Die Gebärde in englischen Dichtungen des Mittelalters

Vorgelegt von Herrn Levin L. Schücking am 4. Juli 1958. Diese Arbeit möchte mit einer Untersuchung der Gebärden einen Zugang zur inneren Welt und zur künstlerischen Struktur der englischen erzählenden Dichtung des Mittelalters finden. Seit die Gebärde von der Ausdruckswissenschaft in ihrer Bedeutung als Schlüsselphänomen der Menschenkenntnis erkannt und mit exakten Methoden erforscht wird, hat man sie auch als Erscheinung der Dichtung schon unter verschiedenen Aspekten gewürdigt. Während sich eine Reihe von Einzeluntersuchungen mit der Gebärde in der altnordischen, deutschen, französischen und italienischen Literatur des Mittelalters oder einzelner ihrer Autoren befaßt, ist die alt- und mittelenglische Dichtung unseres Wissens bislang in dieser Richtung noch nicht erschlossen. Mit der vorliegenden Arbeit hoffen wir, zur Schließung dieser Lücke beitragen zu können.

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BAYERISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN P H IL O S O P H IS C H -H IS T O R IS C H E K L A S S E

A B H A N D L U N G E N • N E U E F O L G E , H E F T 46

W E R N E R H A BICH T

Die Gebärde in englischen Dichtungen des Mittelalters

V o r g e le g t von H e rrn L ev in L . S c h ü c k in g am 4. Ju li 1958

M Ü N C H E N 1959 V E R L A G D E R B A Y E R IS C H E N A K A D E M IE D E R W IS S E N S C H A F T E N I N K O M M I S S I O N B E I D E R C. H. B E C K ’ S C H E N V E R L A G S B U C H H A N D L U N G M Ü N C H E N

D ru ck der C. H. B eck’schen Buchdruckerei N ördlingen Printed in Germany

IN H A L T

E in le it u n g

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G EB ÄR D E

IN

DER

TEIL

A LT E N G L ISC H E N

D ICH TU N G

1 . G e m ü t s b e w e g u n g e n u n d G e b ä r d e n ...................................................................................................................... G efü h lsg eb ä rd e n , S eh w e ise u nd D a rsteliu n g sstil im B e o w u lf (13) - E rsa tz d er G efu h lsg eb ard e d u rch das B ild (14) - d u rch die. L ito tes (15) - durch S itu a tio n sb e w e g u n g (16) - d u rch R e d e und R ed ep o situ r (17) - d u rch sy n ta k tisch e M itte l (18) - D ie E n tk ö rp e rlic h u n g des G efu h lsa u sd ru ck s u n d ihre U rsach e n (19) 2. D a s L e b e n s g e f ü h l u n d s e in e M a n i f e s t a t i o n ....................................................................................................... A ffe k t und E th o s (20) - H eld isch e K a m p fe s g e b ä rd e n (21) -

G e la g e ju b e l und B eh errsch u n g im

R a u s ch (22) - B eh errsch te T r a u e r (23) 3. G e b ä r d e n a ls z e r e m o n ie lle F o r m ...................................................................................................................... R e p rä se n ta tio n des H elden (24) - S y m b o lg e b ä rd e n der G em ein sch a ftso rd n u n g (25) - R eligio se G e­ b ä rd en (26) - D ie „ H ie r a rc h ie “ d er G eb ä rd e n und ihre F u n k tio n (26) 4 . D ie e p is c h e P o t e n z d e r G e b ä r d e ........................................................................................................................... G e b ä rd e u n d H a n d lu n g (27) - M eh rs ch ich tig k e it der G e b ä rd e n a u s sa g e : B eo w u lfs K a m p fesg e b a rd e n (27) - K o m p o sito risch e K r a ft der G eb ärd en : E m p fa n g ssch ild e ru n g e n im B e o w o lf (31)

ZWEITER TEIL D I E W E R T B E R E I C H E D E R G E B Ä R D E N IN D E R M I T T E L ­ ENGLISCHEN DICHTUNG E r s t e r W e r t b e r e i c h : Di e G e b ä r d e als m o r a l i s c h e s Ü b e l 1. T e u f e l , U n h o ld e u n d W i l d e ............................................................................................................................................^

Ansätze zur Kennzeichnung der Bösen durch Affektgebärden in « . Dichtungen (35) - binnen fällige Affektgebärden im Me. als Attribute der Teufel (39) - der Wilden Manner (4 ) wesen und Tiere (4 .)-W eitere Entwicklungen: „edle“ Wilde und Tiere (42) - humoristische W ir­ kungen (43) 2. D i e K i r c h e u n d d ie S ü n d e r

...........................................................................................................................

4-5

Gebärden als Symptome der Sünde im Ae. (43) - Einfluß kirchlicher Lehren (44) - dir Niederschlag auf das me. geistliche Schrifttum (45) - Ruhige Körperhaltung als Tugendausweis (46) 3 . Z o r n .................................................................................................................

...................................................... 47

Zornesgebärden im Lichte kirchlicher Lehre (47) - Moralische Wertung der Zornesgebärden bei Lajamon (47) - Zornesausbrüche wider die Tugendrcichen (48)

4

I n h a lt

4. S c h m a c h

..........................

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A ffe k tg e b ä rd e n als S ym p to m e des U n h c ro isehen im A e . (49) - bei L a ja m o n (51) Ü b e rste ig e rte S c h m a c h g e b ä rd e n in den R o m an zen (51) - K o m isch e u nd m oralische T en d e n ze n (51) 5. E r o t i k : D ie G e b ä r d e u n d d a s G e g e n ü b e r

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^

T ie b cs g e b ä rd e n als A u s d r u c k sü n d ig e r E r o tik : ae. und k irch lich e E in flü sse (53) L a ja m o n s m o­ ralisch e V erurteilung- ric-r L ie b e s g c b ä r d e n : M e ld u n g erotisch er Z u sa m m e n h ä n g e (54) - V e r­ k n ü p fu n g v o n E ro tik und U n h eil (56) Ü b e rla g e ru n g e n von E ro tik u n d Zorn (57) 6. D a s G a s t m a h l: A f f e k t g e b ä r d e n u n d G e m e in s c h a f t s o r d n u n g

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D ie l ..flag(.-situation als B eisp iel fü r zerem o n ielle G em ein sch a ftso rd n u tig (58) A ffe k tg e b ä rd e n beim G e la g e als K a ta stro p h e n trä g e r bei E ^ a m o n (59) - T isc h zu ch tw id rig e s V erh alten als m oralisch er M ak e l (60) - Z erb rech en des G cla g e zere in o n ie lls durch fein dliche H era u sfo rd erer (61) - U m w er­ tu n g e n in der S p ielm an n strad itio n (62) 7. H e u c h le r : D ie G e b ä r d e a ls S c h e in

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0,

P ejorative S ch e in g e b ä rd e n (63) - D ie S ch e in g e b ä rd c als D a r ste llu n g sm itte lb e i L a y a m o n : die V o rtigern ep iso d e 5^3 ff. “ N e w æ s þ æ t eöe sið, / þ æ t se m æ ra m a g a E c g ö e o w e s / gru n d w o n g þo n e o fg y fa n w olde {Beow . 2586 ff.). 10 P M L A L I I (1937), 926. 11 N o his lifg e d a l / sarlic þ u h te s e c g a æ n e g u m (B eo w . 841 f.).

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Die G ebärde in der altcnglischen D ic h tu n g

geb aren , o b gleich das ,,G lü ck sg e fü h l über den E r fo lg “ sich erlich die B rust der H eld en der an gelsäch sisch en D ic h tu n g zu schw ellen p fleg te .1 D ie G eb ärd en au sb rü ch e stellt die h el­ dische E p ik n ich t dar. F reilich ju b ilieren die D ich ter, sobald sie von d er N ie d e rla g e der G e g n e r berich ten, oft a u sd rü ck lich über das Feh len der F reu d eexp lo sio n en und des S ie g e s­ ju b els bei den G esch lagen en . D ie besiegte G ren d elm u tter „ d a r f sich n ich t rü h m en “ 12 und die g efallen en E n g el in d er ae. Genesis „k o n n te n n ich t lau t la c h e n “ .3 D iese n egierten A u s ­ d rü ck e d er F re u d eä u ß eru n g sind w ied eru m nich ts anderes als em p h atisch e L itotes, als eine bildh afte V e r h ü llu n g der tatsäch lich en A u sd ru c k sg e b ä rd e n . M an h at d a r a u f hingew iesen, d aß m an sich in solchen F ä llen eigen tlich ein H eu len vorzustellen h a t,4 also ein G eb aren d er S ch m a ch , wie es im sp äteren M ittelalter oft g em alt w ird. A b e r dessen d irekte D a r ­ stellu n g eben m eidet die a ltcn glisch e H eld en d ich tu n g , ebenso w ie sie es m eidet, in der g ege n teilig en S itu ation d ie F reu d eg eb ä rd en der H eld en tatsä ch lich zu sch ild ern , deren F eh len bei den G esch lag en en sie betont. So bezeich net auch den H ö h ep u n k t von W ig la fs G efü h lsreg u n g en im A n g e sich te des vom D ra ch en bed rän gten B e o w u lf der vern einte A u sd r u c k : „ D a konn te er sich n ich t zu ­ rü c k h a lte n “ .5 W en n W ig la f d a r a u f die W affe p a ck t, so ist dies nich t A u sd ru ck sg eb ä rd e, w ie P irk h o fer es d a rste llt;6 vielm eh r sch ließt m it der L ito tes die D a rstellu n g der E n tw ic k ­ lu n g seiner inneren Im pulse ab, die ihn, W ig la f, zum H an d eln treiben. D a s W affen ergreifen ist schon Z w e ck h a n d lu n g ; es ist d ie F o lg e d er inneren, em otionalen E n tw ic k lu n g , nicht ih r A u sd ru c k . E s vera n sch a u lich t n ich t die vorh er analysierten G efü h le, sondern W ig la fs K a m p fg e ist. D a ra n ze ig t sich noch ein w eiteres M ittel der alten glisch en D a rstellu n gsw eisc, die G e ­ fü h lsg eb ä rd en zu verh ü llen : n äm lich die Ü b e rd e c k u n g der G efü h lsreg u n g d urch w i l l ­ k ü r l i c h e S i t u a t i o n s b e w e g u n g , die an sich von A ffe k tg e h a lt frei ist. W en n es nach dem D ra c h e n k a m p f von W ig la f im S ch m erze heißt, d aß er „erm ü d et saß, der F u ß k ä m p fer, seinem H errn den S ch u ltern n a h ; m it W a sser ihn zu w ecken ve rsu ch t’ er, d och es g e la n g ihm durch au s n ich t“ ,7 so scheint seine H a ltu n g vor dem sterben den B e o w u lf (frean eaxlu m neah) trotz des u nsch arfen A u sd ru ck s, der sic andeutet, das der Sitte g em äß e B etrag en zu sein ,8 w ährend sein B em ü h en, den Sterben den m it W asser zu kühlen, d och eine Z w e c k ­ h a n d lu n g ist, die zu vor Schon a n sch au lich g em ach t w urde (2722 f.), und kein em otionelles G ebaren . H ält m an d ag eg en die A u ffü h r u n g von an tiken H eld en im A n g e sich te toter S ch la ch tgen o sse n ,9 oder auch entsprechende S ch ild eru n gen im altfran zösisch en und m ittel­ hochdeutschen H elden epos, w o sich der S ch m erz in T rän en ergü ssen , H än d erin gen , U m ­ arm en und A b k ü sse n des L eich n a m s au sd rü ckt, so w ird die V e r d e c k u n g des A ffek tau sd tu ck s in jen em V erh a lten W ig la fs, aus dem nur-em otionale A u sd ru c k sb e w e g u n g fern­ geh alten ist, n och offensichtlicher. W ie konsequ ent diese Schilclerun gsw eise ist, zeigt sich, wenn der B ote im B erich t das V erh a lten W ig la fs in der B em erk u n g zu sam m en faß t, d aß 1 V g l. S c h ü c k in g , H eld en stolz, S. 9. 2 b e g y lp a n ne þ e a r f G ren d eles m a g a (B eow . 2006 ); v g l. auch B eo w . 2363. 3 ne þo rfton h lude hlihhan (Gen. 72 f .) ; v g l. a u ch W a h rig , 284. 4 V g l. W a h rig , ebd. 5 ne m ihte þ a fo rh ab b a n , hond rond g e te n g , / g e o lw e lin de, go m el sw yrd g e te a h (B eow . 2609 f.). 6 V g l. P irk h o fe r, S. 57; zu m fo lgen d en je d o ch P irk h o fers an son sten w ertvo lle A n a ly s e dieser Stelle. 7 H e g e w e rg a d sæ t, / fe þ e c e m p a fre an e a x lu m neah, / w eh te liyn e w æ tre ; him w ih t ne speow (Beow . 2852 ff.). 8 W ie es von H ro th g a rs M arsch a ll, d er in ge b ü h rlich e r H a ltu n g v o r sein en K ö n ig tritt, m it ä h n lich er W en d u n g heißt, d a ß er diesem " fo r e a x lu m gesto d "’ (Beow . 35®)- H ild eb u rh in der F in n sb u rg e p iso d e trau ert eam e on e a x le (Beow . 1117}; v ielle ich t ist auch dam it d ie g e b ü h rlich e T ra u e rh a ltu n g a n g e d cu te t (sofern H o lth au sen s K o n je k tu r u nd die von S ch ü c k in g , M alo n e u. a. vertre te n e In terp u n k tio n stim m en) 8 V g l. G raje w , S. 14; S ittl, S. 65 f.

G em ütsbew egungen und G ebärden

“ W ig la f siteð/ofer B io w u lfe, byre W ihstan es, / eorl ofer oörum . .

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(B eo w . 2906 ff.), w om it

er eigen tlich dessen V e rrich tu n g der T o ten w a ch e m eint. D en n S itu atio n sb ew eg u n g , zerem onielle F orm , ebenso w ie h eldenh afte K ra ftg eb ä rd en - all das liegt a u ß erh a lb der Zone des G efü h lsau sd ru cks. W en n H y g e la c in seiner Freude über die N a ch rich t vo n B eow u lfs R ü ck k e h r so gleich ehrenden P la tz in der H alle schafft {Beow . 1975), so vo llzieh t er eine zerem onielle H a n d lu n g . Ihre E rw ä h n u n g ersetzt die S ch ild e ru n g spontaner G efü hlsgeb ärd en des freu d ig erregten H y g e la c. U n d w enn H ro th g a r bei der V era b sc h ie d u n g B eow u lfs diesen k ü ß t und u m halst {Beow. 1870 f.), so ist auch d ie­ ses K ü ssen eine konvention elle G ru ß ge b ä rd e, w elch e die Situ ation h ier fo rd cit und kein esfalls eine steigernd e Ä u ß e r u n g der A b sch ied ssch m erzgefü h le, w ie m an angenom m en h a t.1'12 Solche F orm en und H altu n ge n treten auch an die Stelle d er fehlenden R ed egestik. D ie d i r e k t e R e d e selbst ist d azu da, G em ü tsb ew egu n gen und L eid en sch aften zu erklären .34 E in er V e ra n sch a u lich u n g affektischer R ed egeb ärd en scheint es g a r n ich t zu bed ü rfen; m an ch m al w erden sie auch m it einer L ito tes zu g ed eckt. D en n w enn die V o rw ü rfe, die W ig la f an die verzag ten G efäh rten richtet, ein gefü h rt sind m it: „ d a w ard seitens des ju n gen M an n es g rim m ig e A n red e g ar leicht zu bekom m en von denen, die vorh er dei M u t verließ , so ist die H e ftig k e it nur zu ahnen, m it der er die G esellen a n h errsch t; und w enn der Bote anhebt, vo n B eo w u lfs T o d zu berichten, indem er „ w e n ig sch w ieg von den N e u ig k e ite n “ ,5 so m öchte m an darin verborgen e em phatisch e G eb ärd en verm uten. D ie dürren R ed e­ a n k ü n d ig u n g en (“ B e o w u lf m aþ elo d e” ) nehm en den R ed en vollends den G eb ärd en au s­ dru ck, w ährend viele R ed en der E d dalieder, w eil sie ohne jeglich e A n s a g e h ervorbrechen, die G em ü tsb ew eg u n gen viel u nm ittelbarer ausstoßen und dahei d ia m atisch er, bühnen.h after, g leich sam selbst wie gro ße G ebärden w irken. W o aber in alten glisch er D ich tu n g die R ed eh altu n g en der S precher an gem erkt w erden, da sind es w ied eru m w illkü rlich e P ositu ­ ren oder zerem onielle V erh alten sw eisen , die zum in den W orten selbst beschlossenen G e ­ fü h lsg eh alt nichts N eues m ehr h in zufügen , sondern ihn allen falls sin nbildlich unter­ streichen. Z u seiner letzten A bschiedsrede, die von schm erzlich-stolzen G efü hlen getragen ist, setzt sich B e o w u lf a u f einen Stein {Beow. 2417), w as in der gan zen m ittelalterlichen K u n s t u n d D ich tu n g eine konvention elle G eb ärd e b etrü bter S tim m u n g ist. H ro th g a r stellt sich, um m it freu d egesch w ellter B ru st angesich ts der a u f den D a ch g ieb el aufgesetzten G ren d eltatze B eo w u lfs S ie g über das U n g e tü m zu preisen, a u f ein P odest (stod on stapole; Beow . 926) ;6 und auch wo anläßlich anderer T riu m p h red en die Sprechenden die S ieg es­ trophäen betrachten, w ird m an sich gro ße G eb ärd en vorstellen m üssen.7 Besonders deut­ lich d oku m en tiert ähnliches auch das J u d ith -F ra g m en t, wenn dort die H eld in w ährend ihres G eb ctsm on ologs, in dem sich die Jam m ervolle in den E n tsch lu ß hineinsteigert, dem Plolofernes den K o p f abzu sch lagen , ostentativ das S ch w ert in die H an d nim m t (genam öa w u n d en lo cc / scyppendes m æ gð scearpne m ece, / scurum heardne, and o f sceaðe abræ d / sw iðran folm e; J u d ith 77 ff.). D ie biblische Q uelle erw äh nt hier ausd rü cklich , d a ß Judith

1 V g l. S tro cb e, S . 9. 2 Ü b e r H ro th g a rs d abei vergossen e T rä n e n v g l. u. S. 95 f. 3 E s g in g e ü ber den R a h m en dieser U n te rsu ch u n g hinaus, zu v erfo lg e n , w ie die R eden , w elch e etw a 4 3 % des B eo w u lfep os a u sm ach en , o ft subtilste Z ü g e u n d R e g u n g e n d er S prech en den verm itteln . V g l. dazu K la eb e r, B e o w u lf, S. L V ; S ch ü c k in g , H eld en stolz, S. 30 f f ; P irkh o fer, p assim . 4 þ a w a s æ t öam g e o n g a n g rim a n d sw aru / e ð b e g e te þ a m ð e æ r his eine forleas {Beow. 2860 f.). 5 L y t sw ig o d e / n iw ra spclla {Beow . 2897 f.). 6 V g l. A . E . D u B o is und D . A . G riffith , M L Q X V I (1955), 291 f f 5 V g l. B eow . 1687; 2793. M ünchen A k . A bh. phil.-hist. 1959 (H abicht)

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Die G ebärde in der altenglischcn D ichtung

ihr G eh et stum m verrich tet, und beo bach tet dabei ihre G eb ärd en - die B u ß g e ste (Bestreuen des H au p tes init A sch e), den T rä n e n e rg u ß , das stum m e Z u cken ihrer L ip p e n ; all dies läßt d er alten glisch e D ich ter fort - Judith redet bei ihm la u t und ihre G efü h le erk lärt sic in der R ede. E r veran sch au lich t d a g e g e n ihre heroische H a ltu n g mit g ezü ck tem Sch w ert. So spricht wohl auch B e o w u lf seine P rah lw o rte vor dem G re n d e lk a m p f in einer sein H eld en ­ tum bekun den den P o situ r - „b e v o r er ins B ett ste ig t“ 1 w o zu er zu n ächst dem onstrativ die R ü stu n g a b g e le g t h a t; denn w affenlos, so e rk lärt er, w ill er G ren del erw arten . In d er P ose soll der in der H alle R ed en de gesehen w erd en - und zw ar n ich t n u r von dem anw esen den L eib k n ech t, d am it dieser, w ie ein K a m m erd ien er einer klassizistischen T ra g ö d ie , in seine S tim m u n g ein gew eih t w erd e, sondern von seiner M an n en sch ar, auch w enn deren A n w esen h eit nicht verd eu tlich t ist. U n d so soll der H örer ih n sich sin n en ­ fä llig vorstellen. A u c h die knap p eren E in sch ü b e in m an ch e der R e d ea n k ü n d ig u n g e n scheinen solche H a ltu n g e n andeuten zu w ollen. D e r S tran d w äch ter h ebt zu r R ed e an, „ d a er zu Rosse s a ß “ ;12 und : „ B e o w u lf sp rach - an ihm glitzerte die B rü n n e . . .“ .3 O d er es w ird an zere­ m onielles V erh a lten und d am it an die R a n g w ü rd e des Sp rechen d en und an d ie R e p rä ­ sentation erin n ert: „W e a lh th e o w sp rach, sie redete vor der M än n ersch ar . . - es fo lg t die öffentliche B elo b igu n g sred e d er K ö n ig in an B e o w u lf;4 vo r der R ed e U n ferth s h eißt es, daß dieser dem „ H e r r n der S c y ld in g e zu F ü ß en s a ß “ ,5 w as wohl seine S te llu n g als pyle ken n ­ zeichnet. S e lb st in d en R ed eein fü h ru n gsfo rm eln vo m T y p “ H ro ð g a r m aöelode, heim S c y ld in g a “ , deren zw eite H ä lfte den persönlichen R a n g des Sp rechen d en unterstreicht, könnte m an n och den R est eines H in w eises a u f die entsprechende w ü rd ig e H a ltu n g ver­ m uten . I n solchen rep räsen tativen , heroischen oder zerem oniellen H a ltu n g e n fühlen die H eld en , aber diese H a ltu n g e n sind nicht R efle xe ihrer G efü h le; ih re V era n sch a u lich u n g rü ck t die E rregten - doch n ich t ih re E rre g u n g - ins B lick feld . G leich ze itig aber w ird der D ich ter n ich t m ü de, die G efü h le selbst in ab strak ter D a rstellu n g zu verfolgen oder sie in den R ed en erklären zu lassen. A u c h in gew issen E rsch ein u n gen der S y n t a x d a r f m an w oh l einen en tkörperlichenden E rsa tz der A ffe k tg e b ä rd e n sehen. G ew iß hieße es zu w eit gehen, die asyndetische S a tzfo lg e von vorneherein als G efü h lsau sd ru ck deuten zu w ollen .6 E s ist indes sicher kein Z u fa ll, w enn gerad e in den em otionalen R eden u n d in den sch ein b ar so dürren R ed ea n k ü n d ig u n ­ gen — also dort, w o m an G eb ärd en erw arten m öch te — o ft eine P aren these ru c k a r tig den S a tzflu ß d u rch b rich t; auch die eben erw ähnten A n d eu tu n g en von R ed eh altu n g en haben ja zum eist diese syn taktisch e F orm . W eitau s die M eh rza h l der 41 F ä lle dieser em p h atisch en P arenthesen, die K r a p p im B e o iv u lf zä h lt,7 kom m en an solchen Stellen vo r - die ü brigen vo rw iegen d in S ch ild eru n gen des K a m p fes und der T ra u e r! In abrupter, parenth etisch er S y n ta x schildern die E d d alied er - und sp äter wird es auch L a ja m on tun - die G eb ärd en und dyn am isieren so deren W irk u n g ; auch der B eo w u lfd ich ter ken n t dieses Stilm ittel, fü llt es aber m it ab straktem In h alt, m it innerer E m otio n oder m it affektfreier R ep räsen tation und m ach t es d am it zum G eb ärd en ersatz. M an w ird auch d arin ein A n zeich en seiner T en d en z erblicken dürfen, den G efü h lsau sd ru ck in die G ren zen des Seelischen zu verw eisen. 1 Gesprær. p a se go d a g y lp w o rd a sum , / B e o w u lf G ea ta , æ r he on bed stig e {Beow . 675 f.). 3 ðaer on w ie g e sæt (Beow . 286). 3 B e o w u lf m aöelode - on him byrn e scan (B eo w . 405). 4 W ealh ö eo m aöelode, heo fore þ æ m w erede spræc {Beow. 1215). 6 p e aet fo tu m sæ t frean S c y ld in g a {Beow . 500). * V g l. S ch iick in g , B e o w u lfs R ü ckkeh r, S . 1. 7 V g l. K ra p p , A 'IL N X X (1905), 33 ff.; d a zu : S ch iic k in g , Sa tzv erkn ü p fu n g , S. 135 f.

G em ütsbew egungen u n d G ebärden

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D a s b estän d ige W irken u n d Z u sam m en w irken jener stilistischen und darstellerischen M ittel verw isch t auch den E in d ru c k der g an z w en igen im nichtsinnlichen Z u sam m en h an g d irek t bezeichneten G eb ärd en . Z w a r ist es eine G efü h lsgeb ärd e, w enn d er S ch atzb ew ach er b ekü m m ert u m h e rirrt: Swa g'iomormod gioböo mænde an æfter ealhim, unbliöc hwearf dæges ond nihtes . . . IBeow. 2267 if.). D o ch ihre N e n n u n g ist n u r V a ria tio n zu der des reinen G efü h ls; und auch dann noch liegt der S ch w erp u n k t a u f dem qu alifizieren den L ito te s-A d v erb (un-froh), das in P arallele steht zu vo rau sgeh en d em “ gio m o rm o d ” , also den G efü h lsw ert vertieft, und das überdies den H au p tto n trä g t - n ich t h in g eg en a u f dem B ew egu n gsverb , dessen kon kreten W ert die V era llgem ein eru n g („b ei T a g u n d bei N a c h t“ ) schon w ied er versch w im m en läß t. N ich t anders ist es w enn es von den G au ten, die trauernd zum sterbenden B e o w u lf und zum ersch lagen en D ra ch en ziehen, h eißt: „ S ie zogen u n froh zu m A d le rk a p , tränenw allend . . (eodon unbliöe under E arn an æ s, / w ollen teare w u n d u r scea w ian ; Beow . 3031 f.). Ihre K la g e s tim ­ m u n g ist im stabenden „u n fro h “ besch lossen ; das p arallele A d v e r b „trä n en w a llen d “ , das die V a ria tio n an h än gt, deutet die physische Ä u ß e ru n g nur an. M it allen jenen für ihren D a rstellu n g sstil ch arakteristisch en T en d en zen bew irkt die a lt­ en glische D ic h tu n g offenbar eine bew u ßte A u ssch a ltu n g der spontanen G efu h lsgeb ard en aus dem B ereich des A n sch au lich en . D a s b ed eu tetn u n fre ilic h n ic h t.d a ß cs d e r alten glisch en D ich tu n g und ihrem P u b lik u m an einer V o rste llu n g fü r reale körp erlich e G cfu h lsgestik ü berh au p t gebräch e - eine solche ist vielm eh r die V o ra u ssetzu n g , ohne die die 1 endenz zu r E n tk ö rp erlich u n g des G efü hlsau sd ru cks u nverstän dlich w äre. D e r B ild w erd u n g der G e ­ bärde m uß das G ebärd eerlebnis vo rau sgeh en ; wo die N egatio n z. B . des L ach en s als entsinnlichende L ito tes fü r den A u sd ru c k gegen teilig er G efü h le fu n giert, m u ß cs em e rea e V o rstellu n g dieses L ach e n s geben ; w o sich der syn taktisch e F lu ß bei der W ied e rg a b e von E m otionen em phatisch staut, m uß ein U rd ra n g zur G eb ärd e d azu den A n sto ß geben. U n d w enn die H eld en in öffentlicher, th eatralisch er Pose fü h len und über ihre G efü hle reden, so w eist d och diese T h ea tra lik , m it der die F üh len den vo rgestellt w erden, a u f eine u r­ sp rü n glich ere T h e a tra lik des F ühlen s, also a u f G eb ärd en, zu rü ck. . Jene u rsp rü n glich e G efü h lsgestik dürfte auch im B ew ußtsein des angelsächsischen P u b lik u m s g eleb t haben. Sie m a g auch bei den H örern des B eo w u lfep o s assoziativ nutg ed a ch t w orden sein. D a s erzählkün stlerisch e V erfah ren d er „R eflex ch a ra k teristik z. B. m öchte dies verm uten lassen; w enn der dänische Stran d w äch ter von dem unbekannten A n k ö m m lin g beein d ru ckt ist, so d esw egen, w eil (wie w ir d an n aus seiner R ed e erfah ren , vg l. Beow . 250 f.) das A u ssehen (ansyn) und das A n tlitz (wlite) des erhabenen K äm p en , also seine H a ltu n g und M im ik, a u f ihn g ew irk t h aben. D ie V o rstellu n g der ausdrucksvollen G eb ärd e w ird d a als verm ittelndes B in d eg lied gefordert. M an könnte d aru m von einer potentiellen G estik im B e o iv u lf sprechen. A lle rd in g s ist d abei die V o rstellu n g der G efü h lsgeb ärd e überaus v a g e. Ihre m an geln de S ch ärfe, die sich auch im Sp ra ch lich -B eg rifflich en erweist, rüh rt indes daher, d aß es eine typisierte G efü hlsgeb ärd en sp rach e, w ie sie dann das französisch e H eldenepos und die m ittelen glisch en D ich tu n g en kennen, kau m gib t. A u c h m der E d d a und m ehr noch im keltischen B ereich sind die G efü hlsgeb ärd en elem entare [A usbruche, keine T o p o i. E i äußerst grelles und doch unpräzisiertes G ebärd enspiel zeigen auch die angelsächsischen

V g l . S ch ü c k in g , H eld en stolz, S . 30.

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W e G ebärde in d er altenglischen D trliiu ii”

B u chm alereien . W o rrin g er m ach t d afü r zw ar orien talischen E influ ß gelten d, weist aber g le ich ze itig d arau f hm , d aß dieser E in flu ß einer „n a tü rlich en E x a lta tio n des A u sd ru c k s­ b ed ü rfn isses“ nur en tg eg en k o m m e .1 U m so erstaun licher m u ß die kü n stlerisch e K o n seq u en z anm uten, m it d er d er B eo w u lfd ich ter die G eb ärd en im P oten tiellen sch w eben läß t und den G efü h lsau sd ru ck en tkö rp erlich t und zäh m t. In dieser K u n stle istu n g ist w ohl die W eitere n tw ick lu n g und V e ra rb e itu n g einer die spontanen A u sd ru c k sg eb ä rd en p lastisch sch au en den L ie d erd ich tu n g zu sehen. Diese, mit ihrem sin nen fälligen Stil, erh ält sich in den E d d a lied ern fo rt und ken n zeich n et hinsichtlich dci G eb ärd e auch noch die a u f an gelsäch sisch em B oden entstandenen sp äten E reign is­ lieder. D ie Ü b erm u tsg eb ä rd e des ju n g e n R itters am A n fa n g des B yrh tn oth -F ragm en tes, der v o r der S c h la ch t einen F a lk en fliegen läßt, als ob er bloß a u f die Ja gd gehen w olle, ist s p o n ta n ; das L a c h e n im A n g e s ic h t des T o d e s 123 *ist ein u n m ittelb arer A u sb ru ch , der an W ir­ k u n g dem berühm ten T o d eslach en H ögn is kau m nach steh t, und selbst die K a m p fe s­ g eb ärd en w ie das S ch ild h eb en und -schw enken und das W affen rasseln 8 sind h ä u fig er und expressiver. D ie die G efü h le in den G ren zen des seelischen B ereich s aufsp ü rend e D a r ­ stellun gsw eise der alten glisch en E p ik erschein t d em geg en ü b er als eine ab klären d e V e r ­ a rb eitu n g des urtüm lich en M aterials, als W erk einer schon h och en tw ickelten K u n st, die heute als over-elaborate, on its w a y to d eca d en ce” 1 erscheinen m ag. D ie U rsach en fu r diese E n tk ö rp erlich u n g des G efü h lsau sd ru cks sind n a ch dem G esagten kau m in der sch w ach en m im ischen V e r a n la g u n g zu sehen, die H eu sler den G erm an en in ihrer G esam th eit n a ch sag t. M an h a t die alten glisch e D a rstellu n gsw eise der G efü h le als das E rgeb n is einer „gew issen E rw e ich u n g des G em ü ts“ u nter dem E in flu ß der C h ristian isie­ ru n g a u fg e fa ß t5* und - vo n anderer Seite - ergän zen d d azu erklärt, die en glisch en H eld en besäßen „n ich ts von d er urgesun den, ü berqu ellen den lebenslust und leb en skraft des eddischen re ck en “ .8 D erlei U rteile b erü ck sich tig en ein seitig die N e ig u n g zur tiefsch ü r­ fen den, inneren G efü h lssch ild eru n g, nich t aber auch den bew u ßten kü nstlerisch en Form wiflen, der den G efü h lsau sd ru ck en tkörp erlich t. D e r geh altlich e Sin n dieser E n tk ö rp er­ lich u n g ist es näm lich nich t, „ e rw e ich te “ H eld en darzustellen, sondern im G egen teil das H eld en tu m ethisch zu erhöhen. D a v o n soll im folgen den A b sch n itt die R ed e sein.

2. D A S L E B E N S G E F Ü H L

UND SEINE

M ANIFESTATION

D ie allgem ein e L eb en sstim m u n g, das L eb en sg efü h l, m an ifestiert die alten glisch e D ic h ­ tu n g nicht m eh r in der kö rp erlich en Ä u ß e r u n g zu fä llig er A ffe k te . W oh l aber verm ittelt sie dieses L eb en sg efü h l in einer oft sta rk a u f die Sin ne w irkend en W eise durch gro ß e th eatrali­ sche H altu n gen und G eb ärd en . Ein ju g en d lich er G eist,7 der nach A u sd ru c k d rä n g t, w ohnt auch den angelsäch sisch en H eld en inne und m an ifestiert sich öffentlich im G eb aren der K ä m p fe r oder d er M an n sch aft 1 V g l. W o rrin g er, S . i i. 3 V g l. M a ld o n 147. 3 V g l. 1 V g l5 V g l. * V g l.

M a ld o n 43; 130; 230; 255 ; 309. L a w ren ce, S. 4. H ein zei, S. 32 ft". H offm an n , S. 178.

7 V g l. S ch tickin g, D ie englische L itera tu r im M ittela lter, S. 4.

D as Lebensgefühl und seine M anifestation

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in der M eth alle, im “ d rea m ” , dem schallenden M an n en ju b el.1 M a n sch ätzt diesen Ü b er­ sch w a n g als etw as w ah rlich M an n h a ftes; und selbst die religiöse D ich tu n g , die im Sinne k irch lich er L eh re das w eise S ich m ä ß ig e n des A lte rs höher stellt und den “ d rea m ” p ejorativ w ertet, en tsch u ld igt ihn dennoch fü r die Ju n gm an n en , w ie w enn der D ich ter des G u t Mac aus­ d rü ck lich einräum t, d aß ja G o tt auch die Ju gen d und den M an n en ju bel gesch affen h a b e: God scop geoguðe ond gumena dream; ne magun Jia æfteryld in þam ærestan blæde geberan, ac hy blíssiað worulde wynnum . . . (G u th l . 495 ff.). Ist nun in dem G eg en sa tz zw ischen der körperlosen D a rstellu n g der G efü h le einerseits und der sin nen haften der M an ifestatio n des h eldischen Ü b ersch w a n g s andererseits eine In kon seq uenz, ein M a n g e l an künstlerisch er E in h eit zu sehen ?12 W ir m öchten es nicht g la u b en ; denn gerad e die theatralische, dem onstrative H eld en geb ärd e h a t ja, w ie oben g e ­ zeigt, o ft die F u n ktion , die A ffe k tg e b ä rd e zu ersetzen. D em en tsp richt eine innere W ech sel­ w irk u n g zw ischen H eld en geb ärd e und A ffek t. In d er H eld en geb ärd e w ird die Z ü g e llo sig ­ keit der A ffe k te ü berw unden. D e r Ü b erw in d u n g m uß als w irksam e K r a ft ein E thos der W ü rd e und des M aß es zu gru n d e liegen. M it der veredelnden höfischen mäze, die fü r die m ittelhochd eu tsche D ich tu n g von so g ru n d legen d er B ed eu tu n g ist, h at das freilich noch w en ig zu tun. M eh r als bei der maze ist heroische W illen sk raft der zün den de F u n ke. D ieses E thos en tsprin gt altgerm anisch em Geiste, w iew ohl es sicher m itg e p rä g t ist von dem P rin zip der christlichen tem perantia, das die L ehren der K irch en v ä ter d u rch zie h t und auch sp äter in der populären geistlichen L itera tu r eine w ich tige R o lle sp ielt.3 In dem sich dieses W illen sethos von W ü rd e und M a ß g egen die A u fw a llu n g des G em ütes stem m t, die n ach A u sd ru c k d rä n g t, entsteht eine Z w eip oligkeit, ein K o n flik t. M an hat die N a tu r dieses K o n flik ts in den anderen altgerm an isch en B ereich en offenbar nich t im m er voll g ew ü rd igt. L essin g sah einen Z u g „a lten nordischen H eld en m u tes“ im U n terd rü ck en der A ffe k t­ gebärd en ;4 H eu sler vertrat die en tgegen gesetzte A u ffa ssu n g , d aß „an geb o ren es P h leg m a und S c h w e rb lü tig k e it“ einen M a n g el an m im ischer B e g a b u n g vo n N a tu r aus b ed in g en .5D ie S p a n n u n g zw ischen Ü b e rsch w a n g und E th os w o h n t jed o ch , wie N eckel ric h tig betont, zu ­ tiefst der germ anischen E rlebn isw elt inn e.6 B eim H eld en treibt diese S p a n n u n g die große, affektü berw in den de G eb ärd e aus sich hervor. D a s h at d er B eo w u lfd ich ter m it k ü n st­ lerischer M eistersch aft gestaltet. D e r H eld en ü b ersch w a n g m an ifestiert sich n am entlich im K a m p f e ; und der B eo w u lf­ d ich ter läß t g a r w ohl die K ö rp erb ew eg u n g en im. N a h k a m p f, das W affenrasseln und S ch w ertsch w in gen und D rein sch lag en aufleuchten . W irklich e G ebärden aber, d. h. zw eckfreie B ew egu n gen , schildert er da, w o es auch ethischer K rä fte bedarf, wo dem h eldi­ schen W ollen in kritischer Situ ation G efü h lsü b erw in d u n g und E n tsch lossen h eit a b ver­ la n g t w ird. W ie B eo w u lf, der vor dem D ra ch en k a m p f das noch verborgen e M onstrum er­ w artet, schon den Schild schw enkt, das S ch w ert zü ck t und sich zu r K am p fesp ositu i a u f­ reckt (B eo w . 2559 ff.) und d am it sein S ch reck g efü h l m eistert (denn „ e s ward jedem der 1 V g l. v. L in d h eim , R E S X X V (1949), S. 199. " F ü r diese A u ff. v g l. H . S ch n eider, S. 33. 3 V g l. S ch ü c k in g , E n g l. L it ., S. 6. 4 V g l. L e ssin g, Laokoon, K a p . I. 5 V g l. H eu sler, G erm anentum , S. 31. 6 V g l. N e ck el, Germ anen u n d K elten , S. 90.

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Die G ebärde in d er altenglischen D ichtung

G eg n er, d er F ein d lichgeson n en en , S ch reck vor dem and eren“ 1} ; oder w ie er a u f dem G ru n d e des Sees, als er G ren dels M u tter g ew a h r w ird, „d e m K a m p fsc h w e rt einen m äch tig en S c h w u n g g a b , . . . d a ß ih r das E isen a u f dem K o p f d rö h n te“ 12 (ob gleich das P u b lik u m g e ­ ah n t h aben m a g , d aß er d am it g egen die U n h o ld in g a r nichts ausrich ten konn te, w eil nach dem V o lk sg la u b e n T ro llen ihres S c h la g s w id er frem de W affen g efeit w aren) ;u n d w ie er die nutzlose W a ffe d an n zu B oden schleudert, n u n seiner persönlich en S tä rk e zu vertrau en d erart g e w a ltig e s G eb aren geh t ü ber die zw e ck m ä ß ig e n K a m p fesb ew eg u n g en hinaus. S o l­ ches preist im letztgen an n ten F a ll der D ich ter als Z eich en ech ter M a n n h a ftig k e it: „ S o soll ein Field es m achen, w enn er im K a m p fe lan gew äh ren d en R u h m zu erlan gen g e d e n k t.“ 3 S e lb st das H eld en tu m der Ju d ith w ird in dem alten glisch en F ra g m e n t verd eu tlich en d her­ vo rgek eh rt, w enn es heißt, d aß diese, im h eiligen E n tsch lu ß zu r T a t, den sch lafen den H olofern es an den H aa ren zu rech tzieh t, m it dem S ch w ert zu sch lä g t, ih m aber n u r den H als sp altet und dann noch einm al a u f ihn einhaut, d aß der K o p f zu B oden rollt {J u d ith 98 ff.); die Q uelle sa g t n u r: „ S ie sc h lu g ih m zw eim al ins G e n ic k .“ 4 T r ä g t n ich t dieses G e ­ baren, w ie auch die schon erw ähnte vo rau sgeh en d e R ed eh a ltu n g , dazu bei, die Ju dith zum germ anisch en H eld en w eib zu stem peln ? A u c h E lene und Ju liana tra g en B rü n h ild en zü ge ,5 die sich bei der letzteren z. B . in der kraftvollen D roh pose m an ifestieren .6 D e r Z w eck der H cld en g eb ärd cn ist w ed er eine V era n sch a u lich u n g des A ffe k ts noch auch die Z u rsch a u stellu n g bloß er p h ysisch er K r a ft. V ie lm e h r sind sie Zeichen ethisch fu n dierten M an nen tum s. G leich sam um den sym bolh aften W ert, der ihnen d am it anh aftet, zu erhärten, nehm en solche G eb ärd en auch die F orm n ah ezu stilisierter Posen an. In seinem R ü ck k e h rb e rich t über den K a m p f m it d er G rcn d elm u tter erzäh lt B eo w u lf, d aß es ih m d a ­ durch g elu n gen sei, der U n h o ld in W iderstan d zu leisten, d aß er „ in g rim m ig au frech t d a ­ sta n d “ ,7 und m itten im G re n d e lk a m p f läß t die d irekte S c h ild eru n g den B e o w u lf in dem A u g e n b lic k sich zu äh n lich er P ose aufrecken , als ih m die in seiner „ A b e n d r e d e “ d o k u ­ m entierte H eld en gcsin n u n g w ied er ins B ew uß tsein tritt.8 D ie käm p ferisch en Z w e ck ­ b ew egu n gen erscheinen d em geg en ü b er von u n tergeordn eter B ed eu tu n g. L etzteres g ilt wohl auch für die altnordische L ied erd ich tu n g . N ecke! w eist in b ezu g a u f þrym skviða a u f die „N e b e n sä ch lich k e it des D rcin sch la g en s“ hin, das erst „ a m E n d e “ stattfin det, „d a , wo die H a n d lu n g a u s k lin g t“ . K r a ft und B eh en d ig k eit der M u skeln , so fäh rt er fort, sei fü r die stabreim en d e G ötter- und H e ld en d ich tu n g k ein G eg en stan d der K u n s t.9 E s ist bezeichnend, d aß auch in den S ch ild eru n gen vom G e l a g e j u b e l in d er H alle der anderen typ isch en Situ ation , in d er das rau sch h aft gesteigerte L eb en sg efü h l ü berqu illt d ie a n gelsäch sisch en H elden ih re G efü h le n ich t „g eh e n lassen “ . Z w a r m u ß m an sich den H alle n ju b el recht tu rb u len t und jed en falls lärm reich vorstellen (öaer w es hæ leða hleahtor, h lyn sw y n so d e ; Beow . 6 11). D e r dream, d ic M an ifestatio n des vom M e t entfesselten L eb en sg efü h ls, geh ört zum heldischen D a se in ; die K e n n in g setzt ihn dem L eb en sch lech t­ hin g le ic h .10U n d das G egen teil davon, d ie V e r ö d u n g der H alle, ist ein typ isch es M o tiv von K la g e g e sä n g e n .

1 æ g h w æ ð ru m w æ s / b e a lo h y e g e n d ra b r o g a fram oðru m {B eow . 2564 f.). 2 M æ g e n ræ s fo rg e a i / h ild eb ille . . . / Jiæt hire on h a fela n hrin gm æ l ago l {Beow . 1 Í19 fl".). 3 S w a sceal m an don, / þ o n n e he æ t g u ð e g e g a n þ en ceð / lo n g su m n e lo f {Beow . 1 534 ft'.). 1 percu ssit bis in c erv ic em eius et a b sc id it cap u t eius (13, 9). 6 V g l. S ch iick in g , E n g lisc h e L itera tu r, S . 19. 6 S ieh e u nten S. 68. 7 syððan ic on yrre u p p rih t astod {Beow . 2092). 8 V g l. B eow . 758 f. 9 V g l. N eckei, A ltn o r d isc h e L itera tu r, S. 70.

10 V g l. B eow . 2469: g u m d re a m o f g e a f = ,er sta r b “.

D as Lebensgefühl u n d seine M anifestation

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S o lch er R a u sch ist kein h altloser E x ze ß . D ie H eld en jub eln und jau ch zen , aber sie g e ­ bärden sich nicht w ie T ru n k en b o ld e. D e r betru nken e H olofernes in der (vom alten glischen D ich ter selb stän d ig geschaffenen) G elageszen e in J u d ith allerdin gs „ la c h t und b rü llt und stü rm t und g e llt“ , d aß w eithin alles dröhnt. T ro tzd em aber scheint selbst das R a u sch ­ g eb a ren dieses biblischen B ösew ichtes n och etw as T riu m p h a les an sich zu haben, w eil es im G eg en sa tz steht zu dem seiner L eu te, die er unter den T isc h getru n ken h at und die nun o h n m äch tig besoffen d a lieg e n .1 K raftd em on stratio n en im R a u sch m üssen als heroisch em p fu n d en w orden s e in ; und so b ed a rf denn des H olofernes W ein g en u ß beim altenglischen D ich ter keiner w eiteren M o tivieru n g , w ährend in der Q uelle das V o rg e fü h l der erw arteten L ie b esn a ch t d azu den A n re iz g egeb en hat. D u rch A lk o h o le in w irk u n g die G ew alt über die G lied er zu verlieren, w äre in der T a t eine sch m äh lich e N ied erla g e, deren sich der M ann zu erw ehren h at. Im 27. R ä tse l bezeichnet sich d er M et als einen „ B in d e r und W erfer, der m an ches M a l den M an n zu B o d en streck t“ ,12 und ein K ä m p fe n ist die R ea k tio n des H elden, der g eg e n das S ch w ä ch ege b aren , das er, der M et, auslösen m öchte, sich w ehrt (se þe m ec fehö ongean , / ond w ið m æ gen þ isan m inre genæ steð; 9 f.). A u c h in der isländischen D ich tu n g ist das G ela g e A n la ß zu heldischer M an ifestatio n , z. B . im S ich -M essen der H eld en im W o rtg e fech t.3 W ä h ren d aber die islän ­ dische S a g a d ich tu n g die physischen A u sw irk u n g en des A lk o h o lgen u sses auszu m alen sich n ich t scheut - bei G elagefeiern in der E g ils a g a z. B . erbleich t m an , verd reh t die A u g e n , sp u ck t in den S a a l4 - , scheinen sie aus der alten glisch en E p ik verd am m t zu sein. D er E in flu ß d er K irc h e m a g hier m itspielen; T h eo d oru s m alt seiner G em einde zur W a rn u n g an den ins F eg feu er V erd am m ten die physischen Sym p tom e der B etru n ken h eit au s.5 A b e r m an m ä ß ig t sich ja nicht im T rü n k e, der das heroische Ü b erm u tsg efü h l aufreizt, sondern eben diesem R a u sch g efü h l setzt m an das E th os der körp erlich en B eh errsch u n g en tgegen und m ach t so den R a u sch zu einer heldischen B ew äh ru n gsp ro b e. Ä h n lich es w irk t bei der M an ifestatio n von T r a u e r s t i m m u n g e n , von denen die alt­ en glisch e D ich tu n g vo ll ist. D a ß der H eld den h eftigen und lan gew äh ren d en K u m m er, des­ sen er fä h ig ist, n ich t in T rän en ergü ssen von sich gib t, hat schon T a citu s den G erm anen n a ch g erü h m t.6 G erade der W iderstreit zw ischen T ra u erstim m u n g und Selbstbeh errsch u n g erhöht das E legisch e im A lten g lisch en , w ie w enn im W anderer das trau rig e G em ü t m it der edlen H eld en sitte, d aß m an „ fe s t binde seinen G em ü tsversch lu ß “ 7, rin gt. D a s gleich e geh t in H ro th g a r vor, als er n ach dem W ü ten G rendels in der D än en h alle, u m geben von jam m er­ vo llem V o lk e , inn erlich g eq u ält - aber beherrscht - d asitzt („e r d uldete k ra ftv o ll“ !8). U n d auch im T ra u m g e sich t vo m H eilig en K re u z erzäh lt das personifizierte K reu z, w ie es nicht zu zittern n o ch zu bersten w a g te bei der K re u zig u n g des H eiland s, obgleich es ih m g a r seür d an ach zum ute war, und so a u f der schw anken den E rd e einen beherrschten E in d ru ck m a c h te ;9 erst als es C hristus u m faß t, der eben ein noch stärkerer H eld ist (strän g ond s tiþ m o d ; 40), kan n es sich des E rbeben s nicht m ehr erw ehren (42). B ezeich nend fü r solche innere T ra u e rh a ltu n g ist au ch das räu m lich e Sich abson dern , der B ettg a n g . D e r alte M an n,

1 V g l .J u d it h 23 ff. 2 N u ic com b in d e r e / on d sw in g ere, sona w e o rp e / esrte to eorþan, h w ilum ealdne ceorl . . . (27. R ä tse l, 6tf.). 3 V g l. M ey er, S. 53. 4 V g l. T h u le, B d . 3, z. B . S . 115. 5 V g l. B u d d e, S . 58. 6 L a m e n ta a c lacrim as cito, dolorem et tristitiam ta rd e pon u nt (G erm ania, K a p . X X V I I ) . 7 þ æ t he his ferðlo ca n f e s t e b in d e {IVa. 13). 8 u n b líð e sæt, / þo lod e ðryðsw yð þ e g n so rg e dreah (B eow . 130 f.). 9 V g l. D rea m o f th e R o o d 35 ff.

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D ie G ebärde in d er altenglischen D ichtung

dessen I rau er m it der H reth els verglich en wird, b eg ib t sich im K u m m e r zur R u h estätte (on sealm an ; Beam . 2460), w eil ihm d rau ßen - in den F lu ren w ie in d er H alle - alles zu w e iträu m ig dün kt. A b e r nicht das A b geso n d ertsein , sondern das M om en t des S ich ubsonderns ist k o n k ret vo rgestellt - das M om en t also, in dem sich der innere K a m p f zw ischen G efü h l und Selbstbeh errsch u n gseth o s abspielt. D a ru m ist die G eb ärd e des B e tt­ g a n g s , die auch in der S a g a g e lä u fig ist,1 w eit g e w ich tig e r als eine A ffe k tg e b ä r d e ; sie ist die O ffe n b a ru n g des H ö h ep u n k ts eines K o n flik ts, einer inn erseelischen T r a g ik . A li diese d en A ffe k ta u sd ru c k ü berdecken d en W illen sg eb ä rd en veran sch au lich en also im K ö rp e rlich en eine H eld en gesin n u n g, deren K r ä fte aus der S p a n n u n g zw isch en dem d u rch au s vo rh an d en en leb h aften D r a n g zu r offenen G e fü h lsä u ß e ru n g einerseits und dem E th os des M aß es und der Ü b erw in d u n g andererseits geboren w erden. A ls sinnliche M a n i­ festation einer L e b e n sh a ltu n g w irk en sie sich, w ie wir n och sehen w erden, in d er epischen G e s ta ltu n g der B eo w u lfd ich tu n g aus.

3. G E B Ä R D E N

ALS

ZE R E M O N IE L L E

FORM

Im G eg en sa tz zu den A ffe k tg e b ä rd e n , deren reale D a rste llu n g das alten glisch e E p os u n terdrü ckt, treten die w illk ü rlich en G esten, die F orm en des Zerm on iells oder der R e p rä ­ sentation, o ft d u rch au s p lastisch g esch a u t in E rsch ein u n g. W ir kön n en heute d ie ku ltisch e und m a g isch e B ed eu tu n g nur n och ahnen, die diese zerem oniellen F orm en fü r die G erm an en h atten ; sie konnten binden und lösen, G lü c k bringen oder hem m end a u f das H eil einw irk e n .12 In ih nen findet das L eb en sg efü h l ein n och objektiveres G e fä ß als es die m a n i­ festierenden H eld en g eb ä rd e n schon sind. Die B eo w u lfd ic h tu n g erw äh n t nun zw ar erstaun lich e E in zelh eiten dieser zerem oniellen G e stik ; zu einer vö lligen E rsch lie ß u n g der E rsch ein u n gsfo rm en des Zerem oniells reichen ihre S ch ild eru n gen aber ebensow enig aus w ie das, w as uns die isländ isch en Q uellen sa g e n ,3 eben w eil sie dem B ew u ß tsein so selbstverständ lich zu geh ören . D ie d ich terisch e W irk u n g geht indes w e n ig e r von ihrer A n sch a u lich k e it aus als von der T a tsa ch e, d a ß sie in bestim m ­ ten S itu ation en in E rsch ein u n g treten. B ezeich n en d sind die L eb en slag en und T h em en kreise, m it denen sie v e rk n ü p ft sind: H eld en tu m und H eld en ü b ersch w an g , dann g e fo lg sch a ftlich e und sip p en h a fte B in d u n g, und en dlich die K la g e . D a zu kom m t von außen her der K reis des R eligiö s-K u ltisch en . D ie B ew äh ru n g ssitu a tio n fü r das H e l d e n t u m ist das G eg en ü b er m it dem F ein d e; es kom m t zu r E in leitu n g der fein dlich en B e g e g n u n g in der herau sford ernd en B e g rü ß u n g des G egn ers, dem “ g y lp “ , und im A n fe u e m der G enossen an den T a g . B eid es b egleiten das S ch ü tteln des Speers, das H och h eb en der W a ffen .4 A u c h d er d än isch e Stran d w äch ter betont zu n ächst m it dieser G eb ärd e den ih m noch frem den G au ten g ege n ü b er sein H eld en ­ tu m .56Im K a m p fe w ollen d erartige G eb ärd en ebenso w ie auch das E m p o rreißen der F ahn en a u f d ie G egn er einsch ü ch tern d und a u f die G enossen aufm u n tern d w irk en . O d er sie feiern den erru n gen en Sieg.« W en n T a citu s berichtet, d aß die S ch la ch tlied er anstim m enden 1 V g l. G ra f, S. 19. 2 V g l. G rön b ech , II, S . 74. 3 E b d ., S . 82. 4 V g l. W aldere I I , 12; E x o d . 252; M a ld o n 42. 5 V g l. B eow . 235 f. 6 V g l. E x o d . 301; 3 19 ff.; E/ene 123 f.

G ebärden als zerem onielle Form

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G erm anen die S ch ild e an den M u n d zu halten pflegten , u m ihre Stim m e durch den W id er­ h all vo ller und d u m p fer erschallen zu lassen ,1 so sieht er den G ru n d des E rheben s der Sch ild e in eben dem B ed ü rfn is der K rie g e r, w irk u n g sv o ll und m it fu rch tbarem A u sseh en a u f­ zutreten, für das er noch and ersartige B eispiele k en n t.12 F reilich sieht er d abei m ehr die sekun d äre Z w e ck b e w e g u n g (B en u tzu n g der S ch ild e als Sch allverstärker) denn d ie rep rä­ sentative G eb ärd e, als w elche das Sch ild h eben in der D ich tu n g sich erlich aufzufassen ist. B estim m t ist der S ch w ertta u sch zw ischen B e o w u lf und U n ferth eine solche, und auch der w ird im B ew u ß tsein des dräuenden K a m p fes vo llzo g en .34 * 5 A u c h zu r heldischen G em ein sch aft in der G ela g e h a llc m it ihrem lauten Ü b ersch w an g g eh ört d ie feste zerem onielle F orm . M an m u ß der Sitte (du gu ðe þeaw ) k u n d ig sein; die F orm m uß erfü llt w erden. D a s K red en zen des S ch en ks ist ein „W a lte n des A m te s “ ;1 und w enn beim H e o ro tg ela g e die W ealh th eo w - “ cynn a g e m y n d ig “ - den M an n en den B echer d arreich t (B eo w . 620 ff.), so ist diese zerem onielle F orm der bed eu tun gsvolle K e rn der G ela gesitu a tio n ; von ih r berichtet später B e o w u lf in seinem R ü ck k e h rb e rich t, n ich t aber vom lauten Jubel (vgl. 2020 ff.). D a m it sind w ir schon im anderen L eben skreis, den zerem onielle G eb ärd en sym bolisch fo rm en : bei der G e m e i n s c h a f t s o r d n u n g . D ie gcstisch en F orm en beim E m p fa n g und b eim G astm ah l (G ru ß und G ru ß h a ltu n g , P latzan w eisen , K red en zen usw .) sind, w ie w ir n och sehen w erden, im B eow u llepos vo n tragen d er W irk u n g . G eio lgsch attlich ei Sitte gehören G eb ärd en zu w ie die T ro p h äen ü b erreich u n g an den G efolgsh errn und die Besch en k u n g d urch diesen. W ie B e o w u lf nach seinen S ieg en über die I i ollen voi FIrothgar, dessen G e fo lg sch a ft er sich unterstellt hatte, den G ren d elk o p f a u f den F lö z der H alle legt und ihm den erbeuteten S c h w ertk n a u f ü berreicht, geh t in betontem , sin n en fällig, vorgestelltem Z erem oniell vor sich (1668 ff.) und ist außerdem d urch die V o rb ereitu n g (das A b s ch la g e n des G ren delhauptes, das triu m p h ale H eran trag en der T rop h äen ) in bed eu t­ sam es L ic h t gerü ckt. W ie B eo w u lf die m itgebrach ten S ch ätze K ö n ig H y g e la c ü b ergib t (2144 ff.), tritt nicht m inder plastisch in E rsch ein u n g ,8 und k o n k ret sind u m gekeh rt auch die Szenen der B esch en k u n g B co w u lfs durch FIrothgar (1020 f f .; 1866 f.). G leich w oh l h aben die G eb ärd en etw as Stilisiertes; diejenige, m it der B e o w u lf dem H y g e la c eine B rü nne aushäncligt, steht stellvertretend fü r die bloß an gedeutete Ü b erreich u n g vieler G aben . D enn a u f den sym bolischen W ert kom m t es offenbar an. D ie G eb ärd en des .1 1 ibu tem p fan gens und des B eschen kens versinnbild lichen die sittliche H öh e des Füh rertum s. E s bedeutet die Flöhe vo n S c y ld Scefin gs gu tem K ö n igtu m , d aß m an ih m von w eith er T rib u t en tb ietet.8 A n d ererseits ist der G efo lg sh err der B a u gen sp en d er; das G eben ist A k z id e n z des K ö n ig ­ tu m s.7 A u c h der K u ß ist Zeichen des G efolgsch aftsverhältn isses (vgl. W anderer 42). Im n ord ­ germ anischen B ereich besiegelt er nach späteren Q uellen den A u fn ah m eritu s des neuen

1 A ffe cta tu r p raecip u e asp eritas soni et fractu m m u rm ur, o b i e c t i s a d o s s c u t i s , qu o plenior et grav io r v o x rep ercussu in tu m escat {Germ ania, K a p . 1 II). 2 D ie H a rie r {Germ ania, K a p . X L I I I ) u n terstreich en ih re W ild h eit und T r o tz ig k c it durch S ch w arzfa rb en der S ch ild e u n d L eiber. 3 V g l. B eow . 1488—91. 4 þ e g n n ytte beh eo ld {Beow . 494). 5 D ie G eb ärd e n v o rste llu n g w ird hier n am en tlich durch die stark deiktisch e F orm der d abei gesproch en en R e d e n erzeu g t. 0 V g l . B eow . 8 - 1 1 . 1 E s ist nich t so seh r A u s d ru c k m aterieller A b h ä n g ig k e it d er G efo lg sc h a ft vom K ö n ig , w ie J. M ü ller es a u ffa ß te (D a s K u ltu r b ild im B e o w u lf epos, H alle 1910, S . 10). V g l. dazu Leisi, A n g lia L X X 1 (1952). 259 ff. M ünchen Ak.. A b h . ph il.-h ist. 1959 (H ab ich t)

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D ic G ebärde in d e r alt englischen D ichtung

G efo lg sm an n e s.1 Ä h n lich en Sin n d ürfte es h aben, w enn H ro th g a r den B eo w u lf beim ehrenden A b sch ied k ü ß t und u m h a lst.2 A ls Zerem oniell ist der K u ß sym b o lh aft, keinesw egs A ffe k ta u sd ru c k - m a g auch vielleich t der M ä n n erk u ß in frü h erer Z eit die b lu tm ä ß ige und em otion alere B in d u n g im S ip p en verb a n d d oku m en tiert h a b en ; d aß H ro th g a r dem B e o w u lf vo rh er Soh nesrech te angeboren h at, könn te d aran erinnern. S p ä ter legt noch L a ja m o n W ert d ara u f, d aß sich nur V erw a n d te, und auch da nur solche gleich en G e ­ schlechts, zu r B e g r ü ß u n g küssend in die A rm e fa lle n .3 M öglich erw eise hat an gleich es der D ich ter des alten glisch en A n d rea s ged ach t, w enn er, als d er T itelh e ld den M atth äu s tm K e r k e r vorfindet, die beiden A p o stel sich küssen lä ß t und dieser G eb ärd e den H in w eis vo rau ssch ickt, d a ß “ syb wæs gem æ ne / bam þ am g eb ro ð ru m ” (.A n d r . 1013 f.). O b freilich in dem W o rt syb der - wenn au ch ins R eligiö se ü b ertragen e - S ip p e n g ed a n k e noch v o r­ h egt, w ie G rein annim m t, lä ß t sich sch w er sa g en ; im m erhin d ü rfte der A p o ste lk u ß eine tiefere B in d u n g bezeu gen als die n u r dem a u g en b lick lich en G efü h l en tsprun gene. A n a lo g e s ließe sich von den G eb ärd en d er K l a g e sa g e n .4 B eow u lfs T o d und B esta ttu n g losen keine S ch ild eru n gen von Jam m ergeb ärd en aus. A b e r W ig la f verrich tet das A m t der T o te n w a ch e, und zw ö lf E d elin g e um reiten den Sch eiterh au fen (.Beow . 3169 ff.). A u c h w enn die letztere G este eine literarische R em in iszen z und nich t ein zu r Z eit des B e o w u lf­ dichters leb en d ig er B rau ch gew esen ist,5 so entspricht doch ihre F u n k tio n der des ü brigen Zerem oniells im B e o w u lf; sie bindet den S ch m erz in ku ltisch e F o rm fü r die H eld en trau er und den H eld en p reis - "sw a hit g ed efe b iö ” . Im K i eis des R e l i g i ö s e n e r fa h r e n - w ie w o h l zö gern d - zu w eilen selbst die den biblischen Q uellen entstam m enden G eb ärd en eine S in n g e b u n g in äh n lich er R ich tu n g . F reilich geht der religiösen alten glisch en D ich tu n g der R eich tu m alttestam entlich er G estik 8w eitgeh end ab, und die ü bernom m enen ku ltisch en G eb ärd en - d ie des G ebets,'M as H au p tverh ü llen , das N ied erfallen vor G o tt8- s i n d o ft rein stofflich b ed in g t und auch schon in stereotype sp rach lich e W en d u n gen g efa ß t. D en n o ch ist das Sym bo lw erd en der G eb ärd e auch hier sp ürbar. D e r F u ß fa ll L ots vor den E n geln (Genesis 2441) gesch ieh t erst d an n, als diese L o ts G a st­ freu n d sch aft ablehnen w ollen, w o d ie G eb ärd e also das Erflehen des H eils bed eu tet - und nicht, wie in der V u lg a ta , schon am A n fa n g als G ru ß ge b ä rd e. R ü c k t d a n ich t auch die ü bernom m ene G eb ärd e ins sin ntragend e Zen tru m ? H eld en tu m und G em ein sch aft und K la g e aber sind die In h alte, die die G eb ärd en eines heim ischen Zerem oniells repräsentieren. E s sind dies g en a u die L eb en sb ezirke, in denen das em p o rd rän gen d e G efü h l m it dem E thos des M aß es in den heroischen K o n flik t gerät und in denen che a u f diesen K o n flik t w eisenden H eld en geb ärd en sich tb ar w erden, von welchen oben d ie R ed e w ar. D ie kultisch-zerem oniellen G eb ärd en w erden d am it in noch reinerer W eise sym bolisch fü r die L eb en sh a ltu n g der alten glisch en Helden.® V o n der H ierarch ie der G eb ärd en (affcktisch e G efü h lsgeb ärd e - m an ifestieren de H eld en ­ g eb a rd e - zerem onielle G eb ärd e) vera n sch a u lich t der B eo w u lfd ich ter n u r die beiden höhelen F orm en - eben die, in denen die G efü h le überw unden w erd en ; und w iederum die von V g f H . N a u m an n , G erm anisches G efolgschoftsivesen (L e ip z ig 1930) S 22 2 V g l. B eow . 1870. 3 S ieh e unten S . 54 t. V g l. auch S tro eh e, S. 40. 4 V g l. dazu L eich er, S. 23. 6 V g l. H e u s le r, A ltg erm a n isc h e D ich tu n g , S . 54. 8 V g l. V o rw a h l, Gebärdensprache, im A lt e n T estam en t (D iss. B erlin. 1932). 7 V g l. G enesis 2338; E le n e 1099; 1 * 35 8 V g l. A n d r e a s 918. 8 V g l. au ch H . G . W rig h t, R E S , N. S. V I I I (1957), 1 f f . ; bes. 7.

Die epische Potenz der G ebärde

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A ffek ten reinen zerem oniellen F orm en m it größerer D eu tlich keit als die H eld en geb ärden , bei denen n o ch die Ü b erw in d u n g sa n stren gu n g sp ü rb ar ist. D a m it sch afft er die G e g e n ­ g ew ich te zur bestän d ig in n erlich-ab strakt analysierten G efü h lsw elt.1 H ier ergän zen sich die an sch au u n gslo se D arstellu n gsw eise der G efü h le und die sin n en fällige der R ep räsen ­ tation, a u f deren N eben ein an d er im B e o w u lf ein g a n g s hingew iesen w urde, zur kü n stleri­ schen E inheit. D o ch a u ch die „h ö h e re n “ G ebärdeform en schildert der B eo w u lfd ich ter sp arsam und ohne ph o to graph isch e E x a k th eit. Es g eh t nich t daru m , B ild er zu m alen von den th eatra­ lischen H altu n ge n der K ä m p fer oder vom vorbild lich en Zerem oniell, w ie dies z. B . oft in den R om an en Chretiens der F a ll ist. A b e r cs ze ig t sich, daß trotz, ja gerad e w egen ihrer relativen Seltenheit, die ihrer sym bolischen W ü rd e nur N a ch d ru ck verleiht, die G ebärd e im B e o w u lf eine S tra h lk ra ft hat, w elche sic zum M ittel epischer G esta ltu n g und d am it letztlich zum E xp o n en ten poetischen L eb en s w erden läßt.

4. D I E

EPISCHE

POTENZ

DER

G EB ÄR D E

D ie veran sch aulich ten G eb ärd en d er „h ö h e re n “ O rd n u n gen prägen das besondere H an d lu n g sstad iu m . E in an d er an alo ge Situation en w erden so differenziert und aus der T y p e n h a ftig k e it in die E in m a lig k eit des H ier und N u n g eh o b en 123und erhalten d am it ihren P la tz im inneren L eb en sg efü g e der D ich tu n g . D ie h ierbei en tw ickelte w eit ausgreifende und m eh rsch ich tig w irken d e G estaltu n gsk raft der G eb ärd e soll an zw ei B eispielen gezeig t w erd en : an den heroisch-dem onstrativen G eb ärd en in den K a m p fessch ild eru n g en und an den zerem oniellen F orm en in den E m p fan gssch ild eru n gen . Im ersten der drei K ä m p f e B eow u lfs in der H au p th an d lu n g , dem. G ren d elkam p f, sehen und hören w ir - im Z u sam m en h an g m it B eo w u lfs stolzer K a m p fe s h a ltu n g - d a s K rach e n der F in g e r (760); denn es ist ein R in g k a m p f. Im zw eiten K a m p f, dem g egen G rendels M u tter, sind - u n a b h ä n g ig von den zw eckh aften K a m p fesb ew eg u n g en - drei H eld en ­ gebärd en g esch ild ert: B e o w u lf läß t m it m äch tig em S ch w u n g die W affe sausen (15 19 f.), deren U n zu lä n g lich k e it klar sein m uß. D asselbe u n ta u g lich e E isen schleudert er dann g e w a ltig zu B o d en (1531 f.). S ch ließlich vollendet B e o w u lf sein U n tern eh m en m it der R a ch eg eb ä rd e, indem er, als die U n h o ld in ersch lagen ist, dem on strativ m it erhobener W affe um sich b lick t (1572) und dann a u f den L e ich n a m G rendels so h eftig einhaut, daß dieser w eit davon fliegt (1588 ff.). - D e r dritte K a m p f - der g eg e n den D rach en - beginnt und endet m it den stärksten H eld en geb ärd en B eow u lfs. A m A n fa n g steht der H eld sch ild ­ schw en kend, schw ertzü cken d, d an n in kam p fentsch lossen er P ositu r vor der H öhle. In dieser P laltu n g, die auch durch vorau sgeh en d e H eld en geb ärden vorbereitet und verstärkt

1 Zu te ilw eise äh n lich en E rg e b n isse n kom m t G rajew in seiner U n te rsu ch u n g ü ber die F u n k tio n der G e ­ b ärd e in der hom erisch en E p ik ; er stellt fest, „ d a ß d ie G eb ä rd e n zu m ü b erw ie ge n d e n T e il k e i n e n A f f e k t ­ i n h a l t h a b e n . . ., sondern im G ege n te il g e w ic h tig e H a n d lu n g e n von viel w e ittra g en d erer B ed eu tu n g (sind) als blo ß e W orte. S ie sind n ich t besonders n u an cierter A u s d r u c k einer In n erlich k eit, sondern v ielm eh i g e g e n ü b e r einer n u an cierten In n erlich keit . . . starre A u sd rü c k e eines bis zum ty p isch en E n tsch lu ß g e ­ dieh en en W ollen s . . v g l. G rajew , S. 25 (m eine S p erru n g). 3 Ä h n lic h e s b e w irk en die höfischen G eb ärd en irn N ib e lu n g e n lie d ; v g l. B aa rtsch /D e B oor, D a s N ib elun gen ­ lied , 13. A u ll. (W iesb ad en , 1956), S. X X X I V .

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Die G ebärde in der altenglischen D ichtung

erscheint - in K a m p fesa b sich t „erh o b er sich m it dem S c h ild e “ ;1 er stieß einen K a m p fru f aus (2550 ff.} - m dieser H a ltu n g erw artet er seinen G egn er. In der E n d p h a se ist B eow u lfs letzter S c h w e rtsch la g zu r kraftd em on strieren d en G eb ärd e v e rstä rk t; er „ s c h lu g m it g e w a ltig e r K r a ft das K a m p fsch w ert, d aß es in den K o p f (des D rach en s) von der M ach t bezw u n gen d ra n g : es zerbarst der N ä g e lin g , das Streiten verw eh rte B eo w u lfs S c h w e rt“ .12 D a ß das S ch w ert unter der G ew a lt des S c h la g e s bricht, dem on striert auch sonst in der a ltgei m anischen S a g e die S tä rk e des H eld en .34H ie r im B e o w u lf aber ist diese A u sw irk u n g des D rein sch lag en s als tra g isch e Ironie b ed eu tsa m : der schw ertlose H eld ist nun dem töd ­ lichen G iftb iß des D rach en s ausgeliefert. A n all diese K a m p fg e b ä rd e n , die sich von den übrigen situ ation sb edin gten B ew egu n gen abheben , k n ü p ft d er D ich ter - und d am it unterstreich t er gleich sam , d aß er G eb ärd en m eint R eflexionen über ihre B ed eu tu n g fü r das klier und N u n des G esch eh en s; so ko m m en tiert c.i z. B. den letzten F a ll m it der ironischen L ito te s : „ Z u stark w a r die H an d . . ., es w a r ihm d arum n ich t besser ,l d. h. solches G eb aren gereich te ih m zum V erd erb en . D ie W irk u n g dieser G eb ärd en ist m eh rsch ich tig. Z u n ä ch st heben sie die ä u ß e r e S itu atio n sein m aligk eit h ervo r; aber nicht d ad u rch, d aß sie (wie es in den m ittelenglisch en D ich tu n g en der F a ll sein w ird) ein szenisches Bild der S itu atio n m alen, sondern indem gerad e die fü r die betreffende E in zelsitu atio n ch arakteristisch e G eb ärd e au fleu ch tet. D e r G r e n d e lk a m p fis t unbew affn etes R in g en : d aru m das F in g erk ra ch en . D e r G ren d elm u tter­ k a m p f ist ein K a m p f von W affen und K ö rp e rk ra ft u nter u n gleich en B e d in g u n g e n ; beide S ch w erter w erden von B e o w u lf m it ein d ru cksvoller G eb ärd e g esch w u n g en : das m it­ geb rach te, w id er die T ro lle n k ra ft u n ta u g lich e, am u n gew issen A n fa n g ; das w irksam e G ig an ten sch w ert, das zu führen cs des H eld en ein zig a rtig e r K r a ft b e d a rf (vgl. 1560 f.), am siegreich en E n de. D e r D ra c h e n k a m p f ist K a m p f g eg e n die m yth ische Ü b erm a ch t und B co w u lfs T o d e s k a m p f - g eken n zeich n et d urch die stärk ste der A n g stü b e rw in d u n g s­ g eb ärd en und die T r a g ik der nutzlosen K ra ftg e b ä rd e . D es w eiteren erhellen diese G eb ärd en die i n n e r e S itu ation sein m aligkeit, die unter­ liegen den M o tive und sym bolisieren die G ru n d h altu n ge n des heldischen L eben s. D ie G e b ä id e des un bew affn eten R in gen s im G re n d e lk a m p f läß t B eo w u lfs käm p ferisch e E h ren ­ h a ftig k e it sinnlich spüren, aus der heraus er d a r a u f ve rzich te t hatte, den U n h o ld anders als in dessen eigen er K a m p fcsw cisc an zu geh en , und von der er vorher in der E rzä h lu n g vom S ch w im m w ettstreit ein B eispiel g a b . D ie G eb ärd e beleu ch tet darum die heldische W ü rd e B co w u lfs als K ä m p fer. - A u s dem G ren d elm u tterk am p f r a g t die G eb ärd e der R ach ev o llc n d u n g : B e o w u lf sch lä g t a u f den toten G ren del ein. E s ist ein R a c h e k a m p f um die von den T ro llen getöteten M an n en —um B eow u lfs eigenen G enossen und um Æ sch ere aus der G efo lg sch a ft H rothgars, der sich au ch B e o w u lf unterstellt hat. D ie G eb ärd e w ird zum Sin n bild dci G efolgsch aftstreu e, aus der h eraus die R a ch ev erp flich tu n g erw ä ch st; m ach t doch die R a ch e B eow u lfs um der G efo lg sch a ft w illen die R a ch ea b sich t der G ren delm utter um der verw orfen en S ip p e w illen zu n ich te. — B co w u lfs G eb ärd en im D ra ch e n k a m p f aber m an ifestieren höchste A n s tre n g u n g im K a m p f g eg e n die w esensfrem de, staatsvem ich tcn d c 1 A ra s ða bi ronde (2538); so je d e n fa lls - als V o rb e re itu n g zu r H e ld e n g e b ä rd e - dürften d iese W o rte zu v er­ stehen se in ; sie b ed eu ten ka u m ,er richtete sich am S ch ild e a u f' (S c h ü ck in g ), w as w e n ig k ra ftv o ll w äre. “ B i ro n d e” ist ab er w ohl au ch n ich t leere epische P h ra se (H oops), son dern w eist eben a u f das E in n eh m en der K ä m p fe rh a ltu n g hin. m æ g e n s tie n g o sloh / h ildebille, past h yt on heafo lan stod / niþe g e n y d e d : N aegelin g forbserst, / g e s w a c ist sæ cce sw eort B iow u lfes (2678 ff.). 3 V g l. H oops, K om m en ta r, S . 282. 4 wæs sio hond to stro n g . . . næ s h im w ih te ðe sei (2684 ff.).

Dic epische Potenz der G ebärde

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M ach t (denn das W ü ten des D rachen s bedrohte die E xisten z des Staates). D am it sym bo li­ sieren sie B eo w u lfs K ö n ig sw ü rd e - freilich ein h erbstlich schillerndes K ö n igtu m im sin ken ­ den R e ic h .1 M ö g lich , d aß d arü ber hinaus der B eo w u lfd ich ter in diese S in n g eb u n g auch christliches G ed a n k en g u t h in ein getragen hat. M an h at d a ra u fh in g e w ie se n , d aß die K ä m p fe B eow u lfs um so erfo lgloser werden, je u n en tbehrlich er die W affen d arin — und dam it nam entlich fü r die K ä m p ferg eb ä rd en - sind, und je w e n ige r der H eld seiner K r a ft u n d seinem Gotte vertrau t. L etzteres tut er im G re n d e lk a m p f durch au s ; die w affenlose G ebärd e dokum entiert es. D a s S ch w in gen Ilru n tin g s im G ren d elm u tterk am p f ist nu tzlos; B eo w u lf m u ß diese W affe g e w a ltig zu B oden schleudern - solches ist a u ch sp äter o ft G eb ärd e der christlichen R eu e12 - und sich a u f seine K r a ft verlassen und d arauf, d a ß ihm G o tt H ilfe g ew äh re (1 5 52 ff.) ; die w ird ihm zuteil, als er sogleich das R iesen sch w ert erb lickt, das er dank seiner K ö rp e r­ k ra ft zu fü hren und zu r R ach eg eb ä rd e zu sch w in gen im stande ist. F ü r die D ra ch en k a m p f­ gebärd en ist die W affen repräsentation von vornh erein unen tbeh rlich , w ie sich B e o w u lf selber eingestehen m u ß (2518 ft'.), und bei der stärksten W a ffen geb ärd e zerbirst das S c h w e rt.3 L etzten E n des bauen diese G eb ärd en am G esam to rgan ism u s des E pos. Sie schaffen eine S teig eru n g von K a m p f zu K a m p f. In B eow u lfs G ebärd en im G ren d elm u tterk am p f k o m m t die heldische K ra fta n stren g u n g in viel stärkerem M aß e zum A u sd ru c k als beim R in gen m it G ren d el; denn nicht n u r ist die A u fg a b e eine g rö ß ere; auch die D ra m a tik ist hier stär­ ker zu gesp itzt, die zur g efo lgsch aftlich en R ach e über die T rollen sip p e (und in B e o w u lf selbst zum S ie g von K r a ft und G ottvertrauen über den Ü b erm u t des W affen sch w in gen s) führt. D er G ren d elm u tterk am p f m a g wohl als zw eiter H ö h ep u n k t eine d ram atisch e S tei­ g e ru n g über den ersten K a m p f hinaus bed eu ten.4 D ie G eb ärd en im D ra ch e n k a m p f stellen dann gew isserm aßen eine weitere S teig eru n g dar. B eow u lfs G eb ärd e am A n fa n g ist A u s ­ d ru ck allerhöchster A u fb ie tu n g heroischer und ethischer K rä fte seines K ö n igtu m s. U n d gerad e der allerstärkste K ra fta u fw a n d wird zum tragischen E reign is (Schw ertzerbrechen). D er D ra c h e n k a m p f g leich t der K a ta stro p h e des D ram as. M an könn te hinter dieser m ehrsch ich tig steigernd en F u n ktion der K a m p fesg eb ä rd en d er H a u p th a n d lu n g eine einheitliche tragisch e K o n zep tio n verm uten und dam it ein bisher offen bar n ich t gew ü rd ig tes A rg u m e n t fü r die in jü n g e rer Zeit oft diskutierte A u ffa s su n g Vorbringen, d aß d er B eo w u lfd ich tu n g ein d reistufiger B au und dam it eine „o rg a n isch e “ K om p ositionsid ee zu gru n d e liegt, die auch über den äußeren B ru ch zw ischen dem dänischen und dem D ra ch en k a m p fteil h in w egg riffe.5 E n tsch eidend bleibt d a fü r noch die F ra g e, ob sie in ä h n lich er W eise auch in den Episoden spürbar ist. N u n fällt an den K ä m p fen der Episoden auf, d aß G eb ärd en in unserem Sinne überhaupt nicht in E rsch ein u n g treten. D a s en tspricht dem D arstellu n gsstil der E pisoden, der, wie M alo n e an der F in n sbu rgep isod e beo bach tete,6 noch ra d ik a ler im A n sch au u n gslo sen ver­ harrt als der d irekter D arstellu n g. T rotzd em ist a u ffä llig , d aß die E pisoden offenbar gerad e in solchen M om enten G ebärden zu verhüllen h aben, w o anscheinend innere B eziehun gen zu an alo gen M om en ten der H au p th an d lu n g au fblitzen , die ihrerseits m it H elden gebärden h ervorgehoben sind. E ine A n a lo g ie zu B eow u lfs D ra ch en k a m p f d a r f m an in der S igm un d1 V g l. A . E . D u B o is : “ T h e U n ity o f B e o w u lf.“ P M L A X L I X (1934), 3 7 4 ff. 2 S ieh e unten S . 113; S. 128. 3 Zu vorsteh en d em v g l. H . L . R o g e rs, R E S , N . S . V I (1955), 339 ß. 1 V g l. S ch ü c k in g , B e o w u lfs R ü ckkeh r, S. 9 if. 5 D ie P o lem ik ü ber diese F r a g e ist größ ten teils zu sa m m e n g e fa ß t bei G . S an ders, S. 1-24. 6 V g l. K e m p M alon e, f £ G R X X V (1926), 171 f.



D ie G ebärde in der altenglisrhen D ichtung

episode seh en .1 S ig m u n d d u rch h au t den D rach en , d aß das S ch w ert „in d er W an d stecken ­ blieb, das fu rch tb are E ise n “ ;12 schon hier hätte m an die G eb ärd e des g ew a ltige n H iebs, wie Sie sp äter in B eo w u lfs D ra c h e n k a m p f vera n sch a u lich t ist, erw arten kö n n en ; erw äh nt ist indes nich ts als das Sch w ert, das seine A u fg a b e erfüllt h at. Zu sam m en fassen d h eißt cs w eiter: “ H æ fd e a glæ ca eine gego n g en , / þæt he beahhordes bru can m oste” (893 f.). In diesem v ö llig an sch au u n gslosen S a tz deutet n u r das W ort eine versteckt a u f die heldische K raftd em o n stratio n , wie sie die H a u p th a n d lu n g in der G eb ärd e zu veran sch au lich en strebt. G en ü gte es, dem S ä n g e r solche A n d eu tu n g en in den M u n d zu legen, um die H eld en g eb ä r­ den S ig m u n d s in der V o rste llu n g h erau fzu besch w ören ? S ie w ü rden B eo w u lfs p lastisch g e sch ild e tten G eb ärd en in dessen D ra ch e n k a m p f entsprechen und zu g le ich hin sich tlich ih rer A u s w ir k u n g zu diesen in einem K o n tra st stehen, d er ihre T r a g ik unterstreicht. D enn in d er H eld en h altu n g, die S ig m u n d s Ü b erleg en h eit beku n det, sieht m an d an n B eo w u lf schon am u ngew issen A n fa n g ; der g ew a ltig e S c h la g , der S ig m u n d zu m S iege gereicht, w ild B e o w u lf zum V erh än gn is. O b es sich da um eine b eab sich tigte K o n tra stieru n g der beiden D ra ch en k ä m p fe handelt, läß t sich freilich kau m bew eisen. E tw a s ein d eu tig er jed o ch scheinen die D in g e im F alle der F rieslan dep isode (2354 fr.) zu liegen. D ie H eld en taten B eow ulfs, die d arin - u n m ittelbar vor der S c h ild eru n g des D ra ch en k a m p fes - an klin gen , stellen doch ein n a ch träg lich es Z w isch en glied zw isch en den beiden stä rk er auseinand er­ klaffen den Teilen des E pos - D ä n e n z u g und D ra ch e n k a m p f - dar. D as G eb ärd en m o tiv scheint die verkn ü p fen d e F u n k tio n zu stützen. B e o w u lf sch w im m t “ sylfes cræ fte” allein übers M eer, wobei er d reiß ig Brünnen trä g t. D am it ist eine K ra ftg e b ä rd e zw ar w ied eru m n icht beschrieben (weil in H a n d lu n g aufgelöst), w ohl aber a n ged eu tet; solch beisp ielh afte S ch w im m ku n st w urde als D em onstration des M an nestum s a u fg e fa ß t.3 E s ist bezeichnend, d aß der D ich ter auf diese A n d e u tu n g einer ü berlegen en K ra ftg e b ä rd e w eit m ehr G ew ich t legt als a u f das von B e o w u lf unter den F eind en a n gerich tete G em etzel, das sin n gem äß vorau sgeh t, dessen E rw ä h n u n g aber nur flü ch tig — in der L ito tes verb o rgen — a n g e h ä n g t w ird. N u n aber d oku m entiert B co w u lfs im p lizierte K ra ftg e b ä rd e seine fü r H y g e la cs T o d , und das heißt um der gefo lg sch aftlich en V e rp flich tu n g w illen, vollendete R ach e. In der H a u p th a n d lu n g h atte das gleich e P rin zip die höchst sin n en fällig gesch ild erte D rein sch lag eg eb ä rd e n a ch dem S ie g ü ber die Grendel m utter vera n la ß t. E rinnert d a n ich t d ie E pisode an B cow u lfs frü h er bew iesene T reu e zum G efo lg sch a ftsg esetz ebensow ohl w ie an seine H eld en k ra ft — und zw ar gerad e im Z u sam m en h an g m it H y g e la cs T o d , d essentw egen die K ö n ig s w ü rde B e o w u lf angeboten w urde, w elche er dan n im D ra ch en k a m p fteil tatsäch lich in n eh at und auch m it seinen G eb ärd en d o k u m en tiert? D a ß gerad e das w affen ü bcrlad en e Sch w im m en in der E pisod e die H eld en m an ifestation andeutet, m a g überdies a u f die k o n ­ kreten W a ffen geb ärd en in seinem letzten K a m p f vorausdeuten, dessen E rzä h lu n g die H a u p th a n d lu n g dann g leich aufnim m t. D iese A n d eu tu n g en m üssen gen ü gen , um d er V e rm u tu n g N a ch d ru ck zu verleihen, d aß die K a m p fg e b ä id e n im B e o w u lf a u f einen einheitlichen K o m p ositio n sg ed an ken weisen, d er dem E pos zu g ru n d elieg t. E in d en kb arer E in w an d freilich w äre, d aß ja doch wohl der B eo w u lfd ich ter kau m die G eb ärd cn vorstellu n gen m it so kü nstlerisch er R affinesse a u f die einzelnen K am p fessch ild eru n g en verteilt habe, w ie es nach unserer D arstellu n g scheinen w ill. D a r a u f läß t sich erw idern, d aß die G eb ärd en im B e o w u lf ja d u rch au s kein e „ K u n s t ­ m ittel“ p e r s e sind, w ie das in m oderneren D ich tu n g en der F all sein m ag , sondern sich not1 V g l. B onjour, T h e D ig ressio n s, S. 47. a þ æ t hit on w ealle æ tstod, / d ryh tlic iren (Beow . 891 f.). 3 V g l. dazu P a n zer, S . 270 f.

Dio epische Potenz der G ebärde

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w en d ig, vielleich t so g ar dem D ich ter u n b ew u ßt, aus der A u ffa s s u n g von L eb en sh a ltu n g und H eld en tu m , aus Sehw eise und D a rstellu n g sstil ergeben. G era d e deshalb können sie für seine K u n sta b sich t sym p tom atisch sein. A n den zerem oniellen G ebärd en ist die innere K o m p o sitio n sk ra ft noch offensichtlicher. W ir w ählen als B eispiel die G ebärd e in den E m p f a n g s s z e n e n . D ie erste derselben der E m p fa n g der G au ten am D än en h o fe - nim m t breiten R a u m ein; die zerem oniellen Stufen w erden in epischer Breite d urchlaufen - von der B e g rü ß u n g durch den S tran d w art über den Z u g zur H alle, über die B e g rü ß u n g durch den H au sh o fm eister W u lfg a r, die A n ­ m eld u n g beim D ä n en k ö n ig , das H in sch reiten zum k ö n ig lich en H och sitz, G ru ßred e und A n tw o rt bis zu r A u ffo rd e ru n g zum N ied ersetzen in d er H alle und zu m K red en zen des W illkom m en strun kes. E s hat nicht an dem. V ersu ch gefeh lt, aus dieser S ch ild eru n g die germ an isch en E m p fan gssitten ablesen zu w o llen .1 A ls k u ltu rgesch ich tlich es D o ku m en t ist eine solche S ch ild eru n g jedoch höchst fra g w ü rd ig . E s la g dem D ich ter g ew iß n ich t daran, das Zerem oniell um seiner selbst w illen zu beschreiben. K e in W u n d er daher, wenn m an che seiner w ich tigsten B estan dteile v a g e b leib en ; so ist B eo w u lfs H a ltu n g n ich t ersichtlich, als er von W u lfg a r angeredet w ird (331; sitzt oder steht er ? V o rh er hieß es, die G a u ten sch ar setzte sich m it R ü stu n g sg ek lirr a u f die B a n k ; 327); ebenso v a g e bleibt die F orm , in der W u lfg a r bei der A n m e ld u n g der G äste vor seinen H errsch er h intritt, so d a ß er ihm "fo r e a xiu m g esto d ” (3 58)12, oder wie er den B eo w u lf und die Seinen von der H allen tü r zu H rothgars H och sitz geleitet (es heißt nu r: “ seeg w isod e” ; 402; n im m t er ihn bei d er H an d , wie dies n a ch späteren Zeu gnissen der F all zu sein p fle g t? In w elch er P erso n en gru p p ieru n g folgen ihm die G ä ste? ). A m sp rachlichen A u sd ru c k zu deuteln h a t keinen Z w e c k : e x a k te B esch reib u n g ist nicht b eabsich tigt. Ü b erd ies m uß fra g lich bleiben, ob die g a n ze E m p fa n g s­ zerem onie n ich t bloß literarisches S ch em a ist; für das letztere scheint zu sp rechen, d aß sie einem E m p fa n g des Ä n e a s bei V e rg il gleich a u fg e b a u t ist.3 G ew iß ist dieses S ch em a, auch w enn es sich um einen T o p o s handelt, als m it den besonderen F orm en des eben fü r das an gelsäch sisch e L eben gü ltig en Zerem oniells erfü llt gedach t. A b e r gerad e w o w ir uns nach diesen besonderen Form en um sehen, tap p en w ir ins D u n kel. Es h eißt dann eben nur: W u lfg a r w ar „ d e r Sitte k u n d ig “ (cuþe he d u g u öe þ eaw ; 359). U nd d a ra u f kom m t es dem B eo w u lfd ich ter zu n ächst an : d a ß der E m p fa n g der Sitte g em äß , d. h. in vo rb ild lich er F orm geschieht, ist ih m w ich tig. D ie V o rb ild lic h k e it weitet einerseits den A u g e n b lic k in den geistigen R a u m ; andererseits aber strahlt sie a u f w eitere S trecken des epischen G eschehens und L eb en s aus. Sie u m g ib t H ro th g a r m it kö n iglich er W ürde. S ie verd eu tlich t den von A n b eg in n an bew u ßten K o n tra st zu m W ü ten G rendels, das nachts in der gleichen H alle stattzufinden pflegt. Sie ist das eth isch G ute, das ü ber das G rendel verkörperte Böse obsiegen w ird. Sie setzt den V erg le ich sm a ß sta b zu späteren E m p fan g ssitu atio n en m it ihrem m odifizierten oder anders beleuchteten Zerem oniell. Sie ist V e rh e iß u n g , so w ie dann die M od ifizieru n g eben dieser V o rb ild lich k eit bei B eow ulfs R ü ck k e h re m p fa n g E rfü llu n g ist. In m ittelenglisch en D ich tu n g en finden w ir annähernd V erg le ich b a res fü r diese A u sstra h lu n g sk ra ft der G eb ärd en der E inzelsituation erst wieder im alliterierenden M orte A r th u r e , w o in der einleitenden B o ten em p fan gsszen c A rth u rs heroische Pose an gesich ts der H erau sford eru n g in einer G estik veransch aulich t ist, die das g an ze W erk h in d u rch nach h ält, oder in G aw ain a n d the Green K n ig h t, wo die Schii-

1 V g l. Stroeb c, S. 5 ff. 2 D e r A u s d r u c k ist w ohl als b lo ß e U m sch re ib u n g fü r die ein fach e Präposition fo r ( e ) a u fzu fa s se n ; v g l. dazu H o op s, K om m en ta r, S. 60. 3 V g l. H a b er, S . t 2 i ff.

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Die G ebärde in der alt englischen D ichtung

d eru n g der höfischen L eben sfo rm en der einleitenden G elageszen e den G ru n d to n der D ic h ­ tu n g an sch lä g t. D ie einzelnen G eb ärd en dieses E m p fan g szerem on iells aber, d ie d er B eo w u lfd ich ter veran sch au lich t, bestim m en w ied eru m die ein m alige B ed eu tsam k eit dieser und n u r dieser Szene. W ir sehen die G eb ärd e des S tra n d w ä ch ters: er b eg n ü g t sich nich t m it dem S p e er­ schütteln, das den F rem d lin gen g ege n ü b er am P la tze ist, sondern er ist n e u g ierig , “ hine fy rw y t brsec” (232), und er eilt ihnen en tgegen , eine eigen tlich nur F reun d en gebü h rend e F orm . E h rt das n ich t B eow u lf, dessen „e in z ig a rtig e s A u ss e h e n “ (251) eine die S ch ran ken der K o n v en tio n übersch reitende B ew u n d eru n g und H o ffn u n g a u f E rre ttu n g aus d er N ot e rw eck t ? - B lendendes L ic h t sin n en h after E in d rü ck e vom rep räsen tativen G eb aren um ­ strahlt dann die näch ste S tu fe des E m p fa n g s: die A n n ä h e ru n g der G au ten an die H alle (320 ff.); es reicht das bis ins B ild, m it dem der W ä ch te r die G au ten au ffo rd ert, zu r H alle zu schreiten ( „ tr a g t hin W affen und R ü s tu n g “ ). - Sodan n die G este des W affen zu sam m en stcllens, des Sich n iedersetzen s (325 ff.): die B ek u n d u n g der fried lich en A b sich t, die A n ­ erken n u n g von H ro th g a rs H oheit, w o ra u f au ch das fo rm gerech te H in sch reiten zum H o ch ­ sitz w eist. N ach V o llen d u n g der B eg rü ß u n gsred en fo lg t das P la tzm a ch en fü r die G auten, das K red en zen des T ru n k s : d ie A u fn a h m e in den S ch ick sa lsk reis um die H eoro th alle und in die heroische G em ein sch aft, die sich dann im G ela g e m anifestiert. D e r E m p fa n g B eo w u lfs d u rch H y g e la c bei der R ü ck k e h r geht w oh l n a ch dem gleichen G ru n d sch em a vo r sich w ie d e r eben behandelte. A b e r die G eb ärd en setzen - dem H a n d lu n g s­ stadium en tsprechend - andere A k z e n te . D e r d ortige H afen w a rt, d er dem S tran d w art en tspricht, eilt sp ontan zum M eer; vorher h atte er lan ge Z eit n a ch dem aus der Ferne kom m enden S c h iff a u sgesp äh t (19 14 ff.). D as sp on tane E n tg eg en g eh en bedeutet dam it E rlö su n g von der U n g ew iß h eit, reflektiert B eo w u lfs ruhm reiche B ee n d u n g der g efa h rvo llen U n tern eh m u n g . D iese G eb ärd e, w ie die ü b rigen dieses E m p fa n g es, strah lt zu rü ck a u f das G escheh en e — so w ie die des E m p fa n g s bei H ro th g a r in die Z u k u n ft wiesen. D a ru m w erden nun das H eranschreiten zur H alle, die A n m e ld u n g , das E intreten, also die zerem oniellen Stu fen , in denen die zu k u n ftg erich tete E rw a rtu n g liegt, in raschester G ed rän gth eit bloß an ged eu tet. D ie M od ifikatio n des Zerem oniells besteht in der V o rv e rle g u n g d erjen igen S tu ten, in denen d er W ied e rk e h rg ed a n k c lie g t: g leich bei der A n m eld u n g und nich t erst n ach den B eg rü ß u n gsred en w ird eilends P la tz fü r die H elden gesch affen - der E h ren p latz (hraðe w æ s gerym ed , swa se rica b e h e a d ,/feö cgcstu m flet innanw eard ; 1 975 f.), und auch noch vor den R ed en wird der B ech er kred en zt. A lle s gesch ieh t in h u rtig e r E ile (das W o rt hrade w ied erh olt sich): also freu d iges N ich terw arten kön n en , E rlö su n g von dem L aste n der U n g ew iß h eit, die H y g e la c erfüllte (1992); B egierd e, den B erich t ü ber die vollbrach ten T a ten zu hören. D ie Ü b erreich u n g der von B e o w u lf m itg eb ra ch ten S ch ä tze an den L e h n s ­ herrn (2149), m it w elch er üblichen G efo lg sch a ftsg este B e o w u lf seinen B erich t besch ließt diese G eb ärd e ist der A b sch lu ß , die an alles V o rh e rg e g a n g e n e n och einm al erinnert. D ie G eb ärd e d er Ü b erreich u n g aber zeichnete sich zu vor noch stärker ab beim E m p ­ fa n g B eo w u lfs durch H ro th g a r nach seinem S ie g über die G ren delm utter. D ie Stu fen des E m p fan gszerem on iells ü b erge h t dort die W e n d u n g : „d a tra t herein . . . der tatkü h n e M an n . . . H ro th g a r zu g rü ß e n “ .1 Ins B lick feld rü ckt die Ü b erreich u n g der T ro p h ä en : der T rollenkopi w ird an den H aaren a u f den F lö z gezerrt, dem H ro th g a r der erbeutete S c h w e rtk n a u f d argeboten (1647 ff.). D iese sym bolisch en G eb ärd en u nterstreichen h ier S ieg und T riu m p h ,

1 D a com in g a n cald or ð egn a , / dæ dcen e m on . . . H ro ilg a r gretan (1644 f f.) ; dieselbe W e n d u n g v erd ich tet das au sfü h rlich ge sch ild e rte E m p fa n g sze rem o n iell der ersten S zen e in B eo w u lfs B erich t d a rü b e r: Ic fiasr furöum cworn / to Öam h rin gse le H ro ö g a r g retan {Beau*. 2009 f.).

Die epische Potenz der G ebärde

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w as dann auch H ro th g a rs schon erw äh nte R ed ep o situ r vera n sch a u lich t: d ieser “ stod on sta p o le” , als er die S iegesred e hält. D e r ein m alige S tim m u n gs- und B ed eu tu n gsgeh alt, den die G eb ärd en m itteilen, ist zw ar sch on w eitgeh en d verd eu tlich t in den reflektierenden B etrach tu n g en und abstrakten Sch ild eru n gen , w orin die G ebärden zum eist stilistisch ein gebettet sind. D a ß aber d er B eo­ w u lfd ich ter jenen G eh a lt am K ö rp erlich en sch au b a r m ach t, bew irkt ein spürbares Strahlen über das reale G eschehen hinaus, und zw ar in d op p elter H in sich t. Z u m einen hilft die G e ­ bärde k ra ft ihrer m eh rsch ich tigen W irk u n g vom gegen stän d lich en G eschehen aus in eine w eiträu m igere g eistige B ed eu tu n g zu leuchten. D a s ist eine echt epische F u n k tio n .1 Zum anderen h a t die G eb ärd e im B e o w u lf kom p ositorisch e K r a ft im O rgan ism u s der D ich tu n g . D am it w eist sie w ohl einen W illen zum organischen A u fb a u aus, den die sp ätere m ittel­ alterliche E p ik selten beanspruchen kann - w ohl aber die hom erische. N ich t d ag eg en dient die G eb ärd e - und dam it streift sie das U n ep isch e ab - der S itu a ­ tionsm alerei, der Z u stand sschild eru ng. V o n letzterem gerad e w ird die g an z andere F u n k ­ tion der G eb ärd e in den m ittelenglischen erzählenden D ich tu n g en ausgehen. 1 V g l. H . M aiw o rm in Stam m ler, D eu tsch e P h ilo lo g ie im A u f r i ß II (1954), S p. 716 ft.

ZWEITER TEIL

D IE

W ERTBEREICH E

DER

GEBÄRDEN

M IT T E L E N G L IS C H EN

IX

DER

DICHTUNG

A ls cs n a ch d er norm an nischen E ro b eru n g w ieder eine en glisch e D ic h tu n g zu geben b eg in n t, spielt in ihr das K ö rp e rlich e eine grö ßere R o lle als im alten glisch en E p o s; das k o m p lex e innere L eb en d a g e g e n w ird a u f ein fach e F orm eln reduziert. So tritt denn auch die G eb ärd e stärk er ins B lick feld der D ich ter. N o ch n ich t freilich als etw as realistisch G eschautes - denn G eb ärd en sind nun w eitgeh en d typ isch e V o rstellu n g en , m eist dieselben w ie auch in der französisch en D ich tu n g . U n d zu n ächst au ch n ich t u n ein gesch rän k t - denn noch hat die G eb ärd e „S elte n h e itsw e rt“ , noch sch eint m an hinter jed er G eb ärd e eine b e­ sondere g eistige A u s s a g e zu spüren. Schon L a ja m o n le g t in seinem frü h m ittel en glisch en B r u t m an ch m al ein Interesse an konkreten G efü h lsgeb ärd en an den T a g , das in nichts an die alten glisch e D arstellu n gsw eise der G em ü tsb ew eg u n gen erinnert und das stellenw eise so g a r g rö ß er ist als bei M eister W ace, seinem rom anisch en V o r g ä n g e r in der B e a rb eitu n g des B r u t- S to ffes.1 D a s m u ß um so m erk w ü rd ig e r anm uten, als L a jarnon ansonsten m it g a r m an ch en R em iniszen zen an die alten glisch e T ra d itio n erfü llt zu sein sch ein t.123D o ch kom m en gerad e jen e S tilm ittel, m it denen die alten glisch e D ich tu n g eine V e rh ü llu n g des realen A u sd ru ck sg eb a re n s bew irkte L ito tes, V a ria tio n , Paren these - bei L a ja m o n in der T a t n u r noch selten v o r,8 w esh alb der S til von vo rneh erein einer G eb ärd en d arstellu n g zu träg lich e r erscheint. D o ch ü b er deren innere T rie b k rä fte ist d am it n och nich ts g esa gt. D e s R ätsels L ö su n g scheint uns d arin zu liegen , d aß L a ja m o rt m it den G ebärden nicht etw a o b jek tiv die G efü h le verm itteln w ill, sondern sie d esh alb vo rfü h rt, d am it er m it einem rügen den m oralisch en Z eig efin g er a u f sie deuten kan n . M it anderen W o rten : die G eb ärd e ist ihm äußeres K en n zeich en des B ösen, des S ch lechten , des U n h eroisch en . F ü r diese E in ­ stellu n g g ib t es nun, wie w ir g leich sehen w erden, schon in der alten glisch en religiösen D ich tu n g deu tlich e A n sä tze. U n d sie w ird au ch fürderhin in die m ittelenglisch en D ich tu n ­ gen hinein w irken, trotz eines allm äh lich en Ü b erh an d n eh m en s einer vielfältigeren , d ifferen­ zierteren G eb ärd en freu d igk eit. M oralisch e Ä c h tu n g ist, so g la u b en w ir zeigen zu können, das erste H au p tan liegen bei der m ittelen glisch en G eb ärd en d arstellu n g . U n d das zw eite ist

1 W en n in diesen U n te rsu c h u n g e n W aces B r u t zum V e rg le ic h m it L a ja m o n s W erk heran g'ezo gcn wird, so b leib t dam it die Q u e lle n fr a g e unb erüh rt. Z w a r h aben die F o rsch u n g en Im elm an n s eine d irek te A b h ä n g ig ­ keit L a ja m o n s von der uns beka n n ten , in zw isch en in d er kritisch en A u s g a b e von A rn o ld ( S A T B ) z u g ä n g ­ lichen B r u t- V e rsion W aces in Z w eifel gestellt. Im elm an n s T h ese jed och , daß se lb stä n d ig e Z u ta ten L a ja m o n n icht zu zu tra u en seien, dü rfte sich als u n h altb a r erw iesen h a b en . S ch on F . L. G illesp ys V e rg le ic h von L a ja m o n s und W aces E rzä h lk u n st hat die E ig e n s tä n d ig k e it des E n g lä n d e rs g e g e n ü b e r dem F ran zosen a u f­ gew ie se n , die je tz t die U n te rsu c h u n g en v o n J. S. P. T a tlo c k (.Legendary H istory o f B r ita in [1950 ]; v g l. S. 477) und n eu e rd in gs W . F. S ch irm er (D ie fr ü h e n D a rstellu n g en des A r th u rsto ffes [1958]) e rh ärtet haben . Im fo lge n d e n hoffen w ir, m it unseren H in w eisen a u f L a ja m o n s von W a c e s P ra x is u n tersch iedlich e A u f ­ fa ssu n g und B e h a n d lu n g der G eb ärd e die bisherigen R esu lta te an e in ig en S tellen w eiterfü h ren zu kön n en. 2 V g l, H . C . W y ld , R E S V I (1930), S. t ff. 3 V g l. T a tlo c k , " L a j a m o n ’s Poetic S ty le “ , M an ly A n n iversa ry S tu d ies (C h ica g o , 1923), S. 3 ff.

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Teufel, U nholde und W ilde

der Preis der T u g e n d und des H elden tum s, w ie w ir d an ach sehen w erden. So m it erg ib t sich eine P o la ritä t d er G eb ärd en a u ffa ssu n g , die sich - zeitbedin gten W a n d lu n gen im G esch m ack an der G eb ärd e zu m T ro tz - durch die m ittelen glisch e D ich tu n g zieht. D ie beiden W ert­ bereiche heben sich deu tlich g en u g von ein an d er ab, so d aß w ir es w agen können, sie getren n t clarzustcilen. G ew iß sind L a ja m o n s B v u t und die m eisten det iR.oma.nzen, die wir d azu zu n ächst heran ziehen , keine erstran gigen K u n stw e rk e ; aber gerad e d esh alb können in ihnen die G ru nd tend enzen am ehesten unverm isch t sich tb ar g em ach t werden.

E R S T E R

W E R T B E R E IC H .

DIE

G E B Ä R D E

1.T E U F E L , U N H O L D E

A L S

UND

M O R A L IS C H E S

Ü B E L

W ILDE

W enn sich, wie oben au sgefü h rt, in der alten glisch en D ich tu n g dem D ra n g zur A u s ­ d ru ck sb ew e g u n g ein E thos der M ä ß ig u n g en tgegenstem m t, so m ü ßte konsequenterw eise ein tatsäch lich es A ffek tg eb a ren als entw ertend em pfun den w erden. In der T a t kennzeichnen in den religiösen alten glischen D ich tu n g en g elegen tlich k ra ß hervorbrech end e G cb äid en das Böse, das T e u flisc h e . F ü r die S ch ild eru n g m ancher der bösen W id ersach er trifft dies freilich nicht zu. A ls im D a n ie l der alttestam en tliche B ösew icht N e b u k a d n e za r die om inöse S c h rift an der W and erb lickt, sa g t der D ich ter von i hmi ,,D a w ard des V o lk es F ü h ie i fu rch tsam im G em üt, g e ä n g s tig t vo r dem A n g s tg r a u s “ ;1 die G eb ärd e, die die Q u elle schildert ( „ D a en tfärbte sich der K ö n ig , und seine G ed an ken ersch reckten ihn, d aß ih m die L end en schlitterten und die B eine zitterten “ ; D an . 5, 6 [Luther]), läß t er fort. U n d H olofern es’ gleich w oh l tru n kene A u ffü h r u n g a n läß lich des G elages in J u d ith hat noch einen R est des T rium ph alen (s. o. S. 23). Indem S ch w äch egeb ärd en aus ihren A u ftritte n fem g eh a lten sind, erscheinen die biblischen B ösew ich ter als heroische G estalten. A u c h im B e o w u lf ist der A u ftritt G ren dels, w elcher b ek a n n tlich dem G esch lech t der V erw o rfen en zu gew iesen ist, ohne sin n en fällige A ffe k tg e b ä rd e n geschildert. W enn freilich dem T ro ll, als er in die H alle stürm t, die A u g e n sch recklich fu n keln , so scheint darin schon etw as von einer M im ik des Bösen zum V o rsch ein zu kom m en (es ist bezeichnenderw eise die ein zige A n sp ielu n g a u f G rendels Ä u ß e re s12), d och ist sie ins B ild h a fte a b g e d rä n g t.3 D ie T en d en z selbst der relig iö ­ sen D ich tu n g zur H ero isieru n g auch teuflisch er G egen sp ieler ist in der heldischen L eb en s­ und K a m p fa u ffa ssu n g vera n k ert.4 D er H eld b e d a rf des eben bü rtigen G egners. Indes g ib t es in den religiösen D ich tu n g en auch W id ersach e r nich t von H elden, sondern • des G u ten und des H eilig en schlechthin. In deren h em m ungslosen A ffek tg eb ä rd e n kom m t ihr böses Sein an den T a g ; und es ko n trastiert m it dem guten Sein der F rom m en, bei denen A ffe k tg e b ä rd e n u n erw äh n t bleiben. In d er ae. Genesis lach t H am , N o ah s böser Sohn, auf, als er seinen betrunkenen V a te r un sch icklich en tb lößt sch lafen sieht und davon seinen B rü d ern berich tet; die letzteren aber nahen sogleich m it verhülltem H au p te rückw ärts 1 D a w earð fo lc to g a forh t on m ode, / acu l fo r þ a m e g e sa n 2 V g l. M öser, S. 17. 3 S ieh e oben S. 15. 4 V g l. R . E . W o o lf, R E S , N . S . I V (1953), 4 ff-

{Van. 724 f.).

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Dic G ebärde als moralisches Übel

geh en d ihrem V ater, um ihm die S ch a m zu verd ecken {Gen. 1582 ff.). D er von der Q uelle u n a b h ä n g ig e A ffe k ta u sd ru c k H arns w ird m it d er sch ick lich en G eb ärd e, die aus der B ibel übernom m en ist ( l . M ose 9, 23), erw id ert und d am it das B öse m it dem G u ten k o n fro n tiert.1 U n d wenn im altsäch sisch en T e il d er Genesis S a tan n a ch erfo lg reich er V e rfü h ru n g E vas “ bloh and p le g o d e ” (724), so ist dieses von d er G eb ärd e (H än d eklatsch en ) begleitete A u f ­ lachen g leich falls S ym p to m des B ö sen .2 D ie diesen V o r fa ll illu strieren d e Z eich n u n g der Ju n iu s-H an d sch rift3 ze ig t den T eu fe l deu tlich in der A ffe k tg e b ä rd e : er lach t (was durch drei aus dem offenen M u n d e führende Strich e a n g ed eu tet ist), h at die A rm e n ach außen gesch leu d ert und die K n ie ein g ek n ick t. E s ist dies die g leich e H a ltu n g , in der au ch der eben erw äh n te H a m bei seinem A u fla c h e n gezeich n et ist - im G eg en sa tz zu seinen tu g e n d ­ haften B rü dern , die ihn in aufrechter, g era d er H a ltu n g an h ö ren .4 V e rfo lg e n w ir diese T en d en z, das A ffe k tg e b a re n d er B ösew ich te u n d P la g egeiste r sm n en falh g w irken zu lassen - eine T en d e n z, w ie sie der D a rstellu n g sw eise im B e o w u lf o ffen sich tlich zu w id erlä u ft - zu n ächst an der typ isch en S itu atio n d er V e rs u c h u n g oder P ein igu n g des H eiligen . D eu tlich e A n sä tz e h at das ae. G u th la c-G edicht. D ie a u f den H e ili­ gen einsturm enden P la g egeiste r erheben dort ein G eschrei, dessen Q u a litä t von der des in d er H eld en d ich tu n g erw ähnten Ju belgetöses der K rie g e r, das auch der G u th lacd ich ter den Ju n gm an n en nicht v e ra rg t,5 a u sd rü ck lich u ntersch ied en ist: die T eu fe l sind des Jubels bar (dream um b id rorcn e; G u t h l. 901). S ic verh alten sich „w ü te n d und tobend als w ilde T ie r e “ und w echseln d abei ihre kö rp erlich e G estalt, indem sie sich bald m it m enschlichen Z ü g en , bald als geifern d e D ra ch en g eb en :

N æ s sen stund latu earm ra gæ sta , ne þ æ t on b id lo n g, þ æ t þ a w roh tsm iðas w op a h o fu n , h reopun hreðlease, h leoþru m b ru g d o n . H w ilu m w eden de sw a w ild e rieor cirm d on on coríire, h w ilum cyrd o n eft m inne m an sceaþan on m ennisc hiw b reah tm a m æ ste, hw ilu m b ru g d o n eft a w y rg d e w æ rlo g an on w y rm es bleo, earm e adlom an attre spiw odon. (G u tk l. 903 ff.)

(N ich t dauerte das Z ö g e rn der w e h g e p la g te n G eister noch das W a rten la n g e, d a ß die U n h eilsch m ied e A u g s tg e s c h re i erhüben, schrien rühm los, ihre S tim m en w e ch seln d . B ald w ü tend und to ben d als w ild e T ie re lärm ten sie in S ch a ren ; bald m it dem lautesten G etöse n ah m en die m ach tlosen G eiste r m en sch lich e G estalt an, die F revelsch äd iger, d ie verflu ch ten T re u e b rech e r; bald w an d elten sich in eines W u rm es A usseh en die E len d e n , vom B ra n d geläh m t, E ite r g ift speiend. - nach G rein).

' A u c h der C ursor M u n d i des 14. Jah rh . lä ß t H a m bei d ieser G e le g e n h e it a u fla c h e n : “ bis fad er he ti h e th m g lo g h (2028), w obei die S ü n d h a ftig k e it dieses L a ch e n s (“ lie th in g ” ) e ig e n s betont ist S c h u c k in g {H eld enstolz, S. 10) w e ist d a ra u f hin, daß die ae. D ich tu n g ein A u fja u c h ze n n ach dem E rfo lt n iem als so stark w ie d e rg ib t w ie an d ieser Stelle. 3 J u n iu s M S ., F acsim ilc-E d . b y S ir I. G olla n cz (O x fo rd 1 E b d . S . 78. 5 S ieh e oben S. 21.

io->7) S r i u J '

Teufel, U nholde und W ilde

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D ic B ed eu tu n g, die das Sin n en fä llige des Schreien s und des G ebaren s hat, ist schon aus der W o rtw a h l dieser Stelle ersichtlich. Es sind die S u b stan tiva au fein an d ergetü rm t, die a u f das körperlich -m im isch e V erh a lten der T eu fe l deuten, und zw ar offenbar zum im m er K o n ­ kreteren fortführen d (hiw - bleo - bleoþor) ; das im B e o w u lf im Z u sam m en h a n g m it G efü h ­ len b ed eu tu n gssch w ach e B ew eg u n g sverb verstä rk t h ier der T ierverg leich (w edende sw a w ild e deor). D a s „A n stim m en des G ra u g esch reies“ (wop ahufun) ist h ier nich t m etaphorisch w ie im B eozvulf, w o d ergleichen A u sd rü c k e d urch a b strak te V aria tio n en nach dem Inner­ lichen hin verw iesen w erden, sondern steigert sich im G egen teil in der sich anschließenden K ette der V aria tio n en im m er stärk er in den sin n en fälligen A u sd ru c k hinein, bis dieser in der häßlichen G eb ärd e ein H öch stm aß an A n sch a u lich k e it erreicht (attre spiw odon). A u ch d aß d abei a u f die M asse d er w ütenden T eu fe l h ingew iesen w ird (cirm don on corðre1), b au sch t die S in n en fä lligk e it des B ösen auf. D en K o n tra st d azu bilden die in äth erisch er K ö rp e rlo sig k e it beschriebenen R eg u n g en des H eiligen , der w iederholten P ein igu n gen dieser entfesselten P la g eg eiste r ausgesetzt is t.G u th la c achtet der Schm erzen nicht (þa sar fo rseah ; 541), sein L e ib reag iert nicht a u f sie. N u r w as in der Seele vo rgeh t w ird besch rieben; es kü m m ert die Seele nicht, w enn der L eib leidet und zerfällt (vgl. 550 f . ; 942 ff.; 954 f.). W äh ren d das T o b en der T eu fe l in einem Stil und m it einem V o k a b u la r b erich tet ist, die a u f das K o n k ret-K ö rp erlich e weisen, sind die S ch ild eru n gen der S eelen regu n gen G u th la cs im K o n tra st d azu m it a u f die In n erlich keit w eisenden W örtern d urch w irkt. G u tb ia c vertrau t a u f G ott, þ e þæ t m o d g e h cold, þæ t him ne g e tw e o d e treow in b r e o s t u m , ne him g n o m u n g a g æ s t e scodun, ac se hearda h y g e h a lig w im ade, oþ þæ t he þ a b y sg u oferbiden hæ fde. (G u th l. 542 ff.) (. . . der in S ch u tz nah m das G em üt, daß ihm die h e ilig e T re u e n ich t im H erzen sch w an kte u nd daß die k u m m ervollen S o rg e n seinem G eist nich t sch adeten , son dern das H erz h ielt h e ilig aus, das h eld en m ü tige, bis daß er die stre n ge M ü h sal ü berstan den hätte. - n. Greift).

U n d w ährend die V a ria tio n den „G r a u s g e s a n g “ der T e u fe l ins K o n k rete aufschw ellen lä ß t,12 sp iritualisiert sie den „ L o b g e s a n g “ des H eiligen , der von sich sa g t: “ ond ic b le ts ig e b lið e m ode lifts leoh tfru m an , ond him l o f s i n g e þ u rh g e d e fn e dom d æ ge s on d nilites, h e r g e i n h e o r t a n heofonrices w e a rd .” {G uthl. 608 ff.) („u n d preisen w ill ich brustfroh en G em ü ts den L ich tfü rste n des L eb en s u nd L o b ihm sin gen m it g e ziem en d em P r e is b ei T a g und N ach t, verh errlich en im H erzen des H im m elreich es W a r t.“ - n. G rein).

1 M it ähn lich em A u sd ru c k ist in V ainglory ( A S P R B d. I l l , S . 147 ff.) d ie V erd am m n is d er sü n d igen P ra h le r g e k e n n ze ic h n e t: B rcah tem stigeö, / cinn. on corþ re, ew ide scrallctaþ / m issen lice (19 if.). 2 V g l. n och G u th l. 614 ff. (G . ruft den T e u fe ln z u : ) “ a c g e d eaöe sc eo lo n /w ea llen d n e wean w o p c b e s i n g a n , / h e a f in helle . . . h a b b a n !” .



Du; G ebärde ais m oralisches Ü bel

Die U n erm ü d lich k eit, m it der d er D ich le r hier w ie d as gan ze G ed ich t h indurch m it einer h ü lle von S yn o n ym a den seelischen O rt der G em ü tsv o rg ä n g e des H eiligen beschw ört (mod, breost, heort, g a st, hyge ),1 en tspricht zw ar dem Stil aller alten glisch en D ich tu n g, h eb t indes hier den G ottesstreiter als den G u ten von seinen h öllisch en W id ersach ern ab, an denen der p h ysisch e A u sd ru c k a u fg e z cig t w ird. A u c h im ae. A n d rea s steht in der S ch ild eru n g des K a m p fes zw ischen dem standfesten H eilig en und seinen P ein igern (den heidnischen M crrnedonen) dem verinn erlich ten L eiden des A n d rea s ein m ehr körperliches W ü ten seiner W id ersach er gegen ü b er. D ie M erm edonen kom m en „ in u n k lein er S c h a r leich en g ierig g elau fen m it der L eu te T o b e n “ , 12 sie „stü rzten heran m it g ierig en G riffen “ .3 A ls sie selber in B ed rän gn is geraten, erheben sie n ich t nur die (b ild h a ft gem ein ten) K la g elied e r, die au ch der B e o w u lf ken n t (g e o m o rg id d ; A n d rea s USd8); auch ihr lautes H eu len und ihr elendes G eschrei w erden n a ch d rü ck lich e rw ä h n t.4* N u r ein A n h ä n g se l an die S ch ild eru n g d er L a u tg e stik ist d abei die a u sgefü h rte Jam m er­ rede eines Sp rechers der M en g e, eine R ede, w ie sie fü r die H eld en d ich tu n g alleiniges V eh ik el der G efü h lsm itteilu n g w ar. N och h eftiger u n d k o n kreter ist das W u tgeb aren des Folterm eisters in der alten gl. J u lia n a . N ach d em n äm lich dieser m it seinen M artereicn an d er H e ilig e n keinen E rfo lg hat, zerreißt er das G ew an d , fletscht die Z ä h n e und sch m ä h t seine G ö tter: þ a sc dem a w earö hrcoh ond h y g e g rim , o n go n his hræ g] ten ui, sw ylce he g ren n a d c ond gristb itad e, w e d d e on g e w itte sw a w ild e deor, gry m e ta d e g e a lg m o d on d his go d u Uelde, þæ s J»e Hy n e in eah tu n m asgne w iþ sto n dan w ifcs w illan . { J u l. 594 fr.) ( D a w a rd der H eid en rich ter vo ll W u t u n d In g rim m , b e g a n n sein G ew a n d zu zerreißen u nd zo rn sch n au b en d m it den Z ä h n en zu k n irsch en , w ü tete im G eiste w ie ein w ildes T ier; d e r G rau sa m g esin n t« brüllte sein e G ötter lästernd, d a ß sie nich t v erm öch ten m it M a c h t zu w iderstehen dem W illen eines W eib es. - n. G rein).

D ei D ich ter findet zw ar die trad itionelle G eb ärd e des K leid erzerreißen s in seiner Q u elle vor. In des g re ift er die G estik der Q uellenstelle nicht nur b eg ierig auf, sondern er v e r­ stä rk t sie noch durch die H in zu fü g u n g des Zähneflctschens und des T ierverg leich s. B e ­ zeich n en der aber ist das F orm ale der W ied erg a b e der G efü h lsreg u n g dieses B ösen (m an pflegt d ergleich en F olterer m it dem T eu fe l selbst zu identifizieren): die innere R e g u n g ist in der F otm el gen an n t (w earð hreoh ond h y geg rim ), w elch e im B e o w u lf eher k ä m p feri­ schen In grim m b ezeich n et.8 H ier jedoch m eint sie zornigen A ffe k t - oder vielm ehr, sie deutet diesen A ffe k t nur an ; denn die sogleich fo lgen den G eb ärd en sind es, die die S tä rk e d er G em ü tsb e w eg u n g verm itteln. A u c h die n o ch m a lig e N e n n u n g der G em ü tsb ew eg u n g im 1 V g l. G u t k l. 643, 654, 722, 938, 954, 962 fl', u. ö. * D a com • ■ • d u g u ö unlytel, / w ad an w æ lg ifre w eorod es b reh tm e (A n d r . 1269 ff.). 3 ræ sdon on so n a / gifru m g ra p u in {A n d r . 1334 f.). 4 V g l. A n d r . 1536; 1549 f, s A c t a S . J u lia n a e (ed. B o lla n d ), cap u t I I I : . . . iratu s scid it vestim en ta su a et cu m g e m itu v itu p era vit deos, q u ia non potueru n t illam laed ere. 9 V g l. B eow . 1564.

Teufe!, U nholde und W ilde

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alten glischen Stil (wedele on gew itte) g e la n g t durch den T ierverg leich in den B ereich des S in n en fälligen . D er as .H e lia n d verfäh rt stilistisch an alo g, wenn er des P ilatus berühm te Z o rn esreg u n g zu n ächst in der P aren these ab strakt andeutet, um sie dann in der V a ria tio n als G eb ärd e zu ta g e treten zu lassen .1 D ie E rk lä ru n g fü r solche D arstellu n gsw eise ist w ohl darin zu sehen: W ähren d die alt­ en glische D ich tu n g die G em ü tsb ew eg u n gen ihrer H elden von innen her erfa ß t und sic so­ zusagen irn seelischen Bereich a b fä n g t, neigt sic bei den religiösen Stoffen dazu, die T eu fe l und die Bösen aus der P erspektive des G u ten zu sehen. S ie fü h lt sich nicht in deren R e g u n ­ gen hinein; sic beobachtet die Bösen von au ß en her, erblickt also an ihnen eher die p h ysi­ schen S ym p to m e der G em ü tsb ew egu n gen als diese seihst. D ieses V erfa h ren w irkt w ie etw as Frem des a u f das h erköm m liche alten glisch e P rin zip der u n körperlichen D arstellu n gsw eise ein, rüttelt an ihm und scheint es gelegen tlich zu spren gen. D a ru m m üssen jene A ffck tgeb ärd e n d arstcllu n ge n — so sp ärlich sic sind — als äußerst w irk u n g sv o lle stilistische D isharm on ien em pfun den worden sein. D a ß dennoch eigen tliche S tilb rü ch e selten sind, hat wohl m ehrere G ründe. Z u m einen d ü rfte eine A rt S tilzw a n g m itspielen. D ie un körperlich e D arstellu n gsw eise der G efü h le scheint der ae. stabreim enden B u ch d ich tu n g w esen sgem äß zu sein. Im B e o w u lf ist sie konsequent d u rch ­ g efü h rt; in den religiösen D ich tu n gen erlegt sic auch der G estik der Bösen äußerste B e­ sch rä n k u n g auf. D es weiteren w irk t auch die heroische L eb en sa u ffa ssu n g in die religiöse D ich tu n g hinein. B iblische G estalten treten in heroischem G ew an d aut; und die bösen M crm edonen im A n d rea s erscheinen in den an die Ileld etid ich tu n g gem ah n en d en typischen Situ ation en des K rie g s ra ts12 oder des A n setzen s zur S ch la ch t3 als germ anisch e K rieger mit deren typischen Ileld en g eb ä rd en . A u ch die Bösen sind also noch heroischen \ o istollü n gen U nterworten, die einem A ffe k tg e b a re n entgegenstch en. S ch ließ lich aber steht dei a lte n g ­ lischen D ich tu n g w eder eine en tw ickelte B eo b a ch tu n g sg a b e fü r die A ffe k tg e b ä rd e zur V e rfü g u n g , noch ein griffbereiter V o rra t an typischen G eb ärd en, dessen sich eine spätere Z eit bedient. A u sd ru ck sg eb a re n ist irn A ltcn g lisch cn h aup tsächlich etw as A k u stisc h e s, m it L ärm en und L ach en stellt m an sich ja auch die H elden vor. In den religiösen S ch ild etu n gen der T eu flisch en verstärkt m an nun, w ie im G u th la c, vor allem dieses B ekan n te, dieses Schreien und L ach e n , in die sin n cn fä llige K o n k reth eit hinein. H inzu kom m en g ele g en t­ lich, w ie in Juliarm., aus den Q uellen und aus der alt testam entlichcn T rad itio n übernom m ene G ebärden. In m ittelen glisch cn religiösen D ich tu n gen jedoch wird die G estik der T eu flisch en un­ m ittelbarer, an schau licher und krasser. P ein iger gebärd en sich dort angesich ts der S ta n d ­ h a ftig k e it der H eiligen bald „w ie ein W ild er M a n n “ ,4 bald äußern sie ihren M iß m u t durch sch recklich e B lick e und Zähnefletschen .5* M ittelen glisch c F a ssu n gen der J u lia n a -L egen d e verm ehren die H inw eise a u f die W u tg eb ä rd en des F olterm eisters, in der frühen I iosaJ u lien e schon schw illt die B esch reib u n g seines A u sb ru ch s zu arabesken G eb ärd en h ä u fu n ­ gen a n .8 A u c h das Schreien und G eb aren des T eu fels selbst, der die h eilige Ju lian a ver-

1 T h o b a lg in a th e biscop, habd e bittren h u g i, (u u ré ð id a u uiö them u u uorde endi is giu u ä d t siet, f b rak for is breostum (H e lia n d 5098 ff.). 2 V g l. A n d r . 1094 ff. 3 V g l. A n d r . 1201 ff. 4 L y k e a vvode m an th an he ferde {D orothe; H o rstm an n , S . 19t ff., 81). 5 V g l. M erg rete (H orstm an n , N . F ., S . 225 ff.), 173; 285. 6 V g l . þ e H f l ade ant te. p a ssiu n o f S e i nie Ju liette, cd. S. T . R. O . d ’A rd en n e (L ie g e , *936), M s. Bodl. 34, 668: þ e reue . . . b ig o n to ew akien , se g rü n d lich e him g ro m ed e, ant. set te b a le fu le beast, as e au cr ei iburst bar þ et grü n d e his tu skes, ant fe n g on to feam in ant grist heatien griso lich e up o pis m ro k e m aiden . . . (für lat. “ frem ebat co n tra ip sam ” ); v g l. ebd. 6391".: 6 8 3 ff.

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Die G ebärde als moralisches Übel

g cb lich zu übertölpeln sieb bem ü h t, ist nun im m er w ied er höchst k o n k ret gesch ild ert.1 D er S ch m erz und das L eid en der Ileilig e n g e sta lte n scheint d ag eg en zu m L e ib e g a r keine B e­ zieh u n g zu h aben. D e r K ö rp e r der alten glisch en Ju liana m och te zerstü ckelt w erden, blu t­ überström t und g a r sch w a rz sein - von ihrem E m pfinden w a r er losgelöst. D iese Bezieh u n g slo sigk e it m an ifestiert sich nun auch in der beherrschten H a ltu n g der H eilig en , unter deren E in flu ß sich in der D o ro th ea -L eg en d e m an ch er Z u sch au er a u f der Stelle b ek e h rt.12 V e rg le ic h t m an etw a m it der eben an g ezo g en en , verh ä ltn ism äß ig frü h en alliterierenden M a rg a re ta -L e g e n d e (etw a 1310) L y d g a te s B e a rb eitu n g des gleich en S to ffes,3 so w ird m an erkenn en , d aß in d er letzteren die F u n ktion d er G eb ärd e, das B öse vom G uten abzu h eben, zu gu n sten einer situ ation sgebu n den en G estik zu rü ck tritt; fü r diese E n tw ic k lu n g ist nicht zu letzt C h a u cer rich tu n gw eisen d . ^ Tn d er alten glisch en w ie in der frü h eren m ittelenglisch en D ic h tu n g jed o ch sind d ie p h y ­ sisch gesehenen A ffe k tg e b ä rd e n g era d ezu A ttrib u te des T eu fels und der T eu flisch e n . In H a n d ly n g Synne auftreten de T e u fe l „ b lic k te n übel und hoben übles G eb aren a n “ 4 oder stürm ten m it “ loþ ely b rou s“ h eran .0 D ie T eu felsbesessen beit des A ria n ers in d er A m b rosiu sL ege n d e dem onstriert sein Zähnefletschen und B e b e n .6 G en au so w ie d urch d era rtig e W u tg eb ä rd en (B rüllen , Zäh nefletsch en , G eifern , h ä ßlich es B licken , W ech sel der K ö rp e r­ gestalt, K leiderzerreißen ) w eisen sich die T e u fe l auch durch ih re J u b elgeb ärd en aus (über­ m äß iges L ach en , G rinsen, H än d eklatsch en , H ü p fen ), m it w elch letzteren S a tan , ebenso wie in der altsäch sisch en Genesis, bei R o b ert von G lo u cester und andersw o au ftritt: V o r þe deu el com b ifore him and Iioppede a n d Iou a n d saylede a n d p le y d e and m ade ioye in ou .7

Ä h n lich stellt ja auch dic bilden de K u n st die T eu fe l bis in die R en aissan ce hinein d a r; m an sehe, w ie z. B. in der Z e ich n u n g eines K ö ln er M eisters (um 1420),8 a u f der eine H eiligen g ru p p e in gem essener H a ltu n g dasteht, u nter der E rd e das T eu felch en m it w eitgeöffnetem , grin sen dem M au l zap p elt. Solche G eb ärd en brauch en, w ie m an sieht, n ich t R eaktion a u f etw as zu sein ; sie sind oft von der H a n d lu n g g a r n ich t m otiviert, sondern eben nur äußeres K en n zeich en d er T eu fel. R ü ck b lick e n d könn te m an vielleich t schon in der um strittenen alten glisch en K en n in g „H ö lle n h in k e r“ (h ellch in ca ; A n d r . 1 1 7 1 ) fü r den T e u fe l9 einen N ied ersch la g jener Sehweise verm uten, die den T eu fel von seinem A ttrib u t der gestischen B e w e g u n g her erfaßt. D iese V o rstellu n g vom T eu fe l als dem sinnlos G estikulierenden fand w ohl auch N a h ru n g in der das g an ze M ittelalter h indurch n ach zuw eisen d en G ep flo gen h eit, als S y m b o lfig u r des S a tan s den A ffe n zu setzen .10D enn die G ebärd en- und M ien en ak ro b a tik m u ßte an diesem m enschen äh n lich en 1 ier g a n z besonders in die A u g e n fallen und m ach t tatsäch lich , w o der A ffe als fig u ra d ia boli iko n o grap h isch erscheint, stets seine ein p rägsam e W irk u n g aus. 1 V g l .J u h a n a (R o y a l A X X V I I ) , E E T S 51, S. 50; S. 52 (ant iberde as ful w ih t, þ a t te r fluhen m onie). 3 V g l. D oroth e 94 ff. 3 H o rstm an n , N . F ., S . 446 ff. 4 þ a t fou le lo k ed and fou le g a n bere (H and l. Synne 7758); im fr z .T e x t findet sich d a fü r k eine E n tsp rech u n g . 3 V g l. H a n d l. S y n n e 8061; im frz. T e x t findet sich d a fü r keine E n tsp re ch u n g . * V S ]' S ‘ A m b ro siu s (H orstm an n , S. 8 ff.), 287; in der lat. L e g e n d e findet sich d a fü r k eine E n tsp re ch u n g . 7 E b en so die T e u fe l in H a li M e id e n k a d , 23.235: A n d te deoueles hoppen and k en ch in d c beaten hondes to ged eres. V g l. W a h rig , 294. 8 „ D ie hl. J u n g fra u zw isch en dem hl. S ervatiu s und d er hl. M a r g a re ta “ , U n ive rsitä tsb ib lio th ek E rlan ge n N r. 27. 9 V g l. M arq u ard t, S. 300 t'. 10 V g l. Janson, S. 13 ff.

Teufel, U nholde und W ilde

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A u c h die W ild en M än n er, deren W esen und F u n k tio n sich in den A u ffa s su n g e n des M ittelalters m it denen der A ffe n in m an ch erlei H in sich t berühren, und die der V o lk sg la u b e den S a tyrn und letztlich auch dem T eu fe l selber g le ich se tzt,1 treten in den m ittelenglischen D ich tu n g en m it krassen G eb ärd en auf, die im V e re in m it ihrem h äßlich en A u sseh en und ihren u n g esch lach ten K ö rp e rb e w eg u n g en besch rieben sind. F aules Sich -auf-d er-E rd eW ä lzen und geile. B lick e b eo b ach tet L agam o n am R iesen von M on t S a in t-M ich el;* im allit. M orte A r th u r e stellt sich d er gleich e U n h o ld vo r A r th u r hin, indem er „u n sch ön u m h erstarrte; er fletschte w ie ein H u n d die greu slich en Zähne, er p lärrte, er stöhnte g e w a ltig m it knu rren d en L a u te n “ .12 3 W äh ren d hier - w ie im A lte n g lisch en - das G eb aren vo r allem aku stisch ist, kom m en anderenorts in den R o m an zen die sichtbaren G eb ärd en noch m ehr zum V o rsch ein . In P u r ity heißt es vo n den bösen Riesen, sie seien w egen ihres häßlich en G ehabes b e rü c h tig t;4 der W ild e M an n in Ipom edon erbebt vor d em Z w e ik a m p f aus W u t56 - den R ittern p flegt solches n ich t zu w id erfah ren . D ie ind isch en Riesen in Wars o f A lex a n d er g affen den K ö n ig und seine L eu te m it aufgesp errten M äu lern a n .8 In d er R eim rom an ze K y n g A lisa u n d e r ist es die E ig e n a rt der wilden A n g e h ö rig e n eines d er seltsam en V ö lk e r in Indien, d aß sie, w eil sie keine Z u n g en h aben, sich n u r d urch G eb ärd en ve rstä n d igen .7 P h an tastisch sind in den R o m an zen die Sch ild eru n gen des G eb aren s der F abelw esen und T iere. A u c h das w ird w ohl oft als A u sd ru c k d äm on en h aften W esens em p fu n d en ; gebärd en sich d och selbst bei D a n te am allerstärksten die U n g eh eu er der H ölle - der Z erb eru s,8 die F u rien ,9 G ey ro n 101etw a, und natü rlich die gehörnten T e u fe l selbst.11 A u c h schon in K ö n ig A lfre d s B o eth iu s w edelt der H öllen h u n d Z erberus, g eb an n t von des O rp h eu s H arfen m u sik , m it dem S c h w a n z.12 V o m W ü ten , F euerspeien , Z u n g en b leck cn und h äßlich en G eb aren der D rach en erzählen denn au ch L a g a m o n und die R o m an zen d ich ter.13 In B eves ofH am tou n hören w ir ferner, w ie der fu rch tb are E ber, als der H eld a u f ihn losgeht, die B orsten hebt, den B eves aus den A u ge n h ö h len anstarrt und w ie ihm dann der S c h a u m aus dem M u n d e k o m m t.14 D a s G eb aren des K en tau rs in der Gest H y sto n a le ist m it dem eines W ilden M a n ­ nes v e rg lich e n ; seine A u g e n fu n keln feu erglü h en d, er starrt seine G eg en ü b er übel an und bläht w iehernd die N ü stern .15 In derlei S ch ild eru n gen fo lgen die m ittelenglisch en D ich ter zw ar gew ö h n lich ihren Q uellen ; aber die stilistische O rig in alität, m it der sie gerad e die A u s ­ d ru ck sge stik der unheim lichen F abelw esen und T iere w ied ergeben , läß t d och erkennen, w ie a u sge p rä g t ihr B lick fü r das konkrete G ebaren gerad e dort ist, w o es nich t - w ie bei 1 V g l. B ern h eim er, S. 97 f. 2 Vg l . L a s . 25991 ff. 3 T h a n g lo p n ed c þe glo to n a n d g lo re d e vn faire, H e gren n ed e a s a grew h o u n d c w ith g ry sly tu skes; H e ga p e d e , he gron ed faste, w ith g ru cch a n d e la te z. ( M A . 1074 ff.) 4 V g l. 5 V g i. 6 V g l. 7 V g l. 8 V g l.

P u r ity 273 f. Iþ o m . 7976. W .A le x . 4728. K . A l i s . 6426 ft'. In fern o V I , 22 ff.

8 V g h ebd . I X , 49 f. 10 V g l. ebd. X V I , 136; X V I I , 25 f. 11 V g l. ebd. X V I I I , 34 ff. 12 V g l. K in g A lf r e d 's O ld E n g lis h Version o f B o eth iu s, ed . S ed ge fie ld (1899), 102.15. 13 V g l. L a j . 15967 ff. ; G H D T 9 1 4 ft u V g l. B e v . H a m t. 784 ff. I 810. M ünchen A k . A b h . phil-hist. 1959 (H ab ich t)

6

15 V g l. G H D T 7723 ff.

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Die G ebärde ais m oralisches Übel

m enschlichen F ig u ren - W ü rd ep rin zip ien zu b erü cksich tigen gilt und w o keine typisierten A u sd ru ck sfo rm e n zur V e r fü g u n g stehen. N u n bleibt allerdin gs den W ilden und den T ieren das A ttrib u t der G eb ärd e auch , w o es nicht m ehr aussch ließlich K en n zeich en des bösen Seins ist. H ier geh t die E n tw ic k lu n g n ach zw ei R ich tu n g en . D ie eine v e rlä u ft zu r A u ffa s s u n g vom „e d le n W ild e n “ . A u c h w o die W il­ den nich t als A u sb ü n d e des Bosen, sondern als R ep räsen tan ten einer natu rh aften T u gen d k o n zip iert sind, sind noch die G eb ärd en ihr C h a ra k teristik u m . So ist noch d er W ild e M an n bei Spenser stum m und m ach t sich “ b y signes, b y lokes and all his other g e sts“ verstän d ­ lic h .1 D o ch die Id ee vom „ed len W ild e n “ ko m m t erst u nter h um an istischen Einflüssen eigen tlich zur E n tfa ltu n g .12 W o in der m ittelalterlich en L ite ra tu r A n sä tze dazu auftauch en (etwa in der D in d im u s-E p iso d e in den B earb eitu n gen des A lexan d ersto ffes), sind kein e G e ­ bärden gesch ildert. - A n d e rs freilich ist cs bei den Sch ild eru n gen „ e d le r “ T ie re und F a b e l­ w esen, deren es in den R o m an zen viele g ib t; sie sind oft m it m enschlichen G efü h len ausg estattet. A u c h für sie ist der G eb ärd en a u sd ru ck ch arakteristisch . In W illia m o f P alern e (W . P .) starrt der w ackere W e rw o lf (ein verzau b erter F ü rst!) seine böse S tiefm u tter im Z orne an, hebt die B orsten und brü llt g a r sch reck lich .3 Ä h n lich k ra ß sind seine J am m er­ g eb ä rd en .4 E s heißt auch a u sd rü ck lich ,d a ß er sich “ bi certeyn sig n es” verstän d lich m a c h t.56 D a s letztere erfah ren w ir nich t etw a n u r deshalb, w eil das T ie r eben n ich t sprechen kann, sondern weil die G eb ärd e A ttrib u t der W ild en und T ie re - auch der „ e d le n ” - ist. D enn auch am H eld en W ilh elm selbst und seiner G eliebten , die sich als H irsch und H irsch ku h verkleid et h aben und in ihrer L eben sw eise sozusagen zu „ed len W ild e n “ gew o rd en sind, w ird ihre V e rstä n d ig u n g d u rch “ þe selcouþ sig n es” « beobachtet, o b g leich sie trotz ihrer E in k le id u n g g a r w ohl au ch m itein an der zu reden pflegen. „E d e ld e n k e n d c ” T iere selbst stehen hoch im K u rs, aber auch bei ihnen gehören G eb ärd en zu ihrem W esen. H ä u fig ist geschildert, w ie treu h erzige P ferd e F reud en - u n d E n tsetzen sgebärd en vo llfü h ren ,7 oder w ie die rennenden J a gd h u n d e b eu teg ierig das M a u l a u fsp erren .8 D e r d an k b a re L ö w e in G uy o f W arw ick m ach t F reu d en sp rü n ge, leckt dem H eld en vo r R ü h ru n g die F ü ß e 9 und wedel t in der B ed rän gn is den S c h w a n z.101D erg leich en T iergeb ärd en sch ild eru n g en haben die m ittelenglisch en R o m an zen sch reib er freilich auch in ihren französischen V o rla g e n g e ­ funden. In der altfran zösisch cn D ich tu n g sind die G ebärd en „ e d le r “ T iere allerdin gs oft n och fa rb ig er, entsprechen indes m eist einer konventionellen m enschlichen G e s tik ;11 daß etw a im la i der M arie de F ra n ce das P ferd des L a n v a l G e fa h r ahnend h eftig zittert,12 oder d aß ‘Y vain s L ö w e bei C h retien sich vor K u m m er zerzau st und zerkratzt, b rü llt und A n s ta l­ ten m acht, sich u m zu b rin g e n 13 - das sind G eb ärd en, w ie sie an Personen au ch zu sehen sind.

1 F a ery Queene V I , I V , 11, 14; v g l. B ernh eím er, S . 11. 2 V g l. B ernh eim er, S. 1 12 fi'. 3 V g l. IV. P . 433g ff. 4 V g l. W. P . 86 ff. 0 V g l. IV. P . 2740. 6 V g l- w . P . 2992. 7 V g l. B ev . Harnt. 2 15 9 ft'.; E g e r a n d G rim e (F ren ch /H ale, S. 669ft'.) 1 1 1 ff. u. ö. 8 V g l. Ipom . 624 f. 9 V g l. G. W w. 4144 ff. 10 V g l. G. W w. (C a iu s M s.) 4122. 11 G leich es g ilt auch fü r die m ittelhoch deutsche höfische D ich tu n g u nd die g le ic h z e itig e B ild k u n st. V g l. D e llin g , S. 120. 12 V g l. M a rie de F ran ce, L a rw a l 46. 13 V g l. Y v a in 3508 ff.; 3394 ff.

Die K irche und die S ünder

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D ie andere und w esentlichere T en d en z ve rlä u ft zu n i K o m isch en hin. M it dei D aiS tel­ lu n g der w ilden G eb ärd en , ebenso wie m it derjen igen d er äußeren H ä ß lich k eit der U n h o ld e, w erden hu m oristische W irk u n gen erzielt.1 M an spottet d arü b er und lach t — aber nun nicht m it einem „b ö se n “ , sondern m it einem belu stigten L ach e n . In der R om an ze von R ich ard L ö w en h erz z. B . w ird dem K ö n ig der K o p f eines gesch lach teten S arazenen präsentiert. A n diesem H eid en k o p f sieht m an nun das ph ysisch veran sch au lich te L ach en , das A ttiib u t des B ösen ist (. . . hys lyp p ys gren nyd w yd e; 3213); des K ö n ig s d arob ausbrechende H eitel keit ist d ag eg en ein zw ar starkes, aber nicht ein m im isch verd eu tlich tes L ach en (er lacht, „a ls w a r er to ll“ ). A u s A n sta n d m ä ß ig t m an so g ar solches R e a k tio n sla ch e n ; als R ich ards L eu te ihren K ö n ig ein gebraten es S a razen en h a u p t verspeisen sehen, lachen sie nich t etw a g e­ radeheraus, sondern „d reh ten sich um und la ch ten “ .12 - D ie G eb ärd en der U n h o ld e losen erst die b elu stigte R ea k tio n der B esch au er aus. D a s zeigt aber doch, w ie effektvoll die „ b ö s e n “ G eb ärd en gew esen sein m üssen. D as L ach e n und die G eb ärd en der U n h o ld e d a ­ g eg e n sind n ich t R eaktion a u f etwas, sondern sü n dige A n zeich en des bösen Seins. D er S a ra z e n e n k o p f grin st nur, weil er heid nisch ist.3 A u c h die hum oristische W irk u n g der G ebärd en der T e u fe l und H eiden , der W ild en und U n g e tü m e ist schon in den altfranzösischen V o rla g e n der R o m an zen vo rgezeich n et; das K o m isch -G ro tesk e der G eb ärd en kom m t dort oft noch viel stärk er zum V o rsch ein als in den m ittelen glisch en F assu n gen - in einer W eise, die es fr a g lic h erscheinen läß t, ob dort die G e ­ bärden der U n h o ld e ü berh au p t als A ttrib u te bösen Seins a u fg efa ß t w urden und nicht viel­ m ehr als bloßer L ach reiz. In E n glan d scheint die m oralisch e B eu rteilu n g dieser G estik ein bew u ßterer und w irksam erer F a k to r zu sein. A u c h n och L a n g la n d ben utzt seine ü b eia u s realistisch-grotesken G eb ärd en sch ild erun gen nur zu r D arstellu n g der personifizierten T o d ­ sünden. U n d a u f dem T h ea ter w ird aus der T eu fe lsg esta lt der religiösen D ram en , dem V ice, d er g estiku lieren d e C low n.

2. D I E

KIRCH E

UND

DIE

SÜN D ER

D ie unbeherrschten G eb ärd en sind nun keinesw egs bloß A ttrib u te der T e u fe l und d er U n h o ld e. D ie A u sd ru ck sg eb ä rd e b irgt die V o rstellu n g des S ü n d ig en ; ihre V e ra n sch a u ­ lich u n g ist ein m oralisches U rteil über den M enschen, der sie vo llfüh rt. A u c h fü r diese W ertu n g des körperlichen A u sd ru c k s zeichnen sich die A n sä tz e in den alten glisch en lelig iö sen D ich tu n g en ab. S c h ü ck in g hat d a ra u f aufm erksam gem ach t, d aß die W örter, w elch e die typischen M an ifestation en des angelsächsischen H eldentum s bezeichnen, in der religiösen D ich ­ tu n g d er A n g elsa ch sen - im G eg en sa tz zur w eltlich en - oft in pejorativer B ed eu tu n g g e ­ b ra u ch t w erd en ,4 d aß sich also eine U m w ertu n g der H eld en au ffassu n g im kirchlichen Sin ne vollzieht. D ie G eb ärd en a u ffa ssu n g könnte diesen T a tb esta n d verdeutlichen . In der w eltlichen D ich tu n g ist der M ensch in der Situation des P rahlens, des K am p fesrau sch es, des Jubels nicht von den A u sd ru ck sb ew eg u n ge n her gesehen, w eil seinen hervorquellendcn S tim m u n gen dieser A r t ein E thos der V erh a lten h eit en tg eg en w irkt, so d aß diese S tim m u n ­ gen also nicht zu A ffek tg eb ärd e n w erden. W en n die geistlich e D ich tu n g aber solche Stirn1 V g l. R ein h o ld , S. 104 ft. 2 hem to u rn y d a w a y and l o w j (Rieh . T ö w . 3114)_ , 3 L e d ig lic h als A u s d r u c k des B ösen m otiviert ist au ch das L a c h e n des S ara zen en m B ev. H a m t. 599 V g l. a u ch S ir O tu e ll ( B E T S , E . S . 35 )» 2 59 4 V g l. S ch ü c k in g , H eld en sto lz, S. 24.

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Die G ebärde als m oralisches Ü bel

m u ngen an den Bosen besch reibt, so hat sie ihren von keinem E thos geh em m ten E x ze ß im A u g e ; d abei w erden sie eben zu A ffek tau sb rü ch en , die sich p h ysisch äußern und an d ie­ ser ih rer Ä u ß e r u n g erk en n b a r sind. Solch es ist eine Ü b ertretu n g der F o rd eru n g n a ch V e r ­ h alten h eit und w ird als sü n d h aft geb ran d m a rk f, und zw ar indem a u f die physischen Ä u ß e ­ run gen als a u f die Sym p tom e d er S ü n d e hingew iesen w ird. W enn in dem ae. G ed ich t V ainglory es von den Zech ern heißt, u nter ihnen „e rh e b t sich T o b en und G esch rei in der S ch a r, sic lassen schrille Stim m en m an cherlei ertön en “ ,1 so gelten d ie d erm aßen sin n fä llig beschi iebenen L a u tg eb a rd cn als verw erflich . Jem and, der sich so ben äh m e, fä h rt d er D ich ­ ter fort, „sch reit u n d lärm t und p rah lt bei w eitem m eh r als d er g u te M a n n “ .2 D ie C h a ra k ­ teristik der S u n d er d u rch die leiblichen A u sd ru ck ssym p to m e - hier w ied eru m vo r allem durch die aku stisch en - g ip felt dan n in dem A u s r u f: „ D e n n w isse nach dieser kurzen .,c ii c eru ng, d aß das ein K in d des T eu fe ls ist im F leisch e b efan gen !“ 3 N u r beim S ü n d er ist der L e ib den A ffek ten ausgeliefert. D ie Seele sch ilt den L e ib im S treitg esp rä ch der E xeteri i s . , d aß dieser zu L eb zeiten „ a n Speisen lüstern sich w eidend (wlonc) und des W eines voll g e w a ll.g to b te “ er sei „v o n Fleisch und F revellüstcn m ä c h tig t b e w e g t “ g ew esen ,d u rch sie, die Seele, aber stand fest g em a ch t w o rd en .5 D ie A ffek tg eb ärd e n , deren V o rste llu n g sich m it dem alten glisch en poetischen H eld en , lld n ich t vertrag t, gelten som it von relig iö ser W a rte als S ym p to m des S ü n d ig en . Diese A u ffa s s u n g w eist nun g a n z offensichtlich a u f den E in flu ß d er K irch e. D ie L eh re von der M ä ß ig u n g ist schon in der P atristik von d u rch g eh en d er B edeutun g;« sic ve rla n g t zw ar in der P ra x is zu vord erst B esch rän k u n g in Sp eise und T ra n k , sch ärft aber auch eine Z ü g e lu n g ce s A ffek ta u sd ru ck s ein. In d er in a ltcn glisch er Z eit weit verbreiteten F o r m u la vitae hodes sp anischen B isch ofs M artin von B ra g a ( f S8o) z. B. w ird die D o k trin des M aß es (des M ittelm aßes im Sin ne d er aristotelischen E th ik ) zu r d id aktisch en A n w e isu n g fü r die rechte L eb en sfü h ru n g . D e r A ffe k ta u sd ru c k soll g ezü g elt, die K ö rp e rb e w eg u n g en sollen ein g esch rä n k t w erd en .7 N o ch deu tlich er erk lärt d er A n g elsa ch se A lcu in ( f 804) seinem . chuler, d aß es necessarie observan du m est, ut recta sit facies, ne labra d etorqu ean tur ne im m odicus hiatus d istend at rictum , ne supinus vultus, ne d electi in terram oculi, ne m ch n ata cervix neque elata aut depressa su p e rcilia ’ ’ .* E s ist sch w ierig zu bestim m en, w ie­ w eit derlei detaillierte A n w eisu n gen den C h a ra k te r religiöser M o ra l h aben und w iew eit 4K n ,f gCV° ! T h riften Sind- S ich e r sind sic beides. S ich er ist auch, d aß m aßlose A ffck t ge harden kirchli einerseits im m er w ied er m oralisch verd am m t w erden. So besonders das zü gellose L a ch e n ; w iew ohl dem M ittelalter die .F ä h ig k e it zum L ach en als das gilt was den M enschen vom T ie r unterscheidet,® so ist doch das überlaute, das m aßlose, das

7 Ci™ 011 COrÞre’ CWidC scralIetaÞ / m issen lice; Vain glory ( A S P R , vol. I l l , S. ,4 7 ff.), 3 breodað he on d kæ lceð, boö his sylfes / sw iþ o r m icle p on n e se sella m on (ebd , g f \ . tWw

Þe

Þ ‘ SSUm / fea w u m fo rð sPelIum Þæ t í>æ t biÞ feo n d es b e a m / ífe s c e b ifo n g e n (ebd. 46 f f )

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" Í T ^ Uf Þ % WISt,e Wl0nC ? Ud WmCS Sæd’ 7 Þn rm fiil þ u n ed est’ ’ ; 5 .« / an d B o d y I I ( A S P R , vol. I l l , \ l 4 , ’ 36 f ' /U r h ‘ er ^ e^ ebenerl B ed eu tu n g v o n w lonc v g l. v. L in d h eim , A n g lia 70 (1951) 46 41 ÞU WærC Þurh flæSC ° nd Þ urh firenlu stas / stro n g e g e sty re d on d g e sta þ e la d Þ urh m ec ( S o u l a n d B o d y , 6 V g l. H erm an ns, p assim . 7 M a r tin i E þ is c o þ i B ra ca rien sis O þera O m n ia, ed id it C . W . B arlo w (N e w H a ven , 1950); S 24s- S i co n ­ tin en s es, et anim i tui et corporis m otus observa, ne in deco ri sint. " Z itiert Iiach H erm an ns, S. 31, A n m . 9: v g l. dort a u ch S. 32, A n m . 1. 25“ N o tk e r; H o tn o e st an im al ratio n ale, m ortale, risus c a p a x . - V g l. hierzu H . A d o lf, S þ ecu lu m X X I I (1947),

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von u n sch icklichen G eb ärd en begleitete L ach en v e rp ö n t;1 nach d er B en ed iktinerregel geht der W e g zur T u g e n d über das M eiden des L a ch e n s.*2 A u c h gegen ein Ü b erm a ß der Ja m m erg eb ä rd en nehm en die V ä te r des öfteren m oralisieren d Stellu n g, indem sie deren za h lreich e als w arn en de B eispiele a u fzä h le n .3 E s ist hier n ich t der O rt, die geistlichen Q uellen dieser A n sch a u u n g e n zu untersuchen - aus der B ib el d irek t stam m en sie k a u m ; vielm eh r sind, w ie W a h rig fü r das L ach e n g e ze ig t h at, stoische und asketische Einflüsse m a ß g e b e n d .4 Ih r N ied ersch la g a u f das en glische S ch rifttu m , der uns h ier interessiert, erscheint gan z besonders n a ch h a ltig . D eu tlich tritt in der m ittclen glisch en P rosa die T en d en z hervor, clie S ü n d e d urch ihre kö rp erlich en Ä u ß e ru n g e n zu k en n zeich n en .5 W o E rb au u n gssch riften und P oen iten tiale a u f die äußeren Sym p tom e d er Sün de zu sprechen kom m en, verzeichnen sie höchst a n sch au lich e G eb ärd en . M an bedient sich dabei im m er w ieder des V erg le ich s m it den M im en und Possenreißern. D a s gau k eln d e und effekth asch end e G eb aren dieser fa h ­ renden H istrionen m uß der K irch e besonders an stö ßig erschienen sein. T h o m a s von A q u in hält nur etw as von denjenigen M im en , die H eilig en leg en d en vo rtragen , veru rteilt aber solche, die sich d urch indezentes T a n zen und G estiku lieren h ervo rtu n .6 D a s T h o m a s von C a b h a m zu gesch rieben e P oen iten tial7 erklärt jene M im en , die “ quidam transform ant et tra n sfig u ra n t corpora sua per turpes g estu s” und die allerlei obszönes G eb aren vollfüh ren , für die übelsten ihrer Z u n ft. Im B ook o f Vices a n d V irtues (ca. 1375) nun, einer der beiden w eitverbreiteten m c. B ea rb eitu n gen der Som m e l i R o i, w ird das zü gellose G ebaren (d o yn gc w iþ here bodies) derer, die es an d er T u g en d der M ä ß ig u n g fehlen lassen, m it der E rk lä ru n g a n g ep ran gert, solche L eu te m ü ßten fü r “ h a lfyn g fo o lcs” geh alten w e rd en ;8 vielleich t k lin g t d arin ein H inw eis a u f das närrische G eb aren d er M im en an, d er dein m o­ ralischen V erd am m u n g su rteil der G eb ärd en größten N a ch d ru ck verliehe. A u sd rü c k lich m it dem G eb aren der M im en verglich en w ird in A n cren e R iw le z. B . das V e rh a lte n der N eidischen, die schiefe B lick e haben, die A u g e n rollen und die O hren h än gen lassen und, sobald sic G utes hören, den M u n d verzerren .9 In ähnlich körp erlich er W eise w erden auch die S ym p tom e der anderen T o d sü n d en dargestellt. D a v o n ist selbst die T rä g h e it nich t aus­ genom m en ; d er ih r V e rfa lle n e p flegt - nach Ifa n d ly n g Sy nne - sch w eißtriefend im B ett zu lie g e n ;10I12 a u f gu te E rm a h n u n gen hin räkelt er sich und k ra tz t.11 A n der m oralisch abschrekkenden A b s ic h t solcher D a rstellu n g en in den E rb au u n gssch riften w ie auch in den relig iö ­ sen D ich tu n g en ist nicht zu zw eifeln. A u c h an den V erd am m ten in der H ölle sch ild ert m an ja den körperlichen A u sd ru ck , w ie etw a das H eulen und Z äh n ek lap p ern in A genbite o f In w itvi oder das rastlose U m h erirren im P oem a M ora le1* - eine P ra x is, deren m an allent-

. 1 M artin B r.: N a m repreh en sibilis risus est, si im m od icu s. - B asiliu s fordert, d a ß m a n d a s L a ch e n n ich t m it grin sen d en L ip p e n V orb rin gen so lle; v g l. W a h rig , S. 292. 2 D i e ags. Prosabearb. d. B en ed ik tin erreg el, h rsg g . v. A . S ch röer, B ibi. d. ags. P ro sa (K a sse l, 1885), >8-7 f. (D e r M ön ch soll) ne . . . fela sprecan, ne idele w ord ne le a h to rb e re ; ne h leah ter ne sceal he lu fia n ; v g l. bes. ebd. S. 22. 6 f. 3 V g l. Z-a.ppe.xt, fa s s itn . I V g l. W a h rig , S. 296 ff. 5 V g l. dazu A . J. D o y le , in: T he A g e o f C kaucer (P e n g u in , 1954), S . 7 4 ff. 6 V g l. E . K . C h am b ers, M ed ia ev a l Stage I, S. 58. 7 M itg e te ilt bei E . K . C ham b ers, ebd., A p p e n d ix G. 8 B o o k o f Vices a n d Virtues, E l i 7 '.S' 217 (1942), S. 287. 8 ff. * A n cren e Rivule (M s. N ero A X I V ) , E E T S 225 (1952), S . 94. 9. 10 V g l. H a n d l. Synn e 4258; im fran zö sisch en T e x t findet sich keine E n tsp rech u n g . II V g l. ebd. 4279; im fran zö sisch en T e x t find et sich keine E n tsp rech u n g . 12 V g l. E E T S 23, 265.5.

13 V g l. Poema, M orale 239.

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D ie G ebärde als m oralisches Ü bel

halben in m ittelalterlich er D ich tu n g und B ild ku n st nicht m ü de w ird. Es g en ü g e, beispiels­ halber d aran zu erinnern, d aß ottonische M in iatu ren vom Jü n gsten G erich t w ie die im P eriko p en b u ch e H ein rich s II. die T o te n m it lebh aftesten G eb ärd en m alen und ihnen die w ü rd ig posaunenden E n g e l en tgegen stellen ,1 oder d aß selbst D an te, der d ie G efü h ls­ g eb ä rd en d a rstellu n g zu einer unerh ört nuancierten K u n st en tw ickelt hat, die zw eifellos stärksten K ö rp e reffek te den Sün dern im Inferno vorbeh ält. D ie positive F ord eru n g, die d em gegen ü b er erhoben wird, lautet, d er M an n - besonders der im fü rstlichen S ta n d - solle die F orm en w ah ren, g e m ä ß ig t im G eb aren sein und vor aller W e lt eine w ü rd ig e H a ltu n g einn eh m en.i*34 5D ie ruh ige K ö rp e rh a ltu n g ist das G ute, w ie die affektisch e K ö rp e rb e w e g u n g Sym p tom des Bösen ist. B ek a n n t ist R ich a rd R olles Preis d er ru h ig en H a ltu n g : diejenigen sind G o tt w o h lgefällig , „ d ie still an einem O rt verw eilen und nich t um herrennen, sondern in der süßen L ie b e C h risti sicher steh en “ .3 W er G o tt liebt, soll stets in “ m aste rest o f body and saw !e” sein .1 F ü r diese G leich setzu n g von ru h iger K ö rp e rh a ltu n g und F rö m m ig k eit ist zw ar das m ystisch e G ed a n k en g u t m a ß g eb en d ; tro tz­ dem b leib t die n ach d rü ck lich e A u sfü h rlic h k e it, m it d er R ich a rd R o lle im m er w ieder a u f die körperlich e Seite eingeht, fü r den E n g lä n d e r höchst bezeich nend . So erläutert er la n g und breit, w arum er in sitzen d er H a ltu n g jen e fro m m e K ö rp e rru h e am besten findet, und g ib t sich selbst den B ein am en „ d e r S itzen d e“ .8 In L a ja m o n s B ru td ich tu n g ist denn gerad e die ru h ig e K ö rp e rh a ltu n g , das Stillsitzen oder das Stillstehen, die häufigste „ G e b ä r d e “ der von A ffek ten erregten H eld en . D a s S till­ halten b ezeu gt gleich sam die T u g e n d des A ffek tversch w eigen s. C ord oille, die K ö n ig L eir ihre w ahre L ie b e m ittcilt, sitzt n ach ihrer R e d e „ g a n z still.“ 6E b en so b ezeu gt sie ihre tu g en d ­ hafte V a terlieb e, als sie m it F reud en von der A n k u n ft des von ihren Sch w estern verstoßenen L eir h ö rt: „ D ie K ö n ig in C o rd o ille saß lan ge Z e it g a n z still.“ 7 U n d als A r th u r vom T o d e U thers hört, bricht er n ich t gleich in T o te n k la g en aus, son dern “ sæ t fu l stille” .8 E s h and elt sich d abei freilich um einen über die g a n ze m ittelen glisch e D ich tu n g hin verbreiteten form elh aften A u sd r u c k ; aber sein In h alt - die tu g en d h a fte K ö rp erru h e - h a t bei L a ja m o n G ew ich t; erst in den R om an zen w ird dieser m oralisch e Sinn h ä u fig n ich t m ehr verstanden. In L a ja m o n s D ich tu n g ist es a u f d er anderen Seite auch, wo die an sch au lich gesch ild er­ ten A ffe k tg e b ä rd e n am ein d eu tigsten das böse Sein a u sw eisen ; in dieser B ed eu tu n g ist die G eb ärd e bei L a ja m o n ein P h än om en erzäh lerisch er G estaltu n g. D ie folgen den A b sch n itte sollen im R ah m en von fü r die erzäh len d e D ich tu n g typ isch en Situ ation en und L eb en slag en zeigen , w ie dies bei drei n atu rgegeb en en G ru nd form en gestisch er A ffe k tä u ß e ru n g der Fall ist: beim ich bezogen en A ffe k t (Zorn), beim a u f das G egen ü b er gerich teten A ffe k t (E rotik) und beim A ffek t, der die K on ven tion en des G em ein schaftslebens (G astm ah l) zerbricht. i V g l. H . Jan tzen , Ottonische K u n s t , S. 89. - V g l. B ook o f Vices a n d Virtues 287. 12 ff. 3 þ a i e r G oddes trone, Jiat d w elles still in a stcde, a n d er n o gh t ab ow te ren nan d, b o t in sw etnes o f C ristes lufe er stab yld . ( F o rm o f L iv in g X , 248; in : T h e E n g lis h W ritin g s o f R ic h a r d R o lle , ed. H . E . A lle n [O x ­ ford, 193 ij). 4 V g l. ebd. X , 258t. 5 V g l. H . E. A lie n s E in le itu n g , S. X V I I . 6 and seoöðen set sw þ e stille (L a .j. 3060); bei W ace ist dieses S tillsitzen offen b a r n ich t als k ö rp erlich e G e ­ b ärd e a u fzu fa s se n ; v g l. B r u t 1743: A ta u t se tout, n e v o lt plus dire. þe qu ene C ord o ille seæt lo n g e sw|'ie stille (L a3 . 3526); bei W a c e find et sich hier n ich ts E n tsp re ch e n d e s; v g l. B r u t 1987. 8 V g l. L a j . 19887. B ei W a c e findet sich h ier n ich ts E n tsprechend es.

„ N ie m a ls “ , lehrt schon in den ae. Precepts d er V a te r den Soh n, „ la ß den Zorn dich ü b erw ältig en , im H erzen sich au fbäum en d, noch den A b g ru n d h eftige r W orte dich m it seinen W ogen schän den; m an k ä m p ft d a g eg en an in d er m u tig en S e ele .“ 1 V o m Zorne ü b erw ä ltig t aber sind in den religiösen D ich tu n g en der A n g elsa ch sen die T eu fe l und die F olterer. Im 14. Jh. läß t L a n g la n d die personifizierte T o d sü n d e des Zorns durch die G ebärden w ir k e n ; d er Z o rn tritt lau t lachend auf, m it w eißen A u g e n , sch n aub en d er N ase, sich a u f die L ip p en b eiß e n d .12 D er Zorn lacht nicht nur, w eil L a n g la n d ihn kom isch m eint, sondern w eil er S ü n d e ist. A n cren e R iw le betont die körperlich en S ym p to m e des Zorns und sagt, dieser sei ein böser Z au berer, der das Ä u ß e re des M en sch en g a n z und g a r verw an d elt und ihn zu m w ilden T ie r m acht. D er Z o rn ige sei ein W ah n sin n iger, in seinem Innern ebenso­ w ohl w ie in der A r t seines D reinschauens, seines R edens und G eb aren s.3 D ie Stoa m a g diese A r t und W eise, den Zorn am S ym p tom der G eb ärd e zu verurteilen, beein flu ßt haben. S eneca beschreibt in seinem T r a k ta t ü ber den Zorn g an z k o n kret die kö rp erlich en Ä u ß e r u n g e n .4 Indes scheiden die kirchlichen L eh ren vom sün digen Zorn den guten, h eiligen Z o rn .5* G u t und tu g en d h a ft ist der Zorn, der R eaktion a u f die S ü n d e ist. So lch er Z o rn ist in der D ich tu n g heroisch, und seine M an ifestation ist repräsentativ. Böse und sü n d ig h in gegen ist der Zorn, w o er jäh er A ffe k t ist und w o sein körp erlich er A u sd ru c k spontane, unbeh errsch te G eb ärd en sind, wo er — w ie es bei T h o m as heißt - das M a ß der V ern u n ft nich t b each tet.8 D a G eb ärd en und A u sd ru ck sfo rm en des Zorns in m ittelen glisch er Z eit stereotype V o r ­ stellun gen und fo rm elh aft gew orden sind, w endet sie die D ich tu n g a u f die beiden A rten des Z ornes an. W ild es B licken , so gar Zähnefletschen können also ebenso das Böse, das U n ­ heroische bloßstellen w ie auch der V era n sch a u lich u n g des H elden dienen. A lle in clie D a rstellu n gsw eise läß t uns n ich t im Zw eifel darüber, w elcher A r t von Zorn eine G eb ärd e zu geh ö rt - zum einen d eshalb, w eil die den G eb ärd en unterliegen den G efü hle verd eu t­ lichend gen an n t zu w erden pflegen, und zum andern, nam en tlich bei L ay a m o n , weil „ b ö s e “ Z o rn esgeb ärd en als unbeherrschte A ffek tau sb rü ch c K o n fliktstoffe in die H an d lu n g hinein tragen , w ährend die „ g u te n “ Z ornesgeb ärd en m eh r d ekorativ-rep räsen tativen C h a ­ rak ter haben. N u r die Z orn esgeb ärd e als S ym p tom des Bösen ist bei L a y a m o n fü r die E n tw ic k lu n g der H a n d lu n g w irksam . Sie kom m t auch häu figer vor. D a rin zeig t sich eben die T r a g k r a ft der A u ffa s su n g , die d as A ffe k tg e b a re n m it dem B ösen zu sam m en b rin gt. So ve rm a g sie zur W ertu n g der P ersö n lich keit b eizutragen . D em ansonsten trefflich en M orp idu s w ird seine körperliche U n b eh errsch th eit im Zorn a u sd rü cklich als C h a ra k terfeh ler an g ekreid et.7 U nd

1 Y r r e nc læ t þe æ fre je w ea ld a n , / heah in hreþre, lieorow o rda gru n d / w ylm e bism itan, a c him w arnaft þæt on geh eo rtu m h y g e . {Precepts; A S P R III, S. 140 ff., 83 ff.). 2 P ie r s P lo w m a n C, V I I , 103 f.

3 V g l. A n cr en e R iw le 52. 34 ff4 V g l. D e ira I, 1 und I I , 35. 5 V g l . z. B . Bk. ofVic. a n d Virt. 25. 11: B ut vn d ersto n de w el þ a t þ e r is an ire þat go o d e holy men han a je n s cu clc, |>at is v ertu e to destroie w iþ y u clc, and þ e r is a-n oþ er þat is synne w el gret. - A n a lo g H a n d l. Synne 3767 u. ö. 8 V g l. S u m m a T heol. 1 . 11, Q u. 46, 4. 1 V g l. L a3. 6369 ff. im Z u sa m m e n h a n g m it 6377 ff.

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Die G ebärde als m oralisches Ü bel

wenn K ö n ig L eir, als er bei der B e fra g u n g seiner T ö ch ter d ie arglose A n tw o rt Cordoilles vern im m t, vo r Z orn ü ber und ü ber sch w arz w ird, in O h n m ach t fällt, sich n a ch einer W eile w ieder a u frafft, um Cord oille, der d arob a n g st und b a n g e w ird, w ü tend zu verflu ch en ,1 so w ird diese R ea k tio n L eirs „ b ö s e “ g en a n n t (vu el; L a j . 3078; bei W a ce kein e E n t­ sp rechun g). L e ir ist ja , als er die T ö ch te rb e fra g u n g veran staltet, ein G reis; und A lte r ist hier o ffen sich tlich n ich t m eh r - wie im B e o w u lf - m it W eish eit identisch, sondern m it u n ­ heroischer S ch w ä ch e, was d er D ich ter zu B eg in n der E p isod e auch a u sd rü ck lich v e rm erk t.12 3 Im fo lgen d en m u ß L e ir in der T a t fü r seine V erh alten sw eise gleich einem reu igen S ü n der A b b itte tun. A u c h d aß L e ir sch w arz w ird ,3 d ürfte die m oralisch e V e ru rte ilu n g u nter­ streichen. D a s Sch w arzw erd en im Zorn ist zw ar auch in fran zösisch en D ich tu n g en eine d u rch au s g ä n g ig e V o r ste llu n g ;4 indes w ird es auch da (nach Sch röder) vo rzu gsw eise dann erw äh n t, w enn es sich um „etw a s U n a n g en eh m es u n d B ö ses“ h a n d elt.5 Ä h n lich es kom m t im O rien t vo r; und auch im K o ra n w ird ein B ö sew ich t vo r Zorn sc h w a rz.6 M ö g lich , d aß L a ja m o n m it diesem „ s c h w a r z “ g a r kein e echte F a rb v o rstellu n g verb in d et (sein V e r ­ gleich „sch w a rz w ie ein T u c h “ ist v a g e ); w esen tlich er erscheint das m oralisch e U rteil, das darin liegt. Schon in d er alten glisch en religiösen D ich tu n g ist sch w arz die F a rb e des B ösen7 und dabei m eh r sym bolisch g eb ra u ch t als real; die evozierte F a rb v o rstellu n g ist fa cetten ­ reich und d ah er u n b estim m t.8 So ist w ohl auch das S ch w a rzw erd en L eirs zu vörd erst als S ym p tom d er V e rw e rflich k e it seines H an d eln s au fzu fassen und nicht, w ie m an verm utet hat, als „ex p ressio n istisch e“ Ü b ersteig eru n g einer o b jektiven G efü h lssch ild eru n g. M it besonderer V o rlieb e schildern die D ich ter, w ie böse G estalten jä h zo rn ig e A ffe k te an ihrem tu gen d reich en G eg en ü b er auslassen. K ö n ig L eir verstö ßt die beste seiner T ö ch ter im Zorn. In den R o m an zen w erden dabei g rö b lich e R asereien vo rgefü h rt. D e r böse G od rich in H avelok z. B., der den als K ü ch en ju n g en b esch äftig ten H elden zw in gen will, seine ihm unliebsam e P flegeto ch ter G o ld b u rg zu heiraten, ü b e rlä ß t sich bei dessen g leich w o h l sa ch ­ lich b egrün deter W e ig e ru n g seiner Z o rn esreg u n g , in d em er a u fb rau st und ihm derbe 1

þ e king- L e ir iw eröe sw a blae sw lch hit a blae cloð w eoren iw æ rð his h u de a n d ids heow e for he w as su þe ihæ rm ed m id þ æ re wrœ ððe he w es isw eued þ a t he feol isw ow en la te þ eo he up fusde þ a t m æ iden w es afeared . . . ( L a g . 3069 ff.).

B ei W a c e (v g l. B r u t 1744 f.) tritt d as P h ysisch e d er R e a k tio n L eirs n ich t in d iesem M a ß e in E rsch ein u n g. 2 þ a æ ld ed e þe k in g j and w a k ed e an a ðelan (M s. Cotton O tk o : a n d faile d e his m ihte) ( L a j . 2937 f.). - A ls A lle g o r ie g e h ö rt das A lte r im R o sen rom an zu den L astern . V g l. L ew is, S. 102. 3 D as W o rt blae in L a ja m o n s T e x t kön n te a llerd in gs a u ch ,b le ic h “ h eiß en ; es besteh t jed o ch keine V e r ­ a n la ssu n g zu r A n n a h m e, d a ß La;;. h ier von W a c e a bw eich t, der L eir p e r s w erden lä ß t ( B r u t 1793), w o m it ein „s ch w ä rzlic h e s B la u “ g e m e in t ist (v g l. H .-E . K eller, É tu d e descriptive su r le vocabulaire de Ware (B erlin ,

' 953) ■ 4 V g l. L ou b ier, S . 123 f . ; N eu b ert, S. 662. 6 V g l. S ch röd er, S . 66, A m n . 1. F ü r B eispiele aus den me. R o m an zen v g l. G eissler, S . 56. “ V g l. V o rw a h l, S. 18. 7 V g l. W . E. M ea d , “ C o lo u r in O ld E n g lish P o e try ” , P M L A X I V (1899), 181; J. E . W illm s, Farbbezcichnungen in der P o esie A lte n g la n d s (D lss. M ü n ster, 1902), S . 6 f f . ; E . S ch w entner, A ltg erm a n isck e F arbbezeichnungen (D iss. G ö ttin g en , 1905), S. 16. V g l. L e rn e t, C o lo u r W o rd s in A n g lo S a x o n ” , M L R X L V I (195t), 264 ff. — A u c h im F ran zösisch en erschein t das „ b ö s e “ S ch w arz ( n eir) syn o n ym m it ,b la u ‘ u nd ,b ra u n “ o d er m it dem n eu tralen descolore (vgl. þ e D esp u tiso u n . . ., E r la n g e r B e iträ g e , I, A n h . 1, T e x t P , V e rs 1066; zu descolore s. auch W . T . E iw e rt, „ Z u r ■ Synonyrnendoppclung als In terp reta tio n sh ilfe“ , A S J V S , 195 [1958], 24).

Schm ach

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S c h lä g e versetzt.1 In B ev. Iia m t. zieht die ehebrecherische M u tter den ju n g e n H eld en im Z orn über dessen b erech tigte m oralische V o rh a ltu n g e n am O hr" oder versetzt ih m bei ähn­ lich er G eleg en h e it eine so g ew a ltig e O h rfeig e, d aß er zu B oden fällt.1*3 D a ß solches nich t nur hum oristisch, sondern m oralisch gem ein t ist, zeig t sich darin, d aß eben die besagte O h rfe ig e den gu ten S a b er bestim m t, sich von der R asenden - seiner H errin - in diesem A u g e n b lic k inn erlich loszu sagen und sich m itleidsvoll a u f die Seite des B eves zu sch lagen. In der a 1lit. R o m an ze Chevalere A ssig n s ist es eine böse H ex e, die vom R itte r zum Schw an ih rer M issetaten b esch u ld igt w ird ; sie w ird d arob so zornig, d aß sie a u f diesen losstü rzt und ihm ein B ü sch el H aa re ausreißt.45 7Selbst der trefflich e A th elsto n gerät, als er dem V e i ratet 6 G la u b en schenkt und d am it zu m A g e n s des Bösen w ird, in eine solche W u t, d aß er seiner fü r die G erech tig k eit einstehenden G em ah lin m it einem F u ß tritt das K in d im L eib e tötet. E inen u nbeherrschten K in n h a k e n erhält der H l. B ern h ard in der ih m gew id m eten m ittelen glisch en L e g e n d e ,8 und zw ar von einem C anonicu s R eg u la ris, als er diesen w egen der V e rk e n n u n g seiner A m tsp flich ten rü g t: þc chanoun w as jo n g and hot of blöd, A n d , a s a m on p a t w a xe n w eore w od, I le sm ot seint B ern a rd v n d u r p e chek . . . (493 ff.).

D er m ittelen glische D ich ter fü h rt dabei - abw eich end von seiner Q uelle (L eg . A u rea ) - als m ildernden U m sta n d die Ju gen d und die H eiß b lü tig k e it des C anonicu s an. A u c h in a lt­ en glisch er Z eit verzieh m an ja kirchlich erseits der Ju gen d das U n g estü m . D a ß aber der sonst so bieder seiner lateinischen Q uelle folgen de D ich ter eine d erartige E n tsch u ld ig u n g fü r n ö tig hält, könn te d och die V e rm u tu n g n ah clegen , d aß er d am it der als böse em p fu n d e­ nen Z orn esgeb ärd e eine S ch ärfe nehm en w ill, die, da der sie V o llfü h ren d e im m erhin ein G eistlich er ist, entstellend w äre und auch g a r nich t im Sinn der lateinischen L ege n d e ist. In den altfran zösisch en D ich tu n g en beein träch tigen d em geg en ü b er oft auch die stärk­ sten Z o rn esgeb ärd en die m oralische T refflich k eit nicht im g erin gste n ; im G egen teil, auch bei den Z o rnesau sbrü chen der H eld en sind dort überaus h eftige A ffe k tg e b ä id e n g esch il­ d ert; sic knirschen m it den Zähnen , rollen und schließen die A u g e n , ziehen die B ia u e n hoch, schäum en, raufen H aa r und B art, zittern, w erden rot, grün und schw arz.

4. S C H M A C H

In den K am p fessch ild eru n g en stellen die Z o rn esgeb ärd en die S ch m a ch der bed rän gten und gesch lagen en F einde zu r Sch au . D o ch d arü b er hinaus w erden A u sd ru ck sb ew eg u n ge n des Entsetzen s, der A n g s t, der F eig h e it in die Sch ild eru n gen der Sch m ach einbezogen, w elche auch in den altfranzösischen E pen h äu fig sind. D as m it V o rlieb e d argestellte

1

G od rich stirt up and on him don g

With dintes swipe hard and strong (.H av. 1147 b)- V g l. B ev . H a m t. 492 f. 3 V g l. B e v . H am t. 32off. 4 A n d þen n e she lepte to hym a n d k a w jte h ym b y p e lo kke T h a t p er leued in here honde heres an h o n dredd e. (C h ev. A ss ., Fren ch /H ale, S. 857fr., 254 f.). 5 V g l. A th e lsto n 282. 6 H orstm ann , S. 41 ff. 7 V g l. N eu b ert, S . 662; B raed er, S . 25. M ünchen A k . A b b . phil.-hist. 1959 (H abicht)

7

So

Dir- G ebärde als m oralisches Übel

.c h m a c h g c b a r e n der G e g n e r könn te insofern von dem „ b ö s e n “ G eb aren a b g e leitet sein als ja w o ra u f m an des öfteren hingew iesen h at, die K ä m p fe der christlichen H elden als arnpfe g eg e n den U n g la u b e n und g eg e n das Böse g erech tfertig t w erd en und die G egn er H eid en u n d S a razen en oder diesen gleich g esetzte F ein d e sin d .1 D o ch dies e rk lärt den T a t­ bestand n ich t ersch öp fen d . D ie alten glisch e D ich tu n g sch ild ert selbst an den höllischen F ein d en heroisches V erh a lten . A u c h bei L a ja m o n tritt z. B . der fein dlich e C a esa r m it den K a m p fesg eb a rd e n eines edlen H eld en auf, w äh ren d g era d e die gesch la gen en B riten «ich sch m ach voll benehm en. A lle rd in g s w ird an den vom christlichen S ta n d p u n k t verw orfen en F eind en ein S ch m a ch ­ geb aren am ehesten v o rgefü h rt. D a rü b er hinaus aber h aben die S ch m a ch g eb ä rd en eine vo n der en geren m oralisch en B ed eu tu n g sich lösende, eigen rech tlich e F u n k tio n - sie stellen den G esch lagen en , ja den U nh eroisch en sch lech th in bloß, und sie u nterstreichen den T riu m p h des Siegers, der oft gerad e aus ihrem. A n la ß und a u f sie B e z u g nehm end H ohnreden a n stim m t.123 In D eu tsch lan d lä ß t freilich E k k e h a rd im heldischen E p o s schon S ch m a ch g eb a re n a u f oc ist origin elle W eise w irken - so, w enn dem G ü n th er in dem M om en t, als er von W alth er im K a m p f bei einer H in terlist ertap p t und d arob a n gcsch rien w ird, vo r E n tsetzen die K n ie w anken. .Bei den A n g elsa ch sen h at m an n ach an n äh ern d V erg le ic h b a rem w ied eru m zunachst m der religiösen D ic h tu n g zu suchen, wo in d er T a t das Ju d ith frag m en t ein a u g e n ­ fä llig es B eispiel liefert. D e r assyrischen O ffiziere b em ä ch tig t sich dort ob der S ch lap p e, die ihnen die in der S c h la ch t erfolgreich en Juden z u g e fü g t h aben, ein G efühl d er E n t­ m u tig u n g (236 ff.; 267 ff.). D esw eg en erheben sie vor H o lo fern es’ Z elt L ä rm und Z äh n e­ knirschen, w o m it sie zu n äch st ihren verm eintlich liebestrunken sch lafen den H eerfü h rer a u fw cck cn w ollen. Ih re G eb ärd en sind aber zu g le ich zorn iger A u sd ru c k . A ls d an n aber einer der O ffiziere sich ins H errsch erzelt w a g t und den K a d a v e r des H olofernes erblickt, da sc h la g t d er Z orn m E n tsetzen m it v ö llig zw eckfreien A ffe k tg e b ä rd e n um, die d er en glisch e D ich ter seiner Q uelle g eg e n ü b er beträch tlich ve rstä rk t: d er F ü rw itzig e fä llt vor E n tsetzen zu B oden, zerrt sich an den H aaren , zerreißt das G e w a n d .4*A u c h seine - von der O uelle u n a b h ä n g ig e - R ed e tut den G enossen höchstes E ntsetzen ku n d , w orau fh in diese ihrerseits die M affen von sich w erfen und R eiß au s nehm en {J u d ith 291).» Den E in d ru ck d esS ch m ach vollen beförd ert n ich t zu letzt das w iederholte W ech seln der G efü hle und der d azu geh ö rig en physisch en Ä u ß e ru n g e n w ie auch der B ereich e, denen die einzelnen G eb ärd en entstam m en (b ib lisch er T ra d itio n sind das K leid erzerreißen und das Zu -B od en -F allen ,« dem k rieg eri­ schen B ereich d as W a ffen w egw erfen und das A n setzen zu r F lu ch t entnom m en). D as R e iß ­ ausnehm en stellt die alten glisch e D ic h tu n g aber auch sonst vor, nam entlich w enn P la g e ­ geister dam it ihre sch m ach volle O h n m ach t g ege n ü b er den standhaften H eiligen ausw eisen.7

1 V g l. G ist, S . 121 . 2 V g l. R ein h o ld , S. 3 1 . 3 V g l. W alth ariu s 1326. H c þ a lu n g re g e fe o il freorig- to iold an , o n g a n his fe a x te ra n , hreoh on m ode, ond his hræg.1 sam od ( Jud. 280 ft.). • D ie V u lg a ta erw äh n t in beu len F ällen nur dm G eb ä rd e des K le id erzerreiß en s, d ie ihrerseits in der a e D ic h ­ tu n g das eure M al fo n g e la s se n , das an d ere M al (281) b eilä u fig-zu sätzlich zu den anderen h in z u g e fü g t i s t w i lleich t, weil sie für das ge rm an isch e P u b liku m nicht g e n ü g e n d A ffe k tg e h a lt hat W ie d er en tsetzte F ü r w itz ig e fallen au ch Jesu H ä sch er hin, als sich der H e ilan d a u f dem Ö lb e rg ih n en zu erken n en g ib t (Job. 18, 6), w elche G e b ä rd e im as. H e lia n d als S ch m a c h g e b ä rd e a u fg e g riffe n ist. ' V g l- J u lta n a 630; A n d r e a s 1340, i3 8 6 f. u. ö.

Schmach

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In L a gam ons S ch ild eru n gen schm ählich G eschlagenerfänden w ir erstaun liche A n sä tz e zu n a ch g erad e realistischen E inzelheiten , w ie w enn der besiegte B riten k ö n ig C arrie sich a u f allen V ieren von seinem H eere d avon stieh lt,xoder wenn an anderer Stelle die gesch lagen en Soldaten O ctas a u f den nackten K n ien in den W a ld kriech en .I2 D a s U n h eroisch e scheint auch hier noch m it dem S ü n d ig -V e rw o rfen en en g beisam m en zu liegen. In kriechenden und jäm m erlich ged u ckten H altu n ge n stellte die B ild ku n st däm onische F igu ren und per­ sonifizierte L aster oft v o r,3 und äh n lich e S ch m a ch g estik kennen auch spätere R om an zen - etw a S i r D egrevan t, w o ü berlebend e F einde sich unter B äu m en und im G ebüsch d u c k e n .4 D ie fran zö sisch en Epen freilich liefern den en glisch en R om an zen dich tern noch eine w e it größere F ü lle von S ch m a ch g eb ä rd en . So das A n g stzittern der G eg n e r: der schuld­ b ew u ß te B rad em o n d in B ev . Harnt, zittert schon, als er den H eld en n u r sie h t;5 in R ich a rd L öw enherz zittert das g a n ze H eer der S arazenen beim bloßen A n b lic k der englischen S treitm a ch t.6 O der G eb ärd en des feigen E n tsetzen s,7 w obei bedrohte G e g n e r sch recklich stöhnen ,8 in O hn m ach t fa lle n 9 oder sich, w ie ein fein d lich er H e rz o g in W. P vor ihren eigen en R ittern ,,g a r jäm m erlich a u ffü h re n “ .10IE in K ö n ig in äh nlich er Situ ation fä llt d ar­ nieder und „zerreiß t alles, w as an seiner R ü stu n g zerreißbar is t“ .11 S o schild ert m an auch die o h n m äch tigen Zap p eleien der schon V ern ich teten , die in R ic h a r d L öw enh erz das ironische B ild andeutet: „ D a konn te m an die H eiden m än n er im S u m p fe liegen und sich baden sehen; und w er em porkam , der tra n k aus K ö n ig R ich ards B echer “ (d. h. dem w u rde der G arau s g e m a ch t);12* im allit. M orte A r th u r e zap p elt (sproulez) ein schon zu T o d e getroffen er G eg n er A rth u rs noch bevor ei stirb t.1 E ine ty p i­ sche Z o rn esgeb ärd e der schm achvoll G esch lagen en ist es auch , daß sic ih re W u t an den H eid en gö ttern und deren Statuen auslassen und diese auspeitschen, zertrüm m ern und m it F ü ß e n tre te n ;14 die S arazenen im altfranzösischen R olan dslied verh alten sich ebenso.15 N ich t zu letzt w erden auch S ch m a ch -K la g e n au sgem alt, w ie w enn etw a in Ferum bras der E m ir, als er von der N ied erlage hört, in O h n m ach t fällt, dann la u t sch reit und die H än d e r in g t.16 M an ka n n in derlei D a rstellu n gen des S ch m a ch g eb a ren s in den R om an zen eine hum oristische A b s ic h t oft n ich t verken n en ,17 w ie sie vo r allem auch die spätere altfranzösi-

I V g l. L a 3. 293 13 f f .; bei W a c e findet sich n ich ts E n tsp re c h e n d e s; v g l. B r u t 13611 f. 3 V g l. L a ä . 18472 f . ; bei W a c e find et sich n ich ts E n tsp rech en d es; v g l. B r u t 8530. 3 V g l. Janson, S. 46. 4 V g l. D egrevan t 1671 f. 5 V g l. B ev. H a m t. 1389. 6 V g l. R ieh . L ö w . 3989. 7 V g l. L ib . D esc. 1621. 8 V g l. D egrevan t 1263 f. 9 V g l. Joseph o f A r im a tk ie 582 f . 10 desp itu sly p e d u k drayed him þ a n n e (W . P . 1210). II al to -tare his a-tir p a t he to-tere mijst (IV. P . 3884). la poo m y3te m en se p e hepene men L y g g e n a n d b a p e n hem in p e fen ; A n d poo p a t w olden haue com e v p p e , p ey d ran k o ff K y n g R ich ard is cu p p e. (R ich- L ö w . 7021 ff.). 43 V g l. M A . 2063 14 V g l. G. W w. 3707 ff.; P u r ity 13 4 7 Í.; K i n g 15 V g l. R o la n d slied , 2695 ff. 18 V g l. F erum bras 1134 ff. 17 V g l. R ein h o ld , S . 99.

of T ars 646 ff.

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Die G ebärde als moralisches Übel

sehe D ic h tu n g an entsprechenden Stellen g a n z deutlich aufw eist. V o llen d s zu r S itu atio n s­ k o m ik w ird das S ch m a ch g eb a re n dort, w o es au ß erh a lb kriegerisch er S itu ation en vo r­ kom m t. D o ch auch u nter d er hum oristischen O b erfläch e sch im m ert m an ch m al jene eth i­ sche W e rtu n g durch, die im h em m ungslosen G eb aren das K en n zeich en n ich t nu r der U n ­ helden, sondern auch der V erw o rfen en sieht. D a fü r ist in B ev. Harnt, die m erk w ü rd ige A u ffo rd e ru n g des B cv es bezeichnend, der seinem sch w ergetroffen en und sich w inselnd g e ­ bärdend zum M ah o m et jam m ern d en bösen G eg n e r Iv o r allen E rnstes rät, er solle d och lieber G o tt u n d M a ria anrufen und sich so gleich tau fen lassen .2 A u c h im M o tiv der Selbsterken n tn is des E rle d ig ten in der S c h m a ch k la g e k o m m t diese ethische W ertu n g zum V orsch ein . D e r gesch la gen e D a riu s in W. A le x ., der sich u nter H eu len und Stö h n en m it dem G esich t zu B oden w irft, als er seine N ied erla g e b eklagt, deutet selbst seine A u ffü h r u n g im Sin ne m ittelalterlich er T r a g ik : „ I c h , der ich nach den Sternen griff, bin nun zu B o d en g e stre ck t“ .3 In der m ittelh ochd eu tsch en D ich tu n g kom m t dieses M o tiv der k lag en d en Selbsterken n tn is des V ern ich teten z. B. in b ezu g a u f E tzel in D i u K la g e vo r; aber dort feh lt g era d e diese m oralisch e A u sd e u tu n g d er S c h m a ch ­ gebärde.4 D o ch ist, w ie gesa gt, bei L a y a m o n die eth isch -m oralisch e W ertu n g des unheroischen G ebaren s noch am ein d rin glich sten . S ie zeig t sich auch darin, d aß S ch m a ch g eb ä rd en in k rasser Ü b e rste ig e ru n g n u r an F rau en gesch ild ert w erden. D a ß F ra u en sich besonders h e ftig gebärd en , w eiß auch die altnordisch e D ic h tu n g .5 Bei L a ja m o n aber scheinen F rau en in kriegerisch en Situ ation en von N a tu r aus haltlos und d am it g ru n d sätzlich unheroisch zu sein - anders als bei den G erm an en , w o es eine B rü n h ild e g a b ; jed en falls sch ild ert er sie im R ach ew ü ten g leich rasenden H y ä n e n .6 V o n den zah lreichen U n terw erfu n ­ gen untei A rth u r ist d iejen ige die totalste, w o die W eib er der v ö llig aufgerieben en Scoten die S ch m a ch der N ied erla g e m it ihren G eb ärd en vo r A r th u r bezeu gen. Sie weisen heulend ih re K in d e r vor, schneiden sich die H aa re ab, w erfen sich in den S ta u b , kratzen sich blu tig, reißen sich die K le id e r vom L eib e und flehen um G n ad e.7 D ieses G ebaren , von dem zw ar auch die Q uellen berichten, ist b e iL a ja m o n u n g ew ö h n lich leb h a ft und, w ie es scheint, m it einem stärkeren Sin n fü r das G estisch e gesch ild ert als bei W ace, w ovon n ich t zuletzt der origin elle Stil und die S y n ta x d er W ied e rg a b e ze u g en .8 — In anderen U n terw erfu n g s­ szenen L ay a m o n s d ag eg en , in denen M än n er (und k ü n ftig e B u nd esgen ossen A rth u rs) d ie S ich -U n terw erfen d cn sind, treten A ffek tg eb ä rd e n hinter dem Z erem oniell v ö llig zurück. A u c h spátei noch kom m t gerad e in h eftigen S ch m a ch g eb ä rd en von F rau en deren V erw o rfen heit an den T a g — sei es, d aß das sch u ld ige W eib A m ilo u n s blau und b laß wird, als ih r G atte, an dem sie sich versü n d ig t hatte, g la n zvo ll h eim k o m m t;9 oder sei es, d aß im allit. M orte A r th u r e die ehebrecherische G u inevere a u f die N a ch rich t von A rth u rs k rie g e ­ rischer R ü c k k e h r hin p riva t w ie öffentlich w ütet, schreit, stöhnt und im B eg riffe ist, H an d

E tw a in W. P ., als eine M a g d (!) b eim A n b lic k d er als T ie r e v erk leid eten L ieb en d en R e iß a u s n im m t; v g l. 3178 f . ; ferner 1772 ff. a V g l. B ev . H am t. 4225 ff. a V g l. IV. A le x . 3074 ff. 4 V g l. hierzu F ren zen , S. 57. 5 V g l. W ill, S. 32 ff. , ' V g l. L a s . 12864 ff.; zu La.3a.m0ns W ertsch ä tzu n g der F ra u v g l. a u ch S. 103; T a tlo c k , Legendary H isto ry , S. 523. 7 V g l. L a3 . 21867 ff. 8 S ieh e u nten S . 126 f . “ V g l. A . A . 2458.

G illesp y,

S .4 0 2 ;

Lipp m an n ,

E ro tik : Die G ebärde und das G egenüber

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an sich zu le g e n 1 - ein G eb aren , das hier eben die gescheiterte V erräterin , die Böse an p ran ­ g e r t ; m it ihrer gebrochenen L iebesleid cn sch aft, die im analogen V o r g a n g der g leich ­ nam igen strophischen R o m an ze an ld in gt, ist es n ich t verkn ü p ft. D en K o n tra st, in dem in solchen F ä llen das w eib lich e S ch m ach g eb aren zum repräsen­ tativen A u ftritt der H eld en steht, arb eitet schon L a ja m o n offenbar g a n z bew u ßt heraus, w o fü r seine erzähltechnische B e h a n d lu n g der Szen e zw ischen der klagen den A m m e und B ed u cr a u f M o n t S a in t-M ich el aufsch lu ßreich ist. D ie A m m e der vom Riesen gem ordeten H elena, die deren G ra b anstarrt, K la g e g e sc h re i von sich g ib t, den K o p f schüttelt, die H aare ra u ft und g e ä n g stig t um sich sc h a u t,12 vo llfü h rt n ich t nur die G estik des K la g ew e ib es; denn sie jam m ert ja zu g leich über ihre eigene ih r vom U n h o ld an getan e Sch an de. D e r Reckt. B ed u er aber, der zu n ächst aus seinem V e rste c k ihr G esch rei hört, m eint, es stam m e vom U n h o ld selbst, w irft sich sofort, S ch ild und Speer p acken d, in P ositu r und tritt tap fer h ervo r3 - w o rau fh in er von der S ch m ach vo llen g e fra g t w ird, ob er „ e in E n gel oder ein R itte r“ sei.45D o rt die sch m ach voll K la g e n d e - hier der en gelgleich e R itte r in P ositu r: an diesen m oralisch vertieften K o n tra st scheint W ace in seiner S ch ild eru n g d u rch au s nicht zu denken, in w elcher auch die E in h eit der P ersp ektive fehlt, die L a sa m o n dadurch erreicht, d aß er das G a n ze durch die A u g e n des kleiden erleben läßt. D ieser fu n d am en tale K o n trast, der allen th alben die S ch m a ch g eb ä rd en und che Zornes­ gebärd en zu m G eg en p o l des H eroischen, des T u g en d h a fte n , des G uten m ach t, und den L a ja m o n s D a rstellu n g in seine elem entarste F orm rü ck t, - dieser K o n tra st erh ärtet m it N a ch d ru ck die ethische W ertu n g der G ebärd en.

5. E R O T I K :

DIE

G EBÄRD E

U N D DAS

G E G E N Ü BE R

W ähren d die in den vorigen A b sch n itte n betrachteten „b ö se n “ G eb ärd en A u sd ru c k ichbezogen er A ffek te sind, wenden sich die G ebärden des erotischen G efü hls a u f ein G eg en ­ über. E s ist schon a u ffä llig , d aß es bei L a ja m o n g a r keine anderen L ie b csg eb ä rd cn g ib t als eben die d ugerich teten , haltlosen der E rotik — nicht etw a auch G eb ärd en dei L iebesk la g c, und auch nicht konventionelle, gesellsch aftssan ktion ierte U m g a n g sfo rm e n , als w elche die U iebesgebärden des höfischen L eben s und der höfischen D ich tu n g zu gelten haben. A ls erotischer G efü h lsau sd ru ck sind sie fü r L a ja m o n böse und sch äd igen , w ie im folgen den zu zeigen ist, die B ezieh u n g von M en sch zu M ensch . H in ter dieser m oralischen W ertu n g stehen w ied eru m angelsächsisch e Tradition u n d die H ehre der K irch e. W a ru m sind denn in der alten glisch en D ich tu n g die L ie b e und die L ie b csg eb ä rd cn w eitgeh en d tab u ? D a ß es den G erm an en an erotischer V ita litä t m an gelt, w ie H eusler feststellt,6 ist d afü r keine ausreichende E rk lä ru n g . D u rch a u s d arstellu n gsw ü rd ig sind ja in der altnordischen D ich tu n g die erotischen G eb ärd en, in die sich die H elden zuw eilen ergehen (denn im poten t waren die G erm anen nun auch w ied er n ich t) - und zw ar ohne daß

1 V g l. M A . 391 1 ff2 V g l. Laä- 25825 ft'.; 25844 ff. 3 V g l. L a 5. 25835; b e i W ace erzittert er d a g e g e n zu erst vor E n tse tze n ! V g l. B r u t 113594 “ w h æ t æ rt þ u f e r e w ih t / eæ rt þu a n g e l eæ rt cn ih t” ( L a j . 25869 f.). B ei W ace fin d et sich nichts E n t­ sp rech en d es; v g l. B r u t 11 382. - Sieh e au ch K ic k . IJrw. 6951. 5 V g l. H eusler, G erm anentum , S . 48.

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D ie G e b ä rd e als moralisches Ü b e l

mit ihrer W ied e rg a b e ein m oralisieren der B eig esch m a ck verbun den w ü rd e .1 W o jedoch die a lten glisch e D ich tu n g einm al a u f sie anspielt, da ist es im Z u sa m m en h a n g m it V erd erb en und T o d ; in der ae. Genesis ist die (von der Q uelle u n a b h ä n g ig e) erotische G eb ärd e Sym bol der k riegerisch en V e rn ic h tu n g von Sod om und G o m o rrh a .12 O d er aber sie w ä h lt d afü r g e le g en tlich die verh ü llen d e F orm des R ä tsels.3 Sch on die alten glisch e D ich tu n g scheint also d ie offene D a rstellu n g d er E rotik aus einer keu sch en M o ra litä t h eraus zu m eiden. B etonen d och au ch die ae. L eh ren des V a ters an seinen Sohn m it einem g a n z besonderen N a ch d ru ck den F lu ch , d er a u f d er L ie b e „ z u r F ra u , zu r frem den M a g d “ lie g t.4 S ch on d ort m ach t sich w o h l d er kirch lich e E influ ß gelten d, w elch er erotische G ebärden als S u n d e b ran d m arkt. D ie G en esiskom m en tatoren sehen g ele gen tlich im Sich öffn en der A u g e n E va s das E rw a ch en sü n d h after G esch lech tlich k e it.5* U n d wenn O rd en sregeln voi­ d er E rotik w arnen, so erw ähnen auch sie sinnliche B lick e als sü n d ige K ennzeichen.« D ie an P apst G reg o r sich ansch ließende E in te ilu n g d er fleischlichen V e rs u c h u n g der Som m e li Rot in sü n d ige B lick e, sü n d ig e W orte, sü n dige B erü h ru n g, sü n d ig e K ü sse und sü n d ige T a t aber ist ein S ch em a, w elches m it konkreten E inzelheiten auszu fü llen den m ittelenglisch cn M o ra ltrak ta ten g an z besonders am H erzen zu liegen scheint. M an findet z. B . in A ncrene R iw le die G eb ärd en -S ym p to m e d er T o d sü n d e der W o llu st - vom sinnlichen B lick , vom fliiten den L a ch e n und Z u p fen und G esch en kem ach en über den K u ß bis zu r u n zü ch tigen B erü h ru n g - m it einem V o k a b u la r d argestellt, das an T reffsich erh eit kaum etw as zu w ü n ­ schen ü b rig lä ß t.7 U n d g a r der from m e V erfa sser des späteren C ursor M u n d i, d er zü ch tig ei klärt, n iem and könne all die g a rstig e n S ym p tom e der lechery nennen, ohne sich schon d ad u rch zu versün d igen , geh t dessen u n g ea ch tet in eine stattlich e F ü lle n a ch g erad e porn o­ gra p h isch er D e ta ils.8 A b e r auch schon das R ezitieren von L ieb esg ed ich ten geh ört zu den sü n dhaften Sym p tom en der W ollu st. E s scheint, als ob a u f alle Ä u ß e ru n g e n der L ieb e ein F lu ch fällt. E ben dies ist nun au ch bei L a ja m o n der F a ll. D as tut sich zu n ächst darin ku n d , d aß w ie im A lte n g lisc h e n das T h em a L ie b e w eitgeh en d u n terd rü ck t w ird. V on A rth u rs L ie b e zu G u inevere berichtet er w ie G eoffrey n u r am R a n d e und ohne seine etw a an kriegerisch en Sujets dem onstrierte F reu d e an sin n en h after A u sw e itu n g .9 K ü sse h ält L a y a m o n von erotischen Z u sam m en h än gen frei. K u ß und U m a rm u n g kom m en bei ihm fa st n u r als zerem onielle G eb ärd en vor - als B eg rü ß u n g sfo rm im Sip p en verb an d (1380; 3631), als S ym b o l des V ersö h n u n g sa k tes (6648; 11668). W en n d ag eg en , als das H eer A rth u rs von seinen k riegerisch en E xp ed itio n en in F ran kreich nach der H eim a t zu rü ck k eh rt, der freu d ige W illk o m m en sem p fan g am britischen G estad e sich unter allgem ein em K ü ssen und U m arm en abspiclt, so trä g t L a ja m o n d afü r S o rge, d aß d erartige Z ä rtlich k eiten nur zw isch en g le ich ­ geschlech tlich en V erw a n d ten a u sgetau sch t w erden: 1 V g l. W ill, S . 25 ff. - „ E s sollte fu rch tsam m an ch es bleich w a n g ig e W eib b eben d g e h e n in die U m a rm u n g eines F re m d e n “ (SceoJde forh t m o m g / b la ch le o r ides b ifien d e g a n / on frem des fceöm; G enesis 1969fr.): d. h die K r ie g e r die B esch ü tzer der F rauen , w a ren vern ich tet. S ’ 3 V g l. v. L in d h eim , A n g lia 70 (1951), 34 f. 4 V g l. Precepts ( A S P R , völ. I l l , S. 140 ff.) 36 ff. 5 V g l. B ed a. G en esiskom m en tar (op. ed, G iles) 7.8 ff.; H ra b a n u s (M ig n e , P a ir . L a t ., B d. 107) Sp . 430. 0 V g l. A u g u stzn erreg el V I , 3. 7 V Q . A n cren e R n c le , 9 1 . 1 1 : . . . bunten, ö e r efter, m id w o u h in g e m id to g g in g e oþ er mid eni to llim g e ; im g ig g e leihtre, m id h ö r eien, m id eni lih te lætes, m id je o u e , m id to llin d e worries, oðer m id liuie spcche. cos u n k en d e g ro p u n g e s : ðet bcoO h eau ed su n n e n .- S i e h e a u ch die ä u ß erst fa rb ig e n d ie sb e zü g lich en G ebärd enk a ta 'o g e in R ic h a rd L a v y n h a m s L i t i l Tretys, ed. J. P. W . M . v a n Z u tp h cn (R om , 1956), 23 25 ff 34 ff 8 V g l. C ursor M u n d i 27930 ff.; 27992 ff. » V g l. L a 3. 22225-22244.

E ro tik : D ie G ebärde und das G egenüber

Ü5

p er custe u ad e r þ en e sune and Beide to him w elcu m e dohter p a m oder broð er pene ober snster custe suster þ a softere heom w es an h eo rten (L a g . 24215 ff.).

L a g a m o n unterscheidet sich hier von W ace, d er in d er entsprechenden Szene nicht nur V erw a n d te beiderlei G eschlechts, sondern auch die N ach b arin n en ihre N ach b arn und die M äd ch en ihre F reun d e küssen lä ß t1 und d am it überdies ein dieser Situ ation gem äßeres B ild m alt; ist es d och w ahrschein licher, d aß die K riegsm a n n en von den zu rü ckgebliebenen F ra u en b ew illko m m n et werden. L ag a m o n scheint die W a h rsch ein lich keit des V o rga n g s der E h rb a rk e it der G eb ärd en aufzu op fern. D a s E rgeb n is steht im E in k la n g m it seinen son stigen darstellerischen G ew oh n h eiten : die G eb ärd en sind n ich t h an d lu n gsgeb un den , sondern sind d ekorative A u sstattu n gselem en te der E inzelszene, die sich eigen rech tlich aus dem A b la u f d er H a n d lu n g h erau sh eb t.12 W o andererseits L ag a m o n am ourös-erotische G eb ärd en tatsäch lich vo rfü h rt, sind es jene G ebärd en, die in den M o ra ltrak ta ten als Sym p tom e sü n diger F leisch eslu st g egeiß elt w erden und den gleichen pejorativen Sin n w ie dort haben. A ls U th e r P en d ragon sich bei einem G a stm ah l in seines U n tertan en G o rlo is’ W eib verliebt, sendet er ihr B lick e und G e ­ schenke zu, la ch t sie an und „ m a c h t ihr G eb ärd en “ .3 D e r D ich ter tad elt dies ausd rü cklich , indem er anm erkt, cs sei g a r w en ig weise von U th er, d aß er sein Inneres n ich t verbergen könne: Næ s p c k i n g noht sw a wris ne sw a gærc w itele þ a t irnong bis d u ge p e his þ o h t cuöe d em en . (L a g . 18546 f f ) .

Bei W a ce hat diese m oralische A n m e rk u n g (w o ra u f m an h äu fig g e n u g au fm erksam g e ­ m acht hat) nicht die S p u r einer E n tsp re ch u n g ;4 U th er gebärd et sich dort als höfischer L ie b h a b er tad elsfrei noch w eit feu riger. A u ch sonst trä g t W accs B ru td ich tu n g deutliche Z ü g e der beginnenden höfischen L ie b esa u ffa ssu n g ,5 fü r die L a g a m o n keinerlei V erstän d n is 1 V g l. W a c e, B ru t. 10177 ff.: B a is cn t les dam es lu r m ariz E les m eres baisen t lu r fiz; F ilz c filJes b aiscn t lu r p eres -E de jo ie p lu ren t les m ercs; C ustn es baisen t lu r cusins E les veisines lur veisins. L es am ies lu r am is baisen t, E , q u an t leus est, de plus s ’a aisen t; L es antes baisen t lur n evuz; M u lt aveit g ran t jo ie entre tu z. 2 Sieh e unten D ritte r T eil. 3 O fte he hire lo ked e on a n d leited e m id egene ofte he his birles sende fern to hire borde ofte he hire loh to and m a k ed e hire letes (L a g . 18538 ff.) 1 V g l. W ace, B r u t 8583 ff. 5 V g l. H ofer, C hretien de Troyes, S. 4.

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Die G ebärde als moralisches Übel

a u fb r in g t;1 bei ihm sind die L ieb esg eb ä rd en eben sin nlich -erotisch er N a tu r, n ich t höfischgesellsch aftlich er. A ls erotische G eb ärd en ab er sind sie S y m p to m e d er Sü n d e, w o ra u f der A u to r auch ausd rü cklich hinw eist; so sch ild ert er einm al, w ie K ö n ig V o rtig e rn fü r H en gists T o ch te r entflam m t, die J u n g fer b egeh rlich a n b lickt, sie k ü ß t und u m arm t. „ D e r T e u fe l“ , m erkt L a y a m o n so gleich d azu an , „ w a r da g a r n a h e “ .12 D o ch kehren w ir zu U th er zu rü ck. L a y a m o n s B eh a n d lu n g von dessen L ieb esg eb ä rd en u n tersch eid et sich näm lich n och in einer w eiteren - und bisher offenbar w en iger beachteten H in sich t von der W aces. Bei L ay a m o n lösen sie das fo lgen d e G esch eh en aus, das sich gegen U th er selbst richtet. W eil G orlois die L ieb esg eb ä rd en sieht, die U th e r an seine, G o rlo is’ G attin richtet, reag iert er, w iew oh l inn erlich m it E ifersu ch t, so doch äußerlich m it heroi­ schem V erh a lten . D a m it steh t w ied eru m dem verw erflich sich G eb ärd en d en d er H eld in der stark en Pose kontrastisch g egen ü b er. E s geh t noch w eiter: der K o n tra st w ird zur d ra m a ti­ schen H a n d lu n g ; G orlois u m g ib t sich m it einer S treitm ach t, k ü n d ig t U th e r den G eh orsam und fü g t ihm eine sch m äh lich e N ied erla g e zu. A ll dieses G esch eh en g eh t von den L ie b e s­ g eb ä rd en aus; U thers N ied erla g e erscheint gerad ezu als eine A r t m oralisch e S tra fe fü r seine u nbeh errsch te E ro tik . V o n einer solchen ursäch lich en V e r k n ü p fu n g kann bei W a ce nicht die R ede sein ; sie liegt in der N a tu r von L ay a m o n s eigen tü m lich er L ieb esa u ffa ssu n g . D en n w o L ieb esg eb ärd en a u f das D u g erich tet und zu gleich als sü n dh afte E ro tik verdam m ensw ert sind, treiben sic einen K o n flik t in die B ezieh u n g vom Ich zu m D u . A u c h dem R o b ert o f B ru n n e g ilt ja die W ollu st eben d esw egen als das am w eitesten vom H im m el entfernte L aster, weil sie das V erh ä ltn is von M en sch zu M en sch ve rsü n d ig t.3 D a ß L aya m o n diesen K o n flik t in d ram atisch e H a n d lu n g um zusetzen g en eig t ist, zeigt d och aufs a ller­ d eu tlich ste die N a ch h a ltig k e it seiner m oralischen E in stellu n g zur G ebärd e. U th ers sü n diges L ieb essp iel m it seinen A u sw irk u n g en ist d afü r d u rch au s kein verein ­ zeltes Beispiel. A ls fo lgen sch w erer erotischer F eh ltritt sind auch L ocrin s L ieb esg eb ä rd en a u fg e fa ß t, der die schön e A estrild , kau m d aß er sie a u f einem B eu tesch iff en td eckt hat, sogleich begeh rt, sinnlich a n b lick t und in die A rm e p reß t.4 D enn m it diesen G ebärden bricht L o crin die Treue zu seiner V erlob ten , w as ihm noch einen d ram atisch en A u ftritt m it deren ehrbarem V a te r einbrin gen w ird, bei dem ihn dieser um s H a a r ersch lägt. L ocrins G eb ärd en scheinen nur d arg estellt zu sein, d am it sein sch än dlich es B egin n en o ffen ku n d ig w eid e. A u c h tau ch t A estrild erst als O b je k t seiner E ro tik in der E rzä h lu n g au f; bei W ace d a g e g e n w ird sie schon vorh er gen an n t und beschrieben, w as dort eine E p isod e höfischen Sich- V erlieben s vorbereitet. A m d eutlichsten aber k n ü p ft sich an V o rtim ers L ie b esg eb a ren das V erh ä n g n is. A n statt den bei einem G ela ge von R o w cn n a kredenzten B echer der Sitte g em äß en tgegenzun eh m en, hebt er m it der J u n g fer zu sch äkern an und lach t (14980^). E ben dieses flirtende L ach e n , zu dem die B elu stig u n g über die frem de S p ra ch e doch w ohl nur der V o rw a n d ist, w ird ihm zum V e rh ä n g n is; denn R o w cn n a nutzt es für ih re M o rd ab sich t aus, ind em sie eine G ift­ phiole aus dem Busen h ervorzieht und sie dem U n b ed a ch ten in den W ein g ie ß t: „D ie w e il d er K ö n ig lachte, zo g die P hiole sie h ervo r“ .5 1 V g l. S ch ü c k in g , E n g l. L it ., S. 6 1 ; G illesp y, S. 481 ; S. 439; L ip p m an n , S. 57 ff.; S ch irm er, S. 60. 2 p c w u rsc wes þ e r fnl tie j (L a y . 14365 f . ) . 3 V g l. IJan dl. S y n n e 7343 f . 4

and he heo leoflich e b i-h e o ld and lie heo m id arm en inom eð him w es on heorten (L a y . 2232 ff.).

5 þ a whi l e þe þ a k in g loh / |ia a m p u lle heo ut droh (L a y . 14992 f.). W aces B r u t, in dem der g a n zen S zen e n u r ein v ie r z e ilig e r B erich t en tsp rich t (7157 ff.), w eicht liie r ab, in dem dort K ow enn a den V o rtim er v e rg ifte n

E ro tik : Die G ebärde und das G egenüber

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G eleg en tlich verstärkt die m ittelen glisch e D ic h tu n g die böse N a tu r des erotischen G eb aren s d ad u rch, d aß sie ihm auch Z o rn esaffekte u n terlegt. Um. die N ä h e von Zorn und E ro tik w eiß auch die altnordische D ich tu n g . In V'olundarkviða ist die N o tzu ch t ein A k t zo rn iger R a c h e ;1 auch in der ae. Genesis ist .sie ja Sin nbild fü r das W ü ten der siegreichen K r ie g e r .2 D a s verliebte G ebaren F reyrs in S k ir n is m d P w ird von dessen E ltern als V e r­ zehrtsein vom Z orne au sgelegt. Im M ittel en glisch en , w o L iebes- w ie Z orn esgeb ärd en S ym p tom e der S ü n d e sind, m üssen die G eb ärd en d op p elt ve rw erflich erscheinen, die eine Ü b e rla g e ru n g von Z o rn u n d E ro tik h ervo rb rin gt. T a tsä ch lich verstärkt der V erfa sser von H a li M e id e n h a d das S ch recken sbild , das er zum B eh u fe der E rm a h n u n g zur J u n g fräu lich ­ k eit von den sün digen E ro tik geb ä rd en des M an n es m alt, indem er diese verm ittels m eta ­ p h o risch verw endeter Z orn esgeb ärd en von der oben gesch ilderten A r t (W utauslassen am tu g en d reich en G egen üb er) ausdeutet. K o m m t es zum K u ß , dan n „ sp e it die lech en e der Ju n g frä u lich k eit ins G esich t“ ;4 m it der u n zü ch tigen B erü h ru n g „ sc h lä g t die U n keu sch h eit d ie T u g e n d der J u n g frä u lich k eit und verw un det sie a r g “ .5 E in episches Beispiel d afür finden w ir in L a ja m o n s vielgerü h m ter U rsulaep isod e. A ls dort die F reib eu ter M elg a und W an is a u f den von ihnen gekap erten Sch iffen nicht, w ie sie gehofft, die reichen S ch ätze eines K ö n ig s vorfinden, sondern U rsu la und die britisch en J u n g frau en , gehen sie in sch än d ­ lich ster W eise a u f diese los.6 M elg a ve rg e w a ltig t U rsu la und reich t sie seinen lüsternen U n tergeb e n en w eiter; den ü brigen M ä g d e n w id erfäh rt ein ähnliches S ch ick sa l, w o rau fh in sie a b gesch la ch tet und ins W asser gew orfen w erden. D as k ra ß berichtete erotische V e r ­ h alten k en n zeich n et an sich schon die sad istisch en B ö sew ich te r; sie lassen d arin zu d em ihre W u t über die enttäuschte B eu teh o ffn u n g aus. A u c h als Z o rn esäu ß eru n g ist cs S ym p tom des B ö sen . W o aber die erotischen G eb ärd en Z o rn esgeb ärd en sind, richten sie sich - w ie alle A u s ­ d ru ck sb ew e g u n g en des Zornes, der W u t - zerstörerisch nach a u ß en ,7 im V erein m it der E ro tik also a u f das G eg en ü b er; dabei m üssen sie zu r G esch lech tlich keit, zu m O bszönen fü hren. In der m ittelenglischen D ich tu n g ko m m t zo rn ige E ro tik freilich n u r noch sp ora­ disch vor, und zw ar eben bei den bösen G estalten und auch bei den W ild en M än nern. V o m R iesen von S a in t-M ich el berichtet L a ja m o n nebst den W u tg eb ärd en , d aß er die A m m e geil a n lach t und sic sogleich m iß b rau ch t.8 D ie R o lle des W ilden M an nes als G e g e n ­ pol des tu g en d h aften R itters ist in m ittelalterlich en A n sch a u u n g e n d urch au s gelä u fig .9 E inem W ild en g leich t auch der G r a f M iles in B ev. H am t., der a u f Josian, die G eliebte des B evcs, versessen ist; a u f den W iderstand der D a m e g egen seine W erb u n g hin w ird er

l ä ß t . D ies g e h t a u f G eo ffrey zu rü ck . M ad d en m ein te, {Layam on, vol. I l l , S. 356), L a ja m o n m üsse seine an d ere D a rstellu n g einer “ p opu lar tra d itio n ” entnom m en h aben . Im elxnann (S. 96 f.) sch reibt sie indessen d er u n m ittelb aren Q u e lle L a y am o n s zu, u n ter V erw eis a u f die entsprechen de S te lle im lateinisch en B r u tu s abbreviatus. D o ch au ch darin findet sich k ein erlei A n d e u tu n g fü r die u rsächliche V e rk n ü p fu n g v o n erotischer G eb ä rd e u nd T o d V o rtim ers. D ie se d ü rfte se h r w o h l L a ja m o n s e ig e n e K o n zep tion sein. 1 V g l. VQ lundarkviöa 28. 2 Sich e oben S. 54. 3 V g l. S k ir n ism ä l 1 . 4 fo r sone se cos cum eð forð . . . þen n e spit lo cch crie . . . m eid en h ad o þ e nebbe (H a li M eidenhad, T itu s M s., 227 f.). 6 for j i f j e J e n n e hondien ow in ani stun de untoh eliche, þen n e sm it lecch erie o þ e m ih te o f m eiðhad, ant w u n d eð h ire sare (ebd. , 230 f.). 6 V g l. L a j . 12091 ff. 7 V g l. K la g e s , S . 164 ff. 8 V g l. L a j. 25980 fr. S ieh e au ch L ib . D esc. 577. 9 V g l. B ernh eim er, S. 1 1 ; S. I 2t f . M ünchen A k. A bh. phil.-hist. »959 (H abicht)

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Dic G eb ärd e als m oralisches Ü bel

,, zo rn ig im B e tra g e n “ .1 B eim en tju n g fern .12

zweiten A n n ä h eru n g sv ersu ch w ill er sic sch nu rstracks

M it höfischem L ieb esverh alten v e rträ g t sich die Z o rn esgestik nich t. D ie höfischen L iebesszen en fordern (w o ra u f sp äter ein zu geh en sein w ird) die B ea ch tu n g fester U m g a n g s ­ ton nen . D e r eben erw äh nte M iles w ird von d er I )am e erst ru h ig angeh ört, als er sich beträgt „ w ie es recht ist“ .3

6. D A S ( ' . A S T M A H L : A F F K K T G E H Ä k D E N U N D O E M Kl \ SCI I A LJ'SO iíD N U N G

N o ch w eitere K reise m u ß in der m ittelen glisch en D ich tu n g die m oralisch e W ertu n g der G efü h lsgeb ärd en g ezo g e n haben, w o diese nicht nur am sittlichen W ert der E inzelpersönlich keit, sondern an der G em ein sch aftso rd n u n g rütteln. D a lösen sie n ich t n u r persönliche K o n flik te aus, sondern erzeu gen den offenen, g ru n d sätzlich en K o n flik t, dessen A u sb ru ch oft in äußerst bew egten Szenen g esch ild ert w ird. A ls ch arakteristisch es B eispiel h ierfü r m ö g e die typische S itu ation des G astm ah ls bzw. G elages dienen. M an w eiß, d aß bei den m ittelalterlich en G elagen die B e a ch tu n g strenger zerem onieller F orm en erfordert w ar. D ie D ich tu n g en erw äh nen sie o ft: die A n k ü n d ig u n g d u rch Trom petenstöße, das A u fle g e n d er T isch tü ch er, das H erein fü h ren der G äste, das H än d ew asch en vor und n a ch dem Essen, die E rö ffn u n g des M ah ls d u rch das N iedersitzen des F ü rste n ,4 das A u fw a r te n der Sp eisen unter B e a ch tu n g der R a n g fo lg e ,5*das K red en zen des T ru n k s. D ie nebensäch lich e und form elh afte E rw ä h n u n g und das h äufige Ü b ergeh en dieser F orm en in den G elagesch ild eru n g en d er D ich tu n g könn te freilich den m odernen L e se r zu der A n n a h m e verleiten, d a ß es sich dabei um bloße F o rm alitäten handle. D em ist d u rch au s n ich t so. Z w a r wird in den R o m an zen beispielsw eise das H än d ew asch en vor dem E ssen, wenn ü berh au p t, in stereotyp er F orm a n gem erkt, w as für die d argestellte Situ ation nichts w eiter besagen w ill als: jetzt b eg in n t das Essen. D a ß jed o ch in der R ea litä t das H än d ew asch en eine diffizile zerem onielle H a n d lu n g w ar, in der selbst ethische W erte eine R o lle s p ie lt e n ,- d a s b ezeu gen noch die d iesbezü glich en sp ätm ittelenglisch en A n w eisu n gen . So heißt es in einem en glisch en C o u rtesy B o o k des 15. Jh. im V e r la u f d er d etaillierten V o r ­ schriften über die A r t und W eise, w ie das H an d w asch b eck en dem F ürsten darzureich en sei, d aß der W ü r d i g s t e der A n w esen d en (þe w orthyeste þ a t bethe aboute) das H an d tu ch erhalten soll, dam it er es dem Fürsten reiche.® D ie zerem onielle S tren g e hind ert natü rlich nicht, daß bei den G ela g e n eine fröhliche, ju b eln d e S tim m u n g h errsch t,78 9wohl auch eine tru n ken e und w ein scligeR - eine S tim m u n g, die oft dem H allen ju bel der alten A n g elsa ch sen m ehr ähnelt als der jo ie der Franzosen.» 1 T h e erle w as w roth in his m an ere (.B ev . Harnt., G h etliam M s., 2769). 2 V g l. B e v . H a m t ebd., 2818. 3 V g l. B e v . H a m t., ebd., 2829. 4 V g l z. B. L a 3. 2276s ff. 5 V g l. z . B . L a y S099 f f .; H a v . 1724 ff. A G enerali R u le to teche euery m an th a t is w illy n g e f o r to lerne lo serue a lorde or may ster ed. R C h am b ers, E F . T S 148 (1914), 12. 1 f. 7 V g l. L a y 24192 ff. 8 V g i. L a y 8123 ff. 9 V g l. Lipp m an n , S. 91.

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D as G astm ahl: A ffektgebärden und G em einschaftsordnung

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S e lb st beim G ro ß en G a stm ah l des biblischen G leichnisses, das im 14. Jh. die D ich tu n g P u ­ rity ausm alt, lä ß t es sich der H au sh err an g elegen sein, für heitere S tim m u n g zu sorgen, in­ dem er sich unter die G äste m ischt und sie zum F röh lich sein aufm u n tert (bed e h ym b e m y ry ).1 E in e Ü b e rtre tu n g des Zerem oniells d urch affektisch e G eb ärd en aber w ird als im höchsten G ra d e verw erflich em pfunden. D ie D arstellu n g von dem Zerem oniell zuw iderlaufen den A ffe k tg e b ä rd e n kan n bei L a ja m o n der direkte A n la ß zum U m sch la g en der G elagew ü rd e in ch aotisch e T u m u lte sein, kann einen W en d ep u n k t der H a n d lu n g bedeuten. Im V e rla u lc einer von C assibellan g egeb en en G cla ge festlich k eit, die sich zuerst in betont m usterhaften F orm en abspielt, sieht m an plötzlich zw ei R itter (H eriga l und E velin) m it den Schilden fu chteln (m id sceldcs to sc u rm e n ; Lag. 8144). D iese G e b ä rd e ,2 die dann auch als A u sd iu ck zorn iger G efü h le geken n zeichn et ist, zeigt die Ü b ertretu n g des Zerem oniells an. Sie gib t ihrerseits den A n sto ß zum fo lgen d en fa ta len G esch eh en : zu r S ch lä g e rei zw ischen den beiden R ittern , in deren V e r la u f der D ich ter den physischen A u sd ru c k und die antizeiem onieilen G eb ärd en besonders beobach tet - E velin reißt „w ü ten d en G eb a ren s“ 3 einem w ildfrem d en Jü n g lin g das S ch w ert vorn G ü rtel (!), w ährend allgem ein e Scheltereien auch aku stisch die gesittete F rö h lich k eit verd erben . H e rig a l geht, nach d em er seinen G egner ersch lagen hat, so w ütenden B lickes von dannen, d aß ihn niem and an zu iü h ren w agt. D ie das G elagezerem on iell verletzen de G eb ärd e ist dann auch der A u sg a n g sp u n k t zur w eiteren trag isch en E n tw ick lu n g , w elch e über die E n tzw eiu n g H erig als m it dem K ö n ig (dem Schirm herrn des G ela ges!) zu seinem L an d esverra t fü h rt, der w ied eru m C a esa r eine dritte In vasio n erm öglicht. E in e G eb ärd e w ie jenes zornige F u ch teln m it den Sch ild en beim G el a ge fest, an die sich d erart w eitreichende F o lg en kn ü p fen , die n a ch g erad e K a ta stro p h en trä g er ist, m u ß ein em inent starkes sittliches O d iu m g eh ab t haben. D a s b ezeu gen w iederum noch die sp äteren T isch zu ch ten ; nach dem schon oben an gezogen en T e x t aus dem 15. Jh. hat der M arsch all die E rm ä ch tig u n g , solche G cla g e g ä ste, die sich „in n e rh a lb oder a u ß erh alb des H auses g ro ß er M issetaten (grete offences) sch u ld ig m achen, als da sind S ch lägereien , sch recklich es F lu ch en , S treitsu ch t und M e s s e r z i e h e n (d ra w y n g o fk n y v e s ) . . n ich t nur vor die T u r zu setzen, sondern auch, sie an den P ra n g er zu stellen (to put hem . . . m sto kkes).4 D a ß L ayam o n die die G ela gew ü rd e verletzenden G eb ärd en als ‘ grete offences a u f­ fa ß t, geh t auch aus seiner S ch ild eru n g von A rth u rs T riu m p h g e la g e h ervo r,5 das bei W ace n ich t b erich tet w ird. A u c h dieses geh t zunächst in vo rb ild lich em Zerem oniell vonstatten, was der D ich ter a u sfü h rlich beschreibt. D a n n brich t aber - im Streit u m die S itzo rd n u n g (!) - ein T u m u lt aus: m an versetzt einan der M au lsch ellen , bew irft sich m it den silbernen W e in b e ch e rn ; ein R itte r sp rin g t a u f den kö n iglich en T isc h , p a ck t drei M esser und ersch lä gt die U rh eb er des Streits. D ie V erw e rflich k eit all dessen geiß elt K ö n ig A rth u r sodann d a ­ d urch, d aß er die gan ze S ip p e des A n stifte rs zu T o d und S ch an d e verurteilt, seinen ü brigen H o f unter T o d esa n d ro h u n g in die S ch ra n k en des A n sta n d s verweist® und sch ließ ­ lich alle B eteiligten schw ören läß t, k ü n ftig die Sitte zu w ahren.

1 V g l. P u r ity 125 ft'. 2 B ei W a c e findet sich d a fü r nichts E n tsp re ch e n d e s; v g l. B r u t 4355. 3 m id g rü n lic h e lech en ( L a j. 8 176); bei W ace findet sich d a fü r nichts E n tsprechen d es.

4 V g l. G en era li R u le (5. 0. 8 . 58, A n n i. 6), 15. 33 ff5 V g l. L a j . 22779 ff. 6 V g l. L a 3 . 22827 f f . :

s*

“ S itteð sitteð sw iö e elc m oii bi bis liu e and w a sw a þ a t n u lle don he seal for-dem ed b e o n ”

6o

Die G ebärde als m oralisches Übel

>as m oralisch e O diu m h aben d ie unbeh errsch ten G eb ärd en beim G e la g e schon in alten glisch er Z eit; m dem ae. G ed ich t V ainglory sind sie K en n zeich en d er V erw erflich en ,-1 zu m T e il auch als G eb ärd en der B etru n k en h eit a u fg e fa ß t, dienen sie dem an gelsäch sisch en P red ig e r d azu , dm S ch ild eru n g der verd am m ten Seelen a u szu m a len ,2 und in m ittelen g lisch er Z eit d em M oralisten , die T o d sü n d e der V ö llerei zu charakterisieren.« G eb ärd en sym p to m e d er V o lle m w erden auch an den W ild en M än n ern gesch ildert, wie b eim R iesen von SaintM ich el in L a 3am ons B r u t, der tierisch fressend sechs geb raten e S ch w ein e versch lin gt sich dabei m it A s c h e besu delt und sich an sch ließend fau l a u f der E rd e w ä lz t.4 Ä h n lic h ist sein A u ftritt im allit. M orte A r t h u r e , w o er a u sd rü ck lich ein “ g lo to n ” gen an n t ist.5 ln P u r ity w o d er religiöse S to ff die m oralisch e S in n g e b u n g der u n g eb ü h rlich en G e ­ bärden n a h eleg t ken n zeich n et den tafelnden N c b u k a d n e za r - g an z im G eg en sa tz zu seinem leroisierten A u ftr itt im ae. D a n ie l« - ein g a n z äh nlich es u n gesch lach tes G ebaren , w ie cs an d er Su n de der V ollerei beschrieben zu w erden p flegt. E r tobt, sch leu d ert B lick e um sich stiert seine W eib er an und ve rla n g t m it h eftig e r B ew eg u n g (in a brayd) n ach W ein, den er h a stig h in u n tergieß t.7 E s ist auch bezeich n en d , d aß g era d e die en glisch en T isch zu ch ten , die uns zw ar erst aus em 15. Jh. erhalten sind,® d ie aber a u f eine ältere m ittellateinisch e T ra d itio n zu rü ck ­ gehen, die V erstö ß e g egen das rech te Ben ehm en bei T isch als m oralisch e V erg eh en bran d m arken ° S o lch e V erstö ß e w erden darin in g ro ß er Z a h l g en a n n t; m an soll sich bei ische hüten, lau t zu lachen und die Z äh n e zu ze ig e n ,» d ie B lick e um hersch w eifen zu lassen .12 M an soll K o p f und G lied er m R u h e halten und n ich t a u f die E rd e sta rre n ;1« m an soll nicht h a stig trin k en ,14 m it dem T a fe lg c rä t oder m it den Speisen h eru m sp ielcn .15 F ern er soll m an in a. sich n ich t am K ö rp e r kratzen , den K o p f nicht über das G erich t beu gen, n ich t m it vollem M u n d e sp iech en , trin ken oder lachen, in der N ase bohren, in den Z äh n en stoch ern, w e it ausspu cken und d g l. m ehr. Solch erlei V erb o ten g eg e n ü b er ist eine ru h ige, gem essene H a l­ tu n g und die W a h ru n g d er E tik ettefo rm en em pfohlen. U n te rsa g t sind also a u sd rü ck lich u. a. eben jene G eb ärd en , d ie uns in m ittelen glisch en D ich tu n g en als G eb ärd en der Bösen beim M ah l begegnen . So vollfüh ren sie denn au ch oft die fein dseligen H erau sforderer, die ja gew ö h n lich w ä h ­ rend eines G elages oder G astm ah ls an zu ko m m en pflegen .1« In dem ih r G eb aren das G astm ahlzerem oniell bricht, trä g t es dazu bei, eine g elad en e S tim m u n g zu erzeu gen . So könn te auch m S z r Gawayn a n d the Green K n ig h t ( G G K ) das Ben ehm en des G rünen R itters bei seiner A n k u n ft in d er A rtu sh a lle zu verstehen sein ; seine G eb ärd en ersch ü ttern das G ela ge zerem oniell und die G cla g e stim m u n g . D en G rü nen R itter kü n d et schon von w eitem ein

3

0benA ?' . a S ieh e oben S. 23. ncrene iw e 95 -3 5 #.: D e r V o lle r “ . .. w igelefi ase u ord ru n ken m on þ e t hau eð im u n t to u allcn bih alt

ve r t f f of vices and

virtues's-521 w°dashasdge^ «»*«■**

e rh ö rt - 1 T , , 1 L a n g la n d s B esch re ib u n g des G lutton (vg l. P ie r s P lo w m a n A V , g e h ö rt hierher, w iew ohl dort groteske K o m ik ü berhand nim m t 4 V g l. L a 3. 25085 ff. ; Ed.

der

146 f f) 4

* V g l. M A . 1074. R E T S 32 (1868).

j - Y f 1; H äuften , Casfiar S ch eid t. Q u ellen u. F o rsch u n g en 66 (S tra ß b u rg , 1889), S u f f 10 V g l. H au ffen , S . 17. J * ' v all { f o

:: 4

A m f t ) 94; 1 9 S ’ Y0Ung C h Ü dren 'S B o o k S ? ’ S ta n s P u e r a d M ensam 20; 29; a lle bei F. J. F u rn i-

D s f PB: f u st-p Í t , »

3í 'B , .

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” V g ,.

D as G astm ahl: A ffektgebärden und G em em sclialtsordnung

61

L ä r m an, d er sich von dem des F estsch m au ses m erk lich abh ebt (an oþ cr noyse ful liewe n e jed biliu e; G G K 132). In der H alle an geko m m en , reitet er ohne G ru ß a u f A rth u rs H o ch sitz zu, sch w en k t bald hierhin, bald dorthin u n d h ä lt w ied er in n e ;1 w äh rend der ob seiner u n g ew ö h n lich en H erau sford eru n g eintretenden T o ten stille dreht er sich im Sattel, rollt die A u g e n , zieh t die B rau en hoch, zw irbelt den B art, hustet la u t12*und stim m t zu r B e ­ k r ä ftig u n g seiner Iio h n red e schallendes G eläch ter a n .8 Solch es G ebaren , das eben deshalb g esch ild ert zu sein scheint, w eil es den G ep flogen h eiten zu w id erläu ft, öffnet nun der a ll­ gem ein en A u sd ru ck s- und B ew eg u n g ssch ild e ru n g in einer d erartigen G elageszen e die T o re. A u f G ru n d des u n gew ö h n lich en B en eh m ens des G rü nen R itters d rä n g t sich das V o lk g affen d in seine N ä h e ;4*a u f G ru n d seines lauten A u fla c h e n s sch ießt dem K ö n ig A r th u r d ie Zornesröte ins G esicht: -: ;;

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. . . he (d e r Gr. R .) l a j e s s o l o u d e þ a t p e lorde g r e u e d ; p e blöd scliot for schäm into his ( A r th u r s ) sc hyre face and Iere

{G G K . 316 ff.).

E ben so w ird ja auch in L a ja m o n s B r u t, beim oben erw ähnten S treit an A rth u rs l af el , an dem w id er die U n ru h stifter reagierenden R itter die zornige H e ftig k e it seiner R ea k tio n s­ bew egu n gen veran sch au lich t. In K in g H orn sa g t ein in die G e la g c h a lle ein d rin g en d er R iese zu m K ö n ig , der offenbar ob der u n gesch lach ten E rsch ein u n g au fb rau st, er solle doch still sitzen.® D ie zornige G eb ärd e des H eld en in d er G ela gesitu a tio n b e d a rf also der V e ra n la ssu n g d urch das zerem oniellbrechende, „ b ö se “ G eb aren der G egen sp ieler. D a n n ist sie ebenso a n g eb ra ch t w ie der „ h e ilig e Z o rn “ der M oralleh ren (s. o. S. 47). D ie altfran zö sisch en D ich tu n g en legen a u f solche m oralisch e R e c h tfe rtig u n g k a u m W ert; und w ie dort w erden auch in den stä rk er von fran zö sisch en Q uellen a b h ä n g ig en m ittelen glisch en R o m an zen zerem on iellw idrige A ffe k tg e b ä rd e n m eh r u m des Situ ation seffekts w illen au sgem alt. M an könn te es freilich noch fü r einen m oralischen F in g e rz e ig halten, w enn in B ev . H am t. der böse M u rd o r, der sich b eim A ben d essen die sch m äh en de B o tsch a ft von B ev es’ gesittetem A b g e sa n d te n anhört, w ü ten d d arü b er sein M esser über d ie T a fe l h in w eg n ach jenem Boten w irft; dieses M esser n ä m lich verfehlt sein Z iel und d u rch b o h rt des Z o rn igen eigenen S o h n ,6 w om it d er A ffe k tg e b ä rd e die S trafe a u f dem F u ß e fo lgt. S o lch e G efü h lsau sb rü ch e, die sich bald im W erfen m it Speisen und T a felg erä t, bald im U m sto ß en der T isc h e äußern, kom m en öfter vo r; schon in E k k eh a rd s lateinisch em E pos kennzeichnen sie die böse R eg u n g , wenn sich G u n th er in teu flisch er F reude ähnlich ben im m t.7 W äh ren d in m ittelenglisch en D ich ­ tun gen legen d en h aften G ep räges d erartiges B en eh m en den erklärten B ösew ich tern Vor­ behalten ist,-8 setzen sich freilich in den V o lk sro m a n zen m an ch m al so g ar die H au p th elden der D ich tu n g en in em p h a tisch erW eise über die G elagesitten hinw eg. In K . A h s . ist es nicht nur der fein dliche D arius, der, als er beim M ah le eine herausfordernde BotschaftA le x a n d e rs erhält, den T isch von sich stößt, d ie B ein e ü berein an d ersch lägt und ein d rohendes A n seh en ein n im m t;9 auch der ju n ge A le x a n d e r selbst benim m t sich ähnlich: 1 V g l. G G K . 221 ff., 227 ff. 3 V g l. G G K . 31 6.

2 V g l. G G K . 303 ff. 4 A l stu d ied p a t p e r stod, a n d stalk e d h ym n erre {G G K . 237).

5 “ S ite stille, sire k y n g ” {H orn 805). 6 V g l . B e v . Harnt. (C lieth am M s.) 3097 ff.; s. a. R ic k . Lö w . 2120. 7 V g l . W alth ariu s 473: H a ec a it et m en sam ped e p ercu lit exilien sq ue. 8 V g l. z. B . das V e rh a lten des heidnischen S u ltan s in K i n g o f T a rs 97 ff., im G eg e n sa tz zu dem des christ­ lichen K ö n ig s in a n a lo g e r S itu atio n (3 7 ff.). 6 V g l. K . A l i s . 1805 ff.

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Die G ebärde als m oralisches Ü bel

aui die ehrenrü h rigen A n sp ielu n g e n eines Höf l i ngs hin b eu g t er sich über den T isch und schlägt, den S ch w ä tzer m it dem B ech er zu Boden, w oraus sich w ied eru m eine allgem ein e S a a lsch la ch t en tw ic k e lt.1 Bei R ich a rd L ö w en h erz (in der g leich n am ig en R o m an ze) en t­ laden sich die A ffe k te bei T isch ü ber alle G eb ü h r. A u f den E m p fa n g u n liebsam er, g le ic h ­ w ohl von den Ü b erb rin g ern in rechtem Zerem oniell vo rg eb ra ch ter N a ch rich ten hin nim m t er einm al im Zorn den B ro tla ib und zerreißt ih n ,2 ein and erm al stößt er m it w ü ten d en B lick en den T isc h von sich .3 Im S i r Orfeo vollend s ist d as U m w erfen der T isch e au ch A u sd ru c k d er F reu d e über die R ü c k k e h r des to tg egla u b te n K ö n ig s .4 D en R ich a rd L ö w en h erz hat m an als d äm on isch e G estalt a u fg e fa ß t;8 seine d u rch w eg rech t h eftig e n G eb ärd en a u sb rü ch e könnten diesen E in d ru ck d urch au s verstärken. A b e r es m u ß d ah in g este llt bleiben , ob sein tisch zu ch tw id rig es V e rh a lte n in der vo lkstü m lich en R o m an ze ü b erh au p t noch die S p u r eines p ejorativen Sinnes h at. Im G eg en te il: es en t­ sp rich t nun einem H eld en id eal, das sich vom einh eim isch -angelsäch sisch en, w ie es noch bei L a ja m o n verkö rp ert ist, aber auch vom höfischen P ersö n lich keitsid eal aufs d eu tlich ste u ntersch eid et: n äm lich einer vo lkstü m lich en V o rste llu n g vorn H eld en . D iese w ill den T o lld reisten , der sich über die E tik e tte h in w egsetzt und d ad u rch seine h yp erb olisch e E in ­ m a lig k e it bekundet. E in solches sich über E tik etten h in w egsetzen des, ü berm ü tiges G eb aren h aben zw ar auch die N o rd germ an en an ihren Ju ngm an nen gep riesen .6 A b e r nich t von d orth er d ürften die ähnlichen A u ffa ssu n g e n in den vo lkstü m lich en m ittelen glisch en R o m an zen b efru ch tet sein, sondern vielm eh r von einer Sp ielm an n strad ition , w elch e ja auch in F ra n k reich und D eu tsch la n d ihre H eld en sich in u ferloser W eise g eb ä rd en lä ß t.7 D iese vo lk stü m lich en V orstellu n gen en tzieh en sich auch in E n g la n d stä rk er dem E in flu ß d er K irc h e und dam it d er m oralisch en Ä c h tu n g des A ffek tg eb a ren s. B ei L a ja m o n indes ist die M o ra l d er G efü h lsgeb ärd en , w ie die o b igen A u sfü h ru n g en n ach zu w eisen versuchten, g a n z ein d eu tig. Sie w erden fa r b ig gerad e dort d argestellt, wo sie K u n d g a b e n des Bösen und des A n tih eroisch en sin d. D a diese A u ffa s s u n g sich aus A n ­ sätzen in d er alten glisch en D ich tu n g w ie aus der en glisch en religiösen D id a k tik heraus en tw ickelt, läß t sich vielleich t verm uten, d aß es sich hier um eine g ru n d sätzlich e, m ö g lich er­ w eise so g a r typisch en glisch e W ertu n g der G eb ärd e h a n d elt.8 Es ist d en k b ar, d aß bei den en glisch en D ich tern, denen m an auch a u f G ru n d anderer K riterien einen grö ßeren „ s it t ­ lichen E rn s t“ b esch ein igt h a t,8 auch die stark en G eb ärd en m an ch er R o m an zen m iß b illig t w erden, die in den fran zösisch en Q uellen viel eher „m o ra lin fre i“ sind.

1 3 4 6

V g l. V g l. V g l. V g l.

K . A l i s . i lo o ff. R ie h . L ö w . 1807 ffOrfeo, 577 ff. W ells, S. 153.

2 V g i. R ieh . L ö w . 6927 f .

6 V g l. F . W ü lle n w e b e r, A ltg erm a n isch e E r z ie h u n g (H a m b u rg , 1935), S. 86. 7 V g l. F ren zen , S. 72 ff. 8 M a n hat freilich au ch d a ra u f h in g ew ie sen , d a ß selbst im fran zösisch en H elden ep os d e r H eld dan ach trach tet, den A ffe k t zu v e rb e rg e n , u n d d a ß z. B . im R o lan d slied K a ise r K a rl im Z o rn „ n u r “ den B a rt streicht, das H a u p t n e ig t usw., also v e rh ä ltn ism ä ß ig w ü rd ig e G eb ärd en vo llfü h rt — w ähren d h in g e g e n der V erräter od er die H eid en ih re A ffe k te w eit w e n ig e r zu rü ck h a lten (vgl. L . Jord an , in Z s c h r .f . Rom an. P h ilo l. L I , 193 t, S. 119 ff.). B ei L a ja m o n sind nun a b e r au ch solche G efü h lsg eb ä rd e n w ie das H a u p tn e ig e n p ejorativ. L a y a ­ m on 18374 ff. w ird diese G eb ä rd e an U th e r au sd rü ck lich g e ta d e lt; L a j . 15688 und 15740 deu tet sie als B esch ä m u n g sg e b ä rd e a u f erotische S ü n d h a ftig k e it, w o fü r sich jew eils b ei W ace nichts E n tsp rech en d es fin­ det; au ch in P u r it y k en n zeich n et sie den V e rw o rfen en (150). E s g ib t h ier k e in e ,,w ü r d ig e n “ u n d ,,u n w ü rd ig e n “ , sondern eben n ur „ b ö s e “ G efü h lsg eb ärd e n . 0 V g l. L ip p m a n n , S . 49.

H eu ch ler: Die G ebärde als Schein

7. H E U C H L E R :

DIE

G EB Ä R D E

ALS

63

SCHEIN

L a ja m o n s m oralische G ebärdenauffassung- o ffen b art sich noch in ein em w eiteren M o ­ m ent. D e r T a tb esta n d näm lich, daß in erster L in ie an den B ösen die G eb ärd en veran sch au ­ lich t w erden, h a t zur F o lg e, d aß eine P erson als sch lech t g ilt, die absich tlich erheuchelte G eb ärd en zur S c h a u stellt. E in e solche P erson „ lü g t m it den G eb ä rd en “ , w ie es bei L a ja m on einm al heißt (mid his lech en he gan li^e).1 D a s sch einh eilige G eb aren d er “ b a ck b ite rs” a n zu p ra n g ern verfeh lt auch die M o ra llitera tu r n ich t.12 3 B ei der D a rstellu n g der H eu ch ler w eisen n ich t nur die G efü hlsgeb ärd en , sondern auch das erheuchelte Z erem oniell böses Sein aus. D a s lie g t in der N a tu r der S a ch e; fallen doch auch im L eben die G e b etsg eb ä rd en eines an erkann ten H eu ch lers viel eher a u f als die eines echten G lä u b ig en . D a m it b ezieh t L a ja m on bei den H eu ch lern die gesam te körperlich e Ä u ß e r u n g in die m oralisch e W e rtu n g ein. H eim tü ck isch e M eu ch elm örder z. B. w erd en m it g eh eu ch elten G eb ärd en zuerst ins G e­ schehen ein gefü h rt. D ie Sachsen, d ie U th e r P en d rag o n erm orden w ollen , treten zu n äch st auf, als sie betteln gehen. S ic tun als ob sie kran k w ären u n d setzen sich län gs der S tr a ß e hin, d u rch w elches Benehm en sie sich das M itg e fü h l eines H ofm an n es und d ad u rch den Z u g a n g zu ihrem O p fer erg a u n ern .3 D ie M ö rd er G racian s befleiß igen sich a u f der S u ch e n a ch ihrem O p fer eines betont tad ellosen V e r h a lte n s ; u. a. „g r ü ß e n sie schön jeden R itte r“ , dem sie b eg e g n e n .4 V ie lle ich t ist es auch, um die h eim tü ckisch e A b s ic h t der an B ren n es abgesan d ten röm ischen B oten zu u nterstreichen, d a ß deren K n ie fa ll beim E m p fa n g (der d u rch au s üblich es Z erem oniell ist) m it einer V a ria tio n - einem bei L a ja m o n sehr seltenen S tilm ittel5 - hervorgeh oben w ird: and fü llen a enow e a t p an k in g e s fote liii folle to grü n d e

( L a j., Gott. O tho, 5388 ff.).

A u f das G ru ßzerem on iell w oh lgesin n ter Boten w ird nie dieser N a ch d ru ck g elegt. - U n d der piktisch e V ertra u te K o n stan tin s täusch t diesem durch seine G eb ärd en besondere A n ­ h ä n g lich k e it vo r: n ach d em er ihm knieend g ew ich tig e A n d eu tu n g en g em ach t und ihn in eine p riva te L a u b e g e lo ck t hat, n eigt er sich ihm vertrau lich zu, als ob er ihm etw as zu ­ flüstern w o lle ;6 g le ich ze itig stößt er ihm den D o lch in die Brust. A u ch die H eu ch lerg eb ä rd e h a t ihre kom ischen M ö g lich k e iten w ie die bösen A ffe k t­ gebärd en . K o m isch ist das M otiv, d aß ein H eld , um seine A b sich te n durch zusetzen , sich als N a rr verstellt und sich dem entsprechend gebärd et. In Ipom edon z. B. löst der A u ftritt des u n erkann ten H elden im N a rren g ew a n d , bei dem die B esch reib u n g der G estikulierereien breiten R a u m einnim m t, eine L ach szen e au s.7 W en n jed o ch in L a ja m o n s B r u t der gegn eri­ sche B a ld u lf, um von A rth u rs Soldaten nicht erka n n t zu w erden, sich zum harfenspielenden N arren verk leid et und sich als solcher a u ffü h rt,8 da w ird er von den ah nu ngslosen B riten 1 La3_ 13703; v g l. auch L a j . 13627 f. 2 V g l . z. B. H a n d l. S y n n e 41 71 ff. 3 V g l. L a j . 19666. B ei W a c e sind sie n u r “ v estu z en povre v e ste ü rc ” {B ru t 8965). 4 a n d aueræ lcn e h ired -g u m e / feire heo igræ tte n ( L a j . 12289 f.). 5 V g l. T a tlo c k , “ L a ja m o n ’s P o etic S ty le ” . 0 V g l. L a j . 12958 f f . ; b ei W a c e findet sich nichts E n tsp re ch e n d e s; v g l. B r u t 6463. 7 V g l. Ip o m . 6250 ff. 8 V g l . La3- 20303 ff.

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Die G ebärde als m oralisches Ü bel

auch nach N a rre n a rt beh an d elt: er w ird verhauen und bew orfen, w elch pein lich e B eh a n d ­ lu n g L a ja m o n so sehr betont, d aß m an sie fast als m oralisch e S trafe fü r seine erheuchelten N a rre n g eb ä rd en a u ffassen m ö ch te.1 D e r S ch exnch arakter solch er G eb ärd en ist bei L a ja m o n stets von vorn h erein verd eu tlich t. E rzäh ltech n isch gesehen schaffen sie daher keine d ram atisch en Sp an n u n gsm o m en te, keine Ü b erra sch u n g seffek te ; g era d e w egen ihrer V erd e u tlich u n g aber können sie äußeres M e rk ­ m al bösen H an d eln s sein. K ü n stlerisch fru ch tb a r ist die verd eu tlich te S ch ein g eb ä rd e bei L a ja m o n d am it n ich t - w ie bei S h a k esp ea re — fü r die D ra m a tisieru n g der H a n d lu n g , so n ­ dern eben fü r die C h a ra k teristik des B ösen . In seiner Z eich n u n g der G estalt des V o rtig e rn h a t L a ja m o n eine solch e C h a ra k teristik in äuß erst kon sequ en ter W eise d u rch g efü h rt. Es verlo hn t sich, L a ja m o n s V o rtig ern ep iso d e (.B r u t 12997-16229) von dieser Seite her näher zu beleu ch ten. E in e d irekte C h a ra k teristik V o rtig ern s w ird nur an einer S telle g e g e b e n (als V o rtig e rn zum K ö n ig avan ciert ist): H e wes w od he w es w ild he w es raeh he wes bald o f alle þ in g e he hæ fde his iw ille

( L a j . 13741 ff.).

D ie rohe M a ß lo sig k e it, die ih m d am it zu gesch rieben ist, ist ein p ejo rativer Z u g .12 In seinen A ffe k tg e b ä rd e n ko m m t sie n u r zw eim al zum d irekten A u sd ru c k , jed o ch an höchst en t­ scheidenden S te lle n : er la ch t auf, n ach d em er C on stan ce ü b ertölp elt h at, ihm d ie H errsch er­ gesch ä fte abzu treten , als er also den G ip fel seiner M a ch tg e lü ste erreich t h at (]ia loh U ortig e r);3 und sp äter in seinem h em m un gslosen erotischen G eb aren g ege n ü b er H en gists T o ch ter, m it dem er - w eil es zu seiner H eirat m it der h eid n isch en S äch sin fü h rt - das C hristentu m vollen d s verrät, und das d er D ich ter als teu flisch b ra n d m a rk t.4 A n den m ar­ kantesten Stellen seiner bösen L a u fb a h n geh t also die M a ß lo sig k e it seines W esens in den physisch en A u sd ru c k über; das veran sch au lich t in d irekter W eise seine S ch lech tig k eit. Sein e son stigen , in u n g ew ö h n lich er R e ich h a ltig k e it gesch ilderten G eb ärd en sin d solche des Sch ein s. N u n ist a llerd in gs der Z u g der S ch lau h eit, d er G erissenh eit des sich m it V o r ­ liebe in seinen G eb ärd en verstellenden V o rtig e rn vo m D ich ter gen an n t. V o rtig e rn w ird in die E rzä h lu n g ein g efü h rt als „g erissen e r und a rg vo rsich tiger M a n n " ( jæ p m on and sw iðe w a r; L a j . 12998); dieser E linw eis ist eine epische F orm el, die in versch ied en en A b ­ w a n d lu n g en an kritisch en P u n k ten seiner K a rriere im m er w ieder a u fta u ch t.5 M a n h at in dieser durch lau fen d en C h arakterisieru n gsfo rm el ein kon trap u n k tisch es E lem en t g e ­ sehen ;* diese k lu g e B e o b a ch tu n g ü bersieh t indes ih ren fu n k tio n a len Z u sam m en h a n g m it V o rtig ern s u n a b lässig en S ch ein g eb ä rd en , w elch e jen e im m er w ied erkeh ren d e Form el fo rt­ lau fend verd eu tlich t. D ie F orm el erinnert stets daran, d a ß solche G eb ärd en V o rtig e rn s n icht „ e c h t " , sondern u n w ah r sind und seine G erissenh eit ausw eisen. D a ra u s erw ach sen die A n sä tze zu einer bem erken sw erten C h a rakterisieru n gstech n ik. 1 V g l. L a j . 20317 : O fte m e hine sm æ t

sw a m e deö crosce

m id sm æ rte se rd e n æ lc m on þ e hin e im e tte ofte m e hine culd e m id b ism are h ine ig ra tte B ei W a c e find et sich nichts E n tsp re ch e n d e s; v g l. B r ttt 91 1 1 f. a W ace d rü ck t sich m ild er a u s: R e i se fist, m u lt fu o rg u illu s (B r u t 6689). 3 V g l. L a j . 13361. 4 V g l. L a j . 14359 ff-> siehe oben S . 56. 5 V g l. L a j . 12998, 13095, 13254, 14020 u. ö . c V g l. E ve re tt, S. 39.

13276, 13362,

13624,

13826,

14344,

14485,

14593. fern er

13703 f.,

H eu ch ler: Die Gebärde als Schein

65

So s c h e i n t V o rtig e rn s betonter Ü b ereifer im V o llfü h re n zerem onieller G eb ärd en m it der m aßlosen R o h h eit, die der D ich ter seinem C h a ra k te r n a ch sag t, in W id ersp ru ch zu stehen. A ls H en g ist ihm w ährend eines G ela g e s ein A n lie g e n vo rtragen w ill, steht er, V o r tig e rn der K ö n ig , von seinem S itze auf, setzt sich m it H en g ist nieder, stößt m it ih m an : ]ie k in g so n c u p stod a n d sæ tte hine bi him se o lu e n heo d ru n k en h eo d rem d en

(L a 3 . 14073 ff.).

O d er als ihm M erlin s arm e M u tter vo rg efü h rt w ird, g eh t er dieser en tgegen , b eg rü ß t sie m it ü berfreu nd lichen E m p fa n g s g e s te n : a n d þ a læ u ed i a u e n g m id sw iðe u æ ire læ te n

( L a j. 15660 f.)

und b rin g t der W ild frem d en ein V erh a lten en tgegen , w ie es norm alerw eise nur unter S ip p en ­ verw an d ten ü blich ist (sw ulc hco his cu n w eore; 15681). V o rtig ern s ü b erh öflich e G ebärden gehen über das vo rgesch rieb en e Zerem oniell der K ö n ig sw ü rd e hinaus. E r b e trä g t sich nich t seinem S tan d e, seinem w ah ren Sein en tsprechend. A u c h in seinen A n red en g eg e n ü b er M erlin k o m m t sein geheu ch elter A n sta n d ans L ic h t: o b gleich M erlin ihn m it g a rstig e n T ö n en an g ered et h atte (“ K in g þu æ rt u n w is” ; 16022), erw id ert er ihm w eiterhin m it „ lie b e r F re u n d “ (“ lco fu e freond M e rlin g ” ; 16041). V o rtig ern s berechn ende A b sich t bei diesen ü bertriebenen A n stan d sge sten geh t schon aus der H a n d lu n g h ervo r: m it dem ihm n ich t g a n z geh eu eren H en g ist w ill er sich g u t stellen; M erlin und seine M u tter w ill er fü r seine Z w e ck e gew inn en. D ie erw ähnten C h a ra k terisicru n gsfo rm eln , die jedesm al oingcflochten sind, verd eu tlich en also zu sätzlich ; sie gleich en m oralisch en Zeigefin gern , die stets d a ra u fh in w e is e n , daß V o rtig e rn s G eb ärd en seiner G erissenh eit entsprin gen, d aß sie B erech n u n g und L ü g e , d aß sie böse sind. A u c h ausgesproch en böse H an d lu n g en V o rtig e rn s ken n zeich n et L a ja m o n durch die H erv o rh eb u n g der u n gem äß en Z erem o n iellgeb ärd en . So bei der K rö n u n g C onstances: V o rtig e rn vo llzieh t in E rm a n g e lu n g eines E rzb isch o fs selber die K rö n u n g , o b gleich ihm als L aien diese H a n d lu n g n ich t zusteht. D er T a tb esta n d findet sich natü rlich schon bei G eoffrey, aber L a3am on ist es, der dabei d urch die V era n sch a u lich u n g der G eb ärd en die V e rw e rflich k e it an den P ra n g er stellt. V o rtig e rn sp rin g t in der K rö n u n g sversam m lu n g stürm isch w ie ein L ö w e a u f (and an uoten leop / sw u lc hit an liun w eore; 13201 f.) und zeigt in seiner R ed e gleich sam m it dem F in g e r zuerst a u f C o n stan ce (“ L eo w æ r here is þ a t like ch ild ” ; 13233), dann a u f die K ro n e (“ and her ich h ald e cra n e ” ; 13235) und setzt schließlich diese dem C o n sta n ce m it d em on strativer G eb ärd e a u f den K o p f: up h e g o n stonden þ e crim e h e nom a n honden he setten heo v p p e C o sta n ce

( 13255 ff.)*

E b e n diese G eb ärd en 1 lassen den V o rtig e rn als Bösen erscheinen ; der m oralische K o m m en ­ tar, den der D ich ter hier a n fü g t, tu t ein ü briges, a u f die U n b ill von V o rtig ern s V erh a lten a u fm erk sam zu m achen, und setzt es zu seinem sp äteren U n te rg a n g in k a u sa le B ezieh u n g : „ D e r A n fa n g w a r U n re ch t, und so w a r au ch das E n d e; er en tsch lu g sich G ottes G eheiß, d afü r sollte er K u m m er leid en “ .12 1 B ei W a c c h aben die G eb ärd en keine E n tsp rech u n g en . 2 p e frum e w es vn h en d e he for-lette g o d d es h ad a n d a l sw a wes þ e æ nde þ e r fore he sorgen ibad M ünchen Ak, A bh. phil.-hist.

iqsq

(H ab ich t) g

( L a j. 13265 ff.).

^

I Jie G ebärde als moralisches Übe!

V o r tig e m s g a n ze r W e g zur M a c h t ist in dieser W eise durch die verd eu tlich ten G eb ärd en der F a lsch h eit g ek en n ze ich n et; die G eb ärd en sind d abei ebenso m a n n ig fa ltig w ie die M e ­ thoden der V e rd e u tlich u n g . S o setzt V o rtig e rn th eatralisch e E ffekte in S zen e und b ezieh t die B eteilig ten in sein G eb ärd en sp iel ein. A u f der ersten V e rsa m m lu n g in L on d o n , d er die W ahl eines K ö n ig s o b lieg t und die a u f A u re liu s sich zu ein igen im B eg riffe ist, tritt er m it seinem W id ersp ru ch h ervor, n ich t aber (wie es in W aces D a rstellu n g der F a ll ist), um seine eigen en P län e m itzu teilen , sondern u m die V e rsa m m lu n g m it einer h in gew o rfen en A n ­ d eu tu n g in S p a n n u n g zu versetzen und dann so zu tun, als ob er die L ö s u n g des P ro b lem s b ilh gerw eise in sein er eigenen P ro vin z suchen w olle :er g ib t vor, nach seinen w alisisch en L än d ereien abzu reisen , w endet sich aber in W irk lich k e it n ach W in ch ester: and he him seolf wende al se he walde to his londe and turnde riht ])enc wæi þe in to Winchæstre lai Vortiger hafde Walisc lond þat haluendæl an his hond

(L a j. 13017 ff.).

V e rd e u tlich t ist das G eh euch elte seines A b g a n g s h ier n ich t zu letzt m it den g eo g rap h isch en A n g a b e n ; denn W in ch ester lie g t n ich t a u f dem W e g e nach W ales. In W in ch ester leb t d er P rin z C on stan ce als M ön ch, und V o rtig ern w ill ihn aus dem K lo ­ ster befreien, um ihn zu einem ih m w illfäh rigen K ö n ig zu m achen. W ied eru m v o llfü h rt er dazu ein G eb ärd en th eater. D en A b t bittet er (im G eg en sa tz zu seiner frech en A b sich t) „ m it san fter R e d e “ (mid m ild ere sp ech e; 13032) um die U n terred u n g m it C on stan ce, w e lc h ’letz­ teren er denn auch fü r seine P län e gew in n t. U m C on stan ces E n tw isch en zu bew erkstelligen , laß t er ihn m it einem sein er K n a p p e n das G ew an d tau sch en ; w äh ren d C o n stan ce in K n a p ­ p en k le id u n g enteilt, b ezieh t V o rtig e rn den K n a p p e n in d er M ön ch sku tte in sein G eb ä rd en ­ theater e in : er sp ielt unter den A u g e n der w and elnd en M ön ch sb rü d er ein ernstes G espräch m it ihm vor, w obei der andere den K o p f h ä n g en lassen und verb erg en m u ß (1310 9 f.), was die M ö n ch e als A u sd ru c k sg e b ä rd e d er B ekü m m ern is ihres verm eintlichen Bruders a u f­ fassen (1 3 1 1 3 )-A ls nach A u fd e c k u n g des Sch w in d els der A b t den unterdessen entfliehenden V01 tigern einholt, zw in g t dieser den G eistlichen, C on stan ce von den G elü bd en zu en tbin­ den, indem er ihn p a ck t und ihn au fzu h än gen droht: and þe abbed lie nom and swor bi bis honden þat he hine wolde an-hongen

(Lag. 13164 ff.).

D as drohende P ack en ist freilich eine h äu fige G eb ärd e h eldischer M an ifestatio n ;i in diesem F a ll ist sie jedoch B estan d teil von V o r tig e m s böser H eu ch elg estik , deren U n b ill d ad u rch verd eu tlich t w ird, d aß V o rtig e rn selbst sie d a r a u f im L o n d o n er R at, dem er einen falsch en B erich t dieser V o r g ä n g e liefert (13211 ff.), verleu gn et. D a d u rch also, d aß das T h em a S ch ein und Sein in die G eb ärd en d arstellu n g h in ein getragen w ird, fä llt selbst a u f d ie h el­ dische G eb ärd e d er F lu ch des Bösen. Besonders aber die geh eu ch elten A ffek tg eb ä rd e n w eisen V o r tig e m s C h a ra k te r aus. A ls er von der E rm o rd u n g C on stan ces hört, zu der er die M örd er selbst a u fg e w icg e lt h atte, reag iert er d a r a u f zu n äch st m it keinerlei G efü hlen , sondern beru ft sich einen R at der E dlen S ieh e unten S. 69.

H eu ch ler: Die Gebärde als Schein

67

ein ; und erst vo r dem so bereiteten P u b lik u m h ebt er nun an, S ch m erzgeb ärd en von sich zu g e b e n : er w ein t und seufzt, d aß ihm die W orte im H alse stecken bleiben : sw ike wes fu l deorne sw iðe he gort to w epen and sæ riliche siken

( L a j. 13624 ff.)

— und dies so sehr, d a ß ihm die ahnungslosen R ä te en tg eg en h a lten , er sei doch kein W eib, sich so zu verh alten (13 6 3 1 if.). E r b ra u ch t zu seiner S ch ein g eb ä rd e (die im ü b rig en durch die C h a ra k terisieru n gsfo rm el [13624] und d irek t [13 6 2 7 f.] verd eu tlich t ist) das P u b liku m . Sein e G eb ärd en w ollen gesehen w erden, und als nur gesehene G eb ärd en w eisen sie w ied er­ um a u f das B öse.1 A ls ihm d an n vo n den M ö rd ern d as K ö n ig s h a u p t präsen tiert w ird, fä llt er v o r geh eu cheltem S ch m erz schier vom Pferch12 C h a ra k terisieren d ie w enigen echten A ffe k tg e b ä rd e n (die des bösen Jubels und der E ro tik ) V o r tig e rn als U n g e m ä ß ig te n und d am it - m oralisch gesehen - als B ösen, so ver­ m itteln seine S ch ein g eb ä rd en seinen anderen C h a ra k te rzu g : das G erissene, das Sch lau e, S ch au sp ielerh a fte an ihm . D ie letzteren in ihrer A n sch a u lich k e it w eisen ihn w ied eru m als B ö sen aus, w eil ihre F a lsch h eit stets im B ew u ß tsein des L esers g eh alten w ird. N o ch in einem w eiteren Z u g e k o m m t diese m oralisch e W e rtu n g der S ch ein g eb ä rd en V o rtig ern s zum A u sd ru c k . Sein N ie d e rg a n g b eg in n t d am it, d a ß seine T a k t ik des S c h e in ­ g eb a ren s sich g eg e n ihn selber w endet. A ls er von seinem G e g e n k ö n ig in die E n ge getrieben ist, vo llzieh t d er m it ihm verbü n dete H en g ist die zerem oniellen G eb ärd en d er U n te rw e r­ fu n g , w elch e a n sch au lich beschrieben sin d : er hebt m it einem Sp eer ein P ra ch tg e w a n d m die H öhe, ru ft den ü berlegen en G egn ern das E rsu ch en u m F ried en sverh an d lu n g en zu (14 75 2 ff.). D ies ist indes nur ein Sch ein m an n ö ver, w as nun aber V o rtig e rn g a r nicht m erk t; dieser läß t sich von H en gist m it d er gleichen G eb ärd e zu den G egn ern sch icken (V o rtig e rn e w ende a þat lond / and her anne je rd an h is hond ; 14770 f-)> w äh rend H en g ist se lb st m it seinen Sach sen das W eite sucht und V o rtig ern seinem S c h ic k sa l ü b erläßt. U nd als sp äter V o rtig e rn w ied er allein der K ö n ig ist, w ird er vo n H en g ist bei dessen V e rra t von S to n eh en ge m it der gleich en D ro h geb ärd e g ep a ck t, m it d er er selbst einst den A b t des C on stan ce übertölpelt h atte; w ie dam als V o r tig e m g ib t nun au ch H en g ist dieser G eb ärd e eine erheu chelte D eu tu n g , ind em er sagt, er w olle ihn d ad u rch vor seinen m it M essern w ü ten d en M an nen beschü tzen ; d aß diese E rk lä ru n g iron isch gem ein t ist, geh t aus H engists w eiterem V o rg e h e n n u r zu d eu tlich hervor. A n den G eb ärd en in L a ja m o n s V o rtig e rn e p iso d e w ird also zw eierlei d eutlich. Zum einen h aben d ie S ch ein geb ärd en dichterisches L e b e n ; denn sie, ebenso w ie ihre m a n n ig ­ fa ch en V erd eu tlich u n g en , fließen in den Strom des G esch eh en s; sie tra g en überdies en t­ scheidend zu r C h a ra k terisieru n g bei. F ü r diese F u n k tio n alität der S ch ein g eb ä rd en findet sich bei W a ce keine E n tsp rech u n g. Z u m andern aber sind sie stets m it N a ch d ru ck m oralisch veru rteilt (und zw ar nicht nur durch die fo rtlau fen d e epische F orm el, sondern auch in w iederholten R eflexion en des D ichters und sch ließ lich durch die E n tw ick lu n g des G e ­ schehens selbst); als veran sch au lich te G eb ärd en sind sie also S ym p tom e des bösen Seins. H ä lt m an d a g e g e n aus nordischem. B ereich des S a x o G ra m m a ticu s Sch ild eru n gen der närrischen S ch ein g eb ä rd en des A m le th , so ze ig t sich , d aß diese n ich t a u f ein böses, sondern a u f ein gu tes Sein weisen. V ö llig anders als bei L a ja m o n stellt sich d as P roblem der Schein1 B ei W a c e findet sich fü r diese Szen e nichts E n tsprechen d es. 2 þ a V o r tig e r þis hæ ued isæh þ a hæ lde he to grü n d e ful n eh ( L a j. 13699 f.).

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Die Gebin den der Helden un d die W andlungen des Heldenideals

g eb ä rd e in d er höfischen W elt. A u c h ihr zw ar sch w eb t das E inssein von G eb ärd e und ihrem G eh a lt als Ideal vor. A b e r dort hat die G eb ärd e selbst, als L eb en sfo rm , sittlichen W ert; S ch ein g eb ä rd e ist d aru m sch lech t erfüllte Form , und das sittliche Streben gehr nach ihrer rechten E rfü llu n g . M it anderen W o rten : höfische W ertu n g fra g t von der G eb ärd e als F orm her nach dem G eh a lt; L a ja m o n fr a g t - in m oralisch er In n en sch au - vom G eh a lt her nach der F orm .

/. W

E I T E R W E R 'I' B E R E I C H . D I E G E B Ä R D E N D E R H E L D E N

UND Dl E

W A N D LU N G E N D ES H E L D E N ID E A L S

8. D I E H E R O I S C H E P O S E

A n g esich ts d er m oralisch en Ä c h tu n g d er G cfü h lsg cb ä rd e n g ilt es n u n zu fragen , w ie sich denn die m ittelen glisch en D ic h tu n g e n d as A u ftre te n der H eld en vorstellen . D en n a u f H a l­ tu n g und G eb aren d er H eld en , a u f ihre contenaunce und chcre, w ird im m er w ied er angespiclt. A u c h bei den D a rstellu n g en der H eld en tritt das K ö rp erlich e, tritt die G eb ärd e m eh r in den V o rd erg ru n d als dies in der alten glisch en D ic h tu n g der F a ll w ar. D en n o ch ist d ie Ile ld e n g e b ä rd e zu n ächst kein A u sd ru c k von affektisch en G efü hlen . D a rin en tsp richt sie g a n z der dem on strativen K ra ftb e w e g u n g , der g e w ich tig en H a ltu n g , die im B e o w u lf das M an n en tu m m an ifestiert. Im A lte n g lisc h e n bergen diese G eb ärd en jedoch einen seelischen K o n flik t und sind O ffen b aru n g en einer ethischen L eb en sh a ltu n g , die diesen K o n flik t m eistert. D a s ka n n ihnen epische P oten z verleihen. A n d e rs bei L a ja m o n und in den m ei­ sten m ittelen glisch en R o m an zen . H ier sind die H eld cn gcb ärd en n u r noch die äußere, p ru n k h a fte Z u rsch a u stellu n g, die R ep räsen tation , das A ttr ib u t des H ero isch en ; sie sind bloß e Pose. E rzäh ltech n isch gesehen w irk en sie in den H a n d lu n g s a b la u f n ich t ein, sondern sie u n terbrech en ih n ; sie sind d ekorativ. N ii gends ist dies d eu tlich er erken n b ar als da, w o die H eld en als D roh end e auftreten . D ie D ro h g eb ärd e n , die den O p fern en tg eg en g ese tzt w erden, sind B esta n d teil der heroischen 1 osc und nicht etw a d ram atisch e U m stim m u n g sg esten . So verh ält es sich in besonders a u f­ fä llig e r W eise auch m it den entsprechenden G ebärd en d er L egen d en fig u ren , n u r d aß diese d am it ihre G la u b en sfestig k eit m an ifestieren. D as alte L eg e n d en m o tiv des dem T eu fe l sich w id ersetzen d en P leiligcn sch eint die V era n sch a u lich u n g solch er D ro h p osen g era d ezu herau szu ford ern. Sch on Ju liana, in der leider u n v o llstän d ig erhaltenen K erkerszen e der g leich n am ig en alten glisch en D ich tu n g , p a ck t den hier erscheinenden T eu fe l und h ä lt ihn fest. D a ß sie ihn w id er seinen W illen dazu brin gt, ihr seine F reveltaten zu beichten, g elin g t ihr a u f G rund ihrer F rö m m ig k eit, m it der sie angesich ts dieser L a g e sogleich „ ih r H erz zu k rä ftig en u n d zum H errn zu r u fe n '“ b egan n (J u l. 270 L), nich t aber w egen der G eb ärd e des drohenden P acken s, die sie überdies auch beibehält, als sie schon aus dem K e rk e r zu m V e r ­ hör g e fü h rt w ird (534 ff.). D iese G eb ärd e ist vielm eh r die Pose, w elch e rein äu ß erlich und d ekorativ ihre fro m m eH eld en h a ftig k eit dem onstriert, w as denn d er T eu fe l selbst an erken n t: N e waes æ n ig p ara, þ æ t m e p u s p riste, sw a p u mu pa,

halig m id hon du m , hrinan dorste

(J u l . 510 ff.)

(,,E s w ar der M än n er kein er, der m ich so d reistk ü h n w ie du n un hier, du H e ilig e , w a g te m it den H ä n d en zu b erü h ren .“ ■

B eow u lfs drohende H a ltu n g vo r dem D ra c h e n k a m p f h atte d a g eg en einen tieferen Sin n und eine epische F u n k tio n ; denn sie bedeutete die Ü b e rw in d u n g zagen d er G efü h le und die V o ra u sa h n u n g des tragisch en T o d esk a m p fes. D ie m ittelen glisch en L ege n d en d ich te r sch ild ern ähnliches öfter und noch viel sin n en ­ fä llig e r.1 D ie hl. M a rg a re ta der alliterieren den L e g e n d e h ält d em höllischen U n g e h e u e r das K re u z en tg eg en und en tw affnet es s o ; indes b e g n ü g t sie sich d am it nich t, sondern p a ck t d en S a tan isch en am K o p f, sch w in g t ih n u m h er und setzt ih m sch ließ lich den F u ß ins G e ­ n ic k .12 S o lch e fa r b ig e Posen ergä n zen die ü b lich e religiös-ku ltisch e G estik 3 der H eiligen. M it ähnlich repräsen tativen D rohp osen treten in L a ja m o n s B r u t m it V o rlieb e nun auch die H eld en auf. A ls dort B ru tu s sich einm al in m ißlich er L a g e sieht, stü rzt er m it g ro ­ ßer V eh e m e n z (m id grim m en his rasen ; 683) a u f d en g e fa n g e n geh alten en griechischen F ü rsten A n a k le t los, p a ck t ihn am H a a r und setzt ih m das blan ke Sch w ei t an den H als, in ­ dem er ihn an fäh rt, es sei u m ihn und seinen P rin zen geschehen, falls er n ich t tun w olle wie ihm geheißen w erde. D e r also B ed rän gte ru ft so g leich aus, er w olle ja alles tun , bevor ei n och w eiß , d aß B ru tu s eine sch än d lich e V e rrä te rh a n d lu n g von ih m verla n g t. D ie D ro h ­ g eb ä rd e ist nicht d er G ip fel einer U m stim m u n g sd ra m a tik , d enn da ist kein in n eiei K o n ­ ta k t der P artn er und d am it auch nichts von einem inneren W id erstan d der P ersön lich keit des B ed roh ten . Z w ar ist dieser A u ftritt - w ie äh nlich e bei L a 3am on - schon bei G eo ffrey u n d W a ce vo rg eb ild et; ch arakteristisch an L ayam ons D a rstellu n g aber ist gerad e die p ri­ m äre F u n k tio n d er D ro h geb ärd e, den droh end en H eld en in die heroische Pose zu setzen. L a 3am on nu tzt n ich t die dram atischen M ö g lich k e iten der D ro h geb ärd en , die sich nach h eu tigen B egriffen au fd rän gen , eben weil es ih m m ehr a u f die äuß ere H eiden m an ifestation an ko m m t. D a s g ilt fü r alle die D ro h au ftritte der H eld en , die bei L a ja m o n w ie auch in den R o m an zen in g ro ß er Z ah l Vorkom m en - auch für den situ atio n sm ä ß ig am vollkom m ensten ausgefü h rten , n ä m lich den des C orineus ( L a 3. 2245 ff.). A ls dieser erfäh rt, d aß L o crin das V erlö b n is m it seiner T o ch ter in den W in d zu sch la gen gesonnen ist und sich d en R eizen einer anderen h in g ib t, d a su ch t er ihn heim , m it einer riesigen K r ie g s a x t über der Sch u lter, baut sich vo r ihm auf, starrt ihn w ütend an (laðe.lich him iokede on; L a 3. 2266) und h ä lt ihm eine la n g e S ch m äh red e (2269-2310). So d an n sch w in g t er seine A x t u n d schm ettert sie a u f den Stein, a u f dem L o crin steht (!) (2311 ff.). E rst nun, n ach d em die D ro h gestik v ö llig au sgesch ö p ft ist, lä ß t L a 3am on die U m steh end en u nter allgem ein em L ärm en herzueilen, um ein H an d g reiflich w erd en zu verh indern. A n d er entsprechenden Stelle bei W ace d a ­ g eg e n sind di? G eb ärd en des Corineus B estan dteil seiner D r o h r e d c , die zw ai d ort küt z e i, jedoch rhetorischer gestaltet ist.4 L a ja m o n aber trennt die G eb ärd e von der R ed e, u m den rechtschaffenen C orineus, dem cs um die V e r te id ig u n g der E h rb a rk eit seines H auses zu tun ist, m it H eld en geb ärd en in der heroischen Pose zu sch ildern . D en n h eldenh aft sind

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1 V g l. die entsprechen de S te lle der m etrischen J u lia n a (M s. A sh m o le 43 ). S E T S 51, V e rs 75. 2 V g l. H orstm ann , N . F ., S . 225 if., V e rs 217 ff. 3 R e lig iö s-k u ltisch e G eb ärd en w erd en oft erw ä h n t; e tw a das S ich -B e k re u zig e n (vgl. H orstm ann , S. 35 ff., V e rs 194; das H än d eh eb en (v g l. H orstm ann , S. 26 ff., V e rs 195), die G eb etsgesten (v g l. H orstm ann , S . 26 ff., V ers 210 ; e b d ., S. 3 ff-, V e rs 152) u sw . 4 V g l. W ace, B r u t. 1367 ff.: “ N e puet m ie estre sen z v e n g a n c e T a n t cum jo avrai t e l poissance E s b r a z q u e jo a i ci le v e z D u n t jo ai les g a ia n z tu e z ” .

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Die Gebärden der Heiden und die W andlungen des ITeidenideals

diese D ro h geb ärd en . W o aber die Bösen drohen, d a sin d ihre G eb ärd en A u sb rü ch e von unbeherrschten A ffek ten . D ie heroische Pose ist die A u ß en seite des H elden tum s. „ P o s e “ ist dabei irn weitesten Sin n e zu b egreifen und u m fa ß t n ich t die th eatralisch e H a ltu n g allein, sondern au ch die M ien en , G esten und K ö rp e rb e w e g u n g e n in dieser H a ltu n g - aber nu r sow eit sie eben affektfrei sind und die äuß ere Z u rsch a u stellu n g des H eld en verleben d igen . D a s können - w en iger zw a r bei L a y a m o n als vor allem in den R o m an zen - rein ä u ß erlich a u ch G e ­ bärden sein, die anderenorts als u n beh errsch te A ffe k tg e b ä rd e n beg eg n en . W enn m an sie jed o ch in ihrem Z u sam m en h a n g und in ihrer erzäh ltech n isch en F u n k tio n betrach tet, ist eine V e rw e ch slu n g aus den schon gen an n ten G rü nd en k a u m m öglich . G efü h le m a g ’der H eld in der P ose w ohl in sich tragen , ab er die Pose ist n ich t ih r A u sd ru c k . A u ch zerem oni­ elle G eb ärd en tragen d azu bei, die äuß ere Pose des H eld en zu verstärken . V e rh ä ltn is m ä ß ig zah m sind n och d ie S ch ild eru n gen der heroischen Posen in L a ja m o n s B r u t. D ie R o m an zen w erd en hier viel ko n kreter und blu tvoller. D a ra n sind zu n äch st ein ­ m al die Sehw eise und der eigen tü m lich e D a rstellu n g sstil schuld. L a 3am ons D a rstellu n g ist eben noch nich t d erart a u f die kö rp erlich e E rsch ein u n g des H eld en g erich tet w ie d ie der Sp äteren . A ls K o n zep tio n jed o ch ist die heroische P ose auch bei ih m ve ra n k e rt; ih re V o r ­ stellu n g ist o ft aus der A r t und W eise h erau szu sp ü ren , w ie eine E p iso d en sch ild eru n g d u rch ­ g e fü h rt oder eine H cld en red e a u fg eb a u t ist. Ju liu s C aesars M o n o lo g z. B ., in dem er den E n tsch lu ß zu r In vasion G ro ß b rita n n ien s fa ß t ( L a S. 7262 ff.), ist a u f die zen trale Pose hin a n g elegt, w e n n g leich diese selbst k a u m ve ra n sch a u lich t ist; w ir hören nur, d aß er, an der flandrischen K ü ste stehend, das britische G estad e erb lickt. D er erste T e il der R ed e ist die historische R e c h tfe rtig u n g seines E n tsch lu sses; der zw eite T eil die B ek u n d u n g des E n t­ schlusses selbst. A m Ü b e r g a n g vom ersten zu m zw eiten T eile jed o ch sch w ellt es ih m g le ic h ­ sam d ie B ru st, in d em er a u f sich selbst und seine S tim m u n g w eist: „ I c h h eiße J ulius C aesar, d aru m ist m ein H erz e rre g t.“ 1 D a s äuß ere B ild u nterm alt diese im p lizierte zentrale H eld en ­ pose. sein B lick geh t in die F ern e (72 4 1; 7247; 7259); strah len der S o n n en sch ein ü b erglä n zt den A u ftritt (7238 f.). U n g le ic h a n sch au lich er w ird die heroische P ose in den R om an zen , nam en tlich in den alliterieren den . Im M orte A r th u r e h ält A r th u r beim H eereszu g n ach Italien a u f dem St. G o tth a id m it seiner g an zen S treitm a ch t inne, b lick t in die R u n d e und a u f die lo m b a rd i­ schen L a n d e und sa g t m it lau ter S tim m e: „ I n diesem L a n d g ed en ke H errsch er ich zu sein! 12 A u c h das D em o n strative der W orte A rth u rs (gone), die nur m it au sgestrecktem A r m gesp roch en sein können, verstärkt seine Pose, d ie eben nur eine äußere M a c h tm a n i­ festation ist und nich t etw a die S y m b o lisie ru n g eines inneren E n tsch lu sses; denn der lo m ­ bardische F e ld z u g w a r ja län gst vorh er beschlossene Sach e. S o lch e Pose ist das Z en tru m einer selbstän digen Szene, als A rth u r, vor d er fein dlich en F estu n g M etz an gekom m en , m it einigen B egleitern zu r G elän d ein sp ektion ins V o rfeld reitet ; d aß ihm d abei von den W ällen der F estu n g her eine S a lve von G eschossen en tg eg en zisch t, stört ihn nich t im gerin gsten , vera n la ß t ihn vielm ehr, sich in die B ru st zu w erfen und, in seiner k riegerisch en E n tsch lo s­ senheit die F estu n g anstarren d, sich in seiner g la n zvo llen G ew an d u n g zur S c h a u zu stellen : 1

“ Ich h a h te Ju liu s C e z a r

þcr fore is m in herte sæ r“ ( L a j . 7288 f.). B ei Wa.ce findet sich da fü r nichts E n tsprechend es. 2 V g l. A fA 3 9261, 14038, 17345, ‘ 9 w enn er «ach dem Sin n äh nlich er K la g e g e b ä rd e n bei p rim itiven V ö lkern fr a g t; auch da m u ß die K la g e g e b ä rd e , und die T o te n k la g e ü berh au pt, als ein „zw ie sp ä ltig e s und k o m p lexes D in g “ erscheinen, als „etw a s, das seinen spontanen A ffe k t­ ch a ra k ter zu verlieren und zur zerem oniösen F orm zu w erden n e ie t “ 7 to ' 1 V g l. Vgl. 3 V gl. 6 V gl. 7 V gl.

Curtius, S. 169 ff. Frenzen, p a s s im ; Lommatzsch, T ra u er u n d S ch m ers, S. 45 ff. Situ, S. 67 f. 4 Vgl. Huizinga, S. 7. Zappelt, þa ssim . « Vgl. Huizinga, S. 48. Meuli, S. 93.

K la g e g e b ä rd e n , H eld e n ge fiih lc und H eld en gesin n u n g

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A u s dem F o rm a litätsch ara k ter der K la g e g e b ä rd e erk lärt sich auch ihre zw iesp ältig e B eu rte ilu n g d urch die K irche. D ie früheren K irch en v ä ter verdam m ten die K la g eg eb ä rd en der T o te n k la g e , weil sie ein Ü berfließen d er T ra u e r, das die H offn u n g a u f das ew ige L eb en vergessen läß t, nicht guth eißen konnten. D ie ch ristlich e L e h re lob t jedoch das W ein en und K la g e n , ja fordert es, wo es aus R eu e geschieht, w o es die eigene Sü n de bejam m ert. D a m it sp rich t sie ü ber die G eb ärd e an sich kein U rte il und tastet ih re E x isten zb erech tig u n g nicht an. S ie w ertet vielm ehr die G esinn un g, aus der h erau s die G eb ärd e kom m t. U m des G esin n u n gsau sd ru cks w illen vo r allem ist auch in der D ich tu n g die K la g e g e b ä rd e d a und erst in zw eiter L in ie zur A ffek tverd e u tlich u n g . G ew iß sp ürt L a ja m o n in K la g e ­ g eb ärd en w ie den oben au fgezäh lten auch den A ffe k t - w esh alb er zuw eilen m it ihren stärksten F orm en die S ch m ach vo llen ken n zeich n et. A b e r in die K la g e g e b ä rd e n gießen sich auch edle R e g u n g e n ; sie verm ögen nach außen die G esin n u n g der H eld en zu bezeu gen, so wie die K ä m p ferp o se ihr H eroen tum dem onstriert. W o die K la g e g e b ä rd e n aber H eld en ­ gesin n u n g au sw eisen ,d a w erden sie lebh att em pfun den , und ihre V o rste llu n g löst sich oft aus der S ta rre des T ypisch en . So sind die K la g e g e b ä rd e n der H elden Zeichen der R e u e . D as ist g a n z im Sin n der K irch e. D enn selbst die m ön chische A sk ese verla n g te das W einen der R e u e .1 E s ist b ezeu gt, d aß m an sich im G ebete von G o tt reichlichen T rän en sch a tz erbat und d aß m an jene v e r­ ehrte, die ü ber besondere T a le n te im R eu ezäh ren vergießen v e rfü g te n .12 In den m ittel­ en glisch en L egen d en d ich tu n gen quellen denn stets die Zäh ren der H eilig en - gleich sam als deren „R ep rä se n ta tio n “ -h e r v o r , besonders h ä u fig beim hl. A u g u s tin , dessen B ild in der L e g e n d e 3 w esentlich vom R eueton der Confessiones bestim m t ist. D ie dem T eu fe l zeitw eilig erlegen gew esene hl. T h eo d o ra sch lä gt sich auch reu ig ins tränen benetzte G esich t.4 A u c h schon w enn im altsächsischen H e lia n d einm al R eu eg eb ä rd en vo rg efü h rt w erden (was bei d er allgem ein en A n sch a u u n g slo sig k eit der D arstellu n gsw eise bem erken sw ert ist), so d azu , u m d ie G rö ß e der Sü n de zu ken n zeich n en ; Petrus w ein t nach seiner V e rle u g n u n g Christi „ b lu tig e T rä n e n “ .5 - U n d in der w eltlichen D ich tu n g ? V o m m ittelh ochd eu tsch en V o lk s ­ und H eld en epos hat m an g esa gt, d aß dort G eb ärd en der R eu e nich t gesch ild ert w erd en .6 A u c h bei den E n glän d ern su cht m an allerdin gs zu n äch st n ach h eftigen R eu eau sbrü ch en vergeb en s. W ohl aber steckt in den K la g e g e b ä rd e n , in die m an die kleiden L a ja m o n s und der R o m a n zen zu w eilen sich ergehen, sieht, die b u ß fe rtige B ereitsch aft zu r geistigen U m ­ kehr. Sollte cs auch schon im B e o w u lf jene R eu eb ereitsch aft sein, die H ro th g a rs T rän en ergu ß bei B eow u lfs V era b sch ie d u n g beku n det (H ruron him tearas, / b lon d en feaxu m ; Beow . 1872 f.) ? D ieser sin n en fällige T rän en erg u ß fällt g a n z und g a r aus dem R ah m en der a ffekt­ gebärden m eidenden D arstellu n gsw eise des B eo w u lfep o s heraus, w eshalb m an darin eine „u n g e rm a n isc h e “ R e g u n g sehen zu m üssen glau b te, fü r die m an an tiken E in flu ß vera n t­ w ortlich g em ach t h a t.7 D e r K ern der S ach e ist d am it w ohl noch nicht getroffen. D er Stil, in dem dieser T rä n en erg u ß in die D arstellu n g der A b sch ied sszen e e in g eb a u t ist, lä ß t a u f­ m erken : H ro th g a rs sin nen fällige G eb ärd e steht am A n fa n g , seine ab strakt variierten G e ­ m ü tsb ew egu n gen (F reu n d sch aftsgefü h le, A b sch ied ssch m erz) erscheinen erst danach. Bei 1 V g l. Ae. Benediktinerregel, a. a. O., 18.10 f. 2 V g l. Zappert, S. 77 ff. 3 Horstmann, S. 61 ff. 4 V g l. S . T heodora , Horstmann, S. 35 ff., 56 f. 6 héte trahni blödage; vgl. H e lia n d 5005 f. In der Bibel heißt es nur: „E r weinte bitterlich“ (M a tth. 26,75; L u k . 22, 62; vgl. M a rk . 14, 72). 8 V gl. Scherer, S . 26. 7 V gl. Haber, S. 98.

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D ie G eb ärd e n d er H elden und die W a n d lu n g e n des H elden ideals

den letzteren aber pflegt sonst im B e o w u lf die S ch ild eru n g von G em ü tsb e w eg u n ge n einzusetzen, nicht mit d er gesch au ten G eb ärd e. D er T rä n e n e rg u ß H ro th g a rs w äre also zu ­ n ächst eine von seinen S ch m erzg efü h len u n a b h ä n g ig e G eb ärd e: n äm lich die B e k u n d u n g der ch ristlich -b u ß fertigen G esin n u n g, der K a rd in a ltu g en d der D e m u t; eine d era rtig e G e ­ sin n u n g läß t sich w o h l aus seiner vorau sgeh en d en A b sch ied sh o m ilie h erau sh ören (vg l. Beow . 1769 fr.); sie en tsp rich t g a n z d em Id eal des christlichen K ö n ig s, dessen W esen s­ zü g e S c h ü ck in g an d er H ro th g a r-G esta lt a u fg e z e ig t h a t,1 E rst n a ch trä g lich w ä ren dan n der G eb ärd e die der S itu atio n sstim m u n g en tw achsen den G efü h le unterschoben. Die B u ß - und R eu ezäh re als Z eich en der guten G esin n u n g steht jed en falls dem H elden eb en so gu t an wie dem H eiligen . U nd w enn A u g u stin , der H eilig er und H eld zu g le ich ist, in L a3 a m o n s B r u t T rän en vergießt, so n ich t etw a schon im Ä r g e r ü ber die m iß lich e A u f ­ fü h ru n g der heidnischen B riten , sondern vielm eh r gerad e dann, als sich sein A ffe k t schon g e le g t hat und als ihm G o tt die A u fn a h m e ins H im m elreich zu r B elo h n u n g v e r­ sprochen h a t.12 R eu e und U m k e h r selbst, nicht nu r die B ereitsch aft d azu , b ezeu g e n dann die K la g e g e b ä rd e n der R o m an zen h eld en . In S i r D eg a r é rin g t der H eld die H än de, als er an die m ißach teten E rm a h n u n gen seines M en tors d en kt.3 A ls A le x a n d e r in W. A le x , im V e rla u fe seiner ä gy p tisch en E x p ed itio n a u f das D en k m al des A n e cta n a b u s stößt, den er selbst in seiner Ju gen d g em ord et hatte, fällt er d av o r zu B oden, k ü ß t der S ta tu e die F ü ß e und tra u ert.4 D ieses T rau ern ist R eu e, die den H eld en ehrt, nich t der G e fü h lserg u ß der T o te n k la g e . E in an d erer G esin n u n gsw ert, der sich in K la g e g e b ä rd e n d er H eld en der w eltlichen D ich tu n g noch m ehr m an ifestiert, ist die T u g e n d des M i t l e i d s - aber nicht des M itleids, das sich in g efü h lvollem B ed au ern erschöpft, sondern eines M itleids, das zur T a t a n ­ treibt. Z u m B ild des H eiligen , d er die T u g e n d der f i t e besitzt, geh ört “ o f co m p assio u n . . [)c tere” .5* Bei L a ja m o n nun sehen wir den breton isch en K ö n ig A ld ro ein , als er aus dem M u n d e des britischen B isch ofs eine S c h ild eru n g der m ißlichen L a g e seiner inselkeltisch en Stam m esverw andten, und d em utsvolle Bitten um k riegerisch e U n terstü tzu n g vern im m t, S e u fze r ausstoßen und T rä n en vergießen , und zw ar so, d aß alle seine M an n en es sehen kön n en : „ D e r K ö n ig seufzte sch w er; es ran nen seine T rän en , seine A u g e n qu o llen über, d aß all sein G efo lg e es s a h .“ 8 In seiner d azu gesp ro ch en en A n tw o rtred e jedoch k ü n d ig t er die sofortige A u fb ie tu n g einer S treitm a ch t a n ; tätiges M itleid legt er m it den g an z öffen t­ lich zur S c h a u gestellten7 G eb ärd en an den T a g . E ine solche M itle id sk la g e g e stik , die den K am p fese n tsch lu ß aus sich h ervorb rin gt, ist nichts S elten es; als K ö n ig A r th u r im allit. A i orte A r th u r e von den S ch än d lich k citcn des R iesen von M o n t S aint-M ichel erfährt, benim m t ersieh g a n z ähnlich, w obei dort sow ohl sein K la g e g e b a re n als auch seine n a ch folgen d e E n t­ schlußpose noch viel an sch au lich er g esch ild ert sin d .8 D u rch solches M itle id sk la g e g e b a re n wird so zu sag en die heroisch e Pose e rgä n zt und in d er T u g e n d vertieft. D e r T o d e sg e d a n k e 1 V gl. Schiicking, E n g l. S tu d ie n 67 (1932), 1 ff. 2 V g l. La;;. 29642 ff. a Vgl. S ir D eg a ré (French/Hale, S. 287 ff.), 645. 1 Vgl. IV. A le x . 1135 ff. * Vff1* V A m b r o s iu s (Horstmann, S. 8 ff.), 757; die entsprechende Stelle der Leg. A u r . (zit. bei Horst­ mann) lautet: lacrymas compassionis pro aliorum injuriis. “ þe king gon siche sare him gunnen glide teores and urnen his æjene þat his hired-men hit isejen (La 3. 12772 ff.). 7 Die Betonung der Öffentlichkeit fehlt bei Wace; vgl. B r u t 6397 ff. a Vgl. M A . 888 ff.

K lagegebärden, H eldengefühle und H eldengesinnung

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selbst erregt diesen K la g e a u sd ru ck des tatbereiten M itleids. E r erfü llt die K la g e g e b ä rd e n des A r th u r , als dieser vom T o d U th e r P en d ragon s erfä h rt; wenn er da erstarrt, blaß und rot w ird, so ist dies n ich t bloße G e fü h lsk la g e ; denn A r th u r ist in S o rg e um das kö n iglo se B ritan n ien , aus w elcher S o rge herau s er sogleich sein G o ttvertrauen beku n det und den B efeh l zu r A u fs te llu n g einer A rm e e erteilt.1 D a s M itleid — aber w en iger heroisches und taten freu d iges M itleid — vered elt auch in den R o m an zen die K la g e g e b ä rd e n der G u ten. D e r von M odred ve rfo lgte E rzb isch o f von C a n terb u ry geht in die W ild n is und k la g t; „ o ft w ein te und w ach te er“ - aber n ich t um sein, son dern um E n g la n d s S c h ic k sa l.12 In S i r Orfeo ist die G eb ärd e d er M itleid sk la g e gerad ezu das T u g e n d ze u g n is des S ta tth a lters.3 D e r w ich tigste G esin n u n g szu g aber, den die K la g e g e b ä rd e n der Plelden m an ifestieien , ist die A n e rk e n n u n g der übersin nlichen M ach t, des w altend en S ch ick sa ls. G eg en das S ch ick sa l — und das h eiß t: g egen das A u sg cliefertsein an das R a d der F o rtu n a — bekenn t sich der m ittelalterlich e H eld m achtlos. D as ist seine m enschliche T r a g ik , ohne die er nicht g ro ß sein könnte. D a s B eken n tn is der S c h ic k sa lsa b h ä n g ig k e it äußert sich z. B . in den R eaktion en a u f prophetische T rä u m e, w elch e die D ich tu n g en ja nur echten H eld en zuteil w erden lassen .4* Solche R eaktion en geschehen g a n z u n a b h ä n g ig vom In h a lt des T rau m s, u n a b h ä n g ig auch von der B ed eu tu n g des O m ens, das d er E rw a ch en d e g a r nich t zu kennen pflegt, das ihm die T rau m d eu ter erst erläu tern m üssen. D ie G eb ärd en reaktio n entsteht unter dem E in d ru ck der bloßen B e g e g n u n g m it der höheren M a ch t. E s ist erstaun lich, w ie stark sich bei dem ansonsten alle A u sd ru c k sg e stik m oralisch verd äch tigen d en L a ja m o n dei K ö n ig A r th u r bei solchen G elegen h eiten geb ärd et. D er K ö n ig erw ach t aus dem T rau m , ist a rg entsetzt, stöhnt laut, so d aß n iem and ihn zu fragen w a g t, w as all dies bedeute, und rich tet ein S to ß g e b e t zum H im m e l; all dies ist gesch ildert, bevor der L eser etw as ü ber den In h alt des T ra u m s erfä h rt.3 A n anderer Stelle w eiß der L eser n o ch n ich t einm al, daß A r th u r g eträ u m t h at, als er hört, d aß sich der K ö n ig vom S c h la f erhebt, die A rm e h o ch ­ w irft, abw echseln d aufsteht und sich hinsetzt, „ a ls ob ihm a rg übel w ä re“ (sw ulc he w eore sw iöc seoc),8 w elch e G eb ärd en d arstellu n g dann A rth u rs eigene A u ss a g e n ergän zen : er h a b e beim E rw a ch en zu beben und zu zittern bego n n en .7 D ie T rau m reak tio n en A rth u rs sind also v ö llig vo n der G eb ärd e her gesehen, w ie dies sonst nur bei den A ffek ten der Bösen und S ch m a ch vo llen der F a ll ist. In der T a t erh ält A r th u r hier einen Z u g der O h n m äch tigkeit - g eg e n ü b er dem S ch ick sa l, das über ihm steht, dessen O b je k t er ist. D en n als Inhalt seiner T rä u m e erw eist sich das S ym b o l der F ortu n a, die V o ra u sd e u tu n g a u f den u n au s­ bleiblichen F a ll in die T iefe . Im allit. M orte A rth u re , wo der gleich e - auch dort G ebärden auslösende® - T r a u m m it besonderem N a ch d ru ck h eilsp ä d a g o g isch ausged eu tet w ird ,9 ko m m t dann A rth u rs religiöse G esin n u n g noch beh errsch ender neben seinem H eroentum zur G e ltu n g .10 D ie R om an zen gießen dieses G efü h l des A u sg eliefertsein s auch in die ü blich en K la g e ­ geb ärd en . D ie K ö n ig in in W. P . z. B. reag iert a u f einen T rau m , d er ih r gleich w oh l ein gutes O m en g eb ra ch t hat, m it Zittern und bitterem W einen ,11 w o rau fh in sie in D em u t die

1 V g l. L a 3. 19888 ff. 2 O ften g a n he w ep e and w ake/ F o r y n g la n d th at had suche sorow is sare ( L M A 3032 {.).

3 S ieh e u n ten S . 147-

* V S L auch M en tz< S ' 18 ff' B V g l. L a S- 28006 ff8 V g l. M A , 3 3 9 «-

6 V g l . L a j . 2 5554 ff' V g l. L a j . 28082 ff. 0 V g l. H ö ltg e n , A n g lia 75 ( iy S 7 ), 35 ff10 V g l. a u ch V a n der V e n -T e n B en sel, S . t20. 11 V g l. W. P . 2913 ff. M ünchen A k . A bh . phil.-hist. *9 5 9 (H ab ich t)

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Dic G ebärden d er H elden und die W andlungen des H eldenidcals

K a p elle au fsu ch t. S ch reien d, H än d e und F ü ß e an ein an derreiben d, das G esich t zerkratzend und das K le id zerreißend — so g eb ä rd et sich die H eu ro dis a u f ihren tod verkü n d en d en T ra u m h in .1 D ie grö ß ten R o m an zen h eld en beku n den so ihre S ch ick sa lso h n m ach t; A le x a n d e r w echselt nach dem d elp h isch en O ra k elsp ru ch die F a rb e 12 und w eint m it k u m m ervo ller M iene, um d an n a u ß er S in n en bis zum nächsten M o rg e n am B oden liegen zu b leib en ,3 w äh ren d seine G etreuen o h n m äch tig w erden oder das H a a r rau fen, d ie H än d e rin gen, die K le id e r zerreißen und so sehr w einen und jam m ern ,4 d aß der K ö n ig sie noch trösten m uß - doch auch dies u nter S eu fzern .5*U n d w er d an n tatsä ch lich - w ie D a riu s in W. A le x . oder w ie Jonas in G. Ww. - trag isch von d er H öh e g estü rzt ist, g esteh t m it den K la g e ­ g eb ärd en die volle Selbsterken n tn is seiner totalen V e rn ic h tu n g ein.« In religiöser S in n ­ g e b u n g ken n t auch die H eilig en leg en d e dieses K la g e g e b ä rd e n m o tiv ; das S ch ic k sa l ist da d ie M a ch t G ottes oder d er H eilig en . D ie nich t u n sym p ath isch e H eiden fü rstin der m ittelen glisch en M a ria -M a g d a le n a -L e g e n d e erw a ch t aus ihrem om inösen T ra u m , in dem ihr ihre U n terw o rfen h eit unter d ie H eilig e bed eu tet w urde, m it k la g en d en S eu fzern .7 N ich t allein 1 räum e und P ro p h ezeiu n gen , auch andere ü b ern atü rlich e E in g riffe w ie w u n derbare E rrettu n gen und H eilu n g en , so freu d enreich sie sein m ögen , lösen K la g e g e b ä r ­ den aus. Sch on bei S a x o G ra m m a ticu s netzten dem U ffa bei d er k a u m erhofften R e ttu n g des Soh nes F reud eträn en die W a n g en , „ d ie der S ch m erz n ich t hatte befeu ch ten kö n n en “ .8* A b e r w äh rend da d ie R ettu n g m eh r k ra ft der p ersönlichen L e istu n g des G eretteten zu ­ stande kam , spielt nun in den R o m an zen das W alten des Ü b ersin n lich en eine en tsch eid end e R o lle ; und d a r a u f reag iert m an w iederum m it tränenreichem G eb aren — so etw a n ach der W ied e rerw e ck u n g d er beiden getöteten K in d e r des Amys.® A u c h d aß n ich t n u r der Sch m erz beim A b sch ied , sondern auch die F re u d e ü ber u n erw artete W ied e rb e geg n u n gen sich h äu fig m T rän en und O h n m äch ten ä u ß e rt,10Iist vielleich t n ich t p sych o lo g isch allein zu erklären , sondern könn te zu g leich im tieferen B etroffensein vom W alten d er V o rse h u n g seinen künstlerischen A u ss a g e w e rt h aben. E s ist bezeichnend, d aß - w ie m an oft b em erkt hat g ege n ü b er dei F ü lle von K la g e g e b ä rd e n in der m ittelalterlich en D ich tu n g F reu d eg eb ä rd en sehr sp ärlich V orkom m en.11 K ö rp e rlich er A u sd ru c k h em m un gsloser F reu d en gefü h le er­ scheint den E n glän d ern m oralisch ve rd ä ch tig , w äh rend das L a ch e n und g ele g en tlich e L u ftsp rü n g e der K rie g e r, von denen w ir bei L a ja m o n und im alliterieren den M orte A r th u r e höten, nicht einer H erzensfreude, sondern dem K a m p fra u sc h en tsp rin gen und E m p h asen der heroischen Pose sind. D a ß es aber eine em inent ch ristlich e H a ltu n g ist, in der das „ K la g e g e b a r e n “ bei d er B e ­ g e g n u n g m it dem Ü bersinn lichen - eben m it der M a ch t G o ttes - gesch ieh t, das zeig t sich d a iin , d a ß m an d am it sehr o ft das G eb et und ku ltisch e H a n d lu n g en b eg leitet.12 S e lb st der höfische G aw ain in G G K ruft „se u fz e n d “ zu m H im m el.13 1 V g l. - V g l. 3 V g l. I V g l. 3 V g l.

O rfeo 78 ff. K . A l is . 6861. K . A lis. 6896 ff. K . A l i s . 6865 ff. K . A l i s . 68 7of.

e ’V g l. IV. A le x . 3074 ff; G . Ww. (A ) Str. 4 6 .1 t ; ebd. Str. 142 ff. ? V g l. H o rstm an n , S. 148 ff., 263. 8 V g l. S a x o G ram m a ticu s (ed. H o ld er), S. 116.

“ V g l. A . A . 2422. A u c h in d er m ittellatein isch en u nd m hd. D ich tu n g g ib t es Ä h n lic h e s ; v g l. R u o d lieb (ed. L a n g o sch , in L a tein isch e E p ik des M ittela lters, D arm stad t 1957), I X , 8; X I I I , 61 \ K u d r u n , Str. 62. 10 V g l. G. Ww. 1750 ff.; A . A . 2125 ff. u. ö. II V g l. D e llin g , S. 86; B raed er, S . 26; s. auch S ch erer, S. 3. 12 V g l. Z a p p ert, S. 81 ff.

13 V gl. G G K 753-

K lagegebärden, H eJdengcfühle und H eldengesinnung

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Die K la g e g e b ä rd e n sind also w esentlich m eh r als W eh leid sb ezeu g u n g en ; sie spiegeln G esin n un gsw erte, die den H elden ehren, der sie vo llfü h rt. Insofern sind sic etw as Positives. So ist es verständ lich, d aß K la g e g e b ä rd e n in den R o m an zen gerad ezu zur R ep räsentation des H eld en gehören - w en n auch hier offen bar die en glisch e D ich tu n g n ich t so w eit geh t wie etw a das altfranzösische R olan dslied , w o die K la g e g e b ä rd e so gar zu r S c h la ch t­ repräsentation gehört (s. o. S. 84); sie h ält d ie G eb ärd e m eh r im R ah m en selbstän diger K lag esitu atio n en . U n a b lä s sig hören w ir in D ich tu n g en w ie dem strophischen M orte A r t h u r von seufzenden, w einenden, u m herirrenden, in O h n m ach t fallen den H eld en ; die K la g e g e b ä rd e n der F ra u en spielen d em geg en ü b er eine gerin gere R o lle.1 D a ß es treffliche R itte r sind, die d a w einen, w ird o ft m it N a ch d ru ck b e k rä ftig t; A rth u rs U n tergeb en e, die L a u n celo t aus den A u g e n verloren haben, „k eh rten um m it schw eren Seufzern , die R itter kü hn und ta p fe r “ .12 D a rin rech tfertig t die D ich tu n g einer trän en freu d ig en Z eit, w ie sie das späte M ittelalter w ar, die K la g e g e fü h lsg e b ä rd e n : sie m ach t sie zum Z eu g n is ritterlich er und religiöser G esin n u n g. D ie französische D ich tu n g liefert d azu ein d rucksvolle V o rb ild er; zum B ild K a iser K a rls im R olan dslied geh ört seine p a triarch alisch e Pose m it gesen ktem H a u p t und tränenden A u g e n im G ed an ken an die L eid en seines V o lk e s ; und zu dem R o ­ lan ds geh ört das W einen im A n g esich te der gefallen en M annen. D a b ei m an ifestieren die K la g e g e b ä rd e n der m ittelalterlichen H elden christliche W erte; das unterscheidet sie von den T rän en , die H om ers und V e r g ils K r ie g e r zieren.3 . In den G ebärden der T o te n k la g e fließen offenbar all diese G esin n u n gsm an ifestatio n en zusam m en. E s sp iegelt sich d ah er in ihnen eine T o d e sa u ffa ssu n g, die, w ie w ir g leich sehen w erden, schon von L a ja m o n ab aufs entschiedenste von der altgerm an isch en abruckt. N u n ' sind allerdin gs in den alten glisch en und frü h m ittelen glisch en D ich tu n g en die T o te n k la g en m it A u sd ru ck sg eb ä rd en zum eist M assen k lag en ; die K la g e g e b ä rd e n haben also eine chorische W irk u n g . D iese E igen tü m lich k eit hat P arallelen m der m ittelh och ­ deutschen heldischen D ich tu n g - w ährend sp äter die höfische D ich tu n g d ie M a sse n k la g c zu gu n sten der E in z e lk la g e zu rü cktreten lä ß t.4 M an hat der Ü b e rz e u g u n g A u sd ru c k g e g e ­ ben, d aß die m hd. M assen k lag e eben wegen ihres chorischen C h a ra k ters als verpflichtend er R itu s anzusehen sei, w eshalb sie sich ihrem Sinne nach von der E in ze lk la g e gru n d sätzlich u nterscheide, bei der es a u f den „G efü h lsa u sb ru ch , die Ä u ß e r u n g der E m zclseele anko m m e.5 Bei L a 3am on jedoch scheinen die D in g e d u rch au s anders zu liegen . D ie w en igen dort ausgefü h rten gestischen T o te n k la g en sind allesam t M assen k lag en , deren G ebärden einen A u sd ru c k sg e h a lt sicher erkennen lassen - aber nun freilich einen A u sd ru c k n ich t haltlosen W eh g efü h ls, sondern jenes spontanen O h n m ach tg efü h ls vor dem W alten des S ch icksals. D ieser in der G esin n u n g verw u rzelte A u sd ru c k sg e h a lt allein kann sich auch m den G eb ärd en d er M assen k lag e m an ifestieren ; die andern d er oben aufgefu hrten Inhalte sind m ehr an die persönliche K la g e gebu nd en. N u r w o die H an d des S ch ick sa ls sp ü rbar eingreift, ko m m t es ü berh au pt zu G eb ärd en - w iew oh l auch diese n u r spärlich gesch ildert w erden und im V erg le ic h m it denen rom anisch er D ich tu n g en b laß w irken. L a ja m o n s au sgep rägtes G espü r fü r S ch ic k sa lstra g ik ist erstaunlich und h at bei W ace keine P arallelen. T r a g ik w altet beim T o d des U th e r P en d ragon ( L a 3. 19 66 0 -198 4 5), cs 1 In L M A zähle ich 24 S tellen , w o R itte r K la g e g e b ä r d e n v o llfü h re n ; v o n w ein en den F rauen hört man n u r vierm al. 2 A g e y n e th ey w ent with sig h y n g sare, T h e k n ig h tis þat were kene a n d bold (L M A 802 f.); v g l. auch A . A . 326 i. 3 V g l. B eszard, Z R P 27 (1903). 4 V g l . L eich er, S. 167; D ü rren m att, S. H 9 6 V g l. D ü rren m att, S. 149 f-

Ule '■^harden d cr H elden und die W andlungen des H eldenideals

begin n t dam it, d aß U th e r selbst seine eigenen M örd er, die sich als elende B ettle r a u s­ geben , aus M itleid in seinen H a u sh a lt aufn im m t. D e r M o rd w ill ihnen indes n ich t gelin gen . In diesem A u g e n b lic k h ören w ir, d aß es regn et; d er R eg en ist das S c h ic k s a l.1 D enn U th ers L e ib a rz t erteilt nun die A n o rd n u n g , den B ru n n en zu ü berdach en , aus dem allein - w ie er in S o rg e um das W oh l des K ö n ig s a u sd rü cklich m itteilt - U th e r sein T rin k w a sscr bezieht E b en diese U b erb eso rg th eit ze ig t den M ö rd ern ihre M ö g lic h k e it; sie eilen zum Brunnen und ve rg iften ihn. D a s G eb aren der Briten nach dem d a ra u fh in erfo lg ten G iftto d U th ers ist ein A u s d r u c k d er O h n m ach t vo r dem S c h ic k s a l; sie lau fen zum B runnen und vern ich ten ihn m it h eftige r K r a fta n s tr e n g u n g : þ a w en d en to þ e re w elle enihtes þ c w eoren snæ lie a n d þ a w elle for-du den m id d erfu lle sw in cch e (L a g . 198 10 ff.).

D ie leid en tbran n te H e ftig k e it m ach t dieses T u n zu r G eb ärd e (bei W a cc ist d a g e g e n der V o r g a n g sach lich -trocken berich tet); das b ezeu g t die stilistische W ied erg a b e, w elch e d ie V erb e n sachlichen In h alts (wenden, for-duden) d urch H in zu fü g u n g der A u s d r u c k s ­ b ew eg u n g q u alifiziert - zu erst im R ela tiv sa tz (þe weoren snælle), d an n in d er n o ch en ger an das V e rb g eketteten p räp osition alen E r g ä n z u n g (m id d erfu lle sw incch e). Z w a r sin efes 11er n ich t K la g e g e b ä rd e n , sondern W u tg eb ärd en , in denen sich das Betroffensein vo m T odessch icksal ä u ß ert; w ich tig ist jedoch , d aß diese S itu atio n offensichtlich zu r G eb ärd e ran gt. Bei äh nlich en sch icksaistragisch en T o d esfä llen kom m en dann bei L a ja m o n schon m an che von den typ isch en K la g e g e b ä rd e n zum V o rsch ein . A ls der g leich fa lls tra g isch v e r­ giftete K ö n ig A u re h u s sterbend vo rgefu n d en w ird, fallen seine R itter sich den T o d w ü n ­ schend zu B o d en ; sie w einen, „ d a g a b es viel E rb leich en und H erzen sku m m er, d a ertön te m anche Jam m errede und G eschrei d er M ä n n e r“ .2 D es V o rtim er G ifttod , von dessen T r a ­ g ik oben schon die R ed e w a r,3 w ird b e k la g t m it W einen , Jam m ern und k la g en d em G e ­ baren. T r a g isc h e S c h ic k sa lsa h n u n g steckt auch in den M a ssen k la g eg eb ä rd en der Briten beim en d g ü ltig e n A b z u g der R öm er, w enn auch da einm al nich t der T o d den A n la ß gib tder B erich t vom G eb aren , vom H eulen und Jam m ern des Volkes® ist u n m ittelb a r verkn ü p ft m it d er 'V o ra u sd eu tu n g der sch lim m en Z u k u n ft; M e lg a und W an is (die F ü h rer der fein d ­ lichen P ik ten und S koten ) „h a b e n eine riesen gro ße A r m e e “ und frohlocken.« Ist: S ch ick sa lsb etro ffen h eit die tiefe U rsach e des G eb aren s d er M assen to ten k la ge, so ist das GrauensbtJd des T odes sein u n m ittelb arer A n la ß . D e r T o d erregt S ch a u d er. D as K la g e g e b a re n fo lg t a u f die in realistischen F a rb e n gem alten Sterbeszen en. D er sterbende U th er z. B . sch w itzt, sein H erz versag t, sein G esich t w ird sch w arz, sein L eib b lä h t sich V g l. La-3- 1 9 7 4 s ; bei G eo ffrey u nd W a c e hören w ir v o m R e g e n nichts. C n ih tes feo llen a -d u n and 3irnden heore dæ ðes þ e r w es m uch el w a n in g heortne g r a n in g fier wes m oni reolic spei þ e r wes gu m e n e ij e l . . . ( L a j. 1779 4 ff.). 3 S ieh e oben S. 56. 1 h e r w es w o p þ e r w es rop / and red lich e iberen (L a *. 15066 f.). B ei W a c e findet sich nichts E n tsp reche, cies, v g l. U n i t 7 1ö i . r 5 V g l. L a 3. 12538 ff.; v g l. W a c c , B r u t 6252. 6 heo hefden ane verde / o f vn im ete fo lk e ( L a j . 1 2 550 f,).

K lagegebärden, H eldengefühle und H eldengesinnung

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a u f ; 1 ähnlich k ra ß sind die anderen Sterbeszen en bei L a ja m o n , die K la g e g e b ä rd e n auslösen, und n och sch au d ererregen d er g a r m anche in den R om an zen des 14. Jahrhunderts. D a s G rau en vor dem B ild des T o d es, bei dem dan n das späte M ittelalter in absch eu lich variierten D a rstellu n g en der V e rw e su n g und Z ersetzu n g verw eilt123 4- dieses G ra u en en t­ sp rin g t einer T o d e sa u ffa ssu n g , die das memento m ori ein h äm m ert; sie ist m ittelalterlich — n ich t altgerm an isch , w iew oh l m an aus L a ja m o n s V o k a b u la r g elegen tlich germ anische T o d e sg ed a n k en herausspüren m öch te.8 D ie G erm an en kann ten einen solchen physischen S ch au d er vo r dem L eben sen d e nicht, und w enn sie w ohl im "1 od die „ K r ä n k u n g des L cbens“ sahen, so doch eine K rä n k u n g , die es w ied er gu tzu m a ch en g a lt,* und das hieß letztlich auch, d aß die T ra u e r ü berw u n d en w erden m ußte. Im B r u t beku n d et die M assen ­ k la g e g e stik - trotz ihrer S p ä rlich k e it - ein grau envolles A u sgeliefertsein an den T o d und an das S c h ic k sa l. D ie G eb ärd en der E in ze lk la g e , die in den sp äteren D ich tu n g en vorh errsch t, unterschei­ den sich insofern von denen der M assen k lag e, als in ihnen d ie p ersönliche G esin n un g des K la g e n d e n stä rk er zur G e ltu n g kom m t. D a s lehrte ja auch schon die B eo w u lfd ich tu n g . D a s M om en t der B ew ä h ru n g im K o n flik t zw ischen G efü hl und E th os fixierte sich in der G eb ärd e, w ie im B e ttg a n g des A l t e n ; oder die K la g e h a ltu n g w a r objektive, ku ltisch e F orm . In den m ittelen glisch en E in zelk la g en jedoch, die auch in D ich tu n g en h eldisch en C h a ra k ­ ters zu a u fgesch w ellten K lag eszen en w erd en und in denen - w ohl einer noch k la g e fre u d i­ geren Z eitstim m u n g g em äß — die K la g e g e b ä rd e n m itu n ter la b e lh a ft ü b ersteigert sin d , in diesen n iittelen glischen K in zelklagen stellt sich das P roblem d er h eldisch en B ew ä h ru n g anders. Sch on die affektisch anm uten den K la g e g e b ä rd e n selbst bergen ja potentiell den A u sd ru c k tu g en d h a fter G esin n u n gsw erte (U m keh rb ereitsch aft, M itleid, Sch icksälsan erken n u n g). W erden diese G esinn un gsw erte im K la g e v o r g a n g zu m T ra g e n g eb ra ch t, dann ist dies eine B ew ä h ru n g des klag en d en H eld en und letztlich eine M an ifesta tio n seiner H eld en gesin n u n g. D ie D arstellu n gen der E in zelk la g en in den R o m an zen gehen d an n zw ei verschiedene W e g e ; sie verfo lgen das S ich -H in d u rch rin gcn des H elden von m ehr affektisclien zu ku ltisch en G ebärden, vom S ch m erz zur G csin n u n gs- und S tärkem an ifestatio n trotz des S chm erzes - oder aber sie zeigen die H eld en rep räsen tation im K la g e a u ftritt selbst. In beiden F ä llen u n terw irft sich letztlich die K la g e g e b ä rd e d er heroischen Pose. E in d ritter W e g ist d em gegen ü b er V erfa llsersch ein u n g der S p ä tzeit, w ird ab er in den K la g ed a rstellu n g e n der allerm eisten zw eitra n g igen R o m an zen b eg a n g en : die vö llig e V e r ­ a b so lu tieru n g der K la g e g e stik in der Z u stan d sklage. D ie erste dieser D arstellu n gsform en der E in zelk la g e, die G esta ltu n g des Ü b erw in d u n g s­ vo rg a n g s, w ie sie im allit. M orte A rth u re b egegn et, ist die dich terisch höch ststeh en de, sie hat epische Q u alität. D as M o tiv der heroischen A ffe k tü b e rw in d u n g im genannten W erk w u rd e schon in anderem Z u sam m en h a n g d eu tlich . Es bestim m t auch die G estik der selb ­ stän d igen K lag eszen en , deren eind rucksvollste A rth u rs K la g e um G a w a in ist. D er K ö n ig starrt b ekü m m ert drein, stöhnt, w eint, kn iet am L eich n a m nied ei, sch lä g t d as V isie r hoch, um ihn zu küssen, stößt eine K la g e re d e a u s; d a ra u f fä llt er in O h n m ach t, tau m elt w ieder em por, k ü ß t den T o ten , daß ihm der B a rt b lu tig w ird : T h a n g liftis þe g u d k y n g e and g lo p y n s in horte, G ron ys fu ll g rise ly with g retan d e teris;

1 V g l. 2 V g l. 3 V g l. 4 V g l.

L a 3. 19797 ff. H u iz in g a , S . 145 ff. G illesp y, S. 500 f .; S ch irm er, S. 66 f. G rön b ech I, S . 255; S . 261.

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Oie G ebärden der H elden und die W andlungen des H eldenideals K n elis d o w n to þc ror? and k a u g h t it in arm es, K a sty s vp e his vm brere a n d kyssis liym sone, L a k e s one his eye-liddis, }ia.t lo w k k id e w are faire, H is lippis like in ]>r lode, and Ins lire falo w ed e. p a n the coro w n d e k y n g cryes full lo w d e . . . ( M A . 3949 ff.) T h a n sw eltes th e sw ete k y n g a n d in sw ou n fallis, S w afre s v p sw iftely a n d sw etly h ym kysses, I ill his b u rlich e berd e w a s b lo d y beronnen, A lls he h a d bestes b irtened e a n d b ro g h tc ow t o f life ( M A . 3969 ff.).

D a s T o d eserleb n is, von dem dieses K la g e g e b a re n au sgeh t, h a t sch ick sa lh a fte T ra g w e ite . In p rä ch tig er R ü stu n g liegt G a w a in am B oden, d ie B a n n er sind g efa llen (3943 ff.) — die a u fgeh o b en e K a m p fesrep räsen tation ist som it äußeres A n z e ich e n der vö llig en V e rn ic h tu n g . D a zu k o m m t das S ch au d erb ild des lo d e s , dessen A n b lic k A rth u rs S ch m erz erneu ert: G a w a in h a t verschlossene A u g e n , bleierne L ip p en , ein fahles G esicht. D e r A n s a tz p u n k t zum K la g e g e b a re n ist also der g leich e w ie in den M a ssen k la g en bei L a 5am on. N eu ist, d aß dieses leid en sch aftlich e G eb aren n u r die erste P h ase des V o r g a n g s einer K la g e e n tw ic k lu n g ausm ach t. A u c h diese erste P h ase des G eb aren s selbst ist ja schon fo rtsch reiten de H a n d ­ lu n g, w elchen E in d ru c k nich t nu r die w eiterfü h ren d e syn ta k tisch e V e r k n ü p fu n g d urch die K o n ju n k tio n en (than, tili) erw eckt, sondern auch die R ea listik der B e w eg u n g en ( A u f­ klap p en des V isiers, B lu tig w erd e n des B artes), sowie die B esch rä n k u n g in der d irekten G cb ärd en sch ild eru n g (daß A r th u r auch d ie Plände rin gt, erfäh rt m an erst aus E w a y n s n a ch fo lgen d er Prostrede [3 9 7 7 ])> w o d u rch die S ta tik der a k ku m u lieren d en G e b ä rd e n ­ b esch reibu n g, w ie sie in den R o m an zen sonst ü blich ist, gelöst w ird. D iese erste P h ase en det m it dem tröstlich en Z u sp ru ch des G etreu en — ein g ä n g ig e s M o tiv —, d er die heroische P ose w ied erh ergestellt w issen w ill („n im m ritterlich e H a ltu n g ein, w ie es dem K ö n ig g e ­ ziem t! V A b e r n u r die Phase der W e h k la g e und ihrer G eb ärd en ist d am it beendet. D as K la g e n selbst h ä lt an, w eist fort ins Z u k ü n ftig e m it A rth u rs G elü b d e, er w olle bis zum L e ­ bensende gesen kten H au p tes trauern (3981 f .; 4007). N u r findet die K la g e g e s tik nun, a u f d er zw eiten Stu fe, die k u ltisch e F o rm ; sie w ird ein gesp an n t in die G eb ärd e des G eb ets (A rth u r kn iet m it k lag en d er H a ltu n g n ied er; 3887 f.) und in d as R itu ell d er T o te n eh ru n g (A rth u r kniet, b a h rt G a w a in a u f; 3993 f.). A u f der d ritten S tu fe aber, die A rth u rs B efeh le einleitcn, g ib t es n u r noch das reine Z erem o n iell: den L eich en zu g , die Seelenm esse, die E in b alsa m ieru n g, die B e sta ttu n g (4009 ff.). W äh ren d also in A rth u rs W eh k la g eg eb ä rd en seine B etroffen h eit vom S c h ick sa l g eä u ß e rt w ird, die dem H eld en ansteht (G a w a in s T od ist d er A n fa n g des im T r a u m schon vo rau sgesag ten F alles in die T iefe), ist die E n tw ic k lu n g der K la g e eine S tu fen fo lg e des p ersönlichen Ü b erw in d u n g svo rg a n g s, dessen V o lle n d u n g die Z u rü c k g e w in n u n g der heroischen Pose ist; m it dieser begin n t der u n m ittelb a r fo lgen d e A b sch n itt: A r th u r besch ließt “ w ith krew ell co n ten an ce” den R a ch e k rie g (4033).12 Dieses innere E rlebn is des S ich -L o srin g en s vo m K la g c a ffe k t verm ögen d ie m eisten der son stigen R o m an zen n ich t zu gestalten ; H eld en rep räsen tation beim K la g e g e b a re n ka n n d a zu r T h e a tra lik w erden, w ozu der K la g e n d e die m itk la gen d e U m g e b u n g brau ch t, von der er sich abh eben kann. A le x a n d e rs K la g e p o se besteht darin, d aß er sich n ich t nu r m äß i­ g er geb ä rd et als sein in W eh leid zerfließendes G efolg e, sondern diesem auch n och T ro st spenden k a n n .3 Sterben de F ü rsten selbst b ezeu gen ihre T o d e sg efa ß th eit, ind em sie bei 1 Be k n y g h tly o f con ten au n ce, als a k y n g sch olde ( M A . 3979). 2 A n a lo g ist die E n tw ic k lu n g in A rth u rs zw e ite r K la g e ( M A . 4262 ff.) 3 V g l. oben S. 98.

K lagegebärden, H eldengefühle und H eldengesinnung

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a ller B ekü m m ern is und b u ß fe rtig e r S elb stern ied rigu n g ihre k lag en d e U m g e b u n g ebenso sou verän beh errschen w ie eine erregte R atsversam m lu n g. G leich t doch die Sterbeszen e K ö n ig A th elw o ld s in H avelok g a n z einer solch en ; der Sterben de erläßt ein A u fg e b o t zum R a t, dem d ie E dlen in prach tvoller A u fm a c h u n g F o lg e leisten, um jedoch in der H alle selbst b eim A n b lic k des L eid en d en sich in T rau ern und in K la g e g e b ä rd e n zu ergehen (Hav. 164 ff.). D es K ö n ig s R ea k tio n ist die g leich e M an ifestatio n der Ü b erleg en h eit w ie beim E m p fa n g oder beim R a t: er greift ordnend in den tu m u ltartig en A u sb ru ch ein, er g eb ietet R u h e, in d em er a u f die N ic h tig k e it der G efü hlsergü sse hinw eist (165 f-)> w ährend seine eigen en G eb ärd en (stron glike [he] q u a k ed ; 135) einerseits seine S o rge um das S ta atsw o h l — also positives M itleid —, andererseits seine B u ß e und R eue (214 fl.) m a n i­ festieren. M a n ve rg le ich e d azu die Sterbeszen e K ö n ig P h ilip p s in W . A lex., wo dem D a h in ­ scheidenden trotz seiner K la g e s tim m u n g der T o d e sg ed a n k e w eit w en iger w ich tig erscheint als die G en u g tu u n g , vo n seiner trefflichen M an n en sch a r u m geben zu sein .1 D a ß solches M eistern der K la g e situ a tio n zu r u n en tbeh rlich en rep räsentativen W ü rd e des H elden und Fürsten gehört, gen au so w ie das M eistern d er E m p fa n g ssitu a tio n , veran sch au lich t der g eg e n teilig e F a ll; w enn in R ich . L ow . das d eutsche K a ise rp a a r a u f den 1 od seines Sohnes hin sich ü berstark und haltlos gebärd et, w en n sich n a ch besinnlichen E rm a h n u n gen die K la g e a u sb rü ch e in n och grö ß erer S tä rk e fortsetzen und w enn en dlich das H o fg e fo lg e im G eg en sa tz d azu stu m m -verhalten dasteht, so gereich t solches B e tra g e n dem d eutschen K a iser, dem W idersach er des R om an zen h elden , zu S ch an d e und S c h m a ch .12 A u f künstlerisch tieferer S tu fe reicht es au ch zu dieser T h ea tra lisieru n g n ich t m ehr aus. D ie K la g e wird verabsolu tiert, w ird aus dem H a n d lu n g sg a n g v ö llig h erau sgerissen und ist selbst zu ständ lich-statisch. D ie B eispiele aus den R o m an zen ließen sich h ä u fe n ,,w o die B ekü m m erten als im K la g e zu sta n d befindlich d argestellt w erden und dann beim N euan setzen d er H a n d lu n g offen bar p lötzlich und u nverm ittelt den K u m m er von sich, gestreift haben. D ies en tspricht — w ie w eiter unten noch zu zeig'en. ist — d er reihenden E izä h lw eise in ihrer elem entarsten F orm . W eil die G eb ärd en n ich t zeitlich aufeinand er fo lgen , sondern alle zu einem zeitlich u nbestim m ten, vo rga n g slo sen B ild vom K la g e n d e n gehören, sind sie oft in g ro tesk und u n logisch anm uten der F o lg e a u fein an d ergetü rm t. N ich ts Seltenes sind S ch ild eru n gen w ie diese von der klagen den F elice: „ S ie fiel in O h n m ach t nieder und zer­ zau ste sich die K le id e r und das P la a r.“ 3 A n eine W ied erg a b e des K la g e a b la u fs ist da gai nicht g ed a ch t, denn dan n w äre diese R eih en fo lg e d er G eb ärd en a b su rd ; O h n m ach t g e ­ hört eben genau so w ie K leid erzerreiß en und H aa rera u fen und all die anderen stereotypen G eb ärd en zu r zuständ lichen, d ekorativen V o rste llu n g vom K lag en d en . A u c h das M it­ geb aren d er U m g e b u n g ist hier n u r noch d ekorative A u sw e itu n g der K la g e ohne rep rä ­ sentierende F u n k tio n ; nicht g en u g dam it, d a ß F elice selbst um ihren G atten k la g t - „m an ch and erer t a t’s ebenso; alle, die bei ähr w aren, vo llfü h rten K la g e n und ku m m ervoll G e b a ­ ren “ .4 D ie G eb ärd en der M itk lag en d en verallgem ein ern die ohnehin zuständlich e K la g e noch w eiter, bis zu ih rer v ö llig en A b stra h ie ru n g von der Person des K la g e n d e n selbst, w ie w enn H erh au d s A b sch ie d sk la g e bei G u ys W e g g a n g d arin besteht, d a ß „m a n ch einer M utter

1 V g l. W .A l e x . 966 ff. 2 V g l. R ic h . L o w . 802 ff. 3

A n d dow ne she fell in sowm ynge. H e r cloth es she rent and her here (G . W w. [C] 7465 f ) ; v g l. anch 10951 if.

4

So d y d m an y an other m an. A ll th at w ith her com m yn were M a d m o rn y n g a n d sorry chere (G. W w . [C ] 10954 ff.)-

1° 4

I>ic Gcbiirden der H elden und die W andlungen des H d d en id eals

K in d weint, jam m ert, die H än d e r in g t.1 D ie zu stän d lich e K la g e g e s tik h a t m it d er bilden­ den K u n st, die ja d ie n äm lich en typischen K la g e g e b ä rd e n ken n t, en ge B erü h ru n gsp u n k te, w eil sie sta tisch -u n b ew e gt ist w ie die der m ittelalterlich en B u ch m alereien auch . In diese form ale N ä h e zu r bilden d en K u n s t tritt die D ich tu n g eben da, w o sie sich ihrer eig en g ese tz­ lichen M ö g lich k e ite n en tsch läg t - z. B. der,einen H a n d lu n g s a b la u f zu sch ildern . So ü b er­ nehm en diese Z u sta n d sk la g c n g elegen tlich G eb ärd en , die sonst n u r im fixierten B ilde sinnreich sind — w ie e tw a die H a n d g e b ä rd e des A le x a n d e r bei d er K la g e u m D ariu s in der R eim ro m a n ze: d er K ö n ig h ält dem Sterben den „sein e beiden H ä n d e “ hin, „so schön als er nur k o n n te“ .12 N a ch solchen statisch en H an d g eb ä rd en , die fü r die B u ch m alerei das D a r ­ stellu n gsm ittel p a r excellence sind, su ch t m an in d en kü n stlerisch höherstehenden m ittelen glisch en R o m an zen , die die d ich terischen M ö g lich k e ite n verw erten, verg eb lich . M it dem form alen N ie d e rg a n g d er dich terischen K la g e g e s tik g eh t d er g e h a ltlich e Z e r ­ fall einher. E inesteils versan d en die G esin n u n gsw ertc, m it denen, w ie w eiter oben a u s­ g efü h rt, die V o rste llu n g d er K la g e g e b ä rd e n der H eld en ve rk n ü p ft ist, und verlieren ihre heroischen Q u alitäten . D ie R eu e w ird zur n ich ten den w ollen den, läh m en den D e m o n stra ­ tion ; desgleich en das M itleid , das seinen positiven, tatbereiten W ert verliert. A u c h das M itk la g e n der U m g e b u n g , das die R o m an zen - und L eg e n d en d ich tu n g en so ü berau s breit ausw alzen , ist ja M itle id sb e ze u g u n g ; aber eben ein zerfließendes M itleid , aus dem keine T a ten m ehr h ervo rgeh en . Selbst ih rer T r a g ik w erden die K la g e g e b ä rd e n entleert, indem der L eser schon von ihrer G ru n d lo sig k eit erfährt, bevor sie ihm in aller S tä rk e vo rg efü h rt w erden. D e r w a ck ere H erh a u d in G. Wut. ist ein B eispiel fü r sehr viele, w enn er, als er seinen G efo lg sh errn im V erd erb en w ähnt, in allerleid en sch aftlich ste K la g e g e b ä rd e n a u s­ bricht — in O hn m äch ten , H än d erin gen , H aa rera u fen , Jam m ern, In -d en -S ta u b -F a llcn - , w'obei er all das g a n z zu U n rech t tut, w ie d er L eser w eiß , der schon von G u ys bevorsteh en ­ der g la n zvo ller R ü ck k e h r unterrich tet ist. In die g leich e L in ie sch lä g t es andererseits auch, d aß m an bei den vo lkstü m lich en H eld en die G eb ärd en des T r a g ik g e fü h ls v e rsch w eig t; B eves ist zw ar beim E rw a ch en aus einem u n h eilverkü n d en d en T ra u m „ b e s tü r z t“ (ofd rad ); aber w as m an sieht, ist bloß sein tolldreistes Z u -P ferd e-S p rin g en und D r a u flo s ­ reiten.3 D a interessiert die Z u rsch a u stellu n g des H au d egen tu m s m eh r als der „ tr a g is c h e “ T ie fg a n g . D iese form ale w ie g eh altlich e V e rw ä sse ru n g der K la g e g e b ä rd e n der H eld en vo llzieh t sich in der T a t h au p tsäch lich in jen er A r t von D ich tu n g en , in denen d ie heroische Pose aufs allerlebh afteste gesteigert ist und die der T y p des d rein seh lagefreu d igen H eld en beherrscht. In dem M a ß e w ie d ieser H cld en ty p der V o lk sd ich tu n g en seine robuste, d ra u fg ä n g erisch e A u ß en seite h ervo rk eh rt, geh en ihm die G esin n un gsw erte verloren, w elch e seine K la g e ­ g eb ärd en verkörp ern könn ten . E rst höfisches G e d a n k en g u t ve rm a g, w ie w ir g leich sehen w erden, die K la g e g e stik m it neuem Sin n zu erfüllen. 1

M an i a m o d er child þ a t day W ep e a n d g a n say ‘w a ile w a y ’ ; W ei sore w rin g an d her bond (G. W w. [A ] 43, 10 ff.).

3 T o h ym he io y n eþ his hon den tw eie,/ A ls o wcl as he m ayo {K . A Us. 4 6 1 1 f.). 3 V g l. £ e v . Harnt. 1705 f.; siehe a u ch A . A . 1021 u nd 1031.

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D er höfische Lebensstil und die Liebe

»3-

DER HÖFISCHE

LE B E N SST IL

UND

DIE

LIEBE

D a s Id ea l der A ffek tü b erw in d u n g , wie es uns v o r allem im albt. M orte Arthure, b eg eg n et ist, heischt eine innere K ra fta n s tre n g u n g ; die G eb ärd en , in denen sich der A k t der Ü b e r ­ w in d u n g m itteilt, haben d aher heroisches G ep rä ge. T ritt m an jedoch in die höfische W elt des G aw ain d ich ters, so b eg eg n et zw ar auch h ier das T h e m a der A ffek tu b erw in d u n g - aber jeg lich er titanische H eroism us scheint verflogen. D enn nich t die heroische Pose ist hier das E n d ziel der Ü b erw in d u n g , sondern das S ich -F ü g e n in den verfeinerten L eb en sstil; n ich t k ä m p ferisch er H eroism us ist die treibende K ra ft, sondern d ie corteisie. D ie G efü h le und A ffe k te w erden in die verpflichten den A u sd ru ck sfo rm e n der höfischen S itte eingegossen, sie d ü rfen sich nur in diesen äußern und m üssen w eichen, w o sie ihnen w id ersp rech en , l u n sie es nicht, gelten sie als B ru ch der Sitte und sind d er gesellsch aftlich en V eru rteilu n g - oder d er L ä ch e rlich k eit - p reisgegeben . D em p erfekten R itte r m u ß d ie schone L eb en s­ form , der „ g u te T o n “ , sozusagen in F leisch u n d B lu t ü b erg e g a n g en sein. D a s stilgerech te g esellsch aftlich e B enehm en ist es, w as dein R itte r seinen guten R u f ein trag t m einer G e ­ sellsch aft in der die F ra u die d om inierende R olle sp ielt - u n d zw ar che g eb ild ete F rau . D ie c o n t e n a u n c e , die ckere des R itters ist nun dieses S ich -b en eh m en -K ö n n e n ; er w ah rt die corteisie trotz seiner im V e r g le ic h zu d enen der germ anisch en H eld en ungem ein sen­ sibleren R eg u n g en - w ie G aw ain , der beim A u s z u g ins u ngew isse A b en teu er zw ar za g en d er S tim m u n g (with m o u rn y n g ; 5 4 3 ) sich verabsch iedet, a b er: “ þe k n y jt m ad ay god chore . U n d K ö n ig A r th u r selbst läß t nach dem A b g a n g des geköp ften G rü n en R itters seine h eftm e innere E rre g u n g nach außen n ich t sehen (he let no sem b lau n t be sene), sondern w endet sich d er K ö n ig in „ m it h ö flich er R e d e “ zu .3 Es ist sicher keine Ironie w iew oh l es heute so anm uten m öchte, wenn der D ich ter von d er angesich ts der E rsch ein u n g des G rü n en R itters erstarrenden H o fg esellsch aft bem erkt, d aß diese R eaktion kein esw egs aus F u rch t, sondern, bei ein igen zum indest, “ for co rta y sy e“ e r fo lg t* V o n den R ittern und D am en beim H o ffeste heißt es, daß sie zw ar um G aw ain s k ü n ftig es S c h ick sa l aufs tiefste bekü m m ert w aren, aber ihm n ichtsdestow eniger äu ß erlich nur F rö h lich k eit zeig ten ; g a r freu d los m achten sie Sch erze um des Edlen w ille n “ .®E ine „h ero isch e“ A ffe k tü b e rw in d u n g ist solches nicht m ehr. E s spiegelt auch nich t einen K o n flik t der G efü h le, w ie ihn det höfi­ sche C hrétien aufspü rt - bei einem E m p fa n g Y v a in s z. B ., bei dem diesen die em pfangen den H o fleu te einerseits m it den F orm en fre u d ig -w ü rd ig er B e g rü ß u n g ehren, o b gleich sie andererseits in E rw a rtu n g herau fzieh en d en U n h eils zu tiefst b ekü m m ert sin d; das D ilem m a zw ischen G efü hlen und höfischen G eb ärd en m uß da tatsäch lich d u rch geko stet werden. M a n ehrt den ankom m en den R itter m it den höfischen E m p fa n g sg eb a rd en , aber gleich zei­ tig h ä lt d as K la g e n und das K la g e g e b a re n im W id erstreit d azu an - „so horten lan ge sie n ich t a u f m it F reu d eg eb aren und K u m m erw e in en “ bis endlich die höfische Sitte o, sieg t: „ S ie beku n d en ihrem G ast zu E h ren F reu d e, o b gleich es ihnen nicht d an ach zu-

1 V g l. W echssler, S. 73 ff2 V g l. G G K 562. 3 V g l. G G K 467 ff. (w yth cortays speche). 4 V g l . G G K 247. 3 A l fo r lu f o f þ a t le d e in lo n g y n g e p a y w ere, B o t neuer p e lece n c þ e la te r p a y neucned b o t m e r p e : M o n y io y le 3 for p a t ie n ty le ia p e 3 p er m aden. { G G K 540 ff.). M ünchen A k . A b h . ph il.-h ist. 1959 (H ab ich t)

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Die G ebärden d er H elden und die W an d lu n g en des H eldcnideals

m u te w ar. 1 V o n einer solchen höfischen G efü h lsd ram a tik bekom m en w ir beim en glisch en G a w a m d ich ter n ich ts zu hören. D o rt sind die G eb ärd en offen bar fertige F orm des a n erzo ­ g en en guten T o n s, und m an ord net ih nen das T rie b h a fte und die A ffe k te w id ersp ru ch slos , G e g enstand d er ritterlich en E rzie h u n g w a r jenes S ich -b eh errsch en -K ö n n en im R ah m en d er schonen L eb en sfo rm schon von den Zeiten d er T ro u b a d o u rs an in F ran kreich und dann a u ch in D e u tsc h la n d ; die g an ze L ite r a tu r g a ttu n g d er U n terw eisu n gen in der cortexta le g t d avon ein beredtes Z eu g n is a b .12 A b e r fü r die D eutsch en der S ta u ferzeit ist die A u sein a n d e rsetzu n g d er höfischen F o rm m it dem A ffe k t eth isch vertieft, die E rfü llu n g der orm ersch ein t d u rch au s als sittlich e A n s tre n g u n g , w elch er das T u g e n d p rin zip d er mäse o b w altet. N ich t n u r d aß d em g eg en ü b e r in den m ittelen glisch en D ich tu n g en d as alles L eben und D en k en ergreifen d e W irk en des m ittelh och d eu tsch en B eg riffes der maze keine P ara llele h at d ort sp ielt au ß erh a lb der D ich tu n g C h a u cers in d er T a t d er B e g r iff ‘m esu re’ eine w e n ig g ew ich tig e R olle, und d ie D ich ter scheinen W ort w ie In h a lt als bloße K o n v e n ­ tion aus den fran zö sisch en Q uellen zu übernehm en auch dem tiefgreifen d en sym b o lisch ­ m agisch en W ert der I 'o rm en ku ltu r der staufisch en D ic h tu n g 3 steht in E n g la n d nichts E b en b ü rtig es g egen ü b er. E ben so wie der d eutsche T ie fg a n g d er höfischen F orm en k u ltu r aber fehlt d er en glisch en D ic h tu n g fern er ihre fran zö sisch e B reite und eleg an te A u sfü h r­ lich keit. B ei C h rétien g e h t die D a rste llu n g d er höfischen G eb ärd en oft in klein ste D etails, und jedes D e ta il ist als höfische F orm em inent w ich tig . Bei den E n glän d e rn scheinen aus der höfischen G eb ärd en w elt nur stilisierte H a u p tg e b ä rd en ü b rig g eb lie b en zu sein, w ie am Beispiel der L ie b e gleich noch n äh er au szu fü h ren ist. A b e r o b gleich nur ein A b g la n z jen er französisch en F o rm en k u ltu r in ihrer fluoreszierenden H elle, leu ch ten d och beim G aw ain d ichter die höfischen G eb ärd en o ffen bar in n ation aler E ig e n a rt noch einm al seltsa m auf. W elch eine g eg e n ü b er d er alten en glisch en T ra d itio n v ö llig neue W ertu n g d er G eb ärd en sich hierbei an bah n t, m öge an den F orm en der L ie b e g e ze ig t w erden. W aren hei L a 3am on alle L ie b esg eb ä rd en S ym p to m e m oralisch veru rteilter E ro tik , so sind sie je tzt - in einer YVelt, d a die M in n e T u g e n d ist - B esta n d teil d er corteisie. W ie stark und in w elchen S c h a t­ tierungen m E n g la n d d er G eist der höfischen M in n e lebte, m uß d ah in g estellt bleiben und brauch t h ier n ich t u n tersu ch t zu w erden. D en n die corteisie bestim m t die äu ß eren F orm en aller L ie b e, die die R o m an zen verh errlich en . D ie corteisie existiert als V e rp flich tu n g u n a b ­ h ä n g ig von d er A r t d er L ie b e sa u ffa s su n g ; höfische U m g a n g sfo rm e n der L ie b e sind n ich t m it dem g eistig-eth isch en Id eal d er „h öfisch en L ie b e “ , der hohen M in n e, zu verw echseln.* Z w a r kan n d ie „h ö fisch e L ie b e “ d er T ro u b a d o u rs und des R osenrom ans n ich t ohne die F orm en d er corteisie bestehen, w oh l ab er verp flich ten diese F orm en auch dort, w o jenes I ro u b ad ou rid eal n ich t bis zu r letzten K o n seq u en z a u sgeb ild et ist. U m höfische L ie b esth em a tik g e h t es ja in G G K ü b erh au p t n ich t; aber G a w a in b efleiß ig t sich sehr w o h l der g esellsch a ftlich en L ie b esg eb ä rd en im U m g a n g m it D am en , und die B u rgh errin erteilt - u n g each tet ih rer R o lle als V ersu ch erin - L ek tio n en über d iese G e b ä r­ den, w ie es der ü ber den gesellsch aftlich en T o n richtenden R o lle d er F ra u en tsp rich t. W as 1 V g l. C h rétien de T ro y e s , Y v a in 3822 f . : E in si m o u t lo n g u e m a n t n e iinent De jo ie feire et de plorer: j o ie p o r lor oste enorer F o n t san z ce que ta la n t n ’an aient. 2 V g l. W echssler, S . 32 ff.

3 V g l. H . N a u m an n /G . M ü lle r: H öfisch e K u ltu r , S. 34. D a r a u f m a ch te a u fm erk sa m A . J. D en o m y, S p ecu lu m X X V I I I (1953), 44 ff.

D er höfische Lebensstil und die Liebe

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fü r eine ration ale E rw ä g u n g der E tik ettep flich t aber stellt G a w a in im A n g e sich te der Schön en an (fü r deren R eize er g ew iß n ich t u n em p fän glich ist), w enn er sich die gesell­ sch aftlich en G efah ren vor A u g e n fü hrt, die ih m aus dem V e rs a g e n in der E tikette erw a ch ­ sen könn ten ! E r könnte sich einerseits an O rt und S telle „ih rer L ie b e b em ä ch tig en “ - also dem sin nlichen T rieb e verfallen —, oder andererseits ihr W erben „u n g ezien ilich verw ei­ g e rn “ , d. h. es an der L ie b e und ihren F orm en ü b erh au p t fehlen lassen1. B eid es sch w ebt ihm als G e fa h r vor, der g ege n ü b er er sich bem üh t, seine corteisie aufzu bieten , „ d a m it er n ich t unhöfisch w erd e “ .12 Ein G efü h lsk o n flik t ist d as nich t. A b e r b e w e g t G aw ain an gesich ts d er E tik ettep flich t d a nicht ein G eist der “ self-co n trol” , w ie m an ihn bei den P uritan ern w ied erfin d et ?3 W a s zu jener E tik ette gehört, deutet die n ä m lich e B u rg d a m e an, wenn sie d en G a w a in w e gen seiner an fä n g lich en äußeren K ä lte ta d e lt: er, ein so renom m ierter R itte i, ken n e a n ­ scheinend nicht die S itten der G esellsch aft (of co m p ayn ye þe c o s te j; 1483)- D a m it m eint sie z. B . das K ü ssen dort, wo es d ie H u ld g e b ä rd e der D a m e rasch v e rla n g t .4 D el K u ß , die G eb ärd e zur rechten Z eit - und n u r d a n n : das ist die höfische R eg el, d ie gek o n n t w erden m u ß, u n a b h ä n g ig von aller E ro tik . A n d rea s C a p ella n u s v e rg le ich t den p erfekten L ie b ­ h ab er m it einem P riester; beide d ü rfen sich n ich t „ la ie n h a ft“ b en eh m en .5 D a s V erw e rflich e an d er L ie b e ist n u n n ic h t m ehr n u r — w ie bei L a ja m o n — die u n g ezä h m te E ro tik , sondern eben alles G eb aren oder N ich t-G eb a ren , d as die E tik ette verletzt. W er, w ie ein anglon orm an nischer T e x t erk lärt, „n ic h t stillh alten kan n oder zu viel m it den H än d en g e stik u ­ liert, zu m u n ter die A u g e n schw eifen lä ß t . . . oder in seinem sonstigen G eb aren zu w ild ist “ ,6 der ist ein schlechter L ie b h a b e r. E in solches V erh a lten leistet sich nu r der vilain , dessen d eplacierte G eb ärd en die französisch e L ie b esd id a x is g leich falls rü g en d h ervorh ebt 7 und dem im R osen rom an d er G arten der höfischen L ie b e versch lossen bleibt. M it Stu m m und Steifsein ist es jetzt aber auch n ich t m ehr getan (bei L a ja m o n w a r d ies T u g e n d ze u g n is); ein W ild er M an n steht nun schon d esh alb au ß erh a lb d er corteisie, w eil er starr d a ­ steht, und zw ar „still w ie ein T ie r “ .8 A lle in die „rich tige* G eb ärd e g e n ü g t d er L ieb esku n st, w ie sie das M ittelalter versteht. “ A r s a m a n d i” ist d a n ich t w ie bei O v id ein G efilde der U n te rh a ltu n g ; “ ars” ist dem M ittelalter G eg en stan d sch u lm ä ß ig e r L eh re , die sich in R e ­ geln fassen läß t, durch deren S tu d iu m sich ihr J ü n g er zu vervollkom m n en strebt. D ieser G eist der D id a x is wird auch dem O vid sch cn V e rs tra k ta t von seinen m ittelalterlich en B e ­ arbeitern u n terschoben .9 M a n sehe, w elch p räzise V o rsch riften A n d re a s C a p ella n u s bei­ spielsw eise fü r die E tik ette des Sich -N ied ersetzen s bei der B e g e g n u n g m it der G eliebten g ib t. D e r L ie b h a b e r d a r f eine sta n d esm ä ß ig h ö h ergestellte D a m e u m E rla u b n is bitten, einen n ied rig en S itz vor ihr einzunehm en ; nu r d ie D a m e d a r f ihm die G u n st gew äh ren, d aß er sich neben sie setzt .10 In Chretiens D a rstellu n g des rendez-vous zw ischen L a n zelo t und d er K ö n ig in sind gen au diese G eb ärd en die A n g e lp u n k te des S zen engesch eh ens, zusam 1 Oj>er la ch þ e r hir lu f, oþ er lo d ly refuse (G G K 1772). 2 H e care d fo r his cortaysye, lest craþayn. he w ere (G G K 1773 )3 Z u V o rsteh en d em v g l. a u c h d ie v o n an d erer W arte g e g e b e n e n In terpretation en b ei L ipp m an n , S. 64 f .; M a rk m a n , P M L A L X X I I (1957)» 584; E n g e lh a rd t, M L Q X V I ( 1955 ). 222. 4 V g l. G G K 1489 ff. 5 V g l. D e arte a m a n d i I I , i. 0 si . . . il ne sache ten er en v n leu, ou trop m o va u n t de ses m eyns, trop g a y d e ses o ez en re g a rd a n t . . . ou de autres con ten au n cez trop s a u a g e s : cely ne deu ez a m e r (zit. n ach W est, S. 142). 7 V g l. W est, S. 132. 8 V g l. Y w a in a n d G aw ain 2 7 1; 274. 9 V g l. L afitte-H o u ssat, Troubadours et Cours d ’am our (P aris, 1950), S . 35 f. 10 V g l. D e arte am an d i I, 6 D .

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Dle G ebärden d e r H elden und die W andlungen ries H eldenideals

m en m it den L ieb es blicken , d er A u g e n sp ra ch e der V erlieb ten , deren e tik e tte m ä ß ig e r B e ­ d e u tu n g C h rétien g leich falls kü n stlerisch e W irk u n g e n a b zu g ew in n en w e iß .1* D ie ein sch läg ig en D a rstellu n g en der m ittclen g lisch en R o m an zen lassen, w ie g e sa g t, d ie ­ ses a u sg e k lü g e lte D eta il der E tik e tte v ö llig verm issen. D a s lie g t g e w iß n ich t n u r an ein em g erin geren kü nstlerisch en D a rstellu n g sverm ö g en ; der G a w a in d ich te r w eiß m it G eb ärd en darstellerisch sehr viel a n z u fa n g e n ,2 aber etik ettem ä ß ige B ed e u tu n g hat ih re V ie lfa lt n ich t. D ie G eb ärd en d er E tik e tte h a b en in den R o m an zen vielm eh r m eistens etw as S tilisie rte s; bed eu tsam sind das S ich -S ctze n schlechthin, oder das L ä ch e ln , der B lick , d er K u ß - n ich t d ie diffizilen E in zelh eiten . E in e solche V e rd ich tu n g der L ie b cse tik ette in den G r u n d ­ gebärd en h at sich auch schon im R osenrom an vo llzogen , wo der zarte B lick , d er v e rp flich ­ tende K u ß zu A lle g o rie n gew o rd en sind. F ü r die höfische L ie b e sg e stik in den m ittel e n g li­ schen R o m an zen scheint diese E n tw ic k lu n g zur sym bolisch en Ü b e rh ö h u n g der F u n d a m e n ­ talform en u n ter A b s tr e ifu n g des m inutiösen zerem oniellen D eta ils vo rau szu setzen zu sein. W o gestisch e D etailsch ild eru n gen in den L iebesszen en d an n w ied er au ftau ch en , d a sollen sie die R e a listik der S itu ation ausm alen , aber ohne d a ß sie an sich bed eu tsam e F o rm w ären . D ies an d en D a rstellu n g en der L ie b esh a n d lu n g en in den R o m an zen von k ü n stlerisch so u n gleich em W ert im einzelnen zu dem onstrieren, bereitet insofern S c h w ie rig k e it, als o ffen sich tlich die L ie b e sa u ffa ssu n g sch w a n k t zw ischen einerseits einer volkstü m lich eren , w o d er T a te n d ra n g des H elden d ie L ie b e auch zur S e ite schiebt, w en n sie ih m im W eg e steht, und w o die F ra u w erben d a u ftritt {H o rn ; B cv . H am t.) — und and ererseits einer „h ö fisch eren “ , für d ie die L ie b e veredelnde K r a ft hat, und wo d ie F ra u die d om in ieren d e R olle spielt. D e r letzteren, dem Id eal der „h öfisch en M in n e “ , näh ert sich (ohne es zu e r­ reichen) etw a der strop hische M orte A r t h u r ; und cs ist n ich t zu verken n en , d aß d er Sinn dei fo r m e n der L ie b e sg e stik in einem solchen F alle viel tiefer reich t. A b e r hier w ie d a sind die geregelten F orm en V o ra u sse tzu n g fü r die L iebe. D ie D a rste llu n g d er „ G e b ä r d e n b a n d lu n g “ d er L ie b e kreist um die zw ei typ isch en S itu a tio n e n : die B e g e g n u n g und die L ie b esk la g e . In der S itu atio n der B e g e g n u n g ist der fo rm algesellsch aftlich e C h a ra k te r der G eb ärd en am deutlich sten — ebenso w ie au ch d ie M ö g lich k e iten d er realistischen A u s g e s ta ltu n g einer Situ ation ssp an n u n g, die sich d arau s ci geben . In d er u n ko m p lizierten vo lkstü m lich en A r t sieht die typische B e g e g n u n g so a u s : S ie spielt en tw eder am intim en O rt (im G em ach der D am e, in der L a u b e ), der jedoch m eist d urch d ie A n w ese n h eit von H ofd a m en und B eg leitern rep räsentatives G ep rä g e e r h ä lt— o d er abei in der von vornh erein an die E tik ette gebu n d en en Situ ation , beispielsw eise des G a s t­ m ahls. S ch on der g esellsch aftlich e R a h m en ford ert die W a h ru n g der E tikette. E s b eg in n t m it dem eh rerb ietigen G ru ß (K n ie fa ll!) des L ie b h a b e rs; die D a m e h eißt ihn sich setzen, bew irtet ihn. M it dem D ia lo g g eh t d ie G eb ärd en sp rach e ein h er: der B lick , die kleinen S eu fzer, der G esich tsa u sd ru ck ü b erh au p t — “ k u n ten au n ce o f k a sty n g o f lo k e s ” , w ie es in W. P . h eiß t.3 D a s k a n n zum U m a rm en und K ü ssen und zur G eb ärd e des L ie b essch w u rs fü hren. W iew o h l die D in g e beim B esu ch d er „h ö fis c h e n “ D a m e so reibu n gslos n ich t ver­ lau fen, w eil zu deren V erh a lten sfo rm e n das dom inierende A b w eh ren , das Stellen von B e ­ d in g u n g en geh ört, so h ä n g t doch auch d a die B e g e g n u n g an den G eb ärd en d er L ieb esctikette. L a u n celo t4 betritt — lieb esd u rstig — d ie K a m m e r d er G u in evere m it den geh örigen G ru ß ge b ä rd en (K n ie fa ll); die D a m e reag iert zu rü ck h a lten d („ W a s tust du hier bei m ir ?“

1 V g l. z. B. C ligés, 592 ff.; siehe a u ch O. S ch u lz, S. 124. ä S ieh e unten S . 148 ff. S V S L W - p - 9 4 2 ; siehe a u ch L a u d T roy B o o k 861 ff.; S ir L a u n fa l (F ren ch /H ale, S . w 1 V g l. L M A 67 ff.

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D e r höfische Lebensstil und die Liebe

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[w hat dostow here w ith m e]). L a u n celo t beh au p tet daw ider, er m eine es ja g a r nich t 50(76), er sei n u r g ekom m en , um A b sch ied zu nehm en . D e r \ erlau f d er Szene ist som it ein b e ­ fa n g en es A u sg le ite n in die bloß e F o rm ; denn d arü ber, d aß beide h offn un gsvoll an Liebe, d en ken , lä ß t d er Z u sam m en h a n g keinen Z w e ife l1. E rst w enn jene U m g a n g sfo rm e n d u rch lau fen sind, kann an gesch lech tlich e E ifü llu n g der L ie b e ü b erh au p t g ed a ch t w erden. D a s G esch lech tlich e ist keinesw egs der G ip felp u n kt d er D a rstellu n gen ; w o ra u f es vielm ehr ankom m t, ist der A u sw eis der G eselisch aftsfah igkeit der L ie b e d u rch d ie ko nvention elle L ie b esg estik . V e rg le ic h t m an d ag eg en den breiten R a u m , den im deutschen V o lk sep o s die S ch ild eru n g des G esch lech tsaktes oft einnim m t, und v e rg e g e n w ä rtig t m an sich, d a ß dieser im N ib elu n gen lied gerad ezu zur B ew ä h ru n g s­ probe w ird, so w ird die etikettew ahren de K eu sch h eit der en glisch en R o m an zen lieb e noch o ffen sich tlich er; denn a u f dem sexu ellen G eb aren lie g t offenbar im m er noch, w ie schon bei L a 3am on, ein m oralischer F lu ch. W ie m an g ezeig t hat, n eigen die m ittelen glisch en R o ­ m an zen d azu , den G ed an ken an die gesch lech tlich e E rfü llu n g zü ch tig zu übergeh en oder m it E n tsch u ld ig u n g en ab zu m ild ern ;3 auch steuert in ihnen d ie L ie b e m ehr a u f die E h e zu als a u f d ie außereheliche B in d u n g ,4 die fü r d ie T rou b a d ou rlieb e so ch arakteristisch ist. R eich ere G eb ärd en sch ild eru n g bei L ieb esb egegn u n gsszen en kom m t n ich t aus der L ieb e selbst, sondern, w ie gesa gt, aus der S itu ation ssp an n u n g, aus dem S itu ation srealism u s dort etw a, w o die L ieb esctikette zu sam m en p rallt m it dem , w as a u ß erh a lb ihres Bereiches liegt. D ie einfachste F orm eines solchen Z u sam m enstoßes ist - in B ev . Iia m t. - die S ch w a rzW eiß -M a lerei des K o n tra sts zw ischen L ieb esetikette und w ilder E rotik. D er schon zitierte G r a f M iles, der für Josian, die B rau t des B cves, entflam m t ist, erscheint als unhofischer W ilder, w enn er die D a m e in d er K a m m e r besucht, sich d abei den T eu fe l um die L ie b e s­ etikette schert und sie sogleich sexuell b eg eh rt: „ E r k am zu Josian und w o llt sofort m it ihr ins B e tt.“ 5 D ie D a m e rettet die S itu atio n d ad u rch , d aß sie den L ü stlin g (durch ein g eh eu ­ cheltes E h eversp rech en !) an die Sch ran ken der Sitte m ah n t; in sie bescheidet sich denn der G r a f und verlä ß t Josian, indem er sie kü ßt, „w ie es rech tsch affen ist“ .8D a s m oralisch böse G eb aren des E rotikers steht hier im K o n tra st zu der konvention ellen E tikette und wird d u rch diese g eb ä n d ig t.7 Z u außerordentlicher F a rb ig k e it g e la n g t die S itu ation sgestik der B egegn u n gsszen en m itu nter dort, w o sie im höfischen Bereiche selbst bleibt und etw a d u rch den peinlichen Irrtu m in der E tik ette au sgclö st w ird. Sch on eine der leben digsten Szenen in K in g H orn scheint von hierher ihren Sinn zu gew innen - die Szene näm lich , w o R ym en h ild in ihrem G em ach e A th elb ru s und A th u lf em p fän gt (293-366). D er letztere ist im G ew än d e H orns, ihres G eliebten; g ekom m en und soll ihr ihre L eid en sch a ft zu diesem ausreden. Im G lauben, es m it ihrem erklärten L ie b h ab er zu tun zu h aben, bestürm t R ym enh ild den A th u lf, ohne dessen G ru ß ab zu w arten und ohne von der G eg en w a rt des A n stan dsbegleiters N o tiz zu nehm en , gleich m it ü berschw englicher L eid en sch aft, setzt ihn aufs B ett, u m arm t ihn und „ w ir d w ild “ (gan w exe w ild ; 296). D ie W ild h eit ihrer an sich konventionellen G ebärden besteht darin, d aß sie hervorplatzen, ohne d aß ein regelrechtes B egrüß un gszerem on iell

1 V g l. a u ch die S zen e L M A 734 ff. 2 V g l . h ierzu W o lf, S . 134; S . 1366 3 V g l . G ist, S. 108 ff. « V g l . W ilco x , S. S87 ff6 C a m a g a y n c to Io sian / A n d fy rst wolde. hau e ly n e h y r b y (B ev. Harnt. [C h eth am ] 2818 1.). 6 H e kyssed h y r anon, as ry g h t is (ebd. 2829). 7 U m einen ähn lich en K o n tra st han delt es sich a u c h bei d er ersten B e g e g n u n g Josians m it L e v e s ; v g . B e v . H a r n t.

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Dle G ebärden der H elden und du: W andlungen des H eldenideals

seitens des A n k ö m m lin g s d azu den A n la ß gegeb en h ätte. V o n beiden Seiten ist die Form d er L ieb esszen e verk a n n t; vo n A th u lf, w eil er, den L ie b h a b e r zw ar im A u sseh en vo r­ tauschend, sich nich t w ie ein solch er g eb ä rd et; von Rym enhilcl, w eil sie den vo rgesch rie­ benen G eb ärd en vorau seilt. D ieser B ru ch der F orm m otiviert die fortsch reiten de H em ­ m u n g slo sigk eit des A u sd ru c k s der D a m e ; über ihren Irrtum a u fg e k lä rt, steigert sich ihre W ild h eit zur W u t; sie w endet sich ab, sch m äh t den R än kesch m ied A th e lb ru s (321 f.). N u r d ad u rch kan n die aus allen F u g e n d er corteisie geraten e S itu ation w ied er ein g eren k t w erden, d aß sich en dlich A th elb ru s d er d ieser L a g e gem äßen E tik ette besinn t: er w irft sich zu Boden (333 Í.), u m eine B eteu eru n gsred e zu halten, w äh rend R ym en h ild auch ih rerseits zum o b lig a ten frohen A u sd ru c k zu rü ckfin d et (heo m aked e hire w el b liþ c; 355) und ih n in aller F orm verabsch iedet. - D es w eiteren en tsteht S itu atio n sg estik auch aus d er Ü b e rsch n e i­ d u n g der E tik etten . D enn wer etw a beim G a stm ah l oder im V e r la u f des E m p fa n g szerem oniells dem P artn er seine L ie b e bezeu gen w ill, g erät in K o n flik t m it den fü r diese G e le g e n ­ heiten gelten d en S itten und auch m it d er höfischen P flich t, die L ie b e h eim lich zu b e­ treib en . K ö stlich ist es, w ie m der Gest H y storia le beim M a h le zu E h ren Jasons die M ed ea ihre A u g e n bald än gstlich dem V a te r und H ü ter des T a felzerem o n iells, bald verlieb t dem H eld en zu w en d et,1 oder w ie in W. P . die schöne M elio r sich abm üh t, beim E m p fa n g der aus der S ch la ch t heim keh rend en K r ie g e r ihrem d aru n ter befindlichen L ie b h a b e r die ihm gebü hren d en L ieb eszeich en zu m achen, ohne g egen das E m p fa n g s zerem oniell zu ver­ stoßen .2 Solch erlei gestisch c S itu ation ssp an n u n gen ergeben sich g a n z n a tu rg em äß d a, w o je ­ m an d aus äußerem A n la ß in seiner E tik ettee rfü llu n g ins W a n k en g erä t. S ie lösen sich auf, w enn che „ r ic h tig e n " G eb ärd en w ied ergefu n d en w erden. D a zu ist heroische W illen s­ a n stren gu n g k a u m erforderlich . V ie lm e h r ka n n m an sich o ft bei derlei V o rfä lle n zu n äch st eines Schrnunzelns n ich t erw ehren ; in ihnen steckt die g leich e K o m ik w ie in vielen A n e k d o ­ ten unserer Z eit, in denen ein g elegen tlich es A u sg le ite n a u f g esellsch aftlich em P ark ett b e ­ lacht w ird. F ü r die B eteilig ten zieht es freilich m an ch m al p ein lich e F o lg en n a ch sich .3 D ieses V erlieren und W iederfinden d er o b ligaten G eb ärd e ist w oh l ein U rm o tiv in der D ich tu n g um die corteisie; seine V a ria n te n sind m it den eben angedeuteten kein esw egs e r ­ schöpft. N u r noch a u f eine A r t d abei en tstehender S itu atio n sg estik sei h ingew iesen, w eil sie g elegen tlich m ißverstan d en w u rde - d iejen ige näm lich , die aus der S ch am , d er S ch ü ch te rn ­ heit des L ie b h a b ers bei der B e g e g n u n g m it der V ereh rten erw ächst. D a s leu ch tet schon m ehr m die L ie b h a b erp sy ch o lo g ie: ü b erw ä ltig t von d er S ch ön h eit der D a m e und g eh em m t d urch d ie eigene B efan gen h eit findet d er k o n fu se L ie b h a b e r n ich t g leich die rech te F orm . G u y , von d er vergötterten D a m e angeredet, „sta n d starr und sa g te n ich ts“ .4 E n d lich w ird ihm - die B egeb en h eit sp ielt vor einem M a h le - das W a sch b eck en g ere ich t; die A n s ta n d s­ geste des H än d ew asch en s b rin g t den V erw irrten zu s ic h ; zw a r h at er n och n ich t die F orm der L ie b e gefu n d en , a b er im m erh in die G eb ärd e des o b lig a ten B enehm ens, der allgem ein en corteisie, ohne die es L ie b e schon g a r n ich t geben kan n . D ieses a n fä n g lich e schüchterne N ich t-fm d en -K ö n n en d er rechten G eb ärd e ist w oh l ein typ isch es M o tiv der höfischen L ie b e sb e g e g n u n g ; Chretien w eiß cs n o ch viel leb h a fter zu gestalten.« Bei solchen G elegenV g l. CerMDT 449 ff*» ä h n lich es in K i n g H orn 263 fif„ 2 V g l. IV. P . 1393-98. * S ° i n A - A . 697ft., w o B elisaim ts L ieb esb lick e beim M ah le dem b ö sen N e id e r einen W in k ge b e n Ü b der­ gle ich e n auch dram atisieren d g e n ü tzt w ird, ist eine F r a g e d er E rzä h lte c h n ik ; siehe u n ten S . 135. G ij stod e stille a n d seyd n o u jt ( G . W w . 231). 5 Y v a m , als er zum erstenm al v o r die a n g e b e te te L a u d in e tritt, „ s c h w e ig t und steht still“ . D ie Z o fe m uß ihn erst am A rm zu p fen (par le braz le Sache), um ihn an d ie L ieb csetik ette zu erinnern, w elch e dan n auch rei-

D er höfische Lebensstil u n d die Liebe

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heiten p fleg en die L ie b h ab er auch sch am h a ft zu erröten, w ie Ipom edon, von dem der D ich ­ ter an m erkt, d a ß „re c h t g u t ihm diese F a rb e sta n d “ ,1 und w ie auch C h au cers T roilu s irn A n g e s ic h te d er C ressid a .2 D a ß indes C h a u cer im T ro ilu s diese höfische U rsitu a tio n der S ch am und Sch ü ch tern h eit zu w ied erholten M alen in noch viel größere R ea listik ausw eitet, en tspricht g a n z seinem sonstigen V erfa h ren m it der G eb ärd e und der G eb ärd ensitu ation und d a r f in diesem F alle n ich t d arü ber h in w egtäu sch en , d aß als K e im letztlich d och eine h ö fi­ sche S itu ation zu gru n d e lie g t.3 A m krassesten scheinen sich die G efü h lsgeb ärd e n d er L i e b e s k l a g e von den höfischen F orm en d er L ie b e abzusetzen . A b e r auch die höfische L ie b e sk la g e der R om an zen h elden u n d -heldinnen ergibt sich konsequenterw eise aus dem L iebesstil. D ie höfische D am e, die dem L ie b h a b e r g ege n ü b er Z u rü c k h a ltu n g übt, die ihn abw eist, bereitet ihm das G efü h l des N ich tg elin gen s. A nd ererseits stü rzt d ie V e rp flich tu n g des L ie b h ab ers, d aß er zu T a ten , zur B e w ä h ru n g ausziehe, seine D am e in den S ch m erz des A b sch ied s und der U n g ew iß h eit. B eides m ach t sich in den K la g e g e b ä rd e n L u ft. D ie L ie b e sk la g e ist ein Ü b erg a n g ssta d iu m ; sie ist d as Adornent, wo sich die G efü h le steigernd äußern, ohne zum V e rg e h e n zu w erden. D en n au ch dieses M om en t ist letztlich ein gesp an n t in den g esellsch aftlich en R a h m en der L ie b e ; d er Ü b e r g a n g besteht im kritischen H in ü berw ech seln von der einen L e b en sla g e der L ie b e - deren M ittelp u n k t die höfisch-gesittete B e g e g n u n g ist - in eine andere, die der B ew ä h ru n g im verliebten A llein sein . D ie erzählerischen D a rstellu n g en der L ie b e sk la g e n ordnen sich dieser A u ffa s s u n g unter. D a s kann d ad u rch geschehen, d aß der L iebessch m erz m it dem A b sch ied sk u m m er id en ti­ fiziert w ird und d aß dam it der K la g e a u sd ru ck an den m om entanen V o r g a n g des L e b e ­ w o h lsagen s m it seinem A bsch iedszerem on iell gebu n d en b leib t.4 H äu fig er jedoch findet der G efü h lsau sb ru ch abseits aller G esellschaft und d am it au ß erh alb d er höfischen E tikette statt. Sein stereotyper O rt ist die heim liche K am m er, in die m an sich zu rü ckzieh t, wobei die räu m lich e Isolierun g m an ch m al d urch realistische Szenerieelem ente verstärkt wird. D e r ku m m ervolle G u y sperrt die K am m ertü r zu, und im V e rla u fe seines K lageergu sses, der unter K leid erzerreißen , H aarerau fen , O hn m äch ten und d g l. vonstatten geht, n ah t er sich dem Fenster, u m von d a aus das S ch lo ß d er G eliebten zu apostrophieren.5 T ro tz dieser szenischen M om en te aber ist der A u ftritt nicht von d er S itu ation , sondern vom inneren Z u stan d des K la g en d en her gestaltet; er ist zeitlich und räu m lich über die G e­ geben heiten der S itu atio n h in w eg verallgem ein ert („e in solches L eben fü h rte G u y die g a n ze W o c h e la n g “ [495 f . ] ; alle, die ihm nahestanden, bem itleideten ihn). D ie Szen en ­ requ isiten sind n u r da, um die Isolierun g des gestischen K la g ezu sta n d es d ekorativ zu u nter­ m alen . H ier könn en sich nun G u ys physische R eaktion en ebenso zu m K rassesten steigern, w ie d as ähn lich in d er S elbstau ssprache der L y r ik vo rk o m m t: er w ird vor K u m m er „sc h w a rz w ie eine S ch leh e“ 6 (einen S ä n g er des 13. Jah rh u nd erts lassen L ie b esg ed an k en

b u n gslo s von statten g e h t. ( V g l. C h rétien de T royes, Y v a in 1943 ff.). Im en glisch en Y w a in an d G aw ain ist die A u s g e sta ltu n g der näm lich en S zen e farb loser, die K e rn g e b ä rd e der S ch ü ch tern h eit je d o c h ein p räg sa m er (for d red o w a y he drogh ; 1135). 1 A lly ttell w a x he rede for sham e, F u ll w elle th at colo ure hym b ecam e (.Iþ om . 364 f.). 2 V g l. T r o ilu s a n d C riscyde III, 80 ff. 3 J. K le in stü c k { A S N S 193 [1956], 3) n im m t d e m g e g e n ü b e r von vorn h erein a n g esich ts d er R e alistik eines d e ra rtig e n A u ftritts des T ro ilu s an, daß dessen V e rh alten dem höfischen M in n e k o d ex n icht entspräche. 4 V g l. z. B . G. W iv. (A ), Str. 32 f. 5 V g l. G. Ww. (C ), 415 ff8 G u y th ey fon de as b la k as sloo ( G . IVw. [C ] 506).

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Oie G ebärden der Helden und die W andlungen des H eldenideals

„ g a n z g rü n “ w erd en ).1 A b e r seine G efü h le d a r f er d ad u rch nicht d er U m w e lt p reisgeben : die zu R a te gezo gen en Ä r z te , d ie ihn sch w arz vorfinden, h ä lt G u y im G lau b en , er h abe sich erkältet. E ben so erk lärt der sich bleich en G esich ts a u f dem L a g e r w älzen d e Ipom edon, n ach der U rs a c h e hiervon b efra g t, er sei k r a n k .12 In g a n z an a lo g er W eise spielen d ie L ie b e sk la g e n der D a m e n in der A b g esch lo ssen h e it des G em ach s. D ie d ab ei gesch ilderten G eb ärd en w irken noch h eftiger und u m fassen das g a n ze „ V o k a b u la r “ d er K la g e g e b ä rd e n . D a zu k o m m t die fü r die L ie b e sk la g e besonders typisch e G eb ä rd e: n a c h ihrem R ü c k z u g ins G em ach w irft sich die F ra u aufs B ett. A u f dem einsam en L a g e r ergeh t sie sich in S eu fzern , Jam m ern, H aarerau fen , H än d erin g en , K leid erzerreiß en , S ich -b lu tig -K ra tze n , sch laflosem U m h erw älzen , O h n m äch ten , und w as der üblich en K la g e g e b ä rd e n m eh r sin d .3 Im S ich -a u f-d a s-B ctt-W erfen jed o ch ve rd ich tet sich auch fo rm elh a ft d ie g an ze L ie b e sk la g e - w ie d ie des M äd ch en s von A s c a lo t :45 D o w n e v p p o n hir b ed d e slie feile, T h a t n ig h e h y r herte brast in tw o (.L M A

187 f.).

D en n auch diese F ra u e n k la g e n sind n ich t situ atio n sd yn am isch ged ach t. D e r R ü c k z u g in die K a m m e r eröffnet n ich t eine neue Szene, ist aber andererseits auch nicht, w ie der a lten glische B e ttg a n g , das sp an nen de K o n fliktm o m en t, sondern g ib t das S ig n a l zur allgem ein en zu stän d lich en K la g e v o rste llu n g , in deren W ied e rg a b e die stereotypen G eb ärd en ebenso w ie form elh afte G efü h lsan ga b en und K la g e to p o i h in ein gezogen w erden. D ie D a rstellu n g des A b sch ied s zw ischen T roilu s und B resaid e in der G estH ystoriale besteh t in einer G e g e n ­ ü b erstellu n g der L ieb essch m erzzu stän d e eines jed en der beiden im A lle in sein ; der e ig en t­ liche A b sch ie d sv o rg a n g ist g a r n ich t szenisch w ied ergegeben . Es heißt, d aß T roilu s unh o h e r M iene seufzt, erblaß t, w eint — aus T reu e (faith e and affection o f hys fyn hert) sowohl wie aus qu älen dem K u m m er (he w as tourm ent w ith tene);® und d aß andererseits Bresaide, m it noch stärkerem G ebaren , unter G eheul, ja m m e rn und T rän en ergü ssen erblaß t, sich die schöne F risu r zerstört, sich die lieblichen W a n g en b lu tig k ra tzt und, einer Sterben den gleich , o h n m äch tig d arn ied ersin k t.6 D ie beid erseitige zu stän d lich e L ie b esk la g e im A lle in ­ sein ist da der E rsa tz fü r die A b sch ied sszen e. E rst C h a u cer g elin g t es im T roilu s, w irklich beides - die G eb ärd en des A b sch ie d sv o rg a n g s und die der persönlichen L ie b e sk la g e - in e i n e r , v o n d er S itu atio n her gestalteten Szen e zu verarb eiten .7 F orm al ist jene T en d e n z zu r Iso lieru n g der L ie b e sk la g e und ihrer G eb ärd en n atü rlich aus d er reihenden E rzä h ltech ­ nik der R om an zen zu erklären , die im dritten T eil dieser A rb e it zu behandeln ist. D och hat das F orm ale eine E n tsp rech u n g im G eh alt. D a ß das L ie b e sk la g e g e b a re n aus der W elt des höfischen G esch eh en s h erau sgelö st und isoliert sei, ist ein E rford ernis der corteisie. E s ist bezeichnend, d aß cs auch in d er u n g lü ck lich en L iebe, im au sw eglosen K u m m er, kau m eine S te ig e ru n g ü ber diese ko n ven tion elle L ie b e sk la g e g e stik hinaus gib t. M a n ver­ g e g e n w ä rtig e sich etw a, d aß in jen er A r t von L ie b e die E ifersu ch t (die die höfischen L e h r ­ m eister p o sitiv w erten, weil sie die L ie b e inten siviert) gen au so w ie der A b sch ied ssch m erz 1 V g l. T h e H a rley L y rics, cd. G. L . B roo k (M a n ch ester, 1948), Nr. 2 5 ,V e rs 16: “ S o m uchel y þ en k e vp on þe ])at al y w a x e g r e n e .” 2 V g l. lfiom . 1211 ff. s V g l. z. B. G . Ww. (C) 7464 ff.; (A ) 4227 ff. u, ö. 4 V g l. ebenso Ipom . 903; 1406; L a u n fa l 703 u. ö. 5 V g l. G H D T 8029 ff. ' 6 V g l. G H D T 8038 ff. 7 V g l. die entspr. E pisod e in T ro ilu s an d Criseyde I V , 1128 ff.

D e r höfische L eb en sstil u nd die L ieb e

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ein Ü b erg a n g ssta d iu m d arstellt und sich in gen au den gleich en F orm en der K la g e g e s tik äu ß ert w ie dieser. Selbst die v ö llig hoffn un gslose L ie b e brich t m it der K la g e und eben d ie­ ser K la g e g e s tik abrupt ab. D ie K aiserto ch ter, vo n der sich G u y erst am T r a u a lta r abw en ­ det, versch w in d et aus der E rzä h lu n g , n ach d em ih re K la g eg eb ä rd en in ü b lich er W eise gesch ild ert w orden sin d .1 D ie G eb ärd en der L ie b e sk la g e steigern sich nicht ins U n erm eß ­ liche, führen n ich t zu r pathetischen S e lb sta u fg a b e oder g a r zur Selbstzerfleisch u n g wie bei V e r g ils D id o. W en n gleich im strop hisch en M orte A r th u r das M äd ch en von A scalo t den T o d d er u n g lü ck lich en L ie b e stirbt, so setzt doch ihr S terben nicht ihre L ie b esk la g e fort, sondern der L ieb esto d w ird als rom antisches M o tiv n a ch trä g lich - und von der L iebesh a n d lu n g losgelöst - in die D ich tu n g h in ein getragen . Solch er L iebesto d h at einen anderen Sin n als den der hem m ungslosen V e r z w e iflu n g ; er ist ein E rsa tz fü r die V erein ig u n g , die im F a lle des M äd ch en s von A sca lo t deshalb u n m ö glich gew ord en ist, w eil es - w ie sic in ihrem A b sch ie d sb rie f m itteilt - an der höfischen F orm g eb rach (L a u n celo t, ih r verlorener L ie b h a b er, sei “ churlysshe o f m an ers” gew esen).123 * D e r A u sd ru c k der L ie b e sk la g e w ird von den P rin zip ien der höfischen G esin n u n g a b ­ g e fa n g e n , w ie d er kü n stlerisch beach tlich e strop hisch e M orte A r t h u r noch einm al zeigt: L a u n celo t, d er am E n d e dieser R o m an ze sich von G u in evere an der K lo ste rp fo rte zum letzten M a l verab sch ied et - die D a m e ve rw eigert ih m den K u ß ! - en tfern t sich verstört m it d en G eb ärd en d er reu igen K la g e ; er w eint, rin g t die H än de, irrt in den W a ld , „ e r atte am liebsten seine stattliche R ü stu n g vom L eib e gerissen “ .1 B ezeich nend erw eise fu h rt er aber die letztere G eb ärd e - sie k äm e der absoluten S e lb sta u fg a b e des R itters gleich noc r n ich t in d er W a llu n g der L ie b e sk la g e tatsäch lich aus, sondern erst d ann, als die K la g e aus clem bloßen L ieb essch m erz in die T ra u e r um den toten K ö n ig A r th u r geh ob en ist.. D e r tm W a ld e irrende L au n celot stößt näm lich a u f eine einsam e K a p elle, w o er vom verban nten E r z ­ b isch of vo n A rth u rs T o d erfährt. E rst d ara u fh in gesch ieh t das F ortw erfen der stattlichen R ü stu n g als K la g e g e b ä rd e : „S e in e R ü stu n g w a r f er an die W an d , die stattlich w a r unc g lä n zen d “ ;5 dies leitet hm zur religiösen T u g e n d - zur R eu e, zur B eichte, zum K n iefall im G ebet. - G en auso w ird die ausw eglose L ie b e sk la g e G u ineveres vom R eligiö sen u m ­ schlossen. D ie N onnen tra g en d ie in der K la g e in O h n m ach t G efallen e m die K losterzelle und bem ühen sich dort, sie aus ihrem Jam m er zu befreien (to cover the quene o f h yr care). S o w altet denn in jenen R om an zen , fü r die L ie b e ein P ositives ist, auch über den D a r ­ stellun gen der L ie b e sk la g e - ebenso w ie ü ber denen der L ie b e sb e g e g n u n g das P rin zip der corteisie, das fü r alles L ie b en die höfische G esellsch a ftsfä h igk eit, das S ich -E m fu g e n in d ie schöne, tu gen d reich e, ja selbst die religiöse F orm fordert. 1 V g l. G. Ww. 4221-332 V g l . L M A 1078 ff. 3 V g l . L M A 3 7 2 6 ff.; 3 7 4 2 ff1 H y s R y c h e A -ty re he w old h a u e of-torne (L M A 3745 )5 H e th rew hys arm ys to the w alle T h a t R y c h e w ere and b r y g h t o f blee ( L M A 3778 f.).

_____________________

d r i t t e r

D IE E R Z Ä H L T E C H N I S C H E N

t e i l

QUALITÄTEN

IN D E R M I T T E L E N G L I S C H E N

i. D E R G E B Ä R D E N D A R ST E L LU N G

NEU E

A N FA N G :

UND

R E IH E N D E

DER GEBÄRDE

DICHTUNG

ERZÄH LTECH N IK

V ersu ch te der vo rige H au p tte il, den m an ifestieren den W ert der G eb ärd en au fzu d ecken ihren „ G e h a lt “ also, so entsteht n u n d ie F ra g e, w ie dieser G eh a lt d ich terisch a u sg e d rü ck t wird. D a ru m w ird n u n von der E rzä h lfo rm her an die G eb ärd e h eran zu treten sein. E s wird sich allerd in gs herausstellen, d aß zu n äch st n u r g erin g e B erü h ru n gsp u n k te zw isch en geh altnehern W ert und fo rm aler F u n k tio n d er G eb ä rd e bestehen, d aß vielm eh r erst eine E n tw ic k ­ lu n g d er m ittelenghschon E rzä h lk u n st n ö tig ist, b evor sich ihre G eb ä rd en d a rstellu n g der idealen E in h eit von F orm und G eh alt nähert. N a ch der epischen A u sstra h lu n g sk ra ft, die die G eb ärd e im B e o w u lf a u f G ru n d ein er solchen E in h eit hat, d a r f m an in den m ittelen glisch en R o m an zen n ich t su ch en ; denn die G eb ard en d arstellu n g g e h t n u n von v ö llig verän d erten V o rau ssetzu n gen aus. W iew o h l die G eb ärd e an bestim m te W ertb ereich e gefesselt bleibt, ist sie d och O b je k t einer k ö rp e rfre u ­ d igeren V o rstellu n g sw eise. D ie m ittelen glisch en D ich ter en tw ickeln einen S in n fü r d ie k o n ­ krete G eb ärd e; G efü h l und G eb ärd e w erden g leich b ere ch tig t und in der E rzä h lu n g u n ter­ ein an der au stau sch b ar. D ie G eb ärd e ist bald nich ts „B e so n d e re s“ m eh r, sondern ein N o rm a lfa ll. Z u r V o rste llu n g typ isch er S itu ation en g eh ört m it S elb stverstä n d lich k eit die er typisch en G eb ärd en. D a ru m erh ält d ie G eb ärd e etw as R eg elm ä ß ig es, Z u s tä n d lic h e s ; zu jenem einm aligen, d yn am isch en A u fb litz e n , das Z u k ü n ftig es und V e rg a n g e n e s erh ellt und das m it g eistigen W eiten in B e zie h u n g steh t - d azu ist d ie m ittelen glisch e G e b ä rd e zu n ächst n ich t m ehr fä h ig . Sie ist es um so w en iger, als d er m ittelen glisch en E rzä h lw eise d ie epische S tru k tu r w eithin ab geh t, als sie vielm eh r dem P rin zip einer starren R e ih u n g folgt, w elch es in sich abgesch lossene E in zelep isoden und E inzelszenen a n ein an d erfü g t und d azu n eigt, typ isch e Situ ation en ohne innere M od ifikatio n zu w iederholen - und d am it auch ohne äuß ere M od ifikatio n in der G eb ärd e. D a ru m ist die G eb ärd e dazu veru rteilt, etw as bloß D e k o ra tive s zu sein. A u s ihrem d ekorativen C h a ra k te r aber ergeben sich die n euen stilistischen M ö g lich k e iten d er m ittelen glisch en G eb ärd en d arstellu n g : die G estik ka n n sch m ü cken d ausgew eitet, sie k a n n ab er eb en so gu t a u f die knappste, nur an d eu ten d e F orm el a b g e k ü rz t w erden. D a ß in diesen S tilm ö glich k eiten der G eb ärd en d arstellu n g - d ek o ra tive A u sw e itu n g und V e rd ich tu n g zu r F orm el - die K eim e einer neuen G eb ärd en k u n st liegen , d ie dann in ein igen der kü nstlerisch höherstehenden W erke zu r E n tfa ltu n g kom m en das soll a u f den näch sten Seiten ve rfo lg t w erden. D a s prim itive A n fa n g ssta d iu m m ö g e die G eg en ü b erstellu n g zw eier p aralleler S zen en aus der frü h en R o m an ze H avelok veran sch aulich en . A m A n fa n g des W erk es stehen n a ch ­ einan der zw ei Sterb eep isod en : d er T o d des K ö n ig s A th e lw o ld von E n g la n d (114 -2 4 7 ) und dann d er T o d des K ö n ig s B irk ab eyn von D ä n e m a rk (352-407). D ie beiden E p iso d en sind sow ohl m ihrem A b la u f als auch hinsich tlich ih rer S te llu n g im G esa m tw erk v ö llig g le ic h ­ w ertig. Sie sin d nich t m itein an der v e rk n ü p ft; jed e r d er beiden V o r g ä n g e ist in sich isoliert.

G eb ärd e n d arste llu n g und reih en de E rzä h lte ch n ik

11 5

A b e r sie unterscheiden sich w esen tlich in L ä n g e und A u sfü h rlich k eit. D ie erste d er E p i­ soden u m fa ß t 133 V erszeilen , die zw eite n u r 55 ; in der letzteren ist der in der ersteren breit g esch ild erte V e r la u f stark a b g e k ü rzt, und diese A b k ü r z u n g geh t a u f K o sten dei R ed en und d er G eb ärd en . 34 V e rse d er ersten, aber n u r 5 V erse der zw eiten E p isod e nehm en a u f G eb ärd en B ezu g. N a c h w elchen G esich tsp u n kten geh t nun die K ü r z u n g der G estik vonstatten ? Z u B egin n jed er E pisod e erk ran k t ein K ö n ig . N u r die erste E p isod e verd eu tlich t dies m der G eb ärd e d er E r re g u n g : a u f die R ed e des E rk ra n k en d en e rfo lg t starkes Beben (quanne he h auedc þis plein te m aked , / þer-after stron glike he q u a k ed ; 134 f.)d cr P arallelepisode en t­ spricht dem eine k u rze allgem ein e B etra ch tu n g über die V e rg ä n g lic h k e it der W elt (352-3 5 7 )D a r a u f fo lg t - w iederum in beiden F ä llen — die E in b eru fu n g des R ates dei Fürsten. D ie S ch ild eru n g der ersten E pisod e m alt die G e b ä rd e n k la g e der A n k o m m en d en (he w rungen hondes, and w epen sore; 152) und das E m p fan gszerem on iell aus: G ru ß, N iedersetzen, K la g e a u sb rü ch e (164), denen sch ließlich das E in h alt- und R u h eg eb ieten des K ö n ig s fo lgt (and he b ad hern alle ben stille; 165). D ie zw eite E p isod e d eu tet n u r - u n d zw ar a n sch au u n g s­ los und k n a p p - die letztere G este an : „ D ie R itter hieß er alle setzen“ (his knih tes dede he alle s itte ; 366). D a s ist n u n in der T a t die w ich tigste G e b ä r d e ; hier m an ifestiert sich K ö n ig s­ m ach t beim E m p fa n g . Sie ist der repräsentative K ern des gestischen G esch eh en s; dieset also b leib t ü b rig, die ausm alenden D eta ilg eb ä rd en fa llen fort. D a n n lä ß t d er K ö n ig seinen S ta tth a lter die T reu e geloben. Im ersten F a ll sind die rech ts­ sym bolischen S ch w u rg eb ä rd en g esch ild ert: das H erb eib rin gen des h eiligen B uches, der einzelnen M eß g erä te, die d er Sch w ö ren d e zu berü h ren h at (18 4 -190 ); n ach E rlä u te ru n g des S ch w u rin h a lts (190-200) fo lg t ein R ü ck v erw eis a u f die Sch w u rg este (þat dede he him sweren on the b o k ; 201). In der parallelen E p isod e steh t die E id e sa b leg u n g des ^dortigen S ta tth a lters in ihrer inneren B ed eu tu n g um nichts zu rü ck. D e r In h alt des vom K ö n ig g e ­ forderten V ersprech en s, o b gleich ebenfalls a n alo g, w ird in beiden E pisoden ausfü h rlich um rissen (jew eils in 13 V e rse n ; 190-203 bzw . 384-397), ja , die zw eite E p isod e b rin g t ihn u n m ittelbarer, plastisch er - in der d irekten R ed e des K ö n ig s, die vo n der Segen sg eb a rd e (A u fle g e n der H ä n d e ; 383) b egleitet ist. D e r A k t der E id e sa b le g u n g ist also auch m der zw eiten E p iso d e m it N a ch d ru ck festgeh alten . A b e r in der ersten E p isod e b ew irk t den N a ch d ru ck das b ild h a ft ausgew eitete rech tssym bolisch e G eb ärd en zere m o n iell; m der zw ei­ ten E p iso d e hören w ir bei a b ge k ü rzter G estik nur, d aß d er S ta tth a lter G o d ard zum Sch w u r aufsteht (G o d ard stirt up, and sw or al þ a t; 3 9 8) " und erfa h ren d am it nur die F u n d am en ta l­ gebärd e. — . j A u c h die R eu e des K ö n ig s vor der B eich te a u f dem Sterbebett ist in der ersten E pisode in ihren G eb ärd en und B ew egu n gen g esch ild ert: h eftiges G eißeln , dessen E in d ru ck durch die V a ria tio n und die A u sm a lu n g der W irk u n g en (blutüberström ter K ö rp er) sowie durch die rückerin n ern d e A n k n ü p fu n g beim F o r tg a n g der E rzä h lu n g (226) verstärkt w ird : A n d ofte dede h im sore sw inge, A n d w ith hondes sm erte d in ge ; So fiat þ e b lö d ran o f his fleysh, þ a t ten dre w as, and sw iþ e neysh (214 ff.).

A u c h in der zw eiten E pisod e sind. R eue und B eich te des sterbenden K ö n ig s erw ähnt (364 f.), aber ab strak t und ohne die veranschaulich en den G ebärden. F ü r die G eb ärd e steht das, w as sie ausd rü ckt. . , ... S ch ließ lich die K la g e n ach dem T o d e des K ö n ig s : in der ersten E pisod e steht d a iu r in unstetem , nervösem S til - ein sech szeiliger P assus mit d en typischen K lag eg eb a rd en , (232 ff.), d er dann hinführt zu den kultisch-zerem oniellen H an d lu n gen (G lockenlauten,

1 16

D ie erzä h ltcch n isch en Q u a litä ten der G e b ä rd e in der m ittelen glisch en D ich tu n g

M esselesen der Priester, B eg rä b n is; 242 ff.). D ie P arallelszen e ve rk ü rzt dies w iederum aufs K n a p p ste, a u f die ü blich sten der G eb ärd en : allgem ein es W einen der R itte r (401) und B eg räb n is (408). S y n ta k tisch gesehen erscheinen die G eb ärd en d er ersten E p iso d e d u rch w eg in selb ­ stän d igen H a u p tsä tzen ; diese sind d urch k etten a rtig e A n e in a n d erreih u n g synonym er W örter (164), d u rch einleitende A n k ü n d ig u n g e n und b ekrä ftigen d e N eb en sätze ve rstä rk t; die G eb ärd en Wörter erscheinen verab solu tiert im von “ th ere w a s ” a b h ä n g ig en G eru n d iu m (234), oder m it ausgew eitetem S u b je k t („a lle , . . . reich und a rm “ ; 236). - D ie G eb ärd en der zw eiten E p iso d e h in g eg en sind teils k n a p p e E in sch ü b e (383), teils sind sie in relative oder tem p orale N eben sätze a b g e d rä n g t (401, 364, 408). A u s einer solchen G eg en ü b erstellu n g - d ie in äh nlich er W eise an B eispielen aus anderen R o m an zen oder auch aus L a ja m o n s B r u t h ätte d u rch g efü h rt w erd en könn en — geh t offen­ b ar folgen des h ervo r: die E in zelep iso d e oder S zen e ist eine in sich gesch lossene E rzä h le in ­ heit, ein B au stein im G a n ze n . E ine bestim m te A r t vo n G estik scheint zur V o rste llu n g einer bestim m ten A r t von E rzä h le in h eit als S ch em a zu geh ören , kan n sich aber einerseits a u f das K n a p p ste, bis zur F o rm elh a ftig k eit, besch rän ken — oder ka n n sich and ererseits a u s­ w eiten und verzieren . G leich es g ilt fü r unszenische E rzäh lein h eiten w ie etw a P ersonen­ besch reibu n gen , O ltsb esch reib u n g en und d g l . ; die p arallelen P erson en besch reibu n gen der K ö n ig e , w elch e den beiden eben an alysierten S zen en aus H avelok vo rau sgeh en , sind ähn lich beh and elt w ie diese Szenen selbst. D ie erste der B esch reib u n g en (A th elw o ld von E n glan d ) u m fa ß t 82 V erszeilen (27-109), die zw eite (B irk a b ey n ) deren n u r 8; sie haben p arallelen A u fb a u und gleich en In h a lt — d ie allgem ein en E ig e n sch a ften des gu ten K ö n ig s. N u r g re ift die län gere B esch reib u n g in die F ü lle des A n sch a u lich en , q u illt ü ber in V a r ia tio ­ nen und H ä u fu n g en , w eitet die R ep räsen tation ssch ild eru n g aus; die zw eite bleibt abstrakt. D ie E rzäh lein h eiten sind in den m ittelen glisch en D ich tu n g e n S tü ck um S tü ck an ein ­ a n d ergereih t, ohne zu fließendem G esch eh en zu w erd en .1 D ies en tsp richt freilich dem , , add itiven K o m p o sitio n sp rin zip “ , w elch es auch in der frü h en m ittelh ochd eu tsch en D ic h ­ tung- den F lu ß des G eschehens m eh r h em m t als fö rd ert.12 A b e r w äh rend d ie deutsche E p ik der B lü tezeit zu r G estaltu n g eines fließenden G esch eh n isab lau fs h inzufind en scheint, b lei­ ben offen bar in den en glisch en R o m an zen d ie E rzäh lein h eiten stä rk er isoliert - w ie sich gerad e an deren „ ty p isc h e n “ B eisp ielen zeig t (Sterbeszene, E m p fan gsszen e, K a m p fszen e usw .), wo das G eb ärd en sch em a w eitgeh en d festlieg t und w ohl eine d ekorativ-au sw eiten d e, aber kein e g eh altlich e M od ifika tio n zu läßt. S o lch e A r t von A d d itio n ist w en iger eine R e i­ h u n g im N ach ein an d er, w ie sie der epischen F orm en tsp rich t,3 sondern eh er eine solche im N eben ein an d er und Ü b erein an d er. G a n z besonders w ird sie so in vielen religiösen L e ­ genden p ra k tiziert; denn deren A b s ic h t en tsp rich t es ja , die W u n d er, V ersu ch u n gen oder P ein ig u n g en der H eilig en in ex em p larisch er F ü lle a n ein an d erzu fü gen . In g a n z äh nlich er W eise erzählen die R o m an zen Serien „e x e m p la risc h e r“ T a ten . W o im m er aber der letzte U rsp ru n g dieser E rzä h lw eise liegen m a g - auch in den französisch en P ro sarom an zen lie ß e sich m itu nter G leich a rtige s beobachten —, im B ereich w eltlich er Stoffe ist sie gerad e in den en glisch en R o m an zen a u ffä llig p o p u lä r.4 N och im 16. J ahrhundert w ird in E n g la n d ein W erk wie Spensers F aerie Queene diese reihende T rad itio n fortsetzen. 1 F ü r L a ja m o n v g l. auch S ch irm er, S. 58. - A u c h F re n ze n (S. 11) beto n t - in b e z u g a u f die früh en m hd. E p e n - die B e d in g th e it der G eb ä rd e n ­ d a rste llu n g d u rch diese F o rm e ig e n tü m lich k eit. 3 V g l. S ta ig e r, S. 120. 1 E s lie g t nahe, dazu a u f a n a lo g e E rsc h e in u n g e n in den b ild en d en K ü n ste n zu verw eisen. A n d er en g lisch en S on d erform der go tisch en B a u k u n st h a t m an w ied erh olt das P rin zip der N eben ein an der- u nd A ufein an d er-

Form en, d e r d e k o rative n A u s w e itu n g u n d kü n stlerisch e G esta ltu n gsm ö glich k eiten

2.

UND

FO R M E N

DER

D EK O R A TIVE N

K Ü N ST LE R ISC H E DER

11 7

AUSW EITUN G

G ESTALTU N G SM Ö G LICH KEITEN

M ITTELENGLISCHEN

G EBÄR D E

A u s der d ekorativen erzäh ltech n isch en Q u a litä t der G estik in den herm etischen E rzä h l­ einheiten ergeb en sich die M eth o d en ih rer A u sw e itu n g und d am it die D arstellu ngsform en sin n en fä lliger G estik ü b erh au p t. D ie G em ü tsb ew eg u n gen verm ögen dabei zu zuständlichen K o m p le x e n an zu sch w ellen , deren Sinn eben so gu t w ie in arabesker G eb ärd en a u fza h lu n g auch in d er allgem ein sten F orm el w ied ergegeb en w erden kann . B ei L a ja m o n herrscht tatsä ch lich die F orm el d ort vor, w o die A ffe k tg e b ä rd e offen bar ihres p ejorativen G ehalts w e gen au sgesch altet bleiben soll. Z u d em feh lt es bei L a ja m o n auch noch am a u s g e p ia g t zw eiseitigen , seelisch-körperlichen E rfa ssen der G em ü tsb e w eg u n g e n ; A ffe k te und ihr A u s ­ d ru ck verschm elzen n och n ich t v ö llig zur G esam tvo rstellu n g. D es w eiteren sind fü r L a ja m on die E in zelgeb ärd e n , die sp äter als stereotype A u sd ru ck sfo rm e n bestim m ten G em ü ts­ b ew eg u n g en zu gehören , n o ch kein fixierter ko n ven tion eller B estan d. D a g e g e n scheinen L a ja m o n s F orm eln fü r G em ü tsb e w eg u n ge n m itu n ter an die Sch w eise der alten glisch en

■ ;

D ich tu n g zu erinnern. F reu d eg efü h le verm itteln F orm eln w ie: th e k in g wes an breoste w u n d e r ane b lið e ( L a 3. »7474 f-)

oder ein fach : “ þe wes heo sw a bliöe / sw a heo mes neuere ær on liu e .” 1 F ü r Ir a u e rg e fu h le tritt statt " b liö e ” en tsprechend “ sæ ri” , fü r Ä n g s tlic h k e it “ a d ra d ” ein u s f.*12 D e r A n k la n g an das A ltc n g lis ch e (“ o n b r e o s t e - b liö e” , oder "so rh fu l - o n h e o r t e ” ) ist n atü rlich ä u ß er­ lich. M it der in die P sych e d ringenden, die R eg u n g en des Innenlebens verfolgen d en S c h ­ u n d D arstellu n gsw eise hat solches nichts m ehr zu tun. D ie form elh afte S tarre selbst (m it dem E in b e zu g des E in m aligkeitstop o s w ie im zu letzt zitierten B eispiel) bew eist schon das G egen teil. S o lch e F orm eln verdichten Z u stän d lich es, D a-S eien d es - sie ve rfo lg e n n ich t inneres P ulsieren. In den späteren R o m an zen geh ört solchen G efü h lsform eln - auch denen vom T y p ,,im H erzen fr o h “ - die V o rste llu n g d er G estik u n ab tren n b ar zu ;3 g leich sam zur V erd eu tlich u n g des G efü h ls w erd en G eb ärd en m itgen an n t, und u m g ek e h rt sind die G eb ärd en d urch d ie G efü h lsan g a b e verd eu tlicht. So kom m t es zu d ek o ra tiv ausgew eiteten A u s d r u c k s k o m ­ p l e x e n , d. h. zu r A n h ä u fu n g von G ebärd en- und G efü h lsan gab en . E in beliebiges B e i­ sp iel d a fü r sei das Jam m ern des H erh au d , das u nter arabesker V e rw e n d u n g der geläu figen K la g e g e b ä rd e n w ied ergegeb en ist. E r fä llt in O h n m ach t; d an n h eißt es w eiter: F o r his lord G ij, y 30U telle, S o m ichel sorw e him w a s an, þ a t te lle no m ijt he it nom an . - . þ a n b ig a n his so rw ein ge, H is her h e tar, his hon den g a n w rin g. re ih u n g als typ isch en glisch e V o rlie b e ge k e n n ze ich n et. ( V g l. zu letzt N . Pevsner, T h e E n g lisk n e ss o f E n g lis h A r t [L on d on , 1956], S. 86; H . J antzen , D ie K u n s t d er G otik [H a m b u rg , 1957], S. 24). S o llte in den R o m an zen ein gleich es n ation ales F o rm g e fü h l w a lte n ? 1 V g l. L a z . 11 170, 14816, 2 1 6 6 7 u. ö. , , , v v v v m 2 V g l. L a j . 1 1 2 1 4, 12138, 12688, 12634, 14816 u. ö . F ü r w e itere B e le g e v g l. T a tlo c k , P M L A X X X V I I 2 V g l. z. B. S ir D egrevan t 371 f . : þ e y daun sed and revelid e þ a t n y gh t, / In hert w er þ e y blythe.

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D le erzah ltech n isch en Q u alitäten d er G e b ä rd e in d e r m ittelen glisch en D ich tu n g “ A lla s ! ” he seyd, “ sir G i j ! N o w ich w ot w ele siker-lye þ a t y no sch al þ e n eu er y-se; A lla s ! fo r sorw e w o is m e !” F o r g re te sorw e J>at he hedde H e fei ad o u n on his bedd e. (G . IViv. 4000 ff.).

A lso fo rm elh afte G e fü h lsa n g a b e (um seinen H errn tru g er so g ro ß e n K u m m er, d aß er es n iem an d sagen k o n n te); d a r a u f d ie G eb ärd en („a lsd a n n b eg a n n er m it dem K la g e n - er rau fte das H aa r, h ub an m it H ä n d e rin g e n “ ); d an n fo lg t in v ierze ilig er K lag ea p o stro p h e die S e lb ste rk la ru n g der G efü h le und en dlich w ied er eine verd eu tlich te G eb ärd e („v o r K u m m er, den er h atte, fiel er n ied er a u f sein B e tt“ ). Im fo lgen d en aber sieht nun H erh au d im T ra u m den also b ek la gten G u y in sch reck lich er G efah r, w o rau fh in sich beim E rw ach en sem Jam m er erneuert - m an sollte d och m einen, in nun noch stärk erem M a ß e. A b e r es h eiß t je tzt led ig lich , d a ß er o f his sw eu en g r e t sorw e m a k e d (G. IVm. 4028).

D ie überaus h äu fige form elh afte W en d u n g (“ sorw e m a k e n ” ; oder and erenorts; “ m one m a k e n ” , “ duel m a k e n ” u. ä.) ersetzt einen gan zen A u sd ru c k sk o m p le x , besch w ört seine orstellu ng h erau f; seine E in zelh eiten w ied erzu g eb en ist unn ötig, w eil sie als typ isch e V o r ­ stellu n g m itgegeb en sind. W enn es im L a u d Troy B oo k vom den R a u b der H elen a bejam m ernd en M en elau s h eiß t: H e m a d e for h ir g r e t w a y m e n ty n g e, he m y jt h not se fo r his g r e ty n g e (3079 f.),

so bed eu tet d er erste A u sd ru c k („e r vo llfü h rte K la g e n “ ) das K la g cv e rh a lte n in sgesam t, w ozu G em ü tsb ew eg u n g, R ed e und G eb ärd en , also auch das W einen , g e h ö r e n ; an die im plizierte A u sd ru c k sv o rstellu n g ka n n der zw eite S a tz an k n ü p fen : „ E r konn te d urch seine T ran en n ich t m eh r se h en .“ Ä h n lich e s schon bei L a Sam on; von dem ratlos-b ekü m m erten K ö n ig U th e r h eißt es einm al fo rm elh aft: o fte he h ine b iþ oh te w h æ t he don m ähte ( L a j. 18 6 9 6 f.),

und seine B ekü m m ern isse w erden a u fg ezä h lt. M it der F orm el fü r N a ch d en k lich k eit ev o ­ ziert d er D ich ter d ie typ isch e G eb ärd e des K o p fn e ig e n s; denn als sich dann der B era ter nähert, m u ß d er K ö n ig in der T a t den K o p f heben, um ihn anzusehen (þe k in g bræ id up h.s chin / and bisah an V lfin ; 18712 f.). Ü b e r den S tä rk e g ra d d er inneren R e g u n g sa g t das A u s m a ß d er G eb ärd en sch ild eru n g nich ts; G eb ärd en sind fu n ktionslose Z u ta ten in der W ie d e rg a b e eines von vo rnh erein feststehenden G em ü tszustan des, der zu g leich seelisch und leiblich gesehen w ird. D a ß d abei die leiblich e Seite g leich b ere ch tig t im B ew u ß tsein steht, ist das N eue in der m ittelen glisch en Sehw eise, die im G ru n d e auch schon bei L a 5am on w irksam ist; denn w o im B r u t d as A u sg e d rü c k te die heroische H o ch gestim m th eit ist, e r­ scheint es in leib-seelisch verd eu tlich ter W ied erg a b e. A ls A rth u rs K äm p ferp o se h e ra u f­ beschw oren w ird, h eißt e s : A r ð u r w es aboläe sw iðe an his heorte a n d his sw eo rd C a lib u rn e sw ip te m id m a in e ( L a j. 23975 ff.).

P sych isch er A s p e k t (M u tigsein ) und p h ysisch e M an ifestatio n (W affen sch w in gen ) stehen in bei geordneten S ä tzen nebenein and er, sind die zwei Seiten ein und desselben Z u stand es.

F o rm e n der d eko rativen A u s w e itu n g und kü nstlerisch e G e sta ltu n gsm ö glich k e ite n

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D ie d ekorative A u sw e itu n g der A ffe k tg e s tik oder der heroischen Pose arbeitet m it dem T o p o s des K a t a l o g s . 1 M an reiht, u m den K lag en d en darzustellen, die geläu figen K la g e ­ geb ä rd en und G efü hlsform eln aneinander, g a r oft ohne Sin n fü r die R ea litä t der G ebärden (s. o. S . 103). U n d die H eeresrepräsen tation vo r der S ch la ch t etw a (s. o. S. 73 f.), deren Sin n g leich fa lls a u f die kn ap p ste F orm el g eb ra ch t w erden kan n („sie form ierten die S c h la ch to rd n u n g “ ), w a lzt d ie Gest H ystoria le zu m K a ta lo g der H eerfü h rer und ih rer E in ­ heiten aus. Ihre rein d ekorative F u n k tio n u ntersch eid et diese H eereskatalo ge vom K a ta lo g des hom erisch en E pos. W ohl steck t im S ch iffsk a ta lo g im zw eiten G esa n g der Ilia s die heroische M an ifesta tio n ; aber eine A b k ü r z u n g w äre n ich t ohne den V erlu st der epischen W e lt d en kb ar. D enn der S ch iffsk a ta lo g b ezieh t V e rg a n g e n e s u n d Z u k ü n ftig es, räu m lich E n tfern tes, ja ein W eltb ild ein. M ittelen g lisch e H eeresk a talo ge w ie die in der G est H ystoriale d a g e g e n erfassen n u r das g e g e n w ä rtig e S ta d iu m d er R ep räsen tation , sie sind n u r die d ekorative A u sw e itu n g der m ach tm an ifestieren d en G eb ärd e. D ie alliterieren den D ich tu n g en des 14. Jah rh u n d erts m achen dieser d ekorativen A u f ­ sch w ellu n g die traditionellen stilistischen E igen a rten der S ta b reim d ich tu n g zun utze. Z w a r g reift die m ittelenglische alliterieren de E rn eu eru n g alte Stilm ittel der S ta b reim d ich tu n g auf, sie w en d et sie aber a u f eine v ö llig verän d erte V o rstellu n g sw eise an. Im B e o w u lf g ab es kein V erw e ilen a u f der G eb ärd e, kein F ortsp in nen ihrer V o rstellu n g in d er V a ria tio n , w elch e doch die G em ü tsb ew eg u n gen so u nerm ü dlich a bw an d elte, keine B e to n u n g durch das H ineinstellen d er G eb ärd em itteilu n g in die staben de T o n stelle des V erses. A ll dies ist in d er m ittelen glisch en alliterierenden D ich tu n g von G ru n d a u f anders. D e r S ta b reim kettet hier G ebärd en- und G efü hlsw örter zu A u sd ru c k sk o m p le x e n aneinander. A llite rie ­ rende A d v e rb ie n häm m ern die G eb ärd en vorstellu n g ein; G a w a in im allit. M orte A rth u re , der sich zum K a m p f au fra fft: H e d resses hyrn d r e rily ( A fA . 2969) ;

der sch u ld b ew u ßte M od red, nach d em er G aw ain getö tet h a t: F u m e s hym fu rth e d ie , . . . w e n t arepand a w a y e ( M A . 3887 f.);

die jam m ernd e G u in evere: GVonys full ^ ry s e ly w ith ^ re ta n d teres ( M A . 3912) ;

der klag en d e P riam iu der Gest H ystoriale: ffull te n d u rly w ith A r is /ynt m y ch c w a tu r A n d ?7zournet full /vzekuíl . . . ( G H D 7 7 1 7 1 f.).

S ta b en d e T ierb ild er verstärken den E in d ru ck der G eb ärd en. V o n dem aufbegeh ren d en A rth u r heißt cs, er A u k e d as a iyon a n d on his /yppe b y tes ( M A . 119);

von dem w ütenden K e n ta u r : H e neyt as a « a g g e , a t his

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th rilles ( G H D T 7 72 7 ).

D erart durch die A lliteratio n zu sam m en geh alten e A u sd ru ck sg eb ild e sum m ieren sich zu stabenden K o m p lex en . D ie K la g e des A ch illes in d er G est H ystoriale besteht aus M y ch e tf/eping a n d wo, M/aylyng o f teris ( G H D T 7155),

V g l. C urtiu s, S. 236 u. ö

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D ie erzähltechn isch en Q u alitäten der G eb ä rd e in der m ittelen glisch en D ic h tu n g

w obei die a b strak te B ezeich n u n g des T rau erzu sta n d es (wo) ein gesp an n t ist zw isch en die B ezeich n u n gen fü r den kö rp erlich en A u sd ru c k —vo rau s die allgem ein ere V a ria n te (w epin g), d an ach die bild h a ftere (w a ylin g ö fte re s). D och die E in zelb ezeich n u n g en erscheinen g le ic h ­ g ü ltig ; entscheidend ist der G esa m tein d ru ck . D e r D ich ter des allit. M orte A r th u r e treib t dieses V e rfa h re n n o ch w eiter, indem er staben de A u sd ru c k sk o m p le x e ba ro ck aufeinand ertü rm t; d ie k la g e n d e A m m e a u f M o n t S a in t-M ich el ist A w ery w a fu ll te/edowe, a try n g a n d e h ire han dez A n d g r e ta n d e on a g ra u e g r y s e ly teres (M A . 950);

auch die P erson als typ isch e K la g e fig u r (W itw e !) und der K la g e o rt (G rab ) sind in den a lli­ terieren den K o m p le x ein b ezo gen . O d er m an sehe, w ie das A u sd ru ck sv e rh a lten des k la g e n ­ den A r th u r a n gesich ts seiner in d er S ch la ch t gefallen en R itter uns in staben der W u ch t en t­ g e g e n tritt; A rth u r Z o k e d e on th ey re /igh a m es, a n d w ith a /ow de steucn . . . T h e n he río ta y s fo r m ade, a n d all his j/ re n g h e faylez, Z o k e s v p e to þ e /yfte a n d all his /yre c h a u n g e s ; D o w n n e he sw eys fu ll .ra/ythe a n d in a sa/oun fallys, V p e he zoueris on ^neys and kryes fu ll often { M A . 4269 ff.).

M a n d a r f in solchen ü berau s starken K o m p le x e n kein esw egs einen R ealism u s der G e­ bärden sehen w ollen . W oh l w ird der G efü h lszu stan d auch höchst k ö rp e rlich vo rgestellt. A b e r diese V o rste llu n g setzt sich n ich t aus w irk lich b eobach teten E in zelh eiten zu sam m en. D ie staben den A u sd ru c k sk o m p le x e bestehen, w ie d ie K o m p le x e der R eim rom anzen, aus K a ta lo g e n typ isch er, g efü h lsverd eu tlich ter G eb ärd en , die oft der Z u fa ll der A llitera tio n zu sam m en b rin gt. D em K a ta lo g to p o s kom m t d abei das P rin zip der V a ria tio n en tg eg en . V a ria tio n — die W ied erh o lu n g einer S a ch e in im m er w ied er neuen, staben d a n ein an d ergeketteten W en d u n — eine S tileig en tü m lich k eit aller alliterierenden D ich tu n g . A b e r g a n z im G eg en sa tz zu r V a ria tio n im B e o w u lf w ird sie nun zu m stilistischen V e h ik e l d er M itte ilu n g von G e ­ bärd en kom p lexen . E in und d ieselbe G eb ärd e kan n variieren d h ervo rgeh o b en w erden, wie z. B. das W einen des A le x a n d e r durch die S yn o n ym a “ w e p en ” und “ g re te n ” : A n d A le x a n d e r o y on-ane « u g ir ly he wepis, A n d g retis for him as ^ re u o u sly as he him g e te n h ad e {IV. A le x . 972 f.).

E ben so w ird d ie zerem onielle G eb ärd e, w ie A n ten ors A u fsteh e n zu r R ede, beh and elt: "þen þ c tra y tu r A n te n o r titly con ryse, jfe r k y t on f o t c , a n d to þ e fre sayd e . . . { G H D T 1 1 258 f.).1

O der, u m bei den G em ü tsb ew eg u n gen zu bleiben, d ie V a ria tio n en sind die versch iedenen A s p e k te der A u sd ru c k sv o rstcllu n g : T h a n sir G a w a y n gretes w ith h is gray eghen . . . F o re th e c h a rry ch ild e so his chere chawngi.de, T h a t the ch illa n d e w atire on h is chekes rynnyde { M A . 2962 ff.).

’ D ie V a ria tio n d er G eb ärd e des A u fsteh e n s ist stilistische B eson d erh eit des m e.

D ich te rs;

die Q u elle

gibt n u r d ie sach lich e A n r e g u n g : “ T u n c su rrex it A n th e n o r et stan s d ix it h ec verba” (G u ido, S. 219).

F o r m e n d e r d e k o r a t iv e n A u s w e it u n g u n d k ü n s tle r is c h e G e s t a lt u n g s m ö g lic h k e it e n

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D a s E in setzen des A ffe k ts (chore ch aw n gid e), allgem ein e G eb ärd en b ezeich n u n g (W einen) und sin n en fä lliger A u sd ru c k (tränenbenetzte W an g en ) sind d ie G lied er der V a riation skette. N ich t n u r im B e o w u lf w ü rde m an v e rg eb lich n a ch Stellen suchen, wo die Stilm ittel der S ta b reim d ich tu n g solcherm aßen den A u sd ru c k sk o m p le x ergreifen ; auch der V e rg le ic h m it alliterieren den G eb ärd en stroph en , w ie sic in d er E d d a Vorkom m en, zeigt nur die g ru n d ­ sätzlich e U n tersch ied lich k e it der m ittelenglisch en D arstellu n gsten d en zen von den alt­ germ an isch en . In H a m ð ism á l sch ild ert eine gan ze G eb ärd enstrop h e die polternde A u f ­ fü h ru n g des E rm a n erich (Jön m m rek) bei d er A n k u n ft der b lu td ü rstigen H alb b rü d er: H ló þ á Ig rm u n re k k r, h en d i drap á k a m p a, b eid d iz at brcjngo, b g ð v a ð iz at v in i, skó k ham i sk g r iarp a, sä á ski old hvitan , lét h a n n sér i hendi h v a rfa k e r gullit. (Str. 20) ( D a la ch te der G oten fü rst, / g r iff in den B a rt, n ich t rie f er zu den W a ffe n : / g e re izt w a r er vom W e in e ; er sch au te a u f den S ch ild , / er sch ü ttelte das B rau n h aar, er sch w en kte in der H a n d / die S ch a le vom G olde. - Genzm er).

O der T h o r beim E rw a ch en , als er den H am m er n ich t vorfind et: R e ið r v a r þ á V in g þ ó rr , er han n vakn aö i o k sins h ám ars um s a k n a ö i: s k e g g n am a t hrista, sk g r nam a t d v i a ­ re ö Iarð ar b u rr um a t þ reifaz (þry m sk riða , Str. 1) (G rim m w ard d a W in g th o r . . . E r sch w a n g das H a ar, / er sch w en kte den B art, jäh g r iff er um sich . . . - G enzm er).

A n Stellen w ie diesen gleißen visuelle E in d rü cke von E in zelb ew eg u n g en b litza rtig a u f; sp rach lich -stilistisch sind sie einm alig, n ich t konvention ell festgeleg t. V a ria tio n der G e ­ bärden in der E d d a erzeu gt eine d yn am isch e W irk u n g . D y n a m isch ist ja auch die V a ria tio n (der G em ü tsb ew egu n gen ) im B e o w u lf; sie fü h rt w eiter, sie en tw ickelt, sie d rin g t im m er tiefer. - N ich t so die V a ria tio n in den A u sd ru ck sk o m p lex en d er m ittelenglisch en S ta b reim ­ d ich tu n g . D iese sind etw as Statisch es, etw as Z u s tä n d lic h e s; dort g ib t es ,,Z o rn " oder „ T r a u e r “ ; d ie V aria tio n en beleuchten „ Z o r n “ oder „ T r a u e r “ von verschiedenen Seiten . A u c h fü r d ie zah lreichen alliterierenden G eb ärd eform eln aber, die in den m ittelenglisch en S ta b reim d ich tu n gen die A u sd ru cksvo rstellu n gen abkü rzen , lassen sich aus d er alten glischen D ich tu n g so g u t wie keine P aralellen beibringen, wohl aber w ortw örtlich e E n tsp rech u n gen aus den R eim rom an zen .1 D ie m ittelenglisch en Sta b reim d ich tu n gen greifen eben n u r d ie form alen Stilm ittel der alten T rad itio n auf, um sie a u f eine neue Seh- und D arstellu ngsw eise anzuw enden , w elche m it d erjen igen der R eim rom an zen ü bereinstim m t und w elch e von der Z u stän d lich keit der G efü hls- und G eb ärd en vorstellu n g und letztlich auch von der S tarre des reihenden K o m p ositio n sp rin zip s her b ed in g t ist. N eben der A u sw e itu n g zum zuständ lich en K o m p le x g ib t es - nam en tlich im B ereich der zerem oniellen G ebärd en - diejen ige zu r S i t u a t i o n s b e s c h r e i b u n g . A u c h hier bleiben die G eb ärd en d ek o ra tiv und tragen kein e neuen A s p e k te in den inneren Sinn der zerem o­ niellen H a n d lu n g . U m das Beispiel des E m p fan gszerem on iells, das auch fü r das B eo w u lf­ epos heran gezo gen w urde, noch einm al a u fzu g reife n : das zu B egin n von G H D T geschil1 V g l. T a t lo ck, P M L A X X X V I I I , 518 f. und die Z u sa m m en stellu n gen b e iO a k d e n , B d . I I, S. 195 f f .; S. 263 ff. M ünchen A k. A b h . phil.-hist. i 9S 9 (H abicht)

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I lic erzäh lteclm isch en Q u a litä ten d er G eb ä rd e in d e r m ittelen glisch en D ich tu n g

d erte Zerem oniell bei der A n k u n ft Jasons vo llzieh t sich in ä h n lich er S tu fe n fo lg e w ie das am A n f a n g d er B eo w u lfd ich tu n g . E s lie g t auch d ie g leich e A u sg a n g ssitu a tio n v o r: die A n k u n ft des H elden , d er gro ß e T a te n vo llfü h ren w ird. A b e r erzäh ltech n isch ist n u n alles anders. E s b egin n t ( G H D T 316 ff.) m it auslad end en B esch reib u n gen des E m p fa n g so rte s; die A n n ä h e ru n g an den E m p fa n g so rt g ib t A n la ß zur P erso n en b esch reib u n g der A n k ö m m ­ lin ge. D ann hören w ir D etails aus der A b fo lg e der zerem oniellen G ebärden - das h ö flich e E n tg e g e n g e h e n des A etes (363 ff.), der G ru ß m it en tb lö ßtem H au p t, die U m a rm u n g (367), das G eleiten in d ie H alle (368), d ie tiefe V e rb e u g u n g der eintretenden D a m e (393). K ein e dieser vera n sch a u lich ten G eb ärd en steht in S in n b ezu g zum G esam tgesch ehen, w ie das beim B eo w u lfem p fa n g d er F a ll wa r ; alle sind sie d ekorativ. D e r zw eite E m p fa n g Jasons - d er nach v o llb ra ch ter T a t - kann d ah er aufs K n a p p ste k o m p rim iert w erden, ohne an innerem H a n d lu n g sw ert ein zu b ü ßen (963 f.). Ä h n lic h w erden rech tlich e H a n d lu n g en zur F o lg e rech tssym bo lisch er G eb ärd en a u s­ gew eitet. B eim E id z. B. - w o er E rzä h lein h eit ist, also tatsä ch lich rech tlich e H a n d lu n g und nicht rhetorische E m p h ase w ie oft in den A b sich ts- und D ro h red en - hören w ir g ele gen tlich von den G eb ärd en des Sch w u rzerem o n iells. N a ch sächsischen R ech tsd en km älern sind dies das B erü h ren des R eliq u ien kästch en s oder d as Z eig en d a r a u f (in den en glisch en R o m an zen ben utzt m an öfter noch die B ibel), sowie das E rh eb en d er S ch w u rh a n d bzw . d er S c h w u r­ fin g e r.1 Z u m G elöbniseid vo r d em K r ie g g egen die Sach sen in L a ja m o n s B r u t erhebt sich K ö n ig A r th u r ; er h eiß t R eliqu ien h erb eib rin g en ; er k n iet nieder, er h eb t die H an d und sch w o rt.2 D as A u sg e w e ite te sind nun aber zu m eist g a r n ich t diese eigen tlichen rech ts­ sym bolisch en G eb ärd en ; vielm eh r w erden eh er die u n tergeordn eten B eg le itv o rg ä n g e um der S itu atio n sb esch reib u n g w illen a u fgefü h rt. D a s einleitende H erb eih o len der R eliq u ien w ird am bereitw illigsten auslad end g esch ild ert. D ies aber ist gerad e die bloß e S itu a tio n s­ b ew egu n g, nicht die w esentliche S y m b o lg eb ä rd e bei der S ch w u rh a n d lu n g . In diese vorg ä n g h eh e S itu atio n sb esch reib u n g fließt d ie innere B ed eu tu n g des E idzerem on iells ab. In der w ich tigen T reu eid szen e ( L a 5am on 22859 ff.) ist das R eliq u ien h erb eib rin g en das ein zige was sin n en fä llig au fleu ch tet. In den R o m an zen ist solche S itu a tio n sb ew eg u n g noch m ehr g ew eitet und m it B esch reib u n gen und K a ta lo g e n geziert. A ls im L a u d Troy B oo k (861 ff.) M ed ea dem, Jason den E id a u f sein E h eversp rech en a b verla n g t, sehen wir, w ie sie bed eu ­ tun gsvoll d ie K a m m e rtü r verriegelt, dan n einen starken K asten h ervo rh o lt und diesem ein G ö tterb ild entnim m t, a u f das Jason sch w ören soll u n d dessen leu ch tend e P ra ch t d er D ic h ­ ter u m stän d lich a u sm alt; d ie eigentlichen S ch w u rg eb ä rd en h in g eg en deutet n u r eine ab strakte F orm el an (881 f.). U n d in G. IVw. h eißt es von den eid ablcgen d en H eld en im A n s a tz zu k a ta lo g a rtig e r A u sw e itu n g : A fte r J e relikes J a i sende, J e corporas, a n d þe m esse gere, O n J e halidom J a i g u n sw ere (G. W w. [A ] Str. 253,3 ff-).

In der V ersio n der C aiu s-H s. ka n n es d a fü r an d er entsprechenden Stelle abkü rzen d h e iß e n : ,,E s w ard das B u ch vo r sie g e b ra c h t“ (T h e booke w as b r o u jt hem be-for:ne; C 10574). D arin , d. h. in seiner ve rg ä n g lich e n S tu fe, verd ich tet sich das g a n ze Z erem oniell des E id s. D a ß in L M A M od red dem abreisenden A rth u r den T reu eid schw ören m uß, sa g t e in z ig die fo im e lh a fte Z eile gleichen In h a lts: “ w as A boko by-fore h ym b ro u g h t” (2521). D ie w eiter V g l. dazu V . A m ir a , S. 227 ff.; fern er: E. F rh r. v. K ü n s sb e rg , Schw urgebärde u n d S ch w urfin gerd eu ­ tu n g (F r e ib u r g i. B r., 1941). 2 V g l. La;;. 1 9972 ff.

F o rm e n d e r d e k o r a t iv e n A u s w e it u n g u n d k ü n s tle r is c h e G e s t a lt u n g s m o g lic h k e it c n

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en tsinnlichte A b k ü r z u n g heißt d an n fo rm elh a ft: er sch w or beim B u ch e.1 W en iger h äufig findet sich statt dessen d ie form elh afte V e r k ü r z u n g a u f die sym bolisch e H a n d g eb ä rd e bei L a ja m o n schw ört V o rtig ern “ bi his h on d en ” ( L a 3. 1 316$) * In den R o m an zen ist öfter - v ö llig a n sch au u n gslo s - d ie G o tth eit gen an n t, bei d er m an sch w ört (. . . and sw or be god in trin ite; B ev. Harnt. 247s)-12 3 B ei L a ja m o n h eißt es zum eist in ab strakter A b k ü r z u n g : „ S ic schw oren E id e “ (aðcs heo sw oren).4 M a n könn te zw ar verm uten, die A u sw eitu n g , oder die form elh afte A b k ü r z u n g , d er Sch w u rszen en sch ild eru n g beruhe a u f tatsäch lich en rechtlichen G ep flogenheiten . W irk lich ken n t z. B . das frän kisch e R e c h t sow ohl einen ausfü hrlichen E idesritu s (B erü hren des R eliqu ien kästch en s) wie auch ab gek ü rzte Form en, w elch letztere im sp äten M ittela lter w e it verb reitet sin d.5 A b e r fü r d ie D ich tu n g ist die A b b re v ia tu r - oder A u sw e itu n g - d er S ch w u rg eb ä rd en eben ein erzahltechnisches P h än o ­ m en, w eil es dabei g a r n ich t a u f die sym bolisch e V e r tie fu n g des R itu s selbst, sondern auf seine v o rzü g lich d ekorative U n term a lu n g ankornm t. In ähnlicher W eise w ird auch anderes zerem onielles G esch eh en hier a b stra k t oder d urch eine fa st an schau u n gslose A n d e u tu n g verm ittelt, dort ins V o r g ä n g lic h e und B esch reibend e ausgew eitet. S ch ild eru n gen von U n terw erfu n g en etw a breiten den A k t des d em ü tigen S ich -N a h en s des B esiegten a u f den S ie g e r zu aus und reihen D em u tsg eb a rd en anein an der w ie im F a lle der U n terw erfu n g O ctas und d er Sach sen unter K ö n ig A u re liu s bei L ayam o n (16759 ff.) das A b le g e n der G ew an d u n g, die F orm des H eransch reitens (zu zw eien h in ter­ einander), das T ra g e n der sym bolischen K ette um den H als, das H in treten vo r den K ö n ig , d as N ie d e rk n ie n ; letztere G eb ärd cn fo lge ist überdies ged o p p elt, indem sie u n m ittelb ar vor d er d irekten S ch ild eru n g schon in O ctas A b sich tsred e erscheint. A b e rm a ls m G. W w. geh t ein en tsprechender B erich t - im F a lle der U n te rw e rfu n g S e g y n s (2598 ff.) - m n och w ei­ tere E inzelheiten . A b e r auch fü r die U n terw erfu n g ssitu a tio n ist die g eb ärd en kü rzen d e D a rstellu n g ebenso üblich - bei L a y a m o n wie in den R om an zen , wie auch etw a in W. A le x ., wo jede der zahlreichen U n terw erfu n g en europäischer und a frik a n isch er V o lk e r steieo typ m it der E rw ä h n u n g der T rib u tg a b e endigt. D ie ausw eiten den Situ ation sb esch reibu n gen veran sch au lich en auch W i r k u n g u n d R e s o n a n z der G eb ärd e. D ie D rein sch lag eg eb ä rd en der R o m an zen h elden setzen sich im F lu g der abgeh au en en F ein d esköpfe und -glieder fo rt (s. o. S. 82). D er A u ftritt von A le x a n d e rs schlachtbereitem H eer ist so g e w a ltig , d aß die Pferde tän zeln .6 D en K la g en d en sind vo m W ein en die K le id e r d u rch n äß t,7 das B lu t sp ritzt beim H än d erin gen aus den F in ­ g ern .8 D as K la g e g e b a re n eines E in zeln en geh t selten v o r sich, ohne d aß die U m g e b u n g m itk la g t, m itw eint und sieb m itg eb ärd et (s. o. S . 103). E m otio n ale G ebärd enreson an z erhalten auch die zerem oniellen V o rg ä n g e . T y p isch d a fü r ist die G este des verw un derten B etrachten s d er vollführten G eb ärd en d urch das V o lk . A n g esich ts des E m p fa n g szerem o ­ niells bei der A n k u n ft Jasons und seiner G efäh rten in C o lch is g a fft d as V o lk in n e u g ierig em E rsta u n en : 1 V g l. H av. 2307 t: O bok fu l g ru u d lik e he sw ore / p a t h e sliolde w ith him h a ld e ; v g l. ebd. 2127, 2781; Y iv a in a n d Ga-wain 1947; A r th o u r a n d M e r lin 1629; M e r lin P. 2344 u. o. 2 V g l. au ch L a j . 6572, 1 5 8 7 4 ; G. W w. (C) 8437; A th elsto n >54 3 F ü r w e itere B e le g e hierzu v g l. S ch m irg el, E E T S , E S L X V , S. X L V I H . 4 V g l. L a 3. 4100, 5041, 5160, 6170, 1 6891 , 1 9 3 4 4 , 2 1 9 45 , 2 2 5 5 3 u. ö .; v g l. au ch 704, 5165, 2 0 2 16 , 2 2609 u. 5 . 5 V g l. v. A m ira , S. 228 b « V g l. W .A le x . 2618. •> V g l. G H D T 5869 f. 8 V g l. Ytuain an d G aw am 821.

4 7 57° ,

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D ie erzä h ltech n isch en Q u alitäten d er G eb ärd e in der m ittelen glisch en D ich tu n g A s þ a i p ast on th e p a ym en t þ e p ep u li beheld, H a d e n w o n d er o f the w e gh es . . , (G H D T 352 f.).

D esgleich en gesch ieh t cs in G G K an gesich ts des G eb aren s des a n ko m m en d en G rünen , erS ^ 3 7 ’ 2f 2')’ D cn erw ah nten B ü ß g a n g des H erzog s S e g y n u nterm alt au ch die Gefu h lsrca k tio n des V o lk e s : „ E r w a r f den M an tel ab - m an ch einer spürte d aro b gro ßes 11:1c i d , er stan d im B ü ß erh em d e d a - er w ard d arum g a r sehr b e k la g t.“ 2 D a s G u te­ n a ch tsa g en G a w a m s n a ch dem fröh lich en G e la g e zu A s c a lo t b eg leitet geh ob en e S tim ­ m u n g und F ro h lich sein (A b o u te h ym w as g am m e and p la v ; L M A 6 11). D o ch au ch d ie R eso n a n z fa llt in den a b ge k ü rzten E rzäh lein zelh eiten ohne geh altlich e E in b u ß e unter den lis c h . A ll diese M eth o d en der d ek o ra tiven A u sw e itu n g in d er G eb ärd en d arstellu n g en tw ickeln sich im R ah m en d er geschlossenen E rzäh lein h eiten , die fü r die reihende E rzäh lw eise der m ittelen glisch en D ich tu n g ch a ra k teristisch sind, einer E rzäh lw eise, w ie sie im G ru n d e fü r L a 3am ons V ersch ro m k ebenso w ie fü r die R o m an zen a p r io r i g egeb en ist. H ier liegen die G ren zen fü r die m ittelen glisch e G eb ärd en d arstellu n g - aber auch die E n tw ick lu n g sm ö glich keü en . D ie G ren zen : w eil in der isolierten E rzä h lein h eit die G eb ärd e n ich t jen e epische P oten z anzun eh m en ve rm a g, k ra ft derer sie selbst im gebärd en arm en B eo w u lfep o s in die G esam tw elt des G eschehens h ineinstrahlte. G a n z verein zelt - w ie im allit. M orte A r th u r e w ird etw as von. jen er epischen Q u a litä t zu rü ck ge w o n n en ; d aran die allein ig e W ertu n g zu knüpfen, h ieße d ie M ö g lich k e ite n des reihenden Stils, bzw . d er neuen G a ttu n gen (R eim ­ chron ik R o m an ze, V ersro m an ) verkennen. E ine ästhetische W ertu n g h at vielm eh r die vo rgeg eb en en E n tw ick lu n g sm ö g lich k eiten der G eb ärd en d arstellu n g zu berü cksich tigen sie hat zu fra gen , m w elch em M a ß e die einzelnen D ich ter der d ek o ra tiv ausgew eiteten oder d er fo rm elh a ft verdich teten G eb ärd en w ie d erg ab e erzäh ltech n isch e F u n k tio n en ab gew in n en und sie dem S zen en b a u , d er K o m p ositio n oder der C h a ra k terisieru n g n u tzb ar m achen. • B t VCT ,W dlG A n sa tze zu solch er N u tzb a rm a ch u n g au fzu d ecken versu ch en , ist noch a u f ein P ro blem ein zu geh en , das sich h ier a u fd rä n g t. Ist es zw ar rich tig , d a ß es nichts am inneren H an d lu n g sw ert, am „ G e h a lt “ der E p iso d e ändert, ob die G eb ärd en ausfü h rlich ve ra n sch a u lich t oder ob sie a b g e k ü rz t sind - so w ird m an sich doch beim B etrach ten einer D ic h tu n g als G a n zh eit u n w illk ü rlich fra gen , w aru m denn im einen F a ll die ku rze, im ande­ ren die auslad en d e D a rstellu n g sfo rm fü r die G estik g ew ä h lt ist. V erm ittelt n ich t gerad e eine sin nreich e A b w e c h slu n g von a b strak t-ged rän gter und auslad en d -besch reiben d er Geb ard end ars tellu n g eine innere Polarität: des Sch au en s und D en ken s - der die Z w eih eit vom a ktiven und ko n tem p lativen L eb en der M oralleh ren en tsp räch e , deren sinnreiches Z u ­ sam m end asein das L e b e n sg e fü g e d er D ich tu n g ausm acht ? D och ist auch dies eine k e im ­ hafte E n tw ic k lu n g sm ö g lich k eit fü r die G eb ärd en ku n st, die sich in den R o m an zen zum eist n ich t en tfaltet. V e rg e g e n w ä rtig e n w ir uns d ie T atb estän d e. Es g ib t au ch R o m an zen , die a u ssch ließlich im K u rz stil erzä h lt sind. S o ist es im sp ätm ittelenglisch en A r th u r ; alles ist g ed rä n g te D a rste llu n g ; zu m V erw e ilen bei der G eb ärd e b leibt keine Z e it; n u r hier und da steht eine k n a p p e heroische Pose oder d ie A n d e u tu n g einer zerem oniellen F u n d am en talg eb a rd e (194, 277). Ä h n lich e N e ig u n g zum abkü rzend en E rzä h lstil u ntersch eid et z. B . 1 1 V g l. au ch G. W w. (C) 2622. T h a n he th rew e his m antel! of: M a n y m an h ad g re te rew tlie therof. ln his sherte h e stode a llon e: F o r him w as m a d e m ikell m one (G . IVw. [C] 2611 ff.).

F o rm e n d e r d e k o r a t iv e n A u s w e itu n g u n d k ü n stle risch e G e s t a lt u n g s m ö g lic h k e lt e n

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das m ittelen glisch e R o la n d sfra g m en t von seinem großen französischen V o rb ild . D ie daraus resu ltieren de allgem ein e G eb ärd en arm u t der m ittelenglisch en V ersio n 1 beruht eben a u f der R e ih u n g des A b g e k ü rzte n und ist fo lg lich g a n z anders b ed in gt als die G efü h lsgeb ärd en ­ arm ut im B eo w u lfep o s, w o die G eb ärd e a u f G ru n d innerer L eb en sh a ltu n g und ihrer U m ­ se tzu n g in den S til v e rd rä n g t und d u rch son stige A u sd ru ck sfo rm en ersetzt w u r d e .- F ü r das andere E x trem , d. h. fü r eine aussch ließlich e V o rh errsch aft des die E rzäh lcin h eiten aufschw ellend en Stils, m it einem b arocken Ü b e rsch w a n g in der d ekorativen G ebardendarstellu n g - fü r dieses lau te E x tre m g ib t es freilich in der m ittelenglisch en D ich tu n g (von dem noch zu behand elnd en G G K abgesehen ) k a u m ein so eindeutiges Beispiel. Z w ar nähern sich ihm die B ea rb eitu n gen des T rojasto ffes oder die Ipom edon rom an ze. A b e r das ab­ kü rzen d e P rin zip ist d och ü berall w irksam - w irksam er als in m an ch en m ittelhochdeutschen vorhöfischen und S p ielm a n n sd ich tu n g en ; sollte m an darin eine en glisch e E igen a rt er­ b licken können, der die V o rste llu n g vo n u n au fh ö rlich grellem und ü bersch w englich em G eb aren w esensfrem d ist ? . . . So w echseln denn im M ittelen g lisch en A u sg ew eitetes und G ed rän gtes zu m eist m itein­ ander ab. D ie U rsach en fü r diesen W echsel scheinen nun freilich in vielen R o m an zen nicht im G eh a ltlich en bzw . im kü nstlerischen A u ssa g e w ille n zu liegen . Im F a lle der oben an aly­ sierten P arallelepisod en aus H avelok d ü rfte die gestisch e A b k ü r z u n g der zw eiten E rzah leinheit h a u p tsäch lich dem B ed ü rfn is n a ch W ied erh o lu n gsverm eid u n g entspringen. D a ­ bei h a t sich allerd in gs g ezeig t, daß m an bei solch w ied erh olu n gsm eid en d er A u ssch a ltu n g des d ekorativen G eb ärd en m aterials unter B eib e h a ltu n g der en tsinnlichten K ern g eb a rd e g a r g esch ick t zu W erk e zu gehen versteht. D a s lä ß t w oh l den S c h lu ß zu, d aß jenes V e r ­ fah ren als erzählerisches B ed ü rfn is em pfun den w u rde und n a ch g erad e zu einer lc c h n ik a u sge b ild et w ar. F r e ilic h : sinnreich im R ah m en des G esam tw erkes d u rch g efu h rt ist es in R o m an zen w ie G. W w ., B ev. Harnt-, L M A oder den A le x a n d e r- und T ro ja -R o m a n en fur g ew o h n lich nicht. Serien w eise anein an dergereih te g leich fö rm ig gestaltete E rzäh lem h eiten m achen d a o ft einen a rg m onotonen E ind ruck. D ie F o lg e der U n terw erfu n g en , d ie m W. A le x . A le x a n d e rs diverse K rie g s zü g e d urch E u ro p a und A fr ik a krönen, sind allesam t vo n einfallsloser E in fö rm ig k eit. D ie A u ssag em ö glich k eiten , die der W ech sel von A u s g e w e i­ tetem und A b g e k ü rzte m m it sich b rin gen könnte, bleiben u n gen ü tzt. G eleg en tlich m a g auch die g leich fö rm ig e F o lg e einen E ffek t zeitigen, w ie w enn im strophischen Morte. A r th u r G u inevere sich einm al der R eih e n ach vo r allen edlen K ä m p en des H ofes erfolglos d em ütigt, w obei jedesm al in eind rin glichem S ta k k a to die gleich en G eb ärd en veran sch au lich t w erden ihr Jam m ern und W einen, ih r K n ie fa ll, ihr verzw eifeltes S ich -A b w en d en (L M A 1340 «•)• A b e r es ist auch da fra g lich , ob ein solcher E ffek t in der K u n sta b sich t des D ich ters gelegen ^ Z u w e ile n veranlassen w ohl auch m ehr periphere T rie b k rä fte h ier zur A u sw eitu n g , dort zur B esch n eid u n g der G eb ärd en. In H avelok ist es sicher nicht zu letzt ein n ation ales B ew u ß tsein , das dem D ich ter ein gib t, die schon erw äh nte 82-zeilige B esch reib u n g des en glisch en K ö n ig s A th elw o ld (2 7-10 9 ) in d ekorative R ep räsentation auszu w citen und dann die parallele B esch reib u n g des D än en kö n igs in ach t Zeilen zu pressen ( 3 3 9 - 4 7 ). die dcn gleich en In h alt als dürres G erip p e hinsetzen. D en n o ch liegen auch im W echsel von E rzäh lein h eiten m it ausgew eiteter und solchen m it v e rk ü rzter G estik fru ch tb are G estaltu n gsm öglich keiten , deren g elegen tlich g e g lu c te N u tzb a rm a ch u n g uns n och b esch äftigen w ird. E rw eist sich doch das P h än om en des W ec sels von A u sg ew eitetem und A b g e k ü rzte m als ein w ich tiges F orm p rin zip m ittelalterlicher 1 1 V g l. H o p p e, S. 141 ff.

1 2Ó

D i e erzäh ltech n isch en Q u alitäten ch'r G eb ärd e in der m ittelen glisch en D ich tu n g

E rzä h lw eise ü berh au p t. W ofern m an n u r sein W esen in der gan zen B reite, und n ich t allein von der G eb ärd e her, erfassen w ü rde, könn te m an n ich t n u r zu k ü n stlerisch er W ertu n g vorstoßen, sondern auch ein m ethodisches In stru m en t zu r K lä r u n g etw a vo n E in flu ß- und Q u ellen fra g en sch affen .1 D ieser W e g fü h rt über den R ah m en der vo rliegen d en A rb e it h in au s; doch eine k ü n ftig e F orm en gesch ich te der m ittelen glisch en D ic h tu n g w ü rde ihn zu verfolgen haben.

3. L A 3 A M O N S

ER R U N G EN SCH A FTEN

UM

DIE

G E B Ä R D E N D A R S T E I. E U X G

D ie starre m ittelen glisch e R e ih u n g h erm etischer E rzäh lein h eiten m it all ihren K o n se ­ quenzen fü r die G eb ärd en d arstellu n g ken nzeichnet, w ie g esa g t, au ch schon L a ja m o n s B ru t] die C h ron ik form dieses W erk es12 b eg ü n stig t überdies die selbstrech tlich e A b g esch lo ssen h eit d er E in zelep isoden und E in zelszen en . In m an ch erlei H in sich t läß t sich hier jedoch a n satz­ weise ein Sin n füi den erzäh ltech nisch en F u n k tio n sw ert d er G eb ärd e erkennen, w o fü r g ew iß der G a ttu n g szw a n g allein n ich t veran tw o rtlich ist. Gebärde und Diktion Im B ereich der G efü h lsgeb ärd en weitet L a ja m o n d ort in K o m p lex e, w o er Böses und A n tih ero isch es dal stellt, und zw ar — das ist seine B eson derh eit g ege n ü b er den R o m an zen — zu m eist in reine G eb ärd en k o m p lexe ohne B eim isch u n g vo n G efü h lsan ga b en . D as scheint doch seine m oralisch -p ejo rative W erta u ssag e d urch die G eb ärd e m it besonderem N ach d i u c k einzu h äm m ern. A n d ers als in französisch en chansons de geste und auch bei W a ce ist es d abei nicht die V ie lfa lt a u fgezä h lter typischer G eb ärd en , w as die S tä rk e sein er „ K o m ­ p lexe ausm ach t, sondern vielm eh r die H e ftig k e it w en iger E in zelgeb ärd en . A n der E rze u g u n g dieser H e ftig k e it hat d ie D ik tio n der G eb ärd en w ie d erg ab e en tscheidenden A n teil. D a s fo lgen d e B eispiel eines G eb ärd en k o m p lexes sch ild ert d ie D e m ü tig u n g d er elenden W eib er der besiegten S k o te n : H eo w eopen on A rð u re w u n d er a n e sw iðe a n d heore u æ x fæ ire w æ ld en to volde curuen heore lo ckes a n d þ e r n iðer Beiden to þ a s k in g e s foten bi-foren al his d u je ð e n n ailcs to heore n cbbe þ a t æ fle r hit b le d d e ( L a j. 21 87 1-80).

G em ü tsb e w eg u n g ist hier nicht erw ä h n t.3 D e r K o m p le x nennt v ier G eb ärd en : W einen, H aa reau sra u fen , N ied erfallen , W a n g en zerk ra tzen . Jeder d er G eb ärd en ist ein selbstän diger 1 W e g e dazu h a t die neuere G erm an istik gew ie se n . V g l. z. B. S. B e y s c h la g , D i e W iener G enesis, S itzu n g sber. d. A k a d . d. W issen sch aften in W ien , philos.-hist. K la sse, 220 (W ien, 1942); H u g o K u h n , „ Ü b e r n ordi­ sche u nd deu tsche S ze n e n re g ic in der N ib e lu n g e n d ic h tu n g “ , F e s t s c h r .f. F . G em m er (H eid elb erg, 1952). 2 Ü b e r den E in flu ß des C h ron ikstils a u f L a ja m o n s E rzä h lk u n st v g l. G illesp y, S. 374 ff. 3 In an d eren G eb ärd e n k o m p le xe n sch ieb t sich a llen falls eine erstarrte „G e fü h ls fo rm e l“ in den a u sg e fü h r­ ten B erich t v o m G eb are n ein; “ þ e r wes . . . heortn e g r a n in g ” , h eiß t es einm al zw isch en an sch au lich en K la g e g e b ä rd e n (vg l. L a 3 . 1 7 7 9 6 E ) .

L a ja m o iis E rru n g en sch aften um die G eb ärd en d arstellu n g

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S a tz g ew id m et; die S ä tze sind V aria tio n en des B en eh m ens der D e m ü tigu n g . D ie A llite r a ­ tion e rfa ß t die g eb ä rd e verm ittelnden W örter. D ie N en n u n g des H aareau srau fen s (oder -abschneidens ?) ist ihrerseits d urch die V a ria tio n g ed o p p elt („u n d ihr schönes H a a r w arfen sie zu B oden, rissen ihre L o ck e n a b “ ); dies ist die von L ag a m o n am lebh aftesten em p fu n ­ dene G eb ärd e; sie ist w o h l auch d er Q uelle gegen ü b er verstärkt (W ace sp rich t n u r von „a u fg elö stem H a a r “ [s. u.]) und ist jed en fa lls h eftige r als das in der stereotypen K la g e ­ g estik ansonsten üblich e H aarerau fen . E s h a n d elt sich also um einen rein körperlich en G eb ärd en k o m p lex, den die M ittel des S tabreim stils (A lliteration , V a ria tio n ) in der schon w eiter oben beschriebenen W eise verstärken. D och dies ist nun n ich t alles. In d er S y n ta x selbst pu lsiert die V o rstellu n g dei G eb ä id e. D ie vier G eb ärd en erscheinen in u n a b h ä n g ig en H au p tsätzen , w elch e teils durch die K o n ­ ju n k tio n „ u n d “ gekop p elt, teils ein fach an ein an d ergereih t sind. D o ch die S atzste llu n g w echselt ab. D e r erste G eb ärd en satz1 (W ein en ; 21871 f.) b eg in n t mit dem S u b jek t (heo), das die gebärd en vo llfü h ren d en Personen bezeichnet. Im zw eiten G eb ärd en satz (H a a iea u srau fen ; 2 18 7 3 1.) stellt die Inversion als O b je k t den von der G eb ärd e betroffenen K ö rp e rteil (heore uaex; ,ihr H a a r') an d ie S p itze ; die V a ria tio n d azu (21875) hat wiedei norm ale S atzstellu n g. D e r dritte G eb ärd en satz (21876 f.) b eg in n t w egen des ausfallen den S u b jek ts m it dem A d verb , das die G eb ärd eb ew egu n g ch arakterisiert (þei niðer læiden), der vierte m it dem O b jekt, das den die G eb ärd e ausführenden K ö rp erteil (nailes) an gib t. Jede der B ew egu n gen scheint von einem anderen A s p e k t ausgeh end b etrach tet zu sein; das ist w ie ein verw undertes A n a lysieren d er G esam tersch ein u n g des G ebarens. E n tsp re­ chend - und noch d arü ber hinaus - w echselt die innere S atzstellu n g. D er erste und dritte G eb ärd en satz haben norm ale S tellu n g des P räd ikats. A b e r w äh rend im ersten die präpositio n ale E rg ä n z u n g (on A rð u re - die R ich tu n g der G eb ärd e angeben d) und das A d v erb (swiðe - die A r t und W eise des G ebarens bezeichnend) dem P rä d ik a t folgen , geht im dritten S a tz das A d v e rb (þer niðer) dem P rä d ik a t vo rau f, und die p räp ositionale E rg ä n z u n g fo lg t ihm n a ch ; zudem ist im ersten S a tz das A d v e rb , im dritten S a tz d ag eg en die p rä ­ position ale E rg ä n z u n g erw eitert. D e r vierte G eb ärd en satz en dlich ist ellip tisch ; das P räd i­ k a t fä llt aus. D iese unstete N ervosität der S y n ta x , deren K rö n u n g die em phatische E llipse im letzten der G ebärd ensätze ist,12 verm ittelt doch w oh l die h eftige B ew egth eit des p h ysi­ schen G ebarens, das diese S ä tze zum In h alt haben. D a m it sei n u n W aces S ch ild eru n g des gleich en V o r fa lls verg lich e n : R e s v u s lé dam es des cuntrees, T u te s nu p iez, eschevelees, L u r vesteiires decirees E lu r chieres esgratin ees . . .; O d plu rem en z e od g ra n z criz ; A s piez A rtu r tu it s ’ u m ilient, P lu re n t c braien t, m erci orient . . . (W ace, B r u t 9469 ff.).

In diesen drei S ätzen erscheint eine V ie lza h l einzelner G eb ärd en in p u n k ta rtig anein an der­ gereihten W örtern. D iese h än gen in den ersten beiden S ä tzen von unpersönlichen S u b ­ jekten ab („m a n sa h “ , „es g a b “ ); in anderen G eb ärd en p assagen W aces sind gan ze Serien von G eb ärd e-In fin itiven a u f ein einziges n eutrales „m a n sa h “ a u fgefäd elt.3 Im dritten S a tz 1 B ei der N u m e rie ru n g ist der V a ria tio n ssa tz für die zw eite G eb ärd e n ich t m itgezäh lt. 2 D e r sp ätere T e x t v erv o llstä n d ig t u n ter offen barer V e rk e n n u n g des stilistischen P rinzips diesen vierten S a tz und sa g t 218 79: “ N ailes sette to n eb b e ” (statt: “ n ailes to heore n eb b e ” in der H s. Gott. C a lig .). D ie E llip se ist bei L a ja m o n eine d u rch a u s g e b rä u ch lich e S tilfig u r; siehe au ch u. S . 128. 3 V g l . z. B . W a c e, B r u t 1133 ff., im G egen s. zu 1213. 1880 ff.

D ie erzähltechn isch en Q u alitäten der G eb ärd e in der m ittelen glisch en D ich tu n g

sind die G eb ärd en an ein an d ergereih te P rä d ik a te. Die A u fz ä h lu n g der einzelnen G eb ärd en bei W a ce ist sin n en freu d ig - m an ist versuch t zu sa g en : im pressionistisch. D o ch fü r die D y n a m ik d er S y n ta x , m it d er L a ja m o n den G eb ärd en G ew ich t verleih t, h a t W a ce keine E n tsp rech u n g . D rü c k t n ich t des E n glän d e rs Stil d as u rsp rü n glich e E rstau n en einer fü r ihn noch neuen Sehw eise aus, w elch e eben erst die B ed eu tu n g des körp erlich en A u sd ru c k s en t­ d eck t hat ? U n d form t ihn n ich t g le ich ze itig das B ed ü rfn is, das U n h ero isch e des g e sc h la g e ­ nen P ik ten vo lkes d urch die G eb ärd e an zu p ra n g ern ? D ie O rig in a litä t dieses Stils sei n och an einem w eiteren B eisp iel a u fg ezeig t. D e r seiner R eu e über die B ru d erfein d sch aft A u sd ru c k geben de Brennes let g lid en bis ga re þ a t hit grim d sollte he senet his riche sceld feor ut in þ e u e feh l aw ei he w arp his go d e breund and o f m id Jperc burnt: ( L a j. 5079 ft'.).

Pier V o r g a n g (reuiges W affen ab legen ) w ird gesrisch d urch seine A u flö s u n g in vier sy n ta k ­ tisch variierte und sich an H e ftig k e it steigernd e E in zelb ew eg u n g en (S ch w erta b legen , Schild w egw erfen, S ch w ertw egw erfen , B rü n n eab legen ). D ie B ed eu tu n g d er B e w e g u n g s­ verben, w elch e diese B ew egu n gen a n zeigen , steigert sich em p h atisch (let g lid en - scæ t w arp). A u c h das syn ta k tisch e B ild verm ittelt d ie affektisch e S te ig e ru n g der B ew egu n gen zu G eb ärd en . D ie erste g ib t ein au sge glich en e r S a tz w ieder, der von dem V e rb „ la s s e n “ a b h ä n g t; die zw eite eine L a n g z e ile , die das B ew eg u n g sv erb (seset) beh errsch t; m it der dritten B e w e g u n g steigert sich das T em p o d urch die Z u sa m m en d rä n g u n g in eine P lalbzeilc und die E m p h ase durch d ie Inversion (aw ei he w arp), w elch e E m p h a se in der vierten B ew eg u n g w ied eru m d urch die E llip se des V e rb s g ek rö n t wird. B ei W ace en tsp rich t a lle ­ dem eine zw eizeilige, sa ch lich e und v ö llig un gcstisch e W ie d e rg a b e .1 A lso au ch hier p u l­ siert bei L a ja m o n die G eb ärd en v o rstellu n g in S p ra ch stil und S y n ta x . W enn in äh nlich er W eise g elegen tlich auch in sp äteren m ittelenglisch en D ich tu n g en die D iktion der G eb ärd en W iedergabe von der ihrer fran zösisch en V o rla g e n abw cich t, so w erd en n ich t n u r G ebärd en-, sondern gan ze leiblich-seelische A u sd ru ck sk o m p lex e e rfa ß t.2 D ie w ertm itteln d e F u n ktion dieser D iktion sch eint d an n zu versinken, d och vom sp rach lich en Sin n fü r das G eb aren b leibt m an ches erhalten.

Szenenaufbau

durch die G eb ä rd e

D ie M eth oden der d ekorativen G eb ärd en aus W eitung praktizieren die m ittelen glisch en D ich ter m it unterschiedlichem G esch ick. L a ja m o n scheint eine w eitere ihrer kü nstlerisch en M ö g lich k e iten insofern zu erfassen, als er sie fü r den S zen e n a u fb a u ausw ertet. Es geh ört zum W esen vieler der besten H an dlu n gsszen en — im D ra m a —, d aß sich in ihnen ein H a n d lu n g su m sch la g (die P erip etie des A ristoteles) ereign et: am E n d e der S zen e ist ein S ta d iu m des — inneren oder äußeren — G eschehens erreicht, das zu r S zen e n a u sg a n g sV g l. W ace, B r u t 2819 f. :

L ’espee desceinst, 1’ elm e osta, E del h alb ere se desarm a. 2 V g l. etw a das K la g e g e b a re n des W erw o lfs in IV. P . 84 ff., v e rg lich e n m it d e r m u tm aß lich en fra n zö si­ sch en Q u elle (M itg e te ilt in S k ea ts A n m . zu dieser S te lle ; E E T S , E S 1, S. 220 f.).

L a ja m o ns E rrungenschaften um die G ebärdendarstellung

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situation einen K o n tra st bildet. D ie Q u a litä t der D u rch fü h ru n g der P erip etie bestimmtw esen tlich den W ert des B a u s d er E in zelszen e. D ieses K riteriu m erw eist sich bei der B e ­ u rteilu n g von L a 3am ons szenisch ausgew eiteten E rzäh lein h eiten als fru ch tb ar. D en n bei L ayam o n ve rm a g die G eb ärd e den „ S z e n e n b a u “ solcher E rzäh lein h eiten zu stutzen. In den oben behand elten S terbeep isod en in H avelok w a r solches durchaus n ich t d er ball. Z w ar geh t d ort ein G eschehen d urch die Szene, es vollzieht sich so g ar eine W e n d u n g d er H an d lu n g slag e (am A n fa n g : d er repräsentative, G utes w irkend e K ö n ig - am E n d e , der K ö n ig ist tot, der böse L eid en veru rsachen de S ta tth a lter triu m p h iert); aber von einer arc 1tekton isch en G eb ärd en g esta ltu n g kan n dabei keine R ed e sein. D ie einzelnen V o r g ä n g e jener E pisod en sind ihrerseits ad d itiv aufgereih t, und m it ih nen die zu geh ö rigen G eb ar en. In L asam o n s B r u t jed o ch g elin g t hie u n d d a eine k o n stru ktive szenische A u sw ertu n g der G eb ärd en und zw ar sichtlich in stärk erer B ew u ß th eit als im fran zö sisch en B r u t des \\ ace D a s M om en t der H an d lu n g sw en d u n g w ird d urch die zentrale F u n d am en ta lgeb ard e als H ö h ep u n k t der Szen e h ervo rgeh o b en ; die um es g ru p p ierte A u sw e itu n g s g e s tik fuhrt zu diesem H ö h ep u n k t hin und läß t ihn n ach h er ab k lin gen . So ist der B ru d e rk u ß die sym bo 1sche V e rd ic h tu n g der g ro ß a n g elegten V ersöh n u n gsszen e zw isch en B elm und B renn es ( a 5. 408 t ff ) D e r K u ß bezeichnet anderenorts in a b gekü rzten E rza h lcm h eiten fo rm elh a ft c as E reign is der V e r s ö h n u n g ; hier ist er der Zenith des H an d lu n g su m sch la gs, d er vo n der A u s ­ gan gssitu a tio n (die fein d lich en B rü d er rücken m it ihren H eeren g egen ein a n d er in die S ch lach t) zur konträren E n d situ atio n h inüberleitet (die versöh n ten B ru d er b esch ließ en gem ein sam e S ach e g egen ihre F ein d e zu m achen). Z u m zentralen K u ß hm ^ h r e n (aucl^ rä u m lich ') die veran schaulichten G eb ärd en . E s b egin n t m it dem B ittg a n g d er M u tte , diese n a h t B ren n es’ H eer in zerschlissenem G ew an d , b a rfu ß - w obei sie den K leid ersau m fast bis zu den K n ie n “ hochhebt ( 4 9 9 3 A ls sie Brennes erblickt, lau ft sie sch nell au ihn zu (V fen en heo him o m ; 5009), u m arm t und k ü ß t ihn (die typ isch e G ru ß fo rm u nter V erw an d ten ). Sie fleht ihn in la n g e r R ed e an (501 5-5074). vom B ru d erh a ß ab zu lassen , sie h ä lt ihm d abei die B rust en tgegen und deutet a u f ihren L e ib :2 L o k a her þ a tittes Jiat pu suke m id pin e lippes . . . leo w æ r her þ a w om be þ e þu læ ie inne sw a lo n g e . . - (5025 ff-)-

Ihre R ed e geschieht unter an sch au lich gem ach tem T rä n e n flu ß ; „ E s ran nen ihr die T rän en über die W a n g e n “ (V m e n hire teares / ouer hire leores ; 5075 f.). Den. B rennes trei g eic sam die a u f ihn gerichtete B e w e g u n g an, d ie von den G eb ärd en der M u tter ausgeh t. Sem e d ara u ffo lg en d en R eu egeb ärd en sind das schon in anderem Z u sam m en h an g erw äh nte A 1 legen der R ü stu n g und F ortw erfen der W a ffen : er w irft den S ch ild h inaus ms F eld ^ D iese W u rfb e w e g u n g nun zeichnet die R ich tu n g der näch sten szenischen B e w e g u n g v o r: M u tter X L a ia m o n s im V e rg le ic h zu W a c e b e d eu tu n g sv o lleren A n sä tze zu r „ T h e a tr a lis ie r u n g “ v erm erk t auch rillesD V S 448 - S 460 beto n t sie L a ja m o n s “ p ow er of v isu a liza tio n ” , s o n A u s g e sta en er E in zelh eiten um der L e b h a ftig k e it w illen. D a m it ist je d o ch n ur ü ber d ie T a tsa ch e d e r A u s w e it u n g e t w a s ig s a g t. D a rü b e r hin aus ist zu fr a g e n : W ie n utzt L a ja m o n je n e E in zelh eiten zu r S ch a ffu n g ec en szem s G ? D as 1besch w ören de E n tg e g e n h a lte n der M u tterb ru st kom m t bei H o r n » ‘ . , r ■ r c , , n D as M itte la lte r erfüllte diese G eb ä rd e m it ch ristlich em S in n , m der beran aram iscn e H eilsm ittlerin 1- t o , 5 * . v o m G o ,ic .» indem hm ,h ,o M u tterbrü ste e n t g e g e n ! » {vgl. C u ,t ie ,. S . l j u ) A u , .o lc h e m „ l i g i o . e m G e h .lt b e ru h , ,,t diese G e b e r e . b ei L a ja m o n zu versteh en . M ünchen

Ak.

A bh . phil.-hist. 1959 (H abicht)

*3 ^

crzähltechnischen Q ualitäten d er G ebärde in der m ittelenglischeil Dichtung*

und Soh n schreiten ins F eld hinaus und a u f B elins H eer zu. B elin k o m m t ih nen von der anderen Seite en tgegen . D a s versöhnende Z u sam m entreffen der B rü d er e rfo lg t also auch räu m lich im Szenenzentru m , in der M itte der „b reiten E b e n e “ (5087), zw isch en den a u f beiden Seiten aufgestellten H eeren. H ier nun findet der V ersö h n u n g sk u ß sta tt — w iederum in Situ ation sb esch reib u n g ein gebettet: die B rü d er nahen einander (5094 ff.) und küssen sich. D a s F o lg en d e ist R esonanz. Es läß t die W irk u n g der V ersö h n u n g sg e b ä rd e n ach k lin g cn . In den H eeren erheben sich freu d ig er Jubel, F an fa ren sch all, G esan g, M u sik ( 5 10 / ff.). D en K o n ti ast zw isch en A n fa n g s- und E n dsitu ation betonen zudem noch w eitere E inzelheiten . V o r d er U m stim m u n g sieht m an B rennes sich zu m K a m p fe gegen den B ru d er rüsten (þer he hine w epnede / alse he to fihte þeohte; 5003 f.); n a ch der V ersö h n u n g w irft er h e ftig R ü stu n g und W affen w eit von sich (5078 ff.). G erad e diese den szenischen B au stü tzen den G eb ärd en finden sich in der en tsprechenden E p isod e bei W a ce n ich t (vgl. Vvace, B r u t 2708-2830). E b en so w en ig ist bei W a ce der S zen en rau m oder die gestisch e Situ atio n sb esch reib u n g d azu n u tzb a r g em ach t, die zentrale G eb ärd e des H a n d lu n g su m ­ sch lags in den dram atisch en H ö h ep u n k t zu heben - w iew oh l W a ce hier stellenw eise n och viel m an n ig fa ltig e re G esten a u fzä h lt, etw a dort, w o er die Brennes anflehende M u tter schildert (jBrut 2721-28). D ieses In s-Z en tru m -R ü ck en der H an d lu n g sw en d u n g , die ihrerseits in der zentralen sym bolischen G eb ärd e verd ich tet ist, diese A u sric h tu n g d er a u sgew eiteten G eb ä rd en d a r­ stellu n g aut den S zen en h ö h ep u n kt hin ist es, w orin sich L a ja m o n s In szen ieru n gsku n st von W aces D arstellu n g u ntersch eid et, in der n ich ts a u f dieses A n lie g e n deutet. In d er D ian en tem pelszene, in d er der ratlos irrende B ru tu s die prop hetisch e W e g w eisu n g der G öttin er­ hält, beschreiben zw ar beide D ich ter d ie gleich en ritu ellen A n b e tu n g s v o rg ä n g e ; bei L a ja m o n führen sie konsequent hin zum U m sch la g , zum h offn un gsspendenden Sp ru ch der G öttin , den deren eigene G eb ärd e u nterstreicht (his lau ed i D ia n a / hine ieo flich e bih eolde / m id w nsum e lea h lren ; 1223 ff.). B ei W ace d a g eg en nichts von dieser zentralen G eb ärd e und nichts von der K o n seq u en z des H in fü h ren s durch d ie rituellen G eb ärd en - d ie zw ischen deren S c h ild eru n g eingefloch tene V o rw eg n a h m e des g u ten S p ru ch es verfla ch t dort die D ra m a tik ( L a j. 1162—1272; v g l. W a ce 634—702). U n d auch d afür, w ie V o r tig e m s H cu ch lergebärden den S zen en u m sch la g m arkieren , etw a in der K rö n u n g sratsszen e, w o er durch sein g ew a ltige s A u fsp rin g en zur h eftigen , aber ko n kreten In h alts baren R ed e (1 2999 f.) den V erh a n d lu n g ssta n d u m stü lp t; oder w ie am H ö h ep u n k t der K rö n u n g sszen e selbst der n äm lich e V o rtig ern dem sch w ach en C on stan ce m it u nberu fen en H änden d em on strativ die K ro n e aufs H a u p t setzt (13257 ff.), w elch e G eb ärd e sein vo rh eriges rhetorisches D euten a u f den C on stan ce und die K ro n e vo rbereitet1 - fü r solche szen enbildend e G estik hat W aces D a rstellu n g n ich ts E n tsp rech en d es aufzu w eisen. A u c h nich t d afür, d a ß bei L a äam on der W ille zur E in zelszen e G cfü h lsgeb ärd e und S itu a tio n sb ew eg u n g eins w erd en läßt, um sie der räu m lich en Szen en regie zu unterw erfen , d a ß er m ithin die G eb ärd e in m eh rfach er er­ zählerischer F u n ktion verw end et. L etzteres ist der F all, w enn zw ei d er a u f die S u ch e nach dem vaterlosen K in d au sgesan d ten Boten, ob der E rfo lg lo sig k e it ih rer B em ü h u n g en b e­ küm m ert, sich trau rigen H erzens (an heorte sw iöe s æ r i; 15557) niedersetzen (das N ied er­ setzen ist K u m m e rg e b ä rd e !); d abei das T u m m e ln und Streiten spielender K n a b en be­ trachtend, hören sie, d aß deren einer w egen seiner V a te rlo sig k e it geh än selt w ird. D iese K u n d e erregt sie freu d ig, sie fah ren hoch und treten näher, um gen au er hinzusehen. D as A u fsteh en ist G efü h lsgeb ärd e, denn es gesch ieh t im A ffe k t; es m arkiert zu g leich den H an d lu n g su m sch la g (das F ind en des lan ge G esuchten) — ebenso w ie das bekü m m erte 1 V g l. oben S. 65.

L ajarnons E rru n g en sch aften um die G ebärdendarstellung

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N ied ersetzen die konträre S zen en an fan gssitu atio n m arkierte. Ü b erd ies gestalten diese G e ­ b ärd en den S zen en rau m : die B oten setzen sich zuerst am A u ß en ra n d e des Sp ielp latzes n ied er; sie stehen auf, um sich n a ch der M itte hin zu bew egen , w om it der U m s c h la g auch ins räu m lich e Z en tru m gefü h rt w ird .1 D ie gestische In szen ieru n g bei L a g a m o n g eh t bis zur V ersch ach telu n g von Szene und R ah m en szen e. A ls der au sgestoß en e K ö n ig L eir u m Z u flu ch t bei seiner jü n gsten T o ch ter m F ra n k re ich n ach su ch en w ill, lä ß t er sich a u f freiem F eld zu B oden nieder (L a g . 3 5 1 0 L). D a s N ied ersetzen ist K u m m er- und R e u eg eb ä rd e; es evoziert auch den Szenenort und b il­ det zu g le ich den R a h m en fü r die S zen e, in der L eirs getreu er D iener bei C ord oille vorspricht* denn der D ien er k o m m t n ach seiner M ission zu L eir zu rü ck und findet ihn, wie er ihn verlassen hatte, “ þer he Lei on fe ld e ” (3602). A u ch fü r diese szenische R ah m en gebard e h a t W a ce keine E n tsp re ch u n g .12 , A b e r L ag a m o n s W ille zur „d ra m a tisch e n “ G eb ärd en szen e bleibt im M ikro kosm os dei isolierten E rzä h lein h eit befan gen . E s fehlen o ft abrundende, verkn ü p fen de Szenenschiusse. So besteht die E pisod e d er T o ch te rb e fra g u n g L eirs aus drei parallelen , aber vonem anc ei g e ­ sonderten B ildern - eines fü r jede T o ch te r; sie sind n ich t w ie d an n bei S h akesp eare T eile einer großen Staatsszene. W ollte m an in ihrer A u fein a n d erfo lg e einen ko n tm u ieilichen A b la u f sehen, so stieße m an a u f W idersp rü ch e. Jede der E rzäh lem h eiten ist eben etw as In-sich-G eschlossenes, etw as E ig e n re ch tlich e s; zw ischen ihnen kann eine V era n eru n g der S itu ation liegen, deren E n tw ic k lu n g die a b ru p t reihende E rzäh lw eise ubergeht. A u c h a u f die bei W a ce n ich t vo rkom m en de A b sch ied sszen e beim A u s z u g von A rth u rs H ecr (Lag. 25533 Z- B -’ d ic von allgem ein er A b sch ied sg estik beherrscht ist: V a te r w ein t über Sohn, S ch w ester über B ru der, M u tter über T o ch ter - w as ja g a r n ich t dem großen H an lu n g s v e rla u f entspricht, d enn die K riegsm a n n en ziehen ab und lassen die F rau en zu ru c . - a u f dieses Szen en bild fo lg t abru p t das n äch ste m it v ö llig verän d erter S tim m u n g : das H eer zieh t m unteren Sinnes (w under blíðe) und m it G e sa n g a u f den U p p e n von annen. - E ine w eitere G ren ze setzt den In szen ieru n gsm öglich keiten die Z u s t ä n d i g k e it der ^eb ärd en kom p lexe, w elch er S zenenort und Szenenzeit u n tergeordn et sind. D ies ist bei der B e fra g u n g C ord oilles der F a ll (3025 ff.)- D ie A u sg a n g sla g e veran sch au lich t Cordoilles G eb ärd e d er F re u d ig k eit (sie spricht m it u nverstellter, lau ter Stim m e, lachend und sc rerzend Ilude and no w ih t stille / mid gom ene and m id le h tr e ; 3044 f.] ) ; den H an d lu n g su m ­ sch la g m arkiert L eirs W u ta u sb ru ch (R asen, Sch w arzw erd en , O h n m ach t). D as E n dstad iu m ist dann C ord oilles T ra u er, w elche die G eb ärd e des S ich -in -d ie-K am m er-Z u ru ckzieh en s an zeigt. D ie letztere aber ist zum K o m p le x ausgew eitet, zu dem auch das trauernde H eru m sitzen in d er K a m m e r gehört. D ieser G eb ärd en k o m p le x in seiner A u sw eitu n g d urch brich t also die reale O rtsein heit; die Szene scheint den B oden unter sich zu verlieren, und zw ar eben deshalb, weil der G eb ärd en k o m p lex als statische E in h eit a u fg e fa ß t ist; als solche ist er fü r den S zen en au fbau w irksam gem ach t. D arin - nich t m realistischer G e ­ staltu ngsw eise — besteht Lagam ons A n lieg en . . , In den G ren zen des S zen cn -M ikrok osm o s die a u fbau en d e F u n k tio n der G eb ärd en er­ schlossen zu haben, ist - soviel dürfte sicher sein - ein V erd ien st L agam on s gegen ü ber seinen V o r g ä n g e r n .3 D ie V ersro m an zen zeigen zu solch bew u ßtem S zen en bau durch die G eb ärd e n u r gan z g e ­ legen tlich e A n sä tze. S o etw a in B ev . H am t., wo die u nbeh errschten W u to h rfeigen , die die 1 B e i W a c e feh len b eid e G eb ä rd e n ; v g l. B r u t 7 3 ^ 3 ff2 V g l. W a c e , B r u t 1979 ff............. c „rv 3 N e b e n den G eb ärd en tr a g e n in L a gam o n s B r u t auch, w ie S ch irm er a u sfu h rt (v g . . 5 / ■ )> ten R ed en zu r S zen e n g esta ltu n g bei.

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erzähltechnischen Q ualitäten der G ebärde in der m ittelenglischen D ichtung

frivo le H erzo g in ihrem Soh n B eves versetzt, den H a n d lu n g su m sch w u n g bestim m end ins Zen tru m der Szen e treten .1 D o ch ist hier, w ie in ein igen and eren B eisp ielen, die aus den R o ­ m an zen noch a n g e fü h rt w erden könn ten , kein e kon sequ en te S tü tzu n g d er S zen en stru ktu r durch die G eb ärd e erken n bar. E s feh lt die Z u ch t d er tekton isch en E in o rd n u n g aller G e ­ bärden in das S zen en gesch eh en und in den S zenenrau m , es feh lt die Z en tra lstellu n g des H an d lu n g su m sch la gs durch die ausgew eitete G estik. O d er aber - und dies g ilt auch für W aces B r u t — im Ü b erm a ß d ekorativer D etail g eb ä r den ve rsin k t die k o n stru k tive K r a ft der E in zelgeb ärd e. E s b e d a rf eines K ü n stlers w ie des G aw ain d ich ters, um die in d er G e ­ bärde sch lu m m ern den M ö g lich k e iten fü r den S zen en b au a u f höherer E ben e zu rü ck zu ­ gew innen. L a ja m o n s M eth o d e w eist also g eg e n ü b er der R o m an zen tech n ik und g ege n ü b er der fran zösisch en E p ik (aus w elch er die letztere A n re g u n g e n bezieht) eine u n verken n bare E ig e n stä n d ig k e it auf. D ie form alen E inflü sse d azu sch einen in einh eim isch er E rzäh ltrad ition zu suchen zu sein. In den religiösen erzäh len d en D ich tu n g en des A lte n g lisch en , in denen die epische P oten z der G eb ärd e schon g esch w äch t ist,2 kom m en äh nlich e gestische S zen en g esta ltu n g en vor. So sind im J u d ith fra g m en t in d er bereits an g efü h rten Szene, in der die assyrischen O ffiziere den H olofern es g e k ö p ft im Z elte vorfinden {J u d ith 253 ff.), schon all die E lem en te von L a ja m o n s In szen ieru n g stech n ik v e rein ig t: die zentral h ervorgeh oben e U m sch la g sg e b ä rd e (E n tsetzen sgebaren des ins Z elt eintretenden K riegers), die gestisch e M a rk ie ru n g der A u sg a n g ssitu a tio n (w ütendes L ärm en und Z äh n ek n irsch en d er A ssy rer, die a u f des H olofern es E in g reifen hoffen) und der konträren E n d situ atio n (entsetztes W affen fo rtw erfen , R eiß au sn eh m en ); die E in b ezieh u n g der G eb ärd en reson an z, die V e rrä u m lic h u n g d er B ew eg u n g , die m eh rfach e F u n k tio n der G eb ärd en (A ffe k ta u s­ d ru ck, R a u m e rfü llu n g , Szen en b au ). — S elb st im B e o w u lf h a b en w ir beim T o d und bei der B esta ttu n g am E n de des W erkes etw as von jen er gestisch en In szen ieru n g d er E in z e l­ szen e - i n einer S zen e n fo lge freilich, die, w o ra u f schon K e r hinw eist, von d er H öh e der ep i­ schen K u n s t a b fä llt.3 D ie unter den H än d en der p op u larisierend en K le rik e rd ich te r g e ­ sunkene E p ik findet die starr reihende E rzäh lw eise, in der d ie G eb ärd en von der G esa m t­ w elt des W erkes u n a b h ä n g ig w erd en ; und sie en td eckt auch schon die ih r innew ohnende G estaltu n gsm ö g lich k e it. A u f diesem V o rg e g e b e n e n scheint L a ja m o n au fzu b au en . D ie n a ch ihm scheinen seine T ra d itio n zu vergessen, gew inn en jed o ch der G eb ärd e d ie neue I unktion der S zen e n ve rk n ü p fu n g ab, w o ra u f w eiter unten noch ein zu geh en sein w ird.

D i e g e s t i s c h e W e c h s e l w i r k u n g in r e i h e n d e r E r z ä h l w e i s e A u c h dem W ech sel zw ischen m eh r und m inder a u sgew eiteten E rzäh lein h eiten v e rm a g L a ja m o n schon gew isse G estaltu n gsfu n ktio n en ab zu g ew in n en . D ie G eb ärd en der r u c k ­ a rtig a u fein an d erfo lgen d en p arallelen U n terw erfu n g sszen en der K ö n ig e von Irlan d, Island, O rk n ey, G u th ian d , W in etlan d u nter den siegreich einh erzieh end en A rth u r sind verschieden sta rk ausgew eitet, je d e dieser anein an deradd ierten S zen en h at gleich en H an d lu n g sw ert, g leich e S tim m u n g - das S iegesbew u ßtsein A rth u rs und das G eä n gstig tsein des S ich -U n tcrw erfenden, d er den G la n z seiner eigenen R ep räsen tation dem B riten k ö n ig zu F ü ß en leg t; in aller M ittelp u n k t steht der A k t d er U n terw erfu n g . D a s g leich e ka n n ohne E in b u ß e an 1 V g l. B a t . H a m t. 320 ft'.; 492 ff.; s. a u ch oben S . 49. a M an hat jen en religiö sen a lten g lisch en D ic h tu n g e n die B e r e c h tig u n g der B e ze ic h n u n g ,,E p o s '‘ a b g e b r o ­ ch en ; v g l. P irkh o fer, S. 1 ff. & ^ 8 V g l. K e r, E p ic a n d R om ance, S. 200.

G ebärdenpersonen

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S in n - oder S tim m u n g sg eh a lt a u f die knap p ste F orm el g eb ra ch t w erden, w ie w enn es w en ig sp äter von den U n terw erfu n gen der französisch en K ö n ig e h eißt: m on ien n e m o d fu ln e m on A r ð u r m a k e d c m ild e a n d m onienne heh ne m on he h eld e to his fo te n (L a g . 24139 ff.).

D en n o ch w ird eine L e b h a ftig k e it abw ech seln d er G estaltu n g d ad u rch e n e ich t, daß jew eils ein T e ila sp e k t des G estischen besonders ins B lick fe ld g e rü ck t und alles ü b rige a b ge k ü rzt w ird . D ie D a rstellu n g des zerem oniellen V o r g a n g s w ird jedesm al frisch a n g ega n gen . D ie erste Szen e rü ck t A rth u rs Sieg esfreu d e ins K o n k re te : n a ch generösen G esten g egen den S ich -U n terw erfen d en (B ei-d er-H an d -N eh m en [22355]) Z u tru n k [22369]) lach t er lau t a u f (224J9). D ie g leich e S tim m u n g A rth u rs ist in den folgen den Szenen, in denen die Ü b e r­ g a b e ka m p flo s geschieht, n u r n och n a ch träg lich angedeutet. D ie G eb ärd en der zw eiten u n d d er d ritten Szen e betonen vielm eh r den G eg en sa tz zw ischen der repräsentativen W ü rd e und der E rn ie d rig u n g der S ich -U n terw erfen d en beim H eran n ah en an A rth u r d ie eine in bild h a fte E in zelh eiten ausw eiten d (22476-82), die andere fo rm elh a ft abkü rzen d (22535 f.). D ie G eb ärd en der vierten und fü n ften S zen e heben den A k t der U n terw erfu n g selbst h ervo r; w iederum das eine M a l ausw eiten d — die P ra ch t der G a b en , die A r th u i d a r­ g eb o ten w erd en, ist beschrieben (22581 ff.) d as andere M a l in die F u n d am en ta lgeb ärd e (F u ß fa ll) verd ich tet (22643). D a m it g leich t hier bei L ag a m o n der W ech sel zw isch en A u sw e itu n g und A b k ü r z u n g der G estik , wie er dem reihenden S til eigen ist, einem S ch w en k en d er B ü h nen sch einw erfer. In d er F o lg e g leich fö rm ig er Szenen wird im m er w ieder ein neuer T eil des G eschehens beson­ d ers beleuchtet, um in der d ara u ffo lg en d en nur n och a n g ed eu tet zu w erden. D ie S ch ild e­ ru n g des G esam tzerem oniclls w ird a u f die einzelnen Szenen verteilt, w as auch den einh eit­ lich en A u ss a g e w e rt der gesam ten S zen en fo lge hervortreten läß t. D a fü r findet sich bei W ace keinerlei E n tsp rech u n g . D o rt w ird die T a tsa ch e der fü n f U n terw erfu n g en led ig lich g e ­ n an n t und des Zerem oniells zusam m enfassend E rw ä h n u n g getan (B r u t 9705 ff.).

4. G E B Ä R D E N P E R S O N E N

D ie A u sw e itu n g der G eb ärd en steht schon bei L agam o n im D ien st der P ersonen zeich ­ n u n g. W ir haben in anderem Z u sam m en h a n g g ezeig t, w ie die an V o r tig e m vera n sch a u ­ lichten Sch ein geb ärd en sein H eu chlertu m b ran d m arken (s. o. S. 63 ff.) oder w ie die ausw eitendc S ch ild eru n g der H eld en geb ärd en A rth u rs den B riten k ö n ig in ein ü berragend es Id ealheld en tu m hebt (s. o. S. 75 f.). Z u r C h a ra k terisieru n g im eigen tlich en Sin ne freilich steuern A rth u rs G ebärden nichts bei; denn sie entsprechen g a n z den üblichen V erh a lten s­ w eisen der K am p fesh eld en . Seine G ebärden haben keine B ezü ge zu inneren K o n flik ten ; sie sind n ich t A u sd ru c k charakterlich er E n tsch eidu n gen . Sondern sie stellen den fertigen T y p des H eld en zur Sch au . D arin sind auch die G eb ärd en des L agam o n sch en A r th u r d ekorativ. D o ch im m erhin h ebt dieser sich von anderen G estalten d ad u rch ein p rägsam ab, d aß d e­ k o rative G eb ärd en d arstellu n g a u f ihn konzentriert ist. D ie typisierend e W irk u n g d er G eb ärd en ist an den F igu ren mit kleiner H an d lu n gsrolle noch deu tlich er erkenn bar. D a ß z. B. M erlin bei L agam on als T y p des. M a g iers erscheint,

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crzähItechnischen Q u alitäten d er G ebärde in der m ittelcnglischen D ichtung

b ew irk t n ich t zu letzt seine leitm o tiv artig im m er w ied erkeh ren d e T ran ceg eb ä rd e. D as h in ­ dert nich t, d aß L a ja m o n s G estalten ein in d ivid u elles L eb en fü h ren ; ch a ra kterisiert sind sie eben a u f andere W eise als d urch sp on tane G eb ärd en . D ie R o m an zen freilich gehen auch n o ch einen S c h ritt w eiter, indem sie m an ch e R a n d fig u ren gerad ezu um ihrer G ebärden w illen au ftreten lassen. G leich sa m P erson ifikation en der K la g e g e b ä rd e n sind die K la g e ­ figuren . G ew iß m a g es fü r diese in den T ra u erg eb rä u ch en reale G eg en stü ck e g eg e b en h a ­ ben; schon aus der A n tik e ist das T reib en der K la g e w e ib e r b ezeu g t1, und ihre E x iste n z im B rau ch tu m des M ittelalters ist n ich t b e zw eife lb a r.12 A b e r w äh rend die K la g e w e ib e r g e ­ w öhnlich in m ehreren E x em p laren bei den L eich en b eg ä n g n issen in E rsch ein u n g zu treten pflegten, sind die K lag efig u ren der R om an zen stilisierte E in zelgesta lten , deren G eb ärd en die K la g e stim m u n g veransch aulich en , ohne an einen bestim m ten A n la ß oder eine bestim m te S itu atio n g eb u n d en zu sein. D as ein zige C h a ra k teristik u m der K la g e n d e n a u f M o n t SaintM ich el im allit. M orte A r th u r e sind ih re G eb ärd en : sie sitzt a u f dem G ra b der gem ordeten P rin zessin, rin g t die H än de, w eint bittere T rän en , d eu tet in ih rer Jam m errede a u f die G rabeserd c, k latsch t in die H ä n d e.3 M an erinnere sich, d a ß L a ja m o n das g leich e W eib n ich t in dieser W eise zu r K la g e g e b ä rd e n trä g e rin ve rab solu tierte; w a ren dort d och ihre K la g e g e b ä rd e n auch Zeichen ih rer eigenen S ch m a ch .45A n solchen Sinn des G ebaren s scheint im M orte A r th u r e g a r n ich t m eh r g e d a ch t zu sein ; jed en falls k lin g t in diesem Z u ­ sa m m en h a n g n ich ts vo n ihren p ersönlich en E rlebn issen an. S ch on die B ezeich n u n g , W itw e (w edow e), m it dei sie ein g efü h rt w ird, scheint sie als K la g e fig u r zu ken n zeich n en .3 G a n z und g a r G eb ärdenperson in diesem Sin n ist C assan d ra. In der Gest H ystoria le ist sie von allem A n fa n g an zu einer solchen gestem p elt (2676 ff.). D ie D a rste llu n g ihrer A u f ­ tritte bietet alle M eth o d en d er A u sw e itu n g der K la g e g e s tik auf. D ie G estik ist zum staben ­ den A u sd ru c k sk o m p le x b reitgew alzt; ihr erster grö ßerer A u ftritt gesch ieh t, indem AH in sik y n g and sorow , w ith sy lin g o f teris, H o b rast o u t w ith a b irre fro m hir b a le hert [ G H D T 2680

f.).6

Ihr G eb aren ist in S itu a tio n sb ew eg u n g g ew eitet: sie eilt schreiend aus ihrem G em ach in die R a tsv e rsa m m lu n g P ria m s; n a ch der K la g ered e w in d et sie sich aus dem S ta u b und stü rm t a u f den K ö n ig zu (2698); in einem anderen ih rer A u ftritte m uß die h e ftig G esti­ k u lieren d e g e b ä n d ig t und gefesselt w erden (7192). Ih re G eb ärd en w irk en a u f die U m ­ stehenden, sie sind “ sorow to be h o ld e” (2700). In ihren jam m ervo ll-sch reien d g eäu ß erten 7 K la g ered en sind d eiktisch e E lem en te an geh äu ft, die eine V o rstellu n g des G estiku lieren s h ervotru fen (w iederholte p aren th etisch e A u sru fe, rhetorisch e F ra g e n u. d g l . ; vg l. 7175 ff.). D ie Z eich n u n g der C a ssan d ra im L a u d Troy B ook verstä rk t all diese Z ü g e n och um ein ige G ra d e.8 ^ ^ F ül m an ch e H a u p tfig u r der R o m an zen b rin g t es die reih end e E rzä h lw eise aber nun mit sich, d aß sie nach dem A u sw eis ihrer G eb ärd en verschiedene T y p en verk ö rp ern kan n — w ie 1 a 3 1

V g l. S ittl, S . 65 ff. V g l. Z a p p crt, S. 76. V g l. M A . 949 ff. S ieh e oben S. 53.

5 D aß w edow e, 6 V g l. 7 w ith 8 V g l.

d as W o rt wedowe eine K la g e fig u r bed eu tet, b e le g t auch M A . 4285: A rth u r k la g t “ alls a w afu ll þ a t w anttes h ir b e ry n .” äh n l. G H D T 2698 f.; 7 1 7 7 . a carefu l 1 c rie ; v g l. auch G H D T 3469 h L a u d Troy B o o k 2673 ff-, 3017 ff.

G ebärdenpersonen

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es der a u g en b lick lich e H an d lu n g sstan d gerad e erfordert. In W. P . ist der K a ise r und V a te r d er L ieb esh eld in zuerst der T y p des w id erw ä rtigen W ü terich s, sp äter indes der des guten K ö n ig s. A ls er die E n tfü h ru n g seiner T o ch te r durch W illiam au fd eckt, sieht m an ihn in w iederholten A n fä lle n w u tentflam m t rasen ; er brüllt, zerfetzt sich die K leider, rau ft den B a rt und d ie H aa re, fä llt sechsm al in O h n m a ch t.1 D a ß dies n ich t etw a m itgefü h lerw ecken de K la g e g e b ä rd e n sein sollen, sondern u n beh errsch te R asereien des B ösew ichts, d aran lassen die V e rg le ic h e , zu denen sein B en ehm en h crau sford ert, keinen Z w eifel: er reißt „w ie ein W ild er M a n n “ das Fenster a u f;12 er „b en im m t sich wie ein T e u fe l“ 3, er fü h rt sich a u f „w ie ein T y r a n n “ .4 D e r K a iser ist hier der böse G egen sp ieler, d er das G lü ck des L iebesp aares zu n ich tezu m ach en strebt, und d aru m ken n zeich n et ihn auch sein veran sch aulich tes G e ­ baren als den T y p des B ösew ichts. A n d ers aber, als die E in ste llu n g desselben K aisers nach vielen Irru n gen und W irru n g en dem G lü ck d er H au p tp erso n en fö rd erlich ist; dann ist er der Id ea lk ö n ig m it repräsentativem G eh a b e.56 D a s liegt eben daran, d aß die G eb ärd en im R ah m en der geschlossenen E rzäh lein h eiten w ohl typisieren, n ich t aber charakterisieren können. V o n hier aus ergeben sich auch die kü nstlerischen M ög lich keiten . W eil d ie G eb ärd en stereotyp sind u n d w eil ih r em otionaler und m oralisch er A u sd ru c k sg e h a lt verd eu tlich t ist, können die von solchen G eb ärd en g e ­ ken n zeich n eten T y p en die inneren W erte p ersönlich „v e rk ö rp e rn “ und sie in die ko n krete H a n d lu n g hinein tragen , a u f deren F o r tg a n g sie sich dan n ausw irken . D er m it „te u flis c h e n “ G eb ärd en im Z orne rasende K a ise r in W. P . ist es ja , der den B efeh l zur V e r fo lg u n g der L ieb en d en erteilt, w om it d er A n sto ß zur gan zen F o lg e von deren leidensreichen F lu c h t­ abenteuern gegeb en wird. G ren zt solches V erfa h ren nich t an allegorisch e V o rstellu n g s­ w eise ? V o m G eb ärd en typ des Zornigen, der die U rsa c h e fo lgen den G eschehens ist, bis zum Z orn als h an d eln d er A lle g o rie scheint der W e g n ich t w eit zu sein. W ir h aben in anderem Z u sam m en h a n g gesehen, d aß schon bei L a ja m o n ve rw erflich sich G eb ärd en d e m an ch m al u n heilvolle E n tw ick lu n g en heraufbeschw ören (s. o. S . 56). W o in den R o m an zen n u r die ethische W erta u ssag e der G ebärden stark g e n u g ist (was d an n besonders in höfischen D ich tu n g en w ieder der F a ll ist), d a w erden g elegen tlich in noch ku n stvollerer W eise d an k dieser typ en p rägen d en G eb ärd en die E rzäh lein h eiten zu ein an der in B ezieh u n g gesetzt. Y w a in , der V erlieb te, sitzt brütend d a; das v e ra n la ß t F enice, die K u p p lerin , in A k tio n zu treten .8 Floris, der K u m m ervolle, vern ach lä ssigt das h öflich e B en eh m en bei T isc h ; das b rin gt die D a m e des H auses zu der B em erk u n g , sie habe vordem ein gleiches V e rh a lte n an einem M äd ch en b eobachtet; das M äd ch en aber w a r B lan ch eflo u r, von w elch er der sie suchende F loris bis d ahin keine S p u r finden ko n n te.7 H ier w irk t die G eb ärd e in d e r T a t handlun gsauslösend und trä g t dam it zur S c h a ffu n g einer ka u sa len A b fo lg e des G eschehens bei. 1 V g l. W. P . 2096 ff. 2 w i j t l y as a w o d m an þ e w in dow e he opened (IV. P . 2057). 3 he d e ra ie d him as a deu el (IV. P . 2061). 4 as a ty ra u n t ferd e (IV. P . 2073). 6 D ie se r F a ll ist k e in esw eg s v erein zelt. Ä h n lich stem peln den E m ir in F lo r is an d B la n ch eflo u r oder den V a te r von A m y s ’ G eliebter, auch A m y s selbst u nd n ich t zu letzt A th eiste n die G eb ärd en dann zu m T y p des Z o rn igen , als U n heil von ihnen a u sge b t, m ö gen sic auch sonst H eld en von ritterlich em u nd k ö n iglich em G eh ab e sein. V g l. F l . B l. 902, 922 f . ; A . A . 805 ff., 1213 ft'., 206; f f .; A th e ls to n 250; 282 ff. (s. au ch o. S. 49). 6 V g l. Yurain a n d G aw ain 909 ff. 7 V g l. F L B l. 395 ff.

Die erzähltechnischen Q ualitäten der G ebärde in der m ittelenglischen D ichtung

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B älle h an d lu n gsau slö sen d er G eb ärd en w ie die eben erw ähnten sind selten g en u g . Sie hindern überdies nich t, d a ß in den gleich en D ich tu n g en schrittw eise E p isod e a u f E p isod e fo lgt. W ie aber sieh t es nun an den N ah tstellen zw isch en den E rzäh lein h eiten aus ? Irg e n d ­ w ie m üssen d och d ie isolierten H an d lu n g steile anein an der geb u n d en sein. K u n stv o lle V e r ­ flech tu n gen g ib t es freilich in den zw eitra n g ig en R o m an zen nich t, und schon g a r n ich t in n erh alb d er C h ro n ik fo rm von L a ja m o n s B r u t. L a ja m o n s E rzäh lein h eiten fo lgen sp ru n g ­ h aft aufein an d er, oder sie versch w im m en u n m erklich in e in a n d e r; es feh len ihnen sch arfe K o n tu re n ebensow ohl w ie Ü b e rg ä n g e , w elch e die isolierten E rzäh lein h eiten in eine L o g ik d er S itu atio n en fo lg e reihen könn ten . In den R om an zen jedoch scheinen d ie E rzä h lein h eiten im m erh in aufein an d er zu zustreb en, und in die M ittlerro lle d rä n g t sich m ehr und m ehr die G eb ärd e. B ei ih rer zuständ lich en S ta tik kan n d ieG eb ä rd e d abei freilich nich t m eh r erreich en als äußere B in d u n g . E ine solche w enigstens ist m öglich , und zw ar d esh alb, w eil in den R o m a n ­ zen die K o n tu ren der E rzäh lein h eiten w eit a u sg e p rä g te r erscheinen als bei L a ja m o n . K o n tu ren sind zu n äch st einm al etw as T ren n en d es. Ü b era u s h ä u fig sind fo rm elh afte A u to ren ein sch ü b e zw isch en den E rzäh lein h eiten von d er A r t: „ N u n w ollen w ir diesen v e r­ lassen und jenem uns zu w en d en “ ; solche „ K o n tu r fo r m e ln “ m arkieren den Szenenw ech sel, die O rts- und Z eitü b ersp rin g u n g , das H in ü b ertreten von einem H a n d lu n g sstra n g in den an d eren .1 S o selbstverstän d lich und äußerlich diese A u to re n ü b e rg ä n g e anm uten m ögen , deren sich ja m oderne R o m an sch reiber gen au so bedienen - dem m ittelalterlich en D ich ter sind sie d och w oh l bed eu tsam er gew esen als uns heute. In ihnen b esp iegelt sich g leich sam d er reihende K o m p ositio n sp ro zeß, d as G estaltw erd en der H a n d lu n g . U n d sie bergen ü b er­ dies em otionale und g eistige W erte. D e r A u to re n ü b e rg a n g ka n n zu m A u to ren seu fzer - zur A u to re n g e b ä rd e - w erden, der rü ckerin n ern d und vorau sdeu ten d den L a u f der G esch ick e b ek la g t. Im S eu fzer (der K la g e g e b ä rd e !) sch w in g t religiöse G esin n u n g ; und tatsäch lich hat der A u to re n ü b e rg a n g noch öfter d ie F o rm der religiösen A u ss a g e oder des G ebets. In H eiligen legen d en ist dies fast die R e g e l; d och auch R o m an zen d ich ter em p fehlen P ersonen , von denen sich ih re E rzä h lu n g fortw endet, einstw eilen der G n ad e G o ttes; der V erfa sser vo n A r t h u r betet an allen Ü b erg a n g sste llen das V ateru n ser. D ie A u to re n ü b e rg ä n g e sch einen in den gleich en B ereich zu gehören w ie christliche E x o rd ial- und S c h lu ß to p o i; ohne A n ­ ru fu n g G ottes und der H eilig en können die R o m an zen n ich t beginnen, ohne ihren S e g e n n ich t enden2— und, so ist m an versuch t h in zu zu fü gen , ohne die g eistlich e R eflexio n kön n en sie nich t w eitergeh en. V o n dem g eistigen und em otionalen G eh alt, d er in den A u to r e n ü b e r ­ g ä n g en steckt, bis zu seiner P ro jizieru n g in die G e b ä rd e n d e r h and eln d en P ersonen ist es n u r ein Sch ritt, den die zw ischen abstrah ieren der A b k ü r z u n g und sin n en fä llige r A u sw e itu n g abw ech selnd e Darstellungs-weise leicht zu gehen verm a g. N a tü rlich g ib t es in den R o m an zen auch Ü b erg a n g sfo rm en ohne den A u to re n k o m m e n ­ tar. E n de und A n fa n g d er E rzäh lein h eiten bedeuten W ech sel des O rtes oder d er Z e it oder 1 V g l. z. B. L M A 952 ff.:

N o w leve w e la u n celo t th ere he was,

w ithe th e erm yte in the forest gren e, A n d telle w e forth c o f th e case T h a t to uch ith A rth u r the k y n g e so k e n e . V g l. a u ch B ev . H a m t. 1263 f., 1345 f., 1433 u. 5 .; D egrevan t 949 f .; A . A . 337 u sw . usw. a Sieh e au ch C u rtiu s, S. 96.

G ebärde und H andlungsverknüpfung

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das H erein treten neuer Personen. D ie R o m an zen verfeh len nich t, solchen W ech sel zu v e r­ d eu tlichen. N eu e E rzäh lein h eiten begin n en „ d a n n “ , „ a m anderen M o rg e n , „ a m näch sten T a g “ usw-, oder m it der O rtsb esch reib u n g oder der N e n n u n g neu auftreten der P ersonen, oder m it allem zu gleich . A u c h dieses n a ch d rü ck lich e F esth alten der Sym p tom e des Ü b e r ­ g a n g s streicht die K o n tu ren der E rzäh lein h eiten hervor und ist die V o ra u ssetzu n g fü r ihre A n ein a n d erb in d u n g. B eid e A rte n der reihenden Ü b e r g ä n g e n u n - die der geistig-em otion alen R ü ck- und A u s ­ schau des A u to re n ü b e rg a n g s w ie die der szen isch en K o n tu rzeich n u n g - w erden m it zu ­ nehm en der E rken n tn is der kü n stlerisch en M ö g lich k eiten des R om an zen stils durch die G eb ärd en gestü tzt. D ie zu stän d lich e G eb ärd e eines H eld en , dessen H an d eln über die E r ­ zähleinheit hinau sreicht, ru n d et die E in zelep iso d e ab. W en n n a ch der ersten der K ö n ig s­ todepisoden in H avelok die en trechtete P rin zessin G o ld b u rg im K e rk e r lie g t und weint, so bettet der D ich ter diese abschließen d e G eb ärd e in den A u to re n ü b e rg a n g ein: O f G old eb oru shul w e nou laten, þ a t n ou h t ne blin n etli forto graten Jier sho lig g e th in prisoun: Iesu C rist, th a t L a za ru n T o Hue brou h te fro dcd e bondes, H e lese hire w ith hise h o n d es; A n d leu e sho m ote h im y-se H eye h a n gen on galw e-tre, þ a t hire h a u ed in sorw e broulit, S o as sho ne m isdede n o u h t! S a y w e nou forth in u rc spelle . . . {Hau. 328 ff.).

(D a ra u f fo lg t die ihrerseits in sich geschlossene näch ste E p isod e.) Z w isch en die beiden T eile des form elh aften A u to re n ü b e rg a n g s (G o ld b u rg w ollen w ir jetzt verlassen - laß t uns fo rt­ fahren in unserer E rzä h lu n g ) sind neun ausw eitende V e rse gesch oben , in denen die E le ­ m ente des A u to ren ü b e rg a n g s verein ig t sin d: die religiöse V e r tie fu n g im A n r u f des H e i­ lands (331)! E m otio n alisieru n g, das G ebet, das M itg e fü h l des A u to rs, w elch es zu m ck erinnert an bisher E rd u ld etes; der A u sb lic k im W u n sch n ach der B ed rän gten B efreiu n g und n a ch dem G a lg en für die M issetäter (ein in den R o m an zen stereotyper W u nsch , dessen E rfü llu n g stets sicher zu erw arten ist1). D ie gan ze Stelle ist ein V erw eilen des E rzäh lers zw ischen den Episoden, ein In nehalten , das zu gleich a b gren zt und an ein an derfü gt. B ei diesem In nehalten aber w ird nun die G eb ärd e der H eld in - G o ld b u rg s W einen - h erau f­ beschw oren, die all diese R eflexion en verkörperlich t. W o ein facher O rtsw echsel den Ü b e r g a n g ausm acht, b rin gen die R o m an zen d ich ter die handelnden Personen in den O rt der neuen Szene. Selten jedoch gesch ieh t d ie s - w i e es für den epischen S til typisch ist - d ad u rch , d aß der W e g ve rfo lg t w ird. A b e r zw isch en altem und neuem O rt leu ch tet die G eb ärd e auf, d ie w ohl v a g e ins Z u vo r und N a ch h er weist, d abei aber statisch bleibt und nicht ins G esch eh en einw irkt. U m Beves von der siegreich en Sch lach tsituation in die fo lgen d e E m p fan gssitu atio n zu bringen, heißt es m einer Z eile: B eues rod h o m a n d g a n to sin g e {B ev. H a m t. 1069).

E r reitet sin gen d heim : diese O rtsü b erfü h ru n g ist T riu m p h p o se ; sie sp iegelt die F reud e über den gelu n gen en K a m p f und die E rw a rtu n g d er H och stim m u n g beim d arau ffo lgen d en 1 F ü r P a ra llelen v g l. F ren ch /H ale, S. 88 A m n . M ünchen Ak. A bh. phil.-hist. J 959 (H abicht)

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D ie erzähltechnischen Q ualitäten d er G ebärde in d er m ittelenglischen D ichtung

E m p fa n g . D e r O rtsw ech sel h a t keinen H a n d lu n g sw ert; er könn te d urch einen A u t o r e n ­ ü b e rg a n g ersetzt sein. A b e r er erm ög lich t es, den H eld en in d er g la n zvo llen Pose zu zeigen , die vorh er und n ach h er sein H eld en tu m m an ifestiert. D e ra rtig e G eb ärd en oder P osen des O rtsw ech sels sind in den R o m an zen häufig. In G. Ww. veran sch au lich t sich z. B. einm al d er Ü b e r g a n g von d er D a rstellu n g des K rie gsra tes in einer belagerten S ta d t zu d er der A u sfa llssc h la ch t a u f dem V o rfeld im B ild vom A u s z u g des H eeres. D ieser A u s z u g ist aber nicht v o rg ä n g lic h ; er ist käm p ferisch e M assen rep räsen tation . A u f d er stärkend en A n fe u e ru n g des H eerfü h rers lie g t der N a ch d ru ck und a u f dem d roh end-dem onstrativen L ärm en der K a m p fesein h eiten : O u t o f þ e eite p a i ben y -g o W iþ g r e t noise a n d din also ( G . W w. 3431 f.).

Im strophischen M orte A r t h u r schließt sich an d ie W ied e rb e g e g n u n g zw eier R itter m it dem ersehnten L au n celo t dessen freu d ig er E m p fa n g bei H ofe an. D e r Ü b e r g a n g besteht im b eg lü ck te n E ilen der von hohem S to lz erfü llten R itte r: T h e re -fo re th e k n ig h tis w ere fü lle blithe A n d b u sk e d th em w ith m y k e lle pride T o the cou rte also sw ithe . . . (L M A 698 ft'.).1

In einer äh n lich en S itu ation d er gleich en D ic h tu n g ist solches auch aku stisch u n term a lt: m an hört H ö rn erk län ge (vg l. 2707). D er freu d ig e Sto lz d er zu m neuen Szen en o rt eilenden R itter ist die gem ein sam e S tim m u n g der a u fein an d erfo lgen d en E rzäh lein h eiten . So v e r­ m ittelt die G eb ärd e des O rtsw echsels auch G em ü tsstim m u n g — des A m y s sorgenreich c B ed rän gn is etw a, der d a v o n ja g t, den fernen B lu tsb ru d er zu H ilfe zu h olen ; zw ischen den S ch au p lätzen existiert nur die eine G e b ä r d e : T a g und N a ch t g ib t er dem P ferd die S p o ren .123 Ä h n lich w erden Zorn oder 1 rau er der H eld en beim O rtsw ech sel zu r angedeuteten oder v e r­ anschau lich ten G eb ärd e, die sich zw isch en die S itu atio n der E r re g u n g und die d er R eak tio n sh an d lu n g sch iebt und in beide hinein leu ch tet. D a ru m bindet sic. F reilich bleibt eine solche B in d u n g ä u ß erlich ; sie rü ttelt noch n ich t an den F u n d am en ten der reihenden E rzählw eise. M an m a g die kü nstlerisch en Q u alitäten solch er G eb ärd en v erb in d u n g a n z w e i­ fe ln , es h an d elt sich vielleich t auch um g a r keine gew ollten E ffek te. D o ch — g ew o llt oder in stin k tiv - beuten die G eb ärd en des O rtsw ech sels eine M ö g lich k e it des reihenden K o m ­ position sprinzips aus. Denn diesem en tsp richt g a n z und g a r die sch arfe K o n tu r d er ö rt­ lichen A b g re n z u n g . D u rch jen e Ü b e rg a n g sg e b ä rd e n w ird diese K o n tu r b elebt und sin n ­ reich. M a n beden ke allerd in gs, w ie g a n z anders epische E rzäh lw eise die H eld en von H a n d ­ lun gsort zu H an d lu n g so rt brin gt. M a n sieht etw a die H eld en a u f dem M arsch durch die L an d sch a ft, deren w echselnde A sp ek te vorüb erzieh en , m an sieht sie sich durch die W id rig k e iten des W eges h in d u rch k ä m p fe n ; die F a h rt ist G ru n d fo rm der epischen E rzäh lu n gen , ihr A b la u f m ach t den epischen H an d lu n g sflu ß aus. D a zu g ib t es in den m ittel­ en glischen R o m an zen n u r g elegen tlich e A n s ä tz e ; am ein d rin glich sten im allit. M orte A r th u r e , wo dann au ch d ie O rtsü b erg än ge zu d ah in gleiten d en V o rg ä n g e n w erden. A u f die epischen Q ualitäten gerad e dieser D ich tu n g bat m an ja auch aus anderen G rü n d en h ingew iesen.8 1 V g l. a u ch L M A 802 f. 2 V g l. A . A . 977 ff.

3 V g l. O a k d en , I I, S. 35 ; s. au ch K a n e , S. 71 ff.

G ebärde und H andlungsverknüpfung

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K o n tu ren zw ischen d en E rzäh lein h eiten sch afft auch das A u ftre te n neuer Personen. A u c h d a g e la n g t die G eb ärd e zu r G eltu n g . H ier verbin det sie allerdin gs n ich t w ie beim O rtsw ech sel S tim m u n gsgleich es, sondern sie streicht das N eue h ervor, das die L a g e än­ dert. G eb ärd e und Pose der n euau ftreten d en Personen schaffen den g ew ich tig en S zen en ­ a n fa n g . B eisp iele in H ü lle und F ü lle liefern d ie S ch la ch tsch ild eru n g en der R om an zen , in denen G efechtsepisod en und E in zelk äm p fe a n ein an d ergereih t sind. D a s A u fta u ch e n eines H eld en , das eine neue K a m p fesp h ase einleitet, ist heroische Pose. G a w a in , d er im strop hi­ schen M orte A r t h u r in die verfah ren e strategisch e L a g e ein greift, . . .gry p e s a fu ll g o o d spere A n d in he g ly d e s g la d a n d g a y (L A S A 2890 f.).

So w ie hier G a w a in sieht m an auch sonst die H eld en m it h eroisch er G eb ärd e in „ih re K a m p fesp h ase g eh en : sch w ertzü cken d , den S c h la c h tru f brü llen d, sch ildh eben d, a u f dem R osse sich au frecken d . N u r eine d rän g en d e A b s tra h ie ru n g des Sinnes solcher P ose ist es, w en n die D ich ter die N am en der in die S c h la ch t eintretenden H eld en m it rep räsentativem Z u s a tz ertönen lassen: „ A rth u r, der von g ro ß er M a ch t w a r . . .“ (A rth u r, th a t w as m ykelle o f m y g h t; L M A 3050); sin n en fälliger h eiß t es d afü r a u ch : „ A r th u r w a r m reicher R ü stu n g und ließ H örn er von der H öhe schm ettern“ { L M A 3098). A u c h diese G eb ärd en und Posen ziehen n ich t n u r die K o n tu r d er einzelnen E rzä h lp h a se, sondern verm itteln zu g leich zw i­ schen den gereihten E rzäh lein h eiten . D ie sch arfe T ren n u n g sk o n tu r bleibt selbst bei von N a tu r aus h an d lu n gsverkn ü p fen d en V o r g ä n g e n - w ie d er B e g e g n u n g - d eu tlich bestehen. B ei d er W ied e rb e g e g n u n g vo n P er­ sonen, die eine Z e itla n g getren nte G esch icke d u rch stan d en hatten - einer typischen R o m a n z e n s itu a tio n -, stoßen bisher u nverbun d ene H an d lu n g steile zu ein an der. T ro tzd em h eben dekorativ-au sw eiten de D arstellu n gen solcher S itu ation en n ich t so sehr das M om en t der W ied e rv erein igu n g m it dem stereotypen K u ß 1 (der auch d u rch eine abstrakte F orm el ersetzt sein kan n )123hervor, sondern m alen m ehr den G efü h lsau sd ru ck jedes E in zeln en aus. S o fa llen denn bei d erartigen G elegen heiten d ie Sich -W iederfin den d en - z. T . schon bevor sie sich g eg e n se itig erkan n t haben* - in O h n m ach t,4 oder sic knieen zum D a n k g e b e t n ied er56oder vollfüh ren sonstige höchst p rivate G eb ärd en . D a s M itein an d erfreu en ü ber das S ich -F in d en aber, der eigen tliche Ü b e r g a n g also, das, w as vom bisher getren nten zürn k ü n ftig gem ein sam en H an d eln hinüberleiten kö n n te: dieses M itein an d erfreu en w ird a u f die p u n k ta rtige G eb ärd e oder die F orm el beschnitten.« D e r Sin n fü r au sgep rä g te K o n tu ren scheint in d er T a t dieser starr-reihenden E rzä h lw eise n äh erzu liegen als d er fü r das Inein an d erverw eb en ; n ich t einm al das vom S to fflich en her verkn ü p fen d e M o tiv d er B e ­ g e g n u n g v e rm a g jenen reihenden Z w a n g zu brechen. E ch te H an d lu n g sv erza h n u n g d urch die G eb ärd e aber, eine w irklich e V e rk n o tu n g der H an d lu n g sfä d en , findet sich ansatzw eise in ein ig en der alliterieren den R o m an zen . A u c h diese w eitere F u n k tio n alisieru n g der Ü b e rg a n g sg e b ä rd e beruht a u f d er A u fsch w e llu n g d er

1 V g l. z. B . B ev . Harnt. 1989; 3 ° 5 7 f-i L M A 1631. 2 V g l. z. B. G. W w. 6 5 7 9 !.: þ e r w as ioie a n d m ichc blis B itven þ e fa d e r a n d t>c sone, y-w is. 3 V g l. G. W w. 1750 ff., w o zu n äch st G u y den H e rh au d erken n t und zu dessen V e rb lü ffu n g in G eb ärd en a u sb rich t, sich so d an n zu erkenn en g ib t, w o ra u fh in der a n d ere in O h n m ach t fällt.

1 V g l.

G. W w. 1763 ff., 6533; L M A

1634 u. ö.

3 V g l. L M A 446 f-, 674 h , 1 4 7 7 f6 V g l. z. B. G. W w. 1765: þ e r m en m ijt se ioie m ake.

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Dic erzähltechnischen Q ualitäten der G ebärde in d e r m ittelenglischen Dichtung-

G eb ärd en V orstellung in die B esch reib u n g , die sich aber nun in sV o rg ä n g lich e löst und dam it H a n d lu n g und G eb iird c zu g le ic h sein kan n . In d er G eb ärd e des B e ttg a n g s, des S ich Z u rü ck zieh en s, bildet sich in den alliterierenden R o m an zen diese d op p elte F u n ktion aus. Im B e o w u lf w ar das M om en t des S ich -Z u riick zieh en s allein G eb ärd e. Bei L a ja m o n und in den R eim rom an zen ist d ieser G eb ärd e die innere S p a n n u n g en tzo g en ; der B e ttg a n g ist d ek o ra tive V o rg a n g sb e sch re ib u n g , w elch e auch das an sch ließ en d e jam m ern d e G ebaren in d er K a m m e r ein b ezieh t. S ch o n in IV. P . jedoch g ew in n t auch dieser V o r g a n g E igen w ert. D ie B e stü rzu n g d er K ö n ig in n a ch einer T ra u m d e u tu n g g ib t ein A u sd ru rk s k o m p lcx w ieder. D a zu g eh ören die g em ein h in ü blich en K la g e g e b ä rd e n und au ch d er B e ttg a n g ; sie geh t in ih re K a m m e r (cayres to hire ch a u m b er; W. P . 2977). Alldort. reißt sie ein F en ster a u f (2978); auch diese B e w e g u n g ist typisch. N u n aber das V e rk n ü p fe n d e : d u rch das Fenster blicken d sieht sie d en als H irsch verkleid eten H eld en m it sein er G eliebten , ihren im T r a u m v e r­ heißenen R etter. D a m it ist sie über den G e b ä rd e n v o rg a n g in ein neues H an d lu n g sstad iu m getreten . Ihre fo lgen d en G eb ärd en veran sch au lich en diesen W ech sel. Sie b eo b ach tet n a c h ­ d en k lich das P aar, um d an n jubilierend (as m irie as sehe co u þ e; 2996) in die H alle zu rü ck ­ zukehren . E in d ru ck svo lle r n o ch ist im allit. M orte A r th u r e die H a n d lu n g sv e rk n ü p fu n g durch A rth u rs G efü h lsg eb ä rd e des S ich -Z u riick zieh en s. A rth u r re a g ie rt a u f eine om inöse T r a u m ­ d eu tu n g zo rn ig. Z orn ist n a ch außen g erich tet; d esh a lb wohl g eh t sein R ü c k z u g n ich t in die A b g esch lo ssen h e it d er S c h la fk a m m e r (w ie beim K u m m er), sondern n ach d ra u ß en in die F lu ren . M a n sieh t A r th u r n a ch d er R ed e des T rau m d eu ters aufstehen (thane rysez the riche k y n g e ; M A . 3456) und S tü ck um S tü c k seiner R ü stu n g a n leg en ; d er V o r g a n g des S ich -R ü sten s selbst ist schon ep isch -b reit gesch ildert. Sodan n eilt er h inaus und irrt durch die F lu ren . A lle s dies ist A u sd ru c k sg e b ä rd e : „ A r th u r schreitet über eine w eite W iese m it Zorn im F ierzen “ (and bow nnes ouer a brode m ode w ith breth at his herte; 3465); sein G a n g ist sch w an ken d , w ed er in einsam es B rü ten versu n ken ist (stotays a t a hey strette, stu d yan d e h ym one; 3467). D a sieht er aus d er F e m e den B oten a u f sich zu kom m en (dessen a llm ä h ­ liches räu m lich es Flerann ahen w ird sp ü rbar ! [3468]), bis dieser m it A r th u r a u f gleich er H öh e ist und ihn g rü ß t (3476). D ie B eg rü ß u n gsre d en führen zu r w eiteren A n n ä h e ru n g ; A r th u r erkenn t in dem B o ten einen seiner K am m erh erren . D a s W iedererken nen besiegeln U m ­ a rm u n g und K u ß - auch dies ist h ier a n sch au lich er V o r g a n g : A r th u r n im m t d ie S tu rm ­ h aub e ab, um den anderen küssen zu können (3515 f.). D ie M är, d ie der B o te ü b erb rin gt, ist die von M od red s S ch u rkerei in E n g la n d , die an d ieser Stella d er D ich tu n g zum ersten M a le erw äh n t w ird , und m it d er n u n eine g a n z neue H an d lu n g sp h a se anh ebt. A b e r die Ü b e rle itu n g zu r neuen P h ase ist h ier echte H an d lu n g sv e rk n ü p fu n g d urch die G eb ärd e. D e r vo rau sgeh en d e om inöse T ra u m und seine D e u tu n g bereiteten schon in der a u sla u fen ­ den H a n d lu n g sp h a se a u f das N eu e vor. A rth u rs G efü h lsrea ktion a u f den T ra u m - sein S ich -Z u rü ck zieh en - fü h rt hin zur B e g e g n u n g m it dem U n h eilsb o ten ; die B e g e g n u n g tü h rt w eiter zum E rk en n u n g sk u ß . D a s E rken n en w ied eru m erm ög lich t es dem Boten, seine N a ch rich t von M od red s V e r r a t an den M an n zu b rin gen . A lle s ist zeitlich und räu m ­ lich fo rtlau fen d es G eschehen, das in ein an d ergreift - und trotzd em ist es G eb ärd e. D ieser verk n ü p fen d e G eb ärd en V o rgan g ü berw ind et n u n schon die starre R eih u n g , ind em er sie in episches D ah in fließen d er H a n d lu n g löst. D e r allit. M orte A r th u r e steht in d ieser H in ­ sicht u nter den R o m an zen e in z ig da.

S ir O r fe o :

6. S I R

O R F E O : D IE

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Die G ebärde als autonom e Form

G EB ÄR D E

ALS

AU TO N O M E

FORM

Ü b e r die h ervo rra gen d e S tellu n g der R o m a n ze von S ir O rfeo sind sich die Interpreten ein ig . A b e r m an hat a llzu la n g e d azu gen eig t, ihre Q u alitäten im G eh altlich en allein zu sehen und die erzähl technische F orm als konvention ell a b zu tu n .1 T a tsä ch lich hebt sich aber - lan ge vor C h a u cer - die O rfe o d ich tu n g k ra ft ihrer erzäh lkün stlerisch en L eistu n g von den in d ie S tarre des reihenden Stils verh afteten R o m an zen aufs vorteilh afteste ab. E n tscheiden d en A n te il an diesem F ortsch ritt h a t die künstlerisch e D u rch d iin g u n g dei herköm m lichen G eb ärd en d arstellu n g. A ls E rsch ein u n g ist die G eb ärd e in S i r O rfeo k a u m etw as anderes als in den sonstigen R o m an zen . D ie E in zelgeb ärd en des G efü h lsau sd ru ck s oder d er R ep räsentation sind die g leich en g e b lie b e n ; ebenso die form alen T en d en zen d er A u sw e itu n g zum K o m p le x und d er A b k ü r z u n g und die d er F u n k tio n alisieru n g der G eb ärd e im Ü b e rg a n g . W en n gleich diese im m an en ten M ö g lich k e iten der G eb ärd e in reihender E rzäh lw eise m it M eistersch aft au sgesch ö p ft w erden, so b rin g t dies d och n ich ts g ru n d sätzlich N eues. W ähren d aber m den bisher b ehand elten R o m an zen beisp ielen die F u n ktion en der G eb ärd e gleich sam ein N e b en ­ p rod u kt d er reihenden K om p ositionsw eise w aren, u m im V o rb eig e h e n zur verbessein d en G esta ltu n g sekun d är m itverw ertet zu w erden, besteht d as N eue in S i r O rfeo darin, d aß die „G e b ä r d e an sich “ erka n n t ist, d ie G eb ärd e als autonom e A u sd ru ck sfo rm fü r den G eh alt im w eitesten Sin ne, die G eb ärd e, die ihre F u n k tio n n ich t m ehr von den K o n ven tion en zu ­ d iktiert erhält, sondern von sich aus w irkt. D ieser g estaltgeb en d e E igen w ert eign et d er G eb ärd e schon in stilistischer H insicht. D ie G eb ärd en d arstellu n g rich tet sich n ich t m eh r n a ch den stilistischen K on ven tion en , sondern - und das g leich t einer ko p crn ikan isch cn W en d u n g - d er S til richtet sich nach dem Sinn der G eb ärd en d arstellu n g fü r das G esam tgesch ehen. D ie K la g e g e stik d er K ö n ig in H eu rodis (E u ryd ice), als diese zu B egin n der G esch ich te aus dem S c h la f in der M aien lau b e erw acht, ist a u f den ersten B lick ein herköm m lich er k a ta lo g a rtig e r K o m p le x : S eh e crid, and loþli here g a n m a k e : S eh e fro ted h ir honden a n d h ir fet, A n d crach ed hir visa g e - it bled w e te ; H ir rich e robe h ye al to-rett, A n d w as reu eyd out o f hir witt (78 ff.) (S ic schrie, erhob ein sch re ck lich ’ Jam m ern ; Sie scheuerte sich H a n d ’ und F ü ß e w und, Z e rk ra tzte das G esich t, es b lu te t’ feu ch t, Z erfetzte g a r ih r P ra ch tg e w a n d , V e rlo r die H e rrsch a ft ih rer S in n e.).

D iesen K o m p le x d yn am isiert n u n der kon sequ en t d u rch geh alten e verbale S til. D ie B e ­ w egu n g sv erb en dom inieren; selbst d ie B eg leit- und F o lgeersch ein u n gen der G eb ärd en sind ve rb a l g esch ild ert: das G esicht w a r n ich t feu ch t von B lu t (wie m an sich sonst in den R o m an ­ zen auszu d rü cken pflegt), sondern es blu tete feu ch t; sie w a r nich t außer Sinnen, sondern sie verlor die H errsch aft über sie. D e r K o m p le x w ird n ich t m ehr beschrieben, sondern, weil es die Situ ation so erfordert, d yn am isch gesch ildert. D e r gleich e K o m p le x erscheint nun 1 S o z. T . noch G . K a n e , S. 81: “ T h e p ow er o f S ir O rfeo . . . is a p p are n tly not depend ent upon techm eahties o f exp ression , b u t it exists w ith o u t referen ce to such fau lts . . . ^ E rst n eu erd in gs w ird d er W ert d ieser R o m a n ze als h e rvo rra ge n d e s B eispiel d er E rzä h lk u n st g e w ü rd ig t; v g l. B liss im V o rw o rt zu seiner A u s g a b e , S. X L I .

Dic; erzähltechnischen Q ualitäten d er G ebärde in d er m ittelenglischen D ichtung

so gleich noch einm al, als O rfeo die K ö n ig in a n b lic k t (10 1) und sich in einer R ed e ob ihres G eb aren s verw u n d ert. N u n aber - und w ied er en tsp rich t dies der S itu atio n - ist d er K o m ­ p lex in d er R ü ck sp ie g e lu n g als Z u stan d und statisch a u fg e fa ß t. O rfeo sa g t: “ O 1c f liif, w h at is r.e, þ a t euer je tc hast ben so stille. A n d n ow greclest w ond er sch ille ? V'i hodi, Jiat was so w hite y -c o re , W i|j þin e n ailcs is al to-tore. A lia s! þ i rode, þ a t w as so red, Is al w an, as þ o u w ere d ed ; A n d al-so þ in e fin gres sm ale B eþ a l b lo d i and al pale. A lia s! þi louesom e y je n to L o k e þ so m an doþ on his f o ! ” (102 ff.) (O liebes L eb en , w as ist m it dir, die du stets so still g e w esen bist u n d n un so sch rille T ö n e heu lst ? D e in K ö rp er, einst a u serk o ren w eiß, ist je tz t von deinen N ä g e ln g a n z zerk ratzt. A c h , dein A n tlitz, sonst so rot, ist je tz t g a n z b la ß , als w ä rst du to t; und deine zierlich klein en F in g e r sind g a n z b lu tig und g a n z b la ß . A c h , der B lic k in deinen lieb evo llen A u g e n ist w ie der des M annes w id er seinen Feind.).

H ier dom iniert das A d je k tiv . D e r K ö rp e r i s t zerkratzt, das G esich t i s t blaß, d ie F in g er s i n d b lu tig usw . D em statischen S til verleih t eine d u rch geh en d e A n tith e tik N a ch d ru ck . D e r g leich e K o m p le x w ird also in zw ei Situ ation en - d ort als E reign is, hier als E rg eb n is fru ch tb a r; und jed er dieser Situ ation en entsprechend ist der sp rach lich e S til sein er D a r­ stellu n g dort dyn am isch , hier statisch . E in e stilistische F o rm u n g der G eb ärd en d arstellu n g g a b es freilich schon bei L aya m o n . D o rt aber erfa ß te sie den isolierten V o r fa ll des SickTG eb aren s; der S til form te die G ebärd e. In S i r O rfeo form t die G eb ärd e den S til so, w ie es die H an d lu n g slag e erfordert. D a ru m v e rm a g die G eb ärd en d arstellu n g - und h ierm it sind w ir bei der zw eiten E rru n g e n ­ sch aft des O rfeod ich ters - d ram atisch e S p a n n u n g zu erzeu gen. Sie v e rm a g es um so m ehr, als die N e n n u n g d er G eb ärd e und die E rk lä ru n g ihres A u sd ru c k sg e h a lts von ein an d er g etren n t sind. D ie G eb ärd e ist nicht m eh r etw as von vornherein V e rd eu tlich tes; ih re B e ­ sch reib u n g erregt V erw u n d eru n g , N eu gierd e, S p a n n u n g ; d er S in n d äm m ert allm äh lich herauf. W enden w ir uns noch einm al den K la g e g e b ä rd e n der H eurodis zu. Ihr A u sb ru ch kom m t v ö llig überraschend und unverm ittelt. E r sch ließt sich n ich t an eine bereits bekan nte S tim m u n g a n ; er w ird auch n ich t gleich als T rau m reak tio n m otiviert, w ie dies sonst in den R om an zen vo rkom m t. Im G egen teil, der K o n tra st zu m vo rau fgeh en d en G esch eh en ist g a n z sc h a r f - H eu rodis h atte sich m it ihren Zofen im blühenden G arten g eto llt und sich zu m süßen S c h la f n ied ergeleg t. D a ß sic dies unter einem “ ym p e-tre” tat, deutete zw a r va g e a u f kom m endes U n h eil, m ildert jedoch den K o n tra st keinesw egs h erab (57—72). D er L eser also w eiß zu n ächst eben sow en ig w ie die h andeln den Personen, aus w elchem A n la ß sich H eu io d is g eb ä rd et; er w ird - w o ra u f auch Bliss hinw eist1 - zu g leich ü berrasch t und m S p a n n u n g versetzt. A b e r m eh r n o c h : auch inn erhalb d er ko m p lexen G eb ärd en sch ild eru n g

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S ir

O r fe o :

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feh lt d ie sonst übliche G efü h lsan ga b e. D ie stereotypen K la g eg eb ä rd en fo rm en könn en ja — w ie an anderer Stelle schon au sgefü h rt w u rd e — V ersch ied en a rtiges a u sd rü cken : böses W esen, Zorn, T ra u er, V e rz w e iflu n g , R eu e usw . A ll diese M ö g lich k e iten zieh t denn auch der ah n u n gslo se O rfeo in E r w ä g u n g : die T rau er, in d em er „ m it großem M itle id “ a u f H eurodis einredet (wiþ grete p it é ; 101) ; den Zorn, indem er ihre A u g e n m it denen eines rach ed u rstigen K rie g ers verg le ich t (112 ) ; ja so g ar das böse W esen, indem er ih r den G eg en sa tz ihres jetzigen B enehm ens zu ihrem son stigen tugen d reich -stillen V erh a lten vo rh ält (103 f.). D ie S p a n n u n g der U n g e w iß h e it w ird n o ch w eiter g etrieb en ; zu m M ittel der S p a n n u n g s­ d yn am isieru n g w erden die m eisterh aft m itein an der verq u ickten h erköm m lich en M eth oden d er gestischen A u sw e itu n g und Szen en b in d u n g , die hier d u rch au s nichts D ek o ra tives m eh r an sich haben. D u rch das G eb aren der H eurodis in S ch recken versetzt, stieben ihre beiden Zofen d avon und alarm ieren den P a la st (84 ff.); diese „R e s o n a n z g e b ä rd e “ m otiviert g le ich ­ ze itig den fo lgen d en O rtsw ech sel; denn nun stü rzen die P alastb ew oh n er h erzu ,u m die R asen d e in die A rm e zu nehm en (92) und sie in ihr G em ach zu tragen (93-96). D a r a u f erst w ird die N a ch rich t dem O rfeo überm ittelt, und dieser eilt seinerseits m it se in e m G e fo lg e ins G em ach (to chaum ber, r ijt bifo r þe quen e; 100), w o er dann, w ie schon erw äh nt, ü b er ihr G ebaren lam en tiert. D ie G eb ärd e des O rtsw e ch se ls-so n st in den R o m an zen ein fach es B in d e­ glied zw ischen den E r z ä h le in h e ite n -w ir d hier zu m w ild b ew eg ten G eschehen, zum stieben­ den H in und H er der B eteiligten . G leich ze itig aber ist diese a u fg ereg te B ew eg th eit die R e a k ­ tion der U m w e lt a u f das u n erklärte V erh a lten der K ö n ig in , die R eso n an z ihrer G eb ärd en a ls o ; sie inten siviert dam it die S p a n n u n g der U n g ew iß h eit, w elch e diese G eb ärd en e rzeu g t h aben. A u c h a u f O rfeos beschw örende F ra g e n a ch U rsa ch e und Sin n des G eb aren s, m it der er dann seine R ed e sch ließt (“ and tel m e w h a t þe is, and hou, / and w h a t þ in g m a y 'þ e help n o w ” ; 115 f.), g ib t die R asend e n o ch keinesw egs A u sk u n ft, sondern stü rzt ih ren G atten (und den L eser) in noch g rö ßere U n ru h e m it ihrer unter W eh ru fen h ervorgestoßen en E rk lä ru n g , d aß sie O rfeo w ie im m er liebe u n d ihn trotzd em verlassen w erde. E rst nach einer d erart gesteigerten S p a n n u n g b erich tet d an n H eu rodis - u nter T rän en - vo n ihrem verh än gn isvo llen T ra u m , in dem ihr der F een k ö n ig a n k ü n d igte, er w erde sie aus dem R eich der L eben d en entführen. D ieser epische T ra u m b erich t ( 1 3 1 -1 7 4 ) verd eu tlich t zw ar endlich die G eb ärd en der A u sg a n g ssitu a tio n . E rstau n lich erw eise aber löst er die S p a n n u n g nicht auf. D ie letzten W orte der H eurodis reißen vielm eh r eine n och tiefere S p a n n u n g a u f; sie schließt ihren B ericht m it der w o rtw örtlich en W ie d e rg a b e der D ro h u n g des F een kön igs, n ach d er es ihr g a r nichts nützen w ürde, w enn sie auch „a ll ihre G lied er zerreiß e“ , er w erde sie dennoch holen: A n d to-tore þin e lim es al, þ a t noþing' help þ e no sch al ( 171 f.).

G en au das, w as ihr, w ie w ir nun hören, v ö llig u n n ütz ist, näm lich ein selbstzerfleischendcs G eb aren , hatten w ir sie ja vollführen sehen. D a m it k lin g t auch die V erd e u tlich u n g dieses G ebaren s m it d er U n g e w iß h e it über das K o m m en d e aus, m it S ch au d ern vo r der Z u k u n ft, m it der S p a n n u n g letztlich , die im T h em a der D ich tu n g lie g t: n ä m lich d er G eg en sä tzlich ­ keit d er realen W e lt der L eb en d en und der irrealen W elt der T o ten . D a s aber ist die höchste F u n ktion der G eb ärd e in S i r Orfeo'. sie gestaltet das Th em atisch e. Ihre S p a n n u n g sk ra ft v e rm a g im m er w ied er d en A b g ru n d zw ischen realer und irrealer W elt a u fzu reiß en ; denn der W e g zu r Ü b e rw in d u n g dieses A b g ru n d s, der durch das S ch ei­ tern sch ließlich zu m G elin gen fü h rt, ist w oh l d er sch icksalh afte H an d lu n gssin n in dieser D ich tu n g . D iese them atische S p a n n u n g sk ra ft h at die G eb ärd en d arstellu n g in S i r Orfeo selbst dann, wenn sie sich d er herköm m lichen verd eu tlich ten A u sd ru ck sk o m p lex e bedient

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und nicht schon, w ie hei d er H e u ro d isk la g c, das M o m en t der U n g e w iß h e it zw ischen G eb ärd e und V e rd e u tlic h u n g treib t. F reilich - und auch das ist schon bezeich nend - sind jene verd eu tlich ten A u sd ru c k sk o m p le x e in S i r Orfeo n irgen d s d erart ba ro ck au sgew eitet w ie die u n v erd eu tü ch te n ; sie erscheinen in d er K u rzfo rm . O rfeo selbst, nach d em er m ach tlos der E n tfü h ru n g seiner G a ttin Zusehen m ußte, ist das S u b jek t eines K la g e k o m p le x e s : þ o w as p e r criin g, w epe a n d w o ; þ e k in g into his ch a u m b e r is g o , A n d oft sw on ed opon þ e ston, A n d m ade sw ich e diol a n d sw ich e m on J>at n e ije his liif w as y -sp en t . . . (195 ff.) (D a g a b ’s H eulen , W ein en , W eh ; der K ö n ig g in g in seine K a m m e r u n d fiel in O h n m ach t oft zu B o d en u n d e rg in g sich so in K la g e n , daß es b ein ah um ih n g e sch eh en w ar.).

D as Sp an n en d e lie g t h ier im Ü b e rg a n g . E s ka n n kein Z u fa ll sein, d aß das allgem ein e M itk la g e n (195) d ie E in le itu n g ist zu O rfeos E in z e lk la g e - und n ich t ih r resonanter W id erh all. D er S c h lu ß p u n k t des ku rzen K la g e k o m p le x e s ist vielm eh r das F a k tu m der persönlichen K la g e O rfeos im B etroffensein vo n d er M a c h t einer anderen W elt, hier eben der des F een kön igs. A n diesem P u n k t e rfo lg t ein p lö tzlich er Ü b e r g a n g ; gleich im A n sch lu ß an die eben zitierten V erse h eißt es: der K ö n ig rie f seine E d le n zu s a m m e n : H e c lep e d to -g id e r his baroun s, E rls, lordes o f ren ou ns (201 f.).

In dieser typ isch en H errsch erg eb ä rd e des S ich -U m g eb en s m it seinem H o f m an ifestiert O rfeo E n tsch lo ssen h eit - und zw ar, w ie seine B esch lu ß red e alsbald k la r m ach t, in der A b sich t, d ie S u ch e n ach H eu rodis aufzu neh m en . D e r abru p te Ü b e r g a n g setzt die S p a n ­ n u n gselem ente neben ein an d er; hier die A h n u n g um die K lu ft zw ischen sein er und der anderen W elt (O rfeos K la g e ) — dort der heroische W ille, diese K lu ft zu übersch reiten (O rfeos R ep räsentation ). In d ieser W eise ließe sich noch an w eiteren B eisp ielen die th em a ­ tische W irk u n g selbst der verd eu tlich ten A u sd ru c k sk o m p le x e zeigen. A b e r n ich t n u r die D a rstellu n g der G efü h lsgeb ärd en , sondern auch die d er R ep rä sen ­ tation len kt die g an ze D ich tu n g h indurch a u f jene th em atisch e S p a n n u n g zu, vertieft sie. G reifen w ir die B e g e g n u n g O rfeos m it dem H ofstaat des F een k ö n igs heraus. K ö n ig O rfeo hatte n ach der E n tfü h ru n g der H eu rodis in die F een w elt a u f seinen T h ro n (a u f seine R e p rä ­ sentation!) verzich tet, ein B ü ß erg ew a n d a n g eleg t und irrt nun m it seiner H a rfe b arfu ß d urch die W üste. D a b e g eg n et er d er H o fg esellsch aft des F een kön igs. N ich t daß diese gan z und g a r in den F orm en d er m ittelalterlich en höfischen R ep räsen tation g esch ild ert ist, ist das B esondere d aran , sondern die ein m alige A r t und W eise der S ch ild eru n g. N ach ein an d er w erden vier typ isch e A s p e k te der R ep räsen tation vo rgefü h rt. Z u erst die Jagd rep räsen tatio n (R u fe, H ö rn erk lan g, H u n d e b e ile n ; 281—288); alles ist h ier zu stän d lich und allgem ein . Es b egin n t: , , O f t konn te O rfeo nahebei an w arm en N a ch m itta g e n den F een k ö n ig und sein G efo lg e sehen“ : H e m ijjt se him bisides O ft in hot vn d er-tid es þ e k in g o f fa iry w iþ his rout (281 ff.).

D ie R ep räsentation ist an H an d lu n g szeit und -ort n ich t gebu n d en . D ie a llg em e in g ü ltig e Z u stän d lich keit sp iegelt auch d er h erköm m lich e Stil d er A n ein a n d erreih u n g su bstan tivierter

S ir O r fe o :

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G eb ärd en w ö rter (das K ö n ig s g e fo lg e j a g t “ w iþ dim cri and blow ein g, / an d houndes also w iþ him b e rk in g ” ; 285 f . ) . - D e r zw eite A s p e k t ist die kriegerisch e Seite der R ep räsen tation (geballtes H eer, “ cunten aun ce stout and fe rs” , fliegende B ann er, g ezü ck te Sch w erter; 289296). D e r d ritte A s p e k t ist die h öfisch-gesellsch aftlich e S e it e : T ä n zeln der R itter und D am en, M u sik , G esan g. B eid es bleibt äu ß erlich in d er allgem ein en Z u stän d lich keit und ist u n v er­ bin d lich eingeleitet („u n d w ied eru m sah e r . . . “ ; 289; 297). A b e r der S til w ird m äh lich verbaler, d er E in d ru ck bew egter, die R ep rä sen tatio n sb esch reib u n g näh ert sich dem V o rg ä n g lich e n . Z u erst: „ E in jeder (der R itter) hielt ein g ezü ck tes S c h w e rt“ (and ich his sw erd y-d raw e h o ld ; 295); d an n so g a r: „ R itte r und D a m en kam en a n g etän zelt . . . m it G esch ick, m it zierlichen S ch ritten z a r t“ ( K n ijte s a n d le u e d is com d a u n cein g / . . . g isely,/ q u e y n tp a s and so ftly ; 298 ff.). V ö llig h an d lu n gsgeb u n d en ist dann der vierte A s p e k t der R ep räsentation , das T reib en der D am en . D ie E in fü h ru n g sp h ra se fixiert ihn in die H a n d lu n g sz cit: „ U n d eines T a g e s sah er in seiner N ä h e . . .“ (A n d on a d ay he se ije him biside . . ., 3 ° 3 )- U n d nun bestim m en auch die B ew egu n gsverb en den S p r a c h s til: S e x ti leu ed is on hors ride, G en til a n d io lif as b rid on ris; . . . A n d ich a fau co u n on b o n d here, A n d rid en on h a u k in bi o riu ere (304 if.) (Z u P ferd e ritten se ch zig D a m e n , A n m u tig w ie die V ö g c le in ; . . . S ie tr u g e n F a lk e n in der H a n d ; E s g in g zu r B e iz ja g d an den F lu ß .).

A u c h örtlich ist dieses G eschehen fixiert (bi o riuere), und der b etrach ten d e O rfeo ist m it seiner G eb ärd e k ö rp erlich in die Szen e ein b ezo gen : „ D a s sah O rfeo und la c h te “ (þat se ije O rfeo, and I0 U 3 ; 314). A u s der a n fa n g s sch ein bar bezieh u n gslosen G estik der R ep räsen ­ tation des F een h ofstaates sch ält sich m it der A b w a n d lu n g ihrer A sp e k te , und g leich zeitig m it d er stilistischen M od ifikation , u n m erklich H an d lu n g sg esch eh en heraus, das einem H ö h ep u n k t zustrebt. D ie einm al erreichte k o n krete szenische Situ ation - die D am en a u f der F a lk en b eize u n d d er sie lächeln d betrach ten de O rfeo - verd ich tet sich zur B e g e g n u n g O rfeos m it seiner G em ahlin , die er als F ee u n ter Feen g ew a h r w ird. D ieses E reign is ist G eb ä rd e: „ L ie b schau t er sie an und sie ihn w ied er; d och kein er sp rach ein W ort zum an d ern “ : 3ern he b ih eld hir, a n d sehe him eke, A c noiþer to oþ er a w o rd no sp eke (323 f.).

V o n hier aus zu rü ck b lick en d w ird uns n u n die th em atisch e F u n k tio n der V a ria tio n en der R ep räsen tation k la r; sie erzeu gten vorbereitend die S p a n n u n g , die im B ew u ß tw erd en der K lu ft zw ischen den heterogenen W elten liegt. V o r das A u g e O rfeos, des verw ilderten W an d erers in d er W üste, der sich seiner eigenen R ep räsen tation en tsch lagen hatte, tritt in sich steigernd er D eu tlich k eit die rep räsen tative W elt des F eenreiches - zunächst aber m it der tragisch en Ironie, d aß sich O rfeo d ie S c h ic k sa lh a ftig k e it des existen tiellen G etren n t­ seins dieser W elten g a r n icht k la r m ach t (er lach t auf, als er die andere Seite betrachtet). In der G eb ärd e bei der persönlichen B e g e g n u n g m it der H eurodis, im S ich -A n b lick en und N icht-m iteinand er-red en-K önn en der in getren n ten W elten existierenden G atten , tut sich nun die T r a g ik d er U n ü b e rb rü c k b a rk e it a u f — denn ohne diese T r a g ik könn ten sie sich ja hier zum W iedersehen sku ß u m arm en, w elch e G eb ärd e in den R o m an zen fü r solche S itu ation en des Sich-W iederfin dens angem essen ist;1 und en dlich w ird am H öh ep u n kt 1 V g l . oben S . 139. M ünchen A k . AVih. phil.-hist. 1 9 5 9 (H abicht)

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Die erzähl technischen Q ualitäten der G ebärde in der m ittelenglischen D ichtung

diese T r a g ik in der G eb ärd e zum sch m erzh aften E rle b n is; den A u g e n der H eu ro dis en t­ rinnen im A n b lic k des G atten T rän en , und dieser T rän en w egen reißen sie die Feen aus der B e g e g n u n g fort: l'c teres fcl out of hir eQ e: l>e o]ier leuedis þis y -s e ije A n d m a k e d h ir o w a y to ride - S eh e m ost w iþ him no lo n g er a b id e (327 ff.) (Ih r ra n n en T rä n e n aus den A u g e n ; das sa h ’ n die an d ern D a m en u nd m a h n ten sie zu m W eiterreiten - sie d ü rft’ bei ihm n icht lä n g e r w eilen.).

D e r K o n tra st zw ischen der R ep räsen tation slo sigk eit des suchenden O rfeo und der R ep räsen tation sfü lle des F een staates aber steht sym bo lisch fü r den G eg en sa tz zw isch en O rfeos realer, sterb lich er W elt und der irrealen des Totenreich es, in w elch er H eu ro d is steh t; und diese K lu ft hind ert die W ied e rv erein igu n g der G atten . U n te r V erw e is a u f diesen sym bolischen K o n tra st m öchte dann sp äter der von O rfeos H arfen sp iel b eza u b e rte F een k o m g selbst - en tgegen seinem g egeb en en V ersp rech en , jeden W u n sch zu erfü llen - dem O rfeo die A u slie fe ru n g der Fleurodis v e rw e ig e rn : “ N a y !” q u aþ þ e k in g , “ þ a t n o u jt nere! A sori cou p le o f 30 u it w ere, F o r |ioLi a rt lene, rowe a n d b la c , A n d sehe is louesu m , w iþ -ou ten la c: A lo þ lich þ in g is w ere, forþ i, T o sen h ir in þi c o m p a y n i.” (457 ff.) ( „ N e in “ , sp rach der K ö n ig , „ d a s kan n nie g e sc h e h e n ; ein tr a u rig P a a r g ä b t ih r w o h l a b : den n du bist m a ge r, a b g e h ä rm t und sch w arz, u nd sie ist reizvoll, ohne M a k e l. E in h äß lich D in g w a r’ es, fü rw a h r, m it ih r zu sam m en dich zu se h n .“ ).

D ie L o su n g aber, also die Ü b e rb rü c k u n g der W elten und d am it die W ied erv erein igu n g der G atten , kom m t zu stan d e a u f G ru n d der höfischen T u g e n d , der E h re n h a ftig k e it des F een -onigs, iu r die ja che vorh er gesch ilderte R ep räsentation seines H ofstaates das Sym bo l ist das g egeb en e E h ren w ort m ach t es dem F een kön ig zur P flicht, O rfeos W u nsch zu e rfü lle n ’ „ N o c h viel h äßlich er wärs w o h l“ , redet O rfeo den F een k ö n ig an, „ T r u g aus d einem M u n d zu hören : “ 3 ete w ere it a w ele fo u ler þ in g T o here a le sin g o f þ i m o u þ e ” (464 f . ),

und der F een k ö n ig kan n nur sa g en ; “ T a k e hir b i þe hond and g o ! ” (470) ( „ N im m sie bei der H a n d u n d g e h ! “ ).

Indem O rfeo die H eu rodis bei der H an d nim m t (H is w iif he to k bi þe h o n d ; 473) ist die losende W ied e rv erein igu n g in der G eb ärd e veran sch au lich t. D a s A n -d er-H a n d -F a sse n ist G eb ärd e der G leich stellu n g im g esellsch aftlich en R a n g ; hier bedeutet es d aru m - die K lu ft zw ischen d er repräsentationslosen S te llu n g O rfeos und der in der R ep räsen tation des

S ir

O r fe o :

Die G ebärde als autonom e Form

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F een reich es stehenden H eu rodis ist au fgeh o ben , beide sind a u f gleich e E ben e gebrach t, a u f die E ben e, a u f der sie sich finden können. D a ß die G eb ärd e in dieser ihrer th em atisch en F u n k tio n n ich t etw a vom Sto fflich en her au fo k tro v iert, sondern d aß sie vielm eh r selbst autonom gestalten de F orm ist, m öge als letztes B eispiel die Szen e der R ü ck k e h r O rfeos an seinen eigenen H o f d eu tlich m achen. D enn hier scheint nun das eigen tliche T h em a schon erled ig t zu sein. T ro tzd em bew ahrt die G eb ärd e ihre spannende K ra ft. R ein äußerlich h a n d elt es sich um d ie typische Situ ation des W iedererken n en s. D e r S ta tth a lter, d er den heim keh rend en O rfco n ich t erkennt, k la g t über dessen verm eintlichen T o d ; er fä llt in O hn m ach t, m u ß von den B aronen gestü tzt w erd en . A d o u n he fei a sw o n to g r o u n d e : H is b aro u n s him to k vp in þ a t stou n d e ( 5 4 9 f*)*

F ü r die W iedererken nung’ssituation ist diese im Z usam m enhang' schon verd eu tlich te K la g e g eb ä rd e ohne d ram atisch e S p a n n u n g ; der L eser ist über d ie G ru n d lo sig k eit d er K la g e im B ild e. In sofern besteht zu ähnlichen Situ ation en der R o m an zen k ein g ru n d sätzlich er U n tersch ied . D en n o ch trä g t diese G eb ärd e hier von sich aus zur O ffen b a ru n g inneren G eschehens b ei; durch sie erkenn t näm lich O rfeo, d aß sein S ta tth a lter ih m die T reu e g ew a h rt hat: K in g O rfeo kn ew e w ele bi þ a n H is stew ard w a s a trew e m an (553 f.).

D a rü b e r w a r in der T a t der L eser bis zu dieser G eb ärd e ebenso im U n g ew issen w ie O rico selb st; h a t d och zu B egin n der E pisode (519 ff-) die S c h ild eru n g von des S tatth alters rau schen d er H o fh a ltu n g den Zw eifel an dessen U n tergeb e n h eit g eg e n O rfeo nur genährt. A ls sich nun O rfeo zu erkennen gib t, fü h ren die an läß lich der W iederseh en sfieu d e gesch ild erten G eb ärd en dieses T h em a fort und keh ren g le ich ze itig zum H au p tth em a zu rü ck , das sie abrun den und abschließen . D e r S ta tth a lter b eku n d et seine F reud e über O rfeos R ü c k k e h r in überaus stürm ischer W eise; er eilt freu d ig a u f ihn zu, so daß die im W e g stehenden T isch e u m fallen, und er fä llt m it allen A n w esen d en O rfco zu F ü ß en : O u er and ouer p e b o rd he p rew c, A n d fei adou n to Ins fe t; S o dede euerich lo rd p a t p e r sete (578 ff.).

M it der ihm d arg eb rach ten U n terw ü rfig k eitsg eb ä rd e tritt O rfeo w ieder in seine eigene W elt, in seine alte R ep räsen tation ein, die er am A n fa n g w a g h a lsig a u f der Su ch e n a ch der irrealen W elt verlassen hatte. In R ep räsen tation ssch ild eru n g (F estzu g, E in z u g der K ö n ig in , M u s ik ; 587 ff.) k lin g t die D ich tu n g aus; O rfeo w ird neu g ekrö n t (!): N o w K in g O rfeo new e coroun d is (593).

D a m it hat sich der K reis geschlossen. E s h a t sich g ezeig t, daß die G eb ärd e in S i r O rfeo an der stilistischen und d ram atisch en G estaltu n g teilhat, d aß sie F o rm k ra ft gew in n t. D ab ei w ird jed o ch w eder an ihren typischen E rsch ein u n gsfo rm en gerü ttelt noch an den h erköm m lich en form alen T en den zen d er G e ­ b ä rd en d a rstellu n g - der w echselhaften A u sw e itu n g in K o m p le x oder S itu ation sb esch rei­ b u n g , oder d er F u n k tio n alisieru n g im Ü b e r g a n g . A u ch der W ertg eh a lt b leib t; die K la g e ­ gebärd en sind A u sd ru c k des Betroffenseins vom S ch ick sa l, die F orm en der R ep räsentation sind A ttrib u te des H errschers. A b e r diese G eb ärd en w erden nun zu S ym bo len geistiger 19

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Die erzähltechnischcn Q ualitäten der G ebärde in d e r m ittelenglischen D ichtung

W elten und ihrer S p a n n u n g en , w elch e die T h e m a tik dieser D ic h tu n g ausm achen und aus denen das G esch eh en erw äch st. D a ru m erh ält die G eb ärd e Sin n und d ram atisch e F u n ktion fü r das G esa m tw e rk ; sie trä g t d azu bei, über die R u c k h a ftig k e it des reihenden E rzäh lstils die g ro ß e E in h eit zu sp an nen . M a n w ird n ich t feh lgeh en , in der T e c h n ik des O rfeod ich ters die Z ü g e eines B alla d en stils zu verm u ten, w ie er sich in der m ittelh ochd eu tsch en D ic h ­ tu n g schon a u sgeb ild et h atte. D en n o ch w ird S i r O rfeo sch on w e gen sein er L ä n g e n ich t als B a lla d e anzusehen sein, sondern als R o m an ze, in der einer der d en k b aren W eg e gefu n d en w ird, d ie in anderen R o m an zen sch lu m m ern den kü nstlerisch en A u ssa g em ö g lich k eite n der G eb ärd e auszusch öp fen.

7. S I R G A W A I N A N D T H E G R E E N K N I G H T - D I E I N D I V I D U E L L E N GEBÄRDEN

E in en anderen, um nichts m ind er kü nstlerisch fru ch tb aren W e g zu r Ü b e rw in d u n g der starren, d ekorativen G estik des reihenden R om an zen stils besch reitet d er G aw ain d ich ter. Sem e M eth o d e b e s t e h t - im G eg en sa tz zu der des O rfeod ich ters - gerad e darin, d aß er die E in zelgeb ärd en aus ih rer T y p ik löst, d aß er sie realisiert und in d ivid u a lisiert; er erzeu g t den E in d ru ck , als ob jede G eb ärd e d irek t beobach tet sei. D a b ei b leib en andererseits - w ied eru m im G eg en sa tz zu S i r Orfeo - die K o n tu ren der E rzäh lein h eiten a u sg e p rä g t erhalten. W ä h ren d die G eb ärd e in S i r O rfeo fü r d ie g an zh eitlich e T h e m a tik fru ch tb a r w ird, setzt beim G a w a in d ich te r ihre W irk u n g in n erhalb der E rzäh lein h eiten ein. Ü b erb lick en w ir d aru m zun ächst die A u fb a u te c h n ik in G G K . Schon ä u ß erlich ist die iie n n u n g in E p iso d en d u rch die T e ilu n g in v ier in sich abgeru n d ete K a p ite l (fyttes) m arkiert. F o rm a l h aben auch die S trop h en, in die d ie fy tte s unterteilt sind, etw as T ren n en ­ d es, d ie ku rzen R eim verse (bob und w heel), w elch e jede der aus alliterierenden L a n g z e ile n bestehenden Strop h en abschließen , nehm en m eistens schon G esagtes w ied er a u f, lassen es verw eilen d aussch w ingen. D ie ein zeln en E p isod en sind so rg fä ltig ein geleitet - m it O rts­ und Z eita n g ab e n , p räzisen P erso n en besch reibu n gen usw . E ben so so rg fä ltig sind sie a b ­ geru n det. N irgen d s feh lt — w ie so oft bei L a ja m o n s Szen en an sätzen — die S ch ild eru n g der lösenden S ch lu ßsitu atio n . D a s eig en tlich N eue aber gegen ü b er d er P ra x is der reihenden E rzä h lw eise der R om an zen ist, d aß in a l l e n E rzäh lein h eiten ein szenisches G esch eh en au sgestaltet ist. D ie E rzäh leinheiten selbst nehm en einen viel m on um entaleren R a u m ein als a n d e rsw o ; die g an ze erste fy tte ist von d er g ro ß en H ofszene erfü llt; in anderen sind die J a gd - und V ersu c h u n g s­ szenen m eisterh aft inein an der versch ach telt. In jed er Szen e ist n u r das fü r die jew eilig e S itu atio n g ü ltig e G eschehen , d er ein m alige V e rla u f, g esch ild ert, nich t bloß die d ekorative A u sw e itu n g einer typ isch en S itu atio n sg estik . A b g e k ü rzte , fo rm elh a ft-g ed rä n g te E rz ä h l­ einheiten g ib t cs n ich t; denn das ein m a lig E rle b te lä ß t sich n ich t a b kü rzen . D a ru m g ib t es auch nich t den W ech sel von ausgew eiteter und a b g e k ü rzter G estik, o b gleich die P a ra lle ­ lität d er F u n d am en ta lg estik vieler Szenen d azu einladen kön n te. D ie „ ty p is c h e “ F u n d am en talgcstik w ird vielm eh r als S ch em a g a r n ich t bew u ßt, w eil sic stets m it dem besonderen G eschehen des A u g e n b lick s verw oben ist. D a m it stoßen w ir w ied er a u f so etw as w ie eine epische P otenz d er G eb ärd e. A b e r anders als im alten glisch en E p o s erw äch st diese P oten z nun nich t aus der T a tsa ch e, d a ß eine bedeutsam e G eb ärd e a u fb litzt, sondern aus d er A rt, w ie sie sich im szenischen G eschehen darbietet. D en n es herrscht das E b en m aß einer die

S i r G a w a in a n d th e G re e n K n ig h t :

D ie individuellen G ebärden

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ä u ß ere E rsch ein u n g sw elt präzisierenden D a rstellu n g sw eise.1 D iese D arstellu n gsw else ist d as R esu lta t einer Schw eise, die m a n n a ch g era d e als das G eg en teil d er m der alten gh sch en E p ik w irken d en bezeichnen könnte. D e r B lic k des D ich ters geh t kon sequ en t a u f das A n ­ sch au lich e. In der L e u c h tk ra ft u n d S ch ä rfe der B esch reib u n g en feiert der visuelle S til des G a w a in d ich ters ebensolche T riu m p h e w ie in der L eb e n d ig k e it der G eb ard en d arstellu n g. B ed eu tu n gsvo ll fü r unsere F ra g e ste llu n g sind auch seine plastischen, raum erfullen den u n d situ ationsgestaltend en W irk u n g en . R ä u m lich e, b ew egte B ild ko m p ositio n sch afft der G a w a in d ich te r schon in der B e w ä ltig u n g eines so konvention ellen M o tivs w ie der E vozieru n g der Jahreszeiten, die in G G K die E rzä h lein h eiten : E n th a u p tu n gssp iel und A u sz u g G a w a in s, ü berbrü ckt. D e r R au m zw ischen H im m el und E rd e w ird d urch ein stetes A u f und N ied er d er visuellen Im pu lse erfüllt. D e r F rü h lin g : die K ä lte sin kt nieder, die W olken steigen em por (G olde celn g e 5 adoun, clo u d e 3 v p ly fte n ; 505). D iese räu m lich e B ew egu n g, m it der sich auch andere N atu rsch ild eru n gen in G G K d arbieten ," ist von Sin neseindrucken belebt- „ g l i t z e r n d ergieß t sich der R e g e n in w a r m e n S c h a u ern ; fa llt nieder a u f den lieblichen G ru n d “ (S ch yre sch ed e 3 þe rayn in sch o w re 3 fu l w arm e, / F a llc 3 vp on fayre flat; co 6 f.). U n d diese B e w e g u n g erfü llt einen erlebten R a u m , in dem sie ihren A u sg a n g sp u n k t und ihr Z iel hat. S ie ist gerichtete B e w e g u n g ; der R e g e n fä llt vo n den W o lk en a u f die F eld er und H ain e m it ihren grü nen G räsern (508) und ihrer B lü ten p rach t (512). So ist auch das B ild des Som m ers gestaltet; Z ep h yru s b lä st a u f die P flan zen und G raser (517), das P flän z­ chen w äch st aus der E rd e em por (518), d er T a u tro p ft vo n den B lä ttern h erab (519)- U n d der H erb st: seine W ind e heben den S ta u b von der E rd o b erflä ch e em por (H e d ryu es w yth d ro jt þe dust fo r to ryse, / F ro þe fa ce o f þe fo ld e to fly 3e fu l h y 3 e; 523 f -); dle B latter w irbeln vo n d er L in d e hinab aufs Feld (526). . , ,. W o nun solche raum beleben de B e w e g u n g in der S itu atio n sg esta ltu n g w irkt, d a w ird die in d ivid u alisierte G eb ärd e zum K o m p ositio n sm ittel p a r excellence. D ie G eb ärd e, sonst in den R o m an zen zu stän d lich und fläch ig, steht n u n g leich sam im d reidim ensionalen K aum , und sie fü llt den R a u m - eine E rru n gen sch a ft, w ie sie ähnlich G iottos A ren a fresk en zu P a d u a fü r die M alerei gebrach t h ab en .12 3 M an sehe, w elch e in der englischen R o m an zen d ich tu n g nie d agew esen e W irk u n g en allem m it den B lick g e b ä rd en erzielt w erden. D er B lic k w a r in sonstigen D ich tu n g en etw as aus dem G ew eb e des G eschehens Isoliertes; er w a r typ isch fü r die heroische Pose, er geh örte zu zu stän d lich en A u sd ru ck sk o m p lex en . M a n sp rach m ehr von den A u g e n und deren F u n ­ keln als vo m schauenden, gerichteten B lick . In G G K zielen die B lick e ; sie durchm essen gleich im agin ären L in ien den szenischen R a u m . D e r B lic k zieht B esch reib u n gen m die S ch ild eru n g des Szenengeschehens hinein. A u f d ie G estalt des B u rgh errn lenkte G aw ain s B lic k bei der B e g rü ß u n g hin: G aw ayn g ly 3t on þe gom e pat godly hym gret, And pu jt hit a bolde burne p at pe b u r j a jte, A hoge hapel for pe n on ej . . . (842 if.).

D a ra u fh in erfahren w ir, w ie d er B u rg h err aussieht. Ü b e r G a w a in s B lic k kom m t der D ich ter zur äußeren B esch reibu n g, hier der P erson (s. a. 952 ff-), and ersw o eines O rtes w ie der L a n d sch a ft um die G rüne K a p e lle (2163 ff.) - zu B esch reib u n gen , die g a n z aus G aw ain s W arte erfolgen . So schafft der B lick S zen en p ersp ektive und dient d am it der Szeneneinh eit 1 V g l. au ch K a n e , S. 7 4 2 V g l. auch M oorm an, S. 101. 3 V g l. T . Hetzer, Giotto (Frankfurt/M 1941), S. 133 f.; 141 f.

íS o

Die erzähltechnischen Q ualitäten der G ebärde in der m ittelenglischen D ichtung

nicht n u r d er räu m lich en , auch d er stru ktu rellen . D er um herirrend e G a w a in w ird der B u r g g e w a h r; deren p ittoresk beschriebene, glitzern d e P ra ch t (765-770) g ib t nich t n u r äußerlich em en K o n tra st ab zu der W ild nis des W aldes, in dem G a w a in ist, sondern setzt auch h eite­ ren G la n z dem inneren B a n g en des R itters en tgegen . D ieser K o n tra st g ew in n t szenische G estalt, w eil G a w a in von seinem S ta n d p u n k t (in þe w od ; 764) aus in die R ich tu n g d er B u r g b lick t und sie g leich sam a n visiert; d azw isch en ab er flim m ern die den B lic k vorerst noch hem m enden E ic h e n z w e ig e : þat holde on. pat on syde pe haþel auysed, As hit schemered and schon þui-3 Jic schryre okej (771 f.). ,

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In räu m lich er P ersp ektive verb in d et au ch die bildlich e B lick g e b ä rd e in den erw ähnten Jah reszeiten sch ilderu n gen G eg en sä tzlich e s; die T a u tro p fen fallen zu r E rde, um dort „ein es b eglü cken d en B licks d er strah len den S o n n e“ zu harren (to bid e a blysfu l b lu sch o f þe b r y jt sun ne; 520). D e r gerich tete B lick kom p on iert aber au ch das szenische G esch eh en selbst. E r v e r ­ an sch au lich t das K o n tak tfin d e n der R ed ep a rtn er und h eb t den R ed ek o n ta k t vom ü b rigen "Vorgang ab. Sch on ohne die G eb ärd e ist das S zen isch -R äu m lich e d er R ed ek o n ta k te d eutlich. D ie A n k ü n d ig u n g e n der D ia lo g red en geb en die R ich tu n g sä n d eru n g des S p r e ­ chens an (þen c a r p p e j t o S i r G a w a n þe k n y jt in þe g ren e; 377; v g l. 405 u. ö.); solche R ed ea n k u n ch gu n gcn lenken a u f den räu m lich fixierten S ta n d p u n k t des P artners hin. D a d u rch w ird die gerich tete D ia lo g red e von der selbsterklärend en, rep räsentativen R ede d ifferen ziert; denn die A n k ü n d ig u n g e n der letzteren w eisen a u f das G efü h l oder a u f die P ose des Sp rechen d en hin. Jene R ed erich tu n g versin n lich t der B lick . K ö n ig A rth u r, der n ach dem E n th a u p tu n gsab en teu er zu n äch st die K ö n ig in b eru h igt, b lick t sodann zu G aw ain , dem H eld en des T a g e s, hin, um ihm öffen tlich seine A n e rk e n n u n g zu zollen (476); und vorh er drehte der G ek ö p fte sein m it aufgerissenen A u g e n starrendes H a u p t eigen s in G a w a in s R ich tu n g , d am it es ih m die M a h n u n g an den K o n tra k t zu ru fe (444 ff.). D e ra rtig e B lick e sind etw as S p ü rb a re s; m an ch m al ist betont, d aß die B eteilig ten s e h e n , w ie jem an d blickt, d aß sie davon beein dru ckt sind (vgl. 82 f .; 19g f.). M it solchen „ra u m g eo m etrisch en “ F u n k tio n en ist nun die B ed eu tu n g der B lick g e b ä rd en beim G a w a m d ich ter keinesw egs erschöpft. D e n n die B lick e sind b e s e e lt; sie sind in d ivid u ­ eller A u sd ru c k und der S itu atio n en tsp rech end n u an ciert. D a s ze ig t schon die V ie lfa lt der offen sichtlich bed eu tun gsd ifferenzierten W örter fü r das B licken (auyse, by holde, blusche, glente, glyfte, loke, se, Studie, tote, wayte, wyte usw .). Jeder B lick ist etw as E in m aliges, ist nur aus dem besonderen V o r g a n g heraus zu verstehen. D a ru m u n tersch eid et sich das w ilde D rein sch auen des ankom m en den G rü n en R itters (199, 223) vom verblü fften G u cken seiner B etrach ter (232) oder der suchende B lic k G aw ain s im u nh eim lichen G elän d e (2163) vo n seinem verstohlenen B lin zeln , als ih m die A x t in den N a ck e n saust (2265). W eil die B licke beseelt sind, k a n n sich in ih nen d er innere V o r g a n g sp iegeln. P ra ch tvo ll gestalten die n u ancierten B lick geb ärd en die S zen en zw ischen G a w a in und d er D am e im S c h la f­ gem ach . A ls in d er ersten derselben d er u nter der B ettd ecke sch lu m m ern de G aw ain ein G eräu sch an der T ü r hört, lu g t er vo rsich tig u nter dem B e ttv o rh a n g hervor in dessen R ich tu n g (w a y te j w a rly þ id erw ard e; 1186). E r sieht n u n - und der L eser sieht aus G a w a in s P ersp ektive - d ie schöne D am e, ihr V erh alten , ihre G eb ärd en. D ie w echselseitigen B lick e k ü n d en die Phasen des inneren G eschehens an. D a s L u g e n G aw ain s, das bew u ß t ein seitig ist, bew irkt noch keinen K o n ta k t (G a w a in stellt sich sch la fen d ; S ch am erfü llt ih n ; 1189). D e r gleich falls einseitige B lick der D a m e, die den sch ein bar S ch lafen d en b etra ch tet’(i 194), fü h rt seinerseits zum näch sten S ta d iu m des inneren G esch eh en s: G a w a in versp ü rt d ie H uld

S i r G a w a in a n d th e G r e e n K n i g h t :

D ie individuellen G ebärden

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d er D a m e und ü berlegt sich, w ie er sich nun zu verh alten habe (119 6 -119 9 ). So k o m m t es d an n zu m eigen tlichen K o n ta k t, w as aberm als der B lic k v e ra n sch a u lich t: G aw ain dreht sich d er D a m e zu und „ö ffn et seine A u g e n lid e r “ (vn lou ked his y je -ly d d e s; 1201), und ihre B lick e treffen sich. D ieses S p iel der B lick e nim m t also gleich einer dum b-show die P hasen der inn eren E n tw ic k lu n g voraus, d ie sich d an n in R ed e und G egen red e ausbreitet. Z u g leich ist d urch d ie B lick rich tu n g en der S zen en rau m p ersp ektivisch kom poniert. G estaltend und offenbarend zu g le ich ist d ie B lick g e b ä rd e auch in den anderen der dem G a w a in d ich ter gem einhin zu geschrieben en D ich tu n g en der H an d sch rift Cotton N ero A X . In P e a r l versinnlicht sie den K o n ta k t zw isch en T rä u m e r und „ P e r le “ . In P u r ity w ird gesch ildert, w ie bei der Sin tflu t M enschen und T ie re a u f die B erg e fliehen und entsetzt in den H im m el starren (389), in w elcher B lick g e b ä rd e sich die R ich tu n g des H in au fsteigen s fo rtsetzt und in der g leich zeitig die R eib u n gslo sigkeit offen bar w ird. U n d w eil A b ra h am , von G o tt über die bevorstehende V e rn ic h tu n g Sodom s und G om orrh as in K en n tn is gesetzt, um das S ch ick sa l seines in Sod om lebenden B ru ders L o t besorgt ist, b lick t er seinem sich entfernenden G o tte flehend n a ch (P u r ity 769). B eid e B lick g e b ä rd en h aben keine E n t­ sp rech u n g in der biblischen Q uelle. D o ch sind die B lick geb ärd en in ihren N u an cen n ich t allein da, sondern im Z u sam m en ­ spiel m it d en anderen m an n ig fa ltig e n G eb ärd en und freien B e w e g u n g e n ; sie sind T eile einer realistischen G eb ärd en fo lge. D e r R au m , den die B lick en d en einnehm en, w ird durch ihre G eb ärd en erfüllt. D er eben erw ähnte A u ftritt zw isch en G a w a in und d er D a m e ist g a n z in G eb ärd en - und B ew egu n gssch ild cru n g au fgelö st. G a w a in im B ette steckt d en K o p f hervor, zu p ft den V o rh a n g ein w en ig hoch, le g t sich w ied er zu rü ck und stellt sich sch lafen d, u m d an n, E rw a ch en vortäuschend, sich zu strecken und sich zu r D a m e zu w enden. D iese ihrerseits hatte die T ü r g a r behutsam (ful d crn ly and stylle) h in ter sich g esch lo ssen , hatte den V o r h a n g gelu p ft, um darunter hin d u rch zu sch lü p fen , sich g ar san ft (ful softly) a u f den B ettran d zu setzen und den verm eintlich S ch la fen d en zu b etrach ten (118 2 ff.). Zw isch en den solcherm aßen durch ihre höchst ind ivid uellen G eb ärd en w irkend en F ig u ren geh t das S p iel d er B lick e hin und her. D a n n w ied eru m ko n kretisiert sich g leich sam die R ich tu n g d er B lick e, ind em körperliche G eb ärd en den d urch sie gekn ü p ften K o n ta k t w eiterfü h ren ; den B lick en fo lg t der D ia lo g , dann das w ech selseitige L a ch e n (1212, 1217, 1290), die p h y ­ sische A n n ä h e ru n g (1305) und endlich der K u ß (1306). Ä h n lich fü h rten B lick e u n d G e­ bärden schon zum allerersten K o n ta k t G a w a in s m it der D a m e bei d er B e g e g n u n g in der K a p elle. D ie L ieb reizvo lle w ar an m u tig ins K irch en g estü h l getreten (934), w äh ren d an anderer Stelle der B u rg h err den G aw ain am G ew an d sch o ß ergriffen und ihn zu sich gesetzt hatte. D a g eru h t die D am e, “ to loke on þe k n y j t ” (941), und schreitet sogleich in seine R ic h tu n g ; G a w a in seinerseits schau t (g ly jt) die huldreich B lick en d e h ö flich an (970) und näh ert sich ihr g leich fa lls (971), u m sie dann z ü ch tig zu um arm en und zu küssen (973 f.), n ach d em er sich vor ihrer gesetzten B egleiterin g a n z tie f (m it gesen ktem B lick e also) vern eigt hatte. S o lch e W irk u n g en sind m öglich, w eil das S p iel der G ebärd en in realer A n s ch a u u n g vor sich g eh t und w eil V o r g a n g und G eb ärd e in ein an der verw oben sind. A u c h das ist fü r die anderen S tü ck e d er H an d sch rift ch arakteristisch . A ls in P u r ity S a ra h ih r berühm tes L ach en über die P ro p h ezeiu n g der S p ä tg e b u rt anstim m t, steht sie „h in te r der T ü r " (þenne þe burde b yh yn d e þe dor for busm ar la.^cd ; 653). Z w a r fo lg t der D ich ter hier einer A n r e g u n g seiner Q u e lle ;1 d aß er sie b ereitw illig au fgreift, ist jed o ch bezeichnend und steht g a n z im G e g e n ­ satz zu r D arstellu n g etw a der alten glischen Genesis, w o diese A n r e g u n g total ü b ergan gen 1 Vgl. 1 . M o s e 18: Sara risit post ostium tabernaculi.

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crzáhltechnischcn Q ualitäten der G ebärde in der m ittelenglischen D ichtung

w ird . U n d ist es n ich t au ch ein höchst realistisches Sehen einer so stereotypen G eb ärd e w ie d er des K leid erzeireiß e n s, w enn d er D ich te r in P atience d a zu bem erkt, w er so h e ftig sei, sie zu vo llfü h rcn , m üsse n ach h er u m so k lä g lic h e r dasitzen und seine K le id e r w ied er z u ­ sam m en flicken ?1 D a s Z u sam m en w irken all dieser N e u e ru n g en in d er G eb ärd en d arstellu n g - die schon fa st an C o le rid ge g em ah n en d e B lick m a g ie , das R a u m erfü llen d e und R au m k om p o n ieren d e der G eb ärd e, ih re in d ivid u elle N u a n cieru n g , ih re innere A u s s a g e k r a ft u n d ih re äußere R ea lisieru n g - das Z u sam m en w irk en vo n alledem ist es n ich t zuletzt, w as die Szen en in G G K fo rm t und w as ih ren G la n z ausm acht. Sehen w ir uns d a ra u fh in einm al d ie g ro ß e E n th a u p tu n gsszen e an, w elch e d ie g a n ze erste fy tte einnim m t. E s ist eine S taatsszen e. Ih r erstes erregen des M om en t ist die A n k u n ft des H erau sforderers (132 ff.) - eine E m p fa n g ssitu a tio n also, d er d ie rep räsen tative G e la g e ­ b esch reib u n g vo rau sgeh t. In der ersten P h ase dieser Szen e tritt d er G rü n e R itter d urch das T o r der H alle (136); zu vor h atte sein E rsch ein en ein vom G e la g e ju b e l d issonan t sich abheben der L ä rm (132) a n g ek ü n d ig t. D e rg esta lt in den Szen en rau m h erein geb rach t, kann - aus der P ersp ektive d er verw un derten G ela g e g ä ste - das Ä u ß e re des u nh eim lichen G esellen beschi icben w erden. D e r K o n tra st zw ischen dieser äu ß erst sin n en freu digen B esch reib u n g und der vo rau sgeh en d en des höfischen Festes läß t die a n fa n g s aku stisch e D isson an z im B ereich visuellei E in d rü ck e fortw irken . A u s der über d reiein h albstro p h igen P erso n en besch reibu n g des G rünen R itters (137-220 ) k ristallisiert sich d ie V o rste llu n g seines G eb aren s heraus. D ie retardieren den K u rzverse ( w heels) am E n d e der einzelnen beschreibenden Strop h en lenken im m er w ieder und m it w ach sen d er D e u tlich k eit d a r a u fh in . D a s w heel n a ch d er ersten b e­ schreibenden H alb stro p h e deutet n o ch allgem ein sein erstaun liches G eb aren a n : „ E r ben ah m sich w ie ein k ü h n er K erl (H e ferd e as frek e w ere fa d e ; 149); im w heel n a ch der d ritten besch reibend en Strop h e zeich n et sich der B lick a b : „ E r b lick te w ie d er B litz so strahlen d drein - das sagten alle, die ihn sa h e n “ (H e loked as la y t so l y st, / So sa y d al þ at hym s y j e , 199 f -)-12 D ies ist der übliche w ilde H eld en b lick , das A u g e n fu n k e in der heroischen Pose. In d en irischen und fran zösisch en V a ria n te n ist diese ostentative M im ik des A u g e n fu n keln s w eitau s stä rk e r;3 der G a w a in d ich ter m ild ert sie offenbar etw as herab, w as indes w ohl n ich t so sehr d aran liegt, d aß er, w ie m an an genom m en hat, den G rü n en R itte r g e se ll­ sch aftsfä h ig er m ach en w ill4 - sondern daran, d aß d ie V e ra n sch a u lich u n g einer heroischen Pose fü r ihn n ich t das letzte Z iel d er G eb ärd en d arstellu n g ist. A u s dem K o n tra st seines Benehm ens zum höfischen M ilie u 5 en tw ickelt sich n u n erst das eig en tlich e G esch eh en . A u s dem dem on strativen A u g e n fu n k e in w ird am E n d e der vierten beschreibenden S trop h e der gerich tete, raum clurchm essende B lick . D e r G rüne R itte r reitet g ru ß lo s in die H a lle und sch au t zuerst h och über alles h in w eg (223), w eil er den K ö n ig , w ie er sa g t, in A u g e n ­ schein nehm en m öch te ( se þ at se g g in s y j t ” ; 226); dann w endet er sich hin und her, w obei sein su ch end er B lick g leich sam die R itter ab tastet : To k n y jtej he kest. his y ^ e, And relcd hym vp and doun (228 £.). 1 Vgl. P a tie n c e 526 f . :

For he þat is to rakel to renden his clojieä, mot efte sitte with more vnsounde to sewe hem togeder. 2 Ähnlich führte dic Beschreibung Guineveres im w h e e l zum Staunen über ihren lieblichen Blick (vgl. 81 ff.). 3 Vgl. Kittredge, S. 11; S. 32 f. ‘ Vgl. dazu auch Reinhold, S. 129. 5 Auch daß er die kriegerische Waffe in der einen, den friedlichen Eibenbusch (und nicht den sonst in höfi­ schen Romanzen üblichen Palmzweig) in der anderen Hand hält, könnte als nicht-höfisch aufzufassen sein; jene ist eine „heidnische“ Waffe (vgl. Speirs, S. 226), dieser entspricht regionaler volkstümlicher Sitte (vgl. Savage, S. 15 f.).

S i r G a w a in a n d th e G r e e n K n i g h t :

D ie individuellen G ebärden

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D e r a llm äh lich sich konkretisierend e u n d richten de B lick des G rü nen R itters laß t sp ü rb ar w erden, w ie dieser die H a lle im m er stä rk er beherrscht. D ie B licke, m it denen d ie H a lle n ­ g äste reagieren, versinnlichen dieses H in ein w ach sen des H erau sforderers in d en S zen e n ­ rau m n och stärker. D er G rü n e R itter, seine E rsch ein u n g , sein G eb aren und seine B lick e w erd en d urch deren A u g e n gesehen (147, 200); sein Ä u ß eres bietet sich ihnen in lebh aften L ich tern und leu chtend en F a rb en d a r: seine R ü s tu n g sch im m ert und fu n kelt (euer glem ered and g len t; 172); seine F a rb e ist ein „p rä c h tig e s G r ü n “ (fayre gren e; 189) oder ein „ le u c h ­ tendes G r ü n “ (b r y jt grene ; 192) usw . D ie rau m erfü llen d e In ten sität der n eu gierigen B lick e seiner B etrach ter steigert sich im gleichen M a ß e w ie der H era u sford ererb lick selbst, so daß schließlich die B lick e gleichsam d urch die Szen e sch w irren : Ther w a t j lokyng on lenþe p e lude to beholde, For vch mon had meruayle quat hit mene my jt (232 f.).

In die R ich tu n g der B lick e g eh t die physisch e R a u m b e w e g u n g ; die A n w ese n d en m achen sich an den G rünen R itter heran (stalked h ym n errc; 237). D ie T otenstille, die sich über den S a a l le g t (243), m ach t die M a g ie der B lick e und G eb ärd en noch eind rucksvoller. F o rm al entsprechen die G eb ärd en der G ela g e g ä ste den R eso n a n zgeb ärd en , m it denen d ie R o m an zen im m er wieder die G estik ausw eiten .1 A b e r hier gestalten sie den R au m , und w as m ehr ist - sie spiegeln die innere G esp an n th eit dieser S itu atio n : da ist das U n h eim lich e d er rätselh aften E rsch ein u n g des G rü nen R itters, und d a ist d ie w irre V e rb lü ffu n g des g ala n ten A rtu sh o fe s. D ie beiden P arteien h aben den K o n ta k t n och n ich t gefu n d en . D ie B lick e, am E n d e zw ar gerichtet, bleiben h ier verw un dertes, dort suchendes S tarren sp iegeln also die innere K o n tak tlo sig k e it. D ie zw eite P h ase der Szene ist n u n das K o n tak tfin d e n . A rth u rs B lic k a u f den G rünen R itte r vom H o ch sitz aus (250) leitet sie ein. D em B lic k fo lg t der G ru ß , d an n in R ed e und G eg en red e des G rünen R itters V ersic h eru n g seiner u n kriegerisch en A b s ic h t und die E r k lä r u n g seiner H erau sford eru n g zum E n th a u p tu n gssp iel. D a m it ist zw isch en A rth u r und dem G rü n en R itter über den K o n ta k t der B lick e d er R ed ek o n ta k t gesch affen. D a tu t sich in der dritten P hase ein neuer G eg en sa tz auf, ind em der F lo f g a n z anders a u f d ie H era u sfo rd eru n g des G rünen R itters reag iert als der K ö n ig . D e r H o f ist b estü rzt; alle erstarren förm lich in betretenem S ch w eigen (301 f.). M a n w eich t d am it einem K o n ta k t m it dem G rü nen R itter aus. D essen A u g e n rollen d aru m auch ziellos hin und her (304), und seine sonstigen G eb ärd en dem onstrieren w ilde S e lb sth errlich k eit (er dreh t sich im Sattel, run zelt die Stirn, streicht den B a rt - eine typ isch e Z o rn esgeb ärd e2 lach t höhnisch au f; 303 ff.). - A rth u rs G eb ärd en jedoch fü h ren im G e g e n sa tz zu denen seines G efolges den vorher gek n ü p ften K o n ta k t m it dem H erau sford erer w eiter. Sein e R ea k tio n ist zorniger M u t; w egen der G ebärden des G rü n en R itters sch ießt ihm die Zornesröte ins G esich t (317). D a s stellt ihn m it dem gleich falls Zorn zeigen den G rü n en R itter a u f eine E ben e, w as dann gleich das zerem onielle V erh a lten noch w eiter verd eu tlich t. A r th u r sp rin gt a u f den G rünen R itter zu und fa ß t ihn bei der H an d (!); der andere steigt vom P ferde ab. D am it w ird der K o n ta k t der E b en b ü rtigen zur S itu a tio n sb ew eg u n g : A rth u r ergreift und sch w in g t die A x t (330 f.); der G rü n e R itte r steht h ü n en h aft zu m S c h la g e einladend da, indem er sich den B a rt streicht (334fr.). In dram atischer S te ig e ru n g sieht m an abw ech selnd die körperlichen B ew egu n gen der K ontrahen ten. In d er vierten P h ase tritt G a w a in hervor m it seinem E n tsch lu ß , fü r den K ö n ig einzustehen und das A b en teu er a u f sich zu nehm en. Sein e G eb ärd e g reift in die D ra m a tik des K o n ta k ts zw ischen A rth u r und dem G rü nen R itter ein: G a w a in vern eigt sich in R ich tu n g 1 Siehe oben S. 123. München A k . A bh . phil.-hist. ig59 (Habicht)

2 Vgl. Riemschneider-Hoerner, S. 21. 20

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D ie erzähltechnischen Q u alitäten d e r G ebärde in der m ittelenglischen D ichtung

zu m K ö n ig (T o þe k y n g he can en clyn e; 340), und zw a r von seinem eh ren vollen P la tz an d er Seite d er K ö n ig in aus, d er ih m e in g a n g s d er S zen e zu gew iesen w u rde (109) und an den je tzt erinn ert w ird (339); diese G eb ärd e b ek u n d et also zu g le ich G a w a in s höfische E h r ­ e rb ietig k eit und die ihn auszeich n en de S o n d erstellu n g. D ie fo lgen d en G eb ärd en fü h ren nun den d am it g ek n ü p ften K o n ta k t zw isch en A r th u r und G a w a in räu m lich w eiter: G a w a in erh ebt sich a u f G eh eiß des K ö n ig s, g eh t zu diesem hin, k n iet n ied er und em p fä n g t A rth u rs S e g e n d urch d ie S e gen sg eb ä rd e. D a m it ist ih m die A u fg a b e ü b ertra gen (366 ff.). In d er fü n ften P h ase - m it der eig en tlich en E n th a u p tu n g - m u ß d er K o n ta k t zw isch en den G eg n ern G a w a in und G rü n er R itte r gesch affen w erden. D ies g esch ieh t zu m einen in der rau m du rch m essen d en B e w e g u n g (G a w a in sch reitet m it d er A x t in der H a n d a u f den anderen z u ; 3 7 5 )> andererseits d ad u rch , d aß der G rü n e R itte r an G a w a in seine R ed e rich tet (377; 405). U n d w ied er p flan zt sich dieser K o n ta k t in G eb ärd en und S itu atio n s­ b ew egu n gen fort, indem bei der E n th a u p tu n g abw ech seln d die K ö rp e rb e w eg u n g en der beiden G eg n e r g esch ild ert sind (4 17 ff.). E rst n ach d em d er K o p f a b g e sch la g en ist, tau en d an n au ch die bisher beklom m en en B etrach ter a u f und versetzen dem am B oden rollenden H au p te F u ßtritte (428). D a s innere G eschehen jed er S zen en p h ase veran sch au lich en die G eb ärd en u n d B e w e g u n ­ gen , die die von den sp ü rbaren B lick en g ezo ge n en L in ie n a u sfü llen ; den g ro ß en G e s a m t­ bau d er Szen e aber g estaltet das A n sch w e llen und A b k lin g e n d er G eb ärd en vorstellu n g. In den P hasen, in denen d as G esch eh en d ra m atisch ansteigt, tritt an die S telle des ein fach en B lickes der heroischen Pose, der in der A n fa n g s p h a se dom iniert, die k rä ftig e re S ze n e n ­ g e sta ltu n g durch d ie K ö rp e rg eb ä rd en und S itu atio n sb ew eg u n g en . In d er au sk lin gen d en Szen e g e n ü g t w ied er der red ebegleiten d e B lic k allein, um das G esch eh en abzu ru n d en . D en G a w a in trifft zu n äch st der stierende, m ah n end e B lick des abgesch lagen en K o p fes des G rünen R itters (446), dan n der anerken enn de B lic k des K ö n ig s, d er n ich t n u r ih n als H eld en des T a g e s noch einm al beleuchtet, sondern auch die höfische V erb u n d en h eit A rth u rs m it seinem G efolgsm an n veran sch au lich t, bevor dessen A x t am E h ren p la tz a u fg e h ä n g t w ird, „w o alle sie m it Stau n en ansehen k o n n ten “ (þer alle m en for m eruayl m y jt on h it loke; 479) und d ie Szen e in allgem ein em Ju bel endet. D ie in d ivid u alisierten und situ ation sb eleben d en G eb ärd en erzeu gen a u f diese W eise die g a n ze D ich tu n g hindurch ein anschauliches, bew egtes, rau m erfü llcn d es szenisches G esch e­ hen, d as der u n m ittelbare A u sd ru c k d er inneren H a n d lu n g ist. D a rin besteh t d er w esen t­ lich e U n tersch ied zu den „G e b ä rd e n sz e n e n “ bei L a sa m o n . D o rt stü tzten die G eb ärd en den tekton isch en Szen en bau , hoben den H a n d lu n g su m sch la g hervor. In den Szenen des G aw ain d ich ters h in gegen verm itteln sie die P hasen der inneren E n tw ic k lu n g . D o rt w aren sie vielleich t d ra m atisch ; hier neigen sie dem E p isch en zu. D as unterscheidet die G eb ä rd en ­ d arstellu n g des G aw ain d ich ters aber auch von d er in S i r Orfeo. In S i r Orfeo erzeu g en die ä u ß erlich stereotypen G eb ärd en th em atisch e S p a n n u n g ; sie intensivieren das g eistig e G e ­ schehen. D ie G eb ärd en in U G TThingegen lösen es in die A n sch a u lich k e it auf. D ie G eb ärd en in S i r O rfeo sym bolisieren die B ed eu tu n g des G eschehen s, d ie beim G a w a in d ich te r in d ivid u alisieren und realisieren sie. Z u jen er w eitreich en d en A u sstra h lu n g sk ra ft d er ein m alig-b ed eu tsam en G eb ärd e über das G e g en w ä rtig e h inau s, w ie sie im B eo w u lfep o s zu verspüren w ar, kan n es beim G a w a in ­ d ich ter n ich t kom m en - und das ist der N a ch teil seiner M eth o d e. A b e r ih r V o rte il ist es, d aß sie die innere H a n d lu n g offenbart, an sch au lich m ach t und in szen enräu m lich er O rd ­ n u n g ausbreitet. D ie G eb ärd en beim G a w a in d ich ter sind w eder etw as nur D ek o ra tivV erd eu tlich en d es, noch b ed ü rfen sie d er V erd eu tlich u n g . In ihnen g ew in n t die Seele der D ich tu n g G estalt.

S i r G a w a in a n d th e G r e e n K n i g h t :

D ie individuellen G ebärden

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F ü r die E rzä h ltech n ik und die kü n stlerisch e A u ss a g e ist die G eb ärd e in G G K d aru m in vielerlei H in sich t fru ch tb ar. S ie h a t A n te il an d er In ein an d ersch ach tclu n g der V e rsu c h u n g s­ und der Jagd szen en , w elch e einan der au ch th em atisch ergä n zen .1 S ie d ifferen ziert die p arallelen S zen en u ntereinand er - d ie drei V ersu ch u n gsszen en etw a, deren jede das G e ­ bärden spiel der vo rau sgeh en d en B e g e g n u n g w eitersp in n t und deren jed e andere G eb ä id en h ö h ep u n kte h at, die dem F ortschreiten des V ersu ch u n gsth e m a s entsprechen. D a s soll hier n u r a n g ed eu tet bleiben. E s g ib t n u n au ch — um n u r n o ch einen A s p e k t n äh er zu beleuchten— eine echte C h a ra k terisieru n g d urch die G eb ärd e. W ä h ren d sonst in d en R o m an zen die G e ­ bärde nu r äußeres A ttrib u t der P ersonen ist und allen falls fläch ige C h a ra k terty p en p iá g t, le g t sie hier die d ifferenzierteren Z ü g e b loß und w irk t m it an d er S ch a ffu n g „ru n d er C h a ra k te rb ild e r.12 3 D a s g d t fü r alle Personen, und n a tü rlich in besonderem M a ß e fü r den H au p th eld en . Z w ar tritt G aw ain , w ie auch sonst die R om an zen h elden , in heroischer P ose und auch m it höfischen G eb ärd en a u f; aber jed esm al ist solches A u ftre te n die E n tsch eid u n g in einer gespann ten S itu atio n und b rin g t d aru m seine sittlich e H a ltu n g ans L ich t. W ie G a w a in vo r den G rünen R itte r trotz d er m ak a b ren U n h eim lich k e it dieses U n tern eh m en s m it d er A x t in der H an d fest hintritt (375 f . ) ; wie er beim A u s z u g ins U n g e w isse n ich t nur d ie W affen anlegt, sondern auch den H elm sym bolisch k ü ß t (605); w ie ei, als ihn det F ü h le r zu r G rü nen K a p e lle än gstlich w arnen d verlä ß t, fest d ie Z ü g e l seines Pferdes p a ck t (2160); w ie er d an n angesichts des u n heim lichen O rtes in heroischer Pose a u f einen F elsen steigt (2197 f.) und m it k rä ftig e r Stim m e die H era u sfo rd e ru n g ru ft (2212); w ie er sch ließ lich , als er das B lu t seiner W u n d e a u f d en Schnee trä u feln sieht, a u fsp rin gt, H elm und W affen er­ g reift und sich in K a m p fesp o situ r w irft (2315 ff.) - alles dies zu sam m en gen om m en run det sich zu einem B ild von G aw ains T a p ferk eit, die sein W esen g a n z d u r c h d r in g t.-E b e n s o w eist er sich d urch die höfischen G eb ärd en, d ie er in den versch iedensten Situ ation en m eistert, als p erfek t in der corteisie aus. T r o tz der gesp ann ten L a g e in d er E n th a u p tu n gsszen e, als A r th u r und sein H o f a u f die H era u sfo rd e ru n g des G rü n en R itters g egen sä tzlich reagieren , beku n d et er seine G efolgsch aftstreu e g egen ü b er A r th u r im p ein lich beach teten Zerem oniell (V e rb e u g u n g , N ied erknien , A u fs te h e n erst a u f A rth u rs G eh e iß ; 340, 366 ff.). B eim G a st­ m ahl, im G eg en ü b er m it d er D a m e - ü berall b ezeu g t er im form vollend eten G eb aren sein höfisches R ittertu m . U n d noch ein w eiteres d u rch d rin g t G a w a in s C h a ra k te r und m an i­ festiert sich in seinen G eb ärd en : seine tiefe R elig io sitä t. D a s ist n u n schon ein Z u g , der in G G K u n gleich stärker hervortritt als in d en frü h eren auslän disch en K o n zep tio n en d er G aw a in fig u r.3 G a w a in verrichtet G eb etsgebärd en in allen L eb en sla g en : vor dem A u s z u g ins A b en teu er (O pfern am A lta r ; 593), angesich ts d er beklem m en d en A u sw e g lo sig k e it (B e ­ k re u zig e n ; 761), in der unschlüssigen V e rw irru n g w äh ren d der B e g e g n u n g m it d er D am e im S c h la fg em a ch (B ek reu zig en ; 1202), aber au ch im M u ß ed a sein a u f dem S ch lo ß (er geh t „m u n te r zu r M esse“ ; 13 11). Solches m ach t n u n G aw ain zw ar zur p rofilierten P ersö n lich k eit; doch m it diesen G e ­ bärden allein bliebe er trotzdem noch d as M u stere x e m p la r eines höfischen R o m an zen ­ helden. D ie G eb ärd en m an ifestation der T a p fe rk e it, d er corteisie, der R eligio sitä t ist indes etw as, w as affektisch e R e g u n g e n u nterd rü ckt. A ls IMensch aus F leisch und B lu t erscheint G a w a in d aru m schon eher, w eil n u n auch die andere Seite seines W esens offen bar w ird und sich g elegen tlich a u ch durch sein G eb aren m an ifestiert: n äm lich seine A n fä llig k e it fü r za g en d e G efü h le u n d fü r innere U n sich erh eit, k u rzu m fü r das, w as es zu m eistern gilt. D a-

1 Vgl. Savage, S. 31 ff. 2 Der Ausdruck stammt von E. M. Forster, A s p e c ts o f th e N o v e l (1927). 2 Vgl. Vogel, S. 79 f ■ 20*

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D ie erzähltechnischen Q ualitäten d er G ebärde in der m ittelenglischen D ichtung

bei. spüren die G eb ärd en n o ch v iel fein n ervigere, g era d ezu u n terb ew u ßte Sein ssch ich ten auf. In stin k tiv z a g t G a w a in , als er vo r dem A u sritt ins U n gew isse von A r th u r U rla u b n im m t; er redet m it k u m m e rv o ller S tim m e (. . . w ith m o u rn y n g he mele^ to his em e; 545); erst vo r dem g an zen versam m elten H ofe n im m t er die o b lig a te h öfisch -fröh lich e M ien e w ied er an (þc k n y St m a d a y god chere; 562). V erb o rg en es Z a g en ist es auch, w enn er in der N a ch t vo r dem G a n g zu r G rü n en K a p e lle „ z w a r die A u g e n lid e r schließt, aber rech t w e n ig s c h la ft“ ( þ a j he lo w k e j his lid d e j, fu l lyttel he slo p es; 2007); erst am lichten M o rg e n w ird es m it d er heroischen P ose (S ich -R ü sten ) ü berw u nd en . D ie A n fä llig k e it G a w a in s fü r die m enschlich e S ch w ä ch e ist ein Z u g , der den son stigen R o m an zen h eld en n ah ezu v ö llig a b ­ geh t. A u c h an d er F ig u r G a w a in s selbst tritt er in frü h eren irischen und französisch en B e ­ a rb eitu n g en ä h n lich er Sto ffe offen bar n ich t in E rsch e in u n g .1 M ö g lic h also, d aß hier d er G a w a in d ich te r den C h a ra k ter seines H eld en se lb stän d ig k o n zip ie rt; ih m allein ist sich er das V erd ien st, eine k o m p lex e C h a ra k terk o n zep tio n in d en G eb ärd en sich tb ar g em a ch t zu h aben. Jene V e r a n la g u n g G a w a in s m otiviert es d an n erst, d a ß sein Z a g e n in die S p h ä re des B ew u ß ten tritt und zur H a n d lu n g w ird: G a w a in lä ß t sich aus F u rch t vor dem u n h eim ­ lichen A b en teu er d en festm ach en den G ürtel vo n d er D a m e sch enken und beh ält ihn en t­ gegen seinem K o n tra k t bei sich, d em zu fo lg e er ih n als B eu te des T a g e s an den B u rgh errn ausliefern m ü ßte. Z a g en bei vollem B ew u ß tsein aber a k tiv ie rt eine tiefere S ch ich t seiner Seele: das G e ­ w issen. A ls n äm lich d er M om en t des verabred eten B eu teau stau sch s h eran kom m t, w artet G a w a in n ich t w ie d ie beiden vorh ergeh en den M ale, daß ih m zuerst der B u rg h err seine Ja gd b eu te u nterbreite, u m d an n erst a u f dessen A u ffo rd e ru n g hin seine eigene B eu te (die K ü sse) auszu liefern - sondern sp ontan und u n a u fg efo rd ert ve ra b fo lg t er ih m die drei eroberten K ü sse ,,so h erzh a ft und ern sth aft w ie er n u r k o n n te“ (1936 f.). D iesen p lötzlich en Ü b ereifer erregt d och w oh l sein w e gen der Z u rü c k h a ltu n g des G ü rtels schlechtes G ew issen.12 U n d wenn G a w a in , als d er G rüne R itter bei der K a p e lle die A x t a u f seinen H als sausen läß t, u n w illk ü rlich zu sam m en zu ck t (sch ranke a ly t e l; 2267) - da w ird ihm dieses Z a g e n vom G rü n en R itter n ich t nur als unheroisch, sondern auch als V e r r a t an seinem besseren Sein an g ek reid et. D a s Z a g e n w ird d am it n ich t n u r als G efü h l, sondern au ch als m oralisch er M a k e l bew ußt. A ls solcher ist es n u n n ich t m eh r d u rch äußeres H eld en geb aren au szu gleich cn ; G a w a in s heroische Pose, in die er sich n a ch den erdu ldeten S treich en w irft, bleibt leer und verp u fft w irku n g slos (2316 ff.). N u r d urch R eu e ka n n das m oralisch e V erg eh en w ied er g u tg e m a ch t w erd en ; R eu e bezeu gen G a w a in s d ara u ffo lg en d e G eb ärd en : er er­ starrt, errötet, fä h rt betreten zusam m en, reiß t den G ü rtel vo n sich (2369 ff.). M o tiviert ist dieses R eu eg eb a ren in G aw ain s religiöser T u g e n d einerseits und in der S en sib ilität seines G ew issens andererseits - in Z ü g en , w elch e vorh er seine G eb ärd en offen bart hatten. So tra g en die G eb ä rd en G a w a in s d azu bei, die S ch ich ten seines W esens au fzu d ecken und ihn als M en sch en zu c h a r a k te r is ie r e n - in seiner heldischen und höfischen V o rtrefflich k eit, seiner m ensch lich en S c h w ä ch e und seinem ethisch g u ten K ern . N ich t zu letzt als M ittel zu solcher C h a ra k terisieru n g gew in n t die G eb ärd e beim G a w a in d ich te r den Z u g a n g zur G esa m tw clt der D ich tu n g , und d am it sch ließ lich auch zum T h em atisch en . D en n - w ie schon K ittre d g e feststellt3 — aus dem C h a ra k te r G a w a in s allein en tsprin gen sein V erh a lten in der V e rs u c h u n g und seine B ew äh ru n g .

1 V gl. Vogel, S. 78 ff. 2 Damit zeigt diese Gebärde, daß auch bei diesem schwersten Konflikt Gewains Gewissen keineswegs schläft, m agerauch, wie Engelhardt ausführt { M L Q X V I [1955], 222), bewußt versucht haben, ihm auszuweichen. 3 Vgl. Kittredge, S. 110.

NACHW ORT

D a m it sind w ir am vorläu figen E n de unserer U n tersu ch u n g en , w elche den G ru n d lagen d er G eb ärd en d arstellu n g in den en glisch en erzäh len d en D ich tu n g en des M ittelalters n a ch ­ sp üren und ihre E n tw ick lu n g sm ö glich k eiten andeuten w ollten. W ie dies alles dann im W erk e C h au cers zu sam m enfließt und zu sam m en w irk t; w ie C h au cer die E rru n gen sch aften uni die Ü b e rw in d u n g d er d ekorativen G eb ärd e, w elch e in S i r O rfeo und beim G aw aind ich ter einzeln auftreten, zur E in h eit versch m ilzt und sie einan der b efru ch ten lä ß t; wie bei ihm die G eb ärd e oft realistisch und sy m b o lh a ft zu g le ich ist; w ie sich ihm der B lick fü r die leb en d ige G eb ärd e und ihre v ielfä ltig en W irk u n g en und das W issen u m ih re d ifferenzier­ ten W erte au ftu n und w ie sich ihm der Sin n fü r ih re ästhetisch ein d ru cksvolle D a rstellu n g sch ärft: d as d arzustellen m uß zu n ächst der Z u k u n ft Vorbehalten bleiben. D a b ei w ü id e m an freilich w ied er neue, bisher n ich t d ag ew e sen e,vielleich t von Ita lien her gen äh rte Im pulse g e w a h r w erden. A b e r m an w ürde auch sehen können, d aß C h a u cer d as m ittelalterlich e M a ­ teria l zur V e r fü g u n g steht, d aß er a u f den T en d en zen w eiterb au t, die in statu nascendi und darum o ft in prim itiver F orm — in der m ittelen glisch en D ich tu n g vo r und w ä h len d seiner L eb ze iten in E rsch ein u n g treten. T a tsä ch lich g ib t es offenbar eine m ittelen glisch c T rad itio n der G eb ärd en d arstellu n g, in die sich im G ru n d e n ich t nu r die R o m a n z e n - d ie reim enden w ie die s ta b e n d e n -r e ih e n , sondern auch die L ege n d en d ich tu n gen und die V e rsch ro n ik des L a ja m o n . A b e r es ist eine T ra d itio n , die sich von der germ an isch en , und von der des alten glisch en E pos in s­ besondere, aufs d eu tlichste abhebt. D en n es zeig te sich, d aß der G eb ärd en a u ffa ssu n g im B e o w u lf eine S tu fen o rd n u n g zu gru n d e la g und d aß d en S tu fen d er G ebärd eform en S tu fen ethischer W erte entsprachen, -während g a n z anders die G eb ärd en der m ittelen g ­ lischen D ich tu n g sich um polare W erte gru p p ierten ; d aß sie im A lte n g lisch en gleich sam von N a tu r aus ein m alige epische L e u ch tk ra ft besaßen, w äh rend sie ebenso von N a tu r aus im M ittelen g lisch en u n geachtet ihrer relativ größeren H ä u fig k eit zu n ächst zu m stereotypen, seku n d ären S ch m u ck d egrad iert erscheinen m üssen; und sch ließlich , d aß s ie i m V e r l a u l der w eiteren E n tw ic k lu n g n u r aus dieser ihrer m ittelen glisch en F u n k tio n h eraus in neue kü nstlerische B ed eu tsam k eit em porgehoben w erden können. D ie G em ein sam keiten zw ischen alten glisch er und m ittclen glisch er G eb ärd en a u ffa ssu n g und G eb ärd en vorstellu n g sind diesen g ru n d sätzlich en U n tersch ied en gegen ü b er rein äu ß er­ lich, aber sie sp ringen d aru m um so eher in die A u g e n . H ier wie d a ist die V o rste llu n g von G eb ärd e und A u sd ru c k etw as ebenso W eitu m fassen d es w ie U n p r ä z is e s ; a u f das G esam t­ verhalten des E inzelm enschen, des H elden oder der G ru p p e k o m m t es an, n ich t a u f E inzelb ew egu n gen . D en H elden z. B . w ill m an in der Pose sehen; zur E rze u g u n g dieser Pose m üssen seine B ew egu n gen , sein G esich tsau sd ru ck, seine Stim m e ebenso beitragen wie die zerem onielle F orm und die R ep räsentation , die .ihn u m gib t. D a ru m m uß m an auch weit ausgreifen , w enn m an das W esen jener G eb ärd en verstehen w ill, und vieles beleuchten, was a u f den ersten B lick n ich t hierh ergeh ö rig erscheint, sich aber d an n doch als m itw irken der B estan dteil der körperlichen A u sd ru ck svo rstellu n g entpuppt. In V e r fo lg u n g dieser E rsch ein u n gen in D ich tu n g en verschiedener Zeiten und verschie­ dener E in flu ßbereich e sind w ir freilich allen th alben a u f E n tw icklu n gsten d en zen gestoßen. A u ch ä u ß erlich sind die G ebärden, w o sie vo rgestellt w erden, in m anchen m ittelenglischen R o m an zen ü p p iger und k rä ftig er als bei L aya m o n oder g a r im A lten g lisch en . D a ß sich der W ille zum gestischen A u sd ru c k m it den Zeiten und den K u ltu rep o ch en w andelt, ist nun

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N ach wort

freilich em e alte W a h r h e it; um sie sich zu veran sch aulich en , b rau ch t m an n u r an die bereit­ w illig g eü b ten sensiblen T rän e n e rg ie ß u n g e n zu denken , w ie sie zu Z eiten G oethes u n d der R o m a n tik e r unendlich viele T asch e n tü ch elch en benetzten, und d a m it die N ü ch tern h eit unserer T age zu vergleich en . D ie größere oder g erin g ere N e ig u n g zur G eb ärd e sch lä gt sich g a n z g ew iß auch a u f d ie kü nstlerisch e D a rste llu n g nieder. E s ist in d er T a t g ezeig t w orden, w ie sich diese W a n d lu n g en im A u sd ru ck sw ille n , ja , w ie sich ein bestän diger G eg en sa tz zw ischen G eb ärd en stren ge und G eb ärd en ü b erflu ß d u rch die g a n ze G esch ich te der eu rop äisch en K u n st zie h t.1 Fassen w ir in E rken n tn is dieser T a tsa ch e zu rü ck b lick en d die m ittelen glisch e G eb ärd en d arstellu n g im besonderen ins A u g e , so w ird allerd in gs k la r d aß die von der d am a lig en D ich tu n g d argestellten G eb ärd en m it W ertvo rstellu n gen Zu­ sam m en h än gen und d aß sie diesen W ertvorstellu n gen und ih rer P o la rität u n tergeo rd n et sind. D iesen untergeordn eten C h a ra k ter scheinen die G eb ärd en der fran zösisch en D ich tu n g tatsä ch lich n ich t in dieser A u ssch lie ß lich k e it zu haben. D ies k a n n auch d as n e g a tiv e E r ­ gebnis erklären , zu dem eine U n tersu ch u n g d er m ittelen glisch en G eb ärd en kom m en m u ß : d a ß es an fü r sich selbst sp rechenden sym bolisch en G eb ärd en w eitgeh en d feh lt. W enn etwa im R olan dslied der sterben de H eld den H an d sch u h zu m H im m el hält, so kan n diese G eb a id e nur aus dem m ittelalterlich en Sym bolw issen verstan d en w erd en ; m an m u ß wissen d a ß diese rech tssym bolisch e G eb ärd e die R ü c k g a b e des g eb rau ch ten G u tes bedeutet, um zu verstehen, daß m it ihr R o lan d G o tt seine Seele befieh lt.12 In den m ittelen glisch en R o ­ m an zen sind derlei sym bolisch e G eb ärd en , die von sich aus etw as bedeuten, und denen die d eutsche D ich tu n g der m hd. B lü tezeit grö ß ten W ert beim ißt, sehr sp ärlich anzutreffen w ohl eben d esh alb, w eil alle G estik u ntergeo rdn et ist. U n tergeo rd n et ist sie zu n ächst unter die gegen sä tzlich en Z en tra lw erte der m oralischen ethischen und ritterlichen W elt. T ro tz k u ltu rell u n d so zio logisch b ed in gter W a n d lu n g en bleibt che P o la ritä t der G eb ärd en erhalten, w enn sie auch bei L ayam o n und in religiösen D ich tu n g en fü r den G eg en sa tz von T u g e n d und S ü n d e steht, oder in den R o m an zen für den zw ischen H eld en tu m und S ch m a ch und sp äter fü r den zw isch en H öfisch und U n ­ höfisch. D iese V ersch ieb u n g en der polaren W erte sind es, die sich in d er G eb ärd en vorstelu n g und deren eigentlichen W a n d lu n g en ausd rü cken . W ir h aben das an ein igen typischen S itu ation en (K a m p f, E m p fa n g , G astm ah l, K la g e usw .) g e ze ig t - kein esw egs an allen die m an h atte heran zieh en können. F orm t sich das H eld en id eal um , so k ü n d ig t sich solches in den G eb ärd en an, die den H eld en au ftritt veran sch au lich en . So konn te m an in L a ja m o n s A r tu s -G e s td t den neuen V o lk sh eld e n typ sich an kü n d igen sehen, so konn te m an die U n te r­ sch ied lich keit von L a ja m o n s erotisch-sinnlicher L ie b e sa u ffa ssu n g von d er höfisch -gesell­ sch aftlich en eben an der G eb ärd e erkennen - n ich t aber vo r allem desh alb, w eil die G eb ärd e anders gew o rd en w äre, sondern weil sie einen anderen Sin n h at, w eil sie sich anders a u s­ w irkt und anders das G eschehen beeinflußt. S teh t som it d ie G eb ärd e im w esenhaften Z u sam m en h a n g m it den m oralischen und eth i­ schen W erten d er D ich tu n g , so w ird sie auch zu m M ittel der D arstellu n gsku n st, welche diese W erte a u sd rü ck t und gestaltet. D as m u ßte die F ra g e n ah elegen, ob in jener m ittelen glisch en D ich tu n g die w ertm ittclnd e F u n ktion d er G eb ärd e m it ih rer gestalten den F u n k tio n zu sam m enw äch st. D ies ist nun in den R o m an zen oft noch n ich t der F a ll. W o sich aber die W eg e d azu anbahnen, d a tut sich sc h la g a rtig eine W eite und ein B ezieh u n g s­ reichtu m auf, in dem die G eb ärd e aufs inn igste zu sam m en h ä n gt m it dem G esa m to rg a n is­ m us der D ich tu n g . D o rt n ach der G eb ärd e fragen h eiß t zu gleich das P roblem des Zeit1 Vgl. Riemschncidcr-Hoemer, þ a s s im . 2 Vgl. cbd. S. 21.

N achw ort

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g eb rau ch s aufro llen (weil nach dem Sin n von Z u stä n d lich k eit oder V e r g ä n g lic h k e it der G eb ärd e g e fra g t w erden m u ß ); es h eiß t das R a u m g efü h l und die R a u m b e le b u n g er­ forschen ; es h eiß t n a ch d er C h a ra k te rg e sta ltu n g und dem E igen leb en der C h a ra k tere fra gen , n a ch der dram atischen oder epischen Q u a litä t des H an d lu n g sa b lau fs und auch n ach dem Sin n der T h e m a tik und der A r t und W eise, w ie sie zur G eltu n g kom m t. Es m ü ß te dann auch - u m n och einen g an z w ich tig e n A s p e k t h erau szu greifen - n a ch dem In ein an d erw irken und A u sein an d ertreten von G eb ärd e und R ed e g e fra g t w erden. A n d ers als in der alten glischen E p ik setzt d ie m ittelen glisch e D ich tu n g oft die G ebärd e von der R ed e ab. D ies ist n u n n ich t m ehr aus d er verän d erten Sehw eise oder aus den Stiltendenzen der G eb ärd en d arstellu n g allein zu erklären. D ie F u n k tio n der R ed eg eb ärd e (ist sie M ittel rh etorisch er E m p h ase ? D rü c k t sie U n g e sa g te s aus ?) - w ie auch an anderen O rten die G rü n d e ihres F ehlens (wird die G eb ärd e schon im gesproch enen W ort evoziert ? O der fehlt sic, w eil die gestische A u ss a g e u n terd rü ckt w erden soll ?): alles das m u ß vo m W esen der R ed e her e rfra g t w erden. D a zu ist es n ö tig, d a ß ebenso w ie die G eb ärd e au ch die rhetori­ schen T rad itio n en , die F u n ktion en , der B a u und die A u sd ru ck sfo rm e n der epischen R ede u n tersu ch t und selbst die D iktion in der R ed e a u f ih ren d eiktisch en G eh a lt g ep rü ft w erde. A lle die zu letzt angedeuteten G esich tspu n kte tau ch en bei der F ra g e n a ch dem literarischen P h än om en der G eb ärd e a u f; sie sind von ihr um so u n abtren n b arer, je m ehr die G e ­ bärde in den G esam to rgan ism u s d er D ich tu n g h in ein w äch st und je m ehr ih re innere A u s ­ sa g e und ihre form ale F u n ktion zur E in h eit streben. D as hat sich schon bei d er B eh a n d lu n g der G eb ärd en ku n st in S i r Orfeo und in G G K g e ze ig t; bei C h a u cer w ü rde sich die N o tw e n ­ d ig k eit der Z u sam m en sch au von G eb ärd en ku n st und G esa m tw erk in erhöhtem M a ß e stellen. D a zu die historischen G ru n d lagen zu klären , w äre die A u fg a b e w eiterer U n tersu ch u n g en ü ber die E in zelasp ek te der m ittclenglisch en D ich tu n g sfo rm . A u s deren Synth ese könn te sich d an n die b isla n g noch w en ig g ek lä rte F o rm en g esch ich te der m ittelenglisch en D ich tu n g deu tlich er abzeichn en . V ielleich t konn te die vo rlieg en d e A r b e it d azu einen kleinen B e itra g liefern.

VERZEICH NIS

DER

TEXTAU SGABEN

(nach denen häufiger zitiert wird)

A n g l o S a x o n P o e t ic R e c o r d s , B e o w u lf,

ed. G. P. Krapp, 6 Bde. (New York, 1930 ff.) (= A S P R ) ed. F. Klaeber, 3. Auf!. (Boston, 1941) ( = B e o w f 1

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