden (vgl. Remmerbach 1988; Meffert 1994a, S. 203 f.). Wie dem obigen Beispiel zum Formatkrieg zu entnehmen ist, werden zur Absenkung des Investitionsbedarfes und zur leichteren Durchsetzung technologischer Standards in jungen Märkten häufig kooperative Strategien, z. B. im Rahmen strategischer Allianzen oder Joint Ventures, verfolgt. Kooperationen ermöglichen es, schon zum Zeitpunkt des Markteintrittes ein umfassendes Programm verschiedener Produktvarianten, Services und komplementärer Güter (z. B. Anwendungssoftware) anbieten zu können. Im Vergleich zu jungen Märkten sind andere strategische Schwerpunktsetzungen in stagnierenden und schrumpfenden Märkten zu setzen. Nach einer Zeit jahrzehntelangen Wachstums, in der Unternehmen weitgehend darauf bedacht waren, neue Märkte und Entwicklungen zu erkennen und durch frühzeitige Gewinnung von Marktanteilen die Unternehmensposition zu stärken, sieht sich die Unternehmensführung in den letzten Jahren verstärkt der Problematik stagnierender und schrumpfender Märkte gegenüber. Wesentliche Gründe für eine Stagnation bzw. Schrumpfung des Marktvolumens liegen in der Marktsättigung (z. B. Märkte für HiFi- und Fernsehgeräte, Kühlschränke), in der Entwicklung kostengünstiger und technologisch überlegener Substitutionsprodukte (z. B. Stagnation bei Festnetztelefonen nach der Einführung von Mobiltelefonen), in demographischen und gesellschaftlichen Veränderungen (z. B. Stagnation bei Kinderbekleidung aufgrund deutlich rückläufiger Geburtenraten; Marktvolumenschrumpfung bei Fleischprodukten und einigen sehr fetthaltigen Nahrungsmitteln aufgrund stärker gesundheitsbewussten Ernährungsverhaltens) sowie in geänderten staatlichen Rahmenbedingungen (Schrumpfung des Marktes für branntweinhaltige Mischgetränke (sog. Alcopops) nach Einführung einer Sondersteuer; Stagnation im privaten Wohnungsbau u. a. aufgrund des Wegfalls steuerlicher Förderungen).
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Als zentrale Ursache einer strukturellen Marktstagnation steht häufig die Marktsättigung im Vordergrund. Marktsättigungstendenzen beruhen auf der abnehmenden Zahl der Nachfrager und/oder einer Verringerung der durchschnittlichen Verbrauchs- bzw. Verwendungsintensität. Unabhängig von den konkreten, im Einzelfall zu untersuchenden Ursachen der Stagnation bzw. Schrumpfung eines Marktes kommt es zu einer Reihe von Veränderungen im Wettbewerb der Unternehmen. Umsatzsteigerungen sind nur noch durch Marktanteilssteigerungen möglich, mit denen ein gleichzeitiger Marktanteilsverlust der Wettbewerber einhergeht. Der Verdrängungswettbewerb wird verstärkt durch in der Wachstumseuphorie geschaffene Überkapazitäten, die sich in den Phasen der Stagnation und Schrumpfung negativ auf die Kostenstruktur der Unternehmen auswirken. Der steigende Kostendruck führt häufig zu starken Reaktionen, die sich bspw. in Preiskämpfen oder einem Überangebot an Serviceleistungen niederschlagen. Auch die Beziehungen zum Handel und zu Konsumenten werden durch abnehmende Wachstumsraten beeinflusst. Der Anteil produkterfahrener Konsumenten steigt, und das Produktangebot wird in zunehmendem Maße transparenter. Ein verstärktes Preisbewusstsein sowohl beim Konsumenten als auch beim Handel verringert die Marken- und Lieferantentreue. Als Folge dieser Entwicklungen ist eine Verringerung der Branchenrendite zu beobachten, die letztlich zu einem Zwangsausstieg derjenigen Unternehmen führt, die nicht frühzeitig Anpassungen in ihrem Zielsystem und dem SGE-Portfolio vornehmen, geeignete Strategien entwickeln und entsprechende Maßnahmen zur Sicherung der Wettbewerbsposition ergreifen. Zur Präzisierung dieser Empfehlungen kann auf die für stagnierende und schrumpfende Märkte entwickelten Normstrategien zurückgegriffen werden, die in Marktbehauptungsund Rückzugsstrategien unterteilt werden können (vgl. Meffert 1983, 1985a; Trummer 1990; Göttgens 1996). Marktbehauptungsstrategien sind im Wesentlichen modifizierte Formen der in den folgenden Kapiteln dargestellten allgemeinen Marketingstrategien. Ist aus der Sicht des Gesamtunternehmens ein Rückzug aus bestimmten SGF notwendig, ist für die SGE eine entsprechende Rückzugs- oder Marktaustrittsstrategie zu erarbeiten. Grundsätzlich können dabei drei Ausprägungsformen unterschieden werden: Bei der Konzentrationsstrategie wird statt eines endgültigen Rückzuges versucht, durch bewusste Verkleinerung des Geschäftsfeldes eine langfristig profitable Tätigkeit der SGE sicherzustellen (vgl. Trummer 1990, S. 203 ff.). Die Begrenzung der Marktbearbeitung auf eine eng abgegrenzte Zielgruppe fällt oft mit der Auslagerung (Outsourcing) wesentlicher Tätigkeiten der Geschäftseinheit zusammen (vgl. Meffert 1994b, S. 48 ff.). Bei der Abschöpfungsstrategie wird hingegen das Ziel des langfristig vollständigen Rückzuges aus einem Geschäftsfeld verfolgt. Gleichzeitig wird jedoch versucht, die zukünftig noch zu erwartenden Cashflows zu optimieren. Zu diesem Zweck werden gezielte Desinvestitionen vorgenommen. Hier können z. B. eine Kürzung der Ausgaben für Werbung, persönlichen Verkauf und Kundendienst, eine Verschlechterung der Pro-
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Strategische Marketingplanung
duktqualität oder gegebenenfalls Preiserhöhungen durchgeführt werden (vgl. Schmidt 1994). Bei einer vollständigen Einstellung aller Produktionstätigkeiten wird oft für einen begrenzten Zeitraum ausschließlich das (noch) profitable Service- und Ersatzteilgeschäft betrieben. Bei der Abschöpfungsstrategie sollen möglichst viele Finanzmittel aus der SGE herausgeholt werden, bevor sie verkauft oder geschlossen wird. Bei der Zerschlagungsstrategie wird eine möglichst schnelle Einstellung aller SGETätigkeiten angestrebt. Die Realisierung dieser Strategie setzt die Überwindung erheblicher sachlicher Barrieren (geringe Erlöse für Vermögenswerte, hohe Sozialplankosten, negative Ausstrahlungseffekte auf andere SGE) und personeller Barrieren voraus. Zur Umgehung dieser Barrieren kann alternativ auch ein Verkauf der gesamten SGE oder von Teilbereichen erfolgen (vgl. Trummer 1990, S. 243 ff.).
4.5.4 Risiken bei der Orientierung an Normstrategien Die dargestellten Normstrategien können Impulse für die Ableitung von Schwerpunktsetzungen für die Unternehmens- und Marketingstrategie liefern. Bezüglich der inhaltlichen Ausgestaltung der Marketingstrategien für SGE vermögen die Portfolio-, Erfahrungskurven- und Marktlebenszyklusanalyse allerdings wenig beizutragen, denn die schematisierte Ableitung von Normstrategien kann die notwendige kreative Leistung bei der Strategieentwicklung zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen nicht ersetzen. Da Marketingstrategien gerade auf die Schaffung von Kundennutzen und einzigartigen Wettbewerbsvorteilen abstellen (vgl. Porter 1996; Kotler 2009), liefern Normstrategien hierfür kaum Hinweise. Darüber hinaus sind die Normstrategien sowohl auf Basis der Erfahrungskurvenanalyse als auch auf Basis der Portfolioanalyse noch zu global gehalten, um materielle Aussagen bezüglich der abnehmer-, konkurrenz-, absatzmittler- und anspruchsgruppengerichteten Marketingstrategie treffen zu können. Ein besonderes Problem ergibt sich aus der normativen Ausrichtung der drei strategischen Planungsinstrumente: Die unreflektierte Anwendung der Normstrategien fördert die Austauschbarkeit der Unternehmen und konterkariert damit die vom Marketing angestrebte Wettbewerbsdifferenzierung. Innovatives unternehmerisches Handeln wird auf diese Weise allzu oft von der Imitation branchenüblicher strategischer Verhaltensweisen verdrängt (vgl. Kotler 2009). Dies ist insoweit bedenklich, als dass neue Wachstumspotenziale, insbesondere in reifen Märkten, sich nur über Innovationen erschließen lassen. In diesem Zusammenhang wird zu Recht die Forderung erhoben, die Entwicklung einer Marketingstrategie müsse einer „Revolution“ gleichen (vgl. Hamel 1996). Beispiel
Beispielhaft kann auch auf den Erfolg des Online-Kleinanzeigenportals Scout24, der Computerhersteller Dell und Apple, des Discount-Brokers Direkt-Anlage-Bank, des Verbrauchermarktfilialisten Wal-Mart, des Möbelhändlers IKEA, der „Billig-Airlines“ EasyJet oder Germanwings sowie des Internettelefonieanbieters Skype oder des Suchmaschinenanbieters Google verwiesen werden. Das Beispiel des Markteintrittes des
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Festlegung von Marketingstrategien
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weltweit größten Handelsunternehmens Wal-Mart in Deutschland zeigt allerdings auch, dass der Erfolg „revolutionärer“ Marketingstrategien stark vom jeweiligen Wettbewerbsumfeld abhängt. Ggf. ist eine Anpassung der Strategie an länderspezifische Wettbewerbskontexte erforderlich, um veränderten Marktbedingungen gerecht zu werden. Im Falle von Wal-Mart bedeutete dies, dass das in den USA und zahlreichen anderen Staaten erfolgreiche Geschäftsmodell der Dauerniedrigpreise in Deutschland nicht erfolgreich sein konnte. Grund dafür war der bereits stark ausgeprägte Preiswettbewerb, in dem das in erster Linie auf Preisführerschaft ausgerichtete Unternehmen keine signifikante Marktposition erlangen konnte. Wal-Mart verkaufte seine deutschen Filialen 2006 an die Metro AG (o. V. 2006). Statt einer wiederholten Fortschreibung der bislang verfolgten Strategie wird hier gefordert, völlig neuartige Wege zur Erfüllung von Kundenwünschen zu gehen. Gerade die bewusste Abweichung von branchenweit üblichen strategischen Verhaltensweisen führt häufig zu enormem Wachstum. Die Autoren Kim und Mauborgne plädieren in ihrem Buch „Blue Ocean Strategy“ für das Durchbrechen von Normstrategien, weil diese nur zur Erhöhung der Wettbewerbsintensität im Hinblick auf Preis und Qualität führen und kreative Lösungen für Pionierleistungen nicht hinreichend gefördert werden (vgl. Kim und Mauborgne 2005). Sie entwickeln daher eine Heuristik (Eliminate-ReduceRaise-Create-Grid), die eine bewusste Abwendung von Normstrategien fördern soll. Normstrategien können jedoch im Rahmen der strategischen Unternehmens- und Marketingplanung eine erste Orientierung liefern, und sie schließen nicht aus, dass Unternehmen in weiteren Schritten ein neues strategisches Fenster durch kreative Abweichungen oder Ausgestaltungen von Normstrategien erschließen können.
5 Festlegung von Marketingstrategien 5.1
Systematisierung von Marketingstrategien
Die auf der Unternehmensebene für die Geschäftsfelder definierten Strategien bilden einen Orientierungsrahmen für die weitere Planung der Marketingstrategien.
I Marketingstrategien Eine Marketingstrategie ist ein bedingter, globaler Ver-
haltensplan zur Erreichung der Unternehmens- und Marketingziele. Geschäftsfelder bilden die Bezugsebene einer solchen Marketingstrategie (vgl. Meffert 1980, S. 89; Kotler und Bliemel 2001, S. 1266).
Die Bedingtheit der Marketingstrategie ergibt sich daraus, dass sie auf der Grundlage einer spezifischen externen und internen Ausgangssituation festgelegt wird. Ihre Kennzeichnung als langfristig setzt an der zeitlichen Wirksamkeit an. Marketingstrategien
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müssen mehrere Planungsperioden (Jahre) wirksam sein. Das Adjektiv global bezieht sich auf den Sachverhalt, dass Marketingstrategien für Geschäftsbereiche definiert werden und damit einen hohen Aggregationsgrad aufweisen. Durch Instrumentalstrategien in den Marketing-Mix-Bereichen werden die Marketingstrategien in einem weiteren Schritt konkretisiert und detailliert. Durch den Verhaltensbegriff wird die Handlungsorientierung betont, während der Zusatz Plan die Verbindlichkeit der Marketingstrategie für die ausführenden Ebenen hervorhebt.
I Marktwahlstrategien Aufbauend auf der Marktabgrenzung und der Ge-
schäftsfeldstrategie wird durch Marktwahlstrategien festgelegt, in welchen Produkt-Marktkombinationen ein Unternehmen mit welcher regionalen bzw. internationalen Reichweite und mit welchem Differenzierungsgrad in der Marktbearbeitung die Marketingziele erreichen will.
In der Literatur werden eine Vielzahl von Strategiesystematiken vorgestellt, die Verhaltensweisen zur Erschließung von Wachstumspotenzialen und Wettbewerbsvorteilen oder die Optionen zur Gestaltung der Beziehungen gegenüber einzelnen Marktteilnehmern (z. B. Kunden, Handel, Konkurrenz, weitere Stakeholder) aufzeigen. Um für die Planung von Marketingstrategien einen umfassenden und systematischen Überblick zu liefern, der alle wichtigen Strategiedimensionen und -optionen beinhaltet, werden im Folgenden die in der Tab. 7 dargestellten zwei Basisstrategien der Marktwahl- und Marktteilnehmerstrategien unterschieden (vgl. Becker 2013). Im Rahmen der Marktwahlstrategien sind strategische Grundsatzentscheidungen zur Beantwortung der folgenden Fragen zu treffen: Marktfeldstrategie: Mit welchen Produkt-Markt-Kombinationen sollen zukünftig Wachstumsziele erreicht werden? Marktfeldstrategien stellen die Verknüpfung zwischen der Unternehmens- und Marketingstrategie dar, da Marktfeldstrategien bereits bei der Auswahl von Geschäftsfeldern und der Marktabdeckung zum Tragen kommen. Marktarealstrategie: Mit welcher regionalen Reichweite sollen Märkte bearbeitet werden, und in welchem Umfang werden Märkte in verschiedenen Ländern durch eine internationale Marktbearbeitung erschlossen? Marktsegmentierungsstrategie: Inwieweit soll der Markt undifferenziert oder nach verschiedenen Zielgruppensegmenten differenziert bearbeitet werden? Mithilfe der Marktwahlstrategien sind die „Markt- und Wettbewerbsarena“ und die Form der Marktbearbeitung so weit präzisiert, dass hierüber auch die relevanten Marktteilnehmer bestimmt werden können. Auf dieser Grundlage werden im zweiten Schritt die Verhaltensweisen gegenüber den identifizierten und relevanten Marktteilnehmern festgelegt.
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Festlegung von Marketingstrategien
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Tab. 7 Systematik von Marketingstrategien und strategischen Optionen Basisstrategie Strategiedimensionen Marktwahl- Marktfeldstrategien strategie Marktarealstrategie
Marktteilnehmerstrategien
Inhalt der strategischen Festlegung Festlegung der Produkt-MarktKombinationen Bestimmung des Markt- bzw. Absatzraumes
Marktsegmen- Festlegung von Art tierungsstrategie bzw. Grad der Differenzierung der Marktbearbeitung AbnehmerFestlegung der gerichtete Marktbearbeitung Strategie gegenüber Abnehmern
Absatzmittlergerichtete Strategie
Bestimmung der Verhaltensweisen gegenüber Absatzmittlern (Handel) KonkurrenzBestimmung der gerichtete Verhaltensweisen Strategie gegenüber Konkurrenten Anspruchsgrup- Festlegung der pengerichtete VerhaltensweiStrategie sen gegenüber indirekt marktbeeinflussenden gesellschaftlichen Anspruchsgruppen
Strategische Optionen Gegenwärtige oder neue Produkte in gegenwärtigen oder neuen Märkten Rückzug aus bestehenden Märkten lokale, regionale, Arealstrategie nationale internationale, multinationale globale undifferenzierte Marktbearbeitung Segmentorientierte individuelle (Oneto-One) Innovationsstrategie Qualitätsstrategie Markenstrategie Programm-/Servicestrategie Preis-Mengen-Strategie Longtail-Strategie Kooperation Anpassung Ausweichen/Umgehung Konflikt Kooperation Anpassung Ausweichen Konflikt Innovation Anpassung Ausweichen Widerstand
I Marktteilnehmerstrategien Mithilfe der Marktteilnehmerstrategien werden
die Verhaltenspläne gegenüber den relevanten Marktteilnehmern (Kunden, Handel, Wettbewerber) und wichtigen Anspruchsgruppen zur Erreichung der festgelegten Marketingziele definiert. Im Mittelpunkt der Marktteilnehmerstrategien steht die Auswahl von Optionen, die einen komparativen Konkurrenzvorteil sicherstellen.
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Strategische Marketingplanung
Diese strategischen Basisentscheidungen sollen im Folgenden unter dem Begriff der Marktteilnehmerstrategie zusammengefasst werden. Die Festlegung der Marktteilnehmerstrategie umfasst Grundsatzentscheidungen zur Beantwortung der folgenden Schlüsselfragen: Abnehmergerichtete Strategie: Welche Optionen der Marktbearbeitung führen zur Kaufpräferenz einer angebotenen Leistung beim Nachfrager und zur Schaffung eines komparativen Konkurrenzvorteils? Absatzmittlergerichtete Strategie: Welche Verhaltensweisen sind gegenüber den Absatzmittlern bzw. Handelsunternehmen zu ergreifen, damit die festgelegten Marketingziele erreicht werden? Konkurrenzgerichtete Strategie: Welche Verhaltensweisen sind gegenüber den Konkurrenten zu ergreifen, um die festgelegten Marketingziele zu erreichen? Anspruchsgruppengerichtete Strategie: Welche Verhaltensweisen sind gegenüber den relevanten Anspruchsgruppen notwendig, um die marktbezogene und gesellschaftliche Akzeptanz und Unterstützung dieser Gruppen sicherzustellen? Die vielfältigen Veränderungen in der Aufgabenumwelt der Unternehmen haben die Dominanz der Kundenorientierung im Marketing, d. h. die einseitige Ausrichtung auf nur einen Marktteilnehmer, z. T. in Frage gestellt. Selbst ein den Bedürfnissen und Anforderungen der Nachfrager entsprechendes Produkt kann die Existenz eines Unternehmens nicht absichern, wenn zahlreiche Wettbewerber ähnliche Leistungen anbieten. Insbesondere die wachsende Wettbewerbsintensität und das Auftreten neuer, z. T. weltweit tätiger Konkurrenten erhöht in Verbindung mit stagnierenden oder schrumpfenden Märkten die Reaktionsfähigkeit der Wettbewerber erheblich. Neuerungen eines Unternehmens werden auf diese Weise schnell und oftmals auch billiger von Konkurrenten imitiert. Der Aufbau und die Absicherung von Wettbewerbsvorteilen erhält daher ein wachsendes Gewicht. Ein Wettbewerbsvorteil liegt immer dann vor, wenn die vier Kriterien (vgl. Abschn. 3 in Kap. 1): Wichtigkeit (wettbewerbsüberlegene Leistung bei einem für den Nachfrager wichtigen Produkt- bzw. Dienstleistungsmerkmal), Wahrnehmbarkeit (der Leistungsvorsprung wird vom Nachfrager wahrgenommen), Dauerhaftigkeit (der Leistungsvorsprung gegenüber der Konkurrenz kann langfristig aufrechterhalten werden) und Effizienz (der angebotene Leistungsvorsprung muss auch einen Anbietervorteil sicherstellen und einen signifikanten Beitrag zur Erreichung der definierten Marketingziele leisten) erfüllt sind (vgl. Ghemawat 1986, S. 53 ff.; Simon 1988; Backhaus und Schneider 2009, S. 22 ff.). Backhaus und Schneider betonen, dass strategisches Marketing im Kern das Management von komparativen Konkurrenzvorteilen beinhaltet. Über die Erzielung
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Festlegung von Marketingstrategien
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von komparativen Konkurrenzvorteilen im oben definierten Sinne wird die Nachfragerperspektive (Market-Based View) mit der Anbieterperspektive (Competence-Based View) in der Form vereint, dass die marketingstrategische Ausrichtung effektiv (Schaffung eines Nettonutzenvorteils für die Nachfrager) sowie effizient (Schaffung eines Anbietervorteils in Form einer Rendite und Unternehmenswertsteigerung) erfolgt. Eine zweidimensionale, am Kunden- und Konkurrenzvorteil orientierte Marketingstrategieentwicklung wird in Zukunft in solchen Märkten, in denen sich der Handel als bedeutender Marktfaktor etabliert hat, nicht ausreichen. Nicht zuletzt die Akquisitionen und Fusionen sowie das Entstehen von global agierenden digitalen Handelsplattformen der jüngsten Zeit haben die Konzentration im Handel weiter ansteigen und Handelskonzerne entstehen lassen, deren Größe viele Herstellerunternehmen als Kleinbetriebe erscheinen lässt. Hier ist vielfach als dritte Dimension bei der Strategieentwicklung eine Ausrichtung auf die Wünsche, Probleme und Forderungen des Handels notwendig, damit die Endverbraucher die angebotenen Produkte überhaupt in den Regalen des Handels vorfinden. Darüber hinaus haben tiefgreifende soziopolitische Veränderungen in den vergangenen Jahren zu einer Legitimations- und Vertrauenskrise der Wirtschaft geführt. Mit der Zunahme des Bewusstseins der Bevölkerung für gesellschaftspolitische Probleme verstärkt sich das Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Verhalten von Unternehmen. Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit auf Bereiche wie Ökologie, Politik und Gesundheit werden seitdem einer kritischen Betrachtung unterzogen (vgl. Porter und Kramer 2011). Unternehmen, die potenzielle Bedrohungen ihrer Akzeptanz nicht rechtzeitig erkennen und mit glaubwürdigen Gegenmaßnahmen beantworten, gefährden langfristig ihre Existenz. Beispiele wie BP (Katastrophe bei der Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko), Birkel („Frischeiskandal“), Pieroth („Weinskandal“) oder Nestlé (verunreinigte Babynahrung) belegen dies. Damit gewinnt neben der Schaffung von Kundennutzen, dem Aufbau von Wettbewerbsvorteilen und der Absicherung tragfähiger Hersteller-Handels-Beziehungen die Akzeptanz des Unternehmens bei den relevanten Anspruchsgruppen als vierte Dimension der Strategieentwicklung an Bedeutung (vgl. Meffert und Kirchgeorg 1998; Hermann 2005). Das im ersten Kapitel vorgestellte moderne und erweiterte Marketingverständnis schließt weitere Stakeholder in die Betrachtung der Marketingkonzeption ein, sodass die strategische Planung im Marketing auch diese Gruppen einbeziehen sollte. Die vier marktteilnehmerbezogenen Strategiedimensionen dürfen nicht isoliert nebeneinander gestellt, sondern müssen vielmehr in ein geschlossenes Marketingkonzept integriert werden. Im Rahmen der Integration ist auch eine Festlegung des Verhaltens gegenüber den Zulieferern und den eigenen Mitarbeitern notwendig. In Tab. 7 wurde die Systematik der im Folgenden dargestellten Marketingstrategien zusammenfassend dargestellt. Diese Übersicht kann als Heuristik zur Planung von Marketingstrategien genutzt werden, weil sie einen umfassenden Überblick über mögliche strategische Optionen im Marketing vermittelt. In Abhängigkeit der Unternehmens- und Marktsituation und den definierten Marketingzielen müssen Marketingmanager systematisch prüfen und bewerten, welche Optionen für die Marktwahl- und Marktteilnehmerstra-
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Strategische Marketingplanung
tegie den höchsten Zielerreichungsgrad versprechen. Final ergibt sich vollständig geplant eine Marketingstrategie aus zieladäquaten Schwerpunktsetzungen in den Dimensionen der Marktwahl- und Marktteilnehmerstrategien.
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Planung von Marktwahlstrategien
5.2.1 Marktfeldstrategien Die Festlegungen zur Marktfeldstrategie sind bereits als Entscheidung auf der Unternehmensebene bei der Auswahl strategischer Stoßrichtungen für die SGF betrachtet worden. In diesem Zusammenhang wurde festgelegt, mit welchen Produkt-Markt-Kombinationen Wachstumsziele erreicht werden können. Marktfeldstrategien stellen damit die Verknüpfung zwischen der Unternehmens- und der Marktwahlstrategie dar, wenn Unternehmen aufgrund ihrer Größe und Komplexität Geschäftsfelder definiert haben. Andernfalls kann die Marktfeldstrategie, z. B. bei einem Unternehmen mit einem begrenzten Leistungsprogramm und ohne Verankerung von Geschäftseinheiten, als Basisstrategie im Rahmen der strategischen Marketingplanung festgelegt werden. Auf Grundlage der vorgestellten Ansoff-Matrix lassen sich in systematischer Weise vier Strategieoptionen prüfen: die Marktdurchdringung, Markterweiterung, Produktentwicklung und Diversifikation (vgl. hierzu Abschn. 4.4). 5.2.2 Marktarealstrategien Wenn im Rahmen der Marktfeldstrategien die Option der Markterweiterung als strategische Option ausgewählt wurde, so stellt sich im weiteren Schritt die Frage, auf welchen Märkten eine Erweiterung der Marktbearbeitung vorgenommen werden sollte. Hierzu gilt es zunächst, die Marktarealstrategie zu definieren (vgl. Becker 2013). Die Konkretisierung der Marktwahlstrategie nach den regionalen und länderbezogenen Schwerpunkten der Marktbearbeitung führt zu einer Festlegung der Marktarealstrategie, die in Bezug auf die Erschließung internationaler Ländermärkte in der Literatur zum internationalen Marketing auch als Marktwahl- und Markteintrittsstrategie gekennzeichnet wird (vgl. z. B. Meffert und Bolz 2001; Keegan et al. 2002; Backhaus und Voeth 2010; Meffert et al. 2010; Hollensen 2011; Becker 2013). Ziel der internationalen Marktwahl ist es, anhand geeigneter Kriterien jene Marktsegmente (Länder und einzelne Abnehmergruppen) zu bestimmen, deren Bearbeitung für ein Unternehmen erfolgversprechend erscheint. Die Komplexität der Erfassung, Bildung und Auswahl von Teilmärkten im internationalen Marketing empfiehlt ein stufenweises Vorgehen (vgl. Meffert 1977; Stahr 1985; Meffert et al. 2010). In der ersten Stufe, der Ländersegmentierung bzw. internationalen Segmentierung, erfolgt mithilfe länderspezifischer Merkmale (z. B. Pro-Kopf-Einkommen, politisches Risiko) eine Aufteilung des Weltmarktes in Ländertypen. In der zweiten Stufe erfolgt dann analog zum nationalen Marketing die Aufteilung der Ländermärkte in möglichst homogene Abnehmergruppen.
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Festlegung von Marketingstrategien
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Als Alternative zu einer zweistufigen Vorgehensweise ist der Versuch einer integralen länderübergreifenden Segmentbildung anzusehen (vgl. Meffert 1977; Kale und Sudharsan 1987; Kreutzer 1989, S. 112; Stegmüller 1995, S. 78 ff.). Unter Verzicht auf eine länderspezifische Segmentierung werden hier die Abnehmer weltweit zu homogenen Nachfragersegmenten zusammengefasst (z. B. Teenager mit gleichen Verhaltensweisen und Interessen). Ansätze in dieser Richtung finden sich z. B. bei Parfums, Unterhaltungselektronik und Erfrischungsgetränken sowie bei Flugreisen. Streng genommen verzichten auch diese Ansätze nicht auf eine vorausgehende Länderauswahl. Sie unternehmen jedoch den Versuch, die Diskussion um eine weltweite Angleichung der Konsumgewohnheiten in die Markterfassung einzubeziehen. Durch die weltweite Erreichbarkeit von Zielgruppen über digitale Vertriebskanäle gewinnen länderübergreifende Segmentbildungen an Bedeutung. Eng mit der Markterfassung verbunden ist die Segmentbewertung, die mithilfe heuristischer und analytischer Verfahren zur endgültigen Auswahl der Zielsegmente (Länder- und Abnehmersegmente) und damit zur Festlegung der Marktabdeckung (Gesamtmarkt- versus Nischenstrategien) führen. Strategische Optionen für die internationale Marktbearbeitung Die Ausgestaltung der länderübergreifenden Marktbearbeitung kann vielfältige Formen annehmen. Im Wesentlichen können drei strategische Basisoptionen für die internationale Marktbearbeitung unterschieden werden: die internationale, multinationale und globale Marketingstrategie (vgl. Meffert und Bolz 2001). Ziel der internationalen Marketingstrategie ist die Sicherung des inländischen Unternehmensbestandes durch Wahrnehmung lukrativer Auslandsgeschäfte. Typisch für diese Vorgehensweise ist die begrenzte Fähigkeit des Unternehmens, sich auf länderspezifische Besonderheiten einzustellen. Bei der multinationalen Marketingstrategie rückt das Ziel der Sicherung des internationalen Unternehmenserfolgs bei einer Vielzahl nationaler Märkte in den Mittelpunkt strategischer Überlegungen. Tochtergesellschaften erhalten in Auslandsmärkten einen großen Entscheidungsspielraum, sodass sie ihre nationale Strategie primär an den Besonderheiten bzw. an den Erfordernissen des jeweiligen Auslandsmarktes orientieren können. Sie treten als quasi-autonome nationale Unternehmen auf. Eine Profilierung gegenüber dem jeweils stärksten nationalen Wettbewerber wird vor allem durch eine differenzierte Bearbeitung der Auslandsmärkte angestrebt. Der Übergang von einer multinationalen zur globalen Marketingstrategie beruht auf einer Neuorientierung des Wettbewerbes. Ziel dieser Strategie ist die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch Integration aller Unternehmensaktivitäten in ein zusammenhängendes Gesamtsystem. Die Bearbeitung des Weltmarktes erfolgt grundsätzlich ohne besondere Berücksichtigung nationaler Wünsche und Bedürfnisse. Unter bewusster Inkaufnahme national suboptimaler Strategien wird eine weltweit optimale Strategie zu realisieren versucht.
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Strategische Marketingplanung
Beispiel
Der Getränkehersteller Coca-Cola bspw. positioniert und profiliert sein Hauptprodukt in nahezu allen Ländern der Welt in weitgehend standardisierter Form. Die Herstellung des Getränkekonzentrats wird auf wenige Standorte beschränkt, während der Vertrieb in Form von standardisierten Franchisesystemen eine breite Ländermarktabdeckung anstrebt und zentral gesteuert wird. Dennoch werden nationale Geschmacksunterschiede durch geringfügige Änderungen der Rezeptur (Zuckergehalt) des Getränkes berücksichtigt. Die Google Inc. bietet im Internet weltweit Suchmaschinen-Dienste an und hat im Jahre 2018 über 90 % aller mobilen Suchanfragen auf sich vereint. Global werden standardisierte Dienste von Google angeboten, allerdings erfolgt eine Anpassung der Suchdienste je nach Landessprache. Für das Marketingmanagement besteht bei der Festlegung der Internationalisierungsstrategie die Herausforderung darin, die in Konflikt stehenden Interessen zwischen nationaler bzw. regionaler Differenzierung und weltweiter Standardisierung von Marktleistungen in einer effizienten Form auszubalancieren bzw. miteinander zu verbinden. Formen des Markteintrittes in internationale Märkte Nach Bestimmung der Zielmärkte und der grundsätzlichen Optionen der länderübergreifenden Marktbearbeitung (internationale, multinationale, globale Ausrichtung) gilt es, die Form des Markteintrittes festzulegen. In der Literatur existieren zahlreiche Versuche, die verschiedenen Markteintrittsformen zu systematisieren (vgl. Abb. 22). Im Vordergrund
Kapitaleinsatz, Risiko, Kontrolle DirektInvestment
hoch
Joint Ventures
Lizenzierung
gering
Export gering
hoch
Abb. 22 Formen des Markteintrittes auf internationalen Märkten
Internationalisierungsgrad
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Festlegung von Marketingstrategien
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stehen vor allem folgende Abgrenzungskriterien (vgl. Walldorf 1992; Meissner 1995; Dülfer und Jöstingmeier 2008; Meffert et al. 2010): Kapitaleinsatz im Ausland, Kontrollmöglichkeiten der Auslandsaktivitäten, Ausmaß der Kooperation mit anderen Unternehmen sowie institutionelle Ansiedlung der Aktivitäten. Als Markteintrittsform ohne bzw. mit sehr geringem Kapitaleinsatz im Ausland sind im Wesentlichen Export, Lizenzierung, Franchising und Vertragsfertigung zu nennen (vgl. Walldorf 1992; Pues 1994, S. 75 ff.). Durch die Möglichkeit, weltweit Produkt- und Serviceleistungen über das Internet anzubieten, bestehen Vertriebsmöglichkeiten, die mit einem relativ geringen Kapitaleinsatz gegenüber einem direkten Auslandsengagement genutzt werden können (vgl. z. B. Leybold 2010). Mit zunehmender Intensität der Auslandsmarktbearbeitung gewinnen Direktinvestitionen im Ausland an Bedeutung (vgl. Kutschker 1992). Diese Investitionen in Form eigener Vertriebsniederlassungen, Produktionsstätten im Ausland, Joint Ventures und des Aufbaus eigener Tochtergesellschaften führen zu einem steigenden Kapitaleinsatz im Ausland. Neben der Höhe des Kapitaleinsatzes kommt der Kontrolle der Auslandsaktivitäten ein hoher Stellenwert zu. So ist der direkte Export mit Direktvertrieb aus Herstellersicht marktnäher und besser kontrollierbar als der indirekte Export oder etwa die Lizenzierung. Zum anderen bemisst sich die Möglichkeit zur Kontrolle im Rahmen kooperativer Markteintrittsformen nach dem Ausmaß der Kooperation. Der Erfolg strategischer Allianzen bspw. hängt von mehreren Unternehmen ab, sodass die Kontrollmöglichkeit aus Sicht des einzelnen Unternehmens relativ gering ist. Aus diesem Grund werden Markteintrittsstrategien in der Literatur auch nach der Kooperationsabhängigkeit klassifiziert (vgl. Kutschker 1992). Die institutionelle Ansiedlung der Auslandsaktivitäten beschreibt schließlich, inwieweit die personellen oder sachlichen Ressourcen im Stammland verbleiben oder in den Auslandsmarkt transferiert werden. Im Fall des indirekten Exportes sind alle Ressourcen auf das Stammland konzentriert, während der Aufbau einer ausländischen Tochtergesellschaft i. d. R. einen umfangreichen Transfer von Sach- und Personalressourcen in das Gastland einschließt. Bestimmungsfaktoren, die den Eintritt in Auslandsmärkte ausschließen oder begrenzen, werden in der Literatur unter dem Aspekt der Markteintrittsbarrieren im internationalen Marketing diskutiert (vgl. Meffert 1977; Simon 1989; Dahringer 1991). Beispielhaft zu nennen sind Zölle, Importquoten und Devisenbeschränkungen als institutionelle Markteintrittsbarrieren sowie Nachfrageverhalten und Sprache als mögliche verhaltensbedingte Markteintrittsbarrieren.
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Strategische Marketingplanung
5.2.3 Marktsegmentierungsstrategien Im Rahmen der Marktsegmentierungsstrategie ist festzulegen, ob eine undifferenzierte oder eine differenzierte Marktbearbeitung durch die Geschäftseinheit erfolgen soll (vgl. Kotler 1967, S. 111; Bauer 1976, S. 93 ff.). Becker bezeichnet diese Strategie auch als Marktparzellierungsstrategie (vgl. Becker 2013). Für die Festlegung einer Marktsegmentierungsstrategie sind mithilfe der Marketingforschung (vgl. Abschn. 3 in Kap. 3) geeignete Informationsgrundlagen über die Anzahl und Merkmale der in einem abgegrenzten Markt zu identifizierenden Zielgruppensegmente bereitzustellen. Auswahl von Zielgruppensegmenten Sind die verschiedenen Segmente eines Marktes identifiziert, ist schließlich eine Entscheidung darüber zu treffen, welche Segmente bearbeitet werden sollen. Dies ist notwendig, da Unternehmen meist nicht in der Lage sind, alle Marktsegmente differenziert zu bearbeiten. Hierzu muss eine Bewertung der Segmente vorgenommen werden, die sich an den Unternehmens- oder Geschäftsfeldzielen zu orientieren hat. Will das Unternehmen bspw. mit jedem bearbeiteten Marktsegment einen bestimmten Mindestgewinn realisieren, so müssen die Umsätze in den einzelnen Segmenten und die segmentspezifischen Kosten abgeschätzt werden. Für die Auswahl der Zielgruppen bietet sich eine dreistufige Vorgehensweise an (vgl. Kotler und Bliemel 2001, S. 452 ff.; Kotler et al. 2007, S. 357 f.): 1. Im ersten Analyseschritt werden alle Marktsegmente, die mit den Unternehmenszielen nicht kompatibel sind, von der weiteren Beurteilung ausgeschlossen. So kann z. B. ein Anbieter, der über ein hohes Qualitätsimage verfügt, solche Marktsegmente ausschließen, deren Zielgruppe günstige Produkte mit einem geringen Qualitätsstandard präferiert. 2. Die verbliebenen Marktsegmente werden im zweiten Analyseschritt bewertet. Hierzu können die folgenden Kriterien herangezogen werden: Anhand der Segmentgröße und der Ge- bzw. Verbrauchsintensität der Segmentmitglieder kann das segmentspezifische Marktpotenzial und -volumen geschätzt werden. Der Vergleich des zukünftigen Marktpotenzials mit dem aktuellen Marktvolumen lässt erste Rückschlüsse auf die Attraktivität des Segmentes zu. Die Aktivitäten der Konkurrenz und die eigene Marktstellung in dem zu beurteilenden Segment geben weitere Anhaltspunkte für die Segmentattraktivität. Die eigene Marktstellung und die Konkurrenzintensität lassen sich durch die Anzahl der Konkurrenzprodukte und deren räumliche Nähe zum Idealprodukt der Konsumenten ermitteln. Ein weiteres Beurteilungskriterium ist der erreichbare segmentspezifische Marktanteil. Darüber hinaus ist der erreichbare Umsatz in den Marktsegmenten ein wichtiges Beurteilungskriterium. Er kann anhand der geschätzten Marktanteile und -volumina ermittelt werden.
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Festlegung von Marketingstrategien
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Für die kontrollierte Bearbeitung der Marktsegmente ist insbesondere die Ansprechbarkeit der Segmente mittels kommunikativer und distributiver Maßnahmen von Bedeutung. Die Marktsegmente sollten sich somit hinsichtlich ihres Mediennutzungs- und Einkaufsverhaltens abgrenzen lassen. Da in den einzelnen Marktsegmenten Produktvarianten angeboten werden, die dem segmentspezifischen Idealprodukt möglichst ähnlich sind, müssen die zur differenzierten Marktbearbeitung zusätzlich anfallenden Kosten (z. B. Marketing-, Produktions- und Komplexitätskosten) geschätzt werden, um damit die Segmentattraktivität zu überprüfen. Auch die zeitliche Stabilität der Segmentabgrenzung ist von Bedeutung für die Beurteilung. Sie muss zumindest für die Planungsperiode gewährleistet sein. Zur Beurteilung der zeitlichen Stabilität sind die Konsumentenbewegungen zwischen den Segmenten zu ermitteln (vgl. Freter 2008). Um die unterschiedlichen Marktsegmente in eine Attraktivitätsrangfolge einordnen zu können, ist es sinnvoll, die Beurteilungskriterien mittels eines Scoring-Modells zu einem Punktwert zu verdichten. Die unterschiedliche Bedeutung der einzelnen Kriterien für die individuelle Unternehmenssituation kann dabei durch eine differenzierte Gewichtung berücksichtigt werden. 3. Die Bestimmung der Anzahl der Zielsegmente und deren Auswahl erfolgt im dritten Analyseschritt anhand unternehmensinterner und externer Beurteilungsfaktoren: Die Beschränktheit der unternehmerischen Produktions- und Managementkapazität (unternehmensinterne Begrenzungsfaktoren) schließt eventuell eine Bearbeitung aller im zweiten Analyseschritt als attraktiv eingestuften Segmente aus und zwingt die Unternehmen, nur eines oder einige Marktsegmente auszuwählen. Weiterhin kann die Ausgestaltung des betrieblichen Produktionssystems oder die Qualifikation der Beschäftigten die Herstellung bestimmter, auf die Segmentbedürfnisse ausgerichteter Produktvarianten begrenzen. Die unternehmensexternen Begrenzungsfaktoren sind zum einen rechtliche oder technologische Beschränkungen, die die Realisation bestimmter Produktvarianten verhindern. Zum anderen können der Einführung einzelner Produktvarianten u. U. Widerstände der Absatzmittler entgegenstehen (z. B. Engpässe bei der Regalplatzverfügbarkeit). Strategien der Marktbearbeitung Eng verbunden mit der Auswahl der Zielgruppensegmente ist die Entscheidung über die Art der Marktbearbeitung. Strategien zur Bearbeitung der Marktsegmente können auf unterschiedliche Weise klassifiziert werden. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Entscheidungen über die Anzahl der abzudeckenden Marktsegmente und die Art der Segmentbearbeitung zu treffen. Grundsätzlich kann im Rahmen der Segmentbearbeitungsstrategien zwischen einer konzentrierten, einer undifferenzierten und einer differenzierten Strategie unterschieden werden (vgl. Kotler und Bliemel 2001, S. 453 ff.). Diese Unterscheidung beinhaltet
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implizit zwei Dimensionen der Marktbearbeitung. In der Dimension „Differenzierung des Instrumenteeinsatzes“ kommt zum Ausdruck, ob unternehmensweit ein einziges oder mehrere Marketingprogramme erarbeitet werden. Demgegenüber ermöglicht die Dimension „Abdeckung des Marktes“ eine Unterscheidung nach vollständiger oder teilweiser Marktabdeckung, d. h. wie viele der zuvor identifizierten Segmente bearbeitet werden sollen. Tab. 8 zeigt die daraus resultierenden vier Strategien zur Segmentbearbeitung (vgl. Freter 2008). Im Rahmen der undifferenzierten Marktbearbeitungsstrategie (Feld 1) wird mit einem Produkt und einem Marketingprogramm der Gesamtmarkt bearbeitet. Eine Segmentierung des Produktmarktes wird somit hinfällig. Diese Art der Marktbearbeitung stellt auf die Standardisierung und Massenproduktion ab. Es wird versucht, die Produktions- und Absatzkosten so niedrig wie möglich zu halten. Die absatzpolitischen Bemühungen konzentrieren sich auf die Gemeinsamkeiten und nicht die Unterschiede in den Bedürfnisstrukturen und Verhaltensweisen der Konsumenten. Wird diese Strategie von mehreren Unternehmen in derselben Branche verfolgt, so sind ein äußerst harter Konkurrenzkampf und hohe Marketingkosten die Folge, die die Vorteile der Massenproduktion kompensieren können. Zudem besteht die Gefahr, dass Konkurrenten mit segmentspezifischen und damit bedarfsgerechteren Produkten und Programmen Wettbewerbsvorteile erzielen (vgl. Freter 2008). Bei der konzentrierten Marktbearbeitungsstrategie (Feld 2) sind die Unternehmen bemüht, eine starke Marktstellung auf einem Teilmarkt bzw. in einer Marktnische (Nischenstrategie) zu gewinnen, indem sie sich mit ihren Marketingaktivitäten auf ein besonders lukratives Marktsegment konzentrieren. Diese Strategie hat den Vorteil, dass sich die Unternehmen mit ihrem Produkt- und Marketingprogramm optimal auf die Wünsche und Bedürfnisse des ausgewählten Marktsegmentes einstellen können. Aufgrund des engen Segmentbezuges fällt es leichter, detaillierte Informationen über das Segment zu beschaffen. Der wichtigste Grund für die konzentrierte Strategie ist in der Ressourcenbeschränkung eines Unternehmens zu sehen. Sind nur geringe finanzielle Mittel oder eine
Tab. 8 Segmentspezifische Marktbearbeitungsstrategien (Quelle: Freter 1983, S. 110) Grad der Differenzierung Undifferenziert
Differenziert
Abdeckung des Marktes Vollständig
Teilweise
c Undifferenziertes Marketing
e Differenziertes Marketing
d Konzentriertes Marketing
f Differenziertes Marketing (einzelne Segmente)
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beschränkte Managementkapazität vorhanden, können die Unternehmen oft nicht mehr als ein Marktsegment bearbeiten, da ansonsten die Gefahr der „Verzettelung“ bestünde. Diese Restriktionen treffen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen zu, die mittels der konzentrierten Strategie lukrative Marktnischen finden können, die von den Marktführern nicht hinreichend abgedeckt werden. Der Nachteil einer konzentrierten Marktbearbeitung ist in der Gefahr einer Absatzpotenzialeinbuße zu sehen. Durch die Konzentration auf spezifische Teilsegmente verzichten die Unternehmen eventuell auf erhebliche Gewinne, die mittels einer differenzierten Strategie realisiert werden könnten. Weiterhin ist eine Risikostreuung nicht möglich. Dies hat zur Folge, dass der Unternehmenserfolg ausschließlich von der Nachfrageentwicklung eines einzigen Marktsegmentes abhängt. Deshalb muss bei der Auswahl der Zielgruppe speziell darauf geachtet werden, dass es sich um einen wachsenden Teilmarkt handelt, auf dem möglichst wenig Konkurrenten vertreten sind. Mittels der differenzierten Marktbearbeitungsstrategie (Feld 3) versuchen die Unternehmen schließlich, durch den unterschiedlichen Einsatz des Marketinginstrumentariums alle attraktiven Marktsegmente eines relevanten Produktmarktes mit segmentspezifischen Marktleistungen zu versorgen. Da mit zunehmendem Differenzierungsgrad der Aktivitäten hohe finanzielle, produktionstechnische und verwaltungsbezogene Ressourcen erforderlich werden, kommt diese Strategiealternative nur für größere Unternehmen in Frage. Durch die parallele Bearbeitung aller relevanten Segmente kommt es dabei häufig zum Aufbau redundanter Kapazitäten (vgl. Reiß und Höge 1993). Die in Feld 4 dargestellte Strategie unterscheidet sich von der dritten Strategie dadurch, dass der Instrumenteeinsatz selektiv auf ausgewählte Marktsegmente gerichtet ist. Die beiden differenzierten Strategietypen haben den Vorteil, dass i. d. R. mit höheren Umsätzen als bei den anderen aufgezeigten Strategiealternativen gerechnet werden kann. Allerdings stehen dem nicht unerhebliche Kostensteigerungen gegenüber. Durch das Angebot eines mehrere Varianten umfassenden Produktprogrammes sind die Unternehmen bestrebt, eine gefestigte Position in mehreren Marktsegmenten zu erreichen, um so das leistungswirtschaftliche Risiko zu vermindern. Die Auswahl der optimalen Segmentabdeckungs- und Segmentbearbeitungsstrategien ist ebenso wie die Differenzierung einzelner oder aller Instrumente des Marketing-Mix von vielen unternehmensinternen und -externen Einflussfaktoren abhängig. Die Entscheidung für eine konkrete Strategie und die genaue Ausgestaltung der Marketingprogramme können daher nur auf der Grundlage der spezifischen Unternehmens- und Marktsituation erfolgen. Mit der Festlegung der Schwerpunkte im Rahmen der Marktwahlstrategie sind die relevanten Marktteilnehmer definiert. Diese Grundsatzentscheidungen bilden den Rahmen, um die strategischen Verhaltenspläne gegenüber den Marktteilnehmern zu definieren und zu koordinieren.
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Strategische Marketingplanung
Planung von Marktteilnehmerstrategien
5.3.1 Abnehmergerichtete Strategien Systematisierung abnehmergerichteter Strategien Die Kaufentscheidung der Abnehmer ist in der klassischen Mikroökonomie ausschließlich vom Preis eines Produktes abhängig, da aufgrund der Prämisse eines vollkommenen Marktes keine Qualitätsunterschiede zwischen den Produkten und damit keine Präferenzen der Abnehmer für bestimmte Leistungen bestehen. Im Zuge des Wandels von Verkäufer- zu Käufermärkten entstand jedoch neben dem Preiswettbewerb in zunehmendem Maße ein Qualitätswettbewerb. Aus Marketingsicht ergeben sich somit grundsätzlich zwei Alternativen zur gezielten Beeinflussung des Abnehmerverhaltens: die Präferenzstrategie und die Preis-Mengen-Strategie. Mit der Präferenzstrategie wird das Ziel verfolgt, insbesondere durch den Einsatz von nicht-preislichen Aktionsparametern mehrdimensionale Präferenzen beim Abnehmer aufzubauen und dadurch einen überdurchschnittlichen Preis zu erzielen (vgl. Becker 2009, S. 182 ff.). In der Psyche der Abnehmer soll eine Vorzugsstellung aufgebaut werden, die sich auf eine Vielzahl von spezifischen, das eigene Produkt im Wettbewerb differenzierenden Merkmalen stützt. Demgegenüber zielt die Preis-Mengen-Strategie auf den Aufbau eindimensionaler Präferenzen. Hierfür werden alle Marketingaktivitäten auf preispolitische Maßnahmen konzentriert. Der Abnehmer soll das Produkt im Wesentlichen aufgrund des sehr niedrigen Preises kaufen. Der Einsatz der übrigen Marketinginstrumente erfolgt nur insoweit, als sie für die Abwicklung der Transaktion zwingend erforderlich sind (vgl. Becker 2009, S. 214 ff.). Durch den niedrigen Preis soll eine große Zahl von Abnehmern angesprochen werden. Die höhere Absatzmenge soll den geringeren Stückgewinn überkompensieren. Eine ähnliche Strategiesystematik schlägt Porter vor (vgl. Porter 2013). Seine Überlegungen basieren auf der Erkenntnis, dass jedes Unternehmen eine spezifische Kernkompetenz entwickeln und kultivieren muss, um im Wettbewerb auf Dauer überleben zu können (vgl. Prahalad und Hamel 1990; Hamel und Prahalad 1995, S. 307 ff.). Diese Wettbewerbsvorteile können auf ganz unterschiedliche Weise aufgebaut und abgesichert werden. Auf Basis eigener empirischer Untersuchungen entwickelte Porter die in Abb. 23 dargestellten „Wettbewerbsstrategien“. Zum einen besteht die Möglichkeit der Profilierung auf dem Gesamtmarkt durch Leistungs- oder Kostenvorteile. Es ist also entweder eine aggressive Preisstrategie durch ein besonders niedriges Kostenniveau oder eine Qualitätsführerschaftsstrategie zu verfolgen. Zum anderen vermag eine Konzentration auf tragfähige Marktnischen eine klare strategische Erfolgsposition zu begründen (vgl. Meffert und Walters 1984; Meffert 1985b; Porter 2013). Die im Zusammenhang mit der Geschäftsfeldwahl bereits diskutierte strate-
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Art des Wettbewerbsvorteils Kostenvorteil
Differenzierungsstrategie (Qualitätsführerschaft)
Aggressive Preisstrategie
Segmente Teilmarkt
Grad der Marktabdeckung
Gesamtmarkt
Leistungsvorteil
Konzentration Produkt-Segment-Spezialisierung
Niedrigpreisstrategie
Abb. 23 Wettbewerbsstrategien nach Porter
gische Entscheidung über den Grad der Marktabdeckung wird hier implizit auf die Ebene der einzelnen SGE übertragen. Auch die Porterschen Wettbewerbsstrategien zielen auf die Realisierung einer Vorzugsstellung in der Psyche der Abnehmer und sind insoweit abnehmergerichtet. Diese verwirrende Begrifflichkeit erklärt auch die vielfach wenig überzeugenden Versuche in der Literatur, Unterschiede zwischen Porters Strategiealternativen der Qualitätsführerschaft (Differenzierungsstrategie) und der aggressiven Preisstrategie sowie der PreisMengen- vs. Präferenzstrategie hervorzuheben. Letztlich können zwischen beiden Systematisierungsansätzen zwei wesentliche Unterschiede herausgearbeitet werden (vgl. Meffert 1994a, S. 127): Die Vorzugsstellung bzw. die spezifische Kompetenz eines Anbieters muss immer in Relation zur Konkurrenz beurteilt werden. Die Strategien von Porter weisen einen stärkeren funktionsübergreifenden Bezug auf als die vor allem auf das Marketing bezogene Preis-Mengen- und Präferenzstrategie. Beide Systematisierungsansätze gehen letztlich nur von zwei abnehmergerichteten Wettbewerbsvorteilen aus, einer überlegenen Leistungsqualität oder einem Preisvorteil. Es herrscht mittlerweile jedoch Einigkeit darüber, dass diese zweidimensionale Sicht die realen Marktbedingungen nur verkürzt wiedergibt.
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Ein Blick in die Literatur offenbart in diesem Zusammenhang zahlreiche konzeptionelle und empirische Versuche, differenziertere Inhalte abnehmergerichteter Marketingstrategien zu erfassen (vgl. Galbraith und Schendel 1983; White 1986; Kim und Lim 1988; Mintzberg 1988; Morrison 1990, S. 69). Unterzieht man diese Studien einer umfassenden Würdigung, so wird deutlich, dass viele Untersuchungen Übereinstimmungen hinsichtlich der angestrebten Wettbewerbsvorteile im Rahmen abnehmergerichteter Strategien aufweisen. Daher ist von einer insgesamt begrenzten Zahl strategischer Grunddimensionen auszugehen. Diese sind: Innovationsorientierung, Qualitätsorientierung, Markierungsorientierung, Programmbreite, Kostenorientierung (vgl. Benkenstein 1992, S. 71 ff.). Mintzberg (1988) ergänzt diese Dimensionen noch um eine sechste Dimension, die „Differenzierung durch Imitation“. Bei dieser Strategie werden erfolgreiche Wettbewerber gezielt nachgeahmt. Dies erscheint jedoch nur dann erfolgversprechend, wenn gegenüber den imitierten Wettbewerbsprodukten zumindest ein Preisvorteil besteht. Demzufolge besteht kein nennenswerter Unterschied zur Strategiedimension der Kostenorientierung. Beispiel
So verfolgt bspw. ALDI im Rahmen seiner Handelsmarkenpolitik eine bewusste „Imitationsstrategie“. Der Vorteil der ALDI-Produkte liegt dabei primär in einem gegenüber den imitierten Markenprodukten deutlich niedrigeren Preis. Die übrigen fünf Strategiedimensionen von Mintzberg lassen sich in die fünf genannten Grunddimensionen überführen und konnten in empirischen Studien bestätigt werden (vgl. Bolz 1992, S. 43 ff.; Kotha und Vadlamani 1995).
I Abnehmergerichtete Wettbewerbsstrategie Unter Berücksichtigung dieser
grundlegenden Strategiedimensionen soll die abnehmergerichtete Wettbewerbsstrategie definiert werden als ein langfristiger Verhaltensplan, der die Realisierung eines oder mehrerer dieser abnehmergerichteten Wettbewerbsvorteile im relevanten Markt (d. h. auf Geschäftsfeldebene) zum Inhalt hat.
Im Folgenden sollen die einzelnen Grunddimensionen abnehmergerichteter Wettbewerbsstrategien näher betrachtet werden. Angesichts der in den letzten Jahrzehnten gestiegenen unternehmensstrategischen Bedeutung der Markenführung wird im Abschn. 1 den Zielen und strategischen Optionen der Markenführung eine vertiefende Betrachtung zuteil.
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Innovationsorientierung Eine ausgeprägte Innovationsorientierung ist vor allem durch in Relation zum Umsatz hohe F&E-Budgets, einen hohen Anteil neuer Produkte am Produktprogramm sowie durch eine Pionierposition am Markt gekennzeichnet. Sie konnte in der Mehrzahl der vorliegenden empirischen Untersuchungen als eine – vor allem im Vergleich zur Qualität – eigenständige Strategiedimension nachgewiesen werden (vgl. Alpert und Kamins 1995; Alpert et al. 1996). In diesem Zusammenhang wird verstärkt die Rolle der Zeit als strategischer Wettbewerbsvorteil herausgestellt (vgl. Stalk und Hout 1990; Blackburn 1991). Zwei Komponenten des Zeitvorteils sind dabei zu unterscheiden. Zum einen werden Zeitvorteile unter Gesichtspunkten des frühzeitigen Markteintrittes diskutiert (sog. Pioniervorteile). Zum anderen wird die Zeitkomponente bei der unmittelbaren Befriedigung aktueller Nachfragerwünsche behandelt. Dieser auch unter dem Schlagwort „Turbo-Marketing“ (vgl. Kotler und Bliemel 2001, S. 490 ff.) bekannt gewordene Aspekt stellt eine von mehreren Qualitätsdimensionen dar und soll daher auch dort diskutiert werden. Als wesentlicher Vorteil einer Pionierorientierung ist die Möglichkeit des frühzeitigen Entwickelns von Markt-Know-how (Erfahrung) und des Aufbaus eines fortschrittlichen Technologieimages zu werten, wie dies vielfach den japanischen Automobil- (z. B. Einführung des Hybridantriebes) und HiFi-Unternehmen zugeschrieben wird. Es ist davon auszugehen, dass Erfahrungs- und Degressionsvorteile in erster Linie Marktpionieren zugutekommen. Diese Wirkung verstärkt sich, wenn es gelingt, Industriestandards zu setzen. Diese Standards sind insbesondere bei einem hohen Maß an Produktstandardisierung durchsetzbar (vgl. Bolz 1992, S. 207; Backhaus und Schneider 2009, S. 199 ff.) und können die einmal gewonnene Pionierposition absichern, wie dies unter anderem in der Computer- oder Unterhaltungselektronikbranche (z. B. bei dem Betriebssystem Windows) zu beobachten ist. Die Realisierung von Innovationsvorteilen im Rahmen abnehmergerichteter Strategien knüpft an einige zentrale Erfolgsvoraussetzungen an (vgl. Perlitz 1988; Leder 1989; Albach 1990): Innovationsfähigkeit setzt das gezielte Management von Wissen voraus. Dies umfasst sowohl die Schaffung eines für Innovationen notwendigen Wissensbestandes als auch die Steuerung des Zugriffes auf vorhandenes Know-how. Neben der Notwendigkeit eines langfristigen, d. h. an Innovationen orientierten, Denkens im Management sind explizit Innovationsziele zu setzen (z. B. Neuprodukt-Umsatzanteile). Als zentrale Voraussetzung erweist sich weiterhin eine verstärkte Abstimmung technischer und absatzmarktbezogener Aktivitäten im Sinne eines innovationsgerichteten Schnittstellenmanagements. Weiterhin ist ein innovationsgerichtetes Engagement der Mitarbeiter zu fördern. Dies beinhaltet sowohl die Akzeptanz von Innovationsmisserfolgen als auch die Einrichtung von am Innovationsgrad ausgerichteten Entlohnungssystemen. Weiterhin zeichnen sich besonders erfolgreiche innovative Unternehmen dadurch aus, dass sie ihren
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Mitarbeitern einen gewissen zeitlichen Spielraum für die Verfolgung eigener F&E-Aktivitäten einräumen. Schließlich ist dafür Sorge zu tragen, dass Innovationserträge möglichst vollständig im Unternehmen einbehalten werden können. Dazu tragen Patente, strikte Geheimhaltung, zeitliche Vorsprünge, Lernkurveneffekte, hohe Imitationskosten sowie ein hohes Niveau an Serviceleistungen bei. Qualitätsorientierung Die meisten Untersuchungen zur inhaltlichen Ausgestaltung abnehmergerichteter Wettbewerbsstrategien konnten die Qualitätsorientierung als zentrale Strategiedimension identifizieren (vgl. Buzzell und Gale 1989, S. 89 ff.). Da mit einer hohen relativen Produktqualität (im Vergleich zu den Hauptwettbewerbern) i. d. R. ein hoher relativer Preis einhergeht, wird in empirischen Untersuchungen die Produkt- und Servicequalität auch durch den (relativen) Preis dargestellt. „Qualität“ besteht aus objektiven und subjektiven Komponenten. Dabei stellt die objektive oder technische Qualität vor allem auf anbieterbezogene Aspekte wie Qualitätskontrolle, Übereinstimmung mit bestimmten technischen Spezifikationen, Ausschussquoten etc. ab. Demgegenüber ist die subjektive, abnehmerbezogene Qualität als Ergebnis eines Wahrnehmungs- und Bewertungsvorgangs auf Nachfragerseite anzusehen. Qualität ergibt sich danach aus der individuellen Nutzenerfüllung in bestimmten Verwendungssituationen. Vor diesem Hintergrund wird in der Marketinglehre der Qualitätsbegriff in einer erweiterten Fassung gesehen: Qualität als Erfüllungsgrad eines individuellen Abnehmerbedürfnisses. Da die Qualitätsbeurteilung neben der Erwartungshaltung, der tatsächlich erlebten Leistung und bestimmten situativen Faktoren auch vom Vergleich mit Konkurrenzprodukten beeinflusst wird, kann von einer relativen Qualität gesprochen werden. Beispiel: Kundenintegration und Crowdsourcing als Erfolgsfaktor von Threadless
Der Kunde – Mitarbeiter des Jahres (Auszug) Die Firmen sparen dank Crowdsourcing Kosten, erwirtschaften dadurch höhere Gewinne, was neue Konkurrenten auf den Plan ruft, den Wettbewerb ankurbelt und die Preise senkt. Soweit die Theorie. In der Praxis jedoch werden nicht immer alle Einsparungen an die arbeitenden Konsumenten weitergegeben. Wie bringt man also die Kunden dazu, das Gros der Arbeit selber zu erledigen? Jake Nickell und Jacob DeHart haben es vorgemacht: Die zwei Designer aus Chicago haben Threadless.com lanciert und generieren heute mit der Website einen Umsatz von 20 Mio. Dollar. Ihr Rezept: Sie fordern Profis und Amateure auf, Designideen für T-Shirts einzureichen – ein Appell, dem nach sechs Jahren schon 60.000 kreative Köpfe Folge geleistet haben. Gestalter, deren Entwürfe ausgewählt werden, erhalten 2000 $ – ein Klacks, verglichen mit dem, was ein Profi-Designer in der Regel kostet. Die Auswahl treffen nicht etwa Nickell und DeHart, sondern die 300.000 registrierten
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Threadless-Kunden. So fallen für die Firma sämtliche Kosten für die Marktforschung weg. Flops bleiben meist aus. Die Werbung ist ebenfalls Sache der Kundschaft: Wer ein Bild von sich mit einem Threadless-Shirt zur Veröffentlichung freigibt, bekommt einen Rabatt beim nächsten Einkauf (vgl. Vuichard und Hossli 2006, S. 12). Durch neue Kommunikationstechnologien wird es zunehmend möglich, den Nachfrager in den Produkterstellungsprozess zu integrieren und somit seine Qualitätserwartung individuell zu berücksichtigen. Dabei werden zwei grundsätzliche Integrationsmöglichkeiten je nach Ausmaß der Kundenintegration unterschieden (vgl. Reichwald und Piller 2009): 1. Open Innovation: Hier vollzieht sich die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Kunden im Rahmen des Produktinnovationsprozesses mit dem Ziel einer kundengerechten Produktentwicklung für einen größeren Abnehmerkreis. Durch Formen des sog. Crowdsourcing werden z. B. Internetteilnehmer weltweit aufgerufen, einen Beitrag zur Problemlösung oder Produktinnovation für einen Anbieter zu leisten. Das aufgeführte Beispiel dokumentiert dies exemplarisch. 2. Produktindividualisierung und Mass Customization: Die Integration des Kunden erfolgt überwiegend im operativen Leistungserstellungsprozess. Individuelle Kundenwünsche werden bei der Produktion berücksichtigt, um so einen größeren Abnehmerkreis zu erschließen. Teilweise werden diese Individualisierungsstrategien technologisch in der Form unterstützt, dass z. B. beim Internetbuchhändler Amazon die Nachfrager bei der Auswahl von Büchern passende Buchvorschläge präsentiert bekommen, die auf Grundlage der von Nutzern mit einem ähnlichen Lese- und Bestellverhalten gekauften Bücher abgeleitet oder durch individuelle Kundenprofile automatisch generiert werden. Um einen bestimmten Qualitätsstandard anzustreben, muss dem Unternehmen vor allem bekannt sein, welche Teileigenschaften die relative wahrgenommene Qualität umfasst. Diese bilden dann mögliche Komponenten einer Qualitätsorientierung im Sinne eines strategischen Wettbewerbsvorteils. Dabei kann zwischen den folgenden Qualitätsdimensionen unterschieden werden (vgl. Garvin 1988; Kotler und Bliemel 2001, S. 398 ff.): Mit dem Gebrauchsnutzen werden die wichtigsten Funktionsmerkmale eines Produktes beschrieben. In der Automobilindustrie handelt es sich hierbei z. B. um Eigenschaften wie Beschleunigungsvermögen, Wirtschaftlichkeit, Fahrzeuggröße und Fahrverhalten. Weil diese Qualitätsdimension messbare Merkmale aufweist, lassen sich die Produkte in eine objektive Rangordnung überführen. Eine globale, subjektive Gesamteinschätzung fällt hingegen schwer, da die einzelnen Funktionsmerkmale für jeden Nachfrager nicht die gleiche Relevanz besitzen und damit einen unterschiedlichen Nutzen stiften.
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Die Haltbarkeit ist ein Maß für die Lebensdauer eines Produktes. Damit hängen sowohl ökonomische als auch technische Komponenten zusammen. Aus technischer Sicht bezeichnet die Haltbarkeit eines Produktes die Häufigkeit seines Gebrauchs bis zu dem Zeitpunkt, wo es seine Funktionstüchtigkeit verliert. In diesem Fall muss der Nachfrager die zu erwartenden Kosten für Reparaturen gegen die Ausgabe für ein neues Produkt abwägen, wodurch die Qualitätsdimension Haltbarkeit eine ökonomische Komponente erhält. Hiervon abzugrenzen ist die subjektive Seite der Haltbarkeitsdimension, die sog. künstliche Veralterung von Produkten (vgl. Meffert 1990). Hierbei wird die Lebensdauer durch veränderte Geschmackspräferenzen bzw. neue Modetrends und nicht durch technisch-wirtschaftliche Kriterien bestimmt. Die Zuverlässigkeit eines Produktes sagt etwas über die Wahrscheinlichkeit aus, nach der es zu einem bestimmten Zeitpunkt versagt. Die Zuverlässigkeit gewinnt eine umso höhere Bedeutung, je teurer Ausfall- und Wartungszeiten für die Kunden sind. Die Ausstattung wird oft als ein Sekundäraspekt der Qualitätsdimension „Gebrauchsnutzen“ angesehen. Ausstattung umfasst jene Aspekte, die den Grundnutzen um bestimmte Zusatzvorzüge ergänzen (z. B. kostenlose Getränke und Zeitschriften bei Flugreisen etc.). Die Normgerechtigkeit betrifft die Frage, inwieweit Konstruktion und Gebrauchseigenschaften mit etablierten Gütenormen (z. B. DIN-Normen) übereinstimmen. Diese Dimension entspricht traditionellen Vorstellungen der Qualitätssicherung. Eine weitere Qualitätsdimension, die Ästhetik, umfasst vor allem das Styling und Produktdesign und betrifft einen sehr subjektiv zu beurteilenden Qualitätsaspekt. So ist die Ästhetik des Produktaussehens, -geschmackes oder -geruches eindeutig von persönlichen Einstellungen und Vorlieben geprägt (vgl. Mayer 1996; Buck und Vogt 1997). Die Umwelt- und Sozialverträglichkeit wird verstärkt als Qualitätsdimension von den Konsumenten erwartet und bietet darüber hinaus auch vielfältige Ansatzmöglichkeiten zur Schaffung von Alleinstellungsmerkmalen und Wettbewerbsvorteilen. Die aus den Nachhaltigkeitszielen abgeleiteten Anforderungen können als konkrete Anforderungen für die Neuproduktentwicklung und Anpassung des gesamten Marketing-Mix herangezogen werden (vgl. z. B. Meffert und Kirchgeorg 1998; Porter und Kramer 2011). Die Qualität von Serviceleistungen bzw. des Kundendienstes stellt eine weitere zentrale Qualitätsdimension dar, die sich direkt auf das Kaufverhalten und damit den Absatzerfolg auswirkt (vgl. Zeithaml et al. 1996; Meffert und Bruhn 2001). Die Besonderheiten von Serviceleistungen führen dazu, dass die Servicequalität anhand spezifischer Kriterien erfasst werden muss (vgl. Parasuraman et al. 1985; Büker 1991, S. 147; Zeithaml und Parasuraman 2004, S. 2 ff.). Dazu zählen: die sachliche und personelle Ausstattung, die Verlässlichkeit, mit der versprochene Serviceleistungen ausgeführt werden, die generelle Bereitschaft, den Abnehmer bei der Problemlösung zu unterstützen,
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die Glaubwürdigkeit, die vor allem die eigentliche Kompetenz, die Höflichkeit und die Vertrauenswürdigkeit der Mitarbeiter umfasst, sowie das Kundenverständnis, d. h. das Einfühlungsvermögen und die Bereitschaft, auch auf individuelle Wünsche der Abnehmer einzugehen. Als besonders bedeutsam hat sich in der Praxis zusätzlich die Zeitkomponente, vor allem bei der Ausführung von Kundendienstaktivitäten, erwiesen. So interessieren oftmals nicht alleine die Schadensanfälligkeit eines Produktes, sondern auch der Aufwand und die Zeit zur Behebung des Schadens. Das amerikanische Unternehmen Caterpillar war bspw. in der Lage, durch einen weltweiten 24-Stunden-Ersatzteilservice einen deutlichen Qualitätsvorteil gegenüber seinen Konkurrenten zu realisieren. Zu dem Aspekt der Qualität von Serviceleistungen zählt schließlich auch die Behandlung von Reklamationen, denen Unternehmen häufig nicht nachgehen oder für die sie auf den Rechtsweg verweisen, um unzufriedene Kunden abzuwehren (vgl. Stauss und Seidel 2007). Demgegenüber haben andere Unternehmen gebührenfreie Telefonnummern eingerichtet, über die sich unzufriedene Kunden direkt an die Serviceabteilung wenden können. Die zentrale Bedeutung von Beschwerden wird im Rahmen der Garantiepolitik des amerikanischen Handelsunternehmens Lands End deutlich. Das Versandhandelsunternehmen gibt auf alle bestellten Produkte eine Umtauschgarantie über die gesamte Produktlebensdauer. So können Produkte auch noch nach Jahren ohne Angabe von Gründen umgetauscht werden. Nach Auskunft der Geschäftsführung ist es nur ein geringer Anteil der Kunden, die diese Garantie missbrauchen. Insgesamt wird deshalb nicht von dieser Garantiepolitik abgewichen. In Wissenschaft und Praxis besteht Einigkeit darüber, dass Qualitätsstrategien durch die Etablierung eines Total Quality Managements (TQM) umgesetzt werden müssen. Grundüberlegung des TQM ist, in allen Bereichen des Unternehmens ein hohes Qualitätsbewusstsein zu entwickeln und umzusetzen. Gerade in den internen Verwaltungsbereichen bestehen zahlreiche Möglichkeiten der Qualitätsbeeinflussung. So entscheiden z. B. die Abteilungen Einkauf, Auftragsbearbeitung, Produktionsplanung oder interne Logistik in erheblichem Maße nicht nur über die Durchlaufzeit, in der ein Auftrag erfüllt wird – und damit über die Zufriedenheit und den Nutzen des Abnehmers –, sondern auch über die für die Auftragsabwicklung notwendige Kapitalbindung. Albach berichtet in diesem Zusammenhang von einem Haushaltsgerätehersteller, der einen Auftrag mit folgender Begründung des Kunden verlor: „Wer Rechnungen nicht perfekt schreiben kann (der Briefkopf war fehlerhaft), kann auch keine perfekte Küche herstellen“ (vgl. Albach 1990). Empirische Studien zur Relevanz des TQM für den Unternehmenserfolg zeigen, dass einer offen-informalen Unternehmenskultur, der Delegation von Verantwortungs- und Entscheidungskompetenz auf untere Hierarchieebenen („employee empowerment“) und dem qualitätsorientierten Führungsstil des Managements („quality commitment“) eine herausgehobene Bedeutung bei der Umsetzung von Qualitätsstrategien zukommt (vgl. Powell 1995).
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Markierungsorientierung Die Markierungsorientierung stellt eine weitere zentrale, abnehmergerichtete Differenzierungsdimension dar. Sie wird heute durch ein ganzheitliches Konzept der Markenführung umgesetzt und spiegelt sich im wahrgenommenen Nutzenvorteil einer Marke beim Abnehmer und in dem vom Anbieter geschaffenen Markenwert wider. Angesichts der strategischen Bedeutung der Markenführung werden die spezifischen Ziele und Strategien der Markenführung im Abschn. 1 dieses Kapitels vertiefend betrachtet, so dass die Ausführung zur Markierungsorientierung im Überblick der Marktteilnehmerstrategien zunächst knapp gefasst ist. Insbesondere bei Produkten, die aus Abnehmersicht im Wettbewerbsumfeld durch eine hohe Homogenität und Austauschbarkeit gekennzeichnet sind, kommt es darauf an, eine differenzierende Wirkung über die Markierung bzw. präziser über das mit einer Marke verbundene Image zu realisieren. Auch in Fällen, in denen Nachfrager nicht hinreichend über das Produkt informiert sind, kann eine derartige „psychologische Differenzierung“ Kaufpräferenzen zugunsten des eigenen Unternehmens beeinflussen. Wenn objektive Kriterien zur Bewertung von Produkten nicht vorhanden sind, zieht der Abnehmer i. d. R. das Markenimage zur Beurteilung heran. Das Markenimage kann sich auf unterschiedliche Objekte beziehen (z. B. Produkte, Produktlinie bzw. -familie, Gesamtunternehmen) und muss vier zentrale Anforderungen erfüllen, um wettbewerbsdifferenzierend zu wirken: Es muss zunächst eine einmalige Botschaft über die Eigenschaften und den Nutzen einer angebotenen Leistung zum Ausdruck bringen. Diese Botschaft muss glaubwürdig sein, d. h. sie muss mit der Identität der Marke bzw. des Unternehmens und den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen (vgl. Meffert und Burmann 1996). Ferner muss die Botschaft auf unverwechselbare Art vermittelt werden und emotionale Unterstützung für den Nachfrager liefern. Schließlich muss das Markenimage kommunikativ intensiv umgesetzt und durch andere flankierende Maßnahmen unterstützt werden. Dabei ist vor allem an eine entsprechende Ausgestaltung der Distributions- und Preispolitik (z. B. durch Selektivvertrieb in Verbindung mit einer Hochpreisstrategie) aber auch der Marketingorganisation zu denken. Programmbreitenorientierung Eine weitere Dimension stellt die Programmbreite dar. Sie spiegelt eine ausgeprägte Nachfragerorientierung innerhalb der Angebotspolitik wider und wird vornehmlich durch die Flexibilität, schnell und profitabel zahlreiche Produktvarianten anbieten zu können, geprägt. Dieser oft unter dem Stichwort „Kundennähe“ diskutierte Aspekt (vgl. Albers und Eggert 1988; Homburg 2000) beschreibt das Potenzial zur differenzierten Marktbearbeitung, das sich vor allem in einer Produktdifferenzierung durch ein breites und tiefes Programm sowie durch das Angebot flankierender Dienstleistungen (Value Added Services) auszeichnet (vgl. Meyer 1985; Laakmann 1995; Perrone et al. 2005). Eine derartige Angebotsdifferenzierung ist stärker mit einem hohen Ressourceneinsatz verbunden als eine konsequente Qualitätsorientierung. Es besteht daher die Gefahr,
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dass Unternehmen mit einem breiten, differenzierten Programm gegenüber Spezialanbietern im Kostennachteil sind. Dies resultiert vor allem aus den mit zunehmender Programmbreite häufig überproportional ansteigenden Komplexitätskosten. Daher liegt die zentrale Herausforderung bei umfassenden Angebotsprogrammen in einer Kostenreduktion durch ein gezieltes Variantenmanagement (vgl. Rathnow 1993; Lingnau 1994; Kaiser 1995; Reinhart und Zäh 2006). Hierbei ist insbesondere auf die Realisierung von Synergien abzustellen. Synergien entstehen in diesem Zusammenhang, wenn zur Erstellung und zum Vertrieb unterschiedlicher Produkte auf gemeinsames Know-how, gemeinsame Ressourcen (z. B. Maschinen), Vertriebskanäle oder Abnehmergruppen zurückgegriffen werden kann. Darüber hinaus ist es möglich, auf der Basis sog. modularer Konzepte (Baukastenprinzip) große Stückzahlen bei einzelnen Komponenten zu realisieren, die dann in unterschiedlichen Kombinationen zusammengesetzt werden können. Kostenorientierung Die Dimension Kostenorientierung weist in allen empirischen Studien einen strategietyptrennenden Charakter auf. Gekennzeichnet ist eine ausgeprägte Kostenorientierung vor allem durch niedrige direkte Kosten, die durch die Realisation von Größen- und Erfahrungskurveneffekten sowie die Nutzung von Economies of Scope entstehen (vgl. Abschn. 3 in Kap. 6). Größeneffekte geben die mit einer größeren Ausbringungsmenge verbundene Effizienzerhöhung wieder. Diese Effizienz resultiert dabei aus Economies-of-Scale- und Fixkostendegressions-Effekten. Economies of Scale geben die sinkenden Kosten durch z. B. effizientere Maschinen in der Produktion oder Beschaffungskostenvorteile wieder, während sich die Fixkostendegression auf sinkende durchschnittliche Kosten bezieht. Im letzteren Fall werden fixe Kosten für Produktionsanlagen, Verwaltung oder Werbung auf eine größere Zahl abgesetzter Produkte verteilt. Voraussetzung für die Realisierung von Degressionseffekten ist neben einem hohen Absatzpotenzial je Fertigungsstätte die weitgehende Standardisierung der zu produzierenden Güter. Größenvorteile lassen sich auch in der Forschung und Entwicklung realisieren. In diesem Bereich sind Tendenzen erkennbar, durch die Zusammenarbeit von Wettbewerbern hohe Outputmengen anzustreben, um hierdurch Degressionsvorteile zu realisieren. Beispiel
Nach einer langen F&E-Kooperation hat 2016 die Bayer AG als Pharma- und Chemieunternehmen den amerikanischen Agrarchemie-Konzern Monsanto übernommen. Die Gründe sind in der Erlangung von weltweiten Größenvorteilen bzw. Synergien, der Nutzung von Markteintrittssynergien sowie in der Ausweitung des Produktportfolios zu sehen (FAZ 2018).
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Das Potenzial zur Realisierung von Degressions- und Erfahrungskurveneffekten hängt von einer Reihe unternehmensinterner Faktoren ab. Kostenorientierte Strategien können vor allem mit einer zentral gesteuerten, funktional ausgerichteten Organisationsstruktur umgesetzt werden (vgl. Stein 1988; Meffert 1991; Porter 2013). Der Einsatz hierarchischer, eindimensionaler Koordinationskonzepte erlaubt dabei eine effiziente Kostenplanung und -kontrolle. Darüber hinaus stellt die räumliche Aufteilung der Wertschöpfungsaktivitäten auf Standorte mit niedrigen Produktionskosten (Konfiguration) eine wesentliche Voraussetzung zur Erzielung dauerhafter Kostenvorteile dar. Im Rahmen der Beschaffung können Kostenvorteile durch eine Verringerung der Anzahl der Zulieferer bis hin zum Single Sourcing (Größenvorteile) sowie durch ein Global Sourcing (weltweiter Materialeinkauf) realisiert werden. So reduzierte Fiat die Zahl seiner Zulieferer in den 90er Jahren um mehr als 50 % (vgl. Volkswagen AG 1996). Ferner kann durch die produktionssynchrone Teileanlieferung im Rahmen von Just-in-TimeKonzepten z. B. die Kapitalbindung im Materiallager deutlich verringert werden. Darüber hinaus ist eine optimale innerbetriebliche Abstimmung der Materialwirtschaft und Logistik erforderlich, da hier oftmals beträchtliche Kosten durch lange Durchlaufzeiten und damit wiederum eine hohe Kapitalbindung entstehen. Die Orientierung an innovativen Prozesstechnologien stellt ein weiteres Merkmal von Kostenstrategien dar. Neueste Verfahren und Produktionstechniken sowie der Alleinbesitz von Know-how und Patenten sind dabei als zentrale Erfolgsfaktoren zu nennen (vgl. Ghemawat 1985, S. 146). In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die Diskussion der Kostenorientierung vor allem anhand innengerichteter Aspekte erfolgt. Eine abnehmergerichtete Bedeutung erlangt die Kostenorientierung durch die Weitergabe der Kostenvorteile an die Abnehmer in Form von Preisvorteilen (vgl. Backhaus und Schneider 2009, S. 87 ff.). Dies ist jedoch keine zwangsläufige Folge der Kostenorientierung. Es ist ebenso denkbar, dass Kostenvorteile zunächst nicht an die Abnehmer weitergegeben werden, sondern die zusätzlichen Deckungsbeiträge bspw. zur Produktverbesserung (z. B. umfangreichere Serienausstattung bei Autos) oder Stärkung der F&E-Aktivitäten eingesetzt werden. Da sich in der Literatur jedoch der Begriff der „Kostenführerschaft“ bzw. „kostenorientierte Preisführerschaft“ durchgesetzt hat, soll auch hier davon ausgegangen werden, dass sich die Kostenvorteile direkt als Preisvorteile in den abnehmergerichteten Strategien widerspiegeln. In der Vergangenheit konzentrierten sich Unternehmen bei der Schaffung von Wettbewerbsvorteilen häufig auf jeweils eine strategische Grunddimension der Abnehmerorientierung. Spätestens jedoch mit der Entwicklung des Outpacing-Ansatzes, einer Kombination von Qualitäts- und Kostenführerschaft (vgl. Gilbert und Strebel 1987), wurde deutlich, dass ein langfristiger Erfolg eine mehrdimensionale Orientierung erfordert. Abnehmer verlangen zunehmend hohe Qualität bei gleichzeitig niedrigem Preis. Die Markierungsorientierung stellt insbesondere bei homogenen, austauschbaren Produkten eine Voraussetzung des Markterfolges dar, und oftmals erlaubt nur ein breites Programm die Befriedigung der zunehmend individuelleren Nachfragerwünsche (Fragmentierung der Märkte). Darüber hinaus gewinnt aufgrund der Marktdynamik mit immer schneller aufeinander folgenden Lebenszyklen die Innovationsorientierung an Bedeutung.
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5.3.2 Konkurrenzgerichtete Strategien Systematisierung konkurrenzgerichteter Strategien Bei einer Systematisierung konkurrenzgerichteter Strategien, d. h. langfristiger, bedingter Pläne über das eigene Verhalten gegenüber den Wettbewerbern, ist zunächst eine Unterscheidung zwischen aktivem und passivem Verhalten zu treffen. Ein passives Verhalten zeigt sich, wenn die Aktivitäten der Konkurrenten weder implizit noch explizit in die Unternehmensentscheidungen einbezogen werden. So entwickeln passive Unternehmen keine konkurrenzgerichtete Strategie und realisieren auch keine auf den Wettbewerber gerichteten Aktivitäten. Diese Verhaltensausprägung trifft insbesondere auf große Unternehmen zu, die über eine dominierende Marktposition verfügen („wettbewerbsautonomes Verhalten“) oder die Bedeutung einer Konkurrenzorientierung nicht erkennen („wettbewerbsignorantes Verhalten“). Aktives Verhalten setzt demgegenüber eine Einbeziehung kompetitiver Maßnahmen in die Planung voraus. Konkurrenzgerichtete Strategien werden daher nur von Unternehmen realisiert, die dem Wettbewerbsgeschehen aktiv gegenüberstehen. Generell kann eine Typologisierung des aktiven konkurrenzgerichteten Verhaltens anhand der zwei Typologisierungsdimensionen innovativ vs. imitativ sowie wettbewerbsvermeidend vs. wettbewerbsstellend erfolgen. Insbesondere in der Tradition der Wettbewerbstheorie und in der amerikanischen Industrial Organization-Forschung hat die Unterscheidung zwischen innovativem und imitativem Verhalten einen tragenden Charakter. Wettbewerb wird in diesem Zusammenhang als „Prozess der schöpferischen Zerstörung“ (vgl. Schumpeter 1950, S. 137 f.) angesehen und als „Suchprozess und Entdeckungsverfahren“ (vgl. Hayek 1968, S. 249 ff.) gedeutet. Überkommene Verfahren, Produkte oder Marketingkonzeptionen werden durch inhaltliche und prozessuale Innovationen verdrängt. Der Wettbewerbsprozess wird dabei in Abhängigkeit von der Art des Verhaltens der Konkurrenten als „Imitationsverfahren“ – d. h. die Wettbewerber übernehmen Technologie sowie Verhalten und passen sich dem langfristigen Gleichgewicht an – oder, bei technischem Fortschritt, als „Entdeckungsverfahren“ bezeichnet. Die Dimension „wettbewerbsvermeidend vs. wettbewerbsstellend“ unterscheidet sich vor allem in Bezug auf den Zeitpunkt der eingeleiteten Maßnahmen. Ein wettbewerbsvermeidendes Verhalten beruht dabei auf der Anpassung der eigenen unternehmerischen Entscheidungen an die Handlungen der Konkurrenten. Konkurrenzgerichtete Maßnahmen werden erst dann ergriffen, wenn das Unternehmen durch ein offensives Vorgehen eines oder mehrerer Anbieter bedroht wird (vgl. Beispiel).
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Beispiel: Konkurrenzgerichtete Strategien initiiert durch zunehmende Wettbewerbsintensität gegenüber etablierten Anbietern
Mobilfunk: Zunehmend schwieriges Wettbewerbsumfeld (1990–2010) „Von der Hightech-Anwendung zum Allerweltsprodukt, vom regulierten Nischenzum wettbewerbsintensiven Servicemarkt – kein Zweifel, die deutsche Mobilfunkbranche hat eine erstaunliche Entwicklung genommen. Es war im Jahr 1990, als die ersten beiden GSM-Lizenzen an T-Mobile und Mannesmann Mobilfunk (heute Vodafone) vergeben wurden. Rund drei Jahre hatte dieses Duopol Bestand, ehe zwei Herausforderer auf den Plan traten: Im Mai 1993 erhielten E-Plus als dritter und im März 1997 Viag Interkom (heute o2) als vierter Anbieter die Lizenz zum Funken. Zersplitterung der Marktstruktur: Auf Basis dieser vier Netze ist eine Fülle neuer Marken entstanden. So gab es 2007 in Deutschland mehr als 40 Mobilfunkanbieter. Den Anfang machten mobilcom und debitel. Seit dem Start des Vollbetriebes der digitalen Netze D1 und D2 vertreiben diese beiden Service Provider der ersten Stunde ihre netzunabhängigen Dienste. Kunden kaufen also bei ihnen – doch übertragen werden die Sprach- und Datenpakete über die Infrastruktur eines der Betreiberunternehmen. Einen ersten Scheitelpunkt der Entwicklung zum ,Low-Cost-Angebot‘ markierte der Start von Tchibo Mobilfunk. Im Oktober 2004 trat das Joint Venture von Tchibo und o2 in den Markt ein. Mit blau.de, callmobile, klarmobil oder Simyo gibt es heute eine Vielzahl von ,Günstig-Tarifen‘. Mittlerweile sind auch Lebensmittel-Discounter auf den Zug aufgesprungen. Seit Dezember 2005 bietet ALDI in Zusammenarbeit mit EPlus Mobiltelefone an. Rewe kooperiert mit T-Mobile und verkauft seit Juni 2006 Handys der beiden Marken rewecom und Penny Mobil. Mit der aktuellen Low-Cost-Welle geht ein weiterer Trend einher: zielgruppenspezifische Marken wie Ay Yildiz, betrieben von einer Tochtergesellschaft von E-Plus, oder vybemobile, gestartet im Oktober 2006 als Kooperation von Universal Music Deutschland und E-Plus. Die eine richtet sich an türkische Kunden, die andere umgarnt Musikfans. Der Markt wird zunehmend unübersichtlich. Mit dem Aufstieg der Herausforderer schwand die Marktmacht der beiden ersten Netzbetreiber. Im Jahr 1992 hielt T-Mobile noch einen Marktanteil von 88,4 %. Seither verlor der Branchenprimus Jahr um Jahr; Vodafone erging es in der jüngeren Vergangenheit kaum besser. Heute liegen beide mit 36,5 % und 35,8 % fast gleichauf, gefolgt von E-Plus und o2, deren Marktanteile im dritten Quartal 2006 auf 14,8 % bzw. 12,9 % gestiegen sind. Während also die beiden Branchenführer, begünstigt durch die sukzessive Vergabe von Lizenzen, noch im Jahr 1995 auf einen gemeinsamen Marktanteil von 94,8 % kamen, so haben sie diese beherrschende Stellung heute verloren (Quelle: Bundesnetzagentur, Unternehmenszahlen)“. Quelle: Kluge 2007, S. 211.
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Tab. 9 Typologisierung konkurrenzgerichteten Verhaltens Verhaltensdimensionen Wettbewerbsvermeidend Wettbewerbsstellend
Innovativ Ausweichen Konflikt
Imitativ Anpassung Kooperation
Demgegenüber ist wettbewerbsstellendes Verhalten dadurch gekennzeichnet, dass Unternehmen bereits auf erste „schwache Signale“ (vgl. Ansoff 1976, S. 129) im Vorfeld marktgerichteter Aktivitäten der Konkurrenz reagieren und deren mögliche Vorgehensweisen explizit in die eigene Planung einbeziehen. Unternehmen, die sich durch ein wettbewerbsstellendes Verhalten auszeichnen, sind oft in der Lage, aufgrund frühzeitig erkannter Konsumentenbedürfnisse gegenüber reaktiven Konkurrenten Zeitvorteile zu realisieren. Diese können in Image- und Ertragsvorteile umgesetzt werden, wenn es dem Unternehmen gelingt, sich z. B. durch die proaktive Entwicklung und Umsetzung von innovativen Produkt- und Prozesstechnologien im Markt als Technologieführer zu profilieren. Typologisiert man das konkurrenzgerichtete Verhalten von Unternehmen anhand der diskutierten Dimensionen, so lassen sich die folgenden vier konkurrenzgerichteten Strategien abgrenzen (vgl. Tab. 9). Kooperationsstrategien Kooperationen werden vor allem von Unternehmen angestrebt, die über keinen deutlichen Wettbewerbsvorteil verfügen oder denen die notwendigen Ressourcen für Konkurrenzauseinandersetzungen bzw. ein erfolgreiches Überleben im Wettbewerb fehlen. Dem aggressiven Wettbewerb wird das offene oder stillschweigende Einverständnis bezüglich bestimmter Geschäftspolitiken vorgezogen. Zumeist ist dieses Verhalten durch die Einsicht bestimmt, dass durch ein Entgegenkommen der Wettbewerber eine höhere Rendite erwirtschaftet werden kann als bei einem intensiven Wettbewerb. Insbesondere auf Oligopolmärkten ist daher häufig ein mehr oder weniger ausdrückliches Einverständnis über das Wettbewerbsgebaren im Sinne einer informalen Kooperation zu beobachten (vgl. Lambin et al. 2012). Die weitestgehende Form des kooperativen Verhaltens stellt zweifellos die Zusammenarbeit dar (formale Kooperation). Formen und Ausprägungen derartiger Kooperationen sind dabei durch einen unterschiedlichen Grad der Zusammenarbeit und unterschiedliche Bindungsarten gekennzeichnet. Beschränkt man sich auf vertraglich abgesicherte Kooperationen, so sind vor allem Lizenzverträge, Vertragsfertigungen, Franchising, Managementverträge, strategische Allianzen und Joint Ventures von vorrangigem Interesse bei der Analyse von Unternehmenskooperationen (vgl. Gahl 1991; Dussauge und Garrette 1995; Eisele 1995; Meurer 1997; Netzer 1999; Eggers und Engelbrecht 2005, S. 6 ff.). Strategische Allianzen sind in vielen Industrien zu beobachten. So wollten BWM und PSA Peugeot Citroën 2011 100 Mio. C in ein gemeinsames Hybridtechnologie-Projekt
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„BMW Peugeot Citroën Electrification“ investieren. Hierüber sollten Know-how- und Kostensynergien genutzt werden. Zudem soll eine europäische Marktführerschaft auf dem Gebiet der Hybrid-Innovationen erzielt werden. Beispiel
Die globale Bedeutung von Kooperationen wird insbesondere im Verkehrsdienstleistungsbereich deutlich, wo sich alle namhaften Fluggesellschaften zu strategischen Allianzen zusammengeschlossen haben. So agiert die Lufthansa zusammen mit United Airlines (USA), SAS (Schweden), Singapore Airlines (Singapur), Thai Airways (Thailand) und anderen Fluggesellschaften unter der Dachmarke „Star Alliance“. Ihr gegenüber steht bspw. das „SkyTeam“, dem u. a. die Gesellschaften Delta (USA), Air FranceKLM (Frankreich) und Korean Air (Südkorea) angehören. Diese Kooperationen dienen in erster Linie der Überwindung von Markteintrittsbarrieren und der ressourcenschonenden Erweiterung des Streckennetzes (Ausweitung des Angebotsprogrammes). Konfliktstrategien Konfliktstrategien sind meist mit der Zielsetzung verbunden, durch ein im Vergleich zum Wettbewerber innovatives Verhalten Marktanteile zu gewinnen und möglicherweise die Marktführerschaft zu realisieren. Eine Konfrontation mit dem Wettbewerber wird dabei bewusst in Kauf genommen. In ihrer aggressivsten Form verfolgen Konfliktstrategien das Ziel, den Wettbewerber durch frontale Angriffe möglichst stark zu schwächen bzw. ihn aus dem Markt zu drängen. Oft werden dabei auch wettbewerbsrechtliche Verstöße in Kauf genommen. Üblicherweise lässt sich aggressives Verhalten auf Märkten beobachten, die sich in der Stagnations- oder Schrumpfungsphase befinden, da hier eine Positionsverbesserung nur noch auf Kosten der Marktstellung anderer Anbieter möglich ist (sog. Nullsummenspiel). Auch oligopolistische Märkte sind häufig durch aggressives Wettbewerbsverhalten gekennzeichnet. Die konfliktorientierte Konkurrenzstrategie wird in der Literatur oft in militärischen Kategorien beschrieben (vgl. Cohen 1986; Ries und Trout 1986; Durö und Sandström 1988). Dabei werden u. a. folgende Angriffsweisen unterschieden: Ein Direktangriff zielt auf die Hauptproduktbereiche des anvisierten Konkurrenten, indem z. B. mit neuen oder verbesserten eigenen Produkten oder mit einer Preisreduzierung die Marktstellung des Wettbewerbers erschüttert werden soll. Bei der Umzingelung soll die Marktstellung des Konkurrenten von mehreren Seiten aufgeweicht werden. Dabei wird dem Konkurrenzprodukt z. B. nicht nur ein direktes Angebot gegenübergestellt, sondern zusätzlich unter einer zweiten und dritten Marke eine preisgünstigere Produktalternative oder ein Premiumprodukt eingeführt. Der Flankenangriff hat zum Ziel, den Konkurrenten an seinen schwachen bzw. ungeschützten Stellen anzugreifen. Dies könnte bei global operierenden Unternehmen bspw. dadurch geschehen, dass massiv in die Eroberung solcher Ländermärkte investiert wird, in denen der Konkurrent nur einen niedrigen Marktanteil besitzt. Dies ist
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insbesondere dann erfolgversprechend, wenn es sich bei den betroffenen Märkten um stark wachsende oder volumenstarke Märkte handelt, die für den langfristigen Erfolg in einer bestimmten Branche eine hohe Relevanz besitzen. Beispiel
Die umfangreichen Investitionen japanischer Unternehmen in Indien, China, Vietnam, Thailand, Indonesien und anderen südostasiatischen Ländern können in diesem Zusammenhang als ein Flankenangriff auf Wettbewerber aus Deutschland bezeichnet werden, die in dieser Region bislang nur schwach vertreten sind. Insbesondere aufgrund der hohen Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes und der absoluten Größe dieser Märkte kann dieser Angriff langfristig zu einer enormen Bedrohung für deutsche Unternehmen werden. Ausweich- und Anpassungsstrategien Ausweichstrategien sind dadurch gekennzeichnet, dass Unternehmen versuchen, einem erhöhten Wettbewerbsdruck durch innovative Aktivitäten zu entgehen. Im Einzelfall kann dies durch abgeschirmte Marktsegmente, neue Produkt- bzw. Prozesstechnologien oder ausgeprägte Marketinganstrengungen erfolgen. Ausweichstrategien weisen vor allem dann ein hohes Erfolgspotenzial auf, wenn es möglich ist, frühzeitig Markteintrittsbarrieren aufzubauen und die Realisierung von Spezialisierungs- und Erfahrungseffekten gelingt. Anpassungsstrategien zielen auf die Erhaltung der einmal realisierten Marktposition ab. Das eigene Verhalten wird auf die Reaktion der Wettbewerber abgestimmt. Diese wettbewerbsvermeidende, defensive Ausrichtung wird häufig nur so lange beibehalten, wie keine Schwächung der eigenen Position durch Vorstöße der Wettbewerber erfolgt. Die Frage nach dem unter Wettbewerbsaspekten „richtigen“ Vorgehen gewinnt zusätzlich an Komplexität, wenn man berücksichtigt, dass Unternehmen oftmals auf mehreren Märkten miteinander konkurrieren (Mehrpunktwettbewerb). Wird ein Unternehmen von einem Wettbewerber auf einem bestimmten Markt angegriffen, bestehen verschiedene Möglichkeiten, zu reagieren. Zum einen kann das betroffene Unternehmen auf demselben Markt den Vorstoß des Konkurrenten parieren, zum anderen kann auf einem anderen Markt eine Gegenmaßnahme gestartet werden. Schließlich besteht die Möglichkeit, auf allen gemeinsamen Märkten zu reagieren.
5.3.3 Absatzmittlergerichtete Strategien Systematisierung absatzmittlergerichteter Strategien Spätestens seit Beginn der 80er Jahre kündigte sich in vielen Märkten eine Situation an, in der aus Herstellersicht nicht mehr die Akzeptanz auf der Endverbraucherstufe, sondern bereits auf der zwischengelagerten Stufe des Handels über den Markterfolg entscheiden würde. Insbesondere vier Entwicklungstendenzen sind hierfür maßgeblich (vgl. Abb. 24) (vgl. u. a. KPMG 2005; Fleischmann 2010; Heinemann et al. 2016; Heinemann 2018):
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Strategische Marketingplanung
Ausdifferenzierung von Märkten „Überangebotssituation“
Herstellerangebote
Politisch-rechtliche Herausforderungen Produktrücknahmeverpflichtungen Umweltschutzgesetze Zunehmender Protektionismus
Distributionsfilter Imagefilter Platzierungsfilter Beratungs- und Servicefilter
Konzentrationsprozess im Handel Emanzipation eines eigenständigen Handelsmarketing Profilierung von Storebrands- und Handelsmarken Multi-Channel-Strategien Plattform-Strategien
Endverbrauchernachfrage
Veränderung im Nachfrageverhalten „Hybrides“ Einkaufsverhalten Sinkende Marken- und Einkaufsstättentreue Akzeptanz des Internets als Informations- und Vertriebskanal
Abb. 24 Herausforderungen an das absatzmittlergerichtete Marketing
Sowohl auf der Einzel- als auch der Großhandelsstufe ist eine fortschreitende Konzentration zu beobachten. Dabei entfällt ein zunehmender Anteil der Nachfrage in einigen Produktkategorien auf E-Commerce-Angebote von digitalen Plattformen (z. B. Amazon, E-Bay, Alibaba). Hersteller geraten zunehmend in eine Abhängigkeit von wenigen Handelsunternehmen (Nachfragemacht). Große und professionell betriebene Handelsunternehmen emanzipieren sich zunehmend von der Einflussnahme der Hersteller und entwickeln ein eigenständiges Handelsmarketing, wodurch der Spielraum des klassischen Herstellermarketing eingeschränkt wird. Mithilfe von Multi-Channel-Strategien versuchen Hersteller, die Kunden in gesättigten und wettbewerbsintensiven Märkten zu binden. Der stationäre Handel nutzt zunehmend auch Multi-Channel-Strategien. Neben Home-Computern erlangen auch mobile Smartphones als Vertriebskanal im Rahmen von Multi-Channel-Strategien zunehmende Bedeutung (vgl. Ehrlich 2011; Heinemann 2018). Gleichermaßen ist der Trend zu beobachten, dass auch der stationäre Handel E-Commerce-Aktivitäten im Internet entwickelt, sodass die E-Commerce-Strategien von Herstellern und Handel in einen Wettbewerb treten. Es zeichnet sich weiterhin ab, dass auch Internetanbieter zunehmend stationäre Geschäfte eröffnen (z. B. Amazon, Zalando), um Konsumenten eine physische Erfahrungswelt zu bieten.
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Festlegung von Marketingstrategien
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Gleichzeitig bewirken eine Ausdifferenzierung zahlreicher Märkte und das Eindringen neuer nationaler und internationaler Anbieter eine wachsende Zahl von Neuprodukten. Für jedes einzelne Produkt steht bei weitgehend stagnierender Gesamtverkaufsfläche im Handel immer weniger Regalplatz zur Verfügung. Veränderungen im Konsumentenverhalten wirken sich – nicht zuletzt durch das viel zitierte „hybride“ Einkaufsverhalten (vgl. Esser 2002; Fleischmann 2010; Manss und Kirchgeorg 2017) – auf die Absatzkanalwahl der Hersteller aus. Die Realisierung langfristig ausgerichteter Strategien wird dabei angesichts zunehmend instabiler Käufergewohnheiten (sinkende Marken- und Einkaufsstättentreue) erschwert. Schließlich beeinflussen politisch-rechtliche Maßnahmen den handelsgerichteten Gestaltungsbereich der Hersteller. International führt vor allem der grenzüberschreitende elektronische Handel via Internet zu besonderen Herausforderungen und Strukturveränderungen in zahlreichen Absatzsystemen. National führen ökologische Anforderungen des Gesetzgebers (Rücknahmeverpflichtungen des Handels etc.) zwangsläufig zu einer Neudefinition der Arbeitsteilung im Absatzkanal. Diese Entwicklungstendenzen fordern die Hersteller umso mehr heraus, als ein in seinem Machtbewusstsein erwachter Handel seine Rolle als „Gatekeeper“ (vgl. Lewin 1963, S. 206 ff.) oder „Filter“ im Vermarktungsprozess von Gütern und Dienstleistungen realisiert hat. Nach Thies (1976, S. 63 ff.) lassen sich aus Herstellersicht vier Filterfunktionen des Handels lokalisieren. Demnach entscheidet der Handel, ob ein Produkt überhaupt distribuiert wird („Distributionsfilter“), ob ein Herstellerangebot „image-adäquat“ vertrieben wird („Imagefilter“), welche quantitative und qualitative Regalplatzfläche für das Produkt bereitgestellt wird („Platzierungsfilter“) und welche verkaufs- und nachkaufbezogenen Beratungs- und Serviceleistungen handelsseitig (z. B. Hausauslieferung) das Herstellerangebot komplettieren („Service- und Beratungsfilter“). Hersteller und Handel bemühen sich zwar um den gleichen Konsumenten, tragen hinsichtlich ihrer Zielsysteme aber systemimmanente Zielkonflikte aus. Hersteller verfolgen primär produktbezogene Zielsetzungen, während der Händler geschäftsstätten- bzw. plattformenorientierte Ziele anstrebt. Vor dem Hintergrund dieser Konflikte und der „Gatekeeper“-Funktion des Handels bedarf es einer sorgfältigen absatzmittlergerichteten Strategiewahl des Herstellers im Sinne eines globalen Verhaltensplans gegenüber dem Handel, um die marktgerichteten Ziele erreichen zu können. Einen ersten klassischen Ansatz für absatzmittlergerichtete Verhaltenspläne der Hersteller stellt die Differenzierung in Push- und Pullstrategien dar (vgl. Voss 1983; Szeliga 1996). Die Push-Strategie beschreibt dabei eine Vorgehensweise des Herstellers, bei der dieser seine Produkte mittels entsprechender händlergerichteter Anreize über die Absatzkanäle in den Markt „hineindrückt“. Demgegenüber soll eine Pull-Strategie durch ein
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Strategische Marketingplanung
effektives endverbrauchergerichtetes Marketing zu einem Nachfragesog der Konsumenten gegenüber dem Handel führen. Der Handel soll folglich über einen indirekten Herstellerdruck zur Listung „gezwungen“ werden. Insbesondere durch die Möglichkeit der Nutzung direkter oder indirekter digitaler Vertriebskanäle stehen Hersteller auch vor der Grundsatzentscheidung, zu sogenannten Multi- oder Omni-Channelstrategien überzugehen. Moderne Konsumenten erwarten, über alle Kanäle (Ladengeschäft, telefonisch, online, mobile etc.) mit einem Unternehmen in Kontakt treten zu können (KPMG 2017). Sie wollen die Vorzüge unterschiedlicher Kanäle in unterschiedlichen Phasen des Kaufentscheidungsprozesses nutzen (Maier und Kirchgeorg 2016). Wie die Abb. 25 vereinfacht zeigt, kann diesem Bedürfnis mit nur einem Vertriebskanal zukünftig kaum mehr entsprochen werden. Somit sind folgende Strategiealternativen zu prüfen: Multi-Channel-Strategien: Bereitstellung von mehreren Vertriebskanälen, wobei der Koordinationsgrad und Informationsaustausch zwischen den Vertriebskanälen gering ist. Omni-Channel-Strategien: Hier werden die Vertriebskanäle mit Blick auf den Einkaufsprozess eines Kunden koordiniert und integriert. Informationen werden zwischen den Vertriebskanälen permanent ausgetauscht. Ist eine vollständige Harmonisierung von Kundendaten, Prozessen und der Infrastruktur der Vertriebskanäle erreicht, so bezeichnet Heinemann diese Form der Omni-Channel-Strategie auch als No-Line-Strategie, weil der Kunde ohne Barrieren zwischen allen Vertriebskanälen wechseln kann (Heinemann 2013).
Ein-Kanal-Vertrieb
Offline
Multiples ChannelSystem Online
Offline
Omni-ChannelSystem Online
Awareness Familiarity Consideration Purchase Loyalty
Abb. 25 Übergang von einer One-Channel- zur Omni-Channel-Strategie (Quelle: Manss, Kirchgeorg 2017, S. 26)
Offline
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Festlegung von Marketingstrategien
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Tab. 10 Strategien im vertikalen Marketing Marketing des Herstellers Passiv in der Reaktion auf Marketingaktivitäten des Handels Aktiv in der Reaktion auf Marketingaktivitäten des Handels
Passiv in der Gestaltung der Absatzwege Anpassung (Machtduldung) Kooperation (Machterwerb)
Aktiv in der Gestaltung der Absatzwege Konflikt (Machtkampf) Umgehung/Ausweichen (Machtumgehung)
Zieht man die Machtverteilung zwischen Hersteller und Handel ins Kalkül und geht davon aus, dass ein Hersteller seine Produkte bei bestenfalls gleichberechtigter Machtverteilung im Absatzkanal vertreiben kann, so ergeben sich für ihn vier grundsätzliche absatzmittlergerichtete Strategieansätze (vgl. Tab. 10). Erkennt der Hersteller die Nachfragemacht des Handels an, so stehen ihm die Verhaltensalternativen Machtumgehung (Umgehungsstrategie) und Machtduldung (Anpassungsstrategie) zur Verfügung. Falls der Hersteller die Machtposition des Handels nicht anerkennt, kann er sich für einen offensiven Machtkampf (Konfliktstrategie) oder einen eher defensiven Machterwerb (Kooperationsstrategie) entscheiden (vgl. Meffert 1999). Anpassungsstrategien Betrachtet man zunächst die Anpassungsstrategie, so zeichnet sich diese Art des Vorgehens durch eine passive Haltung des Herstellers in Bezug auf die Gestaltung seiner Absatzwege aus. Dies kann sich z. B. darin äußern, dass „branchenübliche“ oder „bewährte“ Wege zum Vertrieb der eigenen Erzeugnisse gewählt werden. Eigene Initiativen sind kaum anzutreffen, und der Hersteller ist bemüht, sich den Vorstellungen des nachfragemächtigen Handels anzupassen. Im Prinzip akzeptiert der Hersteller bei dem unterstellten Ausgangsfall einen Machtzuwachs durch den Handel und ggf. eine Funktionsverlagerung zugunsten des Absatzmittlers. Einzuordnen sind hier aber auch Fälle, in denen der Hersteller zur Übernahme ehemals vom Absatzmittler ausgeübter Funktionen der Regalplatzpflege (Warenauszeichnungspflicht etc.) gezwungen wird, ohne für die zusätzlich entstehenden Kosten vergütet zu werden. Ein derartiges Verhalten entspricht dem Grundgedanken einer marktorientierten Unternehmensführung eigentlich nicht. Damit dieses Verhalten auf längere Sicht nicht zu einer Überlebensfrage für den Hersteller wird, ist bei einer solchen Vorgehensweise zumindest eine konsequente Beobachtung des Absatzkanales unerlässlich, um auf erfolgsbeeinträchtigende Veränderungen (z. B. Umsatzrückgang, Verschiebungen im Sortiment, Veränderungen der Platzierung) rechtzeitig reagieren zu können. Konfliktstrategien Eine aktive Gestaltung der Absatzwege führt dagegen für den Hersteller dann zu einer Konfliktstrategie, wenn er dabei die Verhaltensweisen und die Nachfragemacht des Handels nicht beachtet oder bewusst ignoriert. In dieser Situation strebt der Hersteller eine Marketingführerschaft im Absatzkanal an (vgl. Irrgang 1989, S. 12 ff., 1994, S. 1 ff.).
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Strategische Marketingplanung
Voraussetzung für eine solche Vorgehensweise ist, dass der Hersteller eine größere Machtbasis als der Absatzmittler hat, andernfalls kann der Hersteller in seinen Aktivitäten zurückgedrängt und damit zur Anpassung gezwungen werden. Hat dagegen der Hersteller die vergleichsweise größere Machtbasis, so kann er statt einer Konfliktstrategie auch versuchen, durch aktives Reagieren auf die Marketingaktivitäten des Handels seine Zielvorstellungen durchzusetzen (Umgehungs-, Kooperationsstrategie). Der Übergang von einer Konflikt- zu einer Kooperationsstrategie ist dabei fließend und kann im Zeitablauf sogar wechseln. Auf die Strategieauswahl haben situations- und unternehmensbezogene Merkmale, die Einbindung in Verbundgruppen sowie finanzielle und personelle Ressourcen einen unmittelbaren Einfluss. Kooperationsstrategien Die zunehmende machtbezogene Pattsituation in zahlreichen Absatzkanalsystemen hat sowohl auf Hersteller- als auch auf Händlerseite zu der Erkenntnis geführt, dass eine Kooperationsstrategie am ehesten geeignet ist, divergente Zielvorstellungen mit einem Gewinn für beide Partner zu realisieren. Ein umfassendes Konzept zur Ausgestaltung von herstellerinitiierten Kooperationsstrategien wird in der Literatur unter dem Begriff des vertikalen Marketing subsumiert (vgl. Abschn. 2 in Kap. 7). Hierunter wird eine aktive Beeinflussung der unmittelbaren Abnehmer mit dem Bemühen um eine weitgehende Koordination der Marketingaktivitäten verstanden (vgl. Kunkel 1977; Ahlert 1982; Florenz 1992; Irrgang 1994; Fauser 2004). Hierzu gehören die modernen Konzepte des Efficient Consumer Response (ECR), die eine Kooperation zwischen Hersteller und Handel zur Verbesserung des Absatzkanales im Hinblick auf die Kundenanforderungen und die Erhöhung der Hersteller- und Anbietereffizienz darstellen (vgl. z. B. Kilimann et al. 1998; ECR Europe 2002). Hauptansatzpunkte – und damit zugleich Problem- bzw. Konfliktursachen – ergeben sich bei diesem Strategietyp aus der Divergenz zwischen der produktorientierten Sichtweise der Anbieter und der sortimentsbezogenen Denkweise des Handels. Inwieweit sich das Verfolgen einer Kooperationsstrategie auf die Funktionsverteilung im Absatzkanalsystem auswirkt, kann nur tendenziell beschrieben werden. Generell ist zu vermuten, dass Kooperationsstrategien zunächst verteilungsneutral sind. Herstellerseitig initiierte Kooperationsstrategien verfolgen aber oftmals das Ziel, die Kontrolle über den Absatzkanal zu erhöhen, womit eine Funktionsverlagerung zugunsten des Herstellers verbunden ist. Umgehungs- und Ausweichstrategien Bei der Umgehungsstrategie wird bewusst auf kooperative Verhaltensabstimmungen verzichtet. Mögliche Ausprägungen dieses Strategietyps sind der stationäre, mobile, elektronische oder der Direktvertrieb: Stationärer Vertrieb – Filialverkauf – Fabrikverkauf
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Festlegung von Marketingstrategien
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– Show Rooms – Pop-up-Stores – Automatenverkauf etc. Mobiler Vertrieb – Fahrbare Verkaufsstellen – Messeverkauf – Hotelverkauf – Verkauf per Handy etc. Direktvertrieb – Telefonverkauf – Online-Verkauf – Katalogverkauf – Direct-Mail-Verkauf etc. Ohne Zweifel ergeben sich bei der Umgehungsstrategie wegen der fehlenden Reibungsverluste mit dem Handel zahlreiche Chancen für den Hersteller, insbesondere aus der uneingeschränkten Kontrolle aller Marketinginstrumente über den gesamten Absatzweg. Diesen Chancen stehen jedoch entsprechende Kosten und Risiken gegenüber. Beispielhaft können hier höhere finanzielle und personelle Aufwendungen aufgrund der Übernahme von Aufgaben, die andernfalls der Handel übernimmt, und der Verlust von Sortiments- und Verbundeffekten genannt werden. Während die Umgehungsstrategie einen Totalverzicht auf Geschäftsbeziehungen mit dem Handel impliziert, stellt die Ausweichstrategie eine partielle Umgehungsstrategie dar. Diese Strategiealternative beinhaltet die Aufgabe der Geschäftsbeziehungen zu denjenigen Handelsunternehmen, die der Hersteller als besonders nachfragemächtig einschätzt. Damit ist gleichzeitig die Neuselektion und -akquisition von Absatzmittlern mit einem aus der Sicht des Herstellers niedrigeren Machtpotenzial verbunden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die schwächere Machtposition der Absatzmittler letztlich auf deren geringere Marktbedeutung zurückzuführen ist. Die Ausweichstrategie führt somit i. d. R. zu einem Rückgang des Distributionsgrades. Zentrale Zielsetzungen der Ausweichstrategie sind die Verminderung der Abhängigkeit von bestimmten Handelsunternehmen sowie die Erhöhung der Deckungsbeiträge durch die Realisierung höherer Handelsabgabepreise. Hinsichtlich der Art des Ausweichens konzentriert sich der Hersteller entweder auf neue Betriebsformen (z. B. Online-Stores, Factory Outlets, Pop-up-Stores) oder traditionelle Angebotsformen (z. B. Fachhandel). Die Wahl zwischen den Alternativen Versorgungs- und Erlebnishandel sowie die Option einer stärkeren Internationalisierung stellen weitere Gestaltungsparameter der Ausweichstrategie dar. Darüber hinaus bieten sich für Hersteller auch die Möglichkeiten, durch den Vertrieb via Internet eine Umgehung klassischer stationärer Vertriebskanäle vorzunehmen bzw. durch Multi-Channel-Strategien die Macht des stationären Handels in ihrem Vertriebssystem zu reduzieren. Gleichzeitig ist aber auch mit einem steigenden Konfliktpotenzial mit bestehenden Handelspartnern zu rechnen. Langfristig ist aber damit zu
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Strategische Marketingplanung
rechnen, dass auch Hersteller verstärkt mit Endabnehmern in Kontakt treten werden, um aufgrund von Kunden- und Nutzungsdaten individualisierte Produkte (z. B. kundenspezifische Produktion von Turnschuhen mit 3D-Druckern) zu produzieren.
5.3.4 Anspruchsgruppengerichtete Strategien Systematisierung anspruchsgruppengerichteter Strategien Wie einleitend bereits betont wurde, so besitzt die Gestaltung der Beziehungen zu den gesellschaftlichen Anspruchsgruppen des Unternehmens (vgl. Tab. 11) den Stellenwert eines strategischen Erfolgsfaktors. Maßnahmen auf rein operativer Ebene sind heute nicht mehr ausreichend, um der besonderen Bedeutung dieser Beziehungen gerecht zu werden. Vielmehr sind Entscheidungen über das grundsätzliche Verhalten der Unternehmen gegenüber den Anspruchsgruppen als strategische Entscheidungen zu betrachten und auf der Unternehmensführungs- bzw. SGE-Ebene zu verankern. Die im Folgenden diskutierten strategischen Handlungsalternativen geben Anhaltspunkte, welche grundlegenden Verhaltensweisen in diesem Zusammenhang bestehen (vgl. Krüger 1974; Stitzel 1976; Dyllick 1989, 1990; Kirchgeorg 1990; Meffert und Kirchgeorg 1998; Balderjahn 2004; Hermann 2005; Hesse 2007; Porter und Kramer 2011; Meffert et al. 2014). Die Strategie der Innovation zeichnet sich durch eine proaktive Haltung des Unternehmens aus. Gesellschaftlichen Ansprüchen wird bereits in einem sehr frühen Stadium mit innovativen Lösungen begegnet. Diese Strategie ist besonders dazu geeignet, Wettbewerbsvorteile zu schaffen, da sie nicht nur die Akzeptanz von Seiten der Anspruchsgrup-
Tab. 11 Anspruchsgruppen des Unternehmens Anspruchsgruppen Unternehmensintern Unternehmenseinheiten – Abteilungen – Tochterunternehmen Eigenkapitalgeber – Aktionäre – Gesellschafter – Einzelunternehmer etc. Mitarbeiter (unterschieden nach): – Hierarchieebenen – Tätigkeitsfeld – Demographika
Unternehmensextern Nicht-Marktbezogen Gesellschaft – Verbraucherorganisationen – Medien – Bürgerinitiativen – Kirche/Religion – Bildungswesen – kulturelle Institutionen – Umweltorganisationen Zukünftige Generationen Staat (im Bereich): – Legislative – Exekutive – Jurisdiktion
Marktbezogen Kunden – Großhandel – Einzelhandel – Konsumenten etc. Lieferanten – direkte – indirekte Konkurrenten Fremdkapitalgeber Sonstige Dienstleister des Unternehmens – Berater – Caterer – Support Services – Selbstständige Kooperationspartner
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Festlegung von Marketingstrategien
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pen erhöht, sondern zu einem Zeit- und Erfahrungsvorteil gegenüber den Wettbewerbern führt. Allerdings ist die proaktive Ausrichtung der Innovationsstrategie auch mit erheblichen Risiken verbunden. Nachteile können sich ergeben, wenn es den Wettbewerbern gelingt, die Innovation relativ kurzfristig und mit geringem eigenen Einsatz nachzuahmen. Voraussetzung für die Innovationsstrategie ist eine aktive Gestaltung der Beziehungen zwischen Unternehmen und Anspruchsgruppen. Das Unternehmen wird hierdurch zum einen frühzeitig auf Entwicklungen aufmerksam und ist zum anderen in der Lage, seine Leistungen in Kooperation mit den relevanten Anspruchsgruppen zu entwickeln und zu evaluieren. Im Rahmen der Anpassungsstrategie nimmt das Unternehmen eine abwartende Haltung ein. Es reagiert erst, wenn sich die Ansprüche konkretisiert haben und z. B. durch Forderungen von Bürgerinitiativen oder Medien artikuliert werden. In seiner Reaktion auf die Forderungen beschränkt sich das Unternehmen auf die nicht zu vermeidenden Anpassungen des eigenen Verhaltens. Selbst wenn in dieser Situation innovative Lösungen angestrebt werden, verbleibt aufgrund des erhöhten öffentlichen Drucks und der dadurch fortgeschrittenen Dringlichkeit des Problems häufig keine Zeit zur Entwicklung und Umsetzung entsprechender Konzepte. Der Dialog zwischen Unternehmen und Öffentlichkeit ist schwach ausgeprägt, da seitens der Unternehmen Kontakte zu kritisch eingestellten Gruppen eher vermieden werden. Die Widerstandsstrategie ist auf die Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes ausgerichtet. Sie kann sowohl proaktiv als auch reaktiv eingesetzt werden, erbringt aber im Hinblick auf das zugrunde liegende Anliegen in keinem Fall einen Beitrag zur Problemlösung. Proaktiv dient sie dazu, vor der Manifestierung von Ansprüchen, z. B. in Form von Umweltgesetzen, die Diskussion im Sinne des Unternehmens zu beeinflussen. Häufig kommt es dabei zu einem Zusammenschluss aller betroffenen Unternehmen, die im Vorfeld gemeinsam den entstehenden Ansprüchen entgegentreten (z. B. durch Lobbyismus). Reaktiv versucht das Unternehmen trotz konkreter Forderungen der Anspruchsgruppen den Status quo zu erhalten. Dabei bezieht das Unternehmen deutlich Stellung gegenüber den Anspruchsgruppen und verteidigt seine Position auch in der öffentlichen Diskussion. Eine reaktive Widerstandsstrategie verfolgte bspw. Shell im Zusammenhang mit der beabsichtigten Versenkung der Öllagerplattform Brent Spar im Nordatlantik (vgl. Meffert und Kirchgeorg 1995). Grundsätzlich ist die Widerstandsstrategie mit erheblichen Gefahren für das Unternehmen verbunden. Kurzfristig können Kostenvorteile im Vergleich zu denjenigen Unternehmen entstehen, die sich den gesellschaftlichen Ansprüchen gegenüber offen zeigen. Der Widerstand des Unternehmens führt jedoch zwangsläufig zu einer Konfrontation mit den Anspruchsgruppen und im Ergebnis häufig zu einer Verringerung der gesellschaftlichen Akzeptanz und zum Teil massiven Imageeinbußen. Wird die Widerstandsstrategie im Kollektiv aller Unternehmen einer Branche eingesetzt, kann sich der Konflikt zu einer Gefährdung der Legitimation der gesamten Branche ausweiten. Mithilfe der Ausweichstrategie verfolgen Unternehmen das Ziel, sich den Forderungen von Anspruchsgruppen möglichst zu entziehen und Konflikte zu umgehen. Diese
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Strategische Marketingplanung
Strategie kommt überwiegend reaktiv zum Einsatz. Es lassen sich zwei grundlegende Ausprägungen voneinander unterscheiden: die Problemverlagerung und der Rückzug. Bei der Problemverlagerung wird den Forderungen insoweit nachgegeben, als dass akute Probleme in einen Bereich außerhalb der Wahrnehmung der Anspruchsgruppen verlegt werden. Dieser Strategietyp kam bspw. zur Anwendung, als die Genforschung deutscher Unternehmen aufgrund fehlender Akzeptanz bei den relevanten inländischen Anspruchsgruppen ins Ausland verlagert wurde. Diese Strategie kann u. U. zur Sicherung der Akzeptanz des Unternehmens im Inland beitragen (vgl. Brenken 1988, S. 273 ff.). Die zunehmende Internationalität und weltweite Verflechtung von Anspruchsgruppen birgt jedoch das Risiko, dass Ausweichmanöver der Unternehmen als Täuschungsversuche interpretiert und deshalb nicht akzeptiert werden. Der hieraus resultierende Akzeptanzverlust kann weit höher sein, als aufgrund des ursprünglichen Anliegens zu erwarten war. Der Rückzug aus Bereichen, die in der Kritik von Anspruchsgruppen stehen, stellt die weitreichendste Konsequenz der Ausweichstrategie dar. Mit dem Rückzug überlässt es das Unternehmen seinen Wettbewerbern, den Forderungen der Anspruchsgruppen mit innovativen Lösungen zu begegnen und begibt sich damit in die Gefahr, komparative Wettbewerbsnachteile zu erleiden. Beispiel
So zog sich bspw. das Touristikunternehmen TUI aufgrund seiner anspruchsvollen unternehmensinternen Umweltschutzleitlinien aus einem ökologisch besonders sensiblen Urlaubsgebiet in der Karibik zurück. Diese Rückzugsstrategie wurde von den Wettbewerbern sofort ausgenutzt, indem die Hotels dieser Region für die Pauschalreiseangebote der Wettbewerber unter Vertrag genommen wurden. Bei der Rückzugsstrategie besteht aber auch die Chance, dass der Ausstieg aus einem kritischen Bereich in der Wahrnehmung von Anspruchsgruppen als gesellschaftlich verantwortungsvoller Schritt gesehen wird. Die hierdurch erreichte Erhöhung der Akzeptanz kann einen Wettbewerbsvorteil darstellen, der im Idealfall auf alle Tätigkeitsbereiche des Unternehmens positiv ausstrahlt. Die Strategie der Passivität schließlich ist durch ein „Nicht-Verhalten“ und die Ignoranz gegenüber den Forderungen der Anspruchsgruppen gekennzeichnet. Das Unternehmen unterstellt, dass von Seiten der Anspruchsgruppen keine substanzielle Bedrohung seiner Legitimität besteht. Den Beziehungen zu diesen Gruppen wird dementsprechend ein geringer Stellenwert eingeräumt. Eine Unterschätzung dieser Gruppen kann jedoch erhebliche Risiken bergen. Einfluss situativer Faktoren auf die Strategiewahl Der Erfolg der anspruchsgruppengerichteten Strategietypen ist maßgeblich vom situativen Kontext abhängig, in dem sie zum Einsatz kommen. Im Folgenden soll daher versucht werden, die anspruchsgruppengerichteten Strategien unterschiedlichen Situationen zuzuordnen. Die Vielzahl der zu berücksichtigenden Einflussgrößen wird hierzu auf die
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Festlegung von Marketingstrategien
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Faktoren „Einfluss gesellschaftlicher Anspruchsgruppen“ und „Unternehmensstärke“ verdichtet (vgl. Abb. 26). Der Einfluss gesellschaftlicher Anspruchsgruppen auf den Unternehmenserfolg ist abhängig vom Stellenwert der Gruppe in der Gesellschaft und der Bedeutung, die ihren Ansprüchen in der aktuellen öffentlichen Diskussion zugemessen wird. Die Stärke eines Unternehmens resultiert aus seiner Wettbewerbsposition sowie den ihm zur Verfügung stehenden finanziellen, personellen und organisatorischen Ressourcen. Sie dient damit zum einen als Indikator für das Potenzial eines Unternehmens zur Schaffung innovativer Problemlösungen und zeigt zum anderen, inwieweit das Unternehmen in der Lage ist, seine angestrebte Position auch gegen die Forderungen der Anspruchsgruppen durchzusetzen. Starke Unternehmen besitzen den größten Gestaltungsspielraum in ihrem Verhalten gegenüber Anspruchsgruppen. Grundsätzlich stehen ihnen alle strategischen Optionen zur Verfügung. Gegenüber wenig einflussreichen Anspruchsgruppen kann erfolgreich eine Strategie des Widerstandes oder der Passivität eingesetzt werden, da der Akzeptanzverlust in seiner Wirkung begrenzt ist. Die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Widerstandsstrategie sinkt mit zunehmendem Einfluss der Anspruchsgruppen. Da diese Unternehmen über genügend Potenzial zur Entwicklung und Durchsetzung von Innovationen verfügen, kann Forderungen proaktiv mit eigenen Problemlösungen begegnet werden. Schwachen Unternehmen verbleibt aufgrund fehlender Ressourcen und einer fehlenden Wettbewerbsstärke oftmals nur die Möglichkeit der Anpassungs- oder Ausweichstrategie. Ist der Einfluss der Anspruchsgruppen gering, wird das Unternehmen bestrebt sein, sich den Forderungen durch Problemverlagerung zu entziehen. Starken Anspruchsgruppen gegenüber wird das Unternehmen gezwungen sein, sich entweder den Forderungen anzupassen oder den Rückzug anzutreten.
hoch Anpassung/ Ausweichen durch Rückzug
Innovation
Ausweichen durch Problemverlagerung
Widerstand/ Passivität
Einfluss gesellschaftlicher Anspruchsgruppen
gering gering
hoch Unternehmensstärke
Abb. 26 Anspruchsgruppengerichtete Strategie im situativen Kontext
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Strategische Marketingplanung
6 Strategiebewertung und Strategieanpassungen 6.1 Bewertung als Teilaufgabe der strategischen Planung Mit zunehmender Komplexität des Aufgabenumfeldes und unternehmensinterner Funktionsabläufe wachsen die Anforderungen an die Qualität des strategischen Planungsprozesses. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Bewertung von Strategien zu, da an dieser Stelle alle Informationen aus vorgelagerten Phasen des strategischen Planungsprozesses zusammengefasst werden und eine Beurteilung im Hinblick auf die vorgegebenen Ziele erfolgt (vgl. Day und Fahey 1988; Cunha 1989; Altwegg 1995; Bronner 1995; Härtel 2006; Homburg 2012). Die Bewertung von Strategien stellt damit eine unmittelbare Voraussetzung für die sich anschließende Entscheidung dar, welche der strategischen Alternativen zu wählen ist. Der Bewertungs- und Auswahlphase schließen sich die Budgetierung (vgl. Barzen 1990) und Implementierung der Strategie an. Die zentrale Aufgabe der Strategiebewertung besteht in der Abbildung des Planungsgegenstandes in einem Entscheidungsfeld. Die Strategiealternativen werden dabei in einer Matrix von unterschiedlichen Umweltzuständen gegenübergestellt, aus der sich die sich ergebenden Strategiefolgen (Handlungsergebnisse) in zumeist qualitativer Form bestimmen lassen. Diese Ergebnisse werden im nächsten Schritt anhand der zuvor festgelegten strategischen Ziele (z. B. Eigen- und Gesamtkapitalrendite, Kapitalumschlag, Umsatz, Absatz, Marktanteil) bewertet. Vor dem Hintergrund dieser mehrdimensionalen, quantitativen Bewertung wird ein eindimensionales Entscheidungskriterium entwickelt und die optimale Strategiealternative ausgewählt (vgl. Abb. 27). Dieser an das klassische Planungsschema der betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorie (vgl. Heinen 1985, S. 215 ff.) angelehnte Prozess geht von gut strukturierten
Vorauswahl
Feinbewertung
Umweltzustände (z. B. Konkurrenzsituation, Konjunkturverlauf)
Matrix der Strategiefolgen (qualitativ)
Alternative Strategien
Input
Wirkungsdefekte
Bewertung der Strategiefolgen anhand strategischer Ziele (quantitativ)
Eindimensionales Auswahlkriterium
Optimale Entscheidung
Bewertungsdefekte
Output
Entscheidungsfeld (Wirkungszusammenhang)
Abb. 27 Idealtypische Struktur des Strategiebewertungsprozesses
Rückkopplung Prozessablauf
6
Strategiebewertung und Strategieanpassungen
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Planungsproblemen aus, bei denen alle Elemente des Planungsschemas aus Abb. 26 vollständig bekannt und konkret spezifiziert werden können. Dies ist bei Marketingproblemen i. d. R. nicht der Fall, d. h. es liegen Strukturdefekte vor (vgl. Adam 1996, S. 10 ff.). Insbesondere strategische Marketingentscheidungen sind zumeist schlecht strukturiert (vgl. Meffert 1994a, S. 27). So können bspw. weder die zukünftigen Verhaltensweisen von Wettbewerbern, Absatzmittlern oder Konsumenten vollständig ermittelt werden, noch ist bekannt, zu welchen finanziellen Ergebnissen die einzelnen Strategien führen. In diesem Zusammenhang sind im Marketing sog. Bewertungs- und Wirkungsdefekte von besonderer Relevanz. Bewertungsdefekte liegen vor, wenn die erwarteten Strategiefolgen (z. B. Verbesserung des Images einer Automobilmarke bezüglich der Dimension Sportlichkeit) hinsichtlich ihres ökonomischen Wertes nicht bewertet werden können (Gewinnsteigerung aufgrund des sportlicheren Images) oder allgemein anhand der strategischen Ziele nicht bewertbar sind (Wie wirkt sich das sportlichere Image auf das Ziel „Steigerung der Kundenzufriedenheit“ oder „Erhöhung des Marktanteiles“ aus). Wirkungsdefekte sind gegeben, wenn entweder nicht bekannt ist, mit welchen strategischen Entscheidungen die angestrebten Strategiefolgen erreicht werden können (Wie soll bspw. ein mittelständischer Nahrungsmittelhersteller die Abhängigkeit gegenüber großen Einzelhandelskonzernen verringern? Wie kann ein deutscher Filmproduzent die Akzeptanzbarrieren für deutsche Kinofilme in den USA abbauen?) oder keine Vorstellung darüber existiert, welches Niveau der Handlungsparameter zur Erreichung der erwünschten Strategiefolgen notwendig ist (In welchem Umfang muss das Werbebudget erhöht werden, um den Bekanntheitsgrad um 10 % zu steigern? In welchem Ausmaß muss der Distributionsgrad erhöht werden, um eine Absatzsteigerung von 20 % zu erreichen?). In der eigentlichen Strategiebewertung werden die Stufen der Vor- und Feinauswahl durchlaufen. Bei der Vorauswahl ist nur eine relativ grobe Struktur erforderlich. Die Aufgabenstellung besteht darin, in einem frühen Bewertungsstadium und unter möglichst geringem Aufwand solche Strategien auszuschließen, bei denen schwerwiegende Wirkungsdefekte auftreten. Damit scheiden insbesondere solche Strategieoptionen aus, bei denen hinsichtlich der eintretenden Strategiefolgen nur vage Vermutungen bestehen. Die Vorauswahl erfolgt häufig anhand von Checklisten. Demgegenüber verlangt die Feinbewertung eine differenzierte, quantitative Analyse der Wirkungen von Strategien bis hin zu einer möglichst genauen Berechnung der zu erwartenden Ein- und Auszahlungen. Eine Feinbewertung ist nur möglich, wenn weder schwerwiegende Wirkungs- noch Bewertungsdefekte vorliegen.
6.2
Elemente des strategischen Bewertungsprozesses
Um die Entscheidungsträger bei der richtigen Strategieauswahl zu unterstützen, müssen im Rahmen des Bewertungsprozesses vor allem die Elemente des Entscheidungsfeldes adäquat erfasst werden. Hierbei handelt es sich um:
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Strategische Marketingplanung
relevante Umweltzustände, Strategiealternativen, Strategiefolgen und Wirkungsbeziehungen zwischen Strategiealternativen und -folgen. Mit Blick auf die Strategiealternativen ist festzulegen, welche Art von Strategie bewertet werden soll. Es können sowohl einzelne strategische Teilentscheidungen (z. B. abnehmergerichtete Strategie) als auch ganzheitliche Strategieprofile Gegenstand der Evaluation sein. Strategieprofile stellen eine Verknüpfung von Strategieausprägungen auf verschiedenen strategischen Entscheidungsebenen dar (vgl. Abb. 28). Darüber hinaus kann der Fall einer singulären Strategiebewertung (Strategie A: Ja/Nein) von der Bewertung mehrerer Strategieoptionen unterschieden werden. Kernbestandteil des Entscheidungsfelds ist die Abbildung der formalen Wirkungszusammenhänge zwischen den Strategiealternativen und -folgen. In einem integrierten Marketingerfolgssystem ist der Einfluss der Marketingstrategien auf die Nachfrager- und Stakeholderbeziehungen sowie die dadurch geschaffenen Marketing- und Unternehmenserfolgswirkungen zu erfassen. Letztlich sind bei der Auswahl von Marketingstrategien bereits in ganzheitlicher Weise die Wirkungen auf die marktlichen (Kunden-, Marken-
Differenzierungsgrad der marktteilnehmerübergreifenden Marktbearbeitung
Differenziert
Abnehmergerichtete Strategie
Innovationsorientierung
Konkurrenzgerichtete Strategie
Kooperation
Absatzmittlergerichtete Strategie
Kooperation
Anspruchsgruppengerichtete Strategie
Innovation
Undifferenziert
Markierungsorientierung
Qualitätsorientierung
Konflikt
Konflikt
Ausweichen
Umgehung
Problemverlagerung
Programmbreitenorientierung
Kostenorientierung
Anpassung
Ausweichen
Anpassung
Widerstand
Rückzug
Abb. 28 Beispiel eines Strategieprofils für eine strategische Geschäftseinheit
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Strategiebewertung und Strategieanpassungen
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Marketingmanagementprozess Output: Marketing Assets
Input
MBV
Analyseperspektive
Marktattraktivität
Marketing-Mix
Marktliche Vermögenswerte (market-based assets)
Nachfragerbeziehungen
- Kundenlebenszeitwert (Customer Lifetime Value) - Kundenstammwert (Customer Equity) - Markenwert (Brand Equity)
Unternehmenswert Marketingstrategie
Gesellschaftliche Vermögenswerte (social assets)
RoI, Gewinn, EVA, Kapitalrentabilität, etc.
Legitimität, Reputation, etc.
Kosten + Investitionen
CBV
Ressourcen + Kompetenzen
Stakeholderbeziehungen
Ökologische Vermögenswerte (ecological assets) Ressourcenschonung, Umweltverträglichkeit, etc.
Abb. 29 Bewertung von marketingstrategischen Optionen anhand der erwarteten Wirkungen im Marketingerfolgssystem
wert) sowie gesellschaftlichen (Stakeholder-Value) und ökologischen Vermögenswerte abzuschätzen (vgl. Abb. 29). Mithilfe der in Abschn. 1 dargestellten Ausprägungsformen des strategischen Marketing durch ein Customer-Relationship-, Stakeholder- sowie Markenmanagement werden in Abhängigkeit der strategischen Ausrichtung die einzelnen Vermögenswerte gezielt angesteuert. Für die Bewertung der Wirkungen alternativer Marketingstrategien ist letztlich ihr Einfluss auf die Veränderung der Vermögenswerte (Marketing Assets) abzuschätzen. Hierzu sind die einzelnen Wirkungsdimensionen zu konkretisieren und zu operationalisieren (siehe hierzu auch Kap. 11): Kundenlebenszeitwert (Customer Liftetime Value) Der finanzielle Wert einer Kundenbeziehung wird als Kundenlebenszeitwert bezeichnet. Es existieren verschiedene quantitative Modelle zur Berechnung des Kundenlebenszeitwertes (vgl. Burmann 2003). Kernelement der meisten Modelle ist ein Zahlungsstrom, der für eine ex-ante festgelegte Analyseperiode ermittelt und dann auf den jeweiligen Analysezeitpunkt abgezinst (diskontiert) wird. Dieser Zahlungsstrom erfasst alle durch den Kunden verursachten Ein- und Auszahlungen. Die Addition der Kundenlebenszeitwerte über alle aktuellen Kunden hinweg wird als Kundenstammwert (Customer Equity) be-
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Strategische Marketingplanung
zeichnet. Teilweise wird dabei auch der Wert potenzieller Kunden, gewichtet mit ihrer Wechselbereitschaft, dem Kundenstammwert hinzugerechnet. Markenwert (Brand Equity) Auf der Seite des Kunden ist die Marke das Bezugsobjekt für den Aufbau der Beziehung. Dabei kann es sich um eine Unternehmensmarke (z. B. Henkel), eine Marke für Teilbereiche eines Unternehmens (z. B. Schwarzkopf als Geschäftsbereichsmarke für Haarpflege des Henkel-Konzerns) oder auch um die Marke für einzelne Leistungen des Unternehmens (z. B. Poly Diadem) handeln. In vielen Fällen ist dem Kunden beim Aufbau seiner Beziehung nicht bewusst, welche Eigentümerstruktur bzw. Hierarchie unterschiedlicher Marken „hinter“ einer angebotenen Leistung steht, sodass er sich auf die für ihn am leichtesten erkennbare Marke stützt. Zu dieser Marke baut er eine mehr oder weniger positive bzw. stabile Beziehung auf. Bei der Berechnung von Kundenlebenszeit- und Kundenstammwerten ist ex-ante festzulegen, auf welche Leistungen eines Anbieters (z. B. alle Leistungen des Unternehmens, die Leistungen eines Unternehmensbereiches oder eine bestimmte Einzelleistung) sich die Berechnungen beziehen sollen. Damit lässt sich die Berechnung von Kundenwerten in die Berechnung von Markenwerten (Brand Equity) überführen. Bei einer solchen Überführung werden häufig über die Kundenwerte hinaus noch weitere immaterielle Werte hinzuaddiert. Bspw. wird die Stärke der Präsenz einer Marke im Einzelhandel (Distributionsgrad), der Bekanntheitsgrad oder die Stärke der Erinnerung an Markenwerbung (advertising recall bzw. recognition) in finanzielle Größen umgerechnet und zu den obigen Kundenwerten addiert (vgl. Burmann und Jost-Benz 2005). Von diesen Erweiterungen unberührt bleibt festzuhalten, dass die Stärke der Beziehung des Kunden zur Marke die eigentliche Substanz eines jeden Markenwertes darstellt. Je stärker und damit auch tragfähiger bzw. belastbarer diese Beziehung ist, desto eher wird der Kunde einer Marke Fehler verzeihen (z. B. Produktmängel, unfreundliche Verkäufer), Preisprämien akzeptieren (z. B. einen höheren Preis im Vergleich zu Wettbewerbern, eine Preiserhöhung aufgrund teurerer Rohstoffeinkäufe), anderen Menschen die Marke empfehlen oder in Unternehmenskrisen als treuer Kunde erhalten bleiben. Mit zunehmender Stärke der Kundenbeziehung reduziert sich somit auch das Risiko des Unternehmens, zukünftig aus dem Markt auszuscheiden bzw. starke Umsatz- und Gewinnrückgänge zu erleiden. Dies schlägt sich in geringeren Risikoprämien nieder, die von Banken bei der Kreditvergabe oder von Eigenkapitalgebern an der Börse gefordert werden. Bleiben alle übrigen Bestimmungsgrößen des Unternehmenswertes unverändert (sog. ceteris paribus-Bedingung), erhöht sich mit sinkendem Risiko der finanzielle Wert des Unternehmens. Es besteht insoweit eine direkte Verbindung zwischen der Stärke von Kundenbeziehungen und dem Unternehmenswert (vgl. z. B. Kumar und Shah 2009). Der Return on Investment (RoI), der Gewinn, die Eigen- oder Fremdkapitalrentabilität oder auch der Economic Value Added (EVA) sind häufig verwendete Indikatoren, um die Entwicklung des absoluten Unternehmenswertes abschätzen zu können.
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Strategiebewertung und Strategieanpassungen
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Stakeholder Value Gemäß dem modernen Marketingverständnis sind die Wirkungen des Marketing nicht nur auf die Erzielung eines Kunden- und Anbieternutzens begrenzt. Es wurde bereits hervorgehoben, dass auch die Wirkungen gegenüber jenen Personen (Anspruchsgruppen bzw. Stakeholder) zu erfassen sind, die neben Anbieter und Nachfrager durch die Geschäftstätigkeit im weitesten Sinne betroffen sein könnten. Wie bei den Kunden lassen sich auch hier die Erfolgswirkungen des Marketing an der Schaffung immaterieller Vermögenswerte ablesen. Mittel zur Erreichung dieses Zwecks ist die Gestaltung der Stakeholderbeziehungen. Der sogenannte Stakeholder Value umfasst die für die relevanten Anspruchsgruppen generierten Mehrwerte. Aus Unternehmenssicht reflektiert der Shareholdervalue den Wertbeitrag einer bzw. aller Stakeholderbeziehungen für ein Unternehmen. Für Kunden- und Anteilseigner werden Messansätze des Customer- und Shareholdervalue diskutiert, bei denen die mit der Stakeholderbeziehung in der Zukunft verbundenen Ein- und Auszahlungen in einen Ertragswert überführt werden (Figge und Schaltegger 2002, S. 5 ff.). Die für diese beiden Stakeholdergruppen verwendeten Ertragswertmethoden können prinzipiell für alle weiteren relevanten Stakeholdergruppen Anwendung finden, wobei hier die Zurechnung und Quantifizierung von Ein- und Auszahlungsströmen vielfach erhebliche Probleme bereitet, insbesondere wenn keine Märkte für die Austauschbeziehungen bestehen. Theoretisch ergibt sich der Stakeholder Value eines Unternehmens als aggregierter Wert aus den einzelnen Stakeholderbeziehungen. Ökologische Vermögenswerte Die Erfassung des Einflusses von Marketingstrategien auf die ökologischen Vermögenswerte soll die Inanspruchnahme von Umweltressourcen und die damit ggf. einhergehenden Ansprüche (z. B. artikuliert durch Umweltschutzgruppen) widerspiegeln. Bei der Diskussion von Nachhaltigkeitszielen (siehe Abschn. 3) wurde bereits hervorgehoben, dass Wertschöpfungstätigkeiten von Unternehmen mit dem Verbrauch und der Belastung von natürlichen Ressourcen einhergehen. Häufig ist hiermit dann keine Mehrung, sondern eine Verringerung von ökologischen Vermögenswerten zu beobachten. Grundsätzlich ist die Überführung der Beanspruchung und Belastung von natürlichen Ressourcen in finanzielle Größen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, weil hierfür vielfach keine direkten Marktpreise existieren oder auch konkreten Ansprüche von Stakeholdern nicht artikuliert werden. Als Instrumente zur Bilanzierung des Einflusses von Wertschöpfungs- und Nutzungsaktivitäten über einen gesamten Produktlebenszyklus hinweg werden Umweltbilanzen empfohlen (vgl. z. B. Meffert und Kirchgeorg 1998; Dyckhoff und Souren 2008), in denen die Wirkungsgrößen quantifiziert werden, ohne sie direkt in ökonomische Werte zu überführen. Marktliche, gesellschaftliche und ökologische Erfolgswirkungen des Marketing können zusammenfassend als „Marketing Assets“ bezeichnet werden. Sie repräsentieren als immaterielle Vermögenswerte den gesamten Output des Marketingmanagementprozesses oder nur die Gesamtwirkung einer spezifischen Strategieoption.
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Strategische Marketingplanung
Wie die Abb. 29 zeigt, dienen als Input dieses Prozesses die für das Unternehmen verfügbaren Ressourcen, die Marketingstrategie, die Gesamtheit der Marketingmaßnahmen und die Attraktivität von Märkten. Ebenso gehören Kosten und langfristige Investitionen, die im Unternehmen durch die Verfügbarmachung und die konkrete Aktivierung von Ressourcen entstehen, zum Input des Marketingmanagementprozesses. Die Güte des Prozesses wird bestimmt durch die Marketingkompetenzen des Unternehmens. Erst diese organisationalen Fähigkeiten ermöglichen die zielgerichtete Identifikation, Veredelung und marktrelevante Kombination verfügbarer Inputfaktoren. Kompetenzen können dabei als wiederholbare, auf der Nutzung von Wissen beruhende, durch Regeln zielgerichtet geleitete organisationale Fähigkeiten definiert werden. Sie dienen dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und der Realisierung konkreter Wettbewerbsvorteile (vgl. Gersch et al. 2005, S. 48). Um Wettbewerbsvorteile aufzubauen und abzusichern, wird auf Basis der Inputgüter und (materieller und immaterieller) Ressourcen das adäquate strategische Verhalten des Unternehmens abgeleitet. Der langfristige Unternehmenserfolg basiert somit auf der „richtigen“ Nutzung der „richtig“ verfügbar gemachten und veredelten Ressourcen zur Schaffung eines einzigartigen Netto-Nutzen-Vorteils für Nachfrager. Zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen kommt den Kompetenzen somit eine herausragende Bedeutung zu. Bei der Planung und Bewertung von Marketingstrategien sind somit einerseits die Ressourcen und Kompetenzen eines Unternehmens zur Generierung eines Kunden- und Wettbewerbsvorteils zu beachten. Im Kap. 1 wurde diese Perspektive bereits als Competence Based View (CBV) bezeichnet. Es werden hierbei die aktuell und potenziell verfügbaren Ressourcen und Kompetenzen des Unternehmens erfasst und daraus werden realisierbare Marketingstrategien, -maßnahmen, bearbeitbare Märkte sowie die aus diesen Determinanten resultierenden Budgetkonsequenzen abgeleitet. Eine entgegengesetzte Analyseperspektive liefert der sogenannte Market Based View (MBV), bei dem die Attraktivität von Märkten den Ausgangspunkt der Überlegungen bildet und anschließend für den attraktivsten Markt geeignete Marketingstrategien (z. B. Qualitätsführerschaft) und -maßnahmen sowie die sich daraus ergebenden finanziellen Implikationen abgeleitet werden. Wie in der Abb. 29 dargestellt, ist für ein langfristig erfolgreiches Marketing eine Kombination aus CBV und MBV notwendig.
6.3 Methoden der Strategiebewertung Nach der formalen Bestimmung des Entscheidungsfeldes folgt die inhaltliche Konkretisierung des Strategiebewertungsprozesses. Eine Strategie kann generell hinsichtlich ihrer Konsistenz, ihrer Kompetenz und ihrer Funktion einem Test unterzogen werden (vgl. Reichert 1984, S. 154 ff.; Florin 1988, S. 24 ff.). Im Rahmen des Konsistenz-Testes wird – vor allem in der Vorauswahlphase – der widerspruchsfreie Fit der Strategie hinsichtlich der Unternehmensphilosophie sowie der strategischen Stoßrichtungen und Ziele der verschiedenen Anspruchsgruppen des Unternehmens überprüft. Beim Kompetenz-Test
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Strategiebewertung und Strategieanpassungen
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werden – ebenfalls im Rahmen der Vorauswahl – aus den Strategiealternativen anhand globaler Kriterien wie der vorhandenen Managementkompetenz sinnvolle Alternativen ausgewählt. Zusätzlich wird die formale Kompetenz des Strategievorschlages im Hinblick auf Verständlichkeit, Genauigkeit und Sensibilität überprüft (vgl. Strasmann 1996). Das eigentliche Kernstück der Strategiebewertung bildet der klassische Funktions-Test, der zur Feinbewertung eingesetzt wird. Hier sind die Konsequenzen der Strategievorschläge nach folgenden Gesichtspunkten zu prüfen: Sind die zur Strategieimplementierung erforderlichen unternehmensinternen Ressourcen und Fähigkeitspotenziale verfügbar („Ressourcentest“) und welche konkreten quantitativen Auswirkungen hat die Strategiedurchführung im Hinblick auf den Zielerreichungsgrad („Wirkungstest“)? Für die Durchführung der Konsistenz-, Kompetenz- und Funktions-Tests ist eine Vielzahl von Bewertungsmethoden entwickelt worden. Eine Strategiebewertungsmethode umfasst ein in Theorie und Praxis anerkanntes, heuristisches bzw. algorithmisches Verfahren zur Evaluierung einer geplanten Strategie. Die Bewertungsverfahren lassen sich in drei Methodengruppen klassifizieren (vgl. Wilde 1989, S. 161 ff.; Voigt 1993, S. 183). Eine erste Methodengruppe (vgl. Tab. 12) umfasst solche Verfahren, die nur überprüfen, ob und in welcher Beschaffenheit die für die Realisierung einer Strategiealternative notwendigen Umfeldbedingungen und Fähigkeitspotenziale vorhanden sind. Diese heuristischen Verfahren dienen primär der Vorauswahl im Rahmen von Konsistenz- und Kompetenz-Tests. Zur zweiten Methodenklasse zählen Verfahren, die zusätzlich zur oben genannten Vorgehensweise auch den Wirkungszusammenhang zwischen den Strategiealternativen und den Strategiefolgen bewerten. Die Methoden der dritten Gruppe werden im Rahmen der Feinbewertung eingesetzt. Sie berücksichtigen neben den Strategien auch
Tab. 12 Systematisierung ausgewählter Methoden zur Strategiebewertung 1.
Methodengruppe: Überprüfung von Strategiealternativen hinsichtlich der zur Implementierung notwendigen Ressourcen Checklisten
2.
Strategieprofilmethode Methodengruppe: Überprüfung des Wirkungszusammenhanges zwischen Strategien und Strategiefolgen Nutzwertanalyse/Scoringmodelle Analytic Hierarchy Process (AHP)
3.
Lebenszyklusanalyse/Life Cycle Costing Portfolio-Analyse Erfahrungskurvenanalyse ParReport (PIMS) Methodengruppe: Quantitative Bewertung der Strategien hinsichtlich ihres ökonomischen Zielerreichungsgrades Kapitalwertmethode Strategiebewertung mit dem CAPM Simulationsmodelle
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die quantitative Bewertung der Strategiefolgen anhand ökonomischer Ziele. Letztlich führen nur diese Verfahren zu einer konkreten Quantifizierung des Zielerreichungsgrades einer Strategie.
6.3.1 Strategiebewertung durch Checklisten- und Strategieprofilmethoden Die Bewertung durch sog. Checklistenmethode stellt ein vergleichsweise einfaches Verfahren zur Bewertung von Strategien dar. Diese Bewertungsmethode besteht darin, einen Katalog von Strategieanforderungen aufzustellen, deren Erfüllung „Punkt für Punkt“ zu prüfen ist. Für dieses Verfahren sind diverse Kriterienkataloge entwickelt worden (vgl. Hörschgen et al. 1993, S. 201 f.; Kessing et al. 1994). Dabei kann zwischen allgemeinen Strategiebewertungskriterien wie Flexibilität, Risikoausmaß, „strategischem Fit“, Kontinuität etc. und speziellen Kriterien differenziert werden, die situationsspezifisch zu verwenden sind. Die Bewertung der einzelnen Kriterien erfolgt dabei i. d. R. intuitiv. Die Strategieprofilmethoden stellen eine Erweiterung der Checklistenverfahren dar, indem die bei Checklistenverfahren isolierten „Ja-Nein“-Bewertungen zu einer ganzheitlichen Strategiebewertung zusammengefasst werden. Dazu ist es notwendig, zusätzlich zu dem Kriterienkatalog für alle Kriterien gleichermaßen gültige ordinale Bewertungsskalen zu entwerfen. Beide Verfahrensgruppen vernachlässigen jedoch die Frage, wie ein Unternehmen die zur Strategiebewertung notwendigen Erfolgsfaktoren ermitteln kann. 6.3.2 Strategiebewertung durch die Kapitalwertmethode Ebenso wie bei der Bewertung von Investitionsobjekten können auch bei Marketingstrategien die klassischen Methoden der Investitionsrechnung wie z. B. Pay-off-Methode, Verfahren der vollständigen Finanzplanung, Kapitalwertmethode etc. angewandt werden. Die Kapitalwertmethode (vgl. Perridon und Steiner 2004, S. 61 ff.) ermittelt den Kapitalwert einer Investition bzw. Strategie als ihren gegenwärtigen ökonomischen Wert aus der Sicht eines an langfristiger Gewinnmaximierung interessierten Investors. Der Kapitalwert einer Strategie berechnet sich dabei als: C0 D
n X tD0
.Et At /
1 .1 C i/t
(1)
mit C0 Et At 1 .1Ci/t
t i 1. C0 > 0:
= Kapitalwert = Einzahlungsüberschuss (Et > At ) oder Auszahlungsüberschuss (At > Et ) in der Periode t = Abzinsungsfaktor der Periode t = Periodenindex = Kalkulationszinsfuß Die Strategie erwirtschaftet eine Rendite, die über der Kapitalmarktverzinsung bzw. einer festgelegten Mindestverzinsung liegt (positive Bewertung).
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Strategiebewertung und Strategieanpassungen
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2. C0 D 0:
Die Strategie erwirtschaftet eine kapitalkostengleiche Rendite und damit keinen zusätzlichen Wert (Bewertungsindifferenz) 3. C0 < 0: Die Rendite liegt unter den Kapitalkosten und führt zu einem potenziellen Wertverlust (negative Bewertung). 4. C10 Q C20 : Bei mehreren Strategiealternativen ist ceteris paribus diejenige Alternative mit dem höchsten Kapitalwert auszuwählen. Durch die Quantifizierung des zuvor geplanten Strategieerfolges geht die Kapitalwertmethode einen Schritt weiter als die oben beschriebenen Bewertungsmethoden. Es ergeben sich allerdings an dieser Stelle erhebliche Anwendungsschwierigkeiten aus der Notwendigkeit, die Einnahmen- und Ausgabenzeitreihen einer Strategie zu ermitteln.
6.3.3 Strategiebewertung durch das Capital Asset Pricing Model Das Capital Asset Pricing Model (CAPM) stellt eine Weiterentwicklung bei der Beurteilung von Investitionsobjekten bzw. Strategien dar. Im Gegensatz zur „klassischen“ Kapitalwertmethode werden hier die Eigenkapitalkosten für jede Geschäftseinheit individuell bestimmt. Zur Bewertung einer Strategie wird dabei die geschätzte Rendite der Strategierealisation mit anderen Anlagemöglichkeiten am Kapitalmarkt unter Einbeziehung von Risikoaspekten verglichen (vgl. Spremann 2002, S. 207 ff.). Von dem zur Bewertung anstehenden Strategieobjekt – hier die potenzielle Strategie einer SGE – wird zunächst angenommen, dass bei gegebenen geschäftsfeldindividuellen Risiken eine Rendite von Ri erzielt werden kann. Ob die im Rahmen der Strategierealisation vorzunehmende Investition in eine Geschäftseinheit attraktiv ist, ergibt sich aus dem Vergleich der geschäftseinheits- und strategiespezifischen Renditeerwartung Ri mit den Renditeerwartungen von alternativen Investitionsmöglichkeiten (inklusive anderer Strategien für dieselbe oder andere SGE). Dabei werden die mit den übrigen Investitionsalternativen verbundenen Risiken explizit berücksichtigt. Das mit der Strategierealisation verbundene Risiko lässt sich in ein sog. systematisches Risiko aller risikobehafteten Anlagen am Kapitalmarkt (z. B. Risiko eines konjunkturellen Abschwungs, Gefahr eines Börsencrashs) und ein investitions- bzw. strategiespezifisches Risiko unterteilen. Letzteres wird in der Kapitalmarkttheorie als unsystematisches Risiko bezeichnet. Wichtig ist, dass das Risiko in diesem Zusammenhang nicht als Gefahr eines Verlustes oder sogar der Existenzgefährdung des Unternehmens definiert wird. Vielmehr wird das Risiko über die Streuung der tatsächlichen Strategierendite – beim Eintritt verschiedener Umweltszenarien – um den Erwartungswert der Strategierendite definiert. Während sich das systematische Risiko durch Diversifikation der strategischen Investitionen nicht beseitigen lässt (es wäre nur durch eine Geldanlage in als sicher unterstellte deutsche Staatsanleihen mit entsprechend geringer Rendite zu beseitigen), kann das strategiespezifische Risiko durch Diversifikation weitgehend beseitigt werden. Dies kann das Unternehmen erreichen, indem es sein Investitionsvolumen über ein SGE-Portfolio breit streut. Es muss dann in solche Strategien und SGE investiert werden, die sich hinsichtlich ihres finanzwirtschaftlichen Erfolgs voraussichtlich gegenläufig entwickeln. Dadurch
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Strategische Marketingplanung
entsteht ein Risikokompensationseffekt, der demjenigen von Wertpapierportfolios entspricht. Da der Investor eine bestimmte Erwartung über die Rendite eines vollkommen diversifizierten Portfolios mit der Rendite RM („Marktrendite“ risikobehafteter Anlagen, z. B. Rendite eines Aktienportfolios, welches den deutschen Aktienindex DAX oder den Weltaktienindex MSCI bei internationalen Strategien abbildet) und eines nur aus risikolosen Investitionen bestehenden Portfolios mit der Rendite Rf („sichere Rendite“) besitzt, kann er nun mithilfe der sog. Wertpapierlinie Strategien beurteilen. Grundsätzlich steigen die Renditeforderungen der Unternehmensleitung mit wachsendem Risiko einer SGEStrategie. Die Renditeforderung ergibt sich dabei aus folgender Formel: Ri D Rf C “i .RM Rf /
(2)
mit: Ri Rf ˇi RM
= Renditeforderung bei der Realisation der SGE-Strategie i = Rendite risikoloser Anlagen (z. B. Bundesanleihen) = Systematisches Risiko der SGE-Strategie i = Rendite des risikobehafteten Marktportfolios (Rendite aller risikobehafteten Anlagemöglichkeiten am Kapitalmarkt, z. B. DAX-Rendite)
Auf der Wertpapierlinie befinden sich alle im Sinne der Kapitalmarkttheorie effizienten Kombinationen aus risikofreier Anlage in Staatsanleihen (z. B. in deutschen Bundesanleihen) und risikobehafteten Investitionen in das Marktportfolio. Will nun ein Unternehmen seine Strategie bewerten, so kann es sein Investitionsprojekt unter Zuhilfenahme der Grundgedanken des CAPM positionieren. Je nachdem, ob das Investitionsprojekt ober- oder unterhalb der Wertpapierlinie positioniert ist, kann es als günstige oder ungünstige Strategie bewertet werden. Wie Abb. 30 verdeutlicht, weist die Strategiealternative 2 ein höheres Risiko (b2 > bM ) und eine geringere Rendite (R2 < RM ) auf als das Marktportefeuille. Sie scheidet somit aus der weiteren Betrachtung aus. Die Strategien 1 und 3 erwirtschaften demgegenüber eine über der Wertpapierlinie liegende Verzinsung. Die tatsächliche Entscheidung für Strategiealternative 1 oder 3 ist von der Risikopräferenz der Entscheider abhängig, denn die höhere Rendite der Strategie 1 im Vergleich zu Strategie 3 wird mit einem höheren Risiko erkauft. Ebenso ist es möglich, bei Kenntnis des mit einer Strategie verbundenen Risikos, die Mindestrendite einer SGE-Strategie zu bestimmen. Diese Mindestrendite stellt die am Kapitalmarkt bei vergleichbarem Risiko zu erzielende Rendite und somit die Opportunitätskosten des Eigenkapitals des Unternehmens im Falle der Strategierealisation dar (Eigenkapitalkostensatz). Auch die Strategiebewertung mittels des CAPM ist mit erheblichen Anwendungsproblemen behaftet. Neben den teilweise realitätsfernen Modellprämissen (z. B. vollkommener Kapitalmarkt, risikoscheue Investoren, kurzfristige Einperiodenbetrachtung) stellt
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Strategiebewertung und Strategieanpassungen
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Renditeerwartung (Ri) R1
Strategie1
Rendite des Marktportfolios (Rendite aller risiko- RM behafteten AnlageR2 möglichkeiten am Kapitalmarkt, R3 approximiert z. B. durch den DAX)
Risikofreie Rendite
Wertpapierlinie
Strategie2 Strategie3
Rf
β3 Bereich vorteilhafter Strategien
β1
βM
β2
Risiko einer Investition (β)
Abb. 30 Strategiebewertung mit dem CAPM
insbesondere die Beschaffung der notwendigen Informationen, bspw. die Quantifizierung des mit einer Strategie verbundenen Risikos, den Anwender vor enorme Schwierigkeiten.
6.4
Prozess der Strategieanpassung
Während sich die vorangegangenen Abschnitte mit den Inhalten und der Bewertung von Marketingstrategien befassten, steht im Folgenden die Frage des Entstehens und der Veränderung von Marketingstrategien im Mittelpunkt. In diesem Zusammenhang interessiert vor allem, wie die kontinuierliche Anpassung der einmal entwickelten Marketingstrategie an veränderte Umweltbedingungen sichergestellt werden kann. Auslöser des Strategiewechsels können alle Faktoren der externen und internen Unternehmenssituation darstellen, wobei viele Impulse von der Markt- und Wettbewerbsarena ausgehen (vgl. Backhaus und Schneider 2009). Die Anpassung bezieht sich dabei sowohl auf die inkrementelle als auch die radikale Umgestaltung der existierenden Strategie. Die Gestaltung des Strategieentwicklungs- und Anpassungsprozesses gewinnt insbesondere vor dem Hintergrund der Entwicklung theoretischer Ansätze und empirischer Studien an Bedeutung, die einen Zusammenhang zwischen dem Unternehmenserfolg und der Art des Strategieprozesses ermitteln (vgl. Hart und Banbury 1994; Noda und Bower 1996; Burmann 2001).
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Strategische Marketingplanung
In der Literatur werden zumeist drei Merkmale erfolgreicher strategischer Anpassungsprozesse herausgestellt (vgl. Chakravarthy und Doz 1992; Schendel 1992): institutionalisiertes Innovationsmanagement, Verankerung internen Unternehmertums („internal venturing“), kontinuierliche Initiierung von Veränderungsprozessen („strategic change“). Eine hohe strategische Anpassungsfähigkeit ist ohne die Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen und Prozesse nicht vorstellbar. Die Innovationsaufgabe ist in den Köpfen aller Mitarbeiter zu verankern und durch ein institutionalisiertes Innovationsmanagement in Verbindung mit einer konsequenten Selbstverpflichtung der Unternehmensleitung umzusetzen. Aufgrund der besonderen Relevanz des Innovationsmanagements wird im Rahmen der Produktpolitik auf diesen Aspekt detailliert eingegangen. Die strategische Anpassungsfähigkeit wird wesentlich von Organisationsstrukturen und -abläufen bestimmt. Zahlreiche Organisationskonzepte (vgl. Bullinger und Warnecke 2003; Osterloh und Frost 2006) betonen in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit der Teambildung, die Abflachung von Hierarchien in Kombination mit der Ermächtigung und Befähigung von Mitarbeitern auf unteren Ebenen der Organisation („empowerment“) und die Neuausrichtung von Anreiz- und Führungssystemen zur Förderung der Eigenständigkeit der Mitarbeiter (vgl. Pfeffer 1994; Roffe 1999). Die Mehrzahl dieser Vorschläge zielt letztlich auf die Stärkung des internen Unternehmertums (vgl. Pinchot 1985) und die Bildung von lernfähigen Netzwerkstrukturen (vgl. Picot et al. 2003; Gemünden 2004) ab. Initiativen zur Änderung und Neuformulierung von Marketingstrategien sollen auf diese Weise von allen Mitarbeitern ausgehen und sie durch Nutzung komplementärer Stärken strategischer Allianzen einbeziehen. Neue Organisationskonzepte, die enorme Potenziale neuer Informations- und Kommunikationstechnologien und diskontinuierliche Veränderungen der Marktumwelt insbesondere des Konsumentenverhaltens berücksichtigen (vgl. Picot et al. 2003), wie auch die zunehmende Verbreitung neuer Medien (Internet) mit neuen Formen der interaktiven Einbindung der Kunden in den Wertschöpfungsprozess, haben in den letzten Jahrzehnten zu einer intensiven Auseinandersetzung mit strategischen Veränderungsprozessen geführt (vgl. Gouillart und Kelly 1995; Hammer 1996; Kotter 1996; Reichwald und Piller 2009). Ziel dieser Untersuchungen ist die Identifikation solcher Rahmenbedingungen, die zu einer hohen Anpassungsfähigkeit des Unternehmens führen. Die Fähigkeit zu einer frühzeitigen Anpassung der Marketingstrategie kann dabei vor allem durch ein leistungsfähiges Marketingcontrolling unterstützt werden (vgl. Kap. 11). Erst die Rückkopplung des strategischen Planungs- und Implementierungsprozesses mit den ausgelösten Marktreaktionen ermöglicht eine zielgerichtete Strategieanpassung. Während die Einrichtung eines Marketingcontrolling-Systems die notwendige Bedingung zur Sicherstellung einer rechtzeitigen Strategieanpassung ist, stellt die Anpassungsfähigkeit und -willigkeit der Mitarbeiter die hinreichende Bedingung dar. Hier wird deutlich, dass sowohl den Führungs- und Anreizsystemen als auch der Aus- und Fortbildung der Mitar-
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beiter zur Sicherung einer effektiven und effizienten Strategieanpassung eine hohe Bedeutung zukommt. In diesem Zusammenhang gilt es insbesondere, das Beharrungsvermögen der Mitarbeiter gegenüber der bestehenden Strategie zu verringern. Während kurz nach der Implementierung einer neuen Strategie die Identifikation und das Engagement für eine neue Strategie zunächst noch gering sind, wachsen im Zeitablauf die Akzeptanz und das persönliche Verpflichtungsgefühl der Mitarbeiter. Dieses Verhalten ist vor allem die Folge eines durch Gewohnheit geprägten Verhaltens und eines i. d. R. hohen Risikoempfindens der Mitarbeiter gegenüber Neuerungen im Arbeitsumfeld. Darüber hinaus kann auch die konsequente Fokussierung auf wenige Kernkompetenzen bei diskontinuierlicher Veränderung der Unternehmensumwelt zu einer Erhöhung des Beharrungsvermögens führen. Kernkompetenzen können auf diese Weise zu einer strategischen Starrheit führen (vgl. Leonard-Barton 1992). Die aufgezeigten Entwicklungen führen im Zeitablauf zu einem wachsenden Beharrungsvermögen zugunsten der bestehenden Marketingstrategie, dem durch die Gestaltung der Führungs- und Anreizsysteme sowie der organisatorischen Rahmenbedingungen entgegengewirkt werden muss (vgl. Picot et al. 2003).
Fragen zu Kapitel 4 1.
Welche Ausgestaltungsformen der strategischen Marketingplanung haben sich in den letzten Jahrzehnten herauskristallisiert, die besonders erfolgskritische Aufgabe des strategischen Marketing in den Mittelpunkt stellen? 2. Was sind die Ziele des Customer-Relationship-Managements? 3. Welche Arten von Stakeholdern bzw. Anspruchsgruppen können unterschieden werden und welchen Einfluss haben diese auf den Unternehmenserfolg? 4. Welche Aufgaben umfasst das Stakeholder-Management? Welche Parallelen gibt es zwischen dem Customer-Relationship-Management und dem Stakeholder-Management? 5. Welchen Nutzen bietet die Marke aus Nachfragerperspektive? 6. Welchen Nutzen bietet die Marke aus Anbieterperspektive? 7. Definieren Sie die Begriffe Marke, Markenidentität und Markenimage! 8. Welche Beziehung besteht zwischen Markenidentität und Markenimage? 9. Aus welchen Komponenten besteht die Markenidentität? Beschreiben Sie die einzelnen Komponenten! 10. Aus welchen Komponenten besteht das Markenimage? Beschreiben Sie die einzelnen Komponenten! 11. Nennen Sie Beispiele für unternehmensinterne und -externe Variablen, die vor der Erarbeitung von Marketingzielen und -strategien in einer Situationsanalyse zu berücksichtigen sind!
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12. Diskutieren Sie die Chancen und Risiken für die Handelsbranche und kombinieren Sie diese mit den Stärken und Schwächen des Discounters Aldi zu einer beispielhaften SWOT-Analyse! 13. Wodurch unterscheidet sich der Ansatz eines Business Model Canvas von einer SWOT-Analyse? 14. Welche neun Dimension eines Business Model Canvas können unterschieden werden? 15. Welche Zielebenen sind im Zielplanungsprozess zu berücksichtigen? 16. Erklären Sie die Begriffe Unternehmenszweck, Unternehmensgrundsätze und Unternehmensidentität! 17. Nennen Sie fünf Zielkategorien auf Unternehmensebene und begründen Sie, warum Nachhaltigkeitsziele eine zunehmende Relevanz für das Marketingmanagement erlangen! 18. Diskutieren Sie mögliche Probleme bei der Festlegung von Marketingzielen! Was ist unter einer operationalen Zielformulierung zu verstehen? 19. Erläutern Sie die verschiedenen Bezugsdimensionen bei der Festlegung des Zielausmaßes! 20. Auf welchen Entscheidungsebenen werden im Unternehmen strategische Entscheidungen getroffen und wie sind Marketingstrategien hier einzuordnen? 21. Erläutern Sie das duale Führungskonzept des Marketing und die damit verbundenen Implikationen für die Planung und Umsetzung von Marketingstrategien! 22. Nennen und erklären Sie grundlegende Eigenschaften strategischer Geschäftsfelder! 23. Welcher Unterschied besteht zwischen strategischen Geschäftsfeldern und strategischen Geschäftseinheiten? 24. Welche Kriterien werden bei der Abgrenzung von Geschäftsfeldern herangezogen? 25. Welche Gefahr besteht bei einer rein produktbezogenen Geschäftsfeldabgrenzung? 26. Welche Arten der spezialisierten Bearbeitung von Teilmärkten gibt es? 27. Diskutieren Sie Wachstumsmöglichkeiten für die Porsche AG auf Basis der Produkt-Markt-Matrix von Ansoff! 28. Wo sehen Sie Schwächen der Produkt-Markt-Matrix? 29. Nennen Sie drei Gründe für die Erfolgsrelevanz des Marktanteiles! 30. Erläutern Sie die Eigenschaften eines günstigen Zielportfolios für die Geschäftseinheiten eines Unternehmens! 31. Erläutern Sie den Marktlebenszyklus anhand einer geeigneten Zeichnung! 32. Diskutieren Sie kritische Erfolgsfaktoren und daraus resultierende Normstrategien in sog. jungen Märkten!
Literatur
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33. Welche wichtigen Gründe für eine Stagnation oder Schrumpfung von Märkten kennen Sie? 34. Was ist unter Marktwahl- und Marktteilnehmerstrategien zu verstehen? 35. Was bedeuten die Begriffe Marktfeld-, Marktareal- und Marktsegmentierungsstrategie? 36. Welche Eigenschaften zeichnen einen Wettbewerbsvorteil aus? 37. Diskutieren Sie Vor- und Nachteile unterschiedlicher Strategien der internationalen Marktbearbeitung! 38. Erläutern Sie Kriterien für eine Bewertung von Marktsegmenten! 39. Welche Grundorientierungen abnehmergerichteter Strategien kennen Sie? 40. Nennen Sie vier verschiedene Dimensionen des Qualitätsbegriffes! 41. Welche konkurrenzgerichteten Strategieoptionen lassen sich unterscheiden? 42. Welche Bedeutung haben die Begriffe Push- und Pull-Strategie? 43. Was ist der Unterschied zwischen einer One-Channel-, Multi-Channel- und Omni-Channel-Strategie? 44. Welche Vorteile hat eine Omni-Channel-Strategie gegenüber ein Multi-Channel-Strategie? 45. Nennen Sie Beispiele für absatzmittlergerichtete Strategien, die ein Hersteller grundsätzlich nutzen kann! 46. Warum sind anspruchsgruppenorientierte Strategien in die Marketingplanung mit einzubeziehen? 47. Welche Probleme sehen Sie in Bezug auf eine widerstandsorientierte Anspruchsgruppenstrategie? Nehmen Sie bei Ihren Aussagen auch Bezug auf die im ersten Kapitel dargestellten Merkmale des modernen Marketingverständnisses! 48. Welche Methoden der Strategiebewertung können unterschieden werden? 49. Welche Probleme sind bei der Anpassung von Marketingstrategien zu berücksichtigen?
Literatur Aaker, D.A. 1996. Building strong brands. New York: Free Press. Aaker, D.A. 2007. Strategic market management. European Edition. New York: Wiley. Abell, D.F. 1978. Strategic windows. Journal of Marketing 42(3):21–26. Abell, D.F. 1980. Defining the business. The starting point of strategic planning. Englewood Cliffs: Prentice Hall. Adam, D. 1996. Planung und Entscheidung: Modelle – Ziele – Methoden, 4. Aufl. Wiesbaden: Gabler. Ahlert, D. 1982. Vertikale Kooperationsstrategien im Vertrieb. Zeitschrift für Betriebswirtschaft 52(1):62–93.
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Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Inhalt 1 2
Ziele und Entscheidungstatbestände der Produkt- und Programmpolitik . Programmgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Gegenstand der Programmgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Verbundeffekte im Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Produktinnovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Inhalt und Bedeutung von Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Innovationsziele und -strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Phasen des operativen Innovationsmanagements . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Gewinnung von Neuproduktideen . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Prüfung von Neuproduktideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Realisation von Neuproduktideen . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Bedeutung der Verpackungsgestaltung bei Neuprodukten . 3.3.5 Markteinführung und Diffusion . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Implementierung von Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Produktvariation und Produktdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Gegenstand und Ziele der Produktvariation und -differenzierung . . 4.2 Prozess der Produktvariation und -differenzierung . . . . . . . . . . . 4.3 Probleme der Produktvariation und -differenzierung . . . . . . . . . 5 Produktelimination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Integrierte Erfolgsmessung in der Produkt- und Programmpolitik . . . . . 6.1 Strategische Erfolgsmessung in der Produkt- und Programmpolitik 6.2 Operative Erfolgsmessung in der Produkt- und Programmpolitik . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Meffert et al., Marketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-21196-7_5
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5
394
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
I Produkt- und Programmpolitik Die Produkt- und Programmpolitik ist einer
der zentralen Parameter im Marketing. Aus markt- und kompetenzbasierter Sicht beinhaltet sie alle Entscheidungstatbestände, die sich auf die Gestaltung der vom Unternehmen im Absatzmarkt anzubietenden Leistungen beziehen.
Ziel dieses Kapitels ist es, die Bedeutung der Produkt- und Programmpolitik für den Unternehmenserfolg darzustellen und mögliche Handlungsalternativen aufzuzeigen. Innerhalb des Marketing-Mix nimmt die Produkt- und Programmpolitik eine exponierte Stellung ein, da Entscheidungen über die anzubietenden Leistungen nicht nur als technisches, sondern vor allem auch als marktbezogenes Problem gesehen werden müssen. Die Leistungen eines Unternehmens stellen Problemlösungen dar, die aus einem Bündel von materiellen und immateriellen Komponenten bestehen (vgl. Brockhoff
I. Markttransaktionen
Produkt- und Programmpolitik
Competence-Based View
Market-Based View
Anbieter
Nachfrager
Ziele und Entscheidungstatbestände
II. Entscheidungsprozesse Kaufentscheidungen von Marketingentscheidungen von Nachfragern Anbietern Marktinformationen
Situationsanalyse
Bedürfnisse
Marketingziele
Alternativenbewertung
Marketingstrategie
Kaufpräferenz
Marketinginstrumente
Kaufdurchführung
Marketingimplementierung
Nachfragerzufriedenheit
Marketingcontrolling
Programmgestaltung
Produktinnovation
Produktvariation und Produktdifferenzierung
Produktelimination
III. Wertebene
Kunden- und Markenwert
Stakeholder Value
Unternehmenswert
Integrierte Erfolgsmessung in der Produkt- und Programmpolitik
Abb. 1 Einordnung der Produktpolitik in die Struktur des Lehrbuches
1
Ziele und Entscheidungstatbestände der Produkt- und Programmpolitik
395
1999, S. 13). Sie sind entsprechend der Bedürfnisse der Nachfrager zu gestalten. Zusätzlich ist die Ressourcen- und Kompetenzausstattung des Unternehmens für die Herstellung des Produktes zu berücksichtigen. Im Sinne der Leitidee dieses Buchs trägt erst die Kombination dieser beiden Aspekte nachhaltig zum Unternehmenserfolg bei. Die Produkt- und Programmpolitik kann auch als „Herz des Marketing“ bezeichnet werden (vgl. Meffert 1978, S. 519). Dies soll zum Ausdruck bringen, dass die Entwicklung neuer Erzeugnisse, die Verbesserung, die Ergänzung und Elimination vorhandener Produkte, d. h. die attraktive Gestaltung des Absatzprogrammes, für die Überlebensfähigkeit des Unternehmens im Wettbewerb von zentraler Bedeutung sind. Die Befriedigung der Nachfragerbedürfnisse durch ein auf den Nachfragernutzen ausgerichtetes Leistungsprogramm soll die Erreichung der Marketing- und Unternehmensziele langfristig gewährleisten. Abb. 1 zeigt die Einordnung der Produkt- und Programmpolitik in die Struktur des Lehrbuches. In Abschn. 1 werden zunächst die Ziele und Entscheidungstatbestände der Produkt- und Programmpolitik herausgearbeitet. Anschließend werden in Abschn. 2 die Programmgestaltungsstrategien erläutert. Abschn. 3 behandelt die Produktinnovation und befasst sich mit Innovationszielen und -strategien, den Phasen den Innovationsmanagements sowie der Implementierung von Innovationen. Darüber hinaus werden in Abschn. 4 die Ziele, Prozesse und Probleme der Produktvariation und Produktdifferenzierung dargestellt. Abschn. 5 thematisiert die Produktelimination. Die integrierte Erfolgsmessung in der Produkt- und Programmpolitik (Abschn. 6) schließt das Kapitel ab.
1 Ziele und Entscheidungstatbestände der Produkt- und Programmpolitik Die Abgrenzung von Entscheidungstatbeständen der Produkt- und Programmpolitik setzt eine inhaltliche Bestimmung des Produkt- und Programmbegriffes voraus. In der Literatur wird der Produktbegriff zum einen aus einer technischen Perspektive als Bündel funktionaler Eigenschaften, zum anderen aus einer marketingorientierten Sicht als nutzenstiftende Einheit aufgefasst (vgl. Bruhn und Hadwich 2006, S. 12). Vor diesem Hintergrund hat sich heute der generische Produktbegriff nach Kotler, der unter einem Produkt „alles [versteht], was einer Person angeboten werden kann, um ein Bedürfnis oder einen Wunsch zu befriedigen“ (Kotler et al. 2015, S. 408), weitgehend durchgesetzt.
I Produkt In Anlehnung an diesen generischen Produktbegriff soll hier unter
einem Produkt ein Bündel technisch-funktionaler Eigenschaften verstanden werden, das dem Nachfrager einen Nutzen stiftet.
396
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Der vermittelte Produktnutzen lässt sich in einen Grundnutzen und einen darüber hinaus gehenden Zusatznutzen aufteilen (vgl. Vershofen 1940, S. 71). Der Zusatznutzen wiederum teilt sich in Erbauungsnutzen und Geltungsnutzen (vgl. Bänsch 2002, S. 246 ff.) auf. Der Zusatznutzen eines Produktes steht in enger Beziehung zur Marke, unter der ein Produkt angeboten wird. In vielen Fällen beeinflusst die Marke in starkem Maße das subjektive Erleben des Zusatznutzens. Dies gilt in besonderer Weise für den in Abb. 2 dargestellten Geltungsnutzen. Aber auch die Wahrnehmung und Bewertung des Grundnutzens kann von der Marke beeinflusst werden. Als Folge zusammenwachsender Märkte (Globalisierung, schnelle Technologiediffusion) gleichen sich die technisch-funktionalen Eigenschaften der auf Märkten angebotenen Produkte immer schneller an. Dies trifft in besonderer Weise für ältere, ausgereifte Märkte zu. Dadurch hat der kaufverhaltensprägende Einfluss der Marke auf das subjektive Erleben des Grund- und vor allem des Zusatznutzens in den letzten Jahren stetig zugenommen. Die gestiegene Erfolgsrelevanz der Marke ist nicht zuletzt auch auf die im Vergleich zu technisch-funktionalen Eigenschaften von Produkten bessere Schutzwirkung gegenüber Imitationen zurückzuführen (vgl. Burmann et al. 2015). Ausgehend von dem Produktbegriff lassen sich Produkte nach unterschiedlichen Kriterien unterteilen (z. B. nach Gegenständlichkeit, Verfügbarkeit, Verwendungszweck oder
Definition
Beispiel Automobil
Die aus den technisch-funktionalen Basiseigenschaften eines Produktes resultierende Bedürfnisbefriedigung
Grundnutzen
Individueller Transport von A nach B
+ Über den Grundnutzen hinausgehende Bedürfnisbefriedigung durch das Produkt
Aus den ästhetischen Wirkungen eines Produktes resultierende Bedürfnisbefriedigung
Zusatznutzen
[ Erbauungsnutzen
Alle über den reinen Transport hinausgehenden technisch-funktionalen Nutzenkomponenten des Automobils (z.B. hoher Sicherheitsstandard, besondere Umweltfreundlichkeit) Befriedigung des Schönheitsempfindens bei der Betrachtung von Form und Farbe des Außen-/Innendesigns des Automobils
+ Aus den sozialen Wirkungen eines Produktes resultierende Bedürfnisbefriedigung
Geltungsnutzen ]
Soziale Anerkennung oder Aufwertung durch den Kauf und die öffentliche Nutzung eines auffälligen, leistungsstarken Sportwagens
= Produktnutzen Summe aller Nutzenkomponenten des Produktes, die aus seiner technisch-funktionalen Gestaltung und seinen darüber hinausgehenden ästhetischen und sozialen Wirkungen resultieren
Abb. 2 Komponenten des Produktnutzens
1
Ziele und Entscheidungstatbestände der Produkt- und Programmpolitik
397
Produktionseigenschaften; für weiterführende Klassifikationsansätze vgl. Wind 1982, S. 70 ff. oder Olbrich 2006, S. 110 ff.). Eine grundsätzliche Unterscheidung besteht in der Gegenständlichkeit der Produkte, die sich in die Bereiche materielle und immaterielle Güter gliedert. Materielle Güter, auch als Sachgüter bezeichnet, sind körperlich vorhanden. Beispiele sind Konsumgüter wie Nahrungsmittel oder Industriegüter wie Produktionsmaschinen. Immaterielle Güter sind hingegen nicht gegenständlich. Eine zentrale Gruppe innerhalb der immateriellen Güter bilden Dienstleistungen, wie etwa Restaurants oder Hotels. Eine weitere Ausprägungsform von immateriellen Gütern sind sog. digitale Güter bzw. digitale Produkte (vgl. Schmidt 2007, S. 10 ff.). Digitale Produkte bestehen aus Binärdaten und werden unter Zuhilfenahme von elektronischer Infrastruktur (z. B. Internet) entwickelt, vertrieben und angewendet (vgl. Luxem 2001, S. 24; Subramani und Walden 2001, S. 139 f.; Loebbecke 2002, S. 635). Beispiele sind Software, digitalisierte Bücher (sog. E-Books) oder Internetdienstleistungen. Digitale Produkte weisen im Vergleich zu materiellen Gütern besondere Eigenschaften auf, die primär Einflüsse auf produktionstechnische, aber auch auf preis- und distributionspolitische Entscheidungen haben und deshalb kurz erläutert werden sollen. Die Produktion digitaler Produkte zeichnet sich im Regelfall durch hohe Fixkosten und geringe variable Kosten aus (siehe Abschn. 3.4.1 in Kap. 6) (vgl. Bhattacharjee et al. 2011, S. 1; Jacob 2015, S. 75). Der größte Kostenblock resultiert dabei meist aus der Produktentwicklung (z. B. Entwicklung einer Software), wohingegen die Produktion und der Vertrieb weiterer Einheiten mit geringen Kosten verbunden sind (z. B. Vertrieb der Software durch Downloads über das Internet). Zudem bestehen geringe Kapazitätsbeschränkungen in der Form, dass digitale Produkte i. d. R. in beliebiger Menge reproduzierbar sind. Die Grenzkosten tendieren somit für viele digitale Produkte gegen null. Als eine weitere Eigenschaft ist die Nichtrivalität von digitalen Produkten zu nennen. Die Nutzung digitaler Produkte durch einen Nachfrager schließt die (gleichzeitige) Nutzung dieser Produkte durch andere Nachfrager nicht aus (vgl. Rayna 2008, S. 17 f.). Ferner lassen sich digitale Produkte mit relativ geringem Aufwand kostengünstig modifizieren (vgl. Ekeledo und Sivakumar 2004, S. 50 f.), so dass sie bspw. auf unterschiedliche Nachfragerpräferenzen angepasst werden können. Da digitale Produkte keinem Verschleiß unterliegen, besteht kein nutzungsabhängiger Wertverlust (vgl. Luxem 2001, S. 24; Jacob 2015, S. 75). Abhängig von ihrer Nutzungsdauer lassen sich digitale Produkte weiterhin unterscheiden in digitale Verbrauchs- und Gebrauchsgüter. Zusätzlich zu der Unterscheidung können digitale Produkte auch als digitale Dienstleistungen klassifiziert werden. Digitale Verbrauchsgüter können über einen begrenzten Zeitraum genutzt werden, wie z. B. zeitlich befristete Software-Lizenzen. Digitale Gebrauchsgüter dagegen unterliegen keinen zeitlichen Restriktionen und umfassen z. B. Musikdownloads oder E-Books. Die Gruppe der digitalen Dienstleistungen umfasst Dienstleistungsangebote, die über elektronische Infrastruktur abgebildet werden, wie etwa Online-Banking oder Dating-Plattformen (vgl. Hui und Schau 2002, S. 74 ff.; Simon und Fassnacht 2009, S. 516 f.). Daneben können digitale Produkte auch nach ihrem Digitalisierungsgrad unterschieden werden (vgl. Abb. 3)
398
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Grad der Digitalisierung
rein physisch
hybrid
rein digital
Abb. 3 Kontinuum: Digitales vs. physisches Produkt (Quelle: In Anlehnung an Luxem 2001, S. 15)
(Clement und Schreiber 2013, S. 45 f.). Produkte, die vollständig digital angeboten werden, d. h. weder einen physischen Anteil noch einen traditionellen Dienstleistungsanteil besitzen, sind rein digitale Produkte. Rein digitale Produkte können demnach – gemäß der obigen Definition – vollständig über elektronische Infrastruktur angeboten und genutzt werden. Sofern ein physischer Anteil enthalten ist, handelt es sich um sog. hybride Produkte. Diese Produkte können sich gemäß ihres Digitalisierungsgrads teilweise deutlich voneinander unterscheiden. Während z. B. CD-ROMs einen vergleichsweise geringen Digitalisierungsgrad aufweisen, fällt das Ausmaß an digitalen Komponenten bei Smartphones höher aus. Rein physische Produkte weisen folglich keine digitalen Anteile auf – ihr Digitalisierungsgrad ist null. Hybride Produkte sind oftmals das Resultat von Produktmodifikationen von rein physischen Produkten, die um digitale Komponenten angereichert werden. In diesem Zusammenhang wird auch von sog. intelligenten Produkten gesprochen (vgl. Nylén und Holmström 2015, S. 60). Zum Beispiel hat der Elektronikhersteller Braun eine Zahnbürste entwickelt, die Informationen über Putztechnik und Druckempfindlichkeit der Zähne an eine eigens entwickelte App auf dem Smartphone weiterleitet. Der Trend, physische Produkte mit intelligenten Komponenten zu erweitern, wird als Internet der Dinge bezeichnet (vgl. Shin 2014, S. 519 f.).
I Programm Mit dem Begriff des Produkt- oder Angebotsprogrammes wird die
Gesamtheit aller Leistungen, die ein Anbieter den Nachfragern zum Kauf anbietet, verstanden. Davon grenzt sich der Begriff des Produktionsprogrammes ab, welcher lediglich die vom Anbieter selbst erstellten Produkte, die in Verbindung mit den zugekauften Fertigprodukten das Angebotsprogramm ergeben, umfasst.
Die Entscheidungen der Produkt- und Programmpolitik lassen sich in zwei Gliederungsebenen aufteilen: Programm- und Produktgestaltung. Die Programmgestaltung teilt sich auf in strategische und operative Programmplanung. Die strategische Programmplanung befasst sich mit der Ausgestaltung des gesamten Angebotsprogrammes, welches zumeist aus einzelnen Produkten und Produktlinien besteht. Eine Produktlinie ist eine Gruppe von Produkten, die aufgrund bestimmter Kriterien wie z. B. Bedarfs- oder Produktionszusammenhang in enger Beziehung zueinander stehen. Die aus den Entschei-
2
Programmgestaltung
399
Programmgestaltung
Strategische Programmplanung
Entscheidungen über Innovation, Modifikation, Differenzierung und Elimination von Produktlinien
Operative Programmplanung
Entscheidungen über Innovation, Modifikation, Differenzierung und Elimination von Produkten innerhalb der Produktlinie
Produktgestaltung
Umsetzung der im Rahmen der strategischen und operativen Programmplanung getroffenen Innovations-, Modifikations-, Differenzierungsund Eliminationsentscheidungen
Ein Angebotsprogramm gestalten, das dem Nachfrager einen Netto-Nutzen-Vorteil bietet
Zentrale Zielsetzung der Produkt- und Programmpolitik
Abb. 4 Entscheidungstatbestände der Produkt- und Programmpolitik
dungen der strategischen Programmplanung resultierenden Vorgaben werden innerhalb der operativen Programmplanung durch die Ausgestaltung der einzelnen Produktlinien umgesetzt. Die Entscheidungen über die Ausgestaltung des Programmes beziehen sich darauf, ob neue Produkte entwickelt (Innovation), bestehende Produkte verändert (Variation bzw. Differenzierung) oder vom Markt genommen werden (Elimination). Die operative Ausführung aller Programmentscheidungen geschieht im Rahmen der Produktgestaltung (vgl. Abb. 4). Alle produkt- und programmpolitischen Entscheidungen müssen sich an Zielen orientieren, um effektiv zu sein. Die Ziele der Produkt- und Programmpolitik müssen in die Zielhierarchie des Marketingmanagements eingebettet sein. Das heißt, die produkt- und programmpolitischen Ziele sind Mittel zum Zweck, um die übergeordneten Marketing- und Unternehmensziele zu erreichen. Die zentrale Zielsetzung der Produkt- und Programmpolitik ist die Ausrichtung des Angebotsprogrammes an den Bedürfnissen der Nachfrager, um dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu generieren.
2 Programmgestaltung 2.1
Gegenstand der Programmgestaltung
Im Zuge der Programmgestaltung sind Entscheidungen darüber zu treffen, wie und anhand welcher Kriterien die Programmstruktur ausgerichtet werden soll und wie die Ausgestal-
400
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
tung der einzelnen Produktlinien innerhalb eines Programmes unter Berücksichtigung von Verbundbeziehungen zwischen den Produkten erfolgen soll. Im Rahmen der strategischen Programmplanung sind Entscheidungen über die Breite und Tiefe sowie die grundsätzliche Ausrichtung und Strukturierung des Programmes zu treffen. Die Programmbreite gibt die Anzahl der Produktlinien im Programm wieder, d. h. die Anzahl alternativer Produktangebote. Die Tiefe des Programmes wird durch die Zahl der Produkte innerhalb einer Produktlinie wiedergegeben. Abb. 5 verdeutlicht dies am Beispiel des Automobilherstellers Porsche. Die Entscheidung über die Breite und Tiefe des Programmes ist eng verknüpft mit der Festlegung der strategischen Stoßrichtung und der Marktabdeckungsstrategie eines Unternehmens. Darüber hinaus hat die Entscheidung über die Programmbreite und -tiefe erhebliche Auswirkungen auf die Komplexitätskosten eines Unternehmens. Die grundsätzliche Ausrichtung des Programmes kann sich bspw. an den folgenden Prinzipien orientieren: Herkunftsorientierung: Das Programm wird durch die Herkunft oder Bezugsquelle des Materials bestimmt (Kunststoffe, Metall, Textilien etc.). Dies ist bspw. der Fall bei Unternehmen der chemischen Industrie oder bei Unternehmen, die Lebensmittel aus Rohstoffen erzeugen, die nur aus kontrolliert biologischem Anbau stammen. Bedarfs- oder Erlebnisorientierung der Nachfrager: Das Programm wird den Bedarfs- und Erlebnisbedürfnissen der Nachfrager entsprechend zusammengestellt
Programmtiefe Zahl der Produktvarianten (Länge der Produktlinien)
911 Carrera
Panamera
Macan
Cayenne
Boxster
Cayman
911 Carrera S
Panamera 4
Macan S
Cayenne S
Boxster S
Cayman S
911 Carrera Cabriolet
Panamera 4 Executive
Macan S Diesel
Cayenne Turbo
Boxster GTS
Cayman GTS
911 Carrera S Cabriolet
Panamera 4 Sport Turismo
Macan GTS
911 Carrera 4
Panamera 4S
Macan Turbo
911 Carrera 4 Cabriolet
Panamera 4S Executive
...
911 Carrera 4S
Panamera 4S Sport Turismo
911 Carrera 4S Cabriolet
Panamera 4 E-Hybrid
911 Carrera T 911 Carrera Targa 4
Panamera Turbo ...
...
Programmbreite Zahl der Produkte bzw. Produktlinien
Abb. 5 Dimensionen des Produktprogrammes am Beispiel Porsche (Juli 2013) (Quelle: Porsche 2013)
2
Programmgestaltung
401
(Freizeit- und Sportartikel, Haushaltsgeräte, Reinigungsmittel etc.). Es werden unterschiedlichste Rohstoffe eingesetzt, die aber den gleichen Bedarf der Nachfrager befriedigen. Bspw. versucht der Bertelsmann-Konzern, die Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse der Nachfrager durch sein Programm mit verschiedensten Medien abzudecken. Orientierung nach Preislagen: Die Produkte werden nach der Zugehörigkeit zu bestimmten Preisklassen ausgewählt. I. d. R. besteht eine enge Verbindung zur Herkunftsorientierung, z. B. niedrigpreisige Kunststoffartikel oder hochpreisige Lederwaren. Orientierung an der Selbstverkäuflichkeit der Ware: Die Programmzusammenstellung wird von der Erklärungsbedürftigkeit der Produkte bestimmt. Dieses Merkmal kann sowohl mit der Herkunftsorientierung als auch mit der Preis- und Bedarfsorientierung kombiniert werden. Das Kriterium ist insbesondere bei der Sortimentsgestaltung im Handel und bei Direktbanken von Bedeutung. Weitere wichtige Einflussfaktoren der Programmplanung sind Konkurrenzreaktionen, Umwelteinflüsse, Veränderungen auf dem Beschaffungsmarkt und innerbetriebliche Faktoren wie die Produktrentabilität. Eine Sonderstellung im Rahmen der strategischen Programmplanung nehmen Diversifikationsentscheidungen ein (vgl. Kap. 4). Eine Diversifikation liegt immer dann vor, wenn das Unternehmen funktional-technisch völlig neuartige Produkte, die auf neuen Märkten angeboten werden, in das Programm aufnimmt. Die Diversifikation ist ein Spezialfall der Innovation. Sie dient als Mittel zur Wachstumssicherung und insbesondere zur Risikostreuung und hat grundsätzlich strategischen Charakter. Bei der Gestaltung von Produktlinien ergeben sich zwei grundlegende Handlungsoptionen (vgl. Abb. 6): Die Gestaltung der Länge der Produktlinie, womit die Anzahl der Produkte pro Produktlinie beschrieben wird, und die Gestaltung des Qualitätsniveaus der Produkte. Im Falle der Entscheidung über die Länge der Produktlinie besteht die Problematik von Zieldivergenzen zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen. Der Marketingbereich wünscht umfassende Produktlinien, um den Bedürfnissen möglichst vieler Nachfragersegmente gerecht werden zu können. Der Produktionsbereich tendiert zu kurzen Produktlinien, um aufgrund der dadurch möglichen höheren Stückzahlen Degressionseffekte in der Produktion zu erzielen. Zu lange Produktlinien führen zu überproportional hohen Kosten vor allem im indirekten Bereich (Komplexitätskosten), zu häufigen Produktionsumstellungen (Rüst- und Stillstandskosten) und evtl. zu Verunsicherungen beim Handel und Nachfragern. Zu kurze Produktlinien dagegen können einen Gewinnentgang aufgrund unbefriedigter Nachfragerwünsche verursachen und schwächen dann die Position gegenüber konkurrierenden Anbietern (vgl. Jackson und Shapiro 1979, S. 140; Draganska und Jain 2005, S. 25 f.; Cachon et al. 2008, S. 461). Zur Veränderung des Qualitätsniveaus innerhalb der Produktlinie bestehen die Möglichkeiten der Ausweitung nach oben (Trading-up) und nach unten (Trading-down). Ein Trading-down kann durch eine starke Konkurrenz am oberen Qualitätslevel und langsameres Wachstum in diesem Bereich verursacht werden. Das Unternehmen verfolgt dann
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Trading-up
Verkürzen
Bestehende Produktlinie
Verlängern (line extension)
Trading-down
niedrig
Qualitätsniveau der Produkte (Preisniveau)
hoch
402
wenige
Anzahl der Produkte in einer Produktlinie (Länge der Produktlinie)
viele
Abb. 6 Grundlegende Handlungsoptionen der operativen Programmplanung
eine Übertragung des im oberen Preis- und Qualitätsbereich erworbenen Qualitätsimages auf untere Marktsegmente. Die Risiken eines solchen Vorgehens liegen in den Reaktionen der Wettbewerber in den unteren Marktsegmenten, welche aufgrund ihres hohen Knowhows in der effizienten Massenfertigung meist erhebliche Kostenvorteile besitzen, in einer fehlenden Akzeptanz beim Handel und in den negativen Auswirkungen auf das Image der weiterhin im oberen Qualitätssegment angebotenen Produkte. Hingegen empfiehlt sich ein Trading-up, wenn am oberen Qualitätslevel ein höheres Wachstum, eine geringere Wettbewerbsintensität oder eine im Vergleich zur Qualitäts- und Kostensteigerung der anzubietenden Produkte überproportional höhere Zahlungsbereitschaft besteht. Die Risiken eines solchen Vorgehens liegen insbesondere in der mangelnden Akzeptanz von Nachfragern und dem Handel, die dem Hersteller oft die Kompetenz für höherwertige Produkte absprechen. In einzelnen Fällen erfolgt die Veränderung des Qualitätsniveaus des gesamten Produktprogrammes auch in beide Richtungen (Trading-up und Trading-down). Dies versucht z. B. die Marke Volkswagen. Ausgehend von der traditionellen Marktposition eines Herstellers von Kompakt- und Mittelklasse-Pkw wurde das Produktprogramm unter der Marke VW sowohl auf teure und hochwertige Oberklasselimousinen (VW Phaeton) als auch auf sehr günstige Kleinstautomobile (VW Fox) ausgedehnt. Ein solches Vorgehen untergräbt i. d. R. die Glaubwürdigkeit einer Marke und ist deswegen nicht erfolgversprechend. Dies gilt vor allem dann, wenn das Trading-up und Trading-down zeitgleich oder innerhalb kurzer Zeit erfolgt. Der VW Phaeton ist auch aus diesem Grund ein großer Misserfolg. Neben den vier beschriebenen Grundrichtungen bestehen folgende weitere Entscheidungstatbestände:
2
Programmgestaltung
403
Auffüllen einer Produktlinie In die bestehenden Produktlinien können neue Produkte eingefügt werden. Dabei sollen interne Lücken im Programm (z. B. fehlende Größen- oder Mengenabstufungen) gefüllt und bislang unbefriedigte Nachfragerwünsche erfüllt werden. Werden diese Maßnahmen zu intensiv betrieben, besteht eine hohe Gefahr der gegenseitigen „Kannibalisierung“ der eigenen Produkte. Außerdem können bei den Nachfragern Unsicherheiten hervorgerufen werden, wenn sie nicht mehr in der Lage sind, die einzelnen Produkte zu differenzieren und in der Folge das Vorstellungsbild der Produktlinie verwässert. In diesem Fall könnten bestehende Kunden zu eindeutiger positionierten Konkurrenzprodukten abwandern. Modernisierung einer Produktlinie Die Modernisierung kann stückweise, d. h. für die einzelnen Produkte zeitlich nacheinander oder aber für alle Produkte gleichzeitig erfolgen. Die Entscheidung hängt von der Nachfragerreaktion (z. B. Imageschäden durch veraltete Produkte, Verwirrung bei simultaner Modernisierung des Gesamtprogrammes) und den im Unternehmen verfügbaren freien Ressourcen ab, da eine komplette Erneuerung einer Produktlinie hohe Managementkapazitäten und finanzielle Ressourcen bindet. Produktlinienpflege durch Herausstellung einzelner Produkte Innerhalb einer Produktlinie werden ein oder mehrere „Kopfprodukte“ ausgewählt, die die gesamte Produktlinie repräsentieren sollen. Bei der Auswahl ist ähnlich wie bei der Ausweitung der Produktlinie über die Position innerhalb der Linie (oben oder unten) zu entscheiden, da dies die von den herausgehobenen Produkten ausgehenden Ausstrahlungseffekte wesentlich beeinflusst. Die kommunikativen und sonstigen Maßnahmen werden dann für diese Produkte stellvertretend für die übrige Produktlinie eingesetzt. Bereinigung innerhalb einer Produktlinie Wenig erfolgreiche Produkte sollten aus der Produktlinie eliminiert werden, um blockierte Kapazitäten freizusetzen. Dabei kann auf die Überlegungen zur Produkteliminierung zurückgegriffen werden (vgl. Abschn. 5). Im Zusammenhang mit der strategischen und der operativen Programmgestaltung ist die Frage der Markierung zu beantworten. Diese lässt sich nicht allgemeingültig beantworten, sondern muss vor dem Hintergrund der unternehmensindividuellen Angebotsprogramme beantwortet werden (vgl. Burmann et al. 2015).
2.2
Verbundeffekte im Programm
Sowohl bei der strategischen als auch bei der operativen Programmgestaltung sind die Verbundbeziehungen innerhalb des Programmes von besonderer Bedeutung. Durch eine Berücksichtigung dieser Beziehungen zwischen einzelnen Produkten bzw. Produktgrup-
404
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
pen bei der Zusammenstellung des Programmes lassen sich erhebliche Wettbewerbsvorteile erzielen (vgl. Morgan und Rego 2009, S. 67). Grundsätzlich lassen sich drei Typen von Verbundeffekten (vgl. Abb. 7) unterscheiden (vgl. Böcker 1978, S. 79 f.). Bedarfsverbund: Die Verbundwirkung wird durch den gemeinsamen Ge- bzw. Verbrauch von verschiedenen Gütern verursacht. Die jeweiligen Güter stehen in einem komplementären Zusammenhang. Beispiele für einen solchen Bedarfsverbund sind Briefpapier/Briefumschläge, Farbe/Pinsel, Reifen/Felge oder Bleistift/Radiergummi. Der Bedarfsverbund lässt sich unterteilen in nachfragewirksame und nicht nachfragewirksame Verbundeffekte. Letztere können z. B. als Folge der Selbsterstellung bestimmter Produkte (z. B. selbstgebackenes Brot/gekaufte Butter), nicht synchroner Verbrauchsintensität (z. B. Kaffeepulver/Kaffeefilter) oder als Folge finanzieller Engpässe auftreten (z. B. Verzicht auf Spülung zum Shampoo). Nachfrageverbund: Der nachfragewirksame Bedarfsverbund bildet einen Teil des Nachfrageverbundes. Darüber hinaus können auch solche Produkte, die nicht durch einen gemeinsamen Ge- und Verbrauch gekennzeichnet sind, zusammen nachgefragt werden (z. B. der Kauf von Schreibheften für die Kinder beim täglichen Einkauf von Lebensmitteln durch die Eltern). Durch das Bestreben vieler Nachfrager, einen möglichst großen Teil ihrer Nachfrage in einem Geschäft zu erledigen, entsteht häufig
Kaufverbund
durch Nachfrageverbund bedingt
nicht kaufwirksam
kaufwirksam
Nachfrageverbund
bedarfsbedingt nicht nachfragewirksam
Bequemlichkeit, gezielte Wunsch nach Kommunika„one-stoptionsmaßnahmen shopping“ außerhalb des PoS
nachfragewirksam
Bedarfsverbund
Abb. 7 Typen von Verbundeffekten
zufallsbedingt außerhalb des PoS
durch Maßnahmen zufallsbedingt am PoS am PoS bedingt
3
Produktinnovation
405
der Nachfrageverbund. Der Nachfrager will zumeist möglichst rationell einkaufen, insbesondere bei Gütern des täglichen Bedarfes. Ferner kann der Nachfrageverbund durch die gezielte Bewerbung gebündelter Produkte entstehen. Der Nachfrageverbund lässt sich in kaufwirksame und nicht kaufwirksame Auswirkungen unterteilen. Letztere entstehen z. B., wenn nachgefragte Produkte kurzfristig nicht vorrätig sind oder generell nicht in einer Einkaufsstätte geführt werden. Kaufverbund: Wird durch den kaufwirksamen Nachfrageverbund oder durch absatzpolitische Maßnahmen der gleichzeitige Einkauf mehrerer Artikel am PoS verursacht, so spricht man vom Kaufverbund. Kaufverbundenheit bezieht sich jeweils nur auf einen Kaufakt, während die anderen Verbundtypen auch in mehreren zeitlich nacheinander liegenden Kaufakten zum Ausdruck kommen können. Für die Messung von Verbundeffekten wird i. d. R. nur der Kaufverbund herangezogen, weil er durch die konkrete Kaufentscheidung die größte praktische Relevanz besitzt und mithilfe einer direkten Messung (z. B. via Scannerkassen und Kundenkarten) leicht operationalisierbar ist. Darüber hinaus kann auch ein Informationsverbund Ursache für Interdependenzen im Programm sein. Der Informationsverbund wird in der Literatur auch als „GoodwillTransfer“ (vgl. Simon 1985, S. 32 f.) bezeichnet. Er liegt vor, wenn Nachfrager positive Informationen, die sich auf ein bestimmtes Produkt beziehen, auf ein anderes Produkt des gleichen Herstellers übertragen und bei der Kaufentscheidung berücksichtigen. Hierdurch kann der Nachfrager sein empfundenes Kaufrisiko verringern und die Kosten einer erneuten Informationssuche einsparen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Herkunft der Produkte vom Nachfrager identifizierbar ist, wodurch der Markierung eine besondere Bedeutung zukommt. Der Unterschied des Informationsverbundes zu den oben dargestellten Verbundarten liegt darin, dass er keinerlei technischen, zeitlichen oder personellen Begrenzungen unterliegt. Soll ein neues Produkt in eine Produktlinie aufgenommen werden, so liegt seine Break-Even-Menge umso niedriger, je mehr Goodwill es auf die bestehenden Produkte übertragen kann. Andererseits kann der Einführungserfolg neuer Produkte wesentlich davon abhängen, inwieweit sie Goodwill von den bestehenden Produkten empfangen.
3
Produktinnovation
3.1 Inhalt und Bedeutung von Innovationen Der Begriff der Innovation ist in den letzten Jahren zum Schlagwort geworden. Seit den Thesen Schumpeters (1912) besteht Einigkeit darüber, dass Innovationen der wichtigste Träger von Wirtschaftswachstum sind. In den westlichen Industrieländern kann die internationale Wettbewerbsfähigkeit nur durch Innovationen gewährleistet werden, da Unternehmen aus Schwellen- und Entwicklungsländern aufgrund immer schneller diffundie-
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5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
rendem Technologie-Know-how technisch-funktionale Wettbewerbsvorteile zunehmend schneller imitieren können. Auch aus einzelbetrieblicher Sicht wird von einer Innovationsnotwendigkeit gesprochen, um die Wettbewerbsfähigkeit, den Erfolg und das Wachstum des Unternehmens zu sichern. Das zentrale Problem dabei ist die hohe Misserfolgsrate von Innovationen. Insofern besteht eine der wesentlichen Herausforderungen und Aufgaben des Innovationsmanagements darin, die Misserfolgswahrscheinlichkeit zu verringern. Innovationsmanagement ist die bewusste Gestaltung des Innovationssystems, also der innovierenden Institution und aller Innovationsprozesse.
I Produktinnovation Produktinnovationen werden in Theorie und Praxis un-
terschiedlich definiert. Hier sollen darunter die mit der Entwicklung von Neuprodukten verbundenen Änderungsprozesse in einem Unternehmen verstanden werden (vgl. Schmitt-Grohé 1972, S. 25 ff.). Diese Änderungsprozesse können alle funktionalen Bereiche des Unternehmens betreffen.
Prozessinnovationen hingegen kennzeichnen „neuartige Faktorkombinationen, durch die die Produktion eines bestimmten Gutes kostengünstiger, qualitativ hochwertiger, sicherer oder schneller erfolgen kann“ (Hauschildt und Salomo 2011, S. 5). Prozessinnovationen beziehen sich i. d. R. nur auf innerbetriebliche Veränderungen und nicht auf den marktlichen, unternehmensexternen Verwertungsprozess. Sie können sich auch auf bereits am Markt eingeführte Produkte beziehen. Der Betrachtungsschwerpunkt liegt im Folgenden auf Produktinnovationen. Der Begriff einer „Neuheit“ ist stets relativ zu sehen. Zur näheren Beschreibung einer Produktinnovation können vier Neuheitsdimensionen herangezogen werden: 1. 2. 3. 4.
Subjektdimension – Neu für wen? Intensitätsdimension – Wie sehr neu? Zeitdimension – Wann beginnt und endet eine Innovation? Raumdimension – In welchem Gebiet neu?
Die Subjektdimension unterscheidet zunächst nach der Art des Personenkreises, dessen Wahrnehmungen betrachtet werden, in Hersteller- und Nachfragerneuheiten. Aus Sicht der Nachfrager interessiert dabei vor allem die veränderte Nutzenstiftung. Neue Verpackungen, veränderte Werbebotschaften, neue Vertriebswege usw. schaffen beim Käufer häufig bereits „Neuheitserlebnisse“. Aus Sicht des Herstellers steht demgegenüber meist der Grad funktional-technischer Veränderungen von Produkt und Produktionsprozess im Vordergrund. Die Intensitätsdimension der Neuheit kann durch eine Skala zum Ausdruck gebracht werden, die von Neuheiten in Form geringfügiger Modifikationen der Marketinginstrumente bis hin zu grundlegenden technischen Neuerungen, die in der Geschichte der
3
Produktinnovation
407
Menschheit erstmalig erfunden und wirtschaftlich verwertet werden, reicht (vgl. Hauschildt und Salomo 2011, S. 18 f.). Diese technische Perspektive wird ergänzt um die Nutzenkomponente für den Nachfrager. Bewertet man die Innovationsintensität anhand dieser Aspekte ergeben sich die in Tab. 1 aufgeführten Innovationstypen. Hierbei werden die Typen anhand von zwei Dimensionen eingeordnet. Zum einen ist zu erfassen, ob das bereits bestehende Produktkonzept bestätigt oder verworfen und durch ein neues ersetzt wird. Zum anderen wird berücksichtigt, inwiefern die Verknüpfung der wesentlichen Produktkomponenten unverändert bleibt oder neue Verknüpfungen gebildet werden. Besonders häufig wird zur Bemessung der Neuheitsintensität die Unterscheidung zwischen einer inkrementalen versus radikalen Innovation herangezogen. Inkrementale Innovationen entstehen meist aus einem Sicherheitsdenken der Unternehmen, da durch geringe Veränderungen keine hohen Risiken zu erwarten sind. Die Zielsetzung hinter der Entwicklung einer inkrementalen Innovation ist meist die Behauptung der Wettbewerbsposition in einem bestimmten Markt. Inkrementale Innovationen werden auf Basis eines bereits bestehenden Produktkonzeptes und unveränderter Verknüpfungen wesentlicher Produktkomponenten entwickelt. Radikale Innovationen hingegen sind mit einem großen Entwicklungsrisiko behaftet, bergen aber extrem hohe Marktchancen, da durch fundamentale Neuentwicklungen bisher unbefriedigte Nachfragerbedürfnisse gestillt werden können. Radikale Innovationen werden meist zur Schaffung eines neuen oder Eroberung eines bestehenden Marktes verwendet. Sie werden mit Hilfe eines neuen Produktkonzeptes auf Basis veränderter Verknüpfungen wesentlicher Produktkomponenten entwickelt. Architekturale und modulare Innovationen sind Mischformen, bei denen jeweils entweder das Produktkonzept (architektural) oder die wesentlichen Verknüpfungen der Produktkomponenten (modular) beibehalten werden (vgl. Ethiraj et al. 2008, S. 939). Die Zeitdimension kennzeichnet zwei verschiedene Aspekte: Wie lang ist der Zeitraum zu bemessen, in dem ein Produkt nach der Markteinführung als neu gilt, und ab wann kann innerbetrieblich von einer Innovation gesprochen werden. Der erste Aspekt ist generalisierend nicht zu beantworten. Je nach Produktgattung und Produkt sind hier erhebliche Unterschiede anzutreffen. Während bei den meisten Produktinnovationen im Konsumgüterbereich oft eine schnelle Imitation durch die Wettbewerber zu beobachten ist, kann bspw. im Pharmabereich durch den exklusiven Patentschutz ein neues Medika-
Tab. 1 Ausprägungsformen der Innovationsintensität (Innovationstypen) (Quelle: In Anlehnung an Henderson und Clark 1990, S. 12)
Unveränderte Verknüpfung wesentlicher Produktkomponenten Veränderte Verknüpfung wesentlicher Produktkomponenten
Bestehendes Produktkonzept bestätigt Inkrementale Innovation (z. B. fettreduzierter Frischkäse durch Joghurtzusatz) Architekturale Innovation (z. B. Automobil mit Brennstoffzellenantrieb)
Bestehendes Produktkonzept verworfen Modulare Innovation (z. B. überdachtes Motorrad ohne Helmpflicht) Radikale Innovation (z. B. ein selbst fahrendes Auto)
408
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
ment bis zu zehn Jahre lang als Produktinnovation gelten. Generell ist festzuhalten, dass sich der Zeitraum, innerhalb dessen eine Produktinnovation als neu wahrgenommen wird, in den letzten Jahren aufgrund einer immer schnelleren Technologiediffusion als Folge der Globalisierung erheblich verkürzt hat. Der zweite Aspekt der Zeitdimension beschreibt die Tatsache, dass eine Produktinnovation mehr ist als eine Invention (Erfindung). Von einer Produktinnovation wird erst dann gesprochen, wenn bestimmte Phasen durchlaufen werden und ein neues Produkt im Markt eingeführt wird (vgl. Abb. 8). Wie der Innovationsbegriff aufgefasst wird und, daraus abgeleitet, zu welchem Zeitpunkt die Verantwortung vom Innovationsmanagement an das funktionale Produktmanagement wechselt, ist von jedem Unternehmen individuell zu bestimmen. Der Innovationsbegriff in diesem Buch entspricht der abgebildeten „Innovation im erweiterten Sinne“. Die Raumdimension des Innovationsbegriffs kennzeichnet den Sachverhalt, dass ein bereits in einem Gebiet verkauftes Produkt für ein anderes Gebiet eine Neuheit darstellen kann. Damit ist insbesondere die stufenweise Einführung neuer Produkte in Auslandsmärkten angesprochen. Sehr innovative Produkte werden häufig zunächst nur in einem regionalen bzw. nationalen Markt vorgestellt, um seitens des Unternehmens das Übernahme- und Lernverhalten der Nachfrager beobachten zu können. Erst auf der Grundlage der genauen Kenntnis des Kommunikations- und Nutzungsverhaltens der ersten Kunden wird dann eine Marktbearbeitungsstrategie zur Erschließung des breiten Massenmarktes und weiterer Regionalmärkte entwickelt. Produktinnovationen nehmen in der Programmgestaltung eine besondere Stellung ein. Vor dem Hintergrund gesättigter Märkte, rechtlicher Restriktionen (Umweltschutzbestimmungen, Produkthaftpflicht), weltweiten Wettbewerbs mit Niedriglohnländern sowie der Verkürzung der Produktlebenszyklen müssen insbesondere die Unternehmen in den industrialisierten Ländern verstärkt eine Umorientierung ihrer Ressourcen auf die Entwicklung neuer Produkte vornehmen. Der Unternehmenserfolg hängt deswegen heute in hohem Maße von der Fähigkeit eines Unternehmens ab, immer wieder erfolgreich neue Produkte auf den Markt zu bringen (vgl. Danneels 2002, S. 1095; Sammerl 2006, S. 355;
Innovation im weitesten Sinne
Innovation im erweiterten Sinne
Invention
Problemerkenntnis
Ideengewinnung
Ideenprüfung
Innovation im engeren Sinne
Ideenentwicklung
Produktion
Markteinführung
Abb. 8 Zeitbezogene Interpretationsmöglichkeiten des Innovationsbegriffs (Quelle: In Anlehnung an Sammerl 2006, S. 30)
Marktdurchsetzung
3
Produktinnovation
409
Halaszovich 2011, S. 4). Die wichtigsten Herausforderungen beim Management dieser Innovationsfähigkeit sind: Große Misserfolgswahrscheinlichkeit: Viele Produktneueinführungen werden an den Bedürfnissen der Nachfrager vorbei entwickelt. Auch die Preislage von Neuprodukten ist häufig zu hoch. Beispielhaft seien folgende Zahlen genannt: Im Schnitt wird in der deutschen Nahrungsmittelindustrie von einer Misserfolgswahrscheinlichkeit von 65 % ausgegangen (vgl. Rohwetter 2004, S. 21; Halaszovich 2011, S. 5). Die Verpackungsindustrie in den USA rechnet mit Flopraten zwischen 70 und 90 % (vgl. Gourville 2006, S. 45 f.). Im Pharmabereich gilt die Faustregel, dass von etwa 10.000 entdeckten Wirkstoffen einer als Medikament zugelassen wird. In einer deutschlandweiten, branchenübergreifenden Innovationsstudie des Institutes für angewandte Innovationsforschung der Universität Bochum stellte sich heraus, dass nur 46 % der neu am Markt eingeführten Produkte als Erfolg gelten (vgl. Kerka et al. 2006, S. 2). Tendenziell gehen die Flopraten zurück, wenn es sich nicht um radikale, sondern um inkrementale Innovationen handelt (vgl. Wind 1982, S. 208). Hoher Ressourcenaufwand: Ein weiteres zentrales Problem von Produktinnovationen liegt darin, dass sie einerseits die Ertragskraft der Unternehmen in der Zukunft stärken sollen, auf der anderen Seite aber ex ante erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen voraussetzen. Neben Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie Marktforschung sind vor allem auch Kosten für produktbegleitende Prozessinnovationen und die Markteinführung zu berücksichtigen. Mit jeder Stufe im Rahmen des Neuproduktentwicklungsprozesses steigen die Kosten progressiv an (vgl. Tab. 2). Bspw. kostet die Entwicklung einer neuen Zigarettenmarke etwa 20 Mio. C, die eines neuen Medikamentes etwa 750 Mio. C, die eines PKWs 1,5 Mrd. C oder die eines Großraumflugzeuges wie dem Airbus A380 bis zu 15 Mrd. C. Wird eine Produktinnovation erfolgreich in den Markt eingeführt, besteht weiterhin das Risiko, dass aufgrund der sich verkürzenden Produktlebenszyklen die Vermarktungszeit zur Wiedergewinnung der hohen Innovationsaufwendungen nicht ausreicht.
Tab. 2 Progressiver Verlauf der Produktentwicklungskosten (ausgewähltes Beispiel) (Quelle: Kotler et al. 2007, S. 441) Entwicklungsphase
Anzahl der Produktideen
1. Ideenvorauswahl 64 2. Konzepterprobung 16 3. Produktentwicklung 8 4. Markterprobung 4 5. Landesweite 2 Markteinführung
Ausscheidungsquote
1:4 1:2 1:2 1:2 1:2
Kosten pro Produktidee in US-$ 1000 20.000 200.000 500.000 5.000.000
Gesamtkosten in US-$
5.721.000
13.984.000
64.000 320.000 1.600.000 2.000.000 10.000.000
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5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Widerstände in der Organisation und im Management: Schon Schumpeter hat auf den hohen „Beharrungswiderstand gegen Veränderungen“ hingewiesen (Schumpeter 1912, S. 108). Die Entwicklung und Übernahme von Neuerungen in das Produktprogramm eines Unternehmens bringen Anpassungswiderstände gegen die Innovation auf allen Ebenen des Unternehmens mit sich (vgl. Meffert 1976, S. 80; Bao 2009, S. 119). Marktrisiken: Bei der Entwicklung und Implementierung einer Innovationsstrategie ist zwischen zwei Risikoarten zu differenzieren (vgl. Urban und Hauser 1993, S. 426 f.). Auf der einen Seite besteht das Risiko, mit dem „falschen“, also nicht akzeptierten Produkt rechtzeitig am Markt zu sein (Entwicklungs- oder Eintrittsrisiko). Andererseits besteht das Risiko, durch das Verpassen einer Marktchance bei zu spätem Markteintritt mit dem „richtigen“ Produkt hohe Opportunitätskosten (entgangene Gewinne) zu generieren oder sogar die Existenz des Unternehmens aufs Spiel zu setzen. Während im ersten Fall zwar die Vorteile eines Marktpioniers genutzt werden, kann das aufgrund des überhasteten Markteintrittes ggf. unausgereifte Produkt zu negativen Image- und Absatzwirkungen führen (vgl. Rüggeberg 1997, S. 220 ff.). Verdeutlichen lassen sich diese Risiken am Beispiel von Flachbildfernsehgeräten. Der japanische Unterhaltungselektronikkonzern Pioneer brachte als einer der ersten Hersteller ein TV-Gerät mit Plasmabildschirm heraus. Doch aufgrund der Nachteile des Produktes wie kurzer Lebensdauer, hohem Preis und Stromverbrauch zogen es nur wenige Nachfrager zum Kauf in Betracht. Das genaue Gegenteil geschah bei dem deutschen Traditionshersteller Loewe. Hier wurde der Trend zu flachen Fernsehgeräten verpasst und das Unternehmen konnte nur knapp die Insolvenz verhindern.
3.2 Innovationsziele und -strategien Die im Rahmen der Programmplanung getroffenen Entscheidungen liefern die Vorgaben für den Innovationsprozess. Ziel der Produktinnovation ist somit das Entwickeln von Produkten, die die Vorgaben der Programmplanung erfüllen, also mit dazu beitragen, ein Angebotsprogramm zu erstellen, das die Bedürfnisse der Nachfrager möglichst umfassend befriedigt. In dieser Hinsicht betrifft einer der wichtigsten Parameter bei strategischen Innovationsentscheidungen die grundsätzliche Ausrichtung auf eine technologie- („technologypush“) oder eine nachfrageinduzierte („market-pull“) Innovationsstrategie. Bei erstgenannter Option wird versucht, über das Erkennen und Weiterentwickeln technologischer Trends neue Bedürfnisse bei den Nachfragern zu wecken. Letztere Option verfolgt das Ziel, bisher nicht befriedigte Nachfragerbedürfnisse zu entdecken und Produkte zu entwickeln, die diese Bedürfnisse erfüllen. Welche Alternative erfolgversprechender ist, wurde in vielen empirischen Studien und Meta-Analysen untersucht (vgl. Cooper 1990, S. 48, 1992, S. 116, 1999, S. 117; Johne und Pavlidis 1995, S. 803; Hultink et al. 2000, S. 13; Baker und Sinkula 2005, S. 485; Sammerl 2006, S. 63 ff.). Die Untersuchungen kamen zu
3
Produktinnovation
411
dem Ergebnis, dass die primäre Orientierung an Nachfragerbedürfnissen und Marktgegebenheiten die erfolgreichere Handlungsoption ist. Dennoch sichert erst die Integration der beiden scheinbar gegensätzlichen Strategieansätze den langfristigen Unternehmenserfolg. So vernachlässigt eine alleinige Ausrichtung auf Nachfragerbedürfnisse die Chancen, die sich durch technologische Grundlagenforschung ergeben. Umgekehrt kann genau diese ohne Berücksichtigung der Nachfragerbedürfnisse am Markt vorbeizielen. Dieses Wechselspiel kann am Beispiel des Marktes für Multimedia-Handys verdeutlicht werden. Die Entwicklung von Fotohandys lässt sich als Technology-push-Innovationsstrategie identifizieren. Solche Handys wurden mit der Zielsetzung in den Markt eingeführt, über den Versand von im Vergleich zu SMS kostspieligeren MMS die Investitionen in die Netzinfrastruktur zu kompensieren. Die zu Beginn mangelnde Akzeptanz der Nachfrager verdeutlichte aber die Problematik der von Anbietern „in den Markt gedrückten“ technologischen Neuerungen. Die Entwicklung von MP3fähigen Handys hingegen zeigte das Erfolgspotenzial der Market-pull-Strategie. Die Möglichkeit, digitale Musik überall zu hören, stellte zunächst ein unbefriedigtes Nachfragerbedürfnis dar. Erst als dieses von den Anbietern identifiziert wurde, löste es entsprechende technische Innovationen aus. Dennoch bedurfte es spezifischer technischer Kompetenzen, MP3-Handys herzustellen, sodass eine alleinige Market-pull-Ausrichtung nicht zum Markterfolg geführt hätte. Neben dieser strategischen Entscheidung sind weitere zu treffen. Abb. 9 liefert eine Übersicht über die verschiedenen strategischen Entscheidungen im Rahmen des Innovationsprozesses. Eine weitere strategische Entscheidung bezieht sich auf die Notwendigkeit der Innovation (vgl. Abb. 9), also auf die Frage, ob für ein existierendes Produktes überhaupt ein innovatives Nachfolgeprodukt entwickelt werden soll (vgl. Hauschildt und Salomo 2011, S. 47). Bspw. kann es bei einigen langjährig erfolgreichen Markenartikeln durchaus sinnvoll sein, lediglich Maßnahmen zur Produktpflege durchzuführen, weil der besondere Reiz dieser Produkte gerade darin liegt, dass sie nicht verändert werden. In diesem Zusammenhang kann auf erfolgreiche Beispiele wie die Würze von Maggi oder die Spirituose Jägermeister verwiesen werden. Das unbeirrte Festhalten an einem bewährten Produktkonzept, d. h. der bewusste Verzicht auf Produktinnovationen hat in diesen Fällen maßgeblich zum Erfolg der Produkte und der Entstehung einer starken Marke beigetragen. Ferner ist eine Entscheidung über den Bezug von Innovationen zu treffen („Make-orBuy“). Im Mittelpunkt steht hierbei die Entscheidung über das Vorantreiben von Innovationen im eigenen Unternehmen oder die Übernahme von Innovationen fremder Unternehmen. In diesem Fall stehen die Handlungsalternativen Innovationseinkauf, Lizenznahme, Imitation, Akquisition oder Kooperation zur Verfügung (vgl. Bullinger und Renz 2011, S. 69 f.; Hauschildt und Salomo 2011, S. 48; Glimstedt et al. 2010, S. 431 ff.). Im Rahmen von Innovationseinkauf oder Lizenznahme werden von Dritten angebotene Innovationen übernommen. Bei der Akquisition wird ein gesamtes Unternehmen übernommen, um dessen Innovationen oder Innovations-Know-how für das eigene Unternehmen zu nutzen. Die Imitation umfasst das Nachahmen von bereits am Markt angebotenen Produkten. Un-
412
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Zielsetzung der Innovation
Strategische Entscheidungen Ausrichtung Notwendigkeit
Organisation
Market-pull Technology-push
Vorhanden Nicht vorhanden
Integriert
Einzelprojekt F&E-Abteilung Funktionsübergreifend
Bezugsquelle
Verwendung
Unternehmensintern
Unternehmensintern
Innovationseinkauf
Kooperation
Lizenznahme
Lizenzverkauf
Imitation Akquisition Kooperation
Operative Umsetzung Im Implementierung Ideengewinnung Zwischenbetrieblich Ideenprüfung Innerbetrieblich Ideenrealisation
Markteinführung
Abb. 9 Aufbau des Innovationsprozesses
3
Produktinnovation
413
ter Kooperation wird die Zusammenarbeit mit einem externen Partner verstanden. Eine ausführliche Beschreibung der Handlungsalternativen findet sich in Abschn. 3.4. Zudem muss darüber entschieden werden, wie die im Unternehmen entwickelten Innovationen verwendet werden („Keep-or-Sell“). Es bestehen die drei Optionen der Verwertung im eigenen Unternehmen, der Kooperation mit externen Partnern (z. B. durch Spin-Off, Joint Venture etc.) oder dem Rechte- und Patentverkauf (vgl. Bullinger und Renz 2011, S. 70 f.). Ein wesentlicher Grund für einen Verkauf oder eine Kooperation sind unzureichende Ressourcen und Kompetenzen bei der Produktion und Vermarktung von Innovationen. Dies ist vor allem in Märkten zu beobachten, in denen ein hohes Innovationstempo vorherrscht (kurze Produktlebenszyklen) und Entwicklungen daher in sehr kurzen Zeiträumen vermarktet werden müssen. Als weiterer Grund kommen zufällige Innovationsergebnisse in Betracht (vgl. Gerpott 2005, S. 296). Wird das Ziel verfolgt, alle Innovationstätigkeiten im eigenen Hause durchzuführen, stellt sich die Frage der Befristung und organisatorischen Verankerung des Innovationsmanagements. Dabei ist zu entscheiden, ob Innovationen als diskontinuierliche Sonderaufgabe in Form eines Einzelprojektmanagements, als Daueraufgabe mit eigener F&E-Abteilung oder als übergreifende Daueraufgabe für alle Unternehmensbereiche im Sinne eines integrierten Innovationsmanagements zu verankern sind (vgl. Hauschildt und Salomo 2011, S. 48 ff.). Die aufgeführten Innovationsstrategien und aus ihnen resultierenden Handlungsalternativen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können kombiniert werden. Zur Sicherstellung einer wettbewerbsüberlegenen Innovationsleistung ist es heute zunehmend erforderlich, sich im Rahmen der eigenen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit auf wenige Bereiche zu konzentrieren, in denen das Unternehmen besondere Ressourcen und Kompetenzen besitzt. Da der Nachfrager andererseits umfassende, ganzheitliche Problemlösungen fordert, die Unternehmen immer seltener vollständig selbst entwickeln können, liegt der Ausweg in vielen Fällen heute in einer Kombination mehrerer Innovationsstrategien und der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen.
3.3 Phasen des operativen Innovationsmanagements Wie sich aus der obigen Beschreibung des Innovationsprozesses ergibt (vgl. Abb. 9), stellen sich der Ablauf und die Struktur dieses Prozesses als äußerst komplex dar. Daher ist insbesondere im operativen Innovationsmanagement eine iterative Lösung, bei der alle Zwischenergebnisse erneut an den Zielsetzungen überprüft werden, sinnvoll. In der Literatur herrscht trotz der grundsätzlichen Schwierigkeiten bei der Aufstellung eines idealtypischen Innovationsprozesses Einigkeit darüber, dass sich der Innovationsprozess als Abfolge bestimmter Phasen vollzieht. Es werden verschiedene Prozessmodelle vorgeschlagen (vgl. Haedrich und Tomczak 1996, S. 172; Schäppi 2005, S. 13; Bruhn und Hadwich 2006, S. 206; Hauschildt und Salomo 2011, S. 37).
414
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Aufbauend auf Schmitt-Grohé wird das operative Innovationsmanagement nachfolgend in die vier Kernstufen Ideengewinnung, Ideenprüfung, Ideenrealisation und Markteinführung unterteilt (vgl. Meffert 1973, S. 52 ff.). Diese werden in Abb. 10 in einem Trichtermodell dargestellt. Dies soll verdeutlichen, dass über verschiedene Auswahl- und Bewertungsverfahren von einer ursprünglichen Vielzahl an gewonnenen Ideen nur wenige erfolgversprechende Innovationen in den Markt eingeführt werden (vgl. Abb. 11). Die Daten der von Kerka et al. durchgeführten Untersuchung basieren auf einer deutschlandweiten Unternehmensbefragung. Der Fragebogen wurde auf Grundlage von Expertengesprächen und Tiefeninterviews erstellt. 1.150 aus einer Datenbank zufällig ausgewählte Unternehmen aller Branchen und Mitarbeiterzahlen wurden angeschrieben. Es wurde eine Rücklaufquote von etwa 9 % erzielt, sodass 104 Fragebögen in der Auswertung berücksichtigt werden konnten. Dauer und Intensität der planerischen Aktivitäten in den vier Phasen hängen primär von der Art der Produktinnovation ab. Marktneuheiten erfordern im Gegensatz zu Betriebsneuheiten meist umfassende, mehrjährige Planungsarbeiten. Die Ausgestaltung der einzelnen Phasen ist darüber hinaus entscheidend von der verfolgten Innovationsstrategie abhängig (vgl. Pleschak und Sabisch 1996, S. 57 ff.). Die Begründung dafür liegt in der Tatsache, dass die verfolgte Innovationsstrategie die maßgeblichen Vorgaben für die operative Umsetzung liefert. Bspw. wird bei einer technology-push-Orientierung der Fokus während der Ideengewinnungsphase auf die Befragung innerbetrieblicher Technologieexperten (z. B. durch Brainstorming-Sitzungen in der F&E-Abteilung) gelegt. Hingegen liegt
Zentrale Ziele:
Ideengewinnung
Ideenprüfung
Ideenrealisation
Markteinführung
Entwicklung möglichst vieler Ideen
Effektive und effiziente Selektion weniger, erfolgversprechender Ideen
Schneller, kostengünstiger Bau und Test von Prototypen
Schneller Aufbau von Bekanntheit, Präferenz und Distribution im relevanten Markt (Segment)
Abb. 10 Phasenspezifische Ziele des operativen Innovationsmanagements („Trichtermodell“)
3
Produktinnovation
100 %
415 100 %
80 %
60 %
40 %
33 %
20 %
13 % 6%
0% „Offizielle Produktideen“
Prototypenentwicklung
Markteinführungen Produkterfolge
Abb. 11 Erfolgsquote von Neuproduktideen über die Phasen des operativen Innovationsmanagements (Quelle: Kerka et al. 2006, S. 2)
bei einer market-pull-Ausrichtung der Schwerpunkt auf einer Ideengenerierung mithilfe von Nachfragern, z. B. durch Tiefeninterviews. Während der Phase der Ideenprüfung ist die Frage nach der Verwendung der Innovationen von großem Einfluss. Die getroffene Entscheidung über Einbehalt, Kooperation oder Verkauf muss in die Wirtschaftlichkeitsanalyse mit einbezogen werden, indem bei Einbehaltung der Innovation die Opportunitätskosten der nicht erzielten Lizenzeinnahmen bzw. bei einem Verkauf die anfallenden Transaktions- und Opportunitätskosten berücksichtigt werden. An dieser Stelle wird auch die iterative Struktur des Innovationsprozesses deutlich, da das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsanalyse wiederum Einfluss auf die Verwendungsentscheidung nimmt (vgl. Abb. 12). Auch die Entscheidung über die Notwendigkeit der Innovation ist reziprok mit den Ergebnissen der Ideenprüfung verknüpft. Die Phase der Ideenrealisation ist im Wesentlichen von den Entscheidungen bezüglich Bezugsquelle und Verwendung der Innovation geprägt. Ist eine Innovation in Kooperation entstanden, so ist während dieser Phase die Frage zu beantworten, welche Partei in welchem Maße für die Erstellung des Prototyps zuständig ist. Im Anschluss muss die gleiche Frage bezüglich der Durchführung von Produkttests beantwortet werden. Auch hier wird die Sinnhaftigkeit des iterativen Ansatzes deutlich: Auf Basis der Ergebnisse dieser Phase sind die strategischen Entscheidungen hinsichtlich der Verwertung erneut zu überprüfen, da unter Umständen ein Verkauf an den Kooperationspartner die wirtschaftlichere Alternative darstellt. Im Mittelpunkt der Markteinführungsphase steht die Wahl der passenden Markteintrittsstrategie, auf die in Abschn. 3.3.5 genauer eingegangen wird.
416
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Vorgaben der strategischen Innovationsentscheidungen
Produktideengewinnung
ja
Erfolgreich?
Ideenprüfung
Prüfenswerte Ideen?
Vorauswahl
nein
nein
ja
Wirtschaftlichkeitsanalyse je nach Modifikation
nein
ja
Zielüberprüfung nötig?
nein Positiv? ja Ideenrealisation
ja nein
Defizite des Prototyps?
nein
Erfolgreich?
Prototyp herstellen
ja
Produkttests
ja ja
Erfolgreich?
nein
Produktänderungen möglich?
nein
ja
Markteinführung
Abb. 12 Phasenmodell des operativen Innovationsmanagements
Insbesondere mit der voranschreitenden Digitalisierung haben sich die Ausgestaltungsformen des operativen Innovationsmanagements sukzessive weiterentwickelt. Dies betrifft sowohl die Ausgestaltung des dargestellten Innovationsprozesses insgesamt (z. B. strukturelle Prozessveränderungen) als auch die Ausgestaltung der planerischen Aktivitäten innerhalb der einzelnen Prozessphasen (z. B. Einsatz neuer Methoden).
3
Produktinnovation
417
Was die Ausgestaltung des dargestellten Innovationsprozesses insgesamt angeht, so sind zwei zentrale Entwicklungstendenzen hervorzuheben. Zum einen ist der operative Innovationsprozess durch eine zunehmende Nachfragerorientierung gekennzeichnet mit dem Ziel, Präferenzen und Rückmeldungen von Nachfragern frühzeitig und möglichst direkt in die Produktentwicklung einfließen zu lassen (vgl. Meffert und Meffert 2017, S. 184). Eine Form der Nachfragerorientierung ist bspw. die aktive Einbindung von Nachfragern in den Innovationsprozess, die sog. Kundenintegration (vgl. Kleinaltenkamp 2000, S. 335).
I Kundenintegration Kundenintegration im Innovationsprozess bezeichnet die
konsequente Ausrichtung relevanter Innovationsaktivitäten eines Unternehmens auf eine proaktive Rolle einzelner Nachfrager (vgl. Reichwald und Piller 2002, S. 29 f.).
Der Grad der Mitgestaltung lässt sich dabei anhand des Umfangs sowie der Intensität der Nachfragerbeteiligung bemessen. So können Nachfrager in allen oder nur in ausgewählten Prozessphasen eingebunden sein (Umfang der Mitgestaltung). Innerhalb der einzelnen Phasen können sie zudem mehr oder weniger stark an den jeweiligen Innovationsmaßnahmen beteiligt sein (Intensität der Mitgestaltung) (vgl. Hoyer et al. 2010, S. 284 ff.). Zum anderen weisen operative Innovationsprozesse zunehmend kürzere Laufzeiten und mehr Iterationen zur Berücksichtigung von Nachfrager-Feedback auf. Dadurch soll eine Form von Agilität geschaffen werden, die es ermöglicht, schrittweise und dennoch schnell neue Produkte zu entwickeln (vgl. Meffert und Meffert 2017, S. 184). Die Notwendigkeit, den Innovationsprozess zu beschleunigen, ergibt sich u. a. daraus, dass Produktlebenszyklen tendenziell kürzer werden bzw. Nachfrager zunehmend schneller neue Produkte erwarten (vgl. Fechter et al. 2014, S. 1119 ff.; Meffert und Meffert 2017, S. 191). Darüber hinaus ergeben sich auch unmittelbar aus der Digitalisierung neue technische Möglichkeiten, die dazu beitragen, den Innovationsprozess agiler auszugestalten. Zum Beispiel können Ideen in Form von virtuellen Modellen getestet und sukzessive angepasst werden, so dass keine zeit- und kostenaufwendigen Prototypen erstellt werden müssen. Durch den Einsatz von intelligenten Produkten (vgl. Abschn. 3.3.1) können Entwickler Verbesserungspotenziale direkt aus den erfassten Nutzungsdaten der Nachfrager ableiten. Aufbauend auf diesen beiden zentralen Entwicklungstendenzen identifizieren Meffert und Meffert (2017) fünf Erfolgsfaktoren für die Ausgestaltung eines operativen Innovationsprozesses im digitalen Zeitalter (vgl. Tab. 3). In den folgenden Kapiteln werden die wesentlichen Entscheidungen bei der Ausgestaltung der planerischen Aktivitäten in den vier Phasen des operativen Innovationsmanagements skizziert. Auch hier sind im Zuge der Digitalisierung neue Ausgestaltungsmöglichkeiten hinzugekommen, die somit ebenfalls aufgezeigt werden.
418
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Tab. 3 Erfolgsfaktoren für die Ausgestaltung des operativen Innovationsprozesses im digitalen Zeitalter (Quelle: In Anlehnung an Meffert und Meffert 2017, S. 184) Erfolgsfaktor Modularität
Nachfragerorientierung Agilität
Effizienz
Stetige Weiterentwicklung
Beschreibung Baukastenprinzip ermöglicht Erweiterung des Prozesses, z. B. Adaption neuer Ideenquellen Ermöglicht flexible Anpassung Frühe Ausrichtung am Nachfrager, etwa Integration in den Innovationsprozess Stetige Iterationen anhand Kundenfeedback Schnelle Entscheidungen über Umsetzung/Anpassungen sowie Ressourcenbereitstellung Laufzeiten variabel je nach Projektumfang Durchlässigkeit erfolgsversprechender Ideen Kurze Entscheidungswege und optimaler Support für Umsetzung der Geschäftsidee Iteration des Prozesses an sich und Einbau von Feedback und Erfahrungen
3.3.1 Gewinnung von Neuproduktideen In dieser Stufe des Produktinnovationsprozesses spielt die Kreativität eine wesentliche Rolle. So hat eine aktuelle Studie von Kästner gezeigt, dass hier die Gewinnung kreativer Mitarbeiter einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren für Unternehmen ist (vgl. Kästner 2009, S. 235). Ferner werden laut einer Studie von Toubia und Netzer (2017) Neuproduktideen als kreativer wahrgenommen, wenn diese sowohl neuartige als auch bekannte Ideen ausgewogen in sich vereinen. Da die Ausfallrate der Produktideen im Laufe des Innovationsprozesses sehr hoch ist, müssen möglichst viele Ideen gewonnen werden. Es ist sowohl eine planmäßige Sammlung von Produktideen als auch eine bewusste Ideenproduktion notwendig. Hierfür ist der Faktor Kreativität bei den Mitarbeitern genauso entscheidend wie bei der Ausrichtung der internen Prozesse zur Neuproduktgenerierung (vgl. Kästner 2009, S. 235 ff.). Erster Ansatzpunkt aller Innovationsbemühungen sollte die systematische Sammlung von vorhandenen oder leicht zu beschaffenden Produktvorschlägen sein. Dabei können sowohl unternehmensinterne als auch unternehmensexterne Quellen genutzt werden (vgl. Haedrich und Tomczak 1996, S. 187; Herstatt und Lüthje 2011, S. 261 ff.). Tab. 4 zeigt eine Kategorisierung möglicher Quellen für Neuproduktideen. Die Suche nach Ideen kann einerseits unsystematisch erfolgen, d. h. ein Unternehmen verlässt sich darauf, dass ohne gezielte Suchaktivitäten Produktideen von innen oder außen zugeführt werden. Im Gegensatz hierzu steht die systematische, gezielte Suche nach Neuproduktideen. Einen der wichtigsten unternehmensexternen Ansatzpunkte zur Entwicklung von Produktideen stellt der Nachfrager dar. Die damit verbundenen Möglichkeiten zur Ideengewinnung unterscheiden sich im Wesentlichen in ihrem jeweiligen Ausmaß der Integration der Nachfrager in den Entwicklungsprozess (Kundenintegration).
3
Produktinnovation
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Tab. 4 Quellen von Neuproduktideen
Unternehmensexterne Ideenquellen
Nachfrager
Systematische Ideenproduktion Problemlösungsstudien
Unsystematische Ideenproduktion User Generated Content (Social Listening) Produktnutzungsverhalten (z. B. erfassbar über intelligente Produkte) Kundenwünsche, Kundenbeschwerden/-probleme etc. Befragungen von Nachfragern Open Innovation
Experten
Aufträge an Forschungs-Institutionen Unternehmensberater
Lead-User
Marktforschungsaufträge Konkurrenzanalyse/ Benchmarking
Erfindermessen
Anregungen von Lieferanten/Händlern
Berichte über Erfindungen und Patente Informationsbroker Veröffentlichungen von Marktforschungsunternehmen, Beratern und staatlichen Institutionen Ergebnisse Stiftung Warentest
Unternehmensinterne Ideenquellen
Interne F&E
Anregungen des Außen- und Kundendienstes
Marktanalysen
Betriebliches Vorschlagswesen, Ideenwettbewerbe
Zufriedenheitsmanagement Diskursive Verfahren der Ideenproduktion: Fragenkataloge Funktionsanalysen Checklisten Morphologische Analysen Systematische Konfrontation
Zufällige Nebenprodukte der F&E Intuitive Verfahren der Ideenproduktion: Brainstorming Brainwriting Synektik
420
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Maßnahmen mit geringer Kundenintegration sind dadurch gekennzeichnet, dass die Produktideen ohne aktive Beteiligung der Nachfrager entstehen. In der Regel leiten sich die Ideen aus Analysen bereits vorliegender Kundendaten (Sekundärdaten; vgl. drittes Kapitel) oder aus Beobachtungen von Nachfragerverhalten ab. Eine zunehmend in den Fokus rückende Form der Ideengenerierung mit geringer Kundenintegration ist die Gewinnung von Produktideen über das sog. Social Listening (Tuten und Solomon 2015, S. 269). Im Rahmen des Social Listening werden Nutzerbeiträge im Internet (User Generated Content; vgl. Abschn. 2.2.2 in Kap. 2) in vorab bestimmten Social-Media-Plattformen (z. B. Online-Rezensionen auf Bewertungsplattformen oder Beiträge in sozialen Netzwerken) zielgerichtet (z. B. nach Schlüsselwörtern, Markennamen oder Trends) durchsucht und analysiert (vgl. Meffert und Meffert 2017, S. 190). Da User Generated Content i. d. R. öffentlich zugänglich ist, kann es als eine erste Anlaufstelle für neue Ideen dienen (vgl. Leeflang et al. 2014, S. 6). Zum Beispiel hat der Kosmetikhersteller L’Oréal im Jahr 2011 über Social Listening einen Haartrend (Ombré Hair) identifiziert und darauf aufbauend ein neues Haarfärbeprodukt entwickelt. Eine weitere Möglichkeit zur Gewinnung von Neuproduktideen mit verhältnismäßig geringer Kundenintegration ist die Analyse des Produktnutzungsverhaltens von Nachfragern. Derartige Daten werden z. B. über intelligente Produkte gewonnen, die in der Lage sind, das Nutzungsverhalten über eingebettete Technologien zu erfassen, zu verarbeiten und zu speichern. Zum Beispiel werden Automobile mit Sensoren und Informationstechnologie ausgestattet, die verschiedene Daten (wie z. B. Fahrverhalten, GPS-Standort oder Nutzung von technischen Systemen) in regelmäßigen Intervallen erfassen und an die Hersteller übertragen. Auf dieser Grundlage können Produktentwickler bspw. erkennen, welche Features in den Automobilen wie häufig genutzt werden, und so eine gezielte Weiterentwicklung anstoßen (vgl. Erevelles et al. 2016, S. 901; Meffert und Meffert 2017, S. 190). Die beschriebenen Maßnahmen weisen den Vorteil auf, dass sie direkt auf Entwicklungspotenziale hinweisen (vgl. Erevelles et al. 2016, S. 902 f.; Meffert und Meffert 2017, S. 190 f.). Allerdings besteht bei einseitiger Nutzung von Produktideen mit geringer Kundenintegration die Gefahr, dass die Kreativität der generierten Ideen abnimmt und somit eher inkrementelle als radikale Produktinnovationen entstehen (vgl. Leeflang et al. 2014, S. 6). Maßnahmen mit einer mittleren Kundenintegration sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die Produktideen aus einem bewusst angestoßenen inhaltlichen Austausch zwischen Unternehmen und Nachfrager ergeben. Der Austausch kann sowohl vom Unternehmen als auch von Nachfragern ausgehen. Zu den unternehmensinitiierten Maßnahmen sind verschiedene Formen von Kundenbefragungen zu zählen, wie etwa Tiefeninterviews oder Gruppendiskussionen zur Ermittlung von Nachfragerbedürfnissen. Durch Nachfrager ausgelöste Formen der Produktentwicklungen liegen etwa dann vor, wenn Produktideen aus gegenüber dem Unternehmen artikulierten Wünschen oder Beschwerden von Nachfragern gewonnen werden (vgl. Reichwald und Piller 2002, S. 35). Zur Gewährleistung eines möglichst hohen kreativen Potenzials werden Nachfrager direkt in den Prozess der Ideengewinnung integriert (vgl. Leeflang et al. 2014, S. 6). Eine Ausprägungsform mit einem hohen Ausmaß an Kundenintegration ist Open Innovation.
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Produktinnovation
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Hierbei wird eine interaktive Wertschöpfung, d. h. eine Zusammenarbeit im Rahmen des kompletten Wertschöpfungsprozesses zwischen Unternehmen und Nachfragern angestrebt mit dem Ziel einer kundenorientierten Produktentwicklung. Das Konzept der interaktiven Wertschöpfung geht von einem stark kooperativen Prozess aus (vgl. Reichwald und Piller 2009, S. 1; Meffert und Meffert 2017, S. 183 ff.). Unternehmen und Nachfrager stehen in einem kontinuierlichen und direkten Dialog (Sawhney et al. 2005, S. 4). Nachfrager können als Mitgestalter (sog. Co-Creator) der Produktentwicklung die Ideen für neue Produkte beisteuern, an der Konzeptentwicklung mitarbeiten oder auch Produkte mit Hilfe von bereitgestellten Softwarewerkzeugen (sog. Toolkits) bis zur Marktreife designen und konfigurieren (vgl. Dahan und Srinivasan 2000; Franke und Piller 2003; Brockhoff 2005; Reichwald und Piller 2009; Meffert und Meffert 2017, S. 184). Nachfrager werden somit nicht nur als Quellen für Bedürfnisinformationen, sondern auch als Quellen für Lösungsinformationen gesehen (vgl. Reichwald und Piller 2002, S. 33 ff.). Durch Formen des sog. Crowdsourcing werden z. B. Internetnutzer aufgerufen, sich an dem offenen Innovationsprozess zu beteiligen. Als Beispiel kann hier der Spielzeughersteller Lego aufgeführt werden, der von 2005 bis 2012 seinen Kunden auf einer Unternehmenswebsite die Möglichkeit gab, mit einer Software eigene Lego-Teile zu entwerfen. Die besten Designs schafften es schließlich in das Produktprogramm (vgl. Meffert und Meffert 2017, S. 185). Auf Basis der technologischen Entwicklungen im Web 2.0 und sozialer Medien können unter dem Oberbegriff der Wikinomics weitere Formen der kollaborativen Ideengewinnung und -entwicklung mit einer hohen Kundenintegration identifiziert werden. Unter sog. Peer Pioneers versteht man den freiwilligen Zusammenschluss verschiedener Personen, um gemeinsam an einem Open-Source-Projekt zu arbeiten. Das Betriebssystem Linux wird bspw. auf diese Art entwickelt. Beim Modell der Ideagoras wird, ebenfalls im Internet, die Möglichkeit geboten, Ideen und Innovationsvorschläge zu übermitteln. Social-Media-Portale wie YouTube bieten die Möglichkeit für innovative Nachfrager, eigene Weiterentwicklungen von Produkten vorzustellen oder auszutauschen. Diese hochmotivierten und kreativen Nachfrager werden aufgrund ihrer Eigenleistung daher als Prosumer bezeichnet (vgl. Arnhold 2010; Chaffey und EllisChadwick 2012, S. 264). Unternehmen wie Tchibo oder Starbucks haben eigens entwickelte Websites für Nachfrager geschaffen, auf denen diese ihre Ideen einreichen und zur Abstimmung durch das Unternehmen bzw. andere Nachfrager freigeben können. Die Einbeziehung von Nachfragern zur Generierung von Neuproduktideen hat dort ihre Grenzen, wo es um die Generierung von Ideen für die Lösung komplizierterer Probleme geht. Auch bei Problemen, die eines grundlegend neuen Lösungsansatzes bedürfen, wird das Abstraktions- und Vorstellungsvermögen der Nachfrager schnell überfordert. Bei Produkten, die im täglichen Leben eine relativ geringe Bedeutung haben (z. B. Toilettenpapier, Kaffeefilter), ist die Nutzung des Nachfragers zur Generierung von Neuproduktideen ebenfalls meist wenig ergiebig. Hier sind Experten als Quellen für die Ideengewinnung mit einzubeziehen, zu denen alle unternehmensinternen und -externen Personen zählen, die aufgrund ihres spezifischen
422
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Know-hows zur Generierung neuer Ideen herangezogen werden können. Zu diesem Personenkreis gehören auch „Lead-User“ (Leitkunden) oder „Launching Customer“, die „Kunden der ersten Stunde“, die über ein hohes nutzungsorientiertes Produkt-Know-how verfügen (vgl. von Hippel 1986, S. 791 f.) und deswegen fundierte Vorschläge für Nachfolgeinnovationen machen können. Es handelt sich dabei um solche Kunden, die in der Vergangenheit durch ihre Trendsetterrolle aufgefallen sind und ihre Bedürfnisse früher artikulieren als das breite Massenpublikum. Leitkunden sind durch ein überdurchschnittlich hohes Produktinvolvement (vgl. Laaksonen 1994, S. 22 ff.) gekennzeichnet. Das hohe Produktinteresse in Verbindung mit der großen Bedeutung des Produktes für Leitkunden und deren produktspezifischen Fachwissen führt dazu, dass Lead-User oftmals über ein hohes Potenzial kreativer Neuprodukt- und Produktverbesserungsideen verfügen. Als weitere Experten sind Universitäten, Forschungsinstitute (z. B. Max-Planck- und Fraunhofer-Institute), Unternehmensberater, Informationsbroker etc. zu nennen (vgl. Tab. 4). Ferner ist die Konkurrenzanalyse (vgl. Wolfrum 1994, S. 180 ff.; Vahs und Brem 2013, S. 261) eine wichtige externe Informationsquelle für Produktinnovationen. Dies gilt vor allem für die Frühaufklärung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten der Hauptwettbewerber. Insbesondere der systematischen Sammlung und Analyse von Neuproduktankündigungen der Wettbewerber kommt für die Prognose des Wettbewerbsverhaltens und die Gestaltung der eigenen Innovationsstrategie eine hohe Bedeutung zu. Im Rahmen der Konkurrenzanalyse kann auch das Instrument des Benchmarkings eingesetzt werden (vgl. Langer 2005, S. 93 ff.). Ein Benchmark kann als ein Referenzmaßstab zur Beurteilung der eigenen Leistungsfähigkeit in Bezug auf Produkte oder Prozesse verstanden werden. Er zeigt Kostensenkungs- und Qualitätsverbesserungspotenziale auf. Beim Benchmarking werden ausgewählte Teilbereiche, ganze Funktionsbereiche (z. B. Produktion), Prozesse (z. B. Auftragsabwicklung) oder Produkte des eigenen Unternehmens, zumeist branchenübergreifend mit anderen Unternehmen verglichen, die in Bezug auf den zu untersuchenden Teilbereich als führend gelten. Im ersten Schritt wird in quantitativer Form die Leistungslücke im Vergleich zu diesen „best-practice“-Unternehmen aufgedeckt. Im zweiten Schritt folgt eine qualitative Analyse der Gründe für die aufgedeckte Leistungslücke. Das Benchmarking ist dabei als ein systematischer, stufenweiser Informationsgewinnungsprozess zu verstehen, dessen Ziel die Realisierung von Leistungsverbesserungen ist. Generell ist zu berücksichtigen, dass die externen Ideenquellen i. d. R. auch den Konkurrenten zugänglich sind, d. h. es lassen sich in diesem Bereich nur bedingt Informationsvorteile gegenüber der Konkurrenz erzielen. Deshalb gilt es, die internen Quellen der Ideengewinnung intensiv zu nutzen und gezielt weiterzuentwickeln. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei die unternehmensweite Kommunikation der hohen Bedeutung von Innovationsideen aller Mitarbeiter für den langfristigen Unternehmenserfolg. Damit es nicht bei einem Appell bleibt, sind die Anreizsysteme und Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter innovationsfördernd zu gestalten. Ohne gezielte Suchaktivitäten einzuleiten können bspw. Anregungen des Verkaufsaußen- und Kundendienstes für die Neuproduktplanung wesentliche Hinweise geben. Um das Innovationspotenzial des gesamten Unternehmens
3
Produktinnovation
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zu aktivieren und zu kanalisieren, sollten ein betriebliches Vorschlagswesen eingerichtet und Ideenwettbewerbe durchgeführt werden (vgl. Kesten 1996, S. 653 ff.) Um zu innovativen Problemlösungen zu gelangen ist es notwendig, sich von einer reinen Ideensammlung zu lösen und ergänzend eine Ideenproduktion durch kreative Denkprozesse einzuleiten. Kreativität beinhaltet spezielle Problemlösungsprozesse, die durch Neuheit, Unkonventionalität und schlecht definierte Problemstellungen gekennzeichnet sind. Aufbauend auf einer Analyse dieser Prozesse wurden verschiedene Verfahren entwickelt, die zur Generierung von Produktideen einsetzbar sind (vgl. Sikora 2001, S. 182 ff.; Geschka und Lantelme 2011, S. 281 ff.). Entsprechend der Art ihrer Vorgehensweise lassen sich diskursive und intuitive Verfahren unterscheiden. Zu den diskursiven oder systematisch-analytischen Methoden zählen Fragenkataloge, Checklisten, Funktionsanalysen, Morphologie sowie Methoden der systematischen Konfrontation. Durch die Anwendung von Fragenkatalogen, Checklisten oder Funktionsanalysen wird versucht, zu neuen Produktideen zu gelangen, indem man einzelne Eigenschaften oder Funktionen bestehender Produkte systematisch verändert. Tab. 5 zeigt beispielhaft die Anwendung einer Funktionsanalyse. Als neues Produkt käme in diesem Falle z. B. ein Spezialklebemittel in Frage. Das besondere Problem dieser Vorgehensweise liegt in der Abhängigkeit der neuen Lösungen von der Qualität der bereits bestehenden Produkte. So ist z. B. denkbar, dass mögliche Produkteigenschaften oder -funktionen nicht erfasst werden, da sie bei den bestehenden Produkten nicht auftreten. Eine Ausweitung des Spektrums potenzieller Problemlösungen ermöglicht die morphologische Analyse (vgl. Zwicky 1989, S. 44 ff.; Knieß 2006, S. 125 ff.). Sie verlangt die Vollständigkeit der Lösungen eines vorgegebenen Problems. Durch diese Forderung wird allerdings die Handhabung der Methode wesentlich eingeschränkt.
Tab. 5 Funktionsanalyse im Bereich Verbindung
Funktionen/Eigenschaften
Nicht lösbar
Produkt Schrauben –
Nieten x
Neues Produkt x
Lösbar und arretierbar
x
–
–
Lösbar, nicht arretierbar
–
–
–
Zusammenhalten
x
x
x
Klammern
–
–
–
Fixieren
x
–
x
Sichern
x
–
–
Dichten
x
–
x
Zieren
–
x
–
Maschinell verarbeitbar
x
x
x
Geringes Gewicht
–
–
x
424
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Methodisch ist bei der morphologischen Analyse zunächst in sehr allgemeiner Form das Grundproblem zu beschreiben. Danach wird das Grundproblem in einzelne Merkmale bzw. Teile aufgespalten. Im dritten Schritt werden dann für jedes Merkmal des Grundproblems mögliche Lösungsansätze zusammengestellt. Bei dieser Generierung von Lösungsansätzen für Teilprobleme kann auf intuitive Verfahren zurückgegriffen werden. Im letzten Schritt werden die Einzellösungen für jedes Teilproblem neu kombiniert. Alle diskursiven Verfahren orientieren sich bei der Ableitung von Neuprodukten an Eigenschaften oder Funktionen existierender Produkte und lassen die Wünsche und Bedürfnisse der Nachfrager zum großen Teil unbeachtet. Eine stärkere Orientierung an diesen Wünschen und Bedürfnissen bietet die Anwendung der Positionierungsanalyse. Abb. 13 zeigt eine Positionierungsanalyse für den deutschen Versicherungsmarkt. Diese wurde mit der Methode der dreidimensionalen Skalierung durchgeführt. Die drei wichtigsten Kaufentscheidungskriterien sind dabei die Servicequalität, das Preisniveau und die Unternehmensgröße. Hier zeigt sich eine Positionierungslücke, die durch Serviceinnovationen erfolgreich geschlossen werden könnte (vgl. Recke 2010, S. 378 ff.). Dabei muss
Unternehmensgröße
Preisniveau
E
B
L K J D
G
Q
A H
C I
M
O
F
N Servicequalität
P
Abb. 13 Reales, anonymisiertes Positionierungsmodell auf Basis einer multidimensionalen Skalierung in der Versicherungsbranche (Quelle: Recke 2010, S. 379)
3
Produktinnovation
425
beachtet werden, dass dieses Verfahren nicht in allen Produktkategorien zu gleich guten Ergebnissen führt, da ggf. kein handhabbarer Positionierungsraum gebildet werden kann. Dieses Problem tritt vor allem bei Neuprodukten mit einem hohen Innovationsgrad auf. Zur Ideengenerierung für bestehende Märkte kann die Positionierungsanalyse jedoch gut eingesetzt werden (vgl. Kap. 4). Dies trifft vor allem auf solche Märkte zu, in denen das Marketing-Know-how der meisten Anbieter schwach ausgeprägt ist. Auch der Kundenaktivitätenzyklus („Customer Activity Cycle“) stellt die Bedürfnisse des Nachfragers stärker in den Mittelpunkt. Der Kundenaktivitätszyklus dient der Identifizierung von sog. Wertlücken („Value Gaps“), die Potenzial für die Entwicklung neuer Produkte bieten (vgl. Vandermerwe 2000, S. 31). Den Ausgangspunkt der Analyse bildet ein vorab zu definierendes Nachfragerbedürfnis (z. B. Nachfrager möchte zu Hause einen Espresso trinken). Darauf aufbauend werden die einzelnen zur Bedürfnisbefriedigung erforderlichen Kundenaktivitäten aufgelistet (Wasser in Maschine füllen, Bohnen mahlen, Pulver in Maschine füllen etc.). Zur besseren Identifizierung, Strukturierung und Bewertung von potenziellen Produktideen werden dabei die Kundenaktivitäten drei verschiedenen Phasen des Kundenerlebnisses mit dem Produkt zugeordnet (vgl. Abb. 14). Jede Unterbrechung der Kundenaktivitäten stellt dabei eine potenzielle Wertlücke dar (z. B. müssen erst die Bohnen gemahlen werden, bevor sie in die Maschine gefüllt werden können), die den Prozess der Bedürfnisbefriedigung erschwert. Auf dieser Grundlage besteht das Ziel darin, Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die dazu beitragen, die Wertlücken zu verkleinern oder gar vollständig zu schließen (wie z. B. eine Nespresso-Kapsel die Wertlücke zwischen „Bohnen mahlen“ und „Pulver in Maschine füllen“ schließt). Die Lösungsvorschläge können schließlich in einem letzten Schritt einzeln oder in Kombina-
Post-Phase
Pre-Phase
„Der Kunde nutzt
„Der Kunde
und bearbeitet
entscheidet, was
das Ergebnis.“
er tun will.“
During-Phase „Der Kunde ist in der Ausführung seiner Kernaktivitäten.“ = Kundenaktivitäten
Abb. 14 Kundenaktivitätszyklus (Customer Activity Cycle) (Quelle: In Anlehnung an Vandermerwe 2000, S. 31)
426
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
tion in eine konkrete Produktidee überführt werden (vgl. Vandermerwe 1993, S. 51, 2000, S. 32). Die intuitiven Verfahren wie Brainstorming und Synektik sowie diesen verwandte Verfahren basieren auf spontan-kreativen Eingebungen aus dem Unterbewusstsein. Die Ideenproduktion erfolgt i. d. R. als gruppendynamischer Prozess, um so das Kreativpotenzial jedes einzelnen Teilnehmers besser ausschöpfen zu können. Dabei muss insbesondere darauf geachtet werden, dass Ideen nicht aufgrund kritischer Äußerungen innerhalb der Gruppe unterdrückt werden. Ähnlich wie bei den diskursiven Verfahren ist bei den intuitiven Verfahren neben einer Ausrichtung auf neue Produktmerkmale und -funktionen auch eine käufer- bzw. marktorientierte Durchführung der Verfahren denkbar, indem z. B. neue Kaufverhaltenstrends zum Ausgangspunkt einer Brainstorming-Sitzung gemacht werden. Unter der auf Osborn (1963) zurückgehenden Methode des Brainstormings versteht man die Aktivierung der vollen Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns. Ziel ist die Generierung möglichst vieler, auch nicht im Zusammenhang stehender Ideen. Für den erfolgreichen Ablauf einer Brainstorming-Sitzung gelten eine Reihe von Regeln wie bspw. begrenzte Gruppengröße, kommentarlose Äußerungen der Teilnehmer etc. Dadurch wird ein Enthemmungseffekt erzielt, der die Scheu vor zunächst besonders ausgefallenen Produktvorschlägen nimmt. Eng verwandt mit dem Brainstorming sind Methoden des Brainwritings. Die bekannteste davon ist die 635-Methode. Dabei werden sechs Teilnehmer gebeten, drei Produktideen zu notieren, die dann fünfmal weitergereicht und jeweils weiterentwickelt werden. Wesentliche Vorteile dieser Methode sind die Möglichkeiten, Ideen ohne Kritik zu äußern, und die Tatsache, dass kein Teilnehmer sich in den Vordergrund drängen kann. Nachteilig wirken sich hingegen die begrenzten Möglichkeiten der Ideenfindung durch die vorgegebenen Regeln aus (vgl. Bruhn und Hadwich 2006, S. 218 f.). Die Synektik wurde von Gordon (1961) entwickelt und ist die – bezüglich Anwendungskosten und Neuigkeitsgrad der produzierten Ideen – anspruchsvollste Methode. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass Erfindungen auf der Bildung von Analogien beruhen. Synektik bedeutet ein Zusammenführen verschiedener und augenscheinlich nicht zusammenpassender Elemente durch bewusste Simulation der sonst im Unterbewusstsein ablaufenden kreativen Prozesse. Das zentrale Prinzip hierbei ist die systematische Verfremdung des Problems bspw. durch eine direkte Analogie, d. h. Übertragung des Problems („schnelle und effiziente Fortbewegung im Wasser“) auf die Biologie („Schwimmhäute zwischen den Extremitäten“). Eine Übersicht über die Anwendung verschiedener Techniken gibt Tab. 6. Empirische Studien, die der Frage nachgegangen sind, wie die Ideengewinnungsphase bei erfolgreichen Produktinnovationen abgelaufen ist, kommen zu dem Schluss, dass in der Mehrzahl der Fälle die ersten Anregungen bzw. die Idee zur Neuproduktentwicklung aus dem Markt kam. Dauerhafte Innovationserfolge gelingen seltener den sehr stark F&E-orientierten Unternehmen als vielmehr denjenigen, die aufgrund ihrer genauen Kenntnis der Nachfragerbedürfnisse neue, ggf. auch unternehmensexterne, technische Entwicklungen schnell in neue Produktideen umzusetzen verstehen.
Besondere Kennzeichen der Vorgehensweise
Komplexität der möglichen Problemlösungen Gruppenzusammensetzung und Ablauf
Reifegrad der Ideen
Allgemeine Charakteristik
Gruppe mit vier bis sieben Teilnehmern, möglichst fachlich heterogen besetzt; qualifizierter Leiter und Protokollant erforderlich; Dauer ca. 15–60 min Keine vorschnelle Kritik während der Ideenproduktion; freies assoziatives Wechselspiel der Gedanken in der Gruppe; Vermeidung sozialer Spannungen; Ziel: Große Ideenzahl, aus der sich qualitativ brauchbare Lösungen ergeben
Gruppe mit fünf bis sieben Teilnehmern, die in Synektik geschult sein sollten; qualifizierter Leiter und Wandtafel erforderlich; Dauer ca. zwei Stunden Intensives Vertrautmachen mit der Problemstellung; Verfremdung des ursprünglichen Problems mit Hilfe von Analogien aus anderen Bereichen; Rückverknüpfung mit Ausgangsproblem verspricht Anhaltspunkte für neuartige Problemlösungen
Durchspielen aller im Morphologischen Kasten (bzw. in der Matrix) enthaltenen Merkmalskombinationen; Anhand problembezogener Bewertungsmaßstäbe werden sinnvolle Lösungsmöglichkeiten ermittelt
Beliebig; evtl. auch einzelne Person; Untergliederung einer Gesamtlösung in mehrere Parameter mit unterschiedlichen Ausprägungen (Teillösungen)
Brainstorming (Osborn 1963) Synektik (Gordon 1961) Morphologische Analyse (Zwicky 1989) Techniken zur intuitiven Ideengewinnung; Hervorbringen von VorMethode zur diskursiven Ideengewinnung schlägen bzw. Problemlösungen durch freies Assoziieren bzw. (neuartige Kombination vorhandener InformaAnalogiebildung tionen) Erste Anregungen Vollständige, eventuell auch phyRelativ vollständiges gedankliches Modell sisch-konstruktive Problemlösung Relativ gering Auch für technisch sehr komplizierte Probleme geeignet
Tab. 6 Vergleichende Übersicht ausgewählter Kreativitätstechniken (Quelle: Uebele 1988, S. 779)
3 Produktinnovation 427
428
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
In diesem Zusammenhang hat vor allem die möglichst kontinuierliche Interaktion mit „lead-usern“ und die Einbeziehung von Nachfragern in den Innovationsprozess an Bedeutung gewonnen (vgl. Reichwald und Piller 2009, S. 159 ff.). Einen besonders aussagekräftigen Zugang zu „lead usern“ stellen Communities dar. Eine Community ist durch eine extrem intensive psychologische Bindung zu einer Marke und ihren Produkten gekennzeichnet. Ein wesentlicher Teil des Selbstverständnisses einer Community speist sich aus dem Bewusstsein des einzelnen Mitglieds, durch die Nutzung der Marke etwas Fundamentales gemeinsam zu haben (vgl. Schögel et al. 2005, S. 2 ff.). Aufgrund dieser engen Bindung verfügen die Mitglieder einer Community über ein weitreichendes fachliches Produktwissen, was sie in den Augen anderer Verwender zu Meinungsführern und Experten werden lässt. Dieses Ansehen wird verstärkt durch die Tatsache, dass Communities in regem Austausch mit anderen stehen. Dadurch können sie virale Effekte auslösen, die eine äußerst starke Multiplikatorwirkung haben (vgl. Abschn. 4.3.2 in Kap. 8). Diese Eigenschaften können sich Unternehmen bei der Neuproduktentwicklung zu Nutze machen. Durch den Dialog mit Communities können fundierte Anregungen und Wünsche sehr frühzeitig aufgenommen und in neue Produktideen umgesetzt werden. Da sich Community-Mitglieder dadurch auszeichnen, dass sie ihre eigenen Produktverbesserungen und -wünsche gerne selbst umsetzen und zudem über die Innovationstätigkeiten der anderen Mitglieder bestens informiert sind, sind sie oft sehr ergiebige Quellen für Produktideen. Durch die neuen Medien wird der Zugang zu und der Dialog mit den Communities heute erheblich vereinfacht. Allerdings ist die Autonomie der Communities zu respektieren. Für ein Unternehmen besteht hier die größte Gefahr darin, eine Community zu stark zu manipulieren. Durch diese Manipulation und Einflussnahme können sich Communities schnell vom Unternehmen abwenden. Diese negative Einstellung wird die Community nach außen kommunizieren, sodass die dann negativ wirkenden viralen Effekte dem Unternehmen erheblich schaden können (vgl. Bilgram et al. 2008, S. 419 ff.).
3.3.2 Prüfung von Neuproduktideen Der Stufe der Ideengewinnung folgt die Prüfung der Ideen hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit den Unternehmenszielen. Ziel dieser Phase ist die Minimierung des Misserfolgrisikos. Darüber hinaus wird eine schnelle Konzentration der eigenen Ressourcen angestrebt, indem nicht Erfolg versprechend erscheinende Ideen in einem möglichst frühen Stadium ausgesondert werden (vgl. Brockhoff 1996, S. 123 ff.; Vahs und Brem 2013, S. 312 ff.; Kerka et al. 2006, S. 3). Als effizientes Auswahlverfahren hat sich ein dreistufiges Modell, bestehend aus Grob- und Feinauswahl mit anschließender Wirtschaftlichkeitsanalyse, bewährt. In jedem Schritt stehen mehrere Methoden zur Verfügung, die in Abb. 15 aufgeführt sind. Bei der Prüfung von Neuproduktideen können zwei Arten von Fehlern auftreten (vgl. Cravens et al. 1986, S. 344). Bei Ablehnungsfehlern (˛-Fehler) wird eine Produktidee abgelehnt, die sich bei Wettbewerbern später als großer Erfolg herausstellt. Der Annahmefehler (ˇ-Fehler) besteht demgegenüber darin, eine sich später als Misserfolg herausstellende Produktidee in der Phase der Ideenprüfung nicht auszusondern.
3
Produktinnovation
429
Grobauswahl („Screening“)
Checklisten
Fragebögen
Scoring-Modelle
Feinauswahl
ConjointAnalyse
Quality Function Deployment
Virtuelle Verfahren
Wirtschaftlichkeitsanalyse
Break-EvenAnalyse
Amortisationsmethode
Kapitalwertmethode
Abb. 15 Auswahlverfahren der Ideenprüfung
Bevor die Grob- oder Vorauswahl (screening) beginnt, werden die Neuproduktideen gedanklich zu geschlossenen Produktkonzepten vervollständigt. Die Grobauswahl dient in erster Linie dazu, nicht Erfolg versprechende Produktideen möglichst früh auszusondern. Fragenkataloge oder Checklisten sind ein hierfür geeignetes Mittel. Der Produktvorschlag muss Mindestanforderungen in Bezug auf bspw. Erfolgsaussichten, Entwicklungszeit, Entwicklungskosten, Langfristigkeit des Bedarfes oder Umsatzwachstum erfüllen und vor allem aus der Sicht der Nachfrager signifikante Produktvorteile bieten. Bei einer ausschließlichen Orientierung an Mindestanforderungen können allerdings Produktideen aufgrund eines einzelnen Kriteriums ausgeschlossen werden, obwohl sie insgesamt Erfolg versprechend sind. Dies ist z. B. bei Produktideen mit sehr hohen Entwicklungskosten möglich, die trotz langfristig ausgezeichneter Gewinnaussichten ausgesondert werden. Es ist daher sinnvoll, in solchen Fällen eine interne Gewichtung der Kriterien vorzunehmen oder den Grobauswahlprozess in mehrere Stufen zu zerlegen.
430
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Diese Forderung wird bei Punktbewertungsmodellen (Scoring-Modellen) verwirklicht. Durch eine multiplikative Verknüpfung jedes Teilfaktors mit einem Wahrscheinlichkeitskoeffizienten wird der Erwartungswert des Teilfaktors errechnet. Die Teilfaktoren werden entsprechend ihrer Bedeutung gewichtet und zu Hauptfaktoren verdichtet. Diese Hauptfaktoren werden nochmals gewichtet und zu einem Gesamtpunktwert eines Produktkonzeptes addiert. Die Probleme bei diesen Verfahren liegen in der Auswahl und der Gewichtung der Kriterien. Beispielhaft ist das Bewertungsmodell des Institutes für angewandte Innovationsforschung in Abb. 16 dargestellt. Die Feinauswahl setzt eine Auswahl und Konkretisierung der gewünschten Eigenschaften von Neuprodukten voraus. Dazu wird neben dem Quality Function Deployment vor allem auf die Conjoint-Analyse zurückgegriffen. Zusätzlich haben sich aufgrund der Möglichkeiten neuer Kommunikationstechnologien virtuelle Verfahren etabliert. Das Quality Function Deployment (QFD) ist ein Verfahren, bei dem Nachfrageranforderungen hinsichtlich der Funktion und Qualität einzelner Produktkomponenten in konkrete Konstruktionsmerkmale übersetzt werden (vgl. Akao 1992, S. 17; Bliss 2000, S. 233; Kamiske et al. 1994, S. 183). Kundenanforderungen an einen Pkw könnten z. B. hohe Laufruhe des Motors, komfortable Fahrwerksabstimmung oder hochwertige Innenausstattung sein. Die Übersetzung in konkrete technische Merkmale könnte dann zu der Festlegung auf eine bestimmte Zylinderzahl des Motors, eine besondere Art der Radaufhängung oder zu spezifischen Bezugsstoffen der Sitze führen. Den Ausgangspunkt bilden dabei die aus Nachfragersicht wichtigen Funktionen und Komponenten eines Produktes und deren spezifische Ausprägungen. Bei der Konkretisierung von Neuproduktideen erweist sich das QFD jedoch insofern als problematisch, als dass keine methodische Unterstützung bei der Gewichtung der einzelnen Produktkomponenten nach deren Relevanz für die finale Kaufentscheidung geleistet wird. Dieses Defizit kann durch eine ConjointAnalyse behoben werden. Herausragender Vorteil der auf Luce und Tuckey (1964) zurückgehenden ConjointAnalyse ist die valide Abbildung von Kauf- bzw. Auswahlentscheidungen der Nachfrager. Der in einer Kaufsituation auftretende Trade-off, d. h. die bewusste Präferenzabwägung zwischen unterschiedlichen Produktkomponenten, wird durch die Conjoint-Analyse realitätsnah abgebildet. Dabei werden der vom Befragten wahrgenommene Gesamtnutzen des Produktes und der Teilnutzen, den jede Komponente eines Neuproduktes zum Gesamtnutzen beiträgt, ermittelt. Die Analyse soll in diesem Zusammenhang die Frage beantworten, wie eine Neuproduktidee im Hinblick auf die Bedürfnisse der potenziellen Kunden optimal auszugestalten ist. Erfolgskritisch ist dabei die Auswahl der hinsichtlich ihres Nutzenbeitrags zu überprüfenden Produktkomponenten und ihrer optimalen Ausprägungen. Vor allem bei sehr innovativen Produktideen ist es häufig sehr schwierig festzulegen, welche Produktkomponenten und Ausprägungen später die für die Nachfrager wichtigsten Kaufentscheidungskriterien sein werden. Darüber hinaus wird bei sehr innovativen Neuprodukten das Vorstellungsvermögen der Nachfrager bezüglich ihrer zukünftigen Kaufentscheidungskriterien und ihres Nutzungsverhaltens überfordert. Zudem können symbolisch-emotionale und situative Einflussfaktoren des Kaufverhaltens
Hoch (4)
NormalpreisniNiedrigpreisniveau (kalkulierveau (geringer barer DeckungsDeckungsbeitrag) beitrag) Geringe Abnahme
Dumpingpreise (vermutlich unter Kostengrenze) Erhebliche Abnahme
Sehr groß
Aktuelles Preisniveau im Zielmarkt
Marktwachstum
Konkurrenzintensität (Anbietermarktmacht)
Exklusivität
Viele Abnehmer aus wenigen Branchen
Nachahmung teuer
Nachahmung leicht und billig möglich
Gering
Behindert den Absatz eigener Produkte
Geringe weitere Verwertungsmög- Durchschnittlich lichkeiten
Nicht vorhanden
Sehr gering (schnelle Veralterung zu erwarten) Verringert den Absatz eigener Produkte erheblich Keine absehbaren Verwertungsmöglichkeiten in Folgeprojekten
Nachhaltigkeit
Einfluss auf andere Produkte unseres Unternehmens
Zukunftspotenzial („LeverageEffekt“)
Kein Einfluss
Durchschnittlich
Durchschnittlich
Groß
Konstant
Wichtiger Einstieg in neues Kompetenzfeld
Unterstützt den Absatz eigener Produkte
Sehr wichtiger Know-howAufbau für die Zukunft
Steigert den Absatz eigener Produkte erheblich
Sehr groß (mittelfristig keine neuen Lösungen zu erwarten)
Nachahmung mittelfristig nicht möglich (Patentschutz) Nachahmung schwierig und teuer
Groß
Sehr gering (aktuell keine bedeutsame Konkurrenz)
Starke Zunahme
Hochpreisniveau (sehr gute Deckungsbeiträge)
Sehr hohe Abnahmemengen
Viele Abnehmer aus diversen Branchen
Werblich sehr bedeutsame überlegene Produkteigenschaften
Sehr hoch (5)
Gering
Geringe Zunahme
Preise mit Spielraum (gute Deckungsbeiträge)
Durchschnittliche Hohe AbnahmeAbnahmemengen mengen
Geringe Abnahmemengen
Sehr geringe Abnahmemengen
Überschaubare Abnehmeranzahl
Werblich bedeutEinige überlegene same überlegene ProdukteigenProdukteigenschaften schaften
Durchschnittlich (3)
Nachfragevolumen
Gleichwertig mit Konkurrenzprodukten (me too)
Gering (2)
Wenige spezialisierte Anwender
Konkurrenzprodukten unterlegen
Sehr gering (1)
Erfolgspotenzial
Extraanfertigung Marktgröße (Anzahl potenziel- für einzelnen Anwender ler Kunden)
Konkurrenz-/ Marktfähigkeit
Bestimmungsgrößen für das Erfolgspotenzial (1) – (5)
Gesamt
Gewichtung %
Gesamt
3 Produktinnovation 431
Abb. 16 Punktbewertungsmodell des Institutes für angewandte Innovationsforschung zur Abschätzung des Erfolgspotenzials einer Innovation (Quelle: Kerka et al. 2006, S. 21)
432
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
nur sehr eingeschränkt erfasst werden. Gerade symbolisch-emotionale, von den technischfunktionalen Merkmalen des Produktes losgelöste Markeneigenschaften sind heute jedoch in vielen Märkten für die Kaufentscheidungen der Nachfrager von sehr hoher Bedeutung und können mittels einer Conjoint-Analyse oft nicht valide erfasst werden. Virtuelle Auswahlverfahren basieren auf dem Internet als Kommunikationsmedium. An der MIT Sloan School of Management wurden folgende Erfolg versprechende Verfahren zur Auswahl von Produktideen systematisiert (vgl. Dannenberg und Barthel 2004, S. 334 ff.): Web-Based Conjoint Analysis: Entspricht im Wesentlichen dem Ablauf einer herkömmlichen Conjoint-Analyse, nur dass der Fragebogen über das Internet auszufüllen ist. Fast Polyhedral Adaptive Conjoint Estimation: Es werden Paarvergleiche zwischen verschiedenen Produktprofilen vom Nachfrager durchgeführt. Auf Basis dieser Vergleiche werden Nutzenpräferenzen abgeleitet. Der Vorteil gegenüber einer herkömmlichen Conjoint-Analyse besteht darin, dass die Abfrage weniger komplex und zeitaufwändig ist. User Design: Mithilfe eines internetbasierten Produktkonfigurators können Nachfrager ihr Idealprodukt zusammenstellen. Abhängig vom Entwicklungsstatus der Produktidee können die Bausteine völlig, teilweise oder gar nicht standardisiert sein. In Abhängigkeit von der Reihenfolge der Auswahl können Rückschlüsse auf die Präferenz gezogen werden. Virtual Concept Testing: Dem Nachfrager wird ein Produktkonzept multimedial aufbereitet vorgestellt, das er bewerten soll. Vorteil dieser Methode ist die Möglichkeit, Konzepte darzustellen, die sich in der Realität nur schwer oder mit sehr großem Aufwand umsetzen lassen, z. B. der Innenraum eines Großraumflugzeuges. Bei der Abschätzung der Produktentwicklungsaufwendungen, die bis zum Zeitpunkt der Markteinführung anfallen, wird davon ausgegangen, dass die Kosten mit zunehmendem Entwicklungsfortschritt exponentiell ansteigen. Dies macht eine möglichst schnelle Aussonderung wenig Erfolg versprechender F&E-Projekte erforderlich. In diesem Zusammenhang konnte nachgewiesen werden, dass eine Verschlechterung der Wahrscheinlichkeit des technischen Erfolges oder des Markterfolges während der Entwicklungsphase eines Neuproduktes ein gutes Prüfkriterium für eine Abbruchentscheidung hinsichtlich der Weiterentwicklung des entsprechenden Produktkonzeptes ist (vgl. Tab. 7). Ohne eine konkrete Festlegung der Produktspezifikationen ist eine Prognose der insgesamt anfallenden Aufwendungen für die Forschung und Entwicklung sowie die Produktions- und Absatzvorbereitung nicht möglich. Die Konkretisierung der Produktmerkmale und die Entwicklung erster Prototypen ist somit meist die notwendige Voraussetzung einer validen Wirtschaftlichkeitsanalyse. Dabei ist jedoch der Trade-off zwischen einer exakten und zeitaufwendigen Konzeptkonkretisierung und -überprüfung
3
Produktinnovation
433
Tab. 7 Grobes Prüfprogramm für die Entscheidung über die Weiterführung von Entwicklungsprojekten (Quelle: Brockhoff 1993, S. 660)
Wahrscheinlichkeit des Markterfolges gegenüber dem letzten Prüfungszeitpunkt verschlechtert?
Ja
Wahrscheinlichkeit des technischen Erfolges gegenüber dem letzten Prüfungszeitpunkt verschlechtert? Ja Nein Abbruch Zurückstellen
Nein
Weiterprüfen
Fortführen
auf der einen Seite und der Notwendigkeit zur schnellen Markteinführung auf der anderen Seite zu beachten. Bei einem verspäteten Markteintritt steigt das Risiko, nicht mehr in ausreichendem Maße Gewinne zur Refinanzierung der getätigten F&E-Ausgaben erwirtschaften zu können. Die für Wirtschaftlichkeitsanalysen eingesetzten Modelle reichen von einfachen Break-Even-Analysen über Investitionsrechnungsmodelle bis hin zu dynamischen, mehrstufigen Entscheidungskalkülen. Ein verbreiteter Ansatz zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit einer Neuproduktkonzeption ist die Break-Even-Analyse oder die Bestimmung der Gewinnschwelle (vgl. u. a. Coenenberg et al. 2016, S. 325 f). Die Break-Even-Menge ist diejenige Absatzmenge, die zur Deckung aller Kosten, die mit der Entwicklung des Produktes und dessen Absatz anfallen, notwendig ist. Die kumulierten Deckungsbeiträge decken am Break-Even-Punkt gerade die kumulierten Fixkosten (vgl. Abb. 17).
U KG Kf
xB x U KG Kf p kv G
Break-Even-Menge Absatzmenge Umsatz Gesamtkosten Fixkosten Stückerlös Variable Stückkosten Gewinn
U=p.x
KG = Kf + kv . x
G
Kf
xB
Abb. 17 Graphische Darstellung der Break-Even-Analyse
xi
x
434
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Der so ermittelte Break-Even-Absatz ist mit der erwarteten Absatzmenge des Neuproduktes xi zu vergleichen. Dabei gilt folgende Entscheidungsregel: Xi > XB Produkteinführung Xi < XB Produktablehnung Eine solche statische Betrachtung vernachlässigt einige wesentliche Aspekte. Zum einen wird bei der Break-Even-Analyse von einem zeitlich konstanten Preis ausgegangen, wobei die konkrete Preisstrategie zur Produkteinführung vernachlässigt wird. Zum anderen geht die Break-Even-Analyse von konstanten variablen Kosten und konstanten Fixkosten aus. Kostensenkungen aufgrund von Erfahrungskurveneffekten oder Economies of Scale werden nicht berücksichtigt. Ferner gehen Konkurrenzreaktionen nicht explizit in die Break-Even-Analyse ein. Die Bestimmung der Amortisationsperiode kann einzelne Schwächen der statischen Break-Even-Analyse beseitigen. Als Amortisationsperiode gilt diejenige Zeit, in der die kumulierten Fixkosten der Neuproduktentwicklung und Markteinführung durch die kumulierten Deckungsbeiträge gedeckt werden. M X tD1
Kf D
M X
.p Kv /Xt
tD1
mit: Kf M xt t kv p
= Fixkosten der Periode t (inkl. Kosten der Neuproduktentwicklung) = Amortisationsdauer in Jahren = Absatz in der Periode t = Index der Perioden = Variable Stückkosten = Stückerlös
Als Entscheidungskriterium für die Einführung gilt die erwartete Lebensdauer (N) des Neuproduktes N > M Einführung N < M Ablehnung Dieser Ansatz berücksichtigt zwar zeitliche Veränderungen der Fixkosten, aber die Preise und variablen Kosten werden immer noch als konstant unterstellt, d. h. Preisveränderungen als Element von Marketingstrategien werden nicht berücksichtigt. Zeitliche Unterschiede in den Zahlungen werden ebenfalls nicht erfasst, es fehlt eine entsprechende Verzinsung der Zahlungsreihen. Außerdem werden die Datenunsicherheit und das damit verbundene Risiko nicht explizit betrachtet.
3
Produktinnovation
435
Zur Berücksichtigung dieser Probleme bieten sich umfassende, dynamische Investitionsverfahren wie z. B. die Kapitalwertmethode, die interne Zinsfußmethode oder die Annuitätenmethode an. Die Unsicherheit lässt sich bei solchen Modellen durch Risikozuschläge auf den Zinssatz, durch Sensitivitätsanalysen oder die Aufstellung einer Risikopräferenzfunktion basierend auf dem Bayes- oder Bernoulli-Prinzip berücksichtigen (vgl. Perridon und Steiner 2012, S. 52 ff.). Ein wesentlicher Kritikpunkt am Einsatz dieser Methoden ist die Quantifizierung der Zahlungsreihen, die ohne erheblichen Aufwand i. d. R. nicht möglich ist. Beispielhaft soll eine solche Investitionsrechnung mithilfe der Kapitalwertmethode dargestellt werden. Die Unsicherheit wird durch Risikoaufschläge berücksichtigt. Der Kapitalwert ist definiert als: C0 D A0 C
T X
dt .1 C i/t
tD1
unter Einbeziehung des Risikos CR0 D A0 C
T X
dt .1 C i C r/t
tD1
mit: A0 dt i r T
= Forschungs- und Entwicklungskosten, Kosten der Markteinführung = Ein-/Auszahlungsüberschuss des Neuproduktes in der Periode t = Kalkulationszuschlag = Risikozuschlag = Produktlebensdauer
Bei der Entscheidung nach der üblichen Kapitalwertmethode würde man sich für das Produktkonzept 3 entscheiden (vgl. Tab. 8). Wird dagegen das unterschiedliche Risiko mitberücksichtigt, muss der Alternative 2 der Vorzug gegeben werden. Ein weiteres Verfahren zur Beurteilung von Neuproduktkonzepten ist die Nutzwertanalyse. Der besondere Vorteil gegenüber den beschriebenen Wirtschaftlichkeitsanalysen besteht in der Bewertung auf der Basis eines Zielsystems, sodass außer dem Gewinn weitere mit Produktinnovationen verfolgte Ziele berücksichtigt werden können. Die besonderen Probleme des Verfahrens liegen in der Aufstellung des Zielprogrammes und der Bewertung der Zielbeiträge der Produktalternativen (vgl. Brockhoff 1999, S. 182 ff.). Hierbei spielt die Antizipation zukünftiger Umwelt- und Marktentwicklungen eine wichtige Rolle. Die Nutzwertanalyse kommt zu keiner optimalen Lösung, sondern aufgrund der subjektiven Präferenzabstufungen zu einer „subjektiv besten Lösung“ des Problems. Der Entscheidungsprozess wird jedoch durch Anwendung des Verfahrens transparenter und insbesondere durch den Einsatz von Software zur Nutzwertanalyse auch besser zu handhaben.
436
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Tab. 8 Beispielrechnung für den Kapitalwert TD5 d1 d2 d3 d4 d5 i r A0 C0 CR0
Produktkonzept 1 35.000 C 37.000 C 39.000 C 40.000 C 40.000 C 10 % 2% 50.000 C 93.855,36 C 86.623,40 C
Produktkonzept 2 42.000 C 42.000 C 40.000 C 38.000 C 35.000 C 10 % 0% 60.000 C 90.631,91 C 90.631,91 C
Produktkonzept 3 80.000 C 85.000 C 89.000 C 94.000 C 100.000 C 10 % 10 % 200.000 C 136.137,62 C 68.779,23 C
3.3.3 Realisation von Neuproduktideen Die Hauptaufgaben in dieser Phase sind die Sicherung des Markterfolges durch geeignete Produktetats sowie die Planung der Markteinführung. Es sind Entscheidungen über konkrete Gestaltungsmaßnahmen wie Farbabstimmung, Verpackungsgrößen etc. zu treffen. Dazu reichen i. d. R. die Urteile und Einschätzungen von Experten nicht aus. In diesem Stadium des Innovationsmanagements sind Produkttests erforderlich, um detaillierte Informationen über die Akzeptanz des Neuproduktes bei den Nachfragern und Absatzmittlern zu erhalten. Der Produkttest im engeren Sinne beinhaltet die Überprüfung der Anmutungs- und Verwendungseigenschaften von Produkten, die noch nicht am Markt eingeführt sind. Der Test soll klären, ob das Neuprodukt auf dem Markt bestehen kann. Dabei wird die subjektive Wirkung des Produktes oder einzelner Komponenten des Produktes (z. B. Farbe, Verpackung, Materialbeschaffenheit) auf bestimmte Testpersonen gemessen. Produkttests, die nach der Markteinführung von Dritten (z. B. Wettbewerber, Warentestorganisationen) initiiert werden, sollen hier nicht näher betrachtet werden (vgl. Abb. 18). Bei Produkttests wird ausgehend von Einstellungen, Präferenzen, Kaufabsichten oder dem beobachteten Produktauswahlverhalten auf den Markterfolg des Neuproduktes geschlossen (vgl. Brockhoff 1999, S. 212 ff.). Man unterscheidet Konzepttests, Partialtests und Volltests. Beim Konzepttest wird die Reaktion auf eine verbale Beschreibung des Produktes oder auf ein Produktmodell getestet, d. h. es wird nicht mit realen Produkten operiert. Demgegenüber ist bei Partial- und Volltests ein reales Produkt Gegenstand der Bewertung. Im Rahmen des Partialtestes werden einzelne Eigenschaften des Produktes, z. B. die Innenraumgestaltung bei Automobilen oder die Gestaltung und Anmutungswirkung der Verpackung von Kosmetika, isoliert getestet. Beim Substitutionsverfahren werden hierzu einzelne Produktmerkmale gegeneinander ausgetauscht, während beim Eliminationsverfahren immer weitere Produktmerkmale gestrichen werden, bis zum Schluss lediglich die „anonymisierte“ Ware mit ihren Grundfunktionen bzw. dem zu erfüllenden Grundnutzen übrig bleibt (Blindtest). Durch Messung der Nachfragerreaktion auf die
3
Produktinnovation
437 Produkttests i.w.S.
durch Dritte, vom Hersteller Unabhängige aus Konkurrenzgründen (zur Beurteilung der objektiven Qualität, zur Überprüfung von Werbeaussagen, als Entwicklungsanregung, usw.)
zum Nutzen von Verbrauchern (Warentests)
mit realen Produkten
hinsichtlich einiger Produkteigenschaften (Partialtest)
durch Austausch einzelner Eigenschaften (Substitutionsverfahren)
wenige Eigenschaften (Eliminationsverfahren i.e.S.)
durch Hersteller (Produkttests i.e.S.)
hinsichtlich aller Produkteigenschaften (Volltest)
unter realen Bedingungen (Feldexperiment)
durch Anonymisierung von Eigenschaften (Eliminationsverfahren i.w.S.)
alle Eigenschaften mit Ausnahme der Produktsubstanz (Blindtest)
mit Produktkonzepten (Konzepttest)
uneingeschränkt in regionalem Gebiet (Markttest)
uneingeschränkt in einigen Geschäften (Storetest)
unter künstlichen Bedingungen (Laborexperiment)
eingeschränkt (Mini-Testmarkt)
simulierte Einkaufssituation (Labortestmarkt)
Testmarktersatzverfahren
Abb. 18 Typologie von Produkttests (Quelle: In Anlehnung an Brockhoff 1999, S. 214)
verschiedenen Varianten lässt sich die absatzpolitische Wirkung der verschiedenen Produktelemente testen. Partialtests können als Einzeltest oder als Paarvergleich nacheinander oder gleichzeitig durchgeführt werden. Außerdem wird zwischen Kurzzeittests, in denen lediglich die ersten Anmutungswirkungen und offenkundige Handhabungsprobleme überprüft werden, und Langzeittests unterschieden. Bei letzteren hat die Testperson Gelegenheit, das Neuprodukt über einen Zeitraum von mehreren Tagen oder Wochen in der vertrauten häuslichen Umgebung probeweise zu verwenden (In-Home-Tests). Der Partialtest ist ein vielseitig verwendbares und zur Überprüfung der Marktchancen neuer Produkte wertvolles Instrument. Dies gilt vor allem dann, wenn er durch Preis- und Werbetests begleitet wird. Die Aussagekraft von Partialtests ist jedoch insoweit zu relativieren, da immer nur ein Teil der für den Markterfolg relevanten Einflussfaktoren überprüft wird. Dieses Defizit wird durch Volltests beseitigt. Beim Volltest wird die Wirkung des vollständigen Produktes einschließlich des produktbezogenen Marketing-Mix (z. B. Botschaftsgestaltung, Preis, Distributionsform, Markierung) untersucht. Die einzelnen Testformen können sowohl unter künstlichen Bedingungen (Laborexperiment) als auch in der Praxis (Feldexperiment) durchgeführt werden. Unter künstlichen Bedingungen spricht man von einem Labortestmarkt. Feldexperimente teilen sich auf in Markt- und Storetests sowie Mini-Testmärkte. Labortestmarkt und Mini-Testmarkt sind sog. Testmarktersatzverfahren. Als Storetest wird der probeweise Verkauf von Produkten unter kontrollierten Bedingungen in einer Reihe ausgewählter Handelsgeschäfte verstanden. Im Mittelpunkt des
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5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Interesses steht die Überprüfung des Nachfragerverhaltens am Point of Sale (PoS) unter realen Bedingungen. Bei einem Markttest handelt es sich demgegenüber um den probeweisen Verkauf von neuen oder modifizierten Produkten unter kontrollierten Bedingungen in einem räumlich abgegrenzten Markt bei Einsatz ausgewählter oder sämtlicher Marketinginstrumente. Hierbei geht es nicht nur um die Abschätzung des Nachfragerverhaltens, sondern um die Überprüfung aller Marketingprozesse. Ein Beispiel für einen guten Markttest stellt der regionale Testmarkt des Unternehmens BONSAI Deutschland dar. Dieser bezieht sich auf das Gebiet des Bundeslandes Bremen, das bezüglich der wichtigsten soziodemographischen Daten ein hohes Ausmaß an Repräsentativität für die Bundesrepublik Deutschland besitzt. Zentraler Vorteil eines Markttest- es ist, dass in einem unverfälschten Umfeld neben dem Produkt sämtliche Marketinginstrumente in ihrer Gesamtheit getestet werden können. Die Tatsache, dass sich die Bremer Bevölkerung über ihren Probandenstatus nicht bewusst ist und die zu testenden Produkte als solche nicht zu erkennen sind, führt zu einer hohen Aussagekraft der BONSAI-Testergebnisse. Mithilfe von Befragungen und Panels werden Informationen bezüglich der Akzeptanz des Produktes erhoben. Die Möglichkeit, das Neuprodukt in allen Absatzkanälen Bremens zu platzieren, lässt Rückschlüsse auf die Akzeptanz des Neuproduktes im Handel zu. Die Kommunikationsstrategie schließlich lässt sich über Testmaßnahmen wie bspw. in das Kabelnetz Bremens eingespeiste TV-Testspots samt deren Effizienzmessung überprüfen. Darüber hinaus sind alle anderen Kommunikationsmittel inklusive Sonderwerbeformen in ihrer Wirkung zur Unterstützung des Abverkaufs des Neuprodukts bei BONSAI einsetzbar. Schließlich lässt sich die Reaktion der Konkurrenz beobachten. Der Markttest zählt somit zu den methodisch am weitesten entwickelten Feldexperimenten. Nachteile eines Markttestes sind die relativ hohen Testkosten und langen Testzeiten. Ein durchschnittlicher Einsatz des BONSAI-Testmarktes in Bremen ist bspw. mit Kosten von 50.000–100.000 C verbunden. Ferner sind mit einem Markttest Risiken wie eine fehlende Geheimhaltung oder eingeschränkte Einflussnahme auf das Testsetting verbunden. Um diese Nachteile zu umgehen, wurden verschiedene Testmarktersatzverfahren entwickelt. Als Testmarktersatzverfahren stehen Mini-Testmärkte und Labortestmärkte zur Verfügung. Beim Mini-Testmarkt (vgl. Berekoven et al. 2009, S. 160 ff.; GfK 2006) werden die Mitglieder eines Panels in einer möglichst realistischen Umfeldsituation hinsichtlich ihrer Neuproduktakzeptanz untersucht. Ziel ist es, über die Ermittlung von Daten wie Erstkauf- und Wiederkaufraten oder durchschnittlicher Kaufmengen pro Haushalt und Periode eine möglichst genaue Prognose über den zu erwartenden Marktanteil des Produktes abzugeben. Ein Beispiel für einen Mini-Testmarkt ist der GfK BEHAVIORSCAN (vgl. Abb. 19) in Haßloch in Baden-Württemberg. Die zu testenden Produkte, die als solche für den Nachfrager grundsätzlich identifizierbar sind, können in einer begrenzten Anzahl von Geschäften angeboten werden, aus deren Käuferkreis die Panelmitglieder gewonnen werden. Mithilfe von Erkennungscodes der Panelmitglieder und Artikelnummern werden die relevanten Informationen über Scan-
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Produktinnovation Testprodukt Distribution, Preis und Platzierung durch GfK
Geschäftsinformationen Verkaufsdaten
439
Testgeschäfte
Verkaufsförderung am POS
Kassen/Scanner
Testrealisation und Kontrolle durch GfK
Haushaltsinformationen Reales Einkaufsverhalten
Single-Source-Daten
Identifikationskarte Klassische Printwerbung TV-Werbung TargetableTV alle relevanten TV-Sender
Verkaufsförderung Mailing/InhomeSampling/Couponing
Repräsentative Testhaushalte 1.000 Haushalte ohne GfK-Box
TV-Reichweiten
2.000 Haushalte mit GfK-Box Teilstichprobe via Modem
Abb. 19 Beispiel eines Mini-Testmarktes „GfK-BEHAVIORSCAN“ (Quelle: GfK 2006)
nerkassen erfasst. Die Panelmitglieder erhalten kostenlos eine Programmzeitschrift, in die Werbeanzeigen für das Testprodukt eingefügt werden können. Darüber hinaus sind auch Einblendungen von Test-Werbespots in das laufende Fernsehprogramm möglich (targetable TV). Hierzu wird parallel das Mediennutzungsverhalten der Panelmitglieder erfasst. Die Testprodukte können den Panelmitgliedern auch über Kataloge oder Verkaufswagen angeboten werden. Durch die Ergänzung des Konsumentenpanels durch ein Handelspanel (GfK RETAILSCAN) können in 15 Einzelhandelsgeschäften im erweiterten Gebiet von Haßloch auch die Abverkäufe, Marktanteil, Regalplatzierung u. a. Parameter gemessen werden, sodass Verbraucher- und Handelsdaten über den Mini-Testmarkt generiert werden. Vorteil des Mini-Testmarktes ist die relativ hohe Aussagekraft der Ergebnisse für Hochrechnungen auf den gesamtdeutschen Markt. Zudem sind gute Kontrollmöglichkeiten der Testsituation gegeben. Nachteilig ist die den Panelmitgliedern bekannte Testsituation, die zu Verzerrungen im Verhalten führen kann. Zudem ist das überprüfbare Marketinginstrumentarium enger als bei Markttests. Schließlich ist auch der hohe Zeit- und Kostenaufwand im Vergleich zu Labortestformen als Nachteil zu erwähnen. Mit Labortestmärkten (vgl. Erichson 2008, S. 985 ff.) werden Daten über ein simuliertes Kaufverhalten gewonnen. Ein Beispiel für einen Labortestmarkt ist TESI der GfK. Es wird versucht, die reale Marktsituation im Labor oder Studio möglichst wirklichkeitsnah nachzubilden. Ziel ist die Prognose des Marktanteiles des neuen Produktes, indem die Phasen der Produktdiffusion in einem künstlichen Setting in kürzerer Zeit als in der Marktrealität durchlaufen werden. Auf Basis der dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen Aussagen über den möglichen Produkterfolg getroffen werden können. Grundsätzlich umfasst der Ablauf eines Labortestmarktes folgende Stufen (vgl. Abb. 20):
440
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen Rekrutierung
Vorkaufinterview Werbesimulation
Labor
Kaufsimulation
Verwendung zu Hause
Nachinterview Labor Kaufsimulation
Planungsdaten
Prognose
Marktdaten
Marktanteil
Abb. 20 Ablaufplan eines Labortestmarktes
1. Anwerbung von Versuchspersonen Es werden in der Regel 300 bis 500 Versuchspersonen ausgewählt, die einen repräsentativen Querschnitt der Zielgruppe bilden. 2. Vorkaufinterviews Die Versuchspersonen werden in ein Teststudio eingeladen und im Rahmen von Vorinterviews über soziodemographische Merkmale sowie Konsumgewohnheiten und Markenpräferenzen für Warengruppen, denen das neue Produkt angehört, sowie über Kaufabsichten befragt. 3. Werbesimulation Die Versuchspersonen werden mit Werbemitteln (z. B. Anzeigen-Folder, Werbefilmen) konfrontiert, in denen für das Testprodukt und Konkurrenzprodukte geworben wird. 4. Kaufsimulation In einem künstlich nachgestellten Supermarkt, wo den Probanden das Testprodukt gemeinsam mit den Konkurrenzprodukten angeboten wird, werden die Versuchspersonen nach Aushändigung eines geringen Geldbetrages zum Einkaufen veranlasst. Es besteht jedoch keine Kaufverpflichtung. Entscheiden sich Versuchspersonen beim Kauf für ein Konkurrenzprodukt, so wird ihnen nach Abschluss des Kauftestes das Testprodukt gratis zur Verfügung gestellt, damit sie Gebrauchserfahrungen mit diesem Produkt machen können.
3
Produktinnovation
441
5. Produktverwendung zu Hause Für einen bestimmten Zeitraum verwenden die Probanden das Produkt in alltäglicher Umgebung. 6. Nachkaufinterviews Je nach Ver- oder Gebrauchsdauer des Testproduktes werden die Versuchspersonen einige Tage oder Wochen nach dem Kauf persönlich oder per Telefon interviewt. Hierbei wird nach der Produktverwendung, -beurteilung und Wiederkaufabsicht gefragt. 7. Kaufsimulation Eine erneute Simulation des Kaufaktes legt die Grundlage zur Erfassung der Wiederkaufs- und Abwanderungsraten. 8. Umsatz- und Marktanteilsprognose Nach Auswertung der Ergebnisse werden unter Einbezug von Planungs- und Marktdaten (wie vom Hersteller erwarteter Distributionsgrad, Werbebudget etc.) mithilfe von Projektionsverfahren Prognosen bezüglich des wirtschaftlichen Erfolges des Produktes erstellt. Eine Bewertung des Labortestmarktes zeigt, dass der Vorteil in der schnellen und kostengünstigen Möglichkeit liegt, den Erfolg eines Produktes abzuschätzen. Zudem ist eine größtmögliche Geheimhaltung vor der Konkurrenz gewährleistet. Nachteilig ist vor allem die eingeschränkte Realitätsnähe aufgrund der Laborsituation. Ein abschließender Vergleich der verschiedenen Testmarktverfahren findet sich in Tab. 9. Im Anschluss an die Durchführung von Markttests bzw. Testmarktersatzverfahren ist eine sorgfältige Auswertung der Testergebnisse vorzunehmen. Die auf dem Testmarkt ermittelten Absatzgrößen sind mit geeigneten Projektionsverfahren auf den Gesamtmarkt hochzurechnen. Abb. 21 zeigt ausgewählte Hochrechnungsverfahren, mit denen die Testergebnisse extrapoliert werden können. Welches der dargestellten Hochrechnungsverfahren bzw. welcher Korrekturfaktor ausgewählt wird, hängt davon ab, inwieweit das Testgebiet dem Gesamtmarkt bzgl. bestimmter Repräsentanzkriterien entspricht und wie genau die Daten zur Ermittlung des Hochrechnungsfaktors sind. Durch den Ansatz eines Korrekturfaktors, der die mangelnde Repräsentanz der Testergebnisse oder saisonale Einflüsse kompensiert, kann die Genauigkeit der Hochrechnungsverfahren erhöht werden. Weiterhin kann eine Zerlegung z. B. des Umsatzes in die Komponenten Preis und Absatzmenge sowie eine weitere Unterteilung dieser Komponenten differenziertere Ansatzpunkte für die Hochrechnung liefern (vgl. Brockhoff 1999, S. 241 ff.). Eine Hochrechnung der Erst- und Wiederkaufraten des Testmarktes auf den Gesamtmarkt zeigt, ob das Produkt langfristig gesehen eine ausreichende Anzahl von Käufern auf sich vereinen kann.
3.3.4 Bedeutung der Verpackungsgestaltung bei Neuprodukten Bei der Entwicklung und Einführung eines neuen Produktes ist auch auf die Ansprüche, die von den verschiedenen Marktteilnehmern an die Verpackung gestellt werden,
442
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Tab. 9 Testmarktalternativen im Vergleich Regionaler Testmarkt (z. B. BONSAI) Durchführungsart Feld Gewinnung von Infor- Konsument mation über Reaktionen Handel Konkurrenz Anwendbar für den Ja Test sämtlicher Marketing-Mix-Instrumente Testdauer Längerer Zeitraum, da die Distributionskanäle erst aufgefüllt werden müssen Kostenaufwand Relativ hoch Kontrollmöglichkeiten Gut, aber Gefahr von Störeinflüssen Möglichkeit der Nicht gegeben Geheimhaltung Prognosemöglichkeiten Hohe externe Validität, da größere Realitätsnähe und umfassende Testprogramme
Mini-Testmarkt (z. B. GfK BEHAVIORSCAN) Feld Konsument
Labor-Testmarkt (z. B. TESI)
Nein
Nein
Kurzer Zeitraum, da keine Distributionsprobleme beim Handel und schnelle Verfügbarkeit der Daten Mittel Hoch; geringe Störeinflüsse Kaum gegeben
Kurzer Zeitraum, da keine Distributionsprobleme beim Handel und schnelle Verfügbarkeit der Daten Gering Sehr hoch; kaum Störeinflüsse Gegeben
Niedrige externe Validität aufgrund der eingeschränkten Realitätsnähe und geringen Repräsentativität
Niedrige/hohe externe Validität. Empirische Untersuchungen zeigen unterschiedliche Ergebnisse
Labor Konsument
zu achten. In der Literatur existiert keine eindeutige Begriffsauffassung zur Verpackung. Verpackung wird als Sammelbegriff für jegliche Art von Umhüllung eines oder mehrerer Produktes verstanden, unabhängig davon, welche Funktion sie erfüllen soll. Der Begriff Packung kennzeichnet die Umhüllung einer einzelnen Produkteinheit, die bis zum endgültigen Verbrauch am Produkt bleibt. Darüber hinaus wird im Zusammenhang mit der Verpackungsverordnung zwischen Transport-, Um- und Verkaufsverpackungen unterschieden. Unter einer Verkaufsverpackung werden Verpackungen verstanden, die als eine Verkaufseinheit angeboten werden und beim Endverbraucher anfallen. Darunter fallen auch Verpackungen, die von Dienstleistern (wie Gastronomie oder Handel) an den Nachfrager übergeben werden. Als Umverpackungen werden Verpackungen bezeichnet, die als zusätzliche Verpackungen zu Verkaufsverpackungen verwendet werden und nicht aus Gründen der Hygiene, der Haltbarkeit oder des Schutzes der Ware vor Beschädigung oder Verschmutzung für die Abgabe an den Endverbraucher erforderlich sind. Transportverpackungen sind Verpackungen, die den Transport von Waren erleichtern, die Waren auf dem Transport vor Schäden bewahren oder die aus Gründen der Sicherheit des Transportes verwendet werden und beim Vertreiber anfallen.
3
Produktinnovation
Umsatz auf dem Gesamtmarkt
443
Umsatz im Testgebiet
=
×
Hochrechnungsfaktor β
Einfache Bevölkerungsprojektion
β=
β=
Testmarkt-Bevölkerung
Marktanteilsmethode
β=
β= Umsatz der Produktgruppe im Testmarkt
=
Umsatz des Vergleichsproduktes im Gesamtmarkt Umsatz des Vergleichsproduktes im Teilmarkt
Kaufkraftindexmethode
Umsatz der Produktgruppe im Gesamtmarkt
Wiederkäufer auf dem Gesamtmarkt
Korrekturfaktor
Umsatzverhältnismethode
nationale Bevölkerung
Anzahl der Wiederkäufer im Testmarkt
×
nationales Einkommen Einkommen im Testgebiet
×
Anzahl der Einwohner im Testmarkt
Anzahl gekaufter Einheiten pro Wiederkäufer pro Jahr
×
Anzahl der Einwohner im Gesamtmarkt
Abb. 21 Projektionsverfahren für Testmarktdaten
Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich die Funktionen der Verpackung kontinuierlich erweitert (vgl. Hansen et al. 2001, S. 180 ff.). Die dargestellten Entwicklungsstufen sind besonders deutlich im Konsumgüterbereich zu beobachten. In der ersten Stufe stellt die Verpackung lediglich einen Schutz des Produktes vor physischer Beschädigung dar. Zusätzlich zu dieser Funktion kommt ihr in der zweiten Stufe die Verkaufsfunktion durch verbrauchsgerechte Dimensionierung des Produktes zu (statt Salz lose aus einem Sack zu verkaufen werden z. B. 500-g-Packungen verwendet). Diese Funktionsbereiche der Verpackung weisen starke Interdependenzen zur Logistik auf, insbesondere bei der Dimensionierung der Verkaufs- und Transporteinheiten (genormte Paletten und Lagerplätze). Eine weitere wichtige Funktion hat die Verpackung im Rahmen der Verkaufsförderung. Dort übernimmt sie einen wesentlichen Teil der Kommunikationsaufgaben am Point of Sale (PoS). Insbesondere über eine gelungene künstlerische Gestaltung der Verpackung kann eine Kaufpräferenz bei den Nachfragern erzeugt werden. Gleichzeitig ermöglicht die Gestaltung die Differenzierung gegenüber der Konkurrenz. Zudem sollte die Verpackung
444
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
über den Inhalt und die Eigenschaften des enthaltenen Produktes in einer Art und Weise Auskunft geben, die den Nachfrager zum Kauf animiert. In der nächsten Stufe kommt der Verpackung als Verwendungsbestandteil des Produktes eine nochmals wachsende Bedeutung zu. Dieser Zusatznutzen kann durch eine Erleichterung der Produktverwendung (leichtere Öffnung, Wiederverschließung und Handhabung, gute Dosierbarkeit etc.), einer leichteren oder verlängerten Lagerfähigkeit von Produkten oder durch Weiterverwendungsmöglichkeiten der Packung (z. B. Nutzung eines Senfglases als Trinkglas) erzielt werden. Auf Märkten mit quasihomogenen Produktkernen kann durch eine gezielte Verpackungsgestaltung die Kaufentscheidung wesentlich beeinflusst werden. Die vorletzte Stufe kennzeichnet die Funktion der Verpackung als Informationsträger. Im Gegensatz zur Verkaufsförderungsfunktion steht hier weniger die Präferenzbildung beim Nachfrager im Vordergrund, sondern der Einsatz von Informationen zur Rationalisierung des Warenwirtschaftsbereiches. Diese Rationalisierung hatte zur Folge, dass die Verpackung zunächst Träger von per Scanner abtastbaren Informationen (z. B. EAN-Strichcode) wurde. Damit wurden effizient Informationen über Inhalt, Menge und Eigenschaften des Verpackungsinhaltes vermittelt. Heute ermöglicht die moderne RFIDTechnologie immer häufiger eine aktive Produktortung ohne Scannereinsatz. In der vorläufig letzten Stufe wird die Verpackung als wertvoller Inputfaktor in Wertschöpfungskreisläufen betrachtet (vgl. Kirchgeorg 1999, S. 25 f.). Dies bedeutet, dass die Hersteller auf eine möglichst umweltschonende Produktion und ressourcenschonenden Einsatz der Verpackung achten. Zudem hat der Recyclingaspekt erneut an Bedeutung gewonnen. Vor allem als Konsequenz aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz sind die Anbieter gezwungen, die Transport-, Um- und Verkaufsverpackungen wieder dem Produktionsprozess zuzuführen. Neben einer Analyse der Verpackungsfunktionen aus Nachfragersicht ist eine Bewertung aus Hersteller- und Handelssicht vorzunehmen. Die Verpackungsansprüche des Herstellers richten sich neben der Analyse von Wertschöpfungskreisläufen vor allem auf die Image- und Aufmerksamkeitswirkung der Verpackung in der Kaufphase. Bspw. kann sich in dieser Phase der Einsatz einer Verbund- oder Sortimentsverpackung positiv auf das Kaufverhalten auswirken. Bei einer Verbundverpackung werden verschiedene Produkte in einer Verpackung angeboten, um Verbundkäufe zu unterstützen. Ein Beispiel dafür ist ein Kosmetikset, das Waschgel, Reinigungswasser und Pflegecreme enthält. In der Entsorgungsphase kann die Entscheidung zugunsten einer Verbundverpackung vom Nachfrager jedoch negativ beurteilt werden. Weitere Ansprüche des Herstellers folgen aus den physikalischen Eigenschaften des Produktes, den Absatzwirkungen und den Kostenüberlegungen. Hinsichtlich der Absatzwirkungen lassen sich vor allem zwei Aspekte nennen: Zum einen steigt mit wachsender Verpackungsgröße tendenziell die Verbrauchsintensität. Zum anderen besteht die Möglichkeit, bei gleichbleibenden Preisen die Verpackungsgröße zu reduzieren, um auf diesem Weg Preiserhöhungen im Markt durchzusetzen. Diese Vorgehensweise ist insbesondere dann empfehlenswert, wenn bei einer normalen Preiserhöhung wichtige Preisschwellen überschritten werden würden (z. B. 1,05 statt 0,99 C für eine Tafel Schokolade).
3
Produktinnovation
445
Alle Maßnahmen der Verpackungsgestaltung müssen ferner Konkurrenzaspekte berücksichtigen, um sicherzustellen, dass z. B. die beabsichtigte Profilierungswirkung eintritt. Darüber hinaus sind logistische Anforderungen und gesetzliche Vorschriften bei der Verpackungsgestaltung zu berücksichtigen. So sehen aktuelle Pläne der EU vor, Zigaretten nur noch in neutralen Schachteln zum Verkauf zuzulassen. Dies schränkt die Tabakkonzerne hinsichtlich der Möglichkeiten der Verpackungsgestaltung ein und minimiert die Differenzierungsmöglichkeiten mithilfe der Verpackungsgestaltung (vgl. Stabenow 2010). Demgegenüber wurden die gesetzlichen Beschränkungen bei Lebensmittelverpackungen, mit Ausnahme von Wein und Spirituosen, europaweit gelockert. Seit April 2009 können Hersteller von Lebensmitteln diese in beliebigen Größen anbieten (vgl. Kirchhoff 2009). Hierbei ergibt sich insbesondere durch die gezielte Ansprache von Klein- und Singlehaushalten ein neuerliches Differenzierungspotential über das Angebot von kleineren Packungsgrößen. Die händlerbezogenen Anforderungen an die Verpackungsgestaltung bestehen im Wesentlichen in einer leichten Handhabbarkeit, einer einfachen Identifizierung des Inhaltes, einer problemlosen Preisauszeichnung und Entsorgung sowie einem wirksamen Schutz vor Diebstahl und Transportschäden (vgl. Wells et al. 2007, S. 677 ff.).
3.3.5 Markteinführung und Diffusion Nachdem die einzelnen Produktkomponenten und die wichtigsten Elemente des Marketing-Mix auf ihren potenziellen Markterfolg hin überprüft worden sind, kann die Kommerzialisierung des Produktes beginnen. Bezüglich des Markteintrittszeitpunktes unterscheidet man zwischen einer Pionier- und einer frühen oder späten Folger-Strategie (vgl. Robinson und Fornell 1985, S. 305 ff.). Unter einem Pionier versteht man das Unternehmen, welches mit einem neuen Produkt als erstes in einen bestimmten Markt eintritt. Frühe Folger sind solche Unternehmen, die mit geringem Zeitabstand auf den Pionier folgend in den Markt eintreten. Späte Folger treten erst dann in den Markt ein, wenn die stärkste Marktdynamik vorüber ist. Sie lassen sich in zwei Erscheinungsformen klassifizieren: „Me-too“- und Nischenanbieter (vgl. von der Oelsnitz 2000, S. 144). Die Frage, welche Timingstrategie den größten Erfolg verspricht, ist Gegenstand zahlreicher empirischer Studien. Grundannahme ist, dass ein Pionier seine im Vergleich höheren Entwicklungskosten über die Realisation von Pioniergewinnen und der vollen Ausnutzung des Produktlebenszyklus mehr als kompensieren kann. Dieser wirtschaftlich größere Erfolg eines Pioniers im Vergleich zu frühen oder späten Folgern wird als Pioniervorteil bezeichnet (vgl. Abb. 22). Die Vorteile der Pionierstrategie liegen in der Monopolstellung, die der Pionier genießt, bevor die ersten Konkurrenten folgen. So lassen sich aus der Monopolsituation resultierende preispolitische Spielräume ausnutzen. Ferner lassen sich Kostenvorteile erzielen, da die Zeit bis zum Eintritt der Konkurrenz dazu genutzt werden kann, Erfahrung zu sammeln und die nötige Betriebsgröße aufzubauen, um Lernkurveneffekte oder Economies of Scale zu realisieren. Zudem lassen sich Wettbewerbsbarrieren aufbauen, bspw. indem man die Nachfrager an das Produkt bindet, Vertriebswege und Lieferanten exklu-
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5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
positiv Pionier
Cash-flow
Pioniervorteil
früher Folger später Folger t1
t2
Markteinführung in t 1
Markteinführung in t 2
t3
0
negativ Markteinführung in t 3
Zeit t
Abb. 22 Theoretischer Pioniervorteil dargestellt am Cashflow-Verlauf
siv besetzt oder sich lukrative Standorte aneignet. Der größte Nachteil des Pioniers liegt in dem erhöhten Misserfolgsrisiko. Der frühe Folger genießt den Vorteil, dass er aus den Fehlern des Pioniers lernen kann. Durch die Aufbauleistungen des Pioniers kann der frühe Folger von einer verbesserten Marktkenntnis profitieren, die er direkt in die Entwicklung seines Produktes einfließen lassen kann. So lassen sich u. U. Entwicklungskosten sparen, die als Preisvorteil an den Nachfrager weitergegeben werden können. Allerdings besteht der Nachteil der frühenFolger-Strategie darin, dass die Nachfrager davon überzeugt werden müssen, nicht beim Pionier (mit seinem zumeist attraktiven Image) zu kaufen bzw. von diesem zum frühen Folger zu wechseln. Insofern ist die frühe-Folger-Strategie meist mit hohen Vertriebskosten verbunden. Ein später Folger, der die „Me-too“-Strategie verfolgt, kann auf bestehende Produktstandards zurückgreifen und durch die vermiedenen F&E-Aufwendungen erhebliche Kostenvorteile realisieren. Somit ist er in der Lage, zu deutlich niedrigeren Preisen in den Markt einzutreten. Problematisch erweist sich an dieser Strategie die bestehende Bindung der Nachfrager zu den bereits im Markt tätigen Anbietern, sodass ein „Me-too“Hersteller umfassende Überzeugungsarbeit leisten muss. Zudem ist bei Preissenkungen der etablierten Anbieter der Wettbewerbsvorteil des „Me-too“-Herstellers in Gefahr. Nischenanbieter hingegen können die Existenz unbearbeiteter, aber lukrativer Nischen aus-
3
Produktinnovation
447
nutzen. Sie können sich in einem relativ konkurrenzfreien Bereich etablieren und somit preispolitische Vorteile ausnutzen. Das Problem dieser Strategie besteht darin, eine geeignete Nische zu finden und die eigene Leistungsfähigkeit im Vergleich zur etablierten Konkurrenz nachzuweisen. Eine Übersicht über die Bewertung der einzelnen Strategiealternativen gibt Tab. 10. Empirische Studien zur Vorteilhaftigkeit einer Pionier- bzw. Folgerstrategie zeichnen ein uneindeutiges Bild (vgl. Tab. 11). Somit lässt sich keine eindeutige Aussage dazu treffen, welche Strategie die generell erfolgversprechendere ist. Wie Beispiele aus der Praxis zeigen, gibt es sowohl Pioniere, die sich gegen die Folger behauptet haben, als auch Folger, die den Pionier verdrängt haben. Als erfolgreiche Pioniere lassen sich beispielhaft der Sony Walkman oder der Nintendo Game Boy nennen. Beispiele für erfolgreiche Folger sind Coca-Cola light (Pionier: RC-Cola) oder Panasonic Videorekorder (Pionier: Ampex/Philips), die sich unter Ausnutzen der Pionierfehler und Einsatz erheblicher Kommunikationsaufwendungen am Markt durchgesetzt haben (vgl. Fischer 2011, S. 425 ff.). Welche Timingstrategie letztlich zum Erfolg führt, hängt im Wesentlichen vom Verhalten der Marktteilnehmer ab. „Die Pionierstrategie ist ein Bonus, der isoliert und ohne aktive Ausnutzung allerdings auf Dauer wirkungslos verpufft“ (Von der Oelsnitz 2000, S. 141). Demzufolge bietet sie das Potenzial, einen Wettbewerbsvorteil zu erringen. Ob dieses Potenzial genutzt wird, hängt davon ab, wie erfolgreich die Folger agieren und wie sehr der Pionier in der Lage ist, seine Vorteile auszuspielen. Eine der wichtigsten Determinanten für die Planung und Ausgestaltung der Markteinführung und späteren Marktbearbeitung ist neben dem Timing der Diffusionsverlauf der Produktinnovation im Markt. Bspw. benötigte das 1992 entwickelte MP3-Format etwa zehn Jahre bis es massenweise genutzt wurde. Demgegenüber setzte sich der MP3-Player iPod von Apple so schnell am Markt durch, dass Apple die Nachfrage kaum befriedigen konnte. Eine möglichst genaue Kenntnis über den Prozess der Verbreitung neuer Produkte im Markt (Diffusion) ist dementsprechend bei der Planung von Marketingstrategie und Marketing-Mix sehr hilfreich. In diesem Zusammenhang kann auf die Erkenntnisse der Diffusionsforschung zurückgegriffen werden, die sich mit der Adoption (Übernahme) von Neuerungen in sozialen Systemen und ihren Bestimmungsfaktoren beschäftigt. Die Diffusionsforschung geht zurück auf die Überlegungen von Rogers (1962) und untersucht, in welcher Zeit und in welchen Kommunikationskanälen Informationen über neue Produkte und neue Ideen von der Quelle zu den potenziellen Verwendern gelangen. Darauf aufbauend ermittelt die Diffusionsforschung, wie sich die potenziellen Verwender vom Empfang der ersten Informationen über ein Neuprodukt bis zur vollen Übernahme der Neuerung verhalten (vgl. Kaas 1973, S. 2; Sultan et al. 1990, S. 70, 1996, S. 247 ff.; Rogers 2003, S. 5; Tan Tsu Wee 2003, S. 52. ff.). Die Dauer dieses Adoptionsprozesses wird von einer Reihe personen-, umwelt- und produktbedingter Einflussgrößen bestimmt (vgl. Abb. 23) und ist für jedes Produkt unterschiedlich. In Abhängigkeit von den verschiedenen Einflussgrößen durchläuft der Erstkäufer alle Phasen des Adoptionsprozesses mit dem möglichen Ergebnis, dass er die
Frühzeitiges Entwickeln von Markt-Know-how
Chancen
Maximaler Handlungsspielraum beim Instrumentaleinsatz Aufbau von Markteintrittsbarrieren (Standorte, Lieferanten, Absatzmittler, Patente/Know-how, Mitarbeiter etc.) Frühes Ausnutzen von Erfahrungskurven- und Skaleneffekten
Setzen von Industrie-Standards
Imagevorteile als Innovator
Preispolitische Spielräume
Entwicklung technologischer Innovationen zur Ausnutzung der Vorteile eines temporären Quasimonopols
Ziel
Pionier
Später Folger „Me-too“ Aufbau einer rentablen Wettbewerbsposition durch Niedrigpreisangebot über realisierte Kostenvorteile
Später Folger Nischenanbieter Frühzeitiger Aufbau einer Ausnutzung der Vorteile eistarken Wettbewerbsposition ner nahezu konkurrenzfreien unter Ausnutzung der Fehler Marktnische durch Besetzen des Pioniers bisher unbearbeiteter Marktbereiche Geringeres Risiko als beim Kostenvorteile durch geringeren Kostenvorteile durch geringePionier, da Fehler des Pioniers F&E- und Markterschließungs- ren F&E-Aufwand vermieden werden können aufwand („billiges Lernen“) Erhöhte Transparenz der Geringe Produkt- und Prozess- Aufbau einer eigenen Marktstrukturen/Bedürfnisse risiken durch Anlehnung an Nischenkompetenz dominante Gebrauchsstandards und Fertigungstechnologien Höheres ProblemlösungsAusnutzung von StandardisieBei Liebhabermärkten tendenpotenzial (Value-Addedrungspotenzialen ziell höhere Profitabilität und Services) Lebensdauer der Nische Marktpositionen sind noch nicht verteilt
Früher Folger
Tab. 10 Chancen und Risiken unterschiedlicher Markteintrittstimingstrategien (Quelle: In Anlehnung an von der Oelsnitz 2000, S. 139 ff.; Fischer 2011, S. 422 ff.)
448 5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Risiken
Gefahr von TechnologieMarkteintrittsbarrieren der Piosprüngen und unausgereiften niere (Ressourcenzugang) Produkten Baldiger Markteintritt weiterer Konkurrenten
Marken- und Firmentreue geBedrohte Wettbewerbsposition bei Etablierte Anbieter treten in die genüber Pionierunternehmungen Preissenkung der Konkurrenz Nische ein
Auswahl eines falschen Segmentes (zu klein, keine Preiserhöhungsmöglichkeit)
Hohe Ungewissheit über Nachfrageentwicklung
Höhere Markteintrittsbarrieren durch bestehendes Marktgefüge
Verzicht auf Pioniergewinne (Preisspielräume sinken)
Später Folger Nischenanbieter Besondere Kompetenz nicht glaubwürdig darstellbar
Hohe Kosten der Markterschließung (Überzeugungsaufwand)
Später Folger „Me-too“ Imagenachteile gegenüber etablierten Anbietern
Wettbewerbsreaktionen der Pioniere
Früher Folger
Hoher F&E-Aufwand
Pionier
Tab. 10 (Fortsetzung)
3 Produktinnovation 449
450
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Tab. 11 Empirische Bewertung der Pionierstrategie (Quelle: In Anlehnung an Fischer 2011, S. 429) Studienautor(en) Robinson und Fornell (1985) Kalyanaram und Urban (1992) Boulding und Christen (2003) Lambkin (1988) Boulding und Christen (2003) Lee et al. (2000) Mascarenhas (1992) Golder und Tellis (1993) Robinson und Min (2002) Fischer et al. (2007) Lambkin (1992) Robinson et al. (1992) Brown und Lattin (1994) Brown und Lattin (1994) Bohlmann et al. (2002) Shankar et al. (1998) Bowman und Gatignon (1996)
Empirische Erkenntnisse Ein früher Markteintritt (im Sinne der Eintrittsreihenfolge) führt i. d. R. zu einem höheren Marktanteil
Die Timingstrategie hat keinen eindeutigen Einfluss auf den ROI
Der Aktienkurs reagiert positiv auf einen frühen Markteintritt Es gibt mehr Evidenz für eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit von Pionieren
Die Breite der Internationalisierung reduziert den Pioniervorteil Mehr Ressourcen und eine längere „Quasi-Monopolstellung“ als alleiniger Anbieter im Markt verstärken den Pioniervorteil
Der Pioniervorteil geht über die Zeit verloren
Innovative Folger reduzieren den Pioniervorteil Ein früher Markteintritt führt zu Effizienzvorteilen beim Einsatz des Marketing-Mix
Innovation ablehnt und den Prozess abbricht. Nimmt er die Innovation an, kommt es zum Erstkauf und je nach Zufriedenheitsgrad zum Wiederholungskauf. Die wichtigsten Faktoren für ein erfolgreiches Durchlaufen des Prozesses sind die Risikobereitschaft des Nachfragers, der relative Vorteil der Innovation und die Vereinbarkeit (Kompatibilität) der Innovation mit Werten, Normen und Gewohnheiten der Nachfrager. Die rasante Entwicklung des Internets nimmt zudem ebenfalls Einfluss auf die Geschwindigkeit der Diffusion neuer Produkte. Durch die gesteigerte Verbreitung von Informationen über neue Produkte und die verbesserte Verfügbarkeit über den Onlinehandel erhöht das Internet die Diffusionsgeschwindigkeit insbesondere für technologische Produkte (vgl. Prince und Simon 2009, S. 1269). Im Adoptionsmodell werden ausschließlich Erstkäufer analysiert. Überträgt man den Prozess der Adoption von Neuerungen auf bestimmte Marktsegmente, so lassen sich ideal-typische Diffusionskurven ableiten. Die Diffusionskurve ergibt sich durch Aggregation des individuellen Adoptionsprozesses über alle Nachfrager. Diffusionskurven geben
3
Produktinnovation
451
Personenbezogene Faktoren:
t
n
Phasen des Adoptionsprozesses Erstkauf Erkennen
Interesse
Bewertung
Versuch
Annahme
Wiederholungskauf
Ablehnung
Abb. 23 Adoptionsprozess bei neuen Produkten
somit an, welcher Prozentsatz der Nachfrager zu welchem Zeitpunkt die Neuerung bereits angenommen hat. Der gleiche Sachverhalt lässt sich mit einer Verteilungsfunktion der Übernahmetermine über den mittleren Übernahmezeitpunkt darstellen, an dem 50 % der endgültigen Erstkäufer (Adopter) die Innovation aufgenommen haben. Diese Verteilungsfunktion auf Basis der Risikobereitschaft (vgl. Abb. 24) wird in der Diffusionsforschung als Einteilungsgrundlage für verschiedene Kategorien von Adoptern verwendet. Diffusionsmodelle geben wertvolle Anhaltspunkte für den Einsatz von Marketinginstrumenten. Es lassen sich folgende Implikationen daraus ableiten: Gelingt es in der Einführungsphase eines Produktes, die als Meinungsführer agierenden Innovatoren und Frühadopter gezielt anzusprechen, z. B. durch die gezielte Ansprache von „Communities“ (vgl. Schögel et al. 2005, S. 4) oder über Maßnahmen der Direktkommunikation, so ist eine Beschleunigung bei der Durchsetzung von Neuerungen zu erzielen. Ausbildung, Einkommen, Lebensstandard, Mitgliedschaft in Gruppen sowie Aufgeschlossenheit gegenüber Massenmedien haben einen positiven Einfluss auf die Innovationsbereitschaft. Diese Variablen erleichtern die Zielgruppenbestimmung und Marktsegmentierung. Beginnt die frühe Mehrheit die Innovation anzunehmen, dann unterstützt der Einsatz von Massenmedien den sich aufbauenden „sozialen Druck“, das Produkt zu besitzen. Auch die Art der Kommunikation sollte auf die Phasen des Diffusionsmodells abgestimmt sein. Zu Beginn der Diffusion kann informierende Werbung im Vordergrund stehen, um die interessierten Innovatoren anzusprechen. Später sollten emotionale Aspekte betont werden. Des Weiteren ermöglicht eine verlässliche Prognose der Adoptionszeit eine effiziente Produktionsplanung. So werden Überkapazitäten während der Adoptionszeit von Innovatoren und Frühadoptern und Nachfrageengpässe bei der Annahme durch die frühe bzw.
452
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen Adopter
34 %
34 %
13,5 %
16 %
2,5 % x–2.s
Adoptionszeit t x– s
Innovatoren Frühadopter
Risikofreudigkeit
Frühe Mehrheit
x
x+s
Späte Mehrheit
Nachzügler
Habituelle Risikoscheu x = mittlere Adoptionszeit s = Standardabweichung
Abb. 24 Kategorien von Adoptern auf der Grundlage relativer Übernahmezeitpunkte von Innovationen (Quelle: Rogers 2003, S. 281)
späte Mehrheit vermieden. Zu einer schnellen Adoption von Neuprodukten im Handel tragen insbesondere eine gute Produktqualität, die Möglichkeit zur Sortimentsabrundung, ein positives Image des Herstellers, die Bereitstellung von Werbematerial für den PoS, ein hoher Anteil von Neuverwendern des Produktes sowie das Konkurrenzumfeld des Handelsbetriebes bei (vgl. Pfeiffer 1981, S. 186 ff.; Hultink et al. 1999, S. 489). Eine schnelle Adoption des neuen Produktes ist ferner von der Durchsetzung des Neuproduktes gegenüber dem eigenen Außendienst abhängig. Weiterhin ist zu beachten, dass bei vielen innovativen Produkten aus Sicht der potenziellen Kunden auf Anhieb keine Motivation zum Kauf besteht. Oftmals verstehen sie zunächst nicht, welche Vorteile ihnen die neuen Produkte bzw. Dienstleistungen bieten (vgl. Christensen 1997, S. 208 f.). Innovationen verlangen den Nachfragern meist eine Verhaltensänderung und das Aufgeben von Gewohntem ab (vgl. Gourville 2006, S. 47 ff.). Zusätzlich besteht oft Skepsis gegenüber dem tatsächlichen Nutzen von Neuerungen, denn die immer schnellere Folge von „Neuheiten“ hat den Nutzenvorteiles vieler Innovationen sehr klein werden lassen und überfordert die Aufnahmefähigkeit vieler Nachfrager. Im Ergebnis führt dies immer öfter zum Überspringen ganzer Produktgenerationen (leapfrogging-behaviour).
3
Produktinnovation
453
Zahlreiche Untersuchungen befassen sich mit der Suche nach Erfolgsfaktoren von Produktinnovationen. Die Auswertung von Studien der vergangenen Jahrzehnte (vgl. Rothwell 1977, S. 191 ff.; Lilien und Yoon 1989, S. 3 ff.; Cooper 1999, S. 117; di Benedetto 1999, S. 537; Henard und Szymanski 2001, S. 368; Ernst 2001, S. 18 ff.; Sammerl 2006, S. 49 ff.) identifiziert insbesondere folgende erfolgversprechende Faktoren: Einzigartigkeit („Uniqueness“) und Wahrnehmbarkeit des Nutzenvorteils einer Innovation: Dauerhaft erfolgreiche Innovationen müssen stets mit einem differenzierenden und verteidigungsfähigen Nachfragernutzen verbunden sein, um von diesem wahrgenommen zu werden. Hohes Marketing- und Markt-Know-how: Insbesondere professionelle Marktforschung zur Analyse der Nachfragerbedürfnisse, Marktpotenziale und Wettbewerber. Vor allem in den frühen Phasen des Innovationsprozesses kommt der Marktforschung eine hohe Bedeutung zu. Hohes technisches Niveau und Nutzung von Synergien: Dieser Aspekt umfasst insbesondere Erfahrung bei der Produkt- und Fertigungstechnologie und die Nutzung von Synergien zwischen F&E-, Produktions- und Marketingbereich. Marktsituation: Je höher die Wettbewerbsintensität, desto geringer die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Innovation. Auf Märkten in fortgeschrittenen Phasen des Lebenszyklus haben Innovationen oft ein nicht ausreichendes Potenzial und sind einem intensiven Preiswettbewerb ausgesetzt. Junge Märkte hingegen erhöhen die Erfolgswahrscheinlichkeit. Hohe Intensität der Markteinführungsaktivitäten: Während der Markteinführung ist insbesondere darauf zu achten, möglichst viele Distributionskanäle zu besetzen (sog. „Multi-Channel“-Ansatz) und die breite Verfügbarkeit des Neuproduktes für die Zielgruppe zu gewährleisten. Gleichzeitig sind intensive Kommunikationsanstrengungen durchzuführen. Zusammenfassend zeigt die empirische Forschung somit klar auf, dass erst die Kombination von Marktorientierung (MbV) und Ressourcen- und Kompetenzorientierung (CbV) den langfristigen Erfolg im Innovationsmanagement erklären kann.
3.4 Implementierung von Innovationen Sowohl die Struktur als auch die Abläufe des Unternehmens müssen auf die gewählte Innovationsstrategie ausgerichtet werden. Dies geschieht im Rahmen der Innovationsimplementierung. Abhängig davon, ob ein externer Partner herangezogen wird oder nicht, unterscheidet man zwischen betrieblicher und innerbetrieblicher Implementierung. Fällt die strategische Make-or-Buy-Entscheidung zugunsten einer Zusammenarbeit mit einem externen Partner, so lassen sich die daraus resultierenden Optionen wie folgt beschreiben:
454
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Der Innovationseinkauf dient häufig der Beschaffung von Prozessinnovationen, um auf diese Weise eigene Produkte effizienter herstellen zu können. Für den Einkäufer von Innovationen sind Referenzanlagen ein wichtiges Instrument zur Risikoreduktion und Vertrauensbildung hinsichtlich der problemlosen Funktion einer technischen Neuerung. Bei einer Lizenznahme steht im Konsumgütersektor zumeist der Erwerb des Rechtes zur Nutzung fremder Produktinnovationen, die mit einem Patent oder Gebrauchsmusterschutz belegt sind, im Mittelpunkt. Lizenzen werden vor allem bei netzwerkabhängigen Produktinnovationen (vgl. Lundgren 1995, S. 97) vergeben, die auf eine möglichst schnelle Übernahme eines technischen Standards als Voraussetzung der Innovationsakzeptanz im Massenmarkt angewiesen sind. Als Beispiel kann hier die Lizenznahme des Betriebssystems Windows von Microsoft durch andere Softwarehersteller angeführt werden. Die Option der Imitation kann, zumindest theoretisch, nur dann eingesetzt werden, wenn die Innovationen anderer Unternehmen nicht geschützt sind. Gleichwohl zeigt sich in der Praxis, dass es auch bei geschützten Innovationen zu Imitationen kommt. Imitationen werden oftmals in Kombination mit eigenen Innovationen eingesetzt und von spät in den Markt eintretenden Anbietern genutzt. Diese Nachzügler haben vor allem dann Aussicht auf Erfolg, wenn es ihnen über Prozessinnovationen oder neuartige Vermarktungskonzepte gelingt, die Markteintrittsbarrieren der etablierten Innovatoren zu überwinden (vgl. Utterback 1994, S. 167 ff.). Sollen wegen der hohen Abhängigkeit keine fremden Innovationen genutzt, gleichzeitig jedoch das Innovationsrisiko reduziert und Zeitvorteile realisiert werden, kann auf die Akquisition innovativer Unternehmen oder das Eingehen von Kooperationen (z. B. Auftragsforschung mit Universitäten, F&E-Kooperationen mit anderen Unternehmen) zurückgegriffen werden. Die Akquisition, insbesondere von Unternehmen im Ausland, erfolgt oft auch deshalb, weil in Deutschland schärfere gesetzliche Restriktionen und teilweise mehrjährige Genehmigungsverfahren (z. B. im Bereich der Gentechnologie) zu durchlaufen sind, bevor eine innovative Produktionsanlage oder Forschungseinrichtung gebaut werden darf. Beim Erwerb kleinerer, hochinnovativer Unternehmen durch große Konzerne erweist sich allerdings der oft fehlende Fit zwischen den Unternehmenskulturen als Problem. Als Folge kommt es häufig zu Kündigungswellen gerade der besonders leistungsfähigen Mitarbeiter des erworbenen Unternehmens. Die Möglichkeit der Kooperation kann sich neben der Make-or-Buy-Entscheidung auch aus der Keep-or-Sell-Entscheidung ergeben. Diese Option wird in den letzten Jahren in zunehmendem Maße verfolgt (vgl. Kirchmann 1996, S. 444; Gerybadze 2011, S. 139 ff.). Verantwortlich hierfür sind die in vielen Branchen verkürzten Produktlebenszyklen in Verbindung mit stark steigenden Entwicklungsaufwendungen, die von den Unternehmen immer seltener allein getragen werden können. Kooperationsstrategien werden häufig auch dann verfolgt, wenn komplexe Innovationskonzepte mit hohem Veränderungsbedarf innerhalb des Unternehmens eine Verlängerung der Entwicklungszeit erwarten lassen (vgl. Griffin 1993, S. 6 ff.). Darüber hinaus führt das Zusammenwachsen bislang getrennter Industrien (z. B. Informations- und Kommunikationstechnologien, Finanzdienstleistungen) selbst bei großen Konzernen zur Notwendigkeit von Kooperationen, um auf
3
Produktinnovation
455
diese Weise in Teilbereichen bestehende Know-how-Defizite zu kompensieren (vgl. Lundgren 1995, S. 207). Kooperationsstrategien resultieren dabei nicht nur aus der Notwendigkeit, gestiegene Entwicklungsaufwendungen auf einen kürzeren Vermarktungszeitraum verteilen zu müssen, sondern sind oftmals auch die Folge verspäteter Markteintrittsentscheidungen. Nachdem komfortable, straßentaugliche Geländewagen (Sport Utility Vehicles, SUVs) bereits seit vielen Jahren erfolgreich von zahlreichen Unternehmen verkauft wurden, entschlossen sich Ende der 1990er Jahre auch die Hersteller Porsche und VW, ein solches Modell in das Programm aufzunehmen. Um trotz der eingetretenen Verzögerung möglichst schnell im Markt präsent zu sein, wurde von Porsche und VW die Kooperationsstrategie gewählt. Die Modelle Porsche Cayenne und VW Touareg entstanden auf einer gemeinsamen Plattform und werden in wesentlichen Teilen in derselben Fabrik produziert. Wird eine ausschließlich innerbetriebliche Verfolgung der Innovation gewählt, stehen die drei Alternativen Einzelprojektmanagement, Aufbau einer F&E-Abteilung sowie integriertes Innovationsmanagement zur Auswahl. Eine Innovation in Form des Einzelprojektmanagements bietet sich an, wenn die Rahmenbedingungen des Innovationsvorhabens durchweg einmalig sind. Vorteilhaft an dieser Option ist der absehbare und gut kalkulierbare Einsatz der Inputfaktoren und Ressourcen des Unternehmens, wohingegen mangelnde Spezialisierung und Kompetenzen des Projektteams als Nachteile zu werten sind. Zu einer Daueraufgabe wird Innovation immer dann, wenn mehrere Innovationsprojekte parallel oder nacheinander bearbeitet werden. Wird dazu eine eigene F&E-Abteilung installiert, stellt sich die Frage, ob diese eine Stabs- oder Linienfunktion übernimmt und ob sie zentral oder dezentral organisiert ist (vgl. Abb. 25). Mit einer zentralen F&E-Abteilung lassen sich Spezialisierungs- und Koordinationsvorteile erzielen. Nachteilig kann sich eine zu einseitige Fokussierung auf Technologie auswirken, wenn nicht explizit auf eine Marktorientierung der F&E-Abteilung geachtet wird. Dabei verstärkt die Stabsfunktion die genannten Aspekte. Eine Linienfunktion hat den Vorteil, dass die Innovationsziele gegenüber den anderen betrieblichen Funktionsbereichen gleichberechtigt sind und sich so leichter umsetzen lassen. Als Nachteil ist die Gefahr anzusehen, dass sich die Funktionalbereiche gegeneinander abschotten. Eine dezentrale F&E-Organisation bietet den Vorteil, flexibler, weniger komplex und marktnäher als eine zentrale Lösung zu sein. Allerdings ergibt sich der große Nachteil, dass Spezialisierungsgrad und Synergiepotenzial vergleichsweise gering ausfallen. Bei einem integrierten Innovationsmanagement ist der Innovationsgedanke über alle Unternehmensbereiche hinweg verankert. Jedem einzelnen Mitarbeiter kommt hierbei die Aufgabe zu, im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses neue Ideen bezüglich seines Arbeitsbereichs zu entwickeln und dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Viele langfristig erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich durch ein solches integriertes Innovationsmanagement aus. Die Auflistung der unterschiedlichen Implementierungsoptionen soll nicht dazu verleiten, diese als sich ausschließende Varianten anzusehen. Vielmehr werden die Optionen in der Unternehmenspraxis vielfach parallel angewandt.
456
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Top-Management F&E
Stabsfunktion
Vertrieb
Personal
…
Finanzen
Top-Management
Linienfunktion
F&E
Personal
…
Finanzen
Top-Management
Strategische Geschäftseinheit 1 Dezentraler Aufbau
Strategische Geschäftseinheit 2
…
…
Strategische Geschäftseinheit n
F&E
F&E
F&E
Vertrieb
Vertrieb
Vertrieb
Personal
Personal
Personal
…
…
…
Abb. 25 Innerbetriebliche Implementierungsmöglichkeiten der F&E-Abteilung
In diesem Zusammenhang ist für eine erfolgreiche Implementierung von Innovation im Unternehmen die Kenntnis erfolgversprechender Gestaltungsmaßnahmen enorm hilfreich. In zahlreichen Analysen haben sich folgende Erfolgsfaktoren herauskristallisiert (vgl. Benkenstein 1987, S. 125 ff.; Brockhoff 1989, S. 28; Staudt et al. 1990, S. 1188 ff.; Brown und Eisenhardt 1995, S. 345 f.; Cooper 1999, S. 116 ff.; Sammerl 2006, S. 49 ff.; Hauschildt und Salomo 2011, S. 134 ff.): Gestaltung von Führungs- und Anreizsystemen: Durch das Führungsverhalten muss den Mitarbeitern gezeigt werden, dass sich für sie die Übernahme persönlicher Risiken und Initiativen für die Innovation lohnt. Den Gestaltungsprinzipien Transparenz, Flexibilität und Gerechtigkeit ist dabei besondere Beachtung zu schenken.
4
Produktvariation und Produktdifferenzierung
457
Ungehinderter Informationsfluss: Der Abbau von Informationsfiltern bzw. -barrieren, die Einrichtung eines Schnittstellenmanagements zwischen den Funktionsbereichen sowie die Rotation von Mitarbeitern, die das Verständnis für spezifische Probleme anderer Funktionsbereiche und die Motivation zur Kooperation fördert, sind gute Maßnahmen, um die Innovationsfähigkeit von Organisationen zu erhöhen. Wertschätzung des einzelnen Mitarbeiters und seiner Ideen: Innovationen entstehen in den Köpfen der Mitarbeiter. Deswegen ist eine unternehmerische Einstellung der Mitarbeiter notwendig für den Innovationserfolg und muss bewusst gefördert werden. Freude an der Arbeit, viele Entfaltungsmöglichkeiten und sichtbare Aufstiegschancen für „Innovation-Champions“ sind dabei wichtige Determinanten zur Förderung des Unternehmergeistes (Entrepreneurship). Sichtbares und nachhaltiges Engagement des Top-Managements für Innovationen: Die Unterstützung der oberen Führungsebenen, Innovationen anzustoßen und durchzusetzen, trägt in hohem Maße zum Gelingen erfolgreicher Neuprodukteinführungen bei. Dezentraler und flexibler Aufbau: Weitere Erfolgsvoraussetzungen der Innovationsfähigkeit von Organisationen sind einfache Führungssysteme, das Abrücken von Matrixstrukturen sowie die Existenz weniger Führungsebenen. Dabei werden Innovationen durch Einsatz autonomer Teamstrukturen als flexible Organisationsform gefördert. Ganzheitliche Innovationsausrichtung des Unternehmens: Eine Innovationskultur in allen Bereichen und auf allen Ebenen des Unternehmens sorgt für erfolgreiche Innovationen. Förderlich ist zudem ein intensiver Austausch zwischen F&E- und Marketingabteilung.
4 Produktvariation und Produktdifferenzierung I Produktvariation Entscheidungen der Produktvariation befassen sich mit der
Veränderung von Produkten die bereits im Markt eingeführt sind. Mithilfe von Produktvariationen lasen sich Produkte nach ihrer Markteinführung den sich wandelnden Nachfragerbedürfnissen anpassen und gegenüber den seit der Markteinführung neu aufgetretenen Konkurrenzprodukten wieder positiv hervorheben.
I Produktdifferenzierung Im Gegensatz zur Produktvariation wird durch Maß-
nahmen der Produktdifferenzierung versucht, ein Produkt durch das zeitlich parallele Angebot mehrerer Produktvarianten gezielt auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen abzustimmen.
458
4.1
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Gegenstand und Ziele der Produktvariation und -differenzierung
Ziele der Produktvariation und -differenzierung können z. B. die Absicherung der Marktposition, Umsatz- und Gewinnwachstum, Spezialisierung auf bestimmte Zielgruppen zur Durchsetzung höherer Preise, bessere Kapazitätsauslastung oder Rationalisierung der Fertigung sein. Kernunterscheidungsmerkmal zwischen Produktvariation und Produktdifferenzierung ist die Tatsache, dass bei der Produktvariation die Anzahl der Produkte im Programm konstant bleibt, sie sich bei der Produktdifferenzierung hingegen vergrößert. Abb. 26 gibt einen Überblick über die Ansatzpunkte der Produktvariation und -differenzierung. Grundsätzlich sind zwei Arten der Produktvariation zu unterscheiden: Die Produktpflege und die Produktmodifikation. Gegenstand der Produktpflege ist die kontinuierliche Verbesserung der im Markt eingeführten Produkte mit dem Ziel, deren Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten oder zu verbessern. Im Gegensatz zur Produktmodifikation erfolgen bei der Produktpflege lediglich kleinere Änderungen des Produktes. Produktpflegemaßnahmen dienen vor allem dazu, die nach der Markteinführung ggf. aufgetretenen konstruktionsbedingten Produktmängel abzustellen. Darüber hinaus wird Produktpflege betrieben, um durch leichte Produktveränderungen effizientere Produktionsprozesse realisieren zu können. Ein weiteres Ziel der Produktpflege ist die Sicherung der Aktualität des Produktes durch die Anpassung an Modetrends. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Produktpflege ist die Nivea-Creme von Beiersdorf. Seit der Markteinführung 1911 wurde das Produkt immer wieder durch kleine Veränderungen dem Zeitgeist angepasst, ohne dass das Grundprodukt verändert wurde. Bei rein digitalen Produkten kann die Produktpflege durch regelmäßige Updates (z. B. Updates von Software oder Apps) stattfinden. Eine Produktmodifikation, auch als Produktrelaunch bezeichnet (vgl. Tennhagen 1993, S. 10), kennzeichnet die umfassende Veränderung einer oder mehrerer Produkteigenschaften eines bereits im Markt eingeführten Produktes. In vielen Fällen wird die
Ansatzpunkte für Produktvariation und -differenzierung Produktpflege (z.B. Behebung von Fehlern)
Ästhetische Eigenschaften (z.B. Design, Verpackung usw.)
Produktvariation
Physikalische/funktionale Eigenschaften (z.B. Materialart, Qualität usw.)
Produktdifferenzierung
Ausgangspunkt
Produktmodifikation (Produktrelaunch)
Symbolische Eigenschaften (z.B. durch Markenzusätze)
Differenzierung i.e.S./ Mass Customization
Value-AddedServices (z.B. Kundendienst, Finanzierung usw.)
Abb. 26 Ansatzpunkte für Produktvariation und -differenzierung
Differenzierung i.w.S./ Produktvarietät
4
Produktvariation und Produktdifferenzierung
459
Absatzwirkung von Produktmodifikationen durch Veränderungen bei anderen Marketinginstrumenten unterstützt (z. B. Preisreduktion, neue Werbebotschaft, veränderte Vertriebsstrukturen). Mit einem Produktrelaunch wird zumeist die Wiederbelebung einer stagnierenden oder rückläufigen Umsatz- oder Gewinnentwicklung bezweckt. Durch Modifikationsmaßnahmen kann die Lebensdauer eines Produktes verlängert und damit die Eliminationsentscheidung herausgeschoben werden (vgl. Haedrich und Tomczak 1996, S. 236 f.). Zentrales Problem der Produktmodifikation ist die Abwägung der mit der Produktveränderung verbundenen Kosten und des durch die Veränderung induzierten zusätzlichen Umsatzes. Auch die Vermeidung eines erwarteten Umsatzrückganges durch eine Produktmodifikation kann in diesem Sinne als „zusätzlicher“ Umsatz verstanden werden. Ein Beispiel für Produktmodifikationen durch im Laufe der Zeit dem Geschmack angepasste Verpackungen zeigt Abb. 27. Durch den Einfluss der Digitalisierung werden bei Produktmodifikationen i. d. R. neue digitale Komponenten dem bestehenden Kernprodukt hinzugefügt (vgl. Chaffey und EllisChadwick 2012, S. 264 f.). Durch weitreichende digitale Produktmodifikationen werden Produkte zunehmend intelligenter und vernetzter. Dieser Trend wird auch als Internet der Dinge bezeichnet (vgl. Abschn. 1). Einen weiteren Ansatz der Produktmodifikation im Zuge der Digitalisierung stellt das sog. Feature-based Design dar. Dieser Ansatz kommt ursprünglich aus der Softwareent-
1893
1902
1916
1933
1956
1979
1986
2001
Abb. 27 Verpackungsdesign im Wandel der Zeit (Quelle: Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG)
460
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
wicklung und wird inzwischen in verschiedenen Branchen, wie Haushaltsgeräte- oder Automobilhersteller, übernommen. Produkte werden nach einzelnen Funktionen entwickelt. Die Produkte starten i. d. R. mit einer Basisausstattung und werden sukzessive um verschiedene Funktionen („Features“) erweitert bzw. verbessert. Dies hat sowohl für Nachfrager als auch für Unternehmen Vorteile. Nachfrager schätzen, dass das angebotene Produkt länger neu und modern bleibt. Unternehmen sichern sich durch die sukzessiven (i. d. R. kostenpflichtigen) Erweiterungen zusätzliche Umsätze. Zum Beispiel hatte der Automobilhersteller Tesla in seinen Fahrzeugen alle Hardwaregrundlagen für teilautonomes Fahren (wie z. B. Sensoren und Steuerungen) von Beginn an verbaut. Im Jahr 2014 machte das Unternehmen seinen Kunden das Angebot, den Autopiloten kostenpflichtig nachzurüsten und die entsprechende Software aufzuspielen (vgl. Meffert und Meffert 2017, S. 191 f.). Eine eindeutige Abgrenzung zwischen Produktpflege und -relaunch einerseits sowie zwischen Produktrelaunch und -innovation andererseits ist kaum möglich. Die Maßnahmen der Produktpflege und des -relaunches sind vielmehr auf einem Kontinuum zwischen einem unveränderten Produkt und der Einführung einer Produktinnovation einzuordnen. Bei einer Produktdifferenzierung wird ein im Markt eingeführtes Produkt durch Veränderungen einzelner Produktelemente variiert und zusätzlich zum bestehenden Programm angeboten. Die Notwendigkeit zur Produktdifferenzierung kann sich aus einer differenzierten Ausgestaltung der anderen Marketinginstrumente im Rahmen einer differenzierten Marktbearbeitung ergeben. So lässt sich z. B. eine Preisdifferenzierung oftmals nur kombiniert mit zielgruppenspezifischen Veränderungen am Produkt durchsetzen. Die Produktdifferenzierung im engeren Sinne befasst sich mit der Veränderung von Produkten, um bestimmte Käufersegmente besser ansprechen zu können. Sie folgt somit im Wesentlichen den Vorgaben der Marktsegmentierung, die sich nach den immer stärker individualisierten Bedürfnissen der Nachfrager richtet. Ein Beispiel hierfür ist die Einführung einer Nivea Körperlotion speziell für Männer. Aus dem Druck, den immer individueller ausgeprägten Nachfragerbedürfnissen gerecht zu werden, hat sich ein Ansatz entwickelt, der in der Literatur als Mass Customization beschrieben wird. Dieser Begriff umfasst die verstärkte Individualisierung von Leistungsangeboten auf Massenmärkten (vgl. Piller 2008, S. 153; Salvador et al. 2009, S. 71). Man kann abhängig vom Ort der Individualisierung zwischen Hard- und Soft-Customization unterscheiden. Im ersten Fall wird die Individualisierung im Zuge der Produktion beim Hersteller durchgeführt, z. B. durch Baukastensysteme. Der Internethändler Spreadshirt ermöglicht z. B. seinen Kunden, T-Shirts individuell nach den eigenen Vorstellungen zu designen und zu produzieren. Bei der Soft-Customization wird die Individualisierung nach der Herstellung durch den Nachfrager durchgeführt, z. B. die Zusammenstellung eines Office-Softwarepakets (vgl. Wirtz 2005, S. 99 ff.). Demgegenüber ist die Strategie der Produktvarietät (Produktdifferenzierung im weiteren Sinne) nicht segmentgerichtet, sondern bearbeitet mit mehreren Produktvarianten den Gesamtmarkt. Der dadurch bedingte Wettbewerb zwischen den eigenen Produkten wird bewusst in Kauf genommen, weil in der Gesamtbetrachtung über alle Produkte ein
4
Produktvariation und Produktdifferenzierung
461
höherer Umsatz bzw. Gewinn realisiert werden soll. Ein Beispiel hierfür ist der Safthersteller Eckes-Granini, der mit verschiedenen Geschmacksrichtungen seiner Produkte den gesamten Markt bearbeitet.
4.2
Prozess der Produktvariation und -differenzierung
Die Durchführung der Produktvariation und -differenzierung unterliegt einem systematischen Planungsprozess. Dieser Prozess der Produktplanung besitzt eine ähnliche Struktur wie der Produktinnovationsprozess mit den Stufen Ideengewinnung, -bewertung, -realisation und schließlich Markteinführung. Aufgrund der geringeren Entscheidungskomplexität ist jedoch der Informationsbedarf sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht geringer. Ansatzmöglichkeiten für Produktvariation und -differenzierung sind zunächst die physischen und funktionalen Eigenschaften des Produktes. Zur individuellen Anpassung funktionaler Produkteigenschaften haben sich Baukasten- bzw. Modulsysteme durchgesetzt (vgl. Gsell 1985, S. 97; Sanchez 1996, S. 125 ff.; Marti 2007, S. 14). Für die Konzeption von Baukastensystemen ist zunächst eine detaillierte Analyse der Nachfrageranforderungen notwendig, um das Spektrum möglicher Produktanpassungen festzulegen. Im Anschluss daran sind im Rahmen von Funktionsanalysen bei den bestehenden Produkten klare Funktionstrennungen in Muss- und Kann-Funktionen vorzunehmen. Entsprechend der getroffenen Funktionsaufteilung werden Systembausteine mit standardisierten Schnittstellen entwickelt. Grundbausteine sind Träger von Muss-Funktionen und Bestandteil jeder Produktvariante. Kann-Bausteine sind Träger von KannFunktionen. Sie dienen der Anpassung an die spezifischen Nachfragerwünsche und werden je nach Bedarf mit dem Grundbaustein kombiniert. Neben der verbesserten Bedürfnisanpassung liegen die Vorteile von Baukastensystemen in der Kosteneinsparung sowohl im Gemeinkostenbereich (Komplexitätsabbau) als auch durch Rationalisierungen im Fertigungs-, Verkaufs- und Kundendienstbereich. Einen weiteren Ansatzpunkt stellen die ästhetischen Eigenschaften (Stil, Farbe, Form, Verpackung und andere ästhetische Merkmale) des Produktes dar. Der Gestaltung dieser Produkteigenschaften kommt eine wachsende Bedeutung zu, weil sich in vielen Märkten die technisch-funktionalen Produktmerkmale in hohem Maße einander angeglichen haben und damit kein ausreichendes Differenzierungspotenzial bieten. Ein auf den Geschmack der Zielgruppe ausgerichtetes Design verleiht dem Produkt präferenzbildende und differenzierende Eigenschaften. Die Produkte sind deshalb verstärkt mit erlebnisbetonten Design-Komponenten auszugestalten, die emotionale Eindrücke wie z. B. Frische, Geborgenheit, Jugendlichkeit, Erotik oder Alternativsein vermitteln (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 134 ff.; Veryzer und Borja de Mozota 2005, S. 128 f.; Burmann et al. 2010, S. 33 ff.). Ein weiterer Ansatzpunkt können zusätzliche Leistungen, sog. Value-Added-Services, sein. Value-Added-Services sind Sekundärleistungen, die in Kombination mit einer Pri-
462
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
märleistung angeboten werden. Die Primärleistung kennzeichnet die ursprüngliche Kernleistung eines Unternehmens, die stets losgelöst von anderen Leistungen des Unternehmens vom Nachfrager bezogen werden kann. Sekundärleistungen werden hingegen immer in Kombination mit einer Primärleistung angeboten. Dieses Leistungsbündel soll bestimmten Zielgruppen einen höheren „Wert“ vermitteln als Konkurrenzangebote mit gleicher Primärleistung. Value-Added-Services können sowohl unentgeltlich als auch entgeltlich angeboten werden. Der Begriff des „Wertes“ bezieht sich dabei auf das Verhältnis zwischen gefordertem Preis und dem vom Nachfrager individuell wahrgenommenen Zusatznutzen der Dienstleistung. Diese subjektive Nutzenbewertung verdeutlicht die Notwendigkeit einer präzisen Marktsegmentierung als Voraussetzung für ein erfolgreiches Angebot von Value-Added-Services zur Produktdifferenzierung. Mit zielgruppenspezifischen Value-Added-Services werden in erster Linie Profilierungsziele verfolgt. Durch die Anreicherung ausgewählter Primärleistungen mit ValueAdded-Services können innerhalb eines Produktprogrammes die verschiedenen Leistungen eindeutiger voneinander abgegrenzt werden (Intrabrand-Differenzierung). Darüber hinaus wird, vor allem durch personalisierte Zusatzleistungen, eine bessere Differenzierung gegenüber den Wettbewerbern angestrebt (Interbrand-Differenzierung). Beim Einsatz von Value-Added-Services kommt der Intensivierung vorhandener Kundenbeziehungen tendenziell eine höhere Bedeutung zu als einer Extensivierung im Sinne der Neukundenakquisition. Die Art der mit Value-Added-Services zu erreichenden Differenzierungswirkung wird durch zwei Einflussfaktoren bestimmt: der Erwartungshaltung der Nachfrager und dem Grad der Affinität zwischen Primär- und Sekundärleistung. Hinsichtlich der Erwartungshaltung kann zwischen Muss-, Soll- und Kann-Leistungen (vgl. Meffert 1987, S. 93 ff.) unterschieden werden, die Abb. 28 am Beispiel der Automobilbranche exemplarisch dargestellt sind. Muss-Leistungen werden von nahezu allen Anbietern in einer Branche angeboten und vom Nachfrager erwartet. Demgegenüber sind Soll-Leistungen erst bei wenigen Anbietern vorhanden und innovative Kann-Leistungen meist bei keinem Konkurrenzprodukt zu finden. Wird den Nachfragern das Angebot von bislang nicht erwarteten Soll- und Kann-Leistungen kommuniziert, lässt sich oftmals auch ohne konkrete Inanspruchnahme der neuen Leistungen eine Differenzierungswirkung im Sinne eines innovativen und nachfragerorientierten Images erzielen. Neben der Erwartungshaltung wird die Differenzierungswirkung maßgebend von der inhaltlichen Affinität zwischen der Primärleistung und den Value-Added-Services geprägt. Bei hoher Affinität wird der Kunde seine Zufriedenheit mit dem Zusatzservice i. d. R. auf die Primärleistung übertragen. Durch diesen direkten Zufriedenheitstransfer wird letztlich die gewünschte Profilierung der Primärleistung erreicht. Außerdem ist bei sehr affinen Serviceleistungen, bei denen die Nachfrager dem Anbieter mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Kompetenz bescheinigen, eher damit zu rechnen, dass der angebotene Dienst auch tatsächlich in Anspruch genommen wird. Darüber hinaus wird sich die dem Anbieter zugeschriebene Kompetenz positiv auf die Zufriedenheit der Kunden mit dem Value-Added-Service auswirken.
4
Produktvariation und Produktdifferenzierung
463
Demgegenüber besteht bei geringem Affinitätsgrad die Gefahr, dass die Kunden dem Unternehmen die Kompetenz zur Erstellung der angebotenen Zusatzleistung absprechen und diese nicht nutzen. Selbst im Falle der Inanspruchnahme und Zufriedenheit mit der Zusatzleistung besteht die Gefahr, dass die Dienstleistung getrennt von der Primärleistung wahrgenommen und bewertet wird und es somit nicht zu dem angestrebten Zufriedenheitstransfer kommt. Für die Art der Differenzierungswirkung bleibt festzuhalten, dass im Profilierungsfeld I (vgl. Abb. 28) bereits durch das bloße Angebot, d. h. ohne eine konkrete Nutzung der Dienstleistung, eine Differenzierungswirkung erzielt werden kann. Hier ist z. B. an die Verbesserung der wahrgenommenen Kundennähe eines Automobilhändlers durch die Integration eines Kinderhortes in den Bereich der Kundendienstannahme zu denken. Demgegenüber ist in Feld III durch das Angebot von Value-
Grad der Affinität von Primär- und Sekundärleistungen
Hohe Affinität
Mittlere Affinität
Geringe Affinität
Erwartungshaltung auf der Nachfragerseite
MussDienstleistung
SollDienstleistung
Garantiearbeiten Technischer Kundendienst
TÜV-Untersuchung Leasing Direktannahme
Haftpflichtversicherung KannDienstleistung
Profilierungsfeld II
Mietwagenvermittlung
Caféteria
Mobilitätsgarantie Schutzbrief
Kinderhort Reisebüro
Profilierungsfeld I
Abb. 28 Profilierungsoptionen durch Value-Added-Services (Quelle: Laakmann 1995, S. 19)
Aus Kann-Dienstleistungen werden im Zeitverlauf Soll- bzw. Muss-Dienstleistungen
Profilierungsfeld III
464
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Added-Services allein keine Differenzierung erreichbar. Hier führen erst eine wettbewerbsüberlegene Leistungserstellung und die tatsächliche Inanspruchnahme durch den Kunden zu der erwünschten Profilierungswirkung. Die vierte Möglichkeit der Produktvariation und -differenzierung besteht in der Veränderung der symbolischen Eigenschaften. Dies bezieht sich in erster Linie auf die Markierung der Produkte. So können einzelne Produktvarianten mit symbolträchtigen Markenzusätzen versehen werden.
4.3 Probleme der Produktvariation und -differenzierung Bei der Produktvariation und -differenzierung ergeben sich mehrere wichtige Probleme: Die Ermittlung des richtigen Handlungszeitpunktes. Dazu kann der Produktlebenszyklus herangezogen werden. Zudem benötigt eine Produktvariation und -differenzierung einen ausreichenden zeitlichen Vorlauf, sodass die Entscheidung bereits getroffen werden muss, bevor das Produkt in die Phase der Marktsättigung bzw. der Degeneration gelangt. Neben dem Lebenszyklus beeinflussen auch die technische Entwicklung und Maßnahmen der Konkurrenz die Wahl des Handlungszeitpunktes. Insbesondere der Markteintritt preisaggressiver Imitationsprodukte löst i. d. R. Abwehrmaßnahmen aus dem Bereich der Produktvariation und -differenzierung aus. Das Ausmaß der Veränderung. Die Fragen hierbei sind, wie stark sich das veränderte Produkt vom bisherigen abheben soll, um vom Nachfrager als Neuerung positiv wahrgenommen zu werden, und wann die Grenze zur Produktinnovation überschritten ist. Eine allgemeingültige Aussage lässt sich zu diesem Problem nicht treffen. Auf der einen Seite muss die Veränderung für den Nachfrager deutlich wahrnehmbar sein, auf der anderen Seite sollte der notwendige Umstellungsaufwand in der Produktion und den anderen betrieblichen Funktionsbereichen möglichst gering ausfallen, um die Prozesskomplexität und damit die Komplexitätskosten durch die Produktdifferenzierung nicht zu stark anwachsen zu lassen. Insbesondere bei der Produktdifferenzierung treten weitere Entscheidungsprobleme auf: Die große Anzahl möglicher Alternativen. Bei bspw. fünf veränderten Produktelementen, wobei jedes Element nur zwei Ausprägungen annehmen kann, ergeben sich bereits 52 D 25 mögliche Kombinationen. Das exponentielle Wachstum der Variantenzahl verursacht in der Regel einen starken Anstieg der Komplexitätskosten, der dazu führen kann, dass die Einführung zusätzlicher Produktvarianten zwar den Absatz und Umsatz steigert, den Gewinn jedoch fallen lässt. Die Absatzverbundenheit der Produkte. Dabei sind der Substitutions- und der Partizipationseffekt zu unterscheiden (vgl. Jacob 1976, S. 354). Als Partizipationseffekt
4
Produktvariation und Produktdifferenzierung
465
wird die Nachfrage der durch die zusätzliche Produktvariante neu hinzugewonnenen Käufer, die bislang Konkurrenzprodukte erworben oder keinerlei Käufe in der betrachteten Produktkategorie getätigt haben, bezeichnet. Substitutionseffekte treten bei einem Wechsel der Kunden von anderen Produkten des Unternehmens zu den neuen Produktvarianten auf, d. h. es gibt eine interne Konkurrenz der Produkte eines Unternehmens (Kannibalisierungseffekt). Diese Kannibalisierung ist nicht zwingend negativ zu beurteilen. Die kannibalisierende neue Produktvariante kann bspw. eine höhere Ertragskraft haben als die kannibalisierte Variante. Ferner ist denkbar, dass ein Kunde durch das Angebot der kannibalisierenden Produktvariante von einem Wechsel zur Konkurrenz abgehalten wurde. Die Produktdifferenzierungsentscheidung setzt somit stets eine genaue Abwägung der mit zusätzlichen Produktvarianten erzielbaren Mehrerlöse einerseits und der zusätzlichen Kosten andererseits (z. B. Bekanntmachung der neuen Variante, Umstellungen in der Produktion, Schulung des Außendienstes, höhere Materialkosten, entgangene Deckungsbeiträge durch Substitutionseffekte) voraus. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass mit zusätzlich angebotenen Produktvarianten der zu erzielende Mehrerlös sinkt und die Kosten steigen (vgl. Backhaus und Voeth 2010, S. 296). Zur Lösung dieses Optimierungsproblems (vgl. Abb. 29) können insbesondere Marktforschungsuntersuchungen und präzise Kostenanalysen beitragen.
k
k, e
e
d opt
Produktdifferenzierungsgrad
k
= Stückkosten für Entwicklung, Produktion und Vertrieb bei Produktdifferenzierung
e
= Durchschnittliche Stückerlöse bei Produktdifferenzierung
d opt = Grenzkosten der Produktdifferenzierung = Grenzerlös der Produktdifferenzierung
Abb. 29 Optimaler produktpolitischer Differenzierungsgrad (Quelle: Backhaus und Voeth 2010, S. 296)
466
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
5 Produktelimination Die Elimination einzelner Produkte aus dem Angebotsprogramm des Unternehmens ist ein weiterer wichtiger Entscheidungstatbestand im Rahmen der Produktpolitik (vgl. Majer 1969, S. 35 ff.; Reiß 1999, S. 209; Herrmann et al. 2000, S. 28; Homburg et al. 2010, S. 531 f.). Hier soll die Elimination eines einzelnen Produktes betrachtet werden. Die Herausnahme ganzer Produktlinien gehört in den Bereich der strategischen Programmplanung und wird an dieser Stelle nicht behandelt. Ein wesentlicher Grund für die Produkteliminierung liegt in der Konkurrenz der Produkte um knappe Ressourcen und Kompetenzen des Unternehmens, bspw. hinsichtlich der Produktionskapazität, des Marketingbudgets, des Regalplatzes im Einzelhandel oder des Managements. Es ist somit notwendig, eine objektiv fundierte Entscheidung über die Beibehaltung oder Herausnahme einzelner Produkte aus dem Programm des Unternehmens zu treffen. Da diese Überlegungen relativ häufig anzustellen sind und eine ständig wiederkehrende Aufgabe darstellen, ist es sinnvoll, die Produkteliminierung zu systematisieren und eine Entscheidungsroutine aufzustellen. Ein solcher Prozess dient als Richtlinie für die Entscheidungsfindung. Abb. 30 verdeutlicht die Vorgehensweise. Die erste Stufe des Eliminierungsprozesses besteht in einer ständigen Kontrolle des bestehenden Programmes, um durch das rechtzeitige Erkennen von Engpässen die Eliminierungsüberlegung in Gang setzen zu können. Die Position der Produkte im Produktlebenszyklus und die Auswertung von Programmstrukturanalysen geben Hinweise für die Notwendigkeit einer Eliminationsentscheidung. Zusätzlich sind Informationen über die Kapazitätsauslastung in den einzelnen Unternehmensbereichen und über den Lagerbestand in die Überlegungen einzubeziehen. Darüber hinaus müssen externe Anregungsinformationen in den Prozess der Produkteliminierung einbezogen werden. Dabei sind Informationen über die Verknappung notwendiger Inputfaktoren (z. B. Rohstoffe, Energie), technologische Entwicklungen (wie die modernen IuK-Technologien), gesetzliche Regelungen (z. B. Umweltschutzauflagen), gesellschaftliche Entwicklungen (z. B. Verschiebung der Altersstruktur, steigendes Gesundheitsbewusstsein), ökonomische Entwicklungen (z. B. Rezessionen, Globalisierung) oder aber auch politische Versorgungsaufträge (wie bei Energieversorgern oder Telekommunikationsunternehmen) zu berücksichtigen. Um eine objektive und systematische Entscheidung über die Aussonderung von Produkten aus dem Programm zu ermöglichen, ist es notwendig, im zweiten Schritt der Prozessbetrachtung Kriterien festzulegen, die als Maßstab für eine Eliminierung dienen. Dabei sind sowohl quantitative als auch qualitative Größen heranzuziehen. Als quantitative Maßstäbe werden zahlenmäßig erfassbare Daten genutzt, welche die entsprechenden Ziele des Unternehmens widerspiegeln. Dies sind i. d. R. Größen wie Stückkosten, -erlöse oder -deckungsbeiträge. Diese Kriterien allein reichen zur Eliminierung nicht aus, sondern müssen durch qualitative Kriterien ergänzt werden, die Stärken und Schwächen eines Produktes zum Ausdruck bringen und sich nur schwer oder gar nicht quantifizieren lassen. Als Beispiele qualitativer Eliminierungskriterien sind die Einführung deutlich überle-
5
Produktelimination
467
Kontinuierlicher Vergleich: Zielfunktion Produktmix (Anregungsinformation) Produkteliminierung erforderlich?
nein
ja Auswahl der Eliminierungskriterien Festlegung der kritischen Eliminierungswerte Sammlung von Produktdaten
Bewertung der Produkte
nein
Ergeben sich eliminierungsreife Produkte? ja Messung der Verbundeffekte
Bestehen wesentliche Verbundeffekte?
nein
ja Einbeziehung der Verbundwirkungen in die Entscheidung
nein
Eliminations entscheidung? ja Auswahl einer geeigneten Eliminierungsstrategie
Realisation
Abb. 30 Prozess der Produktelimination (Quelle: In Anlehnung an Dornieden 1976, S. 81 f.)
468
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
gener Konkurrenzprodukte, ein negativer Einfluss auf das Image der Unternehmensmarke oder technologische Veralterung zu nennen. Unter Berücksichtigung der Informationsbeschaffungskosten ist es sinnvoll, die Eliminierungskriterien zu gewichten und den Prozess der Produktbewertung iterativ ablaufen zu lassen. Dabei sollte im ersten Durchlauf nur ein Set der wichtigsten Kriterien überprüft werden. Führt dies noch nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, sollten in weiteren Durchläufen zusätzliche Kriterien einbezogen werden. Sind die eliminierungsverdächtigen Produkte ausgewählt, muss überprüft werden, inwieweit Verbundbeziehungen zu anderen Produkten oder Produktgruppen die Entscheidung beeinflussen. Insbesondere bei Produkten, die über einen Verbund mit umsatzstarken Produkten zusammenhängen, ist die Eliminationsentscheidung genau abzuwägen. Ist eine Eliminationsentscheidung gefallen, muss entschieden werden, welche Eliminierungsstrategie verfolgt werden soll (Zeitpunkt sowie Art und Weise der Elimination). Dabei lassen sich grundsätzlich eine sofortige Herausnahme aus dem Markt oder eine geplante Desinvestitionsstrategie unterscheiden. Die Auswahl der verfolgten Strategie hängt dabei wesentlich von den Eliminationsgründen ab. Erstere wird meist aufgrund unerwartet auftretender, negativer Ereignisse (z. B. Gesundheitsrisiken bei der Verwendung bestimmter Kosmetika oder Nahrungsmittel) notwendig. Die zweite Strategie wird hingegen eher verfolgt, um noch bestehende Ertragspotenziale im Markt abzuschöpfen und internen wie externen Zielgruppen (z. B. Mitarbeiter, Absatzmittler, treue Kunden) eine Gewöhnung an die bevorstehende Elimination (die frühzeitig kommuniziert wurde) zu ermöglichen. Bei Kunden ist dabei vor allem die Migration zu anderen Produkten des Unternehmens sicherzustellen („switching management“).
6 Integrierte Erfolgsmessung in der Produkt- und Programmpolitik 6.1 Strategische Erfolgsmessung in der Produkt- und Programmpolitik Die strategische Erfolgsmessung von Marketingaktivitäten befasst sich mit der Frage, welchen übergeordneten Wertbeitrag das Marketing zum Unternehmenserfolg leistet. Analog zum strategischen Controlling des gesamten Marketingmanagementprozesses steht bei der strategischen Erfolgsmessung der Produkt- und Programmpolitik die Beziehung zum Kunden im Vordergrund (vgl. Abb. 31). Als Teil des Marketingmanagementprozesses muss die Produkt- und Programmpolitik zur Generierung von Marketing Assets beitragen. Dazu gehört neben der Gestaltung der Beziehung zu den Nachfragern auch die Gestaltung der Beziehung zu weiteren Anspruchsgruppen. Aus der Perspektive des MBV werden potenzielle Absatzmärkte hinsichtlich ihrer Attraktivität bewertet. Einfluss darauf nehmen Größen wie Wettbewerbssituation, Wachstumspotenzial, Nachfragestruktur oder unentdeckte bzw. unbefriedigte Nachfragerbedürfnisse („market-pull“-Orientierung). Auf Basis dieser Analyse werden entsprechende strategische Entscheidungen wie die Ausweitung von Produktlinien, Produktinnovation oder
6
Integrierte Erfolgsmessung in der Produkt- und Programmpolitik
469
Produkt- und programmpolitischer Planungsprozess
Output: Marketing Assets
Input
Marktattraktivität
MBV
Marktliche Vermögenswerte
(z.B. Wettbewerb, Nachfragestruktur)
Operative Umsetzung
Analyseperspektive
(z.B. operatives Innovationsmanagement)
Gesellschaftliche Vermögenswerte
Strategische Entscheidungen (z.B. trading up/down des Produktprogrammes)
Kosten + Investitionen (z.B. F&E-Kosten, Kosten der Markteinführung)
Ressourcen + Kompetenzen CBV
Nachfragerbeziehungen
(z.B. Innovationsfähigkeit)
– Kundenbindung durch attraktives Angebotsprogramm und markenidentitätskonformes Produkterlebnis
Stakeholderbeziehungen
– Förderung von Sicherheit und Stabilität in Entwicklungsländern durch Einbeziehung der Bevölkerung in Marktaktivitäten – Ausnutzen von Economies of Scale großer Unternehmen, um ärmeren Schichten günstige Produktvarianten anzubieten
Unternehmenswert RoI, Gewinn, EVA, Kapitalrentabilität etc.
Ökologische Vermögenswerte – Ressourcenschonender Einsatz von Betriebsmitteln, Verpackungsmaterialien etc. – Aufbau eines wirksamen Recyclingsystems für die eigenen Produkte – Umweltschonender Betrieb der Produktionsstätten
Abb. 31 Integrierte Erfolgsmessung in der Produkt- und Programmpolitik
Produktelimination getroffen, die dann operativ umgesetzt werden. Daraus wiederum ergibt sich Handlungsbedarf bezüglich möglicher Investitionen und dem Aufbau der erforderlichen Kompetenzen und Ressourcen. Die genau entgegengesetzte Analyserichtung verfolgt der CBV. Die eigene Kompetenz- und Ressourcenausstattung wird dahingehend überprüft, welche Neuerungen möglich oder Eliminierungen nötig sind („technology-push“-Orientierung). Entsprechend dieser Analysen werden geeignete strategische Entscheidungen wie z. B. das Trading-up einer Produktlinie gefällt und ein passender Markt ausgewählt. Dieser wird dann in der operativen Umsetzung der strategischen Vorgaben bearbeitet, was Auswirkungen auf die Budgetierung hat. Der produkt- und programmpolitische Input ist entscheidend an der Gestaltung der Nachfragerbeziehungen beteiligt. Nur über ein Angebotsprogramm, das in seiner Gesamtheit die Bedürfnisse der Nachfrager befriedigt, können Kundenzufriedenheit und -bindung erreicht werden. Insbesondere durch erfolgreiche, bedürfnisgerechte Produktinnovationen kann der Kunde nachhaltig gebunden werden und der Kundenlebenszeitwert gesteigert werden. Zudem unterstützt eine markenidentitätskonforme Ausrichtung des
470
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Programmes, d. h., dass das Produkterlebnis hält, was die Marke verspricht, die Steigerung des Brand Equity. Gemäß dem modernen Marketingverständnis soll die Produkt- und Programmpolitik nicht nur zur Gestaltung der Nachfragerbeziehungen verwendet werden, vielmehr muss sie auch dazu beitragen, die Beziehungen zu weiteren Anspruchsgruppen zu gestalten. In diesem Zusammenhang ist das Einbeziehen der Bevölkerung von Entwicklungsländern in die planerischen Tätigkeiten der Produkt- und Programmpolitik zu nennen (vgl. Meffert et al. 2010, S. 98 ff.). Dadurch lässt sich zur Reduktion der Armut beitragen und gesellschaftliche Vermögenswerte werden generiert. Das traditionelle Modell, Armut durch Spenden verringern zu wollen, hat in Retrospektive keinen nachhaltigen Erfolg gezeigt (vgl. Kirchgeorg und Winn 2006, S. 174). Stattdessen erwartet man von der Integration der armen Bevölkerungsschichten in das Marktgeschehen eine Verbesserung der Lebensverhältnisse. Dies bedeutet zum einen, dass die Bevölkerung von Entwicklungsländern als Zielgruppe identifiziert wird und damit deren Bedürfnisse in die Ausrichtung des Angebotsprogrammes miteinfließen. Große, multinationale Konzerne können ihre Economies of Scale in den Bereichen Produktion, Finanzierung, Logistik etc. dahingehend nutzen, günstige Produktvarianten von guter Qualität in Entwicklungsmärkten anzubieten (vgl. Meffert et al. 2010, S. 202 ff.). Damit helfen sie den ärmeren Schichten, da diese aufgrund schlechter Infra- und Marktstruktur (wenige Händler, kein Zugang in Slumsiedlungen) häufig mehr für Güter des täglichen Bedarfes zahlen als reichere Bevölkerungsschichten. Zudem kann die ärmere Bevölkerungsschicht eine lukrative Zielgruppe darstellen, da sie trotz individuell geringer Kaufkraft über ihre schiere Größe ein erhebliches Marktpotenzial bietet (vgl. Prahalad und Hammond 2003, S. 62 ff.). Zum anderen kann die Bevölkerung von Entwicklungsländern als Mitarbeiter gewonnen werden, indem man in Produktionsstätten vor Ort investiert. Das Einhalten hoher Standards bezüglich Sicherheit, Mitarbeiterentlohnung etc. sorgt für eine Verbesserung der Lebensqualität. Die aktive Teilnahme am Marktprozess kann zu einer Wohlstandsmehrung führen und so nachgelagert zu einer Stabilisierung und Stärkung der Sicherheit in Entwicklungsländern beitragen. Da große Teile der Bevölkerung in Entwicklungsländern bisher nur wenig Erfahrung mit Produkten und Marketinginstrumenten westlicher Industrienationen gemacht haben, kommt in der Bearbeitung dieser Nachfragerschichten dem sog. Educational Marketing eine wichtige Rolle zu (vgl. Aguiar et al. 2008, S. 6). Die Zielsetzung des Educational Marketing besteht darin, Nachfragern den Nutzen von Produkten zunächst zu erklären, um hierdurch einen Bedarf zu erzeugen (vgl. Meffert et al. 2010, S. 102). Zur Bildung von ökologischen Vermögenswerten kann die Produkt- und Programmpolitik beisteuern, indem sie das Programm so ausgestaltet, dass während der Phasen von Produktion, Verwendung und Entsorgung auf Umweltverträglichkeit geachtet wird. Dies beginnt bspw. mit der Verwendung ressourcenschonender Rohstoffe und Betriebsmittel, über die Entwicklung und Verwendung einer umweltschonenden Verpackung bis hin zur Einrichtung eines effektiven Recyclingsystems für die eigenen Produkte (vgl. Meffert und Kirchgeorg 1998, S. 370 ff.). Auch der umweltschonende Betrieb der Produktionsstätten
6
Integrierte Erfolgsmessung in der Produkt- und Programmpolitik
471
trägt zur Bildung ökologischer Vermögenswerte bei, indem bspw. der Schadstoffausstoß verringert, Abwässer wiederaufbereitet oder die Lärmbelastung verkleinert wird.
6.2
Operative Erfolgsmessung in der Produkt- und Programmpolitik
Zentrale Aufgabe des operativen Marketingcontrollings sind Soll-Ist-Vergleiche die sich auf das „Tagesgeschäft“ im Marketing beziehen. Für das operative Controlling der Produkt- und Programmpolitik lassen sich zwei wichtige Methoden anführen: Produktlebenszyklusanalysen Programmstrukturanalysen Der Produktlebenszyklusanalyse (vgl. Meffert und Burmann 2000, S. 6 ff.; Matys 2013; Moon 2005, S. 92) liegt die Vorstellung zugrunde, dass Produkte wie Lebewesen einem bestimmten Verlauf ihrer Existenz unterliegen, der von der Entstehung über eine Blütezeit hin zum Verfall reicht. Die Gründe hierfür können die Ausschöpfung des Nachfragepotenzials, Änderungen der Nachfrage, technischer Fortschritt und anderes mehr sein. Dies führt dazu, dass Produkte eine begrenzte Lebensdauer aufweisen und während ihres „Lebens“ bestimmte Phasen durchlaufen. Lebenszyklusmodelle sind geeignet, diesen Sachverhalt zu beschreiben. Der Lebenszyklus von Produkten kann als ein deterministisches, zeitraumbezogenes Marktreaktionsmodell beschrieben werden. Am häufigsten werden zur Erklärung des Lebenszyklusphänomens die in Abb. 32 dargestellten Kurvenverläufe verwendet. Als Grundlage für das dabei unterstellte Nachfragerverhalten wird in der Literatur häufig auf die Hypothesen zur Diffusion von Innovationen verwiesen. Die grundlegenden Aussagen des Modells sind, dass jedes Produkt – unabhängig von seinem spezifischen Umsatzverlauf – zunächst steigende und dann sinkende Umsätze erzielt und dass jedes Produkt ganz bestimmte Phasen durchläuft, unabhängig davon, ob die absolute Lebensdauer eines Produktes Jahrzehnte, einige Jahre oder nur wenige Monate beträgt. Es wird angenommen, dass durch einen Rückschluss auf die charakteristischen Kurvenmuster die aktuelle Lebenszyklusphase des betreffenden Produktes abgeschätzt werden kann. Daraus lässt sich eine Einschätzung hinsichtlich des optimalen Zeitpunktes zum Einsatz von Marketing-Mix-Maßnahmen ableiten. Die Phasen im Einzelnen sind: 1. 2. 3. 4. 5.
Einführungsphase, Wachstumsphase, Reifephase, Phase der Marktsättigung sowie Degenerationsphase.
472
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
U; U‘;G P3 P1
U
atz
U‘
tz sa Um
Gr
en
zu
ms
P2
Gewinnrate G
t0
Einführung
t1
Wachstum
t2
t4
t3 Reifezeit
Sättigung
t5
Zeit
Degeneration
Abb. 32 Abgrenzung der Phasen des Lebenszyklus
Der Verlauf der Kurve in der Einführungsphase erklärt sich durch Neugierkäufe und durch die Erfolge der Einführungsaktivitäten des Marketing. Die Einführungsphase ist oft die wichtigste Phase, denn hier entscheidet sich, ob die ursprüngliche Produktidee in ein wirtschaftlich erfolgreiches Produkt umgesetzt worden ist. Sie ist die Phase der höchsten Marktinvestitionen, vor allem in Werbung und Verkaufsförderung. Gerade diese Marktinvestitionen bedingen aber, dass während der Einführungsphase Verluste in Kauf genommen werden müssen. Das Ausmaß der Anfangsverluste hängt unter anderem auch von der preispolitischen Strategie ab. Entweder können in der Einführungsphase hohe Preise zur Abschöpfung der i. d. R. hohen Preisbereitschaft der Erstkäufer (Prämien- oder Skimmingpreise) oder niedrige Preise zur schnellen Erhöhung des Marktanteiles (Penetrationspreise) gesetzt werden. Verlusterhöhend wirken sich zudem gewöhnlich in der Anlaufphase auftretende Schwierigkeiten wie Mangel an Produktionserfahrung und konstruktive Schwächen des Produktes (oft als „Kinderkrankheiten“ bezeichnet) aus. Mit dem Erreichen der Gewinnschwelle treten die neuen Produkte in die Wachstumsperiode ein. In der Wachstumsphase wird das Produkt durch die Wirkungen der Absatzpolitik in früheren Perioden immer größeren Abnehmerkreisen bekannt. Hinzu kommen die „Flüsterpropaganda“ zufriedener Kunden, Tests, Berichte in Fachzeitschriften usw. Bei sehr kurzlebigen Gütern setzt hier schon die Ersatzbeschaffung ein. In diesem Stadium treten häufig auch Konkurrenten mit Nachahmungen auf. Sie differenzieren ihre Erzeugnisse bzgl. der Form, der technischen Ausführung, der Qualität oder des Preises und gewinnen auf diese Weise neue Käuferschichten. Eine starke Expansion des Marktes ist oftmals die Folge. Nach überproportionalen Umsatzzuwächsen stabilisiert sich die Zuwachsrate nach einigen Jahren bei einem bestimmten Prozentsatz. Mathematisch gesehen ist dies das Maximum der Grenzumsatzkurve (P1). Dies ist gleichbedeutend mit dem Wendepunkt der Umsatzkurve (P2) und stellt den Übergang zur Reifephase dar.
6
Integrierte Erfolgsmessung in der Produkt- und Programmpolitik
473
Die Reifephase ist gekennzeichnet durch eine weitere absolute Marktausdehnung bei gleichzeitigem Absinken der Umsatzzuwachsraten und durch den Rückgang der Umsatzrentabilität. Häufig verstärkt sich der Wettbewerb durch Investitionen der Konkurrenz in dieser Lebenszyklusphase. Es erscheinen auch Nachzügler auf dem Markt, die ihre Chancen relativ spät erkannt haben. Die Produktpolitik ist in dieser Phase durch einen Anstieg der Zahl der Produktvarianten zur Anpassung des Angebotes an heterogene Nachfragerwünsche gekennzeichnet. Die im Zeitablauf wachsende Differenzierung der Abnehmerbedürfnisse ist ein Resultat der steigenden Produkterfahrung und eines höheren Anforderungsniveaus der Nachfrager. Das Ende der Reifezeit ist erreicht, wenn das absolute Umsatzwachstum zum Erliegen kommt. Die Grenze kann hier nicht genau gezogen werden, da konjunkturelle Einflüsse eine Stagnation vortäuschen können, obwohl der Markt vielleicht noch auf längere Sicht expandiert. Auf die Reifezeit folgt eine Phase der Marktsättigung. In dieser Phase wird der höchste Umsatz erzielt, d. h. die Umsatzkurve erreicht hier ihr Maximum (P3 ). Gleichzeitig werden die Grenzumsätze negativ. Allerdings sind die Grenzen zu benachbarten Phasen in dieser Situation nicht eindeutig festzulegen. Dies gilt vor allem hinsichtlich der Abgrenzung zur Degenerationsphase. Darüber hinaus kann insbesondere durch preispolitische Maßnahmen (z. B. Preisnachlässe) in Verbindung mit einer verbesserten Produktausstattung die Sättigungsphase erheblich verlängert werden. Die Degenerationsphase beschließt den Lebenszyklus des Produktes. Ursächlich hierfür ist, dass das Bedürfnis, auf dessen Befriedigung das Produkt abgestellt war, nun besser, billiger oder bequemer von neuen, andersartigen Produkten befriedigt werden kann. Ein weiterer Grund können staatliche Regelungen sein, wie bspw. der Steueraufschlag auf alkoholhaltige Mischgetränke (sog. Alkopops) zum Schutz Jugendlicher im Jahr 2004. Besonders schnell tritt die Degenerationsphase ein, wenn neben die natürliche Veralterung eine künstliche tritt, die bewusst durch nur oberflächlich neue, aber das alte Produkt substituierende Produkte geschaffen wird. Besonders ausgeprägt ist diese Erscheinung der psychologischen oder künstlichen Veralterung bei Lifestyle-Produkten. Der Nachteil dieses Konzepts ist eine fehlende Allgemeingültigkeit, denn die Länge der einzelnen Phasen und des gesamten Zyklus sowie die Umsatzentwicklung variieren von Branche zu Branche. Allerdings lassen sich einige Gemeinsamkeiten identifizieren und daraus Empfehlungen für den Einsatz der Marketinginstrumente ableiten (vgl. Tab. 12). Eine weitere Methode ist die Programmstrukturanalyse. Hier werden die Lebenszyklusanalysen einzelner Produkte zu einer integrierten Betrachtung zusammengeführt. Die Analyse der Programmstruktur ist darauf ausgerichtet, komprimierte Informationen über das gesamte Programm zu erhalten. Es können drei sich ergänzende Analysekriterien ausgewählt werden, auf Basis derer Programmstrukturanalysen durchgeführt werden: Alter, Umsatz und Kundenstruktur.
474
5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
Tab. 12 Ableitung von Handlungsempfehlungen aus den Phasen des Produktlebenszyklus Einführungs- und Wachstumsphase Strategieschwerpunkt Produktgestaltung:
Finanzmittelbedarf
Sättigungs- und Verfallsphase Prozessgestaltung:
Qualitätssicherung Technologiebeherrschung Hoher Investitionsbedarf:
Rationalisierung Fokussierung Niedriger Investitionsbedarf:
Hoher Kapitalbedarf zur Wachstumsfinanzierung (z. B. Betriebsmittel) Hohe F&E-Aufwendungen Hohe Markterschließungskosten
Kapitalfreisetzung durch Prozessoptimierung und Betriebsgrößenschrumpfung Niedriger F&E-Aufwand Meist hoher Kommunikationsaufwand Niedrige Rentabilität:
Rentabilität
Hohe Rentabilität:
Risiken
Hohe Preisbereitschaft bei „Inno- Geringe Preisbereitschaft der Nachvatoren“ (Frühkäufern) frager Geringe Wettbewerbsintensität Viele Wettbewerber, hohe Wettbewerbsintensität Preis als wichtigster Aktionsparameter der Absatzmittler (Erlösdruck bei Herstellern) Hohes Risiko: Mittleres Risiko: Technologieunsicherheit Strategieunsicherheit Kaufverhaltensunsicherheit
Marktanteilsunsicherheit aufgrund eines scharfen Verdrängungswettbewerbs
Die Analyse der Altersstruktur des Produktprogrammes ist besonders für Unternehmen mit umfangreichen Programmen wichtig, bspw. in der Unterhaltungselektronik-, Pharma- oder Konsumgüterindustrie. Die Lebenserwartung der einzelnen Produkte im Programm ist je nach ihrer Stellung im Lebenszyklus unterschiedlich. Viele alte Produkte im Programm bilden i. d. R. ein hohes Risiko für das Unternehmen, während zahlreiche neue Produkte die Wachstumschancen des Unternehmens und damit das längerfristige Überleben am Markt sichern. Die Ergebnisse der Altersstrukturanalyse liefern somit Hinweise für die Entscheidungstatbestände der Produktinnovation und -elimination. Wichtig ist ferner die Betrachtung der Umsatzstruktur des Programmes. Der Umsatz ist insofern eine wichtige Kennzahl, als er den Umfang der Geschäftstätigkeit in den unterschiedlichen Bereichen des Programmes deutlich macht. Außerdem lassen sich aus der zeitlichen Entwicklung der Umsatzzahlen wichtige Erkenntnisse über die Marktsituation in den einzelnen Produktbereichen ableiten. Die Umsatzstruktur zeigt die Verteilung des Gesamtumsatzes auf die einzelnen Produkte bzw. Produktgruppen. Das Umsatzprofil lässt sich bspw. mithilfe einer Lorenzkurve darstellen (vgl. Abb. 33a). Dazu werden die Anteile der einzelnen Produkte bzw. Produktlinien am Gesamtumsatz ermittelt und beginnend mit dem umsatzstärksten Produkt in eine Reihenfolge gebracht. Den Umsatzanteilen wer-
6
Integrierte Erfolgsmessung in der Produkt- und Programmpolitik b) Kundenstruktur
a) Umsatzstruktur Umsatz (%) 100 95
475
IV
Umsatz (%) 100
III
80
II
50 40 I
0
0
60 100 10 25 Beanspruchte Produktionskapazität (%)
0
0
55
100 75 Anzahl Kunden (absolut)
Abb. 33 Lorenzkurve als Grundlage der Umsatz-/Kundenstrukturanalyse. a Umsatzstruktur, b Kundenstruktur
den die Anteile der Produkte an der Produktionskapazität des Unternehmens zugeordnet. Durch Eintragung der Umsatz- und Kapazitätsanteile in ein Koordinatensystem ergeben sich die Punkte des Umsatzprofils. Ein Vergleich mit der 45°-Linie des Koordinatensystems zeigt die Stärke der Konzentration des Programmes. Je weiter sich die Lorenzkurve von der Linie einer gleichgewichtigen Verteilung entfernt, desto stärker sind die Konzentration und damit die Abhängigkeit von einzelnen Produkten. Abb. 33a zeigt dies am Beispiel eines Vier-Produkt-Programmes. Produkt I hat einen Anteil von 40 % am Gesamtumsatz, beansprucht aber nur 10 % der Produktionskapazität. Produkt IV hingegen beansprucht 40 % der Kapazitäten, generiert aber nur 5 % des Umsatzes. Für das Unternehmen vermittelt das Umsatzprofil einen Einblick in die Verteilung der zumeist kapitalintensiven Produktionskapazität auf einzelne Produkte. Durch Art und Ausmaß von Veränderungen im Zeitablauf ergeben sich Hinweise auf fertigungswirtschaftliche Nachteile, wenn eines der Produkte oder eine Produktgruppe einen starken Umsatzrückgang verzeichnet. Weiterhin lassen sich mithilfe des Umsatzprofils Produkte identifizieren, die für eine Elimination in Frage kommen. Produkte mit einer ungünstigen Umsatz-/Kapazitätsanteil-Relation (im Beispiel Produkt IV) sollten diesbezüglich genauer untersucht werden. Die dritte Variante der Strukturanalyse ist die Untersuchung der Kundenstruktur. Untersuchungsgegenstand ist dabei die Verteilung des Gesamtumsatzes und der Verkaufsmenge auf einzelne Kunden bzw. Aufträge. Ein solches Kundenprofil hat besondere Bedeutung für die Risikosituation des Unternehmens und zeigt die Abhängigkeit eines Unternehmens von einzelnen Abnehmern. Die grafische Darstellung ähnelt der des Um-
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5 Marketing-Mix: Produkt- und programmpolitische Entscheidungen
satzprofils, wobei auf der Abszisse anstelle der Produktionskapazität die Zahl der Kunden abgetragen wird (vgl. Abb. 33b). Aus der Kurve lässt sich ablesen, mit wie viel Prozent der Kunden ein bestimmter Anteil des Umsatzes erzielt wird. Eine starke Konzentration auf wenige Abnehmer hat für das Unternehmen ein hohes Risiko zur Folge. In diesem Fall sind Überlegungen notwendig, ob das Risiko durch Produktmodifikationen oder Innovationen zur Ansprache eines größeren Kundenkreises gestreut werden sollte, um die Abhängigkeit von wenigen Abnehmern zu reduzieren. In diesem Zusammenhang ist abschließend die ABC-Analyse zu nennen. Auf Basis einer Lorenzkurve werden bestimmte Zielobjekte (meist Produkte, Kunden oder strategische Geschäftsfelder) nach ihrem Beitrag zu einer bestimmten Zielgröße (meist Umsatz) in die drei Gruppen A, B und C klassifiziert. Die Einteilung der Gruppen erfolgt unternehmensspezifisch. In der Praxis ist eine Einteilung üblich, nach der A-Objekte 80 %, BObjekte 15 % und C-Objekte 5 % des Umsatzes erwirtschaften. Die verbreitete Faustformel lautet, dass 20 % der Kunden/Produkte 80 % des Umsatzes erwirtschaften. Mithilfe einer ABC-Analyse können demzufolge die Produkte identifiziert werden, die zusammen den größten Beitrag zum Gesamtumsatz leisten. Daraus lassen sich Implikationen für weitere Mix-Entscheidungen wie z. B. verstärkte Kommunikation oder Preisbündelungen ableiten.
Fragen zu Kapitel 5 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.
Definieren Sie die Begriffe „Produkt“, „Produktlinie“ und „Programm“! Nennen und erklären Sie Effekte, die bei der Programmgestaltung zu berücksichtigen sind! Nennen Sie die vier Tatbestände produktpolitischer Entscheidungen und beschreiben Sie diese kurz! Erläutern Sie die vier Dimensionen von Innovation! Welche strategischen Entscheidungen sind im Rahmen der Produktinnovation zu treffen? Nennen Sie die vier Kernstufen des Innovationsprozesses! Nennen Sie verschiedene Quellen für Neuproduktideen! Beschreiben Sie jeweils eine Technik der Ideengewinnung und Ideenproduktion! Erläutern Sie den Prozess der Ideenprüfung! Grenzen Sie Markttest, Mini-Testmarkt und Labortestmarkt voneinander ab! Erläutern Sie die unterschiedlichen Funktionen, die die Verpackung übernimmt! Welche Markteintrittsstrategien kennen Sie? Bewerten Sie diese!
Literatur
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14. Welche Erkenntnisse liefert die Diffusionsforschung im Rahmen der Neuprodukteinführung? 15. Beschreiben Sie, wie sich eine Innovation zwischenbetrieblich implementieren lässt! 16. Unter welchen Umständen und auf welche Weise lässt sich Innovation innerbetrieblich implementieren? 17. Grenzen Sie „Produktdifferenzierung“ von „Produktvariation“ ab! 18. Nennen Sie Ansatzpunkte für Produktdifferenzierung und Produktvariation und erläutern Sie diese kurz! 19. Beschreiben Sie den Prozess der Elimination eines Produktes! 20. Geben Sie ein Beispiel, wie die Produkt- und Programmpolitik zur Entstehung von Marketing Assets beitragen kann! 21. Erläutern Sie das Modell des Produktlebenszyklus! 22. Bewerten Sie das Produktlebenszyklusmodell und leiten Sie Handlungsempfehlungen für die einzelnen Phasen ab! 23. Welche Spielarten der Programmstrukturanalyse kennen Sie? Beschreiben Sie diese! 24. Was ist eine ABC-Analyse?
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
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Ziele und Entscheidungstatbestände bei preispolitischen Entscheidungen . . . . . . . . . . Bestimmungsfaktoren preispolitischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Preiselastizität als Bestimmungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Verhaltenstheoretische Erkenntnisse als preispolitische Bestimmungsfaktoren . . . 2.2.1 Preisinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Preiskenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Referenzpreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Relative und absolute Preisschwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Psychologische Preise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.6 Preisgünstigkeit versus Preiswürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.7 Preisabhängige Qualitätsbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Marktform als preispolitischer Bestimmungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Preispolitische Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Preispositionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Lebenszyklusabhängige Preisstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Preisstrategien bei Produktneueinführungen: Penetrations- und Skimmingpreispolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Preisstrategien im weiteren Verlauf des Produktlebenszyklus . . . . . . . . . 3.3 Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Grundlagen der Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Preisdifferenzierung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Mengenbezogene Preisdifferenzierung durch eine nicht-lineare Preispolitik 3.3.4 Preisbündelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Preisdifferenzierung bei Dienstleistungen: Revenue Management . . . . . . 3.4 Besonderheiten von preispolitischen Entscheidungen im Internet . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Digitale Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Preismodelle im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methoden der Preisfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Kostenorientierte Preisfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Konkurrenzorientierte Preisfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Nachfrageorientierte Preisfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Meffert et al., Marketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-21196-7_6
491 494 495 499 500 502 506 507 508 509 509 511 513 513 515 515 517 520 520 523 528 529 531 535 535 536 542 542 546 549 487
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6
Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
4.3.1 Grundlagen der nachfrageorientierten Preisfindung 4.3.2 Preisentscheidungen im Monopol . . . . . . . . . . . 4.3.3 Preisentscheidungen im Polypol . . . . . . . . . . . . 4.4 Empirische Erfassung der Preisbereitschaft . . . . . . . . . . 5 Konditionenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Rabattpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Lieferungs- und Zahlungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . 5.3 Absatzkreditpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Integrierte Erfolgsmessung in der Preispolitik . . . . . . . . . . . . 6.1 Strategische Erfolgsmessung in der Preispolitik . . . . . . . 6.2 Operative Erfolgsmessung in der Preispolitik . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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550 551 553 555 561 561 564 565 566 566 569 571
6
Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
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I Preispolitik Die Entscheidungen im Rahmen der Preispolitik umfassen alle Ver-
einbarungen über das Entgelt des Leistungsangebotes, über mögliche Rabatte und darüber hinausgehende Lieferungs-, Zahlungs- und Kreditierungsbedingungen sowie die Preisdurchsetzung am Markt. Diese Instrumente der Preispolitik sind im Hinblick auf die Marketingziele auszugestalten.
Charakteristisch für die Preispolitik sind dabei ihre Flexibilität, ihre Wirkungsstärke, ihre Wirkungsgeschwindigkeit und ihre schwere Revidierbarkeit. Weil preispolitische Entscheidungen nur in geringem Maße Vorabinvestitionen erfordern, sind sie im Gegensatz zu den Instrumenten der Produkt- und Distributionspolitik relativ kurzfristig variierbar. Dabei ist zu beachten, dass preispolitische Instrumente eine erhebliche akquisitorische Wirkung ausüben und trotz ihrer kurzfristigen Variabilität auch langfristige Effekte entfalten. Die Wirkungsstärke der Preispolitik resultiert aus der Tatsache, dass alle übrigen Marketinginstrumente letztlich auf die Wahrnehmung und Beurteilung der angebotenen Leistung als „positive“ Komponente eines Kaufaktes einwirken, wohingegen die Preispolitik die „negative“ Komponente bzw. das vom Käufer zu erbringende „Opfer“ zur Erlangung der erwünschten Leistung determiniert. In empirischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass Preisänderungen eine bis zu 20-mal höhere Kaufverhaltenswirkung bei den Nachfragern auslösen als z. B. Veränderungen des Werbebudgets (vgl. Simon und Fassnacht 2016, S. 7 ff.). In engem Zusammenhang mit der Wirkungsstärke steht die Wirkungsgeschwindigkeit preispolitischer Maßnahmen. Sowohl Nachfrager als auch Wettbewerber reagieren oftmals unverzüglich auf Preisänderungen. Dies trifft insbesondere auf solche Güter zu, die in kurzen Kaufrhythmen beschafft werden. Die schnelle Reaktion der Wettbewerber auf preispolitische Maßnahmen (hohe Reaktionsverbundenheit) kann in Deutschland exemplarisch an den fast zeitgleichen Preisveränderungen der großen Mineralölkonzerne oder der Mobilfunkprovider beobachtet werden. Demgegenüber ist bei Maßnahmen der Produkt-, Distributions- und Kommunikationspolitik i. d. R. mit verzögerten Verhaltensreaktionen von Nachfragern und Wettbewerbern zu rechnen. Wirkungsstärke und -geschwindigkeit von Preisänderungen lassen sich nicht nur bei den Reaktionen der Nachfrager messen, sondern auch beim Unternehmenserfolg der Anbieter. So wirken Preisänderungen oft direkt und ohne zeitliche Verzögerung auf Absatz, Umsatz und Gewinn (vgl. Herrmann und Diller 2003, S. 35). Kunden bewerten das Preisniveau eines Produktes über gespeicherte Vergleichspreise (Referenzpreise). Eine Preiserhöhung führt deshalb oft zu einem Aufschub der Kaufentscheidung, weil der bisher gelernte Vergleichspreis auch in der Zukunft (wieder) erwartet wird. Preissenkungen reduzieren dagegen oft den Vergleichspreis, führen kurzfristig zu vorgezogenen Kaufentscheidungen und „blockieren“ Kaufentscheidungen in der Zukunft, da der Nachfrager erwartet, auch langfristig zum reduzierten Preis kaufen zu können. Ein
490
6
Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
Anheben oder Absenken der Preise wirkt somit nachhaltig auf die Preiswahrnehmung der Nachfrager und macht insbesondere Preissenkungen schwer revidierbar. Abb. 1 zeigt die Einordnung der Preispolitik in die Struktur des Lehrbuches. Der Aufbau des Kapitels orientiert sich an dem dargestellten Ablauf preispolitischer Entscheidungen (Pricing Process). In Abschn. 1 werden zunächst die Ziele und Entscheidungstatbestände der Preispolitik herausgearbeitet. Diese Kenntnisse sind ebenso wie die in Abschn. 2 herausgearbeiteten Bestimmungsfaktoren der Preispolitik für die spätere Festlegung und Umsetzung preispolitischer Strategien von hoher Bedeutung. Die wichtigsten preispolitischen Strategien werden in Abschn. 3 vorgestellt. Ist eine Preisstrategie entwickelt worden, gilt es im nächsten Schritt einen konkreten Preis zu finden. Die verschiedenen Methoden der Preisfindung werden in Abschn. 4 erläutert. Abschn. 5 behandelt die Konditionenpolitik und befasst sich mit der Rabattpolitik, den Lieferungs- und Zahlungsbedingungen sowie der Absatzkreditpolitik. Die integrierte Erfolgsmessung bei preispolitischen Entscheidungen (Abschn. 6) schließt das Kapitel ab.
I. Markttransaktionen
Preispolitik
Competence-Based View
Market-Based View
Anbieter
Nachfrager
II. Entscheidungsprozesse Kaufentscheidungen von Marketingentscheidungen von Nachfragern Anbietern Marktinformationen
Situationsanalyse
Bedürfnisse
Marketingziele
Alternativenbewertung
Marketingstrategie
Kaufpräferenz
Marketinginstrumente
Kaufdurchführung
Marketingimplementierung
Nachfragerzufriedenheit
Marketingcontrolling
Ziele und Entscheidungstatbestände
Bestimmungsfaktoren preispolitischer Entscheidungen
Preispolitische Strategien
Methoden der Preisfindung
Konditionenpolitik
III. Wertebene
Kunden- und Markenwert
Stakeholder Value
Unternehmenswert
Abb. 1 Einordnung der Preispolitik in die Struktur des Lehrbuches
Integrierte Erfolgsmessung in der Preispolitik
1
Ziele und Entscheidungstatbestände bei preispolitischen Entscheidungen
491
1 Ziele und Entscheidungstatbestände bei preispolitischen Entscheidungen In den letzten Jahren hat die Bedeutung der Preispolitik deutlich zugenommen. Dieser Bedeutungsanstieg ist auf unterschiedliche Entwicklungen zurückzuführen (vgl. Diller 2003a, S. 5 f.; Simon et al. 2006, S. 16 f.): Im Zuge einer Globalisierung des Wettbewerbes (aufgrund durchlässigerer Ländergrenzen) versucht eine zunehmende Zahl von Herstellern aus sog. „Niedriglohnländern“ über deutlich niedrigere Preise bei vergleichbarer Produktqualität etablierte Märkte zu erobern. In der Folge werden bereits präsente Hersteller in Preiskämpfe hineingezogen. Der wachsende Verdrängungswettbewerb, aufgrund „einäugig“ wachstumsfokussiert aufgebauter Überkapazitäten in Verbindung mit einem stagnierenden Marktvolumen in vielen Branchen, wird häufig ausschließlich über den Preis geführt. Bedingt durch einen immer geringer werdenden Produktdifferenzierungsspielraum in reifen Märkten kommt es zu einer technisch-funktionalen Angleichung vieler Produkte. Dieser verengte Profilierungsspielraum führt zu einer Rückbesinnung auf preisliche Profilierungsalternativen, oft in Verbindung mit einer hierauf abgestimmten Markenstrategie (z. B. Einführung einer preisaggressiven Zweitmarke). Ohne gezielte Maßnahmen zur nicht-preislichen Profilierung der Hauptmarke führt eine solche Zweitmarkenstrategie jedoch schnell zur Erosion der Hauptmarke und intensiviert zusätzlich den Preisdruck in einem Markt. Auf der Absatzmittlerebene kommt es durch den Wegfall der vertikalen Preisbindung und einer sich rasant beschleunigenden Konzentration im Einzelhandel immer häufiger zu einem intensiven Preiswettbewerb. Hinzu kommt eine deutlich gestiegene Preistransparenz für die Nachfrager als Folge der schnell wachsenden Internetnutzung und der Angebote von Preisvergleichsdienstleistern im Internet. Diese Entwicklung wird durch das mobile Internet (z. B. durch mobile Preisscanner) noch zusätzlich verschärft. In Europa hat zudem die Einführung einer gemeinsamen Währung zu einer leichteren Vergleichbarkeit der Preise, über die Landesgrenzen hinaus, geführt. Die Nachfrager können somit leicht Preise vergleichen und den Anbieter wechseln. Der wichtigste Grund für die gestiegene Bedeutung der Preispolitik ist allerdings darin zu sehen, dass sich bei vielen Nachfragern in reifen Märkten ein verstärktes Preisbewusstsein herausgebildet hat. Im Zuge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre hat sich dieses Preisbewusstsein nochmalig verstärkt. Preispolitische Entscheidungen sind vor allem auch deshalb bedeutsam, weil sie sowohl auf die Mengen- als auch auf die Wertkomponente des Umsatzes einwirken und damit einen zweifachen Einfluss auf die Erfüllung der obersten Marketing- und Unternehmensziele haben.
492
6
Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
Der Preis beeinflusst einerseits die Entscheidung, überhaupt einen Kauf in einer bestimmten Warengruppe zu tätigen. Andererseits determiniert er die Auswahl eines bestimmten Produktes sowie teilweise auch die Verwendungsintensität eines Produktes. Grundsätzlich erfolgt ein Kauf nur dann, wenn der aus Sicht des potenziellen Käufers empfundene subjektive Produktnutzen größer ist als der für die Realisierung dieses Produktnutzens zu entrichtende Preis. Mit anderen Worten, der Nettonutzen des Produktes, d. h. die Differenz aus Produktnutzen (Bruttonutzen) und Produktpreis (negativer Nutzen im Sinne eines Opfers), muss positiv sein (vgl. Simon 1998, S. 5). Darüber hinaus sollte der Nettonutzen größer sein als bei allen Konkurrenzangeboten, um einen spezifischen Kauf zu initiieren. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Fehlentscheidungen bei der Festlegung des Preises zu gravierenderen Gewinneinbußen führen können als bspw. die nicht optimale Festlegung des Werbebudgets. Um eine erfolgreiche Preispolitik gewährleisten zu können, müssen alle preispolitischen Entscheidungen an einem übergeordneten Maßstab, den preispolitischen Zielen, ausgerichtet werden. In der Preistheorie wird in der Mehrzahl aller Fälle die Gewinnmaximierung als oberstes Ziel der Preispolitik unterstellt (vgl. Diller 2003a, S. 18). Gleichwohl besteht heute Einigkeit darüber, dass die Gewinnmaximierung nicht die alleinige und schlechthin geltende Maxime der Preispolitik ist. Ausgehend von den Gewinnzielen können die positive Gewinnkomponente, der Umsatz, oder die negative Gewinnkomponente, die Kosten, stärker betont werden. Die preispolitischen Ziele können somit eher markt- oder betriebsgerichtet sein. Marktgerichtete Ziele der Preispolitik sind bspw. die Gewinnung neuer oder die Bindung aktueller Kunden, die Gewinnung von Marktanteilen, der Aufbau eines bestimmten Preisimages (z. B. preiswertester Anbieter im Markt, exklusives Produkt etc.), die Ausschaltung der Konkurrenz oder die Maximierung des Absatzes. Betriebsgerichtete Ziele sind z. B. die Vollbeschäftigung und Arbeitsplatzsicherung oder die Verwirklichung einer optimalen Kostensituation. Die Komplexität preispolitischer Entscheidungen erwächst jedoch nicht allein aus der Vielzahl empirisch nachweisbarer Zielsetzungen, sondern ist auch auf das Fehlen eindeutiger Ziel-Mittel-Relationen und auf die unterschiedlichen Zielbeziehungen zurückzuführen. Wie Abb. 2 verdeutlicht, kann eine Preissenkung im Bereich zwischen den Preisen p1 und p2 bewirken, dass die angestrebten Ziele der Umsatz- und Gewinnsteigerung gleichermaßen verwirklicht werden. Diese komplementäre Zielbeziehung kann jedoch bei einer weiteren Preissenkung im Bereich zwischen p2 und p3 in eine konfliktäre Zielbeziehung übergehen, da eine weitere Preissenkung zwar zu Umsatzsteigerungen führt, der Gewinn jedoch abnimmt. Von besonderer Bedeutung bei der Formulierung preispolitischer Ziele ist weiterhin ihr zeitlicher Bezug. Bei kurzfristigen Zielsetzungen bieten sich evtl. Handlungsalternativen an, die langfristig die Zielsetzungen des Unternehmens negativ beeinflussen. Nutzen die Anbieter bspw. bestehende Versorgungsengpässe der Nachfrager aus (wie bei Knapp-
1
Ziele und Entscheidungstatbestände bei preispolitischen Entscheidungen
493
U G K P Umax K
p1
G max
PAF
G
U
p2 p3
x P = Preis
K = Gesamtkostenfunktion G = Gewinnfunktion
U = Umsatzfunktion
PAF = Preis-Absatz-Funktion
Abb. 2 Zielbeziehung zwischen Umsatz- und Gewinnerhöhung in Abhängigkeit von der Preishöhe
heit von Ventilatoren und Mineralwasser in langen, heißen Sommern oder Knappheit von Winterreifen und Streusalz in langen, harten Wintern) und fordern einen erhöhten Preis, so müssen sie damit rechnen, dass sich die betroffenen Abnehmer nach der Überwindung des Engpasses der Konkurrenz zuwenden. Die preispolitischen Zielsetzungen sind deshalb immer auch unter Berücksichtigung der strategischen Unternehmens- und Marketingziele zu formulieren. Unabhängig von den im Einzelfall verfolgten Zielen beziehen sich Preisentscheidungen grundsätzlich auf zwei verschiedene Tatbestände: Auf die erstmalige Festlegung eines Preises oder auf Preisänderungen. Entscheidungen über den Preis sind vor allem bei folgenden Anlässen zu treffen: Produktinnovationen, -variationen und -differenzierungen: Erstmalige Festlegung eines Preises bei Neuprodukten oder neuen Produktvarianten. Festlegung der Preisänderung bei Produktmodifikationen, bspw. der Einführung des Apple iPod nano touch. Markterschließung: Eintritt in neue Märkte mit vorhandenen Produkten, z. B. die im Jahr 2005 begonnene Einführung der neuen chinesischen Automobilmarken Jianling,
494
6
Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
Geely oder Zhonghua auf dem europäischen Markt, die sich vorerst wieder zurückgezogen haben. Kostenveränderungen: Durch Rationalisierungsmaßnahmen, Economies of Scale oder Erfahrungskurveneffekte verbessert sich die innerbetriebliche Kostenstruktur, sodass Preisreduktionen durchgeführt werden können, bspw. indem preisaggressive Zweitmarken eingeführt werden, wie BASE und Simyo durch E-Plus. Programmänderungen: Ermittlung des optimalen Preisverhältnisses von Produkten innerhalb einer Produktlinie, der Produktlinien zueinander sowie gegebenenfalls unterschiedlicher Marken im Produktprogramm. Diese Preisentscheidung war z. B. bei der Einführung des Audi A1 durch den Volkswagen-Konzern zu treffen. Hier musste vom Unternehmen u. a. eine Entscheidung über den Preisabstand zwischen dem Audi A1 und dem VW Polo als direktem Wettbewerber getroffen werden. Konkurrenzreaktionen: Anpassung der Preise aufgrund neuer Konkurrenzprodukte oder Preisänderungen der Wettbewerber. Bspw. die Einführung einer neuen Preisstrategie bei der Lufthansa als Reaktion auf die Marktanteilsgewinne von Ryanair und Easyjet. Veränderung des Absatzvolumens: Preisänderungen aufgrund steigender oder zurückgehender Nachfrage nach den eigenen Produkten. Zum Beispiel Preisreduktionen zum Ende des Produktlebenszyklus oder Preisveränderungen bei Unter- bzw. Vollauslastung der Produktionskapazitäten, bspw. die indirekten Preisreduktionen durch sehr günstige Leasingangebote, hohe Inzahlungnahmepreise und großzügige Rabatte beim VW Phaeton (unterausgelastete Kapazitäten). Veränderungen des Marktvolumens: Veränderung der Preise aufgrund zurückgehender oder stark wachsender Gesamtnachfrage in einem Markt. Zum Beispiel Preisreduktion bei „Dumbphones“ (normalen Handys) aufgrund der steigenden Nachfrage nach Smartphones.
2 Bestimmungsfaktoren preispolitischer Entscheidungen Die Entscheidung über die Wahl einer Preisstrategie ist von exogenen und endogenen Bestimmungsfaktoren abhängig. Während die exogenen Bestimmungsfaktoren von den Unternehmen nicht unmittelbar kontrolliert werden können und durch die Konkurrenzsituation oder das Käuferverhalten determiniert sind, lassen sich die endogenen Bestimmungsfaktoren vom Unternehmen beeinflussen. Anhand der vier wesentlichen Merkmale eines Wettbewerbsvorteils können grundlegende Bestimmungsfaktoren der Preispolitik verdeutlicht werden. Ein Wettbewerbsvorteil muss sich zunächst auf ein für den Nachfrager wichtiges Leistungsmerkmal beziehen. Da die Höhe des Preises direkt den Nettonutzen eines Produktes bestimmt, ist der Preis ein für viele Nachfrager wichtiges Leistungsmerkmal. Ein Wettbewerbsvorteil muss des Weiteren von der Zielgruppe wahrgenommen werden. Die Art der Wahrnehmung von Preisen beeinflusst demzufolge in großem Maße die Wirkung von Preisen auf das Kaufverhalten.
2
Bestimmungsfaktoren preispolitischer Entscheidungen
495
Drittes Merkmal von Wettbewerbsvorteilen ist deren dauerhafte Verteidigungsfähigkeit. Ein besonders niedriger Preis kann somit nur dann zu einem echten Wettbewerbsvorteil werden, wenn er auf einer günstigen, wettbewerbsüberlegenen Kostensituation des Unternehmens beruht, die es ermöglicht, niedrige Preise auf Dauer profitabel anzubieten. Viertes Merkmal von Wettbewerbsvorteilen ist deren effiziente Erbringung durch den Anbieter. Das Angebot überlegener Leistungsmerkmale führt nur dann zu einem Wettbewerbsvorteil, wenn eine langfristig ausreichende Profitabilität des Anbieters sichergestellt werden kann. Dieser Zusammenhang verdeutlicht die hohe Bedeutung der Kostensituation eines Anbieters für den Erfolg der Preispolitik und der Sensitivität der Nachfrager gegenüber Preisänderungen.
2.1
Preiselastizität als Bestimmungsfaktor
Die Preiselastizität ist zentrales Element der klassischen Preistheorie. Diese geht im Gegensatz zur Verhaltenstheorie von einem rein rational handelnden Nachfrager aus. Grundlage der klassischen Preistheorie ist die Preis-Absatz-Funktion. Die Preis-Absatz-Funktion beschreibt einen funktionalen Zusammenhang zwischen der Preishöhe p und der abgesetzten Menge x (siehe Abb. 3). Im einfachsten Fall wird ein linearer Zusammenhang vermutet. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer, meist nicht-linearer Funktionen, die in der Praxis eine größere Relevanz besitzen, da sie das Kaufverhalten realistischer abbilden.
I Preiselastizität Die Preiselastizität der Nachfrage ( ) gibt das Verhältnis der
relativen Änderung des Absatzes auf die relative Preisänderung an und wird definiert als: Preiselastizität Gut i D
xi pi xi pi
xi pi pi pi relat. Absatzänderung D ˜ pi D W D relat. Preisänderung xi xi pi xi
(1)
= Absatzmenge Gut i = Preis Gut i = Absolute Änderung der Nachfragemenge (x2 x1 ) = Absolute Preisänderung (p2 p1 )
Wie Abb. 3 zeigt, ist die Preiselastizität abhängig von der zu Grunde liegenden PreisAbsatz-Funktion. Die Preiselastizität nimmt meistens negative Werte an, weil Preiserhöhungen (+pi ) i. d. R. mit zurückgehenden Absatzmengen (xi ) korrespondieren und vice versa. Die Preiselastizität ist eine dimensionslose Größe und somit sehr gut für Vergleiche einsetzbar.
496
6
Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
Preis p
p1
–Δp
p2
x 0 x1B
+ ΔxB x2B
x1 A
+ ΔxA
Absatzmenge x2 A
Preis-Absatz-Funktion bei hoher Preiselastizität (A) Preis-Absatz-Funktion bei niedriger Preiselastizität (B)
Abb. 3 Preis-Absatz-Funktionen bei unterschiedlicher Preiselastizität der Nachfrage
Abb. 4, in der Umsatzveränderungen (als Folge preispolitischer Maßnahmen) durch Rechtecke wiedergegeben werden, verdeutlicht, dass die Umsatzänderung bei einer Preisvariation wesentlich von der Elastizität der Nachfrage beim Ausgangspreis abhängt. Wird der Preis um einen bestimmten Betrag gesenkt (z. B. von p1 auf p2 ), so nimmt die Nachfrage entsprechend zu (von x1 auf x2 ). Der Umsatz des Anbieters steigt um den durch die Absatzmengenerhöhung verursachten Anteil (helle Schraffierung) und sinkt um den durch die Preissenkung verursachten Anteil (dunkle Schraffierung). Bei einer Elastizität von < 1 übersteigt der Umsatzzuwachs aufgrund der Absatzmengenerhöhung den Umsatzrückgang aufgrund der Preissenkung, d. h. der Umsatz steigt. Bei einer Elastizität von > 1 übersteigt der Umsatzrückgang aufgrund der Preissenkung den Umsatzzuwachs
2
Bestimmungsfaktoren preispolitischer Entscheidungen
Preis
497
p η = –∞
η < –1 p1 p2
η = –1
η > –1
p3 p4
η=0 x x1
x2
x3
x4
Absatzmenge
η = Preiselastizität Umsatzrückgang aufgrund der Preissenkung
Umsatzzuwachs aufgrund der Absatzmengenerhöhung
Abb. 4 Preiselastizität der Nachfrage und Umsatzentwicklung
aufgrund der Absatzmengenerhöhung, d. h. der Umsatz sinkt. Ist der durch die Absatzmengenerhöhung induzierte relative Umsatzzuwachs gleich der relativen Umsatzabnahme aufgrund der Preissenkung, so bleibt der Umsatz des Anbieters unverändert. Damit liegt das Umsatzmaximum bei einer Preiselastizität von 1. Dieser Sachverhalt lässt sich mithilfe der Preiselastizität und des Grenzumsatzes präzisieren, wobei sich die Beziehungen zwischen diesen beiden Größen anhand einer von Amoroso und Robinson nachgewiesenen und nach ihnen benannten Relation darstellen
498
6
Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
lassen. Ausgangspunkt ist die Umsatzgleichung: U.x/ D p x:
(2)
Wird die Preis-Absatz-Funktion nicht in der sonst üblichen Form geschrieben, sondern als Umkehrfunktion p D f.x/; (3) so lautet die Umsatzfunktion: U.x/ D f.x/ x:
(4)
Durch Differenzierung nach x ergibt sich die Grenzumsatzfunktion: U.x/ D f.x/ C f0 .x/ x; x p p x p p x U0 .x/ D p C ; xDpC Dp 1C x x p x p ! 1 1 0 : U .x/ D p 1 C xp D p 1 C ˜ px U0 .x/ D
(5) (6) (7)
Der letzte Ausdruck stellt die Amoroso-Robinson-Relation dar. Für ˜ D 1 nimmt U0 den Wert Null an (D Umsatzmaximum). Ist die Preiselastizität der Nachfrage kleiner als 1, so führt eine infinitesimale Preissenkung(-erhöhung) und die damit verbundene Ausweitung (Senkung) des Absatzes zu einer Erhöhung (Senkung) des Gesamtumsatzes; U0 ist positiv. Hat die Preiselastizität der Nachfrage einen Wert, der größer als 1 ist, so würde eine infinitesimale Preissenkung(-erhöhung) und die damit verbundene Absatzsteigerung(-senkung) zu einem Rückgang (Zuwachs) des Gesamtumsatzes führen; U0 ist dann negativ (vgl. Tab. 1). Bei einer Preiselastizität größer als 1 bewegen sich somit Preisänderung und Umsatzänderung in die gleiche Richtung. Für eine Preiselastizität, die kleiner als 1 ist, verlaufen Preisänderung und Umsatzänderung entgegengesetzt. Über diese formalen Zusammenhänge hinaus interessieren im Rahmen einer praktischen Preispolitik die Bestimmungsfaktoren der Preiselastizität der Nachfrage. Auf Basis der nachfolgenden generellen Bestimmungsfaktoren lassen sich jedoch nur Tendenzaussagen über die Höhe der Elastizität ableiten. Folgende Elastizitätsdeterminanten verdienen dennoch besondere Beachtung, weil sie eine erste hilfreiche Orientierung bei der Preispolitik ermöglichen (vgl. Monroe 2003; Bijmolt et al. 2005):
Tab. 1 Elastizität und Preisänderung
Preiserhöhung Preissenkung
Elastizität ˜ > 1 Umsatzsteigerung Umsatzsenkung
Elastizität ˜ D 1 Umsatz konstant Umsatz konstant
Elastizität ˜ < 1 Umsatzsenkung Umsatzsteigerung
2
Bestimmungsfaktoren preispolitischer Entscheidungen
499
Die Verfügbarkeit von Substitutionsgütern nimmt auf die Preiselastizität Einfluss. Kann ein Produkt nicht durch ein anderes ersetzt werden, so lässt dies auf eine relativ preisunelastische Nachfrage schließen. Als Beispiel sei auf die Nachfrage nach Heizöl hingewiesen. Neben der Verfügbarkeit wirkt die Vergleichbarkeit der Substitutionsgüter auf die Preiselastizität der Nachfrage. Können Nachfrager die Qualität der Produkte oder Dienstleistungen nur schwer vergleichen (z. B. Zahnarztbesuch) oder verfügen sie nur über beschränkte Kenntnisse bezüglich vorhandener Substitutionsprodukte, so nimmt die Preiselastizität ab, d. h. sie strebt gegen Null. Mit der Entwicklung von Preisvergleichsseiten im Internet nimmt die Transparenz möglicher Vergleiche derzeit stetig zu. Ein dritter Faktor, der die Preiselastizität bestimmt, ist die „Leichtigkeit“ der Nachfragebefriedigung. Kann ein Bedürfnis leicht befriedigt werden, so ist die Nachfrage nach ihm preisunelastischer. Salz ist ein oft zitiertes Beispiel. Es ist unwahrscheinlich, dass selbst eine hohe Preisherabsetzung den Absatz stark erhöht. Der Wunsch nach einem qualitativ anspruchsvollen Eigenheim ist demgegenüber ein weniger „leicht“ zu befriedigendes Bedürfnis, die Preiselastizität ist demnach höher. Ein vierter Faktor ist die Dauerhaftigkeit des Gutes. Der Kauf der meisten dauerhaften Güter kann aufgeschoben und vorgezogen werden, wenn die Preise steigen bzw. sinken. Die Dauerhaftigkeit wird deshalb oft als ein Faktor betrachtet, der die Nachfrage preiselastisch macht (z. B. Automobilkauf). Als fünfte Determinante ist die Dringlichkeit der Bedürfnisse anzuführen. Hohe Dringlichkeit ist ein Faktor, der die Nachfrage weitgehend preisunelastisch macht (z. B. Medikamente). Sechstens hat die Vermarktung des Produktes einen Einfluss auf die Preiselastizität. Insbesondere Werbung und Verkaufsförderungsmaßnahmen, bei denen der Preis als Verkaufsargument in den Vordergrund gestellt wird, verstärken die Preiselastizität, da der Nachfrager für einen Preis sensibilisiert wurde und auf Preisänderungen stärker reagiert. Schließlich kann der Preis eines Produktes selbst die Preiselastizität bestimmen. So wird ein sehr teures Gut nur einen geringen Nachfragerkreis ansprechen. Eine merkliche Preissenkung eröffnet neue Märkte (derzeit z. B. bei Flachbildfernsehern zu beobachten) und ist somit mit einer hohen Preiselastizität verbunden. Andererseits versprechen Preissenkungen bei Gütern mit relativ niedrigen absoluten Preisen selten neue Absatzchancen (z. B. Tafelschokolade).
2.2
Verhaltenstheoretische Erkenntnisse als preispolitische Bestimmungsfaktoren
Die Reaktion der Nachfrager auf alternative Preise wird in erheblichem Maße von psychologischen und sozialen Faktoren beeinflusst. Diese Erkenntnis wird durch eine Vielzahl
500
6
Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
von Untersuchungen gestützt, die mit der klassischen (rein rationalen) Preistheorie nicht zu vereinbarende Preisreaktionen der Nachfrager aufdeckten und deshalb zu einer stärker verhaltenstheoretisch orientierten Preispolitik führten (vgl. unter anderem Diller 2008, S. 94 ff.; Koschate 2002; Homburg und Koschate 2005a, 2005b). Dabei nehmen die Konstrukte Preisinteresse, Preiskenntnis, Referenzpreise, Preisschwellen, der Prozess der Preisbeurteilung und die Analyse „psychologischer Preise“ einen besonderen Stellenwert ein.
2.2.1
Preisinteresse
I Preisinteresse Das Preisinteresse bezieht sich vornehmlich auf die motiva-
tionalen Aspekte des Preisverhaltens der Nachfrager und wird als Bedürfnis verstanden, nach Preisinformationen zu suchen und diese bei Kaufentscheidungen zu berücksichtigen (vgl. Diller 2008, S. 101).
Das Preisinteresse stellt einen wichtigen Indikator für Hersteller und Einzelhandel dar, um bspw. die Preisbereitschaft der Nachfrager abschätzen zu können (steigt i. d. R. mit sinkendem Preisinteresse) oder die Einführung preisaggressiver Produktvarianten oder Zweitmarken vorzubereiten (bei nachhaltig steigendem Preisinteresse). Gegenstand des Preisinteresses ist nicht allein die Markenwahlentscheidung. Grundsätzlich ist der Preis bei den folgenden vier Nachfragerentscheidungen relevant (vgl. Diller 2003b, S. 255): 1. Markenwahl (Ausnutzung von Preisunterschieden alternativer Marken), 2. Packungsgrößen- bzw. Mengenwahl (Ausnutzung von Preisunterschieden bei verschiedenen Mengen), 3. Distributionskanal- und Einkaufsstättenwahl (Ausnutzung von Preisunterschieden bei unterschiedlichen Anbietern), 4. Wahl des Einkaufszeitpunktes (Ausnutzung zeitlicher Preisunterschiede, insbesondere bei Dienstleistungen). Die Verhaltenskonsequenzen des Preisinteresses sind oftmals geprägt durch ein Entlastungsstreben der Nachfrager, die nicht bei jedem Einkauf umfassende Preisvergleiche durchführen möchten (vgl. Weers 2008, S. 62 ff.). Als Ergebnis seiner Untersuchungen zum Preisinteresse formuliert Diller daher vier sog. Vereinfachungsstrategien des Preisverhaltens, insbesondere bei Gütern des kurzfristigen Bedarfes (vgl. Diller 2008, S. 107): Die Verbraucher tendieren zur zeitlichen Verlagerung der Informationsaktivitäten von der Kaufvorbereitungs- in die Kaufdurchführungsphase, d. h. an den Point of Sale (PoS).
2
Bestimmungsfaktoren preispolitischer Entscheidungen
501
Damit einher geht die Verlagerung von der aktiven zur passiven Aufnahme von Preisinformationen. Es wird auf Preisinformationen zurückgegriffen, die beim Kauf ohne Mühe verfügbar sind, statt vor dem Kauf aktiv nach Preisinformationen zu suchen. Da sich nunmehr der Bedarf u. a. an den gebotenen Preisinformationen ausrichtet, wird verstärkt gekauft, was vom Handel als besonders preisgünstig dargestellt wird. Zusätzlich erfolgt eine Vereinfachung des Verhaltens durch die Nutzung generalisierender Einkaufsregeln (z. B. größere Packungen sind preiswerter als kleinere Packungen, die Qualität von Markenartikeln ist besser als diejenige unmarkierter Waren, deshalb ist ein höherer Preis gerechtfertigt). Der Anbieter hat die Möglichkeit, das Preisinteresse der Nachfrager durch folgende Optionen zu steuern (vgl. Diller 2003b, S. 256): Unterstreichung der eigenen Preiswürdigkeit (vgl. Abschn. 3) in der Kommunikation. Dadurch wird das Preisinteresse des Nachfragers gesteigert. Dämpfung des Preisinteresses durch die Hervorhebung von Qualitäts- und Servicevorteilen. Lenken des Preisinteresses, bspw. durch die Einführung einer billigeren Zweitmarke in Verbindung mit einer bewussten qualitativen Abgrenzung der Hauptmarke. Empirische Untersuchungen zeigen ein seit Jahren stetig wachsendes Preisinteresse, wobei insbesondere zwei Verhaltensweisen von besonderer Bedeutung sind: das „Smart Shopping“ und das hybride Kaufverhalten (vgl. Diller 2003b, S. 248 ff.). Das Phänomen des „Smart Shopping“ bezeichnet ein Kaufverhalten mit einem besonders ausgeprägtem Preisinteresse. Der „Smart Shopper“ versucht mit hohem Suchaufwand, die günstigste Bezugsquelle für die von ihm präferierten Marken herauszufinden. Die Anstrengung des Smart Shoppers liegt darin, durch die Wahl der Geschäftsstätte (Einzelhandel oder Internet) und des Einkaufzeitpunktes einen möglichst günstigen Preis zu zahlen. Ökonomisch betrachtet versuchen solche Nachfrager, Preisunterschiede am Markt auszunutzen (Arbitrage). Da der Smart Shopper nur dann einen Kauf tätigt, wenn ein Produkt in einer Aktion besonders günstig angeboten wird, wartet er auf die Sonderpreisaktionen der Händler und Hersteller, wird aber nach Ende der Aktion dem nun wieder teureren Produkt nicht treu bleiben. Langfristige Marktanteilsgewinne durch Kundenbindung sind bei Smart Shoppern für den Hersteller und den Handel nur schwer realisierbar (vgl. Esser 2002; Pechtl 2014, S. 65 f.). Ein weiteres sehr wichtiges Verhaltensmodell stellt das preishybride Kaufverhalten dar. Preishybrid bedeutet, dass das Preisinteresse des Nachfragers von der Produktkategorie abhängt. Ein oft genanntes Beispiel ist der Porschefahrer, der seine Lebensmittel bei Aldi einkauft. Tab. 2 zeigt den starken Zusammenhang zwischen Produktkategorie und Preis- vs. Markeninteresse. Deshalb können produktgruppenspezifische Preisinteressenanalysen wichtige Hinweise für die Preispolitik wie auch für die Marken- und Produktpolitik liefern.
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
Tab. 2 Preis- und Markeninteresse von Frauen in verschiedenen Produktgruppen (Quelle: Gruner & Jahr 2010) Ich kaufe aus Überzeugung immer die gleiche Marke
Oberbekleidung für besondere Anlässe Unterwäsche, Dessous Schuhe Tiefkühlkost Mineralwasser Schokolade, Süßwaren Nudeln, Pasta Gesichtspflegemittel (Tagescreme, Nachtcreme usw.) Düfte (Parfüm, Eau de Cologne/ Toilette) Sonnenschutzmittel
Ich habe eine bestimmte Auswahl an Marken, zwischen denen ich nach Lust und Laune auswähle
Eher markeninteressiert 6 45
Ich habe eiIch nehme Kaufe ne bestimmte immer das Preis- ich nie Auswahl an günstigste, ohne Marken, unauf die Marke zu ter denen ich achten diejenigen auswähle, die gerade besonders preisgünstig ist Eher preisinteressiert 35 14 0
7
33
37
23
0
6 8 29 11
39 41 26 46
40 34 21 30
15 14 19 11
0 4 5 3
14 29
35 34
29 26
19 8
3 4
16
48
24
5
7
17
23
32
20
9
Alle Angaben in Prozent Basis: 27,82 Mio. Frauen in Deutschland
2.2.2 Preiskenntnis Während das Preisinteresse den motivationalen Aspekt des Preisverhaltens untersucht, gibt die Preiskenntnis Aufschluss über kognitive Prozesse bei der Verarbeitung von Preisinformationen beim Nachfrager.
I Preiskenntnis Unter der Preiskenntnis werden alle preisbezogenen Informa-
tionen zu einem Objekt (z. B. Produkt, Geschäftsstätte, Marke) verstanden, die der Nachfrager in seinem Gedächtnis gespeichert hat (vgl. Aalto-Setälä und Raijas 2003, S. 180 ff.; Pechtl 2004, S. 1; Kenning et al. 2007, S. 99).
2
Bestimmungsfaktoren preispolitischer Entscheidungen
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Preiskenntnis ist das Ergebnis eines Lernprozesses, das durch Preisbeobachtungen und -erfahrungen entsteht (vgl. Diller 2008, S. 133). Bei der Preiskenntnis wird zwischen der expliziten und impliziten Preiskenntnis unterschieden (vgl. Monroe und Lee 1999, S. 215 ff.; Homburg und Koschate 2005b, S. 502; Kenning et al. 2007, S. 99): Die explizite Preiskenntnis bezieht sich auf Preisinformationen, an die sich der Nachfrager bewusst erinnern kann. Die implizite Preiskenntnis beschreibt die nur schwach bewusste Erinnerung an Preisinformationen in einer Entscheidungssituation. Demnach kann sich ein Nachfrager vielleicht nicht mehr an den exakten Preis erinnern, wohl aber in der Entscheidungssituation subjektiv beurteilen, ob es ein hoher oder niedriger Preis ist. Die Preiskenntnis, häufig auch als Preiswissen bezeichnet, lässt sich anhand der in Abb. 5 dargestellten Merkmale näher beschreiben. Der Schwerpunkt der bisherigen Preiskenntnisforschung lag auf der Genauigkeit und dem Umfang des Preiswissens. Weitere Aspekte der Preiskenntnis sind bspw. die subjektiv empfundene Sicherheit, mit der Preise erinnert werden, oder die Verfügbarkeit von Preiskenntnissen (einfache oder schwierige Erinnerbarkeit). Unter dem Inhalt werden die Bezugsobjekte der Preiskenntnis verstanden. Dabei ist ebenfalls die Form der Preiskenntnis von Bedeutung. So kann z. B. nicht davon ausgegangen werden, dass Preise auf einem metrischen Skalenniveau kodiert und verarbeitet werden. Häufig werden Preise nur als Rangfolge erinnert. Der Inhalt der Preiskenntnis lässt sich in vier Bereiche untergliedern (vgl. Diller 2008, S. 133 f.):
Präzision
Aktualität
Genauigkeit
Verfügbarkeit
Umfang
Preiskenntnis (Preiswissen)
Selbstsicherheit
Abb. 5 Merkmale der Preiskenntnis von Nachfragern (Quelle: In Anlehnung an Diller 2008, S. 133 f.)
Inhalt
Form
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
Allgemein verwendbare Preiskenntnis: Hierzu zählen bspw. der als durchschnittlich empfundene Preis in einer Produktkategorie (mittleres Preisempfinden), die Endpunkte der Preisverteilung (teuerster und günstigster Preis), absolute Preisbereitschaftsschwellen oder der beim letzten Einkauf bezahlte Preis (vgl. hierzu auch Abb. 6). Markenbezogene Preiskenntnis: Die Kenntnis genauer Preise oder zumindest von Preisrangfolgen verschiedener Marken. Geschäftsbezogene Preiskenntnis: Bekanntheit der Preise oder Preisrangfolge einer Stammmarke in verschiedenen Geschäften, Vorstellungen über das Ausmaß der Unterschiede im Preisniveau zwischen Geschäften und innerhalb eines Geschäftes (bspw. in unterschiedlichen Warenbereichen). Preisaktionsbezogene Preiskenntnis: Häufigkeit und Ausmaß von Preisaktionen und typische Zeitpunkte der Preisabsenkung (z. B. nach dem Weihnachtsgeschäft). Viele Studien zeigen eine sehr geringe Preiskenntnis bei Nachfragern (vgl. Vanhuele 2002; Vanhuele und Drèze 2002; Kenning et al. 2007). Bspw. hat die Hälfte der deutschen Nachfrager keine Kenntnis über die Preise einzelner Produkte im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (vgl. Evanschitzky et al. 2004, S. 390 ff.). Weitere interessante Erkenntnisse sind z. B. die schlechtere Preiskenntnis zufriedener Kunden, was auf die gesunkene Bedeutung des Preises aufgrund der guten gebotenen Leistung hindeutet und die daraus resultierende höhere Preisbereitschaft zufriedener Kunden (vgl. Adam et al. 2002; Homburg et al. 2006). Diese und andere Erkenntnisse der Forschung sind für preispolitische Entscheidungen sehr relevant. Haben z. B. die Nachfrager eine sehr geringe Preiskenntnis, so werden Preissenkungen kaum wahrgenommen und wirken sich nur schwach auf den Absatz aus. Diese Relevanz gilt auch für Referenzpreise als besondere Erscheinungsform der Preiskenntnis. Die Preiskenntnis wird im Zeitalter der Digitalisierung stark von der gestiegenen Preistransparenz beeinflusst. War es vor der Digitalisierung mühsam, teuer, zeitaufwendig oder gänzlich unmöglich, umfassende Preisvergleiche anzustellen, so geht dieses heute schnell und einfach über das Smartphone oder über den Computer. Der Informationsstand seitens der Nachfrager zu unterschiedlichen Unternehmen und somit auch die Preiskenntnis ist durch die Digitalisierung deutlich gestiegen. Insbesondere Vergleichsportale im Internet wie bspw. preisvergleich.de oder check24.de bieten branchenübergreifende Preisvergleiche an. Aber auch branchenspezifische Dienste wie bspw. billiger-mietwagen.de sind am Markt vertreten. Dieses macht es Nachfragern leicht, das beste Angebot zu identifizieren und somit auch Nachfragerverhalten wie das Research Shopping (Abschn. 2 in Kap. 2) möglich. Preistransparenz gewinnt insbesondere durch Smartphones und auch andere mobile Endgeräte eine konkrete lokale Dimension. Vor Ort im stationären Handel ist es nun möglich, sich über die Preise eines Produktes bei der Konkurrenz zu informieren (vgl. Simon und Fassnacht 2016, S. 567). Die Preistransparenz wird mit zunehmender Verbesserung und Entwicklung der Suchmaschinen und Programmen im Internet weiter zunehmen. Die Veränderungen haben
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Bestimmungsfaktoren preispolitischer Entscheidungen
505
PGUi
„sehr billig“
„billig“
„normal“
„teuer“
„sehr teuer“
p1
p2
PGUi = Preisgünstigkeitsurteil für Gut i
MPEi
p3
p4
p5
pi
MPEi = Mittleres Preisempfinden für Gut i
pi = Preis für Gut i
Abb. 6 Relative Preisschwellen und Kategorisierung des Preisurteils (Quelle: In Anlehnung an Diller 2003c, S. 272)
Auswirkungen auf die Preisabsatzfunktion (Abschn. 2), was in der Abb. 7 veranschaulicht wird. Es ist möglich, dass die verbesserte Preistransparenz ohne Preisänderungen zu einer Absatzerhöhung oder -senkung führt. Die senkrechten Pfeile mit Fragezeichen in Abbildung Abb. 7 deuten dieses an. Konkretere Aussagen lassen sich zu Preissenkungen, d. h. Veränderungen der Differenz zum Konkurrenzpreis, machen. Ein Senken des Preises, d. h. ein Unterbieten des Konkurrenzpreises, erhöht den Absatz stärker bei hoher Preistransparenz als bei niedriger Preistransparenz. Dabei verringert eine Preissenkung bei hoher Preistransparenz den Absatz des Konkurrenzunternehmens stärker als bei niedriger Preistransparenz. Das bedeutet, dass die Wirkungen höherer Preistransparenz auf
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6 Absatz
Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
mit Internet/ erhöhte Preistransparenz
? ?
ohne Internet/ niedrige Preistransparenz
Preis bisheriger Preis oder Konkurrenzpreis
Abb. 7 Auswirkungen höherer Preistransparenz (Quelle: Simon und Fassnacht 2016, S. 568)
Preiselastizität und Kreuzpreiselastizität asymmetrisch sind. Gegensätzlich gelten diese Wirkungsmechanismen entsprechend für Preiserhöhungen, d. h. diese verringern den Absatz bei hoher Preistransparenz stärker als bei niedriger Preistransparenz, während der Absatz des Konkurrenzunternehmens unter diesen Bedingungen steigt (vgl. Simon und Fassnacht 2016, S. 568).
2.2.3 Referenzpreise Ein wichtiger Ansatz zur Erklärung der Preisreaktion der Nachfrager beschreibt die relative Preisbeurteilung nach der von Monroe entwickelten Referenzpreistheorie (vgl. Monroe 1973). Ein dem Nachfrager bekannter Preis nimmt als intern gespeicherter Referenzpreis Einfluss auf die Preisbeurteilung (vgl. Müller-Hagedorn und Wierich 2005, S. 13). Referenzpreise, auch Preisanker genannt, dienen dem Nachfrager als Bezugsgröße bei der Beurteilung von Preisen. Ein Preisurteil hängt also nicht nur vom absoluten Preis eines Gutes ab, sondern auch vom Bezugspunkt, der zur Beurteilung herangezogen wird. Neben den internen Referenzpreisen existieren auch externe Referenzpreise (vgl. Kopalle und Lindsey-Mullikin 2003, S. 226). Externe Referenzpreise sind nicht im Gedächtnis des Nachfragers gespeichert, sondern werden von ihm während der Entscheidungssituation in seiner Umwelt beobachtet und in den Preisbeurteilungsprozess integriert. Zu den externen Referenzpreisen zählen bspw. die Preise anderer Produkte innerhalb einer Kategorie, Preisgegenüberstellungen im Verkaufsraum oder Preisempfehlungen des Herstellers. Studien zeigen, dass Nachfrager i. d. R. mehrere Referenzpreise, sowohl interne als auch externe, simultan zur Preisbewertung heranziehen (vgl. Garbarino und Slonim 2003, S. 228). Aus allen Preisstimuli bildet der Nachfrager einen subjektiven Mittelwert, der empirischen Untersuchungen nach in etwa dem geometrischen Mittelwert entspricht. Anhand
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Bestimmungsfaktoren preispolitischer Entscheidungen
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dieses subjektiven „mittleren“ Referenzpreises beurteilt der Nachfrager die vorhandenen Preise auf ihre Günstigkeit (vgl. Diller 2003c, S. 277). Nachfrager bewerten die über dem Referenzpreis liegenden Preise negativ als Verluste, darunter liegende Preise hingegen positiv als Gewinne, wobei die Nachfrager eher versuchen, Verluste zu vermeiden als Gewinne zu realisieren (vgl. Hruschka et al. 2002, S. 426). Aus Sicht des Anbieters bieten sich verschiedene Möglichkeiten, die Preisbeurteilung des Nachfragers durch den gezielten Aufbau von Referenzpreisen positiv zu beeinflussen, wobei wettbewerbsrechtliche Begrenzungen zu berücksichtigen sind (vgl. Diller 2003c, S. 278 f.): Preisauslobungseffekt: Je nach Höhe des absoluten Preises werden relative und absolute Auszeichnungen einer Preissenkung unterschiedlich vom Nachfrager bewertet. Während bei niedrigpreisigen Artikeln der Preisnachlass besser prozentual angegeben werden sollte, wirkt sich bei teuren Produkten die Auszeichnung der absoluten Ersparnis positiver auf das Preisurteil aus (vgl. Chen et al. 1998). Mondpreiseffekt: Die Angabe eines überhöhten Normalpreises („Mondpreis“), z. B. einer überhöhten Preisempfehlung, wirkt sich positiv auf die Beurteilung des Angebotspreises aus. Preisgegenüberstellungseffekt: Gegenüberstellung von aktuellen und (angeblich) ehemals geforderten und z. B. durchgestrichenen Preisen soll dem Nachfrager eine besondere Kaufgelegenheit suggerieren. Ebenfalls arbeiten viele Anbieter, insbesondere in Verkaufsgesprächen, mit „Phantomalternativen“, die nicht real existieren. So kann bspw. der Hinweis auf angeblich deutlich teurere Wettbewerber den Referenzpreis des Nachfragers erhöhen. Nettopreiseffekt: Reduzierung des tatsächlich vom Nachfrager zu zahlenden Betrages durch Inzahlungnahme eines Altgerätes. Der Gegenwert wird mit dem zu zahlenden Preis verrechnet. Durch die Inzahlungnahme wird der neue Preis im Vergleich zum ursprünglichen Referenzpreis (ohne Rücknahmepreis) als günstiger eingestuft und der Wert des Altgerätes nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt (vgl. Herrmann et al. 1997, S. 8). Preisplatzierungseffekte: Insbesondere zur Positionierung der eigenen Handelsmarken als günstige Alternativen setzt der Handel auf Preisplatzierungseffekte. Durch die Platzierung von teuren Produkten in der Regalnachbarschaft werden die eigenen Handelsmarken als günstiger beurteilt.
2.2.4 Relative und absolute Preisschwellen Ein weiteres wichtiges Konzept im Rahmen der Preisbeurteilung stellen Preisschwellen dar.
508
6
Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
I Preisschwellen Als Preisschwellen werden Preispunkte bezeichnet, bei denen
sich die Preisbeurteilung der Nachfrager sprunghaft verändert (vgl. Diller 2003c, S. 270 f.).
Unterschieden wird zwischen absoluten und relativen Preisschwellen. Absolute Preisschwellen stellen die akzeptierten Ober- und Untergrenzen eines Individuums dar. Außerhalb dieses Preisbereiches wird dieser individuelle Nachfrager ein Produkt nicht kaufen. Für einen Anbieter bedeutet das: Unter- oder überschreitet der Verkaufspreis eines Produktes eine absolute Preisschwelle, so sinkt der Käuferanteil deutlich. Preise unterhalb der unteren absoluten Preisschwelle (mit einem Preis größer Null) führen i. d. R. zu Zweifeln an der Qualität der Produkte. Preise oberhalb der oberen absoluten Preisschwelle werden z. B. aufgrund fehlender Kaufkraft nicht akzeptiert. Der Bereich, den die absoluten Preisschwellen abgrenzen, wird auch als akzeptierte Preisspannweite bezeichnet. Die Existenz von Preisspannweiten konnte durch diverse Studien belegt werden (vgl. u. a. Han et al. 2001; Niedrich et al. 2001). Auch im Rahmen des vom Nachfrager akzeptierten Preisbereiches, d. h. zwischen der oberen und der unteren absoluten Preisschwelle, sind häufig sprunghaft verlaufende Preisbeurteilungen zu verzeichnen, die als relative Preisschwellen definiert werden. Der Nachfrager ordnet die von ihm wahrgenommenen Preise innerhalb einer Warengruppe in bestimmte Kategorien ein, die unterschiedlich groß ausfallen (vgl. Abb. 6). Die Kenntnis von Preisschwellen ist von großer Bedeutung, da beim Über- oder Unterschreiten einer Preisschwelle mit hohen Absatzänderungen zu rechnen ist, unabhängig davon, ob die Schwellen deutlich oder nur knapp überschritten werden.
2.2.5 Psychologische Preise Preisschwellen werden vor allem bei gebrochenen und runden Preisen vermutet. Als gebrochene Preise werden alle Preise bezeichnet, die mit der Ziffer 1 bis 9 enden (z. B. 1,99 C), wohingegen Preise, die auf volle 10 Cent lauten, als runde Preise zu verstehen sind (z. B. 3,40 C). Glatte Preise sind solche Preise, die auf volle Euro-Beträge (z. B. 10 C) enden. Seit Jahrzehnten ist es insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel üblich, Produkte mit gebrochenen Preisen, die dicht unter einem glatten Preis liegen, anzubieten (vgl. Diller und Brambach 2002; Herrmann und Möser 2006). Diese weit verbreitete Art der Preisstellung wird auch unter dem Stichwort „Psychologische Preise“ diskutiert. Im Rahmen von Scannerdaten-Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass die zehn am häufigsten eingescannten Preise alle auf die Endziffer 9 enden und zusammen 73,2 % aller verkauften Artikel auf sich vereinen (vgl. Müller-Hagedorn und Zielke 1998; Twardawa 1998). Die Existenz von Preisschwellen bei psychologischen Preisen konnte nicht durchgehend empirisch nachgewiesen werden (vgl. Diller 2003c, S. 272 f.). Am stärksten zeigten sich Preisschwellen bei sog. Glattpreisen, also vollen Eurobeträgen. Andererseits zeigen Untersuchungen im Einzelhandel, dass eine Aufrundung gebrochener
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Bestimmungsfaktoren preispolitischer Entscheidungen
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Preise nicht unbedingt zu Absatzeinbußen führte (vgl. Bray und Harris 2006). Stattdessen werden runde Preise oft als „ehrlicher“ wahrgenommen. Auf diese Weise können runde Preise das Preisimage verbessern und die für eine Geschäftsstätte empfundene Sympathie erhöhen (vgl. Diller und Brielmaier 1996, S. 708 f.; Schindler und Kibarian 2001). Empirische Studien zeigten, dass Produkte mit runden Preisen als qualitativ hochwertiger und solche mit gebrochenen Preisen eher als Sonderangebote angesehen werden (vgl. Stiving und Winer 1997; Manning und Sprott 2009). Auch wurden Unterschiede zwischen verschiedenen Artikelgruppen festgestellt, sodass eine generelle Aussage über die Richtigkeit des Einsatzes psychologischer Preise nicht getroffen werden kann.
2.2.6 Preisgünstigkeit versus Preiswürdigkeit Der Prozess der Preisbeurteilung mündet letztlich in einem Urteil des Nachfragers. Vergleicht ein Nachfrager dabei ausschließlich die verschiedenen Preise und berücksichtigt nicht die Qualität bzw. den Leistungsumfang des jeweiligen Gutes, dann fällt er ein Preisgünstigkeitsurteil. Ein solches Verhalten kann bei der Preisbeurteilung solcher Produkte beobachtet werden, die vom Nachfrager als austauschbar wahrgenommen, gleichwohl aber in verschiedenen Einkaufsstätten zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden. Das Preisgünstigkeitsurteil hat auch für die Beurteilung von Einkaufsstätten und damit für die Markenführung von Handelsbetrieben erhebliche Bedeutung. Preiswürdigkeitsurteile betreffen hingegen das Preis-Leistungs-Verhältnis eines Güter- bzw. Dienstleistungsangebots. Die Preiswürdigkeit kennzeichnet das wahrgenommene Verhältnis zwischen Produktnutzen und zu zahlendem Preis, somit also den Nettonutzen des Produktes. Insoweit wird die Preiswürdigkeit von Art und Ausmaß des subjektiv empfundenen Produktnutzens beeinflusst. Bei Preiswürdigkeitsurteilen handelt es sich zumeist um mehrdimensionale Bewertungsprozesse, in die auch vom Nachfrager wahrgenommene Teilnutzen der Produkte mit einfließen. Für die Anbieter sind insbesondere die zugrunde liegenden Urteilstechniken der Nachfrager (z. B. kompensatorisch versus nicht kompensatorisch) von Bedeutung, da sie Hinweise geben, inwiefern eine isolierte Variation des Preises oder eine gemeinsame Veränderung von Preis und einzelnen oder allen Leistungseigenschaften zum gewünschten Erfolg führt (vgl. Diller 2008, S. 148 f.). Eine bedeutsame, inverse Form von Preiswürdigkeitsurteilen ist die preisabhängige Qualitätsbeurteilung. 2.2.7 Preisabhängige Qualitätsbeurteilung Hierunter wird das Phänomen verstanden, dass Nachfrager aufgrund der Vielfalt und Komplexität des Produktangebotes oftmals nicht in der Lage sind, ein objektives Urteil über die Qualität der einzelnen Produktalternativen zu treffen und deshalb ein Produkt qualitativ umso besser einschätzen, je höher der Preis des Produktes ist. Hierbei handelt es sich um eine Vereinfachungsstrategie der Nachfrager, um die kognitiv anstrengende Qualitätsbeurteilung zu umgehen (vgl. Surie und Monroe 2001, S. 23). Dieses Verhalten kann auf unterschiedliche Gründe zurückgeführt werden, wobei insbesondere zwei Gründen eine besondere Relevanz zugesprochen wird:
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
Der Nachfrager hält die Produktionskosten für den Haupteinflussfaktor des Produktpreises. Mit steigendem Produktpreis schließt er deshalb auf einen höheren Produktionsaufwand und damit auf höhere Qualität. Dieser logisch erscheinenden Schlussfolgerung steht eine nachweislich geringe positive Korrelation zwischen objektiven Qualitätsurteilen (z. B. Stiftung Warentest) und den am Markt verlangten Preisen gegenüber (vgl. Diller 2008, S. 150 ff.; Pechtl 2014, S. 60 f.). Ein Grund dafür sind z. B. Investitionen in die Marke oder den Service. Diese Nutzenkomponenten werden bei technisch-funktionalen Qualitätsbeurteilungen nicht erfasst, fließen aber in die Preiskalkulation mit ein. Aufbauend auf der von Bauer eingeführten Theorie des wahrgenommenen Kaufrisikos (vgl. Bauer 1960) wird das vom Nachfrager beim Kauf empfundene Risiko als Bestimmungsgrund für die preisabhängige Qualitätsbeurteilung herangezogen. Der Preis als Qualitätsindikator ist demnach besonders wichtig, wenn der Nachfrager mit dem Kauf soziale, psychologische und/oder ökonomische Risiken verbindet (vgl. Völckner 2004, S. 5). Als Reaktion hierauf versuchen die Nachfrager, das vor dem Kauf empfundene Risiko zu vermindern. Die Höhe des Risikos und damit die Intensität der preisabhängigen Qualitätsbeurteilung werden dabei von einer Vielzahl motivationaler, kognitiver und situativer Faktoren bestimmt (vgl. Tab. 3). Hierbei haben die einzelnen Faktoren einen unterschiedlichen Einfluss auf das subjektiv empfundene Kaufrisiko und somit die Bedeutung der preisorientierten Qualitätsbeurteilung. Demnach gilt der Preis bspw. umso weniger als Qualitätsindikator, je größer die Kauf- und Produkterfahrung ist, je größer das Vertrauen zum Anbieter ist und je stärker die Markenloyalität ist. Für die Unternehmenspraxis hat die Kenntnis der preisabhängigen Qualitätsbeurteilung unterschiedliche Einflüsse auf die Wahl der Preisstrategie. Zunächst gilt es festzuhalten, dass bei Produkten mit einer hohen preisabhängigen Qualitätswahrnehmung eine aggressive Preispolitik vermieden werden sollte. Wird eine Preissenkung explizit gewünscht, so bietet sich eher eine Sonderangebotspolitik als eine dauerhafte Preissenkung an. Andererseits bieten die Erkenntnisse möglicherweise auch Ansatzpunkte zur Erhöhung des Preises. Im Idealfall lassen sich somit Preis und Absatz steigern. Weiterhin wird die Wahl des optimalen Einführungspreises bei Neuprodukten von Preis-Qualitäts-Ausstrahlungseffekten erheblich beeinflusst. Die Neigung der Nachfrager, gerade bei neuen und noch unbekannten Produkten eine preisabhängige Qualitätsbeurteilung vorzunehmen, eröffnet sowohl Herstellern als auch Handelsunternehmen einen erheblich größeren Preisspielraum. Dies gilt insbesondere auf Märkten, auf denen bisher starke Marken fehlen, die Qualitätsbeurteilung durch die Nachfrager besonders schwierig und der Kauf mit sozialen und ökonomischen Risiken verbunden ist. Auch im Rahmen der Preisdifferenzierung sind die vom Nachfrager subjektiv empfundenen Preis-Qualitäts-Relationen von
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Bestimmungsfaktoren preispolitischer Entscheidungen
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Tab. 3 Einflussfaktoren für die preisorientierte Qualitätsbeurteilung und das Kaufrisiko (Quelle: In Anlehnung an Diller 2000, S. 164) Preisorientierte Qualitätsbeurteilung Subjektiv empfundenes Kaufrisiko Motivationale Faktoren Situative Faktoren Motivationale Faktoren Streben nach kognitiver KonZeitdruck C Kauf und Produkterfahsistenz C rung Sparsamkeitsstreben Komplexität der EinkaufsFähigkeit zur objektiven aufgabe C Qualitätsbeurteilung Qualitätsstreben C Subjektiv wahrgenommene VaSelbstvertrauen riationsbreite der angebotenen Qualitäten C Streben nach physischer und Verwendungszweck des Vertrauen zum Anpsychischer Entlastung C Produktes C/ bieter (Hersteller und Händler) Streben nach sozialer AnerWirtschaftliche Situation des Markenloyalität kennung/Prestige C Haushaltes C Streben nach Exklusivität C Vorzeichen der unterstellten Korrelation mit der preisorientierten Qualitätsbeurteilung D C/
Bedeutung. Die Einbeziehung eines entsprechenden Marktsegmentierungskriteriums lässt genauere Aussagen über die optimale Preisstrategie in verschiedenen Nachfragesegmenten und damit über die Profitabilität von Preisdifferenzierungsstrategien zu. Die verschiedenen verhaltenstheoretischen Bestimmungsfaktoren zeigen, dass eine allein auf rationalen Kaufentscheidungskriterien der Nachfrager beruhende Preisfindung nicht zeitgemäß ist.
2.3 Marktform als preispolitischer Bestimmungsfaktor Die Auswahl der richtigen Preisstrategie und die korrekte Preisfindung werden auch von den Merkmalen des relevanten Marktes, in dem ein Unternehmen tätig ist, bestimmt. Die folgenden Merkmale haben dabei eine besondere Bedeutung: 1. Nach dem Vollkommenheitsgrad des Marktes wird zwischen vollkommenen und unvollkommenen Märkten unterschieden. Nur bei vollkommenen Märkten besitzen die Aussagen der klassischen Preistheorie Gültigkeit. 2. Nach der Anzahl und Größe der Marktteilnehmer kann zwischen vielen kleinen, wenigen mittelgroßen und einem großen Anbieter bzw. Nachfrager differenziert werden (vgl. Tab. 4). Da auf der Mehrzahl der Märkte, insbesondere auf Konsumgütermärkten, eine hohe Anzahl von Nachfragern und Anbietern unterstellt werden kann, kommt der Marktform der polypolistischen Konkurrenz eine besondere Bedeu-
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
Tab. 4 Morphologische Einteilung von Märkten
Viele kleine Nachfrager
a) b)
Wenige mittela) große Nachfrager b) Ein großer Nach- a) frager b)
Viele kleine Anbieter Atomistische Konkurrenz Polypolistische Konkurrenz Nachfrage-Oligopol Nachfrage-Oligopoloid Nachfrage-Monopol Nachfrage-Monopoloid
Wenige mittelgroße Anbieter Angebots-Oligopol
Ein großer Anbieter
Angebots-Oligopoloid
Angebots-Monopoloid
Angebots-Monopol
Bilaterales Oligopol
Beschränktes Angebotsmonopol Bilaterales Oligopoloid Beschränktes Angebotsmonopoloid Beschränktes Nachfrage- Bilaterales Monopol Monopol Beschränktes Nachfrage- Bilaterales Monopoloid Monopoloid
a) D vollkommener Markt, b) D unvollkommener Markt
tung zu. Auch bei diesem Kriterium sind die Auswirkungen auf die Wahl der Preisstrategie direkt ersichtlich. So schließen sich bspw. Preisverhandlungsstrategien auf Märkten mit vielen Anbietern und Nachfragern aus. Bei oligopolistischen Marktstrukturen ist mit einer hohen Reaktionsverbundenheit zu rechnen, d. h. die Wettbewerber werden sehr schnell auf eigene preispolitische Maßnahmen reagieren. 3. Von besonderer Bedeutung bei der Wahl der Preisstrategie ist ferner die Intensität der Konkurrenzbeziehungen. Die Konkurrenzintensität lässt sich mittels des sog. Triffin’schen Koeffizienten, der auch als Kreuzpreiselastizität oder Substitutionselastizität gekennzeichnet wird, numerisch bestimmen (vgl. Triffin 1971, S. 97 ff.). Dabei werden die relative Preisänderung des Anbieters A und die daraus resultierende Absatzänderung des Anbieters B zueinander in Beziehung gesetzt: TD
xB pA W : xB pA
(8)
Bei hohen Werten des Triffin’schen Koeffizienten (hohe preisliche Wettbewerbsintensität) ist mit heftigen und schnellen Reaktionen der Konkurrenten auf eigene Preisänderungen zu rechnen. 4. Nach dem Verhalten der Marktteilnehmer kann schließlich zwischen den drei Marktformen Monopol, Oligopol und Polypol unterschieden werden: Der Hersteller hat im Rahmen seiner Preisbildung ausschließlich die Reaktion der Nachfrager zu berücksichtigen, da keine Konkurrenten vorhanden sind oder deren Einfluss nicht zu spüren ist (Monopol). Der Hersteller muss im Rahmen seiner Preisbildung neben der Reaktion der Nachfrager zusätzlich das Verhalten seiner Konkurrenten berücksichtigen (Oligopol).
3
Preispolitische Strategien
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Der Hersteller hat keinen Spielraum bei der Preisbildung, da er dem Druck vieler Konkurrenten ausgesetzt ist. In einem solchen Fall übernimmt er den bestehenden Marktpreis und verzichtet auf eine eigene Preispolitik (Polypol). Diesem Kriterium liegen im Unterschied zum zweiten Kriterium keine objektiven Marktgegebenheiten zugrunde, sondern die Erwartung des Anbieters bzgl. der Reaktion anderer Marktteilnehmer auf seine preispolitischen Aktivitäten. Letztlich führt dieses Marktabgrenzungskriterium zu derselben Marktformensystematik wie das zweite Kriterium. Neben diesen Merkmalen des relevanten Marktes muss bei der Wahl der Preisstrategie auf die bereits im Rahmen der Entwicklung von Marketingstrategien vorgenommene Markt- und Geschäftsfeldabgrenzung zurückgegriffen werden.
3
Preispolitische Strategien
Auf Basis der dargestellten Bestimmungsfaktoren und der preispolitischen Ziele können nun die preispolitischen Strategien festgelegt werden. Dafür ist zunächst im Rahmen der Preispositionierung die Frage zu klären, ob die grundsätzliche Ausrichtung der Preispolitik eher hoch- oder eher niedrigpreisig sein soll.
3.1 Preispositionierung Bei der Preispositionierung wird die grundsätzliche Richtung der Preisstrategie festgelegt, die eine Orientierung für alle weiteren Maßnahmen liefert. Hierbei handelt es sich nicht um eine isolierte Preisfrage, sondern um eine Kombination von Preis- und Nutzenüberlegungen aus Sicht der Nachfrager und somit um eine unternehmensstrategische Grundsatzfrage. Eine solche Entscheidung muss mixübergreifend getroffen werden, da eine enge Abstimmung aller Marketinginstrumente mit Blick auf die verfolgte Marketingstrategie notwendig ist. So geht eine hochpreisige Strategie in der Regel mit einer hohen Produktqualität, einem guten Service und einer darauf abgestimmten Kommunikationspolitik einher. Der Premiumgedanke zeigt sich dabei zwingend auch in der Markenidentität und der Wahl der Distributionskanäle. Insofern werden alle Bereiche des Marketing von der Preispositionierung tangiert und vice versa. Die Kombination aus Leistungsqualität und Preisniveau lässt vereinfacht fünf verschiedene Preisstrategien zu, die in Abb. 8 dargestellt sind. Unter einer Niedrigpreispositionierung wird eine relativ niedrige Leistung mit einem relativ niedrigen Preis verstanden. Hierzu zählen z. B. Gattungsmarken wie „TIP“ oder „Ja!“. Ein etwas höheres Niveau wird bei der Mittelpreisstrategie angestrebt. Hier wird synonym für eine relativ mittlere Leistung ein relativ mittlerer Preis verlangt. Im Fall einer Hochpreisstrategie spricht man auch von einer Premium- oder Prämienpreisstrategie.
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
Relatives Niveau der Leistungsqualität Hochpreis
hoch Discountstrategie mittel
niedrig
Mittelpreis
Übervorteilungsstrategie
Niedrigpreis
niedrig
mittel
hoch
Relatives Preisniveau
Abb. 8 Preisstrategische Optionen (Quelle: In Anlehnung an Sebastian und Maessen 2003, S. 58)
Hier steht nicht der Preis, sondern die angebotene Leistung im Fokus. Ziel ist es, dem Nachfrager einen überlegenen Nutzen zu einem sog. Prämienpreis anzubieten. Der subjektiv empfundene Wert (Value) des Produktes für den Nachfrager bildet hier die Grundlage der Preisfindung (Value Pricing). Wichtig ist, dass sich der Nutzen aus der Gestaltung aller Marketinginstrumente des Unternehmens konstituiert und somit nicht auf die Produktqualität zu reduzieren ist. Marken wie Porsche oder Ferrari sind in diesem Bereich anzusiedeln. Unternehmen, die Premiumstrategien verfolgen, müssen in der Lage sein, auch längerfristig einen im Vergleich zur Konkurrenz spürbar höheren Preis zu verteidigen. Diese Art der Preispolitik kann zu außergewöhnlich hohen Gewinnen führen, sofern der Mehrumsatz aufgrund von Prämienpreisen nicht durch ein zu hohes Kostenniveau aufgezehrt wird. Neben der Möglichkeit eines ausgeglichenen Preis-Leistungs-Verhältnisses bietet sich auch die Option, diesen Korridor zu verlassen und ein Mehr an Leistung (Discountstrategie) zu bieten oder einen höheren Preis (Übervorteilungsstrategie) zu verlangen. Letztere Option bietet in der Praxis nur selten eine Erfolgschance, da Nachfrager nur aufgrund fehlender Alternativen oder aus Unkenntnis ein relativ zu teures Produkt kaufen werden. Wesentlich relevanter ist die Discountstrategie, die in den letzten Jahren stetig an Bedeutung gewonnen hat (vgl. Haas 2003, S. 215). Discounter bieten eine Leistung zu einem sehr günstigen Preis. Dies wird z. B. möglich durch ein reduziertes Serviceangebot und vor allem durch effiziente Prozesse und Betriebsabläufe. Ein Unternehmen kann eine Discountstrategie nur dann langfristig erfolgreich anbieten, wenn durch Mengen- und Lernkurveneffekte (und der damit einhergehenden Stückkostendegression) eine zum Wett-
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Preispolitische Strategien
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bewerb überlegene Kostenstruktur aufgebaut werden kann. Kennzeichnend für eine Discountstrategie sind der „No frills“-Gedanke, also eine Reduktion auf die Kernleistung und eine Fokussierung der Kommunikation auf den Preis (vgl. Hundacker 2005, S. 103). I. d. R. setzen Discounter dabei auf konstant niedrige Preise (Dauerniedrigpreisstrategie) und verzichten auf Sonderaktionen, um dauerhaft die Preisvorteilhaftigkeit ihres Angebots darzustellen und Preisvertrauen bei den Nachfragern aufzubauen (vgl. Sebastian und Maessen 2003, S. 57 f.). Da das Schwergewicht der Marketingaktivitäten, insbesondere der Kommunikationspolitik, auf der Betonung des niedrigen Preisniveaus der angebotenen Leistung liegt, besteht bei einer Discountstrategie immer die Gefahr, dass Preis-QualitätsAusstrahlungseffekte auftreten. Beispielhaft für die erfolgreiche Umsetzung einer Discountstrategie kann auf ALDI, Lidl, IKEA oder die Luftfahrtgesellschaften Ryanair und EasyJet verwiesen werden.
3.2 Lebenszyklusabhängige Preisstrategie Nachdem die preisstrategische Grundrichtung festgelegt wurde, muss in einem nächsten Schritt entschieden werden, ob der Preis im Zeitablauf und im Hinblick auf verschiedene Zielgruppen und regionale Märkte konstant bleiben oder variiert werden soll. Grundsätzlich kann dabei zwischen den beiden strategischen Optionen einer lebenszyklusorientierten (dynamischen) Preisstrategie und der vorgestellten Preisdifferenzierungsstrategie unterschieden werden.
3.2.1 Preisstrategien bei Produktneueinführungen: Penetrations- und Skimmingpreispolitik Einer der wichtigsten, aber auch schwierigsten Problembereiche ist die Preisbildung bei neuen Produkten. In diesem Zusammenhang werden sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis insbesondere Penetrations- und Skimmingpreisstrategien diskutiert. Bei der Penetrationspreisstrategie sollen mit relativ niedrigen Preisen schnell Massenmärkte erschlossen werden. Ziel ist eine schnelle Diffusion des Neuproduktes. Wird als Richtgröße der gewinnmaximale Preis herangezogen, so wird dieser durch den Penetrationspreis in der Einführungsperiode erheblich unterschritten. Gewinne werden erst in späteren Phasen realisiert. Die Penetrationspreisstrategie empfiehlt sich immer dann, wenn die folgenden Bedingungen gegeben sind: Preisvorteile werden aufgrund einer hohen Preiselastizität der Nachfrage leicht erkannt und führen zu erheblichen Marktanteilsgewinnen, da aufgrund des niedrigen Preises die Markentreue zu Konkurrenzprodukten gebrochen wird. Die Penetrationspreisstrategie ist insbesondere dann vorteilhaft, wenn auf dem Markt bereits funktional gleiche oder ähnliche Produkte zu höheren Preisen angeboten werden. In diesem Fall können die Nachfrager mithilfe ihrer bisherigen Kauferfahrung in dieser Warengruppe
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
die Qualität des Neuproduktes leichter bewerten und empfinden ein geringeres Kaufrisiko. Auf dem Markt werden bisher keine funktional ähnlichen Produkte angeboten, jedoch ist die Gefahr der Nachahmung durch Konkurrenzprodukte sehr groß. In einem solchen Fall sollen durch die Penetrationspreisstrategie Markteintrittsbarrieren aufgebaut werden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass der Konkurrenz durch verbesserte Produktionstechnologien der Markteintritt bei noch geringerem Preisniveau gelingt. Das kann zur Folge haben, dass der Preis des eigenen Produktes gesenkt werden muss, bevor die Amortisationsphase abgeschlossen ist. Der Erfolg der Penetrationspreisstrategie ist davon abhängig, ob ausreichend große, preissensible Marktsegmente existieren. Nur dann ist gewährleistet, dass durch schnelles Absatzwachstum Economies of Scale genutzt und die geplanten Gewinne realisiert werden können. Es dürfen keine Konflikte zwischen der Penetrationspreisstrategie und dem angestrebten bzw. schon vorhandenen Markenimage entstehen. Die Nachfrager dürfen keinesfalls vom relativ niedrigen Preis auf eine minderwertige Produktqualität schließen. Die Gefahren der Penetrationspreisstrategie liegen in der langen Amortisationsdauer der Neuproduktinvestitionen und, sofern bei der Markterschließung Widerstände auftreten, in dem relativ geringen preispolitischen Spielraum nach unten. Weiterhin lassen sich die für Folgeperioden evtl. geplanten Preiserhöhungen zumeist nur schlecht durchsetzen. Im Gegensatz zur Penetrationspreisstrategie wird bei der Skimmingpreisstrategie in der Einführungsphase des Neuproduktes ein relativ hoher Preis bei niedrigen Absatzmengen und relativ hohen Stückkosten gefordert, der dann mit zunehmender Erschließung des Marktes und aufkommendem Konkurrenzdruck sukzessiv gesenkt wird. Ziel dieser Strategie ist es, die hohen Neuproduktinvestitionen möglichst schnell zu amortisieren, indem von den Nachfragern mit überdurchschnittlicher Bedarfsdringlichkeit die Konsumentenrente, d. h. deren hohe Preisbereitschaft, abgeschöpft wird. Deshalb kann die Skimmingpreisstrategie auch als Form der zeitlichen Preisdifferenzierung beschrieben werden. Der Einsatz dieser Strategie empfiehlt sich immer dann, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind: Die Zahl der elitären Innovatoren unter allen Nachfragern in einem Markt ist ausreichend groß. Diese reagieren relativ preisunempfindlich, während es zukünftige Preissenkungen ermöglichen, in breite und preiselastischer reagierende Marktsegmente einzudringen (Erschließung des Massenmarktes). Für das Produkt besteht eine rasche Veralterungsgefahr. Die Amortisation der Investitionen ist bei solchen Produkten ausschließlich durch die Skimmingpreisstrategie gewährleistet. Beispiele hierfür sind insbesondere auf dem Bekleidungsmarkt, in HighTech-Märkten und auf dem Markt für ausgewählte Freizeitartikel zu finden (z. B. Snowboards, Inlineskates).
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Preispolitische Strategien
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Die Substituierbarkeit durch andere Produkte ist gering. Nur dann ist gewährleistet, dass für die Nachfrager kein Vergleichsmaßstab für den Wert und Nutzen, der aus dem Produkt gezogen werden kann, existiert. Durch den hohen Einführungspreis können hohe Deckungsbeiträge realisiert werden, welche zur Finanzierung der Einführungsanstrengungen und evtl. auch zur Finanzierung der späteren Erschließung des Massenmarktes dienen. Die Produktions- und Vertriebskapazitäten sind beschränkt und können nur relativ langsam oder mit hohem finanziellem Aufwand aufgebaut werden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn in der Produktion und im Vertrieb eines innovativen, komplexen Produktes zunächst Erfahrungen über effiziente Leistungserstellungsprozesse und Vertriebsmethoden (z. B. Schulung von Außendienst und Absatzmittlern, Aufbau eines Kundendienstnetzes) gesammelt werden müssen. Die Gefahren dieser Strategie liegen vor allem darin, durch hohe Preise und den damit verbundenen guten Gewinnchancen schnell Konkurrenten anzulocken. Um den Konkurrenzeintritt zu erschweren, können Markteintrittsbarrieren aufgebaut werden. Bei diesen Barrieren kann es sich z. B. um Patente, spezifisches Know-how, Kontrolle über Absatzkanäle oder bestimmte Lieferanten oder einen hohen Kapitalbedarf für die Produktion und/oder die Vermarktung der Produkte handeln. Bei der Entscheidung zwischen den beiden Strategiealternativen muss das Marketingmanagement zwischen kurzfristigen und damit relativ sicheren Erträgen und langfristigen Ertragschancen abwägen. Einfluss auf diese Entscheidung haben insbesondere die Erwartungen über die zukünftige Kosten- und Wettbewerbssituation, die technologischen Risiken und die Risikoneigung des Managements.
3.2.2 Preisstrategien im weiteren Verlauf des Produktlebenszyklus Dynamische Strategiekonzepte sind, da sie die Bestimmungsfaktoren der Preispolitik im Zeitablauf berücksichtigen, relativ langfristig ausgerichtet und müssen deshalb den Produkt- und Marktlebenszyklus berücksichtigen. Marktneuheiten sind während der Einführungs- und teilweise noch während der Wachstumsphase wenigen Konkurrenzaktivitäten ausgesetzt. Dadurch besitzt der Innovator einen relativ großen preispolitischen Spielraum. Die Preisbestimmung wird in einer solchen Situation von Carry-Over-Effekten, von Erfahrungskurvenwirkungen und von Preisänderungsreaktionen determiniert. Carry-over-Effekte kennzeichnen in diesem Zusammenhang alle vom Absatz in der Periode t ausgehenden Wirkungen auf den Absatz in den Folgeperioden t C n (vgl. Simon und Fassnacht 2016, S. 293; Pechtl 2014, S. 210). Hier ist bspw. an positive Mundpropaganda oder, vor allem bei Verbrauchsgütern, an Wiederkäufe zu denken. Auch Verbundkäufe als Folge proprietärer Ersatzteile (nur passend für die eigenen Produkte), wie bei Computerdruckern, sind hier anzusiedeln. Je stärker Carry-over-Effekte sind, desto wichtiger ist es, bereits in der Einführungsphase einen hohen Marktanteil und eine schnelle Diffusion in der Zielgruppe zu erreichen. Deshalb liegt in einem solchen Fall der strategisch optimale Preis meist unter dem kurzfristig gewinnmaximalen Preis.
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
Je größer der Erfahrungskurveneffekt ist, desto schneller sollten Märkte erschlossen werden. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang potenzielle Konkurrenten. Sofern ein Anbieter wesentliche Vorsprünge auf der Erfahrungskurve hat, kann er von der Konkurrenz nicht auf Dauer preislich unterboten werden. Erfahrungskurveneffekte üben somit einen starken Druck auf den Einführungspreis aus bis Wettbewerber auf überlegene Produktionstechnologien oder neue Produktinnovationen überwechseln. Abb. 9 beschreibt die Preispolitik bei starken Erfahrungskurveneffekten. Überproportionale Preisänderungsreaktionen (sehr hohe Preiselastizität) begünstigen demgegenüber hohe Einführungspreise, die im weiteren Verlauf des Lebenszyklus einen Preissenkungsspielraum schaffen. Die hohen Einführungspreise können der Innovation darüber hinaus einen hohen Prestigewert verleihen, der oftmals auch noch nach dem Verfall des hohen Ausgangspreisniveaus erhalten bleibt. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass durch eine relativ schnelle Preissenkung bei den Erstkäufern gegebenenfalls eine hohe Unzufriedenheit in Verbindung mit einem negativen Empfehlungsverhalten auftreten kann. Neben dem optimalen Einführungspreis bei Marktneuheiten ist im Lebenszyklus die Preisstrategie bei drohendem Konkurrenzeintritt von besonderer Bedeutung. Hat der Innovator keine Möglichkeiten, sich durch den Aufbau von Markteintrittsbarrieren dem drohenden Konkurrenzdruck zu entziehen, so hat er drei strategische Optionen (vgl. Simon und Fassnacht 2016, S. 305 ff.): die vorgezogene proaktive Preissenkung, die nachgelagerte reaktive Preissenkung, die Beibehaltung des ursprünglichen Preises vor dem Konkurrenzeintritt.
Preis, Stückkosten
Verlustzone Alternative Preisverläufe
Stückkosten Zeit t
Abb. 9 Typische Preis- und Stückkostenverläufe bei starken Erfahrungskurveneffekten (Quelle: In Anlehnung an Simon und Fassnacht 2016, S. 296)
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Preispolitische Strategien
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Die typische Wirkung dieser alternativen Optionen auf die Absatzmenge verdeutlicht Abb. 10. Vergleicht man die proaktive und die reaktive Preissenkung, so belegen praktische Beispiele die Vorteilhaftigkeit einer Preissenkung vor dem Zeitpunkt des erwarteten Konkurrenzeintrittes (t*). Wird ein hoher Einführungspreis auch bei Konkurrenzeintritt beibehalten, so werden umfangreiche Marktanteils- und zumeist auch Absatzverluste bewusst in Kauf genommen. Eine derartige Strategie kann nur dann optimal sein, wenn neue Produkte geplant oder bereits eingeführt sind und das alte Produkt mittelfristig eliminiert werden soll. Häufig ist jedoch auch der Fall zu beobachten, dass trotz der Beibehaltung des hohen Einführungspreises nur geringfügige Marktanteilsverluste eintreten und der Innovator auch weiterhin an einem gegebenenfalls starken Marktwachstum partizipieren kann. Ein derartiges Nachfragerverhalten kann darauf zurückgeführt werden, dass die Qualität des Pionierproduktes auch dann noch als überlegen wahrgenommen wird, wenn frühe und späte Folger längst technisch überlegene Produkte im Markt anbieten. Der Preis des Innovators wird dadurch nicht als hoch, sondern als angemessen beurteilt. Eine solche Situation ist ein typischer Fall eines „First Mover Advantage“. Hierbei profitiert der zuerst in einen Markt eintretende Anbieter von der in vielen Kulturen sehr positiv wahrgenommenen Rolle eines Pioniers (vgl. Kap. 5). Unabhängig davon, ob Markt- oder Betriebsneuheiten vorliegen, ist die Preispolitik im Lebenszyklus insbesondere von der Entwicklung der Grenzkosten abhängig. Da sich aber auf Basis von Kosten niemals die optimalen Preise, sondern allenfalls die Preisuntergrenzen bestimmen lassen, verbieten sich generelle Aussagen zur Entwicklung der absoluten Preise auf Basis der Kostenentwicklung.
Proaktive Preissenkung
Reaktive Preissenkung
p x
Preiskonstanz
p x
p x
x x p p t* t t* p = Preis x = Menge t* = Zeitpunkt des Markteintrittes eines Konkurrenten
x
p t
Abb. 10 Alternative strategische Optionen bei Konkurrenzeintritt (Quelle: In Anlehnung an Simon und Fassnacht 2016, S. 306)
t*
t
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
3.3 Preisdifferenzierung 3.3.1 Grundlagen der Preisdifferenzierung Im Rahmen von Preisdifferenzierungsstrategien werden für identische bzw. nahezu identische Produkte oder Dienstleistungen von den Nachfragern unterschiedlich hohe Preise gefordert. Es handelt sich somit um ein typisches Instrument der differenzierten Marktbearbeitung, dessen Einsatz auf einer fundierten Marktsegmentierung aufbauen muss. Zentrales Ziel der Preisdifferenzierung ist eine Gewinnsteigerung durch Abschöpfung der Konsumentenrente, also den individuellen Preisbereitschaften der Nachfrager. Die Konsumentenrente kennzeichnet jenen Betrag, den ein Nachfrager für ein bestimmtes Produkt aufgrund gegebener Marktpreise weniger zu zahlen hat als er aufgrund seiner Präferenz zu zahlen bereit wäre. Eine Gewinnsteigerung wird möglich, indem ausgehend von den beim Einheitspreis kaufenden Nachfragern zwei zusätzliche Nachfragergruppen erschlossen werden. Der ersten Gruppe gehören solche Nachfrager an, die bereit wären, einen höheren als den Einheitspreis für ein bestimmtes Produkt zu bezahlen. In der zweiten Gruppe befinden sich Nachfrager, die beim Einheitspreis nicht kaufen würden, weil ihre Preisbereitschaft unterhalb des Einheitspreises liegt. Durch ein individuelles Aushandeln der Preise (orientalischer Basar), als theoretischem Idealfall der Preisdifferenzierung, können beide Nachfragergruppen bedient und damit der Gewinn des Anbieters vergrößert werden. Wichtig ist hierbei die Berücksichtigung der Preisuntergrenze, die zuvor berechnet werden muss. Dieses Vorgehen entspräche einer vollständigen Abschöpfung der Konsumentenrente. Preis (p) Grenzkosten (K')
Preis (p) Grenzkosten (K') Konsumentenrente
10
p2
p1
K‘
10
p3 5
K‘
1
1 0
5
20
x1
x
x
40
60
80
100
0
20
Abb. 11 Klassisches Modell der Preisdifferenzierung (Quelle: In Anlehnung an Simon und Fassnacht 2016, S. 243)
40
60
80
100
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Preispolitische Strategien
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Die Wirkung der Preisdifferenzierung auf den Unternehmensgewinn lässt sich am Beispiel einer linear fallenden Preis-Absatz-Funktion darstellen. In Abb. 11 seien eine PreisAbsatz-Funktion von x D 100 10p (9) und konstante Grenzkosten von K0 D 4 unterstellt. Ohne Preisdifferenzierung errechnet sich eine gewinnmaximale Preis-Mengenkombination von p1 D 7 GE und x D 30 ME. Unter Vernachlässigung von Fixkosten errechnet sich ein Maximalgewinn von 3 30 D 90 GE. Der Maximalgewinn ist grafisch im linken Teil der Abb. 11 durch die schraffierte Fläche kenntlich gemacht. Im rechten Teil von Abb. 11 ist die Aufteilung des Gesamtmarktes in zwei Segmente dargestellt. Für Segment 1 ergibt sich ein optimaler Preis von 8 GE bei einer Absatzmenge von 20 ME (x1 ), für Segment 2 ergibt sich ein optimaler Preis von 6 GE bei einer zusätzlichen Absatzmenge von ebenfalls 20 ME (x2 x1 ). Der Gesamtgewinn lässt sich damit auf 120 GE steigern. Bei jeder Form der differenzierten Marktbearbeitung, so auch bei der Preisdifferenzierung, müssen neben den Nutzen- (Erlös) auch die Kostenwirkungen berücksichtigt werden, wobei mit jedem zusätzlich zu bearbeitenden Segment ein Anstieg der Kosten zu erwarten ist. Die Umsatz-, Kosten- und Gewinnentwicklung eines Unternehmens bei der Bearbeitung einer wachsenden Zahl an Preissegmenten entspricht derjenigen bei einer zunehmenden Zahl an bearbeiteten Marktsegmenten (vgl. Abschn. 3 in Kap. 3). Aus theoretischer Sicht werden zwei Formen der Preisdifferenzierung unterschieden: Die Preisdifferenzierung bei gegebener und bei vom Unternehmen willkürlich vorgenommener Marktaufteilung (vgl. Diller 2008, S. 229 ff.). Bei gegebener Marktaufteilung sind die Marktsegmente Daten der Preispolitik. Dabei umfasst jedes Marktsegment bzw. jeder Teilmarkt Nachfrager aller oder mehrerer Preisschichten. Man spricht deshalb auch von vertikaler Preisdifferenzierung, die vor allem bei der internationalen Marktbearbeitung von Bedeutung ist. Ein bekanntes Beispiel ist McDonalds (vgl. Tab. 5). Die Preise der Produkte werden an die Kaufkraft des jeweiligen Landes angepasst. Der aus den Preisen des Produktes Big Mac abgeleitete Big Mac-Index gilt als anerkannter Indikator für die Kaufkraft eines Landes. Das Wesen der Preisdifferenzierung bei willkürlicher Marktaufteilung, auch horizontale Preisdifferenzierung genannt, besteht darin, dass Nachfrager mit gleicher oder ähnlicher Preisbereitschaft zu einem Marktsegment zusammengefasst und von den auf diese Weise gebildeten Marktsegmenten unterschiedliche Preise verlangt werden. Da in aller Regel nicht verhindert werden kann, dass die diskriminierten Segmente davon Kenntnis erhalten, dass andere Käufer für dasselbe Produkt einen niedrigeren Preis zahlen, wird die horizontale Preisdifferenzierung ebenfalls häufig von Produktdifferenzierungsmaßnahmen oder der Differenzierung anderer Marketinginstrumente flankiert. Im Rahmen der Markenführung ist dabei unter Umständen die Markteinführung einer neuen Marke sinnvoll, um die Produktunterschiede deutlich zu machen und einen negativen Imagetransfer zu verhindern.
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
Tab. 5 Big Mac-Index Januar 2018 (Quelle: The Economist 2013) Position 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 ... 46 47 48 49
Land Schweiz Norwegen Schweden USA Kanada Brasilien Dänemark Uruguay Euro-Zone Israel Australien Neuseeland Großbritannien Singapur Chile Südkorea Costa Rica Argentinien Kolumbien Vereinigte Arabische Emirate ... Russland Malaysia Ägypten Ukraine
Preis eines Big Mac in US$ 6,76 6,24 6,12 5,28 5,26 5,11 4,93 4,90 4,84 4,80 4,71 4,51 4,41 4,39 4,29 4,12 4,03 3,96 3,83 3,81 ... 2,27 2,28 1,93 1,64
Um Preisdifferenzierungsstrategien erfolgreich anwenden zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: Die Nachfrager müssen unterschiedliche Preisbereitschaften aufweisen, d. h. es müssen unterschiedliche Maximalpreise und Preiselastizitäten vorliegen. Die Nachfrager mit unterschiedlichen Preisbereitschaften müssen voneinander getrennt werden können. Die verschiedenen Preissegmente müssen somit identifiziert und gezielt bearbeitet werden können. Das Unternehmen, das die Preisdifferenzierung einsetzt, muss über einen gewissen monopolistischen Spielraum bzw. ein sog. akquisitorisches Potenzial verfügen. Werden die Preise in einem bestimmten Segment erhöht, muss davon ausgegangen werden können, dass die betreffenden Nachfrager nicht vollständig zur Konkurrenz abwandern. Ebenso sollte eine Preissenkung in anderen Segmenten nicht durch absatzpolitische Maßnahmen der Konkurrenz vollständig kompensiert werden (vgl. Gutenberg 1979, S. 353).
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Preispolitische Strategien
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3.3.2 Preisdifferenzierung in der Praxis Ausgehend von einer bereits 1929 entwickelten Klassifikation (vgl. Pigou 1929a) sind in der Praxis heute vor allem Preisdifferenzierungsformen zu finden, die zum einen auf einer Preisdifferenzierung ohne Selbstselektion und zum anderen auf einer Preisdifferenzierung mit Selbstselektion basieren (vgl. Diller 2008, S. 235 ff.; Fassnacht 2003, S. 491 ff.). Selbstselektion beschreibt, ob es für einen Nachfrager möglich ist, selbst entscheiden zu können, ob sie sich der Preisdifferenzierung unterwerfen oder nicht (vgl. Skiera und Spann 2002). Abb. 12 illustriert die verschiedenen Möglichkeiten zur Preisdifferenzierung, die in diesem Abschnitt vorgestellt werden. Preisdifferenzierung ohne Selbstselektion Die individuelle Preisdifferenzierung ist eine Form der Preisdifferenzierung ohne Selbstselektion auf Seiten der Nachfrager. Das bedeutet, dass Unternehmen die Preise individuell nach Nachfrager festlegen. Im Idealfall für das Unternehmen entspricht der festgelegte Preis genau der Zahlungsbereitschaft des Nachfragers, sofern diese Zahlungsbereitschaft die variablen Kosten des Produktes übersteigt (vgl. Skiera und Spann 2002, S. 275). Pigou (1929a) bezeichnet diese Art der Preissetzung als Preisdifferenzierung ersten Grades. Hierbei macht das Unternehmen den größtmöglichen Gewinn, da an alle Nachfrager mit einer Zahlungsbereitschaft über den variablen Kosten verkauft wird und kein Nachfrager einen noch höheren Preis akzeptieren würde. Das Unternehmen schöpft demzufolge die gesamte Zahlungsbereitschaft des Nachfragers ab, was im idealtypischen Zustand die Kenntnis der individuellen Zahlungsbereitschaften aller Nachfrager erfordert. Diese Anforderung ist in der Realität meistens nicht erfüllt, wobei Unternehmen mit hoher Preiskompetenz trotzdem versuchen, diese Art der Preisdifferenzierung anzustreben (vgl. Skiera und Spann 2002, S. 275 f.). Ein Beispiel für die individuelle Preisdifferenzierung aus der Praxis bietet Amazon. com. Im Frühling 2000 nutzte Amazon seine umfangreiche Datenbank und technische In-
Möglichkeiten zur Preisdifferenzierung
ohne Selbstselektion
individuell
gruppenbezogen
personenbezogen
mit Selbstselektion
mehrpersonen -bezogen
zeitbezogen
mengenbezogen
regionenbezogen
Abb. 12 Möglichkeiten zur Preisdifferenzierung (Quelle: In Anlehnung an Skiera und Spann 2002)
leistungsbezogen
suchkostenbezogen
Dynamic Pricing
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
frastruktur, um mit Preisen auf individueller Ebene zu experimentieren. Jedem Nachfrager wurden Preise zugeordnet, die auf der geschätzten individuellen Zahlungsbereitschaft beruhten. Obwohl das Internet solche Preissetzungen möglich macht, hat es gleichzeitig die Transparenz solcher Preissetzungen für die Nachfrager erhöht. Im Fall von Amazon ist es an die Nachfrager durchgedrungen, dass die gleiche DVD zu unterschiedlichen Preisen an verschiedene Nachfrager verkauft worden ist. Dieses führte zu massiven Beschwerden und negativer öffentlicher Aufmerksamkeit, so dass Amazon ein öffentliches Statement abgegeben musste, Preissetzung auf individueller Ebene nicht mehr einzusetzen (vgl. Garbarino und Lee 2003, S. 496). Die gruppenbezogene Preisdifferenzierung ist eine weitere Form der Preisdifferenzierung ohne Selbstselektion. Diese Art der Preisdifferenzierung kann personen- oder regionenbezogen vorgenommen werden (vgl. Skiera und Spann 2002, S. 276). Mögliche Differenzierungskriterien bei der personenbezogenen Preisdifferenzierung können z. B. das Alter (Sonderpreise für Kinder), das Geschlecht (Preisermäßigung für Frauen in Discotheken), das Einkommen (Preisreduktion für Schüler, Studenten und Rentner) oder auch der Beruf (spezielle Versicherungstarife für Beamte) sein (vgl. Wübker und Schmidt-Gallas 2003, S. 750). Eine derartige Differenzierung ist jedoch entsprechend nur sinnvoll, wenn die Charakteristika der Nachfrager nachgeprüft werden können (vgl. Skiera und Spann 2002, S. 276). Die personenbezogene Preisdifferenzierung auf Basis des Alters oder des Einkommens wird vor allem bei solchen Produkten und Dienstleistungen eingesetzt, bei denen das Unternehmen eine langfristige Kundenbindung anstrebt weil er im Zeitablauf mit einer deutlich wachsenden Kaufkraft und Preisbereitschaft der Käufer rechnet. Dies lässt ihn ggf. nicht kostendeckende Preise im Frühstadium der Kundenbeziehung in Kauf nehmen. Grundlage der Preiskalkulation ist in diesem Fall der langfristige Kundenwert (Customer Lifetime Value bzw. Kundenlebenszeitwert; Abschn. 3 in Kap. 11). Typischerweise wird die personenbezogene Preisdifferenzierung z. B. von Versicherungen, Banken (kostenloses Girokonto für Schüler und Studenten), Fitnessstudios, Sportveranstaltern oder Friseuren eingesetzt (vgl. Wübker und Schmidt-Gallas 2003, S. 750 f.). Die Vorteilhaftigkeit einer am Kundenwert orientierten Preisdifferenzierung konnte in empirischen Studien gezeigt werden (vgl. Hundacker 2005). Die regionenbezogenen Preisdifferenzierung geht auf die Überlegungen zur vertikalen Preisdifferenzierung zurück. Differenzierungskriterium sind hier geographisch abgegrenzte Teilmärkte in Form von Ländermärkten, Regionen, Städten, Stadtteilen etc. Beispiele für eine räumliche Preisdifferenzierung finden sich bei Bier, Baustoffen oder Wintersportausrüstung. Auch in diesem Fall können Kostenunterschiede (bspw. Transportkosten bei Bier, Zement, Kalksandsteinen) oder Präferenzunterschiede (regionenspezifische Geschmackspräferenzen bei Lebensmitteln, wie z. B. Kölsch im Rheinland) Auslöser der Preisdifferenzierung sein. Bei regionenbezogener Preisdifferenzierung auf Basis von Ländermärkten (auch internationale Preisdifferenzierung genannt) sind sog. Arbitrageprozesse zu berücksichtigen (vgl. Tab. 6). Diese entstehen, wenn die Länder nicht voneinander isoliert sind und Nachfrager die Preisunterschiede zwischen den Ländern ausnutzen (sog. „graue Märkte“). Die-
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Preispolitische Strategien
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Tab. 6 Beispiel einer internationalen Preisdifferenzierung in der Kfz-Branche Auto und Modelltyp Audi A8 50 TDI quattro tiptronic BMW X5 xDrive 35i Mercedes-Benz E 300 Porsche Cayenne
Deutschland Preis in Euroa 94.100
USA Preis in Eurob 67.256
Preisvorteil in den USA 29 %
67.200 52.895 74.828
48.525 43.184 53.582
28 % 18 % 28 %
a
Preis inkl. MwSt. Listenpreis für Endkunden ohne Steuern, Wechselkurs D 1,23 US $ je C. Stand: 12.02.2018
b
se Isolierung ist durch Handelsabkommen (z. B. innerhalb der Europäischen Union oder im NAFTA-Raum) in vielen großen Wirtschaftsregionen nicht mehr vorhanden. Zudem erleichtert das Internet den internationalen Preisvergleich, wodurch der Suchaufwand und damit die Transaktionskosten der Nachfrager reduziert werden. Für das anbietende Unternehmen bedeuten Arbitrageprozesse entgangene Gewinne, z. B. wenn ein deutscher Nachfrager das gleiche Auto nicht in Deutschland für 25.000 C, sondern in Spanien für 20.000 C erwirbt. Die aus diesen Arbitrageprozessen entstehenden Verluste dürfen den Zusatzgewinn aus der Preisdifferenzierung nicht vollständig kompensieren. Andernfalls ist eine internationale Preisdifferenzierung nicht sinnvoll (vgl. Backhaus und Voeth 2010, S. 166 ff.). Arbitrageprozesse entstehen nur dann, wenn der zusätzliche Aufwand (Zölle, Wechselkurse, Transport- und/oder Umrüstkosten, Suchaufwand) für den Nachfrager geringer ausfällt als die Preisdifferenz. Um den Arbitrageprozessen entgegenzuwirken, ist eine zentrale Steuerung der Preise aller Länder notwendig. Maßgeblich für die Preisfestlegung ist der Preiskorridor zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Preis, also die Preisdifferenz, die ein Nachfrager sparen kann. Diese Preisdifferenz sollte unter dem Aufwand zur Durchführung eines Arbitrageprozesses liegen. Preisdifferenzierung mit Selbstselektion Unter der Mehr-Personen-Preisbildung wird eine Form der Preisdifferenzierung verstanden, bei der der Preis abhängig ist von der Anzahl der Personen, die die Leistung in Anspruch nehmen. Der Preis wird für eine Gruppe von Personen und nicht individuell festgesetzt (vgl. Wübker und Simon 2003, S. 669). Die Mehr-Personen-Preisbildung wird insbesondere bei Dienstleistungen eingesetzt. Bspw. bietet die Deutsche Bahn AG Gruppenfahrkarten an, wie z. B. die „Gruppe&Spar“-Karte ab sechs Personen. Die gesamte Preisersparnis beträgt bis zu 70 %. Ebenfalls sehr beliebt ist diese Form der Preisdifferenzierung im Tourismus und in der Gastronomie. Prinzipiell bietet sie sich immer dann an, wenn eine Leistung voraussichtlich von mehreren Personen gleichzeitig wahrgenommen wird. Bei der zeitbezogenen Preisdifferenzierung werden unterschiedliche Preise in Abhängigkeit vom Kaufzeitpunkt gefordert. Dabei können die Preise nach unterschiedlichen
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
Tageszeiten (z. B. Telefongebühren, Strom, Autowaschanlagen), nach Wochentagen (z. B. Flugtarife, Autovermietung, Kino, Hotels), nach Saisonverläufen (z. B. frisches Obst und Gemüse, Pauschalreisen, Skiausrüstung, Badebekleidung, modische Artikel) oder sogar nach Jahren (z. B. Sonderpreise bei der Markteinführung neuer Produkte) differenziert werden. Demnach stellt auch die lebenszyklusabhängige Preisstrategie eine Form der Preisdifferenzierung dar. Diese Form der Preisdifferenzierung kann auf zeitabhängige Kostenunterschiede (wie Überstundenzuschläge, Transport- und Beschaffungskosten für saisonabhängige Lebensmittel), aber auch ausschließlich auf zeitbedingte Präferenzunterschiede der Abnehmer (bspw. Spätvorstellung im Kino, Telefonieren während der Nacht, Kauf von Skiausrüstung im Sommer) und darauf basierende nicht ausgelastete Kapazitäten zurückzuführen sein. Bei der mengenbezogenen (oder auch quantitativen) Preisdifferenzierung verändert sich der durchschnittliche Stückpreis in Abhängigkeit von der abgenommenen Menge. Dies ist bei verschiedenen Packungsgrößen (z. B. im Lebensmitteleinzelhandel) oder bei der Gewährung von Mengenrabatten der Fall (z. B. Flugmeilen bei der Lufthansa). Auch die typische Internetflatrate kann als mengenbezogene Preisdifferenzierung verstanden werden (vgl. Skiera und Spann 2002, S. 277). Die quantitative Preisdifferenzierung wird auch als nicht-lineare Preispolitik bezeichnet, weil sich der Gesamtkaufpreis nicht proportional, d. h. nicht-linear, zur erworbenen Menge verhält (vgl. Khan und Jain 2005). Die leistungsbezogene Preisdifferenzierung wird mitunter auch als qualitative Preisdifferenzierung bezeichnet. Diese Art liegt dann vor, wenn ein Unternehmen einander ähnliche Produktvarianten zu unterschiedlichen Preisen anbietet. Die angebotenen Varianten unterscheiden sich insofern, als dass sie hinsichtlich des Leistungsumfangs, der Leistungsfähigkeit und der Zusatzleistungen Unterschiede aufweisen. In der Praxis werden häufig eine Vielzahl Produktvarianten eines Unternehmens angeboten, wobei diese sich z. B. oft in eine „Standardversion“ und eine „professionelle Version“, die verschiedene Zusatzfunktionen bietet, unterscheiden lassen (vgl. Skiera und Spann 2002, S. 277). Preise für Produkte können auch danach unterschieden werden, über welchen Absatzkanal oder unter welchem Markennamen und im Rahmen welcher Verkaufsförderungsaktion sie angeboten wurden. Diese Art der Preisdifferenzierung wird als sog. suchkostenbezogene Preisdifferenzierung bezeichnet. Hierbei werden die unterschiedlich hohen Suchkosten der Nachfrager als Differenzierungskriterium genutzt (vgl. Skiera und Spann 2002, S. 278 f.). Zum Beispiel kann im Internet häufig beobachtet werden, dass Nachfrager, die direkt einen Online-Shop klicken, höhere Preise erhalten als solche, die das Produkt über verschiedene Kanäle suchen und über eine andere Website wie einer Preissuchmaschine auf den Online-Shop geleitet werden. Unterhuber (2015) findet heraus, dass eine Preisdifferenzierung mit höheren Online-Preisen im Vergleich zu Offline-Preisen sich negativ auf die Preisfairness-Wahrnehmung, die Kaufabsicht sowie auf das generierte Word-of-Mouth (vgl. Abschn. 1 in Kap. 2) der Nachfrager auswirkt. Schon ab einem fünf Prozent höheren Online-Preis zeigen sich starke negative Reaktionen auf Nachfragerseite. Die gleichen negativen Reaktionen treten offline erst ein, wenn die Preise um 15 % höher
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Preispolitische Strategien
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liegen als im Internet. Des Weiteren kann festgestellt werden, dass Nachfrager ihre implizierten Annahmen bezüglich der Vertriebskosten in den einzelnen Absatzkanälen nutzen, um unterschiedliche Preisniveaus zu evaluieren. Dabei ist es so, dass Offline-Kanäle als kostentintensiver angesehen werden, so dass höhere Offline-Preise eine höhere Akzeptanz genießen. Nachfrager, die Offline- und Online-Kanäle hinsichtlich der Kosten als relativ ähnlich ansehen, akzeptieren nur eine Preisdifferenz von fünf Prozent. Somit ist eine Preisdifferenzierung zwischen Offline- und Online-Kanäle eine wichtige strategische Entscheidung seitens eines Unternehmens, da diese zu starken Reaktionen bei Nachfragern führen kann (vgl. Fassnacht und Unterhuber 2016). Dynamische Preissetzung (Dynamic Pricing) kann als eine Ausprägungsform der Preisdifferenzierung mit Selbstselektion verstanden werden und nimmt in der Praxis, insb. im Internet, eine besondere Bedeutung ein. Dynamische Preissetzung ist im Allgemeinen als eine rein unternehmensseitige, nicht verhandelbare Preisfestlegung definiert, die im Zeitverlauf dynamisch variiert werden kann (vgl. Gönsch et al. 2009, S. 4). Die zugrunde liegenden Kriterien bei der dynamischen Preissetzung sind über die Zeit schwankende Kriterien, die den Gewinn eines Unternehmens beeinflussen können. Genauer gesagt, bedeutet dies, dass Unternehmen ihre Preise für Produkte und Dienstleistungen auf Basis der aktuellen Angebots- und Nachfragesituation oder auch auf Basis der aktuellen Kostensituation des Unternehmens dynamisch anpassen. Ist die Nachfrage nach einem Produkt oder einer Dienstleistung zu einem bestimmten Zeitpunkt besonders hoch, können Unternehmen die Preise für diesen Zeitpunkt dynamisch erhöhen. Dieses geschieht in der Regel aggregiert über alle Nachfrager hinweg. Dennoch kann ein Unternehmen auch die individuelle Preisdifferenzierung als Grundlage der dynamischen Preissetzung verwenden. Ein Beispiel dafür wäre das mehrmalige Aktualisieren eines Preises für einen bestimmten Nachfrager in Abhängigkeit seiner (über die Zeit laufend aktualisierten) individuellen Zahlungsbereitschaft. Insbesondere Online-Händler besitzen durch das Analysieren von Nachfragerdaten diese Möglichkeit und können zur Gewinnmaximierung die Preise für betroffene Produkte mehrmals am Tag ändern (Kannan und Kopalle 2001, S. 63; Simon und Fassnacht 2016, S. 525). Ebenfalls am Markt beobachtbar ist eine dynamische Preissetzung aufgrund des Preissetzungsverhaltens der Konkurrenten.
I Dynamische Preissetzung (Dynamic Pricing) Dynamische Preissetzung lässt
sich definieren als das planvolle Vorgehen eines Unternehmens, seine einseitigen Preisvorgaben zu (beliebigen) Zeitpunkten innerhalb des Verkaufsprozesses („dynamisch“) zu ändern, um so auf veränderte nachfrage- oder konkurrenzbezogene Rahmenbedingungen mit dem Ziel der Gewinnmaximierung zu reagieren (vgl. Klein und Steinhardt 2008, S. 176).
Durch die Digitalisierung ist zweifelsohne die dynamische Preissetzung erleichtert oder zum Teil auch erst möglich gemacht worden. Die Möglichkeit, schnell und einfach
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
die Nachfrage nach Produkten in Online-Shops, das Nachfragerverhalten und die demographischen Daten der Nachfrager im Internet zu analysieren, fördert die Anwendung von dynamische Preissetzung (vgl. Garbarino und Lee 2003, S. 496). Preise im Internet werden deutlich häufiger angepasst als Preise im stationären Handel (vgl. Kannan und Kopalle 2001, S. 65). Ein Beispiel für dynamische Preissetzung im Internet bietet Amazon. Das Unternehmen ändert seine Preise in Abhängigkeit der Nachfrage unzählige Male am Tag und geriet damit schon mehrfach in die Kritik. 2015 kam Amazon erneut in die Schlagzeilen, da das Unternehmen allein am Valentinstag mehr als eine Million Preisänderungen vorgenommen hatte. Bei einigen Produkten schwankten die Preise innerhalb weniger Stunden um bis zu 240 %. Der Grund für diese extreme Preissteigerung lag in dem Algorithmus des Dynamic Pricing, den Amazon entwickelte, um Preise entsprechend der maximalen Zahlungsbereitschaft der Nachfrager anzupassen (vgl. Kalka und Krämer 2015). In den folgenden Abschnitten werden spezielle Formen der Preisdifferenzierung, d. h. die Preisdifferenzierung bei Dienstleistungen und die Preisbündelung, dargestellt. Des Weiteren wird auf die mengenbezogene Preisdifferenzierung, aufgrund ihrer hohen Bedeutung in der Praxis, ausführlicher eingegangen.
3.3.3 Mengenbezogene Preisdifferenzierung durch eine nicht-lineare Preispolitik Als nicht-lineare Preise werden alle Formen der Preisgestaltung bezeichnet, bei denen der durchschnittliche Stückpreis mit zunehmender Abnahmemenge sinkt (vgl. Büschken 2003, S. 523). Damit sind nicht-lineare Preise ein Instrument der quantitativen Preisdifferenzierung. Dynamische, nicht-lineare Preise basieren auf einem zweiteiligen Preissystem, welches sich aus einer nutzungsunabhängigen und einer nutzungsabhängigen Preiskomponente zusammensetzt (zweiteiliger Tarif). Diese Form der Preisdifferenzierung wird z. B. im Mobilfunkmarkt oder im Personenverkehr eingesetzt. Wesensmerkmal dynamischer, nicht-linearer Preise ist die Tatsache, dass die Entscheidung des Nachfragers, eine bestimmte Leistung zu nutzen, zunächst die Zahlung einer periodenfixen Grundgebühr erfordert (sog. Netz-, System- oder Tarifzugang). Dieser Entscheidung zeitlich nachgelagert ist die von der Höhe der Grundgebühr unabhängige Entscheidung über die tatsächliche Nutzung der Leistung, d. h. es besteht auch nach der Zahlung der Grundgebühr für den Anbieter eine hohe Unsicherheit über das tatsächliche Nutzungsverhalten der Nachfrager. Beispielhaft für diese Situation ist in Deutschland die Preisstruktur bei der Nutzung von Mobiltelefonen oder beim Erwerb der Bahncard (einmalige Grundgebühr für bspw. die Bahncard 50 zuzüglich 50 % des regulären Preises bei jeder Nutzung der Bahn). Empirische Untersuchungen konnten zeigen, dass der Einsatz zweiteiliger nicht-linearer Tarife unter bestimmten Bedingungen zu einer Nutzensteigerung bei den Nachfragern führt (vgl. Büschken 1997, S. 284; Armstrong und Vickers 2010).
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Preispolitische Strategien
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Demgegenüber fällt bei statischen, nicht-linearen Preisen die Entscheidung über den Systemzugang mit der Entscheidung über die Nutzungsintensität der angebotenen Leistung zusammen. In diesem Fall besteht für den Anbieter keine Unsicherheit über die Nutzungsintensität oder die zu verkaufenden Mengeneinheiten. Dies ist bspw. im Lebensmitteleinzelhandel bei der Gewährung eines Mengenrabattes gegenüber Endverbrauchern beim Großeinkauf der Fall. Für die Relevanz der Unterscheidung zwischen statischen und dynamischen nichtlinearen Preisen müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Erstens die Nicht-Revidierbarkeit a priori getroffener Tarifwahlentscheidungen bzw. eine Revidierbarkeit muss für den Nachfrager zu bedeutsamen wirtschaftlichen Konsequenzen führen. Als zweite Relevanzbedingung muss a priori für den Nachfrager eine Auswahlmöglichkeit zwischen mehreren Tarifen gegeben sein (Blocktarif). In Abhängigkeit von der Anzahl der zur Verfügung stehenden Tarife, der Risikoneigung der Nachfrager, der Art der Konkurrenzreaktionen und dem Ausmaß der Nachfrageunsicherheit lassen sich mit Blick auf die gewinnmaximale Preispolitik Tendenzaussagen hinsichtlich der optimalen Kombination aus periodenfixer Grundgebühr und marginalem Preis ableiten (vgl. Simon 1998, S. 126 f.).
3.3.4 Preisbündelung Die Preisbündelung (Bundling) stellt eine Sonderform der Preisdifferenzierung dar, bei der verschiedene Produkte in einem Paket zu einem Gesamtpreis angeboten werden (vgl. Wübker 1998). Durch Preisbündelung kann die ungenutzte Zahlungsbereitschaft von einem Produkt auf ein anderes übertragen werden. Damit kann die Preisbündelung zu höherem Cross-Selling und Absatzsteigerungen führen (vgl. Wübker und Schmidt-Gallas 2003, S. 750 f.). Dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden (vgl. Simon und Fassnacht 2016, S. 274 ff.): Beispiel
Ein Supermarkt bietet Wein und Käse an und hat für fünf Nachfrager die maximale Preisbereitschaft ermittelt (vgl. Abb. 13). Die Maximalpreise spiegeln den Nutzen der beiden Produkte für die Nachfrager wider. Die Maximalpreise ergeben sich aus der Addition der Einzelpreise, d. h. es liegt keine Komplementarität der Güter vor. Variable Stückkosten werden nicht berücksichtigt. Das in diesem Fall identische Umsatz- und Gewinnmaximum stellt sich bei den Einzelpreisen pK (Käse) D 5 GE und pW (Wein) D 4 GE ein. Bei diesen Einzelpreisen kauft z. B. Nachfrager 3 beide Produkte, wohingegen die Nachfrager 4 und 5 keines der Produkte kaufen. Beispiel
Bietet der Supermarkt Wein und Käse nur im Bündel an, ergibt sich das Umsatz- und Gewinnmaximum bei pK+W D 5,5 GE. Beim ausschließlichen Angebot dieses Bündelpreises kaufen alle außer Nachfrager 5. Durch eine Kombination von Bündelpreisen
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen Maximalpreise
Nachfrager
Käse
Wein
Bündel (Wein und Käse)
1 2 3 4 5
6 2 5 3 2,4
1 5 4 2,5 1,8
7 7 9 5,5 4,2
Einzelpreisstellung
pw
Preisbündelung
pw 6
6 pk = 5
2
5
3
p*w 4 3
pw = 4
1
1
2
4
2
5
1
3
4 3
4
2
2
5
3
4
5 p*k
6
pk+w = 5,5
5
1
1
pk
1
2
3
4
5
6
pk
Abb. 13 Einzelpreise versus Preisbündelung
und Einzelpreisen kann der Umsatz und Gewinn für den Supermarkt weiter gesteigert werden, denn bei Einzelpreisen von pK D 2,4 GE und pW D 4 GE (die Einzelpreise müssen zusammengenommen über dem Bündelpreis liegen, sonst ist dessen Angebot nicht zweckmäßig) wird auch Nachfrager 5 zum Käufer von Käse, sodass der Gesamtgewinn von 22 auf 24,4 Geldeinheiten steigt. Die Vorteilhaftigkeit einer Einzelpreisstellung gegenüber einer reinen Preisbündelung oder einer gemischten Preisbündelung kann jedoch nicht generell bestimmt werden. Allerdings lassen sich auf Basis des in Abb. 14 dargestellten Beispiels folgende Tendenzaussagen ableiten: Eine Einzelpreisstellung ist tendenziell vorteilhaft, wenn der Nutzen der Produkte aus Sicht der Nachfrager sehr unterschiedlich ist (Abb. 14a). Die reine Preisbündelung ist demgegenüber tendenziell vorzuziehen, wenn den Produkten von jedem Nachfrager ein sehr ähnlicher Nutzen beigemessen wird (Abb. 14b). Eine gemischte Preisbündelung ist schließlich dann vorteilhaft, wenn Fall a und b gemeinsam auftreten (Abb. 14c).
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a pB
Preispolitische Strategien
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b
Einzelpreisstellung
pB
pA+B = 6 pA = 4,25
c
Reine Bündelung
pB
Gemischte Bündelung pA+B = 6
pA = 4
pA = 4
pA+B = 5 pB = 3,5
pB = 3
pB = 3
pA
pA
pA
= Preisbereitschaftskombination des Nachfragers i für Produkt A und B
Abb. 14 Vergleich von Einzelpreisstellung mit reiner und gemischter Preisbündelung (die jeweils nicht optimale Form ist gestrichelt) (Quelle: Simon und Fassnacht 2016, S. 275 f.)
Darüber hinaus kann die Kombination von Einzelpreisen und Preisbündeln zu einer nachlassenden Wettbewerbsintensität als Folge einer Verringerung der Markttransparenz führen. Auch Preiserhöhungen sind so möglich, ohne dass der Nachfrager diese wahrnimmt (vgl. Priemer 2003, S. 514). Ferner kann sich die Wettbewerbsfähigkeit des Anbieters aufgrund einer höheren Individualisierung seines Leistungsangebots erhöhen. Empirisch konnte z. B. im spanischen Automarkt nachgewiesen werden, dass der Ausweis eines Bündelpreises auf Nachfrager attraktiver wirkt als die Auszeichnung der Einzelpreise – trotz zweier inhaltlich absolut identischer Angebote (vgl. Priemer 2000).
3.3.5 Preisdifferenzierung bei Dienstleistungen: Revenue Management Beim Revenue Management handelt es sich um einen Ansatz der integrierten Preis- und Kapazitätssteuerung (vgl. Schnetzer 2012; Simon und Fassnacht 2016, S. 492 f.). Der Begriff Revenue Management wird in der Literatur häufig synonym zu dem Begriff Yield Management verwendet (vgl. Klein und Steinhardt 2008, S. 6). Yield bezeichnet in der Airlinepraxis den Erlös pro Passagiermeile (vgl. Glüsing 2004, S. 234). Eine Maximierung des Yieldes wäre daher bei einem zu Normalpreisen ausgebuchten Flugzeug erreicht. Da das Ziel jedoch die Ertragsmaximierung des gesamten Unternehmens ist, hat sich der Begriff Revenue Management durchgesetzt (vgl. zu dieser Diskussion Weatherford und Bodily 1992, S. 833; Weatherford 1998, S. 70). Das für Dienstleistungen konzipierte Revenue Management basiert auf den bereits dargestellten Grundüberlegungen zur Preisgestaltung und der Kontingentierung (Aufteilung der vorhandenen Gesamtkapazität in Teilkapazitäten), um eine erlösmaximale Nutzung des kurzfristig nicht veränderbaren Leistungspotenzials zu erzielen (vgl. Lindenmeier 2005, S. 5). Es wird unterstellt, dass der Wert einer Dienstleistung für verschiedene Nachfrager zu unterschiedlichen Zeiten variiert (vgl. Walzner 2005, S. 202). Im Vergleich zu den statischen Preisdifferenzierungsstrategien bestehen zwei grundlegende Unterschiede: Erstens ist das Revenue Management nicht
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
nur ein Instrument der Preispolitik, sondern dient darüber hinaus der Kapazitätssteuerung, d. h. der Produktpolitik. Zweitens ist das Revenue Management dem Bereich der dynamischen Preispolitik zuzuordnen. Dynamisch deshalb, weil es beim Verkauf einer nach Art und Zeitpunkt festgelegten Dienstleistung im Zeitablauf unterschiedliche Preise festlegt. Im Gegensatz dazu werden bei der zeitlichen Preisdifferenzierung für eine Dienstleistung, die lediglich ihrer Art nach bestimmt ist, unterschiedliche Preise in Abhängigkeit vom Nutzungszeitpunkt festgesetzt. So werden bspw. im Rahmen der zeitlichen Preisdifferenzierung eines Kinos, Theaters oder Zirkus je nach Tageszeit (Nachmittags-, Abend-, Spätvorstellung) und Wochentag (Arbeitstage, Wochenend- und Feiertage) für ein und dieselbe Vorführung unterschiedliche Preise verlangt. Entscheidend für die Preishöhe ist also der Zeitpunkt der Nutzung, wohingegen der Zeitpunkt des Ticketkaufes zumeist keine Rolle spielt. Die differenzierte Preisstruktur ist ferner ex ante, d. h. vor der ersten Vorstellung in der Regel für den gesamten Zeitraum, innerhalb dessen ein bestimmter Film gezeigt wird, bekannt. Eine andere Situation ergibt sich für Linienfluggesellschaften. Hier werden für einen Flug z. B. mit TUIfly in der Economy-Klasse von Berlin-Tegel nach Paris-Orly unterschiedliche Preise in Abhängigkeit vom Buchungszeitpunkt sowie der aktuellen Buchungssituation (Kapazitätsauslastung), dem Wochentag und zahlreicher anderer Einflussgrößen verlangt (vgl. Tab. 7). Darüber hinaus sind die im Zeitablauf bis zum Start der Maschine tatsächlich verlangten Preise dem Nachfrager ex ante nicht genau bekannt. Der Linienflugkunde, der das genannte Ticket ein halbes Jahr vor dem Abflug kaufen möchte, weiß daher nicht, wie hoch der Preis für dasselbe Ticket drei Monate oder drei Tage vor dem Abflug sein wird. Insbesondere Low-Cost-Airlines wie TUIfly, Ryanair oder Germanwings verkaufen ein geringes Kontingent an Tickets zu Lockpreisen von bspw. 0,01 C zzgl. Steuern und Gebühren oder 19 C inkl. Steuern und Gebühren.
Tab. 7 Preise für einen Economy-Flug von Berlin-Tegel nach Barcelona Tag der Buchung 12.02.2018 12.02.2018 12.02.2018 12.02.2018 12.02.2018 12.02.2018 12.02.2018 12.02.2018 12.02.2018 a b
Datum des Flugesa 20.02.2018 21.02.2018 22.02.2018 23.02.2018 24.02.2018 25.02.2018 26.02.2018 27.02.2018 08.03.2018
Alle Flüge starten zur selben Uhrzeit Preise exkl. Steuern und Gebühren
Wochentag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag Montag Dienstag Donnerstag
Preisb 64,99 104,99 164,99 184,99 144,99 214,99 144,99 54,99 264,99
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Preispolitische Strategien
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I Revenue Management Revenue Management ist ein Ansatz zur simultanen
und dynamischen Preis- und Kapazitätssteuerung, um die vorgehaltene, zumeist fixe Kapazität auf gewinnmaximale Weise auszuschöpfen (vgl. Simon und Fassnacht 2016, S. 505).
Empirische Studien haben gezeigt, dass der Einsatz von Revenue-Management-Systemen zu einer signifikanten Verbesserung der Erlössituation beitragen kann (vgl. Belobaba und Wilson 1997, S. 3; Klein und Steinhardt 2008, S. 4). Das Revenue Management wird daher auch dem Bereich des Marketing-Controllings zugerechnet. Der Revenue-Management-Prozess besteht im Allgemeinen aus vier Phasen (vgl. Abb. 15). Im Rahmen der Datengewinnung muss die Bereitstellung relevanter Vergangenheitsund Gegenwartsdaten zur Nachfrageprognose erfolgen. Dies sind z. B. Verkaufspreise, Anzahl der Stornierungen sowie nachgefragte Mengen. Auf Basis dieser gesammelten Daten muss die Nachfrageprognose erfolgen. Aufgabe der Nachfrageprognose ist die Ermittlung der erwarteten Nachfragemengen sowie der Nachfrageentwicklung in der betrachteten Geschäftsperiode. Den nächsten Schritt stellt die Nachfragesteuerung dar. Diese gliedert sich in die Bereiche Preis-Kapazitäts-Steuerung, Überbuchung und Dynamic Pricing. Ziel dieser drei Instrumente ist die gewinnmaximierende Vermarktung der Gesamtkapazität. Hierbei werden die Preis-Kapazitäts-Steuerung und die Überbuchung dem mengenbasierten Revenue Management zugewiesen, während das Dynamic Pricing zum preisbasierten Revenue Management gehört (vgl. Talluri und van Ryzin 2004, S. VII ff.). Die Preis-Kapazitäts-Steuerung ist das bekannteste Instrument. Gegenstand dieses Instruments ist die
Datengewinnung
Nachfrageprognose
Nachfragesteuerung mengenbasiert Preis-KapazitätsSteuerung
Überbuchung
preisbasiert Dynamic Pricing
Kontrolle
Abb. 15 Revenue-Management-Prozess (Quelle: In Anlehnung an Tscheulin und Lindenmeier 2002, S. 3; Talluri und van Ryzin 2004, S. 19)
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
Aufteilung der Gesamtkapazität in verschiedene Klassen zu verschiedenen Preisen. Aufgrund fehlender Kenntnis bezüglich des genauen Eintreffens der Nachfrage nach einzelnen Preisklassen muss im Zuge der Preis-Kapazitäts-Steuerung bei jeder Anfrage eine Entscheidung bezüglich Annahme oder Ablehnung getroffen werden (vgl. Schnetzer 2012, S. 31 f.). Das Optimierungsproblem besteht hierbei darin, die Flüge bzw. die Dienstleistung so auszulasten, dass die Nachfrage der höheren Buchungsklassen nicht durch eine frühzeitige und übermäßige Annahme von weniger erlösbringenden Buchungsanfragen verdrängt wird. Im Rahmen dieser Optimierung muss das Risiko der Umsatzverdrängung und Umsatzverluste minimiert werden (vgl. Pechtl 2014, S. 293). Letzteres bedeutet, dass Kapazitäten leer bleiben, weil eine Buchung in einer preisgünstigeren Buchungsklasse abgelehnt wird, da die Kapazität für zahlungskräftigere Nachfrager freigehalten werden soll, die letztlich aber nicht zu finden sind (vgl. Meffert und Bruhn 2015, S. 349 ff.). Zu einer Umsatzverdrängung kommt es, wenn die Buchung eines billigen Tarifes zugelassen wird, aber in letzter Minute noch ein Hochpreiskunde buchen möchte, der wegen fehlender Kapazität jedoch abgelehnt werden muss. Um dieses Problem zu minimieren, werden die Preisklassen im Allgemeinen mit Buchungslimits begrenzt. Hierbei kann zwischen diskreten und geschachtelten Limits unterschieden werden (vgl. Abb. 16). Das diskrete Buchungslimit gibt für jede Tarifklasse an, wie viele Buchungen des Produktes zu dem entsprechenden Preis maximal akzeptiert werden sollen. Bei geschachtelten Buchungslimits werden die Preisklassen nach ihrem Wert geordnet, und für jede Klasse wird eine Obergrenze festgelegt. Diese gibt die maximale Anzahl an Buchungen in dieser und allen niedrigeren Tarifklassen an (vgl. Schnetzer 2012).
max. verfügbare Kapazität BK 1
max. verfügbare Kapazität BK 1
75 max. verfügbare Kapazität BK 2 150
max. verfügbare Kapazität BK 2
50
max. verfügbare Kapazität BK 3
25
75
diskrete Buchungslimits
max. verfügbare Kapazität BK 3 25
geschachtelte Buchungslimits
Gesamtkapazität = 150 Buchungsklasse BK 1 > BK 2 > BK 3
Abb. 16 Vergleich von diskreten und geschachtelten Buchungslimits (Quelle: Schnetzer 2012, S. 33)
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Preispolitische Strategien
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Um das Revenue Management in Dienstleistungsunternehmen sinnvoll einsetzen zu können, sollten die folgenden Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sein (vgl. Meffert und Bruhn 2015, S. 349 ff.; Schnetzer 2012, S. 29 f.): Die Kapazität eines Unternehmens ist zumindest kurzfristig nicht flexibel (bspw. Hotelkapazität, Transportkapazität im Luft-, See-, Schienen- und Straßenverkehr). Zudem ist die Leistung an sich nicht lagerfähig, weshalb keine Produktion auf Vorrat möglich ist. Hoher Fixkostenanteil bei der Dienstleistungserstellung und damit geringe Grenzkosten für den Verkauf einer zusätzlichen Leistungseinheit (z. B. niedrige variable Kosten für den Verkauf eines ansonsten freien Sitzplatzes im Flugzeug oder der Bahn). Die Nachfrage kann in Segmente mit unterschiedlichen Preisbereitschaften unterteilt werden, die zugleich ein unterschiedliches Buchungsverhalten zeigen. Die Segmente lassen sich untereinander abschotten, d. h. eine Arbitrage ist nicht möglich. Letzteres kann z. B. durch Buchungsrestriktionen sichergestellt werden. Eine Nachfragestimulation durch Preissenkungen ist möglich. Die Dienstleistung wird bereits vor der tatsächlichen Nutzung (bspw. ein Flugtermin) zur Buchung angeboten. Bei Nichtabnahme einer Leistungseinheit verfällt deren Wert für den Anbieter auf null.
3.4 Besonderheiten von preispolitischen Entscheidungen im Internet Durch die vermehrte Nutzung des Internets ergeben sich für Unternehmen einige Besonderheiten in Bezug auf preispolitische Gestaltungsmöglichkeiten, durch die innovative Preismodelle hervorgebracht wurden. Neben diesen neuen Preismodellen, sind im Zuge der Digitalisierung sog. digitale Produkte entstanden (z. B. Musik zum Download im Internet). Die Besonderheit von digitalen Produkten für die Preispolitik besteht darin, dass sie eine einzigartige Kostenstruktur aufweisen und dadurch zu äußerst geringen Grenzkosten verteilt werden können (vgl. Simon und Fassnacht 2009. S. 508; Rifkin 2014).
3.4.1 Digitale Produkte Digitale Produkte grenzen sich vorrangig von analogen Produkten dadurch ab, dass sie vollkommen immateriell vorliegen (vgl. Abschn. 4 in Kap. 5). Dadurch ergibt sich für diese Art von Produkten eine besondere Kostenstruktur, die im Folgenden dargestellt wird. Die Kosten für diese Art von Produkten werden überwiegend durch die sog. FirstCopy-Cost bestimmt, d. h. die Kosten für die erste produzierte Einheit eines digitalen Produktes. Äußerst gering hingegeben sind die Grenzkosten, d. h. die Kosten für die Erstellung einer weiteren Einheit des digitalen Gutes. Als Beispiel kann hier ein im Internet vertriebenes Musikstück dienen. Die Produktion eines Musikstücks führt zunächst zu hohen Kosten. Unabhängig davon, in welchem Distributionskanal das Musikstück später
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
vertrieben wird, werden große Summen in z. B. den Aufbau von neuen Künstlern seitens der Plattenfirma gesteckt. Diese First-Copy-Cost werden mitunter auch als Sunk Cost bezeichnet, da sie eine monetäre Investition darstellen, für die es anfänglich keine Kompensation gibt. Wird das Musikstück ein Flop, sind die Investitionen in die Master-Kopie verloren. Die Besonderheit ist jedoch, dass sich, sobald die „First Copy“ erstellt wurde, zu sehr geringen Kosten ohne Qualitätsverlust weitere Kopien erstellen lassen. Erwirbt ein Nachfrager z. B. über Apple Music einen Titel per Download, lädt er lediglich eine Kopie der sich auf dem Server befindlichen Datei herunter. Die Kosten für die Bereitstellung eines weiteren Downloads (Grenzkosten) sind somit äußerst gering. Bei digitalen Produkten beobachtet man häufig Grenzkosten von nahezu oder gleich null (vgl. Strube et al. 2008, S. 188 f.; Clement und Schreiber 2016, S. 49 f.). Aus diesem Zusammenhang ergibt sich, dass bei digitalen Gütern starke Skaleneffekte (Economies of Scale) (vgl. Abschn. 3 in Kap. 1) vorliegen können. Diese existieren, da sich alle produzierten Einheiten (bei Grenzkosten von quasi null) nur noch die First-CopyCost teilen und daher die Kosten pro Stück abnehmen. Dabei gilt, je höher die First-CopyCost im Verhältnis zu den variablen Kosten ausfallen, desto größer die Skaleneffekte. Ein extremes Verhältnis von First-Copy-Cost zu variablen Kosten trifft z. B. auf komplexe Softwareprodukte, Telekommunikationsdienstleistungen oder Spielfilme zu (vgl. Clement und Schreiber 2016, S. 50). Für die Preissetzung von Unternehmen bedeutet die beschriebene Kostenstruktur, dass die kurzfristige Preisuntergrenze bei den Grenzkosten liegen kann. Wenn diese, wie beschrieben, gegen null gehen, ergibt sich daraus, dass auch die kurzfristige Preisuntergrenze gegen null geht. Ein Unternehmen mit Grenzkosten von null und einem knapp darüber liegendem Preis kann somit immer noch einen Deckungsbeitrag und Cashflow erzielen. Dennoch darf die langfristige Sicht nicht außer Acht gelassen werden. Die langfristige Preisuntergrenze wird von den Vollkosten, d. h. den Grenzkosten und den umgelegten Fixkosten bestimmt, denn ein Gewinn kann nur dann erzielt werden, wenn die Deckungsbeiträge höher als die Fixkosten sind (vgl. Simon und Fassnacht 2016, S. 594 ff.).
3.4.2 Preismodelle im Internet Freemium Freemium setzt sich zusammen aus „Free“ (kostenlos) und „Premium“ (Aufpreis) und bezeichnet im Kern die kostenlose Bereitstellung einer Basisversion eines Produktes und die Verfügbarkeit von einer höherwertigen Premiumversion für das Produkt, für die eine Gebühr zu entrichten ist. Freemium-Modelle können verschiedene Ausprägungen haben. Eine Erscheinungsform ist, dass Nachfrager in der kostenlosen Basisversion Werbung oder Werbeunterbrechungen in Kauf nehmen müssen, wohingegen die Premiumversion werbefrei ist. Ein Beispiel dafür ist Spotify. Bezahlt ein Nachfrager in der Premiumversion rund 10 C pro Monat und erhält die Musik frei von Werbeunterbrechungen, so „zahlen“ Nachfrager in der Basisversion mit ihrer Aufmerksamkeit in dem Sinne, dass sie Werbeunterbrechungen ausgesetzt sind. Darüber hinaus ist es möglich, dass die Basisversion
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Preispolitische Strategien
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eines Freemium-Modells mit Leistungseinschränkungen im Vergleich zur Premiumversion verbunden ist. Beispiele dafür sind die Karriere-Netzwerke LinkedIn oder Xing. Kann ein Nachfrager ohne Werbung die Basisversion zwar ohne Kosten nutzen, so hat er jedoch keinen Zugriff auf bestimmte Features der Premiumversion (z. B. Sichtbarkeit der Profilansichten, Senden von Nachrichten an Nicht-Kontakte, etc.) (vgl. Simon und Fassnacht 2016, S. 575). Bei Freemium-Modellen ist es wichtig, dass die Grenzkosten für die Basisversion sehr gering sind, d. h. keine Kostenbelastung für das Unternehmen darstellen. Aus diesem Grund sind Freemium-Modelle insbesondere für digitale Produkte interessant, da diese, wie zu Beginn des Kapitels dargestellt, zu Grenzkosten von nahezu Null angeboten werden können (vgl. Simon und Fassnacht 2016, S. 574). Sind die Nachfrager mit der kostenlosen Basisfunktion vertraut, hofft das Unternehmen auf deren steigende Bereitschaft, für höherwertige Zusatzdienste zu zahlen. Dass, wie bei Spotify, ein Teil der Erlöse aus der Werbung und ein anderer Teil von den Beiträgen der Nutzer kommt, ist ein weiteres im Internet häufig gesehenes Preismodell, das als sog. zweiseitige Preissystem bezeichnet wird. Die Grundlage eines zweiseitigen Preissystems ist ein sog. zweiseitiger Markt (vgl. Abschn. 3 in Kap. 1), dessen Besonderheit darin besteht, dass zwei unterschiedlichen Nachfragergruppen zusammenkommen und für ein Unternehmen somit zwei potenzielle Erlösquellen vorliegen. Ein solches Preismodell funktioniert allerdings nur, wenn es Vorteile für beide Nachfragergruppen bringt. Im Fall von Spotify sind die Werbetreibenden etwa daran interessiert, möglichst viele Nachfrager zu erreichen. Die Nutzer dagegen möchten einen möglichst geringen Preis für den Dienst zahlen. Spotify finanziert im Grunde die kostenfreie Basisversion mit den Erlösen aus der Werbung. Ohne diese Erlösquelle wäre der Preis für die Nutzer wesentlich höher. Die Zweiseitigkeit des Preissystems birgt jedoch die Herausforderung, dass ein für die Nutzer festgelegter Preis den maximal erzielbaren Preis für die Werbetreibenden beeinflusst. Fällt der Nutzerpreis bspw. niedrig aus (oder ist er gar null, wie im Fall der Spotify-Basisversion), werden verhältnismäßig viele Nutzer den Dienst abonnieren. Dies wiederum erhöht die Zahlungsbereitschaft der Werbetreibenden und somit die erzielbaren Werbeerlöse, da ihre Werbung verhältnismäßig viele Nutzer erreicht. Im Rahmen der Preisgestaltung muss folglich berücksichtigt werden, inwieweit die höheren Werbeerlöse den durch eine Preissenkung entgangenen Deckungsbeitrag auf Nutzerseite überkompensieren (vgl. Simon und Fassnacht 2016, S. 588). Derartige Abhängigkeiten werden durch das Vorliegen von sog. Netzwerkeffekten erklärt, die häufig im Zusammenhang mit zweiseitigen Märkten auftreten (vgl. Abschn. 3 in Kap. 1). Flatrates Bei einer Flatrate zahlen Nachfrager einen festen Preis pro Anlass oder Zeitraum und können das Angebot dann in beliebigen Umfang nutzen. Generell beinhaltet eine Flatrate die Subventionierung der Minderheit der Vielnutzer durch die große Mehrheit der Wenignutzer. Insbesondere bei Internet-Zugängen sind Flatrates sehr stark verbreitet. Aber auch das bereits beschriebene Beispiel Spotify lässt sich im übergeordneten Sinne als
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
Flatrate bezeichnen. Die Flatrate kann grundsätzlich als eine Form der mengenbezogenen Preisdifferenzierung gesehen werden und ist insbesondere für digitale Verbrauchsgüter interessant, da sie die Unsicherheit aufgrund der Entkopplung von Konsum und Bezahlung reduzieren, was insgesamt zu einer höheren Zahlungsbereitschaft führen kann (vgl. Simon und Fassnacht 2009, S. 511). Der Anbieter Netflix kann hier als Beispiel dienen. Für einen festen monatlichen Betrag können Nachfrager das Film- und Serienangebot von Netflix uneingeschränkt nutzen. Nutzer ziehen oftmals eine solche Flatrate vor, unabhängig davon, ob sie tatsächlich so viele Filme und Serien konsumieren, dass die Summe der Einzelpreise die Kosten der Flatrate übersteigt. Dieser Effekt wird als Flatrate-Bias bezeichnet. Lambrecht und Skiera (2006) identifizieren vier Effekte, die aus Nachfragersicht den Bezug einer Flatrate begründen: Versicherungseffekt: Nachfrager wählen eine Flatrate, um Schwankungen in den monatlichen Rechnungsbeiträgen zu vermeiden. Taxametereffekt: Nachfrager wählen eine Flatrate, weil sie die Nutzung mehr genießen können als bei Wahl eines nutzungsabhängigen Tarifs. Der Grenzpreis für einen Nachfrager bei Nutzung einer Flatrate ist gleich Null. „Das Taxameter läuft nicht“. Bequemlichkeitseffekt: Nachfrager wählen eine Flatrate, um die Zeitinvestitionen (Suchkosten) im Rahmen der Suche nach nutzungsabhängigen Tarifen zu vermeiden. Überschätzungseffekt: Nachfrager wählen eine Flatrate, da sie ihre tatsächliche Nutzungsintensität überschätzen. Empirische Studien belegen die ökonomische Bedeutung des Flatrate-Bias. Anbieter von digitalen Produkten, die häufig konsumierte Produkte mittels Flatrate vertreiben, erzielen im Vergleich zu Unternehmen, die pro Einheit abrechnen, durchschnittlich 30 bis 50 % mehr Umsatz pro Kunde (vgl. Simon und Fassnacht 2009, S. 517 f.). Versioning Die leistungsbezogene Preisdifferenzierung wird im Online-Kontext häufig als Versioning bezeichnet. Versioning ist generell immer dann interessant, wenn sich der Markt in unterschiedliche Kundensegmente einteilen lässt und diese eine heterogene Zahlungsbereitschaft haben oder das Produkt in unterschiedlichen Umfängen (z. B. Standard und Premium) anbieten kann. Dabei wird der Leistungsumfang den individuellen Kundenanforderungen angepasst und der Preis so gestaltet, dass dieser der Zahlungsbereitschaft des jeweiligen Nachfragers entspricht (vgl. Wirtz 2016, S. 785 ff.). Besonders bei digitalen Produkten ist die Umsetzung von Versioning aufgrund der besonderen Kostenstruktur (hohe Fist-Copy-Cost und sehr geringe Vervielfältigungs-, Distributions- und variable Kosten) oft einfach zu verwirklichen. Als Beispiel für das Versioning kann das Angebot von Online-Spieleplattformen genannt werden. Diese bieten häufig eine kostenlose „Probeversion“ an, die vom Umfang her bspw. auf ein Level des Spiels beschränkt ist. Möchte ein Nachfrager Zugang zur Vollversion erhalten, ist dafür eine Nutzungsgebühr zu entrichten. Voraussetzung für diese Art von Preisdifferenzierung ist die Identifizierung
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Preispolitische Strategien
539
der Eigenschaften eines Produktes, die von den Nachfragern bezüglich ihrer Nutzenstiftung unterschiedlich bewertet werden. Zu diesen Eigenschaften gehören z. B. Funktionsumfang, Geschwindigkeit, Bedienungskomfort, Nutzerunterstützung und Aktualität (vgl. Wirtz 2016, S. 783 f.). Online-Auktionen Auktionen, in ihren vielfältigen Variationen, können als eine Art von dynamischer Preissetzung beschreiben werden. Insbesondere als dynamische Preissetzung für Produkte und Dienstleistungen im Internet sind diese verbreitet (vgl. Kannan und Kopalle 2001, S. 66). Durch Online-Auktionen wie bspw. bei eBay können Nachfrager von den Besonderheiten der preispolitischen Gestaltungsmöglichkeiten im Internet profitieren. Unterschieden wird hier zwischen Englischen und Holländischen Auktionen sowie Reverse Pricing und Reverse Auctions (vgl. Kotler und Armstrong 2015, S. 345; Simon und Fassnacht 2016, S. 589 f.; Diller 2008, S. 222 f.; Skiera et al. 2005, S. 290 f.). Die meist verbreitete Online-Auktionsform ist die Englische Auktion, bei der der Käufer mit dem höchsten Preisangebot den Zuschlag bekommt. Bei der Holländischen Auktion wird der Preis vom Verkäufer solange gesenkt, bis schließlich ein Käufer zuschlägt. Je länger die Kaufinteressenten warten, desto niedriger wird der Preis. Gleichzeitig stehen die Interessenten jedoch unter Zeitdruck, da die Gefahr besteht, dass bei zu langem Warten bereits ein anderer Interessent dem Preis zugestimmt hat. Reverse Pricing ist ein Vorgehen, bei dem der Preis nicht vom Verkäufer, sondern vom Käufer bestimmt wird. Der Verkäufer legt zuvor eine dem Käufer unbekannte Preisschwelle fest. Wenn der vom Käufer angegebene Preis über dieser Preisschwelle liegt, kommt ein Kauf zustande. Diese Auktionsform wird auch „Name-your-own-Price“ genannt und wird bspw. auf Auktionsplattformen wie www. priceline.com angeboten. Bei Reverse Auctions hingegen bestimmt der Nachfrager nicht nur den Preis, sondern auch die Leistung, die er erbracht haben möchte. Die Unternehmen versuchen dann, sich gegenseitig zu unterbieten, um den Auftrag zu erhalten und die Leistung anbieten zu können (vgl. Kotler und Armstrong 2015, S. 345; Skiera et al. 2005, S. 290 f.). Pay-what-you-want Beim Pay-what-you-want-Modell zahlt der Kunde, was er bereit ist zu zahlen, ohne dass das Unternehmen entscheiden kann, ob er zu diesem Preis verkauft oder nicht. Wie hoch der Preis ist, der für das Produkt oder die Dienstleistung gezahlt wird, ist, hängt dabei von der sozialen Präferenz in Bezug auf eine gerechte Aufteilung der Wertschätzung zwischen Nachfrager und Unternehmen ab. Ebenfalls spielt der strategische Gedanke eines Nachfragers, das Unternehmen langfristig im Markt zu halten, eine Rolle. Aus diesem Grund könnte ein Nachfrager bereit sein, einen höheren Preis zu zahlen, so dass das Unternehmen eine höhere Chance hat, im Markt zu bestehen (vgl. Schmidt et al. 2015). Kim et al. (2009) können in einer empirischen Studie zeigen, dass generierte Preise mittels Pay-what-you-want-Mechanismus signifikant höher als Null sind. Dabei identifizieren die Autoren die folgenden signifikanten Faktoren, die den Preis, den die Nachfrager bereit
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
sind zu zahlen, beeinflussen: Fairness, Zufriedenheit mit dem Produkt/Service sowie das eigene Einkommen. Dabei gilt, je höher die Ausprägung dieser Faktoren, desto höher ist die Zahlungsbereitschaft in einem Pay-what-you-want-Mechanismus. Im Gegensatz dazu, verringert das Preisbewusstsein die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager signifikant (vgl. Kim et al. 2009, S. 53). Ein Beispiel für ein innovatives Pay-what-you-want-Verfahren bietet die Internetplattform activehours.com. Hierbei handelt es sich um einen Paycheck-Kreditgeber, der anstehende Lohnzahlungen für einen kurzen Zeitraum vorfinanziert. Dabei wird die Rückzahlung des Kredits mit Einverständnis des Arbeitnehmers meist direkt vom Arbeitgeber eingezogen, so dass Activehours ein geringes Kreditrisiko trägt. Activehours verlangt dabei keine Gebühren, sondern nur ein freiwilliges Trinkgeld. Nachfrager sollen das bezahlen, was sie als fair empfinden. Da Kredite nur meist eine Woche laufen, entspricht selbst ein Trinkgeld von nur 1 % einem sehr hohen Zinssatz (vgl. Simon und Fassnacht 2016, S. 581). Schmidt et al. (2015) bringen das Beispiel der britischen Band Radiohead. Diese haben ihr Album „Rainbows“ im Internet mittels Pay-what-you-want-Mechanismus zum Verkauf angeboten. Dadurch konnte die Gruppe eine hohe Popularität des Albums erreichen und die Verkäufe der (traditionellen) CD sowie den Ticketverkauf für die Konzerttour erhöhen. Zwischen dem Pay-what-you-want und dem Name-your-own-Price-Modell (Reverse Pricing) besteht ein grundlegender Unterschied. Bei letzterem entscheidet der Verkäufer, ob er das Preisgebot des Nachfragers annimmt oder ablehnt. Beim Pay-WhatYou-Want findet der Konsum vor der Zahlung statt. Oder der Kunde zahlt vorher, was er will. Für den Verkäufer gibt es nichts zu entscheiden, er hat sein Angebot ohne Bedingung den Nachfragern und deren Preisbereitschaft ausgeliefert (vgl. Simon und Fassnacht 2016, S. 581). Dynamische Preissetzung Eine der wichtigsten Besonderheiten der preispolitischen Gestaltungsmöglichkeiten im Internet ist das Echtzeitpricing, auch dynamische Preissetzung (Dynamic Pricing) genannt (vgl. Kotler und Armstrong 2015, S. 356 f.; Simon und Fassnacht 2016, S. 525). Dynamische Preissetzung ermöglicht Unternehmen, ihre Kosten und die Nachfrage ständig zu beobachten und die Preise entsprechend schnell anzupassen. Dabei wird dem Unternehmen ein gewisser monopolistischer Spielraum zugestanden, so dass das Unternehmen die Nachfrage nach ihren Produkten durch Variationen der Preise beeinflussen kann. Die Produkte haben dementsprechend keinen fixen Preis. Vielmehr werden sie beliebig angepasst oder aus einer vorgegebenen Menge ausgewählt. Durch dynamische Preissetzung versucht ein Unternehmen, die sich im Verkaufszeitraum ggf. verändernde Preissensibilität bzw. Zahlungsbereitschaft der Nachfrager auszunutzen und somit Gewinne zu maximieren. Dabei werden in Phasen, in denen die Nachfrage weitestgehend unelastisch reagiert, tendenziell höhere Preise festgelegt als in Phasen elastischer Nachfrage. In diesem Sinne ist die dynamische Preissetzung eine spezielle Form der zeitlichen Preisdifferenzierung (vgl. Gönsch et al. 2009, S. 5 f.). Einem Unternehmen bietet insbesondere die Unge-
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Preispolitische Strategien
541
bundenheit des Internets die Möglichkeit, extrem kurzfristig auf Nachfrageveränderungen durch Preisanpassungen einzugehen. Offline sind die Kosten der Preisauszeichnung und die printbezogenen Preisdarstellungen oft ein Hindernis für kurzfristige Änderungen von Preisen. Doch auch offline kann eine Preisgestaltung in Echtzeit in einigen Fällen umgesetzt werden, bspw. durch digitale Preisanzeigen in Supermarktregalen (vgl. Simon und Fassnacht 2016, S. 525). Meffert und Meffert (2017, S. 175) identifizieren wichtige Elemente der dynamischen Preissetzung. Zum einen sind die Daten eine der wichtigsten Grundlagen für die dynamische Preissetzung. Interne Daten beziehen sich u. a. auf Produktdaten, Umsatzvolumen, Preise, Bestände, Kundenprofile und -verhalten. Ferner sind externe Daten von Interesse, d. h. Daten zur Markt- und Wettbewerbssituation. Darunter fallen Daten zu Angebot und Preisbildung von Wettbewerbern sowie Umfrage- und Marktinformationen. Des Weiteren sind die Mitarbeiter und ihre Fähigkeiten von Bedeutung. Das Team muss demnach interne und externe Datenquellen anzapfen können und den Anforderungen, riesige Datenmengen zu bearbeiten, gewachsen sein. Darüber hinaus sind Prozesse wichtig, d. h. bspw. strategische Stoßrichtungen sollten regelmäßig und zeitnah festgelegt werden. Ebenso ist die Informationstechnologie (IT) ein wichtiges Element, durch die die dynamische Preissetzung (z. B. die Implementierung des Algorithmus) erst möglich wird (vgl. Meffert und Meffert 2017, S. 175). Paywalls Paywalls sind eine spezielle Form, um insbesondere redaktionellen Online Content zu monetarisieren. Redaktionellem Online Content, das sind elektronische Zeitungs- und Zeitschriftenartikel wie bspw. von Spiegel Online, kommt im Internetgeschäft eine besondere Bedeutung zu (vgl. Simon und Fassnacht 2009, S. 510). Auf der einen Seite bringt die Erstellung von redaktionellen Inhalten eine kostenintensive Recherche mit sich; auf der anderen Seite ist die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager gering. Dadurch, dass viele Nachfrager keine Zeitungen im klassischen Sinne mehr kaufen und an stattdessen im Internet Online-Artikel lesen, haben Unternehmen wie bspw. die New York Times mit sinkenden Umsätzen zu kämpfen. Dieser Zustand macht eine Bepreisung von Online Content notwendig. Die New York Times benutzen seit März 2011 für ihre Onlinedienste eine sogenannte Paywall, d. h. ein bezahltes Abonnementsystem, das sich generell am Markt durchsetzen zu scheint (vgl. Pattabhiramaiah et al. 2017). Man kann hier nach Laudon und Traver (2015, S. 629 f.) wie folgt unterscheiden: Hard Paywall: Nutzer können keinerlei Content der Website sehen, ohne ein Abonnement abzuschließen. Soft Paywall: Gleicht dem „Freemium-Modell“, d. h. teilweise sind z. B. einige Artikel auf einer Website lesbar. Für einen vollen Zugriff müsste der Nutzer im Sinne eines Premium-Zugangs bezahlen.
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Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
Metered Paywall: Diese stellt eine Kombination auf Hard und Soft Paywall dar. Es wird ein bestimmtes Kontingent an z. B. Artikeln auf einer Website kostenlos zur Verfügung gestellt. Dabei kann der Nutzer bspw. fünf Artikel seiner Wahl kostenlos pro Monat lesen. Wenn dieses Kontingent aufgebraucht ist, muss der Nutzer im Sinne einer Premium-Version weiteres Kontingent kaufen. Donation Model: Einige z. B. Artikel auf einer Website basieren auf freiwilliger Zahlung. Der Nutzer kann entscheiden, ob und wie viel der für den Online Content bezahlen möchte (bspw. Wikipedia).
4 Methoden der Preisfindung Nach der Festlegung einer Preisstrategie muss der konkrete Preis für ein Produkt festgelegt werden. Hierzu existieren verschiedene Methoden. In der Vergangenheit wurde insbesondere die kostenorientierte Preisfindung verwendet. Zwar können die Kosten als erste Orientierung und zur Preisuntergrenzenbestimmung zielführend sein, ein Gewinnaufschlag auf die Stückkosten vernachlässigt jedoch das Nachfragerverhalten und die Wettbewerbssituation. Beides ist aus Sicht des Market Based View essentiell und durch die Erfassung von Preisbereitschaften und die näherungsweise Ableitung von Preis-Absatz-Funktionen in die Preisfindung einzubeziehen. Im Folgenden wird deswegen zunächst die kostenorientierte, dann die wettbewerbs- und nachfrageorientierte Preisfindung sowie abschließend die empirische Ermittlung von Preisbereitschaften erläutert.
4.1
Kostenorientierte Preisfindung
Die Kostentheorie liefert Erklärungsmodelle über Kostenfunktionen. Bei analytischer Betrachtung beschränken sich die Aussagen meistens auf den Beschäftigungs- bzw. Kapazitätsnutzungsgrad, wobei dieser in Produkteinheiten (x) gemessen wird: K D f.x/:
(10)
Wichtig für preispolitische Entscheidungen ist die Trennung zwischen variablen und fixen Kosten. Variable Kosten sind solche Kosten, die von der Ausbringungsmenge abhängig sind. Fixe Kosten sind solche, die zumindest innerhalb bestimmter Intervalle von der Ausbringung unabhängig sind. Es handelt sich dabei um kurzfristige Kostenfunktionen bei gegebener Betriebsgröße. Zwischen Kosten und Absatzpreis besteht unter marktwirtschaftlichen Bedingungen kein direkter Zusammenhang, wenn man von der kostenbezogenen Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen absieht. Trotzdem gehen zahlreiche Unternehmen bei der Preisbestimmung nahezu ausschließlich vom Datenmaterial der Kostenrechnung aus, indem sie die Verkaufspreise mittels der sog. Kosten-plus-Preisbildung durch einen Aufschlag auf
4
Methoden der Preisfindung
543
die vorkalkulierten Stückkosten bestimmen. p D vorkalkulierte Stückkosten .1 C Gewinnzuschlag/
(11)
Dabei dienen entweder die gesamten oder nur die variablen Stückkosten als Aufschlagsbasis. Werden die Absatzpreise anhand vorkalkulierter Vollkosten festgelegt, so sind damit erhebliche Probleme verbunden: Da die in der Vollkostenbasis enthaltenen Fixkosten nicht nach dem Verursachungsprinzip, sondern mittels eines mehr oder weniger willkürlichen Verteilungsschlüssels auf die Kostenträger verteilt werden, ist die Aufschlagsbasis durch subjektive Kostenverteilungen beeinflussbar. Die Vollkosten werden umso mehr zu einer problematischen Grundlage der Preisbestimmung, wenn in die Fixkostenschlüsselung Kostentragfähigkeitsüberlegungen eingehen. Die Kosten-plus-Preisbildung führt zu einem prozyklischen Verhalten der Anbieter im Konjunkturverlauf, da sich die Fixkostenbelastung der Erzeugnisse bei rückläufiger Beschäftigungslage erhöht. Dadurch werden in der Rezession zu hohe und im Boom zu niedrige Absatzpreise festgelegt. Die prozyklische Wirkung der Vollkostenkalkulation kann durch die Kostenschlüsselung auf Basis der Normalbeschäftigung vermieden werden. Ein antizyklisches Verhalten ist jedoch durch die kostenorientierte Preisbestimmung nicht realisierbar. Oftmals sind Unternehmen mit ihrem Absatzprogramm sowohl in Märkten mit günstigen als auch mit ungünstigen Wettbewerbsbedingungen tätig. Werden in einer derartigen Unternehmenssituation die Absatzpreise rein schematisch aus den vorkalkulierten Vollkosten abgeleitet, so geht die Möglichkeit des kalkulatorischen Ausgleiches verloren. In Märkten mit günstigen Wettbewerbsbedingungen wird auf realisierbare Gewinnchancen verzichtet, während sich das Unternehmen in Märkten mit ungünstigen Wettbewerbsbedingungen oftmals völlig aus dem Markt kalkuliert. Um einen an den Vollkosten orientierten Absatzpreis festlegen zu können, müssen die für die Bestimmung der stückbezogenen Fixkostenbelastung notwendigen Absatzmengen prognostiziert werden. Da andererseits die realisierte Absatzmenge letztlich auch vom Absatzpreis abhängt, können die prognostizierte und die realisierte Absatzmenge erheblich voneinander abweichen (Zirkelschluss). Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Preiskalkulation auf Vollkostenbasis nicht als geeignete Grundlage preispolitischer Entscheidungen dienen kann. Als Alternative bietet sich die Kalkulation auf der Basis von Grenzkosten oder relativen Einzelkosten an. p D vorkalkulierte variable Kosten .1 C DB Zuschlag/
(12)
Gegenüber der Kalkulation auf Vollkostenbasis haben die variablen Kosten als Basis der Verkaufspreisbestimmung einige Vorteile. Zum einen lassen sie sich nach dem Verursachungsprinzip ohne willkürliche Kostenschlüsselung ermitteln. Darüber hinaus sind sie
544
6
Marketing-Mix: Preispolitische Entscheidungen
von Konjunktureinflüssen und anderen Beschäftigungsschwankungen unabhängig. Letztlich bleiben die Flexibilität des kalkulatorischen Ausgleiches und damit eine bewegliche Preispolitik erhalten. Gleichzeitig ist mit der Anwendung der Preiskalkulation auf Grenzkostenbasis jedoch die Gefahr verbunden, dass die Notwendigkeit der Fixkostenabdeckung in nicht ausreichendem Maße beachtet wird und deshalb ruinöse Preissenkungen ausgelöst werden. Diese Gefahr lässt sich dadurch vermeiden, dass den Produkten und Produktgruppen neben den proportionalen Selbstkosten Solldeckungsbeiträge zugeordnet werden, die auf den Deckungsbedarf abgestimmt sind und der Marktstellung der Produkte entsprechen. Die Solldeckungsbeiträge werden damit zum Bindeglied zwischen kosten- und nachfrageorientierter Preisbestimmung. Besondere Bedeutung im Rahmen der kostenorientierten Preisbestimmung hat die Ermittlung von Preisuntergrenzen erlangt. Die Festlegung von Preisuntergrenzen hängt dabei ausschließlich von der Kostenstruktur und von den Nachfragestrukturen ab. Für die Ermittlung von Preisuntergrenzen wird auf Ergebnisse der Kostenrechnung und der Investitionsrechnung zurückgegriffen. Je nach Betrachtungszeitraum kann zwischen langfristigen und kurzfristigen Preisuntergrenzen unterschieden werden. Da langfristige Entscheidungen nicht auf der Basis der Kosten-, sondern der Investitionsrechnung zu treffen sind, müssen die Preise, die als langfristige Preisuntergrenze ermittelt werden, dazu führen, dass der Kapitalwert der dem betrachteten Produkt zuzuordnenden Ein- und Auszahlungen gleich Null ist. In marktwirtschaftlichen Systemen hat ein Unternehmen auf Dauer nur dann eine Existenzberechtigung, wenn die am Markt erzielbaren Preise die gesamten Kosten des Unternehmens decken. Wird eine Vollkostendeckung nicht bei jedem Umsatzakt erzielt, so müssen in Kauf genommene Teilkostendeckungen auf lange Sicht durch anderweitige oder zu anderer Zeit erzielte Erlöse ausgeglichen werden. Bei der kurzfristigen Preisuntergrenze wird davon ausgegangen, dass es für Unternehmen bei gegebener Kapazität in absatzpolitisch schwierigen Situationen zweckmäßig sein kann, nicht an den vollen Stückkosten festzuhalten (Teilkostendeckung). Dies ist vor allem dann vorteilhaft, wenn eine hohe Preiselastizität der Nachfrage vorliegt. Eine Teilkostendeckung erscheint betriebswirtschaftlich gerechtfertigt, wenn der erzielbare Preis kurzfristig wenigstens die Kosten, die durch eine Stilllegung der Produktion vermieden werden können (variable Kosten), deckt. Die Begründung dafür resultiert aus folgender Überlegung: Die fixen Kosten belasten das Betriebsergebnis in jedem Fall, gleichgültig, ob produziert wird oder nicht. Deshalb wird i. d. R. die Produktion so lange aufrechterhalten, wie der Umsatz mindestens die variablen Kosten deckt. Die Produktion ist somit „relativ“ gewinnbringend, weil sie bei p > kv zur Deckung der fixen Kosten beiträgt. Die kurzfristige Preisuntergrenze wird somit vom kostenorientierten Standpunkt aus durch die variablen (D vermeidbaren) Kosten bestimmt. Zwischen der kostenorientierten und der nachfrageorientierten Preisfindung ist das Target Costing anzusiedeln. Ziel dieses Verfahrens ist es, die Kosten der Leistungserstellung so an den Marktbedingungen auszurichten, dass die Wettbewerbsfähigkeit erhalten
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Methoden der Preisfindung
545
oder ausgebaut werden kann (vgl. Ewert und Wagenhofer 2014, S. 270 ff.). Im Gegensatz zur Kosten-Plus-Rechnung beginnt der Prozess des Target Costings bei den am Markt realisierbaren Preisen (Nachfrageorientierung), um anschließend Preisobergrenzen für die Leistungserstellung (Kostenorientierung) festzulegen. Aus Sicht der Preisfindung stellt das Target Costing somit ein integriertes Vorgehen zwischen kosten- und nachfragerorientierter Preisfindung dar (vgl. Abb. 17). Wie Abb. 16 zeigt, wird ausgehend von einem erstellten Produktkonzept die Preisbereitschaft der Nachfrager gemessen. Dabei kann z. B. auf das Verfahren der ConjointAnalyse zurückgegriffen werden. Der so ermittelte Wert wird als geplanter Absatzpreis festgelegt. Abzüglich einer gewünschten Rendite (Zielrendite) ergibt dies die sog. zulässigen Kosten, die bei der Produktherstellung höchstens anfallen dürfen (allowable costs). Gleichzeitig werden die erwarteten Kosten für die Herstellung auf Basis der bestehenden Produktionsstandards geschätzt (drifting costs). Diese beiden Größen werden anschließend miteinander verglichen. Weichen sie voneinander ab, müssen entweder Maßnahmen zur Kostensenkung erarbeitet werden (geschätzte Kosten > zulässige Kosten) oder es besteht ein größerer Spielraum für die gewünschte Rendite (zulässige Kosten > geschätzte Kosten). Liegen hingegen zulässige und geschätzte Kosten auf einem Niveau, wird dieser Wert als Zielkosten (target costs) festgelegt. Auf diese Art ermittelte Zielkosten determinieren ein Produktkonzept, das für den Nachfrager relevante Merkmale enthält und gleichzeitig zu Kosten hergestellt wird, die unter den vorherrschenden Marktbedingungen höchstens anfallen dürfen (vgl. Coenenberg et al. 2016, S. 567 ff.).
Geplanter Absatzpreis
–
Zielrendite
Produktprofil (Funktionsgewichtung durch Kunden)
Zielkosten „target costs“
=
Zulässige Kosten „allowable costs“
Kostenspaltung
ja
„drifting costs“ 1 steigt der eigene Marktanteil, ist e < 1 sinkt er Das heißt wenn in gesättigten Märkten das Verhältnis von eigenen Werbeausgaben zu eigenem Umsatz größer ist als das der Konkurrenz, steigt der eigene Marktanteil; ist dieses kleiner, sinkt er
Einproduktbetrachtung, monoperiodisch, ausschließlich Werbemaßnahmen Annahme: Eigener Marktanteil ist abhängig von den eigenen Werbeausgaben und denen der Konkurrenz Ausgedrückt wird dies in Konkurrenzänderungsrate e, die das Verhältnis von eigenen Werbeausgaben Wu zu eigenem Umsatz Uu in Relation zum Verhältnis der Werbeausgaben Wk und Umsatz Uk der Konkurrenz setzt: Wu Wk eD W Uu Uk Kein Optimierungsmodell, sondern Bestimmung der benötigten Werbeausgaben zur Erreichung eines anvisierten Marktanteiles
Kernaussage
Eigenschaften
Tab. 3 Kurzbeschreibung wirkungsgestützter Budgetierungsverfahren
644 8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Vidale/WolfeMethode (vgl. Vidale und Wolfe 1957, S. 371 ff.)
Umsatz
Modell/Methode Zielgröße (vgl. Meffert et al. 2014, S. 580 ff.) WerbeanteilAbsatz MarktanteilMethode (vgl. Landwehr 1988, S. 153)
Tab. 3 (Fortsetzung)
Der eigene Absatz steigt, wenn der eigene Anteil an den Gesamtmediaausgaben (share of voice) größer ist als der eigene Marktanteil Mittelfristig gleichen sich Share of Voice und Marktanteil an
Einproduktbetrachtung, multiperiodisch, ausschließlich Werbemaßnahmen Annahmen: 1. Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Marktanteil und Werbeausgaben 2. Eine Veränderung des Marktanteiles in der aktuellen Periode steht in positivem Zusammenhang mit den Veränderungen der Werbeausgaben in der Vorperiode Einproduktbetrachtung, multiperiodisch, ausschließlich Werbemaßnahmen
Je wirksamer die Werbung ist, desto geringer kann das Budget sein, um den Umsatz konstant zu halten Je weiter entfernt vom Sättigungsniveau und je wirksamer die Werbung, umso stärker der positive Einfluss der Werbeausgaben auf den Umsatz
Untersucht wird der Einfluss des Werbebudgets je Periode auf die langfristige Umsatzentwicklung Annahmen: 1. Ohne jegliche Werbung sinkt der Umsatz 2. Es gibt ein Sättigungsniveau, über das hinaus keine Umsatzsteigerung möglich ist
Je näher der Umsatz am Sättigungsniveau, desto höher müssen die Werbeausgaben sein, um den Umsatz konstant zu halten
Kernaussage
Eigenschaften
3 Festlegung des Kommunikationsbudgets 645
Modell/Methode Zielgröße (vgl. Meffert et al. 2014, S. 580 ff.) Marginal-analytisches Gewinn Standardmodell (vgl. Meffert und Freter 1974, S. 53 f.)
Tab. 3 (Fortsetzung)
Da Preis und Preis-Absatz-Funktion gegeben sind, lässt sich die gewinnoptimale Menge über die Maximierung der Gewinnfunktion in Abhängigkeit vom Absatz x bestimmen Die Gewinnfunktion besteht aus der Differenz von Umsatzfunktion U(x) D p(x) x und Kostenfunktion K(x) : G(x) D U(x) K(x)
Einproduktbetrachtung, monoperiodisch, ausschließlich Werbemaßnahmen
Annahmen: 1. Preis ist gegeben (Polypol) 2. Werbemaßnahmen haben keinen Einfluss auf die Preis-Absatz-Funktion
Daraus ergibt sich, dass sich die gewinnmaximale Menge an dem Punkt befindet, wo sich Grenzkosten und Grenzerlöse entsprechen, d. h. eine zusätzlich verkaufte Einheit also keinen Gewinn mehr erzielt
Die Maximierung erfolgt über die erste Ableitung: G0 (x) D U0 (x) K0 (x)
Kernaussage
Eigenschaften
646 8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Modell/Methode Zielgröße (vgl. Meffert et al. 2014, S. 580 ff.) Marktanteil ADBUDG-Modell (vgl. Little 1970, S. B466 ff., 2004, S. 1841 ff.; Krautter 1973, S. 111 ff.)
Tab. 3 (Fortsetzung)
Der Marktanteil ist abhängig von den Werbeausgaben Der Grad der Abhängigkeit ergibt sich durch die zugrunde liegende Werbewirkungsfunktion
Einproduktbetrachtung, monoperiodisch, ausschließlich Werbemaßnahmen Computergestütztes Prognosemodell, das den zu erwartenden Marktanteil in Abhängigkeit vom Werbeaufwand berechnet Vier vom Management zu schätzende Größen fließen ein: 1. Marktanteil, der ohne jegliche Werbeaufwendung am Ende der Periode erreicht würde 2. Maximaler Marktanteil, der durch keine Budgetsteigerung mehr übertroffen werden kann (Sättigungsniveau) 3. Werbeaufwand, der zum Erhalt des bestehenden Marktanteiles notwendig ist 4. Marktanteil, der durch eine 50 %-ige Erhöhung des bestehenden Werbebudgets erreicht würde
Kernaussage
Eigenschaften
3 Festlegung des Kommunikationsbudgets 647
648
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Ausrichtung an den verfügbaren finanziellen Mitteln (all-you-can-afford-method) Die Bestimmung des Etats erfolgt auf Basis der verfügbaren finanziellen Mittel, die über einen geforderten Mindestgewinn hinausgehen. Ausrichtung an den Werbeaufwendungen der Konkurrenz (competitive-parity-method) Für die Ermittlung des Budgets werden entweder die Ausgaben eines vergleichbaren Konkurrenzunternehmens oder durchschnittliche, branchenübliche Vergangenheitswerte berücksichtigt. Dieses Vorgehen lässt sich mit der Annahme begründen, dass ein Unternehmen mindestens so viel Werbung betreiben muss wie die Konkurrenz, um den aktuellen Marktanteil zu halten. Eine kritische Betrachtung dieser Methoden findet sich in Tab. 4. Insgesamt ist festzuhalten, dass diese Methoden einfach anzuwenden sind, aber aufgrund mangelnder sachlogischer Verknüpfung die Gefahr der Fehlallokation bergen (vgl. Rahders 1989, S. 15 ff.). Ein weiteres nicht-wirkungsgestütztes Budgetierungsverfahren ist die Ziel- und Aufgabenmethode. Dabei wird das Budget retrograd aus der kostenmäßigen Bewertung der geplanten kommunikativen Aktivitäten, die zur Zielerreichung notwendig scheinen, bestimmt. Der Planungsprozess beginnt mit der operationalen Zielformulierung, führt zur Entwicklung der zielorientierten Kommunikationsmaßnahmen und schließlich zur Schätzung der hierfür notwendigen Kosten. Die Summe der einzelnen Budgets bestimmt dann die Höhe des Gesamtbudgets. Bei Überschreiten der Budgethöchstgrenze wird eine Ziel-
Tab. 4 Bewertung der Planungskennziffernmethoden Bewertung Methode
Percentage-ofsales-method
Percentage-ofprofit-method All-you-canafford-method
Competitiveparity-method
Vorteile + Geringer Datenaufwand Einfache Handhabung der Modelle Rasches Gewinnen der Ergebnisse
Nachteile Fehlende methodische Orientierung bei der Bestimmung der Prozentsätze Gefahr prozyklischer KommunikationsAktivitäten Zirkelschluss: Umsatz hängt von der Höhe der Kommunikationsausgaben ab und nicht umgekehrt Fehlende methodische Orientierung bei der Bestimmung der Prozentsätze Gefahr prozyklischer Kommunikations-Aktivitäten Fehlender sachlogischer Zusammenhang zwischen Budget und Gewinn/finanziellen Mitteln Fehlende methodische Orientierung bei der Bestimmung der Prozentsätze Verschiedenheit der Situation erschwert eindeutige Adaption
3
Festlegung des Kommunikationsbudgets
649
anpassung im Zuge eines Feedback-Prozesses erforderlich. Dieser Prozess wird beispielhaft in Abb. 6 dargestellt. Die Ziel- und Aufgabenmethode zeichnet sich durch ihre Einfachheit und hohe Benutzerakzeptanz aus. Im Gegensatz zu den Planungskennziffermethoden stehen Zielgrößen und Kommunikationsmaßnahmen in logischer Beziehung zueinander. Ferner lassen sich eine Vielzahl unternehmensinterner (z. B. finanzielle Mittel) und -externer (z. B. Konkurrenzverhalten) Einflussfaktoren im Planungsprozess berücksichtigen. Diesen Vorteilen steht jedoch ein erheblicher Planungsaufwand gegenüber. Darüber hinaus unternimmt die Ziel- und Aufgabenmethode keine Prüfung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses von Zielerreichungsgraden. Somit wird nicht betrachtet, ob einer Erhöhung des Budgets ei-
Ausgangssituation: Relaunch der Spirituosen-Marke „Old but good“ Ziel: „Steigerung der gestützten Markenbekanntheit in der Zielgruppe X von 50 % auf 60 % innerhalb der nächsten 3 Monate“ Ergebnisse der Marktforschung ergeben eine Größe der Zielgruppe X in Deutschland von 13,7 Mio. Personen und Ø 10 Botschaftskontakten einer Zielperson, um den angestrebten Bekanntheitsgrad zu erreichen. D. h. mit den geplanten Maßnahmen müssen 137 Mio. Kontakte in der Zielgruppe erreicht werden. Folgende Kommunikationsinstrumente und -maßnahmen sind geplant. Ausgehend von einer Reichweite (RW)* und einem Tausenderkontaktpreis (TKP)** ergeben sich voraussichtlich die nachstehend aufgeführten Kosten:
Instrument/Maßnahme Instrument/Maßnahme
RW (Kontaktsumme) (Kontaktsumme)
Kontaktpreis für Kontaktpreis für 1000 1000Personen Personen
Gesamtkosten Gesamtkosten
Klassische Werbung
b)
TV-Spots
55 Mio.
17,10 €
940.500 €
Zeitschriftenanzeigen
30 Mio.
10,11 €
303.300 €
Hörfunk-Spots
35 Mio.
3,47 €
121.450 €
12 Mio.
3,80 €
45.600 €
5 Mio.
0,15 €
750 €
Sponsoring Trikotsponsoring Direktkommunikation E-Mail-Newsletter Gesamt
137 Mio.
1,412 Mio. €
* RW: Gesamtzahl der Kontakte, die in der Zielgruppe erreicht werden ** TKP: Kosten, um bei 1000 Zielpersonen einen Kontakt zu erzielen (vgl. Abschnitt 4.6.2.4)
Überprüfung geplantes Budget (Bp) mit Budgethöchstgrenze (B max): a) Bp < Bmax Durchführen der geplanten Maßnahmen b) Bp > B max Zielanpassung oder Änderung der geplanten Maßnahmen a) Durchführung der geplanten Maßnahmen
Abb. 6 Beispielhafte Ausgestaltung der Ziel- und Aufgabenmethode
650
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
ne angemessene Gewinnerhöhung gegenübersteht (vgl. Rogge 2004, S. 151). Trotz der erwähnten Nachteile findet die Ziel- und Aufgabenmethode aufgrund ihrer anwendungsorientierten Ausrichtung in der Praxis weite Verbreitung.
4 Verteilung des Kommunikationsbudgets Die Verteilung des Kommunikationsbudgets lässt sich in die Aufgabenbereiche der sachlichen, zeitlichen und geographischen Budgetallokation unterteilen. Die sachliche Budgetallokation erfolgt zweistufig. Im ersten Schritt wird das Budget auf die Kommunikationsinstrumente aufgeteilt.
I Kommunikationsinstrument Kommunikationsinstrumente sind das Ergeb-
nis einer gedanklichen Bündelung von Kommunikationsmaßnahmen nach ihrer Ähnlichkeit (vgl. Bruhn 2015, S. 6).
Im zweiten Schritt findet die Auswahl und Budgetierung von Werbeträgern und -mitteln statt (Mediaplanung) (vgl. Abschn. 5). Unter einem Werbeträger versteht man das Medium, welches im wörtlichen Sinne die Botschaft „trägt“, z. B. eine Fernseh-/Radiosendung, Zeitschrift oder Litfaßsäule. Hingegen wird mit Werbemittel das konkrete Auftreten der Kommunikationsbotschaft beschrieben, bspw. einzelne Werbespots, Zeitungsanzeigen, Newsletter oder Außenplakate. Dabei besteht eine enge Verbindung und gegenseitige Abhängigkeit zur Gestaltung der Botschaft. Zum Beispiel legt eine sehr informativsachlich ausgerichtete Botschaft die Nutzung von Kommunikationsinstrumenten wie Radio, Tageszeitungen oder Internet nahe, wohingegen eine emotionale Botschaft besser über das Fernsehen oder soziale Medien transportiert wird. Bei der zeitlichen Budgetallokation steht die Frage im Mittelpunkt, wann und in welchen zeitlichen Abständen die Instrumente eingesetzt werden, um die bestmögliche Wirkung zu erzielen. Die geographische Budgetallokation hingegen behandelt die Aufteilung des Mediabudgets auf verschiedene regionale Werbeträger in Abhängigkeit von Zielen und Zielgruppen. Die Wahl der Kommunikationsinstrumente orientiert sich an der verfolgten Kommunikationsstrategie. Dabei lassen sich verschiedene Kriterien zur Bewertung der Instrumenteeignung heranziehen (vgl. Bruhn 2015, S. 311 ff.): Zielsetzungen: Es wird bewertet, wie geeignet das Instrument ist, um die verschiedenen Kommunikationsziele zu erreichen. Reichweite: Es erfolgt eine qualitative Bewertung, wie viele Personen mithilfe eines Kommunikationsinstrumentes erreicht werden können.
4
Verteilung des Kommunikationsbudgets
651
Zeitliche Einsatzmöglichkeiten: Es wird bewertet, wie aktuell das Instrument eingesetzt werden kann und wie hoch die zeitliche Flexibilität für mögliche Umbuchungen ist. Auch die zeitliche Konstanz wird bewertet, d. h. ob das Instrument über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden kann. Gestalterische Möglichkeiten: Es wird bewertet, welche Möglichkeiten das Instrument zur Darstellung der Botschaft und Ansprache verschiedener Sinnesorgane bietet, z. B. Farbe, Text, Ton oder Filme. Beeinflussbarkeit der Kommunikationssituation: Damit die gesendete Botschaft vom Nachfrager auch in der gewünschten Form aufgenommen und verarbeitet wird, ist ein direkter Einfluss auf den Nachfrager zweckmäßig. Feedbackmöglichkeiten: Es wird bewertet, wie gut der Nachfrager auf die vom Unternehmen gesendete Botschaft reagieren kann (Interaktionspotenzial). Kosten: Es wird bewertet, wie hoch die Kosten für den Einsatz des Instrumentes sind. Grundsätzlich stehen Unternehmen eine Vielzahl von Kommunikationsinstrumenten zur Verfügung – angefangen bei klassischer Werbung (z. B. Printwerbung) über digitale Instrumente der Kommunikation (z. B. Display-Werbung) bis hin zum Sponsoring. Gerade der Bereich der digitalen Kommunikation ist durch eine fortlaufende Neu- und Weiterentwicklung von Kommunikationsinstrumenten gekennzeichnet. Eine Übersicht über die aktuelle durchschnittliche Budgetverteilung auf die verschiedenen Instrumente in der deutschen Wirtschaft gibt Abb. 7.
Klassische Werbung (ohne Online-Werbung)
28,9%
Live-Kommunikation, intergrierte Markenerlebnisse
23,8%
Online-Kommunikation
20,0%
Public Relations
9,6%
"Below-the-Line"-Maßnahmen
9,2%
Sponsoring
0,00%
8,5%
5,00%
10,00%
15,00%
20,00%
25,00%
30,00%
35,00%
Abb. 7 Budgetverteilung auf die verschiedenen Kommunikationsinstrumente in Deutschland (Quelle: In Anlehnung an Famab Research 2016, S. 12)
652
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Wenngleich für klassische Werbung noch immer die meisten Ausgaben getätigt werden, so ist dennoch anzumerken, dass Budgets zunehmend in Richtung digitaler Kommunikationsinstrumente verschoben werden. Im Rahmen der Auswahl und Steuerung von Kommunikationsinstrumenten wird eine instrumentenübergreifende Perspektive zunehmend wichtiger. Die Gründe ergeben sich aus der wachsenden Anzahl an Kommunikationsinstrumenten. Zum einen erhöht sich dadurch das Risiko widersprüchlicher Kommunikationsbotschaften, was die Maßnahmen in ihrer Glaubwürdigkeit einschränken könnte (vgl. Homburg 2016, S. 789). Zum anderen steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Nachfrager entlang ihrer Customer Journey mit mehreren Instrumenten in Kontakt kommen (vgl. Abschn. 1.4.2 in Kap. 2), die sich gegenseitig beeinflussen können (z. B. klickt ein Nachfrager nur auf eine Suchmaschinenwerbeanzeige eines Unternehmens, weil er vorher einen positiven Zeitungsartikel über das Unternehmen gelesen hat). Derartige Herausforderungen machen eine sog. integrierte Kommunikation erforderlich, wonach die einzelnen Kommunikationsinstrumente formal (z. B. einheitliches Erscheinungsbild), zeitlich (z. B. unterschiedliche Instrumente je nach Phase in der Customer Journey) und inhaltlich (z. B. konsistente Botschaft) aufeinander abzustimmen sind (vgl. Bruhn 2015, S. 99). Eng verbunden damit ist auch die Herausforderung, die einzelnen Instrumente hinsichtlich ihres Erfolgsbeitrages zu bewerten, z. B. wie viel Suchmaschinenwerbung zu einem Kaufabschluss beigetragen hat (vgl. Greve 2016, S. 17). In diesem Zusammenhang bieten verschiedene Attributionsmodelle Lösungsansätze, um den Erfolgsbeitrag einzelner Kanäle zu messen (siehe Abschn. 5.2.4). Die zahlreichen, z. T. sehr unterschiedlichen Kommunikationsinstrumente lassen sich bestimmten Kategorien zuordnen. In die Kategorie der klassischen Werbung fallen Print-, Radio- und Fernsehwerbung. Im Zuge der Digitalisierung entstanden digitale Kommunikationsinstrumente wie Display-Werbung, Suchmaschinenmarketing, Websites und Social-Media-Instrumente. Angesichts der großen Zahl und Vielfalt digitaler Kommunikationsinstrumente bietet es sich ferner an, diese Kategorie zusätzlich in Online-Kommunikation, Social-Media-Kommunikation und mobile Kommunikation zu unterteilen. Alle übrigen Kommunikationsinstrumente weisen keine größeren Gemeinsamkeiten auf und sind daher einzeln zu betrachten (Direktkommunikation, Public Relations, Verkaufsförderung, Messen und Ausstellungen, Event-Marketing, Sponsoring, Product-Placement, In-Game-Advertising und Guerilla-Marketing). Um herauszustellen, dass sich die Kontrollmöglichkeiten der einzelnen Kommunikationsinstrumente teilweise stark voneinander unterscheiden, können diese nach dem zugrunde liegenden Werbeträger unterteilt werden. In der Literatur werden gemäß dieser Klassifikation drei Typen von Werbeträgern unterschieden: Paid Media, Owned Media und Earned Media (vgl. Stephen und Galak 2012, S. 625; Schulz und Grimm 2015, S. 39; Lovett und Staelin 2016, S. 142; Srinivasan et al. 2016, S. 440) (siehe auch Tab. 5).
4
Verteilung des Kommunikationsbudgets
653
Tab. 5 Kategorisierung verschiedener Kommunikationsinstrumente (Quelle: In Anlehnung an Stephen und Galak 2012, S. 625)
Paid
Nicht digitale Kommunikationsinstrumente Klassische Werbung (TV, Radio, Print, Outdoor) Sponsorship Direktwerbung
Owned
In-Store-Werbung am Point of Sale Broschüren Kundenzeitschriften Presseveröffentlichungen
Earned
Presseberichte Persönliche Mundpropaganda Produktdemonstrationen
Digitale Kommunikationsinstrumente Display-Werbung auf externen Websites oder in mobilen Apps Search Engine Advertising (SEA) Werbung in sozialen Medien Partnernetzwerke in Form von Affiliate-Marketing Website des Unternehmens Unternehmenseigene Profile in sozialen Medien (z. B. Facebook, Twitter) Unternehmenseigener Blog Mobile Apps Direktwerbung per E-Mail (Direct Mail) Berichte in externen Blogs Posts in Social Media Online-Rezensionen
Paid-Media-Instrumente sind Kommunikationsinstrumente, die auf kostenpflichtige, durch externe Anbieter gesteuerte Werbeträger zugreifen. Unternehmen beauftragen diese Anbieter gegen Entgelt, das Kommunikationsinstrument über den entsprechenden Werbeträger einzusetzen (vgl. Baetzgen und Tropp 2015, S. 137). Typische Beispiele sind vor allem der Gruppe der klassischen Werbung zuzuordnen, wie etwa Print-, Radio- oder Fernsehwerbung. Aber auch verschiedene digitale Kommunikationsinstrumente, wie z. B. Suchmaschinenwerbung oder Werbung in sozialen Netzwerken, fallen in den Bereich Paid Media. Wenngleich die Werbeträger selbst durch ihre Anbieter gesteuert werden, so liegt die Kontrolle über die Kommunikationsmaßnahmen, insbesondere bezüglich der kommunizierten Inhalte, größtenteils bei den beauftragenden Unternehmen. Demgegenüber steht jedoch das Problem, dass Nachfrager bezahlten Inhalten zunehmend skeptisch gegenüberstehen, was insgesamt zu einer geringen Glaubwürdigkeit von PaidMedia-Instrumenten führt (vgl. Eck und Eichmeier 2014, S. 199; Ward 2015, S. 92 f.). Ansonsten lässt sich über Paid Media i. d. R. eine hohe Reichweite erzielen, d. h. es werden viele Werbekontakte generiert (vgl. Abschn. 5.2.4). Unter Owned-Media-Instrumenten werden Kommunikationsinstrumente verstanden, die auf durch Unternehmen unmittelbar gesteuerte Werbeträger zugreifen. Hierzu gehören vor allem unternehmenseigene Websites, aber auch Kundenzeitschriften, Corporate Blogs sowie unternehmenseigene Profile in Social Media (vgl. Schulz und Grimm 2015, S. 39). Durch die unmittelbare Steuerung der Werbeträger seitens der Unternehmen haben diese nahezu vollständige Kontrolle über die durchgeführten Maßnahmen (vgl. Stephen und Galak 2012, S. 625). Daraus ergibt sich aber auch unter Umständen, dass Nachfrager die kommunizierten Inhalte als unglaubwürdig wahrnehmen, da sie i. d. R. eindeutig
654
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
als unmittelbare Botschaft des Unternehmens erkennbar sind (vgl. Nielsen 2015, S. 4). Für den Einsatz von Owned-Media-Instrumenten fallen im Vergleich zu Paid-Media-Instrumenten meist geringere Kosten an, allerdings geht dies auch mit einer niedrigeren Reichweite einher (vgl. Ward 2015, S. 91). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Betreuung eigener Werbeträger zusätzliche personelle Ressourcen im Unternehmen bindet. Die dritte Kategorie bilden die Earned-Media-Instrumente. Kommunikationsinstrumente dieser Art treten im Zusammenhang mit unabhängigen Werbeträgern auf, die weder kostenpflichtig gebucht (Paid Media) noch unmittelbar durch Unternehmen gesteuert werden können (Owned Media). So werden unternehmensbezogene Inhalte i. d. R. von externen Akteuren (z. B. Nachfrager, Journalisten und Blogger) ohne direkten Auftrag durch Unternehmen generiert und verbreitet. Zu den klassischen Beispielen zählen redaktionelle Berichterstattungen in TV, Radio oder Print (Baxendale et al. 2015, S. 235). Darüber hinaus sind aber auch sämtliche Erscheinungsformen von Mundpropaganda (Wordof-Mouth) als Beispiele von Earned-Media-Instrumenten anzusehen, angefangen bei persönlicher Kommunikation über Beiträge in sozialen Netzwerken bis hin zu Online-Rezensionen auf Bewertungsportalen (vgl. Baetzgen und Tropp 2015, S. 137) (siehe auch Abschn. 4.3.2). Earned-Media-Instrumente sind vor allem deshalb wichtig für Unternehmen, da diese eine hohe Glaubwürdigkeit unter den Nachfragern genießen (vgl. Nielsen 2015, S. 11) und somit die Kaufentscheidung maßgeblich beeinflussen können (vgl. Leeflang et al. 2014, S. 2). Auch die Reichweite kann hoch ausfallen, da gerade von Nutzern generierte Inhalte (sog. User Generated Content) (siehe auch Abschn. 4.3.2) oftmals schnell im Internet verbreitet werden (vgl. Nielsen 2015, S. 4). Im Rahmen von Earned Media haben Unternehmen nahezu keine Kontrolle über die Kommunikationsmaßnahmen (vgl. Baetzgen und Tropp 2015, S. 132). Vielmehr sind es die externen Akteure, die entscheiden, ob und in welcher Weise (z. B. ob positiv oder negativ) über ein Unternehmen berichtet wird. Eingeschränkte Kontrollmöglichkeiten haben Unternehmen, indem sie die unternehmensbezogenen Inhalten konsequent überwachen sowie bei negativen Botschaften gezielte Reaktionsstrategien entwickeln (vgl. Nee 2016, S. 166 ff.). Wenngleich sich die Mehrheit der Kommunikationsinstrumente eindeutig einem der drei genannten Typen zuordnen lässt, so treten in der Praxis dennoch vereinzelte Mischformen auf. Zum Beispiel kann ein Blogger von einem Unternehmen gegen Bezahlung beauftragt werden, über seine Erfahrungen mit einem bestimmten Produkt dieses Unternehmens zu berichten. In dem Fall handelt es sich um eine Mischform aus Paid und Earned Media (vgl. Opresnik und Yilmaz 2016, S. 25 f.). Weiterhin lassen sich Kommunikationsinstrumente in „above the line“ und „below the line“ einteilen. Klassische Werbemaßnahmen wie Zeitungs-, Fernseh-, Radio-, Kino- oder Out-of-Home-Werbung gehören zu den „above the line“-Maßnahmen. Alle anderen, neuen Kommunikationsinstrumente werden als „below the line“ bezeichnet.
4
Verteilung des Kommunikationsbudgets
4.1
655
Klassische Werbung
Die klassische Werbung ist nach wie vor aus Budgetierungssicht das bedeutsamste Kommunikationsinstrument (vgl. Abschn. 4 und Abb. 7). Das liegt unter anderem an der großen Reichweite und den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten. I Klassische Werbung Unter klassischer Werbung wird ein kommunikativer
Beeinflussungsprozess mithilfe von Massenkommunikationsmitteln in verschiedenen Medien im Umfeld öffentlicher Kommunikation gegen ein leistungsbezogenes Entgelt verstanden, der das Ziel hat, beim Adressaten marktrelevante Einstellungen und Verhaltensweisen im Sinne der Unternehmensziele zu verändern (vgl. Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 132 f.; Bruhn 2015, S. 373).
Die jährlichen Investitionen für die klassische Werbung in Deutschland liegen in der langjährigen Betrachtung zwischen 25 und 26 Mrd. C (vgl. Abb. 8). Unter den verschiedenen Werbeträgern sind TV und Radio trotz der Entwicklung des Internets die vom
[Mrd. €] 35
30 25,07
25,25
25,27
25,45
25,96
2012
2013
2014
2015
2016
25
20
15
10
5
0
Abb. 8 Entwicklung der Werbeausgaben in Deutschland (Quelle: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW 2017)
656
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen DVD/Blu-Ray 5 Sonstiges 41 Print 31 PC/VideoSpiele 32 Buch 32 TV 248 Inhaltliches Internet 89
Radio 102
Abb. 9 Mediennutzungsverhalten in Deutschland (in Min. pro Tag) (Quelle: SevenOne Media GmbH 2017)
Nachfrager mit Abstand am längsten genutzten (vgl. Abb. 9). Dementsprechend entfällt auch ein Großteil der Werbeausgaben auf das Medium Fernsehen (vgl. Abb. 10). Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass Printmedien ihren Status trotz immer zahlreicherer elektronischer Alternativen in etwa halten können. Der Anstieg der Mediennutzungszeit zeigt zudem, dass neue Medien die bisherigen nicht verdrängen, sondern zusätzlich genutzt werden. In den letzten Jahren ist die Akzeptanz der klassischen Werbung wieder gestiegen (vgl. Gassner 2006, S. 17; Absatzwirtschaft 2010, S. 46). Der Grad der Werbeakzeptanz ist unter anderem von der Zeitorientierung des Individuums abhängig. Personen, die ihre Normen, Werte, Gedanken und ihr Handeln eher an der Zukunft ausrichten, sind Werbung gegenüber positiv eingestellt (z. B. Werbung liefert wichtige Informationen für die Kaufentscheidung). Vergangenheitsorientierte Menschen hingegen haben meist eine werbeablehnende Haltung (vgl. Roja-Méndez und Davies 2005, S. 43). Ferner lässt sich konstatieren, dass Werbung als umso störender empfunden wird, je drastischer sie die Mediennutzung unterbricht (vgl. McCoy et al. 2007, S. 86 ff.). Ist sie jedoch interessant gestaltet, steigt tendenziell die Akzeptanz von Werbung. Eine kreative Gestaltung hat zudem einen positiven Einfluss auf die ungestützte Bekanntheit des Kommunikationsobjektes (vgl. Till und Baack 2005, S. 54). Dieser Effekt lässt sich besonders gut bei Produktneueinführungen ausnutzen.
4
Verteilung des Kommunikationsbudgets Wochen-/ Sonntagszeitungen 1%
Verzeichnismedien 5%
Filmtheater 1%
657 Zeitungssupplements 0%
Hörfunk 5%
Fernsehen 30%
Fachzeitschriften 6%
Publikumszeitschriften 7%
Außenwerbung 7%
Online und Mobile 10%
Tageszeitungen 16%
Anzeigenblätter 12%
Abb. 10 Anteil verschiedener Werbeträger an den Werbeausgaben (Quelle: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW 2017)
Die Eignung klassischer Werbung als Kommunikationsinstrument ist abhängig vom Werbeträger. In Abhängigkeit der Werbeträgereigenschaften lässt sich eine Einteilung nach Werbung in Insertionsmedien wie Zeitungen und Zeitschriften sowie Werbung in elektronischen Medien wie Radio und Fernsehen vornehmen. Der Einsatz von Insertionsmedien als klassische Form der Zielgruppenansprache bietet je nach Medium unterschiedliche Möglichkeiten der kommunikativen Ansprache. Zeitungen als einer der ältesten Werbeträger lassen sich nach der Erscheinungshäufigkeit (Tages- oder Wochenzeitungen), nach ihrem regionalen Bezug (regional oder überre-
658
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
gional) und nach ihrer Vertriebsart (Abonnement oder Kauf von Einzelexemplaren) differenzieren. Bei Zeitungen steht primär die Aktualität der Information im Vordergrund, sodass sich in diesem Medium eine informierende und argumentierende Werbung anbietet. Zentrale Vorteile der Zeitung liegen in ihrer kurzfristigen Disponierbarkeit und der Möglichkeit eines exakten „Timing“, wohingegen die begrenzten gestalterischen Möglichkeiten (bspw. nur bedingt möglicher Farbdruck, keine bewegte Darstellung der Produktnutzung) und die eingeschränkte Selektion von Zielgruppen als Nachteile zu nennen sind. Für einige Zeitungstitel lassen sich zwar grundsätzliche Lesertypen herauskristallisieren, eine genaue Zielgruppenansprache anhand demographischer und psychographischer Merkmale ist jedoch oft nur bedingt möglich. Zeitungen werden daher bei großen Kampagnen seltener als Basismedium, sondern vielmehr als Zusatzmedium im Rahmen von kurzfristigen Schwerpunktaktionen (z. B. der Ankündigung von Events oder Sonderpreisaktionen) genutzt. Darüber hinaus werden kostenlose Anzeigenblätter und Zeitungsbeilagen, sog. Supplements, aufgrund ihrer im Vergleich zu Zeitungen oft erhöhten Reichweite und ihrer teilweise verbesserten Gestaltungsoptionen vermehrt als Werbeträger eingesetzt. Die Publikumszeitschriften umfassen eine Vielzahl von Titeln, die in unterschiedlicher Aufmachung periodisch (meist wöchentlich oder monatlich) erscheinen und den Lesern ein spezifisches Informationsangebot unterbreiten. Dabei steht i. d. R. entweder die Unterhaltung (z. B. bei Illustrierten) oder die Information (z. B. bei Programmzeitschriften oder Nachrichtenmagazinen) im Vordergrund. Viele Publikumszeitschriften wenden sich an relativ breit definierte Lesergruppen, was eine spezifische Zielgruppenansprache erschwert und zu höheren Streuverlusten (für den Werbetreibenden nicht relevante Personen werden mit der Werbebotschaft kontaktiert) führt. Im Vergleich zu Zeitungen können sich Publikumszeitschriften durch qualitativ höherwertige Gestaltungsmöglichkeiten absetzen. Neben den Publikumszeitschriften wird seit einigen Jahren eine Vielzahl von Titeln, die für sehr eng abgegrenzte Leserschaften konzipiert sind, in den Markt eingeführt. Diese sog. Special-Interest-Zeitschriften konzentrieren sich inhaltlich auf bestimmte Themenbereiche wie z. B. Mode, Sport und Essen. Inseriert ein Segelboothersteller in einer Special-Interest-Zeitschrift für Wassersportler, spricht er damit seine spezielle Zielgruppe präziser an und reduziert die Höhe der Streuverluste im Vergleich zu Zeitungen und Publikumszeitschriften erheblich. Die Vielzahl der Zeitschriftentitel, die im Vergleich zu Zeitungen eine geringere Erscheinungshäufigkeit aufweisen, erfordert eine langfristige Planung von Zeitschriftenkampagnen. Schwerpunktmäßig werden Zeitschriftenanzeigen aufgrund ihrer Gestaltungsvielfalt zur Vermittlung emotionaler Botschaften eingesetzt. Dabei können oft positive Wirkungszusammenhänge zwischen den Anzeigen und ihrem Umfeld genutzt werden. Die wesentlichen Vorteile von Publikumszeitschriften liegen in der Chance von Mehrfachkontakten mit Anzeigen, der hohen Reichweite vieler Werbeträger dieses Segments, der relativ niedrigen Kosten und der umfassenden Marktforschungsinformationen über die Leserschaft, die dem Werbetreibenden von den Verlagen zumeist kostenfrei zur Verfügung
4
Verteilung des Kommunikationsbudgets
659
gestellt werden (z. B. Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA), unter: http:// www.awa-online.de oder Gruner + Jahr Medien, unter: http://www.gujmedia.de/mediaresearch/). Die Gruppe der Fachzeitschriften umfasst zahlreiche periodisch erscheinende Zeitschriften, die sich an einen begrenzten und produktgruppenspezifisch qualifizierten Leserkreis wenden. Hauptanliegen der Fachzeitschriften ist der fachlich ausgerichtete Informationstransfer (Wissensvermittlung, berufliche Aus- und Weiterbildung) und weniger die Unterhaltung der Leser. Dabei kann auch hier das redaktionelle Umfeld einen positiven Einfluss auf themenbezogene Anzeigen ausüben. Generell ist das Involvement der Leser als hoch anzusehen, welches sich positiv auf die Wahrnehmungsintensität und -häufigkeit von Werbeanzeigen auswirkt. Das Medium Out-of-Home- bzw. Außenwerbung hat in der letzten Zeit eine Renaissance erlebt. Aufgrund der gestiegenen und hohen Bedeutung wird diesem klassischen Medium ein gesonderter Abschnitt gewidmet (vgl. Abschn. 4.2). Die Gruppe der elektronischen Medien hat gegenüber den Insertionsmedien den Vorteil, dass sie durch die Kombination mehrerer Sinneswahrnehmungen (Ausnahme: Radio) eine größere Realitätsnähe schaffen (multisensuale Wahrnehmung) und damit zumeist eine stärkere Aktivierung der Nachfrager und damit Verankerung der Werbebotschaft im Gedächtnis bewirken (vgl. Bielefeld 2012, S. 53). Zuvorderst ist das Fernsehen als Leitmedium in Deutschland zu nennen. Es befriedigt sowohl Unterhaltungs- als auch Informationsbedürfnisse der Nutzer. Die durchschnittliche Sehdauer pro Tag ist kontinuierlich von 158 min im Jahr 1992 auf 205 min im Jahr 2012 gestiegen. Damit besitzt das TV den größten Anteil am Medienzeitbudget. Darüber hinaus besitzt Fernsehwerbung in Deutschland eine kombinierte Reichweite von 69 Mio. Personen, d. h. es werden etwa 94 % aller Fernsehnutzer mindestens einmal im Monat mit Werbung erreicht (vgl. AGF 2010). Dadurch ermöglicht das Fernsehen eine schnelle Bekanntmachung des Angebotes in kürzester Zeit. Die Kombination von Text, Bild und Ton lässt zudem intensiv wirkende und vielfältige Gestaltungsvariationen zu. Im Vergleich zu anderen Medien ist der Fernsehspot deshalb geeignet, neben argumentierender Werbung vor allem emotionale Aspekte der Zuschaueransprache umzusetzen. Insbesondere, um Erlebniswelten zu vermitteln und die Marke emotional aufzuladen, ist der Einsatz von Fernsehwerbung ratsam. Den genannten Vorteilen stehen enge rechtliche Restriktionen der Fernsehwerbung entgegen. Diese sind im Rundfunkstaatsvertrag (RStV) in den §§ 15, 16, 44 und 45 geregelt. Die deutsche Senderlandschaft teilt sich auf in öffentlich-rechtliche Programme (ARD, ZDF, Dritte Programme und Spartensender wie Phönix, arte oder Kinderkanal), die sich großteils aus den Rundfunkgebühren finanzieren, und den privaten Fernsehsendern (z. B. RTL, Sat.1, ProSieben, Vox etc.), denen kein Anteil an den Rundfunkgebühren zugestanden wird und die daher vorwiegend werbefinanziert sind. Die Regelungen der Fernsehwerbung sind für beide Sendergattungen unterschiedlich rigide und haben im Wesentlichen folgenden Inhalt:
660
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Werbung ist zusammenhängend zu senden. Einzelne Werbespots sind eine Ausnahme (Blockwerbegebot). Der Abstand zwischen Werbeblöcken muss mindestens 20 min betragen. Öffentlich-rechtliche Sender dürfen maximal 20 min täglich Werbung senden, nach 20 Uhr und an Sonn- und Feiertagen gar nicht. Private Fernsehsender dürfen maximal 15 % der täglichen Sendezeit mit reiner Werbung belegen. Diese Regelungen haben dazu geführt, dass sich eine Reihe von Sonderwerbeformen entwickelt hat (vgl. Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW 2010), die auf Basis der Vorschriften den Einsatz von Werbung während der laufenden Sendung ermöglichen. Eine Auswahl wird im Folgenden kurz vorgestellt und Beispiele gezeigt. Spotpremiere: Ein neuer Werbespot wird erstmalig und in das Programm eingebettet gezeigt, evtl. zusätzlich mit Making-Of-Material. Cut In Horizontal: Einblendung der Werbebotschaft als Rahmen parallel zum laufenden Programm. Cut In Vertikal: Einblendung der Werbebotschaft als Werbesäule, die sich durch das gesendete Bild bewegt (vgl. Abb. 11). Pre/Abspann Split: Klassischer Werbespot, der im geteilten Bild unmittelbar vor bzw. während des Abspannes der Sendung gezeigt wird (vgl. Abb. 12). Der Abspann Split unterscheidet sich vom Pre Split dadurch, dass währenddessen der redaktionelle Rahmen der Sendung (Darsteller, Regie, Produzenten etc.) gezeigt wird. Countdown: Letzter Spot vor der Sendung im Voll- oder Teilbild mit digitalem Herunterzählen bis zum Beginn der Sendung (vgl. Abb. 13).
Abb. 11 Beispiel für die Sonderwerbeform Cut In Vertikal (Quelle: SevenOne Media GmbH; Pernod Ricard Deutschland GmbH)
4
Verteilung des Kommunikationsbudgets
661
Abb. 12 Beispiel für die Sonderwerbeform Pre Split (Quelle: SevenOne Media GmbH; Hochland)
Abb. 13 Beispiel für die Sonderwerbeform Countdown (Quelle: SevenOne Media GmbH; RWE)
Singlespot: Das Programm wird durch einen einzelnen Werbespot mit speziellem Trenner unterbrochen. Möglich im Vollbild oder Teilbild und kombinierbar mit einem Countdown. Daneben haben sich eigene Formate wie Dauerwerbesendungen oder Teleshoppingformate etabliert. Auch das sog. Programmsponsoring gehört zu den Sonderwerbeformen. Darunter versteht man das Einspielen eines Sponsortrailers zu Beginn (Opener), z. B. „Der Große Preis von Deutschland wird Ihnen präsentiert von Krombacher“, vor und nach den Werbeunterbrechungen (Reminder), z. B. „Es bleibt spannend am Hockenheimring mit Krombacher“ und nach Abschluss (Closer) der Sendung, z. B. „Das war der Große Preis von Deutschland präsentiert von Krombacher“. Zum Programmsponsoring gehö-
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
ren auch das Trailersponsoring (Nennen des Sponsors in der Promotion des Senders für die gesponserte Sendung), das Titelsponsoring (die Marke des Sponsors ist Teil des Namens der Sendung, z. B. „Die 5-Millionen-SKL-Show“) und das Rubrikensponsoring, bei dem ein redaktionell eigenständiger Teil der Sendung, z. B. Servicetipps, gesponsert wird. Vorteile des Programmsponsorings sind eine vergleichsweise hohe Akzeptanz und Reichweite durch die enge Anbindung an die Sendung. Dies hat einen positiven Einfluss auf die Steigerung der Markenbekanntheit (vgl. Bruhn 2010, S. 390; Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW 2010). Tendenziell kann das Programmsponsoring auch dem Kommunikationsinstrument Sponsoring zugeordnet werden. Da aber sowohl die Art der Darbietung als auch die Weise des Einsatzes wie klassische Werbung anmutet, werden Programmsponsoringaktivitäten hier als Sonderwerbeform interpretiert, die dazu verwendet werden, die gesetzlichen Werberestriktionen zu umgehen. Die Schaltung der Werbung sollte sich am Programmumfeld und an der Nutzergruppe der Sendung orientieren. Eine thematisch kongruente Einbettung des Spots in den Handlungsrahmen einer Sendung zeigt positive Einflüsse auf die Erinnerungswirkung des Spots, allerdings nur dann, wenn der Spot auf die Handlung folgt. Ferner zeigte sich, dass sich bezüglich des Programmkontextes eine zu große thematische Überschneidung negativ auf die Erinnerung auswirkt. Bei der Ansprache der Zielgruppe unterstützen Medienanalysen wie die Typologie der Wünsche (http://www.tdwi.com), Lebensstil- und spezielle Mediennutzertypologien die Entscheidungsfindung (vgl. Becker und Schnetzer 2006, S. 35 ff.; Neuwöhner und Schäfer 2007, S. 243 ff.; Stern 2007), da sie Aufschluss darüber geben, welcher Personenkreis welche Sendungen verfolgt. Jedoch ist in der Vergangenheit eine zunehmende Vermeidung von Werbung zu verzeichnen. Viele Zuschauer wechseln während der Werbeunterbrechung den Kanal bzw. entfernen sich einige Minuten vom Fernseher. Dieses Verhalten könnte jedoch von den Werbetreibenden begrenzt werden. So wurde ermittelt, dass bei einer 10-prozentigen Verkürzung der Werbezeiten die Anzahl der Zuschauer um 25 % ansteigen würde (vgl. Wilbur 2008). Im Weiteren wurde untersucht, ob die Präferenzen der werbenden Unternehmen denen der Zuschauer entsprechen. Dies ist nicht der Fall. Während die werbenden Unternehmen vornehmlich Werbung bei Comedy- und Reality-Sendungen platzieren, liegt die Präferenz der Zuschauer bei Actionfilmen und Nachrichten. Dies führt zusätzlich zu einer schlechteren Erreichbarkeit der Rezipienten und darüber hinaus zu einem Ungleichgewicht in der Vergabe der Sendezeiten (vgl. Wilbur 2008, S. 367 ff.). Vor dem Hintergrund des zunehmenden Werbevermeidungsverhaltens der Nachfrager ist dem Phänomen Zapping hierbei besondere Beachtung zu schenken. Unter Zapping im eigentlichen Sinne versteht man die Vermeidung von Werbung durch Umschalten. Aber auch das Verlassen des Raumes, das Ausschalten des Tones oder geistiges Abwenden, indem man z. B. einem Gespräch nachgeht, kann zum Zapping gezählt werden (vgl. Unger et al. 2013, S. 191 ff.). Die Ergebnisse der Zappingforschung liefern allerdings keine eindeutigen Erkenntnisse bezüglich des Ausmaßes. Technologische Entwicklungen, wie digitale Rekorder, die ein zeitversetztes Fernsehen und Herausschneiden von Werbeblöcken ermöglichen, begünstigen ein Ausweichen von der Werbung zusätzlich. Dies,
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
663
obwohl ermittelt wurde, dass trotz der Abneigung der Fernsehzuschauer der Werbung gegenüber Programme mit Werbeunterbrechung eine deutlich höhere Attraktivität aufweisen als Programme ohne Werbung (vgl. Nelson et al. 2009, S. 162 ff.). Durch eine spezifische Werbefrequenz lässt sich die Abneigung gegenüber Werbung gezielt verringern. Das Konzept des „Brand Pulsing“ sieht hierbei vor, den Werbeauftritt stärker sequenziell aufzuteilen. Statt einer gleichmäßigen und kontinuierlichen Verteilung der Werbeschaltungen sollen in fest definierten Abschnitten Werbespitzen verwendet werden (vgl. Teixeira et al. 2010, S. 784). Dies führt zu einer Verringerung der Abneigung gegenüber der Werbung und kann demnach ebenfalls zu einer Verringerung des Zappingverhaltens führen (vgl. Teixeira et al. 2010, S. 789 ff.). Trotz der nachlassenden Werbeaufmerksamkeit ist die Wirkung der Fernsehwerbung weiterhin die höchste aller Kanäle. In der Werbeerinnerung aus Verbrauchersicht steht die TV-Werbung auf Platz 1, gefolgt von Out-of-Home-Kommunikation und Onlinekommunikation (inkl. Social Media) (vgl. Absatzwirtschaft 2010, S. 46). 63 % der Befragten gaben an, sich an eine Marke aufgrund Ihrer Fernsehwerbung zu erinnern. Sonderwerbeformen hingegen scheinen ein probates Mittel zu sein, dem ZappingProblem entgegenzuwirken. Empirische Überprüfungen zeigten, dass im Vergleich zu herkömmlichen Werbeblöcken Sonderwerbeformen eine deutlich bessere Wirkung auf die Aufmerksamkeit, die entgegengebrachte Sympathie, die Erinnerung und die Abbruchquote haben (vgl. Gleich 2005, S. 35). Gegenüber dem Fernsehen bietet das Kino den Vorteil eines wesentlich größeren Spielraumes in der Wahl der Spotlänge und -gestaltung. Der Kinobesuch ist eine Freizeitaktivität, was einen positiven Einfluss auf die Kontaktsituation nimmt. Dies zeigt sich bei der Prüfung der Wirkung von Kinowerbung: Eine Studie verglich die Erinnerungswirkung von Kino- mit Fernseh- und Printwerbung. Ergebnis: Beim Erstkontakt erzielte Kinowerbung eine um 30 % höhere Wirkung als Fernseh- und eine 20 % höhere Wirkung als Printwerbung (vgl. W&V 2007a). Nach dem fünften Kontakt betrug der Wirkungszuwachs von Kinowerbung das 1,5-fache von Print- und das 3-fache von Fernsehwerbung (vgl. W&V 2007b). Es lässt sich festhalten, dass Kinowerbung zum einen ein höheres Wirkungsmaximum erreicht und zum anderen schneller wirkt als Fernsehwerbung, da weniger Kontakte benötigt werden. Dementgegen steht die geringe Reichweite des Kinos. Lediglich 3,4 % der Bevölkerung gehen mindestens einmal im Monat ins Kino (vgl. FDW Werbung im Kino e. V. 2010, S. 2). Besuchten 2001 noch 177,9 Mio. Personen die deutschen Kinos, waren dies im Jahr 2009 nur noch 146,3 Mio. (vgl. FFA Filmförderungsanstalt 2007, S. 1). In den vergangenen fünf Jahren beeinträchtigten insbesondere Raubkopien aktueller Filme, die im Internet heruntergeladen werden konnten, die wirtschaftliche Situation der Kinobranche. Auch der hohe technische Standard, den Heimkinoeinrichtungen bieten, verstärkt die Konkurrenz zum traditionellen Kinobesuch. Ein resoluteres Vorgehen gegen Urheberrechtsverletzungen und Imagekampagnen für den Kinobesuch haben die Besucherzahlen vom Tiefpunkt im Jahr 2005 (127,3 Mio.) wieder deutlich ansteigen lassen. Kinowerbung ist vor allem dazu geeignet, junge Menschen anzusprechen. Gut 60 % der Kinobesucher
664
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
sind unter 30 Jahre alt. Dementsprechend ist die Reichweite in dieser Bevölkerungsgruppe wesentlich höher. 25 % der Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren (35 % der 20– 29jährigen) gehen mindestens einmal im Monat ins Kino (vgl. FDW Werbung im Kino e. V. 2010, S. 4 ff.). Radiowerbung ist dadurch charakterisiert, dass sie mit ungerichteter Aufmerksamkeit, eher beiläufig wahrgenommen wird. Das Radio wird aus Gründen der Ablenkung, Entspannung oder Anregung genutzt. Vorteile des Mediums liegen insbesondere in seiner Preisgünstigkeit, seiner rasch kumulierten Reichweite, der schnellen Einsatzmöglichkeit und der guten Wirkungsweise vor allem im Einsatzverbund mit anderen Medien. Hauptnachteil ist die Flüchtigkeit des Kontaktes. Dem Funk kommt somit primär die Aufgabe einer raschen Bekanntmachung von Produkt und Werbebotschaft zu. Ferner verfügt Radiowerbung als Bestandteil einer Medienmixkampagne über ein relativ hohes Aktivierungspotenzial, den Hörer zum Kauf zu bewegen (vgl. Clef et al. 1995, S. 54 ff.; Wild 2003, S. 261 ff.). Als neuester Vertreter elektronischer Medien ist die digitale Kommunikation zu nennen. Die digitale Kommunikation bietet spezielle Möglichkeiten der Botschaftsgestaltung und wird daher in Abschn. 4.3 genauer beschrieben. Insgesamt lässt sich eine zunehmende Konvergenz der beschriebenen Werbeformen feststellen. Diese ist durch den technologischen Wandel zu erklären, der neue Möglichkeiten schafft. Ein Beispiel ist das sog. Bluecasting. Dabei wird eine Außenplakatwand mit einem Bluetooth-Sender ausgerüstet, mit dessen Hilfe Daten an ein bluetoothfähiges Mobiltelefon gesendet werden. Zum Beispiel hat der Mobilfunkanbieter Orange regelmäßig einzelne Songs, wie den Song „Say“ von OneRepublic, kostenlos zum Download in der Nähe von elektronischen Außenplakaten bereitgestellt. Es lässt sich aus heutiger Sicht jedoch konstatieren, dass das klassische Fernsehen aufgrund seiner hohen Akzeptanz und Reichweite zumindest mittelfristig das zentrale Basismedium darstellen wird, dessen Inhalte in flankierenden Medien weiter verwertet werden. Abschließend zeigt Tab. 6 eine zusammenfassende Bewertung des Kommunikationsinstrumentes klassische Werbung.
Tab. 6 Bewertung des Instrumentes klassische Werbung Klassische Werbung Eigenschaften Reichweite Zeitliche Einsatzmöglichkeiten Gestalterische Möglichkeiten Beeinflussbarkeit der Kommunikationswirkung Feedbackmöglichkeiten Kosten hoch
mittel niedrig
Zielsetzung Bekanntheit Einstellung Wettbewerbsprofilierung Kaufabsicht Wiederkaufabsicht Information Emotion Aktualität gute Eignung mittel schlechte Eignung
4
Verteilung des Kommunikationsbudgets
4.2
665
Out-of-Home-Medien
I Out-of-Home-Medien Die synonym auch als Außenwerbung bezeichne-
ten Medien umfassen die im öffentlichen Raum und aus dem öffentlichen Raum heraus auf „Jedermann“ einwirkende Kommunikation (vgl. Knierbein 2010, S. 83).
Out-of-Home-Medien haben in der letzten Zeit einen nicht zu übersehenden Aufschwung erlebt. Dies liegt unter anderem daran, dass sich durch neue Technologien neue Werbeformen innerhalb der Out-of-Home-Medien entwickelt haben (vgl. Bloom und Hampp 2009, S. 4 f.). Darüber hinaus ist die Mobilität in Deutschland weiter gewachsen. So gehen 90 % aller Personen an einem durchschnittlichen Tag aus dem Haus und legen durchschnittlich 3,4 Wege pro Tag zurück (vgl. infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH 2010, S. 1). Außenwerbung ist heute mehr als reine Plakatwerbung und das erkennen immer mehr Unternehmen. Dies führt dazu, dass Out-of-Home-Medien in Deutschland in der Werbeerinnerung aus Verbrauchersicht auf Platz 2 hinter der TV-Werbung stehen, dicht gefolgt von der digitalen Kommunikation und mit großem Abstand zu anderen Kommunikationsinstrumenten (vgl. Absatzwirtschaft 2010, S. 46). Im Jahr 2012 lagen die Netto-Werbeeinnahmen von Out-of-Home-Medien bei 867,9 Mio. C (vgl. Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW 2013, S. 21). Der Anteil der Out-ofHome-Aufwendungen an allen Bruttowerbeaufwendungen in Deutschland hat sich bis 2017 auf 6,7 % gesteigert (vgl. Abb. 14). Im Kontext von Out-of-Home-Medien können Plakatwerbung, Hinweismedien, Transport-Medien, Digital Out-of-Home und Ambient Medien unterschieden werden (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013a; Ströer 2013a). Die ökonomische Bedeutung der verschiedenen Out-of-Home-Medien zeigt einen Schwerpunkt bei den Plakatwerbeträgern. Allein Großflächen und City-Light-Poster repräsentieren über zwei Drittel des gesamten Marktes für Out-of-Home-Medien (vgl. Abb. 15).
4.2.1 Plakatwerbung Plakatwerbeträger gelten als Standardwerbeform der Out-of-Home-Medien. Die Plakatierung ist mit die älteste Form der schriftlichen Werbung und geht bis in das alte Ägypten zurück. Plakatwerbeträger eigenen sich insbesondere für die Ansprache jüngerer und berufstätiger Zielgruppen in Großstädten. Inhaltlich stehen einfache und klare Botschaften und prägnante Bildinformationen im Vordergrund. So ist der Kontakt mit Plakatwerbeträgern praktisch nicht vermeidbar (laut einer aktuellen Studie haben 82 % der Befragten mindestens 1x pro Woche Kontakt zu Plakatwerbung), jedoch erfolgt die Aufnahme der Botschaft normalerweise ohne direkte Hinwendung, sondern eher zufällig. Daher kommt es auf eine leicht verarbeitbare, attraktive Gestaltung an und die Botschaft muss auf sehr wenige, am besten bildlich darstellbare Elemente reduziert werden. Plakatwerbeträger
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8,0%
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5,0% 4,3% 4,0% 3,4% 3,0% 2,6% 2,0% 2,0%
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2017
Abb. 14 Anteil Out-of-Home-Aufwendungen an allen Bruttowerbeaufwendungen in Deutschland zwischen 1990 und 2017 (Quelle: In Anlehnung an Nielsen 2017)
sind besonders zur Unterstützung verkaufsbezogener Maßnahmen geeignet. Da die Wahrnehmung jedoch oberflächlich erfolgt, ist die Gedächtnisleistung lediglich kurzfristig. Eine Ansprache ist daher besonders kurz vor einem möglichen Kauf, d. h. in der Nähe von Einkaufsstätten, sinnvoll, da auf diese Weise latente Kaufbereitschaften reaktiviert werden können. So haben laut einer aktuellen Studie von PosterSelect aufgrund von Plakatwerbung 11 % der Befragten ein Produkt gekauft und 38 % Informationen zum Produkt eingeholt (vgl. Unger et al. 2013, S. 251, S. 256 und S. 364 f.; PosterSelect 2013a, S. 5 und S. 8; Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013b). Plakatwerbeträger haben den Vorteil, dass sie eine weite Verbreitung haben und relativ kostengünstig sind. Sie sind zumeist unabhängig von aufwändiger technischer Infrastruktur, lediglich Strom wird bei beleuchteten Plakatwerbeträgern benötigt. Durch die weite Verbreitung (vgl. Tab. 7) und einheitliche Formate ist der Standardisierungsgrad relativ hoch. Aufgrund der gezielten Selektionsmöglichkeiten (national, regional, örtlich bis hin zu einzelnen Stellen) ist das Medium flexibel einsetzbar. Die Flexibilität wird nur durch begrenzte zeitliche Steuerbarkeit aufgrund der Mindestbelegungsdauer (eine Dekade bzw. teilw. eine Woche) eingeschränkt. Nachteilig ist die aufwändige Aktualisierung. Diese ist nur durch das Überkleben bzw. Austauschen der alten Plakate möglich.
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Verkehrsmedien; 64
Riesenposter; 36,4
Ambient, Dauerwerbung, Klein- und Spezialstelllen; 84,2
City-Light-Poster; 257,2 Medien an Flughäfen (inkl. DOOH); 90
Digital Out of Home; 96,2
Großflächen (inkl. Superposter); 242,8
Allgemeinstellen; 26,8 Ganzsäulen; 27,5 City-Light-Boards / Mega-Lights; 107,9
Abb. 15 Netto-Umsätze der Außenwerbung 2016 (in Mio. Euro) (Quelle: Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013a)
Darüber hinaus ist eine differenziertere Zielgruppenselektion nur sehr eingeschränkt z. B. durch Auswahl der Standorte möglich. Zu den Plakatwerbeträgern werden CityLight-Poster, City-Light-Boards/MegaLights, Großflächen, Panoramaflächen, Superpos-
Tab. 7 Anzahl und Preise von Plakatwerbeträgern in Deutschland 2013 (Quelle: IndA – Informations-Datenbank-Außenwerbung 2013; Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013b) Plakatwerbeträger
Anzahl
City-Light-Poster (inkl. City-Light-Säulen) 104.223 City-Light-Boards/Mega-Lights 18.299 Großflächen (Format 18/1) 152.038 Panoramaflächen (Format 36/1) 1.152 Superposter (Format 40/1) 931 Riesenposter (Format > 40/1) ca. 1000 Allgemeinstellen 36.468 Ganzsäulen 14.823
Durchschnittlicher Preis (pro Tag und Fläche) 15,37 k. A. (47,16 in 2012) 15,19 k. A. (36,61 in 2012) 47,00 Abh. von tatsächlicher Größe 0,94 19,13
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
ter, Riesenposter, Allgemeinstellen, Ganzsäulen, Premium-City-Light-Poster und Werbetürme gezählt (vgl. Unger et al. 2013, S. 251, S. 256 und S. 364 f.; PosterSelect 2013a, S. 5 und S. 8; Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013b). City-Light-Poster sind ca. 2 m2 große Poster im 4/1-Format (1,19 × 1,75 m) in einer be- bzw. hinterleuchteten Vitrine, sodass eine hochwertige Präsentation der Werbung ermöglicht wird (vgl. Abb. 16). Die zahlreich in Deutschland vertretenen City-LightPoster (mehr als 100.000) befinden sich überwiegend in Wartehallen des öffentlichen Personennahverkehrs wie Bahnhöfen, U- und S-Bahnstationen und Flughäfen sowie integriert in Fahrgastunterständen wie Bushaltestellen, in hinterleuchteten Säulen sowie freistehend in Fußgängerzonen, in Stadtinformationsanlagen und großen Einkaufszentren. In einigen Großstädten sind City-Light-Poster an ausgewählten Standorten mit einem Wechselmechanismus ausgestattet, der eine Präsentation von bis zu drei verschiedenen Motiven ermöglicht. Vorteil von City-Light-Postern ist die deutliche Sichtbarkeit insbesondere in den Abend- und Nachtstunden (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013b; Ströer 2013b; Unger et al. 2013, S. 254 f.). City-Light-Boards bzw. Mega-Lights sind verglaste und hinterleuchtete Großflächenvitrinen, die auf etwa 2,50 m Höhe angebracht und so frei von Sichtbehinderungen sind (vgl. Abb. 17). Aufgrund des Vitrinencharakteres haben sie eine hochwertige Anmutung. Vom Format her handelt es sich um 18/1-Bogenplakate (18 × DIN A1, 3,56 × 2,52 m), die
Abb. 16 Beispiel City-Light-Poster (Quelle: Fachverband Außenwerbung e. V.; Ströer Media AG)
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Abb. 17 Beispiel City-Light-Board/Mega-Light (Quelle: Ströer Media AG)
8,97 m2 groß sind und daher eine großflächige Darstellung der Werbebotschaft ermöglichen. Mega-Lights sind ebenfalls großzahlig in Deutschland vertreten (mehr als 18.000). Typische Standorte sind hoch frequentierte Stellen, vor allem an wichtigen Ein- und Ausfallstraßen von Großstädten. Die Vitrinen sind teilweise ein- oder beidseitig belegbar sowie oftmals auch mit einer Wechslertechnik ausgestattet, sodass zwei oder drei verschiedene Motive gezeigt werden können, was wiederum durch die Bewegung zusätzliche Beachtungseffekte erzeugt. Aufgrund der Hinterleuchtung generieren City-Light-Boards rund um die Uhr hohe Reichweiten, da auch bei Nacht hohe Aufmerksamkeitswerte erzielt wird (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013b; Ströer 2013b; Unger et al. 2013, S. 254). Die Großfläche ist der am weitesten verbreitete Werbeträger der Out of Home-Medien. Als Großfläche werden einzeln buchbare Plakattafeln im 18/1-Format (18 × DIN A1, 3,56 × 2,52 m) verstanden (vgl. Abb. 18). Diese mit 8,97 Quadratmetern von der Größe her mit City-Light-Boards bzw. Mega-Lights identisch großen Plakatwände ermöglichen ebenfalls eine großflächige Darstellung der Werbebotschaft. Sie existieren deutschlandweit (mehr als 150.000) in praktisch allen Ortsgrößenklassen. Durch diese flächendeckende nationale Verfügbarkeit und die Möglichkeit zur Einzelstellenselektion ist die Großfläche äußerst flexibel in der regionalen Steuerung. So kann die Belegung über wenige ausgewählte Standorte, lokale, regionale oder überregionale Kampagnen bis hin zu
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Abb. 18 Beispiel Großfläche (Quelle: Ströer Media AG)
national flächendeckenden Werbeauftritten variiert werden – angepasst an die jeweiligen Kommunikationsziele, Zielgruppen und das verfügbare Budget. Auch ein zeitgleicher Kampagnenstart in Wirtschaftsräumen wird dadurch ermöglicht. Darüber hinaus bietet die Einzelselektion ein hohes Maß an Individualisierbarkeit durch selektive Buchung beispielsweise nach Branchen und umliegenden Geschäften und Dienstleistungsbetrieben, nach Lage und Position im Straßenverkehr, nach der Nähe zu öffentlichen Einrichtungen oder Haltestellen des Personennahverkehrs. Viele der Großflächen sind für einen wirkungsvollen Auftritt auch bei Nacht beleuchtet. Dadurch wird der effektive Werbeauftritt verlängert und die Werbewirkung intensiviert. Eine besondere Form von Großflächen sind City Stars, bei denen es sich um klassische Großflächenplakate handelt, die teilweise beleuchtet weithin sichtbar auf einem Monofuß in 2,50 m Höhe angebracht werden. Eine weitere besondere Stärke der Großflächen ist die Präsenz am Point of Sale. Dadurch wird die Kommunikationskette zeitlich wie räumlich bis zur Kaufentscheidung verlängert und es ermöglicht Werbetreibenden am Point of Sale noch entscheidende Impulse zu setzen. Hierzu gibt es bundesweit Stellen an ca. 9.100 Handels-Outlets (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013b; Unger et al. 2013, S. 254; Ströer 2013b). Die ca. 9 m2 großen City-Light-Boards bzw. Mega-Lights und Großflächen können jeweils auch als Mehrfachstandorte kombiniert werden. So konnte eine Studie der GfK nachweisen, dass die ungestützte Erinnerung (Recall), die gestützte Erinnerung (Recog-
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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nition) und die Motivbewertung im Vergleich zu einem 1er-Standort bei 2er- und 3erStandorten noch einmal deutlich verbessert werden kann (vgl. Ströer 2012). Dementsprechend werden in der Praxis auch zwei, drei oder vier der 9 m2 -Plakate kombiniert (vgl. Abb. 19). Dabei kann über mehrere Werbeflächen ein großes Motiv geschaffen werden oder über verschiedene Einzelmotive eine Bilder-Story erzählt werden (vgl. Ströer 2013b). Seit dem Jahr 2005 ergänzen die Panoramaflächen (vgl. Abb. 20) das Spektrum der großformatigen Plakatwerbeträger. Diese haben ein Format von 36/1 (36 × DIN A1, 7,12 × 2,52 m) und sind vom Prinzip her zwei nebeneinander platzierte Großflächen. Damit ermöglichen sie eine überdimensionale Präsentation der Werbebotschaft auf 17,94 m2 . Typische Merkmale von Panorama-Boards sind ein ausreichender Abstand vom Boden und eine Platzierung an hoch frequentierten Straßen, an denen sie Alleinstellung genießen. Alle der über 1.100 Standorte sind beleuchtet und befinden sich ausschließlich in Orten mit mehr als 100.000 Einwohnern (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013b). Noch größer als Panoramaflächen sind Superposter (vgl. Abb. 21). Dies sind Plakate im Format 40/1 (40 × DIN A1, 5,26 × 3,72 m) und decken damit 19,57 m2 ab. Superposter sind die proportionale 2,2-fache Vergrößerung der klassischen Großflächen, sodass beispielsweise ein ganzes Auto in Originalgröße abgebildet werden kann. So haben jahrelange Studien gezeigt, dass zwischen Format und Erinnerung ein signifikanter Zusammenhang besteht. Je größer das Format, desto besser die Erinnerung an das Werbemotiv.
Abb. 19 Beispiel Kombination von 9 m2 -Plakaten (Quelle: Ströer Media AG)
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Abb. 20 Beispiel Panoramafläche (Quelle: Fachverband Aussenwerbung e. V.)
Superposter befinden sich an stark frequentierten innerstädtischen Standorten in Städten ab 50.000 Einwohner. Sie sind seit 1978 auf dem deutschen Markt und heute mit rund 1000 Standorten in 110 Städten vertreten. Superposter werden stets einzeln und in mindestens 3 m Höhe in Blickrichtung des Verkehrs angebracht. Damit besitzen sie eine sehr gute Sichtbarkeit und eine enorme Fernwirkung. Über 70 % der Superposter sind beleuchtet, sodass ihre ohnehin große Wirkung dadurch in der Nacht noch einmal verstärkt wird
Abb. 21 Beispiel Superposter (Quelle: Fachverband Aussenwerbung e. V.)
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(vgl. Superposter Out-of-Home Media GmbH 2013; Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013b; Unger et al. 2013, S. 255). Die größten Plakatformate stellen Riesenposter dar (vgl. Abb. 22). Dies sind Plakate, die größer als das Format 40/1 (40 × DIN A1, 5,26 × 3,72 m) sind. Neben häufig zu sehenden Formaten mit einigen zehn Quadratmetern reichen Riesenposter in Form von bedruckten Vinylnetzen an Häuserfluchten bis zu mehreren hundert Quadratmetern oder sogar mehreren tausend Quadratmetern. Die Flächen sind heute i. d. R. beleuchtet. Zentraler Vorteil der Riesenposter ist aufgrund des Formates eine größtmögliche Aufmerksamkeit. So werden Plakate laut einer aktuellen Studie von PosterSelect insbesondere aufgrund ihrer Größe wahrgenommen. Erstmals wurden Riesenposter 1993 auf dem deutschen Markt präsentiert. Mittlerweile sind sie mit ca. 1000 Stellen fester Bestandteil im Erscheinungsbild der Großstädte und an Hausgiebeln, Fassaden, Kaufhäusern, Bahnhöfen, Flughäfen sowie temporär an Baustellen und Sanierungsprojekten zu finden. Auf Riesenposter kann Werbung nicht nur präsentiert, sondern inszeniert werden, indem Licht-, Sound- und 3D-Effekte sowie Dampf oder Nebel erzeugenden Maschinen (vgl. Abb. 23) eingesetzt werden, um auf vielfache Weise die Aufmerksamkeit für die Werbebotschaft zu steigern (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013b; PosterSelect 2013a, S. 7; Unger et al. 2013, S. 255 f.). Die auf einem Betonsockel stehende Allgemeinstelle (Litfaßsäule) ist ein zylindrischer Werbeträger, der zwischen 2,60 und 3,60 m hoch ist, einen Umfang zwischen 3,60 und 4,30 m aufweist und i. d. R. an Plätzen mit hohen Fußgängerfrequenzen steht (vgl. Abb. 24). Allgemeinstellen sind direkte „Nachfahren“ der vor über 150 Jahren (1855) erfundenen Litfaßsäule. Der Name Litfaßsäule geht auf den deutschen Unter-
Abb. 22 Beispiel Riesenposter (Quelle: Ströer Media AG)
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Abb. 23 Beispiel Riesenposter mit Spezialeffekten (Dampf) (Quelle: Ströer Media AG; BlowUP media GmbH)
nehmer Ernst Litfaß zurück. Dieser galt im 19. Jahrhundert als Pionier und Begründer der Werbung im öffentlichen Raum (vgl. Damm und Siebenhaar 2005, S. 93; Knierbein 2010, S. 86 f.). Dementsprechend handelt es sich um das traditionsreichste Medium der Außenwerbung. Während die Litfaßsäule ursprünglich als zentrale Anlaufstelle für öffentliche Bekanntmachungen diente, tragen die deutschlandweit 36.468 Allgemeinstellen heute eine Vielzahl unterschiedlichster Informationen wie Theater-, Opern- und Kinoprogramme sowie Werbung lokaler Händler und Veranstalter in die Öffentlichkeit. Bis
Abb. 24 Beispiel Allgemeinstelle (Litfaßsäule) (Quelle: Ströer Media AG)
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heute ist das besondere Kennzeichen der Allgemeinstelle, dass sie von mehreren Werbungtreibenden gleichzeitig genutzt und mit Motiven in unterschiedlichen Formaten von 1/1 (1 × DIN A1, 0,59 × 0,84 m) bis zu 6/1 (6 × DIN A1, 1,19 × 2,52 m) belegt werden kann (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013b; Ströer 2013b; Unger et al. 2013, S. 253 f.). Im Gegensatz zur Allgemeinstelle ist die Ganzsäule dadurch gekennzeichnet, dass die gesamte Fläche exklusiv von einem Kunden genutzt wird (vgl. Abb. 25). Den oberen Abschluss der Säule bildet eine leicht überstehende runde Platte, die z. B. für zusätzliche werbliche Effekte wie 3D-Installationen genutzt werden kann. An besonders attraktiven Standorten sind einige der Säulen nachts be- oder hinterleuchtet. In der Regel werden 4/1- bis 8/1-Bögen, teilweise auch 12/1-Bögen zur Plakatierung genutzt. Auf Säulen werden häufig drei 6/1-Plakate angebracht, damit die Werbebotschaft aus allen Richtungen erkennbar ist. In einigen Fällen wird auch die gesamte Säule mit einem Motiv bestückt. Insbesondere kreative Umsetzungen sind im Vergleich zur Allgemeinstelle mit Ganzsäulen möglich. So kann die Säule zu einer zu einer Wasserflasche, zu einem Münzen- oder Reifenstapel sowie zu einem Lippenpflege- oder Klebestift werden (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013b; Ströer 2013b). Seit einigen Jahren existieren Säulen in hochmoderner Anmutung mit Vitrinencharakter und Hinterleuchtung, die teilweise auch rotierend sind. Diese als Premium-CityLight-Säulen (PCLP) bezeichneten Werbeträger haben durch die besondere Präsentation der Inhalte Schaufenstercharakter (vgl. Abb. 26). Sie sind an hoch frequentierten Standorten, vorzugsweise in großen Städten, anzutreffen. Plakatiert werden hier bis zu 6 CityLight-Poster (1,19 × 1,75 m) beziehungsweise bis zu 3 Plakate im Format 8/1 (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013b; Ströer 2013b; Unger et al. 2013, S. 254). Werbetürme sind Plakatwerbeträger, die an Deutschlands stark befahrenen Autobahnen stehen und auf einer Werbefläche von bis zu 224 Quadratmetern in einer Höhe von
Abb. 25 Beispiele Ganzsäule (Quelle: Ströer Media AG; Fachverband Aussenwerbung e. V.)
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Abb. 26 Beispiel Premium-City-Light-Poster (Quelle: Ströer Media AG)
35–60 m die Werbebotschaft präsentieren (vgl. Abb. 27). Werbetürme sind beleuchtet und damit wetter- und tageszeitunabhängig weithin sichtbar. Sie haben aufgrund des werbearmen Umfeldes eine hohe Alleinstellung sowie aufgrund der frequenzstarken Standorte hohe Kontaktzahlen. So erzielt eine Kampagne bei einer kompletten Netzbelegung der weniger als 20 aktuellen Werbetürme in Deutschland 54 Mio. Kontakte pro Monat (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013b; B.A.B. MAXIPOSTER Werbetürme GmbH 2013). Die vorgestellten Plakatwerbeträger lassen sich nicht nur separat belegen, sondern auch in einer integrierten Plakatkampagne kombinieren. Stellvertretend hierfür steht die größte Plakatkampagne, welche bis dato je in Deutschland durchgeführt wurde. Das beworbene Produkt war der neue Toyota Auris. In Summe wurden im Rahmen der Kampagne 220.000 Out-of-Home-Werbeträger belegt. Der Durchschnitt für eine deutschlandweite Kampagne liegt bei ca. 8.000. Die Plakatwerbeträger setzten sich u. a. aus City-LightPostern, City-Light-Boards/Mega-Lights, Großflächen, Panoramaflächen, Superpostern, Ganzsäulen und City-Light-Säulen zusammen. Mit einer bedruckten Fläche von etwa 2,5 Mio. Quadratmetern hätten alle Papierbögen aneinander gelegt ausgereicht, um eine Strecke von Hamburg bis München abzudecken (vgl. KL Druck 2010).
4.2.2 Hinweismedien Eine weitere Gruppe von Out-of-Home-Medien sind Hinweismedien. Darunter werden Werbeträger zusammengefasst, die das direkte Ziel verfolgen, dem Rezipienten einen Handlungsimpuls zu geben (z. B. spontanes Mittagessen in einem Schnellrestaurant) oder ihn bei einer bereits stattfindenden Handlung (z. B. Fahrt zu einem neuen Supermarkt)
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Abb. 27 Beispiel Werbeturm (Quelle: Fachverband Aussenwerbung e. V.)
zu unterstützen. Hinweismedien müssen eindeutig sein, da sie ansonsten ihren originären Zweck verfehlen. Im Zuge dessen werden bereits existierende Objekte genutzt oder als Medium selbst installiert, wie z. B. Fahrradständer, Firmenwegweiser, Mastwerbung, Parkhauswerbung, Schaltschränke und Uhrenwerbung (vgl. Abb. 28). Darüber hinaus können auch alle gängigen Plakatformate als Hinweismedium eingesetzt werden (vgl. Ströer 2013c). Durch die gezielte Platzierung an Orten, an denen Entscheidungsprobleme der Rezipienten direkt adressiert werden, kann mit Hinweismedien teilweise eine höhere Kontaktqualität erzielt werden. Nachteilig ist die sehr komplexe Auswahl der optimalen Platzierung. Dies liegt daran, dass der Zeitpunkt, in welchem beim Rezipienten das Entscheidungsproblem auftritt, genau vorhergesagt werden muss. Zudem ist die Werbebotschaft bei Hinweismedien sehr begrenzt und muss auf einen Blick eine Entscheidung ermöglichen.
4.2.3 Transportmedien Das Out-of-Home Medium der Transportmedien (auch Verkehrsmedien) geht bin in das 19. Jahrhundert zurück. Während früher an in Großstädten im Linienverkehr eingesetzten Pferdedroschken geworben und ab 1866 die Eisenbahnwagen der dritten Klasse zur „geschäftlichen Ankündigung“ genutzt wurden, wird heutzutage auf und in Bussen und Bahnen des Öffentlichen Personennahverkehrs, auf Fernzügen, Lkws und Taxen geworben (vgl. Unger et al. 2013, S. 251). Transportmedien können allein oder in Kombination mit Plakatkampagnen genutzt werden, um die Kommunikationskette zu verlängern und zu
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Fahrradständer
Uhrenwerbung
Mastwerbung
Firmenwegweiser
Abb. 28 Beispiele Hinweismedien (Quelle: Ströer Media AG)
erweitern (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013c). Neben den direkt an Verbrauchermärkten platzierten Plakatmedien gehören die Transportmedien zu den Medien, die unmittelbar vor dem Point of Sale wahrgenommen werden, womit sie Produktinteresse und Kaufimpulse direkt auf dem Weg zur Verkaufsstelle auslösen können (vgl. Unger et al. 2013, S. 274). Erreicht werden mit Transportmedien mobile Zielgruppen insbesondere auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkaufen und auf dem Weg zu Freizeitaktivitäten (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2007, S. 5). Vorteile von Transportmedien liegen in hohe Reichweiten, da die Werbung innerhalb kurzer Zeit große Teile der Bevölkerung anspricht und häufige Mehrfachkontakte die Werbewirkung unterstützen. Für eine Ganzgestaltung von Bus und Straßenbahn gehört mehr als die Hälfte der Bevölkerung zwischen 14 und 69 Jahren aus Städten mit mehr als 50.000
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Einwohnern zum weitesten Seherkreis (3 Monate). In Hamburg werden in einem Monat beispielsweise 31,8 % der 14-69-Jährigen mit einer Standardbelegung von einem Bus, der mit Ganzgestaltung versehen ist, erreicht. Ein Mix verschiedener Fahrzeuge erzielt sogar Reichweiten von bis zu 70 % (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2007, S. 3 f., 2013c). Wie bei den Plakatmedien können Transportmedien für mobile Kampagnen national, regional und lokal eingesetzt werden, sodass eine örtliche Flexibilität vorhanden ist. Darüber hinaus tragen Transportmedien zu einer ästhetischen Aufwertung der sonst eher als nüchtern empfundenen Werbeträger bei, sodass Transportmedien auf positive Resonanz in Form von Akzeptanz und Sympathie der Betrachter stoßen (vgl. Unger et al. 2013, S. 274). Nachteilig ist zum einen die Beschränkung der Werbebotschaft, speziell für die Außenwerbung an Fahrzeugen. Durch den sehr kurzen Kontakt mit den Rezipienten muss die Botschaft sehr stark reduziert werden. Bei der Innenwerbung in Fahrzeugen kommt es demgegenüber meist zu längeren Kontakten. Ebenfalls nachteilig ist die eingeschränkte zeitliche Flexibilität. So werden Laufzeiten von drei Jahren empfohlen, um die monatlichen Gesamtkosten inklusive der einmaligen Investitionskosten für die Anbringung der Werbung möglichst gering zu halten (vgl. Unger et al. 2013, S. 275). Die Werbemöglichkeiten umfassen standardisierte Boards und Banner bis zu vollständigen Fahrzeug-Gestaltungen sowie klassische und innovative Werbeformen im Innenraum, wie z. B. bedruckte Halteschlaufen, Haltestangen-Anhänger (Swing Cards) oder Sitz-Pads. Mit Verknüpfungen verschiedener Formate lässt sich die Wirkung des Werbeauftrittes deutlich steigern, bis hin zum extrem aufmerksamkeitsstarken, individuellen Total Branding, das sich wachsender Beliebtheit erfreut. Hierbei erfolgt die vollständige Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Außen- und Innengestaltungsmöglichkeiten eines Fahrzeuges (z. B. Bus, Bahn, Taxi) mit einem einheitlichen Konzept. Bedeutende Transportmedien sind Busse und Bahnen (Straßenbahnen, S- und U-Bahnen) des Öffentlichen Personennahverkehrs, Lkws und Taxen (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013c). Die bekanntesten und am weitesten verbreiteten Vertreter der Transportmedien sind Busse und Bahnen des ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr). Diese sind fast rund um die Uhr im Einsatz und werden insbesondere von jüngeren Zielgruppen genutzt. Werbebotschaften können sowohl an den Außenflächen der Fahrzeuge als auch im Innenraum platziert werden. Die Belegung kann nach Städten, Regionen oder national, in Einzelfällen auch unter Auswahl einzelner Verkehrslinien erfolgen (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013c; Ströer 2013d). Neben dieser Selektionsmöglichkeit liegt ein weiterer Vorteil von Werbung an den Außenflächen von Bussen und Bahnen darin, dass diese nicht nur von den Fahrgästen, sondern auch von allen anderen Verkehrsteilnehmern wahrgenommen wird. So wird Werbung auf öffentlichen Verkehrsmitteln laut einer aktuellen Umfrage nicht nur beim Warten auf Bus und Bahn an der Haltestelle an der Straße (70,7 %), beim Warten auf U-Bahn und Zug im Bahnhof am Gleis (48,7 %) oder beim Sitzen in Bus, Bahn, Zug (59,1 %) wahrgenommen, sondern auch beim Vorbeigehen als Fußgänger (54,8 %), beim Vorbeifahren mit dem Pkw (42,2 %) sowie beim Vorbeifahren mit dem
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Fahrrad (19,6 %) (vgl. PosterSelect 2013b, S. 5). Über Bahnen des ÖPNV hinaus können sogar Loks im Fernverkehr mit Ganz- oder Teilgestaltungen versehen werden. Werbemöglichkeiten bei Bussen und Bahnen des ÖPNV sind außen die Ganz- und Teilgestaltung, Traffic Boards, Traffic Banner und Heckflächenwerbung sowie innen Deckenflächen-, Seitenscheiben- und Trennscheibenplakate, Swing Cards, Swing Ads, Seat Ads sowie Poster und Prospekte. Bei einer Ganzgestaltung (vgl. Abb. 29) wird das gesamte Fahrzeug vollständig mit der bedruckten Werbefolie beklebt. Sogar die Fensterflächen können zum Teil mit einer speziellen, von innen transparenten Folie beschichtet werden. Diese Folien ermöglichen es den Fahrgästen, von innen durch die Fenster zu sehen. Von außen lässt sich hingegen die Werbefläche wahrnehmen. Dies hat den Vorteil, großflächig Fahrzeuge des ÖPNV als Werbeflächen nutzen zu können, ohne den Komfort der Fahrgäste zu sehr einschränken zu müssen. Wegen des Produktionsaufwandes und der damit einhergehenden Kosten ist eine Ganzgestaltung vor allem bei längerfristigen Kommunikationszielen wie Imagewerbung sinnvoll (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013c; Ströer 2013d). Bei einer Teilgestaltung werden die Rumpfflächen unterhalb der Fenster, die Heckflächen sowie – sofern vorhanden – teilweise der Dachkranz oberhalb der Fenster plakatiert bzw. beklebt. Hierbei können auch Teile der Fensterflächen in das Motiv miteinbezogen werden. Gegenüber Ganzgestaltungen sind Teilgestaltungen schnell und relativ einfach realisierbar, weswegen sie vor allem für aktionsbezogene Werbung geeignet sind (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013c; Ströer 2013d). Traffic Boards (vgl. Abb. 30) gibt es in unterschiedlichen Formaten. Sie reichen vom City-Light-Poster-Format (4/1) bis hin zum Großflächen-Format (18/1) und entsprechen
Abb. 29 Beispiel für eine Ganzgestaltung einer Straßenbahn (Quelle: Ströer Media AG)
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damit vom Format her den beiden gängigsten Plakatwerbeträgern. 4/1-Traffic Boards werden entweder auf der Einstiegsseite oder auf der Heckfläche platziert. Damit können Motive einer City-Light-Poster-Kampagne direkt übernommen werden. 18/1-Traffic Boards werden auf der Fahrbahnseite unter Einbeziehung von Rumpf- und Fensterflächen angebracht. Als Zwischenlösung zwischen dem ca. 9 m2 großen 18/1-Format und dem ca. 2 m2 großen 4/1-Format gibt es auch 4 m2 große Traffic Boards, die in Form der gesamten Gestaltung der Heckfläche inklusive des Heckfensters erfolgen (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013c; Ströer 2013d). Traffic Banner (vgl. Abb. 31) stellen ein Standardformat innerhalb der Transportmedien dar und sind im Format 1,75 × 0,50 m unterhalb der Fensterlinie von Bussen und Bahnen sowie auf der Heckfläche von Bussen angebracht. Sie zeichnen sich durch kurze Produktionszeiten, einfache Planung und Buchung von Kampagnen aus (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013c; Ströer 2013d). Heckflächenwerbung stellt Werbung auf der Heckfläche eines Busses dar, die abhängig von dem Typ bzw. der Bauart des Busses ist (vgl. Ströer 2013d). Neben der Außenfläche bietet auch der Innenraum der Fahrzeuge eine Vielzahl an Möglichkeiten für Werbeträger. Zunächst sind in diesem Zusammenhang Plakate im Innenraum zu nennen. Diese können insbesondere an der Decke oder an den Seitenscheiben angebracht werden (vgl. Abb. 32). Deckenflächenplakate sind als einseitig bedruckte Plakate in Bussen und Bahnen an prominenter Stelle direkt über den Fenstern im Sitzbereich und in Augenhöhe der stehenden Fahrgäste zu finden. Seitenscheibenplakate
Abb. 30 Beispiel für Traffic Boards (Quelle: Ströer Media AG)
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Abb. 31 Beispiel für Traffic Banner (Quelle: Ströer Media AG)
sind doppelseitig bedruckte Selbstklebefolien in den Fenstern und mit einem Format von 0,50 × 0,15 m bundesweit standardisiert (vgl. Ströer 2013d). Des Weiteren können im Innenraum Swing Ads, Swing Cards und Seat Ads zum Einsatz kommen. Während Swing Ads Halteschlaufen in Bussen und Bahnen sind, auf die Werbung aufgedruckt ist und die den Ausstattungs- bzw. Sicherheitsartikel somit in ein Werbemittel verwandeln, handelt es sich bei Swing Cards um doppelseitig bedruckte Werbeanhänger im Türhängerformat (wie im Hotelgewerbe üblich), die an den Gepäcknetzen, Haltestangen oder Kleiderhaken hängen und zur Mitnahme geeignet sind (vgl. Abb. 33). Schließlich können auch weitere Werbemittel wie Seat Ads (Werbung auf den
Abb. 32 Beispiele für Deckenflächen- und Seitenscheibenplakate (Quelle: Ströer Media AG)
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
Swing Ads
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Swing Cards
Abb. 33 Beispiele für Swing Ads und Swing Cards (Quelle: Ströer Media AG)
Sitzen), Back Seat Ads (Werbung auf der Rückseite von Sitzen), Bus- und Train-Poster im Format A2 sowie Prospekte zum Einsatz kommen (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013c; Ströer 2013d). Neben öffentlichen Verkehrsmitteln stellen auch Lastkraftwagen (Lkw) Transportmedien dar. Spezialisierte Out-of-Home-Agenturen vermitteln die Werbeflächen auf ausgewählten Lkw von Speditionen. Dabei werden die Seiten- und Heckflächen mit Werbefolien beklebt oder mit bedruckten Werbeplanen bespannt (vgl. Abb. 34). Von der Buchungen einer kompletten Heckfläche über die Buchung der Heck- und einer Seitenfläche bis hin zur Buchung der Heck- und beider Seitenflächen reichen hierbei die Optionen. Hierbei wird auch mit reflektierenden Folien als Teil- oder Komplettgestaltung gearbeitet, weswegen die Werbung rund um die Uhr zu sehen und bei Dunkelheit häufig alleiniger Blickfang auf den Straßen ist. Neuartige Rahmensysteme ermöglichen einen schnellen Motivwechsel, sodass Buchungen teilweise bereits wochenweise möglich sind und dem Medium Flexibilität geben. In Bezug auf die Werbewirkung ermöglicht Lkw-Werbung einen kontinuierlichen Reichweitenaufbau mit Langzeitwirkung. Dies ergibt sich aufgrund der überdimensionalen Präsentation der Werbebotschaft mit bis zu 80 m2 großen Flächen, der hohen Fahrleistung mit bis zu 240.000 km pro Jahr sowie der attraktiven Routen von und zu Gewerbegebieten oder Innenstädten über viel befahrene Autobahnen und Landstraßen. Hauptzielgruppe der Lkw-Werbung ist die mobile Bevölkerung mit überdurchschnittlichem Einkommen (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013c). Von den ca. 55.000 Taxen, die i. d. R. an sieben Tagen in der Woche und 16 h pro Tag in Deutschland unterwegs sind, können zwischen 15.000 und 20.000 dieser Fahrzeuge bundesweit mit Werbung in verschiedenen Formaten für die Außenflächen und den Innenraum belegt werden (vgl. Abb. 35). Eingesetzt werden hierzu bedruckte, selbstklebende Werbefolien auf dem Fahrzeug. Die Seitenwerbung erfolgt klassischerweise mit Folienstreifen im Format 1,60 × 0,30 m sowie 1,60 × 0,40 m, die an beiden Fahrzeugseiten unterhalb der Fenster angebracht werden. Die Türen können allerdings auch komplett mit
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Abb. 34 Beispiel für eine Komplettgestaltung eines Lkw (Quelle: Profiel Werbemanagement 2018)
einem DoorCover genannten Motiv belegt werden. Seit kurzem erst ist darüber hinaus die Beklebung der Fensterflächen mit WindowAds gestattet, wobei die Sicht des Fahrgastes nach außen durch die Lochfolie nicht eingeschränkt ist und somit auch für den Taxifahrer verkehrssichere Durchsicht von innen gewährleistet ist. Für Dachwerbeträger werden seit 2001 in Deutschland gedruckte Plakatmotive im Format 0,85 × 0,35 m deutlich sichtbar über dem Verkehrsstrom platziert. Mit der Farbfreigabe für Taxiwerbung in einer zunehmenden Anzahl von Bundesländern können anstelle der bisher üblichen Lackierung in Hellelfenbein auch andere Farben beispielsweise bestimmter Marken und Unternehmen lackiert werden. Auch im Innenraum von Taxen werden die Rückseiten der vorderen Kopfstützen durch vielseitig, auch dreidimensional gestaltbare Kopfstützenbezüge oder die Rückenlehnen als Werbeträger genutzt sowie Flyer im Innenraum platziert.
4.2.4 Ambient Medien Eine weitere innovative Form moderner Out-of-Home-Medien sind die in den letzten Jahren vermehrt eingesetzten Ambient Medien (vgl. Wehleit 2004, S. 32). Hier werden unkonventionelle Werbeträger, die traditionell nicht als solche betrachtet werden, ein-
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Seitenwerbung
Door Cover
Dachwerbeträger
Total Branding
WindowAd
Kopfstützenbezug
Rückenlehnenwerbung und Flyer
Abb. 35 Beispiele für Taxiwerbung (Quelle: TAXi-AD International)
gesetzt. Sie sprechen den Nachfrager in seiner direkten Lebensumwelt an (dies beschreibt der Begriff „ambient“) und begegnen den Menschen häufig in Situationen, in denen ansonsten keine werbliche Ansprache zu erwarten ist (vgl. Koschnick 2009, S. 1978; Fachverband Ambient Media e. V. 2011, S. 24). Damit fügen sie sich besonders gut in seine Mediennutzungs-, Konsum- und Freizeitgewohnheiten ein, während klassische Werbefor-
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
men diese unterbrechen, wie z. B. der TV-Werbespot das Abendprogramm (vgl. Bashford 2010, S. 28 f.). Dies erhöht die Kontaktqualität und Werbeakzeptanz und damit die Bekanntheit und Sympathie (vgl. It Works GmbH 2004, S. 12 ff.). Ambient Medien wird insbesondere eine gute Eignung für die Produktneueinführung in den Branchen Konsumgüter, Gastronomie/Tourismus, Nahrungs-/Genussmittel, Telekommunikation, Medien sowie Textil/Bekleidung/Mode attestiert (vgl. Fachverband Ambient Media e. V. 2011, S. 29 und S. 35). Die Zielgruppe der Ambient Medien sind primär junge Menschen unter 25 Jahren und danach die Bevölkerung mittleren Alters von 25 bis unter 50 Jahren (vgl. Fachverband Ambient Media e. V. 2011, S. 40). Zu den Orten, an denen Ambient Medien eingesetzt werden, zählen öffentlich zugänglichen Straßen und Plätze, gastronomische Einrichtungen, Kinos, Tankstellen, Fitnesscenter, Flughäfen, (U)-Bahnhöfe, Schulen/Universitäten, Bäckereien, Hotels, Supermärkte, Bars, Schwimmbäder, Videotheken und kulturelle Einrichtungen (vgl. Fachverband Ambient Media e. V. 2011, S. 58). Beispiele für mögliche der über 150 Ambient Medien sind an diesen Orten Aufsteller, Banner, Bodengrafiken, Duschraumwerbung, lebensgroße Aufkleber, Plakatrahmen, Samplings, Spiegel- und Spindwerbung, Thekenaufsteller, Toilettenplakate, gebrandete Tische, Getränkeuntersetzer, Gratispostkarten, hinterleuchtete Plakate, Stahlblechplakate, Tischaufsteller usw. (vgl. Fachverband Ambient Media e. V. 2013). Ein innovatives Beispiel für Ambient Medien stellt die Kooperation vom Outdoor Equipment-Hersteller Vaude mit der TUIfly dar (vgl. Abb. 36). Nachteilig fallen jedoch die höheren Kosten ins Gewicht, da im Gegensatz zur Plakatwerbung das Standardisierungspotenzial sehr gering ist. Die Kontaktzahl ist auf Kos-
Abb. 36 Beispiel Ambient Medien (Quelle: Vaude Sport GmbH & Co. KG; TUI Deutschland GmbH)
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ten der höheren Kontaktqualität ebenfalls eingeschränkt. Außerdem ist die kommunizierte Werbebotschaft begrenzt. Ein weiterer Nachteil besteht im hohen Koordinationsaufwand. Da bei Ambient Medien i. d. R. mit mehreren kleinen Anbietern gearbeitet wird, ist die Steuerung deutlich komplexer, als bei einer großflächigen Plakataktion, bei welcher lediglich ein großer Anbieter kontaktiert wird.
4.2.5 Digital Out-of-Home Die Einführung klassischer Lichtwerbung Ende des 19. Jahrhunderts gilt als erster Schritt der Elektronisierung von Out-of-Home-Medien. Hierzu zählten beleuchtete Schriften und Formen an Gebäuden, Bushaltestellen und Telefonzellen. Im Zuge der Digitalisierung kamen in den vergangenen Jahren viele neuartige Formen von Out-of-Home-Medien hinzu. Während klassische Out-of-Home-Medien lediglich Momentaufnahmen in Bildform vermitteln, können digitale Out-of-Home-Medien z. B. durch Filme Bewegung in die Vermittlung der Kommunikationsbotschaft bringen (vgl. Hampp 2010, S. 48). Dies führt zu einer stärkeren Aktivierung der Nachfrager und lenkt die Aufmerksamkeit des Rezipienten stärker auf die Werbung. Darüber hinaus erlauben digitale Out-of-Home-Medien eine größere Variabilität der Inhalte. Es lassen sich verschiedene Anzeigen, Videos und weitere Einspieler auf ein digitales Speichermedium (z. B. eine Festplatte) speichern. Von diesem werden letztlich die Inhalte der Medien abgespielt. Die Vielfalt gezeigter Inhalte ist demnach größer als bei klassischen Out-of-Home-Medien (vgl. Brandweek 2009, S. 2). Dabei unterstützten der technische Fortschritt und sinkende Kosten den Trend zu digitalen Out-of-Home-Medien (vgl. Unger et al. 2013, S. 268). Nachteilig ist die hohe Abhängigkeit von Technik und Strom. Digitale Out-of-HomeMedien können technische Fehlerquellen in sich bergen. Fällt z. B. ein Flachbildschirm aus, werden keine Werbebotschaften mehr angezeigt. Diese Form von Out-of-Home-Medien ist demnach im Vergleich zu klassischen Plakatwerbeträgern deutlich fehleranfälliger. Viele digitale Medien entfalten zudem ihre Wirkung vor allem im Dunkeln. Dies gilt auch für Videobildschirme, welche aufgrund schwacher Kontraste bei normalem Tageslicht ihre Wirkung nicht voll entfalten können. Letztlich sind digitale Out-of-HomeMedien auch deutlich teurer als klassische. In Bezug auf die Wahrnehmung kommt eine US-amerikanische Studie zum Ergebnis, dass etwa zwei Drittel aller Befragten zwischen 18 und 34 Jahren mindestens einmal monatlich ein Out-of-Home-Videodisplay wahrnehmen (vgl. Williams 2009, S. 4). Auch eine aktuelle Studie von PosterSelect kommt für Deutschland zum Ergebnis, dass 65 % der Befragten Werbung auf digitalen Bildschirmen in der Öffentlichkeit wahrgenommen hat. Bahnhöfe und Flughäfen sind dabei die Orte, an denen Nachfrager digitale Bildschirme im öffentlichen Raum am häufigsten registrieren. Inhaltlich sind den Befragten insbesondere Produktinformationen (61 %), aktuelle Nachrichten (56 %), Wetterinformationen (49 %), Kaufempfehlungen (34 %), Veranstaltungshinweise (29 %) und Sonderangebote (19 %) aufgefallen (vgl. PosterSelect 2013c, S. 3 und S. 5 f.). Insgesamt ist in 2013 mit über 100.000 installierten Bildflächen eine große Anzahl an digitalen Out-of-Home-Medien im Bestand. Hierzu gehören über 64.000 digitale Out-of-
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Home-Medien am PoS (z. B. EDEKA-Märkte, Reisebüros, Verbrauchermärkte, REWEFilialen, Lotto-Annahmestellen, Media-Markt und Saturn), über 10.000 in Bahnen und Busse sowie an Bahnhöfen, knapp 9000 an Hochschulen, Kasernen und Schulen, über 5000 an Straßen und Autobahnen, über 5000 in Arztpraxen, knapp 4000 in Freizeiteinrichtungen (z. B. Kino, Fitness-Studio, Sonnenstudio, Operettenhaus, Friseur), 3000 in Restaurants (z. B. McDonald’s, Burger King), über 2000 in Shopping-Malls, knapp 1000 an Flughäfen sowie ca. 500 in Flugzeugen. Exemplarisch werden von den zahlreichen digitalen Out-of-Home-Medien digitale Großbildflächen, Flachbildschirme in Bussen und Bahnen des ÖPNV, Out of Home Channel (Station Video/Mall Video), Autobahn-Channel und Bluetooth-Plakate vorgestellt (vgl. Unger et al. 2013, S. 268; PosterSelect 2013d; Ströer 2013e; Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013d). Digitale Großbildflächen wie Infoscreen, Videoboards und digitale City-Light-Poster und -Boards sind die digitale Version von Plakaten. Infoscreen (vgl. Abb. 37) sind an zentralen, hoch frequentierten Knotenpunkten des U- und S-Bahnnetzes sowie an ausgewählten Fernbahnhöfen und Flughäfen platziert. Zielgruppe dieser Medien sind die Reisenden in Wartesituationen, was dem Medium eine gesteigerte Kontaktqualität sichert, da diese für Abwechslung und Verkürzung der Wartezeit dankbar sind (vgl. Hampp 2010, S. 48). Die Inhalte der sich wiederholenden und auf die Wartezeit der Reisenden abgestimmten Sendeschleifen bestehen meist aus einer Zusammenstellung von aktuellen Nachrichten, Wettervorhersagen, Fahrgastinformationen, Lifestyle- und Kulturtipps, Veranstaltungshinweisen und Werbung. Der Werbeanteil beispielsweise bei Infoscreen ist jedoch auf ein Drittel begrenzt. Videoboards sind videofähige LED-Großbildsysteme,
Abb. 37 Beispiel Infoscreen (Quelle: Ströer Media AG)
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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die aufgrund der bewegten Bilder und der enormen Leuchtkraft für Aufmerksamkeit rund um die Uhr sorgen. Zielgruppe sind mobile Personen in den Innenstädten, insbesondere Autofahrer und Pendler, die sich beruflich oder privat in der City bewegen. Digitale City-Light-Poster und digitale City-Light-Boards sind LED-Großbildsysteme im CityLight-Poster- bzw. City-Light-Board-Format (vgl. Unger et al. 2013, S. 268; Ströer 2013e; Infoscreen 2013a; WallDecaux 2013a; Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013d). Zu den mobilen digitalen Out-of-Home-Medien zählen u. a. die in den Waggons von Bussen und Bahnen des ÖPNV eingesetzten Flachbildschirme (vgl. Abb. 38). Dabei werden durch die Digital Multimedia Broadcast (DMB)-Technik online Inhalte eingespielt, die einen Programm-Mix ohne Ton zeigen. Diese lassen sich zeitlich individuell auf die Fahrgäste anpassen. So ist vorstellbar, dass sich die digitale Werbung in Bussen und Bahnen am Freitag und Samstagabend stärker auf das junge, aktive Publikum ausrichtet, welches den ÖPNV nutzt, um wegzugehen und zu feiern. Morgens unter der Woche, wenn ein Großteil der arbeitstätigen Bevölkerung den ÖPNV nutzt, kann hingegen ein anderer werblicher Schwerpunkt gesetzt werden. Die Flexibilität der Botschaftsgestaltung ist demnach durch die Möglichkeit der Speicherung und zeitversetzten Abspielung medialer Inhalte deutlich größer. Nachteilig ist die hohe Abhängigkeit von der Technik. Da relativ hohe Anfangsinvestitionen notwendig sind, ist die aktuelle Reichweite durch die bisher noch begrenzte Verfügbarkeit mobiler, digitaler Werbeträger sehr gering. Die Kosten sind sowohl im Vergleich zu den meisten stationären Medien als auch im Vergleich zu herkömmlichen mobilen Medien sehr hoch. Inhaltlich wird auf den Flachbildschirmen ein Programm aus redaktionellen Informationen, Unterhaltung und Werbung, ergänzt um Informationen über Streckenverlauf, Umsteigemöglichkeiten und Haltestellen gezeigt. Neben dem ÖPNV können Flachbildschirme auch in Taxis eingesetzt werden (vgl. Unger et al. 2013, S. 268; Ströer 2013e; J&S Dialog-Medien GmbH 2012).
Abb. 38 Beispiel Flachbildschirme im ÖPNV (Quelle: Ströer Media AG)
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Der Out-of-Home-Channel am Bahnhof (Station Video) ist ein neues Medium der digitalen Out-of-Home-Medien. OC Station besteht aus synchron geschalteten elektronischen Screens speziell in frequenzstarken Bahnhofsbereichen (vgl. Abb. 39). Dabei sollen jeweils mehrere Bildflächen im Blickfeld der Passanten liegen. Vorteile liegen in der erstklassigen Bildqualität (Auflösung in Full HD, Kontrast, Farbwiedergabe), der robusten Bauweise, dem synchronisierten Betrieb mehrerer Flächen sowie der kurzfristigen Buchung und Schaltung. So werden die Vorlaufzeiten durch die digitale Einbuchung für Kampagnen praktisch auf null reduziert. Darüber hinaus können die Werbetreibenden ihre Botschaften regionalspezifisch und zielgruppenspezifisch einsetzen, da mittels Marktforschungsdaten die täglichen Besucherströme der Bahnhöfe durch entsprechende Buchung zielgruppenspezifisch angesprochen werden können. Dies können beispielsweise zur Rush-Hour die Berufstätigen, zur Mittagszeit Schüler und Familien, abends die Nachtschwärmer und Kulturhungrigen oder am Wochenende die Einkaufsfreudigen sein (vgl. Ströer 2013e; PosterSelect 2013d; Infoscreen 2013b). Der Out-of-Home-Channel in Shopping-Centern (Mall Video) verlängert Kampagnen bis zum Point of Sale, sodass Nachfrager durch diese flexibel aktualisierbare digitale Werbung unmittelbar zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung im Shopping-Center angesprochen werden können (vgl. Abb. 40). Mit OC Mall können ca. 10 Mio. CenterBesucher pro Woche als potentielle Kunden in aktuell 59 hochwertigen Shopping-Centern
Abb. 39 Beispiel Out-of-Home-Channel am Bahnhof (OC Station) (Quelle: Ströer Media AG)
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Abb. 40 Beispiel Out-of-Home-Channel in Shopping-Centern (Mall Video) (Quelle: Ströer Media AG)
in Deutschland erreicht werden. Neben an der Decke hängenden querformatigen Bildflächen kommen auch hochformatige 2,50 m hohe Großbildschirme zum Einsatz (vgl. Ströer 2013f, S. 4 ff.). Unter Autobahn-Channel (vgl. Abb. 41) werden die mehr als 3.000 digitalen Bildschirme an rund 350 Tank & Rast-Anlagen entlang der deutschen Autobahnen bezeichnet. Die Bildschirme stehen an den Mittelgondeln, an den Regalen der Tankstellen-Shops sowie in den stark frequentierten Zugangsbereichen zur Gastronomie. Bis zu 14 Screens sind dabei an einem Standort vorhanden. Mit einer zweiminütigen Programmschleife werden Besucher in Form eines Mix aus Nachrichten, Wetter und Werbung unterhalten. Tank & Rast verfügt damit aktuell über das drittgrößte digitale Werbenetz im deutschsprachigen Raum. Die Bruttoreichweite beträgt ca. 19,7 Mio. Besucher pro Woche (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013d).
4.2.6 Aktuelle Trends bei Out-of-Home-Medien Aktuelle Trends bei Out-of-Home-Medien umfassen den Trend zu umfeldbezogenen Konzepten (PoS, Bahnhof, Flughafen) und den Trend zu Interaktion. Bei den Trends zu umfeldbezogenen Konzepten werden einzelmediumübergreifend werbliche Konzepte für ein bestimmtes Umfeld angeboten. So wird ein bestimmtes Umfeld wie der Point of Sale, der Bahnhof oder der Flughafen werblich optimiert. Zum
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Abb. 41 Beispiel Autobahn-Channel (Quelle: Fachverband Aussenwerbung e. V.)
Einsatz kommen dabei die bereits dargestellten Out-of-Home-Medien, aber auch spezifische nur im jeweiligen Umfeld eingesetzte Medien. Umfeldbezogene Konzepte im Bereich Point of Sale werden als „at-retail“-Konzepte bezeichnet. Zu den „at-retail“-Medien zählen die Großflächen am PoS, Einkaufswagenwerbung, Floor Graphics, Instore TV, Instore Radio (vgl. Abb. 42) sowie Werbung auf Zapfpistolen („Fillboard“), Türen („Doormedia“) und Getränkerückgabeautomaten („Automatmedia“) von Tankstellen. Ebenso stellt der bereits bei digitalen Out-of-Home-Medien behandelte Out-of-Home-Channel in Shopping-Centern (OC Mall) ein „at-retail“Medium dar. Bei Großflächen am Point of Sale handelt es sich um klassische Plakate im Format 18/1, die außerhalb des Shopping-Centers direkt auf dem Parkgelände oder im unmittelbaren Umfeld stehen. Mit diesen Plakaten kann die Kommunikationskette zeitlich wie räumlich bis zur Kaufentscheidung verlängert werden und es ermöglicht Werbetreibenden am Point of Sale noch entscheidende Impulse zu setzen. Dem einfachen Handling und der guten Planbarkeit steht allerdings oft eine schlechte Platzierung am PoS entgegen. In 10.124 Outlets (22,6 %) sind Großflächen am Point of Sale verfügbar (vgl. Institut für Handelsforschung 2007, S. 37 und S. 41; It Works GmbH 2013). Floor Graphics sind rutsch- und abriebfeste Folien, die im Rahmen von „at-retail“Medien auf dem Boden im Regal-, Eingangs- oder Kassenbereich platziert werden. Diese kommt im Allgemeinen gut bei Kunden an, jedoch wird sie aufgrund ihrer Position
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
Großfläche am PoS
Floor Graphics
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Einkaufswagenwerbung
Abb. 42 Beispiele für „at-retail“-Medien in Shopping-Centern (Quelle: Fachverband Aussenwerbung e. V.; SUPPORTbyEXPERTS; POS Media Germany GmbH)
am Boden oft nicht wahrgenommen und ist aufwändig vor Ort umzusetzen. Floor Graphics können in mehr als 3.000 Outlets (ca 7 %) der deutschen Handelslandschaft gebucht werden (vgl. Institut für Handelsforschung 2007, S. 37 und S. 39; It Works GmbH 2013). Bei Einkaufswagenwerbung handelt es sich um laminierte Plakate, die in Blickrichtung innen und außen an der Stirnseite von Einkaufswagen befestigt sind. Diese können als Reminder auf dem Weg zum Regal eingesetzt werden, allerdings ist die Wahrnehmung durch Kunden beschränkt, da sich diese beim Einkauf auf die Regale und nicht auf den Einkaufswagen konzentrieren. Mit mehr als 13.000 Outlets (ca. 30,0 %) bietet Einkaufswagenwerbung die höchste absolute Coverage von „at-retail“-Medien in der deutschen Handelslandschaft (vgl. Institut für Handelsforschung 2007, S. 37 und S. 40; It Works GmbH 2013). Beim Instore TV handelt es sich um Plasma-, LED- oder LCD-Screens, mit denen animierte Inhalte zu Service, Angeboten und Produkten dargestellt werden. Instore TV kann die Wartezeit an den Kassen verkürzen. Instore TV sind in 2.000 Outlets (4,5 %) verfügbar (vgl. Institut für Handelsforschung 2007, S. 37 und S. 43; It Works GmbH 2013). Instore Radio ist ein elektronisches Medium, bei dem über Satellit bzw. auf Basis der klassischen Radiotechnik und angesteuert über das Internet ein konventionelles Radioprogramm, das aus Musik, Moderationsbeiträgen und Werbung besteht, analog der Geschäftsöffnungszeiten in die einzelnen Outlets gesendet wird. Die Inhalte sind händlerindividuell gestaltet und lockern die Einkaufsatmosphäre auf. Allerdings können Kunden das Instore Radio auch als Störung in Form von eintöniger Werbung mit nervigen Jingles oder aufgrund von Reizüberflutung als unangenehm wahrnehmen. In über 9.500 Outlets (ohne Fachmärkte) (21,3 %) ist Instore Radio in der deutschen Handelslandschaft verfügbar (vgl. Institut für Handelsforschung 2007, S. 37 und S. 42; It Works GmbH 2013). In Abhängigkeit von der Mineralölgesellschaft sind die Werbemöglichkeiten an Tankstellen unterschiedlich. Inzwischen gibt es aber ein gut distribuiertes Netz von Mineralölgesellschaften mit buchbaren Werbeflächen, das fast zwei Drittel des gesamten nationalen Tankvolumens abdeckt (vgl. M.A.I.S. Marketing Information Systems GmbH 2013).
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Wichtige Medien an Tankstellen sind Werbung auf Zapfpistolen („Fillboard“), Türen („Doormedia“) und Getränkerückgabeautomaten („Automatmedia“) (vgl. Abb. 43). Neben dem „at-retail“-Bereich existieren auch umfeldbezogene Konzepte für Bahnhöfe. So entfällt nach der Bahnhofsstudie „Insight Station“ fast 8 % der täglichen werblichen Erreichbarkeit (25 min) auf den Bahnhof, der Menschen zudem in eine werberezeptive Stimmung bringt. So sind Fernverkehrsreisende etwa 30 min vor Abfahrt ihres Zuges am Bahnhof, Pendler in der U- und S-Bahn warten ca. 5 min auf ihre Bahn. Diese Wartezeit stellt eine hohe Kontaktintensität mit Motiven und Inhalt sicher. Jahr für Jahr verzeichnen deutsche Bahnhöfe mehr als fünf Mrd. Besuche von Reisenden. Pro Woche entspricht das über 100 Mio. Bahnhofsbesuchen. Damit erreichen alle deutschen Bahnhöfe insgesamt 19 % der Bevölkerung (Top 200 Bahnhöfe: 16 %) und damit eine höhere Netto-Reichweite als Spartenkanäle wie N24 (12 %) oder Publikumstitel wie „Der Spiegel“ (9 %), „Stern“ (12 %) und „Hörzu“ (4 %). Jeden Tag nutzt ein Fünftel der Deutschen den Bahn-
Fillboard
Doormedia
Automatmedia
Abb. 43 Beispiele für „at-retail“-Medien an Tankstellen (Quelle: Alvern Media GmbH)
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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hof. Dabei stellt dieser für viele einen wichtigen Knotenpunkt im Alltag dar (Weg zur Arbeit, Einkaufen, Ausgehen, Urlaubsreise etc.). Darüber hinaus wandeln sich Bahnhöfe zu urbanen Zentren und Treffpunkten mit immer mehr Gelegenheiten zum Einkaufen und Verweilen. Nach der Studie können Bahnhofsbesucher in die Gruppe der täglichen Pendler, der Reisenden und der Freizeitnutzer unterteilt werden, aus denen sich Kernzielgruppen wie Young Urbans, Professionals, City Shopper, Night Owls, Holiday Traveller oder ICE Business Traveller ableiten lassen. In Bezug auf die Wirkung belegt die Studie zudem, dass der Bahnhof als Werbeträger ein erfolgreiches Kommunikationsumfeld darstellt, da wichtige Werbewirkungsparameter durch Werbung an Bahnhöfen deutlich ansteigen. Werbungtreibende können hierbei klassische Plakatmedien, digitale Out-ofHome-Medien oder die gesamten verfügbaren Bahnhofsmedien im Sinne einer „Station Domination“ (Bahnhofsdominanz) nutzen (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013c; Ströer 2010, 2013i). Als Medien an Bahnhöfen kommen bereits vorgestellte Plakatmedien wie City-LightPoster, Großflächen und Mega-Lights sowie die ebenfalls vorgestellten digitalen Medien Out-of-Home-Channel am Bahnhof (Station Video) und Infoscreen in Frage. Darüber hinaus werden an Bahnhöfen spezifische Medien wie Plakate im Format A1 (DIN A1 Plakate in Rahmen oder Vitrinen), Big Banner (bis zu 500 m2 große, ein- und doppelseitige, teilweise beleuchtete Großtransparente im Luftraum an Außenfassaden von Bahnhöfen, in Empfangshallen und über den Bahnsteig- bzw. Gleisbereichen), Ground Poster (bis zu 19 m2 große, robuste Selbstklebefolien auf den Fußböden der frequenzstarken Hauptlaufwege in Empfangs- und Bahnsteighallen sowie auf Bahnsteigen von Fern-, Nahverkehrs-, S- und U-Bahnhöfen), Stair Poster (Belegung eines Treppenabsatzes mit großflächigen Werbefolien auf den Stirnseiten der Treppenstufen) bzw. Stair Branding (Ganzbelegung einer Treppe mit großflächigen Werbefolien auf den Stirnseiten der Treppenstufen), Backlights (hinterleuchtete Werbeanlagen mit Großdias, Folien oder Kunststofftransparenten), Spannbänder (bedruckte Kunststoffplanen bzw. Vinylnetze im Längsformat überwiegend an Treppenanlagen und Zugängen), Werbeschilder (direkt bedruckte oder mit Werbemittel beklebte individuell gestaltete Schilder überwiegend an Treppenanlagen und Zugängen bzw. im Umfeld der Shopping- und Gastronomiebereiche), Solitär-3-Mobile (freistehendes, dreiseitiges, mobiles Präsentationssystem für Großtransparente) und Auslagen DB Information (Auslage von Prospekten und Flyern in Dispensern an DB Informationen) eingesetzt (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013c; Ströer 2013j; PosterSelect 2013e). Abb. 44 zeigt die bahnhofspezifischen Out-ofHome-Medien. Neben dem „at-retail“-Bereich und umfeldbezogenen Konzepten für Bahnhöfe existieren auch umfeldbezogene Konzepte für Flughäfen. Eine Studie zum Werbestandort Flughafen kommt zum Ergebnis, dass Werbung an Flughäfen das einzige Medium ist, das seine Reichweite in den nächsten 20 Jahren verdoppeln wird. Dabei haben Reisende wie an Bahnhöfen eine positive Einstellung gegenüber Werbung an Flughäfen und möchten während der Wartezeiten geradezu abgelenkt werden. Dazu entwickeln sich viele Flughäfen weg von reinen Transitstationen mehr hin zu Plätzen für Konsum und in Form von
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A1 Plakat
Big Banner
Ground Poster
Stair Poster
Stair Branding
Backlight
Werbeschild
Solitär-3-Mobil
Spannband
Abb. 44 Beispiele für Out-of-Home-Medien an Bahnhöfen (Quelle: Ströer Media AG)
Airport Cities sogar zu Kleinstausgaben von Städten mit Bürogebäuden, Hotels, Kongresszentren und Freizeiteinrichtungen (vgl. Media Frankfurt GmbH 2012). Als Medien an Flughäfen kommen insbesondere die bereits vorgestellten Plakatmedien wie City-Light-Poster, Premium-City-Light-Poster, Großflächen, Mega-Lights und Riesenposter an Zufahrtswegen, Einfahrten zu Parkhäusern und Terminalvorplätzen von Flughäfen zum Einsatz (vgl. Ströer 2013k; Initiative Airport Media 2013a). Darüber hinaus werden an Flughäfen spezifische Medien (vgl. Abb. 45) wie Aktionsflächen (Promotionflächen für Sampling, Promotionstand oder Gewinnspiel), Colorama (in der Wandverkleidung integrierte Diakästen mit hinterleuchteter Diascheibe), Fahnen (Flaggen an Abfahrten und Zufahrtsstraßen oder auch direkt vor den Terminals), Fluggastbrücken (von außen als auch von innen belegbare Verbindung zwischen Flugzeug und Terminal), Gepäckbänder (Bestückung der Gepäckbänder mit Werbung in nächster Nähe oder auf dem Gepäckband selbst), Gepäckwagen (beidseitig gestaltbare Werbeschilder an den Gepäckwagen), Leuchtdisplays (auch als Spann-Dias bezeichnete hinterleuchte-
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Gepäckbänder
Gepäckwagen
Leuchtdisplays
Objektbranding
Parkhäuser
Passagierbusse
Türen
Vitrinen
Abb. 45 Beispiele für Out-of-Home-Medien an Flughäfen (Quelle: Initiative Airport Media (IAM))
te Werbeflächen), Objektbranding (exklusive Werbezone für einen Werbungtreibenden), Parkhäuser (Werbeflächen auf den Ein- und Ausfahrtsschranken, Ticketterminals und Leuchtdisplays im Eingangsbereich, Treppen und Aufzügen sowie an Auf- und Abfahrten), Passagierbusse (Vorfeldbusse auf dem Flughafengelände), Türen (Beklebungen, Plakatwerbung sowie Produktpräsentationen in Glasvitrinen an Ein- und Ausgängen) und Vitrinen (beleuchtete Glasvitrinen verschiedenster Form und Größe) eingesetzt (vgl. Initiative Airport Media 2013a; Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013c). Schließlich gibt es auch flughafenspezifische Medien wie beispielsweise 3-D-Specials, Ambient Corridor, Digital Baggage Claim Network, Digital Flight Information Network, Digital Premium Networks, Glasbrücken, High-Lightboxes/Leuchtsäulen, Light Corridor, Platinum Walls, Premium Wall, Skyline, Tritowers, Walk Seven und Welcome Tower am Flughafen Frankfurt, Ad Walk und Airport Window am Flughafen Düsseldorf, Light Wall am Flughafen Hamburg sowie Multiscreen Video Wall am Flughafen Leipzig/Halle (vgl. Initiative Airport Media 2013b; Fachverband Aussenwerbung e. V. 2013c). Neben diesen umfeldbezogenen Trends gibt es darüber hinaus im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung einen Trend zu Interaktion. Dabei werden statische Werbeformen durch mobile interaktive Werbemittel ergänzt oder gar abgelöst (siehe Abschn. 4.3.3). Da mobile Endgeräte zu jeder Zeit an jedem Ort verwendet werden können, sind sie vor allem für interaktive Out-of-Home-Medien interessant. Über mobile Technologien wird eine Interaktion mit dem Out-of-Home-Medium ermöglicht. Einer aktuellen Studie nach ist 65 % der Befragten die Möglichkeit, von einem ganz normalen Plakat mit Hilfe von Handy/Smartphone/Tablet zu einer zur Plakatwerbung passenden Internetseite mit speziellen Angeboten und Informationen zu gelangen, bekannt (vgl. PosterSelect 2013f, S. 4). Hierbei gibt es jedoch deutliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Während die
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Interaktionsmöglichkeit bei 82 % der Befragten im Alter 18–30 Jahre bekannt ist, ist dies nur bei 57 % der Befragten im Alter 46–65 Jahre der Fall (vgl. PosterSelect 2013f, S. 5). Besonders hoch ist die Bereitschaft zur Interaktion beim Warten auf Bus und Bahn an der Haltestelle (66 %), beim Warten auf Zug und U-Bahn im Bahnhof oder am Gleis (53 %), beim Warten im Flughafen (46 %), während der Fahrt in Bus und Bahn (36 %) sowie beim Spaziergang durch die Innenstadt (35 %) (vgl. PosterSelect 2013f, S. 6). Inhaltlich stehen hierbei die Information über Produkte oder Dienstleistungen (61 %), die Teilnahme an Rabattaktionen (44 %), die Information über Veranstaltungen (35 %), die Einlösung von Gutscheinen (34 %) sowie die Teilnahme an Gewinnspielen (26 %) im Vordergrund (vgl. PosterSelect 2013f, S. 7). Bei den Methoden zur Interkation ist die E-Mail am bekanntesten (92 %), gefolgt von der SMS/MMS (91 %), der Internetadresse (88 %), Bluetooth/Bluespots (71 %), QR-Codes (70 %), Bilderkennungs-Apps (40 %), Near Field Communication (23 %) und Augmented Reality Apps (20 %) (vgl. PosterSelect 2013f, S. 9). Die aktuelle Nutzung sieht dementsprechend ähnlich aus. E-Mails werden am meisten genutzt (53 %), gefolgt von der SMS/MMS (49 %), der Internetadresse (44 %), QR-Codes (21 %), Bluetooth/Bluespots (19 %), Bilderkennungs-Apps (6 %), Augmented Reality Apps (2 %) und Near Field Communication (2 %) (vgl. PosterSelect 2013f, S. 9). Während E-Mail-Adressen, SMS/MMS (Betrachter senden eine SMS an die auf dem Poster angegebene Nummer und erhalten daraufhin zusätzliche Informationen als SMS/MMS direkt auf sein Handy) und Internetadressen klassische Methoden zur Interaktion mit Out-of-Home-Medien darstellen, sind bei digitalen Out-of-Home-Medien, Bilderkennungs-Apps, Augmented Reality Apps, Near Field Communication sowie interaktive Screens wie Ströer Human Interface innovative Methoden zur Interkation mit Outof-Home-Medien. Die Verwendung von Bluetoothtechnologien und QR-Codes finden sich in der mobilen Kommunikation wieder (siehe Abschn. 4.3.3). Eine Methode zur Interaktion mit Out-of-Home-Medien stellen BilderkennungsApps dar. Hierbei müssen auf den mobilen Endgeräten Apps installiert werden, die eine Motiverkennung nach dem Fotografieren ermöglichen. Unternehmen der Out-ofHome-Branche bieten entsprechende Apps zum Download an. WallDecaux liefert mit der App „U snap“ („Du fotografierst“) eine Anwendung, die das fotografierte Motiv mittels Bilderkennungstechnologie mit Zusatzangeboten im Web wie Gewinnspielen, Rabattgutscheinen, Musikvideos, Leseproben und Shoppingfunktionen verbindet (vgl. Absatzwirtschaft 2012). Die Ströer Media AG bieten mit Vooh! (Virtual Out-of-Home) ebenfalls eine App zur Bilderkennung an. Über die Bilderkennung von statischen Bildern auf klassischen Plakaten hinaus kann die Anwendung auch Bewegtbildkampagnen erkennen, sodass sich auch Spots auf Infoscreens oder dem Out-of-Home-Channel digital verlängern lassen (vgl. Ströer 2013g). Darüber hinaus bietet Vooh! auch Augmented Reality-Anwendungen. Augmented Reality (erweiterte Realität) ergänzt reale Bilder um computergenerierte Zusatzinformationen oder virtuelle Objekte. Damit wird das angezeigte Kamerabild von Smartphones um Inhalte aus dem mobilen Internet angereichert. So können innovative Kundenerlebnisse unter direkter interaktiver Einbindung der Nachfrager geschaffen werden. Beispielswei-
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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se können Automobilhersteller 3D-Modelle ihrer Autos anzeigen lassen und dem Nutzer die Möglichkeit zur Anpassung bestimmter Merkmale wie Farbe, Felgen und Ausstattung geben (vgl. Ströer 2013g). Unter Near Field Communication (NFC) wird ein internationaler Übertragungsstandard zum kontaktlosen Austausch von Daten verstanden. Die Technologie wird derzeit u. a. bei der Bezahlung eingesetzt, kann aber auch für Out-of-Home-Medien verwendet werden. So wird die Entwicklung dadurch begünstigt, dass in immer mehr Smartphones ein NFC-Chip integriert ist. Weitere Vorteile von NFC liegen darin, dass kein Tippen mehr nötig ist, keine App vorher heruntergeladen werden muss, keine Suchmaschinennutzung erforderlich ist, die Kamera nicht aktiviert werden muss und die Nutzung damit unabhängig von Lichtverhältnissen ist. Potentielle Anwendungsmöglichkeiten im Out-of-HomeBereich liegen in der Bereitstellung von Coupons & Gutscheinen, in Umfeldsuchen (Routenplaner), MP3-Downloads, Websites, Videos, App-Downloads und Gewinnspielen (vgl. WallDecaux 2013b). Schließlich können auch interaktive Screens zur Interaktion mit Out-of-Home-Medien eingesetzt werden. Dieses bietet die Möglichkeit, Inhalte auf den Screens direkt mit den Personen, die davor stehen, zu verbinden. Die hochformatigen Stelen stehen an Bahnhöfen oder in Shopping Malls und ermöglichen mittels einer Kamerasoftware die Interaktion mit Interessenten. Hierbei sind einfache Umsetzungen wie die Steuerung eines Handys über eine wischende Handbewegung oder hoch komplexe Ideen mit Augmented Reality möglich (vgl. Infoscreen 2013c). Eine zusammenfassende Beurteilung der Out-of-Home-Medien ist aufgrund der Vielfalt der Werbeträger schwierig, jedoch lassen sich einige wesentliche Vor- und Nachteile der Out-of-Home-Medien identifizieren. Den Out-of-Home-Medien wird generell eine gute Eignung zur schnellen Bekanntmachung neuer Produkte und zur Aktualisierung bereits vorhandener Werbeinhalte (Erinnerungswirkung) attestiert (vgl. Absatzwirtschaft 2010, S. 46). Die Ursachen für die positive Entwicklung der Out-of-Home-Medien sind vor allem die Vielfalt kreativer Gestaltungsmöglichkeiten, die Einsatzflexibilität und gute geographische Steuerbarkeit sowie die relativ geringen Kontaktkosten (vgl. Fachverband Aussenwerbung e. V. 2010). Out-of-Home-Medien erreichen eine mobile und kaufkraftstarke Zielgruppe (vgl. Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e. V. 2010) und verfügen über eine relativ hohe Werbeakzeptanz. Demgegenüber sind Out-of-Home-Medien für die Darstellung detaillierter Produkteigenschaften und komplexer Inhalte nicht geeignet, da sie häufig nur sehr kurz und extrem flüchtig wahrgenommen werden. Aus diesem Grund müssen die konzeptionelle Gestaltung sowie die tatsächliche Umsetzung so angelegt sein, dass aufmerksamkeitsfördernde Elemente wie Größe oder reizstarke Farben und Bilder im Vordergrund stehen. Darüber hinaus ist die Qualität des Kontaktes, d. h. die Dauer und der Blickwinkel des Rezipienten, nur schwer zu ermitteln und basiert lediglich auf pauschalen Annahmen (vgl. Kloss 2011, S. 370; Fitzsimmons 2008, S. 11).
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Tab. 8 Bewertung des Instrumentes Out-of-Home-Medien Out-of-Home-Medien Klassifizierung: abhängig, unpersönlich, an viele gerichtet, hierarchisch, direkt, einseitig (Ausnahme: Interaktive Medien) Eigenschaften Reichweite Kosten Feedbackmöglichkeiten Spektrum gestalterischer Möglichkeiten Beeinflussbarkeit der Kommunikationswirkung Zeitliche Einsatzflexibilität hoch mittel niedrig
Zielsetzung
Bekanntheit Einstellung Differenzierung im Wettbewerb Kaufabsicht Wiederkauf Information Gefühle (Emotionen) vermitteln Aktualität gute Eignung Eignung
mittel schlechte
Die Ausschöpfung der Potenziale von Out-of-Home-Medien ist in besonderer Weise von der Mediastrategie abhängig. Hierbei kommt der Integration (inhaltlich, zeitlich, formal) und der Vernetzung mit anderen Kommunikationsinstrumenten eine sehr hohe Bedeutung zu. Das Plakatmedium wird besonders häufig mit anderen klassischen Medien, vor allem dem Fernsehen, kombiniert. Durch die typischen Eigenschaften der Outof-Home-Medien ist hierbei eine schnelle Reichweitengenerierung möglich. Über das Fernsehen können parallel zur Plakatwerbung detailliertere Informationen und emotionale Erlebnisse kommuniziert werden. Neben dieser inhaltlich ergänzenden Beziehung harmonieren die beiden Kanäle auch zeitlich im Kommunikationsmix gut. Der Anteil von Out-of-Home-Werbeaufwendungen an allen Werbeaufwendungen wird auch zukünftig voraussichtlich wachsen. Ursächlich hierfür sind die wachsende Mobilität vieler Zielgruppen, die voranschreitende Digitalisierung werblicher Inhalte und die zunehmende Vernetzung von Kommunikationskampagnen über eine Vielzahl von Medien hinweg. Zusammenfassend ist die abschließende Bewertung der Out-of-Home-Medien in Tab. 8 dargestellt.
4.3 Digitale Kommunikation
I Digitale Kommunikation Unter digitaler Kommunikation werden alle Kom-
munikationsaktivitäten zwischen Unternehmen und Nachfragern sowie zwischen Nachfragern untereinander verstanden, die auf der Grundlage digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien funktionieren.
4
Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Der Bereich der digitalen Kommunikation ist seit Beginn der ersten Onlinewerbung im Jahr 1994 durch vielschichtige technologische Fortschritte und Innovationen gekennzeichnet. Heutzutage stehen Unternehmen somit zahlreiche Kommunikationsmöglichkeiten in diesem Bereich zur Verfügung. Allerdings stellt der Einsatz digitaler Kommunikationsinstrumente viele Unternehmen noch vor große Herausforderungen (vgl. Leeflang et al. 2014, S. 2). Dies resultiert auch daraus, dass digitale Kommunikationsprozesse durch spezifische Eigenschaften gekennzeichnet sind, die sie von kommunikativen Beeinflussungsprozessen, die klassischen Kommunikationsinstrumenten zugrunde liegen, unterscheidet. Zentrale Merkmale sind die unmittelbare und direkte Feedbackmöglichkeit des Botschaftsempfängers und die daraus resultierenden Interaktionsmöglichkeiten. Somit ergibt sich eine tendenziell heterarchische Kommunikationsstruktur. Dies bedeutet, dass sowohl Sender und Empfänger wechseln als auch die jeweiligen Instrumente innerhalb der Medien variieren können. Außerdem wird ein Teil der Informationen lediglich von den Unternehmen bereitgestellt und muss aktiv von Nachfragern angefordert werden, während andere Informationen direkt an die Nachfrager adressiert werden. In zeitlicher und geographischer Hinsicht ist festzuhalten, dass digitale Kommunikation über eine hohe zeitliche Aktualität verfügt, da in Echtzeit kommuniziert werden kann. Ferner ist die globale Verfügbarkeit hervorzuheben. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die sog. Hypermedialität. Diese bezeichnet das Prinzip der modulhaften Anordnung von verschiedenen Kommunikationsmedien (Text, Ton, Film). Geht ein Nutzer z. B. auf die Homepage des Unternehmens Siemens und möchte etwas über die Nachhaltigkeit erfahren, hat er verschiedene Möglichkeiten. Bei hoher Zahlenaffinität kann er in kurzen prägnanten Zahlen die Zielgrößen von Siemens zum Nachhaltigkeitsmanagement verfolgen. Im Fließtext lassen sich die Nachhaltigkeitsgrundsätze des Unternehmens ebenfalls nachlesen. Wer hingegen bewegte Bilder präferiert, kann sich ein auf der Seite integriertes Video ansehen, in dem der Chief Sustainability Officer über die Bedeutung nachhaltigen Handelns und dessen Umsetzung bei Siemens spricht. Neuere Instrumente im Rahmen der Social Media berücksichtigen darüber hinaus die Interaktion der Nachfrager untereinander. Die Social-Media-Kommunikation basiert demnach auf einem netzwerkorientierten Interaktionsmodell (vgl. Abb. 46). Sie stellt insofern eine Erweiterung der herkömmlichen Online-Kommunikation dar, als dass neben der Interaktion zwischen Nachfrager und Unternehmen auch eine Interaktion zwischen den Nachfragern untereinander stattfindet (z. B. der gegenseitige Austausch von Erfahrungen mit einem Unternehmen zwischen Mitgliedern eines sozialen Netzwerkes). Dies ist auch ein Grund dafür, warum Unternehmen gerade im Kontext Social Media nur eine begrenzte Kontrolle über ihre Kommunikationsmaßnahmen haben (vgl. Abschn. 4). Neben der herkömmlichen Online-Kommunikation, welche sich primär auf Websites, E-Mail-Werbung, Suchmaschinenwerbung und Display-Werbung konzentriert, gewinnt vor allem die Social-Media-Kommunikation eine immer stärkere Bedeutung für Unternehmen. Darüber hinaus lassen der technische Fortschritt mobiler Endgeräte (Handys, PDAs und Notebooks) und der Funknetze (UMTS- und LTE-Technologie) Online- und So-
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Klassische Kommunikation
Marke
Marke
N
N
N
Marke
N
N
Einseitiges Transaktionsmodell N
Social-Media-Kommunikation
Online-Kommunikation
N
N
N
Zweiseitiges Interaktionsmodell
N
N
N
N
Netzwerkorientiertes Interaktionsmodell
Nachfrager
Abb. 46 Netzwerkorientiertes Interaktionsmodell moderner digitaler Kommunikation (Quelle: In Anlehnung an Tomczak et al. 2006, S. 526)
cial-Media-Kommunikation immer häufiger zu einer mobilen Kommunikation werden (vgl. Franz 2010, S. 235 f.). Da die Nachfrager im Rahmen der mobilen Kommunikation in ihrem unmittelbaren persönlichen Umfeld erreicht werden können, lässt sich eine noch individualisiertere und damit wirkungsvollere Ausrichtung der Kommunikation erreichen. Die zukünftige Entwicklung der Online- und Social-Media-Kommunikation ist demnach eng verknüpft mit der technologischen Weiterentwicklung mobiler Endgeräte. Nachfolgend werden die zentralen digitalen Kommunikationsinstrumente, getrennt nach den Bereichen Online-Kommunikation, Social-Media-Kommunikation und mobile Kommunikation, vorgestellt. Darauf aufbauend werden zentrale Maßnahmen vorgestellt, die eine instrumentenübergreifende Bedeutung für das digitale Marketing haben, d. h. im Zusammenhang mit verschiedenen Online- und Social-Media-Instrumenten sowie mobilen Instrumenten eingesetzt werden.
4.3.1 Online-Kommunikation
I Online-Kommunikation Als Online-Kommunikation werden alle Kommuni-
kationsaktivitäten zwischen Unternehmen und Nachfragern verstanden, welche die Erreichung der Marketing- und Unternehmensziele beeinflussen und über das Internet Protocol (IP) abgewickelt werden.
Vorteile
Versand von elektronischen Nachrichten Standardisierte Nachrichten an einzelne Personen oder Personengruppen in reiner Textform oder ergänzt um digitale Inhalte Zeitsparender und kostengünstiger als z. B. Werbebriefe
E-Mail-Marketing
Zielgruppenspezifische und personalisierte Ausspielung von Werbeanzeigen möglich Geringe Einstiegskosten
Marken- oder Firmenlogos werden in Form von Werbeanzeigen auf Internetseiten platziert
Form der Internetwerbung
Display-Werbung
Aktive und perHohe Reichweite sonalisierte Kommunikation zum Nachfrager hin
Zentrale Anlaufstelle für Nachfrager und weitere Anspruchsgruppen (z. B. Zulieferer und Investoren) Hohe Aktualität und Möglichkeit Relevanz der Unterder Versendung nehmensinformationen (teil-)standardisierter Nachrichten
Informationen zum Unternehmen und dessen Leistungen werden dargestellt
Beschreibung Website im Internet
Unternehmenswebsite
Tab. 9 Übersicht der wichtigsten Online-Kommunikationsinstrumente
Erhöhte Reichweite der Werbeanzeige durch Platzierung auf externen Websites Erhöhte Sichtbarkeit in den bezahlten und organischen Ergebnissen von Suchmaschinen Nutzung von Partnernetzwerken
AffiliateMarketing Internetgestützte Partnerprogramme Platzierung von Werbeanzeigen auf externen Websites
Geringe Einstiegskosten und hohe Kostenkontrolle
Bezahlte Suchergebnisse werden weniger aufdringlich empfunden
Spezifische Platzierung der Werbeanzeige bei bedarfsorientierter Nachfragersuche
Gesponserte Links werden bei themenrelevanten Suchanfragen angezeigt
Suchmaschinenwerbung Bezahlte Suchergebnisse (SEA)
Maßnahmen zur Erhöhung der Sichtbarkeit in den organischen Suchergebnissen Optimierung von Inhalten auf der Unternehmenswebsite Spezifische Platzierung des Unternehmenslinks bei bedarfsorientierter Nachfragersuche
Suchmaschinenoptimierung Search Engine Optimization (SEO)
4 Verteilung des Kommunikationsbudgets 703
Beispiele
Nachteile
Newsletter (z. B. Lufthansa, Deutsche Bahn, Marriott) Einmalige Massenmails (z. B. Sonderaktion bei Apple – rabattierte Musikdownloads bei iTunes)
Unternehmenswebsite (z. B. www.siemens. de, www.redbull.de)
Verbandswebsite (www.vda.de)
Aktive Banner (z. B. Pop-ups und Pop-unders)
Störende und aufdringliche Wahrnehmung seitens der Nachfrager Bannerblindheit und Privatsphärebedenken Passive Banner
Begrenzte Informationsübermittlung
Bedarf einer kontinuierlichen Aktualisierung
Display-Werbung Begrenzte Akzeptanz durch SpamCharakter
E-Mail-Marketing
Begrenzte Möglichkeit Begrenzte Akzepder Interaktion tanz durch SpamCharakter
Unternehmenswebsite
Tab. 9 (Fortsetzung)
Partnernetzwerke (z. B. www. awin.com, www. tradetracker.de)
AffiliateMarketing Mögliche Platzierung der Werbeanzeigen auf unseriösen Websites Hoher Aufwand bei eigenständiger Akquise von Partnerunternehmen
Werbung bei branchenspezifischen Suchmaschinen (z. B. onvista)
Werbung bei allgemeinen Suchmaschinen (z. B. Google, Yahoo)
Identifikation relevanter und erfolgswirksamer Suchbegriffe schwierig
Suchmaschinenwerbung Kosten für einzelne Suchbegriffe können sehr hoch ausfallen
Platzierung bei branchenspezifischen Suchmaschinen (z. B. onvista)
Platzierung bei allgemeinen Suchmaschinen (z. B. Google, Yahoo)
Identifikation der Suchbegriffe schwierig
Suchmaschinenoptimierung Platzierung auf erster Seite für hohe Sichtbarkeit erforderlich
704 8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Zur Kategorie der herkömmlichen Online-Kommunikation werden vorrangig die Subinstrumente Unternehmenswebsite, E-Mail-Marketing, Display-Werbung, Affiliate-Marketing, Suchmaschinenwerbung und Suchmaschinenoptimierung gezählt (vgl. Tab. 9). Die Unternehmenswebsite spielt für die Online-Kommunikation eine zentrale Rolle. Sie ist nicht nur der zentrale Anlaufpunkt für Nachfrager und weitere Anspruchsgruppen (z. B. Zulieferer und Investoren) eines Unternehmens, sondern auch der zentrale Referenzpunkt für alle übrigen Online-Kommunikationsinstrumente (vgl. Kreutzer 2018, S. 120). So werden z. B. Nachfrager, die auf eine Suchmaschinen- oder Bannerwerbeanzeige klicken, i. d. R. zur Unternehmenswebsite weitergeleitet. Neben ihrer Funktion als Kommunikationsinstrument kann eine Unternehmenswebsite auch durch die Einbindung eines Online-Shops als eigenständiger Absatzkanal fungieren und den direkten Verkauf von Produkten und Dienstleistungen ermöglichen (vgl. van Nierop et al. 2011, S. 155; vgl. siebtes Kapitel). Da die Initiative beim Abruf der Unternehmenswebsite auf den einzelnen Nutzer zurückgeht, ist es von zentraler Bedeutung, dass sich für ihn ein subjektiver Nutzen aus diesem Abruf ergibt (vgl. Blackshaw 2007, S. 43). Dieser Nutzen ergibt sich sowohl aus den Inhalten als auch aus der optischen und strukturellen Gestaltung der Website. Typische Inhalte sind kommerzielle Informationen über Produkte, Dienstleitungen oder das Unternehmen an sich, aber auch Stellengesuche oder Finanzinformationen (vgl. van Nierop et al. 2011, S. 157). Darüber hinaus können auch Inhalte adressiert werden, die nicht unmittelbar mit dem Unternehmen zu tun haben, jedoch grundsätzlich für die Zielgruppe des Unternehmens von Interesse sind. So präsentiert z. B. die Krankenkasse hkk auf ihrer Website allgemeine Informationen zu Themen wie Schwangerschaft und Geburt, Ernährung oder Stress (siehe Content-Marketing, Abschn. 4.3.4). Ebenso ist es möglich, dass Informationen bzw. Verweise zu anderen Kommunikationsinstrumenten oder Absatzkanälen auf einer Website platziert werden. So kann eine Website neben Verlinkungen zu eigenen Blogs oder Social-Media-Profilen auch einen Produkt-Konfigurator (z. B. im Automobilbereich), einen Store-Finder oder geschlossene Nutzerbereiche für bestimmte Kundengruppen haben (vgl. Kreutzer 2018, S. 120). Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung sind verschiedene allgemeine Merkmale hervorzuheben, welche die durch Nachfrager wahrgenommene Qualität von Inhalten einer Website kennzeichnen. Demnach werden Inhalte insbesondere dann als qualitativ hochwertig wahrgenommen, wenn sie als relevant, vollständig, verständlich, aktuell, prägnant und inhaltlich korrekt eingeschätzt werden (vgl. Aladwani und Palvia 2002, S. 470 ff.). Zusätzlich weisen jüngere Arbeiten darauf hin, dass sich die wahrgenommene Relevanz von Inhalten nochmals erhöhen lässt, wenn diese auf die persönlichen Präferenzen eines Nachfragers hin angepasst sind (vgl. Hauser et al. 2009) (siehe auch Abschn. 4.3.4). Technologisch lässt sich Website-Personalisierung inzwischen über verschiedene Content-Management-Systeme umsetzen. Bezüglich der Gestaltung einer Unternehmenswebsite ist zwischen strukturellen und optischen Merkmalen zu unterscheiden. Strukturell überzeugende Websites sind in erster Linie durch ein hohes Maß an Benutzerfreundlichkeit (Usability) gekennzeichnet.
706
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Dabei sind die Inhalte so aufzubereiten, dass Nachfrager sich zu jeder Zeit zurechtfinden, gesuchte Inhalte zügig auffinden sowie einmal getätigte Navigationsschritte leicht erlernen und wiederholen können. In diesem Zusammenhang kommt neben technischen Hilfestellungen (wie etwa Inhaltsverzeichnissen, Indizes, Navigationsdiagrammen, Filterfunktionen und Suchsystemen) vor allem der Navigationsstruktur eine zentrale Rolle zu. Grundsätzlich lassen sich zwei Ansätze unterscheiden (vgl. Chaffey und EllisChadwick 2012, S. 404): Eine enge/tiefe Navigationsstruktur ist durch wenige Auswahlmöglichkeiten pro Navigationsebene und verhältnismäßig viele Navigationsebenen insgesamt gekennzeichnet. Dagegen weist eine breite/flache Navigationsstruktur relativ viele Auswahlmöglichkeiten pro Navigationsebene mit vergleichsweise wenigen Navigationsebenen insgesamt auf (vgl. Abb. 47). Der zentrale Vorteil einer engen/tiefen Navigation liegt in einer großen Übersichtlichkeit pro Navigationsebene. Dies ist zugleich der Nachteil einer breiten/flachen Navigation, die schnell zu unübersichtlichen Auswahlmöglichkeiten führt. Dagegen benötigen Nutzer im Falle einer breiten/flachen Navigation weniger Klicks, um zu einer entsprechenden Seite zu gelangen, als im Falle einer engen/tiefen Navigation. Neben dem zentralen Kriterium der Usability zeichnen sich strukturell überzeugende Websites noch dadurch aus, dass
Enge und tiefe Navigationsstruktur
Breite und flache Navigationsstruktur
Abb. 47 Verschiedene Arten der Navigationsstruktur (Quelle: In Anlehnung an Chaffrey und Ellis-Chadwick 2012, S. 404)
4
Verteilung des Kommunikationsbudgets
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sie von allen Nutzern unabhängig von ihren Einschränkungen oder technischen Möglichkeiten (barrierefrei) genutzt werden können (Accessibility), zentrale Inhalte auf den ersten Blick, z. B. durch Hervorheben im Text, ersichtlich sind (Scannability) und die dargestellten Inhalte verständlich und benutzerfreundlich aufbereitet sind, z. B. durch Kombination von Text-, Bild- und Videoelementen (Readability). Zudem haben optische Gestaltungsmaßnahmen (Hintergrundgrafiken, Animationen, Farbgestaltung), die eine angenehme Atmosphäre schaffen, Einfluss auf die Wahrnehmung und Bewertung einer Website (vgl. Blackshaw 2007, S. 43; Chaffey und EllisChadwick 2012, S. 405 f.). Insbesondere gering involvierte Nutzer empfinden das Verweilen auf atmosphärisch ansprechend gestalteten Internetseiten als angenehm. Dies führt zu einer positiven Einstellung gegenüber der Website, einer höheren Zufriedenheit sowie einer längeren Verweildauer auf der Website (vgl. Eroglu et al. 2003, S. 148 f.). Auch die Wahl der Hintergrundgrafik hat einen erheblichen Einfluss auf die Informationssuche und im Fall von Online-Shops auf die Produktwahl. Dem zugrunde liegt das Konzept des Priming. Dieses geht davon aus, dass klare und prägnante visuelle Stimuli zu einer effizienten, weil selektiven Wahrnehmung von Informationen führen. Dies ist notwendig, da die Informationsverarbeitung ein komplexer Prozess ist, welcher die Kapazitäten des menschlichen Großhirnes zu über 60 % auslastet (vgl. Bielefeld 2012, S. 52). Das Priming vereinfacht diesen Informationsverarbeitungsprozess, indem die wesentlichen, entscheidungsrelevanten Stimuli selektiv absorbiert und verarbeitet werden. Die Wahl des Hintergrundbildes auf der Startseite beeinflusst deswegen unabhängig von der Internetvertrautheit des Nutzers sowohl die Wahl des Produktes als auch die Beschäftigung mit den Produkteigenschaften maßgeblich (vgl. Mandel und Johnson 2002, S. 242). Gut gelungen ist dies Red Bull. Die aktive, junge Zielgruppe wird interaktiv u. a. mit viel Videomaterial adressiert (vgl. Abb. 48). E-Mail-Marketing hat sich zu einem zentralen Kommunikationsinstrument für Unternehmen entwickelt. Per E-Mail können Nachrichten relativ kostengünstig und standardisiert an einzelne Personen oder an eine Personengruppe in reiner Textform oder ergänzt um digitale Inhalte (Grafiken, Bilder, Musik etc.) verschickt werden (vgl. Buser und Ruedin 2008, S. 13 f.; Siegert 2008, S. 360). Für Unternehmen lassen sich zwei Arten von E-Mail-Kommunikation mit Nachfragern unterscheiden: Outbound- und Inbound-E-Mails. Outbound-E-Mails gehen vom Unternehmen aus und werden häufig in Form eines Newsletters verschickt. Newsletter werden in (mehr oder minder) zeitlich regelmäßigen Abständen an diejenigen Nachfrager versendet, die den Newsletter von dem Unternehmen abonniert haben. Sie dienen dazu, Nachfrager mit bestimmten Inhalten zu versorgen. Diese Inhalte können sowohl unmittelbar mit dem Unternehmen bzw. dessen Leistungsangebot zu tun haben, wie z. B. Informationen zu bestimmten Produkten, als auch davon losgelöst sein, wie etwa allgemeine Informationen, die für Nachfrager von Interesse sind (siehe Content-Marketing, Abschn. 4.3.4). In der Regel sind die Inhalte mit dem nachgelagerten Ziel verbunden, Leser auf eine im Newsletter verlinkte Landing Page
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Abb. 48 Unternehmenshomepage Red Bull
(z. B. eine Produktseite im Online Shop) zu bewegen (vgl. Mühlenhoff und Heder 2014, S. 528; Mahmoud 2015, S. 650). Auf der Landing Page finden Nachfrager weiterführende Textinformationen oder Multimedia-Inhalte und sollen zu bestimmten Entscheidungen motiviert werden, wie z. B. zum Kauf eines Produktes. Davon abzugrenzen sind InboundE-Mails, womit sich Nachfrager mit bestimmten Anliegen (z. B. Serviceanfragen oder Beschwerden) an das Unternehmen wenden (vgl. Chaffey und Ellis-Chadwick 2012, S. 527). Ein zentraler Vorteil von Outbound-E-Mails besteht darin, einzelne Nachfrager direkt ansprechen zu können. Wenngleich sie, als ein weiterer nennenswerter Vorteil, die Möglichkeit bieten, große Nachfragergruppen adressieren zu können, lassen sich Inhalte auch auf die individuellen Präferenzen einzelner Nachfrager anpassen (personalisierte E-Mails). Der Newsletter der Lufthansa zeigt bspw. gut strukturiert die wichtigsten Angebote, welche mithilfe des sog. Geotargeting abhängig vom Wohnort des Adressaten individualisiert werden können (vgl. Abb. 49). In dieser Sicht ist das E-Mail-Marketing eng verknüpft mit der Direktkommunikation, da diese ebenfalls der Anbahnung und Aufrechterhaltung einer direkten, personalisierten Interaktion mit Nachfragern dient (siehe Personalisierung, Abschn. 4.3.4). Darüber hinaus sind Outbound-E-Mails günstiger
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Abb. 49 Newsletter der Lufthansa (2015)
und zeitsparender im Vergleich zu traditionellen Direktmarketinginstrumenten, wie z. B. Werbebriefen, da der Versand von E-Mails meist in Echtzeit erfolgt. Die Nachfrager werden deutlich schneller mit E-Mails erreicht (vgl. ul Haq 2009, S. 207). Nachteilig ist die begrenzte Akzeptanz von E-Mail-Newslettern aufgrund der hohen Anzahl an SpamMails. Spam-Mails sind unerwünschte E-Mails mit meist aggressiven Werbebotschaften, die nicht durch den Nachfrager abonniert worden sind. Dies führt zu negativen Einstellungen gegenüber Newslettern und einer damit verbundenen Abneigung vieler Nachfrager, werbliche Inhalte in E-Mail-Form zu lesen (vgl. Morimoto und Chang 2009; Hsin Chang et al. 2013). Außerdem ist der Umfang der Informationsvermittlung in E-Mails begrenzt.
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Solange diese jedoch nur den Besuch einer verlinkten Landing Page vorbereiten sollen, fällt dieser Nachteil weniger stark ins Gewicht. Mit Blick auf die Ausgestaltung von Newslettern sind verschiedene Erfolgsfaktoren hervorzuheben. Die inhaltliche Gestaltung sollte für Empfänger interessant, nützlich und relevant sein. Je größer der inhaltliche Mehrwert aus Sicht eines Empfängers ausfällt, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein Newsletter geöffnet, gelesen und ein weiterführender Link angeklickt wird (vgl. Miquel-Romero und Adame-Sánchez 2013, S. 1977 ff.). Mehrwertstiftende Inhalte sind einer bundesweiten Umfrage zufolge vor allem Informationen zum Leistungsangebot von Unternehmen (für 50 % der Befragten), zu Verkaufsförderungsmaßnahmen (für 46 % der Befragten) und zu allgemeinen Entwicklungen des Unternehmens (für 14 % der Befragten) (vgl. Statista 2017). Darüber hinaus stiften Newsletter mit personalisierten Inhalten einen größeren Mehrwert für Nachfrager als inhaltlich standardisierte Newsletter. Dementsprechend höher fällt auch für personalisierte Newsletter der Anteil der Empfänger aus, die einen Newsletter geöffnet (Öffnungsrate) bzw. einen weiterführenden Link angeklickt haben (Klickrate) (vgl. Postma und Brokke 2002; Kreutzer 2018, S. 327 ff.). Als letzte allgemeine Erfolgsfaktoren können Frequenz und Versandzeitpunkt genannt werden. Wenngleich der Versand von Newslettern einer gewissen Regelmäßigkeit folgen sollte (d. h. gleichbleibende Versandfrequenz, Uhrzeiten und Wochentage), können keine allgemeinen Aussagen über optimale Versandfrequenzen und -zeitpunkte getroffen werden (vgl. Kreutzer 2018, S. 332 f.), da diese stark vom Mediennutzungsverhalten der Abonnenten abhängen. Die Regelungen des Teledienstdatenschutzgesetzes (TDDSG) und des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) erlauben das Versenden von Newslettern ausschließlich an Personen, die zuvor ausdrücklich ihre Zustimmung erteilt haben (§ 3(1) TDDSG; § 7(3) UWG). Es existiert jedoch eine Reihe von Ausnahmen. Eine Einwilligung ist laut Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) bei Bestandskunden, Daten aus allgemein zugänglichen Quellen, B2B-Kontakten, Spendenwerbung und wenn die Übermittlung oder Nutzung zu Werbezwecken transparent ist, nicht notwendig (§ 28(3) BDSG). In allen anderen Fällen verfolgen Unternehmen das Ziel, das Einverständnis des Nachfragers zu erlangen (Permission-Marketing). Dabei werden vier Verfahren der Einverständniserklärung unterschieden, die in Abb. 50 zusammengefasst werden. Ein weiteres zentrales Online-Kommunikationsinstrument ist Display-Werbung. Hierunter sind alle Arten von Online-Kommunikation zu verstehen, die werbliche Informationen über grafische Werbemittel auf durch externe Anbieter gesteuerte Werbeträger im Internet (z. B. Websites, Videos, soziale Netzwerke) platzieren (vgl. iab 2009, S. 2 f.; Chaffey und Ellis-Chadwick 2012, S. 520; Kreutzer 2018, S. 193). Bei den grafischen Werbemitteln kann es sich um Videos, Animationen oder Bilder handeln. Sie sind mit Anzeigen in Printmedien zu vergleichen und werden nicht aktiv vom Nutzer angefordert, wie z. B. abonnierte Newsletter, Unternehmenswebsites oder Werbeanzeigen in Suchmaschinen. Display-Werbung dient dazu, Nachfrager auf das Unternehmen allgemein bzw. auf Teilaspekte seines Marketing-Mix, wie z. B. aktuelle Rabatte oder Produktneuheiten,
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Abb. 50 Verfahren zur Einverständniserklärung des Nachfragers (Quelle: In Anlehnung an Wirtz 2016, S. 184)
aufmerksam zu machen. Auch Display-Werbeanzeigen sind i. d. R. durch einen Hyperlink mit einer bestimmten Landing Page des werbenden Unternehmens verknüpft. Die Arten von Display-Werbung sind vielfältig, die bekannteste ist jedoch die Bannerwerbung. Dabei handelt es sich um Display-Werbung auf Grundlage von animierten oder statischen Bildern. Diese Werbemittel werden als sog. In-Page-Werbeform in eine einzelne Webpage integriert. Innerhalb dieser Art gibt es wiederum unzählige Ausprägungsformen, die nach unterschiedlichen Kriterien klassifiziert werden können, z. B. nach Funktionalität (statische, animierte Banner etc.), Erscheinungsbild (Sticky-Ad, Pop-upBanner, Mouse-over-Banner, Screenflyer etc.) oder Format (Rectangle, Skyscraper, Wide Skyscraper etc.). Für eine detaillierte Darstellung der verschiedenen Ausprägungsformen sei an dieser Stelle auf die weiterführende Literatur verwiesen (z. B. Lammenett 2017, S. 295 ff. oder Kreutzer 2018, S. 195 ff.). Eine weitere Form von Display-Werbung, die angesichts der zunehmenden Verbreitung von Video-Streaming-Angeboten (z. B. YouTube) immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist Video-Werbung. Hierbei handelt es sich um Display-Werbung unter Einsatz von Videos.
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Die Videos werden entweder – analog zur Bannerwerbung – direkt in eine einzelne Webseite integriert (In-Page) oder innerhalb eines Video-Streams ausgeliefert (In-Stream), z. B. vor Beginn eines Nachrichten-Streams. Ein zentraler Vorteil von Display-Werbung ist deren hohe Reichweite. So bedarf es weder einer expliziten Einwilligung (wie z. B. beim E-Mail-Marketing), um eine DisplayWerbeanzeige zu schalten, noch ist die Auslieferung abhängig vom räumlichen Standort des Empfängers (wie z. B. bei Außenwerbung). Gleichzeitig bestehen inzwischen vielfältige Möglichkeiten, Display-Werbung zielgruppenspezifisch auszuliefern (vgl. Targeting, Abschn. 4.3.4). Dies führt in der Regel zu einer gesteigerten Kampagneneffizienz (vgl. Goldfarb und Tucker 2011), da weniger Nachfrager außerhalb bzw. mehr Nachfrager innerhalb der Zielgruppe des werbenden Unternehmens erreicht werden (d. h. weniger Streuverluste). Neben der Zielgruppenauswahl (Targeting) ermöglicht Display-Werbung und dabei insbesondere Bannerwerbung eine individualisierte Zielgruppenansprache (personalisierte Bannerwerbung). Ähnlich wie beim E-Mail-Marketing können die dargestellten Inhalte auf die individuellen Präferenzen der Nachfrager abgestimmt werden (vgl. Burmann et al. 2013, S. 20 f.; Bleier und Eisenbeiss 2015a, S. 686). So lässt sich z. B. eine Retargeting-Bannerwerbeanzeige eines Automobilherstellers dahingehend personalisieren, dass einem Nachfrager nur diejenigen Modellvarianten angezeigt werden, die er sich bei seinem letzten Besuch der Unternehmenswebsite am längsten angeschaut hat. Die zugrunde liegende Annahme ist, dass durch die Personalisierung die beworbenen Inhalte für den einzelnen Nachfrager relevanter werden, was sich wiederum positiv auf die Reaktion des Nachfragers auf die Werbeanzeige auswirkt (vgl. Bleier und Eisenbeiss 2015a, S. 686, 2015b, S. 402 ff.; Lambrecht und Tucker 2013, S. 562). Ein abschließender Vorteil von Display-Werbung sind die verhältnismäßig geringen Einstiegskosten. Vor allem Bannerwerbung lässt sich mit vergleichsweise geringem Aufwand erstellen und zu geringen Kosten schalten. Letztere steigen allerdings an, je höher die Reichweite des Werbeträgers, je spezifischer die avisierte Zielgruppe oder je komplexer der Personalisierungsansatz ausfällt. Nachteilig ist der Spam-Charakter vieler Display-Anzeigen, vor allem bei Pop-up-Bannern. Diese erscheinen auf der Seite und verhindern eine weitere Navigation des Nutzers. Erst das aktive Schließen der Pop-up-Fenster ermöglicht die weitere Verwendung der Seite. Zudem werden viele Ausprägungsformen (animierte Banner, Retargeting-Banner etc.) als störend, irritierend und aufdringlich wahrgenommen (vgl. Edwards et al. 2002; Goldfarb und Tucker 2011, S. 392; McCoy et al. 2007, S. 87). Dies hat mitunter auch dazu beigetragen, dass viele Nachfrager immer häufiger Bannerwerbung gar nicht mehr wahrnehmen bzw. ignorieren (Bannerblindheit). Retargeting-Banner führen darüber hinaus aufgrund ihres mitunter stark personalisierten Erscheinungsbildes nicht selten zu Privatsphärebedenken und Reaktanzen unter den Empfängern. Dies betrifft insbesondere jüngere Unternehmen, die noch kein solides Vertrauensverhältnis mit Nachfragern aufbauen konnten (vgl. Eisenbeiss und Bleier 2017, S. 13).
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Eine weitere Möglichkeit der Online-Kommunikation bieten internetgestützte Partnerprogramme – auch Affiliate-Marketing genannt. Die grundsätzliche Funktionsweise dieser Partnerprogramme besteht darin, dass werbetreibende Unternehmen (im Kontext von Affiliate-Marketing als Merchants bezeichnet) weiterführende Hyperlinks oder bestimmte Werbemittel, die zu den eigenen Angeboten auf der Unternehmenswebsite führen, auf externe Websites von Partnerunternehmen (im Kontext von Affiliate-Marketing als Affiliates bezeichnet) platzieren. Die Partnerunternehmen erhalten dann für eine bestimmte Reaktion auf die Werbemaßnahme (z. B. für einen daraus resultierenden Klick auf die Anzeige oder Kauf eines Produktes) eine Provision vom werbetreibenden Unternehmen (vgl. Duffy 2005, S. 162; Gregori et al. 2014, S. 196; Lammenett 2017, S. 67; Kreutzer 2018, S. 250). Das Konzept der Partnerprogramme ist in Abb. 51 dargestellt. Die geschalteten Werbemittel werden mit einem individuellen Link versehen, der mit einem eindeutigen Partnercode verbunden ist. Mittels verschiedener Trackingsoftwares kann später nachvollzogen werden, welche Nachfrager zu welchem Partnerunternehmen weitergeleitet worden sind (vgl. Chaffey und Ellis-Chadwick 2012, S. 516; Lammenett 2017, S. 58). Affiliate-Marketing kann grundsätzlich dabei helfen, die Reichweite der eigenen Unternehmenswebsite durch Verknüpfung mit Websites unterschiedlicher Partnerunternehmen zu steigern. Zudem erhöht sich dadurch auch die Sichtbarkeit in den bezahlten und organischen Ergebnissen in Suchmaschinen. Neben den bloßen Reichweiteneffekten lassen sich mittels Affiliate-Marketing aber auch – je nach Ausgestaltungsform und Partnerwebsite – direkte Kaufabschlüsse auslösen. So können verschiedene Responseverstärker eingesetzt werden (z. B. Rabatt-Coupons oder Gewinnspiele), um eine unmittelbare Nachfragerreaktion zu erzielen (vgl. Kreutzer 2018, S. 251). Ein damit verbundener Vorteil von Affiliate-Marketing ist, dass werbetreibende Unternehmen i. d. R. nur für (nachgewiesene) Reaktionen bezahlen (z. B. wenn die Unternehmenswebsite über einen platzierten Hyperlink aufgerufen wird). In diesem Zusammenhang können verschiedene Provisions-
3. Nachfrager klickt auf ein beim „Affiliate“ geschaltetes Werbemittel und wird zum „Merchant“ weitergeleitet.
Werbetreibendes Unternehmen („Merchant“)
1. „Merchant“ lässt Werbung beim „Affiliate“ integrieren
Partnerunternehmen („Affiliate“)
2. Nachfrager besucht Webseite des „Affiliate“
5. „Merchant“ bezahlt transaktionsabhängige Vergütung
4. Transaktion zwischen Nachfrager und „Merchant“
Abb. 51 Grundkonzept des Affiliate-Marketing (Quelle: Kreutzer 2018, S. 251)
Nachfrager
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
modelle zugrunde gelegt werden. Ein gängiges Provisionsmodell ist das sog. Pay-perSale-Modell. Das Partnerunternehmen erhält für jeden Verkauf, der durch seine Werbeaktivität entstanden ist, eine Provision des werbetreibenden Unternehmens. Die Höhe der Provision hängt dabei meist von der Art des Produktes bzw. der Zielsetzung des werbetreibenden Unternehmens ab (vgl. Lammenett 2017, S. 68; Kreutzer 2018, S. 256 f.). Da nicht immer ein direkter Kaufabschluss möglich ist bzw. im Vordergrund der Maßnahmen steht, bezieht sich das Pay-per-Lead-Modell hingegen auf die Vergütung pro erfolgtem Lead, was z. B. eine Newsletteranmeldung sein kann (vgl. Lammenett 2017, S. 68 f.). Bei der Pay-per-Click-Vergütung erhält das Partnerunternehmen bereits pro erfolgtem Klick auf das platzierte Werbemittel eine Provision (vgl. Kreutzer 2018, S. 257) (siehe auch Abschn. 5.2.4). Ein möglicher Nachteil von Affiliate-Marketing liegt in dem Risiko, die Unternehmensmarke nachhaltig zu schädigen, wenn das werbetreibende Unternehmen bspw. auf unseriösen Websites beworben wird (vgl. Chaffey und Ellis-Chadwick 2012, S. 517). Vor diesem Hintergrund liegt die zentrale Herausforderung bezüglich der Ausgestaltung von Affiliate-Marketing auch in erster Linie in der richtigen Auswahl von Partnerunternehmen. Grundsätzlich können Unternehmen eigenständig Partner akquirieren, allerdings ist dies mit relativ großem Aufwand verbunden (Vertragsgestaltung, Implementierung der Trackingsoftware etc.) (vgl. Lammenett 2017, S. 65). Insofern greifen werbetreibende Unternehmen i. d. R. auf sog. Partnernetzwerke (Affiliate Networks) zurück, die es ermöglichen, auf viele einzelne Partnerunternehmen gleichzeitig zuzugreifen (vgl. Edelman und Brandi 2015, S. 2). Die Partnernetzwerke übernehmen somit eine Schnittstellenfunktion zwischen werbetreibenden Unternehmen und Partnerunternehmen. Neben der reinen Vermittlung der Partnerschaften übernehmen sie meist auch alle nachgelagerten Aufgaben, wie die Ausgestaltung der vertraglichen Rahmenbedingungen oder die Abwicklung der Provisionszahlungen (vgl. Edelman und Brandi 2015, S. 5; Lammenett 2017, S. 62; Kreutzer 2018, S. 250). Das Suchmaschinenmarketing (Search Engine Marketing – kurz SEM) ist der Oberbegriff für den Einsatz von Suchmaschinen, wie etwa Google oder Bing, zu Kommunikationszwecken. Das übergeordnete Ziel von SEM besteht in einer möglichst sichtbaren Platzierung von unternehmensbezogenen Informationen innerhalb der sog. Suchergebnisseiten (engl. Search Engine Result Page) von Suchmaschinen. Eine Suchergebnisseite untergliedert sich i. d. R. in einen bezahlten und einen organischen Ergebnisbereich. Daran geknüpft sind auch die beiden zentralen Ausprägungsformen von SEM: Suchmaschinenwerbung (engl. Search Engine Advertising – kurz SEA) und Suchmaschinenoptimierung (engl. Search Engine Optimisation – kurz SEO). Während SEA darauf ausgerichtet ist, die Sichtbarkeit eines Unternehmens innerhalb des bezahlten Ergebnisbereiches zu steigern, geht es bei SEO um mehr Sichtbarkeit im organischen Bereich der Suchergebnisseite. Dabei stehen die bezahlten und organischen Suchmaschinenergebnisse nicht in Konkurrenz zueinander. Vielmehr beruhen sie auf unterschiedlichen Rankingkriterien und -algorithmen. Bei manchen Suchmaschinen beinhaltet eine Suchergebnisseite noch weitere Ergebnisbereiche, wie etwa die sog. universelle/erweiterte Suche (engl. Univer-
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sal Search). In diesem Bereich werden diverse weiterführende Informationskategorien ergänzt, häufig in Form von Nachrichten, Bildern, Videos, Blogeinträgen, geografischen Karten oder Shoppingangeboten. Abb. 52 veranschaulicht die jeweiligen Bereiche anhand einer beispielhaften SERP der Suchmaschine Google. SEA beschreibt die entgeltliche Platzierung von werblichen Informationen im bezahlten Bereich von Suchergebnisseiten (vgl. Lammenett 2017, S. 143). Diese Informationen werden als Anzeigen (sog. Sponsored Links) dargestellt, die i. d. R. aus verschiedenen Textelementen inkl. Hyperlink zu einer bestimmten Landing Page des Unternehmens und einem Hinweis auf den werblichen Charakter der Anzeige bestehen. Eine Anzeige erscheint nur, wenn eine Suchanfrage durch einen Nachfrager mit speziellen Suchbegriffen (sog. Keywords) im Zusammenhang steht, die das werbende Unternehmen für die jeweilige Anzeige zuvor definiert hat (vgl. Lammenett 2017, S. 143; Meffert und Meffert 2017, S. 178). Angesichts der Möglichkeit, dass mehrere Unternehmen Anzeigen zu identischen Suchbegriffen haben, entscheidet ein Auktionsmechanismus über die Positionen der jeweiligen Anzeigen. Dafür müssen Unternehmen im Vorfeld jeweils ein Gebot für die einzelnen Suchbegriffe abgeben. Je höher ein Gebot ausfällt, desto weiter oben steht eine Anzeige innerhalb der Suchergebnisseite. Google berücksichtigt neben dem reinen Gebot
„Universal Search“ – Google Shopping
SEA
SEO
Google und das Google-Logo sind eingetragene Marken von Google Inc., Verwendung mit Genehmigung.
Abb. 52 Ergebnisseite der Suchmaschine Google
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
noch den sog. Quality Score bei der Vergabe der Anzeigenplätze. Dieser wird vor allem auf Basis der erwarteten Klickrate einer Anzeige bestimmt (vgl. Kreutzer 2018, S. 237). Ein zentraler Vorteil von SEA, z. B. gegenüber Instrumenten wie Display-Werbung, besteht in der direkten Verbindung einer Werbeanzeige mit dem Bedarf des suchenden Nachfragers. Dadurch werden die bezahlten Suchergebnisse trotz ihres werblichen Charakters als relevant und wenig aufdringlich empfunden (vgl. Ghose und Yang 2009, S. 1605). Zudem wirken die Anzeigen relativ dezent, wenngleich explizit darauf hingewiesen wird, dass es sich um Werbung handelt. Durch die Darstellung erscheinen die Anzeigen vergleichbar mit den organischen Suchergebnissen. Weitere Vorteile von SEA sind die verhältnismäßig geringen Einstiegskosten und eine hohe Kostenkontrolle. In vielen Fällen erfolgt die Bezahlung nämlich nach der Abrechnungsmethode Pay-per-Click, auch Costper-Click (CPC) genannt (siehe Abschn. 5.2.4). Das heißt, Unternehmen zahlen nur dann, wenn ein Nutzer auf die entsprechende Anzeige klickt. Dennoch gibt es Branchen, in denen die Klickpreise aufgrund eines starken Wettbewerbs um bestimmte Suchbegriffe sehr hoch ausfallen. Zum Beispiel verdeutlicht eine Studie von Nabout et al. (2014), dass die durchschnittlichen Werbeausgaben für SEA (über sechs Länder und 15 Branchen) zwischen den Jahren 2009 und 2012 kontinuierlich angestiegen sind. Diese Mehrausgaben sind zu 56 % auf höhere Preise (und nur zu 46 % auf mehr zu bezahlende Klicks) zurückzuführen. Unter hohen Klickpreisen leiden schließlich vor allem Unternehmen mit geringen Budgets, denen nichts anderes bleibt als auf selten genutzte Suchbegriffe auszuweichen (sog. Long-Tail-Keywords) oder ganz Abstand von SEA zu nehmen. Hinsichtlich der Ausgestaltung von SEA-Anzeigen besteht die zentrale Herausforderung in der Identifikation relevanter und erfolgswirksamer Suchbegriffe. Dabei beeinflussen verschiedene Faktoren den Erfolgsbeitrag von SEA-Anzeigen. Tendenziell lässt sich festhalten, dass sehr spezifisch formulierte Wortgruppen mit geringeren Klickraten verbunden sind als allgemeine Wortgruppen (vgl. Ghose und Yang 2009, S. 1613). Ebenso sollten nicht zu viele Suchbegriffe pro Anzeige genutzt werden, da dieses einerseits zu einem überproportionalem Anstieg der Kosten und andererseits zu hohen Streuverlusten führen würde. Meistens sind es nur wenige Suchbegriffe, die den Gesamtanteil aller Klicks oder nachfolgenden Käufe auf sich vereinen (vgl. Skiera et al. 2010, S. 494). Nichtsdestotrotz ist auch die Auswahl der Suchbegriffe abhängig vom Produkt, von der Zielgruppe oder der Branche des werbetreibenden Unternehmens. Um die Auswahl zu erleichtern, können Unternehmen auf verschiedene Tools, wie z. B. den Keyword-Planner von Google AdWords, zugreifen. Diese Tools verdeutlichen, welche Suchbegriffe Nutzer verwenden, wenn sie mit einer Suchmaschine wie Google nach Informationen im Internet suchen. Bei SEO handelt es sich um sämtliche Aktivitäten, durch die die Inhalte einer Unternehmenswebsite eine möglichst gute Platzierung im organischen Bereich der Suchergebnisseiten erzielen (vgl. Kreutzer 2018, S. 279). Auch in diesem Fall werden die Ergebnisse in Form verschiedener Textelemente inkl. eines Hyperlinks zu einer bestimmten Landing Page des Unternehmens dargestellt. Ob und an welcher Stelle unternehmensspezifische Inhalte gelistet werden, ist – im Gegensatz zu SEA – das Resultat eines Algorithmus der Suchmaschine. Dieser zielt im Wesentlichen darauf ab, eine Ergebnisliste zu erzeugen,
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die der Suchanfrage durch den Nachfrager möglichst gut entspricht. Insofern besteht für Unternehmen nur indirekt die Möglichkeit, Einfluss auf die Platzierung ihrer Inhalte in Suchergebnisseiten zu nehmen. Konkret lässt sich eine solche indirekte Einflussnahme über zwei sich gegenseitig ergänzende Arten von Maßnahmen erreichen. Im Rahmen der On-Site-Optimierung wird die Unternehmenswebsite selbst optimiert. Dazu zählt insbesondere eine – aus Sicht der Suchmaschinen – optimale inhaltliche und strukturelle Ausgestaltung der Website (vgl. Meffert und Meffert 2017, S. 178). Im Mittelpunkt der Off-Site-Optimierung stehen dagegen Maßnahmen, die auf fremden Websites durchgeführt werden, wie z. B. der Aufbau von sog. Backlinks. Backlinks sind Links von externen Webseiten, die auf entsprechende Unternehmenswebseiten verweisen. Der Grundgedanke der Suchmaschinen hierbei ist, dass je mehr auf eine Website verwiesen wird, desto relevanter muss sie sein. Grundsätzlich wird der On-Site-Optimierung jedoch ein größeres Einflusspotenzial beigemessen als der Off-Site-Optimierung (vgl. Kreutzer 2018, S. 285). Auch im Fall von SEO liegt der zentrale Vorteil in der direkten Verbindung eines Suchergebnisses mit dem Bedarf des Nachfragers. So werden einerseits mehr zielgruppenrelevante Nachfrager erreicht (weniger Streuverluste), andererseits befindet sich ein Nachfrager bei Aufruf einer Suchergebnisseite ggf. mitten im Kaufentscheidungsprozess (vgl. Abschn. 1.4.2 in Kap. 2), was die wahrgenommene Relevanz der angezeigten Inhalte nochmals erhöht. Gleichzeitig lassen sich aufgrund der generell zunehmenden Bedeutung von Suchmaschinen als Rechercheinstrument potenziell viele Nachfrager erreichen. Allerdings gilt dies nur, solange ein Unternehmen durch den Einsatz von SEO eine Platzierung im oberen Bereich der Suchergebnisseite erzielen kann, da selten mehr als die ersten zehn Treffer von Suchenden als relevant erachtet werden (vgl. Kaiser 2009, S. 37). Vor dem Hintergrund, dass SEO inzwischen zum Standardinstrument geworden ist, konkurrieren sehr viele Unternehmen um diese Platzierungen. Um sich in diesem Wettbewerb zu behaupten, müssen Unternehmen kontinuierlich in die Optimierung der Unternehmenswebsite investieren (vgl. Lammenett 2017, S. 180). Verstärkt wird diese Notwendigkeit durch die eingeführte universelle/erweiterte Suche. Die damit verbundenen neuen Informationskategorien reduzieren den verfügbaren Platz und damit die Chancen, mit klassischer SEO im sichtbaren Bereich einer Suchergebnisseite zu landen (vgl. Lammenett 2017, S. 181). Auf der anderen Seite bieten die vielschichtigen Informationskategorien der universellen Suche zugleich alternative Möglichkeiten für eine Platzierung auf der ersten Suchergebnisseite. Der Erfolg von SEO hängt insgesamt von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst ist SEO als ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess anzusehen, der eine effiziente Steuerung und ein entsprechendes Controlling erfordert (vgl. Lammenett 2017, S. 196). Der zentrale Erfolgsfaktor sind jedoch die Inhalte der Unternehmenswebsite. Diese sollten zum einen einzigartig, relevant und aktuell sein und zum anderen mit den zentralen Suchbegriffen übereinstimmen. Kehren Nachfrager z. B. nach dem Anklicken eines Ergebnisses nach kurzer Zeit zur Suchmaschine zurück, um erneut nach dem gleichen Begriff zu suchen, kann dieses als fehlende Relevanz bewertet werden und die zukünftige Platzierung negativ beeinflussen (vgl. Kreutzer 2018, S. 290). Um ebenfalls im Rahmen der erweiterten
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Tab. 10 Bewertung des Instrumentes Online-Kommunikation Online-Kommunikation Klassifizierung: fallweise abhängig/unabhängig, fallweise persönlich/unpersönlich, an viele, heterarchisch, fallweise direkt/indirekt, zweiseitig Eigenschaften Reichweite Kosten Feedbackmöglichkeiten Spektrum gestalterischer Möglichkeiten Beeinflussbarkeit der Kommunikationswirkung Zeitliche Einsatzflexibilität hoch mittel niedrig
Zielsetzung
Bekanntheit Einstellung Differenzierung im Wettbewerb Kaufabsicht Wiederkauf Information Gefühle (Emotionen) vermitteln Aktualität gute Eignung Eignung
mittel schlechte
Suche erfolgreich platziert zu werden, sollten Unternehmen einzigartige Inhalte für die jeweiligen Kategorien – bspw. Fotos, News oder Videos – bereitstellen (Kreutzer 2018, S. 280). Tab. 10 fasst die Bewertung der Online-Kommunikation abschließend zusammen.
4.3.2 Social-Media-Kommunikation
I Social-Media-Kommunikation Als Social-Media-Kommunikation werden al-
le Kommunikationsaktivitäten zwischen Unternehmen und Nachfragern sowie zwischen Nachfragern untereinander verstanden, welche die Erreichung der Marketing- und Unternehmensziele beeinflussen und über soziale Medien abgewickelt werden.
Der zentrale Unterschied zwischen Social-Media-Kommunikation und Online-Kommunikation (vgl. Abschn. 4.3.1) besteht darin, dass die Kommunikationsaktivitäten nicht länger auf eine Interaktion zwischen Unternehmen und Nachfrager beschränkt sind, sondern auch eine Interaktion von Nachfragern untereinander ermöglichen. Diese Erweiterung geht im Kern auf die Entwicklung des Internets vom sog. „Web 1.0“ zum „Web 2.0“ zurück. Der Begriff Web 2.0 hat seit seiner Entstehung eine hohe Aufmerksamkeit erzielt und wird nicht nur in den Medien, sondern auch in der Wirtschaft viel diskutiert. Dabei wird er oft inflationär genutzt und für fast alles verwendet, was als Neuerung im Internet gilt. Eine einheitliche Definition ist bis heute ausgeblieben (vgl. Ebersbach et al. 2016, S. 32 f.). Geprägt und popularisiert wurde der Begriff Web 2.0 im Jahr 2004 von Tim
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O’Reilly im Rahmen einer Fachkonferenz, die sich mit den Veränderungen im Internet beschäftigte (vgl. O’Reilly 2005). Die Begriffsdefinitionen haben sich seitdem vielfach gewandelt. Gemeinhin versteht man heutzutage unter Web 2.0 Folgendes:
I Web 2.0 Web 2.0 (und nachfolgende Generationen) beschreibt eine neue Ver-
haltensweise der Internetnutzer. Die bisherige Einwegkommunikation im Internet von der Marke zum Nachfrager hat sich aufgelöst, Nutzer generieren heute eigenständig Inhalte und treten in direkten Dialog mit ihrer Umwelt und den Unternehmen (vgl. Bender 2011, S. 145).
Zentrales Merkmal ist demnach die Integration der Nutzer im Rahmen sämtlicher Internetaktivitäten (vgl. Tuten und Solomon 2015, S. 13). Im Vordergrund stehen nicht mehr ausschließlich von Unternehmen oder sonstigen Institutionen vorgegebene Inhalte (Brand Generated Content [BGC]), sondern das Generieren der Kommunikationsinhalte durch die Nutzer selbst (vgl. Wirtz et al. 2010, S. 277 ff.). Die selbst produzierten Inhalte werden als User Generated Content (UGC) bezeichnet (vgl. Daugherty et al. 2008, S. 16; Tang et al. 2014, S. 41) (vgl. Abschn. 2.2.2 in Kap. 2). UGC umfasst sehr heterogene Inhalte, welche über das Internet verbreitet werden. Sie reflektieren ein bestimmtes Maß an kreativer Anstrengung und werden außerhalb eines professionellen Umfeldes erstellt (vgl. Wunsch-Vincent und Vickery 2007, S. 35). Während sich der Begriff Web 2.0 auf Verhaltensweisen der Nutzer bezieht, fokussiert sich der Begriff Social Media auf Anwendungen (Plattformen), welche die Kommunikation, Interaktion und Zusammenarbeit im Internet fördern und als Grundlage für den Austausch von BGC und UGC dienen (vgl. Burmann und Arnhold 2010, S. 9). Soziale Medien können demnach wie folgt definiert werden:
I Soziale Medien Soziale Medien umfassen ein Bündel internetbasierter
Plattformen, die auf dem veränderten Nutzerverhalten im Web 2.0 aufbauen und den Austausch von Brand Generated Content und User Generated Content unterstützen (vgl. Burmann et al. 2012, S. 131).
UGC und BGC lassen sich in weitere Kategorien unterteilen (vgl. Abb. 53). UGC lässt sich zunächst nach dem Unternehmensbezug der Inhalte unterscheiden. Während brandrelated UGC diejenigen selbst produzierten Inhalte von Nutzern kennzeichnet, die einen Bezug zu einem Unternehmen oder dessen Leistungen aufweisen, erfasst non-brand-related UGC alle übrigen selbst produzierten Inhalte (vgl. Burmann und Arnhold 2008, S. 40; Arnhold 2010). Brand-related UGC kann darüber hinaus in sponsored und nonsponsored brand-related UGC unterteilt werden – eine Unterscheidung, die insbesondere
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Content
User Generated Content
Non-brand-related User Generated Content
Brand Generated Content
Brand-related User Generated Content
Non-sponsored Brand-related User Generated Content
Brand Generated Content mit Unternehmensbezug
Brand Generated Content ohne Unternehmensbezug
Sponsored Brandrelated User Generated Content
Abb. 53 Arten von Content in den sozialen Medien
in Bezug auf die Motivation der Nutzer bei der Erstellung von brand-related UGC relevant ist. Im Fall von sponsored brand-related UGC haben Nutzer einen Anreiz (z. B. eine Produktprobe) für die Erstellung von brand-related UGC erhalten. Sie agieren somit extrinsisch motiviert bzw. unternehmensgestützt. Ein Beispiel hierfür sind Beiträge von sog. Influencern auf YouTube, in denen sie bestimmte Produkte im Auftrag eines Unternehmens vorstellen. Non-sponsored brand-related UGC dagegen umfasst unabhängig von einem Unternehmen erstellten brand-related UGC. Die Motivation zur Erstellung dieser Inhalte geht allein vom Nutzer aus (intrinsische Motivation). Ein besonders prominentes Beispiel dafür sind von Nutzern freiwillig verfasste Online-Rezensionen auf Amazon. Während die Entstehung sowie die Inhalte von non-sponsored brand-related UGC nicht durch Unternehmen kontrolliert werden können, verfügen diese im Fall von sponsored brand-related UGC über ein gewisses Maß an Kontrolle (vgl. Arnhold 2010, S. 127 ff.). Die Veröffentlichung und Verbreitung von sponsored oder non-sponsored brand-related UGC wird als electronic Word-of-Mouth (eWoM) bezeichnet (vgl. Abschn. 2.2.2 in Kap. 2). Wenngleich eWoM nicht ausschließlich über Social-Media-Plattformen erfolgt (sondern z. B. auch in Form von E-Mails), so ist es gerade in diesem Kontext besonders effektiv, da die zugrunde liegenden Informationen schnell und/oder weitreichend verbreitet werden. Empirische Studien zeigen, dass eWoM oft stärkere Carry-over-Effekte erzeugt und zu einer stärkeren Nachfragerreaktion (z. B. in Form von Produktkäufen) führt als dies bei klassischer Werbung der Fall ist (vgl. Trusov et al. 2009, S. 90 ff.). Im Fall von BGC wird zwischen BGC mit Unternehmensbezug und BGC ohne Unternehmensbezug unterschieden (vgl. Eilers 2014). Bei BGC mit Unternehmensbezug
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handelt es sich um diejenigen Beiträge eines Unternehmens, welche unmittelbar mit den Leistungen oder dem Unternehmen allgemein verbunden sind. Das könnten z. B. Produktvorstellungen oder auch Informationen zu Sponsoring-Maßnahmen des Unternehmens sein. Dagegen erfasst BGC ohne Unternehmensbezug Beiträge eines Unternehmens zu Themen, die keinen unmittelbaren Bezug zu dem Unternehmen und seinen Leistungen haben. Das könnten z. B. Beiträge eines Unternehmens zu allgemeinen Themen wie Fitness, Gesundheit oder Kochen sein. BGC ohne Unternehmensbezug ist ein zentraler Baustein des sog. Content-Marketing (vgl. Abschn. 4.3.4), da dieses insbesondere auf die Erzeugung von Inhalten abzielt, die keine Werbebotschaften enthalten, sondern allgemeine Interessen und Bedürfnisse der Nachfrager ansprechen. Neben den in Abschn. 1 dargestellten allgemeinen Kommunikationszielen, können im Rahmen der Social-Media-Kommunikation weitere Ziele verfolgt werden. Dies resultiert im Wesentlichen aus den erweiterten Kommunikationsmöglichkeiten in sozialen Medien. Zum Beispiel nehmen soziale Medien eine besondere Stellung in der identitätsbasierten Markenführung ein (vgl. Burmann et al. 2018, S. 244 ff.). Marken können mit Nachfragern in vielfältiger Weise interagieren und damit ganz besondere Markenerlebnisse hervorrufen, die sich wiederum positiv auf den Markenerfolg auswirken können (vgl. Brakus et al. 2009, S. 52 ff.). Ebenso lassen sich soziale Medien für das Management von Kundenbeziehungen (Customer-Relationship-Management – kurz CRM) (vgl. Abschn. 1.1 in Kap. 4) einsetzen (vgl. Tuten und Solomon 2015, S. 54). So können Unternehmen in einem ständigen Dialog mit Nachfragern stehen, was nicht nur dazu beiträgt, bestehende Kundenbeziehungen zu festigen, sondern auch neue aufzubauen. In diesem Zusammenhang wurde aufgezeigt, dass markenbezogene Online-Communitys positive Effekte auf die Marken-Nachfrager-Beziehungen haben und letztendlich das Vertrauen in die Marke sowie die Markenloyalität stärken (vgl. Laroche et al. 2013, S. 79 ff.). Ebenso können soziale Medien zu Marktforschungzwecken, für die Entwicklung neuer Produktideen (vgl. Abschn. 3.3.1 in Kap. 5) sowie für das Bewerben von (neuen) Produkten bzw. Dienstleistungen (vgl. fünftes Kapitel) herangezogen werden. Für die Zielerreichung stehen plattformspezifische und plattformübergreifende Instrumente der Social-Media-Kommunikation zur Verfügung (vgl. Abb. 54). Die Ausgestaltung der plattformspezifischen Instrumente hängt von den jeweiligen Eigenschaften der zugrunde liegenden Social-Media-Plattform ab. Zum Beispiel bietet YouTube andere Kommunikationsmöglichkeiten als eine Marken-Community – einerseits aufgrund unterschiedlicher (technischer) Funktionalitäten, andererseits aber auch aufgrund unterschiedlicher Anwendungsschwerpunkte. So werden auf YouTube Videos mit unterschiedlichen Inhalten hochgeladen und angeschaut, während in einer MarkenCommunity über verschiedene Themen bzgl. einer bestimmten Marke diskutiert wird. In technisch-funktionaler Hinsicht lassen sich die folgenden Plattformtypen identifizieren (vgl. Zarella 2009; Hettler 2010; Ceyp und Scupin 2013; Lammenett 2017; Kreutzer 2018): Weblogs, Online-Communitys, Microblogging-Dienste, soziale Netzwerke, Media-Sharing-Plattformen und Bewertungsplattformen. Diese Typen sind wiederum durch spezifische, teilweise identische Anwendungsschwerpunkte gekennzeichnet
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Anwendungsschwerpunkt (Nutzersicht)
Plattform
Kommunikation
Weblogs
OnlineCommunities
MicrobloggingDienste
Beziehungen
Content-Sharing
Kollaboration
Soziale Netzwerke
Media-SharingPlattformen
Bewertungs plattformen
Plattform-spezifische Paid-Media-Instrumente (z.B. Display-Werbung)
Plattformspezifische Instrumente
Plattform-spezifische Owned-Media-Instrumente (z.B. Veröffentlichung von BGC über unternehmenseigenes Profil)
Plattform-spezifische Earned-Media-Instrumente (z.B. Überwachung und Management von brand-related UGC)
Virales Marketing Plattformübergreifende Instrumente Influencer-Marketing
Abb. 54 Arten von Instrumenten der Social-Media-Kommunikation
(vgl. Tuten und Solomon 2015, S. 8). Weblogs, Online-Communitys und MicrobloggingDienste werden im Wesentlichen für den Austausch und die Übertragung von Informationen genutzt (Anwendungsschwerpunkt: Kommunikation). Bei sozialen Netzwerken steht hingegen der Aufbau und die Pflege von sozialen Kontakten im Mittelpunkt (Anwendungsschwerpunkt: Beziehungen). Der Schwerpunkt von Media-Sharing-Plattformen ist das Teilen von Inhalten (Anwendungsschwerpunkt: Content-Sharing), wohingegen das gemeinsame Bewerten von Leistungen eines Unternehmens auf Bewertungsplattformen eine Form der Zusammenarbeit von Nachfragern darstellt (Anwendungsschwerpunkt: Kollaboration). Unter Zuhilfenahme dieser Kategorisierung lassen sich nunmehr die für einen bestimmten Plattformtyp zentralen Kommunikationsinstrumente darstellen. Hierbei wird – gemäß der in Abschn. 4 eingeführten Kategorisierung – zwischen Paid-, Owned- und Earned-Media-Instrumenten unterschieden, da ein gegebener Plattformtyp i. d. R. mehrere dieser Kommunikationsarten ermöglicht. Zum Beispiel kann ein Unternehmen in einem sozialen Netzwerk wie Facebook bezahlte Werbebanner schalten lassen (Paid-Media-Maßnahme), eigene Beiträge über ein eigenes Profil veröffentlichen (Owned-Media-Maßnahme) sowie unternehmensbezogene Kommentare von Nutzern erhalten und beantworten (Earned-Media-Maßnahme). Plattformübergreifende Instrumente hingegen beziehen sich auf Kommunikationsmaßnahmen, deren jeweiliger Aufgabenbereich weitgehend unabhängig von der zugrunde liegenden Social-Media-Plattform ist. Diese Instrumente können somit auf verschiedenen
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Plattformtypen zum Einsatz kommen. Zu den wichtigsten Ausprägungsformen gehören das virale Marketing und das Influencer-Marketing. Mit Ausnahme von Bewertungsplattformen, die sich nicht für den Einsatz viraler Marketingmaßnahmen eignen, können das Influencer-Marketing und das virale Marketing im Zusammenhang mit allen aufgeführten Plattformtypen angewendet werden. Plattformspezifische Instrumente Tab. 11 gibt einen Überblick über die wichtigsten plattformspezifischen Instrumente der Social-Media-Kommunikation, getrennt nach der Art der Kommunikationsmaßnahmen (Paid, Owned und Earned). Weblogs (kurz Blogs) sind Websites, auf denen mindestens eine Person, der sog. Blogger, im Stile kurzer Tagebucheinträge über verschiedene Themen schreibt. Gleichzeitig können Leser auf diese Beiträge durch eigene Kommentare reagieren oder mit eigenen Blogs verlinken (vgl. Kreutzer 2018, S. 397). Die Möglichkeiten der Social-Media-Kommunikation über Blogs sind vielfältig. Zunächst können Unternehmen eigene Blogs (Unternehmensblogs) betreiben und eigene Beiträge verfassen (Owned-Media-Maßnahmen). Die Inhalte können je nach Zielsetzung in ihrem Unternehmensbezug variieren. Sie können einerseits unmittelbar mit den Produkten, Dienstleitungen oder dem Unternehmen verbunden sein. Andererseits können aber auch Themen aufgegriffen werden, die keinen Unternehmensbezug haben, jedoch grundsätzlich für die Zielgruppe des Unternehmens von Interesse sind (vgl. Content-Marketing, Abschn. 4.3.4). Die inhaltlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten in Blogs sind somit vergleichbar mit denen einer Unternehmenswebsite (vgl. Abschn. 4.3.1), wenngleich sich Blogbeiträge in stilistischer Hinsicht deutlich von Beiträgen auf Unternehmenswebsites unterscheiden (z. B. sind Blogeinträge oftmals umgangssprachlicher oder persönlicher formuliert). Neben dem Betreiben eines Unternehmensblogs können auch Kooperationen mit externen Blogs (von Privatpersonen oder anderen Unternehmen) eingegangen werden (Paid- bzw. Earned-Media-Maßnahmen). Das Ziel derartiger Kooperationen besteht im Wesentlichen darin, brand-related UGC über einflussreiche bzw. reichweitenstarke Blogs zu verbreiten (vgl. Kozinets et al. 2010, S. 71 ff.; Kreutzer 2018, S. 400). Insofern steht dieser Ansatz in einem engen Zusammenhang mit dem sog. InfluencerMarketing, welches im weiteren Verlauf dieses Kapitels als plattformübergreifendes Kommunikationsinstrument vorgestellt wird (vgl. Evans et al. 2017, S. 138 f.). Auch konnte bereits nachgewiesen werden, dass produktspezifische Empfehlungen in Blogbeiträgen bei Nachfragern zu einer erhöhten Kaufabsicht führen (vgl. Hsu et al. 2013, S. 80). Die Art der Kooperation (inkl. etwaiger Kompensationsmaßnahmen) wird in der gegenwärtigen Praxis mehr oder weniger formal geregelt. Generell gilt jedoch: Je weniger formal die Regelungen ausfallen, desto eher handelt es sich um eine Earned-MediaMaßnahme und desto weniger Kontrolle haben Unternehmen somit über Art und Ausmaß der Unternehmenseinbindung durch den Blogger. Insofern empfiehlt es sich, die wesentlichen Aspekte der Kooperation (z. B. Tätigkeits- und Leistungsumfang aufseiten des Bloggers, Art und Höhe der Kompensation durch das Unternehmen und Regelungen bzgl.
Formale KoPlatzierungen von Weroperationen mit beanzeigen in externen externen Blogs Online-Communitys (Influencer-Marketing)
Management eines Management von komUnternehmensmerziellen Markenblogs Communitys
OwnedMedia-Instrumente
Personengruppen, die gemeinsame Interessen teilen
Online-Communitys
Paid-MediaInstrumente
Beschreibung Einzelpersonen können auf eigenen Websites über verschiedene Themen schreiben
Weblogs Digitale Vernetzung realer Personen Einzelpersonen können sich untereinander vernetzen Platzierungen von Werbeanzeigen Formale Kooperationen mit externen Profilen (Influencer-Marketing) Management von Unternehmensprofilen Erstellung und Verbreitung von BGC
Soziale Netzwerke
Platzierungen von Werbeanzeigen Formale Kooperationen mit externen Profilen (Influencer-Marketing) Management von Unternehmensprofilen Erstellung und Verbreitung von BGC
Media-SharingPlattformen Personengruppen, die gemeinsame Inhalte teilen Upload von Fotos und Videos
Tab. 11 Übersicht der wichtigsten plattformspezifischen Social-Media-Kommunikationsinstrumente
Platzierungen von Werbeanzeigen Formale Kooperationen mit externen Profilen (Influencer-Marketing) Management von Unternehmensprofilen Erstellung und Verbreitung von BGC
MicrobloggingDienste Veröffentlichung von kurzen Textnachrichten
Aufbau eines eigenen Bewertungssystems oder Integration von Bewertungen externer Plattformen in Unternehmenswebsite (bzw. Online-Shop)
Bewertungsplattformen Einzelpersonen können Unternehmen oder dessen Leistungen bewerten und Erfahrungen teilen
724 8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Vorteile
EarnedMedia-Instrumente
Online-Communitys
Media-SharingPlattformen Beziehungsaufbau Maßnahmen zur zu externen Erzeugung und Profilen Verbreitung von Management und brand-related UGC Überwachung von (Fotos, Videos etc.) brand-related UGC Management und Überwachung von brand-related UGC
Soziale Netzwerke
MicrobloggingDienste Beziehungsaufbau Aktive Beteiligung in Aufbau eines zu externen Blog- nicht kommerziellen „reichweitenstargern Marken-Communitys ken“ Netzwerkes Beziehungsaufbau zu externen Profilen Management und Überwachung von brand-related UGC Erhöhung der Direkter Austausch mit Direkter Austausch Direkter Austausch Direkter Austausch Reichweite bei Nachfragern mit Nachfragern mit Nachfragern mit Nachfragern Kooperationen Stärkung der Markenbin- Erhöhung der Unterhaltende InInformative Inhalte Bereitstellung von dung Reichweite halte stehen im stehen im VordermehrwertstiftenHohe Interaktionsrate Bereitstellung von Vordergrund grund den Inhalten mehrwertstiftenden Erhöhung der Schnelle VerInhalten Reichweite breitung von Starke Dynamik Starke Dynamik Werbeinhalten der Inhalte (z. B. der Inhalte (z. B. Starke Dynamik virale Effekte) virale Effekte) der Inhalte (z. B. virale Effekte)
Weblogs
Tab. 11 (Fortsetzung)
Direkter Austausch mit Nachfragern
Bewertungsplattformen Überwachung und Beantwortung von Online-Rezensionen (ManagementAntworten)
4 Verteilung des Kommunikationsbudgets 725
Typische Beispiele
Nachteile
Online-Communitys
Soziale Netzwerke
UnternehmensUnternehmenseigene eigene Blogs (z. B. Communitys (z. B. www. www.bmwblog. communities.apple.com) com)
Werbeanzeigen Werbeanzeigen im Newsfeed von im Newsfeed von Facebook Instagram Unternehmenseigene Werbevideos auf Accounts auf Face- YouTube book (z. B. UnternehmensLeibniz) eigener YouTubeKanal (z. B. Audi)
Media-SharingPlattformen Identifizierung Geringer Einfluss auf Geringer Einfluss Geringer Einfluss passender externer brand-related UGC auf brand-related auf brand-related Blogs Bedarf einer kontinuierli- UGC UGC Bedarf einer chen Aktualisierung und Bedarf einer konBedarf einer konkontinuierlichen Überwachung tinuierlichen tinuierlichen Aktualisierung Geringe Dynamik der Aktualisierung Aktualisierung Kontrollverlust Inhalte und Überwachung und Überwachung Geringer Einfluss Je nach Format Je nach Format auf brand-related können Werbekönnen WerbeUGC anzeigen störend anzeigen störend Geringe Dynamik empfunden werden empfunden werden der Inhalte
Weblogs
Tab. 11 (Fortsetzung) MicrobloggingDienste Geringer Einfluss auf brand-related UGC Bedarf einer kontinuierlichen Aktualisierung und Überwachung Je nach Format können Werbeanzeigen störend empfunden werden Beschränkung der Werbeinhalte Werbeanzeigen im Newsfeed von Twitter
Allgemeine Bewertungsplattformen (z. B. Yelp) Spezialisierte Bewertungsplattformen (z. B. TripAdvisor oder Trustpilot)
Bewertungsplattformen Geringer Einfluss auf brand-related UGC Geringe Dynamik der Inhalte
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
727
Nutzungs- und Verwertungsrechten) in Form eines schriftlichen Vertrages festzuhalten. Die zentrale Herausforderung aufseiten des Unternehmens besteht in diesem Fall primär in der Identifizierung und Gewinnung geeigneter externer Blogger. Dabei sollten Blogger nicht nur eine gewisse Mindestreichweite innerhalb der Zielgruppe des Unternehmens gewährleisten, sie sollten auch ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit (vgl. Kreutzer 2018, S. 400) sowie einen hohen Fit zur Unternehmensmarke aufweisen (vgl. Webguerillas 2017). Eine weniger aufwändige, jedoch oftmals auch weniger sichtbare Variante für Unternehmen besteht noch darin, Blogs als Partnerunternehmen über ein Affiliate-Programm zu rekrutieren (vgl. Affiliate-Marketing, Abschn. 4.3.1). In dem Fall verweist ein Blog durch Einbindung eines Affiliate-Links auf das jeweilige Unternehmen (Paid-MediaMaßnahmen). Die beschriebenen Kommunikationsmöglichkeiten auf Blogs können das Kaufverhalten von Nachfragern in zweifacher Weise beeinflussen. Einer Studie von Stephen und Galak (2012) im Kontext eines Anbieters von Mikro-Krediten zufolge führen unternehmensbezogene Blog-Beiträge (brand-related UGC) einerseits direkt zu mehr Käufen. Andererseits ist aber auch ein indirekter Effekt möglich, indem die Beiträge (unabhängige) Berichterstattungen in traditionellen Medien anstoßen, die ihrerseits das Kaufverhalten positiv beeinflussen. Online-Communitys sind Gruppen von Nachfragern, die auf der Grundlage bestimmter Gemeinsamkeiten (z. B. gleiche Interessen) im Internet miteinander in Interaktion stehen (vgl. Algesheimer 2004, S. 3). Neben dem Gemeinschaftsgedanken liegt der Fokus auf dem Austausch von Informationen und Erfahrungen mit Gleichgesinnten (vgl. Schau et al. 2009, S. 30 f.). Online-Communitys sind i. d. R. ausschließlich für Mitglieder zugänglich und dienen der Schaffung eines hohen Identifikationspotenzials unter ihren Anhängern (vgl. Stichnoth 2008, S. 21 ff.). Die Mitgliedschaft ermöglicht einen erweiterten Zugang zu Informationen und communityspezifischen Interaktionsmöglichkeiten (z. B. Foren und Chats). Diese schaffen ein starkes Gemeinschaftsgefühl und eine soziale Identität (vgl. von Loewenfeld 2006, S. 133). Je nach Modell existieren kostenlose und kostenpflichtige Online-Communitys. Ihre Entstehung basiert auf den Spiele-Communitys, in denen sich User über bestimmte Computerspiele, ihre Erfahrungen und Tipps und Tricks zur Überwindung von Hürden in den Spielen geäußert haben. Inzwischen sind Online-Communitys über die verschiedensten Genres verteilt, z. B. Reise-Communitys, Sport-Communitys, Dating-Communitys oder auch Marken-Communitys (vgl. Iltgen und Künzler 2008, S. 248). Markenbezogene Communitys zeichnen sich durch eine enge Verbundenheit der Mitglieder zu einer speziellen Marke aus (vgl. Tomczak et al. 2006, S. 523 ff.). Sie können entweder von einem Unternehmen selbst als sog. kommerzielle Marken-Communitys (Owned-Media-Maßnahmen) oder von Nachfragern eines Unternehmens als sog. nicht kommerzielle Marken-Communitys (Earned-Media-Maßnahmen) gegründet und verwaltet werden. Marken-Communitys bieten Unternehmen die Möglichkeit zu einem persönlichen und direkten Austausch mit ihren Zielgruppen. Die Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten eines derartigen Austausches sind jedoch deutlich größer für kom-
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
merzielle als für nicht kommerzielle Marken-Communitys. Dementsprechend sind kommerzielle Communitys eher durch BGC und nicht kommerzielle durch brand-related UGC gekennzeichnet. Zumeist werden Foren in Online- bzw. Marken-Communitys für einen themenspezifischen Informationsaustausch eingebunden. Im Vergleich zu Blogs stehen in Foren nicht nur die Meinungsäußerungen eines Einzelnen im Vordergrund. Bis zur Entwicklung sozialer Medien waren Foren die einzige tatsächlich interaktive Form der OnlineKommunikation (vgl. Iltgen und Künzler 2008, S. 239). Zum Beispiel betreibt das USamerikanische Technologieunternehmen Apple verschiedene produktbezogene MarkenCommunitys. Mitglieder können in den Foren Fragen stellen und diese von der Community beantworten lassen. Auch ein Unternehmen kann sich aktiv an den Diskussionen beteiligen – entweder offen oder verdeckt unter fremder Identität. Allerdings sollte eine Teilnahme mit offen gelegter Identität und der offen kommunizierten Verbindung zur Marke immer bevorzugt werden, da bei Nutzung einer verdeckten Identität die Gefahr droht, dass die Verbindung zur Marke bekannt wird und dies der Glaubwürdigkeit der Marke schweren Schaden zufügt. Marken-Communitys sind vor allem ein geeignetes Instrument zur Markenprofilierung und zur Stärkung der Marke-Kunden-Beziehung (vgl. Stichnoth 2008, S. 96). So ließ sich anhand einer Befragung von 1.500 Nutzern in den Bereichen Mobilfunk und Spielekonsolen ermitteln, dass nahezu alle Community-Nutzer mit einer engen, positiven MarkeKunden-Beziehung beabsichtigen, die Marke auch in Zukunft zu kaufen. Es zeigte sich, dass Communitys im Allgemeinen und Marken-Communitys im Speziellen durch die Stärkung der Marke-Kunden-Beziehung die Wiederkaufabsicht der Nachfrager nachhaltig erhöhen. Des Weiteren belegt die Studie, dass eine starke Marke-Kunden-Beziehung die subjektiv erlebte Einzigartigkeit der Marke intensiviert. Umso stärker die Marke-KundenBeziehung ist, desto geringer ist die Bereitschaft, ein technisch-funktional gleichwertiges Produkt einer anderen Marke zu kaufen (vgl. Abb. 55). Die stark emotional geprägte Beziehung zur Marke „überstrahlt“ hier die Funktionalität der von der Marke angebotenen Produkte. Weitere Studien haben belegt, dass Marken-Communitys darüber hinaus effektive Instrumente zur Beeinflussung des Kaufverhaltens von Nachfragern sind, unabhängig davon, ob es sich um kommerzielle oder nicht kommerzielle Communitys handelt (vgl. Adjei et al. 2010, S. 634 ff.; Algesheimer et al. 2010, S. 711 ff.; Stephen und Galak 2012, S. 636 f.). Positive Informationen, welche von den Community-Mitgliedern geteilt werden, haben sogar einen stärkeren Effekt auf das Kaufverhalten als negative Informationen (vgl. Adjei et al. 2010, S. 634 ff.). Diese Erkenntnisse gelten sowohl für erfahrene Nachfrager als auch für unerfahrene, welche noch keinen vertiefenden Kontakt mit der Marke hatten. Community-Maßnahmen sollten demnach ein breiteres Publikum als nur die Fans einer Marke adressieren (vgl. Algesheimer et al. 2010, S. 711 ff.). Zudem können unternehmensbezogene Beiträge in Communitys (brand-related UGC) das Kaufverhalten von Nachfragern auch indirekt über andere Social-Media-Plattformen beeinflussen. So tragen sie dazu bei, dass auch in Blogs vermehrt über das entsprechende Unternehmen
4
Verteilung des Kommunikationsbudgets
729
Wenn es vollkommen identische Produkte auch von anderen Marken geben würde, würde ich diese auch kaufen. 33,3
7,1 9,1
Stimme gar nicht zu 1 Werte in % n = 929
33,5
26,8
37,8 27,1
13,9
14,3
2
Schwache MKB n = 322
24,8
20,2 18,6
15,3
10,4
Stimme teilweise zu 3 Mittlere MKB n = 463
4
7,8
Stimme vollkommen zu 5 Starke MKB n = 144
Abb. 55 Wirkung der Marke-Kunden-Beziehung auf die Markendifferenzierung (Quelle: Stichnoth 2008, S. 70)
geschrieben wird, was wiederum (wie oben aufgezeigt) zu mehr Kaufabschlüssen führt (vgl. Stephen und Galak 2012, S. 636). Zuletzt haben Unternehmen auch noch die Möglichkeit, Display- bzw. Bannerwerbung (vgl. Abschn. 4.3.1) auf den Webseiten bestimmter (nicht kommerzieller) OnlineCommunitys zu platzieren, sofern diese entsprechende Werbeplätze zur Verfügung stellen (Paid-Media-Maßnahmen). Aufgrund ihrer Themenorientierung sind Online-Communitys insofern geeignete Werbeträger, als dass ein Unternehmen einen gezielten Zugriff auf eine homogene Gruppe von Nachfragern erhält, deren Interessen (abgeleitet aus der thematischen Ausrichtung der Community) mit dem Unternehmen zu tun haben. Die in Abschn. 4.3.1 dargelegten allgemeinen Erkenntnisse zum Einfluss von Display-Werbung auf das Kaufverhalten gelten auch in dem spezifischen Anwendungskontext von OnlineCommunitys. Eine unter Nachfragern besonders beliebte Social-Media-Kategorie sind soziale Netzwerke. Hierbei handelt es sich um internetbasierte Plattformen, die ihren Nutzern ermöglichen, Beziehungen untereinander aufzubauen und zu pflegen. Auf Grundlage dieser Beziehungen können Nutzer Inhalte untereinander austauschen und auf diese gegenseitig reagieren – z. B. durch Funktionen wie „Gefällt mir“, Kommentieren oder Weiterleiten (vgl. Tuten und Solomon 2015, S. 145 ff.). Die Inhalte können sowohl privat (nur für Einzelpersonen bzw. vordefinierte Gruppen) als auch öffentlich sichtbar sein. Grundsätzlich wird zwischen themenorientierten (z. B. rund um das Thema Wein) und allgemeinen sozialen Netzwerken unterschieden. Facebook ist das am weitesten verbreitete allgemeine soziale Netzwerk. Inzwischen hat Facebook über 2,072 Mrd. monatlich aktive Nutzer (3. Quartal 2017). In Nordamerika sind über 70 % der Internetnutzer bei Facebook registriert (vgl. Tab. 12). Facebook bietet seinen Nutzern die Möglichkeit, sich mit anderen Nutzern (Freunden) zu vernetzen und zu interagieren sowie Inhalte hochzuladen und diese mit Freunden zu teilen.
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Tab. 12 Verbreitung von Facebook im Jahr 2017 (Quelle: Internet World Stats 2017) Land
Anzahl der Facebook-Nutzer
Europa Nord Amerika Asien Afrika Mittlerer Osten Australien
343.273.740 263.081.200 736.003.000 160.207.000 86.700.000 19.463.250
Anteil der Facebook-Nutzer an den Internetnutzern (%) 41,72 72,42 17,74 12,85 34,63 48,08
Die Kommunikationsmöglichkeiten für Unternehmen in sozialen Netzwerken sind besonders vielfältig. Grundsätzlich können Instrumente aus allen drei Bereichen (Paid, Owned und Earned Media) eingesetzt werden (vgl. Tuten und Solomon 2015, S. 26). Dabei ist das eigene Unternehmensprofil, vergleichbar mit der Unternehmenswebsite (vgl. Abschn. 4.3.1), Ausgangspunkt für alle Kommunikationsmaßnahmen innerhalb eines sozialen Netzwerkes. Verschiedene soziale Netzwerke bieten sogar ein spezielles Unternehmensprofil an, welches andere Funktionalitäten als das klassische Nutzerprofil bereitstellt. Bei Facebook ist das die sog. Fan-Page. Um sich mit einer FacebookFan-Page eines Unternehmens zu verbinden, steht Nutzern die „Gefällt mir“-Funktion zur Verfügung. Mit dieser drückt der Nutzer aus, dass er das Unternehmen mag und Informationen über das Unternehmen erhalten möchte. Daraufhin wird er über die Veröffentlichungen eines Unternehmens bei Facebook durch den sog. Newsfeed informiert (vgl. Luarn et al. 2015, S. 1 f.; Facebook 2018). Ein Beispiel ist der Fußballverein FC Barcelona, mit über 103 Mio. Fans die Fußballmarke mit den meisten Fans auf Facebook. Im Newsfeed der Fan-Page werden Informationen zu den Spielen des Vereins und darüber hinaus Videos veröffentlicht. Mit Klick auf die „Gefällt mir“-Funktion werden diese Informationen im eigenen Newsfeed angezeigt. Über das eigene Unternehmensprofil kann sich ein Unternehmen präsentieren und eigene Beiträge bzw. BGC veröffentlichen (Owned-Media-Maßnahmen) (vgl. Tafesse 2015, S. 928). Die Inhalte können dabei wiederum im Ausmaß ihres Unternehmensbezugs variieren (vgl. Luarn et al. 2015, S. 2 f.) (siehe auch Content-Marketing, Abschn. 4.3.4). Neben BGC läuft jedoch i. d. R. auch brand-related UGC im Unternehmensprofil eines sozialen Netzwerkes auf – etwa dann, wenn Nutzer unternehmenseigene Beiträge kommentieren (vgl. de Vries et al. 2012, S. 83). Darüber hinaus können Nutzer ein Unternehmen auch direkt in eigene Beiträge einbinden. Insofern stellen Maßnahmen im Umgang mit brand-related UGC sowie die damit verbundenen Interaktionen zwischen Unternehmen und Nutzern einen weiteren Anwendungsbereich der Unternehmenskommunikation im Kontext von sozialen Netzwerken dar (Earned-Media-Maßnahmen) (vgl. Tuten und Solomon 2015, S. 151 f.). Konkret muss sich ein Unternehmen bspw. überlegen, in welcher Weise es auf bestimmte negative Nutzerkommentare reagieren möchte.
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Das am häufigsten eingesetzte Paid-Media-Instrument in sozialen Netzwerken ist die bezahlte Werbung, typischerweise in Form von klassischer Display-Werbung (Banner- und Video-Werbung; vgl. Abschn. 4.3.1). Zum Beispiel können bei Facebook Werbefilme als eigenständige Videos in den Newsfeed oder als Pre- bzw. Mid-Roll-Werbeanzeigen direkt in einen anderen Videostream eingebunden werden. Der zentrale Vorteil von Display-Werbung im Kontext von sozialen Medien resultiert vor allem daraus, dass Plattform-Betreiber ein breites Spektrum personenbezogener Daten aus den persönlichen Angaben und dem Browsingverhalten der Nutzer ableiten können (Geschlecht, Wohnort, Beruf, Beziehungsstatus, Interessen etc.) (vgl. Curran et al. 2011, S. 26 ff.). Auf dieser Grundlage lassen sich die Werbemaßnahmen schließlich mit besonders effektiven Targeting- und Personalisierungsansätzen kombinieren (vgl. Targeting und Personalisierung, Abschn. 4.3.4). Daneben werden soziale Netzwerke auch immer öfter für die formale Zusammenarbeit mit anderen Nutzern eingesetzt. Das Ziel besteht darin, vergleichbar mit formalen Kooperationen zwischen Unternehmen und Bloggern, brand-related UGC über einflussreiche bzw. reichweitenstarke Nutzer (Influencer) zu verbreiten. Dies kann in vielfältiger Weise erfolgen, z. B. indem Influencer Produkte eines Unternehmens in ihren eignen Content einbinden oder Affiliate-Links (vgl. Affiliate-Marketing, Abschn. 4.3.1) auf der Profilseite eines Influencers eingebettet werden. Maßnahmen dieser Art fallen wiederum in den plattformübergreifenden Geltungsbereich des Influencer-Marketing (vgl. Evans et al. 2017, S. 138 f.). Die Wirkungen von Kommunikationsmaßnahmen in sozialen Netzwerken auf das Nachfragerverhalten können sehr vielfältig ausfallen. Je intensiver Nachfrager mit einem Unternehmen über ein soziales Netzwerk interagieren, desto bekannter ist ihnen das Unternehmen und desto größer fallen ihre Weiterempfehlungs- und Kaufabsichten aus (vgl. Hutter et al. 2013, S. 347). Darüber hinaus konnten Brettel et al. (2015) sogar tatsächliche Umsatzanstiege auf die Anzahl der „Gefällt mir“-Angaben in Unternehmensprofilen zurückführen. Media-Sharing-Plattformen sind Internetplattformen, die es Personen oder Unternehmen erlauben, digitale Medieninhalte (z. B. Fotos oder Videos) im Internet hochzuladen und privat oder öffentlich über ein angeschlossenes Netzwerk von Nutzern zugänglich zu machen. Bekannte Beispiele sind Pinterest, Instagram oder Flickr für Fotos und Kurzvideos sowie YouTube oder Vimeo für Videos. Somit weisen Media-Sharing-Plattformen ähnliche Funktionalitäten wie soziale Netzwerke auf. Allerdings liegt ihr Schwerpunkt weniger auf der Vernetzung von Nutzern (Schwerpunkt von sozialen Netzwerken) als auf der Verbreitung von Medieninhalten (vgl. Kietzmann et al. 2011, S. 242). Da die Erstellung und Verbreitung von Medieninhalten in den Aufgabenbereich von Owned- und Earned-Media-Instrumenten fallen, sind diese Formen der Kommunikation besonders bedeutsam für Media-Sharing-Plattformen. Zum einen können Unternehmen eigene Inhalte (BGC), z. B. Fotos oder Videos, erstellen und veröffentlichen (OwnedMedia-Maßnahmen). In der Regel erfolgt dies über einen sog. Markenkanal (Brand Channel), einen im „Look and Feel“ der Marke gestalteten Account des Unternehmens, den Nutzer abonnieren können (vgl. Kreutzer 2018, S. 454). Die Inhalte lassen sich auch
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
in diesem Fall, je nach Zielsetzung, mit oder ohne Unternehmensbezug ausgestalten (siehe auch Content-Marketing, Abschn. 4.3.4). Eng verbunden damit sind unternehmensbezogene Inhalte, die nicht vom Unternehmen selbst, sondern von Nutzern erstellt und veröffentlicht werden (brand-related UGC). Dabei kann einerseits das Ziel verfolgt werden, Nutzer aktiv zur Erzeugung und Verbreitung von brand-related UGC zu motivieren, z. B. durch Wettbewerbe oder Mitmach-Aktionen (Earned-Media-Maßnahmen). So hat der Kreditkartenanbieter Visa etwa einen Fotowettbewerb auf Instagram durchgeführt und Nutzer dazu aufgerufen, ihr jeweils schönstes Bild von Orten zu veröffentlichen, an denen sie mit ihrer Visa-Karte bezahlt haben. In kurzer Zeit wurden mehr als 1000 Bilder hochgeladen, die allesamt mit #lovemyvisa und dem Visa-Account @Visa_DE in der Bildbeschreibung verknüpft waren. Andererseits ist es aber auch möglich, dass Nachfrager aus eigenem Antrieb heraus brand-related UGC veröffentlichen. Diese Inhalte können negativ wie positiv ausfallen. Da sich negativer brand-related UGC schnell in einen Shitstorm verwandeln und einem Unternehmen zuweilen erheblich schaden kann (vgl. Rauschnabel et al. 2017, S. 392 f.), sollten entsprechende Monitoring-Maßnahmen (Social-Media-Monitoring) implementiert werden, um permanent zu überblicken, wie das Unternehmen in der Öffentlichkeit dargestellt wird (vgl. Pfeffer et al. 2014, S. 119). Ein Beispiel dafür ist der Fall „United breaks guitars“. Ein Passagier von United Airlines beschwerte sich hier öffentlich in Form eines selbstgeschriebenen Songs auf YouTube darüber, dass während eines Flugs seine Gitarre beschädigt wurde, woraufhin United Airlines sich aus der Verantwortung zog. Der Song wurde innerhalb der ersten Wochen über 10 Mio. Mal angeklickt, gefolgt von massiver öffentlicher Kritik an United Airlines seitens anderer YouTube-Nutzer. Die Folge war ein gravierender Imageschaden für die Fluggesellschaft (vgl. Tuten und Solomon 2015, S. 30). Trotz der besonderen Bedeutung von Kommunikationsmaßnahmen aus den Bereichen Owned und Earned Media gibt es auch Möglichkeiten des Paid-Media-Einsatzes auf Media-Sharing-Plattformen, z. B. in Form bezahlter Werbung. Auch hier variieren die Ausgestaltungsmöglichkeiten zwischen den Plattformen, wobei Banner- und Video-Werbung zu den gängigsten Instrumenten gehören (Abschn. 4.3.1). Auf YouTube werden i. d. R. kurze Werbefilme vor Beginn oder im weiteren Verlauf eines Videostreams ausgestrahlt (In-Stream), vergleichbar mit einem klassischen TV-Spot. Auf Instagram dagegen können Werbefilme mit einer Länge von bis zu 60 Sekunden direkt in den Newsfeed eingebunden werden. Darüber hinaus liegen den Plattformbetreibern ähnlich detaillierte personenbezogene Daten vor wie bei sozialen Netzwerken, so dass auch hier die jeweiligen Instrumente mit präzisen Targeting- und Personalisierungsansätzen kombiniert werden können (vgl. Targeting und Personalisierung, Abschn. 4.3.4). Ebenfalls analog zu sozialen Netzwerken werden Media-Sharing-Plattformen auch zunehmend häufiger eingesetzt, um das Unternehmen oder seine Leistungen über Influencer bewerben zu lassen (Influencer-Marketing). Die bekannteste Media-Sharing-Plattform für Influencer-Marketing ist nach wie vor YouTube (vgl. Bundesverband Digitale Wirtschaft 2017). Dass Kommunikationsmaßnahmen auf Media-Sharing-Plattformen einen Einfluss auf das Kaufentscheidungsverhalten von Nachfragern ausüben, unterstreicht eine Umfrage
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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unter 2.000 US-amerikanischen Instagram-Nutzern. 72 % der befragten Nutzer gaben an, dass sie ein Produkt einer Marke aus den Bereichen Mode oder Kosmetik gekauft haben, nachdem sie diese Marke zuvor auf Instagram gesehen haben (vgl. Dana Rebecca Designs 2017). Microblogging-Dienste ermöglichen es Nachfragern, Kurznachrichten zu veröffentlichen, welche von einem angeschlossenen Netzwerk gelesen werden können (vgl. Burmann et al. 2010, S. 11 f.). Diese Nachrichten werden wie in einem Blog chronologisch dargestellt und sind – deshalb die Bezeichnung Microblog – auf eine bestimmte Zeichenanzahl (häufig unter 200) beschränkt. Das angeschlossene Netzwerk kann die Nachrichten kommentieren und weiterleiten. Ebenfalls können sich Nachfrager untereinander Nachrichten schicken, welche jedoch privat sind. Der weltweit bekannteste MicrobloggingDienst ist Twitter, der seinen Nutzern ermöglicht, Nachrichten mit einer Länge von maximal 280 Zeichen zu versenden (sog. Tweets). Hierbei haben Nutzer die Möglichkeit, anderen Nutzern zu folgen. Dies macht sie dann zu einem Follower. Direkte Interaktion zwischen Nutzern ist durch Direct Messages oder Antworten auf Tweets möglich, die mit @,username‘ beginnen. Auch Microblogging-Dienste bieten Unternehmen verschiedene Kommunikationsmöglichkeiten, die sich wiederum den Bereichen Paid, Owned und Earned Media zuordnen lassen. Zunächst besteht die Möglichkeit, ein eigenes Profil zu erstellen und darüber eigene Nachrichten zu veröffentlichen (Owned-Media-Maßnahmen). Die Nachrichten können dabei wiederum im Ausmaß ihres Unternehmensbezugs variieren (vgl. Content-Marketing, Abschn. 4.3.4). Vor dem Hintergrund, dass sich Microblogs gegenüber anderen Social-Media-Plattformen durch eine schnelle Informationsübermittlung auszeichnen (kurze und damit schnell zu lesende Texte, unmittelbare Weiterleitungsmöglichkeiten etc.), sind es vor allem die Attribute Aktualität und Exklusivität, die Inhalte aus Nutzersicht besonders relevant erscheinen lassen (vgl. Small 2011, S. 875). Beispielhafte Umsetzungen dafür liefert die US-amerikanische Fluggesellschaft JetBlue. Um seinen Followern bei Twitter einen hohen Grad an relevanten Informationen zu vermitteln, baute das Unternehmen – neben dem ursprünglichen Twitter-Account – den weiteren, äußerst erfolgreichen Account JetBlue Cheeps auf (vgl. Aaker et al. 2010). Hierbei handelt es sich um einen Account, der sich ausschließlich mit der Kommunikation kurzfristiger Angebote beschäftigt. Die Angebote führen zu hoher Aufmerksamkeit unter den Followern und stärken zugleich die Bindung an den Account und das Unternehmen (mehr als 450.000 Follower). Direkt verknüpft mit der Veröffentlichung eigener Nachrichten ist die Herausforderung, die Nachrichten an möglichst viele Nutzer zu verbreiten. Dies erfordert nicht nur den Aufbau eines eigenen Netzwerkes, sondern auch Maßnahmen, dass die Nachrichten über Mitglieder des eigenen Netzwerkes weiterverbreitet werden. Gerade durch die unmittelbaren Weiterleitungsmöglichkeiten von Nachrichten ist der Hebel für virale Kommunikation innerhalb eines Microblogging-Dienstes besonders groß. Für Unternehmen ergeben sich dabei verschiedene Ansatzpunkte, wie z. B. das Verfassen von Nachrichten mit einem großen viralen Potenzial oder der Aufbau eines Netzwerkes mit vielen
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
einflussreichen Mitgliedern (Earned-Media-Kommunikation). Insgesamt fallen Maßnahmen dieser Art in den Geltungsbereich des viralen Marketing. Darüber hinaus spielt auch das Social-Media-Monitoring in diesem Bereich eine wichtige Rolle, da Nachfrager gerade Microblogging-Dienste einsetzen, um negative Erfahrungen mit einem Unternehmen zu verbreiten. Auch hier lässt sich das Beispiel „United breaks guitars“ insofern anführen, als dass das Bekanntwerden des YouTube-Videos zu vielen negativen Bekundungen gegenüber United Airlines auf Twitter geführt hat. Ebenso bieten Microblogging-Dienste aber auch eigene, gegen Bezahlung einsetzbare Instrumente an, die z. B. zum Aufbau eines größeren Netzwerkes beisteuern können (Paid-Media-Kommunikation). Die konkreten Möglichkeiten und Ausgestaltungsformen sind dabei je nach Dienst ganz verschieden. Auf Twitter z. B. können Unternehmen über Werbeanzeigen in der Rubrik „Wem folgen?“ oder in der Timeline auf der Startseite gezielt Nutzer zum Aufbau des eigenen Netzwerkes ansprechen. Ebenso sind auf Twitter aber auch Anzeigenformate einsetzbar, die mit klassischer Display-Werbung vergleichbar sind. Die sog. Website Card ist eine Art Bannerwerbeanzeige in der Timeline von Twitter-Nutzern, die auf die Website des werbenden Unternehmens verlinkt. Auch den Betreibern von Microblogging-Diensten liegen i. d. R. detaillierte personenbezogene Nutzerdaten vor. Diese Daten werden vor allem für eine zielgruppengenaue Aussteuerung der jeweiligen Paid-Media-Instrumente eingesetzt (vgl. Twitter 2018) (vgl. Targeting, Abschn. 4.3.4). Der Einfluss von Kommunikationsmaßnahmen in Microblogs auf das Nachfragerverhalten hängt von der Art und Ausgestaltung der zugrunde liegenden Maßnahmen ab. Sowohl unternehmenseigene Tweets als auch (über bezahlte Kampagnen) rekrutierte Retweets erhöhen die Nachfrage nach den beworbenen Leistungen. Dabei beeinflussen rekrutierte Retweets jedoch nur dann das Nachfragerverhalten, wenn sie hinreichend informativ ausgestaltet sind. In diesem Fall wirken sie jedoch sogar stärker als unternehmenseigene Nachrichten (vgl. Gong et al. 2017, S. 848). Eine letzte zentrale Social-Media-Kategorie für die Unternehmenskommunikation sind Bewertungsplattformen. Hierbei handelt es sich um Websites, die es Nachfragern ermöglichen, sog. Online-Rezensionen zu verfassen und zu veröffentlichen. Eine OnlineRezension ist eine im Internet veröffentlichte Form der Kritik, welche die Erfahrungen mit einer bestimmten Leistung eines Unternehmens oder mit einem Unternehmen allgemein dokumentiert und bewertet. Es kann zwischen standardisierten (z. B. Bewertung bestimmter Leistungsattribute auf einer vorgegebenen Antwortskala) und nicht standardisierten Online-Rezensionen (z. B. Bewertung in Form von Freitexteinträgen) unterschieden werden. Häufig wird eine Kombination dieser beiden Formen angeboten. Bei TripAdvisor etwa besteht eine Online-Rezension aus einer globalen Bewertung auf einer fünfstufigen Rating-Skala sowie einer in Textform verfassten Detailbewertung. Online-Rezensionen sind eine besondere Form des electronic Word-of-Mouth, die, wie in Abschn. 2.2.2 in Kap. 2 dokumentiert, im Zuge der Digitalisierung stark an Bedeutung gewonnen haben (vgl. Schindler und Bickart 2005, S. 35; Sen und Lerman 2007, S. 77). Es veröffentlichen zunehmend mehr Nachfrager (zum Teil sehr ausführliche) On-
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line-Rezensionen, die wiederum andere Nachfrager nutzen, um ihre Kaufentscheidung zu treffen. Somit ist auch die Bedeutung von Bewertungsplattformen für Nachfrager angestiegen. Laut einer Umfrage der Bitkom Research GmbH unter Online-Shoppern in Deutschland gaben 79 % aller Befragten (zwischen 14 und 29 Jahren) an, vor dem Online-Kauf Rezensionen auf Bewertungsplattformen zu lesen (vgl. Bitkom 2015). Bewertungsplattformen gibt es in unterschiedlicher Form. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist der Schwerpunkt der Bewertungsobjekte. So gibt es neben allgemeinen Plattformen (z. B. Check24 oder Yelp) viele spezialisierte Plattformen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, wie etwa zur Bewertung von Online-Shops (z. B. Trustpilot oder Trusted Shops) oder zur Bewertung von Leistungen in bestimmten Branchen (z. B. TripAdvisor für Reisen, jameda für Ärzte oder Die Werkstattkenner für freie Kfz-Werkstätten). Bewertungsplattformen sind für Unternehmen insofern von besonderer Relevanz, als dass die dort veröffentlichten Online-Rezensionen das Kaufverhalten von Nachfragern substanziell beeinflussen können. Entscheidend dabei ist vor allem die Valenz der Online-Rezensionen. Während positiv formulierte Bewertungen die Nachfrage erhöhen, führen negative Bewertungen zu einer verringerten Nachfrage. Dabei ist der absolute Effekt jedoch größer für negative als für positive Rezensionen (vgl. Chevalier und Mayzlin 2006, S. 346). Aus diesem Grund zielen Kommunikationsmaßnahmen auf Bewertungsplattformen im Wesentlichen darauf ab, die Effekte negativer Rezensionen abzumildern und die Effekte positiver Online-Rezensionen zu verstärken (Earned-Media-Maßnahmen). Ein dafür gebräuchliches Instrument sind Management-Antworten, eine von inzwischen vielen Plattformbetreibern angebotene Funktion, mit der Unternehmen auf Online-Rezensionen öffentlich antworten können (vgl. Nee 2016, S. 13). Im Fall von negativen Rezensionen sollten Unternehmen jedoch über eine reine Entschuldigung hinausgehen. Mögliche negative Folgen werden insbesondere dann abgeschwächt, wenn die Unternehmensantwort eine explizite Begründung für die negativ beurteilten Leistungen enthält. Sofern vereinbar mit dem konkreten Anwendungsfall, fallen negative Nachfragerreaktionen noch geringer aus, wenn Unternehmen dem Verfasser einer negativen Rezension eine monetäre Entschädigung gewähren und dieses in der Antwort entsprechend vermerken (vgl. Nee 2016, S. 171 ff.). Darüber hinaus können Management-Antworten eine grundsätzlich positive Signalwirkung auf Nachfrager ausüben. So deutet bspw. eine Umfrage im Auftrag von TripAdvisor für das Hotelgewerbe an, dass Nachfrager ein Hotel allein durch die Existenz von Management-Antworten positiver beurteilen und mit größerer Wahrscheinlichkeit buchen (vgl. TripAdvisor 2015). Diese positiven Wirkungen müssen jedoch gegenüber einem anderen zentralen Befund abgewogen werden. Demzufolge führen mehr Management-Antworten auch zu mehr Online-Rezensionen insgesamt, wobei die Zahl der negativen Rezensionen überproportional stark ansteigt (vgl. Chevalier et al. 2018). Zur Erhöhung der Sichtbarkeit von Online-Rezensionen über eine Bewertungsplattform hinaus stehen Unternehmen zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Einerseits können die extern erfassten Online-Rezensionen in die eigene Unternehmenswebsite inte-
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
griert werden. Dies erfolgt i. d. R. über spezielle Web-Anwendungen, die von den jeweiligen Plattformbetreibern angeboten werden. Andererseits können Unternehmen auch eigene Lösungen zur Erfassung und Veröffentlichung von Online-Rezensionen einsetzen (Owned-Media-Maßnahmen). Das bekannteste Beispiel dafür liefert das Unternehmen Amazon, welches ein eigenes Bewertungssystem aufgebaut und in seinen Online-Shop eingebunden hat. Plattformübergreifende Instrumente Zu den wichtigsten plattformübergreifenden Instrumenten gehören das virale Marketing und das Influencer-Marketing. Tab. 13 gibt einen Überblick über diese beiden Instrumente.
I Virales Marketing Virales Marketing beschreibt das gezielte Auslösen einer
spezifischen Form von Mundpropaganda (WoM bzw. eWoM), welche zu einer schnellen und exponentiell wachsenden Verbreitung von unternehmensbezogenen Inhalten führt.
Das virale Marketing basiert auf dem Grundprinzip des WoM bzw. eWoM (vgl. Abschn. 1.3 in Kap. 2 und Abschn. 2.2.2 in Kap. 2), welches sich im Kern auf die Weitergabe unternehmensbezogener Informationen von Nachfragern untereinander bezieht. WoM bzw. eWoM verbreitet sich dabei zumeist ohne das Zutun eines Unternehmens. Tab. 13 Übersicht der wichtigsten plattformübergreifenden Social-Media-Kommunikationsinstrumente Beschreibung
Vorteile
Nachteile
Beispiele
Virales Marketing Unternehmen nutzen Netzwerkstrukturen in den Social-Media-Beziehungen zwischen Nachfragern zur schnellen und großflächigen (virusartigen) Verbreitung von Inhalten Große Reichweite Schnelle Verbreitung der Werbebotschaften Geringe Kosten Geringe Planbarkeit des Kampagnenverlaufs Mögliche negative virale Effekte (Shitstorms) Edekas Werbespot „Heimkommen“ Old Spices Werbespot „Smell Like a Man, Man“
Influencer-Marketing Unternehmen engagieren Meinungsführer in sozialen Medien (Influencer) zur Verbreitung von unternehmensbezogenen Inhalten Große Reichweite Authentisch wahrgenommene Werbebotschaften Adressierung von Nischenzielgruppen Identifizierung geeigneter Influencer (Reichweite, Fit zum Unternehmen etc.) Kooperation mit YouTubern wie LeFloid oder Bianca Heinicke („BibisBeautyPalace“)
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Die besondere Funktion des viralen Marketing besteht nunmehr darin, dass sich die Inhalte virusartig, d. h. schnell und exponentiell wachsend, verbreiten sollen (vgl. Schulz et al. 2008, S. 250 f.). Die Grundlage dafür bilden die zwischen Nachfragern bestehenden sozialen Interaktionsgeflechte. Je umfangreicher diese ausgeprägt sind, desto schneller und großflächiger können sich Informationen ausbreiten. Gerade Social-Media-Plattformen bieten vielschichtige Möglichkeiten der sozialen Interaktion. Zudem begünstigen verschiedene technische Funktionalitäten dieser Plattformen, wie etwa eine „Teilen“Funktion, eine schnelle Verbreitung von Inhalten (vgl. Lamenett 2017, S. 389; Kreutzer 2018, S. 520). Dieses sind auch die Gründe dafür, dass virales Marketing erst mit Aufkommen der sozialen Medien zu einem zentralen Kommunikationsinstrument für Unternehmen geworden ist. Während der Diffusionsprozess (Prozess der Verbreitung der Inhalte von der Quelle bis zum letzten Empfänger) weitgehend ohne Einflussnahme eines Unternehmens verläuft, so kommt dem Unternehmen im Rahmen des „Auslösens“ dieses Prozesses eine umso wichtigere Rolle zu. Dabei sind vier zentrale Erfolgsfaktoren zu beachten. 1. Seeding: Eine zentrale Herausforderung des viralen Marketing ist das Erreichen der sog. kritischen Masse (vgl. Oliver et al. 1985, S. 524; Phelps et al. 2004, S. 334). Als kritische Masse wird eine Mindestanzahl an Empfängern bezeichnet, die erreicht werden muss, ehe der Diffusionsprozess genügend Eigendynamik entwickelt und die Inhalte sich von selbst verbreiten. Das Erreichen der kritischen Masse hängt maßgeblich von der Erstplatzierung der Inhalte (Seeding) ab. Diese kann über vielfältige Medien erfolgen – von der Unternehmenswebsite (vgl. Abschn. 4.3.1) über E-Mail (vgl. Abschn. 4.3.1) bis hin zu den diversen Social-Media-Plattformen. Das Seeding sollte sich jedoch in erster Linie daran orientieren, über welche Medien die Primärzielgruppe am besten erreicht und angesprochen werden kann (vgl. Hinz et al. 2011, S. 55 f.; Kreutzer 2018, S. 523). Zu der Primärzielgruppe zählen diejenigen Nachfrager, welche als „Erstempfänger“ für das Weiterverbreiten der Inhalte eingeplant sind. Darüber hinaus können auch einzelne Nachfrager (Influencer) gezielt angesprochen werden, z. B. solche, die sich durch eine hohe Reichweite (sog. Social Hubs) oder eine hohe Fachkompetenz (sog. Market Mavens) auszeichnen (vgl. Influencer-Marketing). 2. Netzwerkstruktur: Auch das soziale Netzwerk der Empfänger hat entscheidende Einflüsse auf die Diffusion von viralen Inhalten. Netzwerke unterscheiden sich u. a. in ihrer Größe (Anzahl an Kontakten) und in der Stärke ihrer Beziehungen (vgl. Bampo et al. 2008, S. 276). Die Stärke einer Beziehung wird bspw. über die gemeinsamen Interessen oder die gegenseitigen direkten Interaktionen definiert (vgl. Tuten und Solomon 2015, S. 108 f.). Liu-Thompkins (2012, S. 68) zeigt in diesem Zusammenhang auf, dass kleinere Netzwerke mit starken Beziehungen einen größeren Einfluss auf die Verbreitung von Inhalten haben als größere Netzwerke mit schwachen Beziehungen. 3. Inhalte der Botschaft: Die Inhalte der viralen Botschaft sollten Aufmerksamkeit erregen und einen Mehrwert für die Empfänger stiften (vgl. Content-Marketing, Abschn. 4.3.4). Berger und Milkman (2012) zeigen in diesem Zusammenhang auf,
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dass emotionale Inhalte besonders häufig weitergeleitet werden. Auch humorvolle und lustige Inhalte begünstigen eine schnelle Diffusion (vgl. Stenger 2012, S. 149; Horizont 2014; Lammenett 2017, S. 339). Darüber hinaus können die Inhalte an den empfängerseitigen Motiven für das Weiterverbreiten von Inhalten ausgerichtet werden. So kann ein Nachfrager egoistische Motive aufweisen und z. B. danach streben, durch die Verbreitung von Inhalten als besonders unterhaltsam oder hilfreich wahrgenommen zu werden (vgl. Berger 2014, S. 589 f.; Ho und Dempsey 2010, S. 1004). Ebenso können aber auch altruistische Gründe vorliegen, wie z. B. anderen Nachfragern durch das Weiterleiten von Inhalten helfen zu wollen (vgl. Cheung und Lee 2012, S. 222 f.; Ho und Dempsey 2010, S. 1004). Darüber hinaus können den Empfängern verschiedene Anstöße zur Weiterleitung gegeben werden. Dies können konkrete Prämien oder andere Arten von Belohnungen sein (vgl. Kreutzer 2018, S. 522). 4. Form der Botschaft: Neben den Inhalten ist auch die Form der Botschaft ein entscheidender Erfolgsfaktor für den Verlauf des Diffusionsprozesses. Dabei gelten vor allem Videos als besonders erfolgsversprechend (vgl. Ho und Dempsey 2010, S. 1000; Lammenett 2017, S. 340; Kreutzer 2018, S. 522). Diese bieten die Möglichkeit, Botschaften so zu transportieren, dass sie nicht direkt als Werbung wahrgenommen werden und sich in sozialen Netzwerken mit hoher Geschwindigkeit verbreiten. Voraussetzung dafür, dass das virale Video auch für die Marke eine positive Wirkung zeigt, ist die indirekte Integration der eigentlichen Werbebotschaft in einen Videospot. Ein Beispiel für ein erfolgreiches virales Video liefert das Unternehmen LG Electronics. Ziel des Videos war es, die eigenen Monitore mit IPS-Displays zu bewerben, welche durch die hohe Farbgenauigkeit sehr realitätsnahe Bilder wiedergeben. Für das Video wurde ein Fahrstuhl mit versteckten Kameras und Lautsprechern ausgestattet. In den Fahrstuhlboden wurden die Monitore eingelassen, so dass diese aussahen wie der echte Fahrstuhlboden. Nach kurzer Fahrt wurden die Fahrstuhlgäste von knarrenden Geräuschen überrascht und unter ihnen lösten sich die virtuellen Bodenplatten. Die erschrockenen Reaktionen von zahlreichen Fahrstuhlgästen werden in dem viralen Video gezeigt. LG ist es gelungen, zum einen durch Humor eine Relevanz für die Nutzer zur Weiterverbreitung des Videos zu bieten: Das Video wurde aktuell mehr als 46 Mio. Mal gesehen. Zudem wurde es in unzähligen Blogs und TV-Formaten gezeigt. Hierdurch ist ein Werbewert von mehreren Mio. Euro entstanden (vgl. LG 2013). Zum anderen gelang es dem Unternehmen, seine Produkte so zu platzieren, dass die Realitätsnähe der Displays kommuniziert wird. Im Anschluss an die hohe Verbreitung des Videos konnte LG den Marktanteil in den Niederlanden bei TV-Geräten dieser Art auf 20 % vergrößern. Der wesentliche Vorteil des viralen Marketing liegt in der schnellen und großflächigen Verbreitung von unternehmensbezogenen Inhalten (vgl. Ho und Dempsey 2010, S. 1000). Auch die Kosten fallen eher gering aus, da der eigentliche Diffusionsprozess weitgehend eigenständig, d. h. ohne Zutun eines Unternehmens verläuft (vgl. Chaffey und Ellis-Chadwick 2012, S. 539; Kreutzer 2018, S. 519 f.). Allerdings werden diese Vorteile nur dann
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realisiert, wenn auch tatsächlich ein viraler Prozess ausgelöst wurde. Dieses ist jedoch nur bedingt steuerbar (s. Erfolgsfaktoren), so dass bei vielen Kampagnen die gewünschten viralen Effekte ausbleiben (vgl. Kaplan und Haenlein 2011, S. 261). Und selbst wenn ein viraler Prozess in Gang gesetzt werden kann, bleibt die Gefahr, dass Unternehmen die Kontrolle über die weiterverbreiteten Inhalte verlieren. Zum Beispiel können Nachfrager viral geplante Inhalte negativ verändern und einem Unternehmen somit einen erheblichen Imageschaden zufügen (vgl. Chaffey und Ellis-Chadwick 2012, S. 539).
I Influencer-Marketing Influencer-Marketing beschreibt den gezielten Einsatz
von Meinungsführern in den sozialen Medien (Influencer), um die Kommunikationsziele und damit die nachgelagerten Marketing-und Unternehmensziele zu erreichen.
Das Influencer-Marketing überführt das Konzept des Meinungsführers (vgl. Abschn. 1.3.1.2 in Kap. 2) in den Kontext sozialer Medien. Allgemein betrachtet werden Personen innerhalb einer Gruppe als Meinungsführer bezeichnet, wenn sie im Rahmen eines Kommunikationsprozesses einen stärkeren Einfluss ausüben als andere und somit Einstellungen und Verhalten von anderen beeinflussen können (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 604). Meinungsführer in den sozialen Medien werden gemeinhin als Influencer bezeichnet (vgl. Brown und Hayes 2015, S. 50; Gründerszene 2015). Während der „klassische“ Meinungsführer eine begrenzte Reichweite hat, erreichen Influencer durch Veröffentlichung ihrer Beiträge in den sozialen Medien eine größere Zahl an Empfängern. Sie verteilen sich über diverse Social-Media-Plattformen – Facebook, Instagram, YouTube, Twitter, eigene Blogs etc. Influencer können aus verschiedenen Gründen für eine Personengruppe (die sog. Community) relevant sein, z. B. weil sie über ein besonderes Expertenwissen verfügen oder ihre Beiträge als besonders unterhaltsam wahrgenommen werden (vgl. Brecht 2017). Aus diesen Gründen genießen Influencer i. d. R. ein großes Maß an Glaubwürdigkeit und Vertrauen innerhalb ihrer Community. Diese Eigenschaft macht sie in Verbindung mit ihrer Online-Reichweite zu attraktiven Meinungsführern aus Sicht von Unternehmen und letztendlich zum Hauptgegenstand des Influencer-Marketing. Insgesamt zielt das Influencer-Marketing auf die Integration von Influencern in den Kommunikationsprozess eines Unternehmens ab, um ihre Reichweite und Einflussstärke innerhalb ihrer jeweiligen Community im Sinne der Kommunikationsziele einsetzen zu können (vgl. Nirschl und Steinberg 2018, S. 11). Neben operativen Aspekten, wie der Ausgestaltung konkreter Influencer-Kampagnen oder etwaiger vertraglicher Vereinbarungen, beinhaltet das Influencer-Marketing insbesondere zwei zentrale strategische Aufgabenbereiche. 1. Influencer-Auswahl: Eine erste Herausforderung besteht darin, aus der großen und stetig wachsenden Anzahl potenziell verfügbarer Influencer diejenigen auszuwählen,
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welche sich für das Erreichen der Kommunikationsziele am besten eignen. Für den damit verbundenen Auswahlprozess bietet sich ein zweistufiges Vorgehen an. Im ersten Schritt werden Influencer identifiziert, die mit den Kommunikationszielen grundsätzlich kompatibel sind. Dies betrifft einerseits den Grad der Übereinstimmung zwischen der Community eines Influencers und der Zielgruppe des Unternehmens. Dieser Aspekt ist insofern relevant, als dass Influencer oftmals eine Community mit ganz besonderen Merkmalen ansprechen (z. B. weibliche Jugendliche) und damit für viele Unternehmen ungeeignet sind. Zudem bemisst sich Kompatibilität aber auch daran, inwieweit ein Influencer in der Lage ist, die Werbebotschaft glaubwürdig zu übermitteln (vgl. Nirschl und Steinberg 2018, S. 17). In Anlehnung an die sog. Match-up-Hypothese ist davon auszugehen, dass ein für ein Unternehmen bzw. eine Marke werbender Influencer dann besonders effektiv ist, wenn die Persönlichkeitsmerkmale des Influencers mit denen der Marke übereinstimmen (vgl. Till und Busler 2000, S. 1 f.; Bekk et al. 2009, S. 1). Die identifizierten Influencer werden im zweiten Schritt schließlich bewertet. Hierzu sollten neben der Reichweite noch weitere Kriterien berücksichtigt werden, wie etwa die Einflussstärke eines Influencers innerhalb seiner Community. In dieser Hinsicht lassen sich zwei Typen von Influencern unterscheiden (vgl. Nirschl und Steinberg 2018, S. 12 ff.). Die sog. Social Hubs sind durch vielfältige Kontakte zu verschiedenen Personenkreisen gekennzeichnet. Darüber hinaus veröffentlichen sie regelmäßig Beiträge, die ihrerseits auf große Resonanz stoßen. Die Influencerin Bianca Heinicke („BibisBeautyPalace“) weist die beschriebenen Merkmale dieser Gruppe auf. Mit knapp 5 Mio. Abonnenten bei YouTube und 5,5 Mio. Followern bei Instagram haben ihre Beiträge eine besonders große Reichweite. Demgegenüber stehen die sog. Market Mavens. Zu dieser Gruppe gehören Influencer mit einem besonders großen Expertenwissen in bestimmten Bereichen. Aufgrund dieser thematischen Spezialisierung verfügen sie i. d. R. über eine geringere Reichweite als Social Hubs. Ihr Expertenwissen verleiht ihren Beiträgen jedoch besonders viel Einflusspotenzial. Ein Beispiel für diese Gruppe ist die Influencerin Anne Kissner, die über ihren YouTubeKanal „BodyKiss“ verschiedene Health-Tutorials anbietet (vgl. Nirschl und Steinberg 2018, S. 14). Je nach Zielsetzung können somit entweder besonders reichweitenstarke (Social Hubs) oder einflussreiche Influencer (Market Mavens) rekrutiert werden (vgl. Simon und Bernhardt 2010; O’Reilly et al. 2013). 2. Aufbau und Pflege von Unternehmen-Influencer-Beziehungen: Sind die geeigneten Influencer ermittelt und rekrutiert, werden sie in den Kommunikationsprozess eingebunden. Dabei ist es ratsam, die Einbindung nicht als ein kurzfristig realisierbares Ereignis anzusehen, sondern vielmehr als das Ergebnis einer längerfristig andauernden Beziehung zwischen Unternehmen und Influencer. Der Grund dafür ist, dass langfristig ausgerichtete Beziehungen dazu beitragen, dass Influencer Markenwissen aufbauen und sich im Einklang mit der Markenidentität eines Unternehmens verhalten (vgl. Burmann et al. 2018, S. 87 f.). Nur wenn die kommunizierte Botschaft dem tatsächlichen Verhalten eines Influencers entspricht, erlebt der Nachfrager die Botschaft als authentisch (vgl. Schallehn et al. 2014, S. 193 ff.). Ein besonderes Beispiel für den
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Aufbau und die Pflege langfristiger Unternehmen-Influencer-Beziehungen liefert das zu L’Oréal gehörende Unternehmen NYX Cosmetics. NYX veranstaltet jährlich einen Wettbewerb für Make-up-Kunst – die sog. NYX FACE Awards. Der Wettbewerb richtet sich an Personen mit einem besonderen Talent für kreative Make-up-Ideen. Ziel des Unternehmens ist es, besonders talentierte Teilnehmer zu identifizieren und diese anschließend zu Influencern für NYX aufzubauen. Dafür begleitet das Unternehmen die Teilnehmer in vielfältiger Weise weit über die Dauer des Wettbewerbs hinaus. Neben Bekanntmachungen der Teilnehmer und ihrer „Make-up-Looks“ über unternehmenseigene YouTube-Kanäle, Einladungen zu Firmen-Events, gemeinsamen Auslandsreisen oder privaten Pyjama-Partys pflegen die zuständigen Mitarbeiter des Unternehmens sehr enge und zum Teil sogar persönliche Beziehungen zu den Teilnehmern. NYX hat auf diese Weise diverse Influencer mit zum Teil mehr als 3 Mio. eigenen YouTube-Abonnenten entwickelt, welche eine starke emotionale Bindung zum Unternehmen aufweisen und in authentischer Weise in die Kommunikationsprozesse des Unternehmens eingebunden werden können. Der wesentliche Vorteil des Influencer-Marketing ist darin zu sehen, dass über Influencer vermittelte Werbebotschaften eine hohe Glaubwürdigkeit besitzen und damit besonders effektiv sein können (vgl. Granados 2017, S. 5 ff.; Abidin 2016, S. 88 ff.; Leinemann 2011, S. 15). Ein weiterer Vorteil ist die hohe Reichweite, die über das Netzwerk der Influencer erzielt werden kann. Ebenso können aber auch spezielle Zielgruppen erreicht werden, da es inzwischen zahlreiche Influencer gibt, die jeweils eine Community mit ganz besonderen Merkmalen ansprechen (vgl. Nirschl und Steinberg 2018, S. 14). Allerdings lassen sich diese Vorteile nur realisieren, wenn Influencer und Unternehmen zueinander passen und die Werbebotschaften authentisch übermittelt werden. Dass das Influencer-Marketing insbesondere bei jüngeren Zielgruppen wirkt, verdeutlicht eine deutschlandweite Umfrage unter 3.500 Nachfragern im Alter ab 14 Jahren. 50 % aller 14- bis 19-jährigen Teilnehmer gaben an, in den vergangenen zwei Monaten mindestens ein Produkt gekauft zu haben, weil es ein Influencer auf seinem Blog oder YouTubeKanal empfohlen hat. Unter den 30- bis 39-jährigen Teilnehmern betrug dieser Anteil dagegen nur noch 24 % (vgl. Faktenkontor 2017). Beim Einsatz von Social-Media-Kommunikationsinstrumenten sind verschiedene grundsätzliche Erfolgsfaktoren zu berücksichtigen. Dies betrifft zunächst die Selektion der einzusetzenden Social-Media-Plattformen, die zielgruppenorientiert und im Einklang mit den Kommunikationszielen erfolgen sollte. Wie in Abb. 54 verdeutlicht, unterscheiden sich Social-Media-Plattformen u. a. in ihrem Anwendungsschwerpunkt und damit auch in ihrer Nutzerstruktur. So verwenden Nachfrager Media-Sharing-Plattformen wie YouTube oder Instagram in erster Linie, um bestimmte Medieninhalte auszutauschen. Bei einem sozialen Netzwerk wie Facebook steht hingegen der Aufbau und die Pflege von sozialen Kontakten im Mittelpunkt. Das bedeutet, dass sich Social-MediaPlattformen unterschiedlich gut eignen, um eine bestimmte Zielgruppe sowie bestimmte Kommunikationsziele zu erreichen.
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Von weiterer Bedeutung ist die Integration der Social-Media-Aktivitäten in die übrige Markenkommunikation und die Unternehmensstrategie. Tritt ein Unternehmen z. B. in den klassischen Medien traditionell und verschlossen auf, sollte es in den sozialen Medien nicht versuchen, einen modernen, offenen Eindruck zu vermitteln. Nur dann kann es dem Unternehmen gelingen, dem Nachfrager ein konsistentes Markenbild zu vermitteln und soziale Medien auch langfristig ökonomisch erfolgreich zu nutzen. Authentizität und Transparenz sind weitere wichtige Erfolgsfaktoren. Nur wenn eine Marke in ihren Social-Media-Aktivitäten als authentisch wahrgenommen wird (ihr Verhalten also durch ihre interne Identität bestimmt wird und nicht durch äußere Einflüsse), werden Nachfrager bereit sein, über Interaktionen eine Beziehung zur Marke aufzubauen (vgl. Schallehn 2012; Eilers 2014). Transparenz betrifft vor allem das Auftreten in den sozialen Medien. So müssen sich die Mitarbeiter klar zu erkennen geben, wenn sie für die Marke sprechen. Der Versuch, unerkannt die Meinung und Kommunikation in sozialen Medien zu beeinflussen, kann bei Aufdeckung zu starken negativen Reaktionen der Nutzer führen und die Marke nachhaltig schädigen. Des Weiteren ist das Angebot von aus Nachfragersicht attraktiven Nutzen ein zentraler Erfolgsfaktor. Dem Unternehmen muss es gelingen, dem Nachfrager durch die SocialMedia-Aktivitäten einen für seine Bedürfnisse und sein Verhalten relevanten Nutzen zu vermitteln. Werden die einzelnen Plattformen demgegenüber nur undifferenziert als weiterer Kanal zur Verbreitung von PR-Mitteilungen und Werbebotschaften genutzt, kann dies eine negative Reaktion der Nachfrager zur Folge haben (vgl. Arnhold 2010, S. 171 ff.). Bei der Kampagne „Million Voices“ der Marke Telekom wurden Nachfrager zum Upload selbst produzierter Musikvideos zu dem Lied „7 s“ aufgerufen. Aus kleinen Sequenzen der einzelnen Videos wurde ein neues Musikvideo zusammengeschnitten. Im Kampagnenzeitraum wurden knapp 14.000 Videos hochgeladen, die Kampagnen-Website wurde ca. 9 Mio. Mal angeklickt, 30.000 Mal die App zur Kampagne heruntergeladen und es wurden 43.000 neue Fans auf Facebook gewonnen. Die Telekom vermittelt auf diese Weise individuelle Markenerlebnisse, die der Differenzierung der Marke vom Wettbewerb und der Erhöhung der Markenloyalität dienen (vgl. Burmann et al. 2010). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Kommunikationsinstrumente der sozialen Medien eine hohe zielgruppenspezifische Reichweite entfalten können und im Vergleich zur klassischen Kommunikation oft relativ kostengünstig umsetzbar sind. Sowohl die Betreuung einer unternehmensbezogenen Präsenz in sozialen Medien als auch die aktive Gestaltung von Web-2.0-Inhalten sind im Vergleich zu anderen Mediaaufwendungen gering (vgl. Arnhold 2010, S. 333). Allerdings fallen in erheblichem Maße Prozesskosten an (personelle Ressourcen), wenn ein Engagement in Social Media nachhaltig sein soll und im gesamten Unternehmen vernetzt wird. Dadurch, dass neben der Interaktion zwischen Unternehmen und Nachfragern ebenfalls eine Interaktion der Nachfrager untereinander gegeben ist, sind die Feedbackmöglichkeiten groß. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind durch die Vielfalt der Anwendungen ebenfalls als gut zu bezeichnen, da abhängig von der gewählten Anwendung Text, Bilder, Ton und bewegte Bilder eingesetzt und kombiniert werden können. Die Beeinflussbarkeit der Kommunikationswirkung
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ist, begünstigt speziell durch den hohen Interaktionsgrad, grundsätzlich als gut einzustufen. Allerdings sind die konkreten Inhalte des brand-related User Generated Content (UGC) kaum von der Marke beeinflussbar. Die zeitliche Einsetzbarkeit ist unbegrenzt möglich. So stehen die Anwendungen jederzeit zur Verfügung. Dies ermöglicht eine hohe zeitliche Einsatzflexibilität. In Bezug auf die Zielsetzung kann durch soziale Medien eine hohe Bekanntheit erzielt werden, allerdings meist bei einer eher kleinen Zielgruppe. Auch der Einfluss auf die Einstellung der Nachfrager ist als hoch zu bezeichnen. Durch die Möglichkeit zur intensiven Interaktion mit den Nachfragern bietet sich den Unternehmen die Möglichkeit, sich vom Wettbewerb zu differenzieren, zumeist jedoch nur bei eng abgegrenzten Zielgruppen. Im Gegensatz zu den anderen Online-Kommunikationsinstrumenten werden SocialMedia-Instrumente bisher von dem Großteil der Unternehmen weder professionell noch identitätsorientiert genutzt. Der Einfluss auf die Kauf- und die Wiederkaufabsicht ist teilweise größer als bei der klassischen Kommunikation einzustufen. Der Informationscharakter ist ebenfalls groß, in seiner Reichweite und Tiefe jedoch beschränkt. So können soziale Medien bisher nicht die gleiche Tiefe an Informationen sinnvoll abbilden wie die Website des Unternehmens. Die Vermittlung von Gefühlen und Emotionen ist sehr gut zu erreichen. Die verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten, z. B. die Nutzung von Verlinkungen zu Fotos und Videos, und die Möglichkeiten der direkten Interaktion mit anderen Nachfragern und dem Unternehmen ermöglichen eine nahezu unbeschränkte emotionale Erreichbarkeit. Die Aktualität ist ebenfalls als sehr hoch zu bewerten. Neue Entwicklungen können ohne wesentlichen Zeitverzug berücksichtigt werden. Darüber hinaus werden die Informationen zum Teil selbst aktiv von den Nutzern mit eingebracht. Tab. 14 fasst die Bewertung von Social Media zusammen.
Tab. 14 Bewertung der Social-Media-Kommunikation Social-Media-Kommunikation Klassifizierung: fallweise abhängig/unabhängig, fallweise persönlich/unpersönlich, an viele, heterarchisch, fallweise direkt/indirekt, zweiseitig Eigenschaften Reichweite Kosten Feedbackmöglichkeiten Spektrum gestalterischer Möglichkeiten Beeinflussbarkeit der Kommunikationswirkung Zeitliche Einsatzflexibilität hoch mittel niedrig
Zielsetzung
Bekanntheit Einstellung Differenzierung im Wettbewerb Kaufabsicht Wiederkauf Information Gefühle (Emotionen) vermitteln Aktualität gute Eignung Eignung
mittel schlechte
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4.3.3 Mobile Kommunikation
I Mobile Kommunikation Als mobile Kommunikation werden alle Kommunika-
tionsaktivitäten zwischen Unternehmen und Nachfragern verstanden, welche die Erreichung der Marketing- und Unternehmensziele beeinflussen und über mobile Endgeräte abgewickelt werden.
Die mobile Kommunikation ist eines der neusten und innovativsten Instrumente in der Kommunikationspolitik (vgl. Bruhn und Herbst 2016, S. 616). Unternehmen können Werbebotschaften über sog. mobile Endgeräte, z. B. Smartphones, Tablets oder Notebooks, direkt an Nachfrager verschicken. Mobile Endgeräte zeichnen sich vorrangig durch ihre Ortsungebundenheit aus, so dass sie sich im Regelfall in unmittelbarer Nähe ihrer Besitzer befinden. Aus kommunikationspolitischer Sicht bedeutet dies, dass Nachfrager direkt in ihrem persönlichen Umfeld erreicht und die Kommunikationsmaßnahmen darauf ausgerichtet werden können (vgl. Kreutzer 2018, S. 356 f.). Durch die technischen Entwicklungen und die Verbreitung leistungsfähiger mobiler Endgeräte können Nachfrager durch schnelle Verbindungen direkt auf das Internet zugreifen. Dies hat zur Folge, dass die Grenzen zwischen Online- (vgl. Abschn. 4.3.1), Social-Media- (vgl. Abschn. 4.3.2) und der mobilen Kommunikation zunehmend verschwimmen (vgl. Lammenett 2017, S. 394). Bspw. können QR-Codes auf unternehmenseigene Websites weiterführen oder Werbeanzeigen in sozialen Netzwerken auf unternehmenseigene Apps verlinken. Die Bedeutung der mobilen Kommunikation nimmt stetig zu und erlaubt den Einsatz spezieller mobiler Instrumente (vgl. Tab. 15). Mittels SMS-/MMS-Marketing können kurze Werbebotschaften entweder über Kurznachrichtendienste (Short Message Service – kurz SMS) oder Multimediale Nachrichtendienste (Multimedia Messaging Service – kurz MMS) verschickt werden. Während SMS reine Textnachrichten übermitteln, lassen sich über MMS auch Bilder, Audiodateien oder kurze Videos versenden (vgl. Cheng et al. 2009, S. 505). Die Zustellung erfordert keine Internetverbindung auf Seiten der Nachfrager, lediglich eine Verbindung der mobilen Endgeräte mit dem Telekommunikationsnetz (vgl. Cheng et al. 2009, S. 506; Samanta et al. 2009, S. 65). Der direkte Versand von SMS bzw. MMS zählt auch als eine Form der Direktkommunikationen (vgl. Dix et al. 2017, S. 63 f.; Abschn. 4.4). Ein zentraler Vorteil von SMS-/MMS-Marketing liegt darin, Werbebotschaften mit einem hohen Genauigkeitsgrad personalisieren zu können (vgl. Abschn. 4.3.4), da mobile Endgeräte i. d. R. nur von einer Person genutzt werden (vgl. Varnali 2014, S. 341). Ähnlich wie beim E-Mail-Marketing (vgl. Abschn. 4.3.1) müssen Nachfrager allerdings vorab zustimmen, bevor Unternehmen kommerzielle Werbebotschaften per SMS oder MMS zustellen dürfen. Im Vergleich zu bspw. direkten Werbebriefen ist der Versand von SMS und MMS relativ kostengünstig (vgl. Samanta et al. 2009; Dix et al. 2017, S. 64). Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass erhaltene Werbebotschaften über SMS oder MMS nur schwer
Beispiele
Nachteile
Vorteile
Beschreibung
QR-Code-Marketing Einsatz von QRCodes, um auf weiterführende Informationsträger zu verweisen
Bluetooth-Marketing Einsatz drahtloser Übertragungstechnologien, um Werbebotschaften oder Daten auszutauschen
Unternehmenseigene Apps Mobile Applikationen von Unternehmen Distribution von Werbeinhalten oder Produkten
App-Store-Optimization Optimierung der Sichtbarkeit der unternehmenseigenen App in den Ergebnissen relevanter Suchanfragen in App-Stores Personalisierte Kostengünstig Verbindung mit an- Verbindung mit an- Höhere Sichtbarkeit Ansprache deren Instrumenten deren Instrumenten der eigenen Apps Kostengünstig Interaktivität Kundenbindung Erhöhte Kaufabsichten Hohes Engagement seitens der Nachfrager Begrenzte AnUnsicherheit, Sicherheitsbeden- Fehlfunktionen Identifikation von zahl an Wörtern wenn Inhalte des ken bzgl. der Tech- können negative Suchbegriffen Nachfrager nut- QR-Codes nicht nologie Auswirkungen Hohe Konkurrenz zen kaum noch bekannt sind haben SMS bzw. MMS Nachfrager scanBedarf einer nen kaum QRkontinuierlichen Codes Aktualisierung Werbebotschaf- Platzierung von Ausstattung UnternehmensPlatzierung in Appten von UnterQR-Codes in von Bluetootheigene Apps (z. B. Stores (z. B. Playnehmen (z. B. Printmedien technologien an Shopping-App von Store oder AppVodafone) Plakatstandorten Esprit) Store)
SMS-/MMSMarketing Versand von textbasierten oder multimedialen Kurznachrichten
Tab. 15 Übersicht der wichtigsten Instrumente der mobilen Kommunikation
Zielgruppengerichtete Ansprache
Mobile Display-Werbung Platzierung von Werbeanzeigen in externen Apps
Werbung in App-Stores (z. B. PlayStore oder App-Store)
Bannerwerbung in Apps (z. B. in Spiele-Apps)
Teilweise noch Aufdringliche in der Testund störende Version Wahrnehmung Hohe Konkurrenz
Hohe Conversion Rates Höhere Sichtbarkeit
App-StoreAdvertising Platzierung von bezahlten Werbeanzeigen in AppStores
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ignoriert werden können, da Nachfrager das mobile Endgerät fast durchgehend aktiviert haben (vgl. Varnali 2014, S. 341). Ein zentraler Nachteil besteht hingegen in der stark rückgängigen Nutzungshäufigkeit von SMS und MMS. Wurden im Jahr 2012 noch knapp 60 Mrd. SMS in Deutschland verschickt, waren es bereits 2016 nur noch 12,7 Mrd. (vgl. Bundesnetzagentur 2017). Smartphone-Nutzer nutzen vermehrt internetbasierte Nachrichtendienste (Messenger) wie z. B. WhatsApp. Ferner sind SMS bzw. MMS oft auf eine gewisse Anzahl an Zeichen reduziert (vgl. Muk und Chang 2015, S. 1 f.). Das QR-Code-Marketing stellt ein weiteres Instrument der mobilen Kommunikation dar. Quick-Response-Codes (kurz QR-Codes) bestehen aus einer quadratischen Matrix und enthalten verschiedene Daten, die durch spezielle mobile Apps gescannt und ausgelesen werden. Häufig ist dafür allerdings eine Internetverbindung erforderlich, da QRCodes je nach Ausgestaltung auch auf weiterführende Informationen im Internet verweisen können (vgl. Jung et al. 2012, S. 25). Abb. 56 verdeutlicht die Funktionsweise von QR-Codes. Eine besonders vorteilhafte Funktion von QR-Codes besteht darin, dass sie verschiedene Kommunikationsinstrumente miteinander verbinden und somit Synergien zwischen diesen schaffen können. Ein Beispiel dafür ist die Einbindung eines QR-Codes in ein Werbeplakat, um durch die Verlinkung auf eine Website weitere Informationen bereitzustellen. Durch die weiterführenden Informationen wird der potenzielle Nachteil des begrenzten Darstellungsraumes des Werbeplakats abgemildert (vgl. Bhave et al. 2013, S. 64; Kreutzer 2018, S. 158). Das Beispiel verdeutlicht darüber hinaus, dass QR-Codes insbesondere eine Verbindung zwischen traditionellen und digitalen Kommunikationsinstrumenten herstellen können. Unternehmen können somit kostengünstig und platzsparend weiterführende Informationen auf traditionellen Werbeträgern anbieten (z. B. für erklärungsbedürftige Produkte) oder am Point of Sale Produkte mit weiterführenden Informationen versehen (vgl. Kreutzer 2018, S. 158). Ein konkretes Beispiel aus der Praxis ist eine Plakatkampagne von DEICHMANN aus dem Jahr 2013. Ziel der Kampagne war es, mobiles Einkaufen (von Schuhen) auf der Straße per Smartphone möglich zu machen.
QR-Code
Scannen
Abb. 56 Funktionsweise von QR-Codes (Quelle: Kreutzer 2018, S. 158)
Decodieren
Website
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Dazu wurden 450 City-Light-Poster mit zwei unterschiedlichen Motiven, auf denen jeweils 20 Damen- oder 20 Herrenschuhe abgebildet waren, in Bremen plakatiert. Neben jedem Schuhmodell wurde darüber hinaus ein QR-Code abgebildet. Durch Scannen des QR-Codes wurden Interessenten vom Plakat direkt zum gewünschten Schuhmodell geführt, da der QR-Code Artikelnummer, Größen und Preis enthielt. Nach Auswahl von Schuhgröße und Farbe konnten die Interessenten die Schuhe mit einem einzigen Klick bestellen, bezahlen und nach Hause liefern lassen. Möglich wurde dies durch Nutzung der PayPal-QR-Shopping-App (vgl. DEICHMANN 2013). Trotz derartiger Positivbeispiele nutzen Nachfrager QR-Codes insgesamt eher selten (vgl. VuMa 2018). Somit besteht eine zentrale Herausforderung darin, Nachfrager zu motivieren, dass sie abgebildete QR-Codes auch tatsächlich scannen. Hierbei ist es wichtig, unmittelbar auf den Nutzen, den Nachfrager durch Scannen des Codes zu erwarten haben, aufmerksam zu machen – z. B. durch einen Hinweis, dass der Code zu einer bestimmten Rabattaktion führt. Anderenfalls kann Unsicherheit und Misstrauen gegenüber dem QR-Code und letztendlich gegenüber dem Unternehmen entstehen (vgl. Kreutzer 2018, S. 158 f.). Das Subinstrument des Bluetooth-Marketings basiert auf den Grundzügen der QRCodes. Unternehmen können durch eine spezielle Technologie von mobilen Endgeräten relevante Werbebotschaften an Nachfrager übertragen (Owned-Media-Instrument) (vgl. Bhave et al. 2013, S. 64). Bluetooth ist ein schneller Funkübertragungsstandard zum Austausch von Daten und ist an fast jedem gängigen mobilen Endgerät verfügbar. Dadurch kann eine direkte Interaktion zwischen Unternehmen und Nachfragern entstehen. Allerdings muss diese ebenfalls aktiv vom Nachfrager ausgehen. Die Dialogfähigkeit und Interaktion bietet individualisierte Kommunikationsmöglichkeiten, bspw. durch Übertragung von digitalem Content wie Videos, Musik, Klingeltönen, Screensavern, Wallpapern, Podcasts, Applikationen, Gewinnspielen, Spielen, Coupons, Kalendereinträgen inkl. Remindern oder Visitenkarten mit Bild und Ton. Ähnlich wie QR-Codes ermöglicht die Einbindung von Bluetooth eine übergreifende Verbindung von verschiedenen Kommunikationsinstrumenten. Bspw. können die digitalen Out-of-Home-Medien (siehe Abschn. 4.2) mit einer Bluetoothfunktion verbunden werden. Dabei werden Plakatstandorte mit Bluetoothtechnologie ausgestattet. Abb. 57 zeigt ein Beispiel für ein City-Light-Poster mit Bluetooth-Funktion. Im Rahmen einer Promotion zum Release einer neuen Single von Nelly Furtado wurden via City-Light-Poster mit Bluetooth-Funktion Wallpaper und der Song zum Download bereitgestellt. Insgesamt 4000 Downloads an fünf Standorten in Köln in einer Woche verzeichnete die Plakataktion. Bei einer weiteren Kampagne zur Film-Promotion des Kinostartes von Quentin Tarantinos Blockbuster „Death Proof“ wurden Wallpaper und der Kinotrailer zum Download angeboten. Die Kampagne verzeichnete 4000 Downloads an 30 Standorten in zehn Städten in einer Woche. Auch O2 Germany nutzte das Medium und stellte Klingeltöne zum Download zur Verfügung. 1000 Downloads an vier Standorten in Frankfurt in einer Woche waren hier das Resultat. Wrigley’s bot zur Einführung des neuen Airwaves „GoPack“ Mobile Games und Wallpaper zum Download an. 10.000 Downloads an 90 Standorten
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Abb. 57 Beispiel Kampagnen mit City-Light-Poster und Bluetooth-Funktion (Quelle: Ströer Media AG)
für je eine Woche in Hamburg, Berlin und Stuttgart konnten hiermit erzielt werden (vgl. Ströer 2013h). Ein weiterer Vorteil für Werbungtreibende liegt darin, dass die Datenübertragung an Bluetooth-Standorten nicht über das Mobilfunknetz, sondern direkt über die BluetoothSchnittstelle erfolgt, so dass weder für den User noch für den Werbungtreibenden Übertragungskosten entstehen. Darüber hinaus können in der jungen Zielgruppe durch virale Effekte, also die Weiterverbreitung der Contents durch die User (vgl. Abschn. 4.3.2), der Erfolg und die Reichweite von Bluetooth-Plakatkampagnen zusätzlich gesteigert werden. Schließlich durchbricht die Interaktion am Plakat gelernte Wahrnehmungsmuster, da Passanten, die den Bluetooth-Download nutzen, die Aufmerksamkeit anderer Passanten auf sich ziehen (vgl. Ströer 2013g, 2013h; PosterSelect 2013d). Nachteile können sich in den Sicherheitslücken der Technologie finden. Externe Angreifer können über Bluetooth-Übertragung Schadprogramme einschleusen oder Daten kopieren (vgl. Bhave et al. 2013, S. 64; tageschau.de 2017). Ein neueres Subinstrument bilden unternehmenseigene mobile Applikationen (Apps), die den Owned-Media-Instrumenten zugeordnet werden. Eine App beschreibt ein zusätzliches Programm, welches dem Benutzer, über die Basis-System-Funktionen
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des mobilen Endgerätes hinaus, einen Mehrwert liefert (vgl. Koppay 2012, S. 18). Unternehmenseigene Apps können je nach Zielsetzungen unterschiedliche Schwerpunkte und Funktionen erfüllen (vgl. Zhao und Balagué 2015, S. 306). Sie können sowohl als Kommunikationsinstrument verwendet, aber auch als Absatzkanäle genutzt werden (vgl. Abschn. 2.2.3 in Kap. 7). In der mobilen Kommunikation können unternehmenseigene Apps in etwa mit unternehmenseigenen Websites in der Online-Kommunikation (vgl. Abschn. 4.3.1) und mit unternehmenseigenen Blogs oder Profilen in sozialen Medien in der Social-Media-Kommunikation (Abschn. 4.3.2) verglichen werden. Sie können als zentrale Anlaufstellen gewertet werden. Unternehmen können in ihren eigenen Apps bspw. weiterführende Informationen bereitstellen oder zusätzliche Servicefunktionen integrieren. Die Shopping-App des Modeherstellers Esprit erlaubt z. B. den direkten Einkauf von Produkten. Darüber hinaus informiert die App über aktuelle Aktionen oder exklusive Angebote für Nutzer der App. Esprit nutzt die App folglich sowohl als Kommunikationsinstrument als auch als Absatzkanal. Darüber hinaus besteht über eine App die Möglichkeit, gezielt Informationen über die Nachfrager zu sammeln und somit noch personalisiertere Werbebotschaften auszuspielen (vgl. Kreutzer 2018, S. 358), bspw. können Apps (nach Zustimmung des Nutzers) auf den Standort des Nachfragers zugreifen und entsprechende ortsbezogene Werbebotschaften verschicken (Personalisierung, vgl. Abschn. 4.3.4) (vgl. Xu et al. 2009, S. 156; Lammenett 2017, S. 404). In ihrer Studie untersuchten Bellman et al. (2011) die Auswirkungen auf Unternehmen, die entsprechende Apps anbieten. Sie konnten nachweisen, dass die Nutzung der Apps sowohl zu einem erhöhten Markeninteresse auf Seiten der Nachfrager als auch zu einer Steigerung der Kaufabsicht führte. Nachfrager, die aktiv unternehmenseigene Apps nutzen, zeichnen sich weiterhin durch ein hohes Engagement aus. Nachteilig wirkt sich aus, wenn die unternehmenseigenen Apps dauerhaft Fehlfunktionen aufweisen, da sich solche Fehler negativ auf die Wahrnehmung des Unternehmens und die Kundenzufriedenheit auswirken können. Entsprechend müssen unternehmenseigene Apps regelmäßig durch Updates an die neuesten technischen Entwicklungen angepasst werden. Weiter müssen unternehmenseigene Apps auffindbar sein. In Googles App-Store existieren derzeit rund 3,3 Mio., in Apples App-Store 2,2 Mio. und in dem App-Store von Amazon ca. 600.000 verschiedene Apps (vgl. Appbrain 2017). Unternehmenseigene Apps konkurrieren entsprechend mit einer Vielzahl an Mitbewerbern. Eine bessere Auffindbarkeit der unternehmenseigenen Apps kann durch die sog. AppStore-Optimization (ASO) erreicht werden. Bei der App-Store-Optimization handelt es sich um Maßnahmen, die das Auffinden einer App im Store erleichtern sollen (vgl. Jürgens 2017, S. 428). Das Vorgehen ist vergleichbar mit der Suchmaschinenoptimierung (vgl. Abschn. 4.3.1). Ziel ist es auch hier, bei der Eingabe bestimmter Suchbegriffe durch den Nutzer relativ weit oben auf der Ergebnisseite zu landen. Unternehmen können sich hierzu On-Page- und Off-Page-Maßnahmen bedienen. Unter On-Page-Maßnahmen fallen z. B. die Auswahl der richtigen Suchbegriffe oder informative Beschreibungstexte der App. Off-Page-Maßnahmen können nur indirekt durch das Unternehmen beeinflusst werden, dazu zählen z. B. die Sterne-Bewertungen der Nutzer, Gesamtanzahl der Downloads oder
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die Downloadgeschwindigkeit der App (vgl. Jürgens 2017, S. 427 ff.). Ähnlich wie bei der Suchmaschinenoptimierung ist es für die Unternehmen wichtig, die relevanten Suchbegriffe zu identifizieren und sie kontinuierlich zu überprüfen. Die Platzierung von bezahlten Suchanzeigen in App-Stores (App-Store-Advertising – kurz ASA) ist relativ neu und gehört zu den Paid-Media-Instrumenten. Ziel von ASA ist es, möglichst weit oben in den Suchergebnissen von App-Stores platziert zu werden. Google erlaubt bezahlte Suchergebnisse in seinem App-Store seit 2015, Apple plant die Einführung von bezahlten Werbeanzeigen in Apps in Deutschland für Herbst 2018 (vgl. Bam Interactive 2017). Die Funktionsweise von App-Store-Advertising ist vergleichbar mit der von SEA in der Online-Kommunikation (vgl. Abschn. 4.3.1). Allerdings liegen die Conversion-Raten in App-Stores (in diesem Fall Zahl der Downloads) deutlich höher. Dies ist darauf zurückzuführen, dass bei Nachfragern bereits ein konkretes Interesse vorliegt und sie sich ebenfalls schon direkt im App-Store befinden, um den Download zu tätigen. Die Suche bis zum Download ist deutlich kürzer. Die Platzierung von bezahlten Anzeigen in App-Stores befindet sich jedoch noch in vielen Ländern in der Planungsphase, zudem wird derzeit nur eine gesponserte Anzeige pro Suchbegriff in Googles PlayStore angezeigt. Ferner fehlt es noch an umfassenden Erfahrungswerten und Erkenntnissen, was ASA betrifft. Im Kontext mobiler Apps findet sich auch das Subinstrument der mobilen DisplayWerbung (Paid-Media-Instrument). Hier werden Anzeigen in Apps von externen Anbietern platziert (In-App-Advertising) (vgl. Bhave et al. 2013, S. 64). Die mobile DisplayWerbung greift auf ähnliche Formate zurück wie die Display-Werbung in der OnlineKommunikation (vgl. Abschn. 4.3.1), so ist bspw. die Einbindung von Videos in externen Apps möglich (vgl. Bhave et al. 2013, S. 64). Mit der mobilen Display-Werbung sind Unternehmen in der Lage, Nachfrager(gruppen) zielgerichteter anzusprechen, da diese durch die Nutzung bestimmter Apps Informationen über sich preisgeben (vgl. Targeting, Abschn. 4.3.4). Touristikunternehmen können bspw. relevante Werbebotschaften in speziellen Reise-Apps schalten lassen (vgl. Lammenett 2017, S. 404). Ein Nachteil der mobilen Display-Werbung ist, dass sie dem Nutzer als aufdringlich erscheinen kann und mobile Banner in externen Apps ähnlich störend empfunden werden wie Banner-Anzeigen auf Websites im Internet (vgl. Bhave et al. 2013, S. 64). Das Geotargeting findet auch in der mobilen Kommunikation Anwendung. Unternehmen können durch die GPS-Fähigkeit vieler mobiler Endgeräte den aktuellen Standort des Nachfragers lokalisieren und entsprechende werbende Inhalte verschicken (vgl. Xu et al. 2009, S. 156; Lammenett 2017, S. 404). So kann eine hohe Interaktivität zwischen Unternehmen und Nachfragern geschaffen werden. Im Kontext der mobilen Kommunikation wird auch von sog. Location-based Services gesprochen (vgl. Kreutzer 2018, S. 359). Bspw. kann der Textilhersteller Esprit Nachfragern, die sich in unmittelbarer Nähe eines Geschäftes aufhalten, gezielt Werbebotschaften, z. B. in Form von Rabatten, auf die unternehmenseigene Mode-App schicken. Der Versand von ortsbezogenen Inhalten setzt allerdings eine Zustimmung des Nachfragers voraus (vgl. Bruner und Kumar 2007, S. 5). Ein Nachteil von Geotargeting kann in den Datenschutzbedenken der Nachfrager gesehen
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Tab. 16 Bewertung des Instrumentes mobile Kommunikation Mobile Kommunikation Eigenschaften Reichweite Kosten Feedbackmöglichkeiten Spektrum gestalterischer Möglichkeiten Beeinflussbarkeit der Kommunikationswirkung Zeitliche Einsatzflexibilität hoch
mittel niedrig
Zielsetzung Bekanntheit Einstellung Differenzierung im Wettbewerb Kaufabsicht Wiederkauf Information Emotion Aktualität gute Eignung nung
mittel schlechte Eig-
werden. Laut einer Umfrage des Forsa-Instituts aus dem Jahr 2015 gaben rund 34 % der Befragten über 18 Jahre an, dass sie aufgrund von Bedenken bzgl. des Datenschutzes keine ortsbezogenen Dienste nutzen würden (vgl. Forsa 2015). Zhou (2011, S. 220) konnte in seiner empirischen Untersuchung ebenfalls bestätigen, dass die mit Geotargeting verbundenen datenschutzrechtlichen Bedenken die Nutzungsabsicht der Nachfrager negativ beeinflussen. Abschließend wird die mobile Kommunikation zusammenfassend in Tab. 16 dargestellt.
4.3.4 Instrumentenübergreifende Aspekte der digitalen Kommunikation Neben den dargestellten Instrumenten liegen der digitalen Kommunikation verschiedene instrumentenübergreifende Maßnahmen zugrunde. Diese Maßnahmen sind nicht als eigenständige Kommunikationsinstrumente zu sehen, vielmehr werden sie im Zusammenhang mit verschiedenen digitalen Kommunikationsinstrumenten eingesetzt. Hierbei handelt es sich im Speziellen um die Maßnahmen des Content-Marketing, des OnlineTargetings und der Personalisierung.
I Content-Marketing Unter Content-Marketing werden strategisch fundierte
Maßnahmen zur Erstellung und Verbreitung von nützlichen Medieninhalten verstanden, die das Ziel haben, beim Adressaten marktrelevante Einstellungen und Verhaltensweisen im Sinne der Unternehmensziele zu verändern.
Gemäß dieser Definition können die erzeugten Inhalte innerhalb des Content-Marketing in die Maßnahmen verschiedener Kommunikationsinstrumente integriert werden und
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
somit in vielschichtiger Weise verbreitet werden (z. B. als Inhalte in Newslettern oder als Inhalte einer Unternehmenswebsite; vgl. Borst 2017, S. 401). Im Mittelpunkt des Content-Marketing steht zunächst die Erstellung von nützlichen Inhalten für eine Zielgruppe. Diese Inhalte können in verschiedenster Form vorliegen, z. B. als Texte, Bilder oder Videos (vgl. Kreutzer 2018, S. 5). Die Besonderheit im Content-Marketing besteht darin, dass die erzeugten und verbreiteten Inhalte keine direkten Werbebotschaften des Unternehmens beinhalten, sondern vielmehr allgemeine Interessen und Bedürfnisse der Nachfrager ansprechen sollen. Die Inhalte sind insofern mehr redaktioneller als kommerzieller Natur. Die eigentlichen unternehmerischen Ziele werden nicht unmittelbar, sondern erst im weiteren Verlauf der durchgeführten Content-Marketing-Maßnahmen erreicht (vgl. Borst 2017, S. 397 ff.). Ein Beispiel dafür liefert die New York Times, welche über eigene Instagram-Accounts junge Menschen mit qualitativ hochwertigen Inhalten zu ausgewählten Bereichen, wie Reisen oder Mode, versorgt. Diese Maßnahmen schaffen zunächst „nur“ Loyalität gegenüber der Marke New York Times. Erst zu einem späteren Zeitpunkt soll das eigentliche unternehmerische Ziel realisiert werden – nämlich dann, wenn sich die heranwachsenden jungen Menschen aufgrund ihrer Loyalität der New York Times gegenüber dazu entscheiden, die Zeitung zu abonnieren. Den wesentlichen Erfolgsfaktor im Content-Marketing stellt die Identifizierung nutzenstiftender Inhalte dar. Diese sollten sowohl zum Unternehmen als auch zur entsprechenden Zielgruppe passen, wodurch Authentizität und Glaubwürdigkeit gesteigert werden. Die Möglichkeit zur Interaktion mit den entsprechenden Inhalten kann ebenfalls förderlich sein. Ferner sollte eine gewisse Regelmäßigkeit in der Verbreitung der Inhalte erkennbar sein (vgl. Borst 2017, S. 402 f.). Mit dem Content-Marketing wird auch eng das Konzept des Storytelling verbunden (vgl. Lammenett 2017, S. 273). Im Kern bedeutet Storytelling das Erzählen von Geschichten (vgl. Hilzensauer 2014, S. 87). Grundsätzlich sind Geschichten überzeugender als reine Fakten und bleiben stärker im Gedächtnis (vgl. Singh und Sonnenburg 2012, S. 189; Lundqvist et al. 2013, S. 286). Dies gilt insbesondere für emotionale Geschichten (Emotional Storytelling), die zudem noch häufiger weiterverbreitet werden (vgl. Berger und Milkman 2012). Derartige positive Effekte können durch Visualisierungen der Inhalte mittels Bilder, Grafiken oder Videos (Visual Storytelling) noch zusätzlich unterstützt werden (vgl. Lammenett 2017, S. 332). Als ein Beispiel dafür ist die „Heimkommen“Kampagne von Edeka zu nennen (vgl. Lammenett 2017, S. 332, 346). Das Video wurde im November 2015 veröffentlicht und bis Januar 2018 über 59 Mio. Mal aufgerufen. Unternehmen können den Storytelling-Ansatz aufgreifen, um Geschichten über das Unternehmen an sich oder seine Mitarbeiter, Werte, Produkte etc. zu erzählen (Brand Storytelling) (vgl. Lundqvist et al. 2013, S. 285; Hilzensauer 2014, S. 91 f.). Brand Storytelling kann z. B. positive Eigenschaften eines Produktes hervorheben, ohne kommerziell wahrgenommen zu werden – ähnlich wie beim Content-Marketing (vgl. Ching et al. 2013).
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I Online-Targeting Beim Online-Targeting (kurz: Targeting) werden digitale
Werbemittel anhand verschiedener Parameter zielgerichtet und automatisiert ausgesteuert (vgl. BVDW 2014, S. 4).
Das Targeting überführt das Konzept der Zielgruppenansprache in den Kontext des Internets. Dieses eröffnet eine Vielzahl an Anwendungsfeldern und Möglichkeiten, um Nachfrager gezielt anzusprechen. Die Ansprache einer vorab definierten Zielgruppe führt in der Regel zu einer gesteigerten Kampagneneffizienz (vgl. Goldfarb und Tucker 2011), da weniger Nachfrager außerhalb bzw. mehr Nachfrager innerhalb der Zielgruppe des werbenden Unternehmens erreicht werden (d. h. weniger Streuverluste). Über die Jahre sind immer neue Targeting-Arten entstanden, die sich im Kern darin unterscheiden, in Abhängigkeit welcher Parameter die Werbemittelauslieferung erfolgt. Zum Beispiel können mithilfe des sog. wortbasierten Targeting (auch Contextual Targeting) Werbeanzeigen in einem aus Sicht des werbenden Unternehmens thematisch passenden Umfeld platziert werden. In der einfachsten Form wird eine Werbeanzeige (z. B. von einem Elektroautohersteller) nur dann auf einer Website geschaltet, wenn der dort enthaltene Text bestimmte vorab definierte Schlagwörter enthält (z. B. Elektromobilität, Vollhybride, Plug-in-Hybride oder Kraftstoffverbrauch). Dagegen erlaubt beispielsweise das sog. verhaltensbasierte Targeting (Behavioral Targeting) die gezielte Aussteuerung von Werbeanzeigen in Abhängigkeit vom erfassten Browsingverhalten eines Nachfragers. Beispielsweise würde ein Nachfrager, der in der Vergangenheit häufig Beiträge zum Thema Elektromobilität gelesen hat, zukünftig häufiger Werbung eines Herstellers von Elektroautos bekommen. Diese Werbung würde entgegen dem wortbasierten Targeting nicht nur auf Websites mit Beiträgen rund um das Thema Elektromobilität, sondern auf Websites ganz unterschiedlichen Inhalts erscheinen (vgl. Hass und Willbrandt 2011, S. 13 ff.). Tab. 17 gibt einen Überblick über die wesentlichen Targeting-Arten, gruppiert nach den zugrunde liegenden Parametern für die Werbemittelauslieferung.
I Personalisierung (im Kontext der Kommunikation) Mittels Personalisierung
richtet das werbende Unternehmen ein Werbemittel an den individuellen Interessen und Bedürfnissen der jeweiligen Empfänger aus.
Die zugrunde liegende Annahme der Personalisierung ist, dass ein Empfänger die Inhalte einer Kommunikationsbotschaft als umso relevanter wahrnimmt, je stärker diese auf seine individuellen Interessen und Bedürfnisse ausgerichtet sind (vgl. Lambrecht und Tucker 2013, S. 562; Bleier und Eisenbeiss 2015a, S. 686, 2015b, S. 402 ff.). Das Ausmaß der Personalisierung wird dabei von der Personalisierungstiefe und -breite bestimmt. Während die Tiefe bemisst, wie genau die individuellen Interessen und Bedürfnisse des
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Tab. 17 Übersicht verschiedener Targeting-Arten (Quelle: In Anlehnung an Hass und Willbrandt 2011) Basis Sprache
Technische Parameter
Art Kontextuelles Targeting
Erklärung Es wird eine Anzeige nur dann auf einer Webseite ausgespielt, wenn der dort enthaltene Text vorab definierte Schlagwörter enthält
Semantisches Targeting
Es wird eine Anzeige nur dann auf einer Webseite eingeblendet, wenn die Wörter des Webseitentextes in ihrer semantischen Gesamtheit einem vorab definierten Thema entsprechen
Suchworttargeting
Es werden Anzeigen in Abhängigkeit der zuvor eingegebenen Suchbegriffe des Nachfragers auf einer Suchmaschine angezeigt Ausgespielte Anzeigen orientieren sich an der technischen Ausstattung des jeweiligen Nachfragers (z. B. Browser-Typ oder Betriebssystem)
Technisches Targeting
Geotargeting
Es werden Anzeigen an Nachfrager ausgespielt, die sich in einer bestimmten Region bewegen bzw. aufhalten
Zeittargeting
Die Ausspielung von Anzeigen orientiert sich tages- oder stundengenau an zeitlichen Unterschieden im Nachfragerverhalten Die Schaltung der Anzeigen orientiert sich an soziodemografischen Eigenschaften (z. B. Alter oder Geschlecht) Die Ausspielung der Anzeigen erfolgt in Abhängigkeit des erfassten Browsingverhaltens der Nachfrager
Soziodemo- Profile Targeting grafika Verhalten
Behavioural Targeting Retargeting
Die Anzeige wird auf Basis einer zuvor durchgeführten Aktion des Nachfragers eingeblendet
Predictive Behavioural Targeting
Die Schaltung der Anzeige basiert neben dem Surfverhalten des Nachfragers auf weiteren Erkenntnissen, die zuvor durch Nutzerberfragungen und externen Datenquellen ermittelt wurden
Nachfragers abgebildet werden, bezieht sich die Breite darauf, wie umfassend diese dargestellt werden. Diese Unterscheidung ist insbesondere für die Ausgestaltung von Personalisierungsmaßnahmen relevant, da gezeigt werden konnte, dass Personalisierung neben den gewünschten positiven Effekten auch negative Nachfragerreaktionen hervorrufen kann, wie z. B. Privatsphärebedenken (vgl. Martin und Murphy 2017, S. 147). Demnach lösen personalisierte Werbemittel insbesondere dann starke Privatsphärebedenken auf Nachfragerseite aus, wenn die Interessen und Bedürfnissen der jeweiligen Empfänger möglichst genau (Tiefe) und umfassend (Breite) abgebildet werden. Sind sie hingegen weniger umfassend (bei unveränderter Tiefe) sind die negativen Reaktionen nahezu vernachlässigbar (vgl. Bleier und Eisenbeiss 2015b, S. 393 ff.).
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Technologisch lässt sich Personalisierung inzwischen im Rahmen verschiedener digitaler Marketinginstrumente einsetzen – angefangen von E-Mail-Personalisierung (vgl. Sahni et al. 2018), über Website- (vgl. Hauser et al. 2009) und Display-Banner-Personalisierung (vgl. Bleier und Eisenbeiss 2015a) bis hin zu Social-Media-Personalisierung (vgl. Tucker 2014). Vor dem Hintergrund, dass Personalisierungsmaßnahmen i. d. R. mit der Speicherung, Verarbeitung und Verwendung personenbezogener Daten verbunden sind, müssen verschiedene rechtliche Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. So besagt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union, dass personenbezogene Daten nur von Personen genutzt werden dürfen, die explizit (durch eine „eindeutige bestätigende Handlung“) eingewilligt haben (Art. 4 Nr. 11 DSGVO; Erwägungsgrund Nr. 32 DSGVO).
4.4
Direktkommunikation
I Direktkommunikation Unter Direktkommunikation werden alle kommuni-
kativen Aktivitäten verstanden, die der Anbahnung und Aufrechterhaltung einer direkten, personalisierten Interaktion mit aktuellen und potenziellen Kunden dienen (vgl. Wirtz 2016, S. 11 ff.).
Diese Interaktion muss nicht zeitgleich erfolgen. Vielmehr kann auch ein zeitversetzter Dialog Inhalt der Direktkommunikation sein. Das konstitutive Merkmal des direkten Kontaktes bezieht sich demnach auf die individualisierte Ansprache des Nachfragers und nicht zwingend auf eine zeitgleiche physische Präsenz der Marktpartner (vgl. Bruhn 2015, S. 402 ff.). Zu den wichtigsten Zielen, die mit der Direktkommunikation verfolgt werden, gehört neben der Gewinnung von Neukunden die intensivere Betreuung der aktuellen Kunden. Dabei werden die Verbesserung der Kundennähe und die Erhöhung der Kundenbindung angestrebt, wodurch letztlich die Effizienz der Kundenansprache verbessert werden soll (vgl. Burmann 2006; Wirtz 2016, S. 17 ff.). Die verschiedenen Formen der direkten Kommunikation lassen sich in drei Kategorien einteilen (vgl. Tab. 18). Massenmedien mit Responseelement zielen auf die Gesamtzahl aller potenziellen Kunden und dienen damit in erster Linie zur Akquise neuer Kunden. Das Responseelement besteht meist in einer genannten Telefonnummer oder Internetadresse, unter der weitere Informationen abgerufen werden oder der direkte Kontakt zum Unternehmen gesucht werden kann. Im Fall von Anzeigen oder Beilagen kann dies auch ein Antwortcoupon sein, den der interessierte Nachfrager dem Unternehmen zurücksendet. Online-Werbung eröffnet neben weiteren Neuerungen die Möglichkeit, über einen Link
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Tab. 18 Instrumente der Direktkommunikation (Quelle: In enger Anlehnung an Wirtz 2016, S. 168) Massenmedien mit Responseelement Insertionsmedien mit Responseelement Plakat und Außenwerbung mit Responseelement Elektronische Medien mit Responseelement Onlinewerbung mit Responseelement
Direktwerbemedien
Kundenbindungsprogramme mit primärer Kommunikationsfunktion Kundenclubs
Postalische Werbesendung Telefonische WerbeKundenmagazine ansprache Faxgestützte WerbeKundenkarten ansprache Internetbasierte Werbeansprache Mobile Werbeansprache
zur Homepage ein Responseelement zu integrieren (vgl. Wirtz 2016, S. 165 ff. und die Ausführungen in Abschn. 4.3.1). Direktwerbemedien zeichnen sich dadurch aus, dass sie an einen bestimmten Adressaten gerichtet sind (vgl. Kotler et al. 2016, S. 793 ff.). Sie verfügen zwar über eine geringere Reichweite als klassische Werbemedien, weisen aber aufgrund der individualisierten Ansprache geringere Streuverluste aus. Insofern sind sie vor allem dazu geeignet, Kunden, die z. B. durch einmaligen Kauf eines Produktes dem Unternehmen nahestehen, enger zu binden. Die älteste Form von Direktwerbemedien stellt das Direkt-Mailing dar: die klassische Postwurfsendung. Die technische Entwicklung ermöglicht eine Übernahme dieses Prinzips auf andere Kommunikationsinstrumente wie Fax, E-Mail oder SMS oder MMS. Zweck von Kundenbindungsprogrammen mit primärer Kommunikationsfunktion ist es, das Nachfragepotenzial ausgewählter Bestandskunden besser auszuschöpfen (vgl. Wirtz 2016, S. 186 f.). Erscheinungsformen dieser Kundenbindungsprogramme sind insbesondere Kundenclubs und Kundenkartenprogramme. Kundenclubs lassen sich als solche mit Zutrittsbeschränkung (geschlossene Kundenclubs) oder ohne (offene Kundenclubs) differenzieren. Mitgliedern von Kundenclubs werden besondere Angebote unterbreitet. Dadurch wird versucht, ein Gefühl der Verbundenheit zu erzeugen (vgl. Holland 2009, S. 345 f.). Kundenkarten sind an einen Kundenclub gebunden. Hier steht weniger der emotionale Aspekt als vielmehr der rein monetäre Vorteil (z. B. Rabatte) im Vordergrund. Zur erfolgreichen Anwendung der Direktkommunikation ist ein professionelles Informationssystem im Rahmen des Database-Marketing erforderlich. In diesem Data Warehouse müssen alle erforderlichen Daten gespeichert, aktualisiert und jederzeit für die direkte Kundenansprache bereitgestellt werden können (vgl. Link und Grandjot 2006, S. 345 ff.). Die in Abschn. 4.3.1 dargestellte Entwicklung der Online-Kommunikation hin zu Social Media führt ebenfalls zu einem erweiterten Spektrum der Direktkommunikation (vgl.
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Tab. 19 Bewertung des Instrumentes Direktkommunikation Direktkommunikation Eigenschaften Reichweite Zeitliche Einsatzmöglichkeiten Gestalterische Möglichkeiten Beeinflussbarkeit der Kommunikationswirkung Feedbackmöglichkeiten Kosten hoch
mittel niedrig
Zielsetzung Bekanntheit Einstellung Wettbewerbsprofilierung Kaufabsicht Wiederkaufabsicht Information Emotion Aktualität gute Eignung mittel schlechte Eignung
Bruhn 2015, S. 370 f.). Speziell hinsichtlich der direkten Interaktion mit dem Kunden und der Kunden untereinander bieten soziale Medien neue, erweiterte und kostengünstige Möglichkeiten (siehe hierzu ausführlich Abschn. 4.3.2). Abschließend wird die Direktkommunikation zusammenfassend in Tab. 19 bewertet.
4.5 Public Relations (PR) Neben der Konzentration auf Absatz und Kundenbeziehungen darf die Öffentlichkeitswirkung des Unternehmens und dessen Beziehung zu den anderen Anspruchsgruppen nicht vernachlässigt werden. Daher kommt einer professionellen Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen des Kommunikations-Mix eine besondere Bedeutung zu.
I Public Relations (PR) Der Begriff Öffentlichkeitsarbeit bzw. Public Relations
(PR) kennzeichnet die planmäßig zu gestaltende Beziehung zwischen dem Unternehmen und den verschiedenen Anspruchsgruppen (z. B. Kunden, Aktionäre, Lieferanten, Arbeitnehmer, Institutionen, Staat) mit dem Ziel, bei diesen Anspruchsgruppen Vertrauen zu gewinnen bzw. zu erhalten (vgl. Jefkins 1998, S. 6; Bruhn 2015, S. 416 f.; Kotler et al. 2016, S. 738 ff.).
Eine durch gesellschaftliche Verantwortung – Corporate Social Responsibility (CSR) (vgl. Loew et al. 2004, S. 18 ff.) – geprägte PR beinhaltet die aktive Gestaltung der Kommunikationsbeziehungen zwischen Unternehmen und gesellschaftlicher Umwelt (vgl. Deg 2017, S. 12 f.). So hat sich das Leitmotiv der PR von dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“ zu einer aktiven Kommunikations- und Informationspolitik nach
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dem Motto „Rede über das, was du tust“ gewandelt. Daher beinhalten die Geschäftsberichte vieler Unternehmen inzwischen Erklärungen zur Verantwortung gegenüber den Anspruchsgruppen. Erfolgskritisch ist hier jedoch der Nachweis dieser Verantwortung durch ein langfristig glaubwürdiges Handeln. Am Fehlen genau dieses Nachweises kranken heute viele CSR-Initiativen, weshalb die Skepsis der Zielgruppen gegenüber solchen Aktivitäten zunimmt. Andererseits bietet die Zunahme von durch Private-Equity- und Hedge-Fonds geführten Unternehmen heute besondere Chancen für Unternehmen mit anderer Eigentumsstruktur, sich durch nachhaltige CSR-Initiativen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem negativ besetzten „PrivateEquity- und Hedge-Fond-Lager“ zu verschaffen. Dieser Zustand hat sich durch die Finanzkrise noch zusätzlich verschärft. Erfolgskritisch bei der Ausgestaltung und Steuerung von CSR-Initiativen ist hierbei die Selektion der Stakeholder. Diese sollte anhand eines vierstufigen Selektionsverfahrenes erfolgen. Zunächst ist die allgemeine Bedeutung durch eine Einschätzung seitens der Wirtschaft notwendig. Darauf folgend gilt es, die branchenspezifische Bedeutung der Stakeholder zu bestimmen. Dies umfasst z. B. Produktionsrisiken oder die branchenbedingte Exponiertheit. Im dritten Schritt ist die (inter-)nationale bzw. regionale Bedeutung der Stakeholder zu ermitteln. Hierbei müssen im Speziellen die regionalspezifische Politik, Behörden und Interessenverbände Berücksichtigung finden. Letztlich müssen die Stakeholder hinsichtlich ihrer unternehmensspezifischen Bedeutung selektiert werden. Dies umfasst u. a. Bekanntheit, Größe und Standortwahl (vgl. Münstermann 2007, S. 86). Auf Basis dessen lassen sich die relevanten Stakeholder für CSRInitiativen selektieren. Die PR übernimmt folgende wichtige Funktionen (vgl. Skinner et al. 2010; Zerfaß 2007, S. 49 f.; Homburg 2016, S. 829 ff.; Bruhn 2015, S. 417; Kotler et al. 2016, S. 738 ff.): Informationsfunktion: Vermittlung von Informationen nach innen und außen (Öffentlichkeit) Kontaktfunktion: Aufbau und Aufrechterhaltung von Verbindungen zu allen für das Unternehmen relevanten Gruppen Imagefunktion: Aufbau, Änderung und Pflege des Vorstellungsbildes vom Unternehmen Absatzförderungsfunktion: Anerkennung und Vertrauen in der Öffentlichkeit fördert den Verkauf Sozialfunktion: Aufzeigen der gesellschafts- und sozialbezogenen Unternehmensleistungen Balancefunktion: Herstellung eines Anreiz-Beitrags-Gleichgewichtes der verschiedenen unternehmensrelevanten Anspruchsgruppen Stabilisierungsfunktion: Erhöhung der Krisenfestigkeit des Unternehmens in kritischen Situationen aufgrund der stabilen Beziehungen zu den Anspruchsgruppen (Vorsorge für Krisenfälle) (vgl. Burmann 2005a, S. 369)
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Zur näheren Spezifizierung der PR ist eine Abgrenzung zur klassischen Werbung vorzunehmen. Während die Öffentlichkeitsarbeit „Werbung für das Unternehmen als Ganzes“ betreibt, konzentriert sich die klassische Werbung i. d. R. auf bestimmte Produkte und Leistungen. Darüber hinaus ergeben sich Unterschiede hinsichtlich der Zielgruppen. Während Werbemaßnahmen hauptsächlich absatzmarktorientiert ausgerichtet sind, werden durch Public Relations alle Anspruchsgruppen erreicht. Die Bedeutung der Public Relations für den Organisationsfortbestand wurde besonders deutlich während zahlreicher Krisensituationen der letzten Jahre, wie z. B. des Fleischskandals des Handelsunternehmens real,-, der Korruptionsaffären von Siemens, Volkswagen und Daimler-Chrysler oder im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise. Insbesondere die letzteren Fälle zeigen die Notwendigkeit einer gut organisierten und umgesetzten PR, um das Vertrauen der Anspruchsgruppen nicht zu verspielen (vgl. Burmann 2005b, S. 473). Die Öffentlichkeitsarbeit wendet sich an eine unternehmensinterne und eine -externe Öffentlichkeit. Zur internen Zielgruppe der PR gehören z. B. Mitarbeiter, Aktionäre, Betriebsrat und der Außendienst. Als externe Zielgruppe lassen sich neben der Gesamtbevölkerung z. B. Handel, Wettbewerber und potenzielle Kunden sowie Presse, Behörden und die Fachwelt kennzeichnen. Bezüglich der Gesamtbevölkerung wurden die gesellschaftlichen Anspruchsgruppen wie Verbraucherorganisationen, Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen als besonders wichtige Zielgruppe in der Öffentlichkeitsarbeit erkannt (vgl. Kirchgeorg 1999, S. 97 f.). Die in Abschn. 4.3 dargestellte Entwicklung der digitalen Kommunikation führt ebenfalls zu einem erweiterten Spektrum des Instrumentes PR. Unternehmen können auf der eigenen Website einen Online-Pressebereich integrieren, um Pressevertretern oder anderen Anspruchsgruppen einen leichteren Zugang zu wichtigen Informationen zu verschaffen. Es können zudem sog. PR-E-Mail-Verteiler eingerichtet werden, über die regelmäßig neue Presseinformationen oder Einladungen an PR-Events verschickt werden. Auch können Unternehmen auf spezielle Online-Presseportale zurückgreifen, um zusätzliche Anspruchsgruppen zu erreichen. Auf diesen Portalen können ebenfalls Pressemitteilungen kostenlos veröffentlicht werden. Bekannte Online-Presseportale sind z. B. firmenpresse.de oder lifepr.de (vgl. Kreutzer 2018, S. 270 f.). Auch soziale Medien bieten neue Möglichkeiten für PR, insbesondere was die direkte Interaktion mit den verschiedenen Anspruchsgruppen des Unternehmens und dieser Gruppen untereinander anbelangt. Gleichzeitig ergeben sich durch den Einsatz von Social Media für PR aber auch neue Herausforderungen. So determiniert der Auftritt in den sozialen Medien maßgeblich die Wahrnehmung des Unternehmens durch die interne als auch die externe Öffentlichkeit (siehe hierzu ausführlich Abschn. 4.3.2). Eine zusammenfassende Kurzbewertung der PR ist in Tab. 20 dargestellt.
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Tab. 20 Bewertung des Instrumentes Public Relations Public Relations Eigenschaften Reichweite Zeitliche Einsatzmöglichkeiten Gestalterische Möglichkeiten Beeinflussbarkeit der Kommunikationswirkung Feedbackmöglichkeiten Kosten hoch
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mittel niedrig
Zielsetzung Bekanntheit Einstellung Wettbewerbsprofilierung Kaufabsicht Wiederkaufabsicht Information Emotion Aktualität gute Eignung mittel schlechte Eignung
Verkaufsförderung
Das Nachlassen der Wirkung von klassischen Werbemaßnahmen hat zu einer Bedeutungszunahme der Verkaufsförderung (Promotions) geführt. Darüber hinaus verstärkt die Verschiebung der Machtverhältnisse vom Hersteller zum Handel den Trend zu Verkaufsförderungsmaßnahmen, die vom Handel zur Unterstützung seines Abverkaufes von Herstellern eingefordert werden.
I Verkaufsförderung (VKF) Unter Verkaufsförderung ist die Analyse, Planung,
Durchführung und Kontrolle zeitlich befristeter Maßnahmen mit Aktionscharakter zu verstehen. Sie werden eingesetzt, um auf nachgelagerten Vertriebsstufen (Verkaufspersonal, Handel, Nachfrager) durch zusätzliche Anreize die Kommunikations- und Vertriebsziele eines Unternehmens zu erreichen (vgl. Bruhn 2015, S. 384; Kotler et al. 2016, S. 778).
Die einzelnen VKF-Maßnahmen werden jedoch nicht isoliert durchgeführt, sondern unter Berücksichtigung der Interdependenzen sowohl sachlich als auch zeitlich koordiniert. So führt die Abstimmung von verkaufsfördernden Maßnahmen mit werblicher Unterstützung und Preiszugeständnissen zu einer deutlich höheren Absatzwirkung als der isolierte Einsatz einzelner Instrumente (vgl. Lutzky 2007, S. 12 ff.). Innerhalb der einzelnen Formen der VKF werden unterschiedliche Ziele verfolgt. Bei den verkaufspersonalorientierten Zielsetzungen stehen Maßnahmen zur Verbesserung der Verkaufsqualität und zur Erhöhung der Mitarbeitermotivation im Vordergrund. Im Rahmen der handelsgerichteten Ziele nimmt die Festigung der Beziehungen zum Handel, d. h. die Motivation und Information der Absatzmittler, eine wichtige Stellung ein. Letztlich sind die Absicherung und der Ausbau der Warenpräsenz (Listung) beim Handel
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die zentralen Ziele der handelsorientierten VKF (vgl. Bruhn 2015, S. 384 f.). Neben der Weckung von Aufmerksamkeit sind die kurzfristige Initiierung von Käufen und die Erhöhung der Kauffrequenz die zentralen Zielsetzungen, die mit der nachfragerorientierten VKF verfolgt werden (vgl. Homburg 2016, S. 827 f.). Aus den einzelnen VKF-Zielen kann eine Vielzahl von Maßnahmen abgeleitet werden. Die nachfragerorientierten VKF-Maßnahmen lassen sich dabei generell in preisorientierte („price deals“) und nicht-preisorientierte („non-price deals“) Promotions einteilen, die beide den kurzfristigen Abverkauf der Produkte forcieren sollen (vgl. Neslin 1990, S. 141 f.). Inwieweit durch zeitlich befristete Preisreduktionen eines Produktes (preisorientierte Promotions) allerdings dauerhafte Erfolgswirkungen erzielbar sind, ist sehr umstritten (vgl. Sriram und Kalwani 2007, S. 55). Die nicht-preisorientierten Maßnahmen finden zumeist in der Geschäftsstätte in Form von Probeverkostungen oder Aktionsständen statt, die möglichst viel Aufmerksamkeit beim Nachfrager erzeugen sollen. Insbesondere im Lebensmittelbereich nutzen viele Unternehmen dieses Kommunikationsinstrument (vgl. Bruhn 2015, S. 390 f.). Die systematische Unterstützung des Außendienstes stellt einen weiteren Schwerpunkt der VKF-Aktivitäten dar. Sie zielt insbesondere auf eine Steigerung von Leistungswillen und -fähigkeit der Verkäufer ab und ist deshalb auf deren individuelle Fähigkeiten und Bedürfnisse abzustimmen. Tab. 21 gibt einen Überblick über die wesentlichen VKF-Maßnahmen für verschiedene Zielgruppen. Es wurde nachgewiesen, dass speziell VKF-Aktionen, welche stark auf die Nachfrager ausgerichtet sind, einen signifikant positiven Beitrag zum Unternehmensergebnis und zur Rentabilität beitragen können (vgl. Kumar et al. 2008, S. 65 f.). Die in Abschn. 4.3 dargestellte Entwicklung der digitalen Kommunikation führt ebenfalls zu einem erweiterten Spektrum der VKF. Speziell hinsichtlich der Verkaufsfunktion ermöglicht die direkte Interaktion mit den Nachfragern und der Nachfrager untereinander eine schnelle und kostengünstige Realisierung von Abverkaufsmaßnahmen und Sonderaktionen (vgl. Bruhn 2013, S. 401 ff.). Im Bereich der Online-Kommunikation haben sich in Deutschland vor allem sog. Gutscheinseiten wie mydealz.de oder gutscheine.de etabliert. Auf Gutscheinseiten können Nachfrager gezielt nach einzelnen Gutscheinen bzw. Coupons suchen und diese dann im Online-Shop oder in einem Laden einlösen. Eine von Statista durchgeführte Umfrage unter 669 Befragten im Jahr 2016 ergab, dass Nachfrager vorrangig nach den Bereichen Lebensmittel (48 %), Bekleidung (41 %) und Unterhaltungselektronik (35 %) auf Gutscheinseiten suchen (vgl. Statista 2016). Nachfrager können über das Internet auch Produktproben von einzelnen Unternehmen anfordern. Eine Auswahl verschiedener Produktproben bieten z. B. Sparwelt.de oder Schnaeppchenfuchs. com an. Auch über Social Media sowie über mobile Endgeräte lassen sich gezielt Sonderrabatte und Gutscheine platzieren (siehe hierzu ausführlich Abschn. 4.3.2 und 4.3.3). Die Wirksamkeit digital-gestützter VKF zeigt sich in einem Vergleich mit traditioneller VKF. So hat eine Studie ermittelt, dass VKF-Maßnahmen zur Kundenbindung im Onlinehandel profitabler sind als im klassischen Einzelhandel (vgl. Zhang und Wedel 2009, S. 204 f.).
Zielgruppe
Verkaufsbriefe Anzeigen/Beilagen Handelsmessen/Fachausstellungen Info-Zentrale Handzettel Prospekte Verbraucherzeitung Bedienungsanleitung Werksbesichtigung Verbraucherausstellung
Absatzmittler
Nachfrager
Verkäuferbriefe Verkäuferinformationen Verkäuferzeitungen
Eigene Verkaufsorganisation
Funktion Informationsfunktion
Wettbewerbe/Preisausschreiben Gadgets (Beigaben) Sonderkonditionen Partneraktionen Preisausschreiben Gewinnspiel Sonderaktionen (Shows) Muster/Warenproben
Entlohnungs- und Prämiensysteme
Motivationsfunktion
Tab. 21 Maßnahmen der Verkaufsförderung nach relevanten Funktionen
Lehrveranstaltung
Handelsseminare
Schulungs-/ Trainingsfunktion Tonbildschauen Filme/Videobänder Ausbildung zum Verkaufsberater
Rabatte/Sonderkonditionen Zugaben/Gutscheine Self-Liquidating-Offers Produkte mit Zusatznutzen
Sonder-/Zweitplatzierungen Displays Sonderaktionen
Sales Folder Argumentationshilfen Testergebnisse Hostessen/Dekorateure Verkaufshandbücher
Verkaufsfunktion
762 8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
4
Verteilung des Kommunikationsbudgets
763
Tab. 22 Bewertung des Instrumentes Verkaufsförderung Verkaufsförderung Eigenschaften Reichweite Zeitliche Einsatzmöglichkeiten Gestalterische Möglichkeiten Beeinflussbarkeit der Kommunikationswirkung
Zielsetzung Bekanntheit Einstellung Wettbewerbsprofilierung Kaufabsicht
Feedbackmöglichkeiten Kosten
Wiederkaufabsicht Information Emotion
hoch
mittel niedrig
Aktualität gute Eignung mittel schlechte Eignung
Eine besondere Ausprägungsform von VKF, die sich erst durch Anwendung im Internet etabliert hat, sind sog. Deal-of-the-day-Promotions (DoD-Promotions). DoD-Promotions unterscheiden sich von klassischen Preisrabatten insofern, als dass der gewährte Rabatt üblicherweise über 50 % liegt und sie gleichzeitig nur für einen sehr kurzen Zeitraum (oftmals für nur einen Tag) verfügbar sind. Ein Beispiel für eine Internetplattform, die DoD-Aktionen von Unternehmen vermarkten, ist Groupon. Unternehmen platzieren ihre Angebote auf diesen Plattformen, die jeweils auf eine bestimmte Stadt bezogen sind. DoD-Promotions sind oftmals sehr effektiv, da die zeitlichen Befristungen in Verbindung mit den hohen Rabatten die Angebote besonders attraktiv erscheinen lassen (vgl. Eisenbeiss et al. 2015, S. 394). Eine zusammenfassende Bewertung der VKF zeigt Tab. 22.
4.7 Messen und Ausstellungen Neben den bereits skizzierten klassischen Kommunikationsinstrumenten gewinnen auch Spezialinstrumente, insbesondere Messen und Ausstellungen, an Bedeutung, da sie eine persönliche Kundenansprache ermöglichen und in wirkungsvoller Form Kundenbindung erzeugen können. Vielfach wird der Stellenwert von Messen im Kommunikationsmix unterschätzt. Durchschnittlich entfallen auf Messen in Deutschland ein Fünftel der Kommunikationsbudgets, wobei Unternehmen im Investitionsgüterbereich vielfach bis zu zwei Drittel ihres Budgets für Messebeteiligungen ausgeben.
764
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
I Messen Nach dem Verständnis des Ausstellungs- und Messeausschusses der
Deutschen Wirtschaft e. V. (AUMA) wird eine Messe als zeitlich begrenzte, wiederkehrende Marktveranstaltung bezeichnet, auf der nach vorrangiger Ansprache von Fachbesuchern eine Vielzahl von Unternehmen eines oder mehrerer Branchen überwiegend an gewerbliche Abnehmer nach Muster vertreibt (vgl. AUMA 2011, S. 24).
Demgegenüber richten sich Ausstellungen in erster Linie an ein allgemeines Publikum und verfolgen primär Absatzziele. Mit dem Bedeutungszuwachs von Messen und Ausstellungen ist in Deutschland eine konsequente Differenzierung des Messeangebotes einhergegangen. Zur Typologisierung der Erscheinungsformen von Messeveranstaltungen lassen sich die folgenden Kriterien heranziehen (vgl. Kirchgeorg 2003, S. 66 ff.): Breite des Angebotes (z. B. Universalmessen, Spezialmessen, Branchenmessen, Solound Monomessen sowie Fach- und Verbundmessen), Angebotsschwerpunkt (Konsum-und Investitionsgütermessen), Funktion einer Messe (Informations- und Ordermessen), Aussteller- und Besucherreichweite (regionale, überregionale, nationale und internationale Messen), Zielgruppe (Fachbesucher-, Händler- und Nachfragermesse) sowie Hauptrichtung des Absatzes (Export- und Importmesse). Als Ziele einer Messebeteiligung sind die Vorbereitung bzw. Durchführung von Geschäftsabschlüssen, die Anbahnung und Pflege von Geschäftsbeziehungen sowie die Festlegung der eigenen Position im Wettbewerbsumfeld zu nennen. Darüber hinaus sollen Trendinformationen bezüglich technischer Marktneuerungen und veränderter Nachfragerbedürfnisse eingeholt werden. Auch die Gewinnung potenzieller Nachwuchskräfte stellt neben der Darstellung der Unternehmenskompetenz ein wichtiges Ziel einer Messebeteiligung dar (vgl. AUMA 2011, S. 19 ff.). Eine Messebeteiligung kann anhand eines Managementprozesses geplant, durchgeführt und kontrolliert werden (vgl. Meffert 2003, S. 1149). Die Informationsbasis bildet eine Situationsanalyse, die messespezifische Informationen über den Wettbewerb, die Nachfrager, Messeveranstaltungsoptionen, das eigene Unternehmen und die Unternehmensumwelt bereitstellt. Darauf folgt die konzeptionelle Planung, die vor allem die Festlegung der Ziele und die Auswahl der konkreten Messebeteiligung beinhaltet. Daran schließt sich die Maßnahmenplanung während der Messe an. Dazu gehören der beabsichtigte Personaleinsatz (Vertreter des Unternehmens, Hostessen, Techniker zur Unterstützung der Standexponate), die Standkonzeption (Art, Gestaltung und Dekoration), die Exponatewahl (Inhalt und Darbietungsform wie z. B. Videoprojektion, Flyer, Gewinnspiel
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Tab. 23 Übersicht phasenspezifischer Messeaktivitäten (Quelle: In Anlehnung an Ueding 1998, S. 115) Ziele
Primäre Wirkungsabsichten und Maßnahmen
Vor-Messe-Phase Bekanntmachung der Messebeteiligung
Information potenzieller Besucher durch: Vor-Messewerbung Messeberichte im Rahmen der PR Einträge/Anzeigen im Messekatalog Persönlicher Kontakt durch Außendienst Direktansprache Qualifizierung des Standpersonals durch: Verhaltenstraining Argumentations- und Gesprächsführungstraining Briefing der verfolgten Messeziele
Messe-Phase Besucherakquisition bzw. Durchbrechen der Wahrnehmungshürden beim Messebesucher Erregung von Aufmerksamkeit und Interesse durch: Werbliche Nutzung des Messeinformationssystems Außenwerbung Werbeaktionen auf bzw. vor dem Messegelände
Nach-Messe-Phase Zielgruppen- und anspruchsgruppenbezogene Kommunikation
Dialog mit ausgewählten Zielgruppen zur Kompetenzdemonstration und Kontaktpflege bzw. -aufbau durch: Persönliche Gespräche Begleitveranstaltungen (wie Podiumsdiskussionen, Fachvorträge)
Beziehungspflege durch: Informationsversorgung von allgemein Interessierten (z. B. Wissenschaftler, Berufseinsteiger) Nach-Messe-Informationen an Pressevertreter Weiterführung des Dialoges mit Anspruchsgruppen
Aktivierung des anonymen Messepublikums durch: Produktshows Videoprojektionen Events
Mitarbeiterbezogene Kommunikation zur Motivation durch: Internen Messebericht Persönliche Gespräche und Berichte
Kundenbindung durch: Weiterverfolgung des Bestehenden Kundenkontaktes Kontaktaufnahme mit eingeladenen aber nicht am Messestand erschienenen Kunden Nach-Messe-Werbung
etc.) und die einzusetzenden Kommunikationsmaßnahmen. Zur genaueren Spezifizierung der Maßnahmenplanung ist eine Einteilung in drei Phasen (Vor-, Während-, Nachmessephase) sinnvoll, in denen unterschiedliche Zielsetzungen mit unterschiedlichen Methoden verfolgt werden (vgl. Tab. 23). Den Abschluss des Managementprozesses bilden Realisation und Kontrolle der Messebeteiligung. Mithilfe von Messen kann innerhalb weniger Tage eine hohe Konzentration von Angebot und Nachfrage und damit eine Kommunikationsdichte und Informationsqualität, wie sie anderen Instrumenten des Kommunikationsmixes kaum zu eigen ist, erzielt werden. Wichtige Merkmale dabei sind der persönliche Kontakt zwischen Unternehmensreprä-
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
sentanten und den Zielgruppen sowie die Tatsache, dass Ausstellern und Messebesuchern der direkte Wettbewerbsvergleich ermöglicht wird. In einigen Branchen werden zunehmend sog. Hausmessen veranstaltet. Hierbei werden Besucher oder Zulieferer z. B. an einen Standort eines Unternehmens eingeladen, um ihnen das Produktprogramm und Innovationen live zu demonstrieren. Eine erfolgreiche Messebeteiligung erfordert die Koordination mit anderen Kommunikationsinstrumenten vor, während und nach der Veranstaltung. So können vor der Messe Online-Medien oder klassische Medien und Direktmailings eingesetzt werden, um die Zielgruppen über die Veranstaltung zu informieren. Während der Messe kommen vielfach persönliche Verkaufsspräche, multimediale Präsentationsformen, PR-Instrumente, Fachveranstaltungen und mobile Kommunikationsinstrumente zum Einsatz. Dem wachsenden Informationsbedürfnis von Fachbesuchern auf Messen kommen viele Unternehmen heute durch zusätzliche Veranstaltungen auf dem Messegelände in Form von Fachsymposien und Kongressen nach. Insoweit ist immer häufiger eine Kombination von Messen und Ausstellungen mit dem Eventmarketing festzustellen. Nach der Messeveranstaltung können wiederum alle anderen Kommunikationsinstrumente zum Einsatz gelangen, um den Kundenkontakt erneut aufzugreifen und zu pflegen. Als Basis für die hohe Kommunikationsqualität von Messen, die zu den zentralen Elementen der Live Communication (vgl. Brühe 2003, S. 75 ff.; Kirchgeorg et al. 2009) zählen, dient ihr einzigartiger und nachhaltiger Ereignis- und Erinnerungscharakter. Messen ermöglichen multisensuale Markenerlebnisse, die mit den klassischen Kommunikationsinstrumenten wie auch der Online-Kommunikation nicht möglich sind. Zusammenfassend wird in Tab. 24 das Instrument Messe und Ausstellungen bewertet.
Tab. 24 Bewertung des Instrumentes Messe und Ausstellungen Messen und Ausstellungen Eigenschaften Reichweite Zeitliche Einsatzmöglichkeiten Gestalterische Möglichkeiten Beeinflussbarkeit der Kommunikationswirkung
Zielsetzung Bekanntheit Einstellung Wettbewerbsprofilierung Kaufabsicht
Feedbackmöglichkeiten Kosten
Wiederkaufabsicht Information Emotion
hoch
mittel niedrig
Aktualität gute Eignung mittel schlechte Eignung
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
767
4.8 Event-Marketing Das Event-Marketing ist ein Instrument der Unternehmenskommunikation, welches den informationsüberlasteten Zielgruppen etwas besonders Interessantes, emotional Berührendes bieten soll.
I Event-Marketing Event-Marketing wird im Rahmen der Unternehmenskom-
munikation als die eigenständige, multisensuale und erlebnisorientierte Inszenierung von temporären Ereignissen, welche sich sowohl an interne als auch an externe Adressaten richtet, zur Erreichung der Kommunikationsziele definiert (vgl. Kirchgeorg et al. 2009, S. 139).
Hiervon abzugrenzen sind Mega-Events, welche einmalig oder regelmäßig wiederkehrende, temporär inszenierte Ereignisse umfassen, die aufgrund ihrer Einzigartigkeit eine global bedeutende mediale Aufmerksamkeit und eine hohe Anziehungskraft für Besucher weltweit aufweisen (vgl. Kirchgeorg et al. 2009, S. 157 ff.). Als kommunikative Ziele, die sich durch das Event-Marketing erreichen lassen, sind die Schaffung und Erhöhung der Bekanntheit, Imageziele sowie die Verbreitung von Wissen über das Kommunikationsobjekt zu nennen. Ferner werden Events in der Praxis bevorzugt als Instrument der Kundenbindung eingesetzt. Zentrale Zielsetzung ist allerdings die Präsentation des Kommunikationsobjektes in erlebnisorientierter Form und damit dessen emotionale Positionierung (vgl. Kirchgeorg et al. 2009, S. 142 ff.; Bruhn 2015, S. 463 f.). Dabei ist eine aktive Ansprache des Zielpublikums beabsichtigt, mit der eine positive Beeinflussung des Images durch eine Übertragung des Images vom Event auf das Kommunikationsobjekt erreicht werden soll. Dieser Prozess wird als Imagetransfer bezeichnet. Der Imagetransfer ist als eine Reaktion in der Psyche des Menschen zu verstehen und kann in beide Richtungen zwischen Event und Kommunikationsobjekt erfolgen (vgl. Meffert und Heinemann 1990, S. 5 ff.; Drengner 2008, S. 115). Die Erlebnisorientierung ist hierbei durch zwei Entwicklungen zu der heutigen Bedeutung gelangt. Diese Entwicklungen sind die wahrgenommene Austauschbarkeit von Marken in physisch-funktionaler Hinsicht sowie die veränderten Nachfragerbedürfnisse mit dem Trend zum erlebnisorientierten Konsum (vgl. Freundt 2006, S. 11). Die wahrgenommene Austauschbarkeit von Marken hängt mit der Sättigungsphase vieler Märkte zusammen. Hochwertige, speziell funktionale, Markennutzen sind für die Nachfrager oft selbstverständlich geworden (vgl. Burmann et al. 2010, S. 33). Heute existiert ein starkes Streben nach emotionalem Erleben, was zu einer zunehmenden Bedeutung multisensualer Nachfragerbeeinflussung führt (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 160 f.). Die Erlebnisorientierung ist demnach als eine grundlegende Eigenschaft der gegenwärtigen Gesellschaft zu identifizieren.
768
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Verstärkt wird die Schwierigkeit der Differenzierung anhand funktionaler Nutzenassoziationen durch die Informationsüberlastung der Nachfrager. Hierdurch steigt die Relevanz visueller Kommunikation. Diese umgeht das Problem der kognitiven Überlastung der Nachfrager und eignet sich besonders zur Vermittlung emotionaler Erlebnisse. Die Vorteile einer erlebnisorientierten Positionierung zeigen u. a. Pine und Gilmore, die 1999 als erste die „Ära“ der Experience Economy und hieraus folgend die gestiegene Bedeutung und Fokussierung auf die Nachfragererlebnisse prognostizierten (vgl. Dams und Dams 2008, S. 28 ff.; Tsai 2005, S. 432; Pine und Gilmore 1999, S. 69 f.). Die Autoren argumentieren, dass eine kundenindividuelle Anpassung der Markenleistung („Customization“) Voraussetzung für die Schaffung eines kundenindividuellen Nutzens ist. Gleichzeitig begegnen Unternehmen durch die Individualisierung der Gefahr der „Commoditization“ (vgl. Abb. 58). Die durch das auf Interaktion basierende Markenerlebnis vermittelten Emotionen stellen einen relevanten Nachfragernutzen dar, der von dem funktionalen Nutzen des Angebotes unabhängig ist. Erlebnisse lassen sich in verschiedene Kategorien von Einzelerlebnissen unterscheiden. Hierbei gibt es bisher keine allgemeingültige Differenzierung (vgl. Burmann et al. 2010, S. 33). Die Kategorisierung von Schmitt unterscheidet zwischen
Erlebnismarke Differenzierung vom Wettbewerb durch die Vermittlung eines spezifischen Kundennutzens
Markenführungsansatz
Interaktive Markenführung
Servicemarke „Industrialisierte“ Markenführung Markenprodukt
Keine Markenführung
Commodities
Preis an Börsen
Durchschnittlicher Preis im Einzelhandel
Premiumpreis
Preisniveau
Abb. 58 Bedeutung der Erlebnisorientierung für die Markenführung (Quelle: Burmann et al. 2010, S. 32 in Anlehnung an Pine und Gilmore 1999, S. 22)
4
Verteilung des Kommunikationsbudgets
769
sensorischen, affektiven, kognitiven, verhaltensbezogenen und sozialen Erlebnissen (vgl. Schmitt 2009, S. 705). Die multisensuale Sinnesansprache eignet sich hierbei besonders zur Schaffung einzigartiger Erlebniserinnerungen. Springer definiert Multisensualität im Rahmen der Markenkommunikation als „[. . . ] Ansprache der relevanten internen und externen Zielgruppen über gleichzeitig mehrere bzw. mindestens drei Sinne [. . . ]“ (Springer 2008, S. 17). Events dienen hierbei als ein zentrales Instrument der erlebnisorientierten Kommunikation einer Marke. Charakterisierendes Merkmal des Event-Marketing ist die ausgeprägte Dialog- und Interaktionsorientierung, welche die zentrale Voraussetzung der Erlebnisorientierung darstellt (vgl. Kirchgeorg et al. 2009, S. 143 f.; Burmann et al. 2010, S. 47 ff.). Events ermöglichen unmittelbare Kontakte zu den anwesenden Nachfragern, die ihrerseits in einer für sie angenehmen, zwangfreien Situation angetroffen werden. Dies hat großen Einfluss auf die Wirkung der Kommunikationsbotschaften. I. d. R. sind die Nachfrager an den Inhalten des Events interessiert, sodass diesen ein hohes Involvement unterstellt werden kann. Ferner hat sich die erlebnisorientierte Inszenierung eines Events als besonders effektiv herausgestellt (vgl. Kirchgeorg et al. 2009, S. 147 f.). Je nach Zielsetzung lösen die während Events ausgesendeten Kommunikationsbotschaften kognitive (Ziel: Wissen) bzw. affektive (Ziel: Image) Prozesse aus. So werden die im Rahmen von Events erlebten Emotionen intensiver verinnerlicht und haben einen stärkeren Einfluss auf spätere Kaufentscheidungen. Genauso verstärkt das während eines Events vermittelte und in einem emotionalen Kontext erlebte Wissen die Erinnerungsleistung an das Kommunikationsobjekt. Zentrales Unterscheidungskriterium des Event-Marketing gegenüber anderen Kommunikationsinstrumenten ist der Ausgangspunkt der Initiierung. Im Rahmen des EventMarketing werden eigens vom Unternehmen zielgruppengerechte Veranstaltungen arrangiert, in deren Mittelpunkt neben dem eigentlichen Event das Kommunikationsobjekt steht (vgl. Bruhn 2015, S. 463 f.). Davon abzugrenzen ist das Eventsponsoring, bei dem fremdinitiierte Events dazu genutzt werden, die Kommunikationsziele zu erreichen (vgl. Nitschke 2006, S. 20). Hierunter fallen i. d. R. auch die Mega-Events. Solche Aktivitäten sind je nach Inhalt dem Sport-, Kultur- oder Sozialsponsoring zuzuordnen, worauf im Abschn. 4.9 näher eingegangen wird. Ferner lässt sich das Event-Marketing von Messen und Ausstellungen dadurch differenzieren, dass mit Events nicht primär absatzorientierte, sondern psychographische Ziele verfolgt werden (vgl. Abschn. 4.7 zur ausführlichen Diskussion von Messen und Ausstellungen). Die verschiedenen Erscheinungsformen von Events lassen sich anhand der Zielgruppe sowie den verfolgten Zielen kategorisieren (vgl. Abb. 59). Zur kreativen Ausgestaltung des einzelnen Events stehen vielfältige Instrumentarien zur Verfügung. Das Spektrum reicht dabei von Multimedia-Präsentationen, Showparts und Talkshows über das Kreieren neuer Sportwettkämpfe bis hin zu Abenteuer- und Erlebnisreisen (vgl. Nickel 2007, S. 165 f.). Das Event-Marketing kann die klassischen, zumeist unpersönlichen „above the line“Kommunikationsinstrumente ergänzen und unterstützen. In diesem Zusammenhang ist die Vernetzung des geplanten Events mit anderen kommunikationspolitischen Instrumenten
770
dominierendes Kommunikationsziel
Image
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Externes Markenevent (z. B. Sportveranstaltung wie Red Bull Air Race)
Internes Markenevent (z. B. Weihnachtsfeier des Unternehmens)
Duales Markenevent (z. B. Konzert für Schlüsselkunden und Mitarbeiter)
Internes Infotainment (z. B. Kick-Off-Meeting am Projekt beteiligter Führungskräfte)
Duales Infotainment (z. B. Ärztefortbildung mit Teilnahme des Pharmaaußendienstes)
Externes Infotainment (z. B. Produktpräsentation am PoS)
Internes Info-Event (z. B. Produktschulung)
Duales Info-Event (z. B. Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft)
Externes Info-Event (z. B. Pressekonferenz)
Wissen
intern
intern + extern
extern
Zielgruppe
Abb. 59 Formen des Event-Marketing (Quelle: In Anlehnung an Lasslop 2003, S. 23)
sicherzustellen (vgl. Kirchgeorg et al. 2009, S. 243 ff.). Neben dieser horizontalen Vernetzung des Event-Marketing ist insbesondere bei dualen und externen Events die zeitliche Abstimmung des Einsatzes begleitender Instrumente von entscheidender Bedeutung. Zu unterscheiden sind dabei Maßnahmen, die das Event vorbereiten, begleiten oder nachbereiten. Werbemaßnahmen und Öffentlichkeitsarbeit eignen sich in der vorbereitenden Phase vor allem dazu, Interesse an der Veranstaltung zu wecken und in der Zielgruppe das Bedürfnis, „dabei zu sein“ zu erzeugen. Die Medien sind in ihrer Funktion als Multiplikator frühzeitig über das Besondere des Events zu informieren (vgl. Nickel und Esch 2007, S. 74; Kirchgeorg et al. 2009, S. 142 ff.). Veranstaltungsbegleitend sind vor allem Maßnahmen der Direktkommunikation durchzuführen (vgl. Bruhn 2015, S. 467 ff.). Nach der Durchführung können verschiedene Aspekte des Events im werblichen Auftritt des Unternehmens als Identifikationsanker aufgegriffen und weiterentwickelt werden. Ferner ist festzuhalten, dass eine Serie zusammenhängender Events erfolgsträchtiger ist als ein einzelnes Event, da sich der gewünschte Imagetransfer nur über einen längeren Zeitraum realisieren lässt (vgl. Burmann und Nitschke 2005a, S. 397; Burmann und Feddersen 2007, S. 21 f.). In diesem Zusammenhang gewinnen Roadshows als Zusammenstellung mehrerer, temporärer und an verschiedenen Orten inszenierter Ereignisse zunehmend an Bedeutung (vgl. Kirchgeorg et al. 2009, S. 140 f.). Event-Veranstaltungen brauchen neben einer tragfähigen Idee, die gewissermaßen als konzeptionelle Klammer alle Aktivitäten umfasst, ein professionelles Management zur
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Tab. 25 Bewertung des Instrumentes Event-Marketing Event-Marketing Eigenschaften Reichweite Zeitliche Einsatzmöglichkeiten Gestalterische Möglichkeiten Beeinflussbarkeit der Kommunikationswirkung Feedbackmöglichkeiten Kosten hoch
mittel niedrig
Zielsetzung Bekanntheit Einstellung Wettbewerbsprofilierung Kaufabsicht Wiederkaufabsicht Information Emotion Aktualität gute Eignung mittel schlechte Eignung
erfolgreichen Umsetzung. In diesem Zusammenhang kann heute auf ein breites Angebot von Spezial-Agenturen zurückgegriffen werden, die mit ihrer personellen und technischen Ausstattung z. B. Multimedia- und Laser-Shows sowie produktspezifische Bühnenchoreographien inszenieren (vgl. Kirchgeorg et al. 2009, S. 178 ff.). Abschließend wird in Tab. 25 eine Bewertung des Event-Marketing dargestellt.
4.9
Sponsoring
Eine vermehrte Freizeitorientierung sowie erhöhte Kosten, Werbebeschränkungen und Reaktanzen gegenüber klassischen Werbeformen haben zu einer Bedeutungserhöhung des erlebnisorientierten Sponsoring beigetragen.
I Sponsoring Sponsoring umfasst die Planung, Durchführung und Kontrol-
le sämtlicher Aktivitäten, die mit der Bereitstellung von Geld, Sachmitteln, Dienstleistungen oder Know-how durch Unternehmen und Institutionen zur Förderung von Personen und/oder Organisationen verbunden sind, um damit gleichzeitig die Ziele der Kommunikationspolitik zu erreichen (vgl. Bruhn 2010, S. 6 f.).
Die Sympathie und das Interesse, das dem Gesponserten entgegengebracht wird, sollen durch einen Imagetransfer auf den Sponsor übertragen werden. Bezüglich der Gegenleistungsvereinbarung unterscheidet sich das Sponsoring vom Mäzenatentum, bei dem das Unternehmen die Unterstützung ohne ökonomische Nutzenerwartungen leistet. Als mögliche Ziele des Sponsorings werden neben den ökonomischen Größen Umsatz, Gewinn und Marktanteil vor allem psychologische Ziele verfolgt. Infrage kommen:
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Steigerung der Bekanntheit, Imageverbesserungen, Kontaktpflege, Mitarbeitermotivation und Nachweis gesellschaftlichen Engagements und Verantwortung (vgl. Hermanns 2008, S. 191 ff.; Apostolopoulou und Papadimitriou 2004, S. 188 ff.). In der Praxis ist eine Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen des Sponsorings anzutreffen. Eine Strukturierung lässt sich über die Dimensionen Sponsoringbereiche und -formen vornehmen. Dabei können als Bereiche Sport-, Kultur-, Sozio-, Medien und Umweltsponsoring unterschieden werden (vgl. Bruhn 2015, S. 431 f.). Innerhalb dieser Bereiche können Einzelpersonen, Gruppen, Veranstaltungen oder gesamte Organisationen gefördert werden (Sponsoringform). In der Studie „Sponsoring Trends 2010“ wurde das Sportsponsoring (Einsatz bei 81,1 % der befragten Unternehmen in Deutschland) als der am häufigsten eingesetzte Sponsoringbereich identifiziert, gefolgt vom Kultursponsoring (66,7 %), welches jedoch aufgrund der Finanzkrise einen deutlichen Rückgang (2008: 74,2 %) zu verzeichnen hatte (vgl. BBDO Live 2010, S. 14). Eine hohe Bedeutung hat inzwischen die Koordination der Sponsoringaktivitäten mit der Online-Kommunikation (53,8 %). Hierbei nutzen die Unternehmen vornehmlich die eigene Homepage und Sponsoren-Links zur Kommunikation, jedoch zunehmend auch Social Media. Die Zielprioritäten sind je nach Sponsoringform unterschiedlich ausgeprägt. So hat im Sportbereich neben den Imagezielen die Steigerung des Bekanntheitsgrades große Bedeutung. Im Kulturbereich stehen die Imageprofilierung und die Kontaktpflege mit den Anspruchsgruppen im Vordergrund. Bei den sozialen und ökologischen Engagements steht die Darstellung der gesellschaftlichen Verantwortung des Unternehmens im Vordergrund, die großen Einfluss auf die Motivation der Mitarbeiter haben kann (vgl. Bruhn 2010, S. 9 f.). Der Einsatz von Sponsoring erfolgt meist vor einem mittel- bis langfristigen Zeithorizont und bindet umfangreiche finanzielle Mittel. Deshalb ist eine sorgfältige Analyse und Planung des Sponsorings notwendig. Abb. 60 gibt den Bezugsrahmen zur Planung des Sponsorings wieder. Zentrale Größe der Imagetransferwirkung von Sponsoringmaßnahmen ist der Fit zwischen dem (Marken-)Image des Sponsors und des Gesponserten (vgl. Nitschke 2006, S. 321 ff.). Unter dem Fit wird die Passgenauigkeit der subjektiven Beurteilungen einer Marke und eines weiteren Objektes verstanden. Dieser Fit beeinflusst die Kommunikationswirkung von Sponsoringaktivitäten (vgl. von Weizsäcker 1974, S. 82 ff.) in erheblichem Maße (vgl. Abb. 61). Zugrunde liegt die Annahme, dass kommunikative Reize ein gewisses Maß an neuen wie auch bekannten Informationen enthalten müssen, damit diese mit dem bisherigen Wissen der Rezipienten verknüpft und gespeichert werden können. Unmittelbar bei der Reizaufnahme wird der Fit bewertet. Diese Bewertung erfolgt grob durch Klassifikation als schwere Inkongruenz (kaum Übereinstimmung), leichte Inkongruenz (mehrheitliche
4
Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Vorgaben durch Unternehmens-, Marketing- und Kommunikationsziele
Sponsoringbereiche
Sponsorship Sponsoringziele
Sport Kultur Soziales Umwelt
Gesponserter
Sponsor
Sponsoring-Agentur Sponsoringformen Individuum Gruppe Organisation Veranstaltung
Image des Gesponserten
Image des Sponsors
Imagetransfer Kommunikationsinstrumente Werbung
VKF
Direktkommunikation
PR
EventMarketing
OnlineKommunikation
Abb. 60 Bezugsrahmen des Sponsorings (Quelle: In Anlehnung an Bruhn 2018, S. 55)
Übereinstimmung) oder Kongruenz (nahezu völlige Übereinstimmung). Die Werte FkritU und FkritO grenzen diese Bereiche voneinander ab und werden durch Lernprozesse bei der Reizverarbeitung des Individuums bestimmt. Bei der Verarbeitung und Speicherung der aufgenommenen Informationen (Marke und Sponsoringaktivität) kann eine schwere Inkongruenz auch durch große kognitive Anstrengung nicht aufgelöst werden und führt so zu schwerer Inkonsistenz bei der Speicherung der Informationen. Die Folge davon ist, dass kein Imagetransfer stattfindet. Stattdessen verursacht die gescheiterte Auflösung der Inkongruenz eine Reaktanz, die sich in einer negativen Imageveränderung niederschlägt. Allerdings steigert die starke kognitive Auseinandersetzung die Markenbekanntheit, da das neu abzuspeichernde Image dem Nachfrager noch präsent ist. Enthält der Reiz ausschließlich bekannte Informationen, so wird der Fit als kongruent bewertet und bedarf lediglich geringer kognitiver Belastung, um verarbeitet und gespeichert zu werden. Die gebotenen Informationen fügen sich konsistent in das vorhandene Wissen ein, was das bestehende Image intensiviert, aber aufgrund des geringen kognitiven Aufwandes keine Auswirkung auf die Bekanntheit hat.
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Einflussgrößen Einglussgrößen
kommunikativer Reiz
774
neu
bekannt
hoch
Kongruenz
niedrig
kognitive Belastung schwere Inkonsistenzen
dauerhafte Wirkungen
Organismus (Zielperson)
momentane Wirkungen
Fit-Bewertung leichte Inkongruenz
schwere Inkongruenz
leichte Inkonsistenzen
Konsistenzen
Wirkung des Imagetransfers
Wmax
positive Imageveränderung leichte Bekanntheitserhöhung
W0
negative Imageveränderung starke Bekanntheitserhöhung F0
FkritU
Imageintensivierung keine Bekanntheitswirkung FkritO
Imagefit
Fmax
dichotome Wirkungsinterpretation metrische Wirkungsinterpretation
Abb. 61 Zusammenhang zwischen Imagefit und Imagetransfer (Quelle: In Anlehnung an Nitschke 2006, S. 186 und von Weizsäcker 1974, S. 82 ff.)
Hier zeigt sich, dass bei der Auswahl des Sponsorships auf ein gewisses Maß an Inkongruenz zwischen den Images des Sponsors und des Gesponserten zu achten ist. In diesem Fall kann durch den Transfer neuer Assoziationen vom Image des Gesponserten auf das des Sponsors die wahrgenommene Inkonsistenz aufgelöst werden. Nur dies ruft eine positive Imageveränderung hervor. Zudem führt die zu leistende moderate kognitive Belastung zu einer Steigerung der Bekanntheit. Vor diesem Hintergrund erscheint bspw. für einen Sportwagenhersteller wie BMW das Sponsoring eines Kultur-Events, z. B. der Bayreuther Festspiele besser geeignet als eine Sportveranstaltung (z. B. Formel 1), um eine positive Imageveränderung zu erzielen. Letzteres ist jedoch genau dann zu empfehlen, wenn das bestehende sportliche Image von BMW verstärkt werden soll. Nachdem das Engagement in der Formel 1 aufgeben wurde, steht BMW jedoch mit dem Berlin Marathon einem weiteren Großereignis als Sponsor zur Verfügung. Es ist jedoch zu beachten, dass der Imagetransfer nicht ausschließlich positiver Natur ist, sondern auch entgegengesetzt wirken kann. Werden mit dem Gesponserten negative Assoziationen verbunden, kann dies negative Konsequenzen für das Image des Sponsors haben.
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Zu Sponsoring-Aktivitäten im Bereich Sport zählt z. B. die Finanzierung von Sportereignissen, bei denen ein positiver Imagetransfereffekt auf die sponsernde Unternehmung angestrebt wird. Das hohe Sportinteresse der Nachfrager und die breite Akzeptanz vieler Sportarten sind eine Erfolg versprechende Basis für die Erreichung der Bekanntheits- und Imageziele des Sponsors. Auch die Unterstützung von Teams (z. B. VfL Wolfsburg durch den Konzern Volkswagen) oder einzelner Sportler (z. B. Michael Schumacher durch den Finanzdienstleister Deutsche Vermögensberatung), deren Gegenleistung meist in Trikot-Werbung, Werbung auf dem Sportgerät oder Bandenwerbung erbracht wird, zählt zu den typischen Sportsponsoringaktivitäten (vgl. Bruhn 2010, S. 82 f.). Im Bereich der Kultur-Sponsoring-Maßnahmen sind als Objekte die bildende Kunst, Musik, Theater, Literatur sowie Film und Hörfunk zu nennen. Wichtige Maßnahmen stellen die Förderung von Ausstellungen, die Einrichtung eigener Museen (z. B. das Mercedes-Benz Museum) und die Unterstützung von Konzerten (z. B. Rock am Ring durch MTV), Stipendien oder Tourneen dar (vgl. Schad und Berentzen 2007, S. 261). Sponsoring-Aktionen im sozialen und ökologischen Bereich umfassen z. B. Hilfestellungen gegenüber gemeinnützigen Institutionen (z. B. die Telefonseelsorge durch die Deutsche Telekom), Unterstützung von religiösen Veranstaltungen (z. B. des evangelischen Kirchentages 2007 u. a. durch die KD Bank) sowie die Unterstützung von Ausbildungsstätten (z. B. der Jacobs University of Bremen durch den gleichnamigen Kaffeekonzern). Hierbei wird dem Sponsor Gelegenheit gegeben, die gesellschafts- und sozialpolitische Verantwortung des Unternehmens in der Öffentlichkeit zu demonstrieren (vgl. Buchsteiner und Barth 2007, S. 411 ff.). Durch Aktivitäten im Sozialsponsoring kann eine Corporate Social Responsibility (CSR) (vgl. Loew et al. 2004, S. 18 ff.) zum Ausdruck gebracht werden. Dies zeigt sich auch in den Ergebnissen des Ethical Brand Monitors. Dieser ermittelte im Rahmen einer repräsentativen Online-Befragung von 5.028 Verbrauchern einen direkten Zusammenhang zwischen dem Erfolg von Marken und ethischen Faktoren (vgl. Dröge und Blumberg 2009, S. 26; Abb. 62). So hat der ethische Wert von Marken einen signifikanten Einfluss auf das Markenimage, speziell im Bereich Vertrauen und emotionaler Nähe. Außerdem werden Marken mit einem höheren ethischen Markenwert von den Nachfragern präferiert (vgl. Dröge und Blumberg 2009, S. 27 f.). Allen Bereichen gemeinsam ist, dass das Sponsoring nicht isoliert eingesetzt werden sollte. Es besteht ansonsten die Gefahr, dass die Wahrnehmungsgrenze der Nachfrager durch die Sponsoringaktivitäten nicht übersprungen wird und somit die Kommunikationswirkung verpufft (vgl. Klewenhagen 2001, S. 16). Stattdessen sollte eine enge Vernetzung des Sponsorings mit allen anderen Kommunikationsinstrumenten angestrebt werden, um den Kommunikationserfolg zu maximieren (vgl. Burmann und Nitschke 2005b, S. 13 f.). Ein solches Vorgehen ist allerdings kein Garant für eine effektive Kommunikation. Insbesondere das Sponsern von publikumsstarken Events ist kritisch zu bewerten, da sich der zum Event hin zuspitzende Kommunikationswettbewerb nachteilig auf die Effektivi-
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen Die vier Faktoren des ethischen Markenwertes Ökologische Verantwortung
Markenimage
Soziale Verantwortung Markenattribute (Ergebnisse einer Faktorenanalyse unter 5028 Verbrauchern)
Ethical Brand Value (EBV) Unternehmensgrundsätze
Markenpräferenz
Ökonomische Verantwortung
Abb. 62 Vorgehensweise Ethical Brand Monitor (Quelle: Dröge und Blumberg 2009, S. 26)
tät des Sponsoringengagements auswirkt. Eine empirische Überprüfung der Wirkung von Kommunikationsmaßnahmen im Rahmen des Confed-Cups zeigte bei mehr als der Hälfte der Sponsoren keine Wirkung auf die Markenbekanntheit oder das -image (vgl. Nitschke 2006, S. 278 ff.). Auch während der ein Jahr später stattfindenden Fußball-WM konnten trotz des intensiven Einsatzes von Kommunikationsaktivitäten nur drei Sponsoren eine deutliche Bekanntheitssteigerung erzielen (vgl. Sohns 2006, S. 19). Das gleiche Phänomen war vier Jahre später bei der Fußball-WM in Südafrika zu verzeichnen. Dieses Mal ging die Entwicklung jedoch mit deutlich schwächeren Aktivitäten der offiziellen WMSponsoren einher (vgl. Stelmaszyk und Rehm 2010, S. 29 f.). Diese relativ schwachen Wirkungsbefunde stellen gerade vor dem Hintergrund der immensen Kosten für die Sponsoringrechte auch die Effizienz dieses Instrumentes in Frage. Vom Sponsoring klar abzugrenzen ist das Ambushing (vgl. Nufer 2007, S. 209 ff.). Dieses umfasst sämtliche Aktivitäten, mit denen ein Unternehmen versucht, sich mit einem Sponsoring-Objekt, bspw. einem Event, in Verbindung zu bringen, ohne jedoch für die kommunikative Nutzung eine Gegenleistung erbracht zu haben (vgl. Sandler und Shani 1989, S. 10 ff.; Meenaghan 1996, S. 106 ff.). Als ein Beispiel gilt das Unternehmen Volkswagen, das nicht zum offiziellen Sponsorenkreis der Fußball-WM 2010 gehörte. Die im Vorfeld der Weltmeisterschaft geschaltete Werbung „Vorfreude ist im Team am schönsten“ führte dazu, dass Volkswagen dem Kreis der offiziellen WM-Sponsoren zugerechnet wurde. Die Kampagne wurde sogar schon zu Weihnachten 2009 gestartet und profitierte zusätzlich von der starken Zurückhaltung des offiziellen Sponsorenkreises (vgl. Stelmaszyk und Rehm 2010, S. 30).
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Tab. 26 Bewertung des Instrumentes Sponsoring Sponsoring Eigenschaften Reichweite Zeitliche Einsatzmöglichkeiten Gestalterische Möglichkeiten Beeinflussbarkeit der Kommunikationswirkung
Zielsetzung Bekanntheit Einstellung Wettbewerbsprofilierung Kaufabsicht
Feedbackmöglichkeiten Kosten
Wiederkaufabsicht Information Emotion
hoch
mittel niedrig
Aktualität gute Eignung mittel schlechte Eignung
Auch im Sponsoring führt die Entwicklung von Social Media zu neuen Möglichkeiten. Speziell durch die Nutzung von Communitys und sozialen Netzwerken kann ein umfassenderer und interaktiverer Sponsoring-Ansatz gewählt werden. So lässt sich durch die Präsenz in Communitys und Netzwerken direktes Feedback auf die Wahrnehmung der Sponsoringaktivitäten einholen. Zudem kann direkt auf dieses Feedback reagiert werden (für eine ausführliche Diskussion von Social Media: siehe Abschn. 4.3.2). Zusammenfassend zeigt Tab. 26 die Bewertung des Instrumentes Sponsoring.
4.10 Product-Placement
I Product-Placement Unter Product-Placement wird die gezielte Darstel-
lung eines Kommunikationsobjektes als dramaturgischer Bestandteil einer Video- oder Filmproduktion gegen finanzielle oder sachliche Zuwendungen verstanden (vgl. Bruhn 2015, S. 371).
In den letzten Jahren hat das Product-Placement größere Verbreitung gefunden. Als Ausweichreaktion auf die gestiegene Informationsüberlastung hat sich das ProductPlacement auf verschiedene Medien ausgebreitet. Neben Filmen werden insbesondere Musikvideos und Videospiele als Darstellungsrahmen der Marke genutzt. Im Rahmen des In-Game-Advertising wird den Videospielen ein gesonderter Abschnitt gewidmet (vgl. Abschn. 4.11). Dies macht eine Klassifizierung sinnvoll, um die verschiedenen Formen des Product-Placements zu beschreiben (vgl. Tab. 27). Vorteil des Product-Placements ist die Präsentation einer Marke, ohne dass der Nachfrager die kommunikative Beeinflussung bewusst wahrnimmt. Dies erhöht die Authentizität (Echtheit) des Markenauftrittes und verbessert damit die Kommunikationswirkung.
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Tab. 27 Klassifizierung des Product-Placements (Quelle: In Anlehnung an Vergossen 2004, S. 294 f.; Homburg 2016, S. 843) Unterscheidungsmerkmal Art des Produkts
Einsatzmedium
Integrationsgrad
Art der Informationsvermittlung
Formen des ProductBeschreibung Placements Product-Placement i. e. S. Platzierung von Markenartikeln Corporate-Placement
Platzierung von Unternehmen
Generic Placement
Platzierung unmarkierter Produkte
Innovation-Placement
Platzierung eines neuen Produktes
Location-Placement Movie-Placement
Platzierung eines Ortes Einbettung in die Handlung von Filmen
Game-Placement
Einbettung in die Handlung von Videospielen
Music-Placement On-Set-Placement
Einbettung in die Handlung von Musikvideos Kein direkter Bezug zwischen Placement und Handlung
Creative Placement
Direkte Einbindung in die Handlung
Image-Placement Visuelles Placement
Produkt steht thematisch im Mittelpunkt Übermittlung der Information über Bilder
Verbales Placement
Übermittlung der Information über Text oder Ton
Kombiniertes Placement
Kombinierte Übermittlung via Bild, Text und Ton Hauptdarsteller nimmt Bezug auf das Placement
Endorsed Placement Grad der Anbindung an den Sub-Placement Hauptdarsteller
Hauptdarsteller und Placement stehen in keinem direkten Bezug
Authentizität wird in diesem Zusammenhang verstanden als die empfundene Wahrhaftigkeit des proklamierten Markennutzens und umfasst die ursprungsorientierte Echtheit und die handlungsorientierte Ehrlichkeit einer Marke (vgl. Burmann und Schallehn 2008, S. 44 f.). Wichtig ist dabei jedoch, dass die Handlungssituation, in der die Marke präsentiert wird, zu ihr passt. Eine hohe Authentizität steigert die Glaubwürdigkeit, baut Vertrauen auf und erhöht die Akzeptanz und Wertschätzung einer Marke. Sie wird durch die wahrgenommene Kontinuität, Konsistenz und Individualität des Markennutzenversprechens determiniert und bezeichnet letztlich die Dominanz identitätsbezogener (vs. umweltbezogener) Handlungsverursachung (vgl. Burmann und Schallehn 2010, S. 24 ff.; Schallehn 2012). Neben der Authentizität sollte die Szenerie des Product-Placements keine unangenehmen Emotionen auslösen. Allerdings birgt der in jüngster Zeit zu beobachtende verstärkte Einsatz des Product-Placements die Gefahr eines Glaubwürdigkeitsverlustes. Jedoch hat eine Studie ermittelt, dass Product-Placements in erfolgreichen Filmen einen positiven Effekt auf das werbende Unternehmen haben. So erzielen die Aktien von Unternehmen, welche Product-Placements in erfolgreichen Kinofilmen platziert haben,
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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eine Rendite, welche signifikant größer ist, als bei vergleichbaren Unternehmen, welche nicht mit Product-Placements geworben haben (vgl. Wiles und Danielova 2009, S. 53 ff.). Die Entwicklung von Social Media trägt ebenfalls zu einer positiven Entwicklung von Product-Placements bei. So existieren eine Vielzahl von VideoCommunitys (z. B. YouTube). Auf diesen sind Trailer von Kinofilmen, Ausschnitte aus Filmen und Fernsehsendungen und z. T. auch komplette Filme zu sehen. Dies erhöht zum einen die Verbreitung von Product-Placements, und zum anderen ermöglichen die Communitys eine Interaktion mit den Rezipienten und der Rezipienten untereinander (vgl. Bruhn 2015, S. 371; für eine ausführliche Diskussion von Social Media: siehe Abschn. 4.3.2). Am 19. Dezember 2007 ist die EU-Richtlinie 2007/65/EG über audiovisuelle Mediendienste in Kraft getreten. Die kodifizierte Fassung 2010/13/EU vom 15.04.2010 enthält darüber hinaus Informationen zur Koordination bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste. Die Neuerung untersagt zwar weiterhin das Product-Placement, jedoch ist der Katalog an Ausnahmen sehr lang. Dies führt zu einer faktischen Aufhebung des Verbotes von ProductPlacements, da speziell private Fernsehsender diese nun in aller Ausführlichkeit zulassen dürfen. Ein Komplettverbot gilt lediglich für Kinderprogramme und Nachrichtensendungen. Erlaubt ist Product-Placement im Rahmen der Richtlinie offiziell in Kinofilmen, auf deren Entstehen die Sender keinen Einfluss haben, ebenso in eigenproduzierten Filmen, Serien, Sportsendungen und Sendungen „der leichten Unterhaltung“. Diese Kategorien umfassen einen Großteil des Programmes der privaten Fernsehsender (für eine ausführliche Diskussion der Richtlinie: vgl. Müller-Rüster 2010, S. 85 ff.; Leitgeb 2010). Zusammenfassend findet sich eine Bewertung des Product-Placements in Tab. 28.
Tab. 28 Bewertung des Instrumentes Product-Placement Product-Placement Eigenschaften Reichweite Zeitliche Einsatzmöglichkeiten Gestalterische Möglichkeiten Beeinflussbarkeit der Kommunikationswirkung Feedbackmöglichkeiten Kosten hoch
mittel niedrig
Zielsetzung Bekanntheit Einstellung Wettbewerbsprofilierung Kaufabsicht Wiederkaufabsicht Information Emotion Aktualität gute Eignung te Eignung
mittel schlech-
780
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
4.11 In-Game Advertising Werbung in Spielen zu platzieren kommt in der modernen, technisch orientierten Welt eine wachsende Bedeutung zu. In drei Viertel aller deutschen Haushalte befindet sich mindestens ein Computer (vgl. Statistisches Bundesamt 2010). Besonders junge Menschen spielen in ihrer Freizeit viel am Computer oder an einer Spielekonsole. Allein von den 12- bis 19-Jährigen spielen 42 % mehrmals pro Woche alleine oder mit anderen Mitspielern über den Computer oder eine Konsole Computerspiele (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2012, S. 47).
I In-Game Advertising In-Game Advertising beschreibt die geplante, syste-
matische und dem Spieleentwickler vergütete Integration von aus der Realität bekannten werblichen Maßnahmen in die Virtualität von Video- und Computerspielen, mit denen die Kommunikationsziele des Unternehmens erreicht werden sollen (vgl. Gaca 2007, S. 4).
Um Werbung in ein Spiel einzubringen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine Marke kann u. a. durch Bilder, akustische Signale oder Videos auf sich aufmerksam machen. Die Steuerung des Spieles durch den Anwender ermöglicht allerdings weitere Dimensionen: Der Nutzer kann z. B. in einigen Spielen mit Gegenständen der Marke interagieren (vgl. Müller 2011, S. 13 ff.). Beispiele hierfür sind der Kauf von Adidas Sportschuhen im Online-Spiel Second Life oder die Nutzung einer Red-Bull-Getränkedose als Wurfgranate im Computerspiel Worms 3D. Diese Form der Kommunikation lässt sich nur schwerlich anderen Instrumenten, wie z. B. der klassischen Werbung, Direktkommunikation, digitalen Kommunikation oder Product-Placement zuordnen (vgl. Müller 2011, S. 18 ff.). Ein Grund hierfür ist die Vielfalt an Spielen sowie Systemen, auf denen die Spiele laufen. Zum Beispiel gibt es OnlineSpiele und Offline-Spiele, in denen geworben werden kann. Im Weiteren sind einfache Visualisierungen als Werbeträger und Interaktionen mit komplexen Gegenständen möglich. Letztere erfordern einen deutlich höheren Integrationsgrad in das Spiel. Dies erfordert ebenfalls eine intensivere Kooperation und Koordination des Spieleherstellers mit dem werbetreibenden Unternehmen. Aufgrund der schweren Zuordnung zu einem bereits existierenden Kommunikationsinstrument, wird das In-Game Advertising als eigenständiges Instrument definiert (vgl. Thomas und Stammermann 2007, S. 11). In-Game Advertising kann folgendermaßen systematisiert werden (vgl. Thomas und Stammermann 2007, S. 53 ff.): Adgames, statisches In-Game Advertising und dynamisches In-Game Advertising.
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
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Der Begriff Adgame bezeichnet Werbespiele, die im Internet heruntergeladen, auf CD angeboten oder direkt auf der Internetseite gespielt werden können. Adgames werden meist als Kooperation zwischen einer Marke und einem Spielehersteller praktiziert. Merkmale von Adgames sind, dass sie einfach programmiert, originell, unterhaltsam und kostenlos sind. Die Präsenz der Marke steht hierbei im Vordergrund (vgl. Thomas und Stammermann 2007, S. 53 ff.; Oehler 2005, S. 5). Vorteil dieser Art der Werbung für eine Marke ist, dass sie leicht und relativ günstig realisiert werden können, da die Spiele selbst i. d. R. bereits programmiert sind und nur noch die jeweilige Marke eingebunden werden muss (vgl. Adgamez 2010). Fraglich ist jedoch, ob die Marke bei der Zielperson einen positiven Effekt erzielt. Aufgrund ihrer einfachen Programmierung kann z. B. der anspruchsvolle Nutzer bei einem negativen Spielerlebnis auch eine negative Assoziation mit der Marke entwickeln. Außerdem kann alles, was in das Spiel integriert wurde, im Nachhinein nicht mehr entfernt werden (vgl. Müller 2011, S. 14 f.). Bei statischem In-Game Advertising wird die Marke in ein Spiel integriert, die Handlungsalternativen sind allerdings eingeschränkt, da das Spiel bereits durch die vorangegangene Programmierung beendet wurde und somit nicht mehr beeinflusst werden kann. Bei statischer In-Game Werbung werden die Werbemittel demnach fest in ein Computer- oder Konsolenspiel integriert und verbleiben dort für die komplette Nutzungsdauer des Spieles. Beispiele hierfür sind Automarken in Autorennspielen (z. B. in den Spielen der Need for Speed-Serie) oder Bandenwerbung in Fußballsimulationen (z. B. Fußball-Manager Anstoß 2005). In manchen Spielen geht die Kommunikation so weit, dass die Marke der Spielumgebung hilft, realer zu wirken (vgl. Thomas und Stammermann 2007, S. 57 f.). Neben der Tatsache, dass statische In-Game Werbung eher bei deutlich aufwendigeren Spielen eingesetzt wird, lässt sich eine weitere Abgrenzung zum Adgame dadurch charakterisieren, dass letzteres speziell zur Werbung für eine Marke gedacht ist. Beim statischen In-Game Advertising können mehrere Marken in ein Spiel integriert werden. In Autorennsimulationen werden bspw. meist verschiedene Automarken zur Verfügung gestellt (vgl. Müller 2011, S. 13 ff.). Neben exakten Details der Automodelle wird teilweise sogar das Fahrverhalten bei der Programmierung berücksichtigt. Dies verleiht der Simulation die größtmögliche Authentizität (vgl. Thomas und Stammermann 2007, S. 53 ff.). Nachteil bei der statischen In-Game Werbung ist das Problem der Planungssicherheit. Die Spiele benötigen lange Programmierphasen, und die Marken müssen sicher sein, dass sie die richtigen Inhalte auch in einigen Monaten noch in der gleichen Form transportieren möchten. Ein Entfernen der Werbebotschaften ist im Nachhinein nicht mehr möglich. Der wesentliche Vorteil liegt bei einem hochwertigen Spiel in der Verbundenheit mit der Marke, welche der Nutzer im Idealfall erlangt. Der Nutzer lernt hierbei die Marken auf einem hohen Niveau der Programmierung kennen. Die Marke erweitert lediglich die Möglichkeiten des Spieles, weshalb eine negative Assoziation des Nutzers mit der Marke bei guter Umsetzung des Spieles unwahrscheinlich ist. Außerdem hat sich der Anwender
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
durch den Kauf des Spieles bereits bewusst für den Erwerb der darin enthaltenen Inhalte entschieden. Dynamisches In-Game Advertising kann als die Einbringung von Werbung in Online-Spielewelten angesehen werden. Diese Online-Welten erfreuen sich dank der technischen Entwicklung wachsender Beliebtheit bei den Gamern (vgl. Bitkom 2009). Online-Spiele bieten für Werbende völlig neue Möglichkeiten. Häufig werden Welten erschaffen, die von sehr vielen Anwendern genutzt werden. Dort können dann alle denkbaren Marken eingebracht werden und (unter-)bewusst wirken. Es können bspw. klassische Werbeinstrumente, wie z. B. Plakate an Wänden oder Litfaßsäulen, im Rahmen einer digitalen Online-Out-of-Home-Kommunikation integriert und auch wieder entfernt werden. Diese Möglichkeiten führen zu einer Annäherung der virtuellen Realität an die wirkliche Welt. Eine weitere Kategorie besteht im In-World Advertising. Diese umfasst die Werbung im Rahmen von virtuellen Welten wie z. B. Second Life (vgl. Müller 2011, S. 15). Der Charakter des In-World Advertising ist jedoch analog zum dynamischen InGame Advertising und wird daher nicht gesondert diskutiert. Tab. 29 fasst die Instrumente im Rahmen des In-Game Advertising zusammen. Nach einer Metaanalyse von Müller (2011) sind fünf wesentliche Erfolgsfaktoren von In-Game Advertising zu berücksichtigen: der Integrationsgrad, die Prominenz der Darstellung, der Fit zwischen der Marke und dem Spiel, die Authentizität der Markeneinbindung und die Markenbekanntheit (vgl. Müller 2011, S. 38 ff.). Der Integrationsgrad der Werbemaßnahme bestimmt die Tiefe, in der die Werbung für eine Marke in den intendierten Spielverlauf integriert wird. Hierbei kann es sich um periphere Werbung, wie z. B. ein digitales Plakat am Streckenrand eines Rennspieles, oder Objekte, wie z. B. Getränkeautomaten handeln, die für den eigentlichen Verlauf der Handlung keine Rolle spielen (vgl. Edery 2008, S. 5). Darüber hinaus spielt Product-Placement eine wichtige Rolle, wenn z. B. die virtuellen Ebenbilder real existierender Fahrzeuge in einem Rennspiel, wie z. B. in der Need for Speed-Reihe, verwendet werden können (zur ausführlichen Diskussion von Product-Placement siehe Abschn. 4.10). Die Prominenz der Darstellung beschreibt in erster Linie die Qualität und Sichtbarkeit von platzierter Werbung in Spielen. Die Marken werden hierbei häufiger erinnert, wenn sie groß, zentral und in der Handlung eingebunden platziert werden (vgl. Thomas und Stammermann 2007, S. 144). Der Fit zwischen der Marke und dem Spiel als wahrgenommene Kongruenz zwischen einer Marke und einem weiteren Imageobjekt wird ebenfalls im Sponsoring und im Event-Marketing als Determinante des Werbewirkungserfolges berücksichtigt (vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 4.9 und 8.4.8). Analog hierzu lässt sich im In-Game Advertising der Fit zwischen der Marke und Werbemaßnahmen in Spielen im Allgemeinen und einem konkreten Video- oder Computerspiel im Speziellen unterscheiden (vgl. Müller 2011, S. 43). Die Authentizität der Markeneinbindung gibt an, wie realistisch die Werbung für eine Marke in einem Spiel ist. Authentizität wird in diesem Zusammenhang verstanden als die empfundene Wahrhaftigkeit des proklamierten Markennutzens und umfasst die
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
783
Tab. 29 Instrumente des In-Game Advertising Instrument
Adgames
Beschreibung Einfach programmierte, kostenlose Werbespiele Vorteile Einfach zu realisieren Relativ günstig
Statisches In-Game Advertising Integration statischer Werbung in Computerspiele Hohes Spiel- und Programmierniveau Gute Möglichkeit der gezielten Einbringung von Werbebotschaften
Dynamisches In-Game Advertising Integration dynamischer Werbung in Computerspiele Hohes Spiel- und Programmierniveau Gute Möglichkeit der gezielten Einbringung von Werbebotschaften Sehr große Gestaltungsmöglichkeiten
Nachteile
Beispiele
Mögliche negative Botschaft der Werbung Assoziation zur Marke kann nicht verändert werden Botschaft der Werbung Mittel- bis langfristige Kooperation mit kann nicht verändert Spielehersteller nötig werden
Veränderbarkeit der Werbebotschaft Mittel- bis langfristige Kooperation mit Spielehersteller nötig Hohe Komplexität in der kontinuierlichen Koordination aller Maßnahmen
Niedriges Spiel- und Programmierniveau Johnnie Walkers Moorhuhn Jagd
Online-Spielewelten (z. B. Warcraft)
Autorennspiele (z. B. Need for Speed)
Second Life
ursprungsorientierte Echtheit und die handlungsorientierte Ehrlichkeit einer Marke (vgl. Burmann und Schallehn 2008, S. 44 f.; Schallehn 2012). Wichtig ist hierbei jedoch die Abgrenzung zum Fit der Marke. Während eine authentische Einbindung von Marken in erster Linie darauf abzielt, Werbung innerhalb einer Spielszenerie passend darzustellen, um eine generelle Akzeptanz von Werbung zu gewährleisten, wird mittels eines hohen Fits zwischen Marke und Spiel versucht, positive Assoziationen vom Spielerlebnis auf die Marke zu übertragen (vgl. Müller 2011, S. 48). In Bezug auf die Markenbekanntheit als Fähigkeit der Nachfrager, sich an Marken zu erinnern, werden im Kontext von In-Game Advertising unterschiedliche Hypothesen vertreten. Eine Studie von Nelson et al. (2006) bekräftigt jedoch die Hypothese, dass sich bekannte Marken besser für Werbemaßnahmen in Spielen eignen. Diese wurden bei der Ermittlung von Erinnerungswerten von Werbeplakaten am Streckenrand von Rennspielen fast doppelt so häufig erinnert als unbekannte bzw. fiktive Marken (vgl. Nelson et al. 2006, S. 93). Was In-Game Advertising letztlich im Besonderen charakterisiert und gegenüber klassischer Werbung abgrenzt, ist die Tatsache, dass der relevanten Zielgruppe durch die
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Tab. 30 Bewertung des Instrumentes In-Game Advertising In-Game Advertising Klassifizierung Eigenschaften Reichweite Kosten Feedbackmöglichkeiten Gestalterische Möglichkeiten Beeinflussbarkeit der Kommunikationswirkung Zeitliche Einsatzmöglichkeiten hoch mittel niedrig
Zielsetzung Bekanntheit Einstellung Wettbewerbsprofilierung Kaufabsicht Wiederkauf Information Emotion Aktualität gute Eignung nung
mittel schlechte Eig-
Werbung ein direkter Mehrwert geboten werden kann. Der Unterhaltungswert eines Rennspieles kann z. B. durch die Verwendung realitätsnaher Fahrzeugmarken (z. B. Porsche 911) maßgeblich gesteigert werden und trägt zusätzlich zu einer hohen Akzeptanz der Werbemaßnahme bei (vgl. Müller 2011, S. 59). Eine zusammenfassende Bewertung des In-Game Advertising kann Tab. 30 entnommen werden.
4.12
Guerilla-Marketing
Ein Kommunikationsinstrument, das sich sehr auffälliger Ausgestaltungsformen bedient, ist das Guerilla-Marketing. Die fortwährend sinkende Effizienz klassischer Kommunikationsinstrumente lässt Maßnahmen, die diesem Instrument zugeordnet werden, immer wichtiger erscheinen (vgl. Hutter und Hoffmann 2013, S. 5). Guerilla-Marketing gehört zu den Instrumenten der „below the line“-Kommunikation und lässt sich dadurch von den klassischen Werbemaßnahmen abgrenzen (vgl. hierzu „Verteilung des Kommunikationsbudgets“ Abschn. 4).
I Guerilla-Marketing „Guerilla-Marketing umfasst verschiedene kommunikati-
onspolitische Instrumente, die darauf abzielen, mit vergleichsweise geringen Kosten bei einer möglichst großen Anzahl von Personen einen Überraschungseffekt zu erreichen, um so einen sehr hohen Guerilla-Effekt (Verhältnis von Werbenutzen und -kosten) zu erzielen“ (Hutter und Hoffmann 2011, S. 124).
Mit dem Guerilla-Marketing versuchen Werbende unter Zuhilfenahme von unkonventionellen oder spektakulären Maßnahmen besonders „aufzufallen“ und sich so von den
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Verteilung des Kommunikationsbudgets
785
Marketingaktivitäten der Konkurrenz zu differenzieren. Ferner ist ein zentraler Bestandteil von Guerilla-Marketing die Erzeugung von Mundpropaganda bei Nachfragern und Medien (vgl. Schulte 2007, S. 17; Krieger 2012, S. 15). Dem Guerilla-Ansatz werden verschiedene Instrumente mit unterschiedlichen Wirkprinzipien zugeordnet. Grundsätzlich kann zwischen Moskito-, Ambush-, Sensation-, Ambient-, Buzz- und Viral-Marketing differenziert werden. Bei Maßnahmen des Moskito- und Ambush-Marketing werden die Schwächen anderer Marktteilnehmer gesucht und für die eigene Werbebotschaft ausgenutzt. Diese Eigenschaft macht Moskito- und Ambush-Marketing vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen interessant. Darauf aufbauend wird das eigene Konzept entsprechend angepasst und die identifizierte Lücke besetzt. Während Moskito-Marketing die Lücke im Marketingkonzept der Konkurrenz nutzt, stellt Ambush-Marketing eine Ausgestaltungsform dar, bei der öffentlichkeitswirksame Großveranstaltungen zu Werbezwecken genutzt werden, ohne offiziell als Sponsor aufzutreten (vgl. Hutter und Hoffmann 2013, S. 24 f.). Beispielhaft lässt sich hier die Marke „Bavaria“ anführen, die u. a. im Rahmen der FIFAWM 2010 durch Ambush-Marketing aufgefallen ist. Während der Begegnung der Niederlande gegen Dänemark wurden 35 Models in Minikleidern der Biermarke auf den Rängen platziert (vgl. Abb. 63). Die FIFA, darauf bedacht die offiziellen Sponsoren zu schützen, erkannte den Hintergrund der Aktion und verwies die gesamte Gruppe des Stadions und ließ die vermeintlichen Anführerinnen festnehmen. Insbesondere die Reaktion der FIFA, so auch das Kalkül des Bierherstellers, führte zu einer enormen medialen Aufmerksamkeit und damit letztendlich zum Erfolg der Maßnahme (vgl. Fritsch 2010). Maßnahmen des Ambient- und Sensation-Marketing finden sich im direkten Lebensumfeld der Zielgruppe und lösen aufgrund ihrer ungewöhnlichen räumlichen Positionierung einen Überraschungseffekt aus (vgl. Abschn. 4.2.4). Beim Sensation-Marketing ist es das Ziel, die Zielgruppe durch unerwartete Inszenierungen auf öffentlichen Plätzen zu überraschen. Durch das Auslösen eines „Wow“-Effektes soll die Werbebotschaft
Abb. 63 Ambush-Marketing der Marke „Bavaria“ während der FIFA-WM 2010 (Quelle: Bauer et al. 2012, S. 172)
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
langfristig im Gedächtnis der Empfänger verankert werden. Dieser Effekt führt in vielen Fällen ebenfalls dazu, dass die Empfänger die Aktion eigenständig verbreiten und so virale Effekte auslösen. Sensation-Marketing unterscheidet sich vom Ambient-Marketing im Wesentlichen durch die zeitliche Dauer der Maßnahme. So bestehen Ambient-Medien für gewöhnlich über einen längeren Zeitraum, während Sensation-Aktionen durch ihre Abhängigkeit vom Überraschungseffekt nur einmalig durchgeführt werden können (vgl. Hutter und Hoffmann 2013, S. 26 f.). Dass sich Aktionen des Guerilla-Marketing nicht nur eignen, um Überraschungseffekte auszulösen, zeigen die Kampagnen der Marke „Mini“. Neben dem Überraschungseffekt transportieren die Aktionen dieser Marke die zentralen Bestandteile der Markenidentität von „Mini“. So wird dem Rezipienten i. d. R. vor Augen geführt, wie klein, „niedlich“ und billig ein Auto dieser Marke ist. Sind Maßnahmen hingegen darauf ausgerichtet, dass Kunden oder andere Stakeholder die Werbebotschaft verbreiten, werden sie dem Viral- und Buzz-Marketing zugeordnet (vgl. Solomon et al. 2015, S. 469 ff.). Botschaften, die ein Rezipient von einem Bekannten empfängt, werden als besonders glaubwürdig eingestuft, was eine bedeutende Stärke dieser Variante ist. Auf den Gegenstand von „viralen Effekten“ wurde bereits in diesem Lehrbuch eingegangen (vgl. Abschn. 4.3.2), weshalb nachfolgend die Konzentration auf dem Buzz-Marketing liegt. Hier agieren sogenannte Buzz-Agents als Werbeträger und überzeugen andere Nachfrager von den Eigenschaften eines Produktes oder einer Marke. Die Tatsache, dass jemand tatsächlich ein Buzz-Agent ist und für sein Engagement ggf. vergütet wird, ist dem Empfänger der Werbebotschaft für gewöhnlich nicht bekannt (vgl. Hutter und Hoffmann 2013, S. 29 f.). Eine besondere Verstärkung erfährt das BuzzMarketing durch die Nutzung sozialer Medien im Internet, wodurch sehr viele Nachfrager angesprochen werden können (vgl. Abschn. 4.3.2). Damit weisen Buzz-Agents viele Gemeinsamkeiten zu Influencern auf (vgl. Abschn. 4.3.2), die ebenfalls durch die starke Vernetzung von Nachfragern zunehmend an Bedeutung gewinnen. Als besonders relevante Zielgruppe sind hier vor allem die Digital
Tab. 31 Bewertung des Instrumentes Guerilla-Marketing Guerilla-Marketing Eigenschaften Reichweite Zeitliche Einsatzmöglichkeiten Gestalterische Möglichkeiten Beeinflussbarkeit der Kommunikationswirkung
Zielsetzung Bekanntheit Einstellung Wettbewerbsprofilierung Kaufabsicht
Feedbackmöglichkeiten Kosten
Wiederkaufabsicht Information Emotion
hoch
mittel niedrig
Aktualität gute Eignung mittel schlechte Eignung
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Mediaplanung
787
Natives hervorzuheben, die weniger Akzeptanz gegenüber klassischen Kommunikationsmaßnahmen zeigen und vielmehr über soziale Medien zu erreichen sind. Ein deutlicher Unterschied zu Buzz-Agents liegt hingegen darin, dass Influencer die Kooperation mit einem Werbepartner in ihren Beiträgen kenntlich machen müssen und somit für den Nachfrager eine dahinterliegende Vergütung offensichtlich wird (vgl. Granados 2017, S. 5 ff.). Tab. 31 fasst die Bewertung des Guerilla-Marketing abschließend zusammen.
5 Mediaplanung Nachdem das Kommunikationsbudget als Ganzes festgelegt und ebenfalls im zweiten Schritt auf die Kommunikationsinstrumente verteilt wurde, gilt es, dieses auf Werbeträgergruppen und Werbeträger (das Medium, welches im wörtlichen Sinne die Botschaft
Marketing-Mix Produktpolitik
Preispolitik
Distributionspolitik
Kommunikationspolitik Klassische Werbung Out-of-Home Digitale Kommunikation Direktkommunikation Public Relations Verkaufsförderung Messen und Ausstellungen Event Marketing Sponsoring Product Placement In-Game Advertising Guerilla-Marketing
Abb. 64 Anwendungsfelder der Mediaplanung (Quelle: In enger Anlehnung an Unger 2006, S. 738)
788
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
„trägt“) zu verteilen (vgl. Bruhn 2015, S. 267 ff.). Hierzu dienen die Mediaplanung und der damit zusammenhängende Mediaplanungsprozess. Mediaplanung ist von Bedeutung, sobald Sendezeiten, wie z. B. im TV, Hörfunk oder Kino, bzw. Flächen, wie z. B. in Zeitschriften, auf Plakaten, weiteren Druckmedien und auf Internetseiten, gegen Bezahlung gebucht werden, um dort Botschaften zu platzieren (vgl. Unger 2006, S. 738). Primär betrifft dies das Kommunikationsinstrument der klassischen Werbung und Outof-Home, auf welche sich die weiteren Ausführungen im Wesentlichen beziehen werden. Weitere Anwendungsfelder sind in der digitalen Kommunikation, im Bereich Public Relations, der Verkaufsförderung und im Sponsoring zu finden. Abb. 64 gibt einen Überblick über die Anwendungsfelder der Mediaplanung im Rahmen des operativen Marketing-Mix.
5.1
Definition und Begriffsabgrenzung
Neben dem Begriff der Mediaplanung ist in der Literatur ebenfalls der Begriff der Streuplanung verbreitet (vgl. u. a. Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 344 ff.). Die Mediaplanung bzw. Streuplanung bezeichnet in diesem Zusammenhang eine (Teil-)Aufgabe der zielgruppenspezifischen Auswahl optimaler Werbeträgergruppen und Werbeträger zur Übermittlung von Werbebotschaften (vgl. Hofsäss und Engel 2003, S. 25). Sie befasst sich mit der Frage der optimalen Allokation eines gegebenen Kommunikationsbudgets. Neben der Verteilung des Budgets auf Werbeträgergruppen und Werbeträger gilt es ebenfalls, die zeitliche und regionale Verteilung festzulegen. Im Rahmen des Abschnittes wird die Mediaplanung demnach wie folgt definiert: I Mediaplanung Die Mediaplanung, oder auch Streuplanung, befasst sich
im Rahmen der Allokation eines gegebenen Kommunikationsbudgets mit der zielgruppenspezifisch, zeitlich und regional optimalen Auswahl von Werbeträgergruppen und Werbeträgern zur Übermittlung von Werbebotschaften.
Ergebnis der Mediaplanung ist der Mediaplan, in dem die Belegung einzelner Werbeträgergruppen und Werbeträger in festgelegten Zeitintervallen schriftlich festgehalten wird (vgl. Bruhn 2015, S. 353 f.). Der Mediaplanungsprozess beschreibt hierbei den prozessualen Ablauf zur Ermittlung eines Mediaplanes.
5.2
Der Mediaplanungsprozess
Der Mediaplanungsprozess umfasst die detaillierte prozessuale Abfolge einzelner Schritte zur Planung der optimalen Auswahl von Werbeträgergruppen und Werbeträgern für den Werbemitteleinsatz. Im Einzelnen umfasst dies die Aufgabe,
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Mediaplanung
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mit einem bestimmten Budget (Media-Budget) die richtigen Zielpersonen (Media-Zielgruppe und Reichweite) zielgerecht (Kommunikationsziel) zum richtigen Zeitpunkt (z. B. vor dem Einkaufen) im richtigen Zeitraum (zeitliche Schwerpunktsetzung) in einem bestimmten Gebiet (regionaler Werbedruck) mit den relevanten Medien (Selektion Werbeträgergruppen) genügend oft (Kontakthäufigkeit) mit einer bestimmten Botschaft (Kommunikationsangebot) so effektiv (Werbewirkung) und so kostengünstig wie möglich (Kosten-Leistungs-Verhältnis) anzusprechen (vgl. Hofsäss und Engel 2003, S. 154). Daraus leitet sich der Mediaplanungsprozess ab, welcher im Detail in den Abschn. 5.2.1 bis 5.2.5 diskutiert wird. Er besteht aus der Situationsanalyse, den Mediazielen und -zielgruppen, dem Media-Briefing, dem Mediabudget und der Media-Detail-Planung. Abb. 65 fasst den Mediaplanungs-
Situationsanalyse
Mediaziele und -zielgruppen
Media-Briefing
Mediabudget
Verteilung auf Werbeträger und Werbeträgergruppen
Zeitliche und geographische Verteilung
Modelle zur Entscheidungsunterstützung
Media-Detail-Planung
Abb. 65 Mediaplanungsprozess
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
prozess zusammen (in Anlehnung an Unger et al. 2013, S. 3; Hofsäss und Engel 2003, S. 154 f.).
5.2.1 Situationsanalyse Die Situationsanalyse ist eine elementare Voraussetzung eines jeden Planungsprozesses, so auch des Mediaplanungsprozesses. Sie umfasst die Untersuchung aktuell bestehender Markt- und Konkurrenzverhältnisse (die Diagnosephase) und die Einschätzung und Bewertung zukünftiger Entwicklungen (Prognosephase) im relevanten Marktsegment (vgl. Bruhn 2010, S. 222). Sie lehnt sich an die in Abschn. 2 in Kap. 4 diskutierte strategische Situationsanalyse im Marketing an. Die zentralen Analyseobjekte im Rahmen der Situationsanalyse sind das Unternehmen, der relevante Markt, die Gesellschaft und das zu bestimmende Werbeobjekt (vgl. Unger et al. 2013, S. 2). Wichtig in der Situationsanalyse ist das Herunterbrechen der Analyseobjekte auf die Belange der Mediaplanung. Die Analyse des Unternehmens folgt analog zu den Ausführungen in Abschn. 2.2 in Kap. 4 einer Ressourcenanalyse. Es wird ein Stärken-Schwächen-Profil des betrachteten Analyseobjektes erstellt. Hierzu zählen die Kostenstrukturen im Rahmen des aktuellen Media-Mix, die Finanzkraft im Vergleich zum Wettbewerber und ebenfalls die bestehenden Kontrakte mit externen Dienstleistern wie Werbe- und Mediaagenturen. Der interne Prozess der Mediaplanung wird demnach hinsichtlich seiner organisationalen Ausgestaltung auf logische Stringenz und Effizienz hin analysiert (vgl. Bruhn 2013, S. 315 ff.). Im Rahmen der Marktsituation werden zumeist Daten zu ökonomischen Marktentwicklungen, wie z. B. Absatz- und Umsatzzahlen ermittelt. Falls diese nicht direkt vom Unternehmen bereitgestellt werden können, werden die Daten über externe Dienstleister, z. B. Marktforschungsinstitute wie GfK und Nielsen, beschafft. Diese betreiben Verbraucher- und Handelspanels, aus denen sie die relevanten Daten beschaffen können. Es ist ebenfalls wichtig, sich mit dem Werbemarkt im Speziellen zu befassen. Hierbei dienen Analysen der aktuellen Werbeaufwendungen ebenso einem verbesserten Überblick wie die Analyse des aktuellen Werbedruckes und der Werbewirkung. Spezifische MarktMedia-Studien, wie z. B. die Stern MarkenProfile, liefern darüber hinaus Informationen, welche die Zusammenhänge zwischen Werbedruck und -wirkung darstellen (vgl. Stern 2007). Auch das Marktforschungsinstitut Nielsen erstellt solch eine Analyse für verschiedene Branchen und individualisiert sie für die auftraggebenden Unternehmen (Nielsen Media Insights). Folgende Fragen können mit der Mediaanalyse beantwortet werden: Welche Auswirkungen haben die Entwicklungen meiner Branche auf Werbung und Kommunikation? Welche neuen Produkte und Services gibt es in meinem Markt? Wie und welche Produkte bewerben meine Wettbewerber? Welche Möglichkeiten bieten neue Medien, um Kunden gezielt zu erreichen? Wie werden international die Möglichkeiten neuer Medien genutzt?
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Mediaplanung
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Abb. 66 zeigt einen Auszug der Nielsen Media Insights Versicherungen. Diese stellt die Verteilung der Mediennutzung auf die Werbeträgergruppen und die Werbeobjekte (die Versicherungen) dar. Im Weiteren gilt es, die zu bewerbenden Objekte zu analysieren. So kann es sich hierbei um einzelne Produktmarken, ein gesamtes Portfolio von Marken oder auch das Unternehmen an sich handeln. Die betrachteten Werbeobjekte beeinflussen in diesem Zusammenhang maßgeblich die Werbestrategie eines Unternehmens und im weiteren Verlauf die Mediaplanung. Hierbei gilt es auch, die Ergebnisse bisheriger Mediaaktivitäten zu analysieren und wie diese aktuell auf die relevanten Werbeobjekte wirken (vgl. Unger et al. 2013, S. 3). Die zentrale Fragestellung der Situationsanalyse ist demnach, welche Zielgruppen momentan zu welchem Preis mit welchen Werbeträgern und Werbeträgergruppen erreicht werden. Diese Analyse gibt zum einen Überblick über die Effektivität der aktuellen Mediaplanung, und zum anderen liefert sie Erkenntnisse hinsichtlich der Effizienz. Diese Mediennutzung Aufwendungen nach Mediengruppe in Prozent, ausgewählte PG, nach Monat 11%
18%
37%
9%
52%
61%
12%
15%
5%
7%
62%
52%
24% 11%
11%
12%
10%
9%
7% 6%
Jan
Feb
Mrz
Apr
11% 7% Mai
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez
Mediennutzung Mediamix in Produktbereichen, in Prozent von Gesamt EUR in Produktbereich Lebensversicherung
2.421.217 EUR Kfz+203,6 % YoY versicherung
1.813.562 EUR Berufsunfähig- 291.844 EUR Alters+27,3 % YoY keitsvers. +418,8 % YoY vorsorge
3.009.168 EUR –58,7 % YoY
3% 5% 15%
5% 21%
17%
5%
7% 11% 9%
6% 8%
8%
27%
4% 78%
78%
72%
Abb. 66 Nielsen Media Insights Versicherungen – Mediennutzung (Quelle: Nielsen 2010)
43%
Zeitungen Zeitschriften Fachzeitschriften TV Radio Plakat Kino Internet Werbesendungen Transport Media At Retail Media
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Erkenntnisse dienen im weiteren Verlauf einer zielgerichteten Planung der Budgetverteilung auf Werbeträgergruppen und Werbeträger (vgl. Bruhn 2015, S. 133 ff.). Die Situationsanalyse vollzieht demnach den Link zur Wirkungsmessung und bezieht diese Daten in den Mediaplanungsprozess mit ein. Die Beschaffung und Analyse der Daten und die konsistente Aufbereitung dieser ist die Kernaufgabe der Situationsanalyse und schafft die Basis für die Aufstellung von Mediazielen zum Erreichen relevanter Mediazielgruppen.
5.2.2 Mediaziele und -zielgruppen Eine wesentliche Aufgabe im Rahmen der Mediaplanung liegt in der Definition der Mediazielgruppe. Diese kann häufig nicht mit der Marketingzielgruppe gleichgesetzt werden. Speziell die Tatsache, dass verschiedene Personen unterschiedlich erreicht werden können, zeigt die Relevanz der Zielgruppendefinition auf (vgl. Unger et al. 2013, S. 26). Die Aufgabe der Mediaplanung liegt letztlich darin, die festgelegte Marketingzielgruppe in eine mehr oder weniger adäquate Mediazielgruppe zu überführen. Die Mediazielgruppe muss über zählbare Merkmale definiert sein und damit eine Operationalisierung für messbaren Erfolg ermöglichen (vgl. Hofsäss und Engel 2003, S. 190). Mediazielgruppen lassen sich auf Basis verschiedener Kriterien definieren. Dies sind zum einen soziodemografische Merkmale, wie das Alter, Geschlecht, Einkommen oder der Familienstand. Darüber hinaus lassen sich ebenfalls psychografische Merkmale zur Zielgruppenbestimmung verwenden. Hierzu zählen u. a. der Lebensstil und Werte. Eine dritte Form der Zielgruppenbestimmung liegt in konsumspezifischen Kriterien begründet. Diese dienen der Beschreibung des vorhandenen Kaufverhaltens als Wesensmerkmal spezifischer Zielgruppen (vgl. Unger 2006, S. 741). Die vierte und letzte Kategorie befasst sich mit typologischen Kriterien. Diese setzt jedoch voraus, dass der relevante Zielgruppentyp bereits im Rahmen einer Markt-Media-Studie ermittelt wurde und aufgrund der Deckungsgleichheit mit den vorliegenden Eigenschaften zugewiesen werden kann (vgl. Hofsäss und Engel 2003, S. 190; Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 334 f.). Folgende Mediazielgruppen können sich beispielhaft auf Basis dieser vier Kriterien ergeben: Soziodemografisch (Alter, Geschlecht, Einkommen, Familienstand: z. B. 45 Jahre, männlich, 50.000 C Jahreseinkommen, verheiratet, 2 Kinder) Psychografisch (Lebensstil, Werte: z. B. Hedonist) Konsumspezifisch (Beschreibung des Käuferverhaltens: z. B. hochwertige Verarbeitung der Produkte kaufentscheidend) Typologisch (z. B. der trendorientierte Modefan) Eine sehr detaillierte Darstellung der Zielgruppen ermöglichen die Personenmerkmale der Allensbacher Werbeträgeranalyse. Neben soziodemografischen Merkmalen werden verschiedenste Facetten des täglichen Lebens in spezifischen Kategorien abgebildet. Mithilfe der Cluster können die Persönlichkeitseigenschaften der Nachfrager kategorisiert werden. Bspw. kann hierbei ein politisch liberaler Bankkaufmann, welcher sich für alt-
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griechische Literatur und Computerspiele interessiert, seine Altersvorsorge vornehmlich selbst organisiert und sich in seiner Freizeit mit Joggen fit hält, eingeordnet werden. Abb. 67 gibt einen Überblick über die verschiedenen Kategorien, nach denen die relevanten Informationen im Rahmen der Analyse geclustert werden können (vgl. AWA 2017). Auf Basis der relevanten Zielgruppen lassen sich die Mediaziele bestimmen. Mediaziele sind abgeleitete Zielsetzungen. Sie resultieren aus den bereits festgelegten Kommunikationszielen (vgl. Abschn. 1). Mediaziele beantworten in diesem Zusammenhang die Frage, was und in welchem Umfang im Rahmen der Mediaplanung erreicht werden soll. Mediaziele sind i. d. R. sehr eindeutig und detailliert formuliert. Die beiden wesentlichen Zielsetzungen liegen in der Reichweite und dem Werbedruck. Sie sagen aus, wie viele Personen der Zielgruppe Kontakt mit der Werbung erhalten sollen (Reichweite) und wie oft (Werbedruck) (vgl. Unger 2006, S. 740; Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 334; Rossiter und Percy 1998, S. 419). Den Begriff der Reichweite gilt es genauer zu differenzieren. Während ein Werbeträger, z. B. ein Radiosender, unter der Reichweite die gesamte Nutzerschaft des Werbeträgers versteht, betrachtet das Marketingmanagement eines werbetreibenden Unternehmens lediglich den innerhalb der Nutzerschaft tatsächlich erreichten Anteil der definierten Zielgruppe (vgl. Unger et al. 2013, S. 74 f.). Der Werbedruck umfasst das quantitative Ausmaß der Konfrontation einer Zielgruppe mit Werbeträgern und Werbemitteln. Eine Messung ist entweder durch Befragung oder anhand des finanziellen Volumens für Werbeaufwendungen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu realisieren (vgl. Unger et al. 2013, S. 74 f.).
Produktmärkte Sport, Freizeit Kultur, Bücher, Sprachen Soziodemografie, Typologien Politik, Gesellschaft
Urlaub und Reisen Finanzen, Versicherungen Haus und Wohnen, Garten, Tiere
Konsumstile, Käufertypologie Interessen
Essen und Trinken Beruf
Gesundheit, Wellness
TV-Genres, Musikfarben
Mode, Körperpflege und Kosmetik Persönlichkeit, Werte Familie und soziales Umfeld
Kraftfahrzeuge Unterhaltungselektronik, Fotografie Computer, Telekommunikation, Internet
Abb. 67 Personenmerkmale der Allensbacher Werbeträgeranalyse (Quelle: AWA 2017)
Informationsverhalten, Medienkonsum, Werbung
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
5.2.3 Media-Briefing Im Rahmen der Mediaplanung gilt es, zwischen zwei wichtigen Akteuren zu unterscheiden. Das werbetreibende Unternehmen ist in diesem Zusammenhang das Unternehmen, welches seine Produktmarken bzw. die Unternehmensmarke bewerben will. Es beauftragt i. d. R. eine Agentur, welche die Planung aller Werbemaßnahmen übernimmt. Hierbei wird zwischen Werbeagenturen, sog. Full-Service-Agenturen und Mediaagenturen unterschieden. Während Werbeagenturen sich mit Themen wie der Konzeption, Kreation und Realisierung einer Werbestrategie befassen, fokussieren sich Mediaagenturen auf die Mediaselektion für spezifische Zielgruppenansprachen. Die Mediaplanung wird demnach i. d. R. von Mediaagenturen durchgeführt bzw. von Abteilungen oder integrierten Mediaagenturen innerhalb von Werbeagenturen, welche sich mit der Mediaplanung befassen (vgl. Bruhn 2015, S. 533 ff.). Das Media-Briefing findet hierbei zwischen dem werbetreibenden Unternehmen und der Mediaagentur statt. Es dient als Gespräch zum Informationsaustausch zwischen Agentur und Auftraggeber. Es stellt eine wesentliche und verbindliche Arbeitsgrundlage für die Agentur im Rahmen der Mediaplanung dar. Hierbei wird die Bedeutung eines verständlichen Media-Briefings oftmals unterschätzt. Nur wenn sich Auftraggeber und Agentur im Vorhinein über die Ziele einig sind und den gleichen Wissensstand besitzen, ist die Mediaplanung Erfolg versprechend. Ein gutes Media-Briefing muss folgende grundlegende Anforderungen erfüllen (vgl. Hofsäss und Engel 2003, S. 168 ff.): Schriftliche Fixierung, da dies Nachprüfbarkeit und Bestätigung ermöglicht Rechtzeitige Erstellung (Gewährleistung ausreichender Vorlaufzeit) Vollständigkeit (komplette Erfassung der Problemstellung) Abstimmung mit dem Input der vorgelagerten Stufen (z. B. dem Marketing-Plan) Beifügen von Anlagen und wichtigen Informationsmaterialien Entwicklung gemeinsam von Agentur und werbetreibendem Unternehmen Trotz der Anforderungen an die Briefing-Unterlagen ist auf eine kurze und übersichtliche Darstellung des Media-Briefings Wert zu legen. Es darf nicht zu umfassend und formalistisch werden, sollte jedoch alle wesentlichen Informationen beinhalten. Folgende inhaltliche Bestandteile sollte jedes Media-Briefing beinhalten (vgl. Unger et al. 2013, S. 30 f.): Klare und nachvollziehbare Zielgruppendefinition Mediastrategische Ziele bezogen auf Reichweite und Werbedruck Informationen zur Zeitplanung: Zeithorizont und gewünschte zeitliche Verteilung des Werbeeinsatzes Informationen bzgl. bevorzugter und ausgeschlossener Werbeträger Angestrebte Werbeziele im Zusammenhang mit dem Nachfragerverhalten
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Mediaplanung
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5.2.4 Verteilung des Mediabudgets Die Verteilung des Mediabudgets wird auf zwei verschiedenen Ebenen diskutiert. Zum einen wird die Verteilung des Budgets auf Werbeträger und Werbeträgergruppen im Rahmen der Inter- und Intramediaselektion diskutiert und zum anderen wird die zeitliche und geographische Verteilung des Budgets behandelt. Zum Abschluss werden noch Modelle zur Entscheidungsunterstützung im Rahmen der Budgetverteilung diskutiert. Verteilung des Budgets auf Werbeträger und Werbeträgergruppen Ist die Entscheidung über den Einsatz der Kommunikationsinstrumente gefallen, werden im Rahmen der Mediaplanung, speziell der Mediaselektion, die einzelnen Werbeträger ausgewählt und budgetiert. Die Mediaselektion unterteilt sich in die Inter- und Intramediaselektion. Die Intermediaselektion befasst sich mit der Auswahl von Werbeträgergruppen (vgl. Althans 1993, S. 398; Bruhn 2015, S. 319 ff.). Bei klassischer Werbung sind dies z. B. TV-Werbung, Radio-Werbung etc. oder bei der Verkaufsförderung z. B. handelsgerichtete oder nachfragergerichtete Promotions. Die grundsätzliche Eignung der Werbeträgergruppen für das Erreichen der Werbeziele kann in einer ersten Auswahlphase anhand der Kriterien, die auch zur Auswahl der Kommunikationsinstrumente herangezogen werden, geschehen. In einer zweiten Stufe wird dann die Wirtschaftlichkeit der Werbeträgergruppe anhand der Kommunikationsleistung (u. a. Reichweite, Zielgruppenabdeckung) und der Kosten analysiert. Auf dieser quantitativen Ebene sind noch keine Aussagen über den tatsächlichen Kontakt mit den in einer Werbeträgergruppe geschalteten Werbemitteln möglich. Daher gilt es in der dritten Stufe, die Kontaktqualität einer Werbeträgergruppe zu ermitteln. Hierzu werden die folgenden Kriterien herangezogen: Mediennutzerqualität (demographische und psychographische Merkmale der Nutzer bestimmter Werbeträgergruppen) Werbeträgergruppenqualität (z. B. werbeträgerbedingtes werbliches und redaktionelles Umfeld) Vierter und letzter Schritt der Mediaselektion ist die Wahl zwischen einzelnen Werbeträgern innerhalb einer Werbeträgergruppe. Diese ist Gegenstand der Intramediaselektion. Zu den Haupteinflussgrößen der Intramediaselektion gehören (vgl. Freter 1974, S. 77 ff.; Kotler et al. 2007, S. 719): die generelle Attraktivität des Mediums, die Reichweite des Mediums und der Nutzungspreis des Mediums. Im Gegensatz zur Intermediaselektion sind diese Kriterien jeweils werbeträgerspezifisch, d. h. bspw. bezogen auf eine einzelne Zeitschrift (z. B. Spiegel, Stern) oder einen einzelnen Fernsehsender (z. B. Das Erste, ZDF), zu bewerten. Um die generelle Attraktivität eines Werbeträgers zu beurteilen, kann eine Vielzahl von Einzelkriterien herangezogen werden. Diese lassen sich auf eine quantitative und eine
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
qualitative Dimension verdichten. Die quantitative Dimension bezieht sich auf die zahlenmäßig erfassbare Verwendung und Nutzung des Werbeträgers, die zunächst zum Werbeträgerkontakt (z. B. Lesen des Sterns oder Sehen des ZDF) und anschließend zum Werbemittelkontakt (z. B. Sehen der Anzeige im Stern oder des Werbespots im ZDF) führt. Zentrale quantitative Größe zur Bewertung der Attraktivität ist die Werbeträger- bzw. Werbemittelkontaktchance. Einfluss auf die Kontaktchance nehmen die zeitliche Verfügbarkeit des Werbeträgers (Erscheinungsturnus einer Zeitschrift, Schaltungsdauer eines Werbespots etc.) und dessen Reichweite. Dies wird neben dem einzelnen Werbeträger, z. B. dem einzelnen Fernsehsender, auf eine spezifische Sendung bzw. Sendezeit heruntergebrochen, um die Kontaktchance durch eine bessere Zielgruppengenauigkeit weiter zu erhöhen. Die qualitative Komponente umfasst den Beitrag des Werbeträgers zur Wirkung des Werbemittels. So sollte das redaktionelle und werbliche Umfeld des Werbeträgers genau analysiert werden. Es ist eine möglichst hohe Affinität von Werbeobjekt und dessen Umfeld anzustreben, um eine positive Kommunikationswirkung zu erzeugen. Bestehen offensichtliche Diskrepanzen zwischen der Thematik der Werbung und der redaktionellen Beiträge, können ein negativer Imagetransfer und Reaktanzen beim Nachfrager auftreten. Dies trifft grundsätzlich auch auf das werbliche Umfeld zu. Neben dieser Stimmigkeit von Werbeobjekt und -träger spielt auch das Image des Werbeträgers beim Nachfrager eine wichtige Rolle bei der Intramediaselektion. Weiteres Kriterium zur Bewertung eines Mediums ist dessen Reichweite. Darunter wird grundsätzlich die Anzahl der Kontakte verstanden, die ein Medium erreicht. Es existiert eine Vielzahl an Reichweitenbegriffen, die abhängig von der Anzahl der insgesamt eingesetzten Medien und dem gewünschten Vergleichsmaßstab sind (vgl. Unger et al. 2013, S. 74 ff.; Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 346 ff.). Dementsprechend lassen sich Reichweiten einteilen nach: der Breitenwirkung, der Tiefenwirkung und dem ausgeübten Werbedruck. Die Breitenwirkung eines Mediums bezieht sich auf die Summe der insgesamt hergestellten Kontakte sowie die Anzahl der erreichten Personen. Abhängig von der Anzahl der genutzten Medien und deren Einschaltungen werden die in Tab. 32 aufgeführten Reichweitemaße unterschieden. Als erstes Maß ist die Bruttoreichweite zu nennen. Die Bruttoreichweite gibt die Gesamtzahl der erreichten Nutzer bei einem einmalig geschalteten Medium an, z. B. Leser pro Ausgabe, Zuschauer der Sendung etc. Überschneidungen zwischen den Medien werden hierbei explizit mit eingeschlossen. Bei der Berechnung der Nettoreichweite wird die Zahl der Nachfrager, die mehrere Medien gleichzeitig nutzen, von der Bruttoreichweite der einzelnen Medien abgezogen. Die Überlappung der Leser-, Seher- bzw. Hörerschaft verschiedener Werbeträger wird
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Mediaplanung
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Tab. 32 Klassifizierung von Reichweitemaßen der Mediaplanung Einmalige Einschaltung (D Einheitsfrequenz) Ein Medium Leser pro Ausgabe (LpA) bei Insertionsmedien Besucher pro Woche beim Kino Passanten an der Anschlagstelle beim Plakat Bruttoreichweite Mehrere Nettoreichweite, bereinigt um exterMedien ne Überschneidungen
Wiederholte Einschaltung Kumulierte Reichweite, bereinigt um interne Überschneidungen
Kombinierte Reichweite, bereinigt um externe und interne Überschneidungen
als externe Überschneidung bezeichnet. Die Nettoreichweite erfasst demnach diejenigen Personen, die von einem bzw. mehreren Werbeträgern mindestens einmal erreicht wurden (vgl. Homburg 2016, S. 782; Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 349; Unger 2006, S. 744). Die kumulierte Reichweite gibt die Gesamtzahl aller Nutzer eines Werbeträgers an, die bei mehrmaliger Belegung desselben erreicht werden. Dabei wird die Bruttoreichweite des Werbeträgers mit der Anzahl der Belegungen multipliziert und um diejenigen Nutzer des Werbeträgers bereinigt, die wiederholt erreicht wurden (interne Überschneidung). Die kombinierte Reichweite als häufigstes Kontaktmaß beschreibt dagegen alle Personen, die bei mehreren Einschaltungen in verschiedenen Medien erreicht werden. Die kombinierte Reichweite stellt eine zusammenfassende Größe aus den beiden vorigen Maßzahlen dar und berücksichtigt sowohl interne als auch externe Überschneidungen. Reichweiten beziehen sich auf die Anzahl der erreichten Personen. Dem gegenüber steht die Größe Kontaktsumme, die alle erzielten Kontakte, also auch Mehrfachkontakte, umfasst. Die genannten Größen werden in Abb. 68 beispielhaft verdeutlicht. Da die meisten Unternehmen im Rahmen der Mediaplanung mehrere Werbeträger mehrmals nutzen, wird im Folgenden von der kombinierten Reichweite ausgegangen, wenn die Anzahl der erreichten Personen betroffen ist. Die vorgestellten Reichweitemaße sagen jedoch wenig darüber aus, wie gut die Zielgruppe mithilfe der ausgewählten Werbeträger erreicht wird. Dies erfolgt anhand der Zielgruppenaffinität eines Werbeträgers. Die Zielgruppenaffinität ist ein Ausdruck der Kontaktqualität und definiert als: Zielgruppenaffinität D
kombinierte Reichweite Œ% in der Zielgruppe 100: kombinierte Reichweite Œ% in der Gesamtbevölkerung
Die Zielgruppenaffinität gibt Aufschluss über das effiziente Erreichen der Zielgruppe. Ist der Wert größer als 100, ist eine überproportional hohe Abdeckung der Zielgruppe gewährleistet. Ein Wert unter 100 lässt auf Streuverluste schließen. Die Tiefenwirkung der ausgewählten Medien bezieht sich auf die erreichten Kontakte pro Rezipient. Aufschluss über die Tiefenwirkung gibt die Kontaktverteilungskurve
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
100.000
110.000 30.000
Zeitschrift x
Zeitschrift x
t1
t2
0,7 Mio
0,5 Mio 0,1 Mio 3,1 Mio
Zeitschrift x
Zeitschrift y
t1
Zeit
Zeitschrift y
3,2 Mio
1,7 Mio 1,1 Mio
4,1 Mio
2,4 Mio
1,4 Mio
Zeitschrift x
Zeitschrift x
t1
t2
Bruttoreichweite der Ausgabe 2 von Zeitschrift x
140.000
Kontaktsumme
270.000
130.000 + 140.000
Interne Überschneidungen = 1 x Doppelkontakte 270.000 – 30.000
30.000 240.000
Bruttoreichweite der Zeitschrift x
4,1 Mio
Bruttoreichweite der Zeitschrift y
2,6 Mio
Bruttoreichweite der Zeitschrift z
3,5 Mio
Kontaktsumme
4,1 Mio + 2,6 Mio + 3,5 Mio
10,2 Mio
Externe Überschneidungen = 1 x Doppelkontakte + 2 x Dreifachkontakte
1 x (0,5 Mio + 0,4 Mio + 0,7 Mio) + 2 x (0,1 Mio)
1,8 Mio
Netto-Reichweite
10,2 Mio – 1,8 Mio
8,4 Mio
Bruttoreichweite der Ausgabe 1 von Zeitschrift x
8,1 Mio
Bruttoreichweite der Ausgabe 2 von Zeitschrift x
6,6 Mio
Bruttoreichweite der Ausgabe 1 von Zeitschrift y
7,5 Mio
1,4 Mio
0,4 Mio
1,5 Mio
130.000
Kumulierte Reichweite
Zeit
Zeitschrift z
2,2 Mio
Bruttoreichweite der Ausgabe 1 von Zeitschrift x
t3
Kontaktsumme
8,1 Mio + 6,6 Mio + 7,5 Mio
Interne & externe Überschneidungen = 1 x Doppelkontakte + 2 x Dreifachkontakte
1 x (1,5 Mio + 1,4 Mio + 1,7 Mio) + 2 x (1,1 Mio)
Kombinierte Reichweite
22,2 Mio – 6,8 Mio
22,2 Mio
6,8 Mio
15,4 Mio
Zeit
Abb. 68 Beispielhafte Berechnung von Reichweiten fiktiver Zeitschriften
(vgl. Abb. 69). Sie beschreibt, wie viele Personen wie viele Kontakte mit dem Werbeträger hatten. In dem dargestellten Beispiel waren 25.000 Personen acht Kontakten, weitere 25.000 Personen vier Kontakten und 50.000 Personen zwei Kontakten ausgesetzt. Daraus lässt sich die durchschnittliche Kontaktchance, auch Opportunity to See (OTS), ableiten. Diese Kennzahl benennt die durchschnittliche Kontaktzahl pro Rezipient und repräsentiert die Tiefenwirkung der Werbeträger. Die Berechnung erfolgt aus dem arithmetischen Mittel der Kontaktverteilungskurve oder wird alternativ ermittelt durch: OTS D
Kontaktsumme : Kombinierte Reichweite
5
Mediaplanung
799 600.000 (25.000 8 + 25.000 4 + 50.000 2)
8
Erreichte Personen (kombinierte Reichweite) 100.000
=4
6
4
OTS = 4
2
0 0
25.000
50.000
75.000
100.000
Abb. 69 Beispielhafte Darstellung einer Kontaktverteilungskurve (Quelle: In Anlehnung an Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 351)
Eng verbunden mit der Tiefenwirkung ist der durch die ausgewählten Medien verursachte Werbedruck. Zur Messung des Werbedruckes wird meist auf die international weit verbreitete Kennzahl Gross Rating Points (GRPs) zurückgegriffen. Die GRPs setzen die erreichten Kontakte ins Verhältnis zur gesamten Zielgruppengröße (vgl. Hofsäss und Engel 2003, S. 197). GPRS D
Kontaktsumme 100 Zielgruppengröße
Die Größe der gesamten Zielgruppe schwankt von Land zu Land. Durch die GRPs wird dieser Unterschied relativiert. Konkret geben GRPs wieder, wie vielen Kontakten 1 % der Zielgruppe durchschnittlich ausgesetzt sind (Werbedruck). Ein Wert von 1000 GRPs bedeutet bspw., dass entweder 1 % der Zielgruppe 1000 Kontakten ausgesetzt ist oder 50 % der Zielgruppe 20 Kontakten oder 100 % der Zielgruppe 10 Kontakten. Diese Relativierung erleichtert es, die anfallenden Kosten des angestrebten Werbedruckes international zu vergleichen. Weitere Größen sind der Share of Advertising (SoA) und Share of Voice (SoV). Der SoA spiegelt das Verhältnis der eigenen Werbeausgaben zu den Werbeausgaben der gesamten Branche wider. Je höher dieser Wert ist, desto höher ist tendenziell der aufgebaute
800
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Werbedruck. Präziser ist der SoV. Dieser setzt die eigenen GRPs ins Verhältnis zu den gesamten GRPs aller Wettbewerber. Die technischen Möglichkeiten des Internets als Werbeträger und der mobilen Endgeräte ermöglichen eine besondere Datenerfassung und daher spezielle Kennzahlen zur Bewertung der Reichweite (vgl. Leest 1996, S. 25; Bachem 1997, S. 194 ff.; Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 343 ff.). Während sich einige Kennzahlen der Reichweitenbestimmung instrumentenübergreifend einsetzen lassen, sind andere Kennzahlen instrumentenspezifisch. Im Folgenden werden beispielhaft einige dieser Kennzahlen näher erläutert. Eine instrumentenübergreifende Kennzahl ist die Ad Impression. Sie gibt die Anzahl der aufgerufenen (Unter-)Seiten innerhalb einer bestimmten Periode an, auf denen eine Anzeige platziert wurde. Hierbei wird eine grundsätzliche Wahrnehmung der geschalteten Anzeige pauschal unterstellt, ohne dies zu überprüfen. Die Kennzahl Ad Impressions kann übergreifend für verschiedene Instrumente der Online- (vgl. Abschn. 4.3.1), SocialMedia- (vgl. Abschn. 4.3.2) oder der mobilen Kommunikation (vgl. Abschn. 4.3.3) verwendet werden, z. B. für Display-Werbung auf Websites oder in sozialen Netzwerken. Instrumentenspezifische Reichweitenkennzahlen sind z. B. die Anzahl der Besuche einer Website (Visits) innerhalb einer bestimmten Periode. Im Kontext von E-Mail-Marketing (vgl. Abschn. 4.3.1) gibt die Zustellrate einen ersten Überblick über die Reichweite. Sie spiegelt das Verhältnis der Anzahl versendeter E-Mails zu den tatsächlich beim Nachfrager angekommenen E-Mails wider (vgl. Kamps und Schetter 2018, S. 75 f.). Weiterführende Kennzahlen und Metriken finden sich im Abschn. 7.2. Ein weiteres Kriterium zur Bewertung von Werbeträgern sind dessen Kosten. Für Werbeträger der klassischen Kommunikation werden oft der Tausend-Kontakt-Preis (TKP) oder der Tausend-Nutzer-Preis (TNP) als Kostenkennzahlen herangezogen. Der TKP gibt an, welche durchschnittlichen Kosten entstehen, um 1000 Kontakte zu erzielen. TKP D
Schaltungskosten 1000 Kontaktsumme
Beim TKP ist es unerheblich, wie viele Personen mit den 1000 Kontakten erreicht wurden, d. h. 1000 Kontakte bei der gleichen Person haben den gleichen TKP wie jeweils ein Kontakt bei 1000 Personen. Im Gegensatz zum TKP beschreibt der TNP die Kosten, um 1000 Individuen einem Kontakt auszusetzen. TNP D
Schaltungskosten 1000 Kontaktsumme
Somit stellt der TNP den Durchschnittspreis dar, der zu zahlen ist, um 1000 Personen zu erreichen. Sowohl der TKP wie auch der TNP lassen sich gewichtet (zielgruppenspezifische Reichweite) als auch ungewichtet (gesamtbevölkerungsspezifische Reichweite) darstellen. Auf internationaler Ebene stellen die Costs per (Gross Rating) Point (CPP) einen guten Vergleichsmaßstab dar. CPP D
Schaltungskosten GRPs
5
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In den Anfangszeiten der Digitalisierung wurde ebenfalls auf diese Kennzahlen in abgewandelter Form zurückgegriffen, um die Kosten der digitalen Werbeträger zu bestimmen (vgl. Roscheck et al. 2013, S. 240). Übertragen auf das Internet wurden beim TKP-Modell bspw. die Werbekosten pro Tausend Ad-Impressions abgerechnet. Allerdings entwickelten sich schnell neue Preis- bzw. Abrechnungsmodelle, wie z. B. Payper-Click (d. h. Unternehmen bezahlen für jeden Klick), die sich aus der direkten Beobachtbarkeit und Transparenz der digitalen Werbeträger ergaben. Die damit verbundenen Kennzahlen können größtenteils instrumentenübergreifend angewendet werden. Bei dem Kostenmodell Cost-per-Click (CPC) werden die Kosten nach Anzahl der tatsächlich getätigten Klicks berechnet. Die Kosten beziehen sich nur auf den direkten Kontakt mit den Nachfragern. Das CPC-Modell findet vor allem bei Display-Werbung, Suchmaschinen-, E-Mail- und Affiliate-Marketing Anwendung (vgl. Abschn. 4.3.1). Das Cost-per-ViewModell (CPV) basiert hingegen nicht auf Klicks, sondern es wird z. B. danach abgerechnet, wie häufig ein Video angesehen wurde (vgl. Kreutzer 2018, S. 222). Bei Cost-per-Action-Modellen (CPA) entstehen nur dann Kosten für Unternehmen, wenn tatsächlich eine vorab definierte Aktion (Conversion) stattgefunden hat (vgl. Roscheck et al. 2013, S. 240; Hu et al. 2015, S. 2022). Die Abrechnungen erfolgen somit leistungsbasiert (vgl. Lammenett 2017, S. 39). Je nach definierter Conversion kann dabei zwischen verschiedenen CPA-Modellen unterschieden werden. Beim Cost-per-Lead (CPL) wird pro neu generiertem Kontakt oder Adresse abgerechnet. Häufig wird CPL bei der Neukundengewinnung eingesetzt. Ähnlich wird beim Cost-per-Registration-Modell (CPR) pro Registrierung eines Nachfragers, z. B. auf einer Website, abgerechnet (vgl. Bauer 2011, S. 164 f.). Beim Cost-per-Order-Modell (CPO) berechnen sich die Kosten pro abgeschlossener Bestellung, z. B. ein Abonnement einer Online-Nachrichtenseite (vgl. Reisig et al. 2011, S. 250). Konkreter wird dies beim Cost-per-Sale-Preismodell (CPS), bei dem sich die Kosten nach Anzahl der getätigten Käufe, z. B. eines Produktes, bemessen (vgl. Petersen 2017, S. 337 f.). Viele dieser Abrechnungsmodelle finden sich auch im Affiliate-Marketing wieder (vgl. Abschn. 4.3.1). Generell werden vermehrt CPA-Modelle genutzt, da nur bei einer Conversion abgerechnet wird und nicht z. B. bei einem Klick wie beim CPC. Die Streuverluste für Unternehmen verringern sich bei CPA-Modellen. Auch kann das Risiko niedriger Klick- und Conversionsraten vom werbenden Unternehmen auf den entsprechenden Publisher der Werbebotschaften übertragen werden. Denn dieser erhält folglich nur noch dann eine Provision, wenn eine Conversion stattgefunden hat (vgl. Roscheck et al. 2013, S. 240) (vgl. Affiliate-Marketing, Abschn. 4.3.1). Speziell für die Bewertung der digitalen Werbeträger fließen auch die einzelnen generierten Conversions in die Planungen der Mediabudgetallokationen ein (vgl. Kireyev et al. 2016, S. 475). Conversions bedeuten, dass Nachfrager nach Interaktion mit einem Kommunikationsinstrument eine Aktion durchführen, z. B. Anmeldung zu einem Newsletter oder Kauf eines Produktes (vgl. Roscheck et al. 2013, S. 239). Unternehmen setzen i. d. R. mehrere digitale Kommunikationsinstrumente simultan ein, wodurch Nachfrager während ihrer Customer Journey (vgl. Abschn. 1.4.2 in Kap. 2) mit mehreren Instrumenten in Kontakt kommen, bevor sie letztendlich eine conversionbasierte Aktion durchführen. Folglich
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
können mehrere Kommunikationsinstrumente gleichzeitig einen Beitrag zur Conversion leisten, unabhängig ob der Kontakt mit dem Nachfrager am Anfang oder am Ende der Customer Journey stattgefunden hat. Unternehmen stehen dadurch vor der Herausforderung, den Beitrag der einzelnen beteiligten Kommunikationsinstrumente an der entsprechenden Conversion festzulegen, um letztendlich die Verteilung des Mediabudgets erfolgsversprechend vorzunehmen. Unternehmen stützen sich bei der Verteilungsentscheidung oft auf das Prinzip der Attribution.
I Attribution Attribution ist der Prozess der Identifizierung und Gewichtung
einer Reihe von Benutzerreaktionen auf bestimmte Marketingkanäle, die in irgendeiner Art und Weise zu einem gewünschten Ergebnis beitragen (vgl. Greve 2016, S. 18).
Die Attribution hilft demnach dabei abzuschätzen, welches Kommunikationsinstrument welchen Beitrag zur Generierung der Conversion geleistet hat. Die Ergebnisse der Attribution werden dann in den späteren Budgetverteilungen berücksichtigt (vgl. Flocke und Holland 2014, S. 225). Als technische Grundlage der Attribution dienen i. d. R. Cookies. Ein Cookie beobachtet während eines definierten Zeitraums die Nutzeraktivitäten und Kontakte (z. B. Anzeigen und Klicken eines Banners) mit den Werbemitteln des entsprechenden Unternehmens und stellt diese chronologisch zur Verfügung (vgl. Roscheck et al. 2013, S. 242). Beim Attributionsprozess können sowohl statische als auch dynamische Modelle zum Einsatz kommen (siehe Tab. 33) (vgl. Kamps und Schetter 2018, S. 163). Statische Attributionsmodelle unterliegen im Gegensatz zu dynamischen Modellen heuristischen Annahmen, d. h., die Attribution erfolgt anhand vorab festgelegter Gewichtungsregeln. Die angewandten Gewichtungsregeln können dadurch die Beiträge der digitalen Werbeträger an der Conversion nur in Ansätzen gerecht und realistisch abbilden. Die Folge können z. B. spätere Fehlallokationen während der Mediabudgetplanungen sein (vgl. Greve 2016, S. 18). Unbeirrt dessen greifen viele Unternehmen häufig auf
Tab. 33 Verschiedene Attributionsmodelle (Quelle: In Anlehnung an Flocke und Holland 2014, S. 226 ff.) Attributionsmodelle Statische Modelle „Last Cookie Wins“ „First Cookie Wins“ Gleichverteilungsmodell Aufsteigende Attribution Absteigende Attribution Badewannenprinzip („U-Modell“)
Dynamische Modelle Verschiedene multivariate Analysemethoden
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803
diese Modelle zurück, da sie im Gegensatz zu den dynamischen Modellen i. d. R. einfacher umsetzbar sind. Bei Anwendung von statischen Modellen können Unternehmen auf verschiedene Modelle zurückgreifen, die im Folgenden kurz erläutert werden. Bei der „Last Cookie Wins“-Attribution wird die gesamte Conversion nur dem Kommunikationsinstrument zugeordnet, welches als letztes vor der Conversion mit dem Nachfrager in Kontakt getreten ist. Die vorgeschalteten Instrumente bleiben dabei gänzlich unberücksichtigt (vgl. Chaffey und Ellis-Chadwick 2012, S. 461). Viele Experten kritisieren diesen Ansatz, da Conversions meist von mehreren Kontaktpunkten nachhaltig beeinflusst werden (vgl. Greve 2016, S. 18). Bei der „First Cookie Wins“-Attribution wird hingegen nur dem ersten Kommunikationsinstrument in der Customer Journey die gesamte Conversion zugeordnet. In diesem Fall bleiben nachgelagerte Instrumente unberücksichtigt (vgl. Kamps und Schetter 2018, S. 165). Dieser Ansatz verzerrt ebenfalls die spätere Allokation des Mediabudgets, da z. B. einer initialen Display-Anzeige die komplette Conversion zugeordnet wird, obwohl sie vom Nachfrager nicht aktiv wahrgenommen wurde (vgl. Greve 2016, S. 18). Abb. 70 verdeutlicht die unterschiedliche Gewichtung der beiden Modelle. In den gegenübergestellten Attributionsmodellen wird erkenntlich, dass bei der „Last Cookie Wins“-Methode dem Subinstrument E-Mail-Marketing die komplette Conversion zugeschrieben wird, obwohl Display-Werbung, Social Media, SEA und mobile DisplayWerbung ebenfalls einen Beitrag zur Conversion geleistet haben. Bei der „First Cookie Wins“-Methode wird nur dem gesetzten Banner im Zuge der Display-Werbung die volle Conversion zugeschrieben. Es wird ersichtlich, dass diese Modelle den Betrag aller Kommunikationsinstrumente nicht gerecht und realistisch abbilden können.
„Last Cookie Wins“
DisplayWerbung
SEA
Social Media
Mobile Banner
SEA
Social Media
Mobile Banner
E-Mail
„First Cookie Wins“
DisplayWerbung
Abb. 70 „First Cookie Wins“ vs. „Last Cookie Wins“ (Quelle: In Anlehnung an Flocke und Holland 2014, S. 226 ff.)
E-Mail
804
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Eine alternative Gewichtung verfolgen sog. Fractional-Attribution-Modelle. Eine Form ist bspw. das Gleichverteilungsmodell, bei dem versucht wird, die Conversion gleich auf alle beteiligten Instrumente zu verteilen (vgl. Flocke und Holland 2014, S. 165). Es wird die Annahme getroffen, dass alle Instrumente einen identischen Beitrag zur Conversion leisten. Diese Verteilung wird ebenfalls kritisiert, da die Werbewirkungen einzelner Kommunikationsinstrumente im Online-Kontext nach gewisser Zeit abnehmen (vgl. Braun and Moe 2013, S. 765). Basierend auf Ansätzen des Gleichverteilungsmodells werden bei einer aufsteigenden Attribution ebenfalls alle Instrumente berücksichtigt, allerdings nimmt die Gewichtung an der Conversion von Anfang bis Ende zu. Das letzte Instrument erhält somit die höchste Gewichtung (vgl. Greve 2016, S. 18). Gegenteilig verhält es sich bei der absteigenden Attribution. Zwar leisten ebenfalls alle Instrumente einen Beitrag zur Conversion, allerdings erhält hier das erste Instrument die höchste Gewichtung, die jedoch dann weiter abnimmt (vgl. Kamps und Schetter 2018, S. 165 f.). Eine weitere Form der Fractional-Attribution-Modelle basiert auf dem sog. Badewannenmodell oder auch „U-Modell“ genannt, welches die Grundzüge aller vorherigen statischen Attributionsmodelle in sich vereint (vgl. Flocke und Holland 2014, S. 165). In diesem Modell erhalten jeweils das erste und das letzte Instrument einen gleichhohen Anteil, während die zwischengelagerten Instrumente entweder keine oder eine gleichmäßig geringere Gewichtung erhalten (vgl. Kamps und Schetter 2018, S. 166; Greve 2016, S. 18). Die folgende Abb. 71 stellt die beiden Formen der Fraction-Attribution-Modelle gegenüber. Während beim Gleichverteilungsmodell alle Instrumente zu gleichen Teilen zur Conversion beitragen, erhalten beim Badewannenprinzip nur Display-Werbung und E-Mail-
Gleichverteilungsmodell
DisplayWerbung
SEA
Social Media
Mobile Banner
Social Media
Mobile Banner
E-Mail
Badewannenmodell – „U-Modell“
DisplayWerbung SEA
Abb. 71 Fractional-Attribution-Modelle (Quelle: In Anlehnung an Flocke und Holland 2014, S. 226 ff.)
E-Mail
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Marketing eine jeweils gleichhohe Gewichtung, während die zwischengelagerten Instrumente entweder keinen oder einen gleich geringeren Anteil erhalten. Obwohl die Fractional-Attribution-Modelle alle beteiligten Kontaktpunkte an der Conversion berücksichtigen, finden sie in der Praxis oft keine Anwendung. In einer von der Universität Passau und der Feld M GmbH im Jahr 2015 durchgeführten Umfrage gaben 49 % der befragten Unternehmen an, das „Last Cookie Wins“-Modell zu verwenden. 24 % nutzten das Badewannenmodell, während das Gleichverteilungsmodell bei 13 % Anwendung fand. Die „First Cookie Wins“-Methode nutzten hingegen nur 6 %. Insgesamt wurden in der Untersuchung 134 Online-Marketing-Verantwortliche von unterschiedlichen Unternehmen befragt. Eine zweite Kategorie bilden die sog. dynamischen Attributionsmodelle. Im Gegensatz zu statischen werden bei dynamischen Modellen die Gewichtungen und Anteile auf Basis von gesammelten Daten und multivariaten Analysemethoden berechnet und immer wieder neu angepasst (vgl. Kamps und Schetter 2018, S. 166 f.; Greve 2016, S. 19). Dynamische Modelle haben den Vorteil, dass sie einzelne Faktoren (z. B. Interaktionsart – Klick oder View – mit dem Instrument, Nutzverhalten, zeitlichen Abstand zwischen den Instrumenten, Verweildauer, Preise, Qualität und Sichtbarkeit der Instrumente oder auch Produktart) für jedes Unternehmen spezifisch berechnen können. Mit verschiedenen statistischen Verfahren lassen sich dann Wahrscheinlichkeiten errechnen, welchen Beitrag einzelne Kommunikationsinstrumente zur Conversion leisten. Die Berechnung der Attribution erfolgt somit deutlich realitätsnäher. Da die zu berücksichtigten Faktoren sich kontinuierlich verändern, müssen auch die dynamischen Modelle laufend angepasst werden. Der Nachteil liegt dabei in der erhöhten Komplexität der Datenberechnung. Es gibt zudem auch kein einheitliches dynamisches Modell, sondern es muss jedes Mal unternehmensspezifisch entwickelt werden (vgl. Flocke und Holland 2014, S. 231 f.). Zielgruppenspezifische Verteilung des Budgets Die Weiterentwicklung des Internets und speziell der sozialen Medien offenbart den Unternehmen darüber hinaus neue Möglichkeiten einer gezielteren und deutlich zielgruppenspezifischeren Verteilung des Mediabudgets. Alles, was der Nachfrager im Internet macht, schlägt sich in dessen digitalem Spiegelbild im Netz nieder. Sei es dessen Präsenz in sozialen Netzwerken, in denen er mit Freunden verlinkt ist, Bilder von sich und seinem Verwandten- und Bekanntenkreis preisgibt, Stellung zu seiner Arbeit und seinen Hobbys nimmt und die verschiedensten Facetten seines Privatlebens preisgibt, oder auch nur die Spur, die er aufgrund der besuchten Webseiten hinterlässt. All dies schärft die Konturen des digitalen Ebenbildes eines jeden Nachfragers. Diese Informationen lassen sich mit der Weiterentwicklung der Informationstechnik umfassend aufbereiten und offenbaren werbenden Unternehmen neue Möglichkeiten (vgl. Dworschak 2011, S. 114 f.). So existiert eine Reihe von Unternehmen, welche diese Daten aufbereiten und diese Informationen als Dienstleistungen anderen Unternehmen zum Zwecke der Mediaplatzierung anbieten. Eine Variante besteht in der Nutzung von Cookies. Diese bezeichnen die Spuren, die jeder Nutzer im Internet hinterlässt. Die Auswertung ermöglicht eine Auf-
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
schlüsselung der besuchten Seiten und der angeschauten Produkte und Kategorien und im Weiteren durch komplexe Algorithmen eine Prognose, auf welchen Seiten sich der Nutzer zukünftig aufhalten wird. Die so gewonnenen Daten können zudem nutzerindividuell zugeordnet werden. Dies führt dann zu einer gezielten Platzierung von Werbeanzeigen auf bestimmten Webseiten. Die Informationen werden z. T. über Online-Börsen, wie z. B. BlueKai, versteigert. In diesen Online-Auktionen werden die Informationen der Nutzer zur individuellen werblichen Ansprache vom meistbietenden Unternehmen ersteigert, welches direkt Anzeigen auf den Seiten platzieren kann, welche laut Prognose als nächstes aufgerufen werden. Der Auktionsprozess findet automatisiert und in Echtzeit statt. Speziell die Geschwindigkeit, mit welcher durch die Informationstechnik auf Nutzerbewegungen im Internet reagiert werden kann, ist in dieser Form neu. Dieser datengetriebene, automatisierte und individualisierte Ein- und Verkauf von Werbeflächen in Echtzeit wird mit dem Begriff Programmatic Advertising beschrieben (vgl. Martínez-Martínez et al. 2017, S. 202 ff.). Auch die Informationen, die in sozialen Netzwerken, wie z. B. Facebook, von den Nutzern preisgegeben werden, sind wertvoll. Sie werden ebenfalls von Unternehmen genutzt, um gezielt Mediaplanung zu betreiben. Hierbei wird unter anderem der Zugriff auf Details der Nutzerprofile verwendet, um direkt auf Facebook Werbung zu schalten. Bspw. bekommt ein Nutzer, der als Beziehungsstatus „Single“ angegeben hat, Werbung von Kontaktbörsen und Dating-Communitys eingeblendet. Darüber hinaus ermöglicht die eingeführte „Like“-Option, bei der Statusmeldungen, Unternehmensprofile auf Facebook, aber auch von Facebook losgelöste Webseiten und Artikel von den Nutzern für interessant befunden werden können, eine dezidierte Auswertung des Interessenprofils der Nutzer. Facebook sammelt demnach Informationen auf drei Ebenen: innerhalb der virtuellen Realität der Facebook-Welt, in der virtuellen Realität außerhalb Facebooks mithilfe der „Like“-Funktion und darüber hinaus in der realen Welt über die Bestimmung des Aufenthaltsortes der Nutzer. Diese Informationen und speziell deren Verdichtung über die verschiedensten Dienstleister können als Grundlage für die On- und Offline-Mediaplanung der Unternehmen herangezogen werden (vgl. Dworschak 2011, S. 118 f.). Dennoch gibt es ebenfalls Bedenken bzgl. dieser neuen Möglichkeiten. So wird die Privatsphäre der Nutzer immer mehr eingeschränkt. Auch wenn die meisten Unternehmen behaupten, dass die verwendeten Nutzerdaten anonym behandelt werden, ist eine direkte Zuweisung der Daten zu individuellen Nutzern oftmals sehr leicht möglich. Aus diesem Grund sind zum einen die Datenschützer und zum anderen auch die Politik aktiv, Regelungen zu erwirken, die den Missbrauch solcher Daten verhindern. In Europa sind die Datenschutzbestimmungen generell schärfer als in den USA, weswegen einige der neuen Geschäftsmodelle derzeit nur in den USA legal sind. Da das Internet jedoch einen globalen Zugriff auf Nutzerdaten ermöglicht, verschwimmen diese Grenzen zunehmend. Die Mediaplanung demnach vollständig auf die neuen Möglichkeiten einer individualisierten Werbung auf Basis von Online-Nutzerdaten auszurichten, ist aufgrund der aktuell unsicheren Gesetzeslage nicht zu empfehlen. Dennoch lassen sich aus den Analysen des Nutzerverhaltens und auch der preisgegebenen, persönlichen Daten in den jeweiligen
5
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807
Netzwerken wertvolle Informationen gewinnen, welche Unternehmen näher an die Nachfrager heranbringen können (vgl. Dworschak 2011, S. 122 ff.). Zeitliche und geographische Verteilung des Budgets Ist die Entscheidung für die Auswahl eines bestimmten Mediums gefallen, sind der zeitliche und geographische Einsatz der Medien sowie der Einsatz der Werbemittel in diesen Medien zu planen. Im Rahmen der zeitlichen Streuung steht die Frage im Mittelpunkt, welche Werbewirkung bei einer Zielperson in Abhängigkeit von der Anzahl und der zeitlichen Verteilung der erlebten Kontakte eintritt (vgl. Hempelmann 1993, S. 480). In diesem Zusammenhang werden insbesondere die Häufigkeit von Wiederholungen und deren zeitliche Verteilung diskutiert. Die wohl bekannteste Untersuchung unternahm Zielske, der der 13maligen wöchentlichen Schaltung von Anzeigen eine auf das ganze Jahr verteilte Kampagne in vierwöchentlichem Abstand gegenüberstellte (vgl. Zielske 1959, S. 239 ff.). Die Ergebnisse der Untersuchung auf der Basis eines gestützten Erinnerungswertes gibt Abb. 72 wieder. Die Ergebnisse machen deutlich, dass mit zunehmender Kontakthäufigkeit die Erinnerungswerte verbessert werden. Mit zunehmender Kontakthäufigkeit nimmt der Lernerfolg (Erinnerungszuwachs) allerdings ab. Mit anderen Worten: Dem Lernvorgang wirkt ein Vergessensvorgang entgegen. Für die Kommunikationspraxis ist diese Untersuchung jedoch nur bedingt relevant, da die Ergebnisse je nach den spezifischen Gegebenheiten
70 60
Recall (%)
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5
10
15
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Wochen Lernkurve
Vergessenskurve
Abb. 72 Erinnerungswerte bei unterschiedlicher zeitlicher Verteilung einer bestimmten Kontaktzahl (Quelle: Zielske 1959, S. 240)
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
anders ausfallen können. Zudem kommt es auf die jeweils verfolgten Kommunikationsziele und Strategien an, ob pulsierende (z. B. bei Saisonartikeln wie Weihnachtsgebäck oder Osternaschwerk) oder kontinuierliche (bei Artikeln, die dauerhaft verfügbar sind, z. B. Grundnahrungsmittel, Waschmittel) Werbung sinnvoll ist. Vielfach sind mit zunehmender Wiederholung auch negative Effekte auf die Werbewirkung zu beobachten. So können beim Rezipienten u. U. Abwehrreaktionen oder Ermüdungserscheinungen auftreten. Erstere werden als Reaktanzen bezeichnet. Reaktanzen manifestieren sich als ein Beharren des Individuums auf seinem Standpunkt als Abwehrreaktion auf eine durch einen Beeinflussungsversuch empfundene Bedrohung der eigenen Entscheidungsfreiheit (vgl. Trommsdorff und Teichert 2011, S. 263). Letztere werden in der Literatur unter dem Begriff Wear-out-Effekte diskutiert (vgl. Mayer 1990, S. 152, 1993, S. 338 ff.). Solche negativen Wirkungen können sich in verminderten Aufmerksamkeits- und Erinnerungsleistungen, vor allem aber in einer negativen Einstellungsänderung bemerkbar machen. Großen Einfluss auf den Wear-out-Effekt hat die Verarbeitungstiefe der Rezipienten. Liegt eine konzentrierte Verarbeitungstiefe vor (z. B. bei intensivem Auseinandersetzen mit einem Anzeigentext), so führen zu viele Werbewiederholungen zu einer Verschlechterung der Einstellung gegenüber dem Werbetreibenden. Bei geringer Verarbeitungstiefe, bspw. flüchtiges Betrachten von Bildern, führen häufige Wiederholungen tendenziell zu einer positiveren Einstellung (vgl. Nordhielm 2002, S. 380). Auch bei Bannerwerbung konnten Wear-out-Effekte nachgewiesen werden (vgl. Dahlen 2001, S. 28). Determinante ist hier die Bekanntheit des Produktes. Bannerwerbung für bekannte Produkte verliert gemessen in Klickraten relativ schnell ihre Wirkung. Hingegen benötigen Banner mit unbekannten Produkten eine gewisse Wear-inZeit, also eine Gewöhnungsphase, bis sich die Werbewirkung entfaltet. Von besonderer Bedeutung bei der zeitlichen Planung der Werbung sind die Vergessenseffekte, die ohne die Darbietung neuer Werbeimpulse auftreten. Ein gewisser Teil des Werbeaufwandes wird zur Kompensation dieser und anderer Gegenkräfte (z. B. Konkurrenzwerbung) notwendig. Dieser Teil wird auch als Erhaltungswerbung bezeichnet. Darüber hinaus beeinflusst die Zahl der erforderlichen Werbeanstöße zur Auslösung einer Lernleistung die zeitliche Verteilung von Werbeschaltungen, da häufig ein einmaliger Anstoß die Wahrnehmungsschwelle der Nachfrager nicht überschreitet. An dieser Stelle zeigt sich erneut die Bedeutung eines abgestimmten Einsatzes aller Kommunikationsinstrumente, da die parallele Belegung mehrerer Medien die Erinnerungswirkung wesentlich erhöht. Von großem Interesse ist ferner die saisonale Aufteilung der Werbeschaltungen. So ist zur Weihnachtszeit i. d. R. ein deutlicher Anstieg des Werbeaufkommens zu beobachten, während in den Sommermonaten, der Urlaubssaison, eher verhalten geworben wird. In diesem Zusammenhang kann es sinnvoll sein, gegen die saisonalen Werbegewohnheiten einer Branche bewusst zu verstoßen, um besondere Aufmerksamkeitseffekte zu erzielen. Allerdings sind dabei das spezifische Kauf- und Nutzungsverhalten der Zielgruppen sowie besondere Produktmerkmale zu berücksichtigen. Die geographische Streuung beschreibt die Aufteilung des Mediabudgets auf verschiedene Kundensegmente nach geographischen Gesichtspunkten. Dabei kommt es da-
5
Mediaplanung
809
rauf an, geographische Märkte mit einem hohen Anteil der Zielpopulation zu identifizieren. Ferner ist die Frage der räumlichen und zeitlichen Platzierung von Kommunikationsmitteln innerhalb eines Werbeträgers zu beantworten. Bei der räumlichen Platzierung steht zum einen die Anordnung von Anzeigen auf einer Seite, zum anderen die Platzierung einer Anzeige innerhalb eines Werbeträgers im Vordergrund. Die Ergebnisse empirischer Studien lassen keine eindeutigen Empfehlungen für die Entscheidung, ob eine Anzeige auf der linken oder rechten Seite einer Zeitschrift wirksamer ist, zu (vgl. Kroeber-Riel und Esch 2015, S. 291 ff.). Eindeutiger scheinen die Ergebnisse bezüglich der Platzierung innerhalb eines Werbeträgers zu sein. Untersuchungen bestätigen den Primacy-recency-Effekt, der besagt, dass die Anzeigen zu Beginn und zum Ende eines Werbeträgers die höchsten Erinnerungswerte aufweisen. Die Gültigkeit des Primacy-recency-Effektes konnte auch bei der zeitlichen Platzierung von Spots innerhalb eines Werbeblocks nachgewiesen werden (vgl. Pieters und Bijmolt 1997, S. 370). In der gleichen Studie wurde der sog. Reminder-Effekt bestätigt, wonach kürzere, mehrfach hintereinander geschaltete Werbespots eine höhere Erinnerungswirkung erzielen als ein längerer. Dieser Effekt wurde ebenfalls für Printanzeigen nachgewiesen. Demnach werden kleinere, auf mehreren Seiten folgende Anzeigen besser erinnert als eine große mehrere Seiten umfassende Anzeige (vgl. Singh et al. 2000, S. 24). Zudem erzielen am Ende von Werbeblocks geschaltete TV-Werbespots eine höhere Reichweite als zu Beginn geschaltete. Dies wird mit dem Zapping-Verhalten der Zuschauer erklärt. Zu Beginn von Werbung zappen Zuschauer vermehrt weg. Hingegen schalten sie gen Ende des Werbeblockes wieder zurück, um das weiterlaufende Programm nicht zu verpassen (vgl. Abschn. 4.1). Modelle zur Entscheidungsunterstützung In Theorie und Praxis findet sich zur Lösung des Mediaselektionsproblems (optimale sachliche, zeitliche und geographische Verteilung des Mediabudgets) eine Vielzahl von Modelltypen. Hierbei sind zunächst heuristische Modelle zu nennen, welche auf breite Akzeptanz in der Praxis stoßen. Heuristiken sind dabei als plausible Faustregeln zu definieren, die aus einer singulären Problemsituation abgeleitet werden. Diese Methodik zur Auswahl befriedigender Lösungen verkürzt das Entscheidungsproblem der Mediaselektion (vgl. Meffert 1975, S. 269; Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 355 ff.), ist aber aufgrund der Einfachheit in der Praxis sehr beliebt. Neben den heuristischen Ansätzen stehen Optimierungsverfahren der linearen, nichtlinearen und dynamischen Programmierung für die Streuplanung zur Verfügung (vgl. Ellinger et al. 2003, S. 11 f.). Lineare Ansätze maximieren/minimieren eine lineare Zielfunktion unter Beachtung linearer Nebenbedingungen. Der Graph einer linearen Funktion entspricht einer Geraden. Bei nichtlinearen Verfahren sind die Zielfunktion und/oder die Nebenbedingungen nicht linear. Ein allgemein gültiges Lösungsverfahren existiert nicht, sodass auf fallspezifische Lösungsansätze zurückgegriffen werden muss. Dynamische Ansätze können schließlich angewandt werden, wenn sich ein Optimierungsproblem
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8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
derart in Stufen aufteilen lässt, dass die Lösung jeder Stufe nur vom Ergebnis der vorherigen abhängig ist. Mediaselektionsmodelle auf Basis der Optimierungsverfahren haben meist den schwerwiegenden Nachteil, dass sie von dem Wirkungsmaß der Kontaktsumme ausgehen. Dieses Maß sagt jedoch wenig über die tatsächliche Reichweite, die Kontakthäufigkeit, die -verteilung und die -qualität aus, sodass die Kontaktsumme als Zielkriterium der Mediaselektion nicht geeignet ist. In der Praxis sind Optimierungsmodelle deshalb kaum von Bedeutung. Wesentlich verbreiteter sind einfache Mediaplanungsunterstützungstools, wie sie bspw. im Servicebereich von Verlagshomepages zu finden sind.
5.2.5 Media-Detailplanung Nachdem die wesentlichen Weichen zur Ausgestaltung der Mediaplanung gestellt sind, kann sich der Media-Detailplanung gewidmet werden. Die Mediaziele und -zielgruppen wurden bestimmt, und das Mediabudget wurde zeitlich und geographisch auf die relevanten Werbeträgergruppen und Werbeträger verteilt. Die tatsächliche Umsetzung wird letztlich in der Media-Detailplanung betrachtet. Die Media-Detailplanung basiert auf einem Zeitraum von maximal einem Kalenderjahr und wird i. d. R. im letzten Quartal vor dem neuen Geschäftsjahr bestimmt (vgl. Hofsäss und Engel 2003, S. 218). Zweifelsohne kann es zur Modifikation der Mediapläne kommen. Eine frühzeitige Planung hat jedoch zwei wesentliche Vorteile. Zum einen gilt es, mögliche Rabatte der Medienanbieter weitreichend nutzen zu können. Zum anderen spielt die Zeit eine wichtige Rolle bei der Platzierung. Beliebte Platzierungen z. B. in großen Tageszeitungen oder bei Fernsehwerbung sind schnell belegt, weswegen eine frühzeitige Planung unabdingbar ist. Oftmals werden beliebte Werbeblockfenster bei der Erstvergabe um ein Vielfaches überbucht, und es kommt im Nachhinein zur Zuteilung der Werbezeiten (vgl. Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 335). I. d. R. werden im Rahmen der Media-Detailplanung verschiedene Alternativpläne aufgestellt. So werden nach der Rangreihung maximal möglicher Frequenzen im Werbezeitraum und auf Basis des festgelegten Budgets Planvarianten erstellt und entweder über den Werbemittel- oder über den Werbeträgerkontakt evaluiert. Wie bereits bei den Mediazielen definiert, sind die Reichweite und die Durchschnittskontakte die wichtigsten Evaluierungskriterien. Doch auch die Kosten je Nutzer (z. B. Tausend-Kontakt-Preise) und die Gesamtkosten des Mediaplanes beeinflussen die finale Entscheidung des werbetreibenden Unternehmens, welches letztlich über die Verabschiedung des Mediaplanes entscheiden muss. Mit der Freigabe des Mediaplanes ist der Prozess der Mediaplanung abgeschlossen und der Einkauf der Medialeistungen beginnt (vgl. Bruhn 2013, S. 355). Abb. 73 illustriert beispielhaft einen Mediaplan für ein fiktives Unternehmen.
Unternehmen X AG
Ew.
wö./do.
wö./mo.
Stern
Wirtschaftswoche
wö.
wö.
RTL
Sat. 1
Februar
x
x
x
x x
x
x
x
x
x
x
3509,4 x x x x x x x x
8578,8 0 0
8578,8
Summe Einkauf
Summe Gesamt
6326,9
März
April
Mai
Juni
Juli
August
September
Oktober
November
X-1
Dezember
n. n.
Planung
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
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x x
x x
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x x x x x x x x x x x x
x
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x
x
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x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x x x x x x x x x
x
x
Mediaplanung
Abb. 73 Beispiel Mediaplan
Januar
Projektnr.:
Agentur:
Status:
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52
950,2 x
1867,3
Summe Planung
24
6
12
2251,9
981,4
251,2
512,6
506,7
Summe Freigabe
Summe F
wö.
Pro 7
Fernsehsender (F)
Summe PZ
6
wö./mo.
Focus
24
12
wö./mo.
Der SPIEGEL
12
Freq. Kosten in Tsd.
Produktmarke X
Publikumszeitschriften (PZ)
Werbeträger
Kalenderwoche
Monat
Projekt:
Geschäftsbereich: Division XY
Unternehmen
Mediaplan Produktmarke X 2011
5 811
812
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
6 Gestaltung der kommunikativen Botschaft Die Aufgabe der Kommunikationsbotschaft besteht darin, die intendierten Botschaftsinhalte des Anbieters mit der von ihm gewünschten Wirkung an den Empfänger heranzutragen. Als problematisch erweist sich dabei, dass der Empfänger der Botschaft i. d. R. nur einen äußerst kurzen Moment ausgesetzt ist. Daher muss bei der Gestaltung der Botschaft darauf geachtet werden, dass die gewünschten Inhalte in sehr kurzer Zeit (1 bis 2 s) vermittelt werden können. Um dies zu gewährleisten, ist ein Verständnis der beim Rezipienten ablaufenden Prozesse erforderlich. Die Wahrnehmung und Bewertung der Botschaft ist entscheidend davon abhängig, wie gut die Marke des Anbieters als Absender der Botschaft im Gehirn des Nachfragers verankert ist. Diese Verankerung sollte möglichst umfassend sein, auch wenn Objekte wie Marken weder ganzheitlich wahrgenommen noch ganzheitlich gespeichert werden. Dennoch sollte die Verankerung neben der Markenbekanntheit, dem Markennamen und Markenzeichen ein fest verankertes, wertendes Vorstellungsbild von der Marke, das Markenimage, und das antizipierte Markenerleben beinhalten (vgl. Bielefeld 2012, S. 153 f.).
6.1 Verhaltenswissenschaftliche Grundlagen der Botschaftsgestaltung Wichtige Teilprozesse der Kommunikationswirkung, deren Kenntnis eine gezielte Botschaftsgestaltung erleichtern, sind in Abb. 74 dargestellt. Die Wahrnehmung ist eine wichtige Stufe im Kommunikationsprozess, da ohne sie keine Kommunikationsbotschaft verarbeitet, gelernt und erinnert werden kann. Die Aufmerksamkeit stellt einen wesentlichen Bestandteil dieser Wahrnehmungswirkung dar, da sie die Bereitschaft eines Individuums kennzeichnet, Reize aus seiner Umwelt aufzunehmen. Diese ist maßgeblich vom Involvement, also dem Interesse und Engagement des Nachfragers für einen Meinungsgegenstand, abhängig (vgl. Bruhn 2015, S. 503 ff.). Die Verarbeitung der Botschaft erfolgt in Form aktivierender und kognitiver Prozesse, die nicht getrennt voneinander ablaufen, sondern sich gegenseitig beeinflussen. Die Botschaftsverarbeitung ist ebenfalls eine wichtige Stufe innerhalb des Kommunikationsprozesses, da bei einem großen Teil der kommunikativen Informationen das Verstehen auf Seiten des Empfängers vorausgesetzt wird. Es handelt sich dabei um Informationen, die sich der Nachfrager bewusst vergegenwärtigen muss und verständig übernehmen soll (kognitive Prozesse). Neben dem reproduzierbaren Wissen (bspw. Preis- und Produktinformationen) zählt auch der Markenname oder die Bezugsquelle (z. B. bestimmte Vertriebsform) zu den sachlichen Informationen, die dem Empfänger vermittelt werden sollen. Neben diesem Produktwissen sind emotionale Bestandteile der Kommunikationsbotschaft von besonderer Bedeutung für die Kommunikationswirkung. Emotionen sind im Rahmen der Neurowissenschaften als komplexe, stereotypische Reaktionsmuster zu verstehen. Zu ihnen gehören sowohl primäre und sekundäre als auch Hintergrundemotionen.
6
Gestaltung der kommunikativen Botschaft
813
Kommunikationsbotschaft Wahrnehmung (Aufmerksamkeit)
kognitive Prozesse
aktivierende Prozesse
Informationsaufnahme
Emotionen
Informationsverarbeitung
Motive
Informationsspeicherung Image
affektive Ebene
kognitive Ebene konative Ebene Kaufabsicht
situative Einflüsse (z. B. PoS-Gestaltung, Produktverfügbarkeit) Kaufhandlung
Abb. 74 Teilprozesse der Kommunikationswirkung (Quelle: In Anlehnung an Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 52 f.; Trommsdorff und Teichert 2011, S. 127)
In Abgrenzung hierzu bezeichnen Gefühle sensorische Muster, die Schmerz, Lust und Emotionen signalisieren. Diese werden letztlich zu Vorstellungen (vgl. Damasio 2011, S. 67). Emotionen stehen ebenfalls in enger Verbindung zu Motiven. Motive richten das menschliche Verhalten auf ein bestimmtes Ziel aus und versorgen es mit „Energie“. Die Tatsache, dass Motive situationsabhängig relevant werden, führt zur Frage nach den für das jeweilige Kaufverhalten wichtigsten Motiven. Es ergibt sich für eine konkrete Kommunikationskampagne z. B. ein Entscheidungsbedarf, ob in der Werbung mehr auf den Prestigeeffekt der Produkte oder auf deren Funktionalität abgestellt werden soll. Es zeigt sich, dass Emotionen und Motive erheblichen Einfluss auf das menschliche Verhalten haben (vgl. hierzu zweites Kapitel). Je emotionaler Markenassoziationen geprägt sind, speziell in der Gestaltung der Kommunikationsbotschaft, desto stärker wird in der Einkaufssituation das Markennutzenversprechen wahrgenommen. Dies führt zu einer höheren Glaubwürdigkeit und damit auch zu einer höheren Kaufwahrscheinlichkeit (vgl. Bielefeld 2012, S. 201).
814
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Rationale und emotionale Komponenten der Kommunikationsbotschaften verdichten sich zu einem Image. Das Image ist ein mehrdimensionales Konstrukt, das die subjektiven Assoziationen und Bewertungen eines Bezugsobjektes (z. B. Marke) in ganzheitlicher Form zusammenfasst (vgl. Trommsdorff und Teichert 2011, S. 133). Das Image kann sowohl aus sprachlichen als auch aus bildlichen Teilen bestehen. Dem Image vorgelagert ist die Bekanntheit. Images erlauben es dem Individuum, in ungewohnten Situationen rasch zu einer Beurteilung der Situation zu kommen. Das Image gilt unter allen Konstrukten zur Erklärung des Kaufverhaltens als das mit der finalen Kaufentscheidung am engsten verknüpfte. Aus diesem Grunde zielen die meisten kommunikationspolitischen Aktivitäten der Unternehmen auf die Beeinflussung des Images ab. Allerdings kann die Kommunikation nicht als alleinige Ursache von Kaufhandlungen aufgefasst werden. Zwischen werblichen Wirkungen und Kaufhandlungen liegen zu viele zusätzliche absatzpolitische Einflüsse (z. B. die Art der Distribution, das Händlerverhalten am Point of Sale, die Preishöhe etc.), um einen monokausalen Zusammenhang zu unterstellen. Die Kommunikation ist deswegen zumeist nur in der Lage, Prädispositionen bzw. Verhaltensabsichten zu schaffen. Ob die Verhaltensabsicht schließlich tatsächlich zum Kauf führt, ist neben den eigenen absatzpolitischen Maßnahmen von zahlreichen situativen Einflüssen abhängig (z. B. Wettbewerbsreaktionen, Produktverfügbarkeit, Zeitdruck etc.). Die beschriebenen Teilprozesse der Kommunikationswirkung sind nicht eindeutig abgrenzbar, da die Art der eintretenden Wirkung durch eine Reihe von Einflussfaktoren bestimmt wird (vgl. Abb. 75). Bei den Einflussfaktoren handelt es sich zunächst um die Personenqualität des Empfängers, die seine Fähigkeit beschreibt, Kommunikationsbotschaften aufzunehmen und Personenqualität
Senderqualität
Kommunikationswirkung
Kommunikationsmittelqualität
Abb. 75 Einflussfaktoren der Kommunikationswirkung
Situationsqualität
Kommunikationsträgerqualität
6
Gestaltung der kommunikativen Botschaft
815
zu verarbeiten. Jeder Mensch ist aufgrund seiner physischen und psychischen Merkmale (z. B. Prädisposition durch Erfahrungen, Erwartungen und Einstellungen) durch ein individuelles Wahrnehmungs- und Verarbeitungsverhalten bei der Botschaftsaufnahme gekennzeichnet. Darauf muss insbesondere bei der Bestimmung des Niveaus der Werbung Rücksicht genommen werden. So kann bspw. bei Werbung in Fachzeitschriften ein höherer Informationsgehalt vermittelt werden als bei Plakatwerbung. Das heißt die Werbebotschaft muss zielgruppenadäquat gestaltet werden, hierzu müssen auch Bedürfnisse, Motive, Interessen und Lebensstile der Zielgruppen berücksichtigt werden (vgl. Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 218). Neben den spezifischen empfängerbedingten Faktoren ist die Kommunikationswirkung auch von der Senderqualität abhängig. Wesentliche Einflussgröße ist insbesondere die Glaubwürdigkeit des Absenders. Diese kann jedoch ihrerseits von der Gestaltung der Werbebotschaft und dem gewählten Medium beeinflusst werden. Ebenso bestimmt die Kommunikationsträgerqualität den Wirkungserfolg. Sie kennzeichnet die Eignung von Medien, Kommunikationsbotschaften zu transportieren. Unterschiede bestehen zum einen zwischen einzelnen Trägergruppen, z. B. Zeitschriften und TV (intermediale Unterschiede), zum anderen zwischen spezifischen Kommunikationsträgern, z. B. zwei TV-Sendern (intramediale Unterschiede). Zu den relevanten Unterscheidungsmerkmalen zählen unter anderem das Image des Kommunikationsträgers, der psychologische Fit von Empfänger und Medium, die Glaubwürdigkeit des Trägers sowie die Medienpräferenzen der Empfänger. Die Kommunikationsmittelqualität stellt eine weitere wichtige Einflussgröße dar. Darunter wird die Summe der formalen und inhaltlichen Kriterien, welche die Gestaltung der Kommunikationsbotschaft ausmachen, verstanden. Es ist also für das werbende Unternehmen von großer Bedeutung, dass die Gestaltung der Botschaft professionell erfolgt. Dabei sind sowohl die Glaubwürdigkeit der Botschaft als auch die vom Empfänger wahrgenommene Beeinflussungsabsicht des Senders von Bedeutung für die Qualitätseinschätzung (vgl. Bruhn 2015, S. 506 ff.). Die spezifischen Situationsfaktoren nehmen ebenfalls Einfluss auf die Kommunikationswirkung und bestimmen die Situationsqualität, die insbesondere durch die Begleitumstände der Botschaftsaufnahme gekennzeichnet ist. Zu den Situationsfaktoren gehören z. B. der gestörte oder ungestörte, individuelle oder kollektive, beabsichtigte oder unbeabsichtigte Empfang der Botschaft. Darüber hinaus sind neben vielen anderen Faktoren Zeitdruck, Ablenkungseffekte oder Gruppeneinflüsse von hoher Bedeutung für die Werbewirkung. Vor diesem Hintergrund wurden zahlreiche Wirkungsstufenmodelle entwickelt, die die aufgezeigten Teilprozesse in hierarchischer Form strukturieren. Als Ursprungsmodell gilt das auf Lewis zurückgehende AIDA-Modell. Dieses strukturiert den Prozess der Kommunikationswirkung in die vier Stufen Attention, Interest, Desire und Action (Aufmerksamkeit, Interesse, Begierde und Handlung). In der Folge wurden weitere Modelle
816
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
entwickelt, die eine unterschiedliche Betonung der einzelnen Wirkungsteilprozesse vornehmen. Diese sind in Tab. 34 aufgeführt. Allen Modellen gemein ist die Tatsache, dass sie die Bedeutung der psychographischen Größen für den ökonomischen Erfolg aufzeigen. Negativ hingegen ist zu bewerten, dass eine strenge Wirkhierarchie unterstellt wird, die so nicht existiert. Stattdessen laufen die tatsächlichen Informationsverarbeitungsprozesse keineswegs in einer immer gleichen, klar hierarchisch abgestuften Form ab (vgl. Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 204 f.; Bielefeld 2012, S. 52 ff.). Dies wird im Folgenden am Beispiel des Modells der Werbewirkungspfade verdeutlicht. Im Modell der Wirkungspfade (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 633 ff.) sind die zentralen Determinanten der Kommunikationswirkung die Art der Werbung und das Involvement der Nachfrager. Werbung wird als informativ bezeichnet, wenn die Vermittlung von Informationen im Vordergrund steht, und als emotional, wenn die Vermittlung von Emotionen im Mittelpunkt steht (vgl. Abschn. 6.3). Ferner wird unterstellt, dass ein hohes Involvement mit einer hohen Aufmerksamkeit und entsprechend ein geringes Involvement mit einer niedrigen Aufmerksamkeit einhergeht (vgl. Bruhn 2015, S. 504 f.). Je nach Kombination der Wirkungsdeterminanten ergeben sich unterschiedliche Wirkungsmuster. Die Wirkungsmuster beziehen sich auf die ausgelösten kognitiven und emotionalen Vorgänge, die die Einstellung beeinflussen und sich letztendlich auf das (Kauf-)Verhalten auswirken (Wirkungspfad). Im Rahmen des Wirkungspfades von informativer Werbung und hohem Involvement (vgl. Abb. 76, links) wird eine dargebotene informative Kommunikationsbotschaft aufgrund des hohen Involvements des Nachfragers auf eine starke Aufmerksamkeit treffen. Diese Wirkung löst kognitive Vorgänge aus, in deren Folge sich Einstellungen und Kaufabsicht entwickeln, die schließlich im Kauf münden. Dieser dominante Wirkungspfad kann flankierend durch emotionale Vorgänge begleitet werden, da bei involvierten Empfängern durch die vermittelten Informationen vorhandene Bedürfnisse angesprochen und so Emotionen ausgelöst werden. Relevant ist dieser Wirkungspfad z. B. im Fall einer Werbedarbietung für ein Medikament, die ein interessierter Facharzt liest. Beim Wirkungspfad von informativer Werbung und geringem Involvement (vgl. Abb. 76, rechts) sind Empfänger wenig involviert, sodass die informative Beeinflussung einen vollständig anderen Verlauf nimmt. Die schwache Aufmerksamkeit und die daraus resultierende geringe kognitive Verarbeitungstiefe lässt nur die Vermittlung leicht verständlicher Informationen zu. Demnach müssen bspw. Innovationen im Waschmittelsektor dem Verbraucher in einfacher Weise erklärt werden. Einstellungen können unter diesen Voraussetzungen nicht gebildet werden. In der Kaufphase genügt das Wiedererkennen eines Teiles der Informationen, um den Nachfrager zum Kauf zu veranlassen. Erst in der Nachkauf-Phase bilden sich dann die Einstellungen zum Produkt. Im Rahmen des Wirkungspfades von emotionaler Werbung und hohem Involvement (vgl. Abb. 77, links) löst emotionale Werbung aufgrund der mit dem hohen Involvement verbundenen starken Aufmerksamkeit zunächst vorrangig emotionale Vorgänge aus.
Emotionale Vorgänge Einstellung Comprehension and Image
Kenntnis
Kognitive Vorgänge Aware
Aufmerksamkeit
Interest
Einverständnis mit Behalten der der Schlussfolgerung neuen Einstellung Desire
Image
Nutzen (erwartet)
Attitude
Präferenz
Kaufabsicht
Conviction
Bekanntheit
Liking
Preference
Knowledge
Awareness
Action
Kauf
Verhalten auf Basis der neuen Einstellung Action
Handlung
Purchase
Action
Comprehension
Awareness
Conviction
Stufe VI Willenswirkung
Stufe V Gedächtniswirkung
Stufe II Stufe III Aufmerksamkeitswirkung Vorstellungswirkung
Stufe I Sinneswirkung
Stufe IV Gefühlswirkung
Ökonomische Zielgrößen
Psychographische Zielgrößen
Rosenstiel 1969, Attention S. 236 f. Kroeber-Riel Aufmerksamkeit 1992, S. 620 ff. Batra et al. Unaware 1996, S. 131
Seyffert 1929, S. 62, 1952, S. 151 Colley 1961, S. 61 Lavidge und Steiner 1961, S. 51 ff. Fischerkoesen 1967, S. 24 McGuire 1969, S. 6
Autoren
Tab. 34 Stufenmodelle der Kommunikationswirkung in der Literatur (Quelle: In Anlehnung an Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 217)
6 Gestaltung der kommunikativen Botschaft 817
818
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen Wirkungspfad bei informativer Werbung und hoch involviertem Nachfrager
Wirkungspfad bei informativer Werbung und wenig involviertem Nachfrager
Werbekontakt
Werbekontakt
schwache Aufmerksamkeit
starke Aufmerksamkeit
schwache Aufmerksamkeit
starke Aufmerksamkeit
kognitive Vorgänge
emotionale Vorgänge
kognitive Vorgänge
emotionale Vorgänge
Einstellung
Einstellung
Kaufabsicht
Kaufabsicht
Verhalten
Verhalten
zentraler Pfad der Verarbeitung peripherer Pfad der Verarbeitung
Abb. 76 Wirkungspfade informativer Werbung (Quelle: In Anlehnung an Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 632)
Diese Prozesse wirken nun ihrerseits auf die kognitiven Vorgänge. Der involvierte Rezipient verfügt i. d. R. über Produktkenntnisse (kognitive Ebene). Die emotionalen Eindrücke werden mit den bekannten Produkteigenschaften assoziiert, und sowohl die emotionalen als auch die kognitiven Vorgänge führen zur Einstellungsbildung und im Idealfall zum Kauf. Diese Konstellation tritt z. B. dann auf, wenn ein sehr modebewusster Käufer die emotional orientierte Prestigewerbung eines bekannten Modeschöpfers sieht. Im Wirkungspfad von emotionaler Werbung und geringem Involvement (vgl. Abb. 77, rechts) wirkt emotionale Werbung, die sich an wenig involvierte Nachfrager richtet, in erster Linie nach den Gesetzmäßigkeiten der emotionalen Konditionierung. Somit muss die Werbung durch häufige Wiederholung eine emotionale Bindung zum beworbenen Produkt herstellen (vgl. Bruhn 2015, S. 516 f.). Dies wird z. B. häufig in der stark emotionalisierten Zigarettenwerbung oder in der früheren Werbekampagne des Unternehmens Saturn („Geiz ist geil“) versucht. Auf diese Weise können auch Impulskäufe ausgelöst werden (gepunktete Linie). So führt eine Wiederholung von Wahrnehmungen zu einer stabilen Gedächtnisrepräsentation. Diese trägt jedoch nicht besonders zur Bedeutung der Information oder dem Involvement des Nachfragers bei. Diese hängt neben der häufigen Wiederholung vor allem von der Verarbeitungstiefe ab (vgl. Bielefeld 2012, S. 163).
6
Gestaltung der kommunikativen Botschaft Wirkungspfad bei emotionaler Werbung und hoch involviertem Nachfrager
819 Wirkungspfad bei emotionaler Werbung und wenig involviertem Nachfrager
Werbekontakt
Werbekontakt
schwache Aufmerksamkeit
starke Aufmerksamkeit
schwache Aufmerksamkeit
starke Aufmerksamkeit
kognitive Vorgänge
emotionale Vorgänge
kognitive Vorgänge
emotionale Vorgänge
Einstellung
Einstellung
Kaufabsicht
Kaufabsicht
Verhalten
Verhalten
zentraler Pfad der Verarbeitung peripherer Pfad der Verarbeitung
Abb. 77 Wirkungspfade emotionaler Werbung (Quelle: In Anlehnung an Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 632.)
Die dargestellten Wirkmuster sind idealtypisch. In der Praxis treten häufig Mischformen von emotionaler und informativer Werbung auf, die wesentlich komplexere Reaktionen auslösen (vgl. Bruhn 2015, S. 49). Besondere Relevanz erhält das Modell der Wirkungspfade dadurch, dass nicht von einer einzigen Wirkungsabfolge der Kommunikationsbotschaft ausgegangen wird. Die Verarbeitung der Kommunikationsbotschaft ist vielmehr von vielen verschiedenen Determinanten abhängig. Die Relevanz der als maßgeblichen Einflussgrößen festgelegten Größen Involvement und Art der Werbung konnte in mehreren empirischen Studien bestätigt werden (vgl. Norris et al. 2003, S. 604; Chang 2004, S. 189; Edson Escalas 2004, S. 45; Coulter 2005, S. 47; Chandy et al. 2001, S. 25 ff.).
6.2
Gestaltung der Botschaftsform
Die Verwendung bzw. Kombination von Zeichen ist Gegenstand der formalen Botschaftsgestaltung, wobei die Verwendung von Bildern, die Typographie, die Sprache und die Verwendung von Farben dabei die zentralen Gestaltungsmerkmale darstellen.
820
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Der Verwendung von Bildern kommt beim Gestalten der Botschaftsform eine zentrale Bedeutung zu (vgl. Bruhn 2015, S. 507 ff.). Bilder sind allen anderen Gestaltungselementen überlegen. Im Rahmen der Imagery-Forschung, die sich mit den Wirkungen von informativen und emotionalen Bildern auf das Verhalten der Nachfrager beschäftigt, und weiteren empirischen Studien ist die hohe Erfolgswirkung von Bildern in der Werbung wiederholt bestätigt worden (vgl. Kroeber-Riel 1996). Speziell groteske Bilder führen zu einer Weitergabe über Erzählungen der Nachfrager untereinander, auch unter dem Begriff Word-of-Mouth bekannt (vgl. Phillips und McQuarrie 2010, S. 368 ff.). Bilder werden aufgrund ihres höheren Informationsgehaltes bei Werbeanzeigen i. d. R. zuerst betrachtet und aufgenommen (Reihenfolgeeffekt), womit ihnen eine tendenziell höhere Werbewirkung zugesprochen werden kann. Darüber hinaus ist der Anteil nicht beachteter Informationen geringer, wenn die Informationen in Form von Bildern dargeboten werden. Der mögliche Abbruch eines Werbemittelkontaktes trifft besonders die nachfolgenden Textinformationen, während Bilder aufgrund ihrer „Blickfangwirkung“ noch wahrgenommen werden. Bilder verarbeitet das Gehirn weitgehend automatisch und mit geringerer gedanklicher Anstrengung als sprachliche Reize. Der Grund hierfür wird in der doppelten Codierung von Bildern gesehen, da sie sowohl eine bildliche Vorstellung als auch eine sprachliche Assoziation auslösen. So kann bspw. ein Bild von mittlerer Komplexität in ca. 1,5 bis 2,5 s so aufgenommen werden, dass es später wiedererkannt wird. In der gleichen Zeit können jedoch nur ca. fünf bis zehn Wörter aufgenommen werden (je nach Leseerfahrung), die im Allgemeinen wesentlich weniger Informationen über einen Sachverhalt vermitteln und ausdrucksschwächer sind als ein Bild. Somit können Bilder auch als „schnelle Schüsse ins Gehirn“ bezeichnet werden (vgl. Kroeber-Riel und Esch 2015, S. 239). Weiterhin verfügen Bilder im Allgemeinen über ein höheres Aktivierungspotenzial als Texte, d. h. Bilder können bei Personen zu einem größeren Maß an innerer Erregung führen (vgl. Bruhn 2015, S. 508 ff.). Dies hat positive Auswirkungen auf die Wahrnehmungswahrscheinlichkeit und die Verarbeitung von Informationen. Bilder werden oft als interessanter angesehen, und die Verarbeitung im Gehirn erfolgt mit geringeren gedanklichen Anstrengungen. Auch ist die Erinnerung an Bilder stärker als diejenige an Wörter. Es lässt sich folgende Reihenfolge formulieren: „Reale Objekte werden besser erinnert als Bilder. Bilder werden besser erinnert als konkrete Worte. Konkrete Worte werden besser erinnert als abstrakte Worte“ (Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 302). Dennoch kann ein pauschaler Einsatz von Bildern nach dem Motto „je größer, desto besser“ nicht empfohlen werden. Empirische Ergebnisse weisen darauf hin, dass eine große Textfläche, unabhängig von der typographischen oder inhaltlichen Gestaltung, eine vergleichsweise hohe Aufmerksamkeit erregt, die den durch die Verkleinerung des An-
6
Gestaltung der kommunikativen Botschaft
821
zeigenteiles für Bilder erlittenen „Aufmerksamkeitsverlust“ überkompensieren kann (vgl. Pieters und Wedel 2004, S. 48). Die Verwendung von Farbe spielt in der Gestaltung der kommunikativen Botschaft ebenfalls eine zentrale Rolle (vgl. Bruhn 2015, S. 494 f.). Dabei werden im Bereich der klassischen Medienwerbung der Farbe die Funktionen Aufmerksamkeitsweckung, realitätsnahe Darstellung, Identifizierungshilfe sowie Prägung eines Bildeindruckes (bspw. „Grün für Hoffnung“) zugesprochen (vgl. Küthe und Küthe 2002, S. 127 ff.). In welchem Ausmaß Farben die Effektivität von Botschaften verbessern, kann nicht allgemeingültig beurteilt werden, da Untersuchungen in diesem Bereich widersprüchliche Ergebnisse zeigen. Dass ein Einfluss auf den Werbeerfolg durch die Farbwahl besteht, ist jedoch unbestritten. Allgemein scheint festzustehen, dass farbige Werbemittel positiv auf die Aufmerksamkeit wirken, mehr Nutzer ansprechen und nachhaltigere Gedächtnisleistungen auslösen. Die Wahl geeigneter Schrifttypen sowie die räumliche Aufteilung und Gliederung von Texten im Rahmen der typographischen Gestaltung der Werbebotschaft sollte unter Berücksichtigung von Aspekten wie z. B. der Wiedererkennbarkeit, der Lesbarkeit und der Vermittlung spezifischer Stimmungen erfolgen. Bei der sprachlichen Gestaltung von Botschaften geht es um die Verständlichkeit von Aussagen (vgl. Bruhn 2015, S. 506 ff.). Die Verständlichkeit von Texten ist abhängig von empfängerspezifischen Faktoren, wie z. B. soziale Schicht, Bildungsniveau, Interesse etc., und textspezifischen Faktoren, wie z. B. Fremdwörter, Übergänge etc. (vgl. Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 278 f.). Ferner sollte die Textbotschaft so kurz und prägnant wie möglich sein, um die Botschaftsaufnahme auch bei flüchtigem Kontakt zu gewährleisten. Zur Wahl von Stilmitteln legen empirische Ergebnisse die Verwendung von Reimen und Metaphern nahe, da diese einen positiven Einfluss auf die Erinnerungswirkung zeigten (vgl. McQuarrie und Mick 2003, S. 586). Darüber hinaus spielt die Sprache eine entscheidende Rolle. Zum Beispiel werden Slogans in der Muttersprache von den Nachfragern emotionaler wahrgenommen als solche in der ersten Fremdsprache. Zudem hängt dies davon ab, inwiefern die verwendeten Begriffe im Sprachgebrauch regelmäßig verwendet werden (vgl. Puntoni et al. 2009, S. 1012 ff.). Eine weitere Gestaltungsvariable, die Größe von Anzeigen, ist bereits sehr früh untersucht worden (vgl. Scott 1908; Jacobi 1963). Über ihre Wirkung besteht in der Literatur weitgehend Einigkeit. So kann man generell davon ausgehen, dass eine zunehmende Anzeigengröße sich positiv auf alle kommunikativen Teilprozesse auswirkt (vgl. Andresen 1988). Neuere Erkenntnisse zeigen jedoch, dass auch eine verringerte Größe mit verstärkter Wiederholung ähnlich positive Effekte auf die Werbewirkung hat (vgl. Singh et al. 2000, S. 24 ff.). Musik als gestalterische Umsetzung der Werbebotschaft wird Schätzungen zufolge in 70 bis 80 % aller im Hörfunk und Fernsehen ausgestrahlten Werbespots eingesetzt. Bspw. nutzt die Landesbausparkasse (LBS) ihren Slogan „Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause“ nicht nur als Bestandteil des Textes in Werbeanzeigen, sondern setzt diesen auch akustisch um. Dabei erreichte der Jingle, ein gesungener Slogan, der LBS in den
822
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
letzten Jahren einen hohen Bekanntheits- und Wiedererkennungsgrad und wird kontinuierlich mit gewissen Variationen eingesetzt. Hierzu ist es erforderlich, einen zielgerichteten Einsatz der Musik in Abstimmung mit den inhaltlichen Aussagen der Werbebotschaft zu gewährleisten (vgl. Bruhn 2015, S. 495 f.). Auch spezifische Tonfolgen als melodische Erkennungszeichen, wie sie bspw. von der Telekom oder BMW eingesetzt werden, finden zunehmend Verbreitung. Diese lassen sich heute als akustische Markenzeichen rechtlich schützen (§ 3(1) MarkenG). Eine empirische Studie zur Verwendung von PopMusik in der Werbung zeigte grundsätzlich eine positive Wirkung auf die Größen Aufmerksamkeit und Erinnerung. Ist die Zielgruppe besonders affin gegenüber Pop-Musik, so wird die Verwendung des Originaltextes empfohlen. Ist sie es nicht, ist ein veränderter Text ratsam (vgl. Allan 2006, S. 442). Die jeweiligen Elemente (Bilder, Farben, typographische und sprachliche Gestaltung, Anzeigengröße, Musik) sind hierbei im Rahmen der Gestaltung der Werbebotschaft auf verschiedenste Art und Weise kombinierbar. Entscheidend ist jedoch das Zusammenwirken aller Einzelreize. Diese müssen eine einheitliche Reizkonstellation bilden und sind daher ganzheitlich zu betrachten (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 513). Beispielsweise verändern Farben Geschmackseindrücke bzw. rufen bestimmte Temperaturempfindungen hervor. Zum Beispiel hat laut einer Studie die optische Gestaltung von Etiketten auf Weißweinflaschen einen Einfluss auf das Geschmackserlebnis (vgl. Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 258 f.). Multisensuale Werbung resultiert generell in einer besseren Bewertung des Geschmackes als Werbung, welche sich lediglich auf den Geschmack fokussiert (vgl. Elder und Krishna 2010, S. 748 ff.). Generell ist zu bemerken, dass Botschaften dann als komplex wahrgenommen werden, wenn sie entweder komplexe Features beinhalten oder das Design als sehr kreativ wahrgenommen wird. Während eine hohe Feature-Komplexität schlecht zur Botschafts-
Tab. 35 Eignung von Gestaltungselementen zum Einsatz innerhalb von Kommunikationsinstrumenten Klassische Werbung Out-of-Home Digitale Kommunikation Direktkommunikation Public Relations Verkaufsförderung Messen und Ausstellungen Event-Marketing Sponsoring Product-Placement In-Game-Advertising Guerilla Marketing
Bild C C C C C C C C C C C o C gut
Text C C C C C o C o C o mittel
Farbe C C C C C C C C C C C schlecht
Musik o C o o C C o
6
Gestaltung der kommunikativen Botschaft
823
vermittlung geeignet ist, führt eine hohe Design-Komplexität i. d. R. zu einer positiveren Wahrnehmung der Werbung. Dies umfasst sowohl die bessere Wahrnehmung als auch die Einstellungswirkung gegenüber der Anzeige (vgl. Pieters et al. 2010, S. 48 ff.). In Tab. 35 werden die beschriebenen Gestaltungsinstrumente anhand ihrer Eignung zum Einsatz im Rahmen der Kommunikationsinstrumente bewertet. Neben den diskutierten formalen Komponenten sind insbesondere die inhaltlichen Aspekte der Botschaftsgestaltung von zentraler Bedeutung.
6.3 Gestaltung des Botschaftsinhaltes Im Mittelpunkt der inhaltlichen Gestaltung von Werbebotschaften stehen die unmittelbaren Aussagen zum Werbeobjekt (vgl. Belz 1999, S. 7 ff.; Mayer und Illmann 2000, S. 554). Wie im vorherigen Abschnitt dargestellt, kann in Bezug auf die inhaltliche Gestaltung zwischen informativer Werbung und emotionaler Werbung unterschieden werden. Bei der informativen Ausgestaltung der Werbemittel stehen Berichte, Mitteilungen und Beschreibungen im Vordergrund, die objektive Tatbestände und Produktvorteile mitteilen. Diese Botschaftsformen kommen primär in Branchen zur Anwendung, die komplizierte Leistungen im B2B-Kontext vertreiben oder in Märkten mit einer dominant preisorientierten Kommunikation (hoher Preisdruck). Informative Gestaltung wird durch argumentative Elemente unterstützt. Dies geschieht, indem nachprüfbare Beweise erbracht werden, die zumeist wiederholt und hervorgehoben präsentiert werden. Werden hierbei in der Werbung Informationen spezieller Produktfeatures hervorgehoben, kann dies zu einer längeren Betrachtung der Werbung führen. Eine längere Betrachtung hervorgehobener Produktfeatures erhöht den Umsatz des zugrunde liegenden Produktes (vgl. Zhang et al. 2009, S. 669 ff.). Insbesondere in Märkten, die durch einen hohen Kommunikationswettbewerb geprägt sind, zeigen emotionale Inhalte eine starke Wirkung bei der Erregung von Aufmerksamkeit auf Seiten der Nachfrager. Besonders zuverlässig wirken in diesem Zusammenhang Schlüsselreize, die biologisch vorprogrammierte Reaktionen auslösen und die Rezipienten weitgehend automatisch aktivieren (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 81 ff.). Werden gezielt immer die gleichen Emotionen beim Rezipienten adressiert, werden diese ein fester Bestandteil der Erfahrungen mit der Marke. Immer, wenn die Marke wahrgenommen wird, wird die spezifische, damit verlinkte Emotion ebenfalls aufgerufen und als Gefühl aktiviert. Die emotionale Erinnerung ist demnach dem bewusstseinsfähigen Gedächtnis zugänglich (vgl. Bielefeld 2012, S. 143). Bei der Vermittlung emotionaler Botschaften kommt der Verwendung von Bildern besondere Bedeutung zu. Inhaltlich lassen sich Bilder wie folgt einsetzen: Schemata Testimonials Humor Produkterlebnisse
824
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Die effektivste Methode, eine Botschaft bildlich zu übermitteln, stellen Schemata dar. Ein Schema greift auf vorhandene Gedächtnisstrukturen zurück, sodass bei Kontakt mit einem dargestellten Schema beim Rezipienten reflexartig eine Reaktion erfolgt. Es besteht aus standardisierten Vorstellungen darüber, wie ein Sachverhalt typischerweise aussieht. Ein Schema steuert die Wahrnehmung, vereinfacht Denkvorgänge und organisiert die Informationsspeicherung. Demnach wird es als grundlegender Baustein der menschlichen Informationsverarbeitung angesehen (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 316 ff.). Schemata haben sowohl einen standardisierten als auch einen individuellen Charakter. Durch die Inhalte der Informationen und durch die Art der Vermittlung, also etwa visuelle Reize von allgemein verstandenen Zeichen, z. B. im Rahmen einer Werbeanzeige, sind Schemata standardisiert. Andererseits werden sie jedoch subjektiv verarbeitet. Hierzu werden die individuellen Erfahrungen des Nachfragers und die hierdurch und durch Bedürfnisse und Erwartungen beeinflussten Bewertungen herangezogen (vgl. hier-
Abb. 78 Beispielhafter Einsatz von Prominenten in der Werbung (Quelle: PETA Deutschland e. V. 2015)
6
Gestaltung der kommunikativen Botschaft
825
zu ausführlich Bielefeld 2012, S. 74 ff.). Bei den meisten Menschen vorhandene Schemata sind z. B. das sog. „Kindchenschema“ oder das „Busenschema“. Die Verwendung von Testimonials in der Werbung ist vor allem damit zu begründen, dass viele in Kommunikationsmitteln dargestellte Verhaltensweisen durch Nachahmung von anderen Personen gelernt werden (Imitation). Bei den Zielpersonen der Kommunikation sollen so Prozesse ausgelöst werden, die eine Identifikation mit den handelnden Personen und deren Aussagen zu dem beworbenen Produkt ermöglichen. Bei den in der Werbung dargestellten Personen wird zumeist zwischen Prominenten, Experten und typischen Verwendern unterschieden (vgl. Mayer und Illmann 2000, S. 595). Während durch Prominente vor allem die Möglichkeit eines Bekanntheits- und Imagetransfers auf das Produkt genutzt werden soll (vgl. Abb. 78), sind Experten durch ihre hohe wahrgenommene Objektivität geeignet, die Glaubwürdigkeit der Botschaft zu unterstreichen. Ähnliche Wirkungen verspricht man sich von der Darstellung typischer Verwender, die zur Zielgruppe gehören (vgl. Abb. 79). Im Idealfall kann die Funktion Prominenter, Experten und typischer Verwender in einer Person zusammengefasst werden. Wichtig für den Kommunikationserfolg ist dabei vor allem die markenexklusive Verwendung einer Person (Model), sei es als Prominenter, Experte oder typischer Verwender. Der ubiquitäre Einsatz von Franz Beckenbauer in zahlreichen Kommunikationskampagnen kann diesbezüglich als ein Beispiel dafür dienen, wie man es nicht machen sollte.
Abb. 79 Beispielhafter Einsatz von typischen Verwendern in der Werbung (Quelle: Unilever Deutschland GmbH 2015)
826
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Abb. 80 Beispiel für Humor in der Werbung (Quelle: Carlsberg Deutschland Markengesellschaft mbH 2015)
Humor in der Werbung wird oft mit Witz, Wortspiel, Ironie, Übertreibung, Überraschung etc. assoziiert (vgl. Abb. 80). Eine empirische Überprüfung zeigt, dass Humor zu einer positiven gefühlsmäßigen Einstellung gegenüber der Kommunikationsbotschaft beiträgt. Hingegen hat Humor in der Werbung keinen positiven oder negativen Einfluss auf die gedankliche Verarbeitung der Werbung (vgl. Eisend 2009, S. 191 ff.). Elementar ist dabei jedoch die Verknüpfung des humoristischen Effektes mit dem zentralen Nutzenversprechen des Kommunikationsobjektes. Geschieht dies nicht, amüsiert sich der Rezipient „köstlich“, kann sich bei aller Heiterkeit aber nicht daran erinnern, von wem die Botschaft kam (Absenderidentifikation) und was ihm eigentlich vermittelt werden sollte. Besonders häufig werden emotionale Produkterlebnisse zur Differenzierung eingesetzt (vgl. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, S. 162 ff.). Dabei versteht man unter einem emotionalen Erlebnis den subjektiv erlebten, durch das Produkt und/oder die
7
Integrierte Erfolgsmessung in der Kommunikationspolitik
827
Kommunikationsbotschaft vermittelten Beitrag zur Lebensqualität des Nachfragers. Zu möglichen inhaltlichen Erlebniswerten von Botschaften können Liebe, Glück, Geborgenheit, Frische, Natur, Entspannung etc. gezählt werden. Mit dieser Konzeption wird letztlich der Aufbau eines unverwechselbaren Erlebnisprofils durch die Vermittlung typischer, mit einer Marke verbundener, Erlebnisse vorgenommen. Die visuelle Umsetzung erfolgt häufig mithilfe eines Schlüsselbildes, das auf einem Schema beruhend den bildlichen Erlebniskern bildet und das langfristige Leitmotiv der Botschaftsgestaltung darstellt. Ein gutes Beispiel ist der Marlboro Cowboy oder das Beck’s Segelschiff. Zur Themenvertiefung finden sich weitere Möglichkeiten der Gestaltung von Botschaftsform und -inhalt unter anderem bei Kroeber-Riel und Esch (2015, S. 205 ff.)
7 Integrierte Erfolgsmessung in der Kommunikationspolitik Auch die Kommunikationspolitik muss dazu beitragen, die Marketingziele zu erreichen und Marketing Assets zu generieren. Im Mittelpunkt stehen die Beziehungen zu Kunden und anderen Stakeholdern (vgl. Abb. 81). Die Kommunikationspolitik hat eine große Bedeutung für den proaktiven Aufbau und den Erhalt dieser stark emotional aufgeladenen Beziehungen.
Kommunikationspolitischer Planungsprozess Output: Marketing Assets
Input
Marktattraktivität
MBV
Marktliche Vermögenswerte
(z. B. Kommunikationswettbewerb, Share of Advertising)
Analyseperspektive
Operative Umsetzung (z. B. Erstellen des Mediaplanes)
Strategische Entscheidungen
Gesellschaftliche Vermögenswerte
(z. B. Festlegen der Copy Strategie)
Kosten + Investitionen (z. B. Schaltkosten, Gesamtbudgethöhe)
CBV
Nachfragerbeziehungen
Ressourcen + Kompetenzen (z. B. Markenidentität)
– Bekanntheit als Grundvoraussetzung – Stärken des Brand Equitys durch Aufbau eines positiven Markenimages – Erhöhen des Customer Lifetime Value durch Bestätigung und Bindung des Kunden
Stakeholderbeziehungen
– Unterhaltung durch Werbung, Events, Sportsponsoring – Festigung des Werte- und Normensystems – Erhalt von kulturellen Einrichtungen durch Sponsoring – Empowerment sozialer Einrichtungen durch Sozialsponsoring
Ökologische Vermögenswerte – Umweltschutz als Maßnahme der Imageprofilierung – Empowerment von Umweltorganisationen – ressourcenschonender Einsatz der Kommunikationsinstrumente
Abb. 81 Integrierte Erfolgsmessung in der Kommunikationspolitik
Unternehmenswert RoI, Gewinn, EVA, Kapitalrentabilität etc.
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7.1
8 Marketing-Mix: Kommunikationspolitische Entscheidungen
Strategische Erfolgsmessung in der Kommunikationspolitik
Aus Perspektive der strategischen Erfolgsmessung der Kommunikationspolitik lässt sich der Input des kommunikationspolitischen Planungsprozesses aus zwei Richtungen analysieren. Aus der Sicht des Market Based View (MBV) wird zunächst ein bestimmter Markt hinsichtlich seiner Attraktivität bewertet und ausgewählt. Als Kriterien können hier bspw. der herrschende Kommunikationswettbewerb oder der zu erreichende Share of Advertising herangezogen werden. In Abhängigkeit vom Zielmarkt werden Kommunikationsstrategien entwickelt und operative Maßnahmen zu deren Umsetzung in Angriff genommen. Ein Abgleich mit den unternehmensinternen Ressourcen und Kompetenzen schließlich ergibt das benötigte Budget. Genau entgegengesetzt erfolgt die Analyse aus Sicht des Competence Based View (CBV). Ausgehend von den eigenen Ressourcen und Kompetenzen, wie z. B. der Identität und dem Commitment der zu bewerbenden Marke, werden passende strategische Entscheidungen gefällt (bspw. Erarbeitung einer Copy-Strategie). Diese münden in operativen Maßnahmen, z. B. Schalten eines bestimmten TV-Spots, welche wiederum Einfluss auf die Kosten haben. Wie in den vorangegangenen Abschnitten ausgeführt wurde, ist das Messen eines direkten Ursache-Wirkungs-Zusammenhanges zwischen Kommunikationsmaßnahmen und erreichten Unternehmenszielen aufgrund der umfangreichen Wirkungsinterdependenzen nicht möglich. Daher wird im Folgenden die Wirkung der Kommunikationspolitik vor allem auf marktliche Vermögenswerte diskutiert. Die Maßnahmen der Kommunikationspolitik bilden eine Grundlage für marktliches Handeln. Sie schaffen Bekanntheit für das angebotene Produkt und seinen Anbieter. Erst wenn ein Produkt den Nachfragern bekannt ist, können diese es zum Kauf in Betracht ziehen. Ebenso ist Bekanntheit die Grundvoraussetzung dafür, dass sich ein Image bilden kann. Form, Inhalt und Träger der gesendeten Kommunikationsbotschaften bilden die externen Reize, auf Basis derer sich das Markenimage in der Zielgruppe bildet. Mithilfe der Kommunikationsinstrumente wird der Versuch unternommen, einen möglichst positiven, präferenzsteigernden Einfluss auf das Markenimage zu nehmen. Erfolgreiche Versuche führen zu einer starken, d. h. kaufverhaltensrelevanten Marke, was sich wiederum in einem hohen Brand Equity ausdrückt (vgl. Burmann et al. 2018). Ferner zielen die Maßnahmen der Kommunikationspolitik darauf ab, den Nachfrager zum Kauf zu bewegen. Nach dem Kaufakt kann der Nachfrager durch die Kommunikationspolitik zu einem Wiederkauf animiert werden. Insofern kommt der Kommunikationspolitik eine große Bedeutung bei der Kundenbindung und damit für den Customer Lifetime Value zu (vgl. Puchner 2011, S. 37; Hundacker 2005, S. 26). Letztlich haben Maßnahmen der Kommunikationspolitik auch einen langfristig positiven Einfluss auf die Marktkapitalisierung des eigenen Unternehmens und einen negativen Einfluss auf die der Wettbewerber (vgl. Joshi und Hanssens 2010, S. 26 ff.). Neben marktlichen Assets zielen kommunikationspolitische Entscheidungen auch darauf ab, gesellschaftliche Vermögenswerte zu schaffen. Als erstes Asset lässt sich die
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nicht näher zu messende Unterhaltung durch humorvolle Werbung oder ansprechende Events nennen. Personen, die die Werbung gesehen haben bzw. das Event besucht haben, konnten sich daran erbauen und verwenden diese als Gesprächsstoff in ihrem näheren Umfeld (vgl. Kroeber-Riel et al. 2009, S. 608). Auch der Genuss weniger verbreiteter Sportarten, die ohne Sponsoring nicht professionell durchgeführt werden könnten, fördert Freude und Unterhaltung. Gesellschaftlichen Vermögenswerten hingegen abträglich sind negative Kommunikationseffekte wie Reaktanzen oder Werbeermüdungserscheinungen. Ferner beeinflussen kommunikationspolitische Maßnahmen das Normen- und Wertesystem der Gesellschaft. Da sich die Maßnahmen an den Ansprüchen der Zielgruppe orientieren, spiegeln die Kommunikationsinhalte das bestehende Werte- und Normensystem wider und prägen es wiederum durch die große Reichweite (vgl. Bruhn 2015, S. 24 f.). Zudem können durch Sponsoring kulturelle Einrichtungen wie Museen oder Theater weiterbetrieben bzw. gegründet werden, wenn die meist öffentlichen Träger für die Bewerkstelligung nicht mehr über die finanziellen Mittel verfügen. Auch das Sponsern sozialer Einrichtungen, wie z. B. Kindergärten, Pflegedienste oder Bahnhofsmissionen, generiert gesellschaftliche Vermögenswerte, da diese so in die Lage versetzt werden, ihr Angebot aufrechtzuerhalten oder gar auszubauen. Ökologische Assets schließlich entstehen, wenn Umweltschutzmaßnahmen als Teil von PR- oder Werbemaßnahmen eingesetzt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Aktion der Brauerei Krombacher, die einen Teil der Einnahmen dafür verwendete, Regenwaldflächen vor der Abholzung zu bewahren und dies auch nach außen kommunizierte. Weiterhin führt das Sponsern von Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace oder WWF zu ökologischen Vermögenswerten, wenn die Organisationen dadurch in die Lage versetzt werden, weiter zu handeln. Schließlich sorgt auch ein ressourcenschonender Einsatz der Kommunikationsinstrumente für das Entstehen ökologischer Assets. Dies kann bspw. durch die Reduktion von Postwurfsendungen oder auch umweltfreundlich organisierte Events umgesetzt werden.
7.2
Operative Erfolgsmessung in der Kommunikationspolitik
Im Fokus des operativen Kommunikationscontrolling steht die Messung der Kommunikationswirkung, die letztlich einen Beitrag zur Erreichung der Kommunikationsziele leisten soll (vgl. Zerfaß und Buchele 2008). Allgemein lassen sich für die Erfolgsmessung der einzelnen Kommunikationsinstrumente verschiedene Verfahren bzw. Metriken einsetzen. Grundsätzlich kann hierbei zwischen quantitativen und qualitativen Metriken unterschieden werden. Quantitative Metriken erfassen direkt messbare Kommunikationswirkungen, wie z. B. das Klicken auf eine bezahlte Suchanzeige. Qualitative Metriken dagegen werden zur Erfassung von Kommunikationswirkungen auf nicht direkt beobachtbare Eigenschaften von Nachfragern verwendet, wie z. B. auf die Einstellung gegenüber einer Werbeanzeige. Sie werden auch deshalb als sog. Mindset-Metriken bezeichnet (vgl. elftes Kapitel). Die qualitativen Metriken werden über direkte Befragungen der Nach-
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frager bestimmt (vgl. drittes Kapitel). Sie lassen sich ferner in die Bereiche kognitiv, affektiv und konativ untergliedern (vgl. Roscheck et al. 2013, S. 239 f.). In Tab. 36 werden beispielhafte qualitative Metriken aufgeführt. Der Vorteil qualitativer Metriken besteht darin, dass sie größtenteils für jedes Kommunikationsinstrument eingesetzt werden können (vgl. Tutaj und Reijmersdal 2012, S. 7) und somit eine Vergleichbarkeit zwischen den Instrumenten erlauben (vgl. Dahlen 2002, S. 124). Ein zentraler Nachteil ist der große Erhebungsaufwand. Im weiteren Verlauf werden für jedes Kommunikationsinstrument kurz beispielhafte Messverfahren und Metriken vorgestellt. Zur Überprüfung der Kommunikationswirkung von klassischer Werbung stehen drei Verfahrensklassen zur Auswahl: apparative Verfahren, Beobachtungen sowie Befragungen. Zu den apparativen Verfahren gehören bspw. das Festhalten der spontanen Reaktion per Tachistoskop, Blickverlaufsaufzeichnung oder bildgebenden Verfahren der Medizin wie der Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT). Letztere werden vor allem im Bereich der Neuroökonomie eingesetzt. Diese Forschungsrichtung hat zum Ziel, ökonomisch relevante Entscheidungen mithilfe bildgebender Verfahren zu untersuchen. Diese Forschungsbemühungen leisten einen Beitrag, bspw. die Wirkung von Marken im Kopf der Nachfrager besser zu erklären. In einem neuroökonomischen Experiment wurden den Probanden z. B. verschiedene Kaffeemarken dargeboten und dabei die Hirnaktivitäten der Probanden per MRT beobachtet. Es zeigte sich, dass bei Personen, die sich der Marke verbunden fühlten, die Hirnareale für Emotionen und Selbstwahrnehmung besonders aktiv waren. Bei Probanden, welche der Marke neutral gegenüber standen, waren hingegen die kognitiv-rationalen Areale besonders aktiv. Dieser Unterschiedseffekt wird als kortikale Entlastung des Nachfragers bezeichnet (vgl. Kenning et al. 2005,
Tab. 36 Beispielhafte qualitative Erfolgsmetriken der Kommunikation Ebene der Kommunikationswirkung Kognitiv
Zielgröße (Auszug) Markenbekanntheit Bekanntheit der Werbung (Werbeawareness)
Affektiv
Bekanntheit sowohl gestützt (Recall) als auch ungestützt (Recognition) Markenimage
Konativ
Einstellung zur Werbung (attitude towards the ad) Kaufabsicht Weiterempfehlungstendenz
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S. 55). Ausführungen zu Eignung und Eigenschaften von Befragungen und Beobachtungen finden sich im dritten Kapitel. Nach ihrem zeitlichen Einsatz können die Messverfahren in Pre- und Posttests eingeteilt werden (vgl. Bruhn 2011, S. 534). Pre-Tests werden vor dem geplanten Einsatz des Kommunikationsinstrumentes ähnlich wie Produkttests (vgl. Abschn. 3.3.3 in Kap. 5) durchgeführt. Dabei wird eine ausgewählte Gruppe von Zielpersonen (Stichprobe) der geplanten Kommunikationsmaßnahme ausgesetzt und vor- und nachher im Hinblick auf die gewünschten Zielgrößen befragt. Auf diese Weise lassen sich Hinweise auf die potenzielle Effektivität der geplanten Maßnahme ableiten und entsprechend kurzfristige Anpassungen vornehmen. Bei Post-Tests hingegen stehen die tatsächlichen Wirkungen auf die Zielgrößen im Vordergrund, was eine abschließende Bewertung bezüglich Effektivität (und Effizienz) der eingesetzten Mittel ermöglicht. Neben den zeitpunktbezogenen Pre-/Posttests werden auch zeitraumbezogene Untersuchungen durchgeführt. Man unterscheidet dabei zwischen Werbetrackings und Panels. Im Gegensatz zu einem Panel (vgl. drittes Kapitel) wechselt bei einem Werbetracking die Gruppe der Befragten. Während es mit einem Panel möglich ist, abgegrenzt die reine Wirkung der Werbung auf die Zielgrößen zu erfassen, lässt sich mit einem Werbetracking die Wirkung der Werbung im Zeitverlauf unter Berücksichtigung von Konkurrenzmaßnahmen messen. Die beschriebenen Verfahren beziehen sich in erster Linie auf den Einsatz der klassischen Werbung. Darüber hinaus ergeben sich aus den Eigenschaften der anderen Kommunikationsinstrumente weitere Möglichkeiten der Wirkungsmessung. Im Vergleich zu den traditionellen zeichnen sich die digitalen Instrumente vor allem durch ihre hohe Transparenz und Messbarkeit aus. Sie erlauben weitestgehend die Messung und Erfassung von direkt beobachtbaren Effekten auf das Kundenverhalten (vgl. Roscheck et al. 2013, S. 239). Die verschiedenen Metriken können dabei sowohl instrumentenübergreifend als auch instrumentenspezifisch sein und können aufgrund der Transparenz und gezielten Nachverfolgung des Surf- und Klickverhalten der Nachfrager eine der drei Phasen View, Engagement oder Perform zugeordnet werden (siehe Abb. 82) (vgl. Zerres et al. 2017, S. 176).
Phasenspezifisches Nutzertracking Instrumentenübergreifend View
Engagement
Instrumentenspezifisch
Abb. 82 Kategorisierung digitaler Kommunikationsmetriken (Quelle: In Anlehnung an Zerres et al. 2017, S. 176)
Perform
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In die ersten Phase View fallen Metriken, die die Reichweite der Werbebotschaften messen (vgl. Abschn. 5.2.4). Grundsätzlich geben sie Auskunft darüber, wie häufig eine Werbebotschaft ausgespielt wurde. Wie bereits in Abschn. 5.2.4 erwähnt kann die instrumentenübergreifende Kennzahl der Ad Impressions dieser Phase zugeordnet werden. Instrumentenspezifische Metriken der View-Phase sind z. B. die Zustellrate von E-Mails, Videoaufrufe bei YouTube oder die Anzahl der Websitebesuche (Visits) (vgl. Abschn. 5.2.4). In der Phase Engagement steht die Interaktion der Nachfrager im Zentrum der Metriken. Die Interaktion kann sich dabei auf das Klicken eines Banners, das Öffnen einer EMail oder das Surfen auf einer Website beziehen (vgl. Zerres et al. 2017, S. 184 f.). Eine bekannte instrumentenübergreifende Metrik ist die Click-Through-Rate (CTR). Sie gibt Auskunft über das Verhältnis der Anzahl der tatsächlich angeklickten Anzeigen zu der Anzahl der insgesamt ausgespielten Anzeigen in einem definierten Zeitraum, z. B. das Klicken auf eine Bannerwerbeanzeige oder eine bezahlte Suchmaschinenanzeige (vgl. Roscheck et al. 2013, S. 239). Hingegen sind die Page Impressions eine instrumentenspezifische Metrik für das Instrument der unternehmenseigenen Website. Sie gibt an, wie viele Seiten einer Website sich Nachfrager angesehen haben. In Kombination gibt die Verweildauer Auskunft darüber, wie lange ein Nachfrager auf einer Website insgesamt oder auf einer einzelnen Webseite bleibt. Im Kontext von Websites gibt die Metrik der Absprungrate (Bouncerate) den Anteil an Website-Besucher mit nur einem einzelnen Seitenaufruf an. Die Bouncerate ist eine instrumentenübergreifende Metrik, da sie im EMail-Marketing den Anteil an E-Mails aufzeigt, die in einer Verteilerliste nicht mehr funktionieren. Die Öffnungsrate ist hingegen instrumentenspezifisch. Sie zeigt an, wie viele der zugestellten E-Mails auch tatsächlich geöffnet wurden (vgl. Kamps und Schetter 2018, S. 75). Die letzte Phase Perform beinhaltet diejenigen Metriken, die Nachfrageraktionen erfassen. Als zentrale Metrik kann hier die instrumentenübergreifende Conversion-Rate (CR) genannt werden, da Unternehmen mit ihren Werbemaßnahmen immer eine Aktion beabsichtigen (vgl. Zerres et al. 2017, S. 184). Eine Conversion kann dabei eine Transaktion, eine Newsletteranmeldung oder der Download einer mobilen App sein. Die CR gibt somit das Verhältnis zwischen den erreichten Conversions und den zuvor getätigten Aktionen an (z. B. Klicken eines Banners) (vgl. Lammenett 2017, S. 429). Generell können Unternehmen zur Bestimmung der Metriken der digitalen Kommunikationsinstrumente auf verschiedene Software oder externe Tools zurückgreifen. Hierbei handelt es sich um sog. Dashboards (vgl. Abschn. 6.2). Darüber hinaus können Unternehmen auch mithilfe von Marktforschungsunternehmen das Onlineverhalten von Studienteilnehmern detailliert messen lassen. So verwendet z. B. die GfK im Rahmen ihrer Studien zwei unterschiedliche Erhebungsmethoden zur Beobachtung von Internetnutzern: die seitenzentrierte Messung mithilfe von Cookies sowie die nutzerzentrierte Messung mithilfe von Add-Ons für Internetbrowser. Im Rahmen der seitenzentrierten Messung des Onlineverhaltens werden Cookies auf den Computern der Studienteilnehmer gespeichert, die ab dem Zeitpunkt der Speicherung aufzeichnen,
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welche der präparierten Webseiten oder Werbekampagnen aufgerufen werden. Für die nutzerzentrierte Messung müssen Studienteilnehmer ein Browser-Add-On der GfK auf ihrem Computer installieren. Nach der Installation kann das gesamte Onlineverhalten, d. h. alle besuchten Seiten, alle gesehenen Inhalte und Werbeflächen sowie verwendete Suchbegriffe oder erhaltene Suchergebnisse, der Teilnehmer erhoben werden. Verkaufsförderungsmaßnahmen erfordern spezifische Möglichkeiten der Messung. Da sie zeitlich begrenzt eingesetzt werden, lässt sich deren Erfolg messen, indem die Aufwendungen für die Promotions der Umsatzveränderung im gleichen Zeitraum entgegen gehalten werden. Typischerweise steigt der Umsatz während Promotionaktionen an und sinkt anschließend wieder auf das vorherige Niveau. Ähnlich lässt sich der Erfolg von Messen und Ausstellungen erfassen. Dies beinhaltet vor allem die Ermittlung aller Teilnahmekosten, die Auswertung der Abschlüsse und Kontakte, die Erhebung der Besucherstruktur sowie die Bewertung des eigenen Messeauftrittes. Die im Vorfeld geleistete Pressearbeit sowie die Presseresonanz im Anschluss an die Messe sind ebenfalls einer kritischen Analyse zu unterziehen (vgl. AUMA 2011, S. 98 ff.; Kirchgeorg et al. 2009, S. 230 ff.). Sponsoring und Eventmarketing schließlich beziehen sich insbesondere auf die affektive Ebene. Die Erfolgsmessung konzentriert sich in diesem Fall auf die Veränderung des Markenimages, um das Ausmaß des Imagetransfers beurteilen zu können (vgl. Hermanns 2008, S. 137 ff., 2010, S. 30; Burmann und Nitschke 2005b, S. 399). Eine weitere wichtige Größe in diesem Zusammenhang ist die Veränderung der Markenbekanntheit. Um diese zu erfassen, wird auf die Berichterstattung in den Medien abgestellt. Dazu wird zunächst die Häufigkeit und der Umfang der Medienberichterstattung in sog. Clippings erfasst. Im Rahmen der darauffolgenden Medienresonanzanalyse wird eine quantitative (z. B. nach Nennungshäufigkeit) und qualitative (z. B. ob der Bericht positiv oder negativ geschrieben ist) Untersuchung der Clippings durchgeführt. Den Abschluss bildet die Überführung der Ergebnisse in Werbeäquivalenzgrößen, wie z. B. den TKP. Analog erfolgt die Messung von PR-Maßnahmen. Das Hauptproblem bei der Erfassung der Kommunikationswirkung besteht in der Isolierbarkeit und Zurechenbarkeit der einzelnen Wirkungen. So existieren sachliche Interdependenzen nicht nur zu anderen Marketinginstrumenten, sondern auch hinsichtlich der Zurechenbarkeit des Erfolges auf die verschiedenen Kommunikationsinstrumente. Es ist oft nicht möglich, die Wirkung eines Fernsehspots von jener einer Anzeigenwerbung oder von PR-Maßnahmen zu isolieren. Weitere Faktoren, die die Kontrolle der Kommunikationswirkung erschweren, sind zeitliche Interdependenzen. Alle kommunikativen Maßnahmen haben zeitliche Ausstrahlungseffekte, d. h. Wirkungen, die oft erst mit einer bestimmten zeitlichen Verzögerung (Time-lag) einsetzen. So lässt sich mit dem Einsatz der Kommunikationsinstrumente z. B. ein Goodwill bei der Zielgruppe aufbauen, der möglicherweise auch dann fortbesteht, wenn die Aktivitäten eingestellt werden. Bei einem erneuten Einsetzen von kommunikativen Impulsen sind die aktuellen Maßnahmen dann nicht mehr allein den aktuellen
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Wirkungen zurechenbar, sondern auch ein Resultat von Kommunikationsmaßnahmen in der Vergangenheit. Hinzu kommen Störeinflüsse, die von einem Unternehmen nicht ausgeschaltet werden können. Insbesondere durch Maßnahmen der Konkurrenz kann es zu Verzerrungen in der Wirkung von kommunikativen Maßnahmen kommen. Die erheblichen Schwierigkeiten bei der Erfolgskontrolle einzelner Kommunikationsinstrumente verstärken sich unter Berücksichtigung der Interdependenzen im Kommunikations-Mix.
Fragen zu Kapitel 8 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24.
Nennen Sie sechs Unterscheidungsmöglichkeiten von Kommunikationsformen! Was verstehen Sie unter integrierter Kommunikation? Welche Ziele der Kommunikationspolitik kennen Sie? Grenzen Sie die Paid-, Owned- und Earned-Media voneinander ab. Welche Eigenschaften weisen Sie jeweils auf? Worin liegt die Problematik, ökonomische kommunikationspolitische Ziele zu operationalisieren? Beschreiben Sie die Entscheidungen im Rahmen einer Kommunikationsstrategie! Was ist eine UAP? Welche Elemente umfasst die Copy-Strategie? Bewerten Sie die Planungskennziffernmethoden, die Ihnen bekannt sind! Bewerten und beschreiben Sie die Ziel- und Aufgabenmethode! Beschreiben und bewerten Sie Fernsehwerbung! Unter welchen Umständen würden Sie Radiowerbung einsetzen? Warum? Welche Out-of-Home-Medien lassen sich unterscheiden? Welche Instrumente der Online-Kommunikation kennen Sie? Bewerten Sie diese! Erklären und definieren Sie den Begriff Web 2.0.! Grenzen Sie User Generated und Brand Generated Content voneinander ab! Welche Instrumente der mobilen Kommunikation kennen Sie? Bewerten Sie diese! Beschreiben Sie alle Ihnen bekannten Instrumente der Direktkommunikation! Was ist die Hauptaufgabe der Öffentlichkeitsarbeit? Welche Formen der Verkaufsförderung kennen Sie? Nennen Sie Beispiele! Grenzen Sie Messen, Event-Marketing und Sponsoring voneinander ab! Wo liegt der Unterschied zwischen Messen und Ausstellungen? Beschreiben Sie den Managementprozess von Messebeteiligungen! Was verstehen Sie unter Imagetransfer?
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25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44.
45. 46. 47. 48. 49. 50.
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Wie lassen sich Events klassifizieren? Geben Sie Beispiele! Welche Sponsoringbereiche kennen Sie? Beschreiben Sie diese! Erläutern Sie den Zusammenhang zwischen Imagefit und Imagetransfer! Grenzen Sie Ambushing von Sponsoring ab! Wo liegen die Vorteile des Product-Placements? Welche Nachteile sehen Sie? Welche Formen des In-Game Advertising gibt es? Was ist Guerilla-Marketing? Erläutern Sie den Prozess der Mediaplanung! Erläutern Sie alle Ihnen bekannten Reichweitebegriffe anhand von Beispielen! Wie lässt sich die Tiefenwirkung eines Mediaplanes erfassen? Was drücken Gross Rating Points aus? Was erfasst die Größe? Mit welchen Kennzahlen lässt sich die Effektivität von Bannerwerbung messen? Welche Attributionsmodelle kennen Sie? Bewerten Sie diese! Wo liegt der Unterschied zwischen TKP und TNP? Würden Sie eine äußerst textlastige Anzeige häufig schalten? Begründen Sie Ihre Antwort! Auf welcher Basis würden Sie sich für einen Mediaplan entscheiden? Warum? Auf welchen Ebenen spielt sich die Kommunikationswirkung ab? Beschreiben Sie, wie informative Werbung abhängig vom Nachfragerinvolvement wirkt! Wie wirkt emotionale Werbung? In welcher Form würden Sie ihre Kommunikationsbotschaft darbieten, um Aufmerksamkeit zu erregen und um das Verständnis der Botschaft sicherzustellen? Begründen Sie Ihre Antwort! Welche Inhalte würden Sie verwenden, um die Präferenz für ein Waschmittel zu steigern? Warum? Wie trägt die Kommunikationspolitik zum Aufbau marktlicher Vermögenswerte bei? Welche gesellschaftlichen Vermögenswerte schafft die Kommunikationspolitik? Welche Zielgrößen der Wirkungsmessung klassischer Werbung kennen Sie? Beschreiben Sie die Kennzahlen der Online- bzw. Direktkommunikation, mit deren Hilfe sich der Akquiseprozess erfassen lässt! Wie können die Wirkungen bei Live Communication-Instrumenten (z. B. Messen, Events) erfasst werden und welche Wirkungsgrößen sind besonders relevant? Erläutern Sie die Schwierigkeiten, die bei der Messung der Kommunikationswirkung auftreten können
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9
Marketing-Mix: Übergreifende Instrumente
Inhalt 1
Key Account Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Aufgaben des Key Account Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Chancen und Herausforderungen im Key Account Management . . . 2 Beschwerdemanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Ziele des Beschwerdemanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Der Beschwerdemanagement-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Aufgaben des direkten Beschwerdemanagementprozesses . . 2.2.2 Aufgaben des indirekten Beschwerdemanagementprozesses 3 Corporate Social Responsibility . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Meffert et al., Marketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-21196-7_9
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9 Marketing-Mix: Übergreifende Instrumente
In der praktischen Ausgestaltung des Marketing haben sich diverse Instrumente entwickelt, welche sich nicht allein einem Mix-Element zuordnen lassen. Ferner setzt die Ausgestaltung dieser Instrumente eine gleichzeitige Berücksichtigung aller/mehrerer Marketing-Mix-Elemente voraus. Diesen übergreifenden Instrumenten wird im nachfolgenden Kapitel Beachtung geschenkt. Zu den hier betrachteten Marketinginstrumenten zählt das Key-Account-Management, welches insbesondere in B2B-Geschäftsfeldern eine hohe Relevanz besitzt. Weiterhin wird die Ausgestaltung des Beschwerdemanagements dargestellt, welches der Erhaltung von Kundenbeziehungen dient. Abschließend wird im Abschnitt zur Corporate Social Responsibility die Verantwortung von Unternehmen in den Fokus der Betrachtung gelegt. Die Eingliederung des Kapitels in den Ablauf des Lehrbuchs ist in Abb. 1 dargestellt.
I. Markttransaktionen Competence-Based View
Market-Based View
Anbieter
Nachfrager
II. Entscheidungsprozesse Kaufentscheidungen von Marketingentscheidungen von Nachfragern Anbietern Marktinformationen
Situationsanalyse
Bedürfnisse
Marketingziele
Alternativenbewertung
Marketingstrategie
Kaufpräferenz
Marketinginstrumente
Kaufdurchführung
Marketingimplementierung
Nachfragerzufriedenheit
Marketingcontrolling
Marketing-Mix: Übergreifende Instrumente
Key Account Management
Beschwerdemanagement
Corporate Social Responsibility
III. Wertebene
Kunden- und Markenwert
Stakeholder Value
Unternehmenswert
Abb. 1 Einordnung der mixübergreifenden Instrumente in die Struktur des Lehrbuchs
1
Key Account Management
859
1 Key Account Management Ein mixübergreifender Teilbereich des Marketing, der sich nicht allein einem Instrument des Marketing-Mix zuordnen lässt, ist das Key Account Management. Häufig wird das Key Account Management gänzlich dem Vertrieb zugeordnet, doch entspricht dies einem verkürzten Verständnis. Vielmehr ist diese Disziplin mixübergreifend auszugestalten, was sich beispielsweise in einer Beeinflussung der Preisstrategie oder in der Entwicklung spezieller Social Media Maßnahmen für Key Accounts niederschlägt (vgl. Biesel 2013, S. 321 ff.).
I Key Account Management „Key Account Management analysiert aktuell
oder potenziell bedeutende Schlüsselkunden des Unternehmens systematisch, wählt aus ihnen aus und bearbeitet sie wirksam. Dafür werden im Unternehmen die Voraussetzungen in Strukturen, Führung und Ressourcen aufgebaut und weiterentwickelt.“ (Belz et al. 2014, S. 27).
Die Inhalte des Key Account Managements lassen sich zum Teil auch auf bestimmte Kunden im B2C-Bereich übertragen, doch zeigen die nachfolgend beschriebenen Charakteristika auf, dass diese Disziplin vor allem im B2B Marketing relevant ist. Verschiedene Marktentwicklungen haben dazu geführt, dass das Key Account Management an Bedeutung gewonnen hat. Besonders hervorzuheben sind dabei (vgl. Sieck 2016, S. 13; Biesel 2013, S. 3 f.): Konzentrationsprozesse, ausgelöst durch die für hoch entwickelte Volkswirtschaften charakteristischen gesättigten Märkte. Die zunehmende Austauschbarkeit von Produkten führt dazu, dass Möglichkeiten zur Differenzierung vor allem über kundenspezifische Service- und Beratungsleistungen bestehen. Steigende Internationalisierung des Vertriebs. Die Betreuung internationaler Kunden in unterschiedlichen Kulturen erfordert entsprechende kundenspezifische Fähigkeiten. Die Ansprüche der Großkunden nehmen zu (Forderung nach besonders hoher Leistungsqualität, individuellem Leistungsumfang und Flexibilität aufseiten des Lieferanten). Bei Kaufentscheidungen sind zunehmend mehr Personen beteiligt, die gezielt durch ein professionelles Key Account Management bearbeitet werden müssen.
860
9 Marketing-Mix: Übergreifende Instrumente
Als Schlüsselkunden (Key Accounts) werden Kunden bezeichnet, die eine entscheidende Rolle für den Erfolg einer Unternehmung einnehmen. Diese Position ergibt sich vor allem aus der Höhe des tatsächlichen bzw. potenziellen Umsatz- und Ertragsvolumens, aber auch aus der strategischen Bedeutung eines Kunden (vgl. Abb. 2). So sind beispielsweise Entwicklungskunden, Marktführer und Referenzkunden (besonders prestigeträchtige Kunden) als potenzielle Schlüsselkunden zu berücksichtigen. Darüber hinaus empfiehlt es sich für Kunden mit komplexen Strukturen ein entsprechendes Key Account Management einzurichten, um mögliche Ineffizienzen abzubauen (vgl. Sieck 2011, S. 22; Biesel 2013, S. 10, 144 f.). Der Anteil der Key Accounts beträgt zumeist nicht mehr als 20 % aller Kunden, gleichzeitig generieren sie jedoch oft 80 % des gesamten Umsatzes der Unternehmung. Allein diese wirtschaftliche Dimension der Schlüsselkunden zeigt die Wichtigkeit eines professionellen Key Account Managements. In der Konsequenz sind entsprechende Kunden bevorzugt bzw. gesondert zu behandeln. Die Wichtigkeit der übrigen Kunden und die Neukundenakquise dürfen dabei selbstverständlich nicht außer Acht gelassen werden (vgl. Herausforderungen im Key Account Management). Die gesonderte Behandlung spiegelt sich häufig in einer Konzentration der Unternehmensressourcen auf die Key Accounts wider, wodurch ein kundenorientiertes Handeln ermöglicht wird (vgl. Belz et al. 2014, S. 5). Dafür müssen den Schlüsselkunden die kompetentesten Mitarbeiter zugeordnet werden, die als Key Account Manager auftreten und das Unternehmen vertreten (vgl. Sidow 2014, S. 7). Das Key Account Management ist auf Basis einer klar definierten Zielsetzung auszugestalten. Als zentrale Ziele lassen sich dabei identifizieren: Aufbau eines umfänglichen Kundenverständnisses Aufbau einer starken Kundenbeziehung und damit Verbesserung der Kundenbindung Optimierung der Kooperation mit dem Kunden Abbau von Ineffizienzen und unkoordiniertem Auftreten verschiedener Mitarbeiter Verbesserung des wirtschaftlichen Erfolgs, der aus einer Kundenbeziehung generiert wird.
Kunden mit einem tatsächlich hohem Umsatz-/Ertragsvolumen Referenzkunden
Kunden mit einem potenziell hohem Umsatz-/Ertragsvolumen
Potenzielle Key Accounts
Marktführer
Abb. 2 Auswahl potenzieller Key Accounts
Entwicklungskunden
Kunden mit komplexen Strukturen
1
Key Account Management
861
1.1 Aufgaben des Key Account Managements Um einen Einblick in die verschiedenen Prozesse und Ebenen zu gewinnen, soll das St. Galler Konzept des Key Account Managements herangezogen werden. Das Konzept umfasst sechs Bausteine (Überprüfung, Strategie, Lösungen, Fähigkeiten, Strukturen und Controlling), die auf zwei unterschiedliche Ebenen (Corporate Key Account Management und operatives Key Account Management) auszurichten sind (vgl. Abb. 3). Während auf der Corporate Ebene die im Unternehmen zu schaffenden Voraussetzungen und Programme erfasst werden, bezieht sich die operative Ebene auf die konkreten Geschäftsbeziehungen mit den Key Accounts. Auf der operativen Ebene werden weitestgehend Aufgaben beschrieben, die in den Zuständigkeitsbereich der Key Account Manager fallen. Der Sinn dieser Unterteilung zeigt sich vor allem in der integrativen Sichtweise des Konzeptes. So ist häufig festzustellen, dass Mängel auf der operativen Ebene erscheinen (z. B. die Key Account Manager agieren nicht zielkonform), weil auf Unternehmensebene nicht die notwendigen Voraussetzungen geschaffen wurden und umgekehrt. Durch die Berücksichtigung der einzelnen Schritte des Prozesses für beide Ebenen kann dem vorgebeugt werden (vgl. Belz et al. 2014, S. 31). Welche Aufgaben hinter den einzelnen Bausteinen eines solches Key Account Managements stehen, ist in Tab. 1 aufgeführt.
Operatives Key Account Management Anforderungen und Personen
Kompetenzen Integration und Leistungsund PersonalAuswahl systematik und Vorzugsleistungen entwicklung
Balanced Organisation Scorecard und Implementierung und Controlling
Überprüfung Strategie
Lösungen
Fähigkeiten Strukturen
Controlling
Voraussetzungen Optionen und und Situation Planung
Mehrwert und Gegenleistung
Aufgaben und Prozesse
Cockpit und Steuerung
Corporate Key Account Management
Abb. 3 Konzept des Key Account Management (Quelle: In Anlehnung an Belz et al. 2014, S. 31)
Team und Führung
862
9 Marketing-Mix: Übergreifende Instrumente
Tab. 1 Bausteine des St. Galler Key Account Management Konzeptes (Quelle: Belz et al. 2014, S. 32 f.) Prozess Überprüfung
Corporate Key Account Management Voraussetzungen und Situationen: Es müssen auf Unternehmensebene alle notwendigen Kompetenzen, organisatorischen Strukturen, interne und externe Zusammenarbeitsprozesse sowie Möglichkeiten des Controllings geschaffen werden
Operatives Key Account Management Anforderungen und Personen: Die Key Account Manager müssen die spezifischen Anforderungen der Key Accounts identifizieren und diese dafür intensiv analysieren (bspw. Strategie, Gestaltung des Wertschöpfungsprozesses) Strategie Integration und Auswahl: Die MitOptionen und Planung: Es ist festarbeiter müssen die Bedeutung der zulegen und folgend auszugestalten, Schlüsselkunden für das eigene Unterwelche strategischen Optionen annehmen kennen. Nur so ist die Einführung gemessen sind, um den anvisierten und Optimierung des Key Account MaSchlüsselkunden erfolgreich bearbeinagements überhaupt erfolgsversprechend. ten zu können Des Weiteren ist festzulegen, welche Kunden als Key Accounts betrachtet und dementsprechend behandelt werden Lösungen Leistungssystematik und VorzugsleisMehrwert und Gegenleistungen: Die tungen: Hier sollten alle Leistungen Key Account Manager offerieren den systematisch aufgestellt werden, die zur Schlüsselkunden exklusive Produkte Bearbeitung der Key Accounts in Betracht sowie Dienst- und Zusatzleistungen, kommen. Insgesamt wird hier die Vorum das eigene Unternehmen von der aussetzung geschaffen, um individuelle Konkurrenz zu differenzieren Angebote und spezifische Vorzugsleistungen für Key Accounts zu generieren Fähigkeiten Kompetenzen und PersonalentwickAufgaben und Prozesse: Auf der opelung: Das Key Account Management rativen Ebene müssen standardisierte erfordert vom Personal das Erfüllen Prozesse entwickelt werden, die den verschiedener Rollen und die Existenz Mitarbeitern eine klare Orientierung bestimmter Kompetenzen. Durch die bieten. Darüber hinaus müssen die gezielte Auswahl des Personals und der einzelnen Key Account Manager Leisentsprechenden Weiterbildung ist das tungsprofile entwickeln, um für ihre Vorhandensein der notwendigen KomZuständigkeiten entsprechend vorbepetenzen auf der Ebene des Personals reitet zu sein sicherzustellen Strukturen Organisation und Controlling: Auf der Team und Führung: In diesem Unternehmensebene gilt es festzulegen, Schritt muss ein Team um den Key wie das Key Account Management orgaAccount Manager aufgestellt werden, nisiert werden soll und welche Strukturen das alle notwendigen fachlichen Qualiim Unternehmen dafür geschaffen werden fikationen repräsentiert müssen Controlling Scorecard und Controlling: Es sollte Cockpit und Steuerung: Die Key eine Erfolgskontrolle mittels der BalanAccount Manager müssen die Ziele, ced Scorecard eingeführt werden, um den für die sie die Verantwortlichkeit trainstrumentellen Rahmen eines zeitgemägen, gemäß dem Controlling festlegen ßen Controllings zu schaffen (vgl. hierzu (d. h. operationalisierbar und kundenAbschn. 3 in Kap. 11) bezogen)
2
1.2
Beschwerdemanagement
863
Chancen und Herausforderungen im Key Account Management
Eine der Chancen, die sich durch erfolgreiches Key Account Management eröffnet, liegt im Cross Selling Potenzial. Dem Kunden können dadurch weitere Produkte oder Dienstleistungen verkauft werden, die bislang nicht nachgefragt werden. Dabei kommen alle Bereiche eines Schlüsselkunden in Betracht, die bislang nicht bedient, jedoch vom eigenen Angebotsspektrum abgedeckt werden. Die durch das Key Account Management vorhandene Bekanntheit und die ausgeprägten Beziehungen zum Kunden stellen in diesem Fall die Basis dar, um Cross Selling Potenziale auszuschöpfen und in ein Mehrgeschäft umzuwandeln. Eine der zentralen Aufgaben des Key Account Managements ist hier, das bestehende Markenimage auf die neuen Gebiete bzw. Angebote auszuweiten (vgl. Sidow 2014, S. 53 ff.). Eine weitere Chance des Key Account Managements ergibt sich aus Lernprozessen. Die enge Zusammenarbeit mit Key Accounts fördert das Erreichen von bestmöglichen Ergebnissen. Dies führt zur Entstehung von Lernprozessen und steigert zum einen den Fortschritt der gesamten Unternehmung. Zum anderen lassen sich daraus hervorgehende Leistungsinnovationen häufig auf andere Kunden übertragen (vgl. Belz et al. 2014, S. 2). Verantwortliche im Key Account Management sehen sich aber auch mit Herausforderungen konfrontiert. Laut oben aufgeführter Definition muss das Key Account Management u. a. potenzielle Kunden systematisch analysieren. Hierbei geht es um die Identifikation von potenziellen Schlüsselkunden. Unternehmen verlassen sich häufig darauf, dass die aktuellen Kunden mit dem größten Umsatzvolumen auch zukünftig diese Position einnehmen werden. Es besteht jedoch stets die Gefahr, dass die aktuellen Key Accounts selbst in eine schwierige wirtschaftliche Lage gelangen, infolgedessen sie Größe bzw. Umsatz einbüßen und der Position als Schlüsselkunde nicht mehr gerecht werden. Ehemals sehr bedeutsame Unternehmen wie Nokia oder Blackberry können hier als Beispiele für Schlüsselkunden dieser Art genannt werden (vgl. Sieck 2016, S. 16). Um dem entgegenzuwirken, muss stetig überprüft werden, welche Potenziale die Kunden für die Ausweitung ihrer eigenen Geschäfte haben (vgl. Sidow 2014, S. 13). Eine weitere Herausforderung ergibt sich durch die zu starke Konzentration auf bestehende Key Accounts. Bei Existenz eines oder mehrerer starker Schlüsselkunden sinkt bei Unternehmen häufig die Priorität der Akquise neuer Kunden. Fokussieren sich Unternehmen zu sehr auf die Schlüsselkunden und begeben sich in eine Abhängigkeit von diesen, kann der Verlust eines Key Accounts existenzbedrohende Ausmaße annehmen (vgl. Belz et al. 2014, S. 2 ff.). Folglich müssen Unternehmen die Pflege der bestehenden Kunden sowie die Neukundenakquise als parallel auszugestaltende Aktivitäten betrachten.
2 Beschwerdemanagement Das Beschwerdemanagement ist ein wichtiges Instrument des Customer Relationship Managements (vgl. Abschn. 1 in Kap. 4) und gleichzeitig eine mixübergreifende Aufgabe. Es
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dient dazu, rechtzeitig auf die speziellen Bedürfnisse eines Kunden im Falle einer direkten Beschwerde einzugehen und frühzeitige Maßnahmen zu ergreifen, um die Kundenzufriedenheit wiederherzustellen und eine Abwanderung zu verhindern. Der Grad der Zufriedenheit ergibt sich nach dem Confirmation/Disconfirmation-Paradigma, durch einen Vergleich zwischen der Erfahrung mit dem Unternehmen (Ist-Leistung) und dem subjektiven Vergleichsstandard des Kunden (Soll-Leistung). Unzufriedenheit entsteht, wenn das Niveau der Ist-Leistung unter dem Niveau der Soll-Leistung liegt (vgl. Oliver 2010, S. 105 f.). Eine vertiefende Analyse nehmen Tax et al. (1998) vor, die Zufriedenheit aus einer Gerechtigkeitsperspektive beleuchten. Demnach nehmen Menschen Gerechtigkeit auf drei Dimensionen wahr: Distributive (ergebnisbezogen), prozedurale (prozessbezogen) und interaktionale Gerechtigkeit (bezogen auf den zwischenmenschlichen Umgang) (vgl. Tax et al. 1998, S. 68 ff.; Orsingher et al. 2010, S. 179 ff.)
I Beschwerde Beschwerden können definiert werden, als „Artikulation von Un-
zufriedenheit, die gegenüber Unternehmen oder auch Drittinstitutionen mit dem Zweck geäußert werden, auf ein subjektiv als schädigend empfundenes Verhalten eines Anbieters aufmerksam zu machen, Wiedergutmachung für erlittene Beeinträchtigungen zu erreichen und/oder eine Änderung kritisierten Verhaltens zu bewirken“ (Stauss und Seidel 2014, S. 28).
Beschwerden umfassen oftmals Hinweise auf Mängel bei Sachgütern, Dienstleistungen, Geschäftsprozessen oder Fehlverhalten von Mitarbeitern und können sowohl verbal als auch schriftlich vorgetragen werden. Als Kommunikationsweg kann der Beschwerdeführer entweder den direkten Weg wählen oder eine Institution zwischenschalten (z. B. Schlichtungsstelle, Behörde oder Medien) (vgl. Stauss und Seidel 2014, S. 28 f.). Insbesondere die sozialen Medien werden als Plattform für Unmutsbekundungen gegenüber Unternehmen genutzt und stellen Unternehmen vor Herausforderungen. Charakteristisch für Social Media ist die Schnelligkeit, Unkompliziertheit sowie die zeitliche und räumliche Flexibilität in der Nutzung. Folglich stehen Social Media-Nutzern rund um die Uhr viele Kanäle für Beschwerden zur Verfügung. Durch die Vernetzung der einzelnen Nutzer kann zudem eine umfassende und schnelle virale Verbreitung der Beschwerdeinhalte erfolgen (viraler Effekt). Die hierbei entstehende negative Mund-zu-Mund-Kommunikation kann die Kaufabsicht potentieller Kunden stark beeinflussen und negative Auswirkungen auf die Rentabilität und Kundenbindung haben. Um negative Einflüsse auf das Unternehmen zu verhindern, ist ein aktives und professionelles Beschwerdemanagement in den sozialen Medien sehr wichtig (vgl. Nee 2016, S. 1 f.; Hadwich und Keller 2013, S. 545; King et al. 2014, S. 171).
2
2.1
Beschwerdemanagement
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Ziele des Beschwerdemanagements
Das übergeordnete Globalziel des Beschwerdemanagements ist die Erhaltung, bzw. Erhöhung des Gewinns und der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Zur Erreichung dieses Ziels soll die Kundenzufriedenheit wiederhergestellt, negative Auswirkungen der Unzufriedenheit auf das Unternehmen abgewendet und die Beschwerden genutzt werden, um mögliche Schwächen des Unternehmens zu erkennen und abzustellen. Das Globalziel wird durch die Erreichung von drei Teilbereichen beeinflusst. Es können kundenbeziehungs-, qualitäts- und produktivitätsrelevante Teilziele identifiziert werden (vgl. Stauss und Seidel 2014, S. 63 ff.). Die kundenbeziehungsrelevanten Ziele des Beschwerdemanagements haben einen direkten Einfluss auf die Beziehung zum Beschwerdeführer, wirken jedoch auch auf andere Kunden und deren Beziehungen zum Unternehmen. Zunächst besteht das Ziel darin, die Zufriedenheit wiederherzustellen und eine Kundenabwanderung zu vermeiden (vgl. Stauss und Seidel 2014, S. 64). Empirische Studien belegen, dass insbesondere schnelle, unbürokratische und großzügige Beschwerdeabwicklungen die Kundenzufriedenheit verbessern (vgl. Hadwich und Keller 2013, S. 558–559; Istanbulluoglu 2017, S. 78 f.). Durch ein aktives Beschwerdemanagement kann zudem die Kundenloyalität gestärkt werden, wodurch es zu einer Steigerung der Kaufintensität und Kauffrequenz (Cross-Buying-Effekte) kommen kann (vgl. Alvarez et al. 2011, 154 f.). Teilweise sind Kunden, bei denen Beschwerden erfolgreich behoben wurden, sogar zufriedener. Sie besitzen eine stärkere Neigung beim gleichen Unternehmen zu kaufen, als Kunden, bei denen noch nie Mängel aufgetreten sind (recovery paradox) (vgl. De Matos et al. 2007, S. 66; Michel und Meuter 2008, S. 451 ff.). Ein gut funktionierendes Beschwerdemanagement stärkt zudem das Markenimage. Kunden wird aufgrund des Beschwerdemanagements Sicherheit vermittelt, wodurch Unzufriedenheit abgebaut werden kann. Hieraus entsteht das Image eines Unternehmens mit hoher Kundenorientierung. Zusätzlich entstehen unternehmensinterne Ausstrahlungseffekte, da den Mitarbeitern die Relevanz der Kundenorientierung verdeutlicht wird (Stauss und Seidel 2014, S. 64 f.). Ferner ist die Schaffung werblicher Effekte ein Ziel des Beschwerdemanagements. Das Beschwerdemanagement soll negative Mundpropaganda eindämmen und positive fördern. Da Probleme mit einem Produkt im sozialen Umfeld oder den sozialen Medien besprochen werden, entsteht oftmals negative Mundpropaganda. Allerdings kann durch eine öffentlich zum Ausdruck gebrachte Beschwerdezufriedenheit des Kunden auch eine positive Mund-zu-Mund-Kommunikation entstehen (vgl. Hadwich und Keller 2013, S. 560). Die qualitätsrelevanten Teilziele lassen sich in drei Bereiche unterteilen. Diese sind die Verbesserung des Produktes, sowie die Vermeidung externer und interner Fehlerkosten. Beschwerden beinhalten Informationen über Verbraucherprobleme im Umgang mit Produkten oder Dienstleistungen. Auf Basis dieser Informationen kann das Qualitätsmanagement aus den Fehlern lernen und die Mängel in der Produkt- oder Servicequalität beheben. Ein gutes Beschwerdemanagement bewirkt somit eine Verbesserung der Qualität des Produktes bzw. der Dienstleistung eines Unternehmens (vgl. Filip 2013, S. 272).
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9 Marketing-Mix: Übergreifende Instrumente
Eine systematische Auswertung der angesprochenen Informationen führt zudem zur Vermeidung externer Fehlerkosten. Probleme, aus denen Beschwerden resultieren, führen oftmals zu Gewährleistungs- oder Garantiefällen und somit zu Kosten für das Unternehmen. Eine systematische Analyse und Ausbesserung dieser Mängel vermeidet das Auftreten solcher Garantie- und Gewährleistungsfälle und senkt somit die Höhe externer Fehlerkosten. Beschwerden beinhalten über die Informationen zu Produktmängeln hinaus ebenfalls Informationen über Prozessmängel innerhalb des Unternehmens. Durch eine gezielte Nutzung der Beschwerdeinformationen können die Unternehmensprozesse produktiver gestaltet werden, indem etwa Falscharbeiten korrigiert werden. Dies führt zu einer Vermeidung interner Fehlerkosten. Die produktivitätsrelevanten Teilziele des Beschwerdemanagements beziehen sich auf den Ressourceneinsatz innerhalb des Beschwerdemanagementprozesses. Die Erfüllung der qualitäts- und kundenbeziehungsrelevanten Teilziele erfordert den Einsatz von Ressourcen. Ein effizienter Einsatz dieser Ressourcen ist als Teilziel des Beschwerdemanagements anzustreben (vgl. Stauss und Seidel 2014, S. 65 f.). Damit die Ziele des Beschwerdemanagements erreicht werden, ist es erforderlich, die Einstellungen der Mitarbeiter gegenüber Beschwerden und deren Bearbeitung positiv zu beeinflussen. Die Mitarbeiter dürfen deshalb Beschwerden nicht als persönliche Kritik wahrnehmen, sondern müssen dies als Chance zur Verbesserung der Kundenbeziehung und Steigerung des langfristigen Unternehmenserfolges verstehen. Eine diesbezügliche Beeinflussung der Einstellung der Mitarbeiter kann durch die Gestaltung der Unternehmenskultur und die Gestaltung der Personalführung umgesetzt werden (vgl. Homburg 2017, S. 955; Burmann et al. 2018, S. 79 ff.).
2.2
Der Beschwerdemanagement-Prozess
Der Prozess der Beschwerdemanagements kann in 8 Aufgaben unterteilt werden. Diese können in direkte und indirekte Aufgaben untergliedert werden (vgl. Stauss und Seidel 2014, S. 67). Direkte Aufgaben beschäftigen sich mit der Kundenbeschwerde im engeren Sinne. Sie beeinflussen die Wahrnehmung des Beschwerdeführers über die Bearbeitung seiner Beschwerde und dienen in erster Linie zur Erreichung der kundenbeziehungsrelevanten Teilziele des Beschwerdemanagements. Die indirekten Aufgaben stellen jene Aufgaben dar, an denen der Kunden nicht unmittelbar beteiligt ist. Sie dienen in erster Linie zur Informationsbeschaffung und Qualitätsverbesserung und adressieren somit die qualitätsrelevanten Teilziele des Beschwerdemanagements. Direkter Beschwerdemanagementprozess: Beschwerdestimulierung Beschwerdeannahme
2
Beschwerdemanagement
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Beschwerdebearbeitung Beschwerdereaktion Indirekter Beschwerdemanagementprozess: Beschwerdeauswertung Beschwerdemanagement-Controlling Beschwerde-Reporting Beschwerdeinformationsnutzung
2.2.1 Aufgaben des direkten Beschwerdemanagementprozesses Zu den direkten Aufgaben des Beschwerdemanagements zählen die Beschwerdestimulierung, Beschwerdeannahme, Beschwerdebearbeitung und Beschwerdereaktion. Im Rahmen der Beschwerdestimulierung soll der Kunde dazu angeregt werden, seine „verborgene Unzufriedenheit“ gegenüber dem Unternehmen zu äußern. Wichtig ist dabei die Reduktion von Beschwerdebarrieren. Dies umfasst alle vom Kunden empfundenen Hemmnisse der Beschwerdeartikulation gegenüber dem Unternehmen. Durch die Implementierung einer Vielzahl von Beschwerdekanälen sollen diese Barrieren abgebaut werden (vgl. Homburg 2017, S. 953 ff.) Empirische Studien unterstreichen die hohe Relevanz der Beschwerdestimulierung, da unzufriedene Kunden häufig ihre Beschwerden gar nicht oder nur gegenüber Dritten bzw. in den sozialen Medien verbreiten (vgl. Ward und Ostrom 2006). Um die Gefahr der viralen Verbreitung von negativen Informationen zu reduzieren, sollten Unternehmen verstärkt multimediale elektronische Beschwerdekanäle verwenden um Beschwerdebarrieren abzubauen (vgl. Hadwich und Becker 2013, S. 583 ff.). Damit eine Beschwerdestimulierung jedoch Erfolg hat, ist eine hohe Bekanntheit und gute Erreichbarkeit der Beschwerdekanäle sicherzustellen (vgl. Seidel und Stauss 2014, S. 68; Filip 2013, S. 273). Bei der Beschwerdeannahme wird der Grundstein für die Beschwerdezufriedenheit gelegt. Diese Prozessphase soll sicherstellen, dass der Beschwerdeeingang und die korrekte Erfassung der Mängel schnell und problemlos erfolgen. Mitarbeiter müssen dafür auf die Beschwerdeeingänge durch vorgegebene Verhaltensgrundsätze vorbereitet sein und eine gute Dokumentation des Beschwerdesachverhaltes garantieren (vgl. Homburg et al. 2016, S. 285; Ang und Buttle 2006, S. 94 ff.). Mit der Beschwerdebearbeitung sind die Voraussetzungen für eine systematische Abwicklung der Beschwerde zu schaffen. Dabei geht es primär um Regeln, die die zeitliche und qualitative Bearbeitung von Beschwerden vorgeben. Empirische Studien verweisen in diesem Zusammenhang auf die hohe Relevanz von adaptiver Beschwerdebehandlung statt eines vollständigen standardisierten Vorgehens. Darunter ist die Berücksichtigung von situations- und kundenspezifischen Faktoren zu verstehen, wie bspw. der Schweregrad des Problems oder der Unzufriedenheit des Beschwerdeführers (vgl. Gregoire et al. 2009, S. 18 ff.; Homburg et al. 2010, S. 265). Ferner sollten Unternehmen Regeln für maximale Bearbeitungszeiten festlegen, um die Kundenbeziehung zu stabilisieren und
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Folgebeschwerden zu vermeiden (vgl. Karande et al. 2007, S. 198; Istanbulluoglu 2017, S. 78 f.). So fordern durchschnittlich 33 % der Beschwerdeführer über Social Media eine Bearbeitungszeit ihrer Beschwerde von maximal einer Stunde (vgl. Statista 2014). Als positives Beispiel kann in diesem Zusammenhang die Deutsche Bahn AG genannt werden. Das Unternehmen bietet ihren Kunden durch den Twitter Service-Kanal die Möglichkeit, auf direktem und vor allem schnellen Weg Anfragen und Beschwerden zu bearbeiten (vgl. Burmann et al. 2018, S. 238). Unter dem Begriff Beschwerdereaktion sind alle Handlungen des Managements zusammengefasst, die der Beschwerdeführer während der Beschwerdeabwicklung wahrnimmt. Da sich das Verhalten der Mitarbeiter des Beschwerdemanagements direkt auf die Beschwerdezufriedenheit der Kunden auswirkt, besteht der Themenschwerpunkt der Beschwerdereaktion in der Definition von Leitlinien und Verhaltensregeln für Mitarbeiter. Eine Kernaufgabe stellt die Frage dar, welches Lösungsangebot das Unternehmen dem Beschwerdeführer unterbreitet. Hierbei kann zwischen drei Lösungsangeboten unterschieden werden: Zahlreiche Studien können empirisch nachweisen, dass eine finanzielle Kompensation (z. B. Geldrückgabe, Preisnachlass, Schadensersatz) eine Maßnahme des Beschwerdemanagements darstellt, um die Kundenzufriedenheit wiederherzustellen (Chang 2008; Bonifield und Cole 2008). Monetäre Entschädigungsangebote können zudem negative Mund-zu-Mund-Kommunikation in den sozialen Medien verhindern und die Kaufabsicht steigern (vgl. Nee 2016, S. 172 ff.). Bei einem materiellen Lösungsangebot erfolgt die Kompensation in Form einer Sachleistung (z. B. Produktumtausch, Reparatur, Ersatzprodukt). Auch intangible Beschwerdeergebnisse wie z. B. eine Entschuldigung oder Erklärung, die als psychologische Kompensationen verstanden werden können, sind für das Beschwerdemanagement zur Minderung der Unzufriedenheit des Beschwerdeführers von Relevanz (vgl. Nee 2016, S. 84 ff.; Roschk 2011, S. 12). Um eine angemessene Kompensation zu unterbreiten, müssen geeignete Daten über den Beschwerdeführer vorhanden sein (z. B. Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kundengruppe oder sein ökonomischer Wert für das Unternehmen). Zudem sind der Umfang und der zeitliche Rahmen der Kommunikation nach dem Beschwerdeeingang zu definieren. Es ist festzulegen, welche Art von Rückmeldungen gegeben wird und in welcher Form dies erfolgen soll, sowie der Zeitrahmen, in dem die Kommunikation erfolgen muss. Mit der Ausführung der Beschwerdereaktion findet der direkte Beschwerdemanagementprozess ein Ende.
2.2.2 Aufgaben des indirekten Beschwerdemanagementprozesses Zu den indirekten Aufgaben zählen die Beschwerdeauswertung, das Beschwerdemanagement-Controlling, Beschwerde-Reporting und Beschwerdeinformationsnutzung. Diese Prozesse finden ohne direkten Kundenkontakt statt. Die Beschwerdeauswertung behandelt die Auswertung der in Beschwerden enthaltenen Informationen auf qualitativer und quantitativer Ebene. Diese Informationen können Unternehmen dafür nutzen, systematische Fehler im Leistungserstellungsprozess und in der Kundeninteraktion zu erkennen und zu lösen. Insbesondere häufig auftretende Be-
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Beschwerdemanagement
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schwerdeursachen sind ein Anzeichen für systematische Probleme innerhalb eines Unternehmens. Zudem können Beschwerden Hinweise über veränderte Kundenpräferenzen enthalten. Im quantitativen Bereich der Beschwerdeauswertung gilt es, den Umfang und die Verteilung des Beschwerdeaufkommens zu analysieren, sowie eine Priorisierung der aufgetretenen Kundenprobleme vorzunehmen. Auf qualitativer Seite wird eine systematische Analyse der Beschwerdeursachen durchgeführt. Auf Basis dieser Ergebnisse können daraufhin Verbesserungsvorschläge formuliert werden. Das Beschwerdemanagement-Controlling dient der Steuerung und Überwachung. Es kann in drei Bereiche untergliedert werden. Hierzu zählen das Evidenz-Controlling, das Aufgaben-Controlling und das Kosten-Nutzen-Controlling. Die Ergebnisse der jeweiligen Controlling-Bereiche sind Grundlage der Steuerung und Überwachung des Beschwerdemanagements. Als Instrument zur Steuerung des Beschwerdemanagements dient beispielsweise eine Beschwerdemanagement-Balanced Scorecard (vgl. Abschn. 3 in Kap. 11; Lueg und Carvalho e Silva 2013, S. 86 ff.). Im Kern des Evidenz-Controllings steht die Frage, inwiefern das Beschwerdemanagement in der Lage ist, das Ausmaß der Unzufriedenheit unter den gesamten Kunden zu identifizieren und diese in Beschwerden zu stimulieren. Aufzudecken sind hier das Ausmaß nicht artikulierter Beschwerden unzufriedener Kunden, sowie artikulierter, aber nicht registrierter Beschwerden. Gegenstand des Aufgaben-Controllings ist die Kontrolle der Aufgabenerfüllung im direkten Beschwerdemanagementprozess. Es sind Qualitätsindikatoren und -Standards zu formulieren, anhand derer die Qualität des direkten Beschwerdemanagementprozesses evaluiert werden kann. Zum einen kann beispielsweise die Einhaltung zeitlicher Vorgaben kontrolliert werden. Zum anderen kann die Zufriedenheit des Kunden im Nachgang der Beschwerde erfasst werden. Das Kosten-Nutzen-Controlling untersucht die Wirtschaftlichkeit eines Beschwerdemanagementsystems. Die Kosten, welche in der Annahme, der Bearbeitung und der Reaktion, sowie innerhalb des indirekten Beschwerdeprozesses entstehen, werden dem Nutzen des Beschwerdemanagementsystems gegenübergestellt. Es dient somit der Kontrolle des produktivitätsrelevanten Teilziels des Beschwerdemanagements. Die Aufgabe des Beschwerde-Reportings besteht darin, die Informationen aus der Beschwerdeauswertung und dem Beschwerde-Controlling im Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Hierbei sind Entscheidungen darüber zu treffen, wie oft ein solches Reporting erfolgen soll. Zudem ist zu bestimmen, welche internen Gruppen (Geschäftsleitung, Qualitätsmanagement, Marketing), welche Art von Auswertungen erhalten sollen. Um die qualitätsrelevanten Teilziele des Beschwerdemanagements zu erfüllen, ist die systematische Nutzung der gewonnen Informationen im indirekten Prozess unabdingbar. Hierzu zählen beispielsweise die gezielte Einbeziehung von Beschwerdeinformationen in die Arbeit des Qualitätsmanagements, die Nutzung potenzieller Ideen eines Beschwerdeführers zur Produktverbesserung und die Integration der Beschwerdeinformationen in das Kundenwissen des Unternehmens (vgl. Stauss und Seidel 2014, S. 69 ff.; Homburg 2017, S. 953 ff.).
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Corporate Social Responsibility
Bei der Planung und Umsetzung von Instrumenten im Marketing-Mix steht einerseits die Befriedigung der Kundenbedürfnisse im Mittelpunkt. Die Umsetzung der Marketingmaßnahmen erfordert jedoch auch die Einbindung von Mitarbeitern, Anteilseignern, Lieferanten sowie weiteren Institutionen (z. B. Banken), die ebenfalls Erwartungen an ein Unternehmen haben. Produktions-, Transport- und Vermarktungsprozesse wie auch die Nutzung von Produkten und Serviceleistungen haben Auswirkungen auf die Nutzung und Belastung von Umweltressourcen mit langfristigen Rückwirkungen auf die Lebensqualität einer Gesellschaft. Somit steht das Marketingmanagement in der Verantwortung, einerseits die Kundenbedürfnisse zu erfüllen und andererseits hiermit verbundene negative soziale und ökologische Auswirkungen zu vermeiden. Heute werden Unternehmen bereits durch gesetzliche Vorschriften aufgefordert, eine erweiterte Verantwortung bzw. Corporate Social Responsibility (CSR) für Risiken und negative Begleiterscheinungen ihrer Unternehmenstätigkeit zu übernehmen. Hierdurch ergeben sich für das Marketingmanagement zwei Implikationen: Einerseits sind die zuvor dargestellten Maßnahmen im Marketing-Mix so auszugestalten, dass Unternehmen mit ihren Leistungen nicht nur die Kunden zufriedenstellen, sondern langfristig hierdurch auch keine negativen Auswirkungen für die Gesellschaft und natürliche Umwelt resultieren. Ist dies nicht gewährleistet, so sind Marketinginstrumente anzupassen und dies kann zur Einschränkung des unternehmerischen Gestaltungsspielraumes führen. Andererseits bieten sich durch die Wahrnehmung einer Corporate Social Responsibility auch Differenzierungschancen im Wettbewerb und Möglichkeiten, das Vertrauen des Unternehmens gegenüber Kunden, Mitarbeitern, Anteilseignern, Lieferanten und der Öffentlichkeit zu stärken. Hierdurch können zusätzliche Maßnahmen in den einzelnen Bereichen des Marketing-Mix eingesetzt werden. Somit kann CSR auch als eine Erweiterung des unternehmerischen Gestaltungsspielraumes verstanden werden. Bisher hat sich noch kein einheitliches Begriffsverständnis für CSR durchgesetzt (Schneider und Schmidpeter 2015). Die Europäische Kommission hat sich mit dem Konzept bereits seit nahezu zwei Jahrzehnten auseinandergesetzt und folgende begriffliche Fassung im Jahre 2001 erstmals vorgelegt:
I CSR ist ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger
Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren (Europäische Kommission 2001, S. 7). Im Jahre 2012 wurde eine neue Definition vorgelegt, wonach „CSR die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft ist“ (Europäische Kommission 2011, S. 7).
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Corporate Social Responsibility
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2014 hat das Europäische Parlament eine sogenannte CSR-Richtlinie verabschiedet, die insbesondere auf große Unternehmen ausgerichtet ist und Transparenz über die ökologischen und sozialen Auswirkungen des Unternehmensverhaltens schaffen soll. In Deutschland wurde die EU-weite Richtlinie im Jahre 2017 in nationales Recht umgesetzt. Berichterstattungspflichtige Unternehmen (börsennotiert mit mehr als 500 Mitarbeitern) werden hierin aufgefordert, ihre Stakeholder zu folgenden Anspruchsbereichen zu informieren: Umweltbelange Arbeitnehmerbelange Sozialbelange Achtung der Menschenrechte Bekämpfung von Korruption und Bestechung Damit soll die Berichterstattung dazu beitragen, dass Unternehmen die Öffentlichkeit über externe Effekte und damit einhergehenden Risiken informieren sowie Hinweise geben, wie sie diese zukünftig verhindern bzw. abbauen können. Neben dem Begriff Corporate Social Responsibility findet auch zunehmend die Bezeichnung Corporate Responsibility Verwendung, um einer Überbetonung der sozialen Dimension zugunsten einer gleichberechtigten Beachtung von ökologischen, sozialen und ökonomischen Anforderungen entgegenzuwirken. Diese drei Dimensionen wurden über den Nachhaltigkeitsansatz in die Konzeptdiskussion eingebracht (siehe hierzu auch Abschn. 3 in Kap. 4). Somit wird CSR vielfach auch mit den Begriffen Corporate Responsibility und Corporate Sustainability gleichgesetzt. Mit Bezug zu der Definition der EU-Kommission soll der Begriff Corporate Social Responsibility jedoch im Folgenden Verwendung finden. Die oben aufgeführten Anspruchsbereiche bilden einen ersten Orientierungsrahmen für die Identifikation möglicher Risiko- und Konfliktfelder zwischen einem Anbieter und den Ansprüchen relevanter Stakeholdern, zu denen neben den Kunden, die Mitarbeiter, Anteilseigner sowie die breitere Öffentlichkeit zählt (siehe zur Klassifikation von Anspruchsgruppen Abschn. 3 in Kap. 1). Die Wahrnehmung der Corporate Social Responsibility erfordert somit eine enge Verzahnung mit dem Stakeholder-Management (siehe Abschn. 1 in Kap. 4), über das wichtige Ansprüche, Bedürfnisse und Erwartungen von Stakeholdern, die mit den Unternehmensaktivitäten innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette direkt oder indirekt verbunden sind, erfasst und bei der Ziel-, Strategie- und Maßnahmenplanung Berücksichtigung finden. Mit Bezug zur Marketingdisziplin wurde bereits in den 70er und 80er Jahren in Wissenschaft wie auch Praxis verstärkt der Einfluss von Marketingmaßnahmen auf die soziale und natürliche Umwelt thematisiert. Durch zunehmende soziale und ökologische Anforderungen sind auch spezifische Marketingkonzepte wie z. B. das Öko-Marketing oder Sustainability Marketing entwickelt worden (Meffert und Kirchgeorg 1998; Belz und Peattie 2012; Meffert et al. 2014).
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9 Marketing-Mix: Übergreifende Instrumente
Im letzten Jahrzehnt sind über eine Vielzahl von Bemühungen umfassende Indikatorenkataloge entwickelt worden, die für die Identifikation von Problemfeldern und deren Handhabung sowie zur Berichterstattung herangezogen werden. Beispielhaft zeigt die Abb. 4 die ökonomischen, ökologischen und sozialen Indikatoren, die der Leitfaden der Global Reporting Initiative (GRI) empfiehlt (GRI 2015). Der Indikatorenkatalog verdeutlicht, dass eine ausschließliche Fokussierung auf Kundenbedürfnisse für Anbieter nicht ausreicht, weil letztlich die Akzeptanz und Legitimität von Unternehmensaktivitäten in der Gesellschaft insgesamt sicherzustellen ist. Über eine frühzeitige und kontinuierliche Analyse der einzelnen Indikatoren können Restriktionen wie auch Risikofaktoren für die Marketingplanung bewertet und Handlungsoptionen entwickelt werden. Durch die Begrenzung oder innovative Überwindung entsprechender Risiken können auch Ansatzpunkte für Profilierungschancen und wettbewerbsbezogene Differenzierungspotentiale entwickelt werden. Hierüber können sich Auswirkungen auf alle Marketinginstrumente im Marketing-Mix ergeben. Wenngleich der Ansatz der Corporate Social Responsibility auf alle Unternehmensfunktionen sowie vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsprozesse abzielt, so sollen im Folgenden die besonderen Bezüge bei der Entwicklung und dem Einsatz von MarketingMaßnahmen hervorgehoben werden. In der Tab. 2 sind beispielhaft Problemfelder aufgeführt, die im Rahmen der Ausgestaltung des Marketing-Mix auftreten können und in Konflikt zu den oben aufgeführten Stakeholderansprüchen (CSR Anspruchsbereiche) stehen. Betrachtet man die Marktforschung, so gewinnen hier angesichts der digitalen Gewinnung und Verarbeitung von Kundendaten Fragestellungen des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre eine besondere Relevanz. Bezogen auf einzelne Zielgruppen stellt sich auch die Frage, inwieweit Marktforschung mit Kindern sozial und ethisch vertretbar ist. Hierzu stellen Branchenverbände auf der nationalen wie internationalen Ebene Hilfestellungen und Richtlinien für Unternehmen zur Verfügung. Über Instrumente der Marktsegmentierung eröffnet sich die Möglichkeit, dass sich Unternehmen mit ihren Leistungen auf besonders attraktive Zielgruppen fokussieren. Einerseits wird hierdurch die Konzentration auf die Bedürfnisse einer Kundenzielgruppe erhöht, damit kann das Marketing-Mix zielgruppenbezogen ausgestaltet werden. Andererseits stellt der bewusste Ausschluss von anderen Nachfragern wiederum eine Diskriminierung dar. Entsprechende Herausforderungen ergeben sich z. B. im Pharmabereich, wenn hochpreisige Medikamente für zahlungskräftige Zielgruppen den Ausschluss armer Bevölkerungsgruppen implizieren. In der Produktpolitik sind ressourcen- und umweltbezogene Anforderungen über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes zu berücksichtigen. Hierzu ist die Einbeziehung von Umweltanforderungen in den Innovations- und Produktneuentwicklungsprozess notwendig. Die Betroffenheit der Automobilindustrie vom Dieselskandal stellt ein prominentes Beispiel dafür dar, welche öffentlichen und juristischen Diskussionen bei einer bewussten Vernachlässigung von Umweltanforderungen das Ansehen und die Reputation betroffener Unternehmen beeinträchtigen. Die mit der Leistungserstellung zusammen-
■ Materialien ■ Energie ■ Wasser ■ Biodiversität ■ Emissionen ■ Abwasser/Abfall ■ Produkte & Dienstleistungen ■ Einhaltung von Rechtsvorschriften ■ Transport ■ Gesamte Umweltschutzausgaben ■ Bewertung von Lieferanten ■ Beschwerdeverfahren hinsichtlich ökologischer Aspekte
Ökologische Leistungsindikatoren Leistungsindikatoren
■ Beschäftigung ■ Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis ■ Sicherheit und Gesundheitsschutz ■ Aus- und Weiterbildung ■ Vielfalt und Chancengleichheit ■ Lohngleichheit für Frauen & Männer ■ Bewertung der Lieferanten ■ Beschwerdeverfahren ■ Investitionen ■ Gleichbehandlung ■ Vereinsfreiheit/Kollektivverhandlungen ■ Kinderarbeit ■ Zwangsarbeit ■ Sicherheitspraktiken ■ Rechte der indigenen Bevölkerung ■ Prüfung ■ Bewertung der Lieferanten ■ Beschwerdeverfahren ■ Lokale Gemeinschaften ■ Korruptionsbekämpfung ■ Politik ■ Wettbewerbwidriges Verhalten ■ Compliance ■ Lieferantenbewertung ■ Beschwerdeverfahren ■ Kundengesundheit und -sicherheit ■ Produkt-/Dienstleistungskennzeichnung ■ Marketing ■ Schutz der Kundendaten ■ Compliance
Arbeitsbedingungen und menschenwürdige Beschäftigung
Menschenrechte
Gesellschaft
Produktverantwortung
Gesellschaftliche Leistungsindikatoren Kategorien
Corporate Social Responsibility
Abb. 4 CSR-Indikatoren der Global Reporting Initiative (Quelle: GRI 2015)
■ wirtschaftliche Leistung ■ Marktpräsenz ■ lndirekte wirtschaftliche Auswirkungen ■ Beschaffung
Ökonomische Leistungsindikatoren
CSR-Indikatoren der Global Reporting Initiative (GRI)
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9 Marketing-Mix: Übergreifende Instrumente
Tab. 2 Identifikation von typischen stakeholderbezogenen Problemfeldern beim Einsatz von Marketinginstrumenten Marketinginstrumente Marktforschung
Produktpolitik
Preispolitik
Distributionspolitik
Kommunikationspolitik
Beispiele für potentielle Problemfelder Erhebung und Nutzung von Kundendaten (Datenschutz) Marktforschung mit Kindern Marktsegmentierung (Zielgruppendiskriminierung) Ressourcenschonende Herstellung Ressourcenschonende Nutzung Menschenwürdige Arbeitsbedingungen (z. B. Kinderarbeit) Reduzierung/Vermeidung von Emissionen & Abfall Produktsicherheit Preis- & Konditionentransparenz Vertragskonditionen Preisdumping Psychologische Preissetzung Korruption Lieferprozesse & -konditionen Selektive Vertriebskonzepte (Diskriminierung) Arbeitsbedingungen Irreführende & falsche Werbeaussagen Manipulation von Kundenbedürfnissen Diskriminierung von Teilzielgruppen Programmatic Marketing (Automatisierte Kundenansprachen)
hängenden sozialen Herausforderungen mit Blick auf die Arbeitsbedingungen, den Ausschluss von Kinderarbeit oder die Eröffnung von Weiterbildungschancen bilden weitere Anforderungen, die im GRI-Indikatorenkatalog adressiert und weiter detailliert werden. Preispolitische Instrumente haben vielfach einen besonderen Einfluss auf das Nachfrage- und Kaufverhalten. Transparenz über die Preisgestaltung und Konditionen bis hin zur Vertragsgestaltung dient als Basis für die Etablierung langfristiger Beziehungen zu Kunden wie auch anderen Geschäftspartnern eines Unternehmens. Formen des „Behavioral Pricing“ stehen auch in der Kritik, durch die Art und Weise der Preisdarbietung Nachfrager zu einem erhöhten Konsum oder einer erhöhten Preisbereitschaft zu bewegen. Illegale Verzerrungen des Wettbewerbs stellen Anreize dar, die in Form von Bestechungsgeldern bzw. Korruption nicht den leistungsstärksten Anbieter oder Nachfrager im Markt über einen fairen Wettbewerb belohnen. Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht eines Marktteilnehmers zum privaten Nutzen oder Vorteil, ohne dass hierüber Transparenz bei den anderen Marktteilnehmern besteht (Redwitz 2014). Das heißt Unternehmen versuchen durch Zahlungen von verdeckten („unsichtbaren“) Anreizen an Entscheidungsträger Aufträge zu bekommen, die sie über den Wettbewerbsprozess aufgrund von Leistungsdefiziten nicht bekommen hätten. Der Marktmechanismus wird somit außer Kraft gesetzt und leistungsschwächere Anbieter erhalten Aufträge mit langfristig fatalen Folgen für die Märkte und Gesellschaft.
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Corporate Social Responsibility
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An die Distributionspolitik gibt es ein weites Spektrum an Stakeholderanforderungen. Im Zusammenhang mit der Zunahme des E-Commerce wird die Umweltverträglichkeit von Hauszustellungen z. T. inklusive der damit einhergehenden Arbeitsbedingungen des Zustellpersonals hinterfragt. Selektive Vertriebskanäle begrenzen bewusst die Verfügbarkeit von Produkten für den Handel aufgrund qualitativer Restriktionen. Letztlich kommt auch hierdurch eine Diskriminierung von Abnehmerzielgruppen zum Tragen, sodass diese Konzepte auch wettbewerbsrechtlichen Regelungen unterliegen. In der Kommunikationspolitik kommen Instrumente zum Einsatz, die die Kommunikation gegenüber Kunden betreffen wie auch Public Relations-Maßnahmen, die auf die relevanten Stakeholdergruppen abstellen. Irreführende oder falsche Werbeaussagen bilden häufig den Gegenstand von Kritik. Auch im Zusammenhang mit der fortschreitenden Digitalisierung von Botschaften und automatisierten Ansprachen (Programmatic Marketing) von Nachfragern und Stakeholdern ergeben sich neue Herausforderungen für ein gesellschaftlich verantwortliches handelndes Marketingmanagement. Gleichzeitig können CSR-Maßnahmen auch die Instrumente des Marketing-Mix erweitern und zur Profilierung eingesetzt werden. Beispielhaft seien CSR- und Nachhaltigkeitsreports erwähnt sowie Zertifizierungsverfahren, die zur gezielten Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb und zum Vertrauensaufbau bei Kunden und Stakeholdern eingesetzt werden können. Während die Ausführungen beispielhaft an ausgewählten Instrumenten des Marketing-Mix kritische Fragen adressieren, die über den Anspruch einer Corporate Social Responsibility abgeleitet werden, so sollten alle Ebenen des Marketingmanagementprozessses einbezogen werden. Suchanek und Kirchgeorg beschäftigen sich mit CSRAnforderungen auf einzelnen Stufen des Marketingmanagementprozesses. Sie identifizieren Informations-, Zielsetzung-, Strategie-, Umsetzungs- und Kontroll-Gaps, die letztlich dafür verantwortlich sind, dass die Verantwortung von Unternehmen gegenüber ihren Kunden, Mitarbeitern und allen weiteren betroffenen Stakeholdern nicht systematisch wahrgenommen wird (Suchanek und Kirchgeorg 2009).
Fragen zu Kapitel 9 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Was ist bei der Auswahl von Schlüsselkunden zu beachten? Was sind die zentralen Ziele des Key Account Management? Was sind die Aufgaben des Key Account Management? Wo liegen die Chancen und Herausforderungen im Key Account Management? Was sind die Ziele des Beschwerdemanagement? Was sind die Aufgaben des direkten Beschwerdemanagementprozesses? Was sind die Aufgaben des indirekten Beschwerdemanagementprozesses? Was stellt das CSR in das Blickfeld des Marketing? Was sind typische stakeholderbezogene Problemfelder beim Einsatz von Marketinginstrumenten?
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9 Marketing-Mix: Übergreifende Instrumente
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Marketingimplementierung
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Inhalt 1 2
Ziele und Entscheidungstatbestände der Marketingimplementierung . . . . . . . . . . . . . Prozess der Marketingimplementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Durchsetzung von Marketingstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Implementierungsbarrieren und Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Implementierungsträger (Promotoren) und internes Marketing . . . . . . . . 2.2 Umsetzung von Marketingstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Übersetzung von Marketingstrategien in Marketingmaßnahmen . . . . . . . 2.2.2 Funktionsspezifische Koordination von Marketingmaßnahmen . . . . . . . . 2.2.2.1 Gegenstand und Entscheidungstatbestände der funktionsspezifischen Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2 Verfahren der funktionsspezifischen Koordination im Marketing 2.2.3 Funktionsübergreifende Koordination des Marketing . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1 Ansatzpunkte zur Reduktion des Koordinationsbedarfes . . . . . 2.2.3.2 Ansatzpunkte zur Deckung des verbleibenden Koordinationsbedarfes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Gestaltung der Marketingorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Anpassung der Unternehmenssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Erstellung eines Marketingplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Meffert et al., Marketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-21196-7_10
881 883 883 883 889 891 891 892 892 896 908 908 911 915 917 918 921
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Marketingimplementierung
Gegenstand dieses Kapitels ist die Erläuterung und Darlegung, wie sich die bisher thematisierten Inhalte tatsächlich implementieren lassen bzw. welche Barrieren dafür überwunden werden müssen. Zum einen geht es dabei um die Durchsetzung ausgewählter Marketingstrategien. Darunter werden zunächst Implementierungsbarrieren und Konfliktlösungen thematisiert. Des Weiteren werden Implementierungsträger (Promotoren) sowie internes Marketing beleuchtet. Zum anderen enthält das Kapitel Ausführungen zur konkreten Umsetzung von Marketingstrategien. Den Schluss dieses Kapitels bildet ein Abschnitt zur Erstellung eines Marketingplans. Dabei wird die Struktur dieses Lehrbuches (der Marketingmanagementprozess) herangezogen und an jeder Stufe überprüft, welche spezifischen Fragestellungen Marketingverantwortliche beantworten müssen. Die adäquate Beantwortung der genannten Fragestellungen kann als ein zentraler Bestandteil der Marketingimplementierung verstanden werden (vgl. Abb. 1).
I. Markttransaktionen Competence-Based View
Market-Based View
Anbieter
Nachfrager
II. Entscheidungsprozesse Kaufentscheidungen von Marketingentscheidungen von Nachfragern Anbietern Marktinformationen
Situationsanalyse
Bedürfnisse
Marketingziele
Alternativenbewertung
Marketingstrategie
Kaufpräferenz
Marketinginstrumente
Kaufdurchführung
Marketingimplementierung
Nachfragerzufriedenheit
Marketingcontrolling
Marketingimplementierung
Durchsetzung von Marketingstrategien
Umsetzung von Marketingstrategien
Erstellung eines Marketingplans
III. Wertebene
Kunden- und Markenwert
Stakeholder Value
Unternehmenswert
Abb. 1 Einordnung der Marketingimplementierung in die Struktur des Lehrbuchs
1
Ziele und Entscheidungstatbestände der Marketingimplementierung
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1 Ziele und Entscheidungstatbestände der Marketingimplementierung I Marketingimplementierung Der Begriff der Implementierung lässt sich vom
lateinischen Wort „implementum“ herleiten, welches so viel bedeutet wie „Erfüllung“. Im Folgenden soll die Marketingimplementierung als ein Prozess verstanden werden, bei dem die Marketingstrategie in aktionsfähige Aufgaben umgewandelt und durch den sichergestellt wird, dass diese Aufgaben so durchgeführt werden, dass damit die zugrunde liegenden Ziele der Strategie erfüllt werden (vgl. Kotler et al. 2007, S. 1167). Der Prozess des „make the marketing-strategy work“ kann inhaltlich in zwei Teilaufgaben untergliedert werden (vgl. Kolks 1990, S. 78 f.): Durchsetzung der Marketingstrategie: Dies erfordert insbesondere die Schaffung von Akzeptanz für die Strategie bei den betroffenen Unternehmensmitgliedern und den Abbau möglicher Implementierungsbarrieren. Umsetzung der Marketingstrategie: Das heißt die Spezifizierung (Konkretisierung) der globalen Strategievorhaben sowie die funktionsspezifische und funktionsübergreifende Koordination der Marketingmaßnahmen sowie die entsprechende Anpassung der Unternehmensstruktur und -systeme an die Marketingstrategie. Die Durchsetzung der Marketingstrategie umfasst demnach die verhaltensbezogenen Aufgaben und die Umsetzung der sachbezogenen Aufgaben der Marketingimplementierung (vgl. Welge et al. 2017, S. 598 f.). Für eine erfolgreiche Implementierung der Marketingstrategie ist es wichtig, dass die Unternehmensleitung beide Bestandteile des Implementierungsprozesses in gleicher Weise verfolgt. Denn zum einen ist ohne eine Konkretisierung der strategischen Planungen sowie eine Veränderung und Anpassung der Unternehmensorganisation eine Implementierung nicht möglich. Zum anderen ist der Implementierungserfolg generell gefährdet, wenn die Mitarbeiter des Unternehmens die Implementierung nicht unterstützen oder sogar blockieren. Dementsprechend kommt der sorgfältigen Planung des Implementierungsprozesses eine wichtige Bedeutung zu.
Nach Lewin (1963) werden bei einer prozessualen Betrachtung der Implementierung die drei Phasen des „unfreezing“, „moving“ und „freezing“ unterschieden. Die erste Phase beschreibt die Tatsache, dass zu Beginn der Implementierung bestehende Verhaltensmuster „aufgebrochen“ werden müssen (unfreezing). Erst danach ist es möglich, die angestrebten Veränderungen wirklich zu initiieren (moving), um diese anschließend als generelle Muster verfestigen zu lassen und der Organisation die notwendige Stabilität zu geben (freezing). Allerdings sind die drei Phasen in der Praxis nicht unabhängig vonein-
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Marketingimplementierung
ander und laufen nicht linear-sukzessiv ab (vgl. Hilker 1993, S. 221 f.). Darüber hinaus ist die Bedeutung der dritten Phase (freezing) heute in Anbetracht dynamischer Veränderungen im Unternehmensumfeld und dem sich daraus ergebenden Flexibilitätserfordernis zu relativieren. Damit ist vor allem die Verhinderung einer erneuten „Erstarrung“ der Organisation angesprochen. Für die Marketingimplementierung lassen sich spezielle Implementierungsziele ableiten. Die generellen Unternehmensziele, wie z. B. Umsatz, Gewinn oder Marktanteil, sind in diesem Zusammenhang nicht ausreichend konkret und müssen weiter detailliert werden. Der Implementierungsprozess sollte sich daher an den folgenden Zielsetzungen orientieren: Die erfolgreiche Implementierung der entwickelten Marketingstrategie ist das Oberziel des Implementierungsprozesses. Dieses lässt sich jedoch nur dann realisieren, wenn entsprechend die Durchsetzungs- und Umsetzungsziele (Systemziele) der Implementierung erreicht sowie bestimmte Durchführungsziele mit berücksichtigt werden. Die Akzeptanz der Marketingstrategie von Seiten der betroffenen Mitarbeiter ist die Voraussetzung für deren Leistungs- und Einsatzbereitschaft. Hierfür ist es erforderlich, dass diese Mitarbeiter die Marketingstrategie in ihren Inhalten „kennen“ und „verstehen“ sowie diese realisieren „können“ und auch „wollen“. Diese Durchsetzungsziele der Implementierung lassen sich aus verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen der Motivationspsychologie ableiten. Die Umsetzungsziele der Marketingimplementierung bilden dann die Spezifikation der Marketingstrategie, die funktionsspezifische und -übergreifende Koordination des Marketing sowie die Anpassung der Struktur und der Systeme des Unternehmens. Sowohl bei den Durchsetzungs- als auch bei den Umsetzungszielen sollten bestimmte Kennzahlen, im Sinne von Durchführungszielen, festgelegt werden, um eine effiziente Durchführung der Marketingimplementierung zu gewährleisten. Im Wesentlichen sind damit Kostenziele gemeint, die mit bestimmten Ablaufzielen (z. B. Termingerechtigkeit) in Einklang zu bringen sind. Im Zusammenhang mit der Implementierung von Strategien ist die Einstellung, Strategien könnten allein dadurch realisiert werden, dass sie als wünschenswert angesehen und verabschiedet werden, als grundlegender Irrtum einzustufen. So ist es keinesfalls selbstverständlich, dass die Mitarbeiter ihr Verhalten aufgrund der Tatsache ändern, dass sich die „offizielle“ Unternehmensstrategie verändert hat. Insgesamt widmen Unternehmen diesem Aspekt der praktischen Umsetzung der Strategie oft zu wenig Aufmerksamkeit. Die Notwendigkeit zur Entwicklung von Implementierungskonzepten für die wesentlichen Eckpunkte der Strategieumsetzung und zu gesonderten Implementierungsmaßnahmen wird in der Praxis vielfach nicht erkannt (vgl. Hungenberg 2014, S. 533 ff.). Somit ist das Scheitern von Marketingstrategien nicht zwangsläufig auf eine unzureichende Qualität der Marketingstrategie zurückzuführen, sondern kann ebenfalls durch die Qualität des Implementierungsprozesses begründet sein. Dementsprechend ergeben
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Prozess der Marketingimplementierung
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Tab. 1 Ursachen für das Scheitern von Marketingstrategien Qualität der Marketingstrategie Schlecht Qualität der Marketingimplementierung Schlecht „Verhinderte Gefahr“ Gut
„Misserfolg“
Gut „Verspielte Chance“ „Erfolg“
sich für das Scheitern in der Praxis mehrere Ursachen (vgl. Tab. 1). Ein fehlendes Zusammenpassen (Fit) von Strategie und Unternehmen oder ein unerwarteter Wechsel der Rahmenbedingungen kann die Planungskonzepte vorzeitig zum Scheitern bringen. Dabei ist die mangelnde Umsetzung einer ungeeigneten Strategie im Sinne einer „verhinderten Gefahr“ dahingehend vorteilhaft für das Unternehmen, als dass eine Verschlechterung der gegebenen Situation, also ein „Misserfolg“, vermieden wird. Kritisch zu beurteilen sind dagegen solche Fälle, bei denen eine gute Strategie nicht zum Erfolg führt, weil die Implementierung nicht gelingt. Hier handelt es sich um eine „verspielte Erfolgschance“. Aus dem nicht eintretenden Erfolg einer Marketingstrategie werden häufig zu früh und falsche Schlüsse gezogen: Statt dem Markt ausreichend Reaktionszeit zu gewähren und die Implementierungsinstrumente zu verbessern, wird oft eine gute Marketingstrategie vorschnell verändert und im nächsten Schritt werden dieselben Implementierungsfehler wiederholt. Dies kann z. B. auf den wachsenden Druck des Kapitalmarktes und die damit einhergehende extreme Verkürzung von Planungshorizonten im Unternehmen zurückzuführen sein. Diese Entwicklung lässt sich häufig auch bei nicht börsennotierten Unternehmen beobachten, bei denen Finanzinvestoren einen signifikanten Kapitalanteil erworben haben.
2 Prozess der Marketingimplementierung 2.1
Durchsetzung von Marketingstrategien
2.1.1 Implementierungsbarrieren und Konfliktlösung Die Implementierung einer Strategie ist i. d. R. bedingt durch ihren Neuigkeitscharakter innerhalb des Unternehmens mit einem umfangreichen Lern- und Wandlungsprozess verbunden. Den notwendigen strategischen Veränderungsprozessen im Unternehmen stehen dabei festgefahrene Verhaltensweisen, Machtstrukturen, spezifische bereichsbezogene Werthaltungen und Denkstrukturen ebenso entgegen, wie Widerstände und Konflikte (Implementierungsbarrieren), durch die der Implementierungsprozess verzögert oder sogar sabotiert werden kann. Die Vermittlung strategiebezogener Akzeptanz und die Bewältigung von Verhaltenswiderständen im Rahmen der Durchsetzungsphase ist daher eine Hauptaufgabe bei der Strategieimplementierung (vgl. Welge et al. 2017, S. 829 ff.). Entsprechendes gilt natürlich auch für die Implementierung der Marketingstrategie. Unter dem Begriff Widerstand können im Zusammenhang mit Veränderungsprozessen
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Marketingimplementierung
mentale Barrieren verstanden werden, welche „sich in einer aktiven oder passiven Ablehnung von Veränderungen“ äußern (Vahs 2015, S. 358). Grundsätzlich lassen sich hierbei rationale, politische und emotionale Widerstände unterscheiden. Während rationale Widerstände auf logisch nachvollziehbaren Argumentationen seitens der betroffenen Unternehmensmitglieder beruhen, entstehen politische Widerstände vor allem aus der Angst vor dem Verlust der eigenen hierarchischen Stellung. Ein solcher „Machterhaltungswille“ wird dabei nur selten offen geäußert und kann zu irrationalen Handlungsweisen der Betroffenen führen. Emotionale Widerstände entstehen ebenfalls aus der Angst vor den kommenden Veränderungen und basieren auf den subjektiven Empfindungen der Betroffenen und nicht auf sachlichen Überlegungen. Dementsprechend ist diese Form des Widerstandes am schwersten zu bewältigen und oft nur durch Gespräche abzubauen (vgl. Vahs 2015, S. 364 f.). Durch weitreichende Information, Qualifikation und Motivation der betroffenen Mitarbeiter lassen sich verhaltensbezogene Widerstände abbauen. Das „Kennen“ und „Verstehen“, das „Können“ und das „Wollen“ der Marketingstrategie seitens der Unternehmensmitglieder beeinflusst daher maßgeblich die Akzeptanz der Marketingstrategie: „Kennen“ und „Verstehen“ der Marketingstrategie Für eine erfolgreiche Durchsetzung von Strategien ist es erforderlich, den entsprechenden Mitarbeitern die Inhalte der Strategie zu vermitteln („Kennen“). Dabei sind zwei Gruppen von Mitarbeitern zu unterscheiden: Die Mitarbeiter der oberen und mittleren Führungsebene (z. B. Geschäftsbereichsleiter, funktional verantwortliche Führungskräfte) sollten in einer ersten Kommunikationsrunde über die Gründe des strategischen Wandels, die Inhalte, die Erfolgserwartungen und die zu erwartenden unmittelbaren Auswirkungen der Strategie informiert werden, um das Verständnis für die Marketingstrategie zu erhöhen („Verstehen“). Daran anschließend sind die übrigen Mitarbeiter in einer zweiten, eher formal gehaltenen Kommunikationsrunde (Personalversammlung, Verkäufertagung etc.) über die wichtigsten Inhalte der Marketingstrategie zu informieren. Der Umfang der kommunizierten Inhalte wird hier bspw. auch aus Geheimhaltungsgründen reduziert. „Können“ der Marketingstrategie Um die Fähigkeit der Führungskräfte und Mitarbeiter zur Strategieimplementierung zu stärken („Können“), ist die Durchführung eines strategiebezogenen Schulungs- und Einweisungskonzeptes von großer Bedeutung. Hier gilt es, die betroffenen Führungskräfte und Mitarbeiter durch Schulungsmaßnahmen und Trainingskurse in einen strategiebezogenen Lernprozess zu integrieren und so Kompetenzen zur Implementierung zu vermitteln. Dazu bieten sich Seminare und Workshops sowie die Arbeit in Projektgruppen oder Gremien an. Hier zeigt sich, ob bei der Entwicklung der Marketingstrategie die vorhandenen organisationalen Fähigkeiten und die Lernfähigkeit des Unternehmens berücksichtigt wurden. Ist dies der Fall, gelingt die Marketingimplementierung, wurde es vergessen, scheitert die Implementierung.
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„Wollen“ der Marketingstrategie Idealerweise sollten diejenigen Personen, die später für den Implementierungserfolg verantwortlich sind, bereits in der Frühphase in den Strategieentwicklungsprozess soweit wie möglich eingebunden werden. Ist dies nur begrenzt realisierbar, hat sich die informelle Kommunikation (im Sinne von „Vier-Augen-Gesprächen“) als gute Möglichkeit erwiesen, Implementierungsbarrieren rechtzeitig zu identifizieren. Auch „Widerständler“ in leitender Position, die anschließend den Implementierungsprozess in den unteren Unternehmensebenen vorantreiben sollen, können dabei erkannt werden. Allerdings gelingt es nicht immer, die vorhandenen Widerstände (das fehlende „Wollen“) nur mit dem Instrument der Einzelgespräche zu klären und zu beseitigen. Hierbei spielen die Gestaltung entsprechender Anreizsysteme und ein strategiekonformer Führungsstil der Vorgesetzten ebenso eine Rolle wie die Sanktionierung von unerwünschtem Verhalten (vgl. Hungenberg 2014, S. 345 ff.). Zusammenfassend sind im Rahmen der Durchsetzungsphase der Marketingstrategie somit zunächst Informationsmaßnahmen zu ergreifen, um das „Kennen“ und „Verstehen“ der Strategieinhalte zu fördern. Es folgen Qualifikationsmaßnahmen zur Gewährleistung des „Könnens“ der Mitarbeiter. Diese können sowohl am Arbeitsplatz („on the job“) als auch losgelöst vom konkreten Arbeitsplatz („off the job“) durchgeführt werden. Ein geeignetes Instrument zur Qualifizierung ist in diesem Zusammenhang die sog. „Job Rotation“. Durch den Einsatz bereits qualifizierter Mitarbeiter in anderen Unternehmensbereichen können diese Mitarbeiter eine Vorbildfunktion erfüllen und die Entwicklung der notwendigen Qualifikationen in den entsprechenden Bereichen unterstützen. Informations- und Qualifikationsmaßnahmen stellen zwar eine notwendige Basis für die Durchsetzung von Strategien dar, sie müssen jedoch oftmals durch Motivationsmaßnahmen ergänzt werden. Auch wenn Informationsmaßnahmen über die geplanten strategischen Veränderungen bereits eine beachtliche motivierende Wirkung auf die Mitarbeiter haben, sind zusätzliche Maßnahmen i. d. R. unerlässlich. Neben den verhaltensbezogenen Widerständen können bei der Durchsetzung von Marketingstrategien auch Konflikte als Implementierungsbarrieren auftreten. Diese gilt es mithilfe geeigneter Maßnahmen zu bewältigen. Implementierungskonflikte können sowohl innerhalb eines Unternehmensbereichs als auch zwischen Unternehmensbereichen auftreten. Implementierungskonflikte innerhalb eines Unternehmensbereichs lassen sich auf die folgenden Ursachen zurückführen (vgl. Tarlatt 2001, S. 76 ff.): Heterogene Gruppenzusammensetzung Unterscheiden sich die Mitarbeiter eines Unternehmensbereichs z. B. in Bezug auf ihr Alter, ihre Qualifikation, ihre hierarchische Stellung im Unternehmen, ihre Wertevorstellungen etc. sehr stark voneinander, so kann dadurch das Konfliktpotenzial innerhalb dieses Bereichs erhöht werden. Bei solchen heterogenen Gruppenzusammensetzungen kann i. d. R. eine fehlende gemeinsame Basis und eine mangelnde Kooperationsbereitschaft zwischen diesen Mitarbeitern konstatiert werden.
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Rollenkonflikte Rollenkonflikte entstehen nicht durch einzelne Mitarbeiter selbst, sondern durch die Rolle(n), welche die jeweiligen Personen auszufüllen haben. Dabei lassen sich vier Arten von Rollenkonflikten unterscheiden: Von einem Intra-Sender-Konflikt ist dann zu sprechen, wenn eine Person in der Erfüllung ihrer Rolle konfliktäre Anweisungen oder Erwartungen an die entsprechenden Mitarbeiter weitergibt. Stehen die Anweisungen oder Erwartungen, die von mehreren Personen in ihren Rollen „ausgesendet“ werden, im Widerspruch zueinander, handelt es sich um einen Inter-Sender-Konflikt. Ebenso kann es zu Rollenkonflikten kommen, wenn die von einer Person zu erfüllenden unterschiedlichen Rollen nicht miteinander zu vereinbaren sind (Inter-Rollen-Konflikt). Des Weiteren können auch der Rolleninhalt und der Rollenträger selbst inkompatibel sein. Dies ist der Fall, wenn bspw. die Werte oder Einstellungen des Rollenträgers unvereinbar mit den geforderten Inhalten der zu erfüllenden Rolle sind (Personen-Rollen-Konflikt). Implementierungskonflikte zwischen Unternehmensbereichen können durch folgende Ursachen begründet sein (vgl. Kolks 1990, S. 120 ff.; Tarlatt 2001, S. 78 ff.): Aufgabenabhängigkeiten Ist eine Unternehmenseinheit zur Erfüllung einer Aufgabe im Rahmen der Implementierung von bspw. der Vorleistung einer anderen Unternehmenseinheit abhängig, so kann diese einseitige Aufgabenabhängigkeit zu Konflikten führen. Die abhängige Einheit kann dann bspw. durch Qualitätsprobleme oder Verzögerungen in ihrer eigenen Arbeit behindert werden. Sind zwei Einheiten gegenseitig bei ihrer Aufgabenerfüllung voneinander abhängig, ist von zweiseitigen Aufgabenabhängigkeiten zu sprechen. Horizontale Differenzierung Das Konfliktpotenzial im Rahmen der Implementierung ist auch dann besonders groß, wenn zwei Unternehmenseinheiten zur Erfüllung einer Aufgabe zusammenarbeiten müssen, die einen hohen Grad an horizontaler Differenzierung aufweisen. Diese kann z. B. in unterschiedlichen Abteilungszielen, Führungsstilen, Einstellungen, Wertevorstellungen etc. begründet sein. Die fehlende gemeinsame Basis kann zu Bereichsegoismen und mangelnder Kooperationsbereitschaft führen. In diesen Zusammenhang können auch kulturelle Konflikte innerhalb des Unternehmens eingeordnet werden. Sind z. B. die Unternehmensbereiche Produktion und Marketing gemeinsam mit der Realisierung einer neuen Verpackungslinie beauftragt, so kann die nachfragerorientierte Denkweise der Marketingverantwortlichen bei den produktionsorientierten Technikern auf wenig Verständnis treffen. Verteilungskonflikte Werden im Rahmen der Implementierung bestimmte finanzielle sowie personelle Ressourcen von mehreren Unternehmenseinheiten benötigt und sind diese Ressourcen im Unternehmen begrenzt, so können zwischen diesen Einheiten Verteilungskonflikte entstehen.
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Weitere Implementierungskonflikte, die sowohl innerhalb als auch zwischen Unternehmenseinheiten auftreten können, basieren auf den folgenden Ursachen (vgl. Kolks 1990, S. 120 ff.; vgl. Tarlatt 2001, S. 76 ff.): Erwartungsdivergenzen Erwartungsdivergenzen entstehen, wenn Führungskräfte sowohl untereinander als auch im Vergleich zu ihren Mitarbeitern unterschiedliche Ansichten darüber vertreten, wie die zu realisierende Marketingstrategie einzuschätzen ist. Dies betrifft insbesondere die Erwartungen über den Erfolg der Strategie. Wird die Erfolgswahrscheinlichkeit der Marketingstrategie eher gering eingeschätzt, äußert sich dies in einem entsprechend geringen Engagement der Mitarbeiter für diese Strategie. Solche Erwartungsdivergenzen können das Konfliktpotenzial sowohl innerhalb eines Unternehmensbereichs als auch zwischen verschiedenen Bereichen erhöhen. Grad der Formalisierung Die Formalisierung beschreibt das Ausmaß schriftlich fixierter Regeln und ist somit Ausdruck für den Grad der „Bürokratisierung“ in einem Unternehmen (vgl. Kieser und Walgenbach 2010, S. 157 ff.). Durch einen geringen Formalisierungsgrad kann das Konfliktpotenzial erhöht werden, wenn sich bspw. die Allokation knapper Ressourcen zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen nicht an bestimmten Regeln und Vorschriften orientiert und es auf diese Weise zu Verteilungskonflikten kommt. Allerdings bedeutet ein hoher Formalisierungsgrad nicht, dass derartige Konflikte generell vermieden werden können. Sie sind jedoch aufgrund der Formalisierung besser zu prognostizieren. Machtausübung Grundvoraussetzung für die Ausübung von Macht ist die Akzeptanz derselben von Seiten der betroffenen Mitarbeiter. Wird eine Führungsperson nicht als Autorität angesehen oder werden durch die Anweisungen von Führungspersonen die Handlungsspielräume der Mitarbeiter eingeschränkt, so kann daraus ein hohes Konfliktpotenzial resultieren. Dies gilt ebenfalls für eine manipulative Machtausübung, insbesondere wenn diese für die Betroffenen offensichtlich wird. Im Rahmen des Implementierungsprozesses ist also nicht nur die Vermeidung von konfliktären Anweisungen, sondern auch die Ausstattung implementierungsrelevanter Führungspersonen mit entsprechenden Weisungsbefugnissen und Durchsetzungsmacht wichtig. Partizipationsgrad Der Grad der Partizipation beschreibt, inwieweit sich Mitarbeiter und Führungspersonen unterschiedlicher Hierarchieebenen am Strategieentwicklungsprozess und an der Implementierung beteiligen können. Ein hoher Partizipationsgrad kann dann das Konfliktpotenzial erhöhen, wenn die Beteiligten sehr unterschiedliche Standpunkte vertreten und verschiedene Wertvorstellungen haben. Die Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung der Marketingstrategie ist nur dann gegeben, wenn die bestehenden Konflikte gelöst werden können. Generell lassen sich die in
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Abb. 2 aufgeführten Formen der Konfliktbewältigung unterscheiden. Diese Lösungsansätze können auch im Rahmen der Implementierung der Marketingstrategie Anwendung finden. Voraussetzung dafür ist die genaue Analyse der Konfliktsituation zur Auswahl eines geeigneten Lösungsansatzes. Kriterien können hier bspw. das Konfliktpotenzial und
Kooperationspotenzial
Überzeugung Im Idealfall kann ein Konflikt durch die Überzeugung einer der beteiligten Parteien beigelegt werden. Voraussetzung dafür ist, dass schon im Vorhinein ein Interessenausgleich aller beteiligten Seiten möglich erscheint und bei keiner Konfliktpartei eine grundlegende Veränderung der Einstellung erforderlich ist. Kompromiss Sind alle Betroffenen bereit, im Rahmen der Konfliktlösung Zugeständnisse in Bezug auf ihre Idealvorstellungen zu machen, sollte ein Kompromiss als Lösung angestrebt werden. Bei dieser Form der Konfliktlösung werden – ebenso wie bei der Überzeugung – hohe Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit der Beteiligten gestellt. Reduktion von Interdependenzen oder Zusammenführung konfliktärer Einheiten Bestehen zwischen zwei oder mehreren Unternehmenseinheiten Konflikte, z. B. in Bezug auf die Verteilung von Ressourcen, so kann das Konfliktpotenzial durch die Reduktion der Ressourcenabhängigkeiten oder die Einrichtung einer koordinierenden Einheit erheblich gesenkt werden. Gerade um Bereichsegoismen zu überwinden, kann die Zusammenlegung ein Ansatz zur Konfliktlösung sein, sofern dies realisierbar ist. Übergeordnete Ziele Durch die Festlegung übergeordneter Ziele sollen bestehende oder mögliche Konflikte zwischen Unternehmensbereichen dadurch gelöst werden, dass Bereichsegoismen oder Widerstände im Sinne der Erreichung dieses Ziels aufgegeben werden. Als Beispiel kann das übergeordnete Ziel der termingerechten Fertigstellung eines Auftrages dazu führen, dass andere Unternehmensbereiche entsprechende Ressourcen oder benötigte Vorleistungen schneller zur Verfügung stellen.
Konfliktpotenzial
Drittparteien-Intervention Die Vermittlung und Schlichtung durch Dritte wird dann erforderlich, wenn aufgrund der hohen Konfliktintensität ein „freiwilliger“ Interessensausgleich zwischen den Betroffenen nicht mehr möglich ist. Als Vermittler können bspw. Vorgesetzte aus dem eigenen Unternehmen oder externe Berater eingesetzt werden. Kampf oder Rückzug Kommt es bei einem unmöglich erscheinenden Interessenausgleich zu einer Konfliktausweitung, entscheidet letztlich der Kampf oder der Rückzug einer der Implementierungsparteien darüber, welche Strategievariante implementiert wird. Insbesondere bei der Realisierung von Strategien, die die Rechte und Möglichkeiten von Führungskräften und Mitarbeitern beschneiden, kann diese Situation eintreten. Zwang Der Zwang als Instrument der Konfliktlösung kann bspw. durch die direkte Anweisung eines Vorgesetzten erfolgen, bestimmte Vorgaben im Rahmen der Implementierung zu erfüllen. Zu beachten ist jedoch, dass in solchen Fällen oft negative Begleiterscheinungen wie Widerstände oder abnehmende Selbstverpflichtung seitens der betroffenen Mitarbeiter auftreten.
Abb. 2 Ansätze der Konfliktbewältigung (Quelle: In Anlehnung an Kolks 1990, S. 126 f.; Tarlatt 2001, S. 81 ff.)
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der Grad der Kooperationsbereitschaft innerhalb und zwischen den Unternehmensbereichen sein. Im Zusammenhang mit der Konfliktbewältigung bzw. der Vorbeugung potenzieller Implementierungskonflikte kann auch die Auswahl des Implementierungsstils eine wichtige Rolle spielen. Hierbei lassen sich folgende generische Implementierungsstile unterscheiden: Top-down-Implementierung und Bottom-up-Implementierung (vgl. Krüger und Bach 2014, S. 56 ff.). Bei einem Top-down-Vorgehen erfolgt die Formulierung der Strategie auf der höchsten Führungsebene und wird dann auf die nächsten Hierarchieebenen als Vorgabe von oben nach unten weitergeleitet. Demgegenüber sieht der Bottom-upAnsatz vor, dass die Strategieentwicklung in „Anwendungsnähe“ durchgeführt und von der jeweils höheren Ebene genehmigt bzw. modifiziert wird. Die Auswahl eines geeigneten Implementierungsstils ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Marketingimplementierung und sollte unter Berücksichtigung des jeweiligen Unternehmenskontextes getroffen werden: Eine Bottom-up-Implementierung erfordert einen hohen Partizipationsgrad der Mitarbeiter (z. B. hohes Maß an Eigeninitiative) und entsprechende Strukturen im Unternehmen. Dagegen ist bei einer Top-down-Implementierung der Grad der Partizipation entsprechend gering. So sind bspw. nur wenige Führungskräfte, evtl. unterstützt von externen Beratern, an der Strategieentwicklung beteiligt, und es sind autoritäre Unternehmensstrukturen notwendig, um die Strategie strikt auf den unteren Unternehmensebenen durchzusetzen. Ein solches autoritäres Vorgehen kann sich auf der einen Seite, insbesondere bei Konfliktsituationen, als sinnvoll erweisen, auf der anderen Seite können Implementierungswiderstände auf diese Weise erst verursacht werden. Probleme der beiden Ansätze, wie mögliche Implementierungswiderstände beim Top-downAnsatz oder das Problem zu enger Vorschläge der unteren Ebene beim Bottom-up-Ansatz, versucht das Down-up- oder Gegenstrom-Prinzip zu überwinden.
2.1.2 Implementierungsträger (Promotoren) und internes Marketing Dem Topmanagement kommt im Zuge von Veränderungsprozessen eine herausragende Bedeutung zu, da „ohne klare Ausrichtung, permanente Unterstützung und Steuerung der Wandlungsprogramme seitens der Unternehmensspitze [. . . ] eine Umgestaltung und Neuausrichtung der Unternehmung praktisch aussichtslos“ ist (Krüger und Janz 2009, S. 127). Dies gilt auch für die Durchsetzung notwendiger Veränderungen bei der Marketingimplementierung. Somit ist die Auswahl geeigneter Implementierungsträger eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Marketingimplementierung. Dem Implementierungsträger kommt dabei die Rolle eines „Promotoren“ im Rahmen des Implementierungsprozesses zu. Seine Aufgabe ist es vorrangig, Verhaltenswiderstände zu überwinden sowie implementierungsrelevante Ressourcen und Managementfähigkeiten in den Prozess einzubringen. Witte unterscheidet bei seinem „PromotorenModell“ zwischen „Fachpromotoren“ und „Machtpromotoren“. Dieses Modell entwickelte und überprüfte Witte am Beispiel der Ersteinführung von EDV-Anlagen, wobei im Zusammenhang mit dieser (damaligen) Innovation die Hauptaufgabe der Promotoren in der Überwindung von Widerständen lag. Hauschildt und Salomo erweiterten das Modell
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um die Rolle der „Prozesspromotoren“ (vgl. Witte 1973, S. 14 ff.; Hauschildt und Salomo 2016, S. 194 ff.). Obwohl sich die Ausführungen der Autoren auf das Innovationsmanagement beziehen, lässt sich das Modell der drei Promotoren auch auf den Prozess der Marketingimplementierung übertragen. Die Aufgabenbereiche der Promotoren im Prozess der Marketingimplementierung können dabei wie folgt beschrieben werden (vgl. Krüger und Janz 2009, S. 128 f.; Hauschildt und Salomo 2016, S. 204 ff.) Fachpromotoren Dem Fachpromotor kommt im Rahmen der Marketingimplementierung die Aufgabe zu, durch sein Fachwissen und seine Qualifikation den Implementierungsprozess zu unterstützen. Dies beinhaltet vor allem die Informationsversorgung und die Überwindung der Barrieren des „Nicht-Wissens“ und „Nicht-Könnens“. Im Vergleich zum Machtpromotor besitzt der Fachpromotor die Informationsmacht als eine besondere Machtausprägung. Als Fachpromotoren geeignet sind Experten und Fachspezialisten oder auch entsprechend qualifizierte externe Berater. Machtpromotoren Machtpromotoren können sich aufgrund ihrer hierarchischen Position innerhalb des Unternehmens in besonderer Weise für die Durchsetzung und Umsetzung der Marketingstrategie einsetzen. Insbesondere die Barriere des „Nicht-Wollens“ kann durch diese Promotoren hierarchisch (durch Anordnungen) oder marktlich (durch materielle oder immaterielle Anreize) bewältigt werden. Daher ist das Konfliktmanagement ebenso ein Aufgabenbereich der Machtpromotoren wie die Delegation von Aufgaben und die Freigabe bzw. Verteilung von (personellen und finanziellen) Ressourcen im Implementierungsprozess. Machtpromotoren haben i. d. R. eine hohe hierarchische Stellung im Unternehmen inne. Geeignete Personen(-gruppen) sind daher Mitglieder oder Vorsitzende der Geschäftsleitung sowie Bereichs- oder auch Abteilungsleiter. Prozesspromotoren Der Prozesspromotor übernimmt während des Implementierungsprozesses in erster Linie die Koordination der zu erfüllenden Aufgaben. Mithilfe seiner Organisations- und Kommunikationsfähigkeiten soll der Prozesspromotor die dafür notwendigen Verbindungen und sozialen Netzwerke aufbauen. Er soll insbesondere helfen, organisatorische und administrative Widerstände zu überwinden. Des Weiteren gehören die Information, die Instruktion und die Motivation zu den Aufgaben der Prozesspromotoren. Auch wenn der Prozesspromotor im Vergleich zum Macht- bzw. Fachpromotor weder über (herausragende) formale Macht noch über funktionale Autorität verfügt, kann er sich dennoch aufgrund seiner Führungsqualitäten, seines persönlichen Auftretens und seiner Einflusstaktik durchsetzen. Als Prozesspromotoren geeignet sind solche Unternehmensmitglieder, die aufgrund ihrer relativ langen Unternehmenszugehörigkeit entsprechende Kenntnisse über die Organisation besitzen, Netzwerke aufbauen können oder bereits über solche verfügen und als Bindeglied zwischen den Fach- und Machtpromotoren fungieren können.
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Die Fach-, Macht- und Prozesspromotoren spielen nicht nur im Rahmen der Durchsetzungsphase eine wichtige Rolle, sondern auch in der Umsetzungsphase. Sie sind als Implementierungsträger mit ihren unterschiedlichen Aufgaben- und Machtschwerpunkten in den gesamten Implementierungsprozess involviert und gestalten diesen aktiv mit. Werden die Implementierungsträger als ein Instrument zur Durchsetzung und Umsetzung der Marketingstrategien verstanden, so ist im internen Marketing ein weiteres Implementierungsinstrument zu sehen. Internes Marketing kann verstanden werden als „die systematische Optimierung unternehmensinterner Prozesse mit Instrumenten des Marketing- und Personalmanagements, um durch eine konsequente Nachfrager- und Mitarbeiterorientierung das Marketing als interne Denkhaltung durchzusetzen, damit die marktgerichteten Unternehmensziele effizient erreicht werden“ (Bruhn 1999, S. 20).
2.2
Umsetzung von Marketingstrategien
2.2.1 Übersetzung von Marketingstrategien in Marketingmaßnahmen Im Rahmen der Umsetzungsphase ist in einem ersten Schritt eine Spezifizierung der Marketingstrategie vorzunehmen. Dies bedeutet, dass die global gehaltenen „Verhaltenskorridore“ der Marketingstrategie sukzessive durch geeignete operative Maßnahmen konkretisiert werden. Die Spezifizierung erfolgt dabei in zweierlei Hinsicht: Zum einen ist eine Festlegung des organisatorischen Geltungsbereichs der Marketingstrategie vorzunehmen. Hierbei ist zu entscheiden, in welchen Unternehmensbereichen (z. B. in welchem Geschäftsfeld, in welchen Ländern) die Strategie von Anfang an angewandt werden soll. Ist ein Unternehmen bspw. auf sehr unterschiedlichen Märkten tätig, so kann es sinnvoll sein, die Strategie schrittweise zu implementieren, wodurch der Implementierungsprozess zeitlich abgestuft erfolgt. So ergibt sich auch die Möglichkeit, potenzielle Schwachstellen der Strategie frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Zum anderen muss die Marketingstrategie in Bezug auf die verschiedenen Funktionen im Unternehmen detailliert werden. Damit ist gemeint, dass eine detaillierte Ausarbeitung von Aktivitäten in den einzelnen Funktionsbereichen, wie z. B. F&E, Beschaffung, Produktion etc. notwendig ist, um die Inhalte der Marketingstrategie realisieren zu können. Die erste Aufgabe bei der Spezifizierung sollte dabei die Übersetzung der Marketingstrategie in Marketingmaßnahmen sein. An die Spezifikation der Marketingstrategie schließen sich weitere Aufgabenbereiche der Umsetzungsphase an. Dies sind einerseits die funktionsspezifische und die funktionsübergreifende Koordination der Marketingmaßnahmen und andererseits die Anpassung der Unternehmensstruktur – insbesondere die Gestaltung der Marketingorganisation – und der Unternehmenssysteme.
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2.2.2 Funktionsspezifische Koordination von Marketingmaßnahmen 2.2.2.1 Gegenstand und Entscheidungstatbestände der funktionsspezifischen Koordination Gegenstand der funktionsspezifischen Koordination ist die aufeinander abgestimmte Ausgestaltung aller für die Implementierung der Marketingstrategie erforderlichen Marketinginstrumente. Die Gesamtheit der letztlich eingesetzten Marketingmaßnahmen wird auch als Marketing-Mix bezeichnet. Die Bezeichnung Marketing-Mix wurde bereits 1948 in die Marketingtheorie eingeführt (vgl. Culliton 1948). Der Marketingmanager wird treffend als „Mixer of Ingredients“ bezeichnet (vgl. Bordon 1964). Bordon wurde dabei vom Bild des Kuchenbackens inspiriert, da die Marketinginstrumente wie die Zutaten für die Zubereitung eines Kuchens für ein bestmögliches Ergebnis aufeinander abgestimmt werden müssen (vgl. Diller 2001, S. 1002). Mit der Ausgestaltung des Marketing-Mix sind spezifische kreative Fähigkeiten, d. h. die schöpferische Note, angesprochen. Im Rahmen des Marketing-Mix geht es um die Frage, welche Marketinginstrumente wie auszugestalten und mit welcher Intensität einzusetzen sind, um die Marketingziele bestmöglich zu erreichen. Die einzelnen Marketinginstrumente können nicht losgelöst voneinander eingesetzt werden. Zum einen stehen für den Einsatz der einzelnen Instrumente i. d. R. begrenzte Budgets zur Verfügung, die Teile eines Gesamtbudgets für die Implementierung der Marketingstrategie sind. Zum anderen bestehen zwischen den Instrumenten vielfältige Wirkungsbeziehungen. Ein bestimmter Kommunikations-Mix hat bspw. Auswirkungen auf die mögliche Höhe des Absatzpreises für ein zu vermarktendes Produkt. Ebenso sollten Penetrationspreise für Verbrauchsgüter des täglichen Bedarfes mit einem hohen Distributionsgrad verknüpft werden, um das für den Erfolg einer Penetrationspreisstrategie wichtige hohe Absatzvolumen zu erreichen. Die Berücksichtigung derartiger Interdependenzen ist bei der Festlegung des Marketing-Mix von zentraler Bedeutung, da von ihnen ein erheblicher Einfluss auf die Effizienz (Input-Output-Verhältnis) und Effektivität (Zielerreichungsgrad) des gesamten Marketing-Mix ausgeht. Zur Strukturierung von Interdependenzen kann zwischen funktionalen, zeitlichen und hierarchischen Abhängigkeiten unterschieden werden (vgl. Kleinhückelskoten 2000, S. 55 ff.; Becker 2013, S. 647 ff.): Funktionale Abhängigkeiten liegen vor, wenn der Einsatz eines Instrumentes vom Einsatz anderer Instrumente abhängt und sich ihre Wirkungen beeinflussen. Zwischen den einzelnen Instrumenten können dabei substitutionale, komplementäre, konkurrierende oder konditionale Interdependenzen bestehen (vgl. Haedrich et al. 1990, S. 205 ff.). Bei substitutionalen Beziehungen können sich die Marketinginstrumente gegenseitig ersetzen. Der Mehreinsatz eines Instrumentes ermöglicht den Mindereinsatz eines anderen (z. B. Intensivierung der klassischen Werbung bei gleichzeitiger Reduktion der Verkaufsförderungsaktivitäten). Bei komplementären Beziehungen kann nur gemeinsam die angestrebte Wirkung erzielt werden. Dies bedeutet, dass
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sich die von den Marketinginstrumenten ausgehenden Wirkungen ergänzen. Ein überdurchschnittliches Preisniveau lässt sich z. B. auf Dauer nur bei einer ebenfalls überdurchschnittlich hohen Produktqualität im Markt durchsetzen. Konkurrierende Wirkungszusammenhänge zwischen Marketinginstrumenten liegen vor, wenn sich die Wirkungen zweier Instrumente gegenseitig negativ beeinträchtigen, sodass entweder nur das eine oder das andere Instrument eingesetzt werden kann. So wird durch aggressiven Einsatz des Instrumentes Preis der werbliche Aufbau eines Prestige-Markenimages gestört. Konditionale Beziehungen liegen vor, wenn die Wirkung eines Instrumentes den Einsatz des anderen Instrumentes in einem Mindestumfang bedingt, damit die Ziele erreicht werden können. So setzt bspw. der Einsatz klassischer Werbung zur Bekanntmachung einer Produktinnovation einen Mindestdistributionsgrad in denjenigen Regionen und Vertriebskanälen voraus, die eine hohe Zielgruppendichte aufweisen. Zwischen Marketinginstrumenten bestehen auch zeitliche Abhängigkeiten. Die Wirkung eines Instrumentes kann erst in zeitlich nachgelagerten Perioden eintreten, was den Einsatz der übrigen Instrumente beeinflussen kann. So kommt es bei Werbemaßnahmen für ein neues Produkt erst nach und nach zu steigender Bekanntheit, Sympathie und Kaufbereitschaft, sodass ein Angebot von Produktvarianten (Produktdifferenzierung) oft erst zeitverzögert nach der Markteinführung eines neuen Produktes zielführend ist. Halaszovich weist für Neuprodukteinführungen schnelldrehender Konsumgüter empirisch nach, dass die Wirkung von TV-Werbung im ersten Jahr der Produkteinführung keine längerfristigen Wirkungsübertragungen auf den Marktanteil erzielen kann. Die Wirkung der Werbung beschränkt sich für diese, noch weitgehend unbekannten Produkte, auf den unmittelbaren Zeitpunkt ihrer Verwendung und verfällt danach bereits innerhalb weniger Wochen vollständig (vgl. Halaszovich 2011, S. 160 ff.). Abb. 3 zeigt den Zusammenhang zwischen TV-Werbeausgaben und Marktanteil während einer Neuprodukteinführung in Deutschland. Trotz eines Werbeeinsatzes von der zweiten bis zur siebten Periode (eine Periode entspricht dabei jeweils vier Wochen) verfällt die Werbewirkung nach Beendigung der Werbung in der neunten Periode innerhalb der nächsten beiden werbefreien Perioden vollständig. Hierarchische Interdependenzen kennzeichnen die Existenz von Rangordnungen zwischen den Instrumenten. Rangordnungen und Prioritäten zwischen den Marketinginstrumenten werden hergestellt, damit komplexe Planungsprozesse erleichtert werden. Diejenigen Instrumente, die entscheidend für den Erfolg der Marketingkonzeption sind, werden auf der Marketing-Mix-Hierarchieebene höher angesetzt. So erhält bspw. in vielen Fällen die Produktpolitik die höchste Priorität bei der Gestaltung des Marketingkoordinations-Mix, und alle anderen Marketinginstrumente werden später an den produktpolitischen Entscheidungen ausgerichtet. Nicht nur die Problematik der Interdependenzen zwischen den Marketinginstrumenten, sondern auch die Frage nach der optimalen Höhe der Gesamtausgaben für die Implementierung der Marketingstrategie ist ein sehr wichtiger Entscheidungstatbestand. Die
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0,5 %-Pkt. Marktanteilsveränderung
0,45 0,4 0,35 0,3 0,25 0,2 0,15 0,1 0,05 0 1
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Perioden
Abb. 3 Werbewirkung während einer Neuprodukteinführung (Quelle: In Anlehnung an Halaszovich 2011, S. 162)
Zuordnung der jeweiligen finanziellen Mittel auf die Marketingaktivitäten erfolgt im Prozess der Ressourcenallokation bzw. Budgetierung (vgl. Barzen 1990; Heemann 2008). Die Budgetierung ist das zentrale Instrument für die Umsetzung von Plänen in spezifische Maßnahmen (Hermes 2009, S. 31). Budgetierung wird als Prozess zur Erstellung und Kontrolle von formalzielorientierten, wertmäßigen Vorgaben mit festgelegtem Verbindlichkeitsgrad und festgelegtem zeitlichen Horizont für dezentrale Unternehmenseinheiten verstanden (vgl. Horváth et al. 2015, S. 121 ff.). Die Budgetierung findet sowohl auf der Gesamtunternehmensebene als auch in jedem Funktionsbereich statt. Bei der Budgetierung handelt es sich um ein relativ altes Führungsinstrument, welches bereits in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde. Ihre Anwendung hat sich in der folgenden Zeit rasch verbreitet, da sie einer zunehmend komplexen und diversifizierten Unternehmensrealität Rechnung trägt und dadurch hilft, die immer größer werdenden Unternehmen führen zu können. Die Budgetierung ist integriert, da die Einzelbudgets und -pläne sämtlicher Funktionsbereiche im Unternehmen miteinander zum Gesamtbudget abgestimmt werden (vgl. Ewert und Wagenhofer 2014, S. 400 ff.). Sie ist ebenfalls systematisch, da sie regelmäßig entsprechend klar festgelegter Prozesse und Verantwortlichkeiten abläuft (vgl. Weber und Schäffer 2016, S. 280 ff.). Ihr kommt die Aufgabe zu, voneinander getrennte, aber interdependente Handlungen in Einklang zu bringen und die Aktivitäten aller Organisationsmitglieder aufeinander abzustimmen (vgl. McKinsey 1922, S. 299 f.). Ein zur Koordination geeigneter Budgetierungsansatz muss die eigentliche Koordinationsleistung bereits bei der Ableitung von Zielvorgaben, also bei der Aufstellung der Budgets, enthalten (vgl. Heemann 2008, S. 29 ff.).
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Bei der Marketing-Budgetierung lassen sich normative und deskriptive Ansätze unterscheiden (vgl. Barzen 1990, S. 174). Normative Beiträge beinhalten formale Budgetierungsmodelle zu Entscheidungstatbeständen des Instrumenten-Mix. Es handelt sich dabei um Ansätze zur Bestimmung der Höhe des Budgets sowie zur Verteilung des Budgets auf einzelne Bereiche, Medien, Kampagnen etc. Deskriptive Beiträge beziehen sich hingegen auf Kontextfaktoren der Budgetierung, wie das Zustandekommen des MarketingBudgets und den Einfluss der Budgetierungsstruktur und des Budgetierungsprozesses auf die Budgethöhe und -verteilung (vgl. Piercy 1987a, S. 34). Die bekanntesten formalen Budgetierungsansätze sind die heuristischen und die analytischen Modelle. Heuristische Ansätze sind durch eine systematische Reduktion der Problemkomplexität auf der Basis von Erfahrungswissen charakterisiert. Analytische Modelle bestehen aus eindeutig definierten Optimierungsalgorithmen, die das zugrunde liegende Entscheidungsproblem formalisiert abbilden und ein optimales Budget oder eine optimale Budgetallokation mithilfe quantitativer Methoden ableiten. Wesentlich für analytische Ansätze ist das Vorhandensein einer formalisierten Wirkungsfunktion, die den Zusammenhang zwischen Input- und Zielmenge, z. B. Werbeaufwand und Absatzmenge, abbildet. Die zweite, jüngere und kleinere, Forschungsrichtung der Marketing-Budgetierung, die deskriptive Forschung, beschäftigt sich mit dem Prozess der Budgetierung selbst. Es wird untersucht, welche Parameter den Ablauf der Budgetierung in der Praxis auf welche Art beeinflussen. Ein wesentlicher Beitrag zu diesem Forschungsfeld ist von Piercy geleistet worden. Er hat untersucht, inwiefern ein Werbebudget das Ergebnis eines politischen Prozesses darstellt. Seine Studie ergab, dass die Unternehmensstruktur und der Budgetierungsprozess einen deutlichen Einfluss auf das Ergebnis der Budgetierung haben. So stellte der Autor fest, dass zwischen der Budgethöhe und den folgenden Faktoren ein signifikanter Zusammenhang besteht: die wahrgenommene Macht der Marketingabteilung, die Intervention des Top-Managements in die Budgetierung der Marketingabteilung, der Einfluss der Produktions- sowie der F&E-Abteilung, die unvollkommene Information anderer Abteilungen über aktuelle Vorkommnisse in der Marketingabteilung (z. B. über neueste Marketingstudien, Neuprodukt-Pläne, Kundenberichte etc.). Quantitative Allokationsmodelle spielen entsprechend der Erkenntnisse dieser Studie bei der Festlegung von Budgets nur eine untergeordnete Rolle. Nach Piercy kann das Problem der Politisierung von Budgetierungsentscheidungen mit genaueren Budgetierungsmodellen nicht wirksam angegangen werden (vgl. Piercy 1987a, S. 36 ff., 1987b, S. 45 ff.). Die Beiträge weiterer Autoren, die sich mit Kontextfaktoren der Budgetierung beschäftigt haben, lassen sich in drei wesentliche Bereiche gliedern (vgl. Burmann und Heemann 2006, S. 63 f.): Ein relativ junges Forschungsfeld beschäftigt sich mit der Informationsmanipulation zur Beeinflussung von Marketingbudgets. Cansier untersucht bspw. die Abhängigkeit der Werbebudgetierung multinationaler Unternehmen von der Organisationsform. Es werden dabei Anreize für Manager zu nicht-wahrheitsgemäßer Berichterstattung
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modelliert. Möglichkeiten zur Vermeidung oder Unterdrückung solchen Verhaltens bieten sich nach Cansier auf dem Wege der Gestaltung von Bewertungs- und Entlohnungssystemen (vgl. Cansier 2004, S. 141 ff.). In einem zweiten Bereich wird das Zustandekommen von Marketingbudgets als ein Resultat von Verhandlungen untersucht. Wills und Kennedy analysieren bspw. in einer qualitativen Studie den Einfluss der Marketingabteilung auf das Marketingbudget. Dabei kommen die Autoren der Studie zu den folgenden vier Erkenntnissen: Erstens werden die Verhandlungen über Budgets vor allem Top-Down vorgenommen. Bei einer Top-Down-Vorgehensweise wird die Budgethöhe an oberster Stelle im Unternehmen festgelegt und nachfolgend auf die einzelnen Bereiche verteilt. Zweitens deuten die Ergebnisse auf einen geringen Einfluss der Marketingabteilung in Budgetverhandlungen hin. Drittens sind die Ausgangspunkte für die Budgetbestimmung nicht eindeutig festgelegt, und viertens sind in Budgetverhandlungen ein politisches Verhalten sowie Informationsbeeinflussung zu konstatieren (vgl. Wills und Kennedy 1983, S. 58 ff.). In einem dritten Forschungsfeld werden Einflüsse grundsätzlicher Unternehmensparameter untersucht. Freter et al. beschäftigten sich bspw. mit der Abhängigkeit des Marketingbudgets von der Unternehmensgröße. Ziel ihrer Untersuchung ist die Ableitung von speziellen Empfehlungen für kleinere Unternehmen (vgl. Freter et al. 1980, S. 43 ff.). Joseph und Richardson untersuchten, ob es einen Zusammenhang zwischen der Liquidität eines Unternehmens und der relativen Höhe von Marketingbudgets gibt. Im Ergebnis ist dieser Zusammenhang tatsächlich festzustellen. Nach Meinung der Autoren ist dies vor allem ein Phänomen von Unternehmen, die nicht vom Eigentümer selbst geführt werden. Die relativ hohen Marketingbudgets bei den untersuchten Firmen sind demnach auf Kosten zurückzuführen, die aus Prinzipal-Agenten-Beziehungen resultieren (vgl. Joseph und Richardson 2002, S. 94 ff.). Somit ist ein tieferes Verständnis über die Kontextfaktoren der Budgetierung entscheidend bei der Entwicklung von Budgetierungsmethoden für das Marketing. 2.2.2.2 Verfahren der funktionsspezifischen Koordination im Marketing Die normativen Modelle der Marketing-Budgetierung (analytische und heuristische Ansätze) eignen sich nicht nur zur Bestimmung der optimalen Budgethöhe, sondern auch zur Bestimmung des optimalen Marketing-Mix. Analytische Marketing-Mix-Modelle sind durch eindeutige Lösungsvorschriften gekennzeichnet (Optimierungsalgorithmen). Aufgabenstellungen und Ziele müssen mittels numerischer Ausdrücke erfassbar sein. Analytische Modelle versuchen, auf formalem Weg den „optimalen“ Marketing-Mix zu berechnen oder zumindest eine Instrumentenkombination zu finden, die allen Nebenbedingungen gerecht wird. Dabei finden sowohl Methoden der Marginalanalyse (Differenzialrechnung) als auch Verfahren der mathematischen Programmierung Anwendung (vgl. Meffert 1973). Marginalanalytische Verfahren basieren auf der mikroökonomischen Theorie des Unternehmens. Die Problemstruktur der Kombination der Marketinginstrumente soll
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durch stetige und differenzierbare Funktionen dargestellt werden. Die Grundlage bildet die Zielsetzung der Gewinnmaximierung. Generell werden folgende Prämissen gesetzt: Alle Größen sind quantifizierbar, die Absatz- bzw. Umsatzfunktion ist stetig und differenzierbar und der Einsatz der Marketinginstrumente kann in kleinsten Schritten verändert werden. Als erste Autoren haben Dorfman und Steiner den Versuch unternommen, das Problem des kurzfristig optimalen Marketing-Mix mittels marginalanalytischer Kalküle zu lösen (vgl. Dorfman und Steiner 1954). Da es sich dabei um einen mathematisch-komplexen Lösungsweg handelt, soll hier dem Ansatz von Palda gefolgt werden (vgl. Palda 1969, S. 9 ff.). Dieser zeichnet sich durch eine „elegantere“ Ableitung des Dorfman-SteinerTheorems aus (vgl. Meffert und Freter 1974, S. 218 ff.). Der Aussagewert des Modells hängt von den zugrunde liegenden Annahmen ab: Es liegt ein Ein-Produkt-Unternehmen vor. Die Unternehmung verfolgt das Ziel der Gewinnmaximierung. Ihr stehen dazu drei Marketinginstrumente – der Preis, die Produktqualität und die Werbung – zur Verfügung, die quantifiziert und stetig variiert werden können. Die Qualität der Werbung wird dabei ebenso vernachlässigt wie bspw. die Preispolitik oder die gesamten Bereiche der Distributions- und Markenpolitik. Es wird ferner angenommen, dass auch die Produktqualität messbar ist und dass sie durch eine Indexzahl, die zwischen Null und Eins liegt, angegeben werden kann. Es gibt keine zeitlichen und sachlichen Ausstrahlungseffekte, d. h. die Marketinginstrumente wirken unabhängig voneinander und nur in einer Planperiode. Das Informationsbeschaffungsproblem gilt als gelöst, d. h. die relevanten Erlös- und Kostenfunktionen sind bekannt. Das Dorfman-Steiner-Theorem formuliert die Optimalitätsbedingung für einen instrumentenbezogenen Mix. Für die Aktionsparameter Produktpreis (p), die Werbeaufwendungen pro Periode (s) und die Produktqualität (q) müssen Werte gefunden werden, bei denen der Gewinn maximal ist. Für die Absatzmenge x gilt die folgende Marketing-Mix-Reaktionsfunktion: x D x.p; s; q/:
(1)
Die durchschnittlichen Produktionskosten c hängen von der Absatzmenge und dem Qualitätsindex ab: c D c.x; q/: (2) Nachfrage- und Durchschnittsproduktionskostenfunktion gestatten nun die Definition der Gewinnfunktion, G D p x.p; s; q/ Œx c.x; q/ C s; (3)
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in der p x(p, s, q) die Erlöse und x c (x, q) C s die Gesamtkosten bedeuten. Unter Berücksichtigung von (1) und (2) lässt sich die Gewinnfunktion in G D p x.p; s; q/ x.p; s; q/ cŒx.p; s; q/; q s
(4)
umformen. Für die Existenz eines gewinnmaximalen Marketing-Mix ergibt sich als notwendige Bedingung, dass die partiellen Ableitungen der Gewinnfunktion (4) nach den drei Variablen p, s und q gleich Null sind. Als hinreichende Bedingung für das Vorliegen eines Gewinnmaximums muss aber auch nachgewiesen werden, dass die zugehörige Hesse-Matrix der zweiten partiellen Ableitungen negativ definiert ist. Es ergeben sich die folgenden ersten Ableitungen der Gewinnfunktion: dx dx dc dx dG D p Cxc x D 0; dp dp dp dx dp dx dx dc dx dG Dp c x 1 D 0; ds ds ds dx ds dx dx dc dx dc dG Dp c x x D 0: dq dq dq dx dq dq
(5)
(6) (7)
Die Aussagen der Gleichungen (5)–(7) sind in der vorliegenden Form nicht offensichtlich. Deshalb werden (5), (6) und (7) durch jeweils dx dx dx ; ; dp ds dq unter der Voraussetzung, dass sie ungleich Null sind, dividiert und nach p aufgelöst; es ergibt sich: dc dp ; (8) p D x C c C x dx dx dc ds pD cCx C ; (9) dx dx dc dc dq pD cCx Cx : (10) dx dq dx Werden (8), (9) und (10) gleichgesetzt, ergibt sich die Gleichgewichtsbedingung für die Existenz eines Gewinnmaximums: x
ds dc dq dp D Dx : dx dx dq dx
(11)
Die Bedingung (11) besagt, dass ein Gewinnmaximum erreicht ist, wenn es zu einem Ausgleich obiger Grenzgrößen kommt. Die Gleichgewichtsbedingung (11) kann unter
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Berücksichtigung der Preiselastizität der Nachfrage, der Nachfrageelastizität in Bezug auf Qualitätsänderungen und des Grenzertrages der Werbung in eine aussagefähigere Form umgewandelt werden. Aus der Definition der Preiselastizität der Nachfrage ˜xp D x
dx p dp x
x dp oder ˜xp D p dx
(12)
ergibt sich, dass der erste Term in (11) durch ˜pxp ausgetauscht werden kann. Aus der Definition der Nachfrageelastizität hinsichtlich der Kostenänderungen dx dq
˜xc D x dc dq
c dx dq c D x dq dc x
(13)
ist ersichtlich, dass der dritte Term in (11) durch ˜cxc ersetzt werden kann. Unter Berücksichtigung des Grenzertrages der Werbung D
dx p ds
(14)
lässt sich der zweite Term in (11) durch p substituieren. Die mittels der Definition gewonnenen Umformungen gestatten es nun, die Gleichgewichtsbedingung (11) in der Form p p c D D ˜xp ˜xc
(15)
zu formulieren. Dieses Ergebnis lässt sich zu ˜xp D D
p ˜xc c
(16)
vereinfachen. Die Gleichung (16) stellt das Dorfman-Steiner-Theorem dar. Sie besagt, dass der optimale Marketing-Mix einer Unternehmung (die das Werbebudget, die Preispolitik und die Qualitätspolitik als Aktionsparameter benutzt) dann erreicht ist, wenn die Preiselastizität der Nachfrage, der Grenzertrag der Werbung und die mit dem Quotienten aus Preis und Durchschnittskosten multiplizierte Nachfrageelastizität in Bezug auf Qualitätsänderungen gleich sind. Die Komplexität von Marketing-Mix-Entscheidungen ist ein wichtiger Faktor, der die Anwendungsmöglichkeiten von marginalanalytischen Ansätzen in der Realität einengt. Dies gilt hauptsächlich bzgl. der Zahl der zu berücksichtigenden Instrumente bzw. Subinstrumente. Diesen Kritikpunkt können mathematische Planungsmodelle teilweise aufheben, denn sie erlauben es, eine theoretisch unbegrenzte Zahl von TeilmixEntscheidungen (z. B. als Nebenbedingungen) einzubeziehen.
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Innerhalb der mathematischen Programmierung hat die lineare Programmierung einen besonderen Stellenwert. Für ihren Einsatz – auch im Bereich der Bestimmung des Marketing-Mix – sprechen mehrere Gründe: Es ist das einfachste Verfahren der mathematischen Programmierung, und es existieren zahlreiche ausgereifte Lösungsalgorithmen, die eine schnelle, EDV-gestützte Optimumbestimmung gestatten. Ähnlich wie bei der Marginalanalyse gilt es, eine Zielfunktion zu optimieren. Allerdings kann hierbei eine Vielzahl möglicher Nebenbedingungen (in Form von Ungleichungen) einkalkuliert werden. Beispiele für solche Nebenbedingungen wären nicht zu überschreitende Budgets oder die vertraglich fixierte maximale Arbeitszeit eines Außendienstmitarbeiters. Somit liegt der wichtigste Vorteil der linearen Programmierung darin, dass Zielfunktionen, im Gegensatz zur Marginalanalyse, unter gleichzeitiger Beachtung von Nebenbedingungen optimiert werden können (vgl. Becker 2013, S. 799). Folgende Bedingungen gelten für den Einsatz der Linearen Programmierung (LP): Den Variablen der Zielfunktion, hier den Ausprägungen der Marketinginstrumente, müssen sich spezifische Wirkungsbeiträge zurechnen lassen, d. h. es muss für jedes Marketinginstrument die entsprechende Marktreaktionsfunktion bekannt sein. Die Wirkungsbeiträge müssen additiv verknüpft, d. h. voneinander unabhängig sein. Wirkungsinterdependenzen sind somit ausgeschlossen. Die zugrunde liegenden Zusammenhänge müssen sich mittels linearer Funktionen abbilden lassen, was sowohl für die Zielfunktion als auch für die Nebenbedingungen gilt. An den Modellen der LP wird kritisiert, dass die Linearitätsannahmen der zugrunde gelegten Funktionen illusorisch sind, da konstante Wirkungen der Instrumente in der Wirklichkeit kaum vorhanden sind (vgl. Burmann 1995, S. 74 ff.). Außerdem geht es bei diesem Modell nur um die optimale Aufteilung der einzusetzenden Instrumente, während die Entscheidung darüber, welche Instrumente eingesetzt werden sollen, vorher gefällt werden muss. Hinzu kommt, dass Adäquanz und Effizienz der LP dann nachlassen, wenn nicht-lineare Beziehungen bzw. andere Komplikationen einkalkuliert werden müssen. Dies ist bei der überwiegenden Zahl der Entscheidungen im Marketing der Fall, denn das Verhalten der Nachfrager ist durch lineare Funktionstypen meist nicht angemessen abbildbar (vgl. Becker 2013, S. 799 ff.). Einige dieser einschränkenden Bedingungen können durch weiterentwickelte Formen der LP aufgehoben werden. Bei der ganzzahligen Programmierung lassen sich diskrete Ausprägungen der Marketinginstrumente einbeziehen (vgl. Zimmermann und Stache 2001, S. 125 ff.). Eine andere, ebenfalls nicht-lineare Weiterentwicklung ist die parametrische Programmierung. Die Bestimmung des Optimums ist hierbei auch dann möglich, wenn einzelne Koeffizienten in der Zielfunktion bzw. in den Nebenbedingungen Variablen sind, die ihrerseits von bestimmten Parametern abhängig sind. So können ein oder mehrere Koeffizienten von der Zeit oder anderen Einflussgrößen abhängen. Gewisse nicht-lineare Beziehungen können auch durch die dynamische Programmierung berücksichtigt
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werden. Mithilfe dieser Methode kann man das Optimierungsproblem, z. B. die optimale Kombination der Marketing-Mix-Instrumente, in Teilschritte aufteilen und das Optimum durch sequenzielles Vorgehen bestimmen (vgl. Zimmermann und Stache 2001, S. 184 ff.; Domschke et al. 2015, S. 165 ff.). Bei den für die Mehrzahl der Entscheidungssituationen im Marketing typischen nichtlinearen Wirkungsbeziehungen ergibt sich jedoch für alle Programmierungsansätze das Problem, dass bislang keine befriedigenden Lösungsalgorithmen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus verdeutlichen die Prämissen der analytischen Verfahren, dass eine sinnvolle Anwendung dieser Methoden an den Aufbau eines Marketing-Informationssystems auf der Grundlage umfassender Datenbanken gebunden ist (vgl. Abschn. 7 in Kap. 11). Geeignete Lösungsalgorithmen für die praktische Anwendung im Marketing müssen noch gefunden werden. Die vielfältigen Interdependenzen zwischen den Marketing-Mix-Instrumenten werden in den einzelnen Stufen der Lösungswege der Programmierungsmethoden ebenfalls nicht adäquat berücksichtigt (vgl. Wöhe 2016, S. 161 ff.; Becker 2013, S. 802). Die analytischen Lösungsmethoden der Marketing-Mix-Planung sind insgesamt nur sehr bedingt in der Lage, der Marketingpraxis Hilfe bei komplexen Entscheidungen zu leisten. Diese Modelle sind wegen des Informationsproblems (hohe Informationsanforderungen, die in der Praxis meist nicht erfüllt werden können) als kritisch anzusehen. Zu diesen Informationsanforderungen gehört z. B., dass die Kosten jeder Marketingaktivität, die relevanten Marktreaktionsfunktionen und das zukünftige Verhalten der Wettbewerber bekannt sein müssen (vgl. Kuss et al. 2014, S. 20 ff.). Jedoch erfüllen die analytischen Modelle zwei wichtige Modellanforderungen. Sie sind durch ein eindeutiges Optimalitätskriterium und relativ geringe Implementierungskosten gekennzeichnet. Heuristische Modelle adressieren wie die vorangegangenen analytischen Mix-Modelle insbesondere das Problem interdependenter Wirkungen beim Einsatz verschiedener Marketing-Instrumente. Allerdings unterscheiden sie sich in der Art ihrer Modellfundierung. Heuristische Verfahren nutzen Prinzipien zur Reduktion der Problemkomplexität und kommen daher ohne eindeutig definierte Lösungsalgorithmen aus. Eine Reduktion der Problemkomplexität wird hier dadurch erzielt, dass das Problem in eine Reihe von Teilproblemen, die schrittweise unter Verwendung systematischer, problemvereinfachender Prinzipien gelöst werden, zerlegt wird. Jedoch müssen hierbei suboptimale Problemlösungen in Kauf genommen werden. Heuristische Lösungsansätze dienen der Überwindung von Schwächen analytischer Modelle (vgl. Berens 1992). Bei den heuristischen Modellen basiert ein wesentlicher Teil der Prognose auf Erfahrungen und damit auf der subjektiven Einschätzung der handelnden Personen. Durch die Zerlegung des Gesamtproblems in sukzessiv besser zu bewältigende Teilprobleme wird erreicht, dass dieses Problem auf einen der menschlichen Denkfähigkeit entsprechenden Komplexitätsgrad zurückgeführt wird. In diesem Sinne verfügt jeder Marketingmanager über einen Erfahrungsschatz allgemeiner und spezieller Heuristiken, die er bei der Planung des Marketing-Mix kombiniert einsetzt. Eine allgemeine Heuristik ist z. B. „Versuche, analoge Problemlösungen in der Natur zu finden!“. Eine spezielle Heuristik kommt in dem Erfahrungssatz: „Stimme die Marketingaktivitäten auf psycholo-
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gische Merkmale des Kaufverhaltens der Zielgruppen ab!“ zum Ausdruck. Das Vorgehen bei der Anwendung von Heuristiken ist mit dem eines Schachspielers vergleichbar, der nur wenige Zug-Gegenzug-Kombinationen voraus denken kann, der aber Prinzipien oder Faustregeln beherrscht, die für den jeweils zu wählenden Zug eine „gute“ Position beschreiben. Entscheidend ist, dass durch eine „Politik der kleinen Schritte“ eine Menge Erfolg versprechender Lösungen generiert wird, die langfristig in das gewünschte Zielgebiet führt. Die Anwendung heuristischer Verfahren für die Planung des Marketing-Mix stößt in der Praxis auf Schwierigkeiten. Begründet wird diese Tatsache unter anderem mit der Bestimmung des zweckmäßigen Anwendungsbereichs. Im Allgemeinen lässt sich zwischen der Breite des Anwendungsbereichs und der Lösungstauglichkeit von Entscheidungsmethoden eine inverse Beziehung feststellen (vgl. Schlicksupp 1977, S. 28). Das bedeutet, dass eine Problemlösungsmethode mit breitem Anwendungsbereich – bspw. einfache Auswahlheuristiken – häufig zu nicht befriedigenden Lösungen führt. Andererseits sind komplexe heuristische Entscheidungsmodelle oft nur auf ein kleines Anwendungsgebiet beschränkt. Nachfolgend werden als Beispiele heuristischer Verfahren die warenspezifische Analogiemethode sowie das Kühn-Modell vorgestellt. Die warenspezifische Analogiemethode stellt ein sehr allgemeines Verfahren dar. Diese Methode basiert auf dem klassischen warenanalytischen Ansatz der Absatzpolitik (vgl. Copeland 1924; Schäfer 1950; Aspinwall 1962; Knoblich 1969). Dieser Ansatz, der stark von der damaligen Verkäufermarktsituation in den meisten Branchen geprägt ist, stellt das (gegebene) Produkt und weniger die zu erfüllenden Nachfragerbedürfnisse in den Mittelpunkt der Überlegungen zur Mix-Gestaltung. Diese produktorientierte Vorgehensweise macht sich die Tatsache zunutze, dass die Vorauswahl eines Marketing-Mix für ein bestimmtes Problem häufig zu einem großen Teil durch produktspezifische Merkmale bestimmt wird. Man geht davon aus, dass die Produktmerkmale Ausdruck einer Wechselbeziehung zwischen Zielgruppe und Ware sind (vgl. Miracle 1965, S. 18 ff.). Produkteigenschaften sind deshalb für eine erste grobe Beschreibung der Beziehungen zwischen den Marketingaktivitäten geeignet. Für die Vorauswahl des Marketing-Mix sind drei Schritte notwendig (vgl. Lipson et al. 1970, S. 34 ff.): 1. Die Beschreibung der Produktmerkmale, 2. die Bewertung bzw. Einordnung eines Produktes auf der Grundlage dieser Merkmale und 3. die vorläufige Ermittlung des Marketing-Mix. Grundlage der Bestimmung des Marketing-Mix ist die Beurteilung eines Produktes in Bezug auf seine typischen Merkmale (vgl. Aspinwall 1962, S. 633 ff.). Miracle entwickelte auf dieser Basis das in Tab. 2 dargestellte Produktklassenkonzept. Anhand des Merkmalskataloges wird eine Bewertung der Eigenschaften eines konkreten Produktes vorgenommen. Die Bewertung der Eigenschaften eines Produktes hängt unter anderem von der Struktur der Zielgruppe, der Stellung im Lebenszyklus und von Konkurrenzan-
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geboten ab. Denkbar wäre eine Bewertung auf einer Skala von 0 bis 100, wobei die auf dem Kontinuum erreichte Gesamtpunktzahl wiederum den Produktklassen in 20-PunkteAbstufungen entspricht (vgl. Lipson et al. 1970, S. 34 ff.). Der Bewertung eines Produktes folgt die vorläufige Ermittlung des Norm-Marketing-Mix. Die Vorgehensweise der warenspezifischen Analogiemethode soll anhand des Produktes Fertighaus in Abb. 4 verdeutlicht werden. Für ein Fertighaus ergeben sich auf dem Produktkontinuum etwa 90 Punkte. Dies folgt aus der Bewertung von Fertighäusern anhand der Kriterien aus Tab. 2. Dabei wird jeder Ausprägung der Produktcharakteristika ein bestimmter Punktwert zugewiesen. Der Gesamtpunktwert eines Produktes wird dann auf die Diagonale der Abb. 4 übertragen. Von der entsprechenden Position auf der Diagonale lässt sich durch Projektion auf die vier Mixbereiche der Norm-Mix bestimmen (vgl. gestrichelte Linien). Für das Fertighaus ergeben sich eine überdurchschnittliche Produktdifferenzierung und qualifizierte Serviceleistungen als Mix-Schwerpunkte. Marke und Verpackung sind von geringer Bedeutung. Im Kommunikations-Mix liegt besonderes Gewicht auf dem persönlichen Verkauf, nicht dagegen in der Werbung oder in speziellen Verkaufsförderungsaktionen. Besondere Bedeutung im Mix haben auch die Kreditbedingungen und das Instrument der Preisdifferenzierung. Im Vertrieb sind ein direkter Verkauf oder exklusives Franchising und kurze Absatzkanäle geeignet. Lagerhäuser und damit das Problem der Logistik sind demgegenüber bedeutungslos. Ein besonderer Vorteil der warenspezifischen Analogiemethode ist die geschlossene Berücksichtigung der Interdependenzen zwischen den einzelnen Marketinginstrumenten. Es wird von Anfang an versucht, das Marketing-Mix-Problem als mehrstufiges Planungsproblem zu entwickeln. Dieser Methode sind jedoch auch zahlreiche Grenzen gesetzt:
Tab. 2 Relatives Gewicht der Produktcharakteristika in den verschiedenen Produktklassen (Quelle: Miracle 1965, S. 20) Produktcharakteristika 1. Bedeutung 2. Zeit und Mühe 3. Technische Änderungen 4. Technische Kompliziertheit 5. Service-Notwendigkeit 6. Kaufhäufigkeit 7. Verbreitung a
Klasse Ia Sehr gering Sehr gering Sehr gering Sehr gering
Klasse IIb Gering Gering Gering Gering
Klasse IIIc Mittel Mittel Mittel Mittel
Klasse IVd Hoch Hoch Hoch Hoch
Klasse Ve Sehr hoch Sehr hoch Sehr hoch Sehr hoch
Sehr gering Sehr hoch Sehr hoch
Gering Mittel Gering
Mittel Gering Mittel
Hoch Gering Gering
Sehr hoch Sehr gering Sehr gering
Zigaretten, Rasierklingen, Seife etc. Kurzwaren, kleine Markenartikel, kleine Haushaltswaren, Modeschmuck, kleinere Kleidungsstücke etc. c Radio- und Fernsehgeräte, größere Haushaltswaren, Damenoberbekleidung, Reifen, größere Sport- und Campingausrüstung d Hochwertige Kameras, Autos, Qualitätsmöbel, teurer Schmuck, Medikamente etc. e Häuser, antike Möbel, Kunstwerke, Maßkleidung etc. b
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Produkt-Mix
Verkaufsförderung (VF) von begrenzter Bedeutung
Kommunikations-Mix
VF von mäßiger Bedeutung
VF von signifikanter Bedeutung
VF von großer Bedeutung
fast kein Produkt-Service (PS) fast ausschließlich persönlicher Verkauf (PV)
primär PV
PV von durchschnittlicher Bedeutung PV von begrenzter Bedeutung
PV fast ohne Bedeutung VF von sehr großer Bedeutung
mäßige PA
begrenzte PA
durchschnittlicher PS
durchschnittliche PA
100 W von begrenzter Bedeutung
80
W von durchschnittlicher Bedeutung
M und P von sehr geringer Bedeutung
M und P von begrenzter Bedeutung
mäßiger PS
begrenzter PS
sehr geringe ProduktdifferenWerbung (W) zierung (PA) fast ohne Bedeutung
hoher PS
extrem starke PA
substantielle Preisdifferenzierung (PD)
ausgedehnte PD
völlige Preiskontolle (PK)
substantielle PK
60 mäßige PD
mäßige PK
Kredite (K) von substantieller Bedeutung
K von signifikanter Bedeutung
K von mäßiger Bedeutung
40
primär W
begrenzte PD
20 0
fast keine PD
fast ausmäßige ausmäßig ausgeintensive schließlich Distribution intensive D Franchise- dehnte FD schließlich W Distribution (D) FD und (FD) direkter Verkauf
äußerst lange Absatzkanäle (AK)
Lagerhäuser und Lagerhaltung (LH) von großer Bedeutung
M und P von mäßiger Bedeutung
M und P von großer Bedeutung
sehr lange AK
LH von signifikanter Bedeutung
mäßig lange AK
LH von mäßiger Bedeutung
kürzere AK
LH von einiger Bedeutung
gewisse PK
sehr begrenzte PK
äußerst kurze AK
Kontrahierungs-Mix
Marke (M) und Verpackung (P) von extrem hoher Bedeutung
K von geringer Bedeutung
K von sehr begrenzter Bedeutung
LH von begrenzter Bedeutung
Distributions-Mix
Abb. 4 Vorauswahl des Marketing-Mix mithilfe der warenspezifischen Analogiemethode
Es erscheint fraglich, ob der Merkmalskatalog für alle Absatzleistungen (Rohstoffe, Investitionsgüter, Dienstleistungen) Anwendung finden kann. Einzelne Bewertungen (Norm-Mixe) scheinen den Erfahrungen in der Praxis zu widersprechen (z. B. Bedeutung der Werbung und Markenbildung bei Automobilen). Es ist fraglich, ob bereits zu Beginn des Planungsprozesses alle wichtigen Einflussfaktoren so erfassbar sind, dass die genaue Einordnung des Produktes in das Produktkontinuum und eine Erfolg versprechende Vorauswahl des Marketing-Mix möglich sind. Auffallend ist die Vernachlässigung der Interdependenzen innerhalb des Sortimentes und des gesamten Absatzprogrammes eines Unternehmens.
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Einige dieser Kritikpunkte können durch einen heuristischen Ansatz, der sowohl dem Gesichtspunkt der Lösungstauglichkeit als auch dem einer breiten Anwendbarkeit weitgehend gerecht wird, überwunden werden (vgl. Kühn 1984, 1989). Kühn benutzt als ersten Ansatzpunkt zur Strukturierung des Marketing-Mix-Problems die Unterscheidung zwischen strategischen Problemen und Entscheidungen (langfristig wirksam) einerseits und operativen bzw. taktischen Problemen und Entscheidungen (kurz- bis mittelfristig wirksam) andererseits (vgl. Waterschoot und Bulte 1992). Strategische Marketing-Mix-Entscheidungen (Instrumentstrategien) lassen sich danach als Rahmenentscheidungen kennzeichnen, die Ziele, Verhaltensgrundsätze, umfassende Gestaltungsrichtlinien und Budgetvorgaben für den Marketing-Mix als Ganzes festlegen. Dagegen betreffen operative Marketing-Mix-Entscheidungen die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Instrumente und Submixbereiche. Die Gesamtheit der Ergebnisse der strategischen Marketing-Mix-Entscheidungen stellt einen groben „Bauplan“ für den Marketing-Mix dar, der als generelle Vorgabe sicherstellen soll, dass bei der Erarbeitung der im Mix zusammengefassten Einzelmaßnahmen die sachlichen und zeitlichen Wirkungsinterdependenzen berücksichtigt werden. Wenn das Marketing-Mix-Konzept diese Aufgabe erfüllt, lässt es sich als genereller Auftrag („Briefing“) für die mit Problemen der Gestaltung einzelner Instrumente beschäftigten „Spezialisten“ nutzen. Das von Kühn vorgeschlagene heuristische Verfahren ist nicht der ideale Weg zur Lösung des Marketing-Mix-Problems. Dennoch ist die Vorgehensweise, das Gesamtproblem in eine Sequenz von insgesamt 21 Teilentscheidungen zu zerlegen, ggf. ein sinnvoller Weg, um zu einer situationsgerechten Vorauswahl des Marketing-Mix zu gelangen. Durch sukzessives Einengen des Alternativenraumes kann sowohl die Gesamtheit der im Marketing-Mix enthaltenen Entscheidungsvariablen berücksichtigt als auch der begrenzten Problemlösungsfähigkeit des Marketingmanagers Rechnung getragen werden. Zur Bewertung der Aussagekraft der Verfahren werden die dargestellten Modelle anhand wichtiger Kriterien bewertet (vgl. Tab. 3). Die besonderen Vorteile der marginalanalytischen Verfahren sind deren geringe Implementierungskosten und das Vorhandensein eines eindeutigen Optimalitätskriteriums. Ihre Eignungsfähigkeit für die Praxis wird begrenzt durch eine mangelnde Benutzungssicherheit, die ungenügende Informationsverarbeitung, die geringe Anpassungsfähigkeit, die realitätsfernen Modellvoraussetzungen sowie die mangelnde Prognosefähigkeit der Verfahren. Die Methoden der mathematischen Programmierung sind ebenfalls durch ein eindeutiges Optimalitätskriterium und relativ geringe Implementierungskosten gekennzeichnet. Außerdem haben sie einen hohen Grad an Benutzungssicherheit. Negativ anzumerken sind die mangelnde Einfachheit bzw. Verständlichkeit, die zu geringe Anpassungsfähigkeit und die unvollständige Informationsverarbeitung. Wesentlicher Nachteil der heuristischen Modelle ist die Tatsache, dass kein eindeutiges Optimalitätskriterium vorhanden ist. Dies kann zu suboptimalen Lösungen führen. Die Vorteile sind unter anderem die Einfachheit und Verständlichkeit der Verfahren, ih-
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Tab. 3 Eignungsprofil alternativer Modellansätze zur Bestimmung des Marketing-Mix Modell/Verfahren
Anforderungen
Marginalanalytische Modelle
Heuristische Modelle
Einfachheit und Verständlichkeit Benutzungssicherheit
o
C
Mathematische Programmierungsverfahren
C
C
Realitätsnahe Modellvoraussetzungen Berücksichtigung der Komplexität des Optimierungsproblems Eindeutiges Optimalitätskriterium, Quantifizierbarkeit Berücksichtigung der Interdependenzen Vollständige Informationsverarbeitung Prognosefähigkeit
C
o
C
o
C
C
o
C
o
C
o
o
Anpassungsfähigkeit
C
Geringe Implementierungskosten
C
o
C
C erfüllt o bedingt erfüllt nicht erfüllt
re Benutzungssicherheit, die realitätsnahen Modellvoraussetzungen und die Möglichkeit, alle vorhandenen Informationen aus den Erfahrungen der Vergangenheit (z. B. über spezifische Wirkungsinterdependenzen bei den Instrumenten) in den Modellen berücksichtigen zu können. Deshalb wird man wohl diesen Verfahren die größten Zukunftschancen bei der praktischen Anwendung einräumen müssen. Die Umsetzung der Strategie in einen optimalen Marketing-Mix setzt die Kenntnis voraus, welche Instrumente die relevanten Zielgrößen wie beeinflussen. Auf diesem Wissen aufbauend muss in einem zweiten Schritt bestimmt werden, welche Substitutionsverhältnisse zwischen den relevanten Maßnahmen bestehen und wie diese gegenseitig aufeinander abgestimmt werden können. Je geringer die Anzahl relevanter Instrumente ist, desto leichter lassen sich Substitutionseffekte bestimmen. Für die Einführung neuer Produkte untersucht Halaszovich (2011) mit dem Marktanteil, der Versuchskaufrate sowie der Wiederkaufrate insgesamt drei Erfolgsgrößen auf Grundlage einer umfassenden empirischen Längsschnittanalyse. Für alle drei Zielgrößen weist er den Einfluss unterschiedlicher Kombinationen aus Marketing-Mix-Instrumenten nach (vgl. Abb. 5).
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Rel. Preis
–
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– +
Wiederkaufrate
Distribution
+ Marktanteil
+
+ Verkaufsförderung
+
+ +
Versuchskaufrate
TV-Werbung Einfluss auf den Marktanteil Einfluss auf die Versuchskaufrate Einfluss auf die Wiederkaufrate
Abb. 5 Einfluss von Marketing-Mix-Instrumenten auf Marktanteil, Versuchskaufrate und Wiederkaufrate (Quelle: Halaszovich 2011, S. 188)
Das komplexeste Einflussmuster zeigt sich beim Marktanteil neuer Produkte, der von allen vier untersuchten Marketing-Mix-Instrumenten beeinflusst wird. Demgegenüber besitzt die Wiederkaufrate die geringste Komplexität seitens der untersuchten Instrumente, da sie direkt nur vom Preis des neuen Produktes und dessen Distribution abhängt (vgl. Halaszovich 2011, S. 188). Aufgrund der geringen Komplexität kann die Bedeutung von Substitutionseffekten zwischen den einzelnen Marketing-Mix-Instrumenten am einfachsten bei der Wiederkaufrate veranschaulicht werden. Die drei relevanten Größen hierfür sind die Wiederkaufrate selbst, der Grad der Distribution sowie der relative Preis des Neuproduktes im Vergleich zum Wettbewerb. Wird eine dieser Größen konstant gehalten, also auf einem bestimmten Wert fixiert, kann das Austauschverhältnis zwischen den beiden übrigen Größen analysiert werden. Dieses Vorgehen wird in Abb. 6 verwendet. Konstant gehalten wird in der Abbildung der Grad der Distribution. Auf der horizontalen Achse wird der Preis des Produktes im Verhältnis zum durchschnittlichen Marktpreis für vergleichbare Produkte abgetragen. Die vertikale Achse gibt die erzielbare Wiederkaufrate in Prozentpunkten an. Das Diagramm zeigt Szenarien mit 50 %, 70 % sowie 90 % Distribution. Wie zu erkennen ist, können bei einer relativen Preisstellung von Null, der Produktpreis entspricht dem durchschnittlichen Preis der Konkurrenzprodukte, in Abhängigkeit von der
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1
0,8
%-Pkt. Wiederkaufrate
0,6 Wiederkaufrate (Distribution 50 %) 0,4
Wiederkaufrate (Distribution 70 %)
0,2
Wiederkaufrate (Distribution 90 %)
0 –50
–30
–10
10
30
50
70
90
110
130
150
–0,2
–0,4
rel. Preisstellung (in %)
Abb. 6 Wiederkaufrate in Relation zur Preisstellung (Quelle: Halaszovich 2011, S. 177)
Distribution Wiederkaufraten von ca. 0,3 bis ca. 0,5 % erreicht werden. Wird der relative Preis gesteigert, sinkt entsprechend der Distributionsrate auch die jeweils erreichbare Wiederkaufrate.
2.2.3 Funktionsübergreifende Koordination des Marketing 2.2.3.1 Ansatzpunkte zur Reduktion des Koordinationsbedarfes Bisher bezog sich die Koordinationsaufgabe im Marketing lediglich auf die Abstimmung aller Tätigkeiten innerhalb der Marketingabteilung. Jedoch darf die Koordination des Marketing mit anderen betrieblichen Funktionsbereichen nicht außer Acht gelassen werden. Bei der funktionsübergreifenden Koordination des Marketing geht es um zwei Fragestellungen: Welche Möglichkeiten zur Verminderung des Koordinationsbedarfes stehen zur Verfügung und wie kann ein als „unvermeidbar“ geltender Koordinationsbedarf gedeckt werden? Nachfolgend wird zunächst auf die Reduktion und im folgenden Abschnitt auf die Deckung des verbleibenden Koordinationsbedarfes eingegangen. Koordinationsbedarfes innerhalb des Unternehmens entsteht als Folge der Spezialisierung (Arbeitsteilung), da zwischen den verschiedenen Tätigkeiten im Unternehmen
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Interdependenzen bestehen (vgl. Adam 1997, S. 168 ff.). Unter „Spezialisierung ist die Zerlegung einer Aufgabe in einzelne voneinander verschiedene Teilaufgaben“ zu verstehen (Bea und Göbel 2010, S. 299). Dementsprechend ist die „Koordination (. . . ) die Abstimmung von Einzelaktivitäten zu einer gemeinsamen Aufgabenerfüllung“ (Bea und Göbel 2010, S. 307). Bspw. ist die Erschließung eines neuen Auslandsmarktes oder die Durchführung einer umfassenden Werbekampagne nur dann sinnvoll, wenn das Unternehmen über freie Produktionskapazitäten zur Befriedigung der zu erwartenden zusätzlichen Nachfrage verfügt. Vice versa müssen bei einer Vergrößerung der Produktionskapazitäten entsprechende Kommunikations- und Markterschließungsaktivitäten eingeleitet werden. In diesen Fällen besteht zwischen dem für die Markterschließung und die Werbemaßnahmen verantwortlichen Marketingbereich und der Produktion eine gegenseitige Abhängigkeit. In ähnlicher Form bestehen auch zwischen dem Marketing und anderen Funktionsbereichen, etwa dem Personal- oder Finanzbereich, Interdependenzen. Soll bspw. zur Verbesserung der Nachfragernähe die Absatzkanalstruktur von einem indirekten auf einen direkten Vertrieb umgestellt werden, müssen hierfür umfassende Finanzierungsmittel zur Verfügung stehen und zahlreiche neue Vertriebsmitarbeiter von der Personalabteilung angeworben und ausgewählt werden. Der Koordinationsbedarf entsteht durch die Zerschneidung von Interdependenzen. Diese Zerschneidung erfolgt durch die arbeitsteilige Zuordnung einer zusammengehörigen Aufgabe zu mehreren spezialisierten Aufgabenträgern oder organisatorische Teileinheiten (vgl. Köhler und Görgen 1991). Zur Ermittlung von Ansätzen zur Reduktion des Koordinationsbedarfes zwischen den Funktionsbereichen wird auf die organisationstheoretische Literatur zurückgegriffen (vgl. Kieser und Walgenbach 2010). Die folgenden Maßnahmen sind zur Reduktion des Koordinationsbedarfes zwischen dem Marketing und anderen Funktionsbereichen geeignet und sind auf ihre Einsatztauglichkeit im jeweiligen Einzelfall zu überprüfen: Prozessorientierte Entkopplung: Hierbei wird durch die Bildung von organisatorischen Teileinheiten (z. B. Abteilungen) der Abstimmungsbedarf verringert. Durch die Bildung von Abteilungen brauchen sich die Abteilungsmitarbeiter bei ihren Tätigkeiten nicht mit den Mitarbeitern aus anderen Unternehmensbereichen abzustimmen. Stattdessen bündelt der Abteilungsleiter alle Abstimmungstätigkeiten in seiner Person. Dadurch werden die Mitarbeiter innerhalb von denjenigen außerhalb der Abteilung entkoppelt (vgl. Kieser und Walgenbach 2010, S. 99). Die Entkopplung erfolgt durch Funktionsspezialisierung, d. h. funktional zusammengehörige Tätigkeiten werden in Abteilungen zusammengefasst. Werden darüber hinaus Puffer (Zwischenläger, Zeitpuffer) zwischen den einzelnen Abteilungen eingeführt, reduziert sich der Koordinationsbedarfes weiter. Fokussierung (Outsourcing): Der zweite Ansatz zur Reduktion des Koordinationsbedarfes ist die bewusste Fokussierung durch ein gezieltes Outsourcing (Auslagerung) von Unternehmenstätigkeiten (vgl. Ries 2005). Der Koordinationsbedarf lässt sich durch ein Outsourcing jedoch nur dann senken, wenn ganze Baugruppen ausgela-
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gert werden und die zugekauften Teile im Unternehmen nicht weitgehend dieselben Arbeitsschritte durchlaufen, wie selbst erstellte Teile (vgl. Blaxill und Hout 1992). Werden z. B. die ausgelagerten Teile der Wertschöpfungskette nach der Anlieferung einer umfassenden Qualitätsinspektion unterzogen, kann der Koordinationsbedarf nur bedingt reduziert werden. Überschussressourcen: Eine weitere Maßnahme zur Reduktion des Koordinationsbedarfes ist die Bereitstellung von Überschuss- bzw. Reserveressourcen (vgl. Kieser und Walgenbach 2010, S. 100). Die Verfügbarkeit freier Kapazität verringert den Planungsaufwand zur Abstimmung unterschiedlicher Tätigkeiten. Dabei bezieht sich die unausgelastete Kapazität nicht nur auf den Produktionsbereich, sondern ebenso auf die Bearbeitungs- und Entscheidungskapazität in anderen Unternehmensbereichen. Flexibilisierung von Ressourcen und Kompetenzen: Neben Überschussressourcen trägt auch die Erhöhung der Flexibilität von Ressourcen und Kompetenzen zur Reduzierung des Koordinationsbedarfes bei. Flexibel einsetzbare Universalmaschinen in der Produktion reduzieren den Abstimmungsbedarf zwischen einzelnen Fertigungsstufen ebenso wie breit qualifizierte Mitarbeiter oder Teams. Stellt z. B. ein Außendienstmitarbeiter fest, dass seine Kunden für ein bestimmtes Problem eine Lösung suchen, so kann er qualifizierte, flexible F&E-Mitarbeiter zum nächsten Kundenbesuch mitnehmen und die F&E-Kollegen in der Folgezeit weitgehend selbstständig eine neue Problemlösung entwickeln lassen. Aufgrund der wachsenden Veränderlichkeit vieler Märkte als Folge einer dichteren Verknüpfung von Marktteilnehmern (connectivity) kommt der langfristigen, strategischen Flexibilisierung aller Ressourcen und Kompetenzen zur Sicherung der Unternehmensexistenz heute eine deutlich höhere Bedeutung zu als in der Vergangenheit (vgl. Volberda 1999; Burmann 2002, 2007; Sanchez und Heene 2005). Verringerung der Koordinationsparameter: Zur Reduktion des Koordinationsbedarfes kann die Zahl der zu koordinierenden Größen verringert werden. Können die Nachfrager bei einem sehr schmalen Produktprogramm nur zwischen wenigen standardisierten Basisprodukten ohne Sonderausstattungen wählen, ist der Koordinationsbedarf zwischen den einzelnen Funktionsbereichen des Unternehmens relativ gering. Haben die Nachfrager hingegen die Möglichkeit zur Auswahl aus einem breiten Produktprogramm mit zahlreichen Sonderausstattungen, erhöht sich der funktionsübergreifende Abstimmungsbedarf erheblich. Standards (Bandbreiten): Eine weitere Maßnahme zur Reduktion des Koordinationsbedarfes liegt in der Festlegung von Standards oder Bandbreiten. Diese koordinationsbedarfsreduzierende Maßnahme wird auch als „Management by Exception“ bezeichnet (vgl. Frese 1992). Eine funktionsübergreifende Abstimmung erfolgt hier nur, wenn die zwischen den Funktionsbereichen ausgetauschten Waren, Dienstleistungen oder Informationen von einem vorgegebenen Standard um mehr als die zulässige Toleranz abweichen. Verringerung des Anspruchsniveaus: Der Koordinationsbedarf kann auch durch die Absenkung des Anspruchsniveaus reduziert werden. Wird z. B. das Niveau der gewünschten Umsatzrendite von 10 auf 5 % abgesenkt oder statt einem Anteil zufriedener
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Kunden von 95 % nur einer von 80 % angestrebt, können sich die Abstimmungstätigkeiten im Unternehmen auf die wichtigsten Interdependenzen beschränken. Ein gewisser Grad an Nachlässigkeit in der Koordination mit anderen Funktionsbereichen ist unter diesen Umständen zulässig. 2.2.3.2 Ansatzpunkte zur Deckung des verbleibenden Koordinationsbedarfes Nachdem Entscheidungen zur Reduktion des Koordinationsbedarfes getroffen wurden, muss der verbleibende Koordinationsbedarf mit geeigneten Instrumenten gedeckt werden. Dabei lassen sich folgende Koordinationsinstrumente unterscheiden (vgl. Kieser und Walgenbach 2010, S. 102 ff.): Koordination durch persönliche Weisung, Koordination durch Selbstabstimmung, Koordination durch Programme, Koordination durch Pläne, Koordination durch interne Märkte, Koordination durch Organisationskultur. Die sechs genannten Koordinationsinstrumente lassen sich durch die zur Koordination eingesetzten Medien unterscheiden. Bei der Koordination durch persönliche Weisung handelt es sich um eine vorwiegend vertikale und bei der Koordination durch Selbstabstimmung um eine vorwiegend horizontale Kommunikation. Diese beiden Instrumente beruhen auf einer unmittelbaren persönlichen Kommunikation zwischen den Organisationsmitgliedern und können daher auch als personenorientiert bezeichnet werden. Die Koordination durch Programme, Pläne und interne Märkte basiert auf bestimmten Medien, deren Urheber oft nicht direkt erkannt werden können und werden daher auch nicht als Folge von Entscheidungen einzelner Individuen verstanden. Die Medien der Koordination verselbständigen sich hierbei und werden für die Betroffenen zu einer Institution. Man bezeichnet diese Koordinationsinstrumente als unpersönlich oder technokratisch. Die Koordination durch Organisationskultur basiert auf der Voraussetzung, dass die Organisationsmitglieder über dieselben Werte und Normen verfügen, diese verinnerlicht haben und sich danach richten (vgl. Kieser und Walgenbach 2010, S. 120 f.). Im Folgenden wird auf die Darstellung der einzelnen Koordinationsinstrumente, die bereits vorgestellt wurden, eingegangen. Das Instrument der persönlichen Weisung stellt eine hierarchische Koordination dar. Dieses Koordinationsinstrument ist durch einen vertikalen Kommunikationsfluss gekennzeichnet. Hier erfolgt die Koordination über einen direkten Vorgesetzten (Personenhierarchie). Es werden Instanzen im Zuge der Abteilungsbildung geschaffen und mit Entscheidungs- und Weisungsbefugnissen ausgestattet. Der Vorgesetzte entscheidet in Konfliktsituationen und koordiniert durch das Setzen von Prioritäten. Die Komplexität der heute anzutreffenden Koordinationssituationen lässt eine Koordination über Vorgesetzte bzw. die Über- oder Unterordnung immer öfter unzweckmäßig erscheinen. Hier setzen
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nicht-hierarchische Koordinationsformen an. Diese Entwicklung kommt den im Zuge des Wertewandels veränderten Anforderungen der Mitarbeiter hinsichtlich einer größeren Selbstverwirklichung entgegen. Koordination kann auch durch eine Selbstabstimmung derjenigen Stellen stattfinden, die in ihren Aktivitäten aufeinander angewiesen sind. Bei einer Koordination über Selbstabstimmung erfolgt die Abstimmung durch offizielle Gruppenentscheidungen. Die Bildung der Gruppen (z. B. Komitees, Ausschüsse, Konferenzen, Besprechungen) kann durch die Vorgabe von Kommunikationskanälen, die Ausstattung der Gruppen mit spezifischen Entscheidungskompetenzen und die Vorgabe von Abstimmungsanlässen durch die Unternehmensleitung unterstützt werden. Da sich die betroffenen Stellen selbst abstimmen, wird hierbei auch von Selbstkoordination gesprochen (vgl. Vahs 2015, S. 114). Die Koordination über Programme basiert auf Lernprozessen des Unternehmens. Die durch mehrmalige Wiederholung gewonnenen Erfahrungseffekte werden in Verfahrensrichtlinien bzw. Handbüchern fixiert. Der Inhalt von Programmen kann sich auf die Aufgabenerfüllung einer Stelle, aber auch auf die Koordination zwischen organisatorischen Einheiten, beziehen. Programme können je nach Komplexität der zu koordinierenden Bereiche einen unterschiedlichen Detaillierungsgrad aufweisen und sind insbesondere bei standardisierten Koordinationsaufgaben einsetzbar. Bei der Koordination über Pläne erhalten die ausführenden Stellen in regelmäßigen Abständen bestimmte Vorgaben, die ihre Tätigkeiten koordinieren. Diese Vorgaben sind keine persönlichen Weisungen, nicht das Ergebnis einer Selbstabstimmung und ergeben sich außerdem nicht aus dem Einsatz von Programmen durch die Ausführenden. Diese Vorgaben werden nach einem festgelegten Verfahren im Rahmen eines institutionalisierten Planungsprozesses erarbeitet. Der Markt ist ein Koordinationssystem, das Angebot und Nachfrage aufeinander abstimmt. Ziel der Einrichtung interner Märkte ist, die Koordinationseffekte und die Anreizwirkungen von Märkten in der Organisation zu nutzen, um die Effizienz der Organisation zu steigern. Die Koordination über interne Märkte bietet sich insbesondere zur Abstimmung des Leistungsaustauschs zwischen weitgehend autonomen Unternehmensbereichen an. Der Leistungsaustausch erfolgt dabei über Verrechnungspreise (vgl. Bühner 2004, S. 189 ff.). Voraussetzungen einer Koordination über interne Märkte ist die Gewinnverantwortlichkeit der austauschenden Unternehmensbereiche (Profit Center) und deren Entscheidungsautonomie hinsichtlich der Auswahl von Lieferanten und Abnehmern. Letzteres macht es wiederum erforderlich, dass die von den Unternehmensbereichen ausgetauschten Leistungen auch von Unternehmen außerhalb des Unternehmens bezogen und an diese abgesetzt werden können. Bei einer Koordination durch die Unternehmenskultur und -identität erfolgt die Abstimmung ebenfalls ohne explizite organisatorische Regelungen. Ähnliche Werte, Visionen, Kompetenzen, Kommunikationsstile oder die Herkunft führen hier zu einem hohen Maß an Vertrauen und ermöglichen die Identifikation mit der Unternehmensmarke oder Unternehmensbereichsmarke (vgl. Burmann und Meffert 2005, S. 56 ff.; Burmann et al. 2018). Dies führt zu einer informellen Abstimmung aller Unternehmensaktivitäten, die
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sich nicht zuletzt durch einen in sich geschlossenen Auftritt im Markt positiv auf den Unternehmenserfolg auswirkt (vgl. Piehler 2011, S. 172). Entscheidend für die Koordinationswirkung ist, dass möglichst viele Organisationsmitglieder über dieselben Überzeugungen verfügen. Die Kultur und Identität einer Organisation kann in unterschiedlichen Formen in Erscheinung treten und für die Mitarbeiter erlebbar werden. Speziell die Pflege von Ritualen, Symbolen, Mythen und Visionen und die Auswahl von Mitarbeitern nach ihrem Fit zur Identität und Kultur eines Unternehmens können dabei zur Stärkung der Verhaltensrelevanz und zur Koordinationswirkung der Organisationskultur beitragen (vgl. Kieser und Walgenbach 2010, S. 122 ff.). Jedoch können Kultur und Identität bei stark veränderten Marktbedingungen auch zu Flexibilitätsverlusten durch ein hohes Maß an Rigidität führen (vgl. Leonard-Barton 1992, S. 111 ff.). Für eine erfolgreiche Marketingimplementierung müssen die Marketingstrategien eines Unternehmens zu der Unternehmenskultur passen.
I Unternehmenskultur Kotler und Armstrong verstehen unter der Unterneh-
menskultur ein System aus langfristig stabilen Werten und Überzeugungen, die von den Unternehmensmitgliedern geteilt werden (vgl. Kotler und Armstrong 2016, S. 64 f.).
Mehrere Studien (vgl. Rosenthal und Masarech 2003; Moneypenny 2004), die erfolgreiche US-amerikanische Unternehmen untersucht haben, zeigen, dass „these companies have almost cult-like cultures built around strong, market-oriented missions“ (Kotler und Armstrong 2016, S. 63). In solchen Unternehmen, wie Walt Disney, Wal-Mart, Microsoft, Procter & Gamble etc., haben die Mitarbeiter übereinstimmende Werte und Überzeugungen, sodass sie auch ohne strukturelle Vorgaben ihre Aktivitäten aufeinander abstimmen können und intuitiv wissen, was für ihr Unternehmen richtig oder falsch ist. Das der Unternehmenskultur ähnelnde Identitätskonstrukt kann als ein relativ stabiles System von Selbstreflexionen bzgl. der eigenen Herkunft, der Kompetenzen, der Werte, der Vision (langfristige Ziele im Leben) und der Persönlichkeit (Kommunikationsstil) eines menschlichen Individuums oder einer Gruppe von Menschen interpretiert werden. Es ist über die Zeit hinweg relativ konstant und dient dem Individuum bzw. einer Gruppe als Rahmen für das Handeln (vgl. Burmann et al. 2018). Nur wenn die Unternehmens- aber auch die Markenidentität in das Werte- und Normengefüge des sie umgebenden Unternehmens und der Gesellschaft integriert ist, kann sie das Verhalten von Mitarbeitern beeinflussen. Folglich spielen die regionale sowie die nationale Kultur, in die das Unternehmen eingebettet ist, für die Markenidentität eine wichtige Rolle (vgl. Meffert et al. 2010, S. 75 ff.). Die Markenidentität der Mitarbeiter kann vom Management nicht kurzfristig und unmittelbar beeinflusst werden, sondern nur langfristig. Eine starke Unternehmenskultur ist insbesondere durch eine starke Gruppenidentität aller Unternehmensmitglieder geprägt. Umgekehrt lässt sich die Identität der Unternehmensmarke „kultivieren“ und
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durch zweckmäßige Rituale, gemeinsame Werte und Normen sichtbar machen (vgl. Piehler 2011, S. 277). In der Literatur sind zahlreiche Kriterien zur Auswahl geeigneter Koordinationsformen bei der funktionsübergreifenden Abstimmung des Marketing entwickelt worden. Die Kriterien orientieren sich insbesondere an der Art und dem Ergebnis der Koordinationsentscheidung und dem Markt- und Technologiekontext (vgl. Wermeyer 1994, S. 135). Anhand dieser Entscheidungskriterien können die verschiedenen Koordinationsformen in Abb. 7 einer ersten groben Eignungsbeurteilung unterzogen werden. Obwohl eine definitive Aussage nur in Abhängigkeit vom jeweiligen Einzelfall getroffen werden kann, lassen sich Tendenzaussagen ableiten: Aufgrund der in vielen Märkten zu beobachtenden zunehmenden Veränderlichkeit und Komplexität der Markt- und Technologiesituation sind persönliche Weisungen, Programme und Pläne als Instrumente
Koordinationsformen Merkmale der Koordinationssituation Marktsituation: Hohe Veränderlichkeit der Nachfrage; Fragmentierung der Nachfrage (Spezifität) Produkt-/Prozesstechnologie: Hohe Veränderlichkeit; Hoher Innovationsgrad Art der Koordinationsentscheidung: Hohe Häufigkeit/ Regelmäßigkeit ; Isolierbarkeit; Marktgängigkeit des Koordinationsobjektes; Hohe Komplexität Ergebnis der Koordinationsentscheidung: Zeitbedarf der Abstimmung; Qualität der Koordinationsentscheidung; Motivation der Koordinationsbetroffenen; Koordinationskosten
PersönSelbst- Programliche abme Weisung stimmung
Pläne
Kultur
Interne Märkte
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(Marktorientierung)
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++ Gute Eignung – Tendenziell schlechte Eignung
+ Tendenziell gute Eignung – – Schlechte Eignung
o Keine eindeutige Beziehung 1 Niedrige Kosten
Abb. 7 Situationsspezifische Eignung von Koordinationsformen zur funktionsübergreifenden Abstimmung des Marketing
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zur funktionsübergreifenden Koordination des Marketing immer weniger geeignet. Eine ausgeprägte Marktorientierung ist heute demgegenüber wichtiger denn je (vgl. Köhler 2003, S. 106 f.; Hanser 2007, S. 26 ff.; Batten & Company Hrsg. 2010). Der Forderung nach mehr Marktorientierung ist vor allem durch eine verstärkte Einbeziehung der Mitarbeiter zur Nutzung der kollektiven Intelligenz Rechnung zu tragen (höhere Qualität der Koordinationsentscheidung). Betroffene sollen zu (Koordinationsentscheidungs-)Beteiligten gemacht werden. Gleichzeitig sind neue Anforderungen der Mitarbeiter (Wertewandel, Selbstverwirklichung) zu erfüllen. Folglich haben sich die Selbstabstimmung und die Koordination über die Markenidentitäten der Organisation und ihrer Teilbereiche heute zu sehr wichtigen Koordinationsformen entwickelt (vgl. Zeplin 2006; Maloney 2007; Piehler 2011). Je standardisierter sowie häufiger ein bestimmter Koordinationsbedarf anfällt, desto eher sind Programme und Pläne anwendbar. Durch diese Instrumente lassen sich speziell der Zeitbedarf und die Koordinationskosten reduzieren. Ist der Koordinationsgegenstand gut isolierbar, weitgehend standardisiert und auch von Anbietern außerhalb des Unternehmens zu beziehen, eignen sich interne und externe Märkte als Koordinationsinstrumente. Somit bergen einseitige Bevorzugungen einer einzigen Koordinationsform die Gefahr der Ineffizienz in sich. Bei der funktionsübergreifenden Koordination wirken sich besonders die richtige Dosierung und Mischung der Koordinationsinstrumente positiv auf den Unternehmenserfolg aus.
2.2.4 Gestaltung der Marketingorganisation Die Implementierung von Strategien im Unternehmen erfordert i. d. R. strukturelle Anpassungen. Folgt man der 1962 von Chandler aufgestellten „structure follows strategy“These, so erfordert auch die Marketingimplementierung die Ausrichtung bzw. Anpassung der Unternehmensstrukturen an der Marketingstrategie. Allerdings kann diese Beeinflussung auch in umgekehrter Richtung („strategy follows structure“) erfolgen. Dies bedeutet, dass eine gegebene Organisationsstruktur durch die entsprechend verknüpfte Aufgaben- und Machtverteilung ihrerseits die Strategiewahl beeinflusst (vgl. Chandler 1962; Hungenberg 2014, S. 331 f.). Nach Picot et al. lässt sich dieser (scheinbare) Widerspruch zwischen den beiden Perspektiven recht einfach auflösen: Kurzfristig beeinflusst die bereits bestehende Organisationsstruktur zweifellos die Handlungsmöglichkeiten der Unternehmensführung sowie deren Zielsetzungen. Langfristig muss sich jedoch die Organisationsstruktur den wettbewerblichen Bedingungen des Unternehmens und seiner Strategie anpassen (vgl. Picot et al. 2008, S. 240 ff.). Im Rahmen der Marketingimplementierung beziehen sich die strukturellen Anpassungen insbesondere auf die Gestaltung der Marketingorganisation. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Marketingabteilung nicht losgelöst von der gesamten Unternehmensstruktur betrachtet und gestaltet werden kann. Der Begriff der Marketingorganisation kann wie folgt definiert werden:
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I Marketingorganisation „Die Marketingorganisation umfasst alle struk-
tur- und prozessbezogenen Regelungen (Aufbau- und Ablauforganisation), die zur Erfüllung der Aufgaben des Marketingmanagements erforderlich sind“ (Bruhn 2016, S. 279).
Zur Gestaltung der Marketingorganisation wird auf die Erkenntnisse der Organisationslehre zurückgegriffen. Ebenso wie die Aufbauorganisation des gesamten Unternehmens, befasst sich auch die Aufbauorganisation des Marketing mit der „Zerlegung und Verteilung von Aufgaben und Kompetenzen sowie der Koordination von Aufgaben und Aufgabenträgern“ (Bea und Göbel 2010, S. 297) innerhalb der Marketingabteilung. Entsprechend untersucht die Ablauforganisation die organisatorische Gestaltung einzelner Arbeitsprozesse (z. B. Absatzplanung) in der Marketingabteilung. Die Aufbauorganisation, welche auch als formale Organisationsstruktur oder Konfiguration bezeichnet wird, spiegelt die äußere Form des Stellengefüges einer Organisation wider. Sie kann anhand der drei Gestaltungsparameter Spezialisierung, Koordination und Entscheidungsdelegation beschrieben werden (vgl. Kieser und Walgenbach 2010, S. 81 ff.): Spezialisierung (Arbeitsteilung) Der Grad und die Art der Spezialisierung lassen sich als charakteristische Merkmale heranziehen, um die Spezialisierung innerhalb des Unternehmens darzustellen. Der Spezialisierungsgrad beschreibt das Ausmaß der Spezialisierung der Aufgabenträger (hohe Spezialisierung versus geringe Spezialisierung). Bei der Art der Spezialisierung der Aufgabenträger lässt sich grundsätzlich die funktionsorientierte Spezialisierung von der objektorientierten Spezialisierung unterscheiden. Von einer funktionsorientierten Spezialisierung ist dann zu sprechen, wenn ein Aufgabenträger jeweils nur eine bestimmte Funktion ausübt. Eine objektorientierte Spezialisierung liegt dann vor, wenn sich die Arbeitsteilung an den genannten Objekten orientiert, wo Aufgaben vollbracht werden. Somit kann in diesem Zusammenhang auch von einer produkt-, kunden- oder regionenorientierten Spezialisierung gesprochen werden. Koordination der organisatorischen Einheiten Aus der Spezialisierung ergibt sich ein unmittelbarer Koordinationsbedarf. Hierzu stehen unterschiedliche Koordinationsinstrumente zur Verfügung. Entscheidungsdelegation Im Rahmen der Entscheidungsdelegation erfolgt eine Verteilung von Entscheidungsbefugnissen innerhalb der Organisation. Die Delegation beinhaltet im Einzelnen „die Zuweisung von Aufgaben, die Vorgabe von Zielen für die Aufgabenerfüllung, die Ausstattung mit den zur Aufgabenerfüllung notwendigen Rechten und die Zuweisung von Verantwortung“ (Kieser und Walgenbach 2010, S. 304). Vielfach wird anstelle von Entscheidungsdelegation auch von Entscheidungsdezentralisation oder -zentralisa-
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tion gesprochen. Bei der Zentralisation kommt es zu einer Bündelung von Entscheidungsbefugnissen in der Unternehmensspitze, während bei der Dezentralisation eine vollständige Aufteilung dieser Entscheidungsbefugnisse auf hierarchisch nachgeordnete Instanzen erfolgt. Mithilfe eines Organigramms (Organisationsschaubild) kann die Aufbauorganisation graphisch dargestellt werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich durch ein Organigramm nur die Art der Spezialisierung und das Koordinationsinstrument der persönlichen Weisung abbilden lassen. Das Ausmaß der Entscheidungsdelegation kann lediglich indirekt, anhand der Leitungstiefe und Leitungsspanne, abgelesen werden. An der Leitungsspanne lässt sich erkennen, wie viele direkt untergeordnete Stellen die jeweilige Instanz hat. Die Leitungstiefe bezeichnet dagegen die Anzahl der Hierarchieebenen in einem Unternehmen (vgl. Kieser und Walgenbach 2010, S. 148 f.).
2.2.5 Anpassung der Unternehmenssysteme Die Implementierung bzw. Neuausrichtung von Strategien erfordert neben strukturellen Anpassungen oftmals auch eine entsprechende strategieunterstützende Anpassung der Unternehmenssysteme. Unter dem Begriff „Systeme“ können im Zusammenhang mit der Implementierung von Strategien solche Instrumente des Managements verstanden werden, die benötigt werden, um ein Unternehmen zu führen. Anstelle von Unternehmenssystemen kann auch von der „Infrastruktur des Managements“ gesprochen werden (vgl. Hungenberg 2014, S. 342 f.). Dieses Managementsystem umfasst sowohl Informations-, Kommunikations- und Kontrollsysteme als auch Anreizsysteme, welche durch ihre Steuerungs- und Motivationsfunktion das Verhalten der Mitarbeiter im Sinne der zu implementierenden Strategie beeinflussen sollen. Die im Unternehmen bereits vorhandenen Informations-, Kommunikations- und Kontrollsysteme gilt es dabei so anzupassen, dass über den Fortschritt des Implementierungsprozesses in allen relevanten Unternehmensbereichen jederzeit berichtet werden kann, um Abweichungen frühzeitig erkennen zu können. Anreizsysteme können auf materiellen oder immateriellen Anreizen basieren. Zu den materiellen Anreizen zählen neben rein finanziellen Anreizen, wie z. B. Prämien, Beteiligungen etc., auch nicht-finanzielle Anreize wie ein Dienstwagen oder ein Spesenkonto. Soziale Anerkennung, ein höheres Maß an Verantwortung, interessante Arbeitsinhalte oder Beförderungen zählen hingegen zu den immateriellen Anreizen. Mithilfe dieser Mittel soll insbesondere das strategiekonforme Verhalten der Führungskräfte gefördert werden (vgl. Welge et al. 2017, S. 822 ff.). Dabei ist generell zu beachten, dass die Gestaltung der Strukturen und Systeme eines Unternehmens allein noch kein strategiegerechtes Handeln sicherstellen. Solche Anpassungen sind jedoch wichtige Rahmenbedingungen für die Arbeit der Mitarbeiter und beeinflussen darüber hinaus deren Verhalten in erheblichem Maße.
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2.3 Erstellung eines Marketingplans In der amerikanischen Marketingliteratur sind praxisnahe Publikationen zur Erstellung eines Marketingplans eine feste Größe, was die Wichtigkeit dieses Werkzeuges für ein zielorientiertes Marketing unterstreicht (Cohen 2006). Ohne einen konkreten Plan ist es nur schwer festzustellen, wie und ob die gesetzten Ziele erreicht werden. Zudem ermöglicht der Plan ein proaktives Handeln, welches beispielsweise auf mögliche Reaktionen der Wettbewerber auszurichten ist (vgl. Kerin und Hartley 2017, S. 52 ff.; Kotler und Armstrong 2016, S. 80 f.). Das Ziel dieses Kapitels besteht darin, zentrale Inhalte dieses Lehrbuches aufzugreifen und in einem Marketingplan darzustellen. Der Marketingplan ist ein schriftliches Dokument, welches auf einen zukünftigen Zeitrahmen von zumeist einem bis zu fünf Jahren ausgerichtet ist. Die Länge des Zeithorizonts ist beispielsweise in Abhängigkeit des Produktlebenszyklus oder der Unternehmensgröße zu bestimmen. Bei der Gestaltung des Plans ist ein strukturiertes Vorgehen erforderlich und die Inhalte sollten übersichtlich dargestellt werden (vgl. Kerin und Hartley 2017, S. 52 ff.). Der Marketingplan adressiert zum einen sämtliche Mitarbeiter im Marketing und ist zum anderen eine wichtige Entscheidungsgrundlage für Verantwortliche im Management (z. B. um notwendige Ressourcen freizugeben). Hierin liegt einer der zentralen Unterschiede zu einem Businessplan, der stets auf die gesamte Organisation ausgerichtet ist und alle Funktionsbereiche umfasst, wie beispielsweise Forschung und Entwicklung sowie Produktion. Neben den genannten (internen) Zielgruppen kann ein Marketingplan zusätzlich externe Zielgruppen, wie beispielsweise Banken und sonstige Kapitalgeber ansprechen und dient in diesem Zusammenhang als „Aushängeschild“, um finanzielle Mittel zu generieren. So sind die Inhalte und Formulierungen des Marketingplans entsprechend der anvisierten Zielgruppe überzeugend auszugestalten (vgl. Kerin und Hartley 2017, S. 52 f.). Der Marketingplan bildet detailliert die Vorgehensweise zur Erreichung der definierten Marketingziele ab und übernimmt durch die Identifikation von Chancen und Risiken eine Analysefunktion. Ferner trägt ein Marketingplan alle relevanten Informationen zusammen, die für eine effiziente Koordination von Zielen, Strategien und Entscheidungen notwendig sind. Des Weiteren bilden diese Informationen die Basis, um Mitarbeiter zu informieren und zu motivieren. Abschließend ist die Kontrollfunktion eines Marketingplans als Grundlage eines systematischen Marketingcontrollings zu nennen (vgl. Bruhn 2016, S. 39). Hinsichtlich des Bezugsobjektes lässt sich ein Marketingplan verschiedenartig auslegen. Bei den Bezugsobjekten ist zu unterscheiden zwischen dem gesamten Unternehmen, strategischen Geschäftseinheiten, Produkten bzw. Produktlinien oder Marken. Wichtig ist dabei, alle relevanten Elemente zu identifizieren und zu einem kohärenten Plan zusammenzuführen (vgl. Kotler et al. 2016, S. 126). Der Marketingplan ist Ausdruck eines entscheidungsorientierten Vorgehens und sollte unterschiedlichen Anforderungen gerecht
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werden (vgl. Bruhn 2016, S. 37 ff.). Darunter fallen zeitliche, inhaltliche (Vollständigkeit der Planung), konzeptionelle (Mindestmaß an Flexibilität), formale (schriftliche Fixierung) und organisatorische Anforderungen (Verantwortlichkeiten und Aufgabenbereiche). Die Struktur des Marketingplans entspricht dem Marketingmanagementprozess dieses Lehrbuchs in verdichteter Form. Daher soll im Folgenden an jeder einzelnen Stufe aufgezeigt werden, welche spezifischen Fragestellungen zur Erstellung eines Marketingplans beantwortet werden müssen (vgl. Tab. 4). Diesem Aufbau wird in der Regel eine kurze Zusammenfassung (Executive Summary) vorangestellt, um die Hauptziele und wesentlichen Inhalte des Plans zu präsentieren (vgl. Kotler und Armstrong 2016, S. 81).
Tab. 4 Ausgewählte Fragestellungen zur Erstellung eines Marketingplans Situationsanalyse
Marketingziele
Marketingstrategie
Was ergeben sich für Chancen und Risiken aus der Mikro- und Makroumwelt? Welche internen Stärken und Schwächen lassen sich dem gegenüberstellen? (vgl. hierzu die Ausführungen zur SWOT-Analyse in Kap. 4) Wie hoch sind das Marktvolumen und das Marktpotenzial? Wer gehört zu unserer Zielgruppe und wie kann sie beschrieben werden? Was sind die kaufverhaltensrelevanten Bedürfnisse der Nachfrager? Wer sind unsere Wettbewerber und was sind deren jeweilige Stärken und Schwächen? Wie schätzen wir unsere Wettbewerber hinsichtlich gesetzter Ziele und Strategien ein? Welche Interessen sonstiger Marktteilnehmer/Stakeholder müssen berücksichtigt werden? Was sind die differenzierenden Merkmale bei unserem Leistungsangebot? Was ist unsere Vision? Welche Ziele lassen sich daraus ableiten? Welche übergeordneten Unternehmensziele sind zu berücksichtigen? Was sind unsere psychografischen (z. B. Bekanntheit steigern) und ökonomischen Ziele (z. B. Umsatz/Gewinn steigern)? Welche Beziehungen bestehen zwischen unseren Zielen? (Komplementär, Neutral, Konflikt) Welcher Zeithorizont wird für die einzelnen Ziele bestimmt? Welche Zielhierarchie ist festzulegen? Sind unsere Marketingziele operational formuliert und für alle internen Zielgruppen verständlich? (Voraussetzung für erfolgreiches Marketingcontrolling) Welche Produkte/Dienstleistungen kommen zur Bedienung der Märkte/ Segmente in Betracht? Bearbeiten wir den Gesamtmarkt oder einen Teilmarkt? Sollen bestehende Kunden angesprochen und/oder neue Nachfrager gewonnen werden? Verfolgen wir eine Innovations-, Qualitäts-, Markierungs- oder Kostenorientierung? Was ist unser Wettbewerbsvorteil (USP)?
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Tab. 4 (Fortsetzung) Marketinginstrumente
Marketingimplementierung und Budget
Marketingcontrolling
Wie ist der Marketing-Mix auszugestalten, um die gesetzten Ziele und Strategien umzusetzen? Müssen einzelne Instrumente des Marketing-Mix eine besondere Priorisierung erfahren? Wie ist der Marketing-Mix für die verschiedenen Kundengruppen anzupassen? Welche spezifischen Maßnahmen sollen umgesetzt werden? Sind die Maßnahmen auf die anvisierten Ziele und Strategien abgestimmt? Wer ist für die Umsetzung von bestimmten Maßnahmen verantwortlich? Was für ein Budget ist erforderlich, um die gesetzten Ziele zu verwirklichen? Wie wird das Budget auf die einzelnen Maßnahmen verteilt? Wurde die Budgetverteilung entsprechend der Priorisierung bestimmter Instrumente des Marketing-Mix vorgenommen? Welche organisatorischen Anpassungen sind vorzunehmen, um die geplanten Strategien umsetzen zu können? Wie messen bzw. überwachen wir den Grad der Zielerreichung? Wie reagieren wir bei Soll-Ist-Abweichungen?
Fragen zu Kapitel 10 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.
Aus welchen zwei Bereichen setzt sich der Prozess der Marketingimplementierung zusammen? Worauf ist das Scheitern von Marketingstrategien zurückzuführen? Welche Faktoren beeinflussen die Akzeptanz der Marketingstrategie? Auf welchen Ursachen basieren Implementierungskonflikte? Welche Formen der Konfliktbewältigung gibt es? Welche Aufgabenbereiche nehmen die einzelnen Promotoren wahr? Was sind die wichtigsten Entscheidungstatbestände im Rahmen der funktionsspezifischen Koordination? Aus welchen zwei Forschungszweigen setzen sich formale Budgetierungsansätze zusammen und worin bestehen ihre Unterschiede? Welche Maßnahmen eignen sich zur Reduktion des Koordinationsbedarfes zwischen dem Marketing und anderen Funktionsbereichen? Mithilfe welcher Instrumente lässt sich der verbleibende Koordinationsbedarf decken? Warum spielen die Unternehmenskultur und -identität eine derart bedeutende Rolle bei der Organisation und Koordination? Welche sind die drei Gestaltungsparameter bei der Aufbauorganisation? Welche Zielgruppen werden mit einem Marketingplan adressiert? Was für Funktionen erfüllt ein Marketingplan? Welche Struktur wird dem Marketingplan zugrunde gelegt?
Literatur
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Marketingimplementierung
Witte, E. 1973. Organisation für Innovationsentscheidungen – Das Promotoren-Modell. Göttingen: Schwartz. Wöhe, G. 2016. Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 26. Aufl. München: Vahlen. Zeplin, S. 2006. Innengerichtetes identitätsbasiertes Markenmanagement. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag. Zimmermann, W., und U. Stache. 2001. Operations Research – Quantitative Methoden der Entscheidungsvorbereitung, 10. Aufl. München: Oldenbourg.
Weiterführende Literatur Bea, F.X., und E. Göbel. 2010. Organisation – Theorie und Gestaltung, 4. Aufl. Stuttgart: Lucius & Lucius. Kieser, A., und P. Walgenbach. 2010. Organisation, 6. Aufl. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Tarlatt, A. 2001. Implementierung von Strategien im Unternehmen. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag. zugl. Univ. Diss. Welge, M.K., A. Al-Laham, und M. Eulerich. 2017. Strategisches Management – Grundlagen – Prozess – Implementierung, 7. Aufl. Wiesbaden: Springer Gabler.
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Marketingcontrolling
Inhalt 1 2 3
Ziele und Entscheidungstatbestände des Marketingcontrollings . . . . . . . . . Kennzahlen und Kennzahlensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategisches Marketingcontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Berechnung von Kundenwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Berechnung von Markenwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Messung des Stakeholder Value . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Erfolgsmessung auf der Grundlage von Kunden- und Markenwerten . 4.2 Integrierte Erfolgsmessung unter Einbeziehung des Stakeholder Value 5 Operatives Marketingcontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Erweiterte Möglichkeiten des Marketingcontrollings im Web 2.0 . . . . . . . 7 Informationstechnische Infrastruktur des Marketingcontrollings . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Meffert et al., Marketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-21196-7_11
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Marketingcontrolling
Zunächst werden in diesem Kapitel grundlegend die Ziele und Entscheidungstatbestände des Marketingcontrollings aufgezeigt, um nachfolgend relevante Kennzahlen und Kennzahlensysteme vorzustellen. Da im Zusammenhang von Marketingcontrolling Kunden- und Markenwerte eine besondere Wichtigkeit aufweisen, werden Inhalte zu der entsprechenden Berechnung im Rahmen des strategischen Marketingcontrollings thematisiert. Darüber hinaus werden Modelle zur integrierten Erfolgsmessung im Marketing beleuchtet, die der Messung des Stakeholder Values dienen. Abschluss dieses Kapitels bildet der Abschnitt zur informationstechnischen Infrastruktur des Marketingcontrollings. Dabei geht es vor allem um Informationssysteme und immer weiter zunehmenden Datenmengen, die für das Controlling nutzbar sind (Big Data). Abb. 1 zeigt die Einordnung des Marketingcontrollings in die Struktur des Lehrbuches.
I. Markttransaktionen
Marketingcontrolling
Competence-Based View
Market-Based View
Anbieter
Nachfrager
II. Entscheidungsprozesse Kaufentscheidungen von Marketingentscheidungen von Nachfragern Anbietern Marktinformationen
Situationsanalyse
Bedürfnisse
Marketingziele
Alternativenbewertung
Marketingstrategie
Kaufpräferenz
Marketinginstrumente
Kaufdurchführung
Marketingimplementierung
Nachfragerzufriedenheit
Marketingcontrolling
Kennzahlen und Kennzahlensysteme
Strategisches Marketingcontrolling
Messung des Stakeholder Value
Stakeholder Value
Operatives Marketingcontrolling
Erweiterte Möglichkeiten des Marketingcontrollings im Web 2.0
III. Wertebene
Kunden- und Markenwert
Ziele und Entscheidungstatbestände des Marketingcontrollings
Unternehmenswert
Informationstechnische Infrastruktur des Marketingcontrolling
Abb. 1 Einordnung des Marketingcontrollings in die Struktur des Lehrbuchs
1
Ziele und Entscheidungstatbestände des Marketingcontrollings
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1 Ziele und Entscheidungstatbestände des Marketingcontrollings Das zentrale Ziel des Marketingcontrollings „ist eine punktuelle und/oder kontinuierliche, i. d. R. an Vergleichs- oder Zielgrößen orientierte Analyse der Marketing-konstruierenden Elemente zur Sicherstellung einer langfristig erfolgreichen Unternehmensführung.“ (Kreutzer 2017, S. 438). Hierfür greift das Marketingcontrolling auf interne Informationen, z. B. aus dem Rechnungswesen, und auf externe Informationen, z. B. aus Marktforschungsstudien, zurück. Daraus ergibt sich folgende Definition des Marketingcontrollings:
I Marketingcontrolling Marketingcontrolling umfasst die Identifikation und
Bereitstellung sämtlicher interner und externer Informationen, die zur Sicherung der Rationalität, also der Effektivität (Wirksamkeit) und Effizienz (Wirtschaftlichkeit), einer marktorientierten Unternehmensführung entlang des gesamten Marketingmanagementprozesses benötigt werden (vgl. Weber und Schäffer 2016, S. 47 f.; Reinecke und Janz 2007, S. 47).
In seiner Eigenschaft als Entscheidungsunterstützungsfunktion übernimmt das Marketingcontrolling zwei wesentliche Aufgaben: Informationsfunktion und Kontrollfunktion. Die Informationsfunktion umfasst die Beschaffung und Zusammenstellung der erforderlichen Daten für die jeweilige Entscheidungssituation. Dabei kommen sowohl interne als auch externe Informationsquellen in Betracht. Bspw. dienen bei der Preisfindung eines Produktes interne Daten aus der Kostenrechnung zur Bestimmung von Preisuntergrenzen, während mit Hilfe externer Daten die Preisbereitschaften der Nachfrager erhoben werden können. Die so gewonnenen Informationen unterstützen unmittelbar die Planungs- und Steuerungsentscheidungen im Rahmen des Marketingmanagementprozesses. Die Kontrollfunktion baut direkt auf der Informationsfunktion auf. Ihr Ziel ist die Aufdeckung von Verbesserungspotenzialen und Fehlentwicklungen innerhalb der Planungs- und Realisierungsprozesse. Es existieren zwei Instrumente, die zur Kontrolle eingesetzt werden können: Soll-Ist-Vergleiche und Marketing-Audits. Soll-Ist-Vergleiche beziehen sich auf die Marketing- bzw. Instrumentalziele als Bezugsgrößen. Dies verdeutlicht die Relevanz quantifizierbarer Ziele im Marketing (Sicherung der Operationalität von Marketingzielen), damit überhaupt ein Soll-Wert für Vergleiche zur Verfügung steht.
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Marketingcontrolling
Von einfachen Kontrollen mittels Soll-Ist-Vergleichen sind Marketing-Audits (engl. für „Überprüfung“ oder „Rechnungsprüfung“) abzugrenzen. Es kann definiert werden als „eine umfassende, systematische, nicht weisungsgebundene und regelmäßige Untersuchung von Marketingumwelt, -zielen, -strategien, -aktivitäten eines Unternehmens oder einer strategischen Geschäftseinheit“ (Kotler et al. 2007, S. 1213). Im Rahmen von Audits werden daher das Entstehen und der Ablauf von Entscheidungen analysiert, nicht jedoch deren Resultate. Somit soll die Leistungsfähigkeit des Marketingmanagements als Ganzes betrachtet werden. Im Vergleich zu Kontrollen sind Audits nicht vergangenheits- sondern zukunftsbezogen (vgl. Köhler 2006, S. 44 f.; Link und Weiser 2011, S. 229 f.). In Marketingpraxis und -wissenschaft nimmt das Thema Marketingcontrolling eine zentrale Rolle ein (vgl. Link und Weiser 2011, S. 17). Während in der Vergangenheit vor allem die bestmögliche Gestaltung der verschiedenen Instrumente, also der Inputfaktoren des Marketing, im Fokus stand, ist nun eine Verschiebung hin zum Output festzustellen. Hierfür sind verschiedene Gründe anzuführen, die in Tab. 1 dargestellt sind. In den vergangenen Jahren ist der Anteil des Marketing an den Gesamtkosten eines Unternehmens von früher 20 % auf heute bis zu 50 % gestiegen. Folglich wird heute ein immer stärkerer Nachweis von Effizienz und Effektivität des Marketing gefordert (vgl. Reinecke und Janz 2007, S. 25). Zum einen bezieht sich diese Rechenschaftspflicht auf den Nachweis des Gesamtoutputs aller Marketingaktivitäten (Effektivität). Zum anderen wird von der Unternehmensleitung zunehmend ein transparenterer Nachweis der Marke-
Tab. 1 Einflüsse auf die Bedeutung des Marketingcontrollings (Quelle: In Anlehnung an Reinecke und Janz 2007, S. 26) Koordinations- und Umsetzungsdefizite des Marketing
Fehlende vertikale Durchgängigkeit ungenügende horizontale Integration des operativen Marketing Informationsüberflutung des Managements
Nachweis von Effizi- Ausstrahlung neuer Informationssysteme enz und Effektivität Management- und und Technologien des Marketing Controllingkonzepte im Rahmen einer wertorientierten Unternehmensführung Messung des MarkeTarget Costing Steigende Integration tingoutputs der InformationssysTotal Quality teme Transparenz der UrManagement sache-WirkungsBenchmarking höhere Leistungsbeziehungen fähigkeit der Prozessorientierung zwischen MarkeInformationsund Prozesskostentinginput und -output rechnung auswertung und -aufbereitung Wissensmanageverbesserte Informament, Messung und Steuerung des „Intel- tionsverfügbarkeit lectual Capital“ erhöhte Unsicherheit durch Möglichkeiten Performance des E-Business Measurement, insbesondere Balanced Scorecards
1
Ziele und Entscheidungstatbestände des Marketingcontrollings
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tingeffizienz als Verhältnis von Input- zu Outputgrößen gefordert. Mit beidem ist das TopManagement derzeit oft nicht zufrieden, wie empirische Studien zeigen (vgl. u. a. Klein 2010, S. 23). Daraus folgt ein voranschreitender Bedeutungsverlust des Marketing auf der obersten Unternehmensleitungsebene, oft zu Gunsten einer stärkeren Finanzorientierung (vgl. Reinecke et al. 2006, S. 5). Als weiterer Grund für die steigende Bedeutung des Marketingcontrollings ist die Entwicklung neuer Management- und Controllingkonzepte (bspw. „Scorecard“-Ansätze) zu nennen. Diese verstärken den Wunsch, intangible Güter, z. B. den Wert von Marken und Kunden, zu quantifizieren und gezielt zu steuern. Weiterhin erhoffen sich Unternehmen, durch ein besseres Marketingcontrolling die Defizite bei der Koordination und Umsetzung von Marketingstrategien in konkrete Maßnahmen in den Griff zu bekommen. Hier versprechen neue Informationssysteme und -technologien verbesserte Möglichkeiten zur Planung und Kontrolle, z. B. im Rahmen von Customer Relationship Marketing. Abb. 2 gibt einen Überblick über den Einsatz von Marketingcontrollingverfahren in der Praxis. regelmässig
unregelmässig
Konkurrenz-/Branchenanalysen
60 %
35 %
Kundenzufriedenheitsmessungen
59 %
Mitarbeiterzufriedenheitsmessungen
55 %
Cockpits/Kennzahlensysteme
55 %
Frühwarn-/Monitoringsysteme
41 %
Strategische Kundenportfolios
40 %
Strategische Produktportfolios
35 %
lmage-/Positionierungsstudien
29 %
Balanced Scorecard
25 %
Szenariotechniken
23 %
n = 290
Markenaudits
17 %
28 % 26 % 32 % 40 % 43 % 43 %
27 %
Marktsegmentierungsstudien
31 %
28 % 47 % 40 % 30 %
Abb. 2 Einsatz von Marketingcontrollingverfahren in der Praxis (Quelle: Reinecke 2014, S. 23)
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Marketingcontrolling
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Marketingcontrolling erheblich an wissenschaftlicher und praktischer Relevanz gewonnen hat. Es wird ferner deutlich, dass das Marketingcontrolling nicht bloß „kontrollieren“, sondern den gesamten Marketingmanagementprozess von der Planung bis zur Umsetzung unterstützen soll. Es dient letztlich der „Qualitätssicherung“ im Marketing (vgl. Horváth et al. 2015, S. 29 f.; Köhler 2006, S. 39 ff.).
2 Kennzahlen und Kennzahlensysteme Unverzichtbares Hilfsmittel, um das Messen und Kontrollieren von Marketingaktivitäten überhaupt durchführen zu können, sind Kennzahlen. Darunter versteht man „Zahlen, die in konzentrierter Form über einen zahlenmäßig erfassbaren betriebswirtschaftlichen Tatbestand informieren“ (Staehle 1967, S. 62). Eigenschaften von Kennzahlen sind demzufolge: Informationscharakter, Quantifizierbarkeit und verdichtete Form der Information (vgl. Reichmann et al. 2017, S. 19). Kennzahlen lassen sich aus verschiedenen Blickwinkeln heraus einteilen. Aus einer mathematisch-logischen Perspektive lassen sich absolute (k 2 Z) und relative (k 2 Q) Kennzahlen unterscheiden. Eine absolute Kennzahl ist bspw. der Umsatz, wohingegen der Umsatz pro Kunde eine relative Kennzahl darstellt. Ferner lassen sich Kennzahlen aus zeitlicher Perspektive nach zeitraumbezogenen Stromgrößen (z. B. Gewinn) und zeitpunktbezogenen Bestandsgrößen (z. B. Eigenkapital) differenzieren. Aus inhaltlicher Sicht lassen sich Kennzahlen danach einteilen, ob sie Verhältnisse (Beziehung zwischen Kennzahlen unterschiedlichen Inhalts, z. B. Gewinn pro Vertriebsregion), eine zeitliche Entwicklung (Vergleich der Kennzahl zu bestimmten Zeitpunkten, z. B. Entwicklung des Gewinns während des Jahres 2011) oder eine Hierarchie (Aufschlüsselung einer Größe in bestimmte Untergrößen wie Gesamtkosten in Personal-, F&E-, Vertriebs-, Verwaltungskosten etc.) wiedergeben. Aus methodischer Sicht werden Kennzahlen schließlich in quantitative und qualitative Kennzahlen unterteilt. Während quantitative Kennzahlen in Zahlen ausdrückbare Informationen auf einer normierten Skala enthalten (z. B. Gewinn in C), erfassen qualitative Kennzahlen Informationen, deren Messung nicht auf einem eindeutigen Verfahren mit einer genormten Skala basiert (z. B. Kundenzufriedenheit). Kennzahlen übernehmen im Rahmen des Marketingcontrollings neben einer Informations- sowohl eine Überwachungsfunktion als auch eine Führungsfunktion. Mithilfe von Kennzahlen lassen sich die Aufgaben von Planung und Kontrolle leichter durchführen, da eindeutig zu überprüfende Größen festgelegt werden. Wenn diese Größen inhaltlich mit den angestrebten Marketingzielen verbunden sind, kann über stetigen Kennzahlenabgleich der Marketingmanagementprozess zielgerichtet gesteuert werden.
2
Kennzahlen und Kennzahlensysteme
931
Kennzahlen lassen sich des Weiteren in sog. Value-to-Customer-Metriken (V2C-Metriken), die Nachfrager betreffen, und sog. Value-to-Firm-Metriken (V2F-Metriken), die Unternehmen betreffen, unterscheiden (vgl. Verhoef et al. 2016, S. 25 ff.). V2F-Metriken sind im Gegensatz zu V2C-Metriken in der Regel quantitativer Natur. Beispielhaft seien einige von diesen aufgeführt: Gewinn ; Umsatz Umsatz.t1 / Umsatz.t1 / ; Umsatzrentabilität D Umsatz.t0 / Gewinn C Fremdkapitalkosten Gesamtkapitalerndite D : Gesamtkapital Umsatzrentabilität D
(1)
Die Gesamtkapitalrendite wird auch als Return on Investment (RoI) bezeichnet. Speziell für den Marketingbereich findet sich in der Literatur auch eine spezifischere Rentabilitätsbetrachtung in Form des Return on Marketing Investment (RoMI). Hierbei geht es darum, den Erfolgsbeitrag von Investitionen in Marketingaktivitäten spezifisch zu messen. Näher erläutert werden soll der Deckungsbeitrag (DB). Dieser ergibt sich aus der Multiplikation der stückbezogenen Deckungsspanne mit der Absatzmenge. Als Deckungsspanne (DS) wird die Differenz zwischen dem eindeutig zurechenbaren Erlös eines Produktes und den diesem eindeutig zurechenbaren variablen Kosten bezeichnet.
x = Absatzmenge
DB D DS xI
(2)
DB D .p kv /
(3)
p = eindeutig zurechenbarer Erlös kv = eindeutig zurechenbare variable Kosten Der DB ist eine Größe, die den Erfolgsbeitrag eines Produktes erfasst. Die Berechnung des Erfolgsbeitrages sollte auf Basis des DB und nicht auf Vollkostenbasis geschehen. Insbesondere bei kurzfristigen Programmentscheidungen ist die DB-Rechnung anzuwenden. Eine Entscheidung auf Vollkostenbasis verzerrt die Erfolgsrechnung, da jedem Produkt die ohnehin anfallenden Fixkosten über einen Schlüssel anteilig zugerechnet werden. Dies erhöht die berechneten Stückkosten und verringert damit den Stückerfolg. Vor allem bei zusätzlichen Produktionsaufträgen besteht dadurch die Gefahr, sich nach der DB-Rechnung selbst tragende Aufträge zu „zerrechnen“. Wie bereits zuvor diskutiert wurde, werden die statischen Kennzahlen der DB-Rechnung zunehmend durch dynamische und zukunftsorientierte Analysen von Kundenwerten bzw. Customer Lifetime Values ergänzt, auf deren Grundlage fundierte Entscheidungen für die Bewertung von Kundensegmenten sowie die Segmentbearbeitung gewonnen werden können (vgl. hierzu auch Kap. 1).
932
11
Marketingcontrolling
Neben den bereits erwähnten meist quantitativen V2F-Metriken, können auch sog. Value-to-Customer-Metriken (V2C-Metriken) definiert werden. Im Vergleich zu den V2F-Metriken, sind diese in der Regel qualitativer Natur und nehmen die Nachfragerperspektive ein. Im Speziellen handelt es sich um latente Wahrnehmungs-Konstrukte, auch als sog. Mind-Set-Metriken bekannt, die nicht direkt beobachtbar sind, jedoch durch quantitative Befragungen von Nachfragern mittels mehreren Variablen/Metriken auch quantifizierbar gemacht werden können (vgl. Srinivasan et al. 2010). Dabei kann, gemäß des Ansatzes eines Kennzahlensytems, zwischen verschiedenen Kategorien unterschieden werden. Die sog. V2C-Markt-Metriken betreffen das Produkt eines Unternehmens und sind insbesondere in den ersten Phasen des Produktlebenszyklus relevant, in denen Unternehmen versuchen, Nachfrager vom Wert eines neuen Produktes zu überzeugen (vgl. Verhoef et al. 2016, S. 25 ff.; Tab. 2). Des Weiteren gibt es sog. V2C-Marken-Metriken, die sich stark an dem Kaufentscheidungsprozess orientieren (vgl. Abschn. 1.3 in Kap. 2). Hier kann unterschieden werden zwischen kognitiven Marken-Metriken, die das Wissen über einer Marke fokussieren (z. B. Markenbekanntheit) und affektiven Marken-Metriken, die Gefühle und Emotionen von Nachfragern fokussieren (z. B. Markengefallen) (vgl. Verhoef et al. 2016, S. 28–29; Tab. 3). Auf der Grundlage einer Befragung von 194 Marketingmanagern in den USA wurden von Bendle et al. (2010) die wichtigsten Kennzahlen, die im Marketingmanagement Verwendung finden, untersucht. Insgesamt wurden 110 Kennzahlen im Hinblick auf ihre Nutzungshäufigkeit und ihren Aussagewert beurteilt. Als besonders nützliche Kennzahlen wurden eingestuft: Gewinn, Deckungsbeitrag, RoI, Kundenzufriedenheit, Umsatz und Return on Sales. Es wird deutlich, dass auch gemäß der diskutierten Marketingziele sowohl ökonomische wie auch psychographische Kennzahlen Berücksichtigung finden (Bendle et al. 2010). Tab. 2 V2C-Markt-Metriken (Quelle: Verhoef et al. 2016, S. 25 ff.) Mind-Set-Metriken (Konstrukte) Produktbekanntheit (Product Awareness) Produktattraktivität (Produkt Attractiveness) Produkteinzigartigkeit (Product Uniqueness)
Beschreibung Das Konstrukt bezieht sich im weiteren Sinne auf das Wissen eines Nachfragers über das Produkt, d. h. inwiefern es dem Nachfrager bekannt ist Das Konstrukt bezieht sich im weiteren Sinne auf den empfundenen Wert eines Produktes, insb. wie attraktiv es zur Bedürfnisbefriedung beurteilt wird Das Konstrukt bezieht sich ebenfalls im weiteren Sinne auf den empfundenen Wert eines Produktes, insb. wie einzigartig es zur Bedürfnisbefriedung beurteilt wird
2
Kennzahlen und Kennzahlensysteme
933
Tab. 3 V2C-Marken-Metriken (Quelle: Verhoef et al. 2016, S. 25 ff.) Mind-Set-Metriken (Konstrukte) Kognitive Markenbekanntheit Metriken (Brand Awareness) Markenassoziation (Brand Association)
Affektive Metriken
Markenerwägung (Brand Consideration)
Beschreibung Das Konstrukt bezieht sich auf darauf, ob die Marke einem Nachfrager bekannt ist Das Konstrukt bezieht sich auf eine tiefere Stufe der Markenbekanntheit, d. h. welche Assoziationen ein Nachfrager mit der Marke hat, z. B. inwiefern er die Marke als innovativ oder als qualitativ hochwertig empfindet Die Markenerwägung bezieht sich darauf, ob eine Marke von einem Nachfrager zum Kauf näher in Betracht gezogen wird und in das sog. Consideration-Set zur weiteren Evaluation gelangt (vgl. Abschn. 1.4 in Kap. 2)
Markenpräferenz (Brand Preference)
Die Markenpräferenz misst, ob eine Marke von einem Nachfrager im Vergleich zu einer anderen Marke präferiert wird
Markengefallen (Brand Liking)
Der Markengefallen kann als eine alternative Messung der Markenpräferenz gesehen werden, jedoch ohne Referenz zu einer Konkurrenzmarke
Da eine einzelne Kennzahl nur einen bestimmten Sachverhalt widerspiegeln kann, sind bei den heutigen Markt- und Unternehmensstrukturen mehrere Kennzahlen vonnöten, um die beschriebenen Funktionen zu erfüllen. In diesem Fall spricht man von einem Kennzahlensystem. Ein Kennzahlensystem ist eine zweckorientierte Gliederung mehrerer Kennzahlen, die über eine logische und/oder rechnerische Verknüpfung in einem sich ergänzenden Abhängigkeitsverhältnis stehen. Wie auch die Einzelkennzahlen erfüllen die Kennzahlensysteme hauptsächlich eine Informationsfunktion, wobei sich hierunter drei Subfunktionen unterscheiden lassen: (1) Analysefunktion, z. B. Kennzahlensystem zur Ermittlung der Markenstärke, (2) Lenkungs- bzw. Steuerungsfunktion, z. B. Return on Investments, Marktanteil oder Kundenzufriedenheit und (3) Dokumentationsfunktion als Speicherung von Plan- und Ist-Größen (vgl. Reinecke et al. 2006, S. 893). Wichtigste Eigenschaft ist die Zweckorientierung. Je nach Zielsetzung sind Kennzahlensysteme unterschiedlich auszugestalten, so dass es theoretisch unendlich viele Kennzahlensysteme gibt. Der Zielkonflikt, ein problemgerechtes und konsistentes Kennzahlensystem zu konstruieren, liegt in der Tatsache begründet, dass strategische Fragestellungen eines höheren Aggregationsniveaus bedürfen als operative Fragestellungen (vgl. Bauer et al. 2006, S. 266 f.). Ein ideales Kennzahlensystem verfügt demnach über eine Spitzenkennzahl, die so zusammengesetzt ist, dass sie strategische Entscheidungen zielgerichtet unterstützt und gleichzeitig auf Größen heruntergebrochen werden kann, die auch auf operativer Ebene zur Steuerung und Kontrolle eingesetzt werden können. Im Folgenden werden beispielhaft zwei Kennzahlensysteme vorgestellt: Das klassische System von DuPont, das nur
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Marketingcontrolling
aus monetären Größen besteht, und das wesentlich modernere und leistungsfähigere Konzept der Balanced Scorecard, welches zusätzlich qualitative Größen berücksichtigt. Das DuPont-System mit der Spitzenkennzahl RoI wurde entwickelt, um einen Konzern mit mehreren Geschäftsbereichen zu führen. Der Aufbau ist in Abb. 3 dargestellt. Als positiv ist zu bewerten, dass die Größen sachlogisch korrekt miteinander verknüpft sind und die erfassten Größen Erfolg und Liquidität über einen hohen Informationsgehalt verfügen. Negativ hingegen ist die ausgeprägte Manipulationsgefahr, in der Art, dass der RoI künstlich vergrößert werden kann, indem die Höhe des eingesetzten Kapitals verringert wird. Ferner blendet der alleinige Fokus auf Gewinn, Umsatz und Kapitaleinsatz andere Zielsetzungen aus und verleitet zu einem verkürzten Verständnis der Größe RoI. Die Balanced Scorecard verfolgt die Idee, über ein ausgewogenes Kennzahlensystem die Leistungen eines Unternehmens oder einer Geschäftseinheit ganzheitlich zu bewerten. Ausgewogen bedeutet, dass neben finanzwirtschaftlich orientierten Größen zusätzlich messbare qualitative Größen mit in die Analyse einbezogen werden. Auf der Balanced Scorecard werden unternehmensspezifisch Ziele, Kennzahlen, Vorgaben und Maßnahmen festgehalten, die vier Bereichen zugerechnet werden (vgl. Tab. 4). Über die Balanced Scorecard lässt sich die Strategie eines Unternehmens durch die Verbindung von Ergebnissen und deren Ursachen (Leistungstreibern) abbilden. Sie kann damit sowohl zur Leistungsbeurteilung als auch zur Steuerung eingesetzt werden. Die Balanced Scorecard erfüllt viele Anforderungen an ein zweckmäßiges Kennzahlensystem. Insbesondere ist sie höchst flexibel und kann auf die spezielle Situation jedes einzelnen Unternehmens angepasst werden. Aus diesem Grund hat sie in der Praxis ei-
Return on Investment (Rol)
Umsatzrentabilität
Gewinn
Deckungsbeitrag
Umsatz
–
–
:
Umsatz
Fixe Kosten
Variable Kosten
Abb. 3 Das DuPont-Kennzahlensystem
x
Kapitalumschlag
Umsatz
:
Gesamtvermögen
+
Anlagevermögen
Bestände
+
Umlaufvermögen
Forderungen
+
Kasse + Bank
3
Strategisches Marketingcontrolling
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Tab. 4 Aufbau der Balanced Scorecard (Quelle: In Anlehnung an Kaplan und Norton 1996, S. 44, 1997, S. 9) Vision und Strategie Kunde Leitfrage
Kennzahlen (Beispiele)
Finanziell
Interne Geschäftsprozesse Wie sollen wir Wie sollen wir In welchen Gegegenüber unseren gegenüber Teilha- schäftsprozessen Kunden auftreten, bern auftreten, um müssen wir die um unsere Vision finanziellen Erfolg Besten sein, um zu verwirklichen? zu haben? unsere Teilhaber und Kunden zu befriedigen? Kundenzufrieden- RoI, WertschöpQualität, Reaktiheit, Kundenbinfung onszeit, Kosten, dung, Marktanteil, ProduktneuKundenanteil einführung
Lernen und Entwicklung Wie können wir unsere Veränderungs- und Wachstumspotentiale fördern, um unsere Vision zu verwirklichen? Mitarbeiterzufriedenheit, Verfügbarkeit von Informationssystemen
ne besondere Akzeptanz und Verbreitung gefunden. Nachteilig ist zu bewerten, dass ein direkter Einbezug der Konkurrenz hier ebenso fehlt wie eine differenzierte Berücksichtigung von marketingspezifischen Fragestellungen (vgl. Reinecke 2004, S. 115). Im Online-Kontext werden sog. Marketing Dashboards immer bedeutsamer, durch die es möglich ist, die wichtigsten Marketing-Metriken in Bezug auf einen Online Shop oder eine unternehmenseigene Website, übersichtlich auf einen Display abzubilden. Pauwels et al. (2009, S. 177) definieren ein Dashboard als eine relativ kleine Sammlung an miteinander verbundenen Performance-Metriken. Diese können in Bezug auf Websites bspw. Page Impressions, Page Views, Visits, Unique Visitors, New Visitors, etc. sein (vgl. Abschn. 3). Dabei kann die Balanced Scorecard als Vorreiter betrachtet werden, da diese ebenfalls die Wichtigkeit der Kombination von verschiedenen Metriken hervorhebt. Ein wichtiger Unterschied liegt allerdings darin, dass die Balanced Scorecard primär auf interne Prozesse bezogen ist, während sich ein Dashboard auf den externen Kontext, d. h. den Markt, bezieht, in dem ein Unternehmen agiert (vgl. Pauwels et al. 2009, S. 179).
3
Strategisches Marketingcontrolling
Das strategische Marketingcontrolling befasst sich mit den grundlegenden Fragestellungen des Marketing (vgl. Kreutzer 2017, S. 438). Demnach werden nicht die laufenden (operativen) Marketingaktivitäten analysiert, sondern der Beitrag des Marketing zur nachhaltigen Existenzsicherung des Unternehmens. Weil sich in den vergangenen Jahren in Wissenschaft und Praxis eine Schwerpunktverlagerung hin zu einer stärker wertorientierten Unternehmensführung vollzogen hat, steht in diesem Kontext die Frage im Mittelpunkt, welchen Beitrag das Marketing zum Unternehmenswert leistet. Vor diesem Hintergrund sind im vergangenen Jahrzehnt zwei verschiedene Forschungsansätze
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Marketingcontrolling
entstanden. Während sich die Kundenstammwertforschung (Customer Equity) auf den Kunden als zentralen Werttreiber konzentriert, identifiziert die Markenforschung den Markenwert (Brand Equity) als maßgebliche, marketinggetriebene Determinante des Unternehmenswertes. Im Folgenden wird die Ermittlung des Kunden- und Markenwertes näher erläutert.
3.1 Berechnung von Kundenwerten Das Konzept des Customer Equity entspringt dem Bereich des Customer Relationship Marketing. Demzufolge sind der Kunde und die Beziehung zu diesem maßgeblich für den Unternehmenserfolg verantwortlich. Der Kunde ist also der allem übergeordnete Bezugspunkt: „We should be willing to do whatever is necessary with our brands (including replacing them with new ones) to maintain our customer relationships. Our attitude should be that brands come and go – but customers (. . . ) remain“ (Rust et al. 2004b, S. 112).
I Customer Equity Der Kundenstammwert (Customer Equity) wird definiert als
die Kapitalwertsumme aller Kundenbeziehungen des Unternehmens. Der Kapitalwert einer einzelnen Kundenbeziehung über ihre gesamte Dauer hinweg wird als Kundenlebenszeitwert (Customer Lifetime Value) bezeichnet (vgl. Burmann 2003, S. 114).
Diese Definition vernachlässigt jedoch, dass Kunden für den Aufbau einer Beziehung ein Bezugsobjekt benötigen, zu dem sie eine Beziehung aufbauen können. Dieses Bezugsobjekt ist in nahezu allen Fällen, sowohl in Business-to-Consumer- als auch in Business-to-Business-Märkten, die Marke. Dabei ist es zunächst unerheblich, ob eine Unternehmensmarke oder andere Formen von Marken analysiert werden. Ein Austausch von Marken zur „Sicherung“ von Kundenbeziehungen, wie von Rust und Kollegen im obigen Zitat vorgeschlagen, ist aus verhaltenswissenschaftlicher Perspektive daher mit dem großen Risiko einer Erosion oder sogar der völligen Auflösung der Beziehungen zu Kunden verbunden. Hingegen zeigt die obige Definition sehr gut die finanzorientierte Interpretation einer Kundenbeziehung als Investitionsobjekt. Der Customer Equity wird im Rahmen des Marketingcontrollings als eine Spitzenkennzahl mit hohem Steuerungspotenzial für das Oberziel der Unternehmenswertsteigerung interpretiert. Die in der Marketingforschung bestehenden Customer Equity-Modelle lassen sich zu drei Typen zusammenfassen (vgl. Burmann 2003, S. 116 ff.): 1. „Black-Box“-Modelle: Berechnung des Customer Equity ausschließlich auf Basis monetärer Größen nach klassischen Diskontierungsverfahren.
3
Strategisches Marketingcontrolling
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2. Verhaltenstheoretisch orientierte Modelle: Berechnung des Customer Equity auf Basis psychographischer Größen (z. B. Meinungsführerpotenzial), die in ökonomische Werte „umgerechnet“ werden. 3. Hybride Modelle: Berechnung des Customer Equity auf Basis monetärer Größen unter explizitem Einbezug von Marketinginstrumenten zur Beeinflussung des Customer Equity. Eine Bewertung anhand von vier Kriterien (Eignung für die Berechnung des Unternehmenswertes; Eignung für die Auswahl potenzieller Neukunden bei der Akquisition; Eignung für die Klassifizierung wirtschaftlich lohnender und nicht lohnender Kunden; Eignung für die Ausgestaltung der Marketinginstrumente bei der Marktbearbeitung) zeigt deren unterschiedliche Steuerungspotenziale im Rahmen einer wertorientierten Unternehmensführung (vgl. Tab. 5). Die Auswertung zeigt, dass hybride Modelle über das höchste Steuerungspotenzial verfügen. Daher wird nachfolgend beispielhaft das duale hybride Customer Equity-Modell von Burmann und Hundacker (2003) und Hundacker (2005) vorgestellt. Dieses Modell baut auf dem hybriden Customer Equity-Ansatz von Rust et al. (2004a) auf, welcher erstmals 2002 veröffentlicht wurde. Es stellte im Bereich der hybriden Modelle eine „Pionierleistung“ dar. Als erstes Modell überführte es psychographische Größen anhand von quantitativen Markenwechselbereitschaften in monetäre Werte. Dieser Ansatz wird von Burmann und Hundacker weiterentwickelt. Wie aus Abb. 4 ersichtlich, werden über den sog. Profitabilitätseffekt der Marktbearbeitung den kundeninduzierten Liquiditätszuflüssen entsprechende Abflüsse für den Aufwand der Marktbearbeitung entgegengehalten (Instrumenteebene). Kennzeichnendes Merkmal dieses Modells ist das Einnehmen einer dualen Perspektive: Der Kunden-Nettonutzen berücksichtigt die Wahrnehmung und Bewertung der Marktbearbeitungsmaßnahmen aus Kundensicht. Aus der Perspektive des Unternehmens gehen die um den Profitabilitätseffekt bereinigten Kundenlebenszeitwerte unterschiedlich werthaltiger Kundensegmente (Kundenerfolgsbeiträge) in den Customer Equity ein. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die zentrale Stärke der Kundenstammwertmessung darin liegt, dass die finanzielle Wertigkeit der einzelnen Nachfrager bzw. Nachfragersegmente und teilweise auch deren zu erwartende Reaktion auf die Ausrichtung der Marketing-Mix-Instrumente explizit berücksichtigt werden können. Sie stellt ein praktikables Diagnose- und Steuerungsinstrument dar, mit dem insbesondere die Akquisitions- und Bindungschancen der einzelnen Nachfrager bzw. Nachfragersegmente ermittelt werden können. Auf dieser Basis ist es dann möglich, die einzelnen Marketingaktivitäten bezüglich ihres finanziellen Erfolgsbeitrages für die Unternehmensführung zu bewerten und gezielt zu steuern. Dennoch weist dieser Ansatz für sich genommen auch Schwächen auf. So vernachlässigen Customer Equity Ansätze die zusätzlichen Einsichten, die aus der Art der Beziehung der Nachfrager zu einer Marke resultieren. Letztlich wird damit ein wichtiger Teil der Ursachen für das Kaufverhalten der Nachfrager bei der Anwendung von Customer Equity
Kundenbindungsrate als Indikator der Cash-Flow-Volatilität Nur begrenzt möglich, Fokus auf Ist-Kunden Keine Hinweise auf Akquisitionschancen Kundensegmentierung möglich
C
o
Kundenelimination bedingt möglich Abschätzung der Einzahlungen unterschiedlicher Marktbearbeitungsinstrumente bedingt möglich
Nur begrenzt möglich, Fokus auf Ist-Kunden Keine Hinweise auf Akquisitionschancen Kundensegmentierung möglich
o
C
o
C
C
Kundenelimination bedingt möglich Abschätzung der Einzahlungen C unterschiedlicher Marktbearbeitungsinstrumente möglich
Kundensegmentierung möglich
Customer Lifetime Value wird auch für Nichtkunden berechnet (bei denen die Marke im „relevant set“ ist)
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SP* Steuerungspotenzial, C gegeben, o bedingt gegeben, nicht gegeben
Kundenelimination nicht sinnvoll möglich Instrumenteneinsatz Abschätzung der Einzahlungen unterschiedlicher Marktbearbeitungsinstrumente nicht möglich
Investitionen in bestehende Kundenbeziehungen
Akquisition von Neukunden
Unternehmensbewertung
SP* Verhaltenstheoretisch orientierte SP* Hybride Modelle SP* Modelle C Modellaufbau ähnlich der Barkapi- o Keine explizite Berücksichtigung Verhaltenstheoretisch fundierte talwertmethode der Kundenrisiken Nutzenfunktion Keine explizite Berücksichtigung Selektion psychographischer VariaBerücksichtigung von von Kundenrisiken blen Kundenrisiken Ökonomisierung Realistischere „Kundenbasis“ für Zusätzlicher Steuerungsbeitrag psychographischer Variablen die Wertberechnung gering
Black-Box-Modelle
Tab. 5 Bewertung des Steuerungspotenzials verschiedener Customer Equity-Modelltypen (Quelle: Burmann 2003, S. 119 ff.)
938 Marketingcontrolling
3
Strategisches Marketingcontrolling
Monetäre Ebene
939 Customer Equity
Psychographische Ebene
Kundenanzahl
Customer Lifetime Value
Bedingte Wahlwahrscheinlichkeit
Profitabilitätseffekt durch duale Marktbearbeitung
Kunden-Nettonutzen
Kunden-Bruttonutzen Instrumenteebene
Akquisition
Kunden-Kosten
Durchdringung
Ausrichtung am Kunden-Nettonutzen
Sicherung
Ausrichtung am Kundenerfolgsbeitrag
Abb. 4 Duales hybrides Customer Equity-Modell von Burmann und Hundacker (Quelle: Hundacker 2005, S. 119)
Modellen vom Management ausgeblendet. Eine starke Marke kann den Eintritt in neue Produktkategorien oder Märkte erst ermöglichen oder zumindest das Floprisiko senken; sie leistet wichtige Unterstützungsfunktionen für Absatzmittler und Zulieferer; sie ermöglicht besser qualifizierte Mitarbeiter anzuziehen und diese zu motivieren (vgl. Leone et al. 2006, S. 129 ff.). Diese und andere wichtige Einflüsse von Marken auf den Unternehmenserfolg und damit die Ausgestaltung des Marketing bleiben in Customer Equity-Ansätzen unberücksichtigt. Insoweit ist das Steuerungspotenzial des Kundenstammwertes für sich allein genommen als eingeschränkt zu bewerten. Es kann jedoch durch eine Verknüpfung mit Markenwertmodellen erheblich gesteigert werden (vgl. hierzu ausführlich Burmann et al. 2018, S. 303 ff.).
3.2 Berechnung von Markenwerten Einen anderen Ansatz zur Messung des Wertbeitrages von Marketingaktivitäten verfolgt die Markenforschung. Sie identifiziert die Marke bzw. den Markenwert (Brand Equity) als wesentlichen Treiber des Unternehmenswertes. Im Gegensatz zu Customer EquityAnsätzen stehen nicht die Kunden allein im Zentrum der Betrachtung, sondern die Beziehungen der Nachfrager zu Marken und die daraus resultierenden Konsequenzen für deren Kaufverhalten. Statt eine Marke laufend an wechselnde Trends im Markt anzupassen oder sie sogar durch eine völlig neue Marke zu ersetzen, wird hier eine eindeutig im Markt dif-
940
11
Marketingcontrolling
ferenzierte, konsistente und langfristig kontinuierliche Führung der Marke angestrebt (vgl. Burmann und Jost-Benz 2005, S. 4 f.; Burmann und Meffert 2005, S. 67). In diesem Sinne geführte Marken zeichnen sich u. a. durch einen hohen finanziellen Markenwert aus. Zahlreiche empirische Studien haben mehrfach bestätigt, dass dieser Markenwert einen stark positiven Einfluss auf die Bewertung von Unternehmen hat (vgl. Aaker und Jacobson 1994, S. 191 ff.; Barth et al. 1998, S. 41 ff.; Court et al. 1999, S. 100 ff.; Gregory 2003, S. 17 ff.; Mizik und Jacobson 2005, S. 21 ff.). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie der Markenwert zu berechnen und zu interpretieren ist. Dementsprechend lassen sich Verfahren zur Berechnung des Markenwertes in drei Gruppen aufteilen (vgl. Bentele et al. 2009, S. 38; Burmann et al. 2005, S. 324 f.): klassisch finanzorientierte Verfahren, verhaltenstheoretisch orientierte Verfahren und kombinierte Verfahren. Klassisch finanzorientierte Verfahren bestimmen den Markenwert als monetäre Größe mithilfe von der Unternehmensbewertung entlehnter Verfahren. Mögliche Einsatzzwecke sind die Markenwertberechnung bei Unternehmensübernahmen oder die Schadensbemessung im Falle von Markenpiraterie. Einer kostenorientierten Markenwertbestimmung liegt das Substanzwertverfahren aus der Unternehmensbewertung zugrunde. Hierbei lassen sich vergangenheits- und gegenwartsbezogene Bewertungen unterscheiden. Vergangenheitsbezogene Bewertungen beinhalten die sog. historischen Kosten, welche die in der Vergangenheit getätigten Investitionen in die Marke umfassen. Gegenwartsbezogene Bewertungen berücksichtigen die Wiederbeschaffungskosten und damit die Kosten für die Etablierung einer gleichwertigen Marke (vgl. Burmann et al. 2018, S. 313). Preisorientierte Markenwertbestimmungen (vgl. z. B. Crimmins 1992; Sander 1994) unterstellen, dass ein Markenprodukt im Vergleich zu einem unmarkierten Produkt zu einem höheren Preis abgesetzt werden kann. Diese Differenz wird als Preispremium bezeichnet. Auf dieser Basis berechnet sich der Markenwert über die Multiplikation des Preispremiums mit der Absatzmenge. Ähnlich berechnen kapitalmarktorientierte Verfahren (vgl. z. B. Simon und Sullivan 1993) den Markenwert. Der Unternehmenswert als Produkt des Preises pro Aktie und der Summe aller ausgegeben Aktien wird hierbei im ersten Schritt in materielle und immaterielle Vermögenswerte aufgespalten. Nach einer weiteren Unterteilung in Marken- und Nicht-Markenbezug wird der Markenwert als Summe der markenbezogenen immateriellen Vermögenswerte eines Unternehmens bestimmt. Ertragswertorientierte Verfahren (vgl. z. B. Kern 1962) schließlich basieren auf rein durch die Marke induzierten Zusatzeinnahmen. Analog zur Barkapitalwertmethode wird der Markenwert hier als die auf einen Stichtag abgezinste Summe aller zukünftigen markenspezifischen Einzahlungsüberschüsse berechnet. Zu den Stärken der finanzorientierten Ansätze zählen die einfache konzeptionelle Ausgestaltung, die hohe Transparenz sowie der relativ geringe Ressourcenaufwand. Als ein Nachteil aller klassischen finanzorientierten Verfahren ist festzuhalten, dass ausschließ-
3
Strategisches Marketingcontrolling
941
lich monetäre Größen betrachtet werden und der Nachfrager und die Ursachen seines Kaufverhaltens außer Acht gelassen werden. Diesen Nachteil greifen verhaltenstheoretisch orientierte Modelle auf und stellen die Markenwahrnehmung der Nachfrager in den Mittelpunkt ihrer Analyse. Der so ermittelte Markenwert wird als „Markenstärke“ oder auch als „psychographischer Markenwert“ bezeichnet. Letzteres bringt zum Ausdruck, dass es sich hier nicht um die Berechnung monetärer Größen handelt. Verhaltenstheoretisch orientierte Modelle stellen die Verhaltensrelevanz einer Marke in den Mittelpunkt ihrer Berechnungen. Es wird von folgender Grundannahme ausgegangen: Je bekannter eine Marke ist und je positiver ihr Image beim Nachfrager verankert ist, desto größer ist ihr Einfluss auf dessen Kauf- und Kommunikationsverhalten. Zur Verdeutlichung soll hier beispielhaft auf das Modell von Keller (2013) verwiesen werden (vgl. Abb. 5). Nach Keller ergibt sich die Stärke einer Marke im Kopf des Nachfragers als Reaktion auf die Marketingmaßnahmen des Unternehmens in Verbindung mit dem bereits vorhandenen Markenwissen aus der Vergangenheit. Letzteres besteht aus der Markenbekanntheit und dem Markenimage. Die Markenbekanntheit beschreibt sowohl die Fähigkeit des Nachfragers, eine Marke als bereits gesehen oder gehört wiederzuerkennen (gestützt), als auch eine Marke auswendig den korrekten Produktkategorien zuzuordnen (ungestützt). Das Markenimage ist ein komplexes Einstellungskonstrukt, welches verschiedene Assoziationen, die nach Art (Nutzen, Eigenschaften, Gesamteindruck der Marke), Stärke (Relevanz und Kontinuität der assoziationsauslösenden Informationen), Vorteilhaftigkeit (Zufriedenheit, positiver Eindruck) und Einzigartigkeit (im Vergleich zu anderen Marken) beschrieben werden. Der Nachteil verhaltenstheoretischer Verfahren liegt in den rein qualitativen Aussagen dieser Modelle. Es fehlt eine quantitative, monetäre Größe zur Erfassung und Beurteilung des Markenwertes.
Markenstärke
Markenwissen (Brand Knowledge) Markenbekanntheit (Brand Awareness)
Markenimage (Brand Image)
Art der Assoziationen
Stärke der Assoziationen
Vorteilhaftigkeit der Assoziationen
Einzigartigkeit der Assoziationen
Marketingmaßnahmen
Abb. 5 Customer-based Brand Equity Modell von Keller (Quelle: In Anlehnung an Keller 2013, S. 67 ff.)
gestützt
ungestützt
942
11
Marketingcontrolling
Vor diesem Hintergrund haben sich sog. kombinierte Verfahren entwickelt, welche die Vorteile der finanzorientierten mit denen der verhaltenstheoretisch orientierten Verfahren verbinden. Kombinierte Modelle berechnen einen monetär zu beziffernden Wert einer Marke (ökonomischer Markenwert) unter Zuhilfenahme der Markenstärke. Dies geschieht in einem zweistufigen Prozess. Zunächst wird die Verhaltensrelevanz einer Marke anhand ihrer Markenstärke bestimmt. Anschließend wird die Markenstärke durch eine Umrechnung monetarisiert und so in den ökonomischen Markenwert überführt. Dieser Prozess lässt sich beispielsweise an dem Markenbewertungsmodell von Interbrand verdeutlichen (vgl. Stucky 2004, S. 430 ff.). Der Vorteil dieses Modells ist die segmentspezifische und damit vergleichsweise präzise Berechnung des Markenwertes. Als nachteilig anzusehen ist, dass die Berechnung der Markenstärke auf Basis von subjektiv gewichteten und wissenschaftlich nicht hinreichend begründeten Determinanten erfolgt. Ferner wird die branchenübergreifend standardisiert verwendete Transformationskurve zur Umrechnung der Markenstärke in einen Diskontierungsfaktor kritisiert (vgl. Kapferer 1992, S. 319; Burmann und Jost-Benz 2005, S. 25). Eine abschließende Würdigung aller Markenbewertungsmodelle erweist sich als schwierig, da über 300 verschiedene Verfahren und Modelle existieren, die alle aufgrund unterschiedlicher Anforderungen und Motive entstanden sind. Eine diese unterschiedliche Ausrichtung negierende Pauschalbewertung ist daher nur sehr bedingt möglich. Einen Versuch zur Klassifizierung und Bewertung unternehmen bspw. Bentele et al. (2009, S. 37 ff.) und Kriegbaum (2001, S. 81 ff.). Unabhängig von diesen Schwierigkeiten einer abschließenden Bewertung lässt sich festhalten, dass die überwiegende Zahl der Modelle zwar den Nachfrager berücksichtigt (unternehmensexterne Perspektive), die interne Mitarbeiter- und Führungsperspektive jedoch vollständig ausblendet. Diese Vorgehensweise ist unter Zugrundelegung eines identitätsbasierten Markenverständnisses nicht empfehlenswert, weil die Stärke einer Marke erst durch das Verhalten von Mitarbeitern und Führungskräften entsteht (vgl. JostBenz 2009). Ferner vernachlässigen nahezu alle bisherigen Markenbewertungsmodelle die Tatsache, dass Nachfrager über unterschiedliche finanzielle Wertigkeiten verfügen. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Stärken und Schwächen der Customer Equity- und der Brand Equity-Forschung sind in den letzten Jahren zunehmend Forderungen laut geworden, beide Ansätze miteinander zu verbinden (vgl. Marketing Science Institute MSI 2004, S. 4, 2006, S. 6; Rust et al. 2004a, S. 116). Abschließend ist zu betonen, dass sich sämtliche Verfahren der Wertbeitragsmessung bisher auf direkt ökonomisch relevante Sachverhalte beziehen. Dabei wird vernachlässigt, dass die Aktivitäten im Marketing nicht ausschließlich direkt erfassbare ökonomische Werte schaffen, sondern auch gesellschaftliche und ökologische Vermögenswerte für das Unternehmen aufgebaut werden, die sich nur langfristig oder indirekt in ökonomische Vermögenswerte überführen lassen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Notwendigkeit, ein integriertes System zur Erfolgsmessung im Marketing zu entwickeln.
4
Messung des Stakeholder Value
943
4 Messung des Stakeholder Value Ausgehend von dem in diesem Lehrbuch zugrunde gelegten und in Kap. 1 dargestellten modernen erweiterten Verständnis des Marketingmanagements sind neben den Kundenbeziehungen auch die Stakeholderbeziehungen und die Wirkungen von Markttransaktionen im erweiterten Stakeholderumfeld zu berücksichtigen. Die Schaffung von Kunden- und Markenwerten durch das Marketingmanagement erfordert vielfach die Unterstützung einer Reihe von Stakeholdern (Mitarbeiter, Staat, kritische Gruppen, Anwohner). Aus der Sicht des Competence-based View (CBV) sind intakte Stakeholderbeziehungen auch als knappe Ressourcen einzustufen. Verstößt ein Unternehmen bei der Herstellung oder dem Vertrieb gegen gesetzliche Bestimmungen, so ist es möglich, dass der Gesetzgeber den Vertrieb des Produktes verbieten kann und betroffene Kunden ggf. Ersatzansprüche geltend machen können. Die Beziehung zwischen Unternehmen und dem Stakeholder Staat ist in diesem Falle gestört und führt zu Legitimitätsproblemen, d. h. das Handeln des Unternehmens steht nicht mehr in Übereinstimmung mit den rechtlichen oder gesellschaftlichen Erwartungen. In diesem Fall kann der Unternehmenswert nachhaltig negativ beeinflusst werden. Selbst wenn Unternehmen die rechtlichen Standards einhalten, zeigen viele Beispiele, dass in der Gesellschaft Anspruchsgruppen existieren, deren Beachtung für den langfristigen Markterfolg besonders wichtig ist, da ansonsten Kritik und Widerstand gegen das Unternehmensverhalten die Reputation, das Image und schließlich den Markenwert und damit den Unternehmenswert beeinträchtigen können. Michael Porter, der in den 1980er Jahren die wissenschaftliche Diskussion zum Thema Wettbewerbsstrategien und Wertschöpfungsketten geprägt hat, sieht die Notwendigkeit, die Wertschöpfungsaktivitäten zukünftig an dem „Shared Value Concept“ auszurichten. Hierbei geht es insbesondere darum, jene Unternehmensaktivitäten zu intensivieren, die der Schaffung eines Wettbewerbsvorteils dienen und gleichzeitig die sozialen Bedingungen im Unternehmensumfeld positiv beeinflussen (vgl. Porter und Kramer 2011). In diesem Zusammenhang gilt es die Produktivität von Wertschöpfungsketten um die positiven (z. B. Ausbildung von Lehrlingen) und negativen externen Effekte (z. B. Umweltbelastungen durch Emissionen) zu korrigieren. In verstärktem Umfang übernehmen auch externe Institutionen und Ratingagenturen die Funktion, Unternehmen mit ihren Marketingaktivitäten im Hinblick auf die gesellschaftlichen und umweltbezogenen Wertbeiträge zu bewerten. In diesem Zusammenhang ist in den letzten Jahren mit Blick auf die Diskussion um Konzepte der Corporate Social Responsibility (CSR) und des Nachhaltigkeitsmanagements eine Vielzahl von externen Zertifizierungs- und Bewertungssystemen entstanden. Zu den wichtigsten Ratings bzw. Ratingagenturen zählen u. a. der Domini Social Index/KLD Index, der Dow Jones Global Index (DJGI)/Dow Jones Sustainability World Indizes (DJSWI), das Eco-Management and Audit Scheme (EMAS), die Environmental Performance Indicators for the Finance Industry (EPI) sowie die Financial Times Stock Exchange-Indizes (FTSEIndizes). Dementsprechend verstärken Unternehmen auch die freiwillige Berichterstattung über gesellschaftliche und umweltbezogene Wertbeiträge in Geschäftsberichten oder
944
11
Marketingcontrolling
sog. Nachhaltigkeitsberichten (vgl. Hermann 2005; Münstermann 2007; Fiedler et al. 2009). Ebenso wie zuvor der Kunden- und Markenwert als marktgerichteter Output der Marketingaktivitäten betrachtet wurde, so stellt sich zudem die Frage, inwieweit diese Aktivitäten Auswirkungen und externe Effekte bei Stakeholdern und Anspruchsgruppen zeigen, die nicht direkt als Nachfrager oder Anbieter an Markttransaktionen beteiligt sind. Externe Effekte liegen dann vor, wenn Maßnahmen eines Unternehmens einen Einfluss auf andere Akteure und deren Nutzen haben, ohne dass dieser Effekt durch den Markt- und Preismechanismus erfasst wird (vgl. Meffert und Kirchgeorg 1998). Einige Beispiele sollen das Problem der negativen und positiven externen Effekte verdeutlichen: Durch die Globalisierung beziehen Unternehmen ihre Vorprodukte vielfach aus allen Kontinenten der Welt. Während in Deutschland sowie vielen anderen Ländern die Kinderarbeit verboten ist, werden Kinder in Entwicklungsländern vielfach als Arbeitskräfte eingesetzt. Anbieter, die aus diesen Ländern günstige Vorprodukte beziehen, können hierdurch ihre Kostenführerschaft auf dem europäischen Markt behaupten, gleichzeitig werden durch die Kinderarbeit ggf. die Probleme wie Kindersterblichkeit und Analphabetismus verstärkt (negative externe Effekte). Wenn ein Unternehmen eine Werksfeuerwehr bereithält, die auch bei Unfällen außerhalb des Unternehmens in der Gemeinde zum Einsatz kommen kann, entstehen hierdurch positive externe Effekte für die Kommune und Anwohner. Der Personen- und Güterverkehr verursacht externe Kosten, die sich nicht in den Nutzungspreisen niederschlagen. Nach Berechnungen einer INFRAS/IWW-Studie verursachen Motorräder und Mopeds in Europa pro tausend Passagierkilometer externe Kosten in Höhe von 199 C, der Autoverkehr 65 C, das Flugzeug 57 C, Busse 34 C und die Bahn 15 C (vgl. Abb. 6). Damit ist die Bahn etwa 4-mal günstiger als der Straßenverkehr (Motorräder und Mopeds, Auto, Bus), wenn die externen Kosten berücksichtigt werden. Auch im Güterverkehr verursacht die Bahn nur ein Sechstel der Kosten des Straßenverkehrs (Lkw). Insgesamt wurden die externen Kosten des Verkehrs in Europa (EU-27 ohne Malta und Zypern, aber inkl. Norwegen und Schweiz) im Jahr 2008 auf über 500 Mrd. C pro Jahr berechnet, wovon etwa 77 % durch Passagiertransport und 23 % durch Gütertransport verursacht wurden (vgl. Delft et al. 2011, S. 5). Werden die externen Kosten bei der Entscheidungsfindung im Rahmen der Logistik berücksichtigt, so führt dies zu einer veränderten Ausgestaltung des Mix an Verkehrsträgern. Die mangelnde Internalisierung von Externalitäten gerade im Bereich der Nutzung von natürlichen Ressourcen führt zu einer langfristigen Beeinträchtigung ökologischer Vermögenswerte bei kurzfristiger Erzielung von ökonomischen Vorteilen einzelner Anbieter und Nachfrager. Ein typisches Beispiel für externe Kosten stellen die Entsorgungskosten für Produkte oder Abfälle dar, die problematische und gesundheitsgefährdende Substanzen enthalten. Die während der Produktnutzung entstandenen Gesundheitsprobleme sowie die für die Entsorgung zu tragenden Kosten wurden in der Vergangenheit vielfach nicht vom Anbieter getragen, sodass der geforderte Preis für das Produkt nicht
4
Messung des Stakeholder Value
945
Externe Kosten im Personenverkehr
Externe Kosten im Güterverkehr
(in Euro pro 1.000 Pkm)
(in Euro pro 1.000 tkm)
199,2
200
160
180
140
160
145,6
120
140 100
120 100 80
80 65,1
64,7
60
57,1
33,8
50,5
60
34,0
40
40
15,3
20
20
0
0 Unfälle
Luftverschmutzung
Natur und Landschaft
Klimawandel (hohes Szenario)
Biodiversitätsverluste
Lärm
7,9
11,2
Vor- und nachgelagerte Prozesse (hohes Szenario)
Boden- und Wasserverschmutzung
Zusatzkosten in städtischen Räumen
Abb. 6 Externe Kosten des Personen- und Güterverkehrs differenziert nach Verkehrsträgern (Quelle: In Anlehnung an Delft et al. 2011, S. 10)
die gesamten im Lebenszyklus verursachten Kosten beinhaltete. In den 1990er Jahren ist in Deutschland, wie später auch europaweit, durch die Verabschiedung von Kreislaufwirtschaftsgesetzen eine Internalisierung der Entsorgungskosten per Gesetz vorgeschrieben worden. Welches Ausmaß negative Externalitäten in sozialer, ökologischer wie auch ökonomischer Hinsicht erreichen können, wird in dramatischer Weise durch die Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima im Jahre 2011 verdeutlicht. Die Region um das Atomkraftwerk wird für hunderte von Jahren wohl nicht mehr bewohnbar sein, sodass es kaum möglich ist, die Größe des hieraus entstandenen Schadens neben den Folgen für die Gesundheit zu beziffern. Diese Beispiele verdeutlichen, dass die durch das Marketing initiierten Markttransaktionen zwischen Anbieter und Nachfrager auch immer im Kontext der damit verbundenen gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen zu betrachten und bewerten sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn externe Effekte Nutzeneinbußen verursachen, die die Wohlfahrt einer Gesellschaft und die Lebensqualität einzelner Stakeholder beeinträchtigen können. Somit sind im Marketingcontrolling nicht nur die Wertbeiträge für die Kunden und Unternehmen sondern auch für die relevanten Stakeholder zu ermitteln. Im Hinblick auf die Messung des Stakeholder Value hat sich bisher kein einheitlicher Ansatz durchgesetzt (vgl. Figge und Schaltegger 2000). Wie bei den zuvor diskutierten
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11
Marketingcontrolling
Modellen zur Bestimmung von Markenwerten besteht ein zunehmender Pluralismus an Ansätzen, sowohl in der Wissenschaft als auch in der Unternehmenspraxis. Grob lassen sich dabei drei Arten von Ansätzen unterscheiden (vgl. Meffert und Kirchgeorg 1998; Fischer und Vielmeyer 2002; Kirchgeorg und Hermann 2004; Kirchgeorg 2004): Ansätze, die anhand verschiedener Indikatoren den positiven und negativen Wertbeitrag eines Unternehmens gegenüber verschiedenen Stakeholdern bzw. im Hinblick auf die Gesellschaft und die Nutzung natürlicher Ressourcen in Form eines Scoring-Modells ermitteln. Hierbei erfolgt keine Berechnung der ökonomischen Wertbeiträge (z. B. Öko-Bilanzen, ökologische Buchhaltung). Ansätze, die eine Quantifizierung der gesellschaftlichen und ökologischen Wertbeiträge in ökonomischen Wertgrößen ermöglichen (z. B. Sozialbilanzen). Gemischte Ansätze, die in Form von Effizienzanalysen den gesellschaftlichen und ökologischen Output der Unternehmenstätigkeit mit dem dafür eingesetzten Budget ins Verhältnis setzen (z. B. Öko-Effizienz-Analysen). Vertreter der Ansätze, die sich mit dem sog. Stakeholder Value beschäftigen, betonen, dass sich Unternehmen nicht nur an den Interessen der Kunden und Kapitalgeber ausrichten sollten. Diese Forderung gilt insbesondere nach der Finanzkrise, durch die der Shareholder Value-Ansatz vollends in Verruf geraten ist (vgl. Wall und Schröder 2009, S. V.) Vielmehr sind auch jene Anspruchsgruppen, ohne deren Unterstützung ein Anbieter nicht bestehen kann, zu berücksichtigen. Demnach wird die Forderung aufgestellt, den Kunden- und Markenwert unter der Nebenbedingung zu maximieren, dass den Ansprüchen weiterer Stakeholder Rechnung getragen wird. Ansätze zur Bestimmung des Wertbeitrages gegenüber Stakeholdern können als Weiterentwicklung des Shareholder Value-Ansatzes verstanden werden. Zielsetzung des Stakeholder Value-Ansatzes ist es, die Wertschaffung gegenüber allen Anspruchsgruppen in der Art zu verfolgen, dass die Markttransaktionen zwischen Kunden und Anbieter ohne Konflikte mit Interessen anderer Anspruchsgruppen durchgeführt werden können. Zur Ermittlung der positiven und negativen Wertbeiträge eines Unternehmens gegenüber Stakeholdern gilt es grundsätzlich: die Art der Wirkungsbeziehungen zwischen Unternehmensaktivitäten und Stakeholdern zu identifizieren. Hierbei geht es um eine Bestandsaufnahme der aktuellen und potenziellen positiven sowie negativen Einwirkungen der Marketingaktivitäten auf Stakeholder. Zum Beispiel können Anwohner eines Logistikzentrums durch Lärm und Abgase des Güterverkehrs beeinträchtigt sein. das Ausmaß der Wirkungen gegenüber den Stakeholdern zu quantifizieren. In diesem Schritt sind möglichst objektive Messungen der Auswirkungen vorzunehmen. Im Fall des Güterverkehrszentrums sind die Lärm- und Abgasemissionen zu messen. Ebenso ist die subjektive Beeinträchtigung der Anwohner durch die Emissionen sowie ihre Erwartungshaltung an das Unternehmen z. B. durch eine Befragung zu ermitteln.
4
Messung des Stakeholder Value
947
eine Bewertung der externen Effekte in Form von ökonomischen Einheiten vorzunehmen, um die aktuellen und potenziellen Auswirkungen auf den Unternehmenswert zu ermitteln und um Entscheidungen über die Art und Weise der Lösung des Betroffenheitsproblems der Stakeholder treffen zu können. Insbesondere die ökonomische Bewertung externer Effekte stellt vielfach ein besonderes Problem dar, was dazu führt, dass Ansätze zur monetären Ermittlung des Stakeholder Value kaum in der Praxis vorzufinden sind.
4.1
Erfolgsmessung auf der Grundlage von Kunden- und Markenwerten
In Abb. 7 ist ein Modell abgebildet, das den wesentlichen Anforderungen des Abschn. 3.2 entgegenkommt. Nach wie vor wird eine zweistufige Berechnung des ökonomischen Markenwertes vorgenommen. Ausgehend von der Markenstärke wird diese über geeignete Verfahren in den ökonomischen Markenwert transformiert. Aktivitäten der Markenführung bilden im Grundgerüst der integrierten Erfolgsmessung das Fundament. Alle Aktivitäten der Markenführung beziehen sich zunächst nur auf die Mitarbeiter und Führungskräfte der Marke, weil nur diese Personengruppen direkt gesteuert werden können (vgl. linke Seite Abb. 7). Erst danach entstehen Wirkungen der Markenführung von innen nach außen (vgl. rechte Seite Abb. 7). Besteht ein hoher Fit zwischen der Identität der Marke und dem Selbstbild des (aktuellen und potentiellen) Mitarbeiters, ist auch die Wahrscheinlichkeit der Mitarbeiterakquise hoch. Der Fit zwischen Marken- und persönlicher Identität bestimmt auch die Beziehung zwischen der Marke und den bereits im Unternehmen tätigen Mitarbeitern. Je höher dieser bewertet wird, desto positiver ist die Einstellung und desto stärker ist die Bindung des Mitarbeiters gegenüber der Marke (Brand Commitment). Sie bildet wiederum die Grundlage für das nachhaltige markenbezogene Verhalten des Mitarbeiters (Brand Citizenship Behavior). Eine analoge Argumentation gilt auch auf der unternehmensexternen Seite. Demnach beeinflusst der Fit zwischen dem Markenimage und dem Selbstkonzept des Nachfragers die Kundenakquise, Kundenbindung und die Marke-Kunde-Beziehung positiv (vgl. Sirgy 1982, S. 287 ff.). Letztere wiederum ist für das Kundenverhalten gegenüber der Marke verantwortlich (dieses kann sich auf aktuelle, potenzielle und ehemalige Kunden beziehen). Zusammengesetzt aus der Markenstärke gegenüber Mitarbeitern und der gegenüber Nachfragern ergibt sich eine aggregierte Markenstärke, welche die Basis für die Berechnung des ökonomischen Markenwertes bildet (vgl. Abb. 7). An der externen Perspektive der Markenstärke lässt sich die Integration des Customer Equity-Gedankengutes aufzeigen. Die während der Dauer der Marken-KundeBeziehung getätigten Kaufhandlungen des Kunden spiegeln sich in seinem Customer Lifetime Value wider. Die Summe aller Kunden einer Marke ergibt dann den Customer Equity (Kundenstammwert). Da es sich um einen monetären Wert handelt, ist er als Äqui-
948
11
Marketingcontrolling
Finanzwirtschaftliche Perspektive
Unternehmenswert (Markenwert + andere finanzielle Vermögenswerte)
Belegschaftsstammwert (Employee Equity)
Kundenstammwert (Customer Equity)
Individueller Mitarbeiterlebenszeitwert (Employee Lifetime Value)
Individueller Kundenlebenszeitwert (Customer Lifetime Value)
Interne Markenstärke
Externe Markenstärke
Mitarbeiterverhalten (Brand Citizenship Behavior)
Kundenverhalten
Mitarbeiterbindung durch enge Marke-Mitarbeiter-Beziehung (Brand Commitment)
Kundenbindung durch enge Marke-Mitarbeiter-Beziehung
Mitarbeiter-Akquisition nur bei hohem Fit
Kunden-Akquisition nur bei hohem Fit
Fit
Fit
Markenidentität
Selbstkonzept (persönliche Identität)
Selbstkonzept (persönliche Identität)
Markenimage
Aktivitäten der Markenführung Unternehmensinterne Perspektive
Verhaltensorientierte Perspektive
Ökonomischer Markenwert (Zahlungsüberschuss)
Unternehmensexterne Perspektive
Abb. 7 Modell einer integrierten Erfolgsmessung im Marketing
valent zum ökonomischen Markenwert auf der finanziellen Modellebene angesiedelt. Im Rahmen der integrierten Erfolgsmessung ermöglicht der Customer Equity eine Feinsteuerung der Kundenakquisitions- und Kundenbindungsbemühungen. So können z. B. durch den Einsatz einer ABC-Analyse auf Basis der Kundenwertigkeiten die besonders lukrativen bestehenden und potenziellen Kunden identifiziert werden. Daraus können dann Rückschlüsse für weitere Marketingmaßnahmen (z. B. Cross-Selling, Premiumkundenprogramme) gezogen werden. Allerdings kann eine alleinige Fokussierung auf möglichst profitable Kundenbeziehungen auch kritisch hinterfragt werden. Eine solche eindimensionale Betrachtung
4
Messung des Stakeholder Value
949
lässt Kunden unbeachtet, die für sich gesehen individuell zwar wenig attraktiv sind, kollektiv jedoch aufgrund ihres großen, aggregierten Nachfragevolumens (Massenmarkt) ein wirtschaftlich sehr interessantes Segment sein können. Ein Beispiel aus der Industriegüterindustrie soll dies verdeutlichen: Beispiel
Lange Zeit konzentrierten sich international führende Markenhersteller auf die Entwicklung immer imposanterer Tagebaubagger, denn dieser Markt versprach neben der qualitativen Signalwirkung für den gesamten Baggermarkt nach Innen und Außen (die Marke X ist in der Lage, die technisch leistungsfähigsten Bagger der Welt zu bauen) die größten Margen pro Bagger. Der Markt für sehr kleine Bagger, die eher von Privatpersonen und kleinen Garten- und Landschaftsbaubetrieben genutzt werden, wurde demgegenüber aufgrund der sehr geringen Kundenprofitabilität völlig außer Acht gelassen, sodass dieser Markt bald von kleineren Herstellern dominiert wurde. Diese „Blindheit“ für zunächst ökonomisch unattraktive Nachfragergruppen mit geringer technischer Leistungsnachfrage und geringer Preisbereitschaft führt oft dazu, dass etablierte Marktführer trotz hoher Innovationskraft und ausgeprägter Kundenorientierung aus dem Markt ausscheiden, weil sie durch eine überzogene „Wertorientierung“ den strategischen Blick auf zukünftig relevante Marktentwicklungen verlieren und dadurch das Vordringen neuer, vermeintlich leistungsschwacher Anbieter viel zu spät als strategisch relevant erkennen. Dieses oft zu beobachtende Phänomen wird auch als „Innovators Dilemma“ bezeichnet (vgl. Christensen et al. 2011, S. 233 ff.; Kim und Shin 2012, S. 33). Das Verhalten der deutschen Automobilindustrie mit Blick auf neue Wettbewerber aus Rumänien (z. B. Dacia) oder Indien (z. B. Tata Nano) oder die Reaktion auf rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge (z. B. Tesla, Renault Twizy) erinnert bisweilen ebenso an dieses „Innovators Dilemma“ wie die entsprechende Reaktion der etablierten Luftverkehrsgesellschaften, wie z. B. Lufthansa und British Airways, auf das Vordringen der „Low-Cost-Airlines“, wozu z. B. Ryanair und Easyjet zählen.
4.2
Integrierte Erfolgsmessung unter Einbeziehung des Stakeholder Value
In einem integrierten Erfolgsmodell des Marketing sind neben den Outputs auf die marktlichen Vermögenswerte in Form von Kunden- und Markenwerten auch die Auswirkungen der Marketingstrategien und -maßnahmen auf weitere Stakeholder zu berücksichtigen. Ausgewählte gesellschaftliche und ökologische Wertbeiträge von Marketingmaßnahmen (vgl. Abb. 8), also Wertbeiträge, die auch den weiteren Stakeholdern und nicht nur den Kunden und Shareholdern zugutekommen, wurden bei der Betrachtung der Marketingerfolgswirkungen bereits diskutiert, wobei die Frage der Quantifizierung von externen Effekten nicht vertieft werden konnte. Die dargestellten Ansätze zur Quantifizierung von gesellschaftlichen und ökologischen Wertbeiträgen können im Einzelfall hierzu herangezogen werden.
950
11
Marketingcontrolling
Marketingmanagementprozess Output: Marketing Assets
Input
MBV
Analyseperspektive
Marktattraktivität
Marketing-Mix
Nachfragerbeziehungen
- Kundenlebenszeitwert (Customer Lifetime Value) - Kundenstammwert (Customer Equity) - Markenwert (Brand Equity)
Unternehmenswert Marketingstrategie
Kosten + Investitionen
CBV
Marktliche Vermögenswerte (market-based assets)
Ressourcen + Kompetenzen
Gesellschaftliche Vermögenswerte (social assets)
Stakeholderbeziehungen
RoI, Gewinn, EVA, Kapitalrentabilität, etc.
Legitimität, Reputation, etc.
Ökologische Vermögenswerte (ecological assets) Ressourcenschonung, Umweltverträglichkeit, etc.
Abb. 8 Integriertes Marketingerfolgssystem unter Einbeziehung von gesellschaftlichen und ökologischen Wertbeiträgen
Betrachtet man die Ansätze zur ökonomischen Markenbewertung, so könnte die Grundüberlegung dieses Bewertungsansatzes auch auf die Ermittlung von gesellschaftlichen und ökologischen Wertbeiträgen übertragen werden. Das heißt, dass die einzeln zu messenden qualitativen Teilgrößen über ein Scoring-Modell verdichtet und zur Größe „gesellschaftliche Stärke“ und „ökologische Stärke“ zusammengefasst werden. Über einen Transformationsprozess werden die gesellschaftliche und ökologische Stärke in monetäre Größen, den „gesellschaftlichen Wert“ und den „ökologischen Wert“ überführt. Die Summe aus beiden Größen, dem Markenwert und weiteren finanziellen Vermögenswerten ergibt so den Unternehmenswert. Insgesamt führen diese Überlegungen zu dem integrierten System zur Ermittlung des Marketingerfolges, wie es den Ausführungen in diesem Buch zugrunde gelegt wurde. Selbst wenn sich die Ansätze zur Monetarisierung von externen Effekten und gesellschaftlichen wie auch ökologischen Wertbeiträgen noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden, sollte dies Marketingentscheider nicht davon abhalten, in einem möglichst ganzheitlichen Ansatz die Auswirkungen von Marketingentscheidungen zu beurteilen. Hierzu sind vom Marketingcontrolling die entsprechenden Informationen bereitzustellen. Gerade für die Erfassung der gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen sind in hohem Maße auch interdisziplinäre Kompetenzen in die Analysen einzubeziehen. Tab. 6 gibt einen beispielhaften Überblick über die durch den Marketing-Mix generierten gesellschaftlichen und ökologischen Wertbeiträge.
Ökologische Vermögenswerte
Gesellschaftliche Vermögenswerte
Erhalt von kulturellen Einrichtungen und Errungenschaften durch Sponsoringengagements
Erschließen und Beliefern abgeschiedener Gegenden
Aufbau einer effizienten Ressourcenschonender Recyclinglogistik Einsatz der Kommunikationsinstrumente
Umweltschonender Betrieb der Produktionsstätten
Ressourcenschonender Einsatz von Transportmitteln
Reflexion und Festigung des Werte- und Normensystems einer Gesellschaft
Vermeiden von Lärm und Abgasen
Unterstützung sozialer Einrichtungen durch Sozialsponsoring Aktiver Umweltschutz, umweltschonende Produktion als Maßnahme der Imageprofilierung
Kommunikationspolitik Erbauung und Unterhaltung durch Werbung, Ausrichten von Events, Sportsponsoring
Distributionspolitik Standortwahl abseits von Wohngegenden
Minimierung des CO2 - Unterstützung und Ausstoßes der Logistik- Empowerment von flotte Umweltorganisationen
Preisdurchsetzung teurer aber umweltschonender Produkte
Preispolitik Preisnachlass für soziale Einrichtungen und Nachfrager in Entwicklungsländern Preisstaffelung nach Alter, Nachlässe für Jüngere, Studenten und Ältere „Fair Trade“ Aufschlag auf eigene Produkte, um Lieferanten aus Entwicklungsländern angemessene Abnahmepreise zu zahlen
Aufbau eines effektiven Recyclingsystems für eigene Produkte
Ressourcenschonender Einsatz von Betriebsmitteln, Verpackungsmaterialien etc.
Produkt- und Programmpolitik Skalenvorteile nutzen, um die Bevölkerung von Entwicklungsländern am technischen Fortschritt zu geringen Preisen teilhaben zu lassen Verbesserung der Arbeits- und Lebensverhältnisse durch Aufstellen und Einhalten von ethischen Standards Sicherung der gesellschaftlichen Stabilität in Entwicklungsländern durch Einbeziehen der Bevölkerung in marktliche Tätigkeiten
Tab. 6 Gesellschaftlicher und ökologischer Wertbeitrag des Marketing-Mix
4 Messung des Stakeholder Value 951
952
11
Marketingcontrolling
Abschließend kann zusammenfassend festgestellt werden, dass die Forschung bezüglich des Beitrages gesellschaftlicher und ökologischer Größen zum Unternehmenswert bisher nur ansatzweise existiert. Insgesamt bietet eine intensivere Auseinandersetzung mit den Themen des genauen Zusammenhanges zwischen gesellschaftlichen und ökologischen Werten und dem Unternehmenswert, einer möglichen Verbindung des Modells der integrierten Erfolgsmessung mit dem Balanced Scorecard-Ansatz als weiteres umfassendes Kennzahlensystem sowie des Inhaltes und Ablaufes eines Transformationsprozesses von der gesellschaftlichen/ökologischen Stärke hin zum gesellschaftlichen/ökologischen Wert ein relevantes und weites Feld für zukünftige Forschung.
5 Operatives Marketingcontrolling Zentrale Aufgabe des operativen Marketingcontrollings sind Soll-Ist-Vergleiche, die sich auf das „Tagesgeschäft“ im Marketing beziehen. Bei zu großen Abweichungen zwischen den Soll- und Ist-Werten sind Anpassungen der Marketinginstrumente vorzunehmen (vgl. Kreutzer 2017, S. 438). Hierzu gehört bspw. die Verlängerung einer Printkampagne aufgrund einer zu geringen Anzahl von erreichten Kontakten, die Schließung von Filialen aufgrund zu geringer Verkaufszahlen oder die Senkung von Preisen zur schnellen Erreichung vorgegebener Abverkaufszahlen. Damit bezieht sich das operative Marketingcontrolling direkt auf die Marketing-Mix-Bereiche. Aufgrund der Spezifität dieser Instrumente werden sie direkt in den jeweiligen Kapiteln dieses Buches behandelt und an dieser Stelle nicht wiederholt.
6 Erweiterte Möglichkeiten des Marketingcontrollings im Web 2.0 Neben den bereits beschriebenen Verfahren können Unternehmen darüber hinaus neue Instrumente aus dem sog. „Web 2.0“ für das Marketingcontrolling nutzen. Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine Form der Internetnutzung, die die Integration der Nutzer und der durch sie generierten Inhalte (User Generated Content) in den Vordergrund stellt (vgl. Arnhold 2010, S. 57 f.). Im Gegensatz zum sog. Web 1.0, bei dem Informationen ohne weitergehende Interaktion lediglich von Unternehmen einer breiten Masse von Nutzern zur Verfügung gestellt wurden, ermöglicht das Web 2.0 eine Zwei-Wege-Kommunikation zwischen Unternehmen und Internetnutzern (vgl. auch Abschn. 4 in Kap. 8). Die Möglichkeiten, die das Web 2.0 für das Marketingcontrolling bietet, sind breit gefächert. Im Folgenden soll daher entlang der verschiedenen Marketing-Mix-Instrumente ein Überblick anhand ausgewählter Beispiele gegeben werden.
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Erweiterte Möglichkeiten des Marketingcontrollings im Web 2.0
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Im Rahmen der Produkt- und Programmpolitik können Unternehmen mithilfe von Bewertungsportalen (z. B. ciao.de, dooyoo.de) wertvolle Erkenntnisse hinsichtlich der Akzeptanz und Zufriedenheit der Konsumenten gewinnen. Dabei beschränken sich die im Internet verfügbaren Portale nicht nur auf die Bewertung von Produkten, sondern umfassen inzwischen auch Dinge wie Hotels, Ärzte, Handwerker oder Hochschulen. Die Erfahrungsberichte der Kunden, die oftmals kostenlos zur Verfügung stehen, können Unternehmen als direktes Feedback und somit als wichtige Anhaltspunkte für die Gestaltung der Produktpolitik dienen. Darüber hinaus können Unternehmen ihren Kunden durch den Aufbau von eigenen Blogs oder Foren gezielt die Möglichkeit geben, Kritik oder Verbesserungsvorschläge hinsichtlich der Produkte direkt an das Unternehmen zu senden. So bietet z. B. das USamerikanische Unternehmen Starbucks den Kunden die Möglichkeit, über die Plattform „My Starbucks Idea“ Vorschläge für neue Produkte sowie Bestellprozesse und die Gestaltung der Geschäfte abzugeben (vgl. Starbucks 2018). Neben dem Potenzial für die Neuproduktentwicklung birgt diese Art der Interaktion zusätzlich die Chance, Kunden durch die Einbindung in eine Plattform ein Gefühl von Wertschätzung zu vermitteln und so stärker an das Unternehmen zu binden. In jüngster Zeit nutzen Unternehmen auch vermehrt soziale Netzwerke (z. B. facebook.de), um mit ihren Konsumenten in Kontakt zu treten und deren Meinungen zu erfassen. Mögliche Erfolgsindikatoren für die Nutzung von Blogs, Foren, sozialen Netzwerken etc. können z. B. die Zahl der Gespräche, deren inhaltliche Tiefe, die Tonalität der geäußerten Meinungen oder die Zahl der Kommentare sein. Ein Instrument, um die Meinung von Internetnutzern über die unternehmenseigenen Produkte, aber auch Marken oder Werbemaßnahmen zu identifizieren, stellt das sog. Webmonitoring dar. Bei diesem Verfahren werden die Medien des Web 2.0, z. B. Blogs, soziale Netzwerke und Foren, systematisch nach User Generated Content zu bestimmten Themen durchsucht. Hierbei ist zwischen einem reinen technischen und einem manuellen Monitoring zu differenzieren. Das rein technische Monitoring beschränkt sich auf den Einsatz von Monitoring Software, ohne dass eine intellektuelle Bewertung stattfindet. Als Beispiele sind hier Facebook Insights, twitalyzer.com und socialmention.com zu nennen. Weiterhin können Netzwerkanalysen Aufschluss darüber geben, welche Medien untereinander in Verbindung stehen bzw. verlinkt sind und offenbaren damit Meinungsführer und Multiplikatoren. Beim manuellen Monitoring wird der User Generated Content ohne den Einsatz von Software analysiert. Über spezielle Suchmaschinen wie Google Blog Search, Twitter Search oder boardreader.com können spezifische Inhalte gefunden werden, die dann inhaltlich interpretiert werden. Mit dem manuellen Webmonitoring kann jedoch immer nur eine Stichprobe der Nutzermeinungen erhoben werden. Es entsteht somit ein erster Eindruck, jedoch keine flächendeckende, repräsentative Analyse (vgl. Sen 2011, S. 13 ff.). Für Unternehmen stellt das Webmonitoring ein geeignetes Mittel dar, um neue Trends und relevante Diskussionen im Internet zeitnah zu erfassen. Speziell im Fall von kritischen Beiträgen haben Unternehmen die Möglichkeit, ggf. gezielt gegenzusteuern, um eine Ausweitung der Diskussion und einen möglichen Imageschaden zu verhindern.
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Marketingcontrolling
Im Rahmen der Kommunikationspolitik bietet sich für Unternehmen im Web 2.0 die Gelegenheit, bei einzelnen Werbemaßnahmen oder -kampagnen auf ein direktes Feedback von Nutzern zurückzugreifen und so Rückschlüsse auf die Wirkung der Instrumente zu ziehen. Als der Automobilhersteller Alfa Romeo im Jahr 2008 sein Modell „MiTo“ in Deutschland einführte, wurde die Einführung durch die Facebook-Kampagne „Be crazy. Win an Alfa MiTo“ begleitet. User wurden aufgerufen, den Machern der Seite zu schreiben, was sie bereit wären zu tun, um das Auto zu gewinnen. Unter allen eingereichten Ideen wurde nach Beurteilung durch eine Jury der Gewinner gewählt. Die für die Kampagne eingerichtete Facebook-Seite wurde als zentrale Plattform genutzt: Hier konnten die User Vorschläge veröffentlichen oder kommentieren und schließlich über die Ideen abstimmen. Neben einer großen Anzahl von Beteiligten wurde auch in klassischen Medien über die Kampagne berichtet, wodurch deren Reichweite zusätzlich gesteigert wurde (vgl. Gysel et al. 2015, S. 278). Anders als bei klassischen Kampagnen ohne Interaktionsmöglichkeiten sind Unternehmen durch eine derartige Nutzung des Web 2.0 in der Lage, von der Anzahl und Tonalität der Nutzerkommentare auf den Erfolg einer Kampagne zu schließen. Für das Marketingcontrolling im Web 2.0 stellen insbesondere die quasi grenzenlose Zahl von Quellen sowie die Dynamik des Mediums Internet eine große Herausforderung dar. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass den großen Chancen, die die Medien des Web 2.0 bieten, ebenso große Risiken gegenüberstehen. So sollten sich Unternehmen im Klaren darüber sein, dass sich Berichte über negatives Verhalten oder misslungene Kampagnen sowie kritische Diskussionen ebenso schnell im Internet verbreiten wie positive Aspekte.
7 Informationstechnische Infrastruktur des Marketingcontrollings Die Menge der zu erfassenden und damit potenziell verwertbaren Informationen in einem Unternehmen nimmt stetig zu. Um vor diesem Hintergrund die gestellten Aufgaben bewältigen zu können, bedarf das Markencontrolling einer adäquaten Daten- und Informationsinfrastruktur. In diesem Zusammenhang kommt dem Informationsmanagement eine besondere Bedeutung zu. Das Informationsmanagement beinhaltet alle Maßnahmen, die mit der Informationswirtschaft, den Informationssystemen, den Informations- und Kommunikationstechniken sowie den übergeordneten Führungsaufgaben zusammenhängen (vgl. Laudon et al. 2016, S. 760 ff.). Zielsetzung ist der im Hinblick auf die Unternehmensziele bestmögliche wirtschaftliche Einsatz der Ressource Information (vgl. Krcmar 2015, S. 47 ff.). Dem Informationsmanagement obliegt somit die Aufgabe, die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt in richtiger Aufbereitung den richtigen Entscheidungsträgern zugänglich zu machen. Kernelement des Informationsmanagements sind Informationssysteme. „Ein Informationssystem (. . . ) besteht aus Menschen und Maschinen, die Informationen erzeugen und/oder benutzen und die durch Kommunikationsbeziehungen miteinander verbunden
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Informationstechnische Infrastruktur des Marketingcontrollings
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sind“ (Hansen et al. 2015, S. 6). Zur technischen Verwaltung der Daten sind Anwendungssysteme in das Informationssystem eingebettet, die die notwendige Technik wie z. B. Software, Daten, Computer, Speicher etc. umfassen (vgl. Laudon et al. 2016, S. 17 ff.). Um bereichsübergreifende Aufgaben wie z. B. die Bearbeitung eines Kundenauftrages zu erfüllen, sind ERP-Systeme horizontal integriert. Das bedeutet, dass eine auf einen speziellen Unternehmensbereich abgestimmte Softwareanwendung (z. B. Verkaufssoftware) mit den anderen Bereichsanwendungen (z. B. Lagerbestandsverwaltung, Buchhaltung) kommunizieren und so unmittelbar auf benötigte Daten zugreifen kann. Auf der Führungsebene hingegen haben Managementinformationssysteme (MIS) drei wesentliche Aufgaben zu erfüllen: Sie müssen Informationen zur Planung, Kontrolle und Entscheidungsfindung zur Verfügung stellen. Je nach Hierarchieebene besitzen die Informationen ein unterschiedliches Aggregationsniveau. Bspw. benötigt der Abteilungsleiter Marketing die tagesaktuellen Abverkaufsdaten einzelner Produkte in den einzelnen Verkaufsstellen, wohingegen der Vorstand Marketing die Quartalsdaten der gesamten Produktlinie im Absatzgebiet Bundesrepublik Deutschland verwendet. Mit steigender Hierarchieebene haben die drei MIS-Funktionen zunehmend strategischen Charakter. Zu diesem Zweck sind ERP- und MI-Systeme vertikal integriert. Querschnittsysteme reichen in alle Bereiche hinein. Sie beinhalten Anwendungen für globale Tätigkeiten wie Bürosoftware, Kommunikationsprogramme oder Groupware (Software, die die Zusammenarbeit zwischen Personen erleichtert, z. B. für Telefon- oder Videokonferenzen) (vgl. Grob et al. 2004, S. 275). Neben internen existieren auch externe Informationssysteme. Abb. 9 zeigt die Informationsflüsse der verschiedenen Kooperationsformen mit Marktpartnern. Über das Customer Relationship Management (CRM) werden Kundendaten gesammelt und ausgewertet. Als Beispiel lassen sich elektronische Bonuskartenprogramme wie Payback oder Happy Digits anführen. Im Rahmen dieser Programme werden Häufigkeit, Umfang und Zusammensetzung der Kundeneinkäufe erfasst und gespeichert. Eine solche Datenmenge erlaubt z. B. Analysen, welche Produkte im Verbund oder nach saisonaler Abhängigkeit gekauft werden. Ferner liefern Konzepte wie Efficient Consumer Response (ECR) und Category Management (CM) Daten bezüglich des Absatzmittlers und der dort abgesetzten Produkte. Beides sind Kooperationskonzepte zwischen Hersteller und Absatzmittler, die insbesondere eine enge informationstechnische Verbindung beider Partner bedingen. Entwickelt wurde diese Art der Kooperation zwischen dem Handelsunternehmen Wal-Mart und dem Hersteller Procter & Gamble (P&G). Die enge informationstechnische Verbindung zwischen beiden Unternehmen ermöglichte einen tagesaktuellen Austausch der Abverkaufsdaten. Auf Basis dieser Informationen konnte P&G die Produktion und Logistik optimieren, was erhebliche Effizienzgewinne mit sich brachte. Dadurch konnten Wal-Mart wiederum günstigere Einkaufskonditionen angeboten werden, welche das Unternehmen als Preisnachlass an die Nachfrager weitergeben konnte. Schließlich werden vor dem Hintergrund weltweit vernetzter Produktionen im Rahmen des Supply Chain Managements (SCM) Informationen über die gesamte Lieferkette vom
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Marketingcontrolling
SCM Lieferant Stufe 2
Lieferant
Händler
Unternehmen
Kunde
Lieferant Stufe 3
CM Lieferant Stufe 4
Lieferant Stufe n
ECR internes Informationssystem integrierte Datenbasis
CRM
Abb. 9 Zusammenspiel interner und externer Informationssysteme
ersten Lieferanten bis hin zum Endverbraucher ausgetauscht. Dabei kommt dem Informationsaustausch bezüglich der Güter- und Warenflüsse eine kritische Bedeutung zu, was am Beispiel des Computerherstellers Dell verdeutlicht werden soll: Ein Kunde in Hamburg ruft im Call-Center des Unternehmens in Halle an und bestellt einen Laptop. Die Informationen werden an die Produktionsstätte in Irland weitergegeben. Dort wird die Bestellung an den Hersteller der Grafikkarte in den USA weitergegeben, der den Grafikchip bei dem Chiphersteller in Taiwan anfordert. Die auf diese Weise fließenden Informationen koordinieren die vernetzten Güter- und Geldmittelflüsse innerhalb der Lieferkette im Hinblick auf die Erfüllung der Kundenbestellung. Der Austausch der beschriebenen Daten verläuft i. d. R. auf elektronischem Wege, dem sog. Electronic Data Interchange (EDI). Zu den genannten Konzepten siehe auch die Ausführungen Abschn. 2.5 in Kap. 7. Die Vielzahl an heterogenen Informationen, die inner- und außerhalb des Unternehmens generiert werden, zeigt, dass das Informationssystem einer speziellen Datenbasis bedarf. Diese muss in der Lage sein, interne wie externe Daten zu erfassen, zu speichern und die Daten integriert zur Bewältigung der Aufgaben Planung, Kontrolle und Entscheidungsfindung aufzubereiten. Als eine solche integrierte Datenbasis hat das Konzept des Data Warehouse eine weite Verbreitung gefunden (vgl. Hansen et al. 2015). „A data warehouse is a subject oriented, integrated, non-volatile, and time variant collection of data in support of management decisions“ (Inmon 2005, S. 29). Ein Data
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Warehouse ist somit eine spezielle Datenbank, deren charakterisierende Eigenschaften sich wie folgt beschreiben lassen: Themenorientierung (subject-oriented): Unabhängig von ihrer Herkunft werden die Daten thematisch nach ihrem Verwendungszweck verarbeitet und gespeichert. Der Verwendungszweck orientiert sich dabei an der Struktur des Unternehmens. Integration (integrated): Die Daten können auf verschiedenen Aggregationsstufen für verschiedene Hierarchieebenen und funktionsübergreifend verwendet werden. Dazu werden sie aus der Perspektive der Informationsverarbeitung konsistent vereinheitlicht. Beständigkeit (non-volatile): Die Daten innerhalb des Data Warehouse sind vor Zugriffen geschützt und bleiben nach ihrer Zufuhr unverändert. Zeitliche Transformationsfähigkeit (time variant): Die Daten werden so gespeichert, dass sie nach verschiedenen Zeiträumen, z. B. monatlich, quartalsweise, jährlich etc. abgerufen werden können. Alte Datenbestände werden folglich nicht überschrieben, sondern jeder neue Datensatz wird mit einer zeitlichen Markierung versehen. Entscheidungsunterstützung (support of management decisions): Das Data Warehouse liefert Informationen zur Entscheidungsfindung auf allen Ebenen. Dazu muss es von den operativen Datenbanken getrennt sein. Insgesamt ist es wichtig, dass die informationstechnische Infrastruktur die Vorbereitung, Durchführung und Kontrolle der Marketingmaßnahmen in optimaler Weise unterstützt. Eine besondere Herausforderung für die informationstechnische Infrastruktur des Marketingcontrollings stellt aktuell das Thema Big Data dar. Unter Big Data werden „unstrukturierte Daten über den Nachfrager, generiert aus sozialen Medien, der Webseitennutzung, Online-Käufen und standortbezogenen GPS-Informationen, verstanden. Die zentrale Herausforderung besteht in der Verknüpfung dieser unstrukturierten Daten mit unternehmensintern bereits vorhandenen, strukturierten Kundendaten und ihrer kundennutzenorientierten Analyse und Verwertung“ (Burmann et al. 2013, S. 6). Im Gegensatz zu herkömmlichen Daten ist Big Data durch ein extrem hohes Datenvolumen, Medienvielfalt (Text, Graphik, Ton, GPS Daten etc.), Schnelligkeit in der Datenentstehung und -auswertung sowie eine schwer einzuschätzende Qualität gekennzeichnet. Diesen vier Eigenschaften muss die technologische Informationsverarbeitung gerecht werden, um Big Data zielführend im Unternehmen nutzen zu können.
Fragen zu Kapitel 11 1. 2.
Beschreiben Sie die Entwicklungen, die zu einem Bedeutungszuwachs des Marketingcontrollings geführt haben! Definieren Sie Marketingcontrolling!
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3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.
20. 21. 22. 23. 24.
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Marketingcontrolling
Beschreiben Sie die Funktionen, die das Marketingcontrolling übernimmt! Was verstehen Sie unter einer Kennzahl? Welche Eigenschaften zeichnen eine Kennzahl aus? In welche Kategorien lassen sich Kennzahlen einteilen? Geben Sie jeweils ein Beispiel! Beschreiben Sie die Kennzahl „Deckungsbeitrag“ und erläutern Sie, wann sie bevorzugt einzusetzen ist! Nennen und erklären Sie Value-to-Customer-Metriken! Was sind die Vorteile eines Kennzahlensystems und welche Gütekriterien kennen Sie? Erläutern Sie die Größe „Return on Investment“! Was verstehen Sie unter der Balanced Scorecard? Inwiefern unterscheidet sich die Balanced Scorecard von einem Marketing Dashboard? Definieren Sie „Customer Equity“ und erläutern Sie die in diesem Konzept enthaltene Sicht auf den Wertbeitrag des Marketing! Welche Customer Equity-Modelltypen kennen Sie? Bewerten Sie diese anhand ihres Steuerungspotenzials! Zeigen Sie Vor- und Nachteile des Customer Equity-Ansatzes in Bezug auf dessen Erklärungsbeitrag zu einer wertorientierten Unternehmensführung auf! Welche Auffassung vertritt die Markenforschung im Hinblick auf den Wertbeitrag des Marketing? Erläutern Sie die finanzorientierte Markenbewertung und beschreiben Sie Ihnen bekannte klassisch finanzorientierte Markenbewertungsverfahren! Was verstehen Sie unter der Markenstärke? Geben Sie ein Beispiel, wie diese erfasst werden kann! Beschreiben Sie an einem Beispiel die Eigenschaften von kombinierten Markenbewertungsverfahren! Bewerten Sie die Eignung von Markenbewertungsmodellen zur Erklärung des Wertbeitrages des Marketing und zeigen Sie die Notwendigkeit einer integrierten Messung des Marketingwertbeitrages! Erläutern Sie an einem Beispiel die Gefahren, die einer alleinigen Konzentration auf die wertvollsten Kunden innewohnen! Was verstehen Sie unter „Informationsmanagement“? Wo liegt der Unterschied zwischen einem Informations- und einem Anwendungssystem? Wie hängen ERP- und MI-Systeme zusammen? Was ist ein Data Warehouse und welche Eigenschaften besitzt es?
Literatur
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Sachverzeichnis
635-Methode, 426 A ABC-Analyse, 476 Abhängige Variable, 130 above-the-line, 654 Absatzhelfer, 51, 66, 580 Absatzkanal, 579, 580 Breite, 586 Tiefe, 587 Absatzkanalgestaltung, 581 Absatzkanalmanagement, 578, 582 Absatzkanalstruktur horizontale, 581, 586 vertikale, 581, 586 Absatzkanalsystem, 578 Kommunikationsbeziehung, 584 Konfliktmanagement, 585 Konfliktursachen, 583 Machtbeziehung, 583 Absatzmärkte, 52 Absatzmittler, 50, 579, 580 Absatzpolitik, 7 Absatzprognose Definition, 209 Gegenstand, 209 Absatzvolumen, 57 Absatzwirtschaft, 7 Abschöpfungsstrategie, 323 ADBUDG-Modell, 644 Adopter, 451 Advertising Recall, 368 Affiliate Networks, 714 Affiliate-Marketing, 713 Aggregationsniveau, 302 Aktiviertheit
Definition, 97 Alleinvertriebssysteme, 602 Allianzen, strategische, 63 Amoroso-Robinson-Relation, 498 Amortisationsperiode, 434 Annuitätenmethode, 435 Ansoff, 308 Anspruchsgruppen, 17, 66 Anspruchsgruppenorientierung, 66 Anwendungssysteme, 955 Application Programming Interface, 186 App-Store-Advertising, 750 App-Store-Optimization, 749 Arbitrage, 501 Atomistischer Bereich, 548 Attitude towards the ad, 830 Attribution, 802 Attributionsmodelle, 652, 802 Audits, 928 Aufbauorganisation, 916 Entscheidungsdelegation, 916 Koordination, 916 Spezialisierung, 916 Ausstellungen Bewertung, 766 Austauschprozess, 3, 58 B Baby-Boomer, 151 Balanced Scorecard, 934 Bandbreiten, 910 Bannerblindheit, 712 Bannerwerbung, 711 Baukastensysteme, 461 BDM-Mechanismus, 560 Bedarfsverbund, 404
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Meffert et al., Marketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-21196-7
963
964 Befragung Definition, 193 diekte, 194 freie, 196 indirekte, 194 Internet-, 195 Kunden-, 213 mündlich, 193 Nachteile, 195 Online-, 195 schriftlich, 193 teilstandardisierte, 196 telefonisch, 195 vollstandardisierte, 196 von Händlern, 213 Vorteile, 195 Behavioristische Erklärungsansätze, 90 below-the-line, 654 Benchmarking, 422 Beobachtung Varianten, 191 Beschaffungsmärkte, 52 Beschwerde, 864 Beschwerdeannahme, 867 Beschwerdeauswertung, 868 Beschwerdebearbeitung, 867 Beschwerdemanagement, 863 Controlling, 869 Informationsnutzung, 869 Prozess, 866 Ziele, 865 Beschwerdereaktion, 868 Beschwerdestimulierung, 867 Beschwerde-Reportings, 869 Best Ager, 153 Bestimmungsfaktoren interpersonale, 93 intrapersonale, 93 Betriebsform, 587 Betriebstyp, 587, 594, 597 Bewertungsdefekte, 365 Bewertungsplattformen, 734 Beziehungsmarketing, 40 Bezugsgruppen, 119 Bietverfahren, 560 Big Data, 171 Black-Box-Modell, 90 Blindtest, 436 Bluetooth-Marketing, 747
Sachverzeichnis Brainstorming, 426 Brainwriting, 426 Branchenrendite, 323 Brand Equity, 368, 939 Brand Generated Content, 719 Brand Touch Points, 266 brand-related UGC, 719 Break-Even-Analyse, 433 Bruttonutzen, 492 Budgetallokation geographisch, 650 sachlich, 650 zeitlich, 650 Budgetierung, 894 Bumerangeffekt, 100 Bundling, 529 Buyer Managed Inventory, 615 Buying Center, 24, 92, 133 C C/D-Paradigma, 864 Capital Asset Pricing Model, 373 Carry-over-Effekt, 517, 641 Cashflow, 290 Category Management (CM), 616, 955 Category Manager (CM), 617 Ceteris-paribus-Bedingung, 219 Channel Hopping, 146 Checklistenmethode, 372 Clickstream-Daten, 181, 182 Click-Through-Rate, 832 Clusteranalyse, 207 Community, 428 Marken, 727 Online, 727 Competence-Based View (CBV), 38 Conjoint Measurement, 558 Conjoint-Analyse, 206, 430, 558 Gesamtnutzen, 558 Teilnutzenwerte, 558 Web-Based, 432 Consideration Set, 125 Consumer Social Responsibility (ConSR), 138 Content-Marketing, 751 Conversion-Rate, 832 Corporate Identity, 281, 284 Corporate Social Responsibility, 870 Cournot’scher Punkt, 551 Co-Managed Inventory, 615
Sachverzeichnis
965
Cross-Selling, 529, 863 Customer Equity, 293 Definition, 936 Modelle, 936 Customer Experience, 128 Customer Journey, 126, 266 Customer Lifetime Value, 292, 524, 936 Customer Relationship Management (CRM), 62, 955 Customer-Relationship-Management (CRM), 256, 260
Diversifikation, 401 horizontale, 309 laterale, 310 vertikale, 310 Diversifikationsstrategie, 309 Dorfman-Steiner-Theorem, 897, 899 Duales Führungskonzept, 299 DuPont-System, 934 Dynamic Pricing, 527 Dynamische Preissetzung, 541 Dyopol, 546
D Data Science, 172, 202 Data Warehouse, 956 Datenanalytik Velocity, 171 Volume, 171 Deal-of-the-Day (DoD)-Promotions, 564 Deal-of-the-day (DoD)-Promotions, 763 Deckungsbeitrag, 292, 931 Deckungsspanne, 931 Degressionseffekte, 348 Design, 461 Dienstleistungsmarketing, 22 Diffusion, 445, 447 Diffusionskurve, 450 Digital Immigrants, 151 Digital Natives, 152 Digitalisierung, 143 Direktangriff, 352 Direktkommunikation, 755 Bewertung, 751, 757 Direktvertrieb, 358 Discountstrategie, 514 Display-Werbung, 710 mobile, 750 Distanzhandel, 53 Distribution exklusive, 588 intensive, 588 selektive, 588 Distributionsgrad, 368, 621 gewichteter, 581, 621 ungewichteter, 581, 621 Distributionsintensität, 588 Distributionspolitik Definition, 579, 580 Entscheidungstatbestände, 579
E EAN-Strichcode, 444 Earned Media, 129, 144, 149, 181 Earned-Media-Instrumente, 654 Economic Value Added (EVA), 368 Economies of Scale, 313 Effekte, 347 Educational Marketing, 470 Effektivität, 928 Efficient Consumer Response (ECR), 955 Efficient Consumer Response Management, 579, 582 Efficient Product Introduction, 617 Efficient Promotion, 617 Efficient Replenishment, 614 Efficient Store Assortment, 615 Effizienz, 928 Eigenkapitalrentabilität, 368 Einstellung Definition, 108 Komponenten, 109 Modell, 109 Einstellungskonstrukte mehrdimensionale, 294 Electronic Data Interchange (EDI), 614, 956 Electronic Word-of-Mouth (eWoM), 149, 720 Elektronisches Word-of-Mouth, 149 Eliminationsverfahren, 436 Emotion Definition, 101 Messung, 101 Employee Empowerment, 345 Endverbraucherpreis, 562 Entscheidungsfeld, 364 Entwicklungsländer, 470 Erfahrungseigenschaften, 36 Erfahrungskurve, 315
966 Erfahrungskurveneffekte, 313, 348, 518 Erfolgskontrolle, 47 Ergänzungssortiment, 617 Ethischer Konsum, 138 E-Mail Inbound, 707 Outbound, 707 E-Mail-Marketing, 707 Event-Marketing, 767 Bewertung, 771 Experiment Definition, 197 Feldexperiment, 197 Laborexperiment, 197 Exponentielle Glättung, 210 Externe Effekte, 944 Externe Kosten, 944 F Fachpromotor, 134 Factory Outlets, 592 Faktor, externer, 27 Faktorenanalyse, 207 Familie, 120 Fast Moving Consumer Goods, 583 Fast Polyhedral Adaptive Conjoint Estimation, 432 Feldexperiment, 437 Fishbein-Modell, 109 Fixkostendegressions-Effekte, 347 Flagship Stores, 593 Flankenangriff, 352 Flatrates, 538 Flexibilisierung, 910 Flexibilitätsvorteil, 64 Folger früher, 445 später, 445 Foren, 728 Formale Gruppen, 119 Franchisegeber, 605 Franchisenehmer, 605 Franchisesystem, 604, 605 Franchising, 351, 579, 592, 606 Dienstleistungs-, 606 Einzelhändler-, 606 Großhändler-, 606 Freemium, 537 Freezing, 881
Sachverzeichnis Fremdkapitalrentabilität, 368 Frühe Folgerstrategie, 320 Frühwarnfunktion, 174 Führungskonzept duales, 12 Funktionsanalyse, 423 Funktions-Test, 371 G Gebrauchsnutzen, 343 Gedächtnis explizit, 105 implizit, 105 Gedächtnissysteme, 105 Generation X, 151 Generation Y, 152 Generation Z, 152 Generic Marketing, 10 Geotargeting, 750 Gesamtmarktabdeckung, 306 Geschäftseinheiten, 299 Gesundheitsbewusster Konsum, 141 Gewinn, 368 Gewinnmaximierung, 492 Global Sourcing, 348 Goodwill-Transfer, 405 Gratifikationsprinzip, 4 Grenzkosten, 519 Gross Rating Point, 800 Größeneffekte, 347 Grundnutzen, 396 Gruppendiskussion, 201 Gruppenexploration, 201 Gruppenfreistellungsverordnung, 604 Guerilla-Marketing, 784 Bewertung, 786 H Handlingkosten, 614 Herstellerabgabepreis, 562 Hochpreisstrategie, 513 Hybrides Einkaufsverhalten, 355 Hypermedialität, 701 I Ideengewinnung, 414, 418 Ideengewinnungsphase, 414 Ideenprüfung Ablehnungsfehler, 428
Sachverzeichnis Annahmefehler, 428 Checklisten, 429 Feinauswahl, 430 Fragenkataloge, 429 Grobauswahl, 429 Virtuelle Auswahlverfahren, 432 Wirtschaftlichkeitsanalyse, 433 Ideenrealisation, 414, 415, 436 identitätsbasierte Markenführung, 265 Image, 108 Imitation, 454 Implementierung, 305, 881 Bottom-up-, 889 Top-down-, 889 Implementierungsbarrieren, 883 emotionale Widerstände, 884 Konflikte, 885 mentale Barrieren, 884 politische Widerstände, 884 rationale Widerstände, 884 Implementierungskonflikte, 885, 887 Erwartungsdivergenzen, 887 Grad der Formalisierung, 887 Inter-Rollen-Konflikt, 886 Inter-Sender-Konflikt, 886 Intra-Sender-Konflikt, 886 Partizipationsgrad, 887 Personen-Rollen-Konflikt, 886 Implementierungsträger Fachpromotoren, 889 Machtpromotoren, 890 Prozesspromotoren, 890 Incentive-Aligned Choice Based Conjoint Analysis, 561 Indikatormodelle, 212 Influencer-Marketing Auswahl, 739 Beziehungen, 740 Definition, 739 Informale Gruppen, 119 Informationsasymmetrien, 35 Informationsmanagement, 954 Informationssysteme, 954 Informationsverbund, 405 Inhaltsanalyse Arten, 181 Innovation Architekturale, 407 Inkrementale, 407
967 Modulare, 407 Radikale, 407 Innovationsakquisition, 454 Innovationseinkauf, 454 Innovationsimplementierung, 453 Erfolgsfaktoren, 456 innerbetriebliche, 455 Innovationsmanagement Herausforderungen, 409 operatives, 413 Innovators Dilemma, 949 Inputgüter, 370 Intensivierungsstrategie, 308 Interaktionsansatz, 134 organisational, 135 personal, 135 Interaktionsmodell netzwerkorientiert, 701 Internes Marketing, 889 Intrapersonale Bestimmungsfaktoren, 93 In-Game Advertising, 780 Bewertung, 784 In-home-Test, 437 Involvement Definition, 97 High, 98 Low, 98 Irritationseffekten, 100 J Jahresgespräche, 562 Job Rotation, 885 Joint Venture, 351, 413 Just in Time, 348, 612 K Kannibalisierungseffekt, 465 Kapazitätsprinzip, 4 Kapazitätssteuerung, 532 Kapitalwertmethode, 372, 435 Kaufentscheidungen echte, 92 familiäre, 92 Grundtypen, 92 habituelle, 92 impulsive, 93 limitierte, 93 Käufer, 49 Käufermarkt, 6
968 Käuferverhalten Partialmodell, 133 Käuferverhaltensforschung Ansätze, 89 Kaufprozess, 124 Kaufverbund, 405 Kaufverhalten, 89 digital, 145 preishybrides, 501 Veränderung, 144 Keep-or-Sell-Entscheidung, 413, 454 Kennzahlen, 930 Kennzahlensystem, 933 Balanced Scorecard, 934 DuPont-System, 934 Kernkompetenzen, 269 Key Account Management, 859 Aufgaben, 861 Chancen, 863 Herausforderungen, 863 Ziele, 860 Klassische Werbung, 655 Definition, 655 Knappheitsprinzip, 4 Kognition, 95 kognitive Erklärungsansätze, 91 Kommissionär, 601 Kommittent, 601 Kommunikation digitale, 700 integrierte, 652 Online-, 702 Social-Media-, 718 Kommunikationsbudget, 640 nicht-wirkungsgestützte Festlegung, 643 wirkungsgeestützte Festlegung, 641 Kommunikationsinstrument Definition, 650 Kommunikationsinstrumente Bewertung, 653, 664, 700, 736, 743, 751, 757, 760, 763, 766, 771, 777, 779, 784 Kommunikationspolitik Definition, 633 psychographische Ziele, 635 Ziele, 634 Kommunikationsstil, 640 Kommunikationsstrategie, 637 Komparative Konkurrenzvorteile, 328
Sachverzeichnis Kompetenz, 6 Marktzufuhr-, 39 Meta-, 39 Test, 370 Veredelungs-, 38 Komplexitätskosten, 347 Konditionierung emotionale, 103 Konfliktbewältigung, 888 Konflikte, 887 heterogene Gruppenzusammensetzung, 885 Rollenkonflikte, 885 Verteilungskonflikte, 886 Konkurrenten, 50 Konkurrenzanalyse, 422 Konkurrenzänderungsrate e, 644 Konsumenten, 49 Konsumentenrente, 516 Konsumgütermarketing, 22 Konsumverhalten, 88 postmaterialistisch, 138 Kontaktpunkt (Touchpoint), 126 Kontraktkonzept, 578, 581 Konventionalstrafen, 565 Konzentrationsstrategie, 323 Konzept der physisch-technischen Ähnlichkeit, 217 Konzepttest, 436 Konzessionen, 592 Kooperation, 413, 454 horizontale, 63 konglomerate, 63 laterale, 63 vertikale, 63 Koordination Definition, 909 funktionsspezifische, 892 komplementäre Beziehungen, 892 konditionale Beziehungen, 893 konkurrierende Beziehungen, 893 substitutionale Beziehungen, 892 zeitliche Abhängigkeiten, 893 Koordinationsbedarf Begriff, 909 Reaktion, 909 Reduktion, 908 verbleibender, 911 Koordinationsinstrument, 911 externe Märkte, 915
Sachverzeichnis interne Märkte, 912 persönliche Weisung, 911 Pläne, 912 Programme, 912 Selbstabstimmung, 912 Unternehmenskultur, 912 Kosten fixe, 542 Grenzkosten, 543 relative Einzelkosten, 543 variable, 542 Vollkosten, 543 Kostenführerschaft, 348 Kostenorientierung, 347 Kosten-plus-Preisbildung, 542 Kreativitätstechniken, 427 Kreativitätstheorie diskursive, 423 intuitive, 423 Kreislaufwirtschaftsgesetz, 444 Kreuzpreiselastizität, 512 Kühn-Modell, 905 Kultur, 118 Kunden, 49 Kundenbedürfnisse, 15 Kundenbeziehung, 256 Kundenbeziehungszyklus, 62 Kundendaten, 257 Kundenlebenszeitwert, 16, 292, 367, 524, 936 Kundennutzenorientierung, 15 Kundenstammwert, 293, 367, 936 Kundenwert, 42, 257 Kurzzeit-(Arbeits-)gedächtnis, 105 L Laborexperiment, 437 Labortestmärkte, 439 Laddering-Technik, 201 Längsschnittdaten, 206 Langzeitgedächtnis, 105 Lead-user, 422, 428 Leap-frogging-behaviour, 452 Legitimitätskrise, 70 Leitlinien-Konzept, 296 Leitpreis, 549 Leitungsspanne, 917 Leitungstiefe, 917 Lernen, 102 Lernvorteile, 64
969 lexikonbasierte Verfahren, 209 Lieferanten, 66 Lieferkette, 611 Lieferserviceniveau, 621 Lizenznahme, 454 Lizenzverträge, 351 Logfiles, 170 Lorenzkurve, 474 M Machtausübung, 887 Machtpromotor, 134 Make-or-Buy-Entscheidung, 411, 453 Makroumwelt, 48, 269 Managementinformationssysteme (MIS ), 955 Managementverträge, 351 Marke, 346, 368, 396 Markenattribute, 268 Markenbedürfnisse, 266 Markenbegriff, 265 Markenbekanntheit, 268 Markenerlebnis, 266 Markenführung, 264, 346 Markenherkunft, 267 Markenidentität, 265–267 Markenimage, 265, 267, 346 Markenkompetenzen, 267 Markenleistungen, 267 Markennutzen, 268 Markennutzenversprechen, 265 Markenpersönlichkeit, 267 Markenstärke, 941 Markenverhalten, 266 Markenvertrauen, 269 Markenvision, 267 Markenwert, 368 Ertragswertorientiert, 940 Kapitalmarktorientiert, 940 Klassisch finanzorientiert, 940 Kombiniert, 942 Kostenorientiert, 940 Markenbewertungsverfahren, 940 Markenstärke, 941 Ökonomischer, 942 Preisorientiert, 940 Psychographischer, 941 Verhaltenstheoretisch orientiert, 941 Markenwerte, 267 Marketing
970 beziehungsorientiertes, 61 Definition, 10 differenziertes, 335 konzentriertes, 335 transaktionsorientiertes, 61 undifferenziertes, 335 Marketing Assets, 369 Marketing Dashboards, 182 Marketingbegriff, 7 Marketingbudgetierung, 895, 896 heuristische Ansätze, 895, 901 mathematische Programmierung, 900 Methoden, 906 Marketingcontrolling, 21 Funktion, 927 im Web 2.0, 952 Informationstechnische Infrastruktur, 954 Strategisches, 936 Marketingforschung Definition, 173 Phasen, 176 Marketingführerschaft, 357 Marketingimplementierung, 881 Aufgaben, 881 Barrieren, 883 Begriff, 881 Definition, 881 Konflikte, 885 Ziele, 882 Marketingkompetenz, 370 Marketingkonzeption, 279 Marketinglogistik, 579, 580, 582 Marketingmanagement, 17 Marketingorganisation, 22 Aufbauorganisation, 916 Definition, 916 Marketingplan, 918 Marketingplanung operative, 20 Marketingstrategie, 20, 299, 325 Akzeptanz, 884 globale, 331 internationale, 331 Kennen, 884 multinationale, 331 Verstehen, 884 Wollen, 885 Marketing-Intelligence, 174 Marketing-Mix, 20, 892
Sachverzeichnis Marketing-Mix-Budgetierung, 896, 906 analytische Ansätze, 896 marginalanalytische Verfahren, 896 Marketingziele, 19 Definition, 292 Messung, 294 ökonomische, 292 psychographische, 293 Market-Based View (MBV), 5 Market-pull-Strategie, 411 Markierungsorientierung, 346 Markt, 49 Marktabdeckungsstrategie, 306 Marktabgrenzung, 54, 217 produktorientierte Ansätze, 218 Marktanteil, 57, 293, 334 relativer, 57 Marktaufgabe, 302 Marktaufteilung, 521 Marktausschöpfungsgrad, 57 Marktaustrittsstrategie, 323 Marktbearbeitung, 335 Marktbehauptungsstrategie, 323 Marktdynamik, 68 Markteinführung, 414 Markteinführungsphase, 415 Markteintritt, 320 international, 333 Markteintrittsbarrieren, 516 Marktentwicklung, 309 Marktformen, 52 Marktforschung Definition, 174 Marktlebenszyklus, 69 Marktlebenszyklusanalyse, 318 Marktorientierung, 915 Marktpotenzial, 56, 334 Marktreaktionsfunktion, 641 Marktsättigung, 323 Marktsättigungsgrad, 57 Marktsegmente Identifikation von, 240 Marktsegmentierung, 209, 221 Definition, 215 Optimalitätsproblem, 241 Marktsegmentierungskriterien Anforderungen, 222 Marktsituation, 269 Marktstagnation, 323
Sachverzeichnis Marktstellung, 334 Marktstrategie Durchsetzung, 881 Umsetzung, 881 Markttest, 438 Markttransparenz, 53 Marktvolumen, 56, 322, 334 maschinelles Lernen, 208 Mass Customization, 343 Maximalpreis, 522 Mediatorvariable, 131 Media-Sharing-Plattformen, 731 Mehrkanalvertrieb, 579 Mehrpunktwettbewerb, 353 Mehr-Personen-Preisbildung, 525 Meinungsführer, 66, 120 Messen, 764 Aktivitäten, 765 Bewertung, 766 Messmodell, 206 Messniveau Intervallskala, 189 Nominalskala, 188 Ordinalskala, 188 Verhältnisskala, 189 Messverfahren, 187 Methode des lauten Denkens (MLD), 200 Me-too-Strategie, 446 Microblogging-Dienste, 733 Mikroumwelt, 48, 49, 269 Mindset-Metriken, 829 Mini-Testmarkt, 438 Mitgliedsgruppen, 119 Mittelpreisstrategie, 513 MMS-Marketing, 744 mobile Applikationen Apps, 748 mobile Endgeräte, 744 Mobile Kommunikation Definition, 744 Moderatorvariable, 131 Mondpreiseffekt, 507 Monopol, 49, 52, 551 Monopolistischer Bereich, 548, 553 Morphologische Analyse, 209, 423 Motiv, 107 bewusstes, 107 extrinsisches, 107 intrinsisches, 107
971 primäres, 107 sekundäres, 107 unbewusstes, 107 Moving, 881 Multi Channel Marketing, 594 Multidimensionale Skalierung, 207 N Nachfragemonopol, 52 Nachfrageoligopol, 52 Nachfragerorientierung, 59 Nachfrageverbund, 404 Nachhaltigkeitsmarketing, 287 Nachhaltigkeitsziele, 286 Neobehavioristische Erklärungsansätze, 90 Nettonutzen, 16, 492 Vorteil, 59, 369 Nettopreiseffekt, 507 Netzwerk, strategisches, 63 Neun-Felder-Matrix, 314 Neuproduktideen Produktion, 423 Quellen, 418, 419 Sammlung, 423 Neuromarketing, 91 Next Product To Buy, 203 Niedrigpreispositionierung, 513 Nischenanbieter, 446 No frills-Gedanke, 515 non-brand-related UGC, 719 Non-sponsored brand-related UGC, 720 Normstrategien, 299, 312 Nutzen, 15 Nutzenversprechen, 638 Nutzwertanalyse, 435 O Öffnungsrate, 710 ökonometrische Methoden, 202, 206 ökonomischer Markenwert, 265 Oligopol, 49, 52, 546 Online-Auktionen, 539 Online-Kommunikation Bewertung, 718 Online-Rezension, 734 Online-Targeting, 753 Open Innovation, 343 Organigramm, 917 Organisationsstruktur, 305
972 Outpacing, 348 Outsourcing, 323, 909 Out-of-Home-Medien, 665 Bewertung, 700 Definition, 665 Owned Media, 129, 181 Owned-Media-Instrumenten, 653 P Paid Media, 129, 144 Paid-Media-Instrumente, 653 Panelerhebung Definition, 198 Ziel, 198 Partialmodell (Teilmodell), 130 Partialtest, 436 Partizipationseffekt, 464 Pay-what-you-want, 540 Paywalls, 541 Penetrationspreisstrategie, 515 Personalisierung, 753 Persönlichkeit, 117 Pflichtsortiment, 617 PIMS-Projekt, 290 Pionier Strategie, 445, 450 Pionierorientierung, 341 Pionierposition, 341 Pionierstrategie, 320 Plakatwerbung, 665 Planung strategische, 364 Polypol, 49, 52, 553 PorterscheWettbewerbsstrategien, 339 Portfolioanalyse, 312 Positionierungsanalyse, 424 Postmaterialismus, 136 Potenzial, akquisitorisches, 522, 553 Prämienpreisstrategie, 513 Preisänderungen, 493 Preisänderungsreaktionen, 518 Preisauslobungseffekt, 507 Preisbereitschaft, 504, 555, 560 Preisbewusstsein, 491 Preisbindung vertikale, 491 Preiscontrolling, 569 Preisdifferenzierung, 521 horizontale, 521
Sachverzeichnis quantitative, 526 räumliche, 524 vertikale, 521 zeitliche, 525 Preiselastizität, 515 Preisexperimente, 555 Preisgegenüberstellungseffekt, 507 Preisinformationen, 501 Preiskalkulation, 543 Preiskampf, 491, 548 Preiskenntnis explizite, 503 implizite, 503 Preiskorridor, 525 Preisniveau, 515 Preisplatzierungseffekte, 507 Preispolitik Bestimmungsfaktoren, 494 Definition, 489 Entscheidungstatbestände, 491 Flexibilität, 489 nicht-lineare, 526, 528 Reaktionsverbundenheit, 489 schwere Revidierbarkeit, 490 Wirkungsgeschwindigkeit, 489 Wirkungsstärke, 489 Ziele, 491 Preispolitische Strategien, 513 Preisschwellen absolute, 507 Preisspannweite, 508 Preisstrategie im Internet, 540 Preistransparenz, 491 Preisuntergrenze kurzfristige, 544 langfristige, 544 Preis-Absatz-Funktion, 495, 521, 550 Preisvertrauen, 515 Preiswissen, 503 Preiswürdigkeit, 509 Premiumpreisstrategie, 513 Primärforschung, 179, 187 Primärgruppen, 119 Product Placement Bewertung, 779 Klassifizierung, 778 Product-Placement, 777 Produkmodifikation, 458
Sachverzeichnis Produkt Begriff, 395 Nutzen, 396 Produktdifferenzierung, 457, 461, 464 Produktelimination Grund, 466 Prozess, 466 qualitative Kriterien, 466 quantitative Kriterien, 466 Strategie, 468 Switching management, 468 Produktindividualisierung, 343 Produktinnovation Bedeutung, 406 Begriff, 405 Definition, 406 Erfolgsfaktoren, 453 Flopraten, 409 Intensitätsdimension, 406 Raumdimension, 408 Strategie, 410 Subjektdimension, 406 Zeitdimension, 408 Ziel, 410 Produktklassenkonzept, 902 Produktlebenszyklus, 445 Produktlebenszyklusanalyse, 471 Degenerationsphase, 473 Einführungsphase, 472 Handlungsempfehlungen, 474 Marktsättigungsphase, 473 Reifephase, 472 Wachstumsphase, 472 Produktlinie, 401 Gestaltung, 401 Länge, 401 Produktmodifikation, 458 Produktpflege, 458 Produktprogramm Altersstruktur, 474 Kundenstruktur, 475 Umsatzstruktur, 474 Produktrelaunch, 458 Produkttest, 436 Produkt-Markt-Matrix, 308 Produkt- und Programmpolitik Bedeutung, 395 Definition, 394, 579, 580 Operative Erfolgsmessung, 471
973 Strategische Erfolgsmessung, 468 Produktvariation, 458, 461, 464 Ansatzpunkte, 458 Probleme, 464 Prozess, 461 Ziele, 458 Profilierungssortiment, 616 Programm Ausrichtung, 400 Programmatic Advertising, 806 Programmbreite, 400 Programmbreitenorientierung, 346 Programmgestaltung, 398, 400 Programmplanung operative, 399 strategische, 398, 400 Programmstrukturanalyse, 471, 473 Programmtiefe, 400 Prohibitivpreis, 550 Projektionsverfahren, 441 Promotoren, 889 Prozessinnovationen, 406 Prozessmodell, 124 Psychologisches Testverfahren, 200 Public Relations, 757 Bewertung, 760 Punktbewertungsmodelle, 430 Q QR-Code-Marketing, 746 Qualitätsdimensionen, 343 Qualitätsniveau, 401 Qualitätsorientierung, 342 Qualitätsvorteile, 64 Quality Commitment, 345 Quality Function Deployment, 430 Querschnittsdaten, 172, 206 R Rabatte, 561 Barzahlungsrabatt, 562 Bonus, 563 Delkredererabatt, 562 Funktionsrabatt, 562 Inkassorabatt, 562 Mengenrabatt, 562 Rabattsystem, 564 Treuerabatt, 563 Zeitrabatt, 563
974 Radio Frequency Identification, 611 Recognition, 368, 830 Recycling, 444 Referenzpreis, 489 externer, 506 interner, 506 Regressionsanalyse, 204 Reklamationen, 345 Relationship-Marketing, 16 Relevanter Markt, 54 Research Shopping, 147 Resource-Based View (RBV), 5 Ressourcen, 6, 269, 370 Ressourcenprofil, 272 Return on Investment (RoI), 290, 368, 934 Revenue Management, 531 Anwendungsvoraussetzungen, 535 Datengewinnung, 533 Dynamic Pricing, 533 Nachfrageprognose, 533 Nachfragesteuerung, 533 Preis-Kapazitäts-Steuerung, 533 Überbuchung, 533 RFID, 444 Risiko finanzielles, 111 funktionales, 111 gesundheitliches, 111 psychisches, 111 soziales, 111 wahrgenommenes, 111 Risikobereitschaft, 111 Risikovorteil, 64 Rückwärtsintegration, 592 Rückzugsstrategie, 323 S Saisonsortiment, 617 Sättigungsmenge, 550 Schlüsselkunde, 860 Scoring-Modell, 335, 430 Screening, 429 Segmentbearbeitungsstrategien, 335 Segmentbewertung, 331 Sekundärforschung, 179 Sekundärgruppen, 119 Selektionskonzept, 578 semantische Analyse, 209 Sensorisches Register, 104
Sachverzeichnis Sentiment-Analyse, 209 Serviceleistungen, 344 Sharing, 141 Shop in Shop, 592 Showrooming, 144 Single Sourcing, 348 Situationsanalyse, 19, 269 Skaleneffekte, 64 Skimmingpreisstrategie, 516 Smart Shopping, 501 SMS-Marketing, 744 Solldeckungsbeiträge, 544 Sonderpreisaktionen, 501 Sortimentsbreite, 615 Sortimentstiefe, 615 Soziale Medien Bewertung, 736, 743 Definition, 719 Späte Folgerstrategie, 320 Spezialisierung Bedürfnis-, 307 Funktions-, 307 kombinierte, 307 Produkt-, 307 Technologie-, 307 Zielgruppen-, 307 Spin-Off, 413 sponsored brand-related UGC, 720 Sponsoring, 771 Bewertung, 777 Stakeholder, 45 Beziehungen, 369 Stakeholderorientierung, 17, 66 Stakeholdervalue Messung, 945 Standardmodell, marginal-analytisches, 644 Standards, 910 Stimulierungskonzept, 581 Storetest, 437 Storytelling, 752 Strategie Absatzmittlergerichtete, 353, 357 Abschöpfungs-, 323 Anpassungs-, 353, 357, 361 anspruchsgruppengerichtete, 360 Ausweich-, 353, 358, 361 differenzierte Marktbearbeitung, 337 Diversifikations-, 309 früher Folger, 320
Sachverzeichnis Funktionsbereichs-, 298 Geschäftsfeld-, 298 Innovation, 360 Intensivierungs-, 308 Konflikt-, 352 Konzentrations-, 323 konzentrierte Marktbearbeitung, 336 Kooperations-, 351 Marketing, 299 Marktabdeckungs-, 306 Marktaustritts-, 323 Marktbearbeitung, 335 Marktbehauptungs-, 323 Marktfeld-, 326 Marktteilnehmer-, 327, 338 Marktwahl-, 326, 330 Norm-, 312 Pionier-, 320 Präferenz-, 338 Preis-, 338 Preis-Mengen-, 338 Pull-, 355 Push-, 355 Qualitätsführerschafts-, 338 Rückzugs-, 323 Segmentbearbeitung, 335 später Folger, 320 Umgehungs-, 357 undifferenzierte Marktbearbeitung, 336 Unternehmens-, 298, 299 Widerstands-, 361 Zerschlagungs-, 324 Strategieanpassung, 364 Strategiebewertung, 364, 371 Prozess, 370 Strategieprofilmethode, 372 Strategische Allianzen, 351 Strategische Geschäftsfelder, 299, 302 Strategy follows structure, 915 Structure follows strategy, 915 Strukturdefekte, 365 Strukturentdeckung, 207 Strukturierte Daten, 180, 204, 207 Strukturmodell, 122, 206 Strukturprüfung, 204 Stückpreis, 528 Subjektive Wirtschaftspläne, 219 Substitutionseffekt, 465 Substitutionsverfahren, 436
975 Substitution-in-use-Ansatz, 220 Sucheigenschaften, 36 Suchmaschinenmarketing, 714 Suchmaschinenoptimierung, 714 Suchmaschinenwerbung, 714 Sunk Cost, 536 Supply Chain Management (SCM), 955 Supply Chain-Management (SCM), 579, 582 SWOT-Analyse, 273 Synektik, 426 syntaktische Analyse, 209 T Target Costing, 544 Targeting, 238 Profile Targeting, 238 Re-Targeting, 238 sprachbasiert, 238 technikorientiert, 238 verhaltensbasiert, 238 Tausend-Kontakt-Preis, 800 Tausend-Nutzer-Preis, 800 Technology-push-Strategie, 411 Teilmarktabdeckung, 306 Telematiksysteme, 611 Term-Dokument-Matrix, 209 Testmarktersatzverfahren, 438 Text Mining, 208 Timing-Strategie, 320, 445 Total Quality Management (TQM), 345 Totalmodell, 122 Tracking und Tracing, 611 Trade-off, 430 Trading-down, 401 Trading-up, 402 Trajektorie-Konzept, 296 Transaktionsfunktion, 580 Transaktionskosten, 51 Transaktionsprozess, 58 Trend exponentieller, 211 Trichtermodell, 124, 414 Triffinscher Koeffizient, 512 Trommsdorff-Modell, 110 U Übervorteilungsstrategie, 514 überwachten Lernverfahren, 208 Umsatzfunktion, 550
976 Umwelt gesellschaftliche, 65 ökologische, 65 ökonomische, 65 politisch-rechtliche, 65 technologische, 65 Umweltbewusster Konsum, 139 Umweltschutz, 290 Umweltsituation, 269 Umzingelung, 352 Unabhängige Variable, 130 unfreezing, 881 Unique Advertising Proposition, 638 Unique Selling Proposition (USP), 59 Universal Search, 715 Unstrukturierte Daten, 180, 208 Unternehmensgrundsätze, 282 Unternehmensidentität, 913 Unternehmenskultur, 299 Definition, 913 Unternehmensleitlinien, 282 Unternehmensplanung strategische, 298 Unternehmensstrategien, 299 Unternehmenswebsite, 705 Unternehmensziele, 284 Unternehmenszweck, 281 unüberwachten Lernverfahren, 208 Unzufriedenheit, 864 User Design, 432 User Generated Content (UGC), 150, 719 V Value Pricing, 514 Value-Added-Services, 26, 461 Vampireffekt, 100 van Westendorp-Methode, 556 Variantenmanagement, 347 Varianzanalyse, 204 Vektorautoregressionsmodelle, 206 Vendor Managed Inventory, 615 Verbraucher, 49 Verbraucherorganisationen, 66 Verbundeffekte, 64, 468 Verdrängungswettbewerb, 323 Vergleichspreis, 489 Verhaltensplan, 325 Verkauf, persönlicher, 24 Verkaufsförderung, 760
Sachverzeichnis Bewertung, 763 Maßnahmen, 762 Vermögenswerte gesellschaftliche, 470 ökologische, 470 Verpackung Ansprüche, 444 Begriff, 442 Funktionen, 443 Gestaltung, 442 Hersteller, 444 Transportverpackungen, 442 Umverpackungen, 442 Verkaufsverpackung, 442 Versioning, 539 Vertikales Marketing, 358 Vertikalisierung des Absatzkanals, 590 Vertragliche Vertriebssysteme, 601 Vertragsfertigungen, 351 Vertrauen, 112 Vertrauenseigenschaften, 36 Vertrieb direkter, 358 elektronischer, 358 indirekter, 589 mobiler, 358 stationärer, 358 Vertriebsbindungen personelle, 602 räumliche, 602 zeitliche, 602 Vertriebskosten/Handelsspanne, 581 Vertriebssysteme, vertragliche, 601 Vickrey Auktion, 560 Vidale/Wolfe-Methode, 644 Video-Werbung, 711 Vier-Felder-Matrix, 313 Virale Effekte, 428 Virales Marketing Definition, 736 Form der Botschaft, 738 Inhalt der Botschaft, 737 Netzwerkstruktur, 737 Seeding, 737 Virtual Concept Testing, 432 Vollerhebung, 189 Vollkommenheitsgrad, 53 Volltest, 437 Vorwärtsintegration, 592
Sachverzeichnis W Wahrnehmung Definition, 95 neuronale Markennetze, 95 Warengruppen, 616 Warenplatzierung, 615 Warenpräsentation, 615 Warenspezifische Analogiemethode, 902 Web 2.0, 719 Web Analytics, 182 Web Scraping, 186 Webcrawlers, 186 Weblogs, 723 Webrooming, 147 Weinberg-Modell, 644 Werbeanteil-Marktanteil-Methode, 644 Werbung Bewertung, 653, 664 Wertbeitrag Ökonomischer, 947 Werte Definition, 115 Wertewandel, 137 Wertorientierung, 16 Wettbewerber, 50 Wettbewerbskräfte, 5 Wettbewerbsvorteil, 59, 328, 494 Wirkungsdefekte, 365 Word-of-Mouth (WoM), 121
977 Y Yield Management, 531 Z Zeitvorteil, 64 Zerschlagungsstrategie, 324 Zielbildungsprozess, 298 Ziele finanzielle, 285 Innovations-, 341 Marktleistungs-, 284 Marktstellungs-, 284 Nachhaltigkeits-, 286 ökonomische, 19 psychographische, 19 Rentabilitäts-, 284 soziale, 285 stakeholderbezogene, 293 Unternehmens-, 284 Zielgruppen, 334 extern, 636 intern, 636 Zielgruppensegmente, 334 Zielkonflikte systemimmanente, 355 Zielsystem, 295 Zinsfuß, interner, 435 Zufriedenheit Kunden, 112 Messung, 113 Zusatznutzen, 396
springer-gabler.de H. Meffert, M. Bruhn, K. Hadwich Dienstleistungsmarketing Grundlagen – Konzepte – Methoden 9. überarb. Aufl. 2018, X, 522 S., 143 Abb. in Farbe. Mit Online-Extras. Geb. * 49,99 € (D) | 51,39 € (A) | CHF 51,50 ISBN 978-3-658-19175-7 eBook ** 39,99 € (D) | 39,99 € (A) | CHF 41,00 ISBN 978-3-658-19176-4
Das Standardwerk – sowohl für traditionelle Dienstleister als auch für industrielle Anbieter Die Autoren beschreiben umfassend, wie Herausforderungen und Probleme, die sich bei der Vermarktung von Dienstleistungen stellen, gelöst werden können. Zur Sicherung und Erhöhung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung steht die Bedeutung und Notwendigkeit eines professionellen Dienstleistungsmarketing im Vordergrund. Zahlreiche Übungsfragen zu den einzelnen Kapiteln erleichtern es dem Leser, die Inhalte des Buches zu wiederholen und sein Verständnis zu überprüfen.
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In der 9. Auflage wurden alle Kapitel überarbeitet. Ein Schwerpunkt wurde auf die zunehmende Digitalisierung von Dienstleistungen und deren Implikationen für die Instrumente des operativen Dienstleistungsmarketing gelegt. Der Inhalt Gegenstand und Besonderheiten des Dienstleistungsmarketing – Konzepte und theoretische Grundlagen des Dienstleistungsmarketing – Informationsgrundlagen des Dienstleistungsmarketing – Strategisches und Operatives Dienstleistungsmarketing – Qualitätsmanagement im Dienstleistungsbereich – Implementierung des Dienstleistungsmarketing – Controlling im Dienstleistungsmarketing
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springer-gabler.de C. Burmann, T. Halaszovich, M. Schade, R. Piehler Identitätsbasierte Markenführung Grundlagen – Strategie – Umsetzung – Controlling 3. vollst. überarb. Aufl. 2018, XV, 390 S., 163 Abb., Broschur *32,99 E (D) | 33,92 € (A) | CHF 34,00 ISBN 978-3-658-20062-6 eBook ** 24,99 € (D) | 24,99 € (A) | CHF 27,00 ISBN 978-3-658-20063-3
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