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SAMMLUNG
TUSCULUM
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Wissenschaftliche Beratung: Karl Bayer, Manfred Fuhrmann, Fritz Graf, Erik Hornung, Rainer Nickel
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MARCUS TULLIUS
CICERO
Die Reden gegen Verres In C. Verrem Band ι
Lateinisch - deutsch
Herausgegeben, übersetzt und erläutert von Manfred Fuhrmann
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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Cicero, Marcus Tullius: Die Reden gegen Verres: In C . Verrem; lateinisch-deutsch / Marcus Tullius Cicero. Hrsg., übers, und erläutert von M a n f r e d Fuhrmann. Zürich : Artemis und Winkler. (Sammlung Tusculum) Einheitssacht.: Orationes in Verrem I S B N 3-7608 1687-8 N E : F u h r m a n n , M a n f r e d [Hrsg.) Bd. ι (1995)
Artemis & Winkler Verlag © 1 9 9 5 Artemis Verlags-AG Zürich Alle Rechte, einschließlich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks, der fotomechanischen und elektronischen Wiedergabe, vorbehalten. Satz: Filmsatz Schröter, München Druck und Bindung: Pustet, Regensburg Printed in Germany
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INHALT
Rede im Vorverfahren gegen Q. Caecilius Erste Rede gegen C. Verres
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Zweite Rede gegen C. Verres. Erstes Buch
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Zweite Rede gegen C. Verres. Zweites Buch
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Anhang Z u dieser Ausgabe Einführung in die Reden gegen C. Verres Literatur Schematische Übersicht über den Inhalt der Reden Einleitungen und Erläuterungen zu den einzelnen Reden Reden im Vorverfahren gegen Q. Caecilius Erste Rede gegen C. Verres Zweite Rede gegen C . Verres. Erstes Buch Zweite Rede gegen C . Verres. Zweites Buch
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459 461 477 . . 479
492 502 511 529
I N Q. C A E C I L I U M QUAE
ORATIO
DIVI NATIO
DICITUR
Si quis vestrum, iudices, aut e o r u m qui adsunt, forte
'
m i r a t u r me, qui tot a n n o s in causis iudiciisque publicis ita sim versatus ut d e f e n d e r i m multos, laeserim nemin e m , subito n u n c m u t a t a v o l ú n t a t e ad a c c u s a n d u m descendere, is, si mei consili causam r a t i o n e m q u e c o g n o verit, una et id q u o d fació p r o b a b i t , et in hac causa profecto
neminem
praeponendum
mihi
esse
actorem
putabit.
C u m quaestor in Sicilia fuissem, iudices, itaque ex ea provincia decessissem ut Siculis o m n i b u s
iucundam
d i u t u r n a m q u e m e m o r i a m q u a e s t u r a e n o m i n i s q u e mei r e l i n q u e r e m , f a c t u m est uti c u m s u m m u m in veteribus patronis multis, t u m n o n n u l l u m etiam in m e praesid i u m suis f o r t u n i s c o n s t i t u t u m esse a r b i t r a r e n t u r . Q u a r e n u n c p o p u l a t i a t q u e vexati c u n c t i ad m e publice saepe venerunt,
ut
suarum
fortunarum
omnium
causam
d e f e n s i o n e m q u e susciperem. M e saepe esse pollicitum, saepe ostendisse d i c e b a n t , si q u o d t e m p u s accidisset, q u o t e m p o r e aliquid a m e requirerent, c o m m o d i s e o r u m m e n o n d e f u t u r u m . Venisse t e m p u s aiebant n o n iam
*
ut c o m m o d a sua, sed ut v i t a m s a l u t e m q u e totius provinciae d e f e n d e r e m ; sese iam n e deos q u i d e m in suis u r b i b u s ad quos c o n f u g e r e n t habere, q u o d e o r u m s i m u lacra sanctissima G a i u s Verres ex delubris religiosissimis sustulisset;
quas
res luxuries
in
flagitiis,
crudelitas
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REDE IM V O R V E R F A H R E N G E G E N CLCAECILIUS Vielleicht wundert sich manch einer von euch, ihr Richter, oder von den Zuhörern über mich: habe ich doch schon so viele Jahre lang öffentliche Rechtssachen und Prozesse nur in der Weise betrieben, daß ich viele verteidigte, aber niemanden angriff, und jetzt weiche ich plötzlich von meinem Grundsatz ab und lasse mich zu einer Anklage herbei1. Indes, wer die Voraussetzungen und Gründe meines Entschlusses kennt, der wird mein Tun gutheißen und zugleich der Meinung sein, daß man mir in dieser Sache gewiß keinen anderen als Ankläger vorziehen darf. Nachdem ich Quästor in Sizilien gewesen war, ihr Ricbter, da hinterließ ich, als ich aus dieser Provinz zurückkehrte, bei allen Siziliern ein dauerndes freundliches Andenken an meine Quästur und an mich selbst*; so blieb es nicht aus, daß sie zwar den größten Beistand in ihren zahlreichen früheren Schutzherrenzugleich aber auch in mir einige Hilfe für ihr Ergehen zu besitzen glaubten. Die kamen jetzt, ausgeplündert und heimgesucht wie sie waren, allesamt häufig in öffentlichem Auftrage zu mir: ich möge die Sache und Verteidigung ihrer gesamten Existenz übernehmen. Oft, sagten sie, hätte ich versprochen, oft zu erkennen gegeben, ich würde mich ihren Interessen nicht entziehen, wenn der Fall eintreten sollte, daß sie meiner zu bedürfen glaubten. Nunmehr, versicherten sie, sei der Fall eingetreten, daß es nicht nur ihre Interessen, sondern das Leben und die Wohlfahrt der ganzen Provinz fur mich zu verteidigen gebe. Sie hätten nicht einmal Götter mehr in ihren Städten, zu denen sie ihre Zuflucht nehmen könnten, weil Gai us Verres deren heiligste Bilder aus den ehrwürdigsten Tempeln weggenommen habe. Was immer an Schandtaten die Schwelgerei, an Mißhand-
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IN Q. C A E C I L I U M
ORATIO
in suppliciis, avaritia in rapinis, superbia in contumeliis efficere potuisset, eas o m n i s sese hoc uno praetore per triennium pertulisse; rogare et orare ne illos supplices aspernarer quos me incolumi
nemini supplices
esse
oporteret. Tuli graviter et acerbe, iudices, in e u m me locum
4
adduci ut aut eos homines spes falleret qui opem a me atque auxilium petissent, aut ego, qui me ad defendendos homines ab ineunte adulescentia dedissem, tempore atque officio coactus ad accusandum traducerer. Dicebam habere eos actorem Q . Caecilium, qui praesertim quaestor in eadem provincia post me quaestorem fuisset. Q u o ego adiumento sperabam hanc a me posse molestiam demoveri, id mihi erat adversarium maxime; nam illi multo mihi hoc facilius remisissent si istum non nossent, aut si iste apud eos quaestor non fuisset. Adductus
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sum, iudices, officio, fide, misericordia, multorum bonorum exemplo, vetere consuetudine institutoque maiorum, ut onus huius laboris atque offici non ex meo, sed ex m e o r u m necessariorum tempore mihi suscipiendum putarem.
Q u o in negotio tamen ilia me res, iudices, consolatur, q u o d haec quae videtur esse accusatio mea non potius accusano q u a m defensio est existimanda. D e f e n d o enim multos mortalis, multas civitates, provinciam
totam;
q u a m ob rem, quia mihi unus est accusandus, prope mod u m manere in instituto meo videor et non omnino a defendendis hominibus sublevandisque discedere. Q u o d s i
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hanc causam tarn idoneam, tam inlustrem, tam gravem
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lungen die Grausamkeit, an Raubzügen die Habgier, an Beleidigungen der Hochmut habe verüben können, das alles hätten sie unter diesem einen Prätor drei Jahre lang ausgestanden; sie bäten mich inständig, ich möge sie als Schutzsuchende nicht abweisen: so lange ich lebte, sollten sie bei niemandem sonst Schutz suchen müssen. Es war mir peinlich und unangenehm, ihr Richter, in diese Lage versetzt zu sein: ich mußte entweder die Hoffnung derer enttäuschen, die mich um Hilfe und Beistand gebeten hatten, oder aber, gezwungen durch die Umstände und mein Pflichtgefühl, zur Anklage überwechseln, obwohl ich mich doch von Jugend auf der Verteidigung gewidmet hatte. Ich sagte, sie hätten an QjCaecilius einen Anwalt; der sei sogar nach mir in derselben Provinz Quästor gewesen. Allein die Ausflucht, mit der ich die Last von mir abwälzen zu können hoffte, war mir am meisten hinderlich. Denn die Sizilier hätten mich viel bereitwilliger davon befreit, wenn sie diesen Mann nicht gekannt hätten oder wenn er nicht bei ihnen Quästor gewesen wäre. Pflichtgefühl, Treue und Mitleid, das Beispiel vieler redlicher Männer, der altüberkommene Brauch und Grundsatz der Vorfahren 4 haben mich bestimmt zu glauben, ihr Richter, daß ich die Last dieses mühsamen Amtes nicht mit Rücksicht auf meine eigene Lage, sondern auf die meiner Schutzbefohlenen übernehmen muß. Bei dieser Tätigkeit ist es mir gleichwohl ein Trost, ihr Richter, daß man, was aussieht wie eine Anklage von mir, eher als Verteidigung und nicht so sehr als Anklage gelten lassen muß. Denn ich verteidige viele Personen, viele Gemeinden, die ganze Provinz. Wenn ich nun dabei einen Einzigen anklagen muß, so bleibe ich offenbar ziemlich genau bei meinem Grundsatz und gehe nicht gänzlich von dem Amte ab, andere zu verteidigen und zu unterstützen. Gesetzt, ich ermangelte dieses so triftigen, so rühmlichen, so schwer-
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IN Q . C A E C I LI U M O R A T I O
non haberem, - si aut hoc a me Siculi non petissent aut mihi c u m Siculis causa tantae necessitudinis non interc e d e r « , et hoc q u o d fació me rei publicae causa facere profiterer, ut h o m o singular! cupiditate, audacia, scelere praeditus, cuius furta atque flagitia non in Sicilia solum, sed in Achaia, Asia, Cilicia, Pamphylia, R o m a e denique ante oculos o m n i u m maxima turpissimaque nossemus, me agente in judicium vocaretur, - quis tandem esset qui m e u m factum aut consilium posset reprehendere?
Q u i d est, pro d e u m h o m i n u m q u e fidem, in q u o ego
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rei pubiicae plus hoc tempore prodesse possim? Q u i d est q u o d aut populo R o m a n o gratius esse debeat, aut sociis exterisque nationibus optatius esse possit, aut saluti fortunisque o m n i u m magis a c c o m m o d a t u m sit? Populatae, vexatae, funditus eversae provinciae, socii stipendiariique populi R o m a n i adflicti, miseri, iam non salutis spem sed solacium exiti quaerunt. Q u i iudicia manere
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apud ordinem senatorium volunt, queruntur accusatores se idoneos non habere: qui accusare possunt, iudiciorum severitatem desiderant. Populus R o m a n u s interea, tametsi multis i n c o m m o d i s difficultatibusque adfectus est, tamen nihil aeque in re publica atque illam veterem iudiciorum vim gravitatemque requirit. Iudiciorum desiderio tribunicia potestas efflagitata est, iudiciorum levitate ordo q u o q u e alius ad res iudicandas
postulatur,
iudicum culpa atque dedecore etiam censorium nomen, q u o d asperius antea populo videri solebat, id nunc pos-
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GEGEN
CAECILIUS
wiegenden Grundes, die Sizilier hätten mich nicht gebeten oder zwischen mir und den Siziliern bestünde kein so enges Verhältnis, und gesetzt, ich erklärte dann, ich täte, was ich tue, um des Staates willen, damit dieser unerhört habgierige, skrupellose und verbrecherische Mensch, dessen Diebereien und Schandtaten wir nicht nur in Sizilien, sondern auch in Achaia, Asien, Kilikien, Pamphylien und schließlich in Rom vor unser aller Augen in ihrer ganzen Größe und Scheußlichkeit kennengelernt haben5, auf mein Betreiben zur Rechenschaft gezogen werde: wer könnte dann mein Vorgehen oder meine Absicht tadeln ? Wodurch - bei den Göttern und Menschen! - könnte ich dem Staat in dieser Zeit einen größeren Dienst erweisen? Was müßte dem römischen Volk willkommener oder was könnte den Bündnern und auswärtigen Völkerschaften4 erwünschter sein oder was wäre dem Heil und der Wohlfahrt aller gedeihlicher? Die verheerten, mißhandelten und gänzlich zerrütteten Provinzen, die schwer heimgesuchten Bündner und Tributpflichtigen des römischen Volkes fragen in ihrem Elend schon nicht mehr nach einer Aussicht auf Rettung, sondern nach Trost in ihrem Untergang. Die Leute, die die Gerichtsbarkeit dem Senatorenstand erhalten wissen wollen, beklagen sich, daß sie keine geeigneten Ankläger hätten; wer anklagen kann, sehnt sich nach hart durchgreifenden Gerichten. Das römische Volk indessen ist zwar vielen Widerwärtigkeiten und Bedrängnissen ausgesetzt; gleichwohl vermißt es in unserem Staate nichts so sehr wie die einstige Kraft und Strenge der Gerichte. Aus dem Wunsch nach wahrer Gerichtsbarkeit hat man auf der tribunizischen Gewalt bestanden; wegen der Laschheit der Gerichte wird noch ein anderer Stand fur das Richteramt verlangt; wegen der Schuld und Schande der Richter wird jetzt sogar das Zensorenamt, das dem Volke früher ein Ärgernis zu sein pflegte,
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IN
Q . C A E C I LI U M
ORATIO
citur, id iam populare et plausibile factum est. In hac
')
libidine h o m i n u m nocentissimorum, in populi R o m a n i cotidiana querimonia, iudiciorum infamia, totius ordinis ofifensione, c u m hoc u n u m his tot i n c o m m o d i s remediu m esse arbitrarer, ut homines idonei atque integri causam rei publicae l e g u m q u e susciperent, fateor me salutis o m n i u m causa ad earn partem accessisse rei publicae sublevandae quae m a x i m e laboraret. N u n c q u o n i a m q u i b u s rebus adductus ad causam ac-
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cesserim demonstravi, d i c e n d u m necessario est de contentione nostra, ut in constituendo accusatore quid sequi possitis habeatis. E g o sic intellego, iudices: cum de pecuniis repetundis n o m e n cuiuspiam defera tur, si certamen inter aliquos sit cui p o t i s s i m u m delatio detur, haec d u o in primis spectari oportere, q u e m m a x i m e velint actorem esse ii quibus factae esse dicantur iniuriae, et q u e m m i n i m e velit is qui eas iniurias fecisse arguatur.
In hac causa, iudices, tametsi u t r u m q u e esse arbitror
'<
perspicuum, tamen de utroque dicam, et de eo prius q u o d a p u d vos p l u r i m u m debet valere, hoc est de volúntate e o r u m quibus iniuriae factae sunt; q u o r u m causa iudicium de pecuniis repetundis est constitutum. Siciliani provinciam C . Verres per triennium depopulatus esse, Siculorum civitates vastasse, d o m o s exinanisse, fana spoliasse dicitur. Adsunt, queruntur Siculi universi; ad m e a m fidem, q u a m habent spectatam iam et cognitam, c o n f u g i u n t ; auxilium sibi per me a vobis atque a populi R o m a n i legibus petunt; me defensorem
calamitatum
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gefordert, ja gilt es bereits für volkstümlich und erstrebenswert Bei diesem Treiben der schlimmsten Schädlinge, bei der täglichen Klage des römischen Volkes, dem schlechten Ruf der Gerichte, dem Mißkredit des ganzen Standes finde ich für all diese Übelstände nur ein einziges Heilmittel : daß sich tüchtige und lautere Männer die Sache des Staates und der Gesetze zu eigen machen, und so erkläre ich, daß ich um des Gemeinwohls willen daran gegangen bin, dem Staate dort zu helfen, wo er am meisten krankt. Ich habe dargetan, wodurch ich zur Übernahme dieser Sache bestimmt wurde; jetzt muß ich unbedingt von dem Gegenstand unseres Streites sprechen, damit ihr bei der Bestimmung des Anklägers wißt, woran ihr euch halten könnt. Ich sehe die Sache so an, ihr Richter: wenn jemand wegen erpreßter Gelder vor Gericht gezogen wird, so muß man, falls sich mehrere um den Vorrang als Ankläger streiten, vor allem auf zweierlei achten: wen die, denen das Unrecht widerfahren sein soll, sich am meisten als Ankläger wünschen und wen der, der beschuldigt wird, das Unrecht begangen zu haben, sich am wenigsten wünscht. Obwohl, wie ich glaube, in diesem Falle beides deutlich zutage liegt, ihr Richter, will ich doch über beides reden, und zwar zunächst Uber das, was für euch das größte Gewicht haben muß, das heißt über den Wunsch der Geschädigten; ihretwegen ist ja der Gerichtshof über Erpressungen eingerichtet worden. C. Verres hat, so wird behauptet, drei Jahre lang die Provinz Sizilien verheert, die Gemeinden der Sizilier heimgesucht, die Häuser ausgeplündert, die Heiligtümer beraubt. Sämtliche Sizilier sind erschienen und führen Klage; zu meiner Treue, die sie erprobt und bewährt gefunden haben, nehmen sie Zuflucht; durch meinen Mund erbitten sie sich Beistand von euch und den Gesetzen des römischen Volkes; mich haben sie sich als Beschützer in ihren
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IN Q. C A E C I L I U M
ORATIO
suarum, me ultorem iniuriarum, me cognitorem iuris sui, me actorem causae totius esse voluerunt. Utrum, Q . Caecili, hoc dices, me non Siculorum rogatu ad causam accedere, an o p t i m o r u m
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fidelissimorum-
que sociorum voluntatem apud hos gravem esse non oportere? Si id audebis dicere, q u o d C . Verres, cui te inimicum esse simulas, maxime existiman vult, Siculos hoc a me non petisse, p r i m u m causam inimici tui sublevabis, de quo non praeiudicium, sed plane iudicium iam factum putatur, quod ita percrebruit, Siculos o m n i s actorem suae causae contra illius iniurias quaesisse. H o c si tu,
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ì
inimicus eius, factum negabis, q u o d ipse, cui m a x i m e haec res obstat, negare non audet, videto ne n i m i u m familiariter inimicitias exercere videare. D e i n d e sunt testes viri clarissimi nostrae civitatis, quos omnis a me nominan non est necesse: eos qui adsunt appellabo, quos, si mentirer, testis esse impudentiae meae minime vellem. Seit is qui est in Consilio, C . Marcellus, seit is q u e m adesse video, C n . Lentulus Marcellinus; q u o r u m fide atque praesidio Siculi maxime nituntur, q u o d o m n i n o M a r cellorum nomini tota illa provincia adiuncta est. Hi sci-
'·(
unt hoc non m o d o a me petitum esse, sed ita saepe et ita vehementer esse petitum ut aut causa mihi suscipienda fuerit aut officium necessitudinis repudiandum. Sed quid ego his testibus utor, quasi res dubia aut obscura sit? Adsunt homines ex tota provincia nobilissimi, qui prae-
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Leiden, mich als Rächer der Mißhandlungen, mich als Vertreter ihres Rechts, mich als Sachwalter in der ganzen Angelegenheit gewünscht. Was willst du erwidern, Q^Caecilius : daß ich mich nicht auf Bitten der Sizilier mit dem Fall befasse oder daß man hier den Wunsch der besten und treuesten Bundesgenossen nicht ernst zu nehmen brauche? Wenn du das zu behaupten wagst, was C. Verres, für dessen Feind du dich ausgibst, am liebsten geglaubt wissen möchte: daß mich die Sizilier nicht darum gebeten haben, dann wirst du erstens die Sache deines Feindes unterstützen - dabei hält man ihn schon allgemein für verurteilt, nicht vorläufig, sondern endgültig, so sehr ist überall bekanntgeworden, daß die Sizilier samt und sonders gegen die Ungerechtigkeiten dieses Mannes einen Anwalt ihrer Sache gesucht haben*. Wenn du, sein Feind, diese Tatsache bestreitest, die er selbst, dem sie überaus hinderlich ist, nicht zu bestreiten wagt, dann nimm dich in acht: es könnte so aussehen, als gäbest du dich deinen Feindschaften allzu freundschaftlich hin. Außerdem sind die erlauchtesten Männer unserer Bürgerschaft Zeugen. Ich brauche sie nicht alle namentlich aufzuzählen: ich will nur die Anwesenden nennen, die ich mir, sagte ich die Unwahrheit, am wenigsten zu Zeugen meiner Unverschämtheit wünschte. Es weiß davon der Beisitzer C.Marcellus; es weiß davon Cn.Lentulus Marcellinus, den ich hier zugegen sehe; auf die Treue und den Schutz dieser Männer verlassen sich die Sizilier ganz besonders, weil sich die ganze Provinz überhaupt an die Familie der Marceller eng angeschlossen hat*. Sie wissen: man hat mich nicht nur gebeten, sondern so oft und so eindringlich gebeten, daß ich entweder die Sache übernehmen oder meine Pflicht gegenüber meinen Schutzbefohlenen verletzen mußte. Doch wozu berufe ich mich auf diese Zeugen, als ob die Sache zweifelhaft oder unklar wäre? Hier stehen die ange-
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sentes vos orant atque obsecrant, iudices, ut in actore causae suae deligendo vestrum iudicium ab suo iudicio ne discrepet. O m n i u m civitatum totius Siciliae legationes adsunt praeter duas civitates; quarum duarum si adessent, duo crimina vel maxima minuerentur quae cum his civitatibus C . Verri communicata sunt.
At enim cur a me potissimum hoc praesidium petiverunt? Si esset dubium petissent necne, dicerem cur petissent: nunc vero, cum id ita perspicuum sit ut oculis iudicare possitis, nescio cur hoc mihi detrimento esse debeat, si id mihi obiciatur, me potissimum esse delectum. Verum id mihi non sumo, iudices, et hoc non modo in oratione mea non pono, sed ne in opinione quidem cuiusquam relinquo, me omnibus patronis esse praepositum. Non ita est; sed unius cuiusque temporis, valetudinis, facultatis ad agendum ducta ratio est. Mea fuit semper haec in hac re voluntas et sententia, quemvis ut hoc mallem de iis qui essent idonei suscipere quam me, me ut mallem quam neminem.
Reliquum est iam ut illud quaeramus, cum hoc constet, Siculos a me petisse, ecquid hanc rem apud vos animosque vestros valere oporteat, ecquid auctoritatis apud vos in suo iure repetundo socii populi Romani, supplices vestri, habere debeant. D e quo quid ego plura comraemorem? quasi vero dubium sit quin tota lex de pecuniis repetundis sociorum causa constituta sit; nam civibus cum sunt ereptae pecuniae, civili fere actione et privato
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sehensten Männer der ganzen Provinz; sie bitten euch selbst und beschwören euch, ihr Richter, euer Urteil bei der Bestimmung ihres Sachwalters möge von dem ihrigen nicht abweichen. Von allen Gemeinden in ganz Sizilien sind Gesandtschaften hier, außer von zweien10 ; wären auch von diesen beiden Gesandtschaften erschienen, so würden zwei Anklagepunkte, wohl die stärksten, geschwächt, in die C. Verres gemeinsam mit diesen Städten verwickelt ist. Doch warum haben die Sizilier gerade von mir diesen Schutz erbeten? Wenn zweifelhaft wäre, ob sie ihn erbeten haben oder nicht, dann würde ich sagen, warum sie ihn erbeten haben. Nun aber, da dies so offen zutage liegt, daß ihr euch mit eigenen Augen davon überzeugen könnt, sehe ich nicht ein, warum es mir schaden soll, wenn mir der Vorwurf gemacht wird, daß gerade ich ausgewählt worden sei. Doch das nehme ich gar nicht für mich in Anspruch, ihr Richter, und das behaupte ich nicht nur nicht in meiner eigenen Rede, sondern will es nicht einmal der Vermutung anderer anheimstellen: daß man mich allen übrigen Schutzherren vorgezogen habe. So ist es nicht; vielmehr hat man auf die Verhältnisse eines jeden, auf seinen Gesundheitszustand und seine Fähigkeiten in der Prozeßführung Rücksicht genommen. Meine Einstellung und Ansicht in dieser Sache war immer die: daß von den Geeigneten lieber jeder andere als ich die Aufgabe übernehmen möge, doch lieber ich als gar keiner. Da feststeht, daß die Sizilier mich gebeten haben, bleibt jetzt noch zu fragen, welches Gewicht diese Tatsache für euch und eure Entscheidung haben sollte, ob die Bundesgenossen des römischen Volkes, eure Schützlinge, einige Beachtung bei euch finden dürfen, wenn sie ihr Recht einfordern. Doch wozu soll ich darüber lange reden? Als ob ein Zweifel bestünde, daß man das ganze Erpressungsgesetz um der Bündner willen erlassen hat. Denn wenn Bürger erpreßt worden
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iure repetuntur. Haec lex socialis est, hoc ius nationum exterarum est, hanc habent arcem, minus aliquanto nunc quidem munitam quam antea, verum tarnen si qua reliqua spes est quae sociorum ánimos consolari possit, ea tota in hac lege posita est; cuius legis non modo a populo Romano, sed etiam ab ultimis nationibus iam pridem severi custodes requiruntur. Quis ergo est qui neget opor-
'y
tere eorum arbitratu lege agi quorum causa lex sit constituía?
Sicilia tota si una voce loqueretur, hoc diceret: "Quod auri, quod argenti, quod ornamentorum in meis urbibus, sedibus, delubris fuit, quod in una quaque re beneficio senatus populique Romani iuris habui, id mihi tu, C . Verres, eripuisti atque abstulisti; quo nomine abs te sestertium miliens ex lege repeto." Si universa, ut dixi, provincia loqui posset, hac voce uteretur: quoniam id non poterat, harum rerum actorem quem idoneum esse arbitrata est ipsa delegit.
In eius modi re quisquam tam impudens reperietur qui
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ad alienam causam, invitis iis quorum negotium est, accedere aut adspirare audeat? Si tibi, Q . Caecili, hoc Siculi dicerent: "Te non novimus, nescimus quis sis, numquam te antea vidimus; sine nos per eum nostras fortunas defendere cuius fides est nobis cognita", nonne id dicerent quod cuivis probare deberent? Nunc hoc
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sind, dann fordert man das Geld im allgemeinen mit einer bürgerlichen Klage und nach privatem Recht zurück. Doch dies ist ein Gesetz fur die Bundesgenossen, dies ein Recht der auswärtigen Völker"; diese Schutzwehr, die sie besitzen, ist zwar jetzt etwas weniger gut befestigt als zuvor", doch gleichwohl: wenn es noch einige Hoffnung gibt, die unsere besorgten Bundesgenossen zu trösten vermag, so gründet sie sich ganz und gar auf dieses Gesetz. Und für dieses Gesetz werden nicht nur vom römischen Volk, sondern auch von den entferntesten Nationen schon seit langem strenge Aufseher gefordert. Wer wollte also bestreiten, daß man das Gesetz nach dem Willen derer handhaben muß, zu deren Gunsten es geschafTen wurde? Wenn ganz Sizilien aus einem Munde reden könnte, dann spräche es so: «Was an Gold, an Silber, an Kunstwerken in meinen Städten, Wohnhäusern und Heiligtümern war, was ich durch die Güte des römischen Senates und Volkes überhaupt an Rechten besaß, das hast du, C. Verres, mir entrissen und geraubt. Aus diesem Grunde fordere ich nach dem Gesetz hundert Millionen Sesterzen" von dir zurück.» Wenn, wie gesagt, die ganze Provinz reden könnte, so würde sie diese Worte gebrauchen; da sie das nicht konnte, hat sie selbst für diese Angelegenheit den Sachwalter ausgewählt, den sie für geeignet hielt. Wird sich in einem solchen Falle jemand finden, der unverschämt und dreist genug wäre, sich gegen den Willen der Beteiligten in eine fremde Angelegenheit zu drängen und sie für sich zu beanspruchen ? Wenn die Sizilier so zu dir sprächen, Q^Caecilius: «Dich kennen wir nicht; wir wissen nicht, wer du bist, haben dich niemals zuvor gesehen; laß uns unseren Besitz durch den Mann verteidigen, dessen Zuverlässigkeit uns bekannt ist» - würden sie da nicht etwas sagen, was jedermann einleuchten müßte? Nun sagen sie aber, alle beide
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ORATIO
dicunt, u t r u m q u e se nosse; alterum se cupere defensorem esse fortunarum suarum, alterum plane nolle. Cur nolint, etiamsi taceant, satis dicunt; verum n o n tacent. Tarnen iis invitissimis te offeres? tarnen in aliena causa loquere? tarnen eos defendes qui se ab ominibus desertos potius quam abs te defensos esse malunt? tarnen iis operam tuam pollicebere qui te ñeque velie sua causa nec, si cupias, posse arbitrantur? C u r eorum spem exiguam reliquarum fortunarum, quam habent in legis et in iudici severitate positam, vi extorquere conaris? cur te interponis invitissimis iis quibus maxime lex consultum esse vult? cur, de quibus in provincia non optime es meritus, eos nunc plane fortunis omnibus conaris evertere? cur iis non modo persequendi iuris sui, sed edam deplorandae calamitatis adimis potestatem? N a m te actore quem eorum a d f u t u r u m putas, quos intellegis non ut per te aiium, sed ut per alium aliquem te ipsum ulciscantur laborare?
At enim solum id est, ut me Siculi maxime velint: alterum illud, credo, obscurum est, a quo Verres minime se accusari velit. Ecquis umquam tam palam de honore, tam vehementer de salute sua contendit quam ille atque illius amici ne haec mihi delatio detur? Sunt multa quae Verres in me esse arbitratur, quae seit in te, Caecili, non esse; quae cuius modi in utroque nostrum sint, paulo post commemorabo; nunc tantum id dicam
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seien ihnen bekannt; den einen wünschten sie sich zum Verteidiger ihres Besitzes, den anderen lehnten sie rundweg ab. Warum sie ihn ablehnen, gäben sie auch dann deutlich zu verstehen, wenn sie schwiegen; aber sie schweigen gar nicht. Dennoch willst du dich ihnen gegen ihren erklärten Willen aufdrängen? Dennoch in einer dir fremden Sache das Wort führen? Dennoch die verteidigen, die lieber von allen verlassen als von dir verteidigt sein wollen? Dennoch denen deine Dienste anbieten, die dir weder den Willen noch (gesetzt, du wolltest) die Fähigkeit zutrauen, für sie einzutreten ? Sie hegen noch eine winzige HofTnung auf den Rest ihrer Habe, die sich auf die Strenge des Gesetzes und des Gerichtshofes gründet - warum suchst du sie ihnen gewaltsam zu entreißen? Warum drängst du dich gegen den erklärten Willen derer ein, denen das Gesetz vor allem helfen möchte? Warum suchst du jetzt die gänzlich um allen Besitz zu bringen, denen du schon in der Provinz keine allzu guten Dienste erwiesen hast? Warum raubst du ihnen nicht allein die Befugnis, ihr Recht zu verfolgen, sondern auch die Möglichkeit, ihr Unglück zu beweinen? Denn wenn du die Klage führst, glaubst du dann, daß einer von denen erscheinen wird' 4 , denen es, wie du wohl weißt, darum geht, nicht durch dich einen anderen, sondern durch einen beliebigen anderen dich selbst der Strafe zu überantworten ? Doch freilich, das ist das einzige, daß die Sizilier gerade mich wollen; der andere Punkt liegt, glaube ich, im Dunkeln, von wem Verres am wenigsten angeklagt sein möchte. Hat jemals irgendwer so offen um seine Ehre, so hitzig um sein Leben gekämpft, wie er und seine Freunde jetzt darauf dringen, daß mir diese Anklage nicht übertragen wird ? Da sind viele Eigenschaften, die Verres bei mir vorhanden glaubt und von denen er weiß, daß sie dir, Caedlius, abgehen; von welcher Art sie bei uns beiden sind, werde ich sogleich er-
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quod tacitus cu mihi adsentiare, nullam rem in me esse quam ille contemnat, nullam in te quam pertimescat. Itaque magnus ille defensor ec amicus eius cibi sufFragatur, me oppugnar; aperte ab iudicibus pecic uc cu mihi anceponare, et ait hoc se honeste sine ulla invidia ac sine ulla offensione contendere. " N o n enim", inquit, "illud peto quod soleo, cum vehementius contendi, impetrare: reus ut absolvatur non peto, sed ut potius ab hoc quam ab ilio accusetur, id peto. D a mihi hoc; concede quod facile est, quod honestum, quod non invidiosum; quod cum dederis, sine ullo tuo periculo, sine infamia illud dederis, ut is absolvatur cuius ego causa laboro."
Et ait idem, ut aliquis metus adiunctus sit ad gratiam, certos esse in Consilio quibus ostendi tabellas velit; id esse perfacile; non enim singulos ferre sententias, sed universos constituere; ceratam uni cuique tabellam dari cera legitima, non illa infami ac nefaria. Atque is non tam propter Verrem laborat q u a m quod eum minime res tota delectat; videt enim, si a pueris nobilibus, quos adhuc elusit, si a quadruplatoribus, quos non sine causa contempsit semper ac pro nihilo putavit, accusandi voluntas ad viros fortis spectatosque homines translata sit, sese in iudiciis diutius dominari n o n posse. Huic ego h o m i n i
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läutern. Jetzt will ich nur das eine sagen, worin du mir wohl stillschweigend zustimmen kannst: daß an mir nichts ist, was Verres verachten dürfte, an dir nichts, was er fürchten müßte. Daher setzt sich sein großer Verteidiger und Freund für dich ein und bekämpft mich; unverblümt bittet er die Richter, dich meiner Person vorzuziehen, und er behauptet noch, er stelle dies Ansinnen in allen Ehren und ohne Haß und Anfeindungen auf sich zu ziehen. «Denn ich verlange nicht», sagt er, «was ich, wenn ich mich mit größerem Nachdruck einsetze, auch zu erreichen pflege: ich verlange nicht, daß der Angeklagte freigesprochen, sondern daß er von diesem statt von jenem angeklagt wird, das verlange ich. Gestehe mir das zu, erlaube, was gering, was ehrenhaft, was unverdächtig ist; wenn du das zugestehst, dann hast du mir ohne jede Gefahr fur dich, ohne dich bloßzustellen, auch zugestanden, daß der freigesprochen wird, dem meine Bemühungen gelten.» Und derselbe Mann sagt, damit sich zu der Hilfsbereitschaft ein wenig Furcht geselle: es seien einig? Leute im Richterrat, denen er die Stimmtäfelchen vorgezeigt wissen wolle. Das sei sehr leicht; man gebe nämlich die Stimmen nicht einzeln ab, sondern lege sie gemeinsam in die Urne; jedem werde ein Täfelchen ausgehändigt, das mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Wachs überzogen sei, nicht mit dem verrufenen und verpönten15. Auch wirft er sich nicht nur fur Verres so sehr ins Zeug; vielmehr will ihm die Sache an sich durchaus nicht behagen. Denn er sieht: wenn die Bereitschaft zur Anklage von den adligen Jüngelchen, die er bis jetzt ausgelacht hat, wenn sie von den Angebern, die auf die Belohnung aus sind und die er nicht ohne Grund stets für belanglos und nichtig gehalten hat, auf tüchtige Männer und bewährte Persönlichkeiten übergeht, dann werde er selbst in den Gerichten nicht länger den Herrn spielen können. Diesem
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iam ante denuncio, si a me causam hanc vos agi volueritis, rationem illi defendendi totam esse mutandam, et ita mutandum ut, meliore et honestiore condicione quam qua ipse vult uti, imitetur homines eos quos ipse vidit amplissimos, L. Crassum et M. Antonium, qui nihil se arbitrabantur ad iudicia causasque amicorum praeter fidem et ingenium adferre oportere. Nihil erit quod me agente arbitretur iudicium sine magno multorum periculo posse corrumpi.
Ego in hoc iudicio mihi Siculorum causam receptam, populi Romani susceptam esse arbitrar, ut mihi non unus homo improbus opprimendus sit, id quod Siculi petiverunt, sed omnino omnis improbitas, id quod populus Romanus iam diu flagitat, exstinguenda atque delenda sit: in quo ego quid eniti aut quid efficere possim, malo in aliorum spe relinquere quam in oratione mea ponere. Tu vero, Caecili, quid potes? quo tempore aut qua in re non modo ceteris specimen aliquod dedisti, sed tute tui periculum fecisti? In mentem tibi non venit quid negoti sit causam publicam sustinere, vitam alterius totam explicare atque earn non modo in animis iudicum, sed etiam in oculis conspectuque omnium exponere, sociorum salutem, commoda provinciarum, vim legum, gravitatem iudiciorum defendere?
Cognosce ex me, quoniam hoc primum tempus discendi nactus es, quam multa esse oporteat in eo qui alterum accuset; ex quibus si unum aliquod in te cognoveris, ego iam tibi ipse istuc quod expetis mea volúntate
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Manne kündige ich, falls ihr wollt, daß ich die Sache führe, schon im voraus an: er muß den Plan seiner Verteidigung gänzlich ändern, und zwar so ändern, daß er mit besseren und schicklicheren Spielregeln, als er selbst sie anwenden will, die Männer nachahmt, von deren höchstem Ansehen er sich selber überzeugt hat : L. Crassus und M. Antonius die da glaubten, zu den Prozessen und Rechtshändeln ihrer Freunde nichts mitbringen zu dürfen als Zuverlässigkeit und Redegewandtheit. Falls ich die Anklage vertrete, hat er keinen Grund zu der Annahme, man könne das Gericht bestechen, ohne daß sich viele Leute einer großen Gefahr aussetzen. Ich bin der Meinung, daß ich in diesem Verfahren die Sache der Sizilier entgegengenommen, die Sache des römischen Volkes auf mich genommen habe"; ich muß also nicht nur einen einzelnen Schurken zu Fall bringen, wie die Bitte der Sizilier lautet, sondern die Schurkerei insgesamt auslöschen und vernichten, was das römische Volk schon lange fordert. Was ich in dieser Sache durchzusetzen oder zu erreichen vermag, will ich lieber der Mutmaßung anderer überlassen als selbst in meiner Rede darlegen. Doch du, Caecilius, was vermagst du? Zu welcher Zeit oder bei welcher Gelegenheit hast du deinen Mitmenschen ein Beispiel gegeben oder dich gar einer Belastungsprobe ausgesetzt? Kam dir nicht in den Sinn, wie schwierig es ist, einen öffentlichen Prozeß zu übernehmen, das Leben eines anderen gänzlich aufzurollen und es nicht allein vor den Richtern, sondern vor den Augen und Blicken der Allgemeinheit auszubreiten, für das Wohl der Bündner, die Interessen der Provinzen, die Macht der Gesetze, das Ansehen der Gerichte einzutreten ? Laß dich von mir belehren (du hast ja jetzt zum ersten Male Gelegenheit zum Lernen erhalten), wie viele Eigenschaften der haben muß, der einen anderen anklagen will. Wenn du hiervon auch nur eine bei dir entdeckst, dann will
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concedam. Primum integritatem atque innocentiam singularem; nihil est enim q u o d m i n u s f e r e n d u m sit q u a m rationem ab altero vitae reposcere e u m qui non possit suae reddere. Hie ego de te plura non dicam: u n u m illud credo omnis a n i m u m advertere, te a d h u c a nullis nisi ab Siculis potuisse cognosci; Siculos hoc dicere, c u m eidem sint irati cui tu te inimicum esse dicis, sese tamen te actore ad iudicium non adfuturos. Q u a r e negent ex me non audies: hos patere id suspicari q u o d necesse est. Uli quidem, ut est h o m i n u m genus nimis a c u t u m et suspiciosum, non te ex Sicilia litteras in Verrem deportare velie arbitrantur, sed, q u o d isdem litteris illius praetura et tua quaestura consignata sit, asportare te velie ex Sicilia litteras suspicantur.
Deinde accusatorem firmum v e r u m q u e esse oportet. E u m ego si te putem cupere esse, facile intellego esse non posse. N e c ea dico, quae si dicam tamen infirmare non possis, te, antequam de Sicilia decesseris, in gratiam redisse c u m Verre; Potamonem, scribam et familiarem t u u m , retentum esse a Verre in provincia, c u m tu decederes; M . Caecilium, fratrem tuum, lectissimum atque ornatissimum adulescentem, non m o d o non adesse ncque tecum tuas iniurias persequi, sed esse c u m Verre et c u m ilio familiarissime atque amicissime vivere. Sunt et haec et alia in te falsi accusatoris signa permulta, quibus ego
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ich selbst dir sofort freiwillig überlassen, was du verlangst. Zuerst RechtschafTenheit und Lauterkeit in höchstem Maße; nichts ist nämlich so unerträglich, wie wenn jemand von einem anderen Rechenschaft über sein Leben fordert, der sie über sein eigenes nicht geben kann. Ich will zu diesem Punkt nichts weiter von dir sagen; nur eines, glaube ich, haben alle bemerkt : bis jetzt hatte außer den Siziliern niemand Gelegenheit, dich kennenzulernen; die Sizilier aber erklären, sie würden, wenn du die Sache führtest, nicht vor Gericht erscheinen, obwohl ihre Erbitterung demselben Manne gilt, für dessen Feind du dich ausgibst. Warum sie sich weigern, wirst du von mir nicht erfahren; du mußt freilich dulden, daß diese Männer hier das Nötige vermuten. Die Sizilier jedenfalls glauben (die Leute sind doch gar zu spitzfindig und argwöhnisch!), daß du nicht etwa Beweisurkunden gegen Verres aus Sizilien herbeischaffen willst; sondern weil in den gleichen Schriftstücken seine Prätur und deine Quästur festgehalten ist, deshalb hegen sie den Verdacht, du wollest die Urkunden aus Sizilien verschwinden lassen. Zweitens muß ein Ankläger standfest und aufrichtig sein. Wenn ich nun hierin deinen guten Willen voraussetze, dann erkenne ich mühelos dein Unvermögen. Und ich sage nicht, was du, wenn ich's sagte, doch nicht widerlegen könntest: daß du dich vor deiner Abreise aus Sizilien '· mit Verres ausgesöhnt hast; daß Verres den Potamon, deinen Schreiber und Vertrauensmann, bei sich in der Provinz behielt, als du weggingst; daß sich dein Bruder M.Caecilius, ein vortrefflicher und hochachtbarer junger Mann, nicht nur nicht hier eingefunden hat, um mit dir gemeinsam die dir zugefugte Unbill zu ahnden, sondern sich bei Verres aufhält und mit ihm als sein vertrautester Freund zusammenlebt. Außer diesen gibt es bei dir noch sehr viele andere Merkmale eines falschen Anklägers, von denen ich jetzt keinen Gebrauch mache; ich
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nunc non utor: hoc dico, te, si maxime cupias, tarnen verum accusatorem esse non posse. Video enim permulta esse crimina quorum tibi societas cum Verre eius modi est ut ea in accusando attingere non audeas. Queritur Sicilia tota C . Verrem ab aratoribus, cum frumentum sibi in cellam imperavisset, et cum esset tritici modius H S II, pro frumento in modios singulos duodenos sesterios exegisse. M a g n u m crimen, ingens pecunia, furtum impudens, iniuria non ferenda! Ego hoc uno crimine illum condemnem necesse est: tu, Caecili, quid facies? utrum hoc tantum crimen praetermittes an obicies? Si obicies, idne alteri crimini dabis quod eodem tempore in eadem provincia tu ipse fecisti? audebis ita accusare alterum ut quo minus tute condemnere recusare non possis? Sin praetermittes, qualis erit tua ista accusatio, quae domestici periculi metu certissimi et maximi criminis non modo suspicionem, verum etiam mentionem ipsam pertimescat?
Emptum est ex senatus consulto frumentum ab Siculis praetore Verre, pro quo frumento pecunia omnis soluta non est. Grave est hoc crimen in Verrem, grave me agente, te accusante nullum; eras enim tu quaestor, pecuniam publicam tu tractabas, ex qua, etiamsi cuperet praetor, tarnen ne qua deductio fìeret magna ex parte tua potestas erat. Huius quoque igitur criminis te accusante mentio nulla fiet: silebitur toto iudicio de maximis et
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behaupte nur, daß du beim besten Willen kein aufrichtiger Ankläger sein kannst. Sehe ich doch, daß sehr viele Vergehen vorliegen, in die du dich mit Verres teilst, so daß du nicht wagen kannst, in deiner Anklage daran zu rühren. Ganz Sizilien führt Beschwerde, C. Verres habe von den Landwirten zwölf Sesterzen für das Maß Getreide erpreßt, als er das fur seine eigene Vorratskammer bestimmte Getreide zu liefern befahl und als das Maß Weizen nur zwei Sesterzen kostete". Ein schlimmer Vorwurf, ein gewaltiger Geldbetrag, ein schamloser Betrug, eine unerträgliche Mißhandlung! Ich muß den Mann schon wegen dieses einen Anklagepunktes verurteilen: und du, Caecilius, was wirst du tun? Wirst du diese schwere Beschuldigung übergehen oder zur Sprache bringen ? Wenn du sie zur Sprache bringst, machst du dann nicht dem anderen das zum Vorwurf, was du selbst zu derselben Zeit in derselben Provinz getan hast? Wirst du also den Mut haben, einen anderen in der Weise anzuklagen, daß du dich deiner eigenen Verurteilung nicht mehr entziehen kannst? Übergehst du aber den Vorwurf: was hat es dann mit deiner Anklage für eine Bewandtnis, die aus Furcht vor eigener Gefahr bei einer so un bezweifelbaren und schweren Anschuldigung nicht nur eine Verdächtigung, sondern sogar die bloße Erwähnung scheut ? Auf Grund eines Senatsbeschlusses wurde während der Prätur des Verres bei den Siziliern Getreide gekauft; hierfür wurde nicht der volle Preis bezahlt". Das ist ein schwerer Vorwurf gegen Verres, schwer, wenn ich die Sache führe, gar keiner, wenn du Anklage erhebst. Denn du warst Quästor; du hattest die staatlichen Mittel in der Hand; es lag zum großen Teile in deiner Macht, Abzüge davon zu verhindern, selbst wenn der Prätor sie wünschte. Folglich wird auch von diesem Vorwurfnichts verlauten, wenn du anklagst; in dem ganzen Ver-
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notissimis illius furtis et iniuriis. Mihi crede, Caecili, non potest in accusando socios vere defendere is qui cum reo criminum societate coniunctus est.
Mancipes a civitatibus pro frumento pecuniam exegerunt. Quid? hoc Verre praetore factum est solum? Non, sed etiam quaestore Caeciiio. Quid igitur? daturus es huic crimini quod et potuisti prohibere ne fieret et debuisti, an totum id relinques? Ergo id omnino Verres in iudicio suo non audiet quod, cum faciebat, quem ad modum defensurus esset non reperiebat.
Atque ego haec quae in medio posita sunt commemoro: sunt alia magis occulta furta, quae ille, ut istius, credo, ánimos atque impetus retardaret, benignissime cum quaestore suo communicavit. Haec tu scis ad me esse delata; quae si velim proferre, facile omnes intellegent vobis inter vos non modo voluntatem fuisse coniunctam, sed ne praedam quidem adhuc esse divisarti. Quapropter si tibi indicium postulas dari quod tecum una fecerit, concedo, si id lege permittitur; sin autem de accusatione dicimus, concedas oportet iis qui nullo suo peccato impediuntur quo minus alterius peccata demonstrare possint. Ac vide quantum interfuturum sit inter meam tuamque accusationem. Ego etiam quae tu sine Verre commisisti Verri crimini daturus sum, quod te non prohibuerit, cum summam ipse haberet potestatem: tu
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fahren wird man die größten und ruchbarsten Diebereien und Ungerechtigkeiten des Verres verschweigen. Glaub mir, Caecilius : wer selbst in die Verbrechen des Angeklagten verwickelt ist, kann durch seine Anklage die Bundesgenossen nicht ernstlich verteidigen. Die Steuerpächter haben von den Gemeinden statt Getreide Geld eingetrieben". Wie? Geschah das nur während der Prä tur des Verres? Nein, sondern auch während der Quästur des Caecilius. Wie steht es also ? Willst du ihm zum Vorwurf machen, was du verhindern konntest und mußtest, oder willst du den Punkt ganz und gar übergehen ? Verres wird also vor Gericht gerade das nicht zu hören bekommen, wofür er schon zur Zeit der Tat keine Entschuldigung finden konnte. Und ich erwähne nur das, was offen zutage liegt. Es gibt noch andere, besser verhehlte Diebstähle, deren Ertrag Verres bereitwilligst mit seinem Quästor geteilt hat, vermutlich, um dessen erregte Aufwallungen zu dämpfen. Du weißt, daß man mir diese Dinge hinterbracht hat; wenn ich sie vortragen wollte, dann würde jedermann leicht einsehen, daß euch nicht nur die gleiche Einstellung miteinander verband, sondern bis jetzt nicht einmal die Beute geteilt ist! Also, wenn du das Recht der Anzeige für dich forderst, weil er mit dir gemeinsame Sache gemacht hat, so gestehe ich's zu, falls das Gesetz es erlaubt"; sobald wir aber von dem Amt der Anklage reden, mußt du denen weichen, die durch kein eigenes Vergehen daran gehindert werden, die Vergehen eines anderen ans Licht zu bringen. Und sieh doch, welch ein Unterschied zwischen meiner und deiner Anklage bestehen wird! Ich werde sogar das, was du ohne die Mithilfe des Verres verübt hast, Verres zum Vorwurf machen13, weil er dich nicht daran gehindert hat, obwohl er die höchste Gewalt innehatte. Du hingegen wirst nicht einmal das vorbringen,
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contra ne quae ille q u i d e m fecit obicies, ne qua ex parte c o n i u n c t u s c u m eo reperiare. Quid? illa, Caecili, c o n t e m n e n d a n e tibi videntur esse, sine quibus causa sustineri, praesertim tanta, nullo m o d o potest? aliqua facultas agendi, aliqua dicendi consuetudo, aliqua in foro, iudiciis, legibus aut ratio aut exercitatio? Intellego quam scopuloso difficilique in loco verser; nam c u m o m n i s adrogantia odiosa est, t u m illa ingeni atque eloquentiae m u l t o molestissima. Q u a m o b rem nihil dico de m e o ingenio; ñ e q u e est q u o d possim dicere, ñeque si esset dicerem; aut e n i m id m i h i satis est q u o d est de me opinionis, quidquid est, aut, si id p a r u m est, ego maius id c o m m e m o r a n d o facere n o n possum.
D e te, Caecili - iam m e h e r c u l e h o c extra h a n c c o n tentionem
certamenque
nostrum
familiariter
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tecum
loquar - tu ipse q u e m ad m o d u m existimes vide etiam atque etiam, et tu te collige, et qui sis et quid facere possis considera. Putasne te posse de m a x i m i s acerbissimisque rebus, c u m causam s o c i o r u m fortunasque provinciae, ius populi R o m a n i , gravitatem iudici l e g u m q u e susceperis, tot res tarn gravis, tarn varias voce, m e m o r i a , Consilio, ingenio sustinere? Putasne te posse quae C . Verres in quaestura, quae in legatione, quae in praetura, quae R o m a e , quae in Italia, quae in Achaia, Asia Pamphyliaque peccarit, ea, quem ad m o d u m locis t e m p o r i b u s q u e divisa sint, sie criminibus et o r a t i o n e distinguere? Putasne posse, id quod in eius modi reo m a x i m e necessarium
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was er allein getan hat, damit sich nirgends zeigt, wie du mit ihm unter einer Decke gesteckt hast. Und weiter, Caecilius: meinst du, alle die Dinge gering veranschlagen zu dürfen, ohne die man unter keinen Umständen eine Sache, noch dazu eine so bedeutende, übernehmen kann? Einiges Geschick im Verhandeln, einige Gewandtheit im Reden, einige Kenntnis und Übung auf dem Forum, vor den Gerichten und in den Gesetzen Î Ich merke woh], auf was für steinigem und gefahrlichem Boden ich mich bewege. Denn wenn schon jede Art von Anmaßung Widerwillen hervorruft, so ist sie vor allem dann ganz unerträglich, wenn sie Talent und Redegewandtheit fur sich beansprucht. Deshalb sage ich nichts Uber mein Talent; ich habe weder Grund, davon zu sprechen, noch täte ich's, wenn ich Grund hätte. Denn entweder genügt mir, was man von mir hält, es sei, was es wolle, oder ich kann mein Ansehen, wenn es mir zu gering vorkommt, nicht größer machen, indem ich davon rede. Du aber, Caecilius - wahrhaftig, ich spreche jetzt, ohne an unseren Streit und Kampf zu denken, in aller Freundschaft mit dir: prüfe doch wieder und wieder, was du selbst von dir halten sollst, und nimm deinen Verstand zusammen und erwäge wohl, wer du bist und was du zu leisten vermagst. Glaubst du, du könnest bei der Behandlung sehr wichtiger und sehr schlimmer Dinge, wenn du die Sache der Bündner und das Schicksal der Provinz, das Recht des römischen Volkes, die Würde des Gerichts und der Gesetze vertrittst glaubst du, aller dieser so bedeutsamen, so verschiedenartigen Dinge durch Stimme, Gedächtnis, Übersicht und Geschicklichkeit Herr zu werden? Glaubst du, du könnest, was C. Verres als Quästor, als Legat, als Prätor, was er in Rom, in Italien, in Achaia, Asien und Pamphylien gefrevelt hat 14 , so, wie sich alles nach Ort und Zeit verteilt, auch in der Rede nach Anklagepunkten gesondert darstellen? Glaubst du, du
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est, facere ut, quae ille libidinose, quae nefarie, quae crudeliter fecerit, ea aeque acerba et indigna videantur esse his q u i a u d i e n t acque illis visa s u n t q u i senserunt? M a g n a s u n t ea q u a e dico, mihi crede; noli haec c o n t e m n e r e . Dicenda, d e m o n s t r a n d a , explicanda s u n t o m n i a , causa n o n solum e x p o n e n d a , sed etiam graviter copioseque agenda est; p e r f i c i e n d u m est, si q u i d agere aut proficere vis, ut h o m i n e s te n o n solum a u d i a n t , v e r u m etiam libenter studioseque a u d i a n t . In q u o si te m u l t u m natura adiuvaret, si o p t i m i s a pueritia disciplinis a t q u e artibus studuisses et in his élaborasses, si litteras Graecas Athenis n o n Lilybaei, Latinas R o m a e n o n in Sicilia didicisses, tarnen esset m a g n u m t a n t a m causam, tarn exspectatam, et diligentia consequi et m e m o r i a complecti et oratione expromere et voce ac viribus sustinere.
Fortasse dices: " Q u i d ergo? haec in te s u n t omnia?" U t i n a m q u i d e m essent! v e r u m tarnen ut esse possent m a g n o studio mihi a pueritia est e l a b o r a t u m . Q u o d s i ego haec p r o p t e r m a g n i t u d i n e m r e r u m ac difficultatem adsequi n o n p o t u i , qui in o m n i vita nihil aliud egi, q u a m longe t u te ab his rebus abesse arbitrare, quas n o n m o d o antea n u m q u a m cogitasti, sed ne n u n c q u i d e m , c u m in eas ingrederis, quae et q u a n t a e sint suspicari potes?
Ego qui, sicut o m n e s sciunt, in foro iudiciisque ita verser ut eiusdem aetatis aut n e m o aut pauci pluris causas
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könnest - was bei einem Angeklagten dieses Schlages ganz unerläßlich ist - erreichen, daß seine ausschweifenden, seine ruchlosen, seine grausamen Handlungen auf deine Zuhörer ebenso peinigend und empörend wirken, wie sie auf die gewirkt haben, die sie zu spüren bekamen? Von großem Gewicht ist, was ich sage, glaube mir; nimm das nicht zu leicht: alles muß man darlegen, beweisen, erläutern; man muß den Sachverhalt nicht nur vortragen, sondern auch nachdrücklich und ausführlich erörtern; wenn du etwas erreichen oder durchsetzen willst, mußt du die Leute dahin bringen, daß sie dich nicht nur anhören, sondern auch gern und mit Spannung anhören. Selbst wenn dir hierfür deine Anlagen sehr zustatten kämen, wenn du von Kindheit an Mühe und Eifer auf die edelsten Künste und Wissenschaften verwandt hättest, wenn du die griechische Sprache in Athen, nicht in Lilybaeum, die lateinische in Rom, nicht in Sizilien erlernt hättest": es wäre trotzdem ein großes Unterfangen, diese bedeutsame, mit solcher Spannung erwartete Sache durch Sorgfalt zu meistern und mit dem Gedächtnis zu beherrschen und in der Rede darzustellen und mit Stimme und Kräften durchzustehen. Vielleicht erwiderst du: «Was denn? Hast du alle diese Eigenschaften?» Wenn ich sie doch hätte! Immerhin habe ich von Kindheit an viel Mühe darauf verwandt, daß ich sie haben kann. Also, wenn ich mir schon diese Erfordernisse nicht aneignen konnte, weil sie so groß und schwierig sind (und ich habe mich doch mein Leben lang mit nichts anderem beschäftigt) : wie fern, glaubst du, stehen dir diese Dinge, über die du früher nie nachgedacht hast, ja deren Bedeutung und Umfang du nicht einmal jetzt, da du dich mit ihnen befaßt, abzuschätzen vermagst? Ich bin, wie jedermann weiß, auf dem Forum und bei den Gerichten so beschäftigt, daß niemand oder nur wenige meines
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defenderint, et qui omne tempus quod mihi ab amicorum negociis datur in his studiis laboribusque consumarli, quo parador ad usum forensem prompciorque esse possim, tamen ita mihi déos velim propitios ut, cum illius mihi temporis venit in mentem quo die citato reo mihi dicendum sit, non solum commoveor animo, sed edam toto corpore perhorresco. Iam nunc mente et cogitatione prospicio quae tum studia hominum, qui concursus futuri sint, quantam exspectationem magnitudo ludici sit adlatura, quantam auditorum multitudinem infamia C. Verris c o n c i a t u r a , quantam denique audientiam orationi meae improbitas illius factura sit. Quae cum cogito, iam nunc timeo quidnam pro ofFensione hominum, qui ill i inimici infensique sunt, et exspectatione omnium et magnitudine rerum dignum eloqui possim.
Tu horum nihil metuis, nihil cogitas, nihil laboras: si quid ex vetere aliqua oratione, "Iovem ego Optimum Maximum", aut "Vellern, si fieri potuisset, iudices", aut aliquid eius modi ediscere potueris, praeclare te paratum in iudicium venturum arbitraris? Ac si tibi nemo responsurus esset, tamen ipsam causam, ut ego arbitror, demonstrare non posses: nunc ne illud quidem cogitas, tibi cum homine disertissimo et ad dicendum paratissimo futurum esse certamen, quicum modo
disserendum,
modo omni ratione pugnandum certandumque sit?
Cuius ego ingenium ita laudo ut non pertimescam, ita probo ut me ab eo delectari facilius quam decipi putem
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GEGEN CA ECI LI U S
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Alters eine größere Zahl von Verteidigungen gefuhrt haben als ich, und ich nutze alle Zeit, die mir neben der Tätigkeit für meine Freunde bleibt, für diese Künste und Übungen u , um desto besser gerüstet und vorbereitet fur mein Wirken auf dem Forum zu sein : trotzdem - so wahr mir die Götter gnädig sein mögen! - , wenn ich an den Tag denke, da der Angeklagte aufgerufen ist und ich meine Rede halten soll, gerät nicht nur mein Verstand in Unruhe, sondern ich erzittere sogar am ganzen Körper. Schon jetzt sehe ich im Geiste und in Gedanken vor mir, welch erregte Teilnahme der Leute, welch Volksauflauf stattfinden wird, welch hochgespannte Erwartung der große Prozeß hervorrufen, welche Menge von Zuhörern der verhaßte Name des C. Verres auf die Beine bringen, endlich, welche Aufmerksamkeit seine Verruchtheit meiner Rede verschaffen wird. Wenn ich hieran denke, so bin ich schon jetzt besorgt, was ich wohl vorbringen könnte, daß es der Empörung seiner Feinde und Widersacher und der allgemeinen Erwartun g und der Größe des Gegenstandes entspricht. Du aber furchtest nichts, denkst an nichts, kümmerst dich um nichts; wenn du etwas aus irgendeiner alten Rede auswendig lernen kannst, etwa «Ich aber, beim gnädigen und großen Jupiter...» oder «War's möglich, ihr Richter, so wollte ich...» oder anderes dieser Art, dann glaubst du wohl sehr gut vorbereitet zur Verhandlung zu kommen ? Und selbst wenn niemand eine Gegenrede halten würde, wärest du meiner Meinung nach nicht imstande, auch nur den Sachverhalt klar darzustellen; nun aber bedenkst du nicht einmal, daß dich ein Wettstreit mit einem äußerst redegewandten und für den Vortrag sehr gut vorbereiteten Manne erwartet, daß du mit ihm bald Erörterungen bestehen, bald auf jegliche Weise kämpfen und streiten mußt ? Ich für mein Teil lobe die Gabe dieses Mannes, doch ich furchte sie nicht; ich schenke ihr Beifall, glaube jedoch, daß
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Q. C A E C I L I U M
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posse. N u m q u a m ille me opprimet Consilio, numquam ullo artificio pervertet, numquam ingenio me suo labefactare atque infirmare conabitur; novi omnis hominis peticiones rationesque dicendi; saepe in isdem, saepe in contrariis causis versati sumus; ita contra me ille dicet, quamvis sit ingeniosus, ut non nullum etiam de suo ingenio iudicium fieri arbitretur.
Te vero, Caecili, quem ad m o d u m sit elusurus, quam omni ratione iactaturus, videre iam videor; quotiens ille tibi potestatem optionemque facturus sit ut eligas utrum velis - factum esse necne, verum esse an falsum - utrum dixeris, id contra te futurum. Q u i tibi aestus, qui error, quae tenebrae, di immortales, erunt, homini minime malo! Quid? cum accusationis tuae membra dividere coeperit et in digitis suis singulas partis causae constituere? quid? cum unum quidque transigere, expedire, absolvere? Ipse profecto metuere incipies ne innocenti periculum facessieris. Quid? cum commiserari, conqueri, et ex illius invidia deonerare aliquid et in te traicere coeperit, commemorare quaestoris cum praetore necessitudinem constitutam, more maiorum, sortis religione, poterisne eius orationis subire invidiam? Vide modo, etiam atque etiam considera. M i h i enim videtur periculum fore ne ille non m o d o verbis te obruat, sed gestu ipso ac motu corporis praestringat aciem ingeni tui, teque ab institutis tuis co-
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CAECILIUS
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sie mich eher zu unterhalten als zu verblüffen vermag. Nie wird er mich durch seine Schlauheit übertölpeln, nie durch eine Finte zu Fall bringen, nie wird er versuchen, mich durch seine Schlagfertigkeit unsicher zu machen und zu verwirren ; ich kenne alle die Angriffsweisen und Redekünste dieses Mannes; oft haben wir auf derselben, oft auf entgegengesetzter Seite gestanden 17 ; in seiner Erwiderung wird er, so geistreich er ist, damit rechnen, daß das Urteil nicht zuletzt auch seiner Begabung gilt. Aber ich glaube schon jetzt zu sehen, Caecilius, wie er mit dir sein Spiel treiben, wie er dich auf jede Weise durcheinanderbringen, wie oft er dir die freie Wahl überlassen wird, eine von zwei Möglichkeiten nach Belieben auszusuchen (zum Beispiel ob etwas geschehen ist oder nicht, ob etwas wahr oder falsch ist) - was du dann auch sagst, es wird zu deinem Nachteil ausschlagen. Welch heiße Verlegenheit, welche Wirrnis, welch Dunkel - ihr unsterblichen Götter! warten auf dich ach so arglosen Menschen! Wie? Wenn er erst anfangt, die Teile deiner Anklage zu zergliedern und die einzelnen Gesichtspunkte des Falles an den Fingern herzuzählen? Wie? Wenn er dann jeden für sich durchgeht, abfertigt, erledigt? Wahrhaftig, du selbst wirst zu furchten beginnen, du habest einen Unschuldigen in Gefahr gebracht. Wie? Wenn er sich anschickt zu klagen und zu jammern, wenn er dem Verres einen Teil des Hasses abzunehmen und dir aufzubürden beginnt, wenn er das Treueverhältnis zwischen Prätor und Quästor erwähnt, das sich auf den Brauch der Vorfahren, auf die Heiligkeit des Loses g r ü n d e - : wirst du dann der Gehässigkeit standhalten können, die von seiner Rede ausgeht? Gib nur acht; denk immer wieder darüber nach! Denn wie mir scheint, besteht Gefahr, daß er dich nicht nur unter seinen Worten begräbt, sondern schon durch seine Gebärden und Bewegungen die Schärfe deines Geistes
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IN Q. C A E C I L I U M
ORATIO
gitationibusque abducat. Atque huiusce rei iudicium iam c o n t i n u o video f u t u r u m . Si enim mihi hodie respondere ad haec quae dico potueris, si ab isto libro, q u e m tibi magister ludi nescio qui ex alienis orationibus c o m p o s i t u m dedit, verbo u n o discesseris, posse te et illi q u o q u e iudicio non deesse et causae atque officio tuo satis facere arbitrabor; sin m e c u m in hac prolusione nihil fueris, q u e m te in ipsa pugna c u m acerrimo adversario fore putemus?
Esto, ipse nihil est, nihil potest; at venit paratus c u m subscriptoribus exercitatis et disertis. Est tamen hoc aliquid, tametsi non est satis; o m n i b u s enim rebus is qui princeps in agendo est ornatissimus et paratissimus esse debet. Verum tamen L. Appuleium esse video p r o x i m u m subscriptorem, h o m i n e m non aetate sed usu forensi atq u e exercitatione tironem. Deinde, ut opinor, habet Alie n u m , hunc tamen a subselliis; qui quid in d i c e n d o posset n u m q u a m satis attendi, in clamando q u i d e m video e u m esse bene robustum atque exercitatum. In hoc spes tuae sunt o m n e s ; hic, si tu eris actor constitutus, totum iudicium sustinebit. Ac ne is q u i d e m tantum c o n t e n d « in d i c e n d o q u a n t u m potest, sed consulet laudi et existimationi tuae, et ex eo q u o d ipse potest in dicendo aliq u a n t u m remittet, ut tu tamen aliquid esse videare. Ut in actoribus Graecis fieri videmus, saepe illum qui est sec u n d a r u m aut tertiarum partium, c u m possit aliquanto
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CAECILIUS
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stumpf macht und dich von deinen Plänen und Gedanken abbringt. Und hierüber läßt sich, wie ich sehe, jetzt sofort ein Urteil fällen. Solltest du mir nämlich heute auf das, was ich sage, antworten können, solltest du von den Aufzeichnungen, die dir wer weiß welcher Schulmeister aus den Reden anderer Leute zusammengestellt hat 1 ·, auch nur mit einem Worte abweichen, dann will ich glauben, daß du auch in dem anderen Verfahren deinen Mann stehen sowie der Sache und deiner Pflicht gerecht werden kannst; solltest du aber schon in diesem Vorgeplänkel mit mir ein Nichts sein, was, müssen wir annehmen, wirst du erst sein, wenn du zur eigentlichen Schlacht mit dem grimmigsten Gegner antrittst? Sei's drum, er selbst ist nichts und kann nichts; aber er kommt wohlgerüstet mit geübten und redegewaltigen Nebenanklägem. Das ist schon etwas, wenn auch nicht genug. Denn gerade der Hauptankläger muß mit allem reichlich versehen und wohlausgerüstet zur Stelle sein. Indes, ich sehe, daß L. Appuleius als erster Nebenankläger auftritt, ein Mann, der zwar nicht dem Alter nach, wohl aber wegen seines Mangels an gerichtlicher Erfährung und Übung ein Anfänger ist. Sodann bringt er, glaube ich, noch den Alienus mit, der wenigstens in Gerichtssachen bewandert ist; was er als Redner vermag, habe ich noch nie recht wahrgenommen ; immerhin bemerke ich, daß er im Schreien ganz hübsch ausdauernd und geübt ist. Auf den richten sich alle deine Hoffnungen; der wird, wenn man dich zum Ankläger bestellt, das ganze Verfahren durchfuhren. Doch nicht einmal er wird sich beim Reden so einsetzen, wie er könnte, sondern wird auf deinen Erfolg und Ruf Bedacht nehmen und mit seinem rednerischen Können ein wenig Zurückhaltung üben, damit man trotzdem denken kann, du seiest nicht völlig bedeutungslos. Wir sehen, was bei den griechischen Schauspielern üblich ist : wer die zweite oder dritte Rolle hat, hält sich oft stark
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IN Q. C A E C I L I U M
ORATIO
clarius dicere quam ipse primarum, multum submittere, ut ille princeps quam maxime excellât, sic faciet Alienus; tibi serviet, tibi lenocinabitur, minus aliquanto contendet quam potest. Iam hoc considerate, cuius modi accusatores in tanto iudicio simus habituri, cum et ipse Alienus ex ea facúltate, si quam habet, aliquantum detracturus sit, et Caecilius tum denique se aliquid futurum putet, si Alienus minus vehemens fuerit et sibi primas in dicendo partis concesserit. Q u a r t u m quem sit habiturus non video, nisi quem forte ex ilio grege moratorum, qui subscriptionem sibi postularunt cuicumque vos delationem dedissetis: ex quibus alienissimis hominibus ita paratus venis ut tibi hospes aliquis sit recipiendus. Q u i bus ego non sum tantum honorem habiturus ut ad ea quae dixerint certo loco aut singillatim uni cuique respondeam: sic breviter, quoniam non consulto sed casu in eorum mentionem incidi, quasi praeteriens satis faciam universis.
Tantane vobis inopia videor esse amicorum ut mihi non ex his quos mecum adduxerim, sed de populo subscriptor addatur? vobis autem tanta inopia reorum est ut mihi causam praeripere conemini potius quam aliquos ad columnam Maeniam vestri ordinis reos reperiatis? "Custodem", inquit, "Tullio me adponite." Q u i d ? mihi quam multis custodibus opus erit, si te semel ad meas capsas admisero? qui non solum ne quid enunties, sed etiam ne quid auferas custodiendus sis. Sed de isto
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mit seiner Stimme zurück, obwohl er erheblich lauter sprechen könnte als der erste Schauspieler, damit sich dieser, der Hauptdarsteller, möglichst deutlich heraushebt. Genauso wird sich auch Alienus verhalten: dir wird er dienen, dir ganz zu Willen sein; er wird sich also etwas weniger anstrengen, als er könnte. Erwägt jetzt, was für Ankläger wir in einem so wichtigen Verfahren haben werden: setzt doch selbst ein Alienus nicht sein ganzes Können ein, wenn er überhaupt welches hat, und glaubt Caecilius, nur dann etwas zu sein, wenn Alienus weniger kraftvoll auftritt und ihm beim Vortrag die Hauptrolle überläßt. Wen er als vierten nehmen könnte weiß ich nicht, höchstens einen aus der Schar der Lückenbüßer, die den Titel der Nebenanklage für sich fordern, ihr mögt die Hauptanklage übertragen, wem ihr wollt. Du erscheinst demnach so gut gerüstet, daß du von diesen wildfremden11 Leuten jemanden als Gast aufnehmen mußt. Ich aber werde ihnen nicht so viel Ehre antun, daß ich ihren Worten einen bestimmten Abschnitt widme oder jedem von ihnen einzeln Bescheid gebe; da ich sie nicht mit Vorbedacht, sondern nur zufällig erwähnt habe, will ich's kurz machen und sie gleichsam im Vorübergehen alle auf einmal abfertigen. Glaubt ihr mich so arm an Freunden, daß man mir nicht einen von denen, die ich mitgebracht habe, sondern jemanden aus dem großen Haufen als Nebenankläger beigeben muß? Ihr aber seid wohl so arm an Angeklagten, daß ihr mir eine Sache zu entreißen versucht, statt bei der manischen Säule ein paar Angeklagte eures Schlages ausfindig zu machen' 1 ? «Gebt mich», sagt einer, «dem Tullius als Aufpasser bei".» Wie ? Wie viele Aufpasser werde denn ich nötig haben, wenn ich dich einmal an meine Aktenbehälter heranlasse? Auf dich muß man ja nicht nur aufpassen, daß du nichts ausplauderst, sondern sogar, daß du nichts mitnimmst! Doch wegen der
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IN Q. C A E C I L I U M
ORATIO
custode toto sic vobis brevissime respondebo, non esse hos talis viros commissures ut ad causam tantam a me susceptam, mihi creditam, q u i s q u a m subscriptor
me
invito adspirare possit; etenim fides mea custodem répudiât, diligentia speculatorem reformidat.
Verum ut ad te, Caecili, redeam, q u a m multa te deficient vides: q u a m multa sint in te quae reus nocens in accusatore suo cupiat esse, profecto iam intellegis. Q u i d ad haec dici potest? non enim quaero quid tu dicturus sis; video mihi non te, sed hunc librum esse responsurum, q u e m monitor tuus hie tenet; qui si te recte monere volet, suadebit tibi ut hinc discedas ñeque mihi v e r b u m ullum respondeas. Q u i d enim dices? an id q u o d dictitas, iniuriam tibi fecisse Verrem? Arbitror; neque enim esset veri simile, cum o m n i b u s Siculis faceret iniurias, te illí u n u m eximium cui consuleret fuisse. Sed ceteri Siculi ultorem suarum iniuriarum invenerunt; tu d u m tuas iniurias per te, id q u o d non potes, persequi conaris, id agis ut ceterorum q u o q u e iniuriae sint impunitae atque inultae; et hoc te praeterit, non id solum spectari solere, qui debeat, sed etiam illud, qui possit ulcisci; in q u o u t r u m q u e sit, e u m superiorem esse, in q u o alterutrum, in eo non quid is velit, sed quid facere possit, quaeri solere. Q u o d si ei potissimum censes permitti oportere accusandi potestatem cui m a x i m a m C . Verres iniuriam fecerit, u t r u m
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ganzen Aufpasscrei will ich euch kurz und bündig nur das antworten: diese vortrefflichen Männer hier werden nicht zulassen, daß sich gegen meinen Willen irgendein Nebenankläger in eine so bedeutende Sache einmischt, die ich übernommen habe, die mir anvertraut ist; denn meine Pflichttreue weist einen Aufpasser zurück, meine Gewissenhaftigkeit kann einen Späher nicht dulden. Um nun aber auf dich zurückzukommen, Caccili us: du siehst ja, wieviel dir abgeht; wieviel du von dem besitzest, was ein schuldiger Angeklagter sich bei seinem Ankläger wünscht, begreifst du gewiß erst recht. Was läßt sich hierauf entgegnen? Ich frage nämlich nicht, was du zu entgegnen gedenkst; ich sehe ja, daß nicht du mir antworten wirst, sondern das Schriftstück da, das dein Einhelfer in der Hand hält; wenn der dir richtig helfen will, dann wird er dir raten, von hier zu verschwinden und mir kein Wort zu erwidern. Denn was wirst du sagen ? Etwa, was du immer wieder sagst, Verres habe dir Unrecht getan? Ich glaub's; es wäre ja unwahrscheinlich, daß er dich als Ausnahme behandelt und geschont hätte, während er sonst allen Siziliern Unrecht tat. Doch die übrigen Sizilier haben einen Rächer fur das ihnen zugefügte Unrecht gefunden; du aber suchst das dir zugefugte Unrecht aus eigener Kraft zu verfolgen, wozu du gar nicht imstande bist, und erreichst damit nur, daß auch das den anderen zugefugte Unrecht ungestraft und unvergolten bleibt. Außerdem übersiehst du, daß man nicht nur zu beachten pflegt, wer Vergeltung üben soll, sondern auch, wer sie üben kann, daß, wer beide Voraussetzungen erfüllt, den Vorzug verdient und daß man bei dem, der nur einer von ihnen gerecht wird, gewöhnlich nicht fragt, was er will, sondern was er zu erreichen vermag. Gesetzt, du glaubtest, man müsse vor allem dem die Befugnis zur Anklage erteilen, dem C.Venes das meiste Unrecht zugefügt hat: welcher
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IN Q. CA EC I LI U M O R A T I O
tandem censes hos iudices gravius ferre oportere, te ab ilio esse laesum, an provinciam Siciliam esse vexatam ac perditam? Opinor, concedes multo hoc et esse gravius et ab omnibus ferri gravius oportere. Concede igitur ut tibi anteponatur
in accusando provincia;
nam
provincia
accusat cum is agit causam quem sibi illa defensorem sui iuris, ultorem iniuriarum, actorem causae totius adoptavit.
At earn tibi C . Verres fecit iniuriam quae ceterorum quoque ánimos possit alieno incommodo commovere. Minime; nam id quoque ad rem pertinere arbitrer, qualis iniuria dicatur quae causa inimicitiarum proferatur. Cognoscite ex me; nam iste earn profecto, nisi plane nihil sapit, numquam proferet. Agonis quaedam est Lilybitana, liberta Veneris Erycinae, quae mulier ante hunc quaestorem copiosa plane et locuples fuit. Ab hac praefectus Antoni quidam symphoniacos servos abducebat per iniuriam, quibus se in classe uti velie dicebat. Tum illa, ut mos in Sicilia est omnium Veneriorum et eorum qui a Venere se liberaverunt, ut praefecto illi religionem Veneris nomine obiceret, dixit et se et sua Veneris esse. Ubi hoc quaestori Caecilio, viro optimo et homini aequissimo, nuntiatum est, vocari ad se Agonidem iubet; iudicium dat statim, Si PARET EAM SE ET SUA VENERIS ESSE DixissE. Iudicant recuperatores id quod necesse erat;
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Tatsache, meinst du, müssen die Richter größeres Gewicht beimessen: daß er dich beleidigt oder daß er die Provinz Sizilien schwer heimgesucht und zugrunde gerichtet hat? Ich denke, du gibst zu, daß dies viel schwerer wiegt und bei jedermann für schwerer gelten muß. Gib also auch zu, daß man bei der Anklage die Provinz deiner Person vorzieht; denn die Provinz ist Anklägerin, wenn der ihre Sache fuhrt, den sie sich auserkoren hat, ihr Recht zu verteidigen, die ihr zugefugte Unbill zu ahnden und während des ganzen Verfahrens für sie einzutreten. Aber C. Verres hat dir gewiß ein solches Unrecht zugefügt, das geeignet ist, auch auf andere Menschen, obwohl es sich um fremdes Leid handelt, Eindruck zu machen. Keineswegs; denn auch das, glaube ich, gehört zur Sache, von was für einem Unrecht hier die Rede ist und was als Grund für die Feindschaft hervorgekehrt wird. Erfahrt davon durch mich; denn er selbst wird darüber, wenn er nicht ein ausgemachter Dummkopf ist, gewiß niemals ein Wort verlauten lassen. In Lilybaeum lebt eine gewisse Agonis, eine Freigelassene aus dem Tempel der Venus ErycinaM; sie war, ehe Caecilius Quästor wurde, eine sehr begüterte und vermögende Frau. Der wollte ein SchifTskommandant des Antonius u widerrechtlich einige Musikersklaven wegnehmen, um sie, wie er sagte, auf der Flotte zu verwenden". Da erklärte die Frau, um bei dem Schifiskommandanten mit dem Namen der Venus Skrupel hervorzurufen, sie und ihre Habe gehörten der Venus (das ist in Sizilien allen Venussklaven sowie denen, die sich vom Dienst an der Göttin losgekauft haben, gestattet). Sobald das dem Quästor Caecilius, diesem vortrefflichen und durch und durch gerechten Manne, hinterbracht wird, läßt er die Agonis zu sich rufen und bestellt sogleich ein Gericht : ob erweislich sei, daß sie sich und ihre Habe als Eigentum der Venus ausgegeben habe". Die Richter urteilten, wie sie
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I N Q. C A E C I L I U M
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ñeque enim erat cuiquam dubium quin illa dixisset. Iste in possessionem bonorum mulieris intrat, ipsam Veneri in servitutem adiudicat; deinde bona vendit, pecuniam redigit. Ita dum pauca mancipia Veneris nomine Agonis ac religione retiñere vult, fortunas omnis libertatemque suam istius iniuria perdidit.
Lilybaeum Verres venit postea; rem cognoscit, factum improbat, cogit quaestorem suum pecuniam, quam ex Agonidis bonis redegisset, earn mulieri omnem adnumerare et reddere. Est adhuc, id quod vos omnis admirari video, non Verres, sed Q . Mucius. Q u i d enim facere potuit elegantius ad hominum existimationem, aequius ad levandam mulieris calamitatem, vehementius ad quaestoris libidinem coercendam? S u m m e haec omnia mihi videntur esse laudanda. Sed repente e vestigio ex homine tamquam aliquo Circaeo poculo factus est Verres; rediit ad se atque ad mores suos; nam ex illa pecunia magnam partem ad se vertit, mulieri reddidit quantulum visum est.
Hic tu si laesum te a Verre esse dicis, patiar et concedane; si iniuriam tibi factam quereris, defendam et negabo; denique de iniuria quae tibi facta sit neminem nostrum graviorem iudicem esse oportet quam te ipsum, cui facta dicitur. Si tu cum ilio postea in gratiam redisti, si domi illius aliquotiens fuisti, si ille apud te postea cenavit, utrum te perfidiosum an praevaricatorem exis-
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maßten; denn niemandem war zweifelhaft, daß sie diese Äußerung getan hatte. Caecilius nimmt das Vermögen der Frau in Besitz, sie selber spricht er der Venus als Sklavin zu; dann verkauft er ihre Habe und zieht den Erlös ein. So verlor Agonis, weil sie sich mit dem Namen und der Heiligkeit der Venus ein paar Sklaven erhalten wollte, durch die Ungerechtigkeit des Caecilius ihr gesamtes Vermögen und ihre Freiheit. Später kommt Verres nach Lilybaeum ; er untersucht die Sache, mißbilligt das Geschehene, zwingt seinen Quästor, das ganze Geld, das er aus dem Vermögen der Agonis erlöst hatte, an die Frau auszuzahlen und zurückzuerstatten. Bis hierhin ist er - ich sehe, wie ihr euch allesamt wundert - kein Verres, sondern ein Q^Muaus 1 ". Denn wie konnte er feiner vorgehen, sich einen guten Namen zu machen, wie gerechter, das Unglück der Frau zu lindern, wie tatkräftiger, gegen die Willkür seines Quästors einzuschreiten? Höchst lobenswert erscheint mir das alles. Aber plötzlich, mit einem Schlage, verwandelte er sich wie durch einen Zaubertrank der Circe aus einem Menschen in das Schwein Verres"; er kehrte zu sich und seiner Wesensart zurück. Denn von jenem Geld zweigte er einen beträchtlichen Teil in seine Tasche ab; der Frau gab er gerade das bißchen zurück, das ihm gutdünkte. Wenn du nun sagst, Verres habe dich gekränkt, so lasse ich's gelten und gestehe es zu; beklagst du dich aber, daß dir Unrecht geschehen sei, so wehre ich mich und sage nein. Schließlich sollte ja auch fur das dir zugefügte Unrecht niemand von uns ein strengerer Richter sein als du selbst, der es angeblich erlitten hat. Wenn du dich später mit ihm wieder ausgesöhnt hast, wenn du mehrere Male in seinem Hause gewesen bist, wenn er hernach bei dir gespeist hat, sollen wir dich dann lieber für einen treulosen Freund oder für einen betrügerischen Ankläger halten? Eines von beiden, sehe ich,
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timari mavis? Video esse necesse alterutrum, sed ego tecum in eo non pugnabo quo minus utrum velis eligas. Quodsi ne iniuriae quidem, quae tibi ab ilio facta sit, causa remanet, quid habes quod possis dicere quam ob rem non modo mihi, sed cuiquam anteponare? nisi forte illud, quod dicturum te esse audio, quaestorem illius fuisse. Q u a e causa gravis esset, si certares mecum uter nostrum illi amicior esse deberet: in contentione suscipiendarum inimicitiarum ridiculum est putare causam necessitudinis ad inferendum periculum iustam videri oportere. Etenim si plurimas a tuo praetore iniurias accepisses, tamen eas ferendo maiorem laudem quam ulciscendo mererere; cum vero nullum illius in vita rectius factum sit quam id quod tu iniuriam appellas, hi statuent hanc causam, quam ne in alio quidem probarent, in te iustam ad necessitudinem violandam videri? Q u i si summam iniuriam ab ilio accepisti, tamen, quoniam quaestor eius fuisti, non potes eum sine ulla vituperatione accusare; si vero non ulla tibi facta est iniuria, sine scelere eum accusare non potes. Q u a r e cum incertum sit de iniuria, quemquam horum esse putas qui non malit te sine vituperatione quam cum scelere discedere?
Ac vide quid différât inter meam opinionem ac tuam. Tu cum omnibus rebus inferior sis, hac una in re te mihi anteferri putas oportere, quod quaestor illius fueris: ego, si superior omnibus rebus esses, hanc unam ob eau-
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trifft notwendig zu; doch darüber will ich nicht mit dir streiten : wähle, was dir beliebt. Wenn dir nun nicht einmal der Grund bleibt, daß dir Unrecht von ihm geschehen sei, was hast du dann noch anzuführen, weshalb man dich nicht allein mir, sondern jedem anderen vorziehen solle? Doch nicht etwa, was du, wie ich höre, sagen willst: daß du sein Quästor gewesen bist! Das wäre ein gewichtiger Grund, wenn wir uns darum stritten, wer von uns beiden der bessere Freund von ihm sein müsse; in einem Streit um die Ausführung feindlicher Maßnahmen ist es lächerlich zu glauben, eine enge Bindung müsse als triftiger Grund angesehen werden, jemanden vor Gericht zu ziehen. Denn selbst wenn du zahlreiche Ungerechtigkeiten von deinem Prätor erduldet hättest, so verdientest du doch größeres Lob, wenn du sie ertrügest, als wenn du dich rächtest. Da Verres aber in seinem ganzen Leben nie etwas Besseres getan hat als das, was du Unrecht nennst 40 : sollen da die Richter befinden, der Grund, den sie auch bei einem anderen nicht anerkennen würden, müsse bei dir für ausreichend gelten, ein Treueverhältnis zu verletzen? Denn auch wenn du das größte Unrecht von ihm erlitten hast, kannst du ihn, weil du sein Quästor warst, doch nicht anklagen, ohne dich einigem Tadel auszusetzen; ist dir aber gar kein Unrecht geschehen, so kannst du ihn nicht anklagen, ohne damit ein Verbrechen zu begehen. Also, da wegen des Unrechts noch nichts ausgemacht ist: glaubst du, einer von den Anwesenden wünsche nicht, du sollest lieber ohne Tadel als mit einem Verbrechen belastet von hier abgehen ? Und sieh dir an, was meine Meinung von der deinen unterscheidet. Du bist mir zwar in jeder Beziehung unterlegen, glaubst jedoch, man müsse dich mir wegen der einen Tatsache vorziehen, daß du sein Quästor warst; ich dagegen würde, und wärest du mir auch in jeder anderen Beziehung
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IN Q. C A E C I L I U M
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sam te accusatorem repudian putarem oportere. Sic enim a maioribus nostris accepimus, praetorem quaestori suo parentis loco esse oportere; nullam ñeque iustiorem ñeque graviorem causam necessitudinis posse reperiri quam coniunctionem sortis, quam provinciae, quam offici, quam publici muneris societatem. Q u a m ob rem si iure posses eum accusare, tarnen, cum is tibi parentis numero fuisset, id pie facere non posses; cum vero ñeque iniuriam acceperis et praetori tuo periculum crees, fatearis necesse est te il li iniustum impiumque bellum inferre conari. Etenim ista quaestura ad eam rem valet, ut elaborandum tibi in ratione reddenda sit quam ob rem qui quaestor eius fueris accuses, non ut ob eam ipsam causam postulandum sit ut tibi potissimum accusatio detur. Neque fere umquam venit in contentionem de accusando qui quaestor fuisset, quin repudiaretur.
Itaque neque L. Philoni in C. Servilium nominis deferendi potestas est data, neque M . Aurelio Scauro in L. Flaccum, neque Cn. Pompeio in T. Albucium; quorum nemo propter indignitatem repudiatus est, sed ne libido violandae necessitudinis auctoritate iudicum comprobaretur. Atque ille Cn. Pompeius ita cum C. Iulio contendit, ut tu mecum; quaestor enim Albuci fuerat, ut tu Verris; Iulius hoc secum auctoritatis ad accusandum adferebat quod, ut hoc tempore nos ab Siculis, sic tum ille ab Sardis rogatus ad causam accesserat. Semper haec causa plurimum valuit, semper haec ratio accusandi fuit honestissima, pro sociis, pro salute pro-
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überlegen, gerade wegen dieser Tatsache meinen, daß man dich als Ankläger abweisen muß. Denn so haben wir es von unseren Vorfahren vernommen: der Prätor müsse seinem Quästor als Vater gelten; es gebe keinen gerechteren und triftigeren Grund für ein enges Verhältnis als die durch das Los begründete Verbindung41, als die Gemeinsamkeit der Pro vi nzial Verwaltung, des Dienstes, des öffentlichen Amtes. Selbst wenn du ihn also zu Recht anklagen könntest 41 , so könntest du es doch nicht tun, ohne deine Kindespflicht zu verletzen, da er Vatersstelle bei dir vertrat. Da du aber, ohne ein Unrecht erlitten zu haben, deinen Prätor in Gefahr bringen willst, gestehst du notwendigerweise deine Absicht, einen ungerechten und gottlosen Krieg gegen ihn zu fuhren. Denn diese Quästur hat nur die Folge, daß du dich sehr anstrengen mußt zu begründen, weshalb du ihn anklagst, obwohl du doch sein Quästor warst; sie gibt dir keinen Anlaß, gerade deswegen die bevorzugte Zuweisung der Anklage zu fordern. Auch hat es beinahe noch nie einen Streit über eine Anklage gegeben, bei dem man den einstigen Quästor nicht abgewiesen hätte. So wurde weder dem L. Philo die Anklagebefugnis gegen C.Servilius zugebilligt noch dem M.Aurelius Scaurus gegen L.Flaccus noch dem Cn. Pompei us gegen T. Albudus 4 '. Von denen hat man keinen wegen Unwiirdigkeit abgewiesen; vielmehr sollte die Neigung, ein enges Pflichtverhältnis zu verletzen, nicht noch durch das Ansehen der Richter gutgeheißen werden. Und Cn. Pompei us kämpfte auf die gleiche Weise mit C.Iulius wie du mit mir. Er war nämlich Quästor des Albucius gewesen wie du der des Verres. Iulius aber brachte als Hauptgrund für sein Recht zur Anklage vor, daß ihn damals die Sarden, wie jetzt mich die Sizilier, gebeten hatten, die Sache zu übernehmen. Schon immer hatte der Anlaß das meiste Gewicht, schon immer war der Gesichtspunkt einer Anklage der ehrenhafteste, wenn man für die Bundesgenossen,
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IN Q. CAECILIUM ORATIO
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vinciae, pro exterarum nationum commodis inimicitias suscipere, ad periculum
accedere, operarti,
Studium,
laborem interponere. Etenim si probabilis est eorum causa qui iniurias suas
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persequi volunt (qua in re dolori suo, non rei publicae commodis serviunt), quanto illa honestior causa est, quae non solum probabilis videri sed edam grata esse debet, nulla privatim accepta iniuria sociorum atque amicorum populi Romani dolore atque iniuriis commoveri! Nuper cum in P. Gabinium vir fortissimus et innocentissimus L. Piso delationem nominis postularet, et contra Q . Caecilius peteret isque se veteres inimicitias iam diu susceptas persequi diceret, cum auctoritas et dignitas Pisonis valebat plurimum, tum illa erat causa iustissima, quod eum sibi Achaei patronum adoptarant. Etenim cum lex ipsa de pecuniis repetundis sociorum atque amicorum populi Romani patrona sit, iniquum est non eum legis iudicique actorem idoneum maxime putari quem actorem causae suae socii defensoremque fortunarum suarum potissimum esse voluerunt. An quod ad c o m m e m o r a n dum est honestius, id ad probandum non multo videri debet aequius? Utra igitur est splendidior, utra inlustrior commemoratio, "Accusavi eum cui quaestor fueram, quicum
me sors consuetudoque
maiorum, quicum
me
deorum hominumque iudicium coniunxerat", an "Accusavi rogatu sociorum atque amicorum, delectus sum ab universa provincia qui eius iura fortunasque defende-
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CAECILIUS
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für das Wohl der Provinz, für das Gedeihen der auswärtigen Völker Feindschaften hinnahm, sich in Gefahr begab, Mühe, Fleiß und Arbeit aufwandte. Wenn also schon die Sache derer auf Verständnis rechnen darf, die erlittene Kränkungen ahnden wollen (hierbei dienen sie nur ihrem eigenen Schmerz, nicht dem Wohl des Staates): um wieviel ehrenhafter ist dann die Sache, die man nicht nur fur beifallswert halten, sondern auch mit Dank belohnen muß: wenn man sich, ohne selbst Unrecht erlitten zu haben, von dem Schmerz und den Mißhandlungen der Bündner und Freunde des römischen Volkes beeindrucken läßt! Kürzlich verlangte der ebenso tüchtige wie lautere L.Piso die Klagführung gegen P. Gabini us, und auf der anderen Seite bewarb sich QiCaecilius, indem er behauptete, er lasse sich von einer alten, schon lange bestehenden Feindschaft leiten 44 ; da hatten gewiß das Ansehen und der Rang des Piso beträchtlichen Einfluß; vor allem aber fiel der Grund ins Gewicht, daß ihn die Achäer zu ihrem Sachwalter ausersehen hatten. Denn schon das Erpressungsgesetz selbst ist ein Schutzherr der Bündner und Freunde des römischen Volkes; da wäre es unbillig, nicht den für den tauglichsten Anwalt vor dem Gesetz und dem Gerichtshof anzusehen, den die Bündner vorzugsweise zum Anwalt ihrer Sache und Verteidiger ihrer Vermögensrechte bestimmt haben. Muß nicht, was schon ehrenhafter ist, wenn man es nur mitteilt, als weitaus triftiger erscheinen, wenn man es zum Beweise vorbringt? Welche Mitteilung ist denn glanzvoller, welche rühmlicher: «Ich habe den angeklagt, dessen Quästor ich war, mit dem mich das Los und der Brauch der Vorfahren, mit dem mich die Entscheidung der Götter und Menschen verbunden hatte 45 », oder: «Ich habe auf Bitten der Bündner und Freunde Anklage erhoben; ich bin von der ganzen Provinz erwählt, ihre Rechte und Güter zu verteidigen»? Kann jemand
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IN Q. C A E C I L I U M
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rem"? Dubitare quisquam
ORATIO
potest quin honestius sit
eorum causa apud quos quaestor fueris, quam eum cuius quaestor fueris accusare? Clarissimi viri nostrae civitatis temporibus optimis hoc
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sibi amplissimum pulcherrimumque ducebant, ab hospitibus clientibusque suis, ab exteris nationibus, quae in amicitiam populi Romani dicionemque essent, iniurias propulsare eorumque fortunas defendere. M . Catonem ilium Sapientem, clarissimum virum et prudentissimum, cum multis gravis inimicitias gessisse accepimus propter Hispanorum, apud quos consul fuerat, iniurias. Nuper
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C n . Domitium scimus M . Silano diem dixisse propter unius hominis Aegritomari, paterni amici atque hospitis, iniurias.
Ñeque enim magis ánimos hominum nocentium res umquam ulla commovit quam haec maiorum consuetudo longo intervallo repetita ac relata, sociorum querimoniae delatae ad hominem non inertissimum, susceptae ab eo qui videbatur eorum fortunas fide diligentiaque sua posse defendere. Hoc timent homines, hoc laborant, hoc instituí atque adeo institutum referri ac renovari moleste ferunt; putant fore ut, si paulatim haec consuetudo serpere ac prodire coeperit, per homines honestissimos virosque fortissimos, non imperitos adulescentulos aut illius modi quadruplatores leges iudiciaque
adminis-
trentur.
Cuius consuetudinis atque instituti patres maioresque
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nostras non paenitebat tum cum P. Lentulus, is qui prin-
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GEGEN
CAECILIUS
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zweifeln, daß es mehr Ehre einbringt, für die Anklage zu erheben, bei denen man Quästor war, als gegen den, dessen Quästor man war? Die erlauchtesten Männer unseres Staatswesens haben sich in dessen Blütezeiten tines zur höchsten und schönsten Ehre angerechnet: ihre Gastfreunde und Schutzbefohlenen, ebenso die auswärtigen Völkerschaften, die Freunde und Untertanen des römischen Volkes waren, vor Unrecht zu schützen und für deren Eigentum einzutreten. Der hochberühmte, überaus einsichtsvolle M.Cato, den man den Weisen nennt, trug bekanntlich mit vielen Zeitgenossen schwere Händel aus, weil sie den Spaniern, bei denen er Konsul gewesen war, Unrecht zugefugt hatten. Wie wir wissen, hat vor einiger Zeit Cn. Domi ti us den M.Silanus wegen der Kränkungen vor Gericht geladen, die einem einzigen Manne, dem Aegritomarus, einem vom Vater überkommenen Freunde und Gast, angetan worden waren 44 . Denn nichts hat die Seelenruhe von Missetätern empfindlicher gestört als dieser nach langer Zeit erneuerte und wiederhergestellte Brauch der Vorfahren: daß man die Klagen der Bündner einem durchaus nicht unfähigen Manne überträgt, daß sie jemand auf sich nimmt, der offenbar imstande ist, fur deren Vermögensrechte zuverlässig und gewissenhaft einzutreten. Hiervor furchten sich die Leute, hierüber sorgen sie sich, hiervon sind sie betroffen : daß dieser Brauch aufkommt oder vielmehr erneuert und wieder hervorgeholt wird; wenn er allmählich beginne, Fortschritte zu machen und sich auszubreiten, so würden, meinen sie, überaus ehrenhafte und tüchtige Männer, nicht mehr unerfahrene Jüngelchen oder diese Sorte gewerbsmäßiger Ankläger die Gesetze und Gerichte handhaben. Mit dieser Sitte und Einrichtung waren unsere Väter und Vorväter damals durchaus nicht unzufrieden, als P. Lentulus,
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IN Q. CA EC I LI U M ORATIO
ceps senatus fuit, accusabat M'. Aquilium subscriptore C . Rutilio Rufo, aut cum P. Africanus, h o m o virtute, fortuna, gloria, rebus gestis amplissimus, posteaquam bis consul et censor fuerat, L. Cottam in iudicium vocabat. lure turn florebat populi Romani nomen, iure auctoritas huius imperi civitatisque maiestas gravis habebatur. N e m o mirabatur in Africano ilio, quod in me nunc, homine parvis opibus ac facultatibus praedito, simulant sese mirari, c u m moleste ferunt: "Quid sibi iste vult? accusatoremne se existiman, qui antea defendere consuerat, nunc praesertim, ea i am aetate, cum aedilitatem petat?" Ego vero et aetatis non modo meae sed multo etiam superioris, et honoris amplissimi puto esse et accusare improbos et miseros calamitososque defendere. Et prefecto aut hoc remedium est aegrotae ac prope desperatae rei publicae iudiciisque corruptis et contaminatis paucorum vitio ac turpitudine, homines ad legum defensionem iudiciorumque auctoritatem quam honestissimos et integerrimos diligentissimosque accedere; aut, si ne hoc quidem prodesse poterit, prefecto nulla u m q u a m medicina his tot incommodis reperietur. Nulla salus rei publicae maior est quam eos qui alterum accusant non minus de laude, de honore, de fama sua quam illos qui accusantur de capite ac fortunis suis pertimescere. Itaque semper ii diligentissime laboriosissimeque accusarunt qui se ipsos in discrimen existimationis venire arbitrati sunt.
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GEGEN CA EC I LI U S
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der erste Mann im Senate, den M'.Aquilius anklagte, wobei C. Rutilius Rufus ihn unterstützte, oder als P. Africanus, ein durch Tüchtigkeit, Glück, Ruhm und Leistungen gleich hervorragender Mann, nach zweimaliger Verwaltung des Konsulamtes und nach seiner Zensur den L.Cotta vor Gericht zog 47 . Z u Recht stand damals der Name des römischen Volkes in Blüte; zu Recht begegnete man dem Ansehen unseres Reiches und der Hoheit unseres Staates mit großer Achtung. Niemanden befremdete bei Africanus, was sie jetzt bei mir, einem ziemlich einflußlosen und unbegabten Manne, für befremdlich zu halten vorgeben, weil sie sich darüber ärgern : «Was fällt denn dem ein ? Soll man ihn als Ankläger gelten lassen, der doch bislang nur den Verteidiger zu machen pflegte, und das erst jetzt, in diesem Alter, da er sich bereits um das Amt des Ädilen bewirbt 4 1 ?» Ich aber glaube, daß es nicht nur meinem, sondern auch einem weit fortgeschritteneren Alter und selbst der höchsten Rangstufe zukommt, die Skrupellosen anzuklagen und für die Bedrückten und vom Unglück Verfolgten einzutreten. Und wahrhaftig, entweder ist dies das Heilmittel fiir unseren kranken und fast schon hoffnungslosen Staat sowie für unser Gerichtswesen, das die Schuld und Schändlichkeit weniger verhunzt und verdorben hat: daß sich die ehrenhaftesten, lautersten und gewissenhaftesten Männer herbeilassen, die Gesetze zu verteidigen und die Gerichtsbarkeit würdig zu handhaben - oder es wird sich, wenn auch dies nichts zu nützen vermag, überhaupt keine Abhilfe mehr für alle diese Mißstände finden. Es ist das Heilsamste für den Staat, wenn die Männer, die einen anderen anklagen, fiir ihren R u h m , ihre Ehre, ihren Ruf nicht weniger besorgt sind als die Angeklagten für ihr Leben und ihr Vermögen. Daher haben stets die mit größter Gewissenhaftigkeit und Ausdauer Anklage geführt, die da glaubten, daß ihr eigener Ruf auf dem Spiele stehe.
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IN Q. C A E C I L I U M
ORATIO
Q u a m ob rem hoc statuere, iudices, debetis, Q . Caecilium, de quo nulla umquam opinio fuerit nullaque in hoc ipso iudicio exspectatio futura sit, qui neque ut ante collectam famam conservet neque uti reliqui temporis spem confirmet laborat, non nimis hanc causam severe, non nimis accurate, non nimis diligenter acturum. Habet enim nihil quod in offensione deperdat; ut turpissime flagitiosissimeque discedat, nihil de suis veteribus ornamentis requiret. A nobis multos obsides habet populus
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Romanus, quos ut incolumis conservare, tueri, confirmare ac recuperare possimus, omni ratione erit dimicandum. Habet honorem quem petimus, habet spem quam propositam nobis habemus, habet existimationem multo sudore labore vigiliisque collectam, ut, si in hac causa nostrum officium ac diligentiam probaverimus, haec quae dixi retiñere per populum Romanum incolumia ac salva possimus; si tantulum offensum titubatumque sit, ut ea quae singillatim ac diu collecta sunt uno tempore universa perdamus. Quapropter, iudices, vestrum est
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deligere quem existimetis facillime posse magnitudinem causae ac iudici sustinere fide, diligentia, Consilio, auctoritate. Vos si mihi Q . Caecilium anteposueritis, ego me dignitate superatum non arbitrabor: populus Romanus ne tam honestam, tam severam diligentemque accusationem neque vobis placuisse neque ordini vestro piacere arbitretur, providete.
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GEGEN
CAECILIUS
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Ihr dürft daher überzeugt sein, ihr Richter: man hat von Q¿Caecilius noch nie eine besondere Meinung gehabt, und auch in diesem Verfahren braucht man nichts von ihm zu erwarten ; er ist weder bestrebt, einen früher erworbenen Ruf zu erhalten, noch, seine Aussichten fìir die Zukunft zu verbessern; da wird er diese Sache nicht gar zu streng, nicht gar zu genau, nicht gar zu gewissenhaft fuhren. Denn er hat, selbst wenn er einen Skandal erregt, nichts zu verlieren; er mag mit Schimpf und Schande bedeckt von dannen ziehen und wird doch nichts von seinem früheren Glänze einbüßen. Von mir aber besitzt das römische Volk viele Pfander, und ich muß auf jede Weise darum kämpfen, daß ich sie unversehrt erhalte, sie schütze, bestätige und wiedergewinne; es besitzt das ehrenvolle Amt, um das ich mich bewerbe; es besitzt das Ziel, das mir vorschwebt; es besitzt den Namen, den ich mir mit viel Schweiß und Arbeit und in vielen durchwachten Nächten erworben habe. Wenn sich nun in dieser Sache mein Pflichteifer und meine Gewissenhaftigkeit bewähren, so kann ich mir all das, was ich erwähnt habe, beim römischen Volke heil und unversehrt erhalten; doch wenn ich nur ein wenig anstoße und ins Wanken gerate, dann büße ich, was ich einzeln und in langer Zeit zusammengetragen habe, insgesamt mit einem Schlage ein. Es ist daher eure Pflicht, ihr Richter, den Mann zu bestimmen, von dem ihr annehmen dürft, daß er der Bedeutimg dieses Falles und Verfahrens durch Zuverlässigkeit, Umsicht, Klugheit und Ansehen am ehesten gerecht zu werden vermöge. Wenn ihr mir den Q¿Caeálius vorziehen solltet, dann werde ich nicht glauben, daß mich Würdigkeit Uberwunden habe - daß das römische Volk nicht glaubt, eine so redliche, so strenge und gewissenhafte Anklage habe euch mißfallen und mißfälle eurem Stande, davor müßt ihr auf der Hut sein.
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IN C. V E R R E M A C T I O
PRIMA
Q u o d erat optandum maxime, ¡udices, et quod u n u m ad invidiam vestri ordinis infamiamque iudiciorum sedandam maxime pertinebat, id non h u m a n o Consilio sed prope divinitus datum atque oblatum vobis s u m m o rei publicae tempore videtur. Inveteravit enim iam opinio perniciosa rei publicae vobisque periculosa, quae non modo apud nos sed apud exteras nationes o m n i u m sermone percrebruit, his iudiciis quae n u n c sunt pecuniosum hominem, quamvis sit nocens, neminem posse damnari. N u n c in ipso discrimine ordinis iudiciorumque vestrorum, cum sint parati qui contionibus et legibus hanc invidiam senatus infiammare conentur, reus in iudicium adductus est C. Verres, h o m o vita atque factis o m nium iam opinione damnatus, pecuniae magnitudine sua spe et praedicatione absolutus.
Huic ego causae, iudices, cum summa volúntate et exspectatione populi Romani actor accessi, non ut augerem invidiam ordinis, sed ut infamiae c o m m u n i succurrerem. Adduxi enim hominem in q u o reconciliare existimationem iudiciorum amissam, redire in gratiam cum populo Romano, satis facere exteris nationibus possetis, depeculatorem aerari, vexatorem Asiae atque Pamphyliae, praedonem iuris urbani, labem atque perniciem provinciae Siciliae. De quo si vos severe ac religiose iudicaveritis, auctoritas ea quae in vobis remanere debet haerebit; sin
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E R S T E R E D E G E G E N C. V E R R E S Nicht menschliches Planen, sondern geradezu gottliche Fügung scheint euch jetzt, da es höchste Zeit für den Staat ist, gewährt und dargeboten zu haben, ihr Richter, was man sich am meisten wünschen mußte und was allein in höchstem Maße geeignet war, den Unwillen über euren Stand und den üblen Ruf der Gerichte zu mildern. Denn schon hatte sich die für den Staat verderbliche und für euch gefährliche Meinung eingenistet und sich bei uns und bei den auswärtigen Völkerschaften" in aller Mund verbreitet, von den Gerichten, wie sie jetzt sind, könne kein reicher Mann verurteilt werden, und sei er auch noch so schuldig. Jetzt, im kritischen Augenblick für euren Stand und eure Gerichtsbarkeit, da Leute bereitstehen und versuchen, durch Volksversammlungen und Gesetzesanträge den Haß gegen den Senat zu schüren*, wird als Angeklagter C. Verres vor Gericht gestellt, ein Mann, seines Lebens und Treibens wegen bereits in aller Augen verurteilt, doch durch sein vieles Geld, wie er selber hofTt und prahlt, schon freigesprochen. Ich aber, ihr Richter, habe diese Sache unter lebhafter Billigung und Erwartung des römischen Volkes als Ankläger übernommen, nicht um den Unwillen über den Senatorenstand zu steigern, sondern um der allgemeinen Schmach zu steuern. Denn ich habe einen Menschen zur Verantwortung gezogen, bei dem ihr die verlorene Ehre der Gerichte zurückgewinnen, euch mit dem römischen Volk wieder aussöhnen und den auswärtigen Nationen Genugtuung verschaffen könnt: den Plünderer der Staatskasse, den Peiniger Asiens und Pamphyliens, den Ausbeuter der städtischen Gerichtsbarkeit, das Unheil und Verderben der Provinz Sizilien'. Wenn ihr über diesen Mann streng und gewissenhaft urteilt, dann wird das Ansehen, das euch bleiben muß, von Dauer
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IN C . V E R R E M
ACTIO
PRIMA
istius ingentes divitiae iudiciorum religionem veritatemque perfregerint, ego hoc tamen adsequar, ut iudicium potius rei publicae q u a m aut reus iudicibus aut accusator reo defuisse videatur. E q u i d e m ut de me confitear, iudices, cum multae mihi a C . Verre insidiae terra marique factae sint, quas partim mea diligentia devitarim, partim amicorum studio officioque reppulerim, n u m q u a m tamen neque tantum periculum mihi adire visus s u m neque tanto opere pertimui ut nunc in ipso iudicio. N e q u e tantum me exspectatio accusationis
meae concursusque tantae
4
multitudinis,
quibus ego rebus vehementissime perturbor, c o m m o v e t q u a n t u m istius insidiae nefariae, quas uno tempore mihi, vobis, M ' . Glabrioni, populo R o m a n o , sociis, exteris nationibus, ordini, nomini denique senatorio facere conatur; qui ita dictitat, iis esse m e t u e n d u m qui q u o d ipsis solis satis esset surripuissent, se tantum eripuisse ut id multis satis esse possit; nihil esse tarn sanctum q u o d non violari, nihil tam munitum q u o d non expugnari pecunia possit.
Q u o d s i q u a m audax est ad c o n a n d u m tam esset o b -
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scurus in agendo, fortasse aliqua in re nos aliquando fefellisset; verum hoc adhuc p e r c o m m o d e cadit, q u o d c u m incredibili eius audacia singularis stultitia coniuncta est; nam ut apertus in corripiendis pecuniis fuit, sic in spe corrumpendi iudici perspicua sua Consilia c o n a t u s q u e o m n i b u s fecit. Semel ait se in vita pertimuisse -
tum
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ERSTE
REDE
GEGEN
C. VERRES
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sein; wenn jedoch sein ungeheurer Reichtum die richterliche Gewissenhaftigkeit und Wahrheitsliebe zu Fall bringen sollte, dann werde ich wenigstens zeigen können, daß eher dem Staat ein wirklicher Gerichtshof als den Richtern ein Angeklagter oder dem Angeklagten ein Ankläger gefehlt hat. Was mich betrifft, so muß ich gestehen, ihr Richter: C. Verres hat mir zwar zu Lande und zur See zahlreiche Anschläge bereitet, die ich teils durch meine Vorsicht vereiteln, teils durch den Eifer und die Hilfsbereitschaft meiner Freunde zunichte machen konnte 4 ; dennoch sah ich mich niemals einer so großen Gefahr gegenüber, und niemals habe ich so viel Bangigkeit empfunden wie gerade jetzt in dieser Verhandlung. Dabei ist es nicht so sehr die allgemeine Erwartung hinsichtlich meiner Anklage und das Zusammenströmen einer so großen Volksmenge, was mich besorgt macht (obwohl mir auch das in höchstem Maße zusetzt) - vielmehr sind es die verbrecherischen Anschläge, die Verres zu gleicher Zeit mir, euch und dem M'.Glabrio, dem römischen Volk, den Bündnern und den auswärtigen Nationen schließlich dem Stand und Namen der Senatoren zu bereiten sucht; er äußert immer wieder, nur wer nicht mehr zusammengerafft habe, als allein für ihn selbst genug sei, müsse sich fürchten; er aber habe so viel geraubt, daß es wohl für viele ausreiche; nichts sei so heilig, was Geld nicht zu entweihen, nichts so fest verschanzt, was es nicht zu erobern vermöge. Wäre er ebenso verschmitzt in der Ausführung wie frech im Wagen, so hätte er uns vielleicht bei irgendeiner Gelegenheit hinters Licht gefuhrt. Indes, es trifft sich äußerst günstig, daß sich mit seiner unglaublichen Frechheit eine einzigartig: Dummheit verbindet. Denn ebenso offen, wie er beim Raub der Gelder vorging, hat er auch, in der Hoffnung, das Gericht zu bestechen, alle Welt seine Pläne und Anschläge erkennen lassen. Einmal in seinem Leben, sagt er, habe er sich sehr ge-
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IN
C.VERREM
ACTIO
PRIMA
cum primum a me reus factus sit; quod, c u m e provincia recens esset, invidiaque et infamia non recenti sed vetere ac diuturna flagraret, tum ad iudicium c o r r u m p e n d u m tempus alienum offenderet. Itaque cum ego diem inquirendi in Siciliam perexiguam postulavissem, invenir iste qui sibi in Achaiam biduo breviorem diem postulare!; non ut is idem conficeret diligentia et industria sua quod ego m e o labore et vigiliis consecutus sum - etenim ille Achaicus inquisitor ne Brundisium quidem pervenit, ego Siciliam totam quinquaginta diebus sic obii ut o m n i u m populorum privatorumque litteras iniuriasque cognoscerem; ut perspicuum cuivis esse posset h o m i n e m ab isto quaesitum esse non qui reum suum adduceret, sed qui meum tempus obsideret.
N u n c h o m o audacissimus atque amentissimus h o c
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cogitat. Intellegit me ita paratum atque i n s t r u c t u m in iudicium venire ut non m o d o in auribus vestris, sed in oculis o m n i u m sua furta atque flagitia defixurus sim; videt senatores multos esse testis audaciae suae, videt multos équités R o m a n o s , frequentis praeterea civis atque socios, quibus ipse insignis iniurias fecerit, videt etiam tot tam gravis ab amicissimis civitatibus legationes c u m publicis auctoritatibus convenisse. Q u a e c u m ita sint,
H
usque eo de o m n i b u s bonis male existimat, usque e o senatoria iudicia perdita profligataque esse arbitratur, ut h o c palam dictitet, non sine causa se c u p i d u m pecuniae fuisse, quoniam in pecunia tantum praesidium experiatur esse; sese, id quod difficillimum fuerit, tempus ipsum
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ERSTE
REDE
GEGEN
C. VERRES
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fürchtet: damals, als ich Anklage gegen ihn erhoben hätte; da sei er frisch aus der Provinz zurückgekehrt, doch der Haß und die Schande, die ihn bedrängten, seien nicht frisch, sondern alt und von langer Hand gewesen; so habe er eine unpassende Zeit angetroffen, das Gericht zu bestechen. Als ich daher eine sehr kurze Frist für meine Ermittlungen in Sizilien beantragt hatte, wußte er jemanden ausfindig zu machen, der für Achaia zwei Tage weniger forderte 4 - nicht, damit er durch Sorgfalt und Fleiß ebensoviel ausrichte, wie ich unter Mühen und schlaflosen Nächten zustandegebracht habe (dieser achäische Ermittler gelangte ja nicht einmal bis Brundisium 7 ; ich dagegen bin fünfzig Tage lang in ganz Sizilien so ausgiebig umhergereist, daß ich von allen Schriftstücken Kenntnis erhielt, die das an Gemeinden und Privatpersonen begangene Unrecht beweisen); vielmehr konnte jedermann klar erkennen, daß der von Verres hervorgeholte Mensch nicht seinen Angeklagten vor Gericht stellen, sondern meinem Termin in die Quere kommen sollte. Nun glaubt dieser tolldreiste und völlig wahnwitzige Bursche folgendes. Er bemerkt, daß ich so gut vorbereitet und gerüstet vor Gericht erscheine, daß ich seine Diebereien und Schandtaten nicht nur euren Ohren einprägen, sondern vor aller Augen stellen werde; er sieht viele Senatoren, sieht viele römische Ritter als Zeugen seiner Dreistigkeit und außerdem zahlreiche Bürger und Bundesgenossen, denen kein anderer als er schweres Unrecht zugefügt hat; er sieht ferner, daß sich hier so viele und so gewichtige Abgesandte eng befreundeter Staaten mit öffentlicher Vollmacht eingefunden haben. Trotzdem aber denkt er so schlecht von allen Rechtschaffenen, hält er die senatorischen Gerichtshöfe für so verkommen und verderbt, daß er immer wieder öffentlich erklärt, nicht ohne Grund sei er auf Geld versessen gewesen; zeige ihm doch die Erfahrung, welch mächtiger Schutz im Gelde liege. Er habe
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I N C. V E R R E M A C T I O
PRIMA
emisse iudici sui, q u o cerera facilius emere p o s t e a posset; ut, q u o n i a m c r i m i n u m v i m s u b t e r f u g e r e nullo
modo
poterat, procellam t e m p o r i s devitaret. Q u o d s i n o n m o d o
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in causa, v e r u m in a l i q u o h o n e s t o praesidio aut in alicuius eloquentia aut gratia s p e m a l i q u a m conlocasset, p r o f e c t o n o n haec o m n i a colligeret a t q u e a u c u p a r e t u r ; n o n u s q u e eo despiceret c o n t e m n e r e t q u e o r d i n e m senat o r i u m ut arbitratu eius deligeretur ex senatu qui reus fìeret, qui, d u m hic q u a e o p u s essent c o m p a r a r e t , c a u s a m interea ante e u m diceret.
Q u i b u s ego rebus q u i d iste speret et q u o a n i m u m in-
IO
tendat facile perspicio; q u a m o b rem vero se c o n f ì d a t aliq u i d proficere posse hoc praetore et h o c Consilio intellegere n o n p o s s u m . U n u m illud intellego, q u o d p o p u l u s R o m a n u s in reiectione i u d i c u m iudicavit, ea s p e istum fuisse p r a e d i t u m ut o m n e m rationem salutis in pecunia constitueret, h o c erepto p r a e s i d i o ut nullam sibi rem adi u m e n t o fore arbitraretur. E t e n i m q u o d est i n g e n i u m t a n t u m , q u a e tanta facultas dicendi aut copia, q u a e istius vitam tot vitiis flagitiisq u e c o n v i c t a m , iam p r i d e m o m n i u m volúntate iudicioq u e d a m n a t a m , aliqua ex parte possit defendere? C u i u s ut
adulescentiae
maculas
ignominiasque
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praeteream,
q u a e s t u r a , p r i m u s g r a d u s h o n o r i s , q u i d aliud habet in se nisi C n . C a r b o n e m s p o l i a t u m a q u a e s t o r e s u o p e c u n i a p u b l i c a , n u d a t u m et p r o d i t u m c o n s u l e m , d e s e r t u m exerc i t u m , relictam p r o v i n c i a m , sortis n e c e s s i t u d i n e m reli-
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E R S T E REDE G E G E N C. VERRES
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sogar - was äußerst schwierig gewesen sei - den Termin seiner Verhandlung gekauft*, um später desto leichter alles andere kaufen zu können ; er wollte, wenn er schon der Wucht der Schuldvorwürfe auf keine Weise ausweichen konnte, wenigstens die Aufwallung des ersten Augenblicks vermeiden. Wenn er, ich will nicht sagen auf seine Sache, sondern auf irgendeinen ehrenhaften Beistand oder auf jemandes Beredsamkeit oder Gunst einige Hoffnung gegründet hätte, wahrhaftig, er liefe und jagte nicht all diesen Machenschaften nach; er würde den Senatorenstand nicht derart geringschätzen und verachten, daß nach seinem Gutdünken ein Mitglied des Senates ausersehen wurde, den Angeklagten zu spielen und sich, bis er selbst alles Nötige zusammenbrächte, unterdessen vor ihm dem Gericht zu stellen. Was er sich hiervon erhofft und wohin seine Absicht zielt, durchschaue ich leicht; weshalb er jedoch glaubt, vor diesem Prätor und diesem Richterrate etwas auszurichten, das vermag ich nicht einzusehen. Ich sehe nur so viel (was auch das römische Volk bei der Ablehnung der Richter bekundet hat9), daß er der Hoffnung frönte, jede Art der Rettung auf das Geld setzen zu können, und daß er glaubte, keinerlei Hilfe mehr zu haben, wenn ihm dieser Schutz entrissen sei. Denn wo fände sich ein so großes Talent, wo eine solche Gewandtheit und Fülle des Vortrags, das Leben dieses Mannes, das derart mit Lastern und Missetaten beladen, das schon längst durch aller Wunsch und Urteil verdammt ist, in irgendeinem Punkte zu rechtfertigen? Um die Schande und Schmach seiner Jugendzeit beiseite zu lassen: was trug sich in seiner Quästur, der ersten Ämterstufe, anderes zu, als daß Cn. Carbo von seinem eigenen Quästor der öffentlichen Mittel beraubt, daß der Konsul ausgeplündert und verraten, das Heer im Stich gelassen, die Provinz ihrem Schicksal preisgegeben und die heilige, durch das Los begründete Bindung mit
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7o
IN
C. V E R R E M A C T I O
PRIMA
gionemque violatam? cuius legatio exitium fuit Asiae totius et Pamphyliae, quibus in provinciis multas domos, plurima* urbis, omnia fana depeculatus est, t u m cum in C n . Dolabellam suum scelus illud pristinum renovavit et instaurava quaestorium, cum eum, cui et legatus et pro quaestore fuisset, et in invidiam suis maleficiis adduxit, et in ipsis periculis non solum deseruit, sed etiam opp u g n a v a ac prodidit; cuius praetura urbana aedium sacrarum fuit publicorumque operum depopulatio, simul in iure dicundo b o n o r u m possessionumque contra omnium instituta addictio et condonatio.
Iam vero o m n i u m vitiorum s u o r u m plurima et maxima constituit m o n u m e n t a et indicia in provincia Sicilia, quam iste per triennium ita vexavit ac perdidit ut ea restituì in a n t i q u u m statum nullo m o d o possit, vix autem per multos annos innocentisque praetores aliqua ex parte recreari aliquando posse videatur. H o c praetore Siculi neque suas leges ñeque nostra senatus consulta neque c o m m u n i a iura tenuerunt: t a n t u m quisque habet in Sicilia q u a n t u m hominis avarissimi et libidinosissimi aut imprudentiam subterfugit aut satietati superfuit. Nulla res per triennium nisi ad n u t u m istius iudicata est, nulla res tam patria cuiusquam atque avita fuit quae non ab eo imperio istius abiudicaretur. Innumerabiles pecuniae ex aratorum bonis novo nefarioque instituto coactae, socii fìdelissimi in hostium n u m e r o existiman, cives Romani servilem in m o d u m cruciati et necati, homines nocentis-
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ERSTE
REDE
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C.
VERRES
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Füßen getreten wurde ? Sein Legatenamt war das Verderben von ganz Asien und Pamphylien, hat er doch in diesen Provinzen viele Häuser, sehr viele Gemeinden und sämtliche Heiligtümer ausgeplündert. Zudem erneuerte und wiederholte er damals gegenüber Cn.Dolabella seinen altbewährten Quästoren-Streich, indem er ihn, dessen Legat und Proquästor er gewesen war, zuerst durch seine Missetaten verhaßt machte und ihn dann, als es zum Prozesse kam, nicht nur im Stich ließ, sondern sogar anfiel und verriet. Seine Stadtprätur brachte die Verwüstung der Heiligtümer und der öffentlichen Bauten; zugleich war sie in der Rechtsprechung ein einziges Zuerkennen und Verschenken von Vermögen und Besitz wider jegliches Herkommen ,0 . Doch von allen seinen Lastern hat er die meisten und größten Denkmäler und Wahrzeichen in der Provinz Sizilien errichtet, die er drei Jahre lang so schlimm heimsuchte und verwüstete, daß sie den alten Zustand überhaupt nicht mehr zu erreichen vermag, ja daß es scheint, sie werde sich in vielen Jahren und unter redlichen Statthaltern kaum einmal wieder einigermaßen erholen. Unter diesem Prätor konnten die Sizilier weder ihre eigenen Gesetze noch unsere Senatsbeschlüsse noch die allgemeinen Rechtsgrundsätze geltend machen : in Sizilien hat ein jeder nur das, was dem habgierigsten und begehrlichsten aller Menschen versehentlich entging oder aus Überdruß zu viel wurde. Keine Sache hat man drei Jahre lang anders entschieden als nach seinem Gutdünken; kein Besitz, und mochte er vom Vater oder Großvater stammen, war jemandem so sicher, daß er ihm nicht auf Befehl des Verres aberkannt wurde. Unzählbare Geldbeträge hat er aus den Gütern der zehntpflichtigen Landwirte durch ein neues, schändliches Verfahren erpreßt, die treuesten Bundesgenossen wie Staatsfeinde behandelt, römische Bürger gleich Sklaven gefoltert und getötet, noch so Schuldige fur
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C. V E R R E M
ACTIO
PRIMA
simi propter pecunias iudicio liberati, honestissimi atque integerrimi absentes rei facti indicta causa damnati et eiecti, portus munitissimi, maximae tutissimaeque urbes piratis praedonibusque patefactae, nautae militesque Siculorum, socii nostri atque amici, fame necati, classes optimae atque opportunissimae cum magna ignominia populi Romani amissae et perditae. Idem iste praetor m o n u m e n t a antiquissima partim regum locupletissimorum, quae i 11i o r n a m e n t o urbibus esse voluerunt, partim etiam nostrorum imperatorum, quae victores civitatibus Siculis aut dederunt aut reddiderunt, spoliavit nudavitque omnia. Ñ e q u e hoc solum in statuis ornamentisque publicis fecit, sed etiam delubra omnia sanctissimis religionibus consecrata depeculatus est, deum denique nullum Siculis, qui ei paulo magis adfabre atque antiquo artificio factus videretur, reliquit. In stupris vero et flagitiis nefarias eius libídines commemorare pudore deterreor, simul illorum calamitatem commemorando augere nolo quibus liberos coniugesque suas integras ab istius petulantia conservare non licitum est. "At enim haec ita commissa sunt ab isto ut non cognita sint ab omnibus." H o m i n e m esse arbitror neminem, qui nomen istius audierit, quin facta quoque eius nefaria commemorare possit, ut mihi magis timend u m sit ne multa crimina praetermittere quam ne qua in istum fingere existimer. N e q u e enim mihi videtur haec multitudo, quae ad audiendum convenit, cognoscere ex me causam voluisse, sed ea quae seit mecum recognoscere.
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Geld der Gerichtsbarkeit entzogen, die ehrenhaftesten und untadeligsten Männer in Abwesenheit angeklagt und ohne rechtliches Gehör verurteilt und verbannt, die sichersten Häfen, die größten und festesten Städte Seeräubern und Wegelagerern geöffnet, sizilische Matrosen und Soldaten, unsere Freunde und Verbündeten, des Hungertodes sterben lassen, die besten und brauchbarsten Flotten zur großen Schande des römischen Volkes preisgegeben und zugrundegerichtet ,, Eben dieser Prätor hat noch so alte Kunstdenkmäler - sie stammen teils von den reichsten Königen her, die ihre Städte damit schmücken wollten, teils auch von unseren siegreichen Feldherren, die sie den sizilischen Gemeinden stifteten oder zurückgaben - samt und sonders geplündert und ausgeleert. Und das tat er nicht nur mit öffentlichen Bildwerken und Schmuckstücken, er raubte auch sämtliche durch die heiligsten Riten geweihten Tempel aus; schließlich ließ er den Siziliern kein einziges Götterbild übrig, das ihm auch nur einige Meisterschaft verriet oder mit altbewährter Kunstfertigkeit gearbeitet zu sein schien". Seine schändlichen Gelüste und Ausschweifungen aufzuzählen, hindert mich mein Schamgefühl; zugleich will ich nicht, indem ich davon rede, das Unglück derer schlimmer machen, denen es nicht vergönnt war, ihre Kinder und Frauen unversehrt vor seiner Zudringlichkeit zu bewahren. «Doch all dies hat er wenigstens so verübt, daß nicht jedermann davon erfuhr.» Ich glaube, es gibt keinen Menschen, der den Namen des Verres vernommen hat und nicht auch von seinen Schandtaten reden könnte; ich muß daher eher befurchten, daß man annimmt, ich wolle viele Verbrechen übergehen, als daß ich etwas gegen ihn erfände. Und ich habe auch den Eindruck, daß die große Zahl von Zuhörern, die sich hier versammelt hat, nicht den Sachverhalt von mir erfahren, sondern, was sie schon weiß, noch einmal mit mir durchgehen will.
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ACTIO
PRIMA
Q u a e c u m ita sint, iste h o m o amens ac perditus alia m e c u m ratione pugnar. N o n id agit ut alicuius eloquentiam mihi opponat; non gratia, non auctoritate cuiusq u a m , non potentia nititur. Simulât his se rebus confidere; sed video quid agat; ñeque enim agit occultissime. Proponit inania mihi nobilitatis, hoc est h o m i n u m adrogantium nomina, qui non tam me i m p e d i u n t q u o d nobiles sunt, q u a m adiuvant q u o d noti sunt: simulât se eorum praesidio confidere, cum interea aliud q u i d d a m iam diu machinetur. Q u a m spem n u n c habeat in mani-
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bus et quid moliatur breviter iam, iudices, vobis exponam; sed prius ut ab initio res ab eo constituta sit, quaeso, cognoscite.
Ut p r i m u m e provincia rediit, redemptio est huius iudici facta grandi pecunia. Mansit in condicione atque pacto usque ad e u m finem d u m iudices reiecti sunt: posteaquam reiectio iudicum facta est, q u o d et in sortitione istius spem fortuna populi R o m a n i perfregerat et in reiciendis iudicibus mea diligentia istorum impudentiam vicerat, renuntiata est tota condicio. Praeclare se res habebat. Libelli n o m i n u m vestrorum consilique huius in ma-
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nibus erant o m n i u m ; nulla nota, nullus color, nullae sordes videbantur his sententiis adlini posse, c u m iste repente ex alacri atque laeto sic erat humilis atque demissus ut non m o d o populo R o m a n o , sed etiam sibi ipse condemnatus videretur. Ecce autem repente his diebus
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C. VERRES
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So stehen die Dinge, und deshalb sucht dieser wahnwitzige und verworfene Mensch auf andere Weise gegen mich zu kämpfen. Er beabsichtigt nicht, mir das Können eines Redners entgegenzustellen; er stützt sich nicht auf jemandes Gunst oder Ansehen und nicht auf Macht. Er tut zwar so, als ob er hierauf sein Vertrauen setze. Doch ich sehe wohl, was er plant; er plant es nämlich keineswegs heimlich. Er droht mir mit den nichtigen Namen Adliger, das heißt anmaßender Menschen - die aber sind mir weniger hinderlich, weil sie von Adel, als forderlich, weil sie bekannt sind11; er gibt vor, sich auf ihre Hilfe zu verlassen, während er schon lange etwas ganz anderes im Schilde fuhrt. Welche Aussicht er jetzt zu haben glaubt und was er ins Werk setzt, will ich euch nunmehr kurz darlegen, ihr Richter; zuvor aber vernehmt bitte, wie er die Sache von Anfang an eingefädelt hat. Sobald er aus der Provinz zurückgekehrt war, schloß er wegen dieses Gerichtshofes14 für einen hohen Geldbetrag einen Bestechungsvertrag ab. Er blieb bei den vereinbarten Bedingungen bis zu dem Zeitpunkt, da die Richter abgelehnt wurden. Die Ablehnung der Richter fand statt; und hatte schon bei der Auslosung das gütige Geschick des römischen Volkes die HofTnungen des Verres durchkreuzt, so siegte bei der Zurückweisung bestimmter Richter meine Achtsamkeit über die unverschämten Machenschaften dieser Leute: da kündigte Verres das ganze Abkommen. Die Sache stand vorzüglich. Das Verzeichnis mit euren Namen und die Besetzung dieses Gerichtshofes war in aller Händen; kein Merkzeichen, keine Farbe, kein Schmutz schien dieses Mal die Stimmen besudeln zu können15. Da verwandelte sich plötzlich die muntere, fröhliche Laune des Verres in so tiefe Niedergeschlagenheit, daß er aussah, als hätte ihn nicht nur das römische Volk, sondern auch er selbst sich schon verurteilt. Doch siehe da, auf einmal, seit ein paar Tagen, seit die Kon-
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C.VERREM
ACTIO
PRIMA
paucis comitiis consularibus faccis eadem ilia Vetera Consilia pecunia maiore repetuntur, eaedemque vestrae famae fortunisque omnium insidiae per eosdem homines comparantur. Q u a e res primo, iudices, percenui nobis argumento indicioque patefacta est: post aperto suspicionis introitu ad omnia istorum Consilia sine ullo errore pervenimus. Nam ut Hortensius consul designatus d o m u m reducebatur e campo cum maxima frequentia ac multitudine, fit obviam casu ei multitudini C . Curio, quem ego hominem honoris potius quam contumeliae causa nominatum volo; etenim ea dicam quae ille, si commemorar! noluisset, non tanto in conventu tam aperte palamque dixisset; quae tamen a me pedetemptim cauteque dicentur, ut et amicitiae nostrae et dignitatis illius habita ratio esse intellegatur. Videt ad ipsum fornicem Fabianum in turba Verrem; appellar hominem et ei voce maxima gratulatur; ipsi Hortensio, qui consul erat factus, propinquis necessariisque eius, qui tum aderant, verbum nullum facit; cum hoc consistit, hunc amplexatur, hunc iubet sine cura esse. "Renuntio", inquit, "tibi te hodiernis comitiis esse absolutum." Q u o d cum tam multi homines honestissimi audissent, statim ad me defertur; immo vero ut quisque me viderat narrabat.
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Al i is illud indignum, al i is ridiculum videbatur: ridiculum iis qui istius causam in testium fide, in criminum ratione, in iudicum potestate, non in comitiis consularibus positam arbitrabantur, indignum iis qui altius perspiciebant et hanc gratulationem ad iudicium corrum-
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sulatswahlen stattgefunden haben, werden die alten Pläne mit noch mehr Geldmitteln wieder in Angriff genommen, und dieselben Leute bereiten eurem guten Ruf und der Wohlfahrt aller dieselben Nachstellungen. Das hat sich mir zuerst an einem ganz schwachen Anzeichen und Beweis offenbart, ihr Richter; dann aber, als mein Argwohn erst einen Zugang gefunden hatte, drang ich unfehlbar zu allen ihren geheimsten Absichten vor. Denn als Hortensius, zum Konsul gewählt, unter Begleitung einer großen Volksmenge vom Marsfeld nach Hause geleitet wurde, begegnete von ungefähr C. Curio dem Zuge, ein Mann, den ich lieber der Ehre halber und nicht, um ihn bloßzustellen, genannt haben möchte 1 '. Ich will auch nur berichten, was er, wäre ihm eine Erwähnung unerwünscht gewesen, nicht vor einer so zahlreichen Versammlung so offen und unverhohlen ausgesprochen hätte; ich will jedoch mit Bedacht und Vorsicht davon berichten: man soll sehen, wie sehr ich unserer Freundschaft und seinem Ansehen Rechnung trage. Unmittelbar am Triumphbogen des Fabius17 erblickt er Verres in der Menge; er begrüßt ihn und wünscht ihm mit lauter Stimme Glück; an Hortensius selbst, der Konsul geworden, und an seine Verwandten und Freunde, die ihn damals begleiteten, richtet er kein Wort; bei Verres bleibt er stehen, ihn umarmt er, ihn heißt er ohne Sorge sein. «Ich verkünde dir», sagt er, «daß du mit den heutigen Wahlen freigesprochen bist.» Diese Worte wurden mir, da so viele höchst ehrenhafte Männer sie gehört hatten, sofort hinterbracht, ja wer immer mich sah, erzählte mir davon. Einigen schien der Vorfall empörend, anderen lächerlich: lächerlich denen, die meinten, des Venes Sache hänge von der Glaubwürdigkeit der Zeugen, von der Schwere der Verbrechen und der Gewalt der Richter ab, nicht von den Konsulwahlen; empörend denen, die tiefer blickten und erkann-
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p e n d u m spectare videbanc. Etenim sic ratiocinabantur, sic honestissimi homines inter se et m e c u m loquebantur, aperte iam et perspicue nulla esse iudicia. Q u i reus pridie iam ipse se c o n d e m n a t u m putabat, is, posteaquam defensor eius consul est factus, absolvitur? Q u i d igitur? q u o d tota Sicilia, quod o m n e s Siculi, o m n e s negotiator s , o m n e s publicae privataeque litterae R o m a e sunt, nihilne id valebit? Nihil invito consule designato. Q u i d ? iudices non crimina, non testis, non existimationem populi R o m a n i sequentur? N o n ; o m n i a in unius potestate ac moderatione vertentur.
Vere loquar, iudices. Vehementer m e haec res c o m m o vebat; optimus enim quisque ita loquebatur "Iste q u i d e m tibi eripietur, sed nos non tenebimus iudicia diutius; etenim quis poterit Verre absoluto d e transferendis iudiciis recusare?" Erat o m n i b u s m o l e s t u m ; ñeque eos tam istius hominis perditi subita laetitia q u a m hominis amplissimi nova gratulatio c o m m o v e b a t . C u p i e b a m dissimulare me id moleste ferre, c u p i e b a m animi d o l o r e m vultu tegere et taciturnitate celare.
Ecce autem illis ipsis diebus, c u m praetores designati sortirentur et M . Metello obtigisset ut is de pecuniis repetundis quaereret, nuntiatur mihi tantam isti gratulationem esse factam ut is d o m u m q u o q u e pueros mitteret qui uxori suae nuntiarent. Sane ne haec q u i d e m m i h i res placebat; ñeque tantopere q u i d in hac sorte m e t u e n d u m
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ten, daß mit diesem Glückwunsch die Bestechung des Gerichtes gemeint war. Denn das folgerten, das äußerten die angesehensten Leute untereinander und im Gespräch mit mir: offenbar und augenscheinlich gebe es keine Gerichte mehr. Der Angeklagte, der sich tags zuvor schon selbst für verurteilt hielt, wird freigesprochen, nachdem sein Verteidiger Konsul geworden? Wie denn? Daß sich ganz Sizilien, daß sich alle Sizilier, alle Geschäftsleute, alle öffentlichen und privaten Urkunden in Rom befinden, das soll nichts gelten ? Nichts, wenn der künftige Konsul es nicht will. Wie? Die Richter werden sich nicht an die Anschuldigungen, an die Zeugen, an die Meinung des römischen Volkes halten? Nein, alles wird von der Macht und Leitung eines Einzigen abhängen. Ich will offen zu euch sprechen, ihr Richter. Die Sache erregte mich heftig; denn alle anständigen Leute sagten: «Den wird man dir sicher entreißen, doch wir1* werden die Gerichte nicht länger behalten ; denn wer könnte sich gegen einen Wechsel des Richteramtes sträuben, wenn ein Verres freigesprochen wird ?» Das war für alle bedrückend, und dabei empörte sie nicht so sehr die plötzliche Ausgelassenheit dieses abscheulichen Menschen wie der neuartige Glückwunsch eines hochangesehenen Mannes. Gerne hätte ich meine Betroffenheit verborgen, gerne den Schmerz in meiner Brust hinter meiner Miene versteckt und in Schweigen eingehüllt. Doch gebt acht, gerade in diesen Tagen, als die künftigen Prätoren mit dem Los ihre Amtsbereiche verteilten und dem M. Metellus der Gerichtshof für Erpressungen zufiel, da ließ man mich wissen, Verres habe so überschwengliche Glückwünsche empfangen, daß er sogar Boten nach Hause geschickt habe, um seine Frau davon zu benachrichtigen. Das gefiel mir nun gar nicht; andererseits sah ich nicht ganz ein, was ich bei diesem Ergebnis der Verlosung zu befurchten
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ACTIO
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mihi esset intellegebam. U n u m illud ex h o m i n i b u s certis, ex q u i b u s omnia comperi, reperiebam, fiscos compluris c u m pecunia Siciliensi a q u o d a m senatore ad equitem R o m a n u m esse transíalos; ex his quasi X fiscos ad senatorem ilium relictos esse c o m i t i o r u m m e o r u m nomine; divisores o m n i u m tribuum noctu ad istum vocatos. Ex quibus q u i d a m , qui se o m n i a mea causa facere debere arbitrabatur, eadem illa nocte ad me venit; demonstrar q u a iste oratione usus esset; c o m m e m o r a s s e istum q u a m liberaliter eos tractasset iam antea, c u m ipse praeturam petisset, et proxumis consularibus praetoriisque comitiis; deinde c o n t i n u o esse pollicitum q u a n t a m vellent pec u n i a m , si m e aedilitate deiecissent. H i e alios negasse audere, alios respondisse non putare id perfici posse; inventum tamen esse fortem a m i c u m ex eadem familia, Q . Verrem Romilia, ex o p t i m a divisorum
disciplina,
patris istius discipulum atque a m i c u m , qui H S quingentis milibus depositis id se perfecturum polliceretur, et fuisse tamen non nullos qui se una facturos esse dicerent. Q u a e c u m ita essent, sane benivolo a n i m o me ut magnopere caverem praemonebat.
Sollicitabar rebus maximis u n o atque eo perexiguo tempore. Urgebant comitia, et in his ipsis o p p u g n a b a r grandi pecunia; instabat iudicium, ei q u o q u e negotio fisci Sicilienses minabantur. Agere quae ad iudicium pertinebant libere c o m i t i o r u m metu deterrebar; petitioni toto a n i m o servire propter iudicium non licebat; minari denique divisoribus ratio non erat, propterea q u o d eos
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hätte. Nur das eine erfuhr ich durch zuverlässige Leute, die mir von allem Nachricht gaben: mehrere Körbe mit sizilischem Geld seien von einem gewissen Senator zu einem römischen Ritter befördert worden; ungefähr zehn dieser Körbe habe man bei dem Senator flir meine Wahl zurückgelassen; die Geldausteiler aller Wahlbezirke seien bei Nacht zu Verres bestellt.worden". Einer von ihnen, der mir jede Hilfe schuldig zu sein glaubte, kommt noch in derselben Nacht zu mir; er berichtet mir, welche Äußerungen Verres getan hatte: er habe daran erinnert, wie großzügig er sich ihnen schon früher erzeigt habe, bei seiner eigenen Bewerbung um die Prätur sowie bei den letzten Konsul- und Prätorwahlen ; darauf habe er ihnen sogleich Geld versprochen, so viel sie wollten, wenn sie meine Wahl zum Ädilen verhinderten. Da hätten die einen gesagt, sie wagten es nicht; andere hätten geantwortet, sie hielten es für unmöglich. Gleichwohl habe sich ein wackerer Freund aus seiner eigenen Sippe gefunden, Q^Verres vom romilischen Bezirk", ein Geldausteiler bester Schule, ein Schüler und Freund des Vaters von Verres"; der habe versprochen, die Sache gegen Hinterlegung von 500000 Ses te rzen zustande zu bringen, und dann seien doch noch einige dagewesen, die ihre Teilnahme zusagten. So standen die Dinge, und deshalb erteilte mir der Mann mit größtem Wohlwollen den Rat, mich ja in acht zu nehmen. Zur gleichen Zeit - und meine Zeit war sehr beschränkt wurde ich durch die wichtigsten Dinge in Atem gehalten. Die Wahlen drängten, und gerade hierbei bekämpfte man mich mit großem Geldaufwand; der Prozeß stand vor der Tür, und auch diesem Unternehmen drohten die sizilischen Geldkörbe. Die Furcht vor den Wahlen hinderte mich, in Sachen des Prozesses ohne Scheu vorzugehen; mich mit ganzer Seele der Bewerbung zu widmen, war mir des Prozesses wegen versagt. Schließlich war es auch nicht ratsam, den
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intellegere videbam me hoc iudicio districtum atque obligatum futurum. Atque hoc ipso tempore Siculis denuntiatum esse audio primum ab Hortensio, domum ad ilium ut venirent; Siculos in eo sane liberos fuisse, qui quam ob rem arcesserentur cum intellegerent, non venisse. Interea comitia nostra, quorum iste se, ut ceterorum hoc anno comitiorum, dominum esse arbitrabatur, haberi coepta sunt. Cursare iste homo potens cum filio blando et gratioso circum tribus; paternos amicos, hoc est divisores, appellare omnis et convenire. Q u o d cum esset intellectum et animadversum, fecit animo libentissimo populus Romanus ut, cuius divitiae me de fide deducere non potuissent, ne eiusdem pecunia de honore deicerer.
Posteaquam illa petitionis magna cura liberatus sum, animo coepi multo magis vacuo ac soluto nihil aliud nisi de iudicio agere et cogitare. Reperio, iudices, haec ab istis Consilia
inita et constituta ut, quacumque opus esset
ratione, res ita duceretur ut apud M . Metellum praetorem causa diceretur. In eo esse haec commoda: primum M . Metellum amicissimum, deinde Hortensium consulem, neque Hortensium solum, sed etiam Q . Metellum, qui quam isti sit amicus attendite; dedit enim praerogativam suae voluntatis eius modi ut isti pro praerogativis iam reddidisse videatur.
An me taciturum tantis de rebus existimavistis, et me in tanto rei publicae existimationisque meae periculo cuiquam consulturum potius quam officio et dignitati
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Geldausteilern zu drohen, denn wie ich wohl sah, merkten sie, daß mich der Prozeß sehr beschäftigen und in Anspruch nehmen würde". Und genau in dieser Zeit, höre ich, ließ zuerst Hortensius den Siziliern sagen, sie sollten zu ihm in sein Haus kommen; die Sizilier aber, die den Grund der Einladung erkannten, hätten sich als wirklich freie Leute erzeigt und seien nicht erschienen. Inzwischen fingen meine Wahlen an, die Verres ebenso wie die übrigen Wahlen dieses Jahres zu beherrschen glaubte. Der vielvermögende Mann lief mit seinem freundlichen und liebenswürdigen Sohne bei den Wahlbezirken umher; er begrüßte und besuchte die väterlichen Freunde, das heißt die Geldausteiler. Als das bemerkt und erkannt wurde, verhinderte das römische Volk mit der größten Bereitwilligkeit, daß mich das Geld des Mannes von einem Amte ausschloß, dessen Reichtum mich nicht von meiner Pflichttreue hatte abbringen können. Sobald die große Sorge der Bewerbung von mir genommen war, begann ich viel freier und ruhiger mein Tun und Trachten ganz auf den Prozeß zu richten. Ich entdecke, ihr Richter, daß die Gegner ihren Plan folgendermaßen gefaßt und festgesetzt haben: die Sache sollte auf jede erdenkliche Weise so lange hinausgezögert werden, daß man sich erst vor dem Prätor M. Metellus verantworten müsse. Hiervon versprach man sich folgende Vorteile: erstens habe man an M.Metellus einen sehr guten Freund, zweitens sei Hortensius dann Konsul, und nicht nur Hortensius, sondern auch Q^Metellus und beachtet wohl, wie eng der mit Verres befreundet ist! Er hat nämlich von seiner Gesinnung schon ein Vorzeichen gegeben, in der Weise, daß er dem Verres bereits für die zuerst stimmenden Zenturien gedankt zu haben scheint 23 . Oder habt ihr etwa geglaubt, ich würde zu so wichtigen Dingen schweigen, ich würde in dieser Gefahr für den Staat und meinen Ruf an etwas anderes denken als an meine Pflicht
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mcae? Arcessit alter consul designatus Siculos; veniunt non nulli, propterea quod L. Metellus esset praetor in Sicilia. C u m iis ita loquitur, "se consulem esse; fratrem suum alterum Siciliani provinciam obtinere, alterum esse quaesiturum de pecuniis repetundis; Verri ne noceri possit multis rationibus esse provisum." Quid est, quaeso, Metelle, iudicium conrumpere, si hoc non est, testis, praesertim Siculos, tímidos homines et adflictos, non solum auctoritate deterrere, sed etiam consulari metu et duorum praetorum potestate? Q u i d faceres pro innocente homine et propinquo, cum propter hominem perditissimum atque alienissimum de o f f i cio ac dignitate decedis, et committis ut quod ille dictitat alicui qui te ignoret verum esse videatur? N a m hoc Verrem dicere aiebant, te non fato, ut ceteros ex vestra familia, sed opera sua consulem factum.
D u o igitur cónsules et quaesitor erunt ex illius volúntate. " N o n solum effugiemus", inquit, "hominem in quaerendo nimium diligentem, nimium servientem populi existimationi, M ' . Glabrionem; accedet etiam nobis illud. Iudex est M . Caesonius, conlega nostri accusatoris, homo in rebus iudicandis spectatus et cognitus, quem minime expediat esse in eo Consilio quod conemur aliqua ratione conrumpere, propterea quod iam antea, cum iudex in Iuniano Consilio fuisset, turpissimum illud facinus non solum graviter tulit, sed etiam in medium protulit. Hunc iudicem ex Kalendis Ianuariis non habe-
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und mein Ansehen? Der zweite Konsul des kommenden Jahres läßt die Sizilier rufen; einige erscheinen, weil ja L. Metellus Prätor in Sizilien sei. Mit ihnen redet er so: er sei Konsul, einer seiner Brüder verwalte die Provinz Sizilien, der andere werde dem Gerichtshof für Erpressungen vorstehen; daß man dem Verres nicht schaden könne, dafür sei auf vielfache Weise gesorgt. Was, ich bitte dich, Metellus, heißt rechtswidrig ein Verfahren beeinflussen, wenn nicht dies: Zeugen, noch dazu Sizilier, ängstliche und niedergeschlagene Leute, nicht allein durch persönliches Ansehen, sondern auch durch die Furcht vor dem Konsul und durch die Amtsgewalt zweier Prätoren einzuschüchtern? Was würdest du erst für einen Unschuldigen und dir Nahestehenden tun, wenn du schon wegen eines ganz verworfenen und dir ganz fremden Menschen von Pflicht und Ehre abweichst und nicht verhinderst, daß jemand, der dich nicht kennt, die Äußerungen des Verres Air wahr hält ? Denn Verres erklärte, so hieß es, du seiest nicht durch das Schicksal, wie die anderen aus deiner Familie, Konsul geworden, sondern durch seine Hilfe14. Beide Konsuln also und der Vorsitzende des Gerichtshofes werden ganz nach seinem Wunsche sein. «Nicht allein», sagt Verres, «entgehen wir dann dem allzu gewissenhaften Untersuchungsleiter, dem allzu willigen Diener der Volksmeinung, dem M'.Glabrio; es kommt uns noch anderes zugute. Einer der Richter ist M.Caesonius, ein Amtsgenosse meines Anklägers, in Rechtssachen erprobt und bewährt; es ist gar nicht von Vorteil, daß er in dem Gerichtshof sitzt, den wir auf diese oder jene Weise zu bestechen suchen. Hat er doch schon früher, als er Mitglied des junianischen Gerichtshofs war, jene schändliche Tat nicht nur übel aufgenommen, sondern auch allgemein bekannt gemacht. Ihn werden wir vom i.Januar an nicht mehr zum Richter haben". Auch
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bimus; Q . Manlium et Q . C o r n i f i c i u m , duos severissimos atque integerrimos iudices, quod tribuni plebis tum erunt, iudices non habebimus; P. Sulpicius, iudex tristis et integer, magistratum ineat oportet Nonis Decembribus; M . Crepereius ex acerrima illa equestri familia et disciplina, L. Cassius ex familia cum ad ceteras res tum ad iudicandum severissima, C n . Tremellius, homo summa religione et diligentia, tres hi homines veteres tribuni militares sunt designati; ex Kalendis Ianuariis non iudicabunt. Subsortiemur etiam in M . Metelli locum, quoniam is huic ipsi quaestioni praefuturus est. Ita secundum Kalendas Ianuarias et praetore et prope toto commutato Consilio magnas accusatoris minas magnamque exspectationem iudici ad nostrum arbitrium libidinemque eludemus."
N o n a e sunt hodie Sextiles; hora v i n convenire eoe-
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pistis; hunc diem iam ne numerant quidem. Decern dies sunt ante ludos votivos, quos C n . Pompeius facturus est; hi ludi dies quindecim auferent; deinde continuo Romani consequentur. Ita probe XL diebus interpositis tum denique se ad ea quae a nobis dicta erunt responsuros esse arbitrantur; deinde se ducturos et dicendo et excusando facile ad ludos Victoriae; cum his plebeios esse coniunctos, secundum quos aut nulli aut perpauci dies ad agend u m futuri sunt: ita defessa ac refrigerata accusatione rem integram ad M . Metellum praetorem esse venturam. Q u e m ego hominem, si eius fidei diffisus essem, iudicem
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Q^Manlius und Q^Cornificius, zwei überaus strenge und lautere Geschworene, werden nicht über uns urteilen, weil sie dann Volkstribunen sind. P. Sulpicius, ein ernster und unbestechlicher Richter, muß am j. Dezember sein neues Amt antreten. M. Crepereius, aus einer strengen Ritterfamilie mit strengen Grundsätzen stammend, L. Cassi us, aus einem Hause, das, wie in anderen Dingen, so gerade in der Rechtspflege unnachgiebig ist, Cn. Tremellius, ein Mann von größter Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt: diese drei dem alten Brauch verpflichteten Männer sind zu Militärtribunen gewählt; vom i.Januar an werden sie nicht mehr Recht sprechen". Auch für M.Metellus müssen wir einen Ersatzmann auslosen; er ist ja dann Vorsitzender eben dieses Gerichtshofs. Folglich können wir nach dem i.Januar, wenn der Prätor und fast das ganze Richterkollegium gewechselt haben, die heftigen Drohungen des Anklägers und die lebhafte Erwartung, die man an den Prozeß knüpft, nach unserem Wunsch und Belieben vereiteln.» Heute ist der j . Sextiiis; um die achte Stunde seid ihr zusammengetreten"; diesen Tag zählen sie schon gar nicht mehr. Zehn Tage sind es noch bis zu den Votivspielen, die Cn.Pompeius veranstalten wird; diese Spiele beanspruchen fünfzehn Tage. Dann folgen sogleich die Römischen Spiele. Auf diese Weise glauben sie, erst nach beinahe vierzigtägiger Unterbrechung auf das antworten zu müssen, was ich vorbringe; dann lasse sich die Sache durch Reden und Ausflüchte leicht bis zu den Spielen der Victoria hinziehen; daran schlössen sich die Plebejischen Spiele an, nach deren Ablauf überhaupt keine oder nur sehr wenige Tage zur Verhandlung übrigblieben So werde die Anklage um ihre Kraft und Wirkung gebracht, und die Sache könne ohne Entscheidung an den Prätor M.Metellus gelangen. Diesen Mann aber hätte ich, wenn ich an seiner Rechtlichkeit zweifelte,
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non retinuissem; n u n c t a m e n hoc a n i m o s u m ut eo iudi-
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ce q u a m praetore hanc rem transigi m a l i m , et iurato suam q u a m iniurato aliorum tabellas c o m m i t t e r e .
N u n c ego, iudices, iam vos consulo q u i d mihi faciend u m putetis; id enim consili mihi p r e f e c t o taciti dabitis q u o d egomet mihi necessario c a p i e n d u m intellego. Si utar ad d i c e n d u m meo legitimo t e m p o r e , mei laboris industriae diligentiaeque capiam f r u c t u m , et hac accusan o n e perficiam ut n e m o u m q u a m post h o m i n u m memoriam paratior, vigilantior, c o m p o s i t i o r ad iudicium venisse videatur. Sed in hac laude industriae meae reus ne elabatur s u m m u m periculum est. Q u i d est igitur q u o d fieri possit? N o n o b s c u r u m , opinor, n e q u e a b s c o n d i t u m . Fructum istum laudis, qui ex p e r p e t u a oratione percipi
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potuit, in alia tempora reservemus: n u n c h o m i n e m tabulis, testibus, privatis publicisque litteris auctoritatibusque accusemus. Res o m n i s mihi t e c u m erit, H o r t e n s i . Dicam aperte. Si te m e c u m d i c e n d o ac diluendis criminibus in hac causa contendere p u t a r e m , ego q u o q u e in accusando atque in explicandis c r i m i n i b u s o p e r a m c o n sumerem: n u n c q u o n i a m p u g n a r e c o n t r a m e instituisti n o n tam ex tua natura q u a m ex istius t e m p o r e et causa, necesse est istius modi rationi aliquo Consilio obsistere. Tua ratio est ut s e c u n d u m binos ludos mihi respondere
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nicht als Richter beibehalten; andererseits ist nunmehr meine Auffassung die, daß ich den Prozeß lieber, während er noch Richter ist, als unter seiner Prätur entschieden wissen möchte; denn ich will eher dem Vereidigten nur die eigene als dem Unvereidigten*· die Stimmen aller anderen anvertrauen. Jetzt frage ich euch, ihr Richter: was, glaubt ihr, soll ich tun? Sicherlich wollt ihr mir stillschweigend eben den Rat erteilen, den ich, wie ich wohl sehe, notgedrungen befolgen muß. Wenn ich für meinen Vortrag die mir von Gesetzes wegen zustehende Zeit beanspruche, dann kann ich gewiß die Früchte meiner Mühe, Beharrlichkeit und Sorgfalt ernten und durch diese Anklage dartun, daß seit Menschengedenken nie jemand schlagfertiger, achtsamer und besser gerüstet vor Gericht erschienen ist. Doch bei all dem Lob für meinen Eifer besteht die dringende Gefahr, daß mir der Angeklagte entschlüpft. Was kann man also tun? Nichts, meine ich, was dunkel und verborgen wäre. Den Genuß des Lobes, den ich mir durch einen zusammenhängenden Vortrag verschaffen könnte, will ich mir für ein andermal aufsparen: doch jetzt will ich den Mann mit Hilfe von Rechnungsbüchern, Zeugen, privaten und öffentlichen Schriftstücken und gewichtigen Beweisen anklagen. Hierbei habe ich es allein mit dir zu tun, Hortensius. Ich will offen sprechen. Wenn ich glaubte, du wollest in diesem Prozeß mit deinem Plädoyer und der Widerlegung der Schuldvorwürfe gegen mich streiten, dann würde auch ich auf die Anklagerede und die Erörterung der Vorwürfe Mühe wenden. Nun bist du aber entschlossen, nicht so sehr, wie es deinem Wesen entspricht, sondern wie es die Umstände und die Lage des Verres erfordern, gegen mich zu kämpfen; da ist es unumgänglich, einem derartigen Vorhaben mit irgendeiner Maßregel zu begegnen. Dein Plan sieht vor, daß du erst nach Beendigung zweier Festzeiten anfangen wirst, mir zu antworten, meiner hingegen, daß ich
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incipias, mea ut ante primos ludos comperendinem. Ita fiet ut tua ista ratio existimetur astuta, m e u m hoc consilium necessarium. Verum illud q u o d institueram dicere, mihi rem tecum esse, huius modi est. E g o cum hanc causam Siculorum rogatu recepissem, idque mihi a m p l u m et praeclarum existimassem, eos velie meae fidei diligentiaeque periculum facere qui innocentiae abstinentiaeque fecissent, tum suscepto negotio maius q u i d d a m mihi proposui, in q u o m e a m in rem publicam voluntatem populus R o m a nus perspicere posset. N a m illud mihi nequaquam dignum industria conatuque meo videbatur, istum a me in iudicium iam o m n i u m iudicio c o n d e m n a t u m vocari, nisi ista tua intolerabilis potentia, et ea cupiditas qua per hosce annos in quibusdam iudiciis usus es, etiam in istius hominis desperati causa interponeretur. N u n c vero, q u o n i a m haec te omnis dominatio
regnumque
iudiciorum tanto opere de ectat, et sunt homines q u o s libidinis infamiaeque suae ñeque pudeat neque taedeat, qui quasi de industria in o d i u m offensionemque populi Romani inruere videantur, hoc me profiteor suscepisse m a g n u m fortasse onus et mihi periculosum,
verum
tarnen d i g n u m in quo omnis ñervos aetatis industriaeque meae contenderem.
Q u o n i a m totus ordo p a u c o r u m improbitate et audacia premitur et urgetur infamia iudiciorum, profiteor huic generi h o m i n u m me inimicum accusatorem, odiosum, adsiduum, acerbum adversarium. H o c mihi s u m o , hoc mihi deposco, q u o d agam in magistratu, q u o d a g a m
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noch vor Beginn der ersten Festzeit den Termin für die zweite Verhandlung erwirke. So wird man denn deinen Plan für schlau, meinen Gegenplan jedoch für unumgänglich halten. Ich sagte soeben, ich hätte es mit dir zu tun. Hiermit verhält es sich so: Ich habe diesen Prozeß auf Bitten der Sizilier übernommen, und ich rechnete es mir als eine hohe Ehre an, daß dieselben Leute meine Zuverlässigkeit und Sorgfalt erproben wollten, die zuvor meine Rechtschaffenheit und selbstlose Handlungsweise erprobt hatten. Da habe ich mir denn bei der Übernahme dieser Sache ein noch höheres Ziel gesteckt, aus dem das römische Volk meine Bereitschaft für den Staat sollte ersehen können. Denn es schiene mir keineswegs meiner Mühe und Anstrengung wert, diesen Mann, der nach allgemeinem Urteil schon gerichtet ist, vor Gericht zu fordern, wenn mir nicht auch deine unerträgliche Macht und Parteilichkeit, wie du sie während der letzten Jahre in verschiedenen Prozessen geübt hast, bei der Sache dieses heillosen Menschen in den Weg träte. Nun aber, da dir diese Tyrannei und schrankenlose Herrschaft über die Gerichte so viel Vergnügen bereitet und da es Leute gibt, die angesichts ihrer Übergriffe und ihres schlechten Rufes nicht Scham noch Ekel verspüren, die sich geradezu mit Vorsatz in den Haß und Unwillen des römischen Volkes zu stürzen scheinen, nunmehr erkläre ich öffentlich : ich habe diese Last auf mich genommen, eine womöglich große und für mich gefährliche Last, die es aber wert ist, daß ich alle Spannkraft meiner Jahre und meiner Leistungsfähigkeit darauf wende. Da der ganze Stand *• unter der Skrupellosigkeit und Frechheit von wenigen leidet und der üble Ruf der Gerichte auf ihm drückt, erkläre ich, daß ich für diese Sorte von Leuten ein unnachsichtiger Ankläger, ein haßerfüllter, hartnäckiger und erbitterter Widersacher sein werde. Das nehme ich mir vor, das beanspruche ich; das will ich in meiner Amtszeit,
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ex eo loco ex q u o m e populus R o m a n u s ex Kaiendis Ianuariis secum age re de re publica ac de h o m i n i b u s improbis voluit; hoc munus aedilitatis meae populo R o m a no amplissimum p u l c h e r r i m u m q u e polliceor.
Moneo,
praedico, ante denuntio: qui aut d e p o n e r e aut accipere aut recipere aut p o l l i c e » aut séquestres aut interpretes corrumpendi iudici soient esse, q u i q u e ad h a n c rem aut potentiam aut impudentiam suam professi sunt, abstineant in h o c iudicio manus a n i m o s q u e ab h o c scelere nefario. Erit tum consul Hortensius c u m s u m m o imperio et potestate, ego autem aedilis, h o c est paulo amplius q u a m privatus; tarnen haec huius m o d i res est q u a m m e acturum esse polliceor, ita p o p u l o R o m a n o grata atque iucunda, ut ipse consul in hac causa prae m e m i n u s etiam, si fieri possit, q u a m privatus esse videatur.
Omnia
non
modo
commemorabuntur,
sed
etiam
expositis certis rebus agentur, quae inter decern annos, posteaquam iudicia ad senatum translata sunt, in rebus iudicandis nefarie flagitioseque facta sunt. C o g n o s c e t ex m e populus R o m a n u s quid sit q u a m o b rem, c u m equester ordo iudicaret, annos prope q u i n q u a g i n t a c o n t i n u o s in nullo iudice ne tenuissima q u i d e m suspicio acceptae pecuniae o b rem iudicandam c o n s t i t u í a sit; quid sit quod, iudiciis ad senatorium o r d i n e m translates sublataque populi R o m a n i in u n u m q u e m q u e vestrum potes-
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will ich von dem Platze aus vollbringen, auf den mich das römische Volk gestellt hat und an dem ich vom i.Januar an über das öffentliche Wohl und über die verantwortungslosen Mitbürger mit ihm verhandeln soll"; dies, versichere ich, ist das größte und schönste Geschenk, das mein Ädilenamt dem römischen Volke darbringen wird. Ich warne, ich erkläre, ich gebe im voraus bekannt: diejenigen, die Gelder zu hinterlegen, anzunehmen, zu verbürgen oder zu versprechen oder sich zu Mittelsmännern oder Unterhändlern bei der Bestechung der Gerichtshöfe herzugeben pflegen" und die hierfür ihre Macht oder ihre Unverschämtheit angeboten haben, sie mögen in diesem Verfahren ihre Hände und Gedanken von einem derart ruchlosen Frevel fernhalten. Dann wird Hortensius Konsul sein und die höchste Gewalt und Amtsbefugnis innehaben; ich aber bin dann Ädil, das heißt nicht viel mehr als ein Privatmann. Dennoch ist die Sache, für die ich einzutreten verspreche, von der Art, ist sie dem römischen Volke so erwünscht und willkommen, daß in dieser Angelegenheit im Vergleich zu mir selbst der Konsul wenig bedeuten wird, ja womöglich weniger als ein Privatmann. Alles soll nicht nur hergesagt, sondern unter Darlegung bestimmter Tatsachen gründlich erörtert werden, was sich in den letzten zehn Jahren, seit die Rechtsprechung auf den Senat übergegangen ist, an schändlichen und entehrenden Vorfällen in der Gerichtspraxis zugetragen hat. Erfahren soll das römische Volk durch mich, was es damit auf sich hat, daß in den nahezu fünfzig Jahren, da dem Ritterstand ununterbrochen die Rechtspflege oblag, auch nicht der leiseste Verdacht auf einen Richter fiel, er habe für einen Urteilsspruch Geld genommen; erfahren soll es, was eine Äußerung des QXalidius bedeutet, die er getan hat, nachdem das Gerichtswesen auf den senatorischen Stand übertragen und alle Gewalt des römischen Volkes über einen jeden von euch aufge-
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tate, Q . Calidius damnatus dixerit minoris H S triciens praetorium hominem honeste non posse damnari; quid sit quod, P. Septimio senatore damnato Q . Hortensio praetore de pecuniis repetundis, lis aestimata sit eo nomine, quod ille ob rem iudicandam pecuniam accepisset. Quid? quod in C . Herennio, quod in C. Popilio, senatoribus, qui ambo peculatus damnati sunt, quod in M . Atilio, qui de maiestate damnatus est, hoc planum factum est, eos pecuniam ob rem iudicandam accepisse, quod inventi sunt senatores qui C . Verre praetore urbano sortiente exirent in eum reum quem incognita causa condemnarent, quod inventus est senator qui, cum iudex esset, in eodem iudicio et ab reo pecuniam acciperet quam iudicibus divideret, et ab accusatore ut reum condemnaret. Iam vero quo modo ego illam labem ignominiam calamitatemque totius ordinis conquerar, hoc factum esse in hac civitate, cum senatorius ordo iudicaret, ut discoloribus signis iuratorum hominum
sententiae
notarentur? Haec omnia me diligenter severeque acturum esse polliceor.
Q u o me tandem animo fore putatis, si quid in hoc ipso iudicio intellexero simili aliqua ratione esse violatum atque commissum? cum praesertim planum facere multis testibus possim C. Verrem in Sicilia multis audientibus saepe dixisse se habere hominem potentem cuius fiducia provinciam spoliaret; neque sibi soli pecuniam quaerere, sed ita triennium illud praeturae Siciliensis distributum habere ut secum praeclare agi diceret si unius
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hoben worden war (Calidius sagte nämlich nach seiner Verurteilung, für weniger als drei Millionen Sesterzen dürfe anständigerweise kein ehemaliger Prätor verurteilt werden); erfahren soll es, wie es kommt, daß man damals, als man den Senator P.Septimius unter der Prätur des Q^Hortensius wegen Erpressung verurteilt hatte, die Geldbuße mit der Begründung festsetzte, er habe fur einen Urteilsspruch Geld genommen". Wie? Daß man bei C.Herennius und C.Popilius, bei Senatoren, die beide wegen Unterschleifs, daß man bei M.Atilius, der wegen eines Staatsverbrechens verurteilt wurde, klar beweisen konnte, sie hätten für einen Urteilsspruch Geld genommen; daß sich, da C.Verres als Stadtprätor die Geschworenen ausloste, Senatoren fanden, die Uber den Angeklagten herfielen, um ihn ohne Kenntnis der Sachlage zu verurteilen ; daß sich sogar ein Senator fand, der als Richter in demselben Verfahren zuerst vom Angeklagten Geld nahm, damit er es unter die Richter ausstreue, und dann vom Ankläger, damit er den Angeklagten verurteile*4? Doch wie werde ich erst den Sturz, die Schande und den Niedergang des ganzen Standes beklagen: das sei in diesem Staate vorgekommen, daß, während der Senatorenstand die Gerichtsbarkeit ausübte, die Stimmen der Geschworenen mit verschiedenfarbigen Kennzeichen versehen wurden"? Ich verspreche euch: mit alledem will ich mich gründlich und unnachsichtig abgeben. Wie, glaubt ihr wohl, wird mir erst zumute sein, wenn ich feststellen muß, daß man in diesem Prozesse hier auf ähnliche Weise das Recht verletzt und mißachtet habe? Zumal ich ja durch viele Zeugen beweisen könnte, daß C. Verres in Sizilien vor zahlreichen Zuhörern oft genug erklärt hat : er habe eine mächtige Stütze, auf die er sich verlassen könne, wenn er die Provinz ausplündere; auch trachte er nicht nur fur sich nach Geld, er habe vielmehr die drei Jahre seiner sizilischen
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anni quaestum in rem s u a m c o n v e r t e r « , alterum patronis et defensoribus traderet, tertium ilium uberrimum quaestuosissimumque
annum
totum
iudicibus
reser-
varet. Ex quo mihi venit in m e n t e m illud dicere, q u o d apud M ' . Glabrionem nuper c u m in reiciundis iudicibus commemorassem intellexi vehementer p o p u l u m R o m a n u m commoveri, me arbitrari fore uti nationes exterae legatos ad p o p u l u m R o m a n u m mitterent, ut lex de pecuniis repetundis iudiciumque tolleretur; si enim iudicia nulla sint, tantum u n u m q u e m q u e a b l a t u r u m putant q u a n t u m sibi ac liberis suis satis esse arbitretur; nunc, q u o d eius m o d i iudicia sint, tantum u n u m q u e m q u e auferre quant u m sibi, patronis, advocatis, praetori, iudicibus satis f u t u r u m sit; hoc profecto infinitum esse; se avarissimi hominis cupiditati satis facere posse, nocentissimi victoriae non posse.
O c o m m e m o r a n d a iudicia praeclaramque existimationem nostri ordinis, c u m socii populi R o m a n i iudicia de pecuniis repetundis fieri nolunt, quae a maioribus nostris sociorum causa comparata sunt! A n iste u m q u a m de se b o n a m spem habuisset, nisi de vobis malam opinionem a n i m o imbibisset? Q u o maiore etiam, si fieri potest, apud vos o d i o esse debet q u a m est a p u d p o p u l u m R o m a n u m , c u m in avaritia, scelere, periurio vos sui similis esse arbitretur. C u i loco, per déos immortalis, iudices, consulite ac providete! M o n e o praedicoque id q u o d intellego, tempus hoc vobis divinitus d a t u m esse ut odio, invidia, infamia,
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Prätur soein geteilt, daß er sehr gut abzuschneiden glaube, wenn er den Gewinn des ersten Jahres für sich verwende, das zweite seinen Anwälten und Beschützern überlasse, das dritte jedoch, das reichste und ergiebigste, ganz für seine Richter aufspare. Dabei kommt mir in den Sinn, die Äußerung zu wiederholen, die ich neulich vor M'.Glabrio bei der Richterablehnung getan habe; denn ich sah, daß sie auf das römische Volk einen starken Eindruck machte. Ich könne mir denken, erklärte ich, daß die auswärtigen Nationen >* noch Gesandte an das römische Volk schicken würden, um die Abschaffung des Gesetzes und Gerichtshofs gegen Erpressungen zu erwirken. Wenn es nämlich keine Prozesse mehr gebe, dann werde, meinen sie, ein jeder nur so viel rauben, als er für sich und seine Kinder zu benötigen glaube; doch jetzt, da diese Prozesse bestünden, rafie ein jeder zusammen, was für ihn selbst, fur seine Anwälte und Rechtsbeistände, für den Prätor und die Richter ausreichen solle; da gebe es wahrhaftig keine Grenzen; sie vermöchten der Habsucht eines noch so großen Ausbeuters Genüge zu tun, nicht aber dem Siege eines noch so argen Missetäters. Welch bemerkenswerte Gerichtshöfe und welch herrlicher Ruf unseres Standes, wenn die Bundesgenossen des römischen Volkes keine Prozesse gegen Erpressungen mehr haben wollen, die doch von unseren Vorfahren der Bundesgenossen wegen eingeführt worden sind! Hätte Verres je gute Aussichten für sich erhofft, wenn er nicht, was euch betrifft, von einer schlechten Meinung durchdrungen wäre? Um so mehr muß er - wenn das noch möglich ist - bei euch verhaßt sein als beim römischen Volke, hält er euch doch für ebenso habgierig, skrupellos und eidbrüchig wie sich selbst. Dieser Lage, bei den unsterblichen Göttern, ihr Richter, wendet eure Einsicht und Vorsorge zu! Ich schärfe euch ein und mache kund, was für mich feststeht: göttliche Fügung
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turpitudine totum ordinem liberetis. Nulla in iudiciis severitas, nulla religio, nulla denique iam existimantur esse iudicia. Itaque a populo R o m a n o contemnimur, despicimur; gravi diuturnaque iam flagramus infamia.
Ñeque enim ullam aliam ob causam populus Romanus tribuniciam potestatem tanto studio requisivit; quam cum poscebat, verbo illam poscere videbatur, re vera iudicia poscebat. Neque hoc Q . C a t u l u m ,
hominem
sapientissimum atque amplissimum, fugit, qui C n . Pompeio, viro fortissimo et clarissimo, de tribunicia potestate referente cum esset sententiam rogatus, hoc initio est summa cum auctoritate usus, patres conscriptos iudicia male et flagitiose tueri; quodsi in rebus iudicandis populi Romani existimationi satis facere voluissent, non tanto opere homines fuisse tribuniciam potestatem desiderátums. Ipse denique C n . Pompeius cum primum contionem ad urbem consul designatus habuit, ubi, id quod maxime exspectari videbatur, ostendit se tribuniciam potestatem restituturum, factus est in eo strepitus et grata contionis admurmuratio. Idem in eadem contione cum dixisset populatas vexatasque esse provincias,
iudicia
autem turpia ac flagitiosa fieri; ei rei se providere ac consulere velie; tum vero non strepitu, sed máximo clamore suam populus Romanus significavit voluntatem.
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hat cuch jetzt Gelegenheit gegeben, den ganzen Stand von Haß, Anfeindung, schlechtem Leumund und Schande zu befreien. Man glaubt bei den Gerichten an keine Strenge, keine Skrupel mehr, ja nicht einmal, daß sie noch Gerichte sind. Deshalb werden w i r " vom römischen Volk verachtet und geringgeschätzt, und auf uns lastet schwere, lang schon dauernde Schmach. Denn aus keinem anderen Grunde hat das römische Volk mit solcher Heftigkeit die tribunizische Gewalt zurückverlangt; als es sie forderte, schien es dem Wortlaut nach sie selbst zu fordern, doch forderte es in Wahrheit die Gerichtsbarkeit. Das entging auch dem Scharfblick des erlauchten Q¿Catulus nicht; als unser tatkräftiger und hochberühmter Cn.Pompeius die Frage der tribunizischen Gewalt vor den Senat brachte und Catulus gebeten wurde, seine Meinung zu äußem, da ließ er gleich zu Anfang die folgenden höchst bedeutsamen Worte vernehmen : es sei ärgerlich und schandbar, wie die versammelten Väter die Gerichtsbarkeit ausübten; wären sie bereit gewesen, bei ihren Urteilssprüchen den Erwartungen des römischen Volkes Genüge zu tun, dann hätten die Leute nicht so lebhaft die tribunizische Gewalt vermißt1*. Als schließlich Cn.Pompeius selbst in der ersten Versammlung, die er, der künftige Konsul, vor den Toren der Stadt abhielt1*, das ankündigte, was man am meisten von ihm zu erwarten schien, die Wiedereinsetzung der tribunizischen Gewalt, da erhob sich unter den Teilnehmern ein Raunen und beifälliges Gemurmel. Doch als er erst in derselben Versammlung erklärte, man habe die Provinzen ausgeplündert und schwer heimgesucht, das Gerichtswesen werde schändlich und schmachvoll verwaltet, für diesen Mißstand wolle er Rat und Abhilfe schaffen, da bekundete das römische Volk nicht durch ein Raunen, sondern durch lautes Geschrei seine Zustimmung.
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N u n c autem homines in speculis sunt; observant quem
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ad m o d u m sese unus quisque nostrum gerat in retinenda religione conservandisque legibus. Vident adhuc post legem tribuniciam u n u m senatorem vel tenuissimum esse damnatum;
quod tametsi non reprehendunt,
tamen
magno opere quod laudent non habent; nulla est enim laus ibi esse integrum ubi nemo est qui aut possit aut conetur corrumpere. H o c est iudicium in quo vos de reo, populus Romanus
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de vobis iudicabit; in hoc homine statuetur, possitne senatoribus iudicantibus homo nocentissimus pecuniosissimusque damnari. Deinde est eius modi reus in quo homine nihil sit praeter summa peccata maximamque pecuniam, ut, si liberatus sit, nulla alia suspicio nisi ea quae turpissima est residere possit; non gratia, non cognatione, non aliis recte factis, non denique aliquo mediocri vitio tot tantaque eius vitia sublevata esse videbuntur. Postremo ego causam sic agam, iudices, eius
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modi res, ita notas, ita testatas, ita magnas, ita manifestas proferam, ut nemo a vobis ut istum absolvatis per gratiam conetur contendere. Habeo autem certam viam atque rationem qua omnis illorum conatus investigare et consequi possim; ita res a me agetur ut in eorum consiliis omnibus non m o d o aures hominum, sed etiam oculi populi Romani interesse videantur.
Vos aliquot iam per annos conceptam huic ordini
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turpitudinem atque infamiam delere ac tollere potestis. Constat inter omnis post haec constituta iudicia, quibus
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Jetzt aber steht man auf der Lauer; man gibt acht, wie sich ein jeder von uns aufführt, wie er seinen Eid befolgt und die Gesetze handhabt. Man sieht, daß bisher, seit Erlaß des tribunizischen Gesetzes ein einziger, ganz unbedeutender Senator verurteilt worden ist. Das tadelt man zwar nicht, doch hat man auch nicht sonderlich Ursache, es zu loben. Es ist ja nichts Lobenswertes, da uneigennützig zu sein, wo sich niemand findet, der zu bestechen vermöchte oder Anstalten dazu machte. Doch dies ist ein Prozeß, in dem ibr über den Angeklagten, das römische Volk über euch zu Gericht sitzt. Bei diesem Menschen wird sich zeigen, ob es möglich ist, daß ein ebenso schuldiger wie reicher Mann von senatorischen Richtern verurteilt wird. Überdies handelt es sich um einen Angeklagten, der nichts aufzuweisen hat als schwerste Verfehlungen und sehr viel Geld; geht er also frei aus, so kann sich kein anderer Verdacht festsetzen als der allerschimpflichste : nicht Ansehen, nicht Verwandtschaft, nicht anderweitige, rechtmäßige Handlungen, ja nicht einmal ein nur gewöhnlicher Fehler wird als Ausgleich für so viele und so schwere Verbrechen gelten. Schließlich werde ich meine Sache so fuhren, ihr Richter: ich werde solche Tatsachen vorbringen, die so bekannt, so gut bezeugt, so erheblich und so offenkundig sind, daß niemand versuchen soll, durch seinen Einfluß die Freisprechung des Verres von euch zu erwirken. Ich habe auch sichere Mittel und Wege, alle Versuche dieser Leute aufzudecken und zu fassen; ich werde so vorgehen, daß nicht nur die Ohren der Zuhörer, sondern gleichsam auch die Augen des ganzen römischen Volkes Zeugen aller ihrer Anschläge sind. Es liegt in eurer Macht, die Schmach und Schande, mit der dieser Stand schon seit einigen Jahren behaftet ist, zu tilgen und aus der Welt zu schaffen. Man ist allgemein überzeugt,
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PRIMA
nunc utimur, nullum hoc splendore atque hac dignitate consilium fuisse. Hic si quid erit offensum, o m n e s homines non iam ex eodem ordine alios magis idoneos, q u o d fieri non potest, sed alium o m n i n o ordinem ad res iudicandas quaerendum arbitrabuntur. Q u a p r o p t e r primum ab dis immortalibus, q u o d sperare mihi videor, hoc idem, iudices, opto, ut in hoc iudicio nemo improbus praeter e u m qui iam pridem inventus est reperiatur; deinde, si plures improbi fuerint, hoc vobis, hoc populo R o m a n o , iudices, confirmo, vitam mehercule mihi prius q u a m vim perseverantiamque ad illorum improbitatem persequendam defuturam. Verum q u o d ego laboribus periculis
inimicitiisque
meis tum cum admissum erit dedecus severe me persec u t u r u m esse polliceor, id ne accidat tu tua auctoritate, sapientia, diligentia, M ' . Glabrio, potes providere. Suscipe causam iudiciorum; suscipe causam severitatis, integritatis, fidei, religionis; suscipe causam senatus, ut is hoc iudicio probatus c u m populo R o m a n o et in laude et in gratia esse possit. Cogita, qui sis, q u o loco sis, quid dare populo R o m a n o , quid reddere maioribus tuis debeas; fac tibi paternae legis Aciliae veniat in mentem, q u a lege populus R o m a n u s de pecuniis repetundis optimis iudiciis severissimisque iudicibus usus est. Circumstant te summae auctoritates, quae te oblivisci laudis domesticae non sinant, quae te dies noctesque c o m m o n e a n t fortissimum tibi patrem, sapientissimum avum, gravissimum socerum
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daß seit Einführung der Gerichtshöfe, die wir jetzt haben, kein Richterrat von so viel Glanz und Ansehen umgeben war. Kommt es hier zu einem Ärgernis, so wird jedermann der Meinung sein, daß man nicht mehr besser Geeignete aus demselben Stande - was unmöglich ist - , sondern überhaupt einen anderen Stand mit der Rechtspflege betrauen müsse 41 . Deshalb, ihr Richter, erflehe ich mir von den unsterblichen Göttern vor allem das, was ich auch erwarten zu dürfen glaube : Möge sich in diesem Prozeß leein Schuft finden außer dem einen, der schon längst entlarvt ist! Und weiter: wenn mehrere Schufte da sind, so versichere ich euch und dem römischen Volke, ihr Richter, daß mir wahrhaftig eher das Leben ausgehen wird als die Zähigkeit und Kraft, diese Schufte zu verfolgen. Doch wie ich diese Schandtat, falls sie begangen wird, unter Mühen, Gefahren und Anfeindungen unnachsichtig zu verfolgen gelobe, so kannst du, M \ Glabrio, durch dein Ansehen, deine Weisheit und Achtsamkeit dafür sorgen, daß es gar nicht erst hierzu kommt. Mach dich zum Anwalt der Gerichte; mach dich zum Anwalt der Strenge, der Lauterkeit, der Pflichttreue und der Gewissenhaftigkeit; mach dich zum Anwalt des Senates, daß er, in diesem Prozeß sich bewährend, beim römischen Volke wieder zu Ansehen und Gunst gelangen kann. Bedenke, wer du bist, an welcher Stelle du stehst, was du dem römischen Volke zu geben, was du deinen Vorfahren abzustatten verpflichtet bist; rufe dir das Gesetz deines Vaters, das Acilische, ins Gedächtnis, das dem römischen Volke die besten Gerichte und die strengsten Richter über Erpressungen verschafft hat 4 1 . Du bist von erlauchten Vorbildern umgeben, die dich den Ruhm deiner Familie nicht vergessen lassen, die dich Tag und Nacht daran erinnern, daß du einen ungemein tatkräftigen Vater, einen überaus scharfblickenden Großvater, einen zäh an seinen
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IN C . V E R R E M
ACTIO
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fuisse. Quare si Glabrionis patris vim et acrimoniam ceperis ad resistendum hominibus audacissimis, si avi Scaevolae prudentiam ad prospiciendas insidias quae tuae atque horum famae comparantur, si soceri Scauri constantiam, ut ne quis te de vera et certa possit sententia demovere, intelleget populus Romanus integerrimo atque honestissimo praetore delectoque Consilio nocenti reo magnitudinem pecuniae plus habuisse momenti ad suspicionem criminis quam ad rationem salutis.
Mihi certum est non committere ut in hac causa praetor nobis consiliumque mutetur. N o n patiar rem in id tempus adduci ut quos adhuc servi designatorum consilium non moverunt, cum eos novo exemplo universos arcesserent, eos tum lictores consulum vocent; ut homines miseri, antea socii atque amici populi Romani, nunc servi ac supplices, non modo ius suum fortunasque omnis eorum imperio amittant, verum etiam deplorandi iuris sui potestatem non habeant. N o n sinam profecto causa a me perorata, quadraginta diebus interpositis, tum nobis denique responder! cum accusatio nostra in oblivionem diuturnitatis adducta sit. N o n committam ut tum haec res iudicetur, cum haec frequentia totius Italiae Roma discesserit, quae convenit uno tempore undique
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Grandsätzen festhaltenden Schwiegervater hattest. Gebrauche also die Tatkraft und Entschiedenheit deines Vaters Glabrio, dich gegen die verwegensten Gesellen zu behaupten, den Scharfblick deines Großvaters Scaevola, die Nachstellungen zu durchschauen, die deinem und dem Rufe dieser Männer hier bereitet werden, und die Sündhaftigkeit deines Schwiegervaters Scaurus, daß niemand dich von deiner wahren und begründeten Überzeugung abbringen kann 41 dann wird das römische Volk erkennen, daß vor einem unbestechlichen und ehrenhaften Prätor und vor einem auserwählten Gerichtshof die reichen Geldmittel eines strafwürdigen Angeklagten mehr zum Schuldverdacht beigetragen haben als zur Aussicht auf Rettung. Ich bin entschlossen, nicht zuzulassen, daß wir in diesem Prozeß einen anderen Prätor und andere Geschworene erhalten. Ich werde nicht dulden, daß man die Sache verschleppt, bis die Leute, die sich bislang von den Bediensteten der künftigen Konsuln nicht haben einschüchtern lassen, als man sie - eine unerhörte Maßnahme - allesamt in einem vorlud, demnächst von den Bütteln der amtierenden Konsuln geholt werden; bis die Beklagenswerten, einst Bundesgenossen und Freunde des römischen Volkes, jetzt Sklaven und Schutzflehende, durch die Machtstellung der Gegner nicht nur ihr Recht und ihr ganzes Vermögen einbüßen, sondern selbst um die Möglichkeit gebracht werden, den Verlust ihres Rechts zu beweinen. Ich werde mich entschieden dagegen wehren, daß man mir nach Beendigung meines Plädoyers erst nach einem Aufschub von vierzig Tagen antwortet, wenn meine Anklage durch die Länge der Zeit bereits der Vergessenheit anheimgefallen ist. Ich werde nicht zugeben, daß es in diesem Prozeß erst dann zur Entscheidung kommt, wenn die zahlreichen Bürger aus ganz Italien Rom wieder verlassen haben, die jetzt der Wahlen, der Spiele und
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IN C . V E R R E M
ACTIO
PRIMA
comitiorum ludorum censendique causa. Huius iudici ec laudis fructum et offensionis periculum vestrum, laborem sollicitudinemque nostrani, scicntiam quid agatur, memoriamque quid a quoque dictum sit, omnium puto esse oportere. Faciam hoc non novum, sed ab iis qui nunc principes nostrae civitatis sunt ante factum, ut testibus utar statim: illud a me novum, iudices, cognoscetis, quod ita testis constituam ut crimen totum explicem, ubi id argumentis atque oratione firmavero, tum testis ad crimen adc o m m o d e m , ut nihil inter illam usitatam accusationem atque hanc novam intersit, nisi quod in ilia tum cum omnia dicta sunt testes dantur, hie in singulas res dabuntur, ut illis quoque eadem interrogandi facultas argumentandi dicendique sit. Si quis erit qui perpetuam orationem accusationemque desideret, altera actione audiet; nunc id quod facimus - ea ratione, ut malitiae illorum Consilio nostro occurramus - necessario fieri intellegat.
Haec primae actionis erit accusatio. Dicimus C . Verrem, cum multa libidinose, multa crudeliter in civis Romanos atque socios, multa in deos hominesque nefarie fecerit, tum praeterea quadringentiens sestertium ex Sicilia contra leges abstulisse. H o c testibus, hoc tabulis
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C.
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der Vermögensschätzung wegen 44 gleichzeitig von überallher zusammengeströmt sind. In diesem Prozeß muß nach meiner Meinung die Aussicht auf Ruhm und die Gefahr eines Ärgernisses euch, die Sorge und Mühewaltung mir, die Kenntnis dessen, was verhandelt wird, und die Erinnerung an das, was ein jeder gesagt hat, der Allgemeinheit zufallen. Ich werde kein neues Verfahren anwenden, sondern tun, was diejenigen, die jetzt die ersten Männer in unserem Staate sind, schon früher getan haben : ich werde sofort die Zeugen aufrufen. Doch eine Neuerung, ihr Richter, werdet ihr bei mir bemerken : ich will die Zeugen so auftreten lassen, daß ich die Anklage Punkt für Punkt ausbreiten kann. Sobald ich einen Vorwurf durch Erläuterungen und zusammenfassende Worte umschrieben habe, ziehe ich jeweils die hierfür maßgeblichen Zeugen heran. Zwischen der üblichen Art der Anklage und dieser neuen besteht somit nur ein Unterschied: dort werden die Zeugen erst aufgerufen, wenn der ganze StofFin Vorträgen behandelt ist; hier aber werden sie zu den einzelnen Punkten aufgerufen, mit der Maßgabe, daß auch die Gegenseite in gleicher Weise die Möglichkeit hat, Fragen zu stellen, Schlüsse zu ziehen und sich auszusprechen. Sollte jemand eine zusammenhängende Anklagerede vermissen: er wird sie in der zweiten Verhandlung hören ; er muß einsehen, daß unser jetziges Vorgehen, das die Tücke der Gegner durch eine wohlüberlegte Maßnahme zunichte machen soll, aus barer Notwendigkeit entspringt. Die Anklage in dieser ersten Verhandlung lautet folgendermaßen. Wir behaupten: C.Verres hat nicht nur viele willkürliche, viele grausame Handlungen gegen römische Bürger und gegen Bundesgenossen sowie viele Freveltaten gegen Götter und Menschen verübt; er hat überdies vierzig Millionen Sesterzen widerrechtlich aus Sizilien erpreßt. Das werden wir durch Zeugen, durch private Aufzeichnungen und öffent-
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IN C . V E R R E M
ACTIO
PRIMA
privatis publicisque auctoritatibus ita vobis p l a n u m faciemus ut h o c scatuatis, etiamsi spatium ad d i c e n d u m nostro c o m m o d o vacuosque dies habuissemus,
tarnen
oratione longa nihil opus fuisse. D i x i .
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C. VERRES
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liehe Urkunden so zwingend beweisen, daß ihr feststellen müßt: es hätte selbst dann, wenn wir zur Genüge über Redezeit und freie Tage geboten hätten, keines ausführlichen Vortrages bedurft. Ich habe gesprochen.
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A C T IΟ Ν I S IN C . V E R R E M LIBER
SECUNDAE
PRIMUS
DE P R A E T U R A
URBANA
Neminem vestrum ignorare arbitrar, iudices, h u n c per hosce dies sermonem vulgi atque hanc opinionem populi Romani fuisse, C.Verrem altera actione responsurum non esse neque ad iudicium a d f u t u r u m . Q u a e fama non idcirco solum emanarat quod iste certe statuerat ac deliberaverat non adesse, verum etiam quod nemo quemquam tam audacem, tam amentem, tarn impudentem fore arbitrabatur qui tam nefariis criminibus, tam multis testibus convictus ora iudicum aspicere aut os suum populo Romano ostendere auderet. Est idem Verres qui fuit semper, ut ad audendum proiectus, sic paratus ad audiendum. Praesto est, respond«, defenditur; ne hoc quidem sibi reliqui facit ut, in rebus turpissimis cum manifesto teneatur, si reticeat et absit, tamen impudentiae suae pudentem exitum quaesisse videatur.
Patior, iudices, et non moleste fero me laboris mei, vos virtutis vestrae fructum esse laturos. Nam si iste id fecisset quod prius statuerai, ut non adesset, minus aliquanto quam mihi opus esset cognosceretur quid ego in hac accusatione comparanda constituendaque elaborassem; vestra vero laus tenuis plane atque obscura, iudices, esset. Neque enim hoc a vobis populus Romanus exspectat neque eo potest esse contentus, si condemnatus sit is qui adesse noluerit, et si fortes fueritis in eo quem n e m o sit ausus defendere. I m m o vero adsit, respondeat; summis
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Z W E I T E REDE G E G E N C. VERRES ERSTES BUCH Keinem von euch ist, glaube ich, unbekannt, ihr Richter, daß in den letzten Tagen allgemein die Rede ging und das römische Volk der Meinung war, C Venes werde sich in der zweiten Verhandlung nicht verantworten und nicht vor Gericht erscheinen. Diese Kunde hatte sich nicht nur deshalb verbreitet, weil sich Verres fest entschlossen und entschieden hatte, nicht zu erscheinen, sondern auch, weil kein Mensch glaubte, jemand werde so dreist, so wahnwitzig, so unverschämt sein, daß er, so scheußlicher Verbrechen durch so viele Zeugen überfuhrt, es wagen würde, den Richtern ins Antlitz zu blikken oder dem römischen Volk seine Stime zu zeigen. Noch ist Verres derselbe, der er stets gewesen, ebenso anmaßend zu wagen wie entschlossen, sich alles sagen zu lassen. Er ist zugegen; er verantwortet, er verteidigt sich; er nimmt nicht einmal die Möglichkeit wahr, da er doch handgreiflich der schändlichsten Dinge Uberführt ist, wenigstens den Anschein zu erwecken, als habe er durch Schweigen und Wegbleiben seine Ehrlosigkeit ehrenhaft zu beenden versucht. Ich lasse es mir gefallen, ihr Richter, und sehe es nicht ungern, daß ich für meine Mühe, ibr für eure RechtschafTenheit den Lohn davontragt. Denn wenn er seinen früheren Entschluß, nicht zu erscheinen, ausgeführt hätte, dann könnte man nicht so deutlich, wie mir dienlich ist, erkennen, welche Mühe es mich gekostet hat, diese Anklage vorzubereiten und zu begründen, und euer Verdienst, ihr Richter, bliebe erst recht geringfügig und unansehnlich. Denn nicht dies erwartet das römische Volk von euch, und nicht damit kann es sich zufrieden geben, daß jemand, der nicht hat erscheinen wollen, verurteilt wird und daß ihr euren Mut an dem beweist, den niemand zu verteidigen gewagt hat. Nein, er sei vielmehr zu-
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ACTIONIS
IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.I
opibus, s u m m o studio potentissimorum h o m i n u m defendatur; certet mea diligencia cum illorum o m n i u m cupiditace, vestra integritas cum illius pecunia, testium c o n stantia cum illius patronorum minis atque potentia: tum d e m u m ilia o m n i a vieta videbuntur c u m in c o n t e n t i o nem certamenque venerint. Absens si esset iste damnatus, non tarn sibi consuluisse quam invidisse vestrae laudi videretur.
N e q u e enim salus ulla rei publicae maior h o c tempore reperiri potest q u a m populum R o m a n u m intellegere, diligenter reiectis ab accusatore iudicibus, socios, leges, rem publicam senatorio Consilio m á x i m o posse defendi; neque tanta fortunis o m n i u m pernicies ulla potest accidere quam opinione populi R o m a n i rationem veritatis, integritatis, fidei, religionis ab h o c ordine abiudicari. Itaque mihi videor, iudices, magnam et m a x i m e aegram et prope depositam rei publicae partem suscepisse, neque in eo magis meae q u a m vestrae laudi existimationique servisse. Accessi enim ad invidiam iudiciorum levandam vituperationemque
tollendam,
ut, c u m
haec res pro
volúntate populi R o m a n i esset iudicata, aliqua ex parte mea diligentia constituta auetoritas iudiciorum videretur, postremo ut esset h o c iudicatum, ut finis aliquando iudiciariae controversiae constitueretur. Etenim sine dubio, iudices, in hac causa ea res in discrimen adducitur.
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REDE GEGEN
C. V E R R E S ,
I.BUCH
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gegen, er antworte, er biete zu seiner Verteidigung den größten Einfluß, den größten Eifer der mächtigsten Leute auf; meine Gewissenhaftigkeit soll mit ihrer aller Eigennutz, eure Lauterkeit mit dem Gelde des Verres, die feste Haltung der Zeugen mit den Drohungen und der Macht seiner Anwälte in den Kampf eintreten: erst dann werden diese Kräfte für überwunden gelten, wenn sie sich dem Streit und der Auseinandersetzung haben stellen müssen; wäre er abwesend verurteilt worden, dann würde man denken, daß er nicht so sehr für sich selbst gesorgt als euch aus Mißgunst um euer Verdienst gebracht habe. Denn einerseits läßt sich zur Zeit kein größerer Vorteil für den Staat ausfindig machen, als daß das römische Volk erkennt, ein senatorischer Gerichtshof vermöge, wenn nur der Ankläger bei der Ablehnung der Richter mit Sorgfalt vorgeht, die Bundesgenossen, die Gesetze und die öffentlichen Angelegenheiten am allerbesten zu schützen'. Andererseits könnte dem allgemeinen Wohle kein größeres Unheil zustoßen, als daß die Meinung des römischen Volkes diesem Stande keine Rücksicht auf Wahrheit, Lauterkeit, Pflichttreue, Gewissenhaftigkeit mehr zutraut. Ich bin daher Uberzeugt, ihr Richter: ich habe mich eines wichtigen und schwer erkrankten und fast schon aufgegebenen Zweiges der Staatsverwaltung angenommen und hierbei ebensosehr für euer Verdienst und Ansehen gesorgt wie für mein eigenes. Denn ich habe es unternommen, den schlechten Ruf der Gerichte zu beseitigen und die verbreiteten Vorwürfe zu entkräften; wenn dieser Fall nach dem Wunsche des römischen Volkes entschieden wird, dann soll es heißen, das Ansehen der Gerichte gründe sich zu einem guten Teil auf meine Sorgfalt; schließlich soll, wie immer die Entscheidung ausfällt, dem Streit um die Gerichte endlich Einhalt geboten werden. Denn ohne Zweifel, ihr Richter: es geht in unserem Prozeß auch um diese Angelegenheit. Der Angeklagte
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A C T Ι Ο Ν IS I N
C.VERREM
SECUNDAE
LIB.I
Reus est enim nocentissimus; qui si condemnatur, desinent homines dicere his iudiciis pecuniam plurimum posse; sin absolvitur, desinemus nos de iudiciis transferendis recusare. Tametsi de absolutione istius ñeque ipse iam sperat nec populus Romanus metuit: de impudentia singulari, quod adesr, quod respondet, sunt qui mirentur. Mihi pro cetera eius audacia atque amentia ne hoc quidem m i rarid u m videtur; multa enim et in deos et in homines impie nefarieque commisit, q u o r u m scelerum poenis agitaturet a mente consilioque deducitur. Agunt eum praecipitem poenae civium R o m a n o r u m , quos partim securi percussit, partim in vinculis necavit, partim implorantis iura libertatis et civitatis in crucem sustulit. Rapiunt eum ad supplicium di patrii, quod iste inventus est qui e complexu parentum abreptos filios ad necem duceret, et parentis pretium pro sepultura liberum posceret. Religiones vero caerimoniaeque o m n i u m sacrorum fan o r u m q u e violatae, simulacraque deorum, quae non m o d o ex suis templis ablata sunt sed etiam iacent in tenebris ab isto retrusa atque abdita, consistere eius anim u m sine furore atque amentia non sinunt. Neque iste mihi videtur se ad d a m n a t i o n e m solum offerre, neque hoc avaritiae supplicio c o m m u n i , qui se tot sceleribus obstrinxerit, contentus esse: singularem quandam poenam istius immanis atque i m p o r t u n a natura desiderat. N o n id solum quaeritur ut isto d a m n a t o bona restituantur iis quibus erepta sunt, sed et religiones deorum im-
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C . VERRES,
I.BUCH
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ist ja in höchstem Grade schuldig. Wird er verurteilt, so können die Leute nicht mehr sagen, daß in diesen Gerichten das Geld allmächtig sei ; wird er freigesprochen, so können wir uns nicht mehr widersetzen, daß man die Gerichte auf einen anderen Stand überträgt. Indes, auf seine Freisprechung hofft er schon selbst nicht mehr, noch fürchtet sie das römische Volk; nur seine beispiellose Unverschämtheit, daß er erscheint, daß er sich verantwortet, setzt manch einen in Erstaunen. Mir kommt bei seiner übrigen Frechheit und Hemmungslosigkeit nicht einmal das erstaunlich vor. Denn er hat viele verwerfliche und ruchlose Taten gegen Götter und Menschen begangen, und die Rachegeister seiner Verbrechen verfolgen ihn und rauben ihm alle Besinnung und Vernunft. Ihn treiben die Rachegeister jener römischen Bürger dem Abgrund zu, die er teils mit dem Beile hinrichten, teils im Kerker töten, teils trotz ihrer Berufung auf die Rechte der Bürgerfreiheit ans Kreuz schlagen ließ. Ihn zerren die Hausgötter zum Richtplatz, ist doch erwiesen, daß er Söhne aus den Armen der Eltern gerissen und zum Tode geführt und von den Eltern Lösegeld fur das Begräbnis der Kinder gefordert hat. Auch die geschändeten Götterdienste und festlichen Bräuche aller Heiligtümer und geweihten Stätten und die Götterbilder, die nicht nur aus ihren Tempeln entfernt wurden, sondern gar, von ihm beseitigt und versteckt, in finsteren Winkeln umherliegen, gönnen seinem Geiste keine Ruhe vor Raserei und Wahnsinn1. Dieser Mensch, der sich so vieler Verbrechen schuldig gemacht hat, bietet sich, scheint mir, nicht nur zur Verurteilung an, noch begnügt er sich mit der gewöhnlichen Strafe der Habgier: seine unmenschliche und abscheuliche Wesensart erheischt eine ganz besondere Strafe. Es handelt sich nicht allein darum, durch seine Verurteilung den Beraubten ihr Hab und Gut zurückzuerstatten; vielmehr müssen mit seiner Bestrafung die Heilig-
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A C T I O N I S IN C . V E R R E M S E C U N D A E
LIB.l
mortalium expiandae et civium Romanorum cruciacus multorumque innocentium sanguis iscius supplicio luendus est. Non enim furem sed ereptorem, non adulterum sed expugnatorem pudicitiae, non sacrilegum sed hostem sacrorum religionumque, non sicarium sed crudelissimum carnificem civium sociorumque in vestrum iudicium adduximus, ut ego hunc unum eis modi reum post hominum memoriam fuisse arbitrer cui damnari expedir«. N a m quis hoc non intellegit, istum absolutum dis hominibusque invitis tamen ex manibus populi Romani eripi nullo modo posse? Q u i s hoc non perspicit, praeclare nobiscum actum iri si populus Romanus istius unius supplicio contentus fuerit, ac non sic statuent, non istum maius in sese scelus concepisse - cum fana spoliarit, cum tot homines innocentis necarit, cum civis Romanos morte, cruciatu, cruce adfecerit, cum praedonum duces accepta pecunia dimiserit - quam eos, si qui istum tot tantis tam nefariis sceleribus coopertum iurati sententia sua liberarint? Non est, non est in hoc homine cuiquam peccandi locus, iudices; non is est reus, non id tempus, non id consilium, (metuo ne quid adrogantius apud talis viros videar dicere:) ne actor quidem est is cui reus tam nocens, tam perditus, tam convictus aut occulte subripi aut impune eripi possit.
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His ego iudicibus non probabo C . Verrem contra leges pecuniam cepisse? Sustinebunt tales viri se tot senatoribus, tot equitibus Romanis, tot civitatibus, tot homini-
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C. VERRES,
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tümer der unsterblichen Götter entsühnt und die Qualen römischer Bürger und das Blut vieler Unschuldiger geahndet werden. Denn keinen Dieb, sondern einen Räuber, keinen Ehebrecher, sondern einen gewalttätigen Frauenschänder, keinen Tempelräuber, sondern einen Feind der Heiligtümer und Gottesdienste, keinen Mörder, sondern den grausamsten Henker der Bürger und Bundesgenossen haben wir vor euer Gericht geführt, so daß dies, wie ich glaube, seit Menschengedenken der einzige Angeklagte ist, dem euer Schuldurteil noch Vorteil bringt. Denn wer sieht nicht ein, daß Verres sich, gesetzt, er würde wider den Willen der Götter und Menschen freigesprochen, gleichwohl auf keine Weise der Gewalt des römischen Volkes zu entziehen vermöchte 1 ? Wem ist nicht klar, daß es sehr gut mit uns steht, wenn das römische Volk sich mit der Bestrafung dieses einen begnügen kann und nicht zu folgender Feststellung genötigt wird: wer Heiligtümer geplündert, wer so viele unschuldige Menschen ermordet, wer römische Bürger getötet, gemartert, gekreuzigt, wer Räuberhauptleute fur Geld freigelassen habe4, der sei keines größeren Verbrechens schuldig als diejenigen, die ihn, den mit so vielen und so scheußlichen Verbrechen Beladenen, als Geschworene mit ihrer Stimme freisprachen? Unmöglich, unmöglich, ihr Richter, daß jemand fur diesen Menschen einen Frevel begeht; nicht der Angeklagte, nicht der Zeitpunkt, nicht der Gerichtshof und - ich fürchte, ein wenig anmaßend zu erscheinen, wenn ich es vor solchen Männern ausspreche - nicht einmal der Ankläger ist von der Art, daß ihm ein so schuldiger, so verworfener, so belasteter Übeltäter heimlich entzogen oder durch einen Freispruch entrissen werden könnte. Ich sollte diesen Richtern nicht beweisen können, daß sich C. Verres gesetzwidrig Geld angeeignet hat ? Werden solche Männer es über sich bringen, einer so großen Zahl von Sena-
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ACT IΟ Ν I S IN C.VERREM SECLNDAE LIB.I
bus honcstissimis ex tam inlustri provincia, cot populorum privatorumque litteris non credidisse, tantae populi Romani voluntati rcstitisse? Sustineant: reperiemus, si istum vivum ad aliud iudicium perducere poterimus, quibus probemus istum in quaestura pecuniam publicam C n . Carboni consuli datam avertisse, quibus persuadeamus istum alieno nomine a quaestoribus urbanis, quod priore actione didicistis, pecuniam abstulisse; erunt qui et in eo quoque audaciam eius reprehendant, quod aliquot nominibus de capite q u a n t u m c o m m o d u m fuerit frumenti decumani detraxerit; erunt etiam fonasse, iudices, qui ilium eius peculatum vel acerrime vindicandum putent, quod iste M . Marcelli et P. Africani monumenta, quae nomine illorum, re vera populi Romani et erant et habebantur, ex fanis religiosissimis et ex urbibus socio r u m atque amicorum non dubitarit auferre.
Emerserit ex peculatus etiam iudicio: meditetur de ducibus hostium quos accepta pecunia liberavit, videat quid de illis respondeat quos in eorum locum subditos domi suae reservavit, quaerat non solum quem ad m o d u m nostro crimini, verum etiam quo pacto suae confessioni possit mederi, meminerit se priore actione, clamore populi Romani infesto atque inimico excitatum, confessum esse duces praedonum a se securi non esse percussos, se iam t u m esse veritum ne sibi crimini daretur eos
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C. VERRES,
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torcn, von römischen Rittern, von Gemeinden, von hochangesehenen Leuten aus einer so berühmten Provinz, von amtlichen und privaten Briefen keinen Glauben zu schenken, sich einem so entschiedenen Verlangen des römischen Volkes zu widersetzen? Sie mögen es über sich bringen; wir werden, wenn es uns gelingt, Verres lebend vor ein anderes Gericht zu stellen, Richter finden, denen wir glaubhaft machen, der Mann habe während seiner Quästur öffentliche Gelder unterschlagen, die dem Konsul Cn. Carbo zur Verfügung standen, die wir überzeugen, der Mann habe sich unter falschem Verwände von den Stadtquästoren Geld auszahlen lassen, wie ihr schon in der ersten Verhandlung erfahren habt. Manch einer wird seine Frechheit auch darin für verwerflich halten, daß er unter verschiedenen Titeln von dem Kaufpreis für das Zehntgetreide abzog, wieviel ihm beliebte. Außerdem werden wohl einige die Unterschlagung der schärfsten Strafe fur wert erachten, ihr Richter, daß er die Denkmäler des M. Marcellus und P. Africanus, die dem Namen nach von diesen Männern, in Wahrheit aber vom römischen Volke stammten und entsprechend gewürdigt wurden, ohne Bedenken aus den heiligsten Tempeln und aus den Städten unserer Verbündeten und Freunde wegnahm 5 . Doch er mag sich auch der Verurteilung wegen Unterschleifs entwinden; dann erinnere er sich der feindlichen Anführer, die er für Geld freiließ; er sehe zu, wie er sich wegen derer verantwortet, die er an ihrer Stelle untergeschoben und in seinem Hause zurückgehalten hat; er frage sich nicht nur, wie er gegen unseren Vorwurf, sondern auch, auf welche Weise er gegen sein eigenes Geständnis Abhilfe schaffen kann; er denke daran, wie er in der vorigen Verhandlung, von dem drohenden und feindseligen Geschrei des römischen Volkes eingeschüchtert, bekannte, er habe die Anführer von Räuberbanden nicht hingerichtet und schon damals befürchtet, man
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A C T I O Ν IS IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.I
ab se pecunia libéralos; fateatur, id quod negari non potest, se privatum hominem praedonum duces vivos atque incolumis domi suae, posteaquam R o m a m redierit, usque dum per me licuerit retinuisse. H o c in ilio maiestatis iudicio si licuisse sibi ostenderit, ego oportuisse concedam.
E x hoc quoque evaserit: proficiscar eo quo me iam pridem vocat populus Romanus; de iure enim libertatis et
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civitatis suum putat esse iudicium, et recte putat. C o n fringat iste sane vi sua Consilia senatoria, quaestiones o m n i u m perrumpat, evolet ex vestra severitate: mihi crédité, artioribus apud populum R o m a n u m laqueis tenebitur. Credet his equitibus Romanis populus Romanus qui ad vos ante producti testes ipsis inspectantibus ab isto civem R o m a n u m , qui cognitores homines honestos daret, sublatum esse in crucem dixerunt; credent omnes ν et XXX tribus homini
gravissimo
atque
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ornatissimo,
M . Annio, qui se praesente civem R o m a n u m securi percussum esse dixit; audietur a populo R o m a n o vir Primarius, eques Romanus, L. Flavius, qui suum familiarem Herennium, negotiatorem ex Africa, cum eum Syracusis amplius centum cives Romani cognoscerent lacrimantesque defenderent, pro testimonio dixit securi esse percussum; probabit fidem et auctoritatem et religionem suam L. Suettius, h o m o omnibus ornamentis praeditus, qui iuratus apud vos dixit multos civis Romanos in lautumiis istius imperio crudelissime per vim morte esse
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I.BUCH
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möchte ihm vorwerfen, daß er sie für Geld freigelassen habe; er gebe zu, was sich gar nicht leugnen läßt, daß er, als er kein Amt mehr innehatte und schon nach Rom zurückgekehrt war, die Räuberhauptleute lebend und unversehrt bei sich zu Hause behalten hat, bis ich ihn daran hinderte4. Wenn er vor dem Gerichtshof für Staatsverbrechen zeigen kann, daß er hierzu berechtigt gewesen, dann will ich zugeben, daß er sogar dazu verpflichtet war. Gesetzt, er entrinnt auch dieser Anklage, so werde ich mich dorthin wenden, wohin mich das römische Volk schon lange ruft. Denn über das Freiheits- und Bürgerrecht, meint es, gebühre ihm die Entscheidung, und diese Meinung ist richtig. Er mag mit seiner Gewalttätigkeit die senatorischen Gerichtshöfe zunichte machen, sich über alle Untersuchungen hinwegsetzen, eurer Strenge entrinnen: glaubt mir, das römische Volk wird ihn mit engeren Schlingen festhalten. Das römische Volk wird den römischen Rittern Glauben schenken, die, euch als Zeugen vorgeführt, aussagten, Verres habe vor ihren Augen einen römischen Bürger ans Kreuz geschlagen, der ehrenhafte Männer als Verteidiger anbot. Alle fünfunddreißig Bezirke werden sich auf M.Annius, einen Mann von größtem Gewicht und Ansehen, verlassen, der erklärt hat, in seiner Anwesenheit sei ein römischer Bürger mit dem Beile hingerichtet worden. Beim römischen Volke wird L. Flavius, ein vornehmer römischer Ritter, Gehör ñnden, der als Zeuge versichert hat, sein Freund Herennius, ein Kaufmann aus Afrika, sei mit dem Beile hingerichtet worden, obwohl ihn zu Syrakus mehr als hundert römische Bürger kannten und unter Tränen zu schützen versuchten. Auch L. Suettius, ein in jeder Hinsicht ausgezeichneter Mann, wird sich mit seiner Glaubwürdigkeit, seinem Ansehen und seiner Gewissenhaftigkeit durchsetzen; er hat eidlich vor euch ausgesagt, daß auf Befehl des Verres zahlreiche römische Bürger in den Steinbrüchen mit
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A C T I O N IS IN C . V E R R E M
SECUNDAE
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multatos. H a n c ego causam cum agam beneficio populi Romani de loco superiore, non vereor ne aut istum vis ulla ex populi Romani suffragiis eripere, aut a me ullum munus aedilitatis amplius aut gratius populo R o m a n o esse possit.
Q u a p r o p t e r omnes in hoc iudicio conentur omnia; ni-
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hil est iam q u o d in hac causa peccare q u i s q u a m , iudices, nisi vestro periculo possit. M e a q u i d e m ratio cum in praeteritis rebus est cognita, t u m in reliquis explorata atque provisa est. Ego m e u m Studium in rem publicam iam ilio tempore ostendi c u m longo intervallo veterem consuetudinem rettuli, et rogatu sociorum atque amicorum populi Romani, m e o r u m autem necessariorum, nomen hominis audacissimi detuli. Q u o d meum factum lectissimi viri atque ornatissimi, q u o in numero e vobis complures fuerunt, ita probaverunt ut ei qui istius quaestor fuisset, et ab isto laesus inimicitias iustas persequeretur, non m o d o deferendi nominis, sed ne subscribendi quidem, cum id postularet, facerent potestatem.
In Siciliani sum inquirendi causa profectus; q u o in ne-
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gotio industriam m e a m celeritas reditionis, diligentiam multitudo litterarum et testium declaravit, pudorem vero ac religionem quod, cum venissem senator ad socios populi Romani, qui in ea provincia fuissem, ad hospites meos ac necessarios causae c o m m u n i s defensor deverti potius q u a m ad eos qui a me auxilium petivissent. N e mini meus adventus labori aut s u m p t u i neque publice
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größter Grausamkeit gewaltsam zu Tode gemartert worden seien. Da ich diese Sache dank der Gunst des römischen Volkes von höherer Stelle aus fuhren darf, fürchte ich nicht, daß irgendeine Gewalttat Verres der Abstimmung des römischen Volkes entreißen oder daß ich dem römischen Volke ein größeres oder willkommeneres Geschenk für meine Ädilenwürde darbringen kann7. Daher mögen in diesem Prozeß alle schier alles versuchen; in dieser Sache kann niemand mehr einen Frevel begehen, ihr Richter, der nicht auf eure Gefahr geschieht. Doch meine Handlungsweise ist nicht nur aus dem Bisherigen bekannt, sondern auch fiir die Zukunft erwiesen und ausgemacht. Ich habe meinen Pflichteifer fur den Staat schon damals bezeugt, als ich nach langer Unterbrechung eine alte Gewohnheit wiederaufnahm und auf Bitten der Bundesgenossen und Freunde des römischen Volkes, die zugleich meine Schutzbefohlenen sind, gegen diesen Schurken Anklage erhob*. Meinem Vorgehen haben die trefflichsten und angesehensten Männer, darunter auch mehrere von euch, zugestimmt; sie haben daher dem Manne, der Quästor des Verres gewesen war und, von jenem beleidigt, einer berechtigten Feindschaft nachgehen wollte, trotz seines Gesuches nicht erlaubt, Anklage zu erheben, ja nicht einmal, sich an der Anklage zu beteiligen». Ich reiste nach Sizilien, um Ermittlungen durchzufuhren. Bei diesem Geschäft erwies die schnelle Rückkehr meinen Eifer, die Fülle der Urkunden und Zeugen meine Umsicht; mein Anstand aber und meine Gewissenhaftigkeit gingen daraus hervor, daß ich, der Verteidiger der gemeinsamen Sache, lieber bei meinen Gastfreunden und Bekannten wohnte als bei denen, die Hilfe von mir erbeten hatten, obwohl ich als Senator zu Bundesgenossen des römischen Volkes gekommen und in jener Provinz Quästor gewesen war. Niemandem hat meine Ankunft Mühe oder Aufwand verursacht, weder einer Gemeinde
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neque privatim fuit: vim in inquirendo tantam habui quantam mihi lex dabat, non quantam habere poteram istorum studio quos iste vexarat. R o m a m ut ex Sicilia redii, cum iste atque istius amici, homines lauti et urbani, sermones eius modi dissipassent, q u o ánimos testium retardaren!, me magna pecunia a vera accusatione esse deductum, tametsi probabatur nemini, quod et ex Sicilia testes erant ii qui quaestorem me in provincia cognoverant, et hinc homines maxime inlustres, qui, ut ipsi noti sunt, sic nostrum u n u m q u e m q u e optime norunt, tamen usque eo timui ne quis de mea fide atque integritate dubitaret donec ad reiciundos iudices venimus.
Sciebam in reiciundis iudicibus non nullos memoria nostra pactionis suspicionem non vitasse, c u m in ipsa accusatione eorum industria ac diligentia probaretur. Ita reieci iudices ut hoc constet, post hunc statum rei publicae quo nunc utimur simili splendore et dignitate consilium nullum fuisse. Q u a m iste laudem c o m m u n e m sibi ait esse mecum; qui cum P. Galbam iudicem reiecisset, M . Lucretium retinuit, et cum eius patronus ex eo quaereret cur suos familiarissimos, Sex. Peducaeum, Q . C o n sidium, Q . Iunium reici passus esset, respondit "quod eos in iudicando nimium sui iuris sententiaeque cognosset".
Itaque iudicibus reiectis sperabam iam onus m e u m vobiscum esse c o m m u n e ; putabam n o n solum notis sed etiam ignotis probatam meam fidem esse et diligentiam. Q u o d me non fefellit; nam comitiis meis, cum iste infi-
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noch einer Privatperson. Gewalt habe ich bei meiner Untersuchung nur in dem Maße angewandt, wie das Gesetz sie mir einräumte, nicht, wie sie mir bei der Bereitschaft derer, die Verres heimgesucht hatte, zu Gebote stand10. Als ich aus Sizilien nach Rom zurückgekehrt war, da streuten Verres und seine Freunde, saubere und feine Leute, das Gerücht aus (sie wollten den Mut der Zeugen lahmen), ich hätte mich durch einen hohen Betrag von einer ernsthaften Anklage abbringen lassen. Das glaubte zwar niemand; denn die sizilischen Zeugen hatten mich als Quästor in ihrer Provinz kennengelernt, und die hiesigen, hochangesehene Männer, kennen einen jeden von uns ebenso genau, wie sie selbst bekannt sind. Trotzdem fürchtete ich so lange, man könne an meiner Pflichttreue und Lauterkeit zweifeln, bis wir zur Ablehnung der Richter kamen. Ich wußte, daß noch in unserer Zeit einige Anwälte bei der Ablehnung von Richtern dem Verdacht geheimer Absprachen nicht entgangen sind, obwohl sie bei der Anklage selbst für tüchtig und sorgfältig erfunden wurden. Ich ging nun bei der Ablehnung so vor, daß anerkanntermaßen, seit wir die gegenwärtige Staatsverfassung haben, kein Gerichtshof diesem hier an Glanz und Ansehen gleichgekommen ist". Verres behauptet, diesen Ruhm teile er mit mir, obwohl er doch den Richter P. Galba verworfen hat, M.Lucretius dagegen beibehielt; und als sein Anwalt ihn fragte, warum er seine vertrautesten Freunde Sex. Peducaeus", Q¿Considius und QJunius habe verwerfen lassen, da antwortete er, weil er sie in ihrem Richteramt als gar zu selbständig in ihrer Meinung kennengelernt habe. Ich hoffte daher nach der Richterablehnung, daß nunmehr ihr alle Last mit mir teilen würdet. Ich glaubte, nicht nur Bekannten, sondern auch Unbekannten meine Pflichttreue und Sorgfalt bewiesen zu haben. Hierin täuschte ich mich nicht.
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SECUNDAE
nita largitione contra me uteretur, populus
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Romanus
iudicavit istius pecuniam, quae apud me c o n t r a fidem meam nihil potuisset, apud se contra h o n o r e m
meum
nihil posse debere. Q u o q u i d e m die p r i m u m , iudices, citati in hunc reum consedistis, quis tarn iniquus huic ordini fuit, quis tam novarum rerum iudiciorum iudic u m q u e cupidus qui non aspectu consessuque vestro commoveretur? C u m in eo vestra dignitas mihi f r u c t u m
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diligentiae referret, id sum adsecutus, ut una hora qua coepi dicere reo audaci, pecunioso, profuso, perd i to spem iudici
corrumpendi praeciderem; ut p r i m o die testium
tanto numero citato populus R o m a n u s iudicaret isto absoluto rem publicam stare n o n posse; ut alter dies amicis istius ac defensoribus non m o d o spem victoriae sed etiam voluntatem defensionis auferret, ut tertius dies sic h o m i n e m prosterneret ut m o r b o simulato non quid responderet, sed q u e m ad m o d u m n o n responderet, deliberaret. D e i n d e reliquis diebus his criminibus, his testibus, et urbanis et provincialibus, sic obrutus atque oppressus est ut his ludorum diebus interpositis n e m o istum c o m p e r e n dinatum, sed c o n d e m n a t u m iudicaret.
Q u a p r o p t e r ego quod ad m e attinet, iudices, vici; n o n
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e n i m spolia C . Verris, sed existimationem populi R o m a ni concupivi. M e u m fuit c u m causa accedere ad accusandum: quae causa fuit honestior, q u a m a tam inlustri
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Denn als Verres bei der Versammlung wegen meiner Wahl durch unermeßliche Spenden gegen mich zu wirken versuchte, da meinte das römische Volk, sein Geld, das bei mir nichts gegen meine Pflichttreue vermocht hätte, dürfe auch bei ihm nichts gegen mein Amt vermögen". An dem Tage, da ihr zum ersten Male als Geschworene einberufen wurdet und über diesen Angeklagten Sitzung hieltet, wer war da gegen unseren Stand so feindselig eingestellt, wer so sehr auf Neuerungen im Gerichtswesen und bei der Wahl der Richter erpicht, daß ihn der Anblick eurer Versammlung nicht beeindruckt hätte ? Da euer Ansehen eben dadurch meine Gewissenhaftigkeit belohnte, habe ich es erreicht, daß ich in der einen Stunde, in der ich mein Plädoyer begann, dem dreisten, schwerreichen, verschwenderischen, haltlosen Angeklagten die Hoffnung, das Gericht zu bestechen, abschnitt; daß das römische Volk am ersten Tage, nachdem man eine so große Zahl von Zeugen aufgerufen hatte, der Meinung war'4: wenn der freigesprochen werde, dann könne unser Staat nicht mehr bestehen ; daß der zweite Tag seinen Freunden und Verteidigern nicht nur die Hoffnung auf den Sieg, sondern auch die Lust benahm, ihn zu verteidigen ; daß der dritte Tag den Menschen gänzlich niederschmetterte und er, während er eine Krankheit vorschützte, nicht mehr darüber nachdachte, was er antworten solle, sondern wie er nicht mehr zu antworten brauche. Er wurde dann an den übrigen Tagen durch die Anschuldigungen, durch die Zeugen aus der Stadt und der Provinz derart erdrückt und überwältigt, daß jedermann glaubte, die Unterbrechung durch die Spielzeiten" habe ihm keine Frist verschafft, sondern das Urteil über ihn gesprochen. Ich habe daher, soviel an mir liegt, gesiegt, ihr Richter; denn ich wollte nicht Beute von C. Verres, sondern Achtung beim römischen Volke erlangen". Es war meine Aufgabe, mit gutem Grunde die Anklage zu übernehmen: welcher Grund
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ACTIONIS
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provincia defensorem constimi et deligi? rei publicae consulere: quid tam e re publica quam in tanta invidia iudiciorum adducere hominem cuius damnatione totus ordo cum populo Romano et in laude et in gratia posset esse? ostendere ac persuadere hominem nocentem add u c t u m esse: quis est in populo Romano qui hoc n o n ex priore actione abstulerit, omnium ante d a m n a t o r u m scelera, furta, flagitia, si unum in locum conferantur, vix cum huius parva parte aequari conferrique posse?
Vos quod ad vestram famam existimationem salutemque c o m m u n e m pertinet, iudices, prospicite atque consulite: splendor vester facit ut peccare sine s u m m o rei publicae detrimento ac periculo non possitis. N o n enim potest sperare populus Romanus esse alios in senatu qui recte possint iudicare, vos si non potueritis: necesse est, cum de toto ordine desperarit, aliud genus h o m i n u m atque aliam rationem iudiciorum requirat. H o c si vobis ideo levius videtur quod putatis onus esse grave et inc o m m o d u m iudicare, intellegere debetis p r i m u m interesse u t r u m id onus vosmet ipsi reieceritis, an, quod probare populo Romano fìdem vestram et religionem non potueritis, eo vobis iudicandi potestas erepta sit; deinde etiam illud cogitare, quanto periculo venturi simus ad eos iudices quos propter odium nostri populus Romanus de nobis voluerit iudicare. Verum vobis dicam id q u o d intellexi, iudices. Homines scitote esse quosdam quos tan-
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war triftiger als der, von einer so angesehenen Provinz zum Verteidiger gewählt und bestellt zu werden ? Es oblag mir, für das Staatswohl zu sorgen : was war für den Staat so vorteilhaft als bei so schlechtem Rufe der Gerichte einen Menschen vorzuführen, dessen Verurteilung unserem ganzen Stande bei dem römischen Volke Lob und Ansehen verschaffen kann? Ich hatte die Pflicht, zu zeigen und darzutun, daß ein Schuldiger vorgeladen worden sei: wer im römischen Volke hätte nicht schon aus der vorigen Verhandlung den Eindruck gewonnen, daß sich die Verbrechen, Räubereien und Schandtaten aller früheren Verurteilten, wenn man sie auf einen Haufen zusammentrüge, kaum mit einem kleinen Teil der von Verres begangenen messen und vergleichen ließen? Ihr mögt nun das ins Auge fassen und berücksichtigen, ihr Richter, was euer Ruf und Ansehen und das gemeine Wohl erfordern. Eure glänzende Stellung erlaubt euch nicht, einen Fehler zu begehen, ohne daß dem Staat die größte Einbuße und Gefahr erwächst. Denn das römische Volk darf nicht hoffen, daß noch andere im Senate richtig Recht zu sprechen vermögen, wenn ihr es nicht vermögt; wenn es aber den ganzen Stand aufgibt, so muß es sich nach einer anderen Klasse von Menschen und einer anderen Ordnung des Gerichtswesens umsehen17. Sollte euch dies deswegen ziemlich wenig ausmachen, weil ihr glaubt, die Rechtsprechung sei eine schwere und drückende Last, so müßt ihr zuerst einsehen, daß es etwas ganz anderes ist, ob ihr die Last selbst von euch werft oder ob man euch die Befugnis zu urteilen genommen hat, weil ihr das römische Volk hinsichtlich eurer Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit nicht zufriedenzustellen vermochtet. Ferner müßt ihr auch das bedenken, mit welcher Gefahr wir vor Richtern erscheinen, denen das römische Volk aus Haß gegen uns das Richteramt über uns aufgetragen hat. Allein ich will euch noch etwas sagen, ihr Richter, was ich erfahren habe. Wißt,
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tum odium nostri ordinis teneat ut hoc palam iam dictitcnt, se istum, quern sciant esse hominem improbissimum, hoc uno nomine absolví velie ut ab senatu iudicia per ignominiam turpitudinemque auferantur. Haec me pluribus verbis, iudices, vobiscum agere coegit non timor meus de vestra fide, sed spes illorum nova, quae cum Verrem a porta subito ad iudicium retraxisset, non nulli suspicati sunt non sine causa illius consilium tam repente esse mutatum.
Nunc ne novo querimoniae genere uti possit Hortensius et ea dicere, opprimi reum de quo nihil dicat accusator, nihil esse tam periculosum fortunis innocentium quam tacere adversarios; et ne aliter quam ego velim meum laudet ingenium, cum dicat me, si multa dixissem, sublevaturum fuisse eum quem contra dicerem, quia non dixerim, perdidisse: morem í 11 ì geram, utar oratione perpetua, non quo iam hoc sit necesse, verum ut experiar utrum i 1 le ferat molesti us me tunc tacuisse an nunc dicere.
Hic tu fortasse eris diligens ne quam ego horam de meis legitimis horis remittam; nisi omni tempore quod mihi lege concessum est abusus ero, querere, deum atque hominum
(idem implorabis, circumveniri C. Verrem
quod accusator nolit tam diu quam diu liceat dicere. Q u o d mihi lex mea causa dedit, eo mihi non uti non licebit? Nam accusandi mihi tempus mea causa datum
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manche sind von solchem Abscheu gegen unseren Stand erfüllt, daß sie schon öffentlich erklären, sie wünschten sich Verres, den sie als den gewissenlosesten Menschen kennen, nur deshalb freigesprochen, damit man dem Senat mit Schimpf und Schande die Gerichte abnehmen kann. Mich hierüber ausführlicher vor euch zu äußern, ihr Richter, veranlaßten mich nicht etwa meine Bedenken wegen eurer Pflichttreue, sondern die neuen Hoffnungen, die Verres plötzlich vom Stadttore zum Gericht zurückgeführt haben und einige auf den Gedanken brachten, jener habe seinen Entschluß nicht ohne Grund so schnell geändert. Jetzt soll Hortensius nicht nach einer neuen Art von Beschwerde greifen und behaupten können, ein Angeklagter, über den der Ankläger nichts sage, werde überwältigt; nichts sei für das Schicksal Unschuldiger so gefährlich wie das Schweigen der Gegner; und er soll nicht auf andere Weise, als ich es wünsche, meine Rednergabe loben und nicht behaupten können, ich würde dem Mann, gegen den ich spreche, durch vieles Reden geholfen haben und ich hätte ihn zugrunde gerichtet, weil ich nicht gesprochen hätte1*. Ich will ihm daher den Gefallen tun; ich werde eine lange Rede halten. Dies ist zwar nicht mehr nötig, indes, ich möchte erfahren, ob ihm mein damaliges Schweigen oder meine jetzige Rede unangenehmer ist. Jetzt wirst du vielleicht genau darauf achten, daß ich keine meiner gesetzlichen Stunden ungenutzt lasse; wenn ich nicht die ganze Zeit, die das Gesetz mir einräumt, verbrauche, so wirst du dich beklagen, wirst Götter und Menschen zu Zeugen anrufen, man wolle C. Verres benachteiligen, weil der Ankläger nicht bereit sei, so lange zu sprechen, wie ihm erlaubt ist. Mir soll nicht freistehen, davon keinen Gebrauch zu machen, was mir das Gesetz meinetwegen gewährt? Denn die Zeit zur Anklage steht mir um meinetwillen zu, damit ich in
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est, ut possem oratione mea crimina causamque explicare: hoc si non utor, non tibi iniuriam fació, sed de meo iure aliquid et commodo detraho. "Causam enim", inquit, "cognosci oportet": ea re quidem quod aliter condemnari reus, quamvis sit nocens, non potest. Id igitur tu moleste tulisti, a me aliquid factum esse quo minus iste condemnari posset? nam causa cognita possunt multi absolví, incognita quidem condemnari nemo potest.
"Adimo enim comperendinatum": quod habet lex in se
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molestissimum, bis ut causa dicatur - quod aut mea causa potius est constitutum quam tua, aut nihilo tua potius quam mea. Nam si bis dicere est commodum, certe utriusque commune est; si eum qui posterius dixit opus est redarguì, accusatoris causa, ut bis ageretur, constitutum est. Verum, ut opinor, Glaucia primus tulit ut comperendinaretur reus; antea vel iudicari primo poterat vel amplius pronuntiari. Utram igitur putas legem molliorem? Opinor, illam veterem, qua vel cito absolví vel tarde condemnari licebat. Ego tibi illam Aciliam legem restituo, qua lege multi semel accusati, semel dieta causa, semel auditis testibus condemnati sunt, nequaquam tam manifestis neque tantis criminibus quantis tu convinceris. Puta te non hac tam atroci, sed illa lege mitissima causam dicere. Accusabo; respondebis; testibus editis ita
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meiner Rede die Vorwürfe und den Sachverhalt darlegen kann. Wenn ich hiervon keinen Gebrauch mache, so tue ich nicht dir unrecht, sondern verzichte auf einen Teil meines Rechts und Vorteils. «Die Sache muß ja doch», erklärt er, «untersucht werden.» Ja, und zwar deshalb, weil ein Angeklagter, er mag noch so schuldig sein, sonst nicht verurteilt werden kann. Das also nahmst du so übel, daß ich etwas getan habe, was seine Verurteilung erschwert? Denn nach der Untersuchung des Falles können viele freigesprochen, ohne Untersuchung jedoch kann niemand verurteilt werden. Doch freilich, ich nehme ihm den zweiten Termin '». Das Beschwerlichste, was das Gesetz enthält, die zweimalige Verhandlung, ist entweder mehr zu meinen als zu deinen Gunsten oder um nichts mehr zu deinen als zu meinen Gunsten festgesetzt. Denn wenn es ein Vorteil ist, zweimal zu sprechen, so gilt das gewiß für uns beide gemeinsam; wenn der, der zuletzt gesprochen hat, widerlegt werden muß, so ist die zweimalige Verhandlung zugunsten des Anklägers festgesetzt 10 . Allein, ich glaube, Glaucia hat als erster die Vorschrift eingebracht, daß der Angeklagte einen zweiten Termin erhalten solle. Vorher konnte man entweder schon beim ersten Male das Urteil fällen oder die Entscheidung beliebig vertagen. Welches Gesetz hältst du nun für das mildere? Ich möchte meinen, das ältere, das einen baldigen Freispruch oder eine späte Verurteilung gestattete. Ich stelle für dich das Acilische Gesetz wieder her, nach dem viele mit einmaliger Anklage, einmaliger Verteidigung, einmaligem Zeugenverhör verurteilt worden sind, obwohl ihre Verbrechen durchaus nicht so handgreiflich und nicht so schwer waren wie die, deren du überführt bist. Stelle dir vor, du müßtest dich nicht nach diesem strengen, sondern nach jenem Uberaus milden Gesetz rechtfertigen 11 . Ich will anklagen, du wirst antworten; wenn die Zeugen ausgesagt haben, werde ich unter derartigen Vor-
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mittam in consilium ut, etiamsi lex ampliandi faciat potestatem, tamen isti turpe sibi existiment non primo iudicare. Verum si causam cognosci opus est, parumne cognita est? Dissimulamus, Hortensi, quod saepe experti in dicendo sumus. Q u i s nos magnopere attendit umquam in hoc quidem genere causarum, ubi aliquid ereptum aut ablatum a quopiam dicitur? Nonne aut in tabulis aut in testibus omnis exspectatio iudicum est? Dixi prima actione me planum esse facturum C . Verrem H S quadringentiens contra leges abstulisse. Q u i d ? hoc planius egissem, si ita narrassem? " D i o quidam fuit Halaesinus, qui, cum eius filio praetore C . Sacerdote hereditas a propinquo permagna venisset, nihil habuit tum ñeque negoti ñeque controversiae. Verres simul ac tetigit provinciam, statim Messana litteras dédit, Dionem evocavit, calumniatores ex sinu suo adposuit qui illam hereditatem Veneri Erycinae commissam esse dicerent; hac de re ostendit se ipsum cogniturum." Possum deinceps totam rem explicare, deinde ad extremum id quod accidit dicere, Dionem H S deciens centena milia numerasse ut causam certissimam obtineret; praeterea greges equarum eius istum abigendos curasse, argenti, vestís stragulae quod fuerit curasse auferendum.
Haec neque cum ego dicerem neque cum tu negares, magni momenti nostra esset oratio. Q u o tempore igitur auris iudex erigeret animumque attenderet? C u m Dio ipse prodiret, cum ceteri qui tum in Sicilia negotiis Dionis interfuissent, cum per eos ipsos dies per quos causam Dio
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aussetzungen die Beratung verlangen, daß die Richter es für schimpflich ansehen, nicht beim ersten Male den Spruch zu fällen, mag auch das Gesetz eine Vertagung gestatten. Indes, wenn eine Untersuchung erforderlich ist: hat man denn noch nicht zur Genüge untersucht? Wir pflegen eine Erfahrung für uns zu behalten, Hortensius, die wir schon oft beim Reden gemacht haben. Wer hat je bei dieser Art von Prozessen groß auf uns geachtet, wenn es heißt, jemand habe etwas geraubt oder entwendet? Richtet sich nicht die ganze Erwartung der Geschworenen auf die Urkunden oder Zeugen ? Ich habe in der ersten Verhandlung angekündigt, ich wolle dartun, C. Verres habe sich gesetzwidrig vierzig Millionen Sesterzen zugeeignet. Wie? Hätte ich das besser dar getan, wenn ich folgendes berichtet hätte": «Ein gewisser Dio aus Halaesa, dessen Sohne während der Prätur des C.Sacerdos eine sehr große Erbschaft von einem Verwandten zugefallen war, hatte damals in dieser Sache keinerlei Schwierigkeit oder Streit. Verres hatte kaum die Provinz betreten, und sofort entsandte er von Messana aus ein Schreiben, lud Dio vor, stellte aus dem engsten Kreise seiner Freunde verleumderische Ankläger auf, die behaupteten, jene Erbschaft sei der Venus von Eryx" verfallen; diese Sache, erklärte er, wolle er selbst untersuchen.» Ich könnte den ganzen Verlauf der Sache darlegen und dann noch berichten, wie sie ausging: Dio habe eine Million Sesterzen gezahlt, um in einer ganz un bezweifelbaren Sache sein Recht zu behaupten ; außerdem habe Verres seine Stutenherden wegtreiben und ihm abnehmen lassen, was er an Silber und Teppichen besaß. Wenn ich dies behaupten und du es leugnen wolltest, so hätten weder meine noch deine Ausführungen großes Gewicht. Wann würde denn der Richter seine Ohren spitzen und genau zuhören? Wenn Dio selbst aufträte und auch die übrigen, die damals in Sizilien an den Geschäften Dios beteiligt
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diceret reperiretur pecunias sumpsisse mutuas, nomina sua excgisse, praedia vendidisse; cum tabulae virorum bonorum proferrentur; cum qui pecuniam Dioni dederunt dicerent se iam tum audisse eos nummos sumi ut Verri darentur; cum amici, hospites, patroni Dionis, homines honestissimi, haec eadem se audisse dicerent. Opinor, cum haec fierent, tum vos audiretis, sicut audistis: tum causa agi vere videretur. Sic a me sunt acta omnia priore actione ut in criminibus omnibus nullum esset in quo quisquam vestrum perpetuam accusationem requireret. N e g o esse quicquam a testibus dictum quod aut vestrum cuipiam esset obscurum aut cuiusquam oratoris eloquentiam quaereret. Etenim sic me ipsum egisse m e m o ria tenetis ut in testibus interrogandis omnia crimina proponerem et explicarem. ut, cum rem totam in medio posuissem, tum denique testem interrogarem. Itaque non modo vos, quibus est iudicandum, nostra crimina tenetis, sed etiam populus Romanus totam accusationem causamque cognovit.
Tametsi ita de meo facto loquor quasi ego illud mea volúntate potius quam vestra iniuria adductus fecerim. Interposuistis accusatorem qui, cum ego mihi c et χ dies solos in Siciliam postulassent, c et vin sibi in Achaiam postularet. Mensis mihi tris cum eripuissetis ad agendum maxime adpositos, reliquum omne tempus huius anni me vobis remissurum putastis, ut, cum horis nostris nos
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waren, wenn sich herausstellte, daß Dio genau in den Tagen, da er seine Sache vertrat, Darlehen aufgenommen, seine Ausstände eingetrieben, Güter verkauft habe, wenn man die Rechnungsbücher rechtschaffener Männer vorlegte, wenn diejenigen, die dem Dio Geld gaben, erklärten, sie hätten schon damals vernommen, diese Beträge würden aufgenommen, damit Verres sie erhalte, wenn die Bekannten, Gastfreunde und Sachwalter des Dio, hochangesehene Leute, genau dasselbe gehört zu haben behaupteten: wenn dies geschähe, möchte ich meinen, dann würdet ihr zuhören, wie ihr zugehört habt, dann hätte man den Eindruck, daß ernsthaft verhandelt werde. Ich habe in der ersten Verhandlung alles so vorgebracht, daß sich unter allen meinen Vorwürfen kein einziger fand, bei dem jemand von euch eine zusammenhängende Anklage vermißt hätte. Ich behaupte, daß die Zeugen nichts gesagt haben, was jemandem von euch dunkel geblieben wäre oder der Kunstfertigkeit eines Redners bedurfte. Denn ich selbst habe, wie ihr euch erinnert, die Sache so angelegt, daß ich bei der Vernehmung der Zeugen alle Anklagepunkte vortrug und erläuterte, daß ich erst dann einen Zeugen befragte, nachdem ich den ganzen Sachverhalt vor Augen gefuhrt hatte. Daher kennt nicht nur ihr, die ihr urteilen sollt, unsere Anschuldigungen ; auch das römische Volk weiß von der ganzen Anklage und Verhandlung. Indes, ich rede über mein Vorgehen so, als hätte mich dazu mehr mein eigener Wille als euer unbilliges Verhalten veranlaßt. Ihr habt einen Ankläger vorgeschoben, der sich hundertundacht Tage für Achaia ausbat, während ich nur hundertundzehn Tage für Sizilien beantragt hatte 14 . Ihr habt mir so drei Monate weggenommen, die vorzüglich zum Verhandeln geeignet waren, und ihr glaubtet nun, ich würde euch die ganze übrige Zeit dieses Jahres erlassen; du brauchtest, wenn wir die uns zukommenden Stunden benutzt hätten, wegen
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essemus usi, tu binis ludís interpositis quadragesimo post die
responderes, deinde
ita tempus duceretur
ut a
M ' . Glabrione praetore et a magna pane horum iudicum ad praetorem alium iudicesque alios veniremus. Hoc si
m
ego non vidissem, si me non omnes noti ignotique monuissent id agi, id cogitari, in eo elaboran ut res in illud tempus reiceretur, credo, si meis horis in accusando uti voluissem, vererer ne mihi crimina non suppeterent, ne oratio deesset, ne vox viresque deficerent, ne, quem nemo prima actione defendere ausus esset, eum ego bis accusare non possem. Ego meum consilium cum iudicibus tum populo Romano probavi: nemo est qui alia ratione istorum iniuriae atque impudentiae potuisse obsisti arbitretur. Etenim qua stultitia fuissem, si, quam diem qui istum eripiendum redemerunt in cautione viderunt
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cum ita caverent, "si post Kalendas Ianuarias in consilium iretur" - , in earn diem ego, cum potuissem vitare, incidissem? N u n c mihi temporis eius quod mihi ad dicendum
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datur, quoniam in animo est causam omnem exponere, habenda ratio est diligenter.
Itaque primum ilium actum istius vitae turpissimum et flagitiosissimum praetermittam. Nihil a me de pueritiae suae flagitiis peccatisque audiet, nihil ex illa impura adulescentia sua; quae qualis fuerit aut meministis, aut ex eo quem sui simillimum produxit recognoscere potestis. O m n i a praeteribo quae mihi turpia dictu videbuntur,
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der beiden darauffolgenden Spielzeiten erst vierzig Tage später zu antworten; die Zeit lasse sich dann so hinziehen, daß wir vom Prätor M. Glabrio und von einem großen Teile dieser Richter zu einem anderen Prätor und anderen Richtern kämen15. Hätte ich das nicht durchschaut, hätten mich nicht alle Bekannten und Unbekannten darauf aufmerksam gemacht, darum gehe es, das sei beabsichtigt, darauf arbeite man hin, daß die Sache bis zu diesem Zeitpunkt aufgeschoben würde, ich glaube, wenn ich bei der Anklage die mir zukommenden Stunden hätte benutzen wollen, ich hätte fürchten müssen, mir möchten die Anschuldigungen nicht ausreichen, es möchte mir an Worten fehlen, mir möchten die Stimme und die Kräfte ausgehen, ich möchte nicht in der Lage sein, den zweimal anzuklagen, den bei der erstén Verhandlung niemand zu verteidigen gewagt hat. Mein Plan wurde sowohl von den Richtern als auch vom römischen Volke gutgeheißen. Jedermann ist überzeugt, daß man der Ungerechtigkeit und Frechheit dieser Leute auf keine andere Weise hätte begegnen können. Diejenigen, die es fur Geld übernommen haben, Verres der Anklage zu entreißen", haben bei ihrem Vertrag einen bestimmten Termin ins Auge gefaßt, wobei sie vereinbarten : «Wenn man nach dem i. Januar zur Beratung schreitet» - wie töricht wäre ich gewesen, wenn ich mich auf diesen Termin hätte drängen lassen, obwohl ich es vermeiden konnte! Jetzt aber habe ich die Absicht, die Sache vollständig darzulegen; da muß ich sorgfältig auf die Zeit achten, die mir zum Reden bewilligt ist. Ich will daher den ersten Abschnitt dieses Lebens, ein Muster an Schmach und Niedertracht, übergehen. Nichts soll er von mir über die Schandtaten und Sünden seiner Knabenzeit hören, nichts von seiner unsauberen Jugend. Wie die beschaffen war, daran erinnert ihr euch noch, oder ihr könnt euch an dem einen Maßstab nehmen, den er ganz nach seinem Ebenbilde erzeugt hat". Ich will alles übergehen, was zu erwähnen
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neque solum quid istum audire, verum etiam quid me deceat dicere considerabo. Vos, quaeso, date hoc et concedite pudori meo ut aliquam partem de istius impudentia reticere possim. O m n e illud tempus quod fuit antequam iste ad magistratus remque publicam accessit, habeat per me solutum ac liberum. Sileatur de nocturnis eius bacchationibus ac vigiliis; lenonum, aleatorum, perductorum nulla mentio fiat; damna, dedecora, quae res patris eius, aetas ipsius pertulit, praetereantur; lucretur indicia veteris infamiae; patiatur eius vita reliqua me hanc tantam iacturam criminum facere.
Quaestor C n . Papirio consuli fuisti abhinc annos quattuordecim. Ex ea die ad hanc diem quae fecisti in iudicium voco: hora nulla vacua a furto, scelere, crudelitate, flagitio reperietur. Hi sunt anni consumpti in quaestura et legatione Asiatica et praetura urbana et praetura Siciliens!; quare haec eadem erit quadripertita distributio totius accusationis meae. Quaestor ex senatus consulto provinciam sortitus es: obtigit tibi consularis, ut cum consule C n . Carbone esses eamque provinciam obtineres. Erat tum dissensio civium, de qua nihil sum dicturus quid sentire debueris: unum hoc dico, in eius modi tempore ac sorte statuere te debuisse utrum malles sentire atque defendere. C a r b o graviter ferebat sibi quaestorem obtigisse hominem singulari luxuria atque inertia; verum tarnen ornabat eum benefìciis officiisque omnibus. N e diutius teneam, pecu-
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ich für unanständig halte, und nicht nur bedenken, was sich für Verres anzuhören, sondern auch, was sich für mich zu sagen geziemt. Euch aber bitte ich, gewährt und bewilligt meinem Schamgefühl, daß ich einen Teil seiner Schamlosigkeiten verschweigen darf. Die ganze Zeit vor dem Eintritt in Ämter und politische Tätigkeit will ich ihm frei und unangerechnet zugestehen; ich will von seinen durchzechten uud durchwachten Nächten schweigen; kein Wort soll über die Kuppler, Spieler und Zuhälter fallen; die Einbußen und Entehrungen, die das väterliche Vermögen und sein eigenes Alter erlebten, seien übergangen; ihm sollen die Beweise der früheren Schande erspart bleiben : sein übriges Leben möge mir erlauben, daß ich mir so viele Anschuldigungen entgehen lasse. Du warst vor vierzehn Jahren Quästor des Konsuls Cn. Papirius. Was du von diesem Tage an bis zum heutigen getan hast, das bringe ich vor Gericht: man wird finden, daß keine Stunde frei ist von Raub, Verbrechen, Grausamkeit, Niedertracht. Diese Jahre vergingen mit der Quästur und mit dem Legatenamt in Asien und mit der Stadtprätur und mit der Prätur in Sizilien'1. Daher soll sich auch meine ganze Anklage in vier Abschnitte gliedern. Als Quästor erhieltest du laut Senatsbeschluß durch das Los deinen Amtsbereich. Dir fiel der konsularische zu: du solltest Gehilfe des Konsuls Cn. Carbo sein und diesen Amtsbereich verwalten. Damals herrschte Zwietracht unter den Bürgern. Ich will nichts darüber sagen, was du hättest denken sollen; ich sage nur das eine: in einer derartigen Zeit und bei deiner Stellung hättest du dich entscheiden müssen, welcher Seite du dich anschließen und deine Unterstützung gewähren wolltest. Carbo war sehr darüber verstimmt, daß er einen Menschen von beispielloser Üppigkeit und Schlaffheit zum Quästor erhalten hatte. Dennoch erwies er ihm jede Vergünstigung und Gefälligkeit. Um euch nicht länger hinzuhalten : das Geld
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A C T I O N I S IN C . V E R R E M S E C U N D A E
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nia attributa, numerata est: profectus est quaestor in provinciam: venit exspectatus in Galliam ad exercitum consularem cum pecunia. Simul ac primum ei occasio visa est - cognoscite hominis principium magistratuum gerendorum et rei publicae administrandae - , aversa pecunia publica quaestor consulem, exercitum, sortem, provinciamque deseruit. Video quid egerim: erigit se, sperat
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sibi auram posse aliquam adflari in hoc crimine voluntatis adsensionisque eorum quibus C n . Carbonis mortui nomen odio sit, quibus iilam relictionem proditionemque consul is sui gratam sperat fore. Quasi vero id cupiditate defendendae nobilitatis aut studio partium fecerit, ac non apertissime consulem, exercitum, provinciamque compilant et propter impudentissimum furtum aufugerit! est enim obscurum et eius modi factum eius ut possit aliquis suspicari C . Verrem, quod ferre novos homines non potuerit, ad nobilitatem, hoc est ad suos, transisse, nihil fecisse propter pecuniam!
Videamus rationes quem ad modum rettulerit: iam ipse ostendet quam ob rem C n . Carbonem reliquerit, iam se ipse indicabit. Primum brevitatem cognoscite: ACCEPI, i n q u i t , V1CIENS DUCENTA TRIGINTA QUINQUÉ MILLA QUADRINGENTOS DECEM ET SEPTEM NUMMOS. DEDI STIPENDIO,
FRUMENTO,
LEGATIS,
PRO
QUAESTORE,
COHORTI
PRAETORIAE HS MILLE SESCENTA TRIGINTA QUINQUE MILLA QUAD RINGENTOS DECEM ET SEPTEM NUMMOS. RELIQUI A R J M I N I HS SESCENTA MILLA. H o c est r a t i o n e s referre? h o c
m o d o aut ego aut tu, Hortensi, aut quisquam omnium rettulit? Q u i d hoc est? quae impudentia, quae audacia?
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wurde angewiesen und ausgezahlt; der Quästor reiste ab in seine Provinz. Er kam mit dem Gelde nach Gallien zum Heere des Konsuls2*; man hatte ihn dort erwartet. Sobald sich ihm die erste Gelegenheit zeigte (nehmt zur Kenntnis, welchen Anfang dieser Mensch mit der Führung von Ämtern und mit der öffentlichen Verwaltung machte), wurden die öffentlichen Mittel unterschlagen, und der Quästor verließ den Konsul, das Heer, den Amtsbereich und die Provinz. Da sehe ich, was ich getan habe: er richtet sich auf, er hofft, bei diesem Vorwurf könne fur ihn ein günstiger Wind wehen wegen der Gesinnung und des Einverständnisses derer, denen der Name des verstorbenen Cn.Carbo verhaßt ist. Er meint, ihnen werde der Treuebruch und Verrat an dem Konsul gefallen. Als ob er das aus dem Bestreben, den Adel zu verteidigen, oder aus Hingabe an die Partei getan und als ob er nicht ganz offenkundig den Konsul, das Heer und die Provinz beraubt und wegen des unverschämtesten Diebstahls die Flucht ergriffen hätte; die Sache ist ja wohl unklar, und er verhielt sich so, daß jemand vermuten könnte, C. Verres sei zum Adel, das heißt zu den Seinigen, übergegangen, weil er die Emporkömmlinge nicht ertragen konnte; doch das Geld habe hierbei keine Rolle gespielt. Wir wollen sehen, wie er abgerechnet hat; gleich wird er selber zeigen, weshalb er Cn.Carbo verlassen hat, gleich wird er sich selbst verraten. Bemerkt zuerst die Kürze: «Ich habe», erklärt er, «2235417 Sesterzen erhalten. Ich habe fur Sold, fur Getreide, für die Legaten, für den Proquästor, für die prätorische Kohorte 1 6 3 j 417 Sesterzen ausgegeben ; ich habe 600000 Sesterzen in Ariminum hinterlassen10.» Heißt das abrechnen? Haben ich oder du, Hortensius, oder überhaupt irgendjemand so abgerechnet? Was soll das? Welche Unverschämtheit, welche Frechheit! Wo gibt es unter so vielen Abrechnungen, die man weit und breit vorgelegt hat, ein Beispiel von dieser Art?
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quod cxemplum ex tot hominum rationibus relatis huiusce modi est? Ilia tarnen H S sescenta milia, quae ne falso quidem potuit quibus data essent describere, quae se Arimini scribit reliquisse, quae ipsa HS sescenta milia reliqua facta sunt, ñeque Carbo attigit neque Sulla vidit ñeque in aerarium relata sunt. Oppidum sibi elegit Ariminum, quod tum, cum iste radones referebat, oppressum direptumque erat: non suspicabatur, id quod nunc sennet, satis multos ex ilia calamitate Ariminensium testis nobis in hanc rem reliquos esse. Recita denuo. P. LENT U L O L . T R I ARI O Q U A E S T O R I B U S U R B A N I S R E S R A T I O N U M RELATARUM. R e c i t a . E x S E N A T U S C O N S U L T O . U t h o c
pac-
to rationem referre liceret, eo Sullanus repente factus est, non ut honos et dignitas nobilitati restitueretur. Quodsi illinc inanis profugisses, tamen ista tua fuga nefaria proditio consulis tui conscelerata iudicaretur. "Malus civis, improbus consul, seditiosus homo Cn. Carbo fuit." Fuerit aliis: tibi quando esse coepit? Posteaquam tibi pecuniam, rem frumentariam, rationes omnis suas exercitumque commisit. Nam si tibi antea displicuisset, idem fecisses quod anno post M . Piso. Quaestor cum L. Scipioni consuli obtigisset, non attigit pecuniam, non ad exercitum profectus est; quod de re publica sensit, ita sensit ut nec fidem suam nec morem maiorum nec necessitudinem sortis laederet.
Etenim si haec perturbare omnia ac permiscere volumus, totam vitam periculosam, invidiosam, infestamque reddemus - si nullam religionem sors habebit, nullam
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Doch jene 600000 Sesterzen, bei denen er nicht einmal fälschlich anzugeben vermochte, wem er sie gegeben, die er, wie er schreibt, in Ariminum hinterließ, eben diese 600000 Sesterzen, die den Rest ausmachten, hat weder Carbo angerührt noch Sulla gesehen, noch sind sie in die Staatskasse gelangt. Als Ort wählte er sich Ariminum aus, das damals, als er seine Abrechnung vorlegte, erobert und geplündert war. Er vermutete nicht, was er jetzt merken wird, daß ziemlich viele dem Unglück der Ariminier entronnen sind, die uns für diese Sache als Zeugen zu Gebote stehen. Lies weiter vor. - («Abrechnungen, die den Stadtquästoren P.Lentulus und L.Triarius 11 vorgelegt wurden...») - Lies vor. - («Laut Senatsbeschluß...») Um auf diese Weise abrechnen zu dürfen, deshalb wurde er plötzlich Sullaner, nicht um die Ehre und Würde des Adels wiederherzustellen. Auch wenn du mit leeren Händen von dort übergelaufen wärest: man hätte trotzdem deine schändliche Flucht fur einen niederträchtigen Verrat an deinem Konsul gehalten. «Cn. Carbo war ein schlechter Bürger, ein gewissenloser Konsul, ein aufrührerischer Mensch.» So mag er anderen erschienen sein, doch wann begann er dir so zu erscheinen ? Nachdem er dir das Geld, das Getreidewesen, alle seine Angelegenheiten und das Heer anvertraut hatte. Denn wenn du vorher mit ihm unzufrieden gewesen wärest, dann hättest du dasselbe getan, was im Jahre darauf M. Piso tat. Er war als Quästor dem Konsul L.Scipio zugeteilt worden"; er rührte das Geld nicht an, er brach nicht zum Heere auf. Seine politische Überzeugung betätigte er so, daß er weder seiner Redlichkeit noch dem Brauch der Vorfahren noch den Pflichten des erlosten Amtes zuwiderhandelte. Denn wenn wir dies alles verwirren und durcheinanderbringen wollen, dann werden wir das ganze Leben Gefahren, Widerwärtigkeiten und Feindschaften aussetzen, wenn das er-
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ACT IΟ Ν IS IN C.VERREM SECUNDAE LIB.I
societatem coniunctio secundae dubiaeque forcunae, nullam auctoritatem mores atque instituta maiorum. O m n i u m est communis inimicus qui fuit hostis suorum. N e m o u m q u a m sapiens proditori credendum putavit. Ipse Sulla, cui adventus istius gratissimus esse debuit, ab se hominem atque ab exercitu suo removit: Beneventi esse iussit apud eos quos suis partibus amicissimos esse intellegebat, ubi iste summae rei causaeque nocere nihil posset. Ei postea praemia tamen liberaliter tribuit, bona quaedam proscriptorum in agro Beneventano diripienda concessit, habuit honorem ut proditori, non ut amico fìdem. N u n c quamvis sint homines qui m o r t u u m C n . Carbonem oderint, tamen hi debent non quid ìli i accidere voluerint, sed quid ipsis in tali re m e t u e n d u m sit cogitare. C o m m u n e est hoc malum, communis metus, c o m m u n e periculum. Nullae sunt occultiores insidiae quam eae quae latent in simulatione offici aut in aliquo necessitudinis nomine. N a m eum qui palam est adversarius facile cavendo vitare possis; hoc vero occultum intestinum ac domesticum malum non modo non exsistit, verum etiam opprimit antequam prospicere atque explorare potueris. Itane vero? Tu cum quaestor ad exercit u m missus sis, custos non solum pecuniae sed etiam consulis, particeps o m n i u m rerum consiliorumque fueris, habitus sis in liberum loco, sicut mos maiorum ferebat, repente relinquas, deseras, ad adversarios transeas? O scelus, o portentum in ultimas terras exportandum! N o n
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loste Amt keine Verpflichtung, die Gemeinschaft in Glück und Unglück keine Verbundenheit, die Sitten und Einrichtungen der Vorfahren keine Achtung mehr erzeugen. Wer der Feind der Seinen war, ist der gemeinsame Widersacher aller. Kein vernünftiger Mensch hat je geglaubt, man dürfe dem Verräter trauen. Selbst Sulla, dem die Ankunft dieses Gesellen sehr willkommen sein mußte, hat ihn von sich und seinem Heere ferngehalten. Er befahl ihm, in Benevent zu bleiben, bei denen, die er als die treuesten Anhänger seiner Partei kannte, wo jener der ganzen Sache und Unternehmung keinen Schaden zufügen konnte. Trotzdem hat er ihn später freigebig belohnt; er überließ ihm im Gebiet von Benevent einige Güter Geächteter zur Plünderung"; er bezeigte ihm Ehre, wie einem Verräter, nicht Vertrauen, wie einem Freunde. Nun gibt es zwar Leute, die den verstorbenen Cn. Carbo verabscheuen; die müssen jedoch nicht bedenken, welches Geschick sie ihm damals gönnten, sondern was sie selbst in einer solchen Lage zu fürchten haben. Allgemein ist dieses Übel, allgemein die Furcht, allgemein die Gefahr. Denn es gibt keine heimtückischeren Nachstellungen als die, die sich hinter der Maske einer Pflicht oder hinter dem Vorwand einer engen Bindung verbergen. Denn wer offen ein Gegner ist, dem kann man leicht durch Vorsicht ausweichen; doch dieses verborgene, inwendige und gleichsam im eigenen Hause lauernde Übel ist nicht nur nicht feststellbar, sondern es schlägt schon zu, ehe man etwas bemerken oder erkunden kann. Steht es so? Man hatte dich als Quästor zum Heere geschickt, du warst der Hüter nicht nur des Geldes, sondern auch des Konsuls, warst Teilnehmer an jeder Tat und jedem Rat, du wurdest dem Sohne gleich geachtet, wie es die Sitte der Vorfähren verlangte: da ziehst du plötzlich ab, machst dich davon, gehst zu den Feinden über? Welch Scheusal, welches Ungeheuer: man sollte es an das Ende der Welt schaffen! Denn ein Charakter, der eine solche Schandtat ver-
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ACT IΟ Ν IS IN C.VERREM SECUNDAE LIB.I
enim potest ea natura quae tantum facinus commiserit hoc uno scelere esse contenta: necesse est semper aliquid eius modi moliatur, necesse est in simili audacia perfidiaque versetur. Itaque idem iste, quem Cn. Dolabella postea C. Malleolo occiso pro quaestore habuit - haud scio an maior etiam haec necessitudo fuerit quam illa Carbonis, ac plus iudicium voluntatis valere quam sortis debeat - , idem in C n . Dolabellam qui in Cn. Carbonem fuit. Nam quae in ipsum valebant crimina contulit in ilium, causamque illius omnem ad inimicos accusatoresque detulit; ipse in eum cui legatus, cui pro quaestore fuerat, inimicissimum atque improbissimum testimonium dixit. Ille miser cum esset C n . Dolabella, cum proditione istius nefaria, tum improbo ac falso eiusdem testimonio, tum multo ex maxima parte istius furtorum ac flagitiorum invidia conflagravit. Quid hoc homine facialis aut ad quam spem tarn perfidiosum, tarn importunum animal reservetis? qui in C n . Carbone sortem, in Cn. Dolabella voluntatem neglexerit ac violarit, eosque ambo non modo deseruerit sed etiam prodiderit atque oppugnarit.
Nolite, quaeso, iudices, brevitate orationis meae potius quam rerum ipsarum magnitudine crimina ponderare; mihi enim properandum necessario est, ut omnia vobis quae mihi constituta sunt possim exponere. Quam ob rem quaestura istius demonstrate primique magistratus et furto et scelere perspecto, reliqua attendite. In quibus illud tempus Sullanarum proscriptionum ac rapinarum praetermittam; neque ego istum sibi ex communi cala-
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übt hat, kann sich nicht mit diesem einen Verbrechen begnügen. Notwendig muß er stets Derartiges im Schilde führen, notwendig sich zu ähnlichen Frechheiten und Treulosigkeiten hinreißen lassen. So hat sich denn dieser Mensch, den später, nach der Ermordung des C. Malleolus, Cn. Dolabella als Proquästor hatte (vielleicht war das freundschaftliche Verhältnis mit ihm noch inniger als das mit Carbo, und die Entscheidung der freien Wahl hat wohl noch größeres Gewicht als die des Loses) - so hat er sich denn ebenso gegen Cn. Dolabella wie gegen Cn. Carbo betragenM. Denn er hat die Vorwürfe, die sich gegen ihn selbst richteten, auf Dolabella abgewälzt und dessen ganze Lage den Feinden und Anklägern verraten. Zudem legte er gegen den, dessen Legat, dessen Proquästor er gewesen war, ein höchst feindseliges und bösartiges Zeugnis ab. Cn. Dolabella erging es ohnedies schon übel, und er wurde teils durch den frevelhaften Verrat des Verres, teils durch das gewissenlose und falsche Zeugnis desselben Mannes, teils und hauptsächlich durch die Empörung über dessen Räubereien und Schandtaten vernichtet. Was wollt ihr mit diesem Menschen anfangen oder zu welcher Hoffnung eine so treulose, so nichtsnutzige Kreatur aufsparen ? Er hat bei Cn. Carbo das Los, bei Cn. Dolabella die freie Wahl mißachtet und verletzt und sie beide nicht nur verlassen, sondern sogar verraten und bekämpft. Ich bitte euch, ihr Richter : wägt die Anschuldigungen nicht nach der Kürze meiner Rede, sondern nach dem Gewicht der Tatsachen ab. Denn ich muß notwendig eilen, um euch alles, was ich mir vorgenommen habe, auseinandersetzen zu können. Ich habe euch seine Quästur geschildert und ihr den Raub und Frevel seines ersten Amtes durchschaut; so achtet denn auf das übrige. Ich will hierbei die Zeit der sullanischen Ächtungen und Plündereien übergehen. Ich will ihm nicht ge-
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mitate defensionem ullam sinam sumere, suis eum certis propriisque criminibus accusabo. Q u a m ob rem hoc omni tempore Sultano ex accusatione circumscripco legationem eius praedaram cognoscite.
Posceaquam Cn. Dolabellae provincia Cilicia constituta est, o di immortales, quanta iste cupiditate, quibus adlegationibus illam sibi legationem expugnavit! id quod Cn. Dolabellae principium maximae calamitatis fuit. N a m ut est profectus, quacumque iter fecit, eius modi fuit, non ut legatus populi Romani, sed ut quaedam calamitas pervadere videretur. In Achaia - praetermittam minora omnia, quorum simile forsitan alius quoque aliquid aliquando fecerit; nihil dicam nisi singulare, nisi id quod, si in alium reum diceretur, incredibile videretur magistratum Sicyonium nummos poposcit. N e sit hoc crimen in Verrem: fecerunt alii. C u m ille non daret, animadvertit: improbum, sed non inauditum. Genus animadversionis videte: quaeretis ex quo genere hominem istum iudicetis. Ignem ex lignis viridibus atque umidis in loco angusto fieri iussit: ibi hominem ingenuum, domi nobilem, populi Romani socium atque amicum, fumo excruciatum semivivum reliquie. Iam quae iste signa, quas tabulas pietas ex Achaia sustulerit, non dicam hoc loco: est mihi alius locus ad hanc eius cupiditatem demonstrandam separatus. Athenis audistis ex aede Minervae grande auri pondus ablatum; dictum est hoc in Cn. Dolabellae iudicio. Dictum? etiam aestimatum. Huius
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statten, daß er sich zu seiner Rechtfertigung auf das allgemeine Unglück beruft; ich werde ihn mit Vorwürfen anklagen, die nur ihn treffen und für die allein er verantwortlich ist. Ich lasse also die ganze sullanische Zeit aus meiner Anklage weg; nehmt zur Kenntnis, wie vortrefflich er sein Legatenamt verwaltet hat. Als Cn. Dolabella die Provinz Kilikien erhalten hatte, bei den unsterblichen Göttern, mit welcher Gier, mit was für Empfehlungen eroberte er sich dieses Legatenamt " ! Das war für Cn. Dolabella der Anfang des schlimmsten Unglücks. Denn sobald Verres die Reise angetreten hatte, benahm er sich, wohin der Weg ihn führte, derart, daß nicht ein Legat des römischen Volkes, sondern ein verderbliches Unwetter seinen Durchzug zu nehmen schien. In Achaia (ich will alles weniger Wichtige übergehen, wie es vielleicht in ähnlicher Weise auch ein anderer einmal getan hat; ich will nur beispiellose Dinge vorbringen, nur, was man für unglaublich hielte, wenn es gegen einen anderen Angeklagten vorgebracht würde) verlangte er von einem Beamten zu Silcyon*4 Geld. Dies soll kein Vorwurf gegen Verres sein: das haben auch andere getan. Als der ihm nichts gab, bestrafte er ihn. Das ist arg, aber nicht unerhört. Doch achtet auf die Art der Strafe. Ihr werdet euch dann fragen, zu welcher Sorte von Menschen ihr ihn rechnen sollt. Er befahl, in einem engen Räume ein Feuer aus grünem und feuchtem Holz anzumachen. Dort peinigte er mit dem Qualm den freigeborenen, in seiner Heimat angesehenen Mann, einen Bundesgenossen und Freund des römischen Volkes, und ließ ihn halb tot zurück. Was er ferner an Statuen, an Gemälden aus Achaia fortgeschleppt hat, will ich an dieser Stelle nicht erwähnen; ich habe mir einen anderen Platz vorbehalten, diese Begierde zu schildern17. Ihr habt gehört, daß aus dem Minervatempel zu Athen ** eine große Menge Goldes verschwand; das hat man in dem Prozeß gegen Cn. Dolabella erwähnt. Er-
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consili non participem C . Verrem, sed principem fuisse reperietis. Delum venit. Ibi ex fano Apollinis religiosissimo noctli clam susculit signa pulcherrima acque antiquissima, eaque in onerariam navem suam conicienda curavit. Postridie cum fanum spoliatum viderent ii qui Delum incolebant, graviter ferebant; est enim tanta apud eos eius fani religio atque antiquitas ut in eo loco ipsum Apollinem n a t u m esse arbitrentur. Verbum tarnen facere non audebant, ne forte ea res ad Dolabellum ipsum pertineret. T u m subito tempestares coortae sunt maximae, iudices, ut non m o d o proficisci cum cuperet Dolabella non posset, sed vix in oppido consisteret: ita magni fluctus eiciebantur. Hie navis ilia praedonis istius, onusta signis religiosis, expulsa àtque eiecta flue tu frangitur; in litore signa illa Apollinis reperiuntur; iussu Dolabellae reponuntur. Tempestas sedatur, Dolabella Delo proficiscitur. N o n dubito quin, tametsi nullus in te sensus humanitatis, nulla ratio u m q u a m fuit religionis, nunc tamen in metu periculoque tuo t u o r u m tibi scelerum veniat in mentem. Potestne tibi ulla spes salutis c o m m o d a ostendi, cum recordaris in deos immortalis quam impius, quam sceleratus, quam nefarius fueris? Apollinemne tu Delium spoliare ausus es? Illine tu templo tarn antiquo, tam sancto, tam religioso manus impías ac sacrilegas adferre conatus es? Si in pueritia non iis artibus ac disciplinis institutus eras ut ea quae litteris mandata sunt disceres atque cognosceres, ne postea quidem, cum in ea ipsa
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C. V E R R E S ,
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wähnt ? Man hat auch den Wert geschätzt. Ihr werdet finden, daß C. Verres an diesem Bubenstück nicht nur teilgenommen hat, sondern dessen Anstifter war. Er kam nach Delos Dort nahm er aus dem hochheiligen Tempel des Apoll bei Nacht heimlich die schönsten und ältesten Statuen weg und ließ sie auf sein Lastschiff schaffen. Die Einwohner von Delos waren empört, als sie am folgenden Tage ihr Heiligtum geplündert sahen; ihnen gilt nämlich dieser Tempel für so heilig und ehrwürdig, daß sie glauben, dort sei Apollo selbst geboren. Trotzdem wagten sie kein Wort zu äußern, aus Sorge, Dolabella selbst sei in die Sache verwickelt. Da erhoben sich plötzlich heftige Stürme, ihr Richter, und Dolabella konnte, so sehr er es wünschte, nicht abreisen, ja er vermochte kaum in der Stadt zu bleiben. «So mächtige Wogen wurden emporgeschleudert40.» Da zerschellt das Schiff des Räubers, das mit den heiligen Standbildern beladen war; die Flut hatte es fortgetrieben und an den Strand geworfen. Am Ufer findet man die Statuen des Apoll; man bringt sie auf Befehl Dolabellas an Ort und Stelle zurück; der Sturm legt sich; Dolabella reist von Delos ab. Du hast zwar nie ein Gefühl für Menschlichkeit, nie einige Achtung vor dem Heiligen gehabt ; trotzdem zweifle ich nicht, daß dir jetzt, in deiner Furcht und Gefahr, deine Verbrechen in den Sinn kommen. Kann sich dir jetzt irgendeine Hoffnung und Aussicht auf Rettung zeigen, wenn du bedenkst, wie pflichtvergessen, wie verbrecherisch, wie ruchlos du dich den unsterblichen Göttern gegenüber verhalten hast? Du wagtest es, den delischen Apoll zu berauben? Du versuchtest, dich mit deinen frevelnden und gottlosen Händen an einem so alten, so heiligen, so ehrwürdigen Tempel zu vergreifen? Wenn man dich in deiner Jugend nicht in den Fächern und Wissenschaften unterrichtet hat, daß du lernen und dir aneignen konntest, was in den Schriftwerken aufbewahrt ist 41 : war es
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A C T I O N IS IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.I
loca venisti, potuisti accipere id quod est proditum memoria ac litteris, Latonam ex longo errore et fuga gravi-
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dam et iam ad pariendum temporibus exactis confugisse D e l u m atque ibi Apollinem D i a n a m q u e peperisse? qua ex o p i n i o n e h o m i n u m illa insula e o r u m d e o r u m sacra putatur, tantaque eius auctoritas religionis et est et semper fuit ut ne Persae quidem, c u m bellum toti Graeciae, dis h o m i n i b u s q u e , indixissent, et mille n u m e r o navium classem ad D e l u m adpulissent, quicquam conarentur aut violare aut attingere. H o c tu fanum depopulari, h o m o improbissime
atque amentissime,
audebas?
Fuit
ulla
cupiditas tanta quae tantam exstingueret religionem? Et si tum haec non cogitabas, ne n u n c q u i d e m recordaris nullum esse tantum malum quod non tibi pro sceleribus tu is iam diu debeatur?
In Asiam vero postquam venit, quid ego adventus
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istius prandia, cenas, equos muneraque c o m m e m o r e m ? Nihil c u m Verre de cotidianis criminibus acturus sum: C h i o per vim signa pulcherrima dico abstulisse, item Erythris et Halicarnasso. Tenedo - praetereo pecuniam q u a m eripuit - T e n e m ipsum, qui apud Tenedios sanctissimus deus habetur, qui urbem illam dicitur c o n d i disse, cuius ex n o m i n e Tenedus nominatur, h u n c ipsum, inquam, T e n e m pulcherrime factum, q u e m q u o n d a m in c o m i t i o vidistis, abstulit magno c u m gemitu civitatis.
Illa vero expugnatio fani antiquissimi et nobilissimi
5°
Iunonis Samiae q u a m luctuosa Samiis fuit, q u a m acerba toti Asiae, quam clara apud omnis, q u a m n e m i n i vestrum
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C. V E R R E S ,
I. B U C H
I55
dir nicht einmal später, als du in die Gegend dort kamst, möglich zu erfahren, was die Erinnerung und die Schriften Uberliefern ? La tona soll sich nach langem Irren und Schweifen, als sie schwanger und schon der Geburt nahe war, nach Delos geflüchtet und dort Apollo und Diana geboren haben. Wegen dieser allgemeinen Überzeugung hält man die Insel für ein Heiligtum der genannten Götter, und dieser Glaube war und ist seit jeher so angesehen, daß nicht einmal die Perser etwas zu verletzen oder zu berühren wagten, als sie ganz Griechenland, den Göttern und Menschen, den Krieg erklärt hatten und mit einer Flotte von tausend Schiffen auf Delos landeten 42 . Diesen Tempel auszuplündern hattest du die Verwegenheit, du gewissenlosester und wahnwitzigster aller Menschen ? War je eine Begierde groß genug, eine so große Scheu zu überwinden? Und wenn du damals nicht daran gedacht hast : kommt es dir nicht einmal jetzt in den Sinn, daß kein Übel groß genug ist, das du nicht schon lange für deine Verbrechen verdient hättest? Als er jedoch nach Asien kam 41 , was soll ich seine Aufenthalte erwähnen, die Mahlzeiten und Schmause, die Pferde und Geschenke? Ich will nicht über alltägliche Vergehen mit ihm rechten. Daß er gewaltsam die schönsten Statuen von Chios weggenommen hat, das bringe ich vor; ebenso von Erythrai und Halikarnaß. Von Tenedos aber (ich übergehe das Geld, das er dort raubte) hat er den Tenes selbst, den die Tenedier für die heiligste Gottheit halten, der jene Stadt gegründet haben soll, nach dessen Namen Tenedos benannt ist - eben diesen Tenes, sage ich, ein sehr schön gearbeitetes Bildnis, das ihr vordem auf dem Komitium gesehen habt, hat er unter den lauten Klagen der Bewohner weggenommen 44 . Doch die Erstürmung des uralten und hochangesehenen Heiligtums der samischen Juno, wie jammervoll war sie für die Samier, wie bitter für ganz Asien, wie berüchtigt bei allen,
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A C T I O N IS I N C . V E R R E M
SECUSDAE
LIB. I
inaudita! de qua expugnatione cum legati ad C . Neronem in Asiani Samo venissent, responsum tulerunt eius modi querimonias, quae ad legatos populi Romani pertinerent, non ad praetorem sed Romam deferri oportere. Quas iste tabulas illinc, quae signa sustulit! quae cognovi egomet apud istum in aedibus nuper, cum obsignandi gratia venissem. Quae signa nunc, Verres, ubi sunt? illa quaero
5'
quae apud te nuper ad omnis columnas, omnibus etiam intercolumniis, in silva denique disposila sub divo vidimus. C u r ea, quam diu alium praetorem cum iis iudicibus quos in horum locum subsortitus esses de te in consilium iturum putasti, tarn diu domi fuerunt: posteaquam nostris testibus nos quam horis uti malle vidisti, nullum signum domi reliquisti praeter duo quae in mediis aedibus sunt, quae ipsa Samo sublata sunt? N o n putasti me tuis familiarissimis in hanc rem testimonia denuntiaturum, qui tuae domi semper fuissent, ex quibus quaererem, signa scirentne fuisse quae non essent?
Quid tum hos de te iudicaturos arbitratus es, cum vi-
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derent te iam non contra accusatorem tuum, sed contra quaestorem sectoremque pugnare? Qua de re Charidemum C h i u m testimonium priore actione dicere audistis, sese, cum esset trierarchus et Verrem ex Asia decedentem prosequeretur iussu Dolabellae, fuisse una cum isto Sami, seseque tum scire spoliatum esse fanum Iunonis et oppidum Samum; posteaque se causam apud Chios civis suos
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C. VERRES,
I. BUCH
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wie jedem von euch nur zu bekannt! Als wegen dieser Erstürmung Gesandte von Samos zu C. Nero nach Asien kamen4S, erhielten sie die Antwort, derartige Beschwerden, die sich gegen Legaten des römischen Volkes richteten, seien nicht dem Prätor, sondern in Rom vorzutragen. Was für Gemälde, was für Statuen hat er von dort weggenommen! Ich habe sie noch kürzlich bei ihm zu Hause gesehen, als ich kam, um die Siegel anzulegen Diese Statuen, Verres, wo sind sie jetzt ? Ich frage nach denen, die wir neulich bei dir an allen Säulen, ferner in allen Zwischenräumen der Säulen und sogar in deinem Garten unter freiem Himmel aufgestellt sahen. Warum sind sie nur so lange in deinem Hause geblieben, wie du glaubtest, ein anderer Prätor werde dich gemeinsam mit den Richtern aburteilen, die du anstelle der jetzigen durch das Los zu erhalten hofftest; als du jedoch erkanntest, daß wir lieber unsere Zeugen als unsere Stunden gebrauchen wollten, warum hast du da keine Statue bei dir behalten, mit Ausnahme von zweien, die mitten im Hause stehen, die du ebenfalls aus Samos entwendet hast? Glaubtest du denn nicht, daß ich von deinen vertrautesten Freunden, die jederzeit bei dir zu Hause waren, Zeugnisse hierüber verlangen, daß ich sie fragen würde, ob sie wüßten, daß die Statuen dagewesen seien, die jetzt nicht mehr da sind ? Wie, meintest du damals, würden wohl diese hier über dich urteilen, wenn sie sähen, daß du schon nicht mehr gegen deinen Ankläger, sondern gegen den Quästor und den Aufkäufer kämpfst47 ? Ihr habt hierüber in der vorigen Verhandlung die Zeugenaussage des Charidemos von Chios gehört : er sei Kommandant eines Dreiruderers gewesen und habe auf Befehl Dolabellas Verres bei seiner Abreise aus Asien begleitet; er habe sich gemeinsam mit Verres in Samos aufgehalten und wisse, daß damals das Heiligtum der Juno und die Stadt Samos geplündert worden seien; er habe sich später bei den Chiern,
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ACTIONIS
IN
C.VERREM
SECUNDAE
LIB.I
Samiis accusantibus publice dixisse, eoque se esse absolution q u o d planum fecisset ea q u a e legati S a m i o r u m dicerent ad Verrem, non ad se pertinere. A s p e n d u m vêtus o p p i d u m et nobile in Pamphylia scitis esse, plenissimum s i g n o r u m o p t i m o r u m . N o n dicam illinc hoc s i g n u m ablatum esse et illud: hoc dico, nullum te Aspendi signum, Verres, reliquisse, o m n i a ex fanis, ex locis publicis, palam, spectantibus o m n i b u s , plaustris evecta exportataque esse. A t q u e etiam ilium Aspendium citharistam, de q u o saepe audistis id q u o d est Graecis hominibus in proverbio, q u e m o m n i a "intus canere" dicebant, sustulit et in intimis suis aedibus posuit, ut etiam ilium
ipsum suo artifìcio superasse videatur.
Pergae
f a n u m antiquissimum et sanctissimum D i a n a e scimus esse: id q u o q u e a te n u d a t u m ac s p o l i a t u m esse, ex ipsa D i a n a q u o d habebat auri detractum atque ablatum esse dico.
Q u a e , m a l u m , est ista tanta audacia atque amentia! Q u a s enim sociorum atque a m i c o r u m urbis adisti legationis iure et nomine, si in eas vi c u m exercitu imperioq u e invasisses, tamen, opinor, quae signa atque ornamenta ex iis urbibus sustulisses, haec non in tuam d o m u m neque in suburbana a m i c o r u m , sed R o m a m in p u b l i c u m déportasses.
Q u i d ego de M . Marcello loquar, qui Syracusas, urbem ornatissimam, cepit? q u i d d e L. Scipione, qui bellum in Asia gessit A n t i o c h u m q u e , regem potentissimum, vicit? q u i d de Flaminino, qui regem Philippum et M a c e d o -
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C. VERRES,
I.
BUCH
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seinen Mitbürgern, öffentlich verantworten müssen, da die Samier ihn angeklagt hätten, und er sei deshalb freigesprochen worden, weil er beweisen konnte, daß die Aussagen der sa mischen Gesandten Verres, nicht ihn beträfen. Aspendos ist, wie ihr wißt, eine alte und berühmte Stadt in Pamphylien α , angefüllt mit den herrlichsten Statuen. Ich behaupte nicht, von dort sei diese oder jene Statue verschwunden; ich behaupte vielmehr: du hast keine einzige Statue in Aspendos zurückgelassen, Verres ; sie sind sämtlich unverhohlen und vor aller Augen aus den Heiligtümern und von den öffentlichen Plätzen auf Wagen geladen und weggefähren worden. Und er hat sogar den aspendischen Zitherspieler, von dem ihr oft das bei den Griechen gängige Sprichwort gehört habt (er spiele alles nach innen, sagen sie), entwendet und im Innersten seines Hauses aufgestellt, so daß er mit seiner Kunst sogar ihn übertroffen zu haben scheint4*. Wie wir wissen, steht in Perge50 ein uralter und hochheiliger Tempel der Diana. Auch den, versichere ich, hast du ausgeplündert und beraubt, und von dem Bildnis der Diana hast du das Gold, das daran war, weggenommen und entwendet. Was ist das, zum Henker, für eine Frechheit und (ur ein Wahnwitz! Denn du suchtest die Städte unserer Bundesgenossen und Freunde mit dem Recht und dem Rang eines Legaten auf; doch wenn du dort gewaltsam mit einem Heere und als Oberbefehlshaber eingedrungen wärest, so hättest du wohl trotzdem, meine ich, die Statuen und Kunstwerke, die du diesen Städten weggenommen hättest, nicht in dein Haus noch in die Villen deiner Freunde, sondern nach Rom auf einen öffentlichen Platz gebracht. Was soll ich von M. Marcellus sagen, der Syrakus, diese an Schmuckwerk überreiche Stadt, genommen hat? Was von L.Scipio, der in Asien Krieg führte und Antiochos, den allmächtigen König, besiegte? Was von Flamininus, der König
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A C Τ I Ο Ν IS IN C. V E R R E M S E C U N D A E LIB. I
niam subegit? quid de L. Paulo, qui regem Persen vi ac virtute superávit? quid de L. M u m m i o , qui urbem pulcherrimam atque ornatissimam, Corinthum, plenissimam rerum omnium, sustulit, urbisque Achaiae Boeociaeque multas sub imperium populi Romani dicionemque subiunxit? Q u o r u m domus, cum honore ac virtute florerent,
signis et tabulis pictis erant vacuae; at vero ur-
bem totam templaque deorum omnisque Italiae partis illorum donis ac monumentis exornaras videmus.
Vereor ne haec forte cuipiam nimis antiqua et iam obsoleta videantur; ita enim tum aequabiliter omnes erant eius modi ut haec laus eximiae virtutis et innocentiae non solum hominum, verum etiam temporum illorum esse videatur.
P. Servilius, vir clarissimus, maximis
rebus
gestis, adest de te sententiam laturus: O l y m p u m vi, copiis, Consilio, virtute cepit, urbem antiquam et omnibus rebus auctam et ornatam. Recens exemplum fortissimi viri profero; nam postea Servilius imperator populi Romani O l y m p u m urbem hostium cepit quam tu in isdem illis locis legatus quaestorius oppida pacata sociorum atque amicorum diripienda ac vexanda curasti. Tu quae ex
57
fanis religiosissimis per scelus et latrocinium abstulisti, ea nos videre nisi in tuis amicorumque tuorum tectis non possumus: P. Servilius quae signa atque ornamenta ex urbe hostium vi et virtute capta belli lege atque imperatorio iure sustulit, ea populo Romano adportavit, per triumphum vexit, in tabula publica ad aerarium perscri-
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C. V E R R E S ,
I. B U C H
16 I
Philipp und Makedonien unterwarf? Was von L. Paullus, der durch seine Schlagkraft und Tüchtigkeit König Perseus überwand? Was von L. Mummius, der Korinth, diese herrliche und reich geschmückte, mit Besitz aller Art gefüllte Stadt, zerstörte und zahlreiche Städte von Achaia und Böotien der Herrschaft und Botmäßigkeit des römischen Volkes unterstellte51 ? Die Häuser dieser Männer prangten von Ehre und Verdienst, waren jedoch frei von Statuen und Gemälden. Aber wir sehen, daß die ganze Stadt und die Tempel der Götter und alle Gegenden Italiens mit ihren Gaben und Denkmälern verziert sind. Ich furchte, manch einer glaubt, diese Dinge seien gar zu alt und schon aus der Mode gekommen; denn damals waren alle in gleicher Weise so geartet, daß der Ruhm besonderer Rechtschaffenheit und Lauterkeit nicht allein den Menschen, sondern auch jenen Zeiten zu gehören scheint. P. Servilius, ein durch seine großen Leistungen hochberühmter Mann, ist zugegen; er wird über dich seine Stimme abgeben. Mit Gewalt und Heeresmacht, mit Klugheit und Tapferkeit hat er Olympos eingenommen, eine alte und mit allerlei Dingen reich versehene und geschmückte Stadt". Ich führe das ganz frische Beispiel eines besonders tüchtigen Mannes an; denn Servilius, der Befehlshaber des römischen Volkes, hat die feindliche Stadt Olympos erst eingenommen, nachdem du in denselben Gegenden als Legat und einstiger Quästor die friedlichen Städte der Bündner und Freunde hattest plündern und heimsuchen lassen. Was du in frevelhafter und räuberischer Weise aus den heiligsten Tempeln weggenommen hast, das können wir nur in deinen und deiner Freunde Behausungen sehen; P. Servilius dagegen hat die Statuen und Schmuckstücke, die er aus der mit Gewalt und in tapferem Kampf eroberten Stadt der Feinde nach Kriegsgesetz und Feldherrnrecht wegnahm, dem römischen Volke gebracht, im Triumphzug mit sich ge-
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A C T I O N IS IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.I
b e n d a curavit. C o g n o s c i t e ex litteris publicis h o m i n i s amplissimi diligentiam. Recita. RATIONES RELATAE P. SERVILI. N o n solum n u m e r u m signorum, sed etiam unius cuiusque m a g n i t u d i n e m , figuram, scatum litteris definiri vides. C e r t e maior est virtutis victoriaeque iucunditas q u a m ista voluptas quae percipitur ex libidine et cupiditate. M u l t o diligentius habere dico Servilium praedam populi R o m a n i q u a m te tua (urta notata atque perscripta.
Dices tua q u o q u e signa et tabulas pietas o r n a m e n t o urbi f o r o q u e populi R o m a n i fuisse. M e m i n i ; vidi simul c u m p o p u l o R o m a n o forum c o m i t i u m q u e a d o r n a t u m ad speciem m a g n i f i c o ornatu, sed sensum c o g i t a t i o n e m q u e a c e r b o et lugubri; vidi conlucere o m n i a furtis tuis, praeda provinciarum, spoliis sociorum atque a m i c o r u m . Q u o quidem
tempore,
iudices,
iste spem
maximam
reli-
q u o r u m q u o q u e peccatorum nactus est; vidit e n i m eos qui i u d i c i o r u m se d o m i n o s dici volebant harum cupid i t a t u m esse servos. Socii vero nationesque exterae spem o m n e m t u m primum abiecerunt rerum ac fortunarum suarum, propterea quod casu legati ex Asia atque Achaia plurimi R o m a e tunc fuerunt, qui deorum simulacra ex suis fanis sublata in foro venerabantur, itemque cetera signa et o r n a m e n t a cum cognoscerent, alia alio in loco lacrimantes intuebantur. Q u o r u m o m n i u m h u n c s e r m o nem t u m esse audiebamus, nihil esse q u o d q u i s q u a m
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C. V E R R E S ,
I. B U C H
I 63
fuhrt, in die amtlichen Bücher der Staatskasse eintragen lassen. Erseht aus dem amtlichen Bericht die Gewissenhaftigkeit dieses erlauchten Mannes. Lies vor. - («Die Abrechnung, die P. Servilius vorgelegt hat.») - Du siehst, in dem Schreiben ist nicht nur die Zahl der Statuen, sondern auch die Größe, die Gestalt und der Zustand einer jeden genau angegeben. Wahrhaftig, die Genugtuung über die Redlichkeit und den Sieg ist größer als der Genuß, den die zügellose Begierde verschafft. Mit weit größerer Sorgfalt, behaupte ich, hat Servilius die Beute des römischen Volkes vermerkt und aufgezeichnet als du deine Diebstähle. Du wirst versichern, auch deine Statuen und Gemälde hätten der Stadt und dem Forum des römischen Volkes als Zierde gedient. Ich erinnere mich; ich sah zugleich mit dem römischen Volke Forum und Komitium geschmückt; der Prunk war dem Anscheine nach erlesen, für unsere Gefühle und Gedanken jedoch bitter und schmerzlich; ich sah, wie alles von deinen Diebstählen erstrahlte, vom Raube der Provinzen, von der Beute aus den Städten der Bündner und Freunde. In dieser Zeit, ihr Richter, konnte sich Verres auch wegen seiner übrigen Vergehen die größten Hoffnungen machen. Er sah nämlich, daß diejenigen, die sich Herren der Gerichte genannt wissen wollten, die Sklaven derartiger Begierden seien 51 . Doch die Bundesgenossen und auswärtigen Völker 94 fingen damals an, jede Hoffnung für ihr Eigentum und Vermögen aufzugeben, und zwar deshalb, weil sich zu jener Zeit zufallig sehr viele Gesandte aus Asien und Achaia in Rom befanden; die beteten auf dem Forum zu den Götterbildern, die aus ihren Heiligtümern entwendet waren, und ebenso betrachteten sie unter Tränen die übrigen Statuen und Schmuckstücke, die sie bald an diesem, bald an jenem Orte wiedererkannten. Von ihnen allen hörten wir damals die Bemerkung, niemand habe jetzt mehr einen Grund, an dem Untergang der Bündner und
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ACTIONIS
IN C . V E R R E M
SECL'NDAE
LIB.I
dubitaret de exitio sociorum atque a m i c o r u m , c u m quid e m viderent in foro populi R o m a n i , q u o in loco antea qui sociis iniurias fecerant accusari et c o n d e m n a r i soleb a n t , ibi esse palam posita ea quae ab sociis per scelus ablata ereptaque essent. H i c ego n o n arbitrer ilium negaturum signa se pluri-
60
m a , tabulas pietas innumerabilis habere; sed, ut opinor, solet haec quae rapuit et furatus est n o n n u m q u a m dicere se emisse, q u o n i a m q u i d e m in Achaiam, Asiam, Pamphyliam s u m p t u publico et legationis n o m i n e mercator s i g n o r u m tabularumque pictarum missus est. H a b e o et ipsius et patris eius accepti tabulas o m n i s , quas diligentissime legi atque digessi, patris, quoad vixit, tuas, q u o a d ais te confecisse. N a m in isto, iudices, hoc novum reperietis. A u d i m u s aliquem tabulas n u m q u a m confecisse; quae est o p i n i o h o m i n u m de A n t o n i o falsa, nam fecit diligentissime; verum sit h o c genus aliquod, m i n i m e prob a n d u m . A u d i m u s alium non ab initio fecisse, sed ex t e m p o r e aliquo coepisse; est aliqua etiam huiusce rei ratio. H o c vero novum et ridiculum est, q u o d hie nobis respondit c u m ab eo tabulas postularemus, usque ad M . T e r e n t i u m et C . Cassium cónsules confecisse, postea destitisse. Alio loco hoc cuius modi sit considerabimus;
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n u n c nihil ad m e attinet; h o r u m enim t e m p o r u m in quibus n u n c versor habeo tabulas et tuas et patris. Plurima signa pulcherrima, plurimas tabulas óptimas deportasse te negare n o n potes. A t q u e utinam neges! U n u m ostende in tabulis aut tuis aut patris tui e m p t u m esse: vicisti.
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C. V E R R E S ,
I.BUCH
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Freunde zu zweifeln; denn auf dem Forum des römischen Volkes, wo man zuvor diejenigen anzuklagen und zu verurteilen pflegte, die den Bundesgenossen Unrecht zugefügt hatten, dort sehe man öffentlich ausgestellt, was den Bundesgenossen rechtswidrig weggenommen und geraubt sei. Hier würde er, glaube ich, nicht leugnen, daß er sehr viele Statuen und unzählige Gemälde besitze, doch er pflegt, meine ich, bisweilen für gekauft auszugeben, was er geraubt und gestohlen hat. Hat man ihn doch auf Staatskosten und mit dem Rang eines Legaten zum Einkaufen von Statuen und Gemälden nach Achaia, Asien und Pamphylien geschickt". Ich besitze alle Rechnungsbücher von ihm und seinem Vater - und ich habe sie sehr sorgfältig gelesen und durchgearbeitet - , die des Vaters bis zu dessen Tode, die deinigen, solange du sie geführt zu haben behauptest. Denn bei Verres werdet ihr folgende Neuheit entdecken, ihr Richter. Wir hören, daß jemand nie Bücher gefuhrt hat; dies vermuten die Leute von M. Antonius" - fälschlicherweise, denn er hat sie mit größter Genauigkeit gefuhrt. Doch es mag diese Sorte geben; sie ist durchaus nicht lobenswert. Wir hören, daß ein anderer nicht von Anfang an Bücher geführt, sondern zu einer bestimmten Zeit damit begonnen habe. Auch das läßt sich noch einigermaßen verstehen. Doch dies ist ebenso beispiellos wie lächerlich, was Verres uns geantwortet hat, als wir seine Bücher verlangten : er habe sie bis zum Konsulat des M. Terentius und C. Cassius 57 geführt und dann damit aufgehört. Wir wollen bei anderer Gelegenheit untersuchen, was es hiermit auf sich hat; jetzt liegt mir nicht daran. Denn für die Zeit, mit der ich es jetzt zu tun habe, besitze ich deine und deines Vaters Bücher; du aber kannst nicht bestreiten, daß du zahlreiche herrliche Statuen, zahlreiche sehr gute Bilder weggeschleppt hastund wenn du es doch bestrittest! Weise mir von einem einzigen Stück in deinen oder deines Vaters Büchern nach, daß es
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A C Τ I Ο Ν I S IN
C.VERREM
SECUNDAE
LIB.I
N e haec q u i d e m duo signa pulcherrima quae nunc ad impluvium cuum scant, quae multos annos ante valvas Iunonis Samiae steterunt, habes q u o m o d o emeris, haec, i n q u a m , duo quae in aedibus tuis sola iam sunt, quae sectorem exspectant, relicta ac destituía a ceteris signis.
At, credo, in hisce solis rebus indómitas cupiditates atque effrenatas habebat: ceterae libídines eius ratione aliqua aut m o d o c o n t i n e b a n t u r . Q u a m multis istum ingenuis, q u a m multis matribus familias in ilia taetra atque impura legatione vim attutisse existimatis? E c q u o o p p i d o pedem posuit ubi non plura stuprorum
in
flagi-
t i o r u m q u e suorum q u a m adventus sui vestigia reliquerit? Sed ego o m n i a quae negari p o t e r u n t
praetermittam;
etiam haec quae certissima sunt et clarissima relinquam; u n u m aliquod de nefariis istius factis eligam, q u o facilius ad Siciliam possim aliquando, quae m i h i hoc oneris neg o t i q u e imposuit, pervenire.
O p p i d u m est in H e l l e s p o n t o L a m p s a c u m , iudices, in primis Asiae provinciae clarum et nobile; homines autem ipsi Lampsaceni c u m s u m m e in o m n i s civis R o m a n o s officiosi, tum praeterea m a x i m e sedati et quieti, prope praeter ceteros ad s u m m u m G r a e c o r u m o t i u m potius quam ad ullam vim aut t u m u l t u m a d c o m m o d a t i . Accidit, cum iste a C n . Dolabella efflagitasset ut se ad regem N i c o m e dem regemque Sadalam mitteret, c u m q u e iter h o c sibi magis ad quaestum s u u m q u a m ad rei publicae tempus adcommodatum
depoposcisset,
ut ilio itinere
veniret
L a m p s a c u m c u m magna calamitate et prope pernicie civitatis. D e d u c i t u r iste ad Ianitorem q u e n d a m hospitem,
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C. VERRES,
I. B U C H
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gekauft sei : dann hast du gesiegt. Nicht einmal von diesen beiden herrlichen Statuen, die jetzt in deinem Innenhofe stehen, die viele Jahre vor den Torflügeln der samischen Juno gestanden haben, kannst du beweisen, wie du sie gekauft hast; ich meine diese beiden, die sich jetzt noch als einzige in deinem Hause befinden, die des Aufkäufers harren, verlassen und entblößt von den übrigen Statuen. Indes er hatte, glaube ich, nur nach diesen Dingen ein unbezähmbares und zügelloses Verlangen; seine übrigen Gelüste wurden wohl durch ein vernünftiges M a ß in Schranken gehalten. Wie vielen jungen Leuten von freier A b k u n f t , glaubt ihr, wie vielen verheirateten Frauen hat Verres während seiner scheußlichen und schmutzigen Legatenzeit Gewalt angetan ? In welche Stadt hat er den Fuß gesetzt, w o er nicht mehr Spuren seiner Unzucht und Schändlichkeit als seines sonstigen Auftretens hinterlassen hätte? Doch ich will alles, was sich bestreiten läßt, übergehen, will auch, was ganz unzweifelhaft und allgemein bekannt ist, beiseite lassen; ich will nur eine seiner ruchlosen Taten auswählen, um desto leichter endlich einmal auf Sizilien zu kommen, das mich ja mit dieser Mühe und Aufgabe betraut hat. Am Hellespont liegt die Stadt Lampsakos, ihr Richter, in der Provinz Asien besonders angesehen und berühmt. Die Lampsakener aber sind gegenüber allen römischen Bürgern höchst zuvorkommend und zudem sehr gelassen und ruhig; sie neigen fast mehr noch als die anderen eher zu äußerster griechischer Friedfertigkeit als zu irgendeiner Gewalttat und Unruhe. Da geschah es, daß Verres von Cn. Dolabella verlangte, er möge ihn zu König Nikomedes und zu König Sadala senden '*, daß er sich diese Reise mehr zu seinem eigenen Vorteil als zu einer für den Staat geeigneten Zeit erbat und daß er auf dem Wege dorthin nach Lampsakos kam - zum großen Unheil und fast zum Verderben der Stadt. Man fuhrt ihn zu
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A C T IΟ Ν I S IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.I
c o m i t e s q u e eius item apud cereros hospites conlocantur. U t m o s erat istius, atque ut e u m suae libídines
flagitiosae
facere a d m o n e b a n t , statim n e g o t i u m dat illis suis c o m i tibus, nequissimis turpissimisque h o m i n i b u s , uti videant et investigent ecqua virgo sit aut mulier digna quam o b rem ipse Lampsaci diutius c o m m o r a r e t u r .
Erat c o m e s eius Rubrius q u i d a m , h o m o factus ad istius
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libídines, qui m i r o artifìcio, q u o c u m q u e venerat, haec investigare o m n i a solebat. Is ad e u m rem istam deferì, P h i l o d a m u m esse q u e n d a m , genere, h o n o r e , copiis, exist i m a t i o n e facile principem L a m p s a c e n o r u m ; eius esse fìliam,
quae c u m patre habitaret propterea quod virum
n o n haberet, mulierem eximia pulchritudine; sed earn s u m m a integritate pudicitiaque e x i s t i m a n . H o m o ,
ut
haec audivit, sic exarsit ad id q u o d n o n m o d o ipse n u m q u a m viderat, sed ne audierat q u i d e m ab eo qui ipse vidisset, ut statim ad P h i l o d a m u m migrare se diceret velie. Hospes Ianitor, qui nihil suspicaretur, veritus ne quid in ipso se offenderetur, h o m i n e m s u m m a vi retinere coepit. Iste, qui hospitis relinquendi causam reperire n o n posset, alia sibi ratione viam m u n i r e ad stuprum coepit; R u b r i u m , delicias suas, in o m n i b u s eius modi rebus adiutorem suum et c o n s c i u m , parum laute deversari dicit; ad P h i l o d a m u m deduci iubet.
Quod
ubi est P h i l o d a m o
nuntiatum,
tametsi erat
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ignarus q u a n t u m sibi ac liberis suis iam tum mali c o n stitueretur, tamen ad istum venit; ostendit munus illud s u u m n o n esse; se, c u m suae partes essent hospitum
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C. VERRES,
I.
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einem gewissen lanitor, der ihn aufnehmen sollte, und seine Begleiter werden ebenfalls bei anderen Gastgebern untergebracht. Wie es seine Gewohnheit war und wie ihn seine schändlichen Gelüste trieben, beauftragt er sofort seine Begleiter, ganz nichtswürdige und verworfene Gesellen, sie sollten nachsehen und auskundschaften, ob sich irgendein Mädchen oder eine Frau finde, die es wert sei, daß er sich länger in Lampsakos aufhalte. Zu seinen Begleitern gehörte ein gewisser Rubrius, wie geschaffen für seine Gelüste, der mit bewundernswerter Geschicklichkeit all dies, wohin er je kam, auszukundschaften pflegte. Er meldet dem Verres folgendes : ein gewisser Philodamos sei durch Abkunft, Ehre, Reichtum und Ansehen wohl der erste Mann unter den Lampsakenern, und er habe eine Tochter, die bei ihrem Vater wohne, weil sie noch nicht verheiratet sei, eine ungewöhnlich schöne Frau, die jedoch in dem Rufe der größten Sittsamkeit und Keuschheit stehe. Wie der Mensch das hörte, entbrannte er für etwas, was er nicht nur selbst niemals gesehen, sondern nicht einmal von einem Augenzeugen gehört hatte, und zwar so sehr, daß er alsbald erklärte, er wolle zu Philodamos ziehen. lanitor, sein Wirt, ahnte nichts; er fürchtete, Verres möchte mit ihm nicht zufrieden sein, und begann, ihn mit allen Mitteln zurückzuhalten. Da Verres keinen Grund finden konnte, seinen Gastgeber zu verlassen, begann er sich auf andere Weise den Weg zur Unzucht zu bahnen. Er behauptet, Rubrius, sein Liebling, der bei allen derartigen Unternehmungen sein Gehilfe und Mitwisser war, sei nicht bequem genug untergebracht; er befiehlt, ihn zu Philodamos zu bringen. Als Philodamos hiervon Nachricht erhielt, da wußte er zwar noch nicht, welches Unheil sich schon jetzt für ihn und seine Kinder vorbereitete; er ging aber doch zu Verres und legte ihm dar, daß ihm diese Verpflichtung nicht zukomme; wenn
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ACTIONIS
IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.I
recipiendorum, tum ipsos tarnen praetores et cónsules, n o n legatorum adseculas, ree i pe re solere. Iste, qui una cupiditate raperetur, t o t u m illius postulatum causamque neglexit; per vim ad e u m , qui recipere non Rubrium
debebat,
deduci imperavit. H i c P h i l o d a m u s ,
postea-
q u a m ius suum obtinere non potuit, ut h u m a n i t a t e m c o n s u e t u d i n e m q u e suam retineret laborabat. H o m o , qui semper hospitalissimus amicissimusque n o s t r o r u m hominum
existimatus esset,
noluit
videri
ipsum
illum
R u b r i u m invitus d o m u m suam recepisse; magnifìce et ornate, ut erat in primis inter suos copiosus, convivium c o m p a r a i ; rogat R u b r i u m ut quos ei c o m m o d u m sit invitet, l o c u m sibi soli, si videatur, relinquat; etiam
fìlium
suum, lectissimum adulescentem, foras ad p r o p i n q u u m suum q u e n d a m mittit ad c e n a m .
Rubrius istius comités invitât; eos o m n i s Verres certi-
66
ores facit quid opus esset. M a t u r e veniunt, discumbitur. Fit sermo inter eos, et invitatio ut G r a e c o more biberetur; hortatur hospes, poscunt maioribus poculis, celebratur o m n i u m sermone laetitiaque c o n v i v i u m . Posteaquam satis calere res R u b r i o visa est, " Q u a e s o " , inquit, " P h i l o d a m e , cur ad nos filiam tuam non i n t r o vocari iubes?" H o m o , qui et s u m m a gravitate et iam id aetatis et parens esset, obstipuit h o m i n i s i m p r o b i dicto. Instare Rubrius. T u m ille, ut aliquid responderet, negavit moris esse Graec o r u m ut in convivio virorum a c c u m b e r e n t
mulleres.
H i c t u m alius ex alia parte, " E n i m vero ferendum h o c
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C. V E R R E S ,
I. B U C H
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die Reihe an ihm sei, Gäste aufzunehmen, dann pflege er nur die Prätoren und Konsuln selbst, nicht das Gefolge von Legaten zu beherbergen. Verres, der sich allein von seiner Begierde hinreißen ließ, setzte sich gänzlich über das Verlangen und die Gründe des Mannes hinweg; er befahl, Rubrius mit Gewalt bei dem unterzubringen, der gar nicht zur Aufnahme verpflichtet war. Jetzt bemühte sich Philodamos, da er sein Recht nicht hatte erhalten können, die gewohnte Liebenswürdigkeit zu wahren. Der Mann, der unseren Leuten gegenüber stets als sehr gastfreundlich und entgegenkommend gegolten hatte, wollte nicht den Anschein erwecken, als habe er gerade den Rubrius wider seinen Willen in sein Haus aufgenommen. Glänzend und reichlich (er war ja unter seinen Landsleuten besonders wohlhabend) läßt er ein Gastmahl vorbereiten. Er fordert Rubrius auf, wen er wolle, dazu einzuladen; nur für ihn möge er, wenn es ihm recht sei, einen Platz übriglassen. Sogar seinen Sohn, einen ausgezeichneten jungen Mann, schickt er zum Essen aus dem Hause, zu einem seiner Verwandten. Rubrius lädt die Begleiter des Verres ein. Der unterrichtet sie alle, was zu tun sei. Sie kommen beizeiten; man läßt sich nieder. Man unterhält sich miteinander; man fordert sich auf, nach griechischer Weise zu trinken5*. Der Gastgeber spricht ihnen zu; sie verlangen größere Becher; die allgemeine Unterhaltung und Heiterkeit belebt das Mahl. Als Rubrius glaubte, die Stimmung sei genügend angeheizt, sagt er: «Ich bitte dich, Philodamos, warum läßt du nicht deine Tochter zu uns hereinrufen?» Philodamos, ein Mann von ernsten Grundsätzen und schon bejahrt und zudem der Vater, war fassungslos über die Worte dieses Schurken. Rubrius setzte ihm zu. Da erklärte er, um etwas zu antworten, es sei bei den Griechen nicht Brauch, daß Frauen bei einem Männergastmahle Platz nähmen. Jetzt ruft der eine hier, der andere dort: «Wahrhaftig,
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ACTIO ΝIS
I N C. V E R R E M
SECUNDAE
LIB.I
q u i d e m non est; vocetur mulier!" Et simul servis suis Rubrius ut ianuam clauderent et ipsi ad foris adsisterent imperat. Q u o d ubi ille intellexit, id agi atque id parari ut filiae suae vis adferretur, servos suos ad se vocat; his imperat ut se ipsum neglegant, filiam defendant; excurrat aliquis qui hoc tantum domestici mali filio nuntiet. C l a m o r interea fit tota d o m o ; p u g n a inter servos Rubri atque hospitis; iactatur d o m i suae vir primarius et h o m o honestissimus; pro se quisque manus adfert; a q u a denique ferventi a Rubrio ipso Philodamus perfunditur. H a e c ubi filio nuntiata sunt, statim exanimatus ad aedis contendit, ut et vitae patris et pudicitiae sororis succurreret;
omnes
e o d e m a n i m o Lampsaceni, simul ut hoc audicrunt, q u o d eos c u m Philodami dignitas t u m iniuriae m a g n i t u d o movebat, ad aedis noctu convenerunt. Hic lictor istius Cornelius, qui cum eius servis erat a Rubrio quasi in praesidio ad auferendam mulierem conlocatus, occiditur; servi non nulli vulnerantur; ipse Rubrius in turba sauciatur. Iste, qui sua cupiditate tantos tumultus concitatos videret, cupere aliqua evolare, si posset.
Postridie homines m a n e in contionem conveniunt; quaerunt q u i d o p t i m u m factu sit; p r o se quisque, ut in q u o q u e erat auctoritatis p l u r i m u m , ad p o p u l u m loquebatur; inventus est nemo cuius non haec et sententia esset et oratio, non esse m e t u e n d u m , si istius nefarium scelus
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das kann man nicht durchgehen lassen; man hole das Mädchen herbei!» Und zugleich befiehlt Rubrius seinen Sklaven, sie sollten die Haustüre versperren und sich selbst am Eingang aufstellen. Sobald Philodamos merkt, es gehe darum und sei nur darauf abgesehen, seiner Tochter Gewalt anzutun, ruft er seine Sklaven zu sich. Denen befiehlt er, sie sollten sich um ihn selbst nicht kümmern und nur seine Tochter schützen; einer solle forteilen, um den Sohn von dem großen Unheil, das seiner Familie zugestoßen sei, zu benachrichtigen. Mittlerweile erhebt sich im ganzen Hause Geschrei; ein Kampf bricht aus unter den Sklaven des Rubrius und des Gastgebers; man jagt den vornehmen und hochangesehenen Mann in seinem Anwesen hin und her; ein jeder schlägt nach Kräften zu. Schließlich wird Philodamos von Rubrius mit siedendem Wasser übergössen. Als der Sohn von der Sache erfuhr, eilte er sofort atemlos nach Hause, um das Leben des Vaters und die Keuschheit der Schwester zu beschützen. In gleicher Absicht versammelten sich alle Lampsakener, sobald sie davon hörten, nachts vor dem Hause; hierzu veranlaßte sie teils das Ansehen des Philodamos, teils die Größe des Unrechts. Jetzt wird Cornelius, ein Büttel des Verres, den Rubrius mitsamt seinen Sklaven zur Entfuhrung des Mädchens gleichsam auf Posten gestellt hatte, getötet; einige Sklaven empfangen Wunden; Rubrius selbst wird im Getümmel verletzt. Als Verres sah, welchen Aufruhr er durch sein Gelüste erregt hatte, war er nur noch darauf bedacht, sich wenn möglich irgendwie aus dem Staube zu machen. Am anderen Tage kommen die Leute zeitig zur Volksversammlung; man fragt sich, was zu tun das Beste sei; alle, die in großem Ansehen standen, sprachen der Reihe nach zum Volke; niemand fand sich, der nicht dafürgehalten und geäußert hätte, man brauche nicht zu furchten, daß der Senat
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A C Τ 1 0 N I S IN C . V E R R E M S E C U N D A E
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Lampsaceni ulti vi m a n u q u e essent, ne senatus populusque R o m a n u s in eam civitatem animadvertendum putare t; quodsi hoc iure legati populi Romani in socios nationesque exteras uterentur, ut pudicitiam liberorum servare ab e o r u m libidine tutam non liceret, quidvis esse perpeti satius q u a m in tanta vi atque acerbitate versari. H a e c c u m o m n e s sentirent, et cum in eam rationem pro suo quisque sensu ac dolore loqueretur, o m n e s ad eam d o m u m in q u a iste deversabatur profecti sunt; caedere ianuam saxis, instare ferro, ligna et sarmenta circumdare i g n e m q u e subicere coeperunt. Tune cives R o m a n i , qui L a m p s a c i negotiabantur, concurrunt; orant Lampsacenos ut gravius a p u d eos n o m e n legationis q u a m iniuria legati putaretur; sese intellegere h o m i n e m ilium esse i m p u r u m ac nefarium, sed q u o n i a m nec perfecisset quod conatus esset, ñeque futurus esset Lampsaci postea, levius e o r u m peccatum fore si homini scelerato pepercissent q u a m si legato non pepercissent.
Sic iste multo sceleratior et nequior q u a m ille Hadrianus aliquanto etiam felicior fuit. Ille, q u o d eius avaritiam cives R o m a n i ferre non potuerunt, Uticae d o m i suae vivus exustus est, idque ita mili merito accidisse existimatum est ut laetarentur o m n e s neque ulla animadversio constitueretur: hic sociorum a m b u s t u s incendio tarnen ex illa f i a m m a periculoque evolavit, neque adhuc causam ullam excogitare potuit q u a m o b rem commiserit, aut q u i d eve-
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und das Volk von Rom die Stadt bestrafen zu müssen glaubten, wenn die Lampsakener das- ruchlose Verbrechen des Verres mit Gewalt und Tätlichkeiten geahndet hätten. Wenn sich die Legaten des römischen Volkes gegen die Bundesgenossen und auswärtigen Völker das Recht herausnähmen, daß es unstatthaft sei, die Keuschheit der Kinder vor ihren Gelüsten zu schützen und zu bewahren, dann sei es besser, alles auf sich zu nehmen, als unter einer so bitteren Gewaltherrschaft zu leben. Da sie einhellig dieser Meinung waren und sich ein jeder nach seinen schmerzlichen Empfindungen in diesem Sinne aussprach, zogen sie allesamt zu dem Hause, in dem Verres eingekehrt war. Sie fingen an, die T ü r mit Steinen einzuschlagen, mit Eisengeräten anzugreifen, ringsum Holz und Reisig aufzuschichten und Feuer zu legen. Da versammeln sich die römischen Bürger, die in Lampsakos Handel trieben. Sie bitten die Lampsakener, sie möchten dem Legatentitel größeres Gewicht beimessen als dem Unrecht eines einzelnen Legaten; sie sähen ein, daß Verres ein unsauberer und verruchter Geselle sei; da er aber sein Vorhaben nicht ausgeführt habe und er sich auch künftig nicht mehr in Lampsakos aufhalten werde, sei ihr Vergehen geringer, wenn sie den frevelhaften Menschen geschont, als wenn sie den Legaten nicht geschont hätten. So hatte dieser Mensch, der weit verruchter und nichtsnutziger war als jener Hadrianus, auch noch erheblich mehr Glück. Denn Hadrianus wurde, weil die römischen Bürger seine Habsucht nicht mehr ertragen konnten, bei lebendigem Leibe zu Urica in seinem Hause verbrannt, und man war so sehr davon überzeugt, dies sei ihm zu Recht geschehen, daß alle sich freuten und keinerlei Ahndung angeordnet wurde 40 . Verres hingegen, angesengt von dem Brande der Bundesgenossen, entkam trotzdem aus der Feuersglut und Gefahr, und er konnte sich bisher noch keinen Vorwand ausdenken, wie er
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A C T IΟ Ν IS IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.I
nerit, ut in tantum periculum veniret. N o n e n i m potest dicere, " c u m seditionem sedare vellem, c u m f r u m e n t u m imperarem, c u m Stipendium c o g e r e m , c u m aliquid deniq u e rei publicae causa gererem, q u o d acrius imperavi, q u o d animadverti, quod minatus s u m . " Q u a e si diceret, tarnen ignosci non oporteret, si nimis atrociter imperand o sociis in tantum adductus periculum videretur. N u n c
7'
c u m ipse causam illius tumultus neque veram dicere ñ e q u e falsam confingere audeat, h o m o autem ordinis sui
frugalissimus, qui
tum
accensus C . N e r o n i
fuit,
P. Tettius, haec eadem se Lampsaci cognosse dixerit, vir o m n i b u s rebus ornatissimus, C . Varrò, qui t u m in Asia m i l i t u m tribunus fuit, haec eadem ipse se ex P h i l o d a m o audisse dicat, potestis dubitare quin istum fortuna n o n tam ex ilio periculo eripere voluerit q u a m ad vestrum iudicium reservare? Nisi vero illud dicet, q u o d et in Tetti t e s t i m o n i o priore actione interpellavit Hortensius - q u o t e m p o r e quidem signi satis dedit, si quid esset q u o d posset dicere, se tacere non posse, ut, q u a m diu tacuit in ceteris testibus, scire o m n e s possemus nihil
habuisse
q u o d diceret: hoc tum dixit, P h i l o d a m u m et fìlium eius a C . N e r o n e esse damnatos. D e q u o ne multa disseram
Ί2
t a n t u m dico, secutum id esse N e r o n e m et eius consilium: q u o d C o r n e l i u m lictorem occisum esse c o n s t a r « , putasse n o n oportere esse c u i q u a m ne in ulciscenda quidem iniuria h o m i n i s occidendi
potestatem.
In q u o
video
Neronis iudicio non te absolutum esse improbitatis, sed illos d a m n a t o s esse caedis.
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C. VERRES,
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es angestellt oder wie es sich zugetragen hat, daß er in eine solche Gefahr geriet. Denn er kann nicht behaupten : «Als ich einen Aufstand beschwichtigen wollte, als ich Getreide zu liefern befahl, als ich eine Steuer eintrieb, kurz, als ich irgendeinen staatlichen Auftrag ausführte, weil meine Befehle zu streng waren, weil ich Strafen verhängte, weil ich Drohungen aussprach.» Wenn er das behauptete, so wäre es trotzdem unverzeihlich, wenn er durch allzu harte Befehle an die Bundesgenossen in eine solche Gefahr geraten zu sein schiene. Doch jetzt wagt er selbst weder die wahre Ursache jenes Aufruhrs anzugeben noch eine falsche zu erdichten; P.Tettius aber,, einer der ordentlichsten Leute seines Standes, der damals Amtsdiener bei C. Nero war, hat erklärt, daß er eben dies in Lampsakos erfahren habe, und C. Varrò, ein in jeder Hinsicht ausgezeichneter Mann, der damals in Asien als Militärtribun" diente, sagt aus, er habe selbst genau das gleiche von Philodamos gehört: könnt ihr da zweifeln, daß die Vorsehung den Verres nicht so sehr jener Gefahr entreißen als fiir euer Urteil aufsparen wollte? Es sei denn, er wolle behaupten, was auch Hortensius bei der Aussage des Tettius in der vorigen Verhandlung einwandte (bei dieser Gelegenheit hat er deutlich genug gezeigt, daß er nicht schweigen kann, wenn er etwas vorzubringen weiß, so daß wir alle ersehen konnten, er habe nichts vorzubringen gewußt, solange er bei den übrigen Zeugen schwieg) - damals behauptete er, Philodamos und sein Sohn seien von C. Nero verurteilt worden. Um hierüber nicht viele Worte zu verlieren, bemerke ich nur, daß sich Nero und seine Berater nach folgendem Grundsatz richteten: da feststehe, daß der Büttel Cornelius ermordet worden sei, glaubten sie, daß niemand die Befugnis haben dürfe, einen Menschen zu töten, auch nicht, wenn er ein Unrecht vergelte. Das Urteil Neros hat, wie ich sehe, nicht dich des schurkischen Verhaltens für unschuldig, sondern jene des Mordes fur schuldig befunden.
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ACT IΟ Ν IS IN C.VERREM SECUNDAE LIB.I
Verum ista damnatio tarnen cuius modi fuit? Audite, quaeso, iudices, et aliquando miseremini sociorum et ostendite aliquid iis in vestra fide praesidi esse oportere. Q u o d toti Asiae iure occisus videbatur istius ille verbo lietor, re vera minister improbissimae cupiditatis, pertimuit iste ne Philodamus Neronis iudicio liberaretur; rogat et orat Dolabellam ut de sua provincia decedat, ad Neronem proficiscatur; se demonstra! incolumem esse non posse, si Philodamo vivere atque aliquando Romam venire licuisset. C o m m o t u s est Dolabella: fecit id quod multi reprehenderunt, ut exercitum, provinciam, bellum relinqueret, et in Asiam hominis nequissimi causa in alienam provinciam proficisceretur. Posteaquam ad Neronem venit, contendit ab eo ut Philodami causam cognosceret. Venerai ipse qui esset in Consilio et primus sententiam diceret; adduxerat etiam praefectos et tribunos militaris suos, quos Nero omnis in consilium vocavit; erat in Consilio etiam aequissimus iudex ipse Verres; erant n o n nulli togati creditores Graecorum, quibus ad exigendas pecunias improbissimi cuiusque legati plurim u m prodest gratia.
Ille miser defensorem reperire neminem poterat; quis enim esset aut togatus, qui Dolabellae gratia, aut Graecus, qui eiusdem vi et imperio non moveretur? Accusator autem adponitur civis Romanus de creditoribus Lampsacenorum; qui si dixisset quod iste iussisset, per eiusdem istius lictores a populo pecuniam posset exigere. C u m haec omnia tanta contentione, tantis copiis agerentur; cum ilium miserum multi accusarent, nemo defenderet;
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C. VERRES,
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Allein, wie ging diese Verurteilung vor sich? Hört mich bitte an, ihr Richter, und habt endlich Erbarmen mit den Bundesgenossen und beweist, daß eure Pflichttreue bestimmt ist, ihnen einigermaßen Schutz zu gewähren. Da ganz Asien glaubte, jener Mann sei mit Recht getötet worden, der dem Namen nach Büttel des Verres, in Wahrheit aber der Gehilfe seiner schändlichen Gelüste war, befürchtete Verres, das Gericht Neros möchte Philodamos freisprechen. Er bittet und bedrängt Dolabella, seine Provinz zu verlassen und zu Nero zu reisen ; er beteuert, es sei um seine Sicherheit geschehen, wenn Philodamos am Leben bleiben und irgendwann einmal nach Rom kommen dürfe. Dolabella ließ sich überreden; er tat, was viele getadelt haben, und verließ das Heer, die Provinz, die Kriegsführung und reiste dem nichtswürdigsten Menschen zu Gefallen nach Asien, in eine fremde Provinz41. Bei Nero angekommen, verlangte er von ihm, er möge die Sache des Philodamos untersuchen. Er hatte sich eingefunden, um selbst den Beisitzern anzugehören und als erster seine Stimme abzugeben. Außerdem hatte er seine Präfekten" und Militärtribunen mitgebracht; Nero berief sie sämtlich in das Gericht. Unter den Beisitzern befand sich auch Verres selbst, der gerechteste aller Richter, befanden sich einige Römer, Gläubiger von Griechen, denen bei der Eintreibung des Geldes ein Legat durch seine Gunst desto mehr nützen kann, je gewissenloser er ist. Der unglückliche Philodamos konnte keinen Verteidiger finden. Denn welchen Römer hätte nicht Dolabellas Einfluß oder welchen Griechen nicht seine Macht und Herrschaftsgewalt beeindruckt ? Als Ankläger jedoch wird ein römischer Bürger aufgestellt, ein Gläubiger der Lampsakener. Wenn der sagte, was Verres befahl, dann konnte er durch dessen Büttel sein Geld vom Volke eintreiben lassen. Obwohl dies alles mit solchem Eifer, mit so großen Machtmitteln betrieben wurde, obwohl viele den Unglücklichen anklagten, niemand ihn ver-
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A C T IΟ Ν IS IN C . V E R R E M
SECUNDAE
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c u m q u e Dolabella c u m suis praefectis pugnaret in Consilio, Verres fortunas agi suas diceret, idem testimonium diceret, idem esset in Consilio, idem accusatorem parasset - haec c u m o m n i a fierent, et c u m h o m i n e m constaret occisum, tamen tanta vis istius iniuriae, tanta in isto improbità^ putabatur ut de P h i l o d a m o AM PLI us pronuntiaretur. Q u i d ego nunc in altera actione C n . Dolabellae spiritus, quid huius lacrimas et concursationes proferam, quid C . Neronis, viri optimi atque innocentissimi, non nullis in rebus a n i m u m n i m i u m t i m i d u m atque demissum? qui in illa re q u i d facere oporteret non habebat, nisi forte, id q u o d o m n e s t u m desiderabant, ut ageret earn rem sine Verre et sine Dolabella. Q u i c q u i d esset sine his actum, omnes probarent; t u m vero q u o d pronuntiatum est non per N e r o n e m iudicatum, sed per D o l a b e l l a m ereptum existimabatur. C o n d e m n a t u r enim perpaucis sententiis Philodamus et eius filius. Adest, instat, urget Dolabella ut q u a m p r i m u m securi feriantur, q u o q u a m m i n i m e multi ex illis de istius nefario scelere audire possent. C o n stituitur in foro Laodiceae spectaculum acerbum et miserum et grave toti Asiae provinciae, grandis natu parens adductus ad supplicium, ex altera parte filius, ille q u o d pudicitiam liberorum, hic q u o d vitam patris f a m a m q u e sororis defenderat. Flebat uterque non d e suo supplicio, sed pater de fili morte, de patris filius. Q u i d lacrimarum ipsum N e r o n e m putatis profudisse? q u e m fletum totius Asiae fuisse, q u e m luctum et g e m i t u m L a m p s a c e n o r u m ?
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teidigte und obwohl Dolabella mit seinen Präfekten im Richterbeirat kämpfte, Verres behauptete, es gehe um sein Wohl und Wehe, und zugleich als Zeuge aussagte, zugleich Beisitzer war, zugleich den Ankläger bestellte, obwohl dies alles geschah und obwohl die Ermordung eines Menschen bewiesen war, wurde doch die Gewaltsamkeit des von Verres verübten Unrechts, wurde seine Unverschämtheit fiir so groß gehalten, daß man die Entscheidung Uber Philodamos vertagte. Wozu soll ich jetzt vorbringen, wie hochfahrend Cn. Dolabella in der zweiten Verhandlung auftrat, wozu, wie Verres weinte und aufgeregt hin und her lief, wozu, daß sich C. Nero, ein vortrefflicher und ganz uneigennütziger Mann, in einigen Dingen allzu ängstlich und mutlos zeigte? Es gab für ihn in dieser Sache gar nichts zu tun, außer etwa, was man damals allgemein wünschte, daß er sie ohne Verres und ohne Dolabella verhandele. Was ohne diese beiden geschehen wäre, hätte jedermann gutgeheißen. Die Entscheidung aber, die damals gefällt wurde, war, so glaubte man, kein Urteil Neros, sondern eine Erpressung Dolabellas. Philodamos und sein Sohn wurden nämlich mit einer Mehrheit von sehr wenigen Stimmen fiir schuldig befunden. Dolabella ist zur Stelle, er drängt, er treibt, man solle sie schnellstens hinrichten, damit möglichst wenige etwas von dem ruchlosen Verbrechen des Verres erfahren könnten. Auf dem Markt zu Laodicea*4 wird ein bitteres und jammervolles und fiir die ganze Provinz Asien schmerzliches Schauspiel in Szene gesetzt; man fuhrt den bejahrten Vater zum Richtplatz, und außerdem dessen Sohn, den Vater, weil er die Keuschheit seiner Kinder, den Sohn, weil er das Leben des Vaters und den Ruf der Schwester verteidigt hatte. Beide weinten nicht über ihre eigene Bestrafung, sondern der Vater über den Tod des Sohnes, der Sohn über den des Vaters. Wie viele Tränen, meint ihr wohl, hat selbst Nero vergossen, welche Wehklage erhob sich in ganz Asien, welcher Jammer
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ACTIONIS
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securi esse percussos homines innocentis nobilis, socios populi R o m a n i atque amicos, propter hominis flagitiosissimi singularem nequiciam atque improbissimam cupiditatem! Iam iam, Dolabella, ñeque me tui neque
tuorum
liberorum, q u o s tu miseros in egestate atque in solitudine reliquisti, misereri potest. Verresne tibi tanti fuit ut eius libidinem h o m i n u m innocentium sanguine lui velles? Idcircone exercitum atque hostem relinquebas ut tua vi et crudelitate istius hominis improbissimi pericula sublevares? Q u o d enim e u m tibi quaestoris in loco constitueras, idcirco tibi a m i c u m in p e r p e t u u m fore putasti? nesciebas ab eo C . C a r b o n e m consulem, cuius re vera quaestor fuerat, non m o d o relictum sed etiam spoliatum auxiliis, pecunia, nefarie o p p u g n a t u m et proditum? Expertus igitur es istius perfidiam t u m c u m ipse se ad inimicos tuos contulit, c u m in te h o m o ipse nocens acerrim u m testimonium dixit, c u m rationes ad aerarium nisi d a m n a t o te referre noluit.
Tantaene tuae, Verres, libídines erunt ut eas capere ac sustinere non provinciae populi R o m a n i , non nationes exterae possint? Tune q u o d videris, q u o d audieris, q u o d concupieris, q u o d cogitaris, nisi id ad n u t u m t u u m praesto fuerit, nisi libidini tuae cupiditatique paruerit, immittentur homines, expugnabuntur d o m u s , civitates non m o d o pacatae, verum etiam s o c i o r u m atque a m i c o r u m ad vim atque ad arma confugient, ut ab se atque a liberis suis legati populi R o m a n i scelus ac libidinem propulsare possint?
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und welch Seufzen unter den Lampsakenern ? Schuldlose Menschen von adligem Stande, Bundesgenossen und Freunde des römischen Volkes, wurden mit dem Beile hingerichtet, und das wegen der beispiellosen Niederträchtigkeit und schändlichen Begierde eines ganz lasterhaften Menschen. Nein, nein, Dolabella, jetzt kann ich weder dich noch deine Kinder bedauern, die du elend in Armut und Hilflosigkeit hinterlassen hast". War dir Verres so viel wert, daß du seiner Zügellosigkeit das Blut unschuldiger Menschen opfern mochtest ? Deshalb verließest du das Heer und den Feind, um durch deine gewalttätige Grausamkeit die Gefahren dieses Schurken zu verringern? Denn weil du ihn mit der Stelle deines Quästors betraut hattest, deshalb glaubtest du, er werde für immer dein Freund sein ? Wußtest du nicht, daß er den Konsul Cn. Carbo, dessen wirklicher Quästor er gewesen war, nicht nur verlassen, sondern auch der Hilfsmittel, des Geldes beraubt und auf niederträchtige Weise bekämpft und verraten hatte? Du hast also seine Treulosigkeit erst damals erfahren, als er seinerseits zu deinen Feinden übertrat, als er, der selber strafbar war, dich durch sein Zeugnis schwer belastete, als er sich weigerte, vor deiner Verurteilung bei der Staatskasse Rechnung zu legen. Sollten deine Begierden so groß sein, Verres, daß die Provinzen des römischen Volkes, daß die auswärtigen Völkerschaften sie nicht fassen und ertragen können ? Was du siehst und hörst, was du wünschest und denkst, wenn das nicht auf deinen Wink zur Stelle ist, nicht deinem Gelüste und Verlangen Folge leistet, sollen dann Leute losgeschickt, Häuser erobert werden, müssen dann nicht nur befriedete, sondern auch verbündete und befreundete Gemeinden zu bewaffneter Gewalt ihre Zuflucht nehmen, um von sich und ihren Kindern den Legaten des römischen Volkes in seiner verbrecherischen Begierde fernzuhalten?
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ACTIONIS
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SECUNDAE
L1B.1
Nam quaero abs te circumsessusne sis Lampsaci, coeperitne domum in qua deversabare ilia multitudo incendere, voluerintne legatum populi Romani
comburere
vivum Lampsaceni? Negare non potes; habeo enim testimonium tuum quod apud Neronem dixisti, habeo quas ad eundem litteras misisti. Recita hunc ipsum locum de t e s t i m o n i o . T E S T I M O N I U M C . V E R R I S IN
ARTEMIDORUM.
N O N MULTO POST IN D O M U M
Bellumne populo Romano Lampsacena civitas tacere conabatur? deficere ab imperio ac nomine nostro volebat? Video enim et ex iis quae legi et audivi intellego, in qua civitate non modo legatus populi Romani circumsessus, non modo igni, ferro, manu, copiis oppugnatus, sed aliqua ex parte violatus sit, nisi publice satis factum sit, ei civitati bellum indici atque inferri solere.
Quae fuit igitur causa cur cuncta civitas Lampsacenorum de contione, quem ad m o d u m tute scribis, domum tuam concurreret? Tu enim neque in litteris quas Neroni mittis, neque in testimonio causam tanti tumultus ostendis ullam. Obsessum te dicis, igriem adlatum, sarmenta circumdata, lictorem tuum occisum esse dicis, prodeundi tibi in publicum potestatem factam negas: causam huius tanti terroris occultas. N a m si quam Rubrius iniuriam suo nomine ac non impulsu tuo et tua cupiditate fecisset, de tui comitis iniuria questum ad te potius quam te oppugnatum venirent. C u m igitur quae
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C. V E R R E S ,
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Denn ich frage dich: hat man dich in Lampsakos belagert, hat die Menge begonnen, das Haus, in dem du wohntest, anzuzünden, wollten die Lampsakener den Legaten des römischen Volkes bei lebendigem Leibe verbrennen ? Du kannst es nicht leugnen; ich habe nämlich dein Zeugnis, das du vor Nero ablegtest, ich habe den Brief, den du ihm sandtest. Lies die betreffende Stelle aus dem Zeugnis vor. - (Die Aussage des C. Verres gegen Artemidoros: «Nicht viel später, gegen das Haus...») Hatte die Bürgerschaft von Lampsakos etwa die Absicht, mit dem römischen Volke Krieg anzufangen ? Wollte sie sich unserer Herrschaft und Macht entziehen? Ich sehe ja und weiß durch das, was ich gelesen und gehört habe, daß dem Staate, in dem man einen Legaten des römischen Volkes nicht nur umlagert, nicht nur mit Feuer und Schwert, mit Gewalttat und Truppenmacht bedrängt, sondern sogar irgendwie verletzt, daß diesem Staat der Krieg erklärt und ins Land gebracht zu werden pflegt, wenn er nicht offiziell Genugtuung leistet. Was war denn die Ursache, weshalb die gesamte Bürgerschaft der Lampsakener von der Volksversammlung, wie du selbst schreibst, vor deinem Hause zusammenlief? Du gibst nämlich weder in deinem Schreiben an Nero noch in deinem Zeugnis irgendeine Ursache fur einen derartigen Aufruhr an. Man habe dich belagert, sagst du, Feuer herbeigebracht, ringsum Reisig aufgeschichtet; du behauptest, dein Büttel sei getötet worden; du erklärst, du habest dich nicht in der Öffentlichkeit zeigen dürfen; doch du verschweigst die Ursache dieser schlimmen Bedrängnis. Denn wenn Rubrius auf eigene Faust, nicht auf deine Veranlassung und deiner Begierde zuliebe irgendein Unrecht begangen hätte, dann wären sie eher zu dir gekommen, sich über die Gewalttat deines Begleiters zu beschweren, als daß sie dich belagert hätten. Die
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A C Τ I Ο Ν IS I N C. V E R R E M S E C U N D A !
LIB.I
causa illius tumultus fuerit testes a nobis p r o d u c t ! dixerint, ipse celarit, n o n n e causam h a n c q u a m nos proposuimus c u m illorum testimonia tum istius taciturnitas perpetua confirmât? H u i c h o m i n i parcetis igitur, iudices, cuius tanta peccata sunt ut ii quibus iniurias fecerit neque legitimum tempus exspectare ad ulciscendum neque vim tantam doloris in posterum differre potuerint? Circumsessus es. A quibus? A Lampsacenis. Barbaris h o m i n i b u s , credo, aut iis qui populi R o m a n i n o m e n c o n t e m n e r e n t . I m m o vero ab h o m i n i b u s et natura et c o n s u e t u d i n e et disciplina lenissimis, porro autem populi R o m a n i c o n d i c i o n e sociis, fortuna servis, volúntate supplicibus: ut perspic u u m sit o m n i b u s , nisi tanta acerbitas iniuriae, tanta vis sceleris fuisset ut Lampsaceni m o r i e n d u m sibi potius q u a m perpetiendum putarent, n u m q u a m illos in eum l o c u m progressuros fuisse ut vehementius odio libidinis tuae q u a m legationis m e t u moverentur.
Nolite, per deos immortalis, cogere socios atque exteras nationes h o c uti perfugio, q u o , nisi vos vindicatis, utentur necessario! Lampsacenos in istum n u m q u a m ulla res mitigasset nisi e u m poenas R o m a e d a t u r u m credidissent: etsi talem acceperant iniuriam, q u a m nulla lege satis digne persequi possent, tarnen i n c o m m o d a sua nostris c o m m i t t e r e legibus et iudiciis q u a m dolori suo p e r m i t tere m a l u e r u n t . T u m i h i , c u m circumsessus a tam inlustri
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C. V E R R E S ,
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von uns vorgeführten Zeugen haben also eine Ursache für diesen Aufruhr angegeben, er selbst aber hat keine genannt : wird nicht die von uns mitgeteilte Ursache teils durch jene Zeugnisse, teils durch das beharrliche Schweigen des Verres bestätigt? Diesen Menschen wollt ihr also schonen, ihr Richter ? Seine Vergehen sind so groß, daß die von ihm Gekränkten weder die gesetzliche Zeit der Rache erwarten" noch den heftigen Ausbruch ihres Schmerzes für die Zukunft aufsparen konnten! Du bist belagert worden. Von wem ? Von den Lampsakenern. Von Barbaren, möchte ich meinen, oder von Leuten, die den Namen des römischen Volkes verachten. Nein, vielmehr von Menschen, die nach Charakter und Gewohnheiten und Grundsätzen äußerst sanftmütig, außerdem aber ihrer Rechtsstellung nach die Bundesgenossen, durch ihr Geschick die Sklaven, aus freiem Willen die Schutzflehenden des römischen Volkes sind. Daher sieht jedermann ein : wäre die Bitterkeit des Unrechts nicht so groß, die Gewalt des Verbrechens nicht so schrecklich gewesen, daß die Lampsakener lieber sterben als so etwas auf sich nehmen wollten, sie wären niemals so weit gegangen, daß sie sich stärker durch ihre Empörung über deine Willkür als durch die Furcht vor deinem Legatenamte bestimmen ließen. Zwingt doch - bei den unsterblichen Göttern! - die Bundesgenossen und auswärtigen Völkerschaften nicht, zu dieser Auskunft ihre Zuflucht zu nehmen, die sie, wenn ihr nicht strafend eingreift, notgedrungen suchen werden! Nichts hätte je die Lampsakener gegen Verres wieder milde gestimmt, wären sie nicht überzeugt gewesen, er werde in Rom seine Strafe erhalten; allerdings hatten sie ein Unrecht erlitten, das sie nach keinem Gesetz angemessen verfolgen konnten; gleichwohl wollten sie ihre Beschwerden lieber unseren Gesetzen und Gerichten anvertrauen als ihrem Schmerz überlassen. Du
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ACT IΟ Ν 1S IN C . V E R R E M S E C U N D A E
LIB.I
civitate sis propter t u u m scelus atque flagitium, c u m coegeris homines miseros et calamitosos quasi desperatis nostris legibus et iudiciis ad vim, ad m a n u s , ad arma confugere, c u m te in oppidis et civitatibus a m i c o r u m non legatum populi R o m a n i , sed tyrannum libidinosum crudelemque praebueris, c u m a p u d exteras nationes imperi n o m i n i s q u e nostri f a m a m tuis probris flagitiisque violaris, c u m te ex ferro a m i c o r u m populi R o m a n i eripueris atque ex f i a m m a s o c i o r u m evolaris, hic tibi p e r f u g i u m speras f u t u r u m ? Erras: ut hue incideres, non ut hic conquiesceres, illi te vivum exire passi sunt.
Et ais iudicium esse factum te iniuria circumsessum
K
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esse Lampsaci, q u o d P h i l o d a m u s c u m filio c o n d e m n a t u s sit. Q u i d , si doceo, si p l a n u m fació teste h o m i n e n e q u a m , verum ad hanc rem tamen idoneo - te ipso, i n q u a m , teste d o c e b o te huius circumsessionis tuae causam et c u l p a m in alios transtulisse, neque in eos, q u o s tu insimularas, esse animadversum. Iam nihil te iudicium Neronis adiuvat. Recita quas ad N e r o n e m Heteras misit. EPISTULA C . V E R R I S AD N E R O N E M . THEMISTAGORAS
ET T H E S S A -
LUS - . T h e m i s t a g o r a m et T h e s s a l u m scribis
populum
concitasse. Q u e m p o p u l u m ? Q u i te circumsedit, qui te vivum comburere conatus est. U b i hos persequeris, ubi accusas, ubi defendis ius n o m e n q u e legati? in Philodami iudicio dices id actum? C e d o mihi ipsius Verris testimo-
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C. V E R R E S ,
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bist mir wegen deines Frevels und Verbrechens von den Bürgern einer so angesehenen Stadt umstellt worden; du hast elende und unglückliche Menschen gezwungen, zur Gewalt, zu Tätlichkeiten, zu den Waffen ihre Zuflucht zu nehmen, als seien unsere Gesetze und Gerichte hoffnungslos; du hast in den Städten und Gemeinden unserer Freunde nicht den Legaten des römischen Volkes, sondern einen zügellosen und grausamen Tyrannen hervorgekehrt; du hast durch deine Laster und Schandtaten bei den auswärtigen Völkern dem Ruf unserer Macht und Herrschaft geschadet; du bist dem Schwert der Freunde des römischen Volkes entflohen und der Flamme der Bundesgenossen entronnen: da hoffst du noch, daß dir hier eine Zuflucht offensteht? Du irrst dich. Damit du hier zu Fall kommst, nicht damit du hier Ruhe findest, haben die Lampsakener dich lebend davonlaufen lassen. Und du behauptest, das Gericht habe entschieden, du seist in Lampsakos rechtswidrig belagert worden, weil man ja Philodamos mitsamt seinem Sohne verurteilt habe. Wie, wenn ich zeige, wenn ich deutlich mache, und zwar durch das Zeugnis eines nichtsnutzigen, jedoch fur diese Sache gleichwohl geeigneten Zeugen - durch dein eigenes Zeugnis, sage ich, werde ich beweisen, daß du die Ursache und Schuld fur diese Belagerung anderen zugeschoben hast und daß diejenigen, die du beschuldigt hattest, gar nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Dann hilft dir das Urteil Neros nichts mehr. Lies den Brief vor, den er an Nero gesandt hat. - (Brief des C. Verres an Nero: «Themistagoras und Thessalos...») - Themis tagoras und Thessalos, schreibst du, hätten das Volk aufgewiegelt. Welches Volk? Das dich belagert, das dich bei lebendigem Leibe zu verbrennen versucht hat. Wo verfolgst du diese Leute, wo klagst du sie an, wo verteidigst du das Recht und die Würde des Legaten ? Willst du sagen, dies sei in dem Prozeß gegen Philodamos verhandelt worden? Schafft mir des
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AC ΤIΟ Ν IS IN C.VERREM SECUNDAE LIB.I
n i u m : videamus quid idem iste iuratus dixerit. Recita. AB ACCUSATORE ROGATUS RES P O N D I T IN HOC I U D I C I O NON PERSEQUI: SIBI IN ANIMO ESSE ALIO T E M P O R E P E R S E Q U I .
Q u i d igitur re iuvat Nerón is iudicium, quid Philodami damnatio?
Legatus c u m
esses circumsessus,
q u e m ad m o d u m tute ad N e r o n e m scripsisti,
cumque, populo
R o m a n o c o m m u n i q u e causae legatorum facta esset insignis iniuria, non es persecutus: dicis tibi in a n i m o esse alio tempore persequi. Q u o d fuit id tempus? q u a n d o es persecutus? C u r i m m i n u i s t i ius legationis, cur causam populi R o m a n i deseruisti ac prodidisti, cur iniurias tuas coniunctas c u m publicis reliquisti? N o n te ad senatum causam deferre, non de tarn atrocibus iniuriis c o n q u e r i , non eos homines qui p o p u l u m c o n c i t a r a n ! c o n s u l u m litteris evocandos curare oportuit? N u p e r M . Aurelio Scauro postulante, q u o d is Ephesi se quaestorem vi proh i b i t u m esse dicebat q u o minus e fano D i a n a e servum suum, qui in illud asylum confugisset, abduceret, Pericles Ephesius, h o m o nobilissimus, R o m a m evocatus est, q u o d auctor illius iniuriae fuisse arguebatur: tu, si te legatum ita Lampsaci tractatum esse s e n a t u m docuisses ut tui c o mites vulnerarentur, lictor occideretur, ipse circumsessus paene incenderere, eius a u t e m rei duces et auctores et principes fuisse, quos scribis, T h e m i s t a g o r a m et T h e s s a lum, quis non commoveretur, quis n o n ex iniuria quae tibi esset facta sibi provideret, quis n o n in ea re causam
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C. VERRES,
I. BUCHX
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Verres eigenes Zeugnis her; wir wollen sehen, was derselbe Mann unter Eid ausgesagt hat. Lies vor. - («Vom Ankläger befragt, antwortete er, er verfolge sein Recht nicht in diesem Prozeß; er wolle es zu einer anderen Zeit verfolgen.») Was hilft dir also der Spruch des Nero, was die Verurteilung des Philodamos? Obwohl man dich, den Legaten, belagert hatte und obwohl man, wie ja auch du an Nero geschrieben hast, dem römischen Volke und der gemeinsamen Sache der Legaten eine unerhörte Beleidigung zugefügt hatte, hast du sie nicht verfolgt. Du sagst, du wollest sie zu einer anderen Zeit verfolgen. Welche Zeit war das? Wann hast du das Unrecht verfolgt? Warum hast du die rechtliche Stellung des Legaten verschlechtert, warum die Sache des römischen Volkes preisgegeben und verraten, warum dich des Unrechts nicht angenommen, das man dir und zugleich dem Staate zugefugt hatte ? Hättest du die Sache nicht vor den Senat bringen, nicht über so schreiendes Unrecht Beschwerde fuhren, nicht die Leute, die das Volk aufgewiegelt hatten, durch ein Schreiben der Konsuln vorladen lassen sollen ? Neulich erklärte M. Aurelius Scaurus, er sei als Quästor in Ephesos gewaltsam daran gehindert worden, seinen Sklaven aus dem Tempel der Diana wegzufuhren, der sich in dieses Asyl gefluchtet hatte 67 ; und auf seinen Antrag wurde der Ephesier Perikles, ein Mann von höchstem Range, nach Rom geladen, weil man ihm Schuld gab, er sei der Anstifter dieser Rechtswidrigkeit gewesen. Wenn du nun dem Senat bewiesen hättest, man habe dich als Legat in Lampsakos derart behandelt, daß man deine Begleiter verwundete, einen Büttel tötete, dich selbst belagerte und beinahe verbrannte, die Anführer aber und Urheber und Häupter dieser Unternehmung seien, wie du schreibst, Themistagoras und Thessalos gewesen: wer hätte sich davon nicht beeindrucken lassen, wer wäre nicht wegen des Unrechts, das dir widerfahren ist, für sich selbst besorgt gewe-
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tuam,
A C T ΙΟ Ν IS IN C . V E R R E M
periculum
commune
SECUNDAE
agi arbitraretur?
LIB.I
Etenim
n o m e n legati eius modi esse debet q u o d n o n m o d o inter s o c i o r u m iura, sed etiam inter h o s t i u m tela i n c o l u m e versetur. M a g n u m h o c L a m p s a c e n u m crimen est libidinis atque improbissimae cupiditatis: accipite n u n c avaritiae prope m o d u m in suo genere n o n levius. Milesios navem poposcit, quae eum praesidi causa M y n d u m prosequeretur: ili i statim m y o p a r o n e m egregium de sua classe o r n a t u m atque a r m a t u m dederunt. H o c praesidio M y n d u m profectus est. N a m quid a Milesiis lanae publice abstulerit, item de s u m p t u in a d v e n t u m , de c o n t u m e l i i s et iniuriis in magistratum M i l e s i u m tametsi dici c u m vere t u m graviter et v e h e m e n t e r potest, tarnen dicere praerermittam eaque o m n i a testibus integra reservabo: illud, q u o d ñeque taceri ullo m o d o neque dici pro dignitate potest, cognoscite. Milites remigesque M i l e t u m M y n d o pedibus
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revertí iubet: ipse m y o p a r o n e m p u l c h e r r i m u m de decern M i l e s i o r u m navibus electum L. M a g i o et L. F a n n i o , qui M y n d i h a b i t a b a n t , vendidit. H i sunt h o m i n e s quos nuper senatus in hostium n u m e r o habendos censuit: h o c illi navigio ad o m n i s populi R o m a n i hostis usque ab D i a n i o ad S i n o p a m navigaverunt.
O , di immortales, incredibilem avaritiam singularemq u e audaciam! Navem tu de classe populi R o m a n i , q u a m tibi Milesia civitas ut te prosequeretur dedisset, ausus es vendere? Si te m a g n i t u d o malefici, si h o m i n u m existim a d o n o n movebat, ne illud q u i d e m cogitabas, huius
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C. VERRES,
I.
BUCH
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sen, wer hätte nicht geglaubt, daß es sich hierbei ebensosehr um eine allgemeine Gefahr wie um deine Sache handele ? Denn der Titel eines Legaten muß so angesehen sein, daß er nicht nur unter den Gesetzen der Bundesgenossen, sondern auch unter den Geschossen der Feinde Sicherheit genießt. Schwer wiegt der Skandal, den seine Lüsternheit und hemmungslose Begierde in Lampsakos verursacht hat. Vernehmt nunmehr ein Bubenstück seiner Habsucht, das in seiner Art kaum geringer ist. Er verlangte von den Milesiern ein Schiff, das ihn der Sicherheit halber nach Myndos6* begleiten sollte. Sie gaben ihm sofort ein vorzügliches Schiff ihrer Flotte, einen wohlausgerüsteten und bewaffneten Schnellsegler. Unter diesem Schutze reiste Verres nach Myndos. Denn auf die Wolle, die er den Milesiern von Amts wegen abnahm, ferner auf die Kosten seines Aufenthaltes, auf die Schmähungen und Beleidigungen, die er den Behörden von Milet zufügte, so wahrheitsgetreu, so nachdrücklich und kräftig man auch darüber reden könnte, will ich trotzdem nicht weiter eingehen und alle diese Punkte unberührt fur die Zeugen aufsparen. Doch vernehmt, was man keinesfalls verschweigen darf und doch nicht angemessen schildern kann. Er befiehlt den Soldaten und Ruderern, zu Fuß von Myndos nach Milet zurückzukehren; er selbst aber verkaufte den Schnellsegler, ein ausgewähltes Stück, das schönste von den zehn Schiffen der Milesier, dem L. Magius und L. Fannius, die damals in Myndos wohnten. Das sind Leute, die der Senat neulich zu Staatsfeinden erklärte. Mit diesem Schiff sind sie bei allen Feinden des römischen Volkes von Dianium bis Sinope umhergefahren **. Bei den unsterblichen Göttern! Welch unglaubliche Habgier und beispiellose Verwegenheit! Ein Schiff aus der Flotte des römischen Volkes, das dir der Staat von Milet zu deinem Geleit gegeben hatte, hast du zu verkaufen gewagt ? Wenn die Größe der Untat, wenn das Urteil der Leute keinen Eindruck
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A C T Ι Ο Ν IS I N
C. V E R R E M S E C U N D A E
LIB.I
improbissimi furti sive adeo nefariae praedae tarn inlustrem ac tam nobilem civitatem testem futuram? An quia turn C n . Dolabella in eum, qui ei myoparoni praefuerat Milesiisque rem gestam renuntiarat, animadvertere tuo rogatu conatus est, renuntiationemque eius, quae erat in publicas litteras relata illorum legibus, tolli iusserat, idcirco te ex hoc crimine elapsum esse arbitrabare? M u l t u m te ista fefellit opinio, et quidem multis in locis. Semper enim existimasti, et maxime in Sicilia, satis cautum tibi ad defensionem fore, si aut referri aliquid in litteras publicas vetuisses, aut quod relatum esset tolli coegisses. H o c quam nihil sit, tametsi ex multis Siciliae civitatibus priore actione didicisti, tarnen etiam in hac ipsa civitate cognosce. Sunt ì 11 ì quidem dicto audientes, quam diu adsunt ii qui imperanti simul ac discesserunt, n o n solum illud perscribunt quod t u m prohibiti sunt, sed etiam causam adscribunt cur non t u m in litteras relatum sit.
Manent istae litterae Mileti, manent, et d u m erit illa civitas manebunt. Decern enim navis iussu L. Murenae populus Milesius ex pecunia vectigali populo Romano fecerat, sicut pro sua quaeque parte Asiae ceterae civitates. Q u a m ob rem u n a m ex decern, non praedonum repentino adventu sed legati latrocinio, non vi tempestatis sed hac horribili tempestate sociorum amissam in litteras
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C. VERRES,
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auf dich machte: hast du nicht wenigstens bedacht, daß eine so berühmte und angesehene Stadt diesen gewissenlosen Diebstahl oder vielmehr diesen ruchlosen Raub bezeugen werde? Oder weil damals Cn. Dolabella den Befehlshaber des Schnellseglers, der den Milesiern den Vorfall berichtet hatte, auf deine Bitten zur Verantwortung zu ziehen wagte und weil er befahl, man solle dessen Meldung tilgen, die man den dortigen Vorschriften gemäß in das amtliche Protokoll aufgenommen hatte - glaubtest du deshalb, diesem Anklagepunkt entronnen zu sein ? In dieser Meinung hast du dich mächtig getäuscht, und zwar schon bei vielen Gelegenheiten. Denn immer glaubtest du, und besonders in Sizilien, du hättest dich genügend fur die Verteidigung gesichert, wenn du entweder verbotest, etwas in die amtlichen Protokolle einzutragen, oder die Tilgung von Eintragungen durchsetztest. Wie wenig das besagt, das hast du zwar schon in der vorigen Verhandlung von vielen sizilischen Gemeinden erfahren; trotzdem magst du es auch an diesem Staate ersehen. Jene Leute gehorchen zwar aufs Wort, solange die anwesend sind, die den Befehl erteilen. Nach ihrem Fortgang aber schreiben sie nicht nur auf, was zu vermerken man sie zuvor gehindert hatte, sondern sie fugen auch die Ursache hinzu, warum die Eintragung nicht früher erfolgt sei. Diese Protokolle gibt es noch in Milet, es gibt sie noch und wird sie geben, solange dieser Staat besteht. Das Volk von Milet hatte nämlich auf Befehl des L. Murena 70 aus Steuergeldern zehn SchifTe fur das römische Volk bauen lassen, wie auch die übrigen Staaten Asiens, jeder zu seinem Teil. Deshalb haben sie in ihr amtliches Protokoll eingetragen, daß eines dieser zehn Schiffe nicht durch den plötzlichen Überfall von Seeräubern, sondern durch den Raub eines Legaten, nicht durch die Gewalt der Stürme, sondern durch diesen furchtbaren Sturm, der über die Bundesgenossen hinwegfegte, ver-
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A C T IΟ Ν I S IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.I
publicas rettulerunt. Sunt Romae legati Milesii, homines nobilissimi ac principes civitatis, qui tametsi mensem Februarium et consulum designatorum nomen exspectant, tamen hoc tantum facinus non m o d o negare interrogati, sed ne producti quidem reticere poterunt: dicent, inquam, et religione adducti et domesticarum legum metu, quid ilio myoparone factum sit, ostendent C . Verrem, in ea classe quae contra piratas aedificata sit, piratam ipsum consceleratum fuisse.
C . Malleolo, quaestore C n . Dolabellae, occiso duas sibi hereditates venisse arbitratus est, unam quaestoriae procurationis, nam a Dolabella statim pro quaestore iussus est esse; alteram tutelae, nam cum pupilli Malleoli tutor esset, in bona eius impetum fecit. N a m Malleolus in provinciam sic copiose profectus erat ut domi prorsus nihil relinqueret; praeterea pecunias occuparat apud populos et syngraphas fecerat, argenti optimi caelati grande pondus secum tulerat, nam ille quoque sodalis istius erat in hoc morbo et cupiditate; grande pondus argenti, familiam magnam, multos artifices, multos formosos homines reliquit. Iste quod argenti placuit invasit; quae mancipia voluit abduxit; vina ceteraque quae in Asia facillime comparantur, quae ille reliquerat, asportavit; reliqua vendidit, pecuniam exegit.
C u m ad H S viciens quinquiens redegisse constaret, ut R o m a m rediit, nullam litteram pupillo, nullam matri eius, nullam tutoribus reddidit; servos artifices pupilli
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C. VERRES,
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lorengegangen sei. In Rom sind Gesandte aus Milet, hochangesehene Leute und die ersten Männer ihres Staates. Die scheuen sich zwar vor dem Februar und dem Namen der künftigen Konsuln71; trotzdem -werden sie, wenn man sie befragt, diese schlimme Untat nicht bestreiten, ja wenn man sie nur vorführt, nicht einmal davon schweigen können; sie werden, sage ich, teils aus Gewissenhaftigkeit, teils aus Furcht vor den einheimischen Gesetzen mitteilen, was mit dem Schnellsegler geschehen ist, und beweisen, daß sich C. Verres an der gegen die Piraten erbauten Flotte selbst als verruchter Pirat erzeigt hat. Nach der Ermordung des C. Malleolus, des Quästors von Cn. Dolabella, glaubte Verres, ihm seien zwei Erbschaften zugefallen, die eine durch die Verwaltung der Quästur - denn er wurde von Dolabella sofort zum Proquästor ernannt - , die andere durch die Vormundschaft - denn da er der Vormund des minderjährigen Malleolus war, fiel er über dessen Vermögen her. Malleolus war nämlich mit so reicher Ausstattung in die Provinz gereist, daß fast nichts zu Hause zurückblieb. Außerdem hatte er Geld bei den Gemeinden angelegt und sich Schuldscheine dafür geben lassen; eine große Menge des schönsten kunstreich gearbeiteten Silbers nahm er mit sich. Denn auch in dieser Krankheit und Leidenschaft war er ein Genosse des Verres. Er hinterließ eine große Menge Silbers, zahlreiches Hausgesinde, viele Handwerker, viele wohlgestaltete Sklaven. Verres vergriff sich an allem Silber, das ihm gefiel, nahm alle Sklaven weg, die er wollte, schaffte den Wein und andere in Asien sehr leicht erhältliche Dinge beiseite, die Malleolus hinterlassen hatte, verkaufte das übrige und trieb das Geld ein. Er hatte, wie allgemein feststand, einen Erlös von etwa zweieinhalb Millionen Sesterzen erzielt, und doch legte er, nach Rom zurückgekehrt, nicht dem Mündel, nicht dessen
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A C T I O N IS I N C. V E R R E M
SECUNDAE
LIB.I
cum haberet domi, circuiti pedes autem homines formosos et litteratos, suos esse dicebat, se emisse. C u m saepius mater et avia pueri postularent uti, si non redderet pecuniam nec rationem daret, diceret saltern quantum pecuniae Malleoli deportasset, a multis efflagitatus aliquando dixit H S deciens; deinde in codicis extrema cera nomen infimum in flagitiosa litura fecit; expensa Chrysogono servo H S sescenta milia, accepta pupillo Malleolo rettulit. Q u o modo ex deciens H S sescenta sint facta, quo modo DC eodem modo quadrarint ut illa de C n . Carbonis pecunia reliqua H S sescenta facta sint, quo modo Chrysogono expensa lata sint, cur id nomen infim u m in lituraque sit, vos existimabitis. Tarnen H S ses-
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centa milia cum accepta rettulisset, H S quinquaginta milia soluta non sunt; homines, posteaquam reus factus est, redditi alii, alii etiam nunc retinentur; peculia omnium vicariique retinentur.
Haec est istius praeclara tutela. En cui tuos liberos committas, en memoriam mortui sodalis, en metum vivorum existimationis! C u m tibi se tota Asia spoliandam ac vexandam praebuisset, cum tibi expósita esset omnis ad praedandum Pamphylia, contentus his tarn opimis rebus non fuisti? manus a tutela, manus a pupillo, manus
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C. V E R R E S ,
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Mutter, nicht den Vormündern auch nur mit einer Silbe Rechenschaft ab. Von den Handwerkersklaven des Mündels, die in seinem Hause lebten, von den wohlgestalteten und gebildeten Leuten, die um ihn waren, erklärte er, sie gehörten ihm, er habe sie gekauft. Zu wiederholten Malen mahnten die Mutter und Großmutter des Knaben, er brauche das Geld nicht zurückzugeben noch Rechnung zu legen, er solle wenigstens sagen, wieviel Geld von Malleolus er mitgebracht habe; von vielen Seiten aufgefordert, erklärte er endlich: eine Million Sesterzen. Darauf trug er am äußersten Rande seiner Wachstafel einen letzten Posten ein, an einer in skandalöser Weise durchstrichenen Stelle: eine Zahlung von 600000 Sesterzen, die der Sklave Chrysogonos erhalten hatte, rechnete er seinem Mündel Malleolus als Guthaben an 7 1 . Wie aus einer Million Sesterzen 600000 geworden sind, wie es mit diesen 600000 nicht anders seine Richtigkeit hat als mit jenen, die von dem Gelde des Cn. Carbo übrigblieben 71 , wie die Zahlung an Chrysogonos zustande kam, warum dieser Titel der letzte ist und sich an einer ausgestrichenen Stelle befindet, das werdet ihr zu beurteilen haben. Gleichwohl sind, obwohl er ein Guthaben von 600000 Sesterzen berechnet hat, keine 50000 ausgezahlt worden; einige Sklaven hat er, als Anklage gegen ihn erhoben wurde, herausgegeben, andere hält er noch jetzt zurück, und von allen behält er die Habe und die Stellvertreter ein 74 . Das ist seine vortreffliche Vormundschaft. Ja, da ist jemand, dem man seine Kinder anvertrauen mag; ja, so gedenkt man des verstorbenen Freundes; ja, so furchtet man das Urteil der Lebenden! Da dir ganz Asien zur Beraubung und Heimsuchung offengestanden hatte, da ganz Pamphylien deinen Beutezügen ausgesetzt war, gabst du dich mit diesen herrlichen Dingen nicht zufrieden, konntest du deine Hände nicht von der Vormundschaft, nicht vom Mündel, nicht vom Sohne
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A C T I O Ν IS I N C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.I
a sodalis filio abstinere non potuisti? Iam te non Siculi, non aratores, ut dictitas, circumveniunt, non hi qui dccretis edictisque tuis in te concitati infestique sunt: Malleolus a me productus est et mater eius atque avia, quae miserae (lentes eversum a te p u e r u m patriis bonis esse dixerunt. Q u i d exspectas? an d u m ab inferís ipse Malleolus exsistat, atque abs te officia tutelae sodalitatis familiaritatisque flagitet? Ipsum putato adesse. H o m o avarissime et spurcissime, redde bona sodalis filio, si non quae abstulisti, at quae confessus es! C u r cogis sodalis filium hanc primam in foro vocem cum dolore et querimonia emittere? cur sodalis uxorem, sodalis socrum, dom u m denique totam sodalis mortui contra te testimonium dicere? cur pudentissimas lectissimasque feminas in t a n t u m virorum conventum insólitas invitasque prodire cogis? Recita o m n i u m testimonia. T E S T I M O N I U M MATRIS ET AVIAE.
Pro quaestore vero quo m o d o iste c o m m u n e Milyad u m vexarit, quo m o d o Lyciam, Pamphyliam, Pisidiam Phrygiamque totam f r u m e n t o imperando, aestimando, hac sua, quam t u m p r i m u m excogitavit, Siciliensi aestimatione adflixerit, non est necesse demonstrare verbis: hoc scitote, cum iste civitatibus f r u m e n t u m , coria, cilicia, saccos imperaret, neque ea sumeret proque iis rebus pecuniam exigeret - his nominibus solis C n . Dolabellae H S ad triciens litem esse aestimatam. Q u a e omnia, etiamsi volúntate Dolabellae fiebant, per istum tamen
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C. VERRES,
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des Amtsgenossen lassen ? Jetzt bedrängen dich nicht die Sizilier, nicht die Bauern, wie du zu sagen pflegst, nicht diejenigen, die du durch deine Befehle und Erlasse gegen dich aufgebracht und dir zu Feinden gemacht hast : Malleolus wird von mir vorgeführt und seine Mutter und seine Großmutter, die Unglücklichen, die unter Tränen aussagten, du habest den Knaben um das väterliche Vermögen gebracht. Worauf wartest du noch ? Etwa daß Malleolus selbst von den Toten aufersteht und dir die Pflichten des Vormundes, des Amtsgenossen und Freundes vorhält ? Stelle dir vor, er sei hier anwesend. Du habgieriger und schmutziger Mensch, gib dem Sohne des Amtsgenossen das Vermögen zurück, wenn nicht, was du genommen, so doch, was du zugegeben hast! Warum zwingst du den Sohn des Genossen, den ersten Laut auf dem Forum in schmerzlicher Klage vorzubringen"? Warum die Frau, warum die Schwiegermutter, kurz, warum das ganze Haus des verstorbenen Genossen, gegen dich Zeugnis abzulegen ? Warum zwingst du diese ebenso schüchternen wie anständigen Frauen, gegen ihre Gewohnheit und Neigung in einer so zahlreichen Versammlung von Männern aufzutreten? Lies von ihnen allen die Zeugnisse vor. - (Zeugnis der Mutter und Großmutter.) Doch wie er als Proquästor das Gemeinwesen der Milyaden 74 heimgesucht, wie er ganz Lykien, Pamphylien, Pisidien und Phrygien in Not gebracht hat, indem er Getreide zu liefern befahl und nach seiner damals zuerst erdachten sizilischen Schätzweise dessen Wert bestimmte 77 , brauche ich nicht ausführlich darzulegen. Nur das sollt ihr wissen: während Verres den Gemeinden befahl, Getreide, Leder, Haardecken und Säcke abzugeben, die Lieferung jedoch nicht annahm und dafür den Geldwert beitrieb, wurde Cn. Dolabella allein für diese Posten zum Ersatz von etwa drei Millionen Sesterzen verurteilt '·. Gewiß war dies alles nach dem Willen Dolabellas ge-
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A C T I O Ν IS IN C. V E R REM S E C U N D A E
LIB.I
omnia gerebantur. Consistam in uno nomine; multa enim sunt ex eodem genere. Recita. DE LITIBUS AESTI-
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MATIS C N . D O L A B E L L A E PR. P E C U N I A E REDACTAE. Q u O D
A COMMUNI MILYADUM - . Te haec coegisse, te aestimasse, tibi pecuniam numeratam esse dico, eademque vi et iniuria, cum pecunias maximas cogérés, per omnis partis provinciae te tamquam aliquam calamitosam tempestatem pestemque pervasisse demonstro.
Itaque M. Scaurus, qui Cn. Dolabellam accusavit, 97 istum in sua potestate ac dicione tenuit. H o m o adulescens cum istius in inquirendo multa furta ac flagitia cognosset, fecit perite et callide; volumen eius rerum gestarum maximum isti ostendit; ab homine quae voluit in Dolabellam abstulit; istum testem produxit; dixit iste quae velie accusatorem putavit. Q u o ex genere mihi testium qui cum isto furati sunt, si uti voluissem, magna copia fuisset; qui ut se periculo litium, coniunctione criminum liberarent, quo ego vellem descensuros pollicebantur. Eorum ego voluntatem omnium repudiavi; non 98 modo proditori, sed ne perfugae quidem locus in meis castris cuiquam fuit. Forsitan meliores ì 11 i accusatores habendi sint, qui haec omnia fecerunt. Ita est; sed ego defensorem in mea persona, non accusatorem maxime laudari volo.
Rationes ad aerarium, antequam Dolabella condemnatus est, non audet referre; impetrat a senatu ut dies sibi
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C. VERRES,
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BUCH
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schehen ; die Ausführung lag jedoch ganz und gar in den Händen des Verres. Ich will mich nur bei dem einen Posten aufhalten; es gibt noch viele andere von derselben Art. Lies vor. (Uber den Ersatz beigetriebenen Geldes, zu dem der Prätor Cn. Dolabella verurteilt wurde: «Was von dem Gemeinwesen der Milyaden...») - Ich versichere, daß du dies erpreßt, du den Wert festgesetzt, du das Geld in Empfang genommen hast, und ich erkläre unumwunden, daß du, als du die größten Geldsummen eintriebst, stets mit der gleichen rechtswidrigen Gewaltsamkeit wie ein verderbliches Unwetter und wie eine Seuche durch alle Teile der Provinz gezogen bist. Deshalb hatte M. Scaurus, der Ankläger des Cn. Dolabella, den Verres ganz in seiner Gewalt und Botmäßigkeit. Der junge Mann hatte bei der Untersuchung von vielerlei Diebstählen und Schandtaten des Verres erfahren, und er ging nun geschickt und schlau zu Werke. Er zeigte dem Verres eine ausfuhrliche Schrift mit den von ihm verübten Schandtaten; er wälzte von ihm, was er wollte, auf Dolabella ab; er führte ihn als Zeugen vor, und der sagte aus, was, wie er sich denken konnte, der Ankläger wünschte. Hätte ich mich dieser Art von Zeugen, die sich an den Diebstählen des Verres beteiligt haben, bedienen wollen, dann hätte mir eine große Menge zu Gebote gestanden. Die versprachen ja, um sich von der Prozeßgefahr und der Verbrechensgemeinschaft zu befreien, auf alle meine Wünsche einzugehen. Ich habe die Bereitwilligkeit dieser Leute ausnahmslos zurückgewiesen ; in meinem Lager erhielt nicht nur kein Verräter, sondern nicht einmal ein Uberläufer einen Platz. Vielleicht müssen die für die besseren Ankläger gelten, die sich auf alles dies eingelassen haben. So ist es. Doch ich wünsche, daß man in meiner Person den Verteidiger und nicht den Ankläger am meisten lobt. Vor der Verurteilung Dolabellas wagt Verres nicht, der Staatskasse seine Abrechnung vorzulegen; er erwirkt vom
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A C T ΙΟ Ν IS IN C . V E R R E M
SECUNDA!
LIB.I
prorogaretur, quod tabulas suas ab accusatoribus Dolabellae obsignacas diceret, proinde quasi exscribendi potestatem non haberet. Solus esc hic qui numquam rationes ad aerarium referai. Audistis quaestoriam rationem, tribus versiculis relatam; legationis, non nisi condemnato et eiecto eo qui posset reprehendere; nunc denique praeturae, quam ex senatus consulto statim referre debuit, usque ad hoc tempus non rettulit. Quaestores se in senatu exspectare dixit, proinde quasi non, ut quaestor sine praetore possit rationem referre - ut tu, Hortensi, ut omnes - , eodem modo sine quaestore praetor. Dixit idem Dolabellam impetrasse. O m e n magis patribus conscriptis quam causa placuit: probaverunt. Verum quaestores quoque iam pridem venerunt: cur non rettulisti?
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Illarum rationum ex ea faece legationis quaestoriaeque tuae procurationis ilia sunt nomina, quae Dolabellae necessario s u n t aestimata. E x LITIBUS AESTIMATIS DOLA-
BELLAE PR. ET PRO PR.: Q u o d minus Dolabella Verri acceptum rettulit quam Verres i 11 i expensum tulerit, H S quingenta triginta quinqué milia, et quod plus fecit Dolabella Verrem accepisse quam iste in suis tabulis habuit, H S ducenta triginta duo milia, et quod plus frumenti fecit accepisse istum, H S deciens et octingenta milia, quod tu homo castissimus aliud in tabulis habebas. Hinc illae extraordinariae pecuniae, quas nullo duce tarnen aliqua ex partícula investigamus, redundarunt, hinc ratio cum
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Senat eine Fristverlängerung, indem er behauptet, seine Bücher seien von den Anklägern Dolabellas versiegelt worden als ob er sich nicht eine Abschrift hätte verschaffen können. Dieser Mann ist der einzige, der niemals bei der Staatskasse Rechnung legt. Ihr habt gehört, wie er über seine Quästur in drei Zeilen und über sein Legatenamt erst dann abrechnete, als der Mann verurteilt und verbannt war, der Einwände hätte erheben können. Jetzt vollends hat er die Abrechnung über seine Prätur 7 ', die er laut Senatsbeschluß sofort vorlegen mußte, bis auf den heutigen Tag nicht erstattet. Er wolle, so sagte er im Senat, auf die Quästoren warten, gerade als ob nicht, wie der Quästor ohne den Prätor (so tatest du es, Hortensius, so taten es alle), so auch der Prätor ohne den Quästor abrechnen könnte. Er sagte, Dolabella habe dasselbe erreicht. Auf die Senatoren machte die Vorbedeutung10 größeren Eindruck als der Grund: sie stimmten zu. Doch auch die Quästoren sind nun schon längst eingetroffen : warum hast du noch nicht abgerechnet ? Zu den Rechnungen aus dem Schmutz deines Legatenamtes und deiner Proquästur gehören die Posten, für die man notgedrungen Dolabella heranziehen mußte. - (Aus der Aufstellung der Ersatzsummen, zu denen der Prätor und Proprätor Dolabella verurteilt wurde.) - Dolabella schrieb dem Verres einen geringeren Betrag gut, als Verres an ihn gezahlt zu haben erklärte - macht 535 000 Sesterzen - , und Dolabella gab an, Verres habe mehr empfangen, als der in seinen Büchern verzeichnet hatte - macht 232000 Sesterzen-, und zudem belastete Dolabella ihn mit einem Mehrbetrag von 1800000 Sesterzen für Getreide, was du, durch und durch ein Ehrenmann, ganz anders in deinen Büchern hattest. Daher sind also die außerordentlichen Mittel geflossen, denen wir auch ohne Führer einigermaßen auf die Spur kommen *'; daher die Geschäftsbeziehung mit und Cn. Postumus Curtius, von
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a c t i o n i s in c.verrem SECUNDAE LIB.I
Q . et C n . Postumis Curtiis multis nominibus, quorum in tabulis iste habet nullum; hinc HS quater deciens P. Tadio n u m e r a t u m Athenis testibus planum faciam; hinc empta apertissime praetura, nisi forte id etiam dubium est, q u o m o d o iste praetor factus sit. H o m o scilicet aut industria aut opera probata aut fru- ' 0 1 galitatis existimatione praeclara aut denique, id quod levissimum est, adsiduitate, qui ante quaesturam cum meretricibus lenonibusque vixisset, quaesturam ita gessisset q u e m ad m o d u m cognovistis, Romae post quaesturam illam nefariam vix triduum constitisset, absens non in oblivione iacuisset sed in adsidua commemoratione omnibus o m n i u m flagitiorum fuisset, is repente, ut Romam venit, gratiis praetor factus est. Alia porro pecunia ne accusaretur data. Cui sit data, nihil ad me, nihil ad rem pertinere arbitror: datam quidem esse t u m inter omnis recenti negotio facile constabat. H o m o stultissime 1 0 2 et amentissime, tabulas cum conficeres et cum extraordinariae pecuniae crimen subterfugere velles, satis te elapsurum omni suspicione arbitrabare si, quibus pecuniam credebas, iis expensum non ferres, ñeque in tuas tabulas ullum n o m e n referres, cum tot tibi nominibus acceptum Curtii referrent? Q u i d proderat tibi te expensum illis non tulisse? an tuis solis tabulis te causam dicturum existimasti?
Verum ad illam iam veniamus praeclaram praeturam, criminaque ea quae notiora sunt his qui adsunt quam
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deren vielen Posten er keinen einzigen in seinen Büchern hat; daher der Betrag von 1400000 Sesterzen, den, wie ich durch Zeugen beweisen werde, P. Tadius in Athen empfangen hat; daher die ganz offenkundig erkaufte Prä tur - es sei denn, man wollte noch bezweifeln, wie er Prätor geworden ist. Allerdings, er war ein Mann, dessen Rührigkeit und Eifer sich bewährt hatten oder der sich durch seinen geordneten Lebenswandel einen ausgezeichneten Ruf zu verschaffen wußte oder endlich, was das geringste zu bedeuten hat' 1 , der sich unentwegt um die Leute bemühte - er hatte vor seiner Quästur mit Dirnen und Kupplern zusammengelebt, sein Quästorenamt so verwaltet, wie ihr vernommen habt, sich nach seiner ruchlosen Quästur kaum drei Tage in Rom aufgehalten, jedoch während seiner Abwesenheit nicht in Vergessenheit geruht, sondern wegen aller seiner Schandtaten ständig in aller Munde gelebt: dieser Mann ist gewiß plötzlich, sowie er nach Rom kam, ohne alle Unkosten Prätor geworden. Dann wurde noch anderes Geld ausgegeben, damit man ihn nicht anklage' 1 . Wem es gegeben wurde, das ist, glaube ich, für mich, für die Sache ohne Belang; daß es ausgegeben wurde, stand damals, als der Handel noch neu war, bei jedermann ohne Einschränkung fest. Du törichter und gedankenloser Mensch : du führtest deine Bücher und wolltest dich dem Vorwurf nicht nachweisbaren Geldes entziehen; glaubtest du da, du könnest dich hinlänglich von jedem Verdacht befreien, wenn du die, denen du das Geld anvertrautest, nicht damit belastetest noch irgendeinen Posten in deine Bücher eintrügest, während doch die Curtier das von dir Empfangene in zahlreichen Posten vermerkten? Was half es dir, nicht zu buchen, was du an sie gezahlt hattest? Oder glaubtest du, man werde dich nur nach deinen Büchern zur Verantwortung ziehen ? Doch wir wollen uns jetzt seiner herrlichen Prätur zuwenden und den Verbrechen, die den Anwesenden bekannter sind
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ACTIONIS
IN C . V E R R E M
SECLNDAE
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nobis qui meditaci ad dicendum paratique venimus; in quibus non dubito quin offensionem neglegentiae vitare atque effugere non possim. Multi enim ita dicent, " D e ilio nihil dixit in quo ego interfui; illam iniuriam non attigit quae mihi aut quae amico meo facta est, quibus ego in rebus interfui." His omnibus qui istius iniurias norunt, hoc est populo R o m a n o universo, me vehementer excusatum volo non neglegentia mea fore ut multa praeteream, sed quod alia testibus integra reservan velim, multa autem propter rationem brevitatis ac temporis praetermittenda existimem. Fatebor edam illud invitus, me prorsus, cum iste punctum temporis nullum vacuum peccato praeterire passus sit, omnia quae ab isto commissa sint non potuisse cognoscere. Quapropter ita me de praeturae criminibus auditote ut ex utroque genere, et iuris dicendi et sartorum tectorum exigendorum, ea postuletis quae maxime digna sint eo reo cui parvum ac mediocre obici nihil oporteat. N a m ut praetor factus est, qui
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auspicato a Chelidone surrexisset, sortem nactus est urbanae provinciae magis ex sua Chelidonisque quam ex populi Romani volúntate. Qui principio qualis in edicto constituendo fuerit cognoscite.
P. Annius Asellus mortuus est C . Sacerdote praetore. Is cum haberet unicam fìliam neque census esset, quod eum natura hortabatur, lex nulla prohibebat, fecit ut filiam bonis suis heredem institueret. Heres erat filia. Faciebant
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als uns, obwohl wir vorbereitet und gerüstet zur Verhandlung kommen. Hierbei zweifle ich nicht, daß ich dem Vorwurf der Nachlässigkeit auf keine Weise entgehen und entrinnen kann. Viele werden nämlich sagen : «Hierüber hat er nicht gesprochen, wo ich dabei war; dieses Unrecht hat er nicht berührt, das mir oder das meinem Freunde zugefügt wurde, wo ich ebenfalls dabei war.» Von allen, die seine Ungerechtigkeiten kennen, das heißt vom ganzen römischen Volke, bitte ich mir dringend aus, daß sie mir verzeihen: es ist nicht Nachlässigkeit von mir, wenn ich zahlreiche Dinge nicht erwähne; vielmehr möchte ich einiges unberührt fur die Zeugen aufsparen, manches aber glaube ich um der Kürze willen und mit Rücksicht auf die Zeit übergehen zu müssen. Ich will auch, wenngleich ungern, gestehen: da Verres keinen Augenblick ohne Missetaten hat verstreichen lassen, habe ich durchaus nicht von allem, was er begangen hat, Kenntnis erlangen können. Wenn ich daher über die Verbrechen seiner Prä tur rede, so erwartet von beiden Geschäftszweigen, von der Rechtsprechung und der Gebäudeerhaltung*4, nur das zu hören, was einem Angeklagten am meisten angemessen ist, dem man nichts Geringfügiges und Mittelmäßiges vorwerfen darf. Denn als er Prätor geworden war, da erhob er sich unter glücklichen Vorbedeutungen von der Seite der Chelidon, und das Los teilte ihm mehr nach seinem und der Chelidon als nach dem Wunsche des römischen Volkes den städtischen Amtsbereich zu. Nehmt zur Kenntnis, wie er sich gleich zu Anfang bei der Abfassung des Ediktes verhalten hat*s. P. Annius Asellus starb während der Prä tur des C. Sacerdos M . Er hatte eine einzige Tochter, und sein Vermögen war nicht in der Liste der Zensoren vermerkt' 7 . So tat er, was sein natürliches Empfinden ihm riet und kein Gesetz verbot: er setzte die Tochter zur Erbin seines Vermögens ein**. Die Tochter war also Erbin. Alles sprach fur das unmündige Mäd-
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A C T IΟ Ν IS IN C . V E R R E M S E C U N D A E
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o m n i a c u m pupilla, leges, aequitas, voluntas patris, edicta p r a e t o r u m , consuetudo iuris eius q u o d erat t u m cum Asellus est m o r t u u s . Iste praetor designatus - u t r u m admonitus an temptatus an, q u a est ipse sagacitate in his rebus, sine d u c e ullo, sine indice perveneric ad hanc improbitatem, nescio: vos tantum hominis audaciam ament i a m q u e cognoscite - appellat heredem L. A n n i u m , qui erat institutus s e c u n d u m filiam (non enim mihi persuadetur istum ab ilio prius appellatum); dicit se posse ei c o n d o n a r e edicto hereditatem; docet h o m i n e m quid possit fieri. Uli b o n a res, huic vendibilis videbatur. Iste, tametsi singulari est audacia, tarnen ad pupillae matrem submittebat; malebat pecuniam accipere, ne quid novi ediceret, q u a m ut hoc edictum tarn i m p r o b u m et tarn i n h u m a n u m i n t e r p o n e r « . Tutores p e c u n i a m praetori si
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pupillae n o m i n e dedissent, grandem praesertim, q u e m ad m o d u m in rationem inducerent, q u e m ad m o d u m sine periculo suo dare possent, non videbant; simul et istum fore tarn i m p r o b u m non arbitrabantur; saepe appellati pernegaverunt.
Iste ad arbitrium eius cui c o n d o n a b a t
hereditatem
ereptam a liberis q u a m a e q u u m edictum conscripserit, quaeso,
cognoscite.
CUM
INTELLEGAM
LEGEM
VOCO-
NIAM —. Q u i s u m q u a m crederet mulierum adversarium Verrem f u t u r u m ? an ideo aliquid contra mulieres fecit ne t o t u m edictum ad Chelidonis arbitrium scriptum videretur? C u p i d i t a t i h o m i n u m ait se o b v i a m ire. Q u i s po-
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chcn: die Gesetze, die Billigkeit, der Wille des Vaters, die Edikte der Prätoren, das Gewohnheitsrecht, das damals, als Asellus starb, gültig war. Verres wendet sich als künftiger Prätor - hatte man ihn aufmerksam gemacht oder auf die Probe gestellt, oder war er bei seiner Scharfsichtigkeit in diesen Dingen ohne jede Anleitung, ohne Anzeige auf diese Schlechtigkeit verfallen? Ich weiß es nicht; ihr aber sollt nur die Verwegenheit und den Wahnwitz des Menschen kennenlernen - er wendet sich also an L. Annius, der als Ersatzerbe nach der Tochter eingesetzt war*' (ich kann mich nämlich nicht davon überzeugen, daß sich Annius zuerst an Verres gewandt habe); er versichert, er könne ihm durch sein Edikt die Erbschaft zukommen lassen ; er erklärt ihm, was zu tun sei. Annius hielt die Sache fur gut, Venes hielt sie fur verkäuflich. Trotz seiner beispiellosen Unverschämtheit ließ er sich auf heimliche Verhandlungen mit der Mutter des Mündels ein; er wollte lieber dafür Geld nehmen, daß er nichts Neues verordne, als daß er eine so ungerechte und so unmenschliche Vorschrift erlasse. Die Vormünder sahen, wenn sie dem Prätor im Namen ihres Mündels Geld, zumal eine große Summe, gäben, keine Möglichkeit, wie sie den Betrag verbuchen sollten, wie sie die Zahlung, ohne selbst Gefahr zu laufen, vornehmen könnten ; zudem hielten sie Verres nicht fur derart gewissenlos; sie lehnten ab, sooft sie auch angegangen wurden. Nehmt bitte zur Kenntnis, was fur eine gerechte Vorschrift Verres nach dem Gutbefinden dessen verfaßt hat, dem er die den Kindern entrissene Erbschaft zudachte. «Da ich einsehe, daß das Voconische Gesetz...» Wer hätte je geglaubt, daß Verres ein Frauenfeind sein würde? Oder hat er deshalb etwas gegen die Frauen unternommen, damit man nicht glaube, das ganze Edikt sei nach dem Gutdünken der Chelidon verfaßt? Der menschlichen Habgier, sagt er, wolle er entgegentreten. Wer wäre besser hierzu geeignet, nicht nur gegenwärtig, son-
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ACT ΙΟ Ν IS IN C . V E R R E M S E C U N D A E
LIB.I
tius non modo his temporibus, sed etiam apud maiores nostras? quis tam remotus fuit a cupiditate? Die, quaeso, cetera; delectat enim me hominis gravitas, scientia iuris, praetoris
auctoritas.
Recita.
Qui
AB
A. POSTUMIO
Q . FULVIO CENSORIBUS POSTVE EA TESTAMENTUM FECIT FECERJT.
"FECIT FECERIT"? quis umquam edixit isto modo? quis
,c
7
umquam eius rei fraudem aut periculum proposuit edicto, quae ñeque post edictum reprehendí ñeque ante edictum provideri potuit? Iure, legibus, auctoritate omnium qui consulebantur testamentum P. Annius fecerat non improbum, non inoffìciosum, non inhumanum: quodsi ita fecisset, tarnen post iliius mortem nihil de testamento illius novi iuris constituí oporteret. Voconia lex te videlicet delectabat. Imitatus esses ipsum ilium C. Voconium, qui lege sua hereditatem ademit nulli ñeque virgini ñeque mulieri: sanxit in posterum, qui post eos censores census esset, ne quis heredem virginem neve mulierem faceret.
In lege Voconia non est "FECIT FECERIT", neque in ul-
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la praeteritum tempus reprehenditur nisi eius rei quae sua sponte tam scelerata et nefaria est ut, etiamsi lex non esset, magnopere vitanda fuerit. Atque in his ipsis rebus multa videmus ita sancta esse legibus ut ante facta in iudicium non vocentur; Cornelia testamentaria, nummaria, ceterae complures, in quibus non ius aliquod novum populo constituitur, sed sancitur ut, quod semper malum
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C. VERRES,
I.BUCH
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dem auch zur Zeit unserer Vorfahren ? Wer hat der Habsucht so fern gestanden ? Sag doch bitte auch das übrige auf; denn der Emst des Mannes, seine Rechtskenntnis, seine prätorische Würde macht mir Freude. Lies vor. «Wer während der Zensur des A. Postumius und Q^Fulvius" oder hernach sein Testament errichtet hat oder errichten wird.» «Errichtet hat oder errichten wird» 91 : wer hat je eine solche Vorschrift ergehen lassen? Wer hat je in einer Vorschrift für etwas Nachteile oder Hindernisse angedroht, was man weder nach der Verkündung tadeln noch vor der Verkündung voraussehen konnte? Nach dem Recht, den Gesetzen und dem Gutachten aller, die befragt wurden, hatte P. Annius ein Testament errichtet, das nicht unbillig, nicht pflichtwidrig, nicht rücksichtslos war". Und wenn er das getan hätte, so hätte man doch nach seinem Tode wegen seines Testamentes keinen neuen Rechtsgrundsatz einfuhren dürfen. Freilich, das Voconische Gesetz lag dir am Herzen. Dann hättest du dich auch nach C. Voconius94 richten sollen, der durch sein Gesetz weder einem Mädchen noch einer Frau eine Erbschaft wegnahm; er schrieb nur für die Zukunft vor, wer sich nach dem Amte der genannten Zensoren habe schätzen lassen, der solle kein Mädchen und keine Frau zur Erbin einsetzen. Das Voconische Gesetz enthält nicht die Worte «errichtet hat oder errichten wird», noch werden irgendwo gegen die Vergangenheit Nachteile verhängt, es sei denn für ein Verhalten, das schon von sich aus so verbrecherisch und ruchlos ist, daß man sich auch dann emstlich davor hüten müßte, wenn gar kein Gesetz bestünde. Und selbst bei diesen Dingen ordnen die Gesetze, wie wir sehen, vieles mit der Maßgabe an, daß früher Geschehenes nicht vor Gericht gezogen werden dürfe; so ist es bei den Cornelischen Gesetzen über Testamente und über das Münzwesen" sowie bei mehreren anderen, die kein neues Recht für das Volk festsetzen, sondern nur
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A C Τ I Ο Ν I S I N C. V E R R E M S E C U N D A E
LIB.I
faci η us fuerit, eius quaestio ad p o p u l u m pertineat ex certo tempore. D e iure vero civili si quis novi quid insti-
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tuit, is non o m n i a quae ante acta sunt rata esse patietur? C e d o mihi leges Atinias, Furias, Fusias, ipsam, ut dixi, V o c o n i a m , o m n i s praeterea de iure civili: hoc reperies in o m n i b u s statui ius q u o post earn legem populus utatur. Q u i p l u r i m u m tribuunt edicto, praetoris edictum legem a n n u a m dicunt esse: tu edicto plus amplecteris q u a m lege. Si finem edicto praetoris adferunt Kalendae Ianuariae, cur non initium q u o q u e edicti nascitur a Kalendis Ianuariis? an in e u m a n n u m progredì n e m o poterit edicto q u o praetor alius futurus est, in ilium q u o alius praetor fuit regredietur?
Ac si hoc iuris, non unius hominis causa edixisses, cau-
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t i u s c o m p o s u i s s e s . S c r i b i s , Q u i HEREDEM FECIT FECERIT.
Q u i d , si plus legarit q u a m ad heredem heredesve perveniat? q u o d per legem Voconiam ei qui census non sit licet; cur hoc, c u m in e o d e m genere sit, non caves? Q u i a non generis, sed hominis causam verbis amplecteris, ut facile appareat te pretio, non iure esse c o m m o t u m . A t q u e hoc si in posterum edixisses, etsi m i n u s esset nefarium, tarnen esset i m p r o b u m ; sed t u m vituperari posset, in discrimen venire non posset; nemo enim
committeret.
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C. V E R R E S ,
I. B U C H
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vorschreiben, daß die Untersuchung eines Verhaltens, das stets verwerflich war, von einem bestimmten Zeitpunkt an dem Volke· 4 zustehen solle. Doch wer im bürgerlichen Recht etwas Neues einführt, läßt der nicht alles Frühere weiterbestehen ? Zeige mir das Atinische, das F uri sehe, das Fusische Gesetz· 7 , dazu, wie gesagt, das Voconische selbst, außerdem alle, die sich mit dem bürgerlichen Recht befassen : du wirst finden, daß alle nur das als Rechtens festsetzen, was nach Erlaß des Gesetzes fur das Volk gelten soll. Wer dem prätorischen Edikt ein Höchstmaß an Verbindlichkeit einräumt, nennt es ein Jahresgesetz; du aber willst mit dem Edikt weitergehen als mit einem Gesetz. Wenn das Edikt des Prätors am I.Januar zu gelten aufhört, warum beginnt dann seine Gültigkeit nicht ebenfalls am i.Januar; oder soll sich niemand in seinem Edikt auf das Jahr beziehen können, in dem ein Nachfolger die Prä tur innehat, darf er hingegen auf das Jahr zurückgreifen, in dem ein Vorgänger Prätor gewesen ist? Und wenn du diese Vorschrift um des Rechtes willen, nicht wegen eines einzelnen Falles erlassen hättest, dann würdest du sie mit größerer Vorsicht abgefaßt haben. Du schreibst: «Wer jemanden zum Erben eingesetzt hat oder einsetzen wird.» Wie, wenn jemand mehr an Vermächtnissen ausgesetzt hat, als an den oder die Erben gelangt? Das ist nach dem Voconischen Gesetze dem gestattet, der sich nicht hat schätzen lassen; warum triffst du für diesen Fall, der doch von derselben Art ist, keine Vorsorge ? Weil deine Worte keinen allgemeinen Sachverhalt, sondern einen Einzelfall treffen sollen, so daß man ohne weiteres ersieht, du habest dich durch die Belohnung, nicht durch ein Rechtsbedürfnis bestimmen lassen**. Und wenn du diese Bestimmung nur für die Zukunft getroffen hättest, dann wäre sie allerdings weniger frevelhaft. Gleichwohl wäre sie unbillig; immerhin könnte man sie dann nur tadeln, aber nicht in Zweifel ziehen; niemand würde nämlich
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ACT ΙΟ Ν I S IN C.VERREM SECUNDAE LIB.I
Nunc est eius modi edictum ut quivis intellegat non populo esse scriptum, sed P. Anni secundis heredibus. Itaque cum abs te caput illud tam multis verbis mercennarioque prooemio esset ornatum, ecquis inventus est postea praetor quid idem illud ediceret? Non modo nemo edixit, sed ne metuit quidem quisquam ne quis ediceret. Nam post te praetorem multi in isdem causis fuerunt; in his nuper Annaea de multorum propinquorum sententia, pecuniosa mulier, quod censa non erat, testamento fecit heredem fìliam. Iam hoc magnum iudicium hominum de istius singulari improbitate, quod C. Verres sua sponte instituisset, id neminem metuisse ne quis reperiretur qui istius institutum sequi vellet; solus enim tu inventus es cui satis non fuerit corrigere testamenta vivorum, nisi etiam rescinderes mortuorum. Tu ipse ex Siciliensi edicto hoc sustulisti; voluisti, ex improviso si quae res nata esset, ex urbano edicto decernere. Quam postea tu tibi defensionem relinquebas, in ea maxime ofFendisti, cum tuam auctoritatem tute ipse edicto provinciali repudiabas.
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Atque ego non dubito quin, ut mihi, cui mea filia maxime cordi est, res haec acerba videtur atque indigna, sic uni cuique vestrum, qui simili sensu atque indulgentia filiarum commovemini. Quid enim natura nobis iucundius, quid carius esse voluit? quid est dignius in quo omnis nostra diligentia indulgentiaque consumatur?
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C. VERRES,
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zwangsläufig dagegen verstoßen. Jetzt aber ist sie so abgefaßt, daß jedermann erkennt: sie wurde nicht für das Volk, sondern für die Ersatzerben des P. Annius eingeführt. Obwohl du nun diesen Abschnitt mit so vielen Worten und mit einer für Lohn verfaßten Einleitung versehen hast: hat sich hernach irgendein Prätor gefunden, der dasselbe angeordnet hätte? Keiner hat es angeordnet, ja man fürchtete nicht einmal, daß jemand es anordnen könnte. Denn nach deiner Prätur haben sich viele in demselben Falle befunden. Unter ihnen hat erst kürzlich Annaea, eine vermögende Frau, nach dem Rat zahlreicher Verwandter in ihrem Testament ihre Tochter zur Erbin eingesetzt; sie hatte sich nämlich nicht schätzen lassen. Schon das ist ein gewichtiges Urteil, das die Welt über die einzigartige Gewissenlosigkeit des C. Verres abgegeben hat: niemand fürchtete, es möchte sich jemand zur Nachahmung der Vorschrift bereit finden, die Verres auf eigene Faust erlassen hatte. Denn du hast dich als der einzige erzeigt, dem es nicht genügte, an den Testamenten der Lebenden zu bessern: du hast auch die der Verstorbenen für ungültig erklärt. Du selbst hast diesen Punkt in deinem sizilischen Edikt ausgelassen; du wolltest, wenn unvermutet ein Fall eintreten sollte, nach dem städtischen Edikt entscheiden. Der Rechtfertigung, die du dir für die Zukunft vorbehieltest, hast du dadurch am meisten geschadet, daß du selbst dein eigenes Vorbild in deinem Provinzialedikt verwarfst Ich, der ich meiner Tochter sehr zugetan bin, halte diese Anordnung für grausam und unwürdig, und ich zweifle nicht, daß ein jeder von euch ebenso darüber denkt, der dasselbe Gefühl und dieselbe Zuneigung für seine Töchter empfindet. Denn was sollte uns nach dem Willen der Natur größere Freude bereiten, was uns teurer sein ? Was verdient mehr, daß wir alle unsere Sorgfalt und Liebe darauf wenden ? Du rücksichtsloser Mensch, warum hast du dem Verstorbenen P. An-
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ACT IΟ Ν IS IN C.VERREM S E C U N D A E L I B . I
H o m o importunissime, cur cantam iniuriam P. Annio m o r t u o fccisti? cur hunc dolorem cineri eius acque ossibus inussisti, ut liberis eius bona patria - volúntate patris, iure, legibus tradita - eriperes, et cui tibi esset comm o d u m condonares? Quibuscum vivi bona nostra partimur, iis praetor adimere nobis mortuis bona fortunasque
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p o t e r i t ? N E C PETITIONEM, i n q u i t , NEC POSSESSIONEM
DABO. Eripies igitur pupillae togam praetextam, detrahes ornamenta n o n solum fortunae sed etiam ingenuitatis? Miramur ad arma contra istum hominem Lampsacenos isse, miramur istum de provincia decedentem clam Syracusis profugisse? Nos si alienam vicem pro nostra iniuria doleremus, vestigium istius in foro nullum esset relictum. Pater dat filiae, prohibes; leges sinunt, tarnen te interponis! D e suis bonis ita dat ut ab iure non abear; quid habes quod reprehendas? Nihil, opinor. At ego concedo; prohibe, si potes, si habes qui te audiat, si potest tibi dicto audiens esse quisquam. Eripias tu voluntatem mortuis, bona vivis, ius omnibus? Hoc populus Romanus non manu vindicasset, nisi te huic tempori atque huic iudicio reserv asset?
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Posteaquam ius praetorium constitutum est, semper hoc iure usi sumus: si tabulae testamenti non proferrentur, t u m ut, uti q u e m q u e potissimum heredem esse oporteret, si is intestatus mortuus esset, ita secundum eum possessio daretur. Q u a r e hoc sit aequissimum facile est dicere, sed in re tarn usitata satis est ostendere omnis an-
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nius solches Unrecht angetan ? Warum seiner Asche und seinen Gebeinen diesen Schmerz zugefügt, daß du seinen Kindern das väterliche Vermögen entrissest, das nach dem Willen des Vaters, nach Gesetz und Recht auf sie gekommen war, und es nach Belieben einem anderen schenktest? Mit denen wir bei Lebzeiten unsere Habe teilen, denen sollte der Prätor nach unserem Tode Gut und Vermögen wegnehmen können? «Ich werde weder die Klage auf Herausgabe», erklärt Verres, «noch den Besitz bewilligen.» Du willst also der Waise die Purpurtoga entreißen, willst ihr nicht nur die Zierden des Wohlstandes, sondern auch die derfreienGeburt entziehen100 ? Da erstaunen wir, daß die Lampsakener gegen diesen Menschen zu den Waffen gegriffen haben, erstaunen wir, daß er bei seiner Abreise aus der Provinz heimlich aus Syrakus geflohen ist ? Wenn wir fremdes Leid ebenso schmerzlich empfänden wie selbsterlittenes Unrecht, dann wäre keine Spur von ihm auf dem Forum zurückgeblieben. Der Vater macht der Tochter Zuwendungen, du verhinderst es; die Gesetze lassen es zu, und doch mischst du dich ein! Er gibt von seinem Vermögen, ohne vom Recht abzuweichen: was hast du hieran auszusetzen? Nichts, meine ich. Doch ich will's zugestehen: verhindere es, wenn du kannst, wenn du jemanden hast, der auf dich hört, wenn sich jemand deinem Befehle zu fugen vermag. Du willst den Toten den letzten Willen, den Lebenden das Vermögen und jedermann sein Recht entreißen ? Und das hätte das römische Volk nicht tätlich geahndet, wenn es dich nicht für diesen Zeitpunkt und diesen Prozeß aufgespart hätte ? Seit das prätorische Recht besteht, gilt bei uns stets dieser Grundsatz: wenn keine Testamentsurkunde vorgelegt wird, dann soll ein jeder in der Reihenfolge den Besitz erhalten, wie er bei jemandem, der ohne Testament verstorben ist, zur Erbfolge berufen wäre. Warum dies das gerechteste Verfahren ist, läßt sich leicht erklären, doch bei einer so gewöhnlichen Sache
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A C T I O Ν I S IN C. V E R RE M S E C U N D A E
LIB.L
tea ius ita dixisse, et h o c vetus e d i c t u m translaticiumque esse. C o g n o s c i t e h o m i n i s aliud in re vetere edictum no-
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v u m , et simul, d u m est unde ius civile discatur, adulescentis in disciplinam ei tradite: m i r u m est h o m i n i s ingen i u m , mira prudentia. M i n u c i u s q u i d a m m o r t u u s est ante istum praetorem; eius t e s t a m e n t u m erat nullum; lege hereditas ad g e n t e m M i n u c i a m veniebat. Si habuisset iste e d i c t u m , q u o d a n t e istum et postea o m n e s hab u e r u n t , possessio M i n u c i a e genti esset data: si quis t e s t a m e n t o se heredem esse arbitraretur q u o d tum non exstaret, lege ageret in hereditatem, aut, pro praede litis vindiciarum c u m satis accepisset, s p o n s i o n e m faceret et ita de hereditate certaret. H o c , opinor, iure et maiores nostri et nos semper usi sumus.
V i d e t e ut h o c iste correxerit. C o m p o n i t e d i c t u m his
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verbis ut quivis intellegere possit unius h o m i n i s causa c o n s c r i p t u m esse, t a n t u m q u o d h o m i n e m non n o m i n a t ; causam q u i d e m totam perscribit, ius, c o n s u e t u d i n e m , a e q u i t a t e m , edicta o m n i u m neglegit. E x EDICTO URBANO. S I D E HEREDITATE A M B I G I T U R —
s i POSSESSOR SPON-
SIONEM NON FACIET. I a m quid id ad praetorem, uter possessor sit? n o n n e id quaeri oportet, u t r u m possessorem esse oporteat? Ergo, quia possessor est, n o n moves possessione: si possessor n o n esset, n o n dares? N u s q u a m
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C. VERRES,
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genügt es zu zeigen, daß früher alle so entschieden haben und daß dies eine alte und herkömmliche Vorschrift ist. Vernehmt jetzt, welche andere Neuheit der Mensch für einen alten Sachverhalt angeordnet hat, und schickt zugleich, bis es eine Gelegenheit gibt, das bürgerliche Recht zu erlernen, die jungen Leute zu ihm in die Lehre "". Wunderbar ist seine Begabung, wunderbar seine Einsicht. Ein gewisser Minucius starb, bevor Verres Prätor wurde; ein Testament von ihm war nicht vorhanden; nach dem Gesetz fiel seine Erbschaft dem minucischen Geschlechte zu , M . Wenn er sich an das Edikt gehalten hätte, an das sich vor und nach ihm alle gehalten haben, dann wäre dem minucischen Geschlecht der Besitz zuerkannt worden. Wenn sich jemand auf Grund eines Testamentes, das zu gegebener Zeit nicht vorhanden ist, fur erbberechtigt halten sollte, dann würde er mit der üblichen Formel um die Erbschaft prozessieren oder, nachdem man ihm für den Streitgegenstand Sicherheit geleistet hätte, einen Prozeßvertrag abschließen und so um die Erbschaft streiten ,M . So ist es, meine ich, bei unseren Vorfahren und bei uns stets Rechtens gewesen. Seht, wie Verres hieran gebessert hat. Er faßt seine Anordnung in Worten ab, daß jeder bemerken kann, sie sei um eines Einzelnen willen aufgesetzt worden, nur daß er den Namen nicht nennt; er schildert jedoch den ganzen Sachverhalt und setzt sich über Recht und Gewohnheit, über die Billigkeit und alle Edikte hinweg. - (Aus dem Stadtedikt: «Wenn um eine Erbschaft gestritten wird... wenn der Besitzer keinen Prozeßvertrag abschließt. ») - Doch was geht es den Prätor an, wer von beiden Besitzer ist ? Muß man nicht fragen, wer Besitzer sein sollte ? Also, weil er Besitzer ist, vertreibst du ihn nicht aus dem Besitz; wenn er aber nicht Besitzer wäre, dann würdest du ihm den Besitz auch nicht zuerkennen? Denn darüber schreibst du nirgends etwas, und du berücksichtigst in deiner
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A C T I O Ν IS IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.I
enim scribis, neque tu aliud quicquam edicto amplecteris nisi earn causam pro qua pecuniam acccperas. Iam hoc
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r i d i c u l u m e s t : S i D E H E R E D I T A T E A M B I G E T U R E T TABULAE TESTAMENTI
OBSIGNATAE
NON
MINUS
MULTIS
QUAM E LEGE O P O R T E T AD M E P R O F E R E N T U R , TABULAS T E S T A M E N T I
POTISSIMUM
SIGNIS
SECUNDUM
POSSESSIONEM
DABO.
Hoc translaticium est: sequi illud oportet, Si TABULAE TESTAMENTI NON PROFERENTUR. Quid ait? se ei daturum qui se dicat heredem esse. Quid ergo interest proferantur necne? Si protulerit, uno signo ut sit minus quam ex lege oportet, non des possessionem: si omnino tabulas non proferet, dabis? Quid nunc dicam? neminem umquam hoc postea alium edixisse? valde sit mirum neminem fuisse qui istius se similem dici vellet. Ipse in Siciliensi edicto hoc non habet; exegerat enim iam mercedem; item ut ilio edicto de quo ante dixi, in Sicilia de hereditatum possessionibus dandis edixit idem quod omnes Romae praet e r i s t u m . E x E D I C T O S I C I L I E N S I . S I DE HEREDITATE AMBIGITUR - .
Ac, per deos immortalisi quid est quod de hoc dici pos- · ' s sit? herum enim iam quaero abs te, sicut modo in ilio capite Anniano de mulierum hereditatibus, nunc in hoc de hereditatum possessionibus, cur ea capita in edictum provinciale transferre nolueris. Utrum digniores homines existimasti eos qui habitant in provincia quam nos qui aequo iure uteremur, an aliud Romae aequum est, aliud in Sicilia? Non enim hoc potest hoc loco dici, multa esse in provinciis aliter edicenda; non de hereditatum quidem
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C. VERRES,
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Anordnung nur den Sachverhalt, für den du Geld empfangen hast. Was jetzt folgt, ist vollends lächerlich: «Wenn um eine Erbschaft gestritten wird und man mir eine Testamentsurkunde vorlegt, die mit der gesetzlich vorgeschriebenen Zahl von Siegeln versiegelt ist, dann werde ich den Besitz vorzugsweise gemäß der Testamentsurkunde zuerkennen.» Das ist üblich; jetzt muß jedoch folgen: «Wenn keine Testamentsurkunde vorgelegt wird» - was sagt er da ? Er wolle den Besitz dem zuerkennen, der Erbe zu sein behaupte IM . Was macht es also aus, ob eine Urkunde vorgelegt wird oder nicht ? Wenn jemand eine vorlegt, mit einem Siegel weniger als gesetzlich vorgeschrieben ist 105 , dann gewährst du ihm nicht den Besitz; wenn er aber überhaupt keine Urkunde vorlegt, dann willst du den Besitz gewähren? Was soll ich jetzt sagen: daß nach ihm kein anderer je eine solche Anordnung erlassen habe ? Das wäre freilich sehr wunderbar, daß niemand wünscht, man möchte ihn zu einem Geistesverwandten des Verres erklären. Er selbst hat diese Vorschrift nicht in seinem sizilischen Edikt; er hatte ja den Lohn bereits eingesteckt; ebenso wie bei der Anordnung, über die ich soeben gesprochen habe, hat er wegen der Besitzzuweisung von Erbschaften in Sizilien dasselbe vorgeschrieben, wie in Rom alle außer ihm. - (Aus dem sizilischen Edikt: «Wenn um eine Erbschaft gestritten wird...»)Doch bei den unsterblichen Göttern! Was kann man hierüber sagen ? Denn abermals frage ich dich, wie vorhin bei dem Annius-Abschnitt Uber das Erbrecht der Frauen, so jetzt bei diesem über den Erbschaftsbesitz, warum du diese Abschnitte nicht in das Provinzialedikt hast übertragen wollen. Hieltest du die Provinzbewohner für würdiger als uns, gerechte Rechtsvorschriften zu genießen, oder ist in Rom etwas anderes gerecht als in Sizilien ? Denn darauf kann man sich hier nicht berufen, in den Provinzen müsse vieles anders geregelt
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ACTIONIS IN C.VERREM SECUNDAE LIB.l
possessionibus, non de mulierum hereditatibus. N a m in utroque genere video non m o d o ceteros, sed te ipsum totidem verbis edixisse quot verbis edici Romae solet. Q u a e Romae magna cum infamia pretio accepto edixeras, ea sola te, ne gratis in provincia male audires, ex edicto Siciliensi sustulisse video.
Et cum edictum t o t u m eorum arbitratu, quam diu fuit designatus, componeret qui ab isto ius ad utilitatem suam nundinarentur, t u m vero in magistratu contra illud ipsum edictum suum sine ulla religione decernebat. Itaque L. Piso multos codices implevit earum rerum in quibus ita intercessit, quod iste aliter atque ut edixerat decrevisset; quod vos oblitos esse non arbitror, quae multitudo, qui ordo ad Pisonis sellam isto praetore solitus sit convenire; quem iste conlegam nisi habuisset, lapidibus coopertus esset in foro. Sed eo leviores istius iniuriae videbantur quod erat in aequitate prudentiaque Pisonis paratissimum perfugium, quo sine labore, sine molestia, sine impensa, etiam sine patrono homines uterentur.
N a m , quaeso, redite in memoriam, iudices, quae libido istius in iure dicundo fuerit, quae varietas decretorum, quae nundinatio, q u a m inanes domus eorum o m n i u m qui de iure civili consuli soient, quam plena ac referta Chelidonis; a qua mutiere cum erat ad eum ventum et in aurem eius insusurratum, alias revocabat eos inter quos
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C. VERRES,
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werden, jedenfalls nicht beim Erbschaftsbesitz und nicht beim Erbrecht der Frauen. Denn in beiderlei Hinsicht haben, wie ich sehe, nicht nur die anderen, sondern auch du selbst ihre Anordnungen mit ebenso vielen Worten getroffen, wie man sie in Rom zu treffen pflegt. Was du in Rom zu deiner großen Schande gegen Lohn verordnet hattest, das allein hast du, sehe ich, aus deinem sizilischen Edikt gestrichen, um nicht, ohne ein Entgelt daflir einzutauschen, in der Provinz schlecht angeschrieben zu sein. Und er hat nicht nur als künftiger Prätor sein ganzes Edikt nach dem Gutdünken derer abgefaßt, die sich von ihm das Recht zu ihrem Vorteile erkauften; er entschied sogar während seiner Amtszeit, ohne sich ein Gewissen daraus zu machen, gegen sein eigenes Edikt. Daher hat L. Piso manches Heft mit den Fällen angefüllt, in denen er gegen Venes einschritt, weil dieser anders entschieden hatte, als sein Edikt lautete,047
china sua; nam ilio non saxum, non materies ulla advecta est; tantum operis in ista locatione fuit q u a n t u m paucae operae fabrorum mercedis tulerunt, et manuspretium machinae. U t r u m existimatis minus operis esse u n a m col u m n a m efficere ab integro novam nullo lapide redivivo an quattuor illas reponere? N e m o dubitat quin multo maius sit novam facere. Ostendam in aedibus privatis longa difficilique vectura columnas singulas ad impluvium HS CCIDD CCIDD non minus magnas locatas. Sed
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Weißtünchen von Säulen so viel Geld kostet, dann hätte ich mich gewiß niemals um das Ädilenamt beworben "*. Indes, um den Anschein zu erwecken, es gehe ihm um die Sache und nicht um die Beraubung eines Mündels, fugt er hinzu : «Wenn du bei der Ausfuhrung etwas beschädigst, dann mußt du es wiederherstellen.» Was hätte der Unternehmer beschädigen sollen, da er doch jeden Stein wieder an seine Stelle setzte? «Der Unternehmer soll für etwaigen Schaden dem Sicherheit leisten, auf den die Instandhaltung von dem vorigen Unternehmer übergegangen ist.» Er treibt nur Spott, indem er dem Ha boni us befiehlt, sich selbst Sicherheit zu leisten ,2*. «Das Geld soll bar bezahlt werden.» Von wessen Vermögen ? Von dem Vermögen dessen, der erklärt hat, er werde für 40000 Sesteizen ausfuhren, was du für 560000 verdungen hast. Von wessen Vermögen? Von dem eines Mündels, dessen Jugend und Hilflosigkeit der Prätor schützen müßte, auch wenn keine Vormünder vorhanden wären; jetzt aber hast du ihm, da Vormünder zu seinem Schutze auftraten, nicht nur den väterlichen Besitz, sondern auch das Vermögen der Vormünder abgenommen. «Du sollst die Arbeit in jeder Hinsicht gut ausfuhren.» Was bedeutet «in jeder Hinsicht» ? Er mußte einige Steine behauen und von seiner Maschine an Ort und Stelle schaffen lassen. Denn keinen Felsblock, keinerlei Baustoffe hat man angefahren ; bei dieser Verdingung gab es nur so viel aufzuwenden, als einige Handwerker an Lohn erhielten und die Herstellung der Maschinen kostete. Was, glaubt ihr, erfordert weniger Arbeit: eine einzige Säule, bei der kein Stein schon gebraucht ist, ganz neu zu verfertigen oder vier alte wiederaufzurichten ? Niemand zweifelt, daß es viel mehr Mühe macht, eine neue herzustellen. Ich kann zeigen, daß man bei Privatgebäuden, wenn die Fracht weit und schwierig war, einzelne, nicht weniger große Säulen für den Innenhof zu 20000 Sesterzen das
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A C T I O Ν IS IN C . V E R R E M S E C U N D A E
LIB.I
ineptum est de tam perspicua eius impudentia pluribus verbis disputare, praesertim c u m iste aperte tota lege o m n i u m s e r m o n e m atque existimationem contempserit, qui etiam
ad extremum
adscripserit:
REDIVIVA SIBI
HABETO; quasi q u i c q u a m redivivi ex opere ilio tolleretur ac non totum o p u s ex redivivis constitueretur. At enim si pupillo redimi non licebat non necesse erat rem ad ipsum pervenire; poterat aliquis ad id negotium de p o p u l o accedere. O m n e s exclusi sunt non minus aperte q u a m pupillus. D i e m praestituit operi faciundo Kalendas Decembris, locat circiter Idus Septembris; angustiis temporis excluduntur o m n e s . Q u i d ergo? H a b o n i u s
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istam diem q u o m o d o adsequitur? N e m o H a b o n i o molestus est ñeque Kalendis D e c e m b r i b u s neque N o n i s neque Idibus; denique aiiquanto ante in provinciam iste proficiscitur q u a m opus effectum est.
Posteaquam reus factus est, p r i m o negabat se opus in acceptum referre posse; c u m instaret H a b o n i u s , in me causam conferebat, q u o d e u m codicem obsignassem. Petit a m e H a b o n i u s et amicos adlegat: facile impetrat. Iste, quid ageret, nesciebat; si in acceptum non rettulisset, putabat se aliquid defensionis h a b i t u r u m ;
Habonium
porro intellegebat rem totam esse patefacturum - tametsi quid poterat esse apertius q u a m
n u n c est? U t
uno
minus teste ageret, H a b o n i o o p u s in acceptum rettulit quadriennio post q u a m diem operi dixerat.
H a c condicione, si quis de p o p u l o redemptor accessis-
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set, non esset usus; c u m die ceteros redemptores exclu-
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C. VERRES,
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Stück in Auftrag gegeben hat. Doch es wäre läppisch, sich über eine so offenkundige Unverschämtheit weitläufig auszulassen, zumal er ja augenscheinlich bei dem ganzen Vertrage das allgemeine Gerede und Urteil verachtet hat - fügte er doch am Ende hinzu : «Die alten Bauteile mag er für sich behalten.» Als ob er etwas Altes von dem Bauwerk weggenommen und nicht die ganze Arbeit mit Altem ausgeführt hätte. Außerdem, wenn Habonius den Auftrag nicht fur das Mündel übernehmen durfte, so war es nicht nötig, daß er selbst den Zuschlag erhielt; irgendjemand aus dem Volke hätte sich dieser Aufgabe unterziehen können. Doch alle anderen wurden nicht minder offenkundig ausgeschlossen als das Mündel. Als Termin für die Fertigstellung bestimmt er den i. Dezember, er verdingt die Arbeit ungefähr am i j . September: die Kürze der Frist schloß alle aus. Wie denn ? Wie kann Habonius diesen Termin einhalten ? Niemand bedrängt den Habonius, weder am i. noch am 5. noch am 13. Dezember. Schließlich reist Verres einige Zeit, bevor der Auftrag ausgeführt war, in seine Provinz. Als er angeklagt wurde, sagte er zuerst, er könne die Arbeit nicht unter den Einnahmen verbuchen" 0 . Als Habonius ihm zusetzte, schob er die Schuld auf mich, weil ich das Rechnungsbuch versiegelt hätte. Habonius wendet sich an mich und schickt seine Freunde zu mir; er erreicht ohne Mühe seinen Zweck. Verres wußte also nicht, was er tun sollte. Er glaubte, einen Verteidigungsgrund zu haben, wenn er den Posten nicht eintrüge. Doch dann sah er ein, daß Habonius die ganze Sache aufdecken würde. Indes, wie konnte sie offenkundiger sein als jetzt ? Um einen Zeugen weniger zu haben, verbuchte er die Arbeit vier Jahre nach dem Termin, den er fur die Fertigstellung bestimmt hatte, zugunsten des Habonius. Hätte sich ein beliebiger Bürger als Unternehmer gemeldet, so hätte er diese Bedingungen nicht erhalten. Teils hatte er
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A C T IΟ Ν IS IN C. V E R R E M S E C U N D A E
LIB.l
sisset, tum in eius arbitrium ac potestatem venire nolebant qui sibi ereptam praedam arbitraretur. N u n c ne argumentemur, q u o ista pecunia pervenerit: facit ipse indicium. Primum cum vehementius cum eo D . Brutus contenderet, qui de sua pecunia H S DLX milia numerav i , q u o d iam iste ferre non poterat, opere addicto, praedibus acceptis d e H S DLX miiibus remisit D . Bruto H S e x milia. H o c , si aliena res esset, certe facere non potuisset. Deinde n u m m i numerati sunt Cornificio, q u e m scribam s u u m fuisse negare non potest. Postremo ipsius H a b o n i tabulae praedam illam istius fuisse clamant. Recita. NOMINA HABONI.
Hie etiam priore actione Q . Hortensius pupillum Iu-
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nium praetextatum venisse in vestrum conspectum et stetisse cum patruo testimonium dicente questus est, et me populariter agere atque invidiam commovere, q u o d puerum producerem, clamitavit. Q u i d erat, Hortensi, tand e m in ilio puero populare, quid invidiosum? Gracchi, credo, aut Saturnini aut alicuius hominis eius m o d i produxeram filium, ut nomine ipso et memoria patris ánimos imperitae multitudinis commoverem. P. luni erat, hominis de plebe R o m a n a , filius, quem pater moriens cum tutoribus et propinquis, tum legibus, tum aequitati magistratuum, tum iudieiis vestris c o m m e n d a t u m putavit. Hic istius scelerato nefarioque latrocinio bonis
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die anderen Unternehmer schon durch die Frist ausgeschlossen, teils wollte man sich nicht der Willkür und Gewalt dessen aussetzen, der glauben würde, daß man ihm eine Beute entrissen habe. Wir brauchen nun nicht erst Vermutungen anzustellen, wohin dieses Geld gekommen ist: er selbst verrät es uns. Erstens: D. Brutus, der ihm von seinem Gelde 560000 Sesterzen auszahlte, machte ihm ziemlich heftige Vorwürfe; das konnte Verres nicht ertragen, und er erließ dem D. Brutus 110000 Sesterzen, obwohl bereits der Auftrag zugeschlagen und die Bürgen angenommen waren. Das hätte er gewiß nicht tun dürfen, wenn es sich um fremdes Geld gehandelt hätte. Zweitens wurde der Betrag dem Cornificius ausbezahlt, der, wie er nicht leugnen kann, sein Schreiber gewesen ist. Schließlich verkünden die Bücher des Habonius laut, daß es sich um eine Beute des Verres gehandelt hat. Lies vor. - (Die Posten des Habonius.) Bei dieser Sache hat sich übrigens Q^Hortensius in der ersten Verhandlung darüber beschwert, daß der unmündige Iunius in seiner Purpurtoga 111 vor euch erschienen sei und neben seinem Oheim gestanden habe, als dieser seine Aussage machte. Und er schrie, ich haschte nach der Gunst des Volkes und wolle durch die Vorführung des Knaben Haß erregen. Was war denn an dem Knaben so gunsthaschend, Hortensius, was so haßerregend ? Ich hatte wohl, glaube ich, den Sohn des Gracchus oder des Saturninus oder sonst eines Mannes dieser Art vorgeführt, um die unwissende Menge schon durch den Namen und die Erinnerung an den Vater zu erregen. Es war der Sohn des P. Iunius, eines Mannes aus dem römischen Volke, von dem der sterbende Vater glaubte, ihn teils den Vormündern und Verwandten, teils den Gesetzen, teils der Gerechtigkeit der Behörden, teils euren Gerichten empfohlen zu haben. Dieser Knabe, der durch den verbrecherischen und ruchlosen Raub des Verres das väterliche Vermögen und sei-
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A C T I O N IS I N
C. V E R R E M
SECUNDAS
LIB.I
patriis fortunisque omnibus spoliatus venit in iudicium, si nihil aliud, saltern ut eum cuius opera ipse multos annos esset in sordibus paulo tarnen obsoletius vestitum videret. Itaque tibi, Hortensi, non illius aetas, sed causa, non vestitus, sed fortuna popularis videbatur, ñeque te tam commovebat quod ille cum toga praetexta, quam quod sine bulla venerat. Vestitus enim neminem commovebat is quem illi mos et ius ingenuitatis dabat; quod o r n a m e n t u m pueritiae pater dederat, indicium atque insigne fortunae, hoc ab isto praedone ereptum esse graviter t u m et acerbe homines ferebant.
Ñ e q u e erant illae lacrimae populares magis quam '53 nostrae, quam tuae, Q . Hortensi, quam h o r u m qui sententiam laturi sunt, ideo quod communis est causa, comm u n e periculum; c o m m u n i praesidio talis improbitas tamquam aliquod incendium restinguendum est. Habemus enim liberos parvos; incertum est quam longa cuiusque nostrum vita futura sit; consulere vivi ac prospicere debemus ut illorum solitudo et pueritia quam firmissimo praesidio munita sit. Quis est enim qui tueri possit liberum nostrorum pueritiam contra improbitatem magistratuum? Mater, credo. Scilicet magno praesidio fuit Anniae pupillae mater, femina primaria: minus ilia deos hominesque implorante iste infanti pupillae fortunas patrias ademit. Tutoresne defendent? Perfacile vero apud istius modi praetorem, a quo M. Marcelli tutoris in
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C. V E R R E S ,
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nen ganzen Besitz verloren hatte, erschien vor Gericht, wenn schon zu keinem anderen Zwecke, so doch wenigstens, um den Mann, durch dessen Treiben er selbst schon viele Jahre im Elend lebte, in einem noch etwas traurigeren Aufzuge zu sehen. Also nicht sein Alter, Hortensius, sondern seine Sache, nicht seine Kleidung, sondern sein Schicksal schien dir auf das Volk zu wirken, und dich beeindruckte nicht, daß er in seiner Purpurtoga, sondern daß er ohne Halsschmuck gekommen war. Denn die Kleidung, wie sie ihm die Sitte und die Rechtsstellung der freien Geburt zuwies, machte auf niemanden Eindruck. Daß ihm aber der Schmuck seiner Kindheit, den ihm der Vater als Beweis und Zeichen seines Wohlstandes geschenkt hatte 111 , von diesem Räuber entrissen war, das nahmen die Leute damals mit Unwillen und Empörung auf. Und seine Tränen sollten nicht stärker auf das Volk wirken als unsere, als deine, Hortensius, als die Tränen derer, die das Urteil fällen werden, und zwar deshalb, weil es um eine gemeinsame Sache, eine gemeinsame Gefahr geht. Durch gemeinsame Hilfe muß eine derartige Gewissenlosigkeit wie eine Feuersbrunst gelöscht werden. Auch wir haben nämlich kleine Kinder. Es ist ungewiß, wie lange ein jeder von uns leben wird. Bei Lebzeiten müssen wir sorgen und achtgeben, daß ihre Verlassenheit und Jugendlichkeit durch einen möglichst starken Schutz gesichert sei. Denn wer vermöchte das jugendliche Alter unserer Kinder gegen die Gewissenlosigkeit von Beamten zu schützen ? Etwa die Mutter ? Freilich, großen Schutz konnte die Mutter, diese vortreffliche Frau, der minderjährigen Annia IM gewähren; da sie Götter und Menschen um Hilfe anflehte, hat Verres dem unmündigen Kinde desto weniger das väterliche Vermögen weggenommen. Sollen die Vormünder den Schutz gewähren ? Wahrhaftig, das ist etwas sehr Leichtes bei einem solchen Prätor, der sich in der Sache des minderjährigen Iunius über die Bitten und die Wünsche
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ACT IΟ Ν I S IN C. VER REM SECUNDAE LIB.I
causa pupilli Iuni et oratio et voluntas et auctoritas repudiata est! Q u a e r i m u s etiam quid iste in ultima Phrygia, quid in extremis Pamphyliae partibus fecerit, qualis in bello praed o n u m praedo ipse fuerit qui in foro populi R o m a n i pirata nefarius reperiatur? D u b i t a m u s quid iste in hostium praeda molitus sit, qui manubias sibi tantas ex L. Metelli manubiis fecerit, qui maiore pecunia quattuor c o l u m nas dealbandas q u a m ille o m n i s aedificandas locaverit? Exspectemus quid dicant ex Sicilia testes? Q u i s u m q u a m t e m p l u m illud aspexit quin avaritiae tuae, quin iniuriae, quin audaciae testis esset? quis a signo V o r t u m n i in circ u m m a x i m u m venit quin is u n o q u o q u e gradu de avaritia tua c o m m o n e r e t u r ? q u a m tu viam tensarum atque p o m p a e eius modi exegisti ut tu ipse illa ire non audeas. Te putet q u i s q u a m , c u m ab Italia freto diiunctus esses, sociis temperasse, qui aedem Castoris testem t u o r u m furt o r u m esse volueris? q u a m populus R o m a n u s
cotidie,
iudices etiam t u m c u m de te sententiam ferent, videbunt.
A t q u e etiam iudicium in praetura publicum exercuit;
'55
non e n i m praetereundum est ne id q u i d e m . Petita multa est apud istum praetorem a Q . O p i m i o ; qui adductus est in i u d i c i u m , verbo q u o d , c u m esset tribunus plebis, intercessisset c o n t r a legem C o r n e l i a m , re vera q u o d in trib u n a t u dixisset c o n t r a alicuius hominis nobilis voluntatem. D e q u o iudicio si velim dicere o m n i a , multi appel-
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C. VERRES,
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und das Ansehen des Vormundes M. Marcellus hinweggesetzt hat! Fragen wir noch, was er im äußersten Phrygien, was in den entlegensten Teilen Pamphyliens getan hat, was er im Kriege mit den Räubern selbst für ein Räuber gewesen i s t ' " , wenn er schon auf dem Forum des römischen Volkes als ruchloser Strauchdieb erfunden wird ? Zweifeln wir, was er mit der feindlichen Beute angestellt hat, er, der sich einen so großen Beuteanteil aus dem Beuteanteil des L. Metellus verschafft, der für einen größeren Betrag die Übertünchung von vier Säulen als jener die Errichtung von allen verdungen hat 1,4 ? Wollen wir noch abwarten, was die Zeugen aus Sizilien sagen ? Wer hat je diesen Tempel angeschaut, ohne Zeuge deiner Habgier, deiner Ungerechtigkeit, deiner Frechheit zu sein? Wer ist je von der Statue des Vertumnus zum Circus Maximus gegangen, ohne bei jedem Schritt an deine Habgier erinnert zu werden ? Du hast ja diesen Weg für Götterwagen und Festzüge derart herrichten lassen, daß du selber nicht darauf zu gehen wagst 1 ". Und du hättest - das glaube, wer will! - , als du von Italien durch die Meerenge getrennt warst, die Bundesgenossen geschont, du, der du wolltest, daß der Tempel des Kastor Zeuge deiner Diebstähle sei ? Den hat das römische Volk alle Tage und die Richter auch dann vor Augen, wenn sie das Urteil über dich fällen. Und sogar einen Strafprozeß hat er während seiner Prätur geleitet. Denn auch dies darf keineswegs übergangen werden. Man beantragte vor diesem Prätor eine Geldstrafe gegen Q^Opimius. Den hatte man vor Gericht gezogen, angeblich, weil er als Volkstribun dem Cornelischen Gesetz zuwider Einspruch erhoben hatte, in Wahrheit, weil er während seines Tribunats gegen die Meinung eines der hohen Herren gesprochen hatte 13 '. Wenn ich mich mit diesem Prozeß in allen Einzelheiten befassen wollte, dann müßte ich viele Leute nennen
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LIB.l
landi laedendique sint, id quod mihi non esc necesse; tantum dicam, paucos homines, ut levissime appellem, adrogantes hoc adiutore Q . O p i m i u m per l u d u m et i o c u m fortunis o m n i b u s evertisse. Is mihi etiam queritur quod a nobis i x solis diebus prima actio sui iudici cransacta sit, c u m apud ipsum tribus horis Q . O p i m i u s , senator populi R o m a n i , bona, fortunas, o r n a m e n t a o m n i a amiserit? cuius propter indignitatem iudici saepissime est actum in senatu ut genus h o c t o t u m multarum atque eius modi i u d i c i o r u m tolleretur. Iam vero in bonis Q . O p i m i vendendis quas iste praedas, q u a m aperte, quam improbe fecerit, l o n g u m est dicere: hoc dico, nisi vobis id h o m i n u m honestissimorum tabulis planum fecero, fingi a m e hoc t o t u m temporis causa putatote. Iam qui ex calamitate senatoris populi R o m a ni, c u m praetor iudicio eius praefuisset, spolia d o m u m suam referre et manubias detrahere conatus sit, is uilam ab sese calamitatem poterit deprecari?
N a m de subsortitione illa Iuniana iudicum nihil dico. Q u i d enim? contra tabulas quas tu protulisti audeam dicere? Diffìcile est; non enim me tua solum et iudicum auctoritas, sed etiam anulus aureus scribae tui deterret. N o n dicam id quod probare difficile est; h o c dicam q u o d ostendam multos ex te viros primarios audisse, c u m díceres ignosci tibi oportere quod falsum codicem protu-
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C. VERRES,
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und bloßstellen, was ich gar nicht nötig habe: nur so viel will ich sagen, daß, um mich so gelinde wie möglich auszudrücken, wenige anmaßende Leute mit Unterstützung des Verres den Q^Opimius zu ihrem Spiele und Spaß um sein gesamtes Vermögen gebracht haben. Dieser Mensch führt mir noch darüber Klage, daß wir in nicht mehr als neun Tagen die erste Verhandlung seines Prozesses zu Ende geführt haben, während bei ihm selbst Q^Opimius, ein Senator des römischen Volkes, in drei Stunden all sein Hab und Gut und alles, was ihn auszeichnete, verloren hat ? Wegen dieses empörenden Verfährens hat man im Senat schon sehr oft erörtert, daß diese ganze Art von Geldstrafen und Prozessen abgeschafft werden solle. Dann aber, welche Beute Verres beim Verkauf des Vermögens von Q^Opimius, wie offen, wie schamlos er sie gemacht hat, dies zu schildern wäre zu weitläufig; ich sage nur: wenn ich euch das nicht durch die Rechnungsbücher der achtbarsten Leute nachweisen kann, dann dürft ihr glauben, ich hätte das Ganze um der günstigen Gelegenheit willen erfunden. Er leitete also als Prätor den Prozeß gegen einen Senator des römischen Volkes und benutzte das Unglück dieses Mannes, Beute in sein Haus zu tragen und den Fang an sich zu bringen : sollte der es fertig bringen, durch Bitten irgendein Unheil von sich abzuwenden ? Indes, über die Richterergänzung des Iunius sage ich nichts Warum das ? Soll ich es wagen, etwas gegen das Protokoll einzuwenden, das du vorgelegt hast ? Das wäre schwierig; mich schreckt nämlich nicht nur das Ansehen deiner Person und jener Richter ab, sondern auch der goldene Ring deines Schreibers I4°. Ich werde also nichts sagen, was zu beweisen schwerfallen dürfte; ich werde nur sagen, wovon ich beweisen kann, daß viele angesehene Männer es aus deinem eigenen Munde gehört haben : man müsse dir verzeihen, sagtest du, daß du ein gefälschtes Verzeichnis vorgelegt habest; denn die
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A C T IΟ Ν I S IN
C. V E R R E M
SECUNDAE
LIB. I
leris; nam q u a invidia C . Iunius c o n f l a g r a v i , ea, nisi prov i n s s e s , tibi ipsi tum p e r e u n d u m fuisset. H o c m o d o iste
'5s
sibi et saluti suae prospicere didicit referendo in tabulas et privaras et publicas q u o d gestum non esset, tollendo q u o d esset, et semper aliquid demendo, m u t a n d o , interpolando; eo enim usque progreditur ut ne defensionem q u i d e m maleficiorum s u o r u m sine aliis maleficiis reperire possit. Eius m o d i subsortitionem h o m o amentissim u s s u o r u m q u o q u e iudicum fore putavit per sodalem s u u m Q . C u r t i u m , iudicem quaestionis; cui ego nisi vi populi atque h o m i n u m clamore atque convicio restitissem, ex hac decuria vestra, cuius mihi copiam q u a m largissime factam oportebat, quos iste adnuerat in s u u m consilium sine causa subsortiebatur.
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BUCH
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Empörung, die den C. Iunius zu Fall brachte, würde damals, wenn du nicht aufgepaßt hättest, auch dich selbst ins Verderben gestürzt haben. So hat dieser Mann fur sich und seine Rettung sorgen gelernt, indem er in private und öffentliche Urkunden eintrug, was nicht geschehen war, daraus tilgte, was geschehen war, und stets etwas wegnahm, änderte, einschwärzte. Denn er wagt sich so weit vor, daß er sich dir seine Missetaten nicht einmal eine Deckung ohne weitere Missetaten verschaffen kann. Der wahnwitzige Mensch glaubte, er könne eine derartige Ergänzung auch bei seinen eigenen Richtern zuwege bringen, und zwar durch den Gerichtsvorsitzenden Q^. Curtius, seinen Genossen. Hätte mir der Druck des Volkes und der laute Widerspruch der Öffentlichkeit nicht erlaubt, mich diesem Manne zu widersetzen, er hätte aus eurer Richterabteilung, über die ich so unbeschränkt wie möglich verfügen mußte, ohne Grund nur die von Verres Bezeichneten durch Nachwahl in seinen Gerichtshof gebracht141.
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A C T I O N I S IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIBER S E C U N D U S DE PRAETURA SICILIENSI Multa mihi necessario, iudices, praetermittenda sunt, ut possim aliquo m o d o aliquando de his rebus quae meae fidei commissae sunt dicere. Recepì enim causam Siciliae: ea me ad hoc negotium provincia attraxit. Ego tarnen hoc onere suscepto et recepta causa Siciliensi amplexus animo sum aliquanto amplius. Suscepi enim causam totius ordinis, suscepi causam rei publicae, quod putabam t u m denique recte iudicari posse si non modo reus improbus adduceretur, sed etiam diligens ac firmus accusator ad iudicium veniret. Q u o mihi maturius ad Siciliae causam veniendum est relictis ceteris eius furtis atque flagitiis, ut et viribus quam integerrimis agere et ad dicendum temporis satis habere possim.
Atque antequam de incommodis Siciliae dico, pauca mihi videntur esse de provinciae dignitate, vetustate, utilitate dicenda. N a m cum o m n i u m sociorum provinciarumque rationem diligenter habere debetis, tum praecipue Siciliae, iudices, plurimis iustissimisque de causis, p r i m u m quod o m n i u m nationum exterarum princeps Sicilia se ad amicitiam fidemque populi Romani adplicavit. Prima o m n i u m , id quod o r n a m e n t u m imperi est, provincia est appellata; prima docuit maiores nostras quam praeclarum esset exteris gentibus imperare; sola fuit ea fide benivolentiaque erga populum R o m a n u m ut civitates eius insulae, quae semel in amicitiam nostram
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Z W E I T E R E D E G E G E N C. V E R R E S ZWEITES BUCH Vieles muß ich notgedrungen übergehen, ihr Richter, um endlich einigermaßen über die Dinge reden zu können, die meiner Beistandspflicht anvertraut sind. Ich habe nämlich die Sache Siziliens übernommen. Diese Provinz hat mich mit meiner Aufgabe betraut. Ich habe jedoch, indem ich diese Last auf mich lud und die Sache Siziliens übernahm, meinen Absichten ein wesentlich höheres Ziel gesteckt. Ich habe nämlich die Sache unseres ganzen Standes ich habe die Sache des Staates übernommen; denn ich glaubte, daß sich nur dann ein richtiges Urteil finden lasse, wenn nicht nur der skrupellose Angeklagte vorgeladen werde, sondern auch ein gewissenhafter und standfester Ankläger vor Gericht erscheine. Um so mehr muß ich eilen, mit Übergehung seiner übrigen Diebstähle und Schandtaten zur Sache Siziliens zu kommen, damit ich mit möglichst frischen Kräften verhandeln kann und über hinreichend Zeit für meinen Vortrag verfüge. Und bevor ich von den Beschwerden Siziliens rede, muß ich, scheint mir, ein paar Worte über das Ansehen, das Alter und die Einträglichkeit dieser Provinz sagen. Denn wenn ihr auf alle eure Bundesgenossen und Provinzen sorgfältig Bedacht nehmen müßt, so gilt dies in besonderem Maße für Sizilien, ihr Richter, und zwar aus sehr vielen und sehr triftigen Gründen. Zunächst, weil sich Sizilien von allen auswärtigen Gebieten als erstes der Freundschaft und Obhut des römischen Volkes anvertraut hat. Sizilien wurde, was dem Reiche Ehre macht, als erstes aller Länder Provinz genannt; als erstes hat es unsere Vorfahren gelehrt, wie ruhmvoll es sei, über auswärtige Völker zu gebieten ; als einziges erzeigte es sich dem römischen Volke gegenüber so treu und gutwillig, daß die Staaten dieser Insel, die sich einmal in ein freundschaftliches
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A C T I O N IS IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.II
venissent, n u m q u a m postea deficerent, pleraeque autem et m a x i m e inlustres in amicitia perpetuo manerent. Ica-
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que maioribus nostris in Africam ex hac provincia gradus imperi factus est; neque enim tarn facile opes Carthaginis tantae concidissent nisi illud et rei frumentariae subsidium et receptaculum d a s s i b u s nostris pateret.
Q u a r e P. Africanus Carthagine deleta Siculorum urbis signis m o n u m e n t i s q u e pulcherrimis exornavit, ut, q u o s victoria populi
Romani
m a x i m e laetari
arbitrabatur,
a p u d eos m o n u m e n t a victoriae plurima conlocaret. De-
4
nique ille ipse M . Marcellus, cuius in Sicilia virtutem hostes, misericordiam vieti, fidem cereri Siculi perspexerunt, non solum sociis in eo bello consuluit, verum e d a m superatis hostibus temperavit. U r b e m pulcherrim a m Syracusas - quae c u m m a n u munitissima esset, tum loci natura terra ac mari clauderetur - c u m vi consilioque cepisset, non s o l u m i n c o l u m e m passus est esse, sed ita reliquit ornatam ut esset idem m o n u m e n t u m victoriae, mansuetudinis, continentiae, c u m homines vidèrent et q u i d expugnasset et quibus pepercisset et quae reliquisset: tantum ille h o n o r e m h a b e n d u m Siciliae putavit ut ne hostium q u i d e m urbem ex sociorum insula tollendam arbitraretur.
Itaque ad o m n i s res sie illa provincia semper usi s u m u s
5
ut, q u i c q u i d ex sese posset efferre, id non a p u d eos nasci, sed d o m i nostrae c o n d i t u m iam putaremus. Q u a n d o illa f r u m e n t u m q u o d deberet non ad diem dedit? q u a n d o id
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C. VERRES,
2. B U C H
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Verhältnis zu uns begeben hatten, hernach niemals mehr abfielen, die meisten und berühmtesten sogar ständig an dem freundschaftlichen Verhältnis festhielten. Daher diente diese Provinz unseren Vorfahren als Ausgangspunkt ihrer Herrschaft in Afrika. Denn die große Macht Karthagos wäre nicht so leicht zusammengebrochen, hätte uns dort nicht eine Stütze unserer Versorgung und eine Zuflucht für unsere Flotten zu Gebote gestanden. Daher hat P. Africanus die sizilischen Städte nach der Zerstörung Karthagos mit den schönsten Statuen und Denkmälern geschmückt, um bei denen, die sich, wie er glaubte, am meisten über den Sieg des römischen Volkes freuten, die meisten Denkmäler des Sieges aufzustellen. Schließlich hat selbst der berühmte M. Marcellus, dessen Tapferkeit in Sizilien die Feinde, dessen Mitleid die Besiegten, dessen Redlichkeit die übrigen Sizilier kennenlernten, in jenem Kriege nicht nur für die Bundesgenossen gesorgt, sondern auch die überwundenen Feinde mit Schonung behandelt'. Die herrliche Stadt Syrakus hatte teils sehr starke Befestigungsanlagen, teils war sie durch ihre natürliche Lage von der Land- und Seeseite her gesichert; Marcellus erhielt sie, nachdem er sie durch Gewalt und List erobert hatte, nicht allein ganz unversehrt, sondern ließ ihr auch so reichen Schmuck, daß sie zugleich ein Denkmal des Sieges, der Milde und der Mäßigung war; denn alle Welt sah, was er erobert und was er geschont und was er zurückgelassen hatte. Er glaubte Sizilien so viel Rücksicht schuldig zu sein, daß er von der Insel der Bundesgenossen nicht einmal eine feindliche Stadt vertilgen zu dürfen meinte. Deshalb haben wir uns dieser Provinz bei allen Vorkommnissen stets so bedient, daß wir glaubten, was sie von sich aus hervorbringen könne, das entspringe dort nicht erst, sondern sei schon bei uns zu Hause in sicherem Gewahrsam. Wann hat sie das schuldige Getreide nicht auf den T a g genau geliefert ?
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ACTIONIS
IN
C. V E R R E M
SECUNDAS
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quod opus esse putaret non ulero pollicita esc? q u a n d o id quod imperaretur recusavit? Itaque ille M . C a t o Sapiens cellam penariam rei publicae nostrae, nutricem plebis R o m a n a e Siciliani nominabat. Nos vero experti sumus Italico m á x i m o difficillimoque bello Siciliam nobis non pro penaría cella, sed pro aerario ilio m a i o r u m vetere ac referto fuisse; nam sine ullo sumptu nostro, coriis, tunicis, f r u m e n t o q u e suppeditando, máximos exercitus nostras vestivit, aluit, armavit.
Quid? ilia quae forsitan ne sentiamus quidem, iudices,
6
quanta sunt! q u o d multis locupletioribus civibus utimur, q u o d habent propinquam
fidelem
fructuosamque pro-
vinciam, q u o facile excurrant, ubi libenter negotium gérant; quos illa partim mercibus suppeditandis cum quaestu c o m p e n d i o q u e dimittit, partim retinet, ut arare, ut pascere, ut negotiari libeat, ut denique sedes ac d o m i c i lium conlocare; quod c o m m o d u m
non mediocre
rei
publicae est, tantum civium n u m e r u m tam prope a d o m o tam bonis fructuosisque rebus detineri. Et q u o n i a m qua-
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si quaedam praedia populi R o m a n i sunt veccigalia nostra atque provinciae, quem ad m o d u m vos propinquis vestris praediis maxime delectamini, sic populo R o m a n o iucunda suburbanitas est huiusce provinciae. Iam vero h o m i num ipsorum, iudices, ea patientia virtus frugalitasque est ut proxime ad nostram disciplinam illam veterem, non ad hanc quae n u n c increbruit videantur accedere: nihil ceterorum simile G r a e c o r u m , nulla desidia, nulla luxuries, contra s u m m u s labor in publicis privatisque
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Wann, was sie für erforderlich hielt, nicht von sich aus versprochen? Wann verweigert, was von ihr verlangt wurde? Daher hat M. Cato, genannt der Weise', Sizilien die Vorratskammer unseres Staates, die Ernährerin des römischen Volkes geheißen. Doch wir haben während des ebenso furchtbaren wie schwierigen italischen Krieges4 die Erfahrung gemacht, daß uns Sizilien nicht nur als Vorratskammer, sondern auch als Staatsschatz, wie der alte und gefüllte unserer Vorfahren war, gedient hat. Denn ohne irgendwelche Kosten von unserer Seite hat es durch die Lieferung von Leder, Kleidung und Getreide unsere großen Armeen gekleidet, ernährt und bewaffnet. Wie? Welche Bedeutung hat auch folgendes, ihr Richter, das uns vielleicht nicht einmal bewußt ist! Viele recht vermögende Leute haben wir deshalb in unserer Bürgerschaft, weil eine treue und gewinnbringende Provinz in der Nähe liegt, wohin sie leicht reisen können, wo sie gern Geschäfte machen. Sie aber beliefert einen Teil dieser Leute mit Waren und läßt ihn mit Vorteil und Gewinn wieder ziehen, einen Teil jedoch hält sie fest; man treibt nach Belieben Ackerbau oder Viehzucht oder Handel und schlägt dort sogar seinen bleibenden Wohnsitz auf. Das ist kein geringer Vorteil fur den Staat, daß eine so große Zahl von Bürgern so nahe der Heimat eine so gute und gedeihliche Beschäftigung findet. Unsere Steuereinnahmen und Provinzen sind gleichsam die Landgüter des römischen Volkes, und wie ihr an euren nahe gelegenen Landgütern die meiste Freude habt, so ist dem römischen Volke bei dieser Provinz die Nähe zur Hauptstadt angenehm. Und dann die Bewohner selbst, ihr Richter : durch ihre Ausdauer, Tatkraft und Mäßigung kommen sie offenbar unseren berühmten Grundsätzen von ehedem, nicht den jetzt üblichen, sehr nahe. Nichts ist den übrigen Griechen ähnlich: kein Müßiggang, keine Üppigkeit, im Gegenteil, die größte Beharrlichkeit bei den öffentlichen und privaten Angelegenhei-
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A C T I O N IS
IN
C.VERREM
SECUNDAE
L I B . II
rebus, s u m m a parsimonia, s u m m a diligentia. Sic porro nostras h o m i n e s diligunt ut iis solis ñ e q u e publicanus ñeque negotiator o d i o sit. M a g i s t r a t u u m autem nostrorum iniurias ita m u l t o r u m tulerunt ut n u m q u a m ante h o c tempus ad aram legum praesidiumque
vestrum
publico Consilio
confugerint,
tametsi et ilium a n n u m pertulerant qui sic eos adflixerat ut salvi esse non possent, nisi C . Marcellus quasi aliquo fato venisset, ut bis ex eadem familia salus Siciliae c o n stitueretur, et post M . A n t o n i i n f i n i t u m illud imperium senserant. Sic a maioribus suis acceperant, tanta populi R o m a n i in Siculos esse beneficia ut etiam iniurias nostrorum h o m i n u m perferendas putarent. In n e m i n e m civitates a n t e h u n c t e s t i m o n i u m publice dixerunt; h u n c d e n i q u e ipsum pertulissent, si h u m a n o m o d o , si usitato more, si d e n i q u e u n o aliquo in genere peccasset. Sed cum perferre n o n possent luxuriem, crudelitatem, avaritiam, superbiam, c u m o m n i a sua c o m m o d a , iura, beneficia senatus populique R o m a n i unius scelere ac libidine perdidissent, h o c statuerunt, aut illius iniurias per vos ulcisci ac persequi, aut, si vobis indigni essent visi quibus opem auxiliumque ferretis, urbis ac sedes suas relinquere, quand o q u i d e m agros iam ante istius iniuriis exagitati reiiquissent.
H o c Consilio ab L. M e t e l l o legationes universae petiverunt ut q u a m p r i m u m isti s u c c e d e r « , h o c a n i m o totiens apud patronos de suis miseriis deplorarunt, h o c c o m m o -
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ten, die größte Sparsamkeit, die größte Sorgfalt. Überdies schätzen sie unsere Leute so sehr, daß sie die einzigen sind, bei denen weder ein Steuerpächter noch ein Geschäftsmann Haßgefiihle erregt. Doch mit den Ungerechtigkeiten vieler unserer Beamter fanden sie sich so gelassen ab, daß sie bislang noch nie -von Amts wegen zum Altar der Gesetze und zu eurem Schutz ihre Zuflucht genommen haben ; dabei mußten sie jenes Jahr ertragen, das sie rettungslos zu Boden geworfen hätte, wäre nicht C. Marcellus wie durch eine Schicksalsfügung aufgetreten (Siziliens Heil wurde also zweimal von derselben Familie begründet); dabei haben sie hernach noch die unbegrenzte Herrschergewalt des M. Antonius zu spüren bekommen So hatten es ihnen die Vorfahren überliefert; die Wohltaten des römischen Volkes gegen die Sizilier seien so groß, glaubten sie, daß sie auch das Unrecht unserer Leute hinnehmen müßten. Bis auf Verres haben die Staaten gegen niemanden öffentlich Zeugnis abgelegt. Selbst mit diesem Manne hätten sie sich schließlich abgefunden, wenn er seine Untaten auf menschliche Weise, nach herkömmlichem Brauch, kurz, wenn er sie nur auf eine Art begangen hätte. Indes, sie waren nicht imstande, seine Genußsucht, Grausamkeit, Habgier und Anmaßung zu ertragen; sie hatten alle Vorteile, Rechte und Wohltaten des Senates und römischen Volkes durch das Verbrechen und die Willkür eines Mannes verloren; daher beschlossen sie, entweder seine Ungerechtigkeiten durch euch zu ahnden und zu verfolgen oder aber, wenn ihr sie eurer Hilfe und Unterstützung nicht für würdig befinden solltet, ihre Städte und Wohnsitze zu verlassen, wie sie schon vorher, heimgesucht von den Ungerechtigkeiten des Verres, ihre Felder verlassen hatten 6 . Zu diesem Zwecke haben Gesandtschaften aus sämtlichen Gemeinden den L. Metellus gebeten, er möge*schleunigst das Amt des Verres übernehmen; in dieser Absicht haben sie
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ti dolore postulata consulibus, quae non postulata sed in istum crimina viderentur esse, ediderunt. Fecerunt etiam ut me, cuius fidem c o n t i n e n t i a m q u e c o g n o r a n t , prope de vitae meae statu dolore ac lacrimis suis deducerent ut ego istum accusarem, a q u o mea longissime ratio voluntasque abhorrebat; q u a m q u a m in hac causa m u l t o pluris partis mihi defensionis quam accusationis suscepisse videor. Postremo ex tota provincia homines nobilissimi primique publice privatimque venerunt, gravissima atque amplissima quaeque civitas vehementissime suas iniurias persécuta est.
At quem ad m o d u m , iudices, venerunt? V i d e o r e n i m
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mihi iam liberius apud vos pro Siculis loqui debere q u a m forsitan ipsi velint: saluti potius eorum consulam q u a m voluntati. E c q u e m existimatis u m q u a m ulla in provincia reum absentem contra inquisitionem accusatoris tantis opibus, tanta cupiditate esse defensum? Quaestores utriusque provinciae qui isto praetore fuerant c u m fascibus mihi praesto fuerunt: his porro qui successerunt, vehe-
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menter istius cupidi, liberaliter ex istius cibariis tractati, non minus acres contra me fuerunt. Videte quid potuerit qui quattuor in una provincia quaestores studiosissimos defensores propugnatoresque habuerit, praetorem vero c o h o r t e m q u e totam sie studiosam ut facile appareret non tam illis Siciliam, q u a m inanem offenderant, q u a m
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schon oft bei ihren Schutzhcrrcn 7 Klage über ihr Elend geführt und hierüber erbittert bei den Konsuln ihre Forderungen angebracht, die nicht als Forderungen, sondern als Anklagen gegen Verres erscheinen sollten'. Sie haben auch bei mir, dessen Pflichttreue und Uneigennützigkeit sie kannten, erreicht, daß ich mich durch ihr Leid und ihre Tränen geradezu von meinem Lebensplan abbringen ließ, daß ich Anklage gegen diesen Mann erhob, ein Unternehmen, das meinen Grundsätzen und Absichten gänzlich widerstrebte. Allerdings, ich glaube, daß ich in diesem Prozeß weit mehr die Rolle des Verteidigers als die des Anklägers übernommen habe. Schließlich sind aus der ganzen Provinz von Amts wegen und aus eigenem Antrieb die vornehmsten und edelsten Männer erschienen; je wichtiger und angesehener eine Stadt ist, mit desto größerem Nachdruck hat sie das erlittene Unrecht vorgetragen. Doch unter welchen Umständen, ihr Richter, sind sie erschienen ? Denn ich glaube, vor euch jetzt freimütiger für die Sizilier sprechen zu müssen, als sie selbst es vielleicht wünschen. Denn ich will mich lieber um ihr Wohl kümmern als um ihre Wünsche. Glaubt ihr denn, ein abwesender Beschuldigter sei je in irgendeiner Provinz gegen die Untersuchung des Anklägers mit solcher Macht, mit solcher Ergebenheit geschützt worden? Die Quästoren beider Provinzteile, die ihr Amt während seiner Prätur innehatten, waren stets mit ihren Rutenbündeln hinter mir her 9 . Ihre Nachfolger vollends, dem Verres äußerst ergebene Leute (er hatte sie freigebig aus seinen Lebensmittelvorräten bedacht), gingen nicht minder scharf gegen mich vor. Erseht hieraus, was der Mann vermochte: er hatte in einer Provinz vier Quästoren als eifrigste Beschützer und Verteidiger, überdies einen Prätor 10 und dessen ganzes Gefolge, und sie alle waren ihm so ergeben, daß man leicht bemerkte, nicht Sizilien, das sie leer angetroffen
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Verrem ipsum, qui plenus decesserat, provinciam fuisse. Minari Siculis si decrevissent legationes quae contra istum dicerent, minari si qui essenc profecti, aliis si laudaren! benignissime promittere, gravissimos privatarum rerum testis, quibus nos praesentibus denuntiavimus, eos vi custodiisque retiñere.
Quae cum omnia facta sint, tamen unam solam scito-
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ì
te esse civitatem Mamertinam quae publice legatos, qui istum laudarent, miserit. Eius autem legationis principem, civitatis nobilissimum civem, C . Heium, iuratum dicere audistis isti navem onerariam maximam Messanae esse publice coactis operis aedificatam; idemque M a m e r tinorum legatus, istius laudator, non solum istum bona sua, verum etiam sacra deosque penatis a maioribus traditos ex aedibus suis eripuisse dixit. Praeclara laudatio, cum duabus in rebus legatorum una opera consumitur, in laudando atque reperendo! Atque ea ipsa civitas qua ratione isti amica sit, dicetur certo loco; reperietis enim, quae causae benivolentiae Mamertinis erga istum sint, e as ipsas causas satis iustas esse damnationis. Alia civitas nulla, iudices, publico Consilio laudat.
Vis ilia summi imperi tantum potuit apud perpaucos
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homines, non civitates, ut aut levissimi quidam ex miserrimis desertissimisque oppidis invenirentur qui iniussu populi ac senatus proficiscerentur, aut ii qui contra istum legati decreti erant, et testimonium
publicum
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hatten, sondern Verres selbst, der schwerbeladen abgereist war, sei ihre Provinz gewesen. Man drohte den Siziliern, falls sie Gesandtschaften beschlössen, die gegen Verres aussagen sollten, man drohte ihnen, falls jemand abgereist wäre; man machte anderen die größten Versprechungen, falls sie bereit wären, ihn zu loben; man hielt die gewichtigsten Zeugen für die Beschwerden Einzelner, die ich zu persönlichem Erscheinen vorgeladen hatte, durch Gewalt und Haft zurück". Doch wisset : obwohl dies alles geschehen ist, hat einzig und allein die Stadt der Mamertiner" von Amts wegen Gesandte abgeschickt, die ihn belobigen sollten. Ihr habt jedoch das Haupt dieser Gesandtschaft, den angesehensten Bürger der Stadt, C. Hei us, unter Eid aussagen hören, man habe zu Messana mit öffentlich bezahlten Arbeitskräften fur Verres ein sehr großes Lastschiff" gebaut. Und eben dieser Gesandte der Mamertiner, sein Lobredner, hat versichert, Verres habe ihm nicht nur sein Vermögen, sondern auch die von den Vorfahren ererbten Heiligtümer und Hausgötter aus seiner Wohnung geraubt. Ein herrliches Lob, wenn die Gesandten gleichzeitig zwei Dinge erledigen, die Belobigung und die Rückforderung! Und auch davon, weshalb dieser Staat mit Verres befreundet ist, soll an bestimmter Stelle die Rede sein. Ihr werdet nämlich feststellen, daß gerade die Gründe, welche die Mamertiner zum Wohlwollen gegen Verres bestimmen, seine Verurteilung zur Genüge rechtfertigen. Kein anderer Staat hat den öffentlichen Beschluß gefaßt, ihr Richter, ihn zu belobigen. Nur bei sehr wenigen Einzelnen, nicht bei ganzen Gemeinden, hat der Befehl von höchster Stelle etwas vermocht: teils fanden sich einige ganz unbedeutende Leute aus den elendesten und ödesten Städten, die sich ohne Auftrag ihres Volkes und Rates auf die Reise machten ", teils ließen sich diejenigen durch Gewalt und Furcht zurückhalten, die zu Gesandten gegen Verres bestimmt und zu einer öffentlichen Erklärung und
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mandataque acceperant, vi ac metu retinerentur. Q u o d ego in paucis tamen usu venisse non moleste tuli, quo reliquae tot et tantae et tam graves civitates, tota denique Sicilia plus auctoritatis apud vos haberet, cum videretis nulla vi retineri, nullo periculo prohiberi potuisse quo minus experirentur ecquid apud vos querimoniae valerent
antiquissimorum
fìdelissimorumque
sociorum.
N a m quod fonasse non nemo vestrum audierit, istum a
'5
Syracusanis publice laudari, id tametsi priore actione ex Heraclii Syracusani testimonio cuius modi esset cognovistis, tamen vobis alio loco ut se tota res habeat, quod ad eam civitatem attineat, demonstrabitur. Intellegetis enim nullis hominibus quemquam tanto odio quanto istum Syracusanis et esse et fuisse.
At enim istum Siculi soli persequuntur: cives Romani qui negotiantur in Sicilia defendunt, diligunt, salvum esse cupiunt. Primum, si ita esset, tamen vos in hac quaestione de pecuniis repetundis, quae sociorum causa constituta est lege iudicioque sociali, sociorum querimonias audire oporteret. Sed intellegere potuistis priore ac-
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tione civis Romanos honestissimos ex Sicilia plurimis maximisque de rebus, et quas ipsi accepissent iuiurias et quas scirent esse aliis factas, pro testimonio dicere. Ego hoc quod intellego, iudices, sic confirmo. Videor mihi gratum fecisse Siculis quod eorum iniurias meo labore, inimicitiis, periculo sim persecutus: non minus hoc gratum me nostris civibus intellego fecisse, qui hoc existi-
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sonstigen Auftragen ermächtigt waren. Daß dies immerhin in einigen Fällen eingetreten ist, war mir ganz recht; dann werden die übrigen, so zahlreichen, so großen und so bedeutenden Städte, kurz, ganz Sizilien desto mehr Gewicht bei euch haben. Denn ihr seht ja, daß sie durch keine Gewalt sich abhalten, durch keine Gefahr sich hindern ließen, den Versuch zu machen, ob bei euch die Klagen der ältesten und treuesten Bundesgenossen noch etwas gelten. Denn wenn etwa der eine oder andere von euch vernommen hat, Verres werde von den Syrakusanern öffentlich belobigt, so habt ihr schon in der ersten Verhandlung aus dem Zeugnis des Syrakusaners Heraclius ersehen, was es hiermit auf sich hat; trotzdem will ich euch an anderer Stelle darlegen, wie sich die ganze Sache verhält, soweit sie diese Gemeinde betrifft 14 . Ihr werdet dann feststellen, daß niemand irgendwo so verhaßt gewesen ist, wie er es bei den Syrakusanern war und noch ist. Doch vielleicht verfolgen ihn nur die Sizilier, während die römischen Bürger, die in Sizilien Handel treiben, ihn verteidigen, ihn schätzen und seine Rettung wünschen. Zunächst, wenn dem so wäre, dann müßtet ihr trotzdem in dieser Untersuchung über Erpressungen, die um der Bundesgenossen willen, in einem für die Bundesgenossen beschlossenen Gesetz und Verfahren, angeordnet ist, die Klagen der Bundesgenossen anhören. Indes, ihr konntet euch in der ersten Verhandlung überzeugen, daß sehr viele hochangesehene römische Bürger aus Sizilien als Zeugen ausgesagt haben; es handelte sich um die wichtigsten Dinge, um Ungerechtigkeiten, die sie teils selbst erlitten hatten, teils anderen zugefugt wußten. Ich möchte das, was für mich feststeht, so ausdrücken, ihr Richter: ich habe, glaube ich, den Siziliern einen Dienst erwiesen, wenn ich mich abmühte, mir Feindschaften zuzog, Gefahren auf mich nahm, um die ihnen zugefugte Unbill zu verfolgen. Doch ich bin überzeugt, daß ich unseren Mitbürgern keinen
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mane, iuris libertatis rerum fortunarumque suarum salucem in istius damnatione consistere. Quapropter de
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iscius praetura Siciliensi non recuso quin ita me audiatis ut, si cuiquam generi hominum sive Siculorum sive nostrorum civium, si cuiquam ordini sive aratorum sive pecuariorum sive mercatorum probatus sit, si non horum omnium communis hostis praedoque fuerit, si cuiquam denique in re umquam ulla temperarit, ut vos quoque ei temperet is.
Qui simul atque ei sorte provincia Sicilia obvenit, statini Romae, ab urbe antequam proficisceretur, quaerere ipse secum et agitare cum suis coepit quibusnam rebus in ea provincia maximam uno anno pecuniam facere posset. Nolebat in agendo discere -
tametsi non provinciae
rudis erat et tiro: paratus ad praedam
meditatusque
venire cupiebat. O praeclare coniectum a vulgo in illam provinciam omen communis famae atque sermonis, cum ex nomine istius quid iste in provincia facturus esset perridicule homines augurabantur! Etenim quis dubitare posset, cum istius in quaestura fugam et furtum recognosceret, cum in legatione oppidorum fanorumque spoliationes cogitar«, cum videret in foro latrocinia praeturae, qualis iste in quarto actu improbitatis futurus esset? Atque ut intellegatis eum Romae quaesisse non modo genera furandi, sed etiam nomina, certissimum accipite
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geringeren Dienst erwiesen habe; sie glauben ja, daß die Erhaltung ihres Rechts, ihrer Freiheit, ihres Besitztums und ihres Wohlstandes von der Verurteilung des Verres abhänge. Es soll mir daher recht sein, wenn ihr euch meinen Vortrag über seine sizilische Prätur nach folgender Richtschnur anhört : wenn er bei irgendeiner Gruppe von Menschen, seien sie Sizilier oder Mitbürger von uns, wenn er bei irgendeinem Stande, bei den Landwirten oder Viehzüchtern oder Handelsleuten, Billigung gefunden hat, wenn er nicht ihrer aller gemeinschaftlicher Feind und Räuber gewesen ist, kurz, wenn er irgend jemandem bei irgendeiner Gelegenheit je Schonung angedeihen ließ, dann sollt auch ihr ihn schonend behandeln. Wie ihm das Los die Provinz Sizilien zuteilte, da begann er sofort in Rom, noch ehe er die Stadt verließ, bei sich selbst darüber nachzudenken und mit seinem Anhang zu überlegen, auf welche Weise er in dieser Provinz in einem Jahre 15 möglichst viel Geld machen könne. Er wollte nicht erst während seiner Tätigkeit lernen, wiewohl er in der Provinz nicht unerfahren und kein Neuling war, sondern er wünschte, sich wohlvorbereitet und innerlich gerüstet auf seine Beute zu stürzen. Welch treffende Vorbedeutung, wie sie das Volk im allgemeinen Gespräch und Gerede fur diese Provinz aufstellte! Denn aus seinem Namen weissagten die Leute auf höchst witzige Weise, was der «Auskehrer» Verres in der Provinz anstellen werde14! Denn wer sich seine Flucht und Dieberei während seiner Quästur in die Erinnerung zurückrief, wer an die Plünderungen von Städten und Heiligtümern während seines Legatenamtes dachte, wer auf dem Forum den Raub seiner Prät u r " erblickte, wie konnte der zweifeln, welches Gebaren Verres im vierten Akt seiner Ruchlosigkeit zeigen werde? Und damit ihr euch überzeugt, daß er sich in Rom nicht nur um die Methoden des Stehlens, sondern bereits um bestimmte Namen gekümmert hat, vernehmt jetzt einen ganz zuverlässi-
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argumentum q u o facilius de singular! eius impudencia existimare possitis. Q u o die Siciliam attigit - videte satisne paratus ex ilio omine urbano ad everrendam provinciam venerit - , statini Messana litteras Halaesam mittit (quas ego istum in Italia conscripsisse arbitrar; nam simul acque e navi egressus est dedit), Halaesinus ad se D i o continuo veniret; se de hereditate velie cognoscere quae eius filio a p r o p i n q u o homine, Apollodoro Laphirone, venisset. Ea erat, iudices, pergrandis pecunia. Hic est Dio, iudices, nunc beneficio Q . Metelli civis R o m a n u s factus; d e q u o multis viris primariis testibus m u l t o r u m q u e tabulis vobis priore actione satis factum est, H S deciens numerata esse ut earn causam, in qua ne tenuissima quidem dubitatio posset esse, isto cognoscente obtineret; praeterea greges nobilissimarum equarum abactos, argenti vestisque stragulae d o m i q u o d fuerit esse direptum; ita H S deciens Q . Dionem, q u o d hereditas ei venisset, nullam aliam ob causam perdidisse.
Q u i d ? haec hereditas quo praetore D i o n i s filio venerat? E o d e m quo Anniae, P. Anni senatoris filiae, e o d e m q u o M . Liguri senatori, C . Sacerdote praetore. Q u i d ? tum nemo molestus Dioni fuerat? N o n plus q u a m Liguri Sacerdote praetore. Q u i d ? tum ad Verrem quis detulit? N e m o ; nisi force exiscimacis ei quadruplacores ad fretum
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gen Beweis; ihr könnt euch dann um so leichter ein Urteil über seine beispiellose Unverschämtheit bilden. Am Tage, da er Siziliens Boden betrat (seht zu, ob er gehörig vorbereitet zur Auskehrung der Provinz gekommen ist, wie es das in der Stadt ersonnene Vorzeichen wollte), da schickte er sogleich von Messana aus einen Brief nach Halaesa (er hat ihn, möchte ich glauben, noch in Italien geschrieben ; denn sobald er das Schiff verlassen hatte, gab er ihn auf): der Halaesiner Dio möge sich unverzüglich bei ihm einfinden; er wolle eine Untersuchung wegen der Erbschaft vornehmen, die seinem Sohne von einem Verwandten namens Apollodoros Laphiron zugefallen war. Es handelte sich, ihr Richter, um einen sehr hohen Geldbetrag. Dieser Dio, ihr Richter, ist jetzt auf Betreiben des Q^Metellus" römischer Bürger geworden. In der ersten Verhandlung wurde euch durch die Zeugenaussagen vieler angesehener Männer und durch viele Rechnungsbücher bewiesen, daß Dio eine Million Sesterzen gezahlt hat, um durch das Urteil des Verres in einer Sache sein Recht zu erhalten, in der nicht der leiseste Zweifel obwalten konnte; außerdem seien ihm Herden der edelsten Stuten weggenommen und alles, was sich an Silber und Teppichen in seinem Hause befand, geraubt worden; so habe Q^Dio, bloß weil ihm eine Erbschaft zugefallen war, und aus keinem anderen Grunde, eine Million Sesterzen verloren. Wie ? Unter welchem Prätor war denn diese Erbschaft dem Sohne Dios zugefallen? Unter dem gleichen, wie auch der Annia, der Tochter des Senators P.Annius, unter dem gleichen, wie auch dem Senator M. Ligus, unter dem Prätor C. Sacerdos 20. Wie ? Hatte damals niemand dem Dio Schwierigkeiten gemacht ? Ebensowenig wie dem Ligus - jedenfalls, solange Sacerdos Prä tor war. Wie ? Hat jemand bei Verres Anzeige erstattet ? Niemand; es sei denn, ihr glaubt, die Belohnungsjäger hätten sich schon an der Meerenge bei ihm cinge-
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praesto fuisse. Ad urbcm cum cssct, audivit Dioni cuidam Siculo permagnam venisse hereditatem; heredem statuas iussum esse in foro ponere; nisi posuisset, Veneri Erycinae esse multatum. Tametsi positae essent ex testamento, tarnen putabat, quoniam Veneris nomen esset, causam calumniae se reperturum. Itaque adponit qui petat Veneri Erycinae illam hereditatem. N o n
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quaestor petit, ut est consuetudo, is qui E r y c u m montem obtinebat: petit Naevius Turpio quidam, istius excursor et emissarius, homo omnium ex ilio conventu quadruplatorum deterrimus, C . Sacerdote praetore condemnatus iniuriarum; etenim erat eius modi causa ut ipse praetor, cum quaereret calumniatorem, paulo tarnen consideratiorem reperire non posset. Per hunc hominem Veneri absolvit, sibi condemnat. Maluit videlicet homines peccare quam déos: se potius a D i o n e quod non licebat, quam Venerem quod non debebatur auferre.
Q u i d ego hic nunc Sex. Pompei Chlori testimonium recitem, qui causam Dionis egit, qui omnibus rebus interfuit, hominis honestissimi, tametsi civis Romanus virtutis causa iam diu est, tamen omnium Siculorum primi ac nobilissimi? quid ipsius Q. Caecili Dionis, hominis probatissimi ac pudentissimi? quid L. Caecili, L. Liguris, T. Manili, L. Caleni? quorum omnium testimoniis de hac Dionis pecunia confirmatum est. Dixit hoc idem
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funden. Als er sich noch in der Nähe der Hauptstadt aufhielt, da erfuhr er, einem gewissen Dio, einem Sizilier, sei eine sehr große Erbschaft zugefallen; der Erbe habe Anweisung erhalten, Statuen auf dem Marktplatz aufzustellen; wenn das nicht geschehe, dann solle ihn zugunsten der erycinischen Venus eine Geldstrafe treffen". Zwar waren die Statuen dem Testament gemäß aufgestellt worden; trotzdem glaubte Verres, er werde, da ja der Name der Venus darinstand, einen Grund zur Schikane finden. Er stellt also jemanden an, der die Erbschaft für die erycinische Venus beanspruchen soll. Denn nicht der Quästor erhebt, wie es üblich ist, den Anspruch, der, zu dessen Bezirk der Berg Eryx gehörte; es erhebt ihn vielmehr ein gewisser Naevius Turpio, ein Botengänger und Aufpasser des Verres, der schlimmste unter allen Angebern des Bezirks, der unter dem Prätor C. Sacerdos wegen Mißhandlungen verurteilt worden war. Die Sache war nämlich von der Art, daß auch der Prätor, da er einen Rechtsverdreher suchte, trotzdem keinen finden konnte, der etwas mehr Besonnenheit besaß. Mit Hilfe dieses Mannes spricht er Dio der Venus gegenüber frei und verurteilt ihn zu seinen Gunsten. Freilich, er wollte lieber Menschen sündigen lassen als Götter, wollte lieber selbst dem Dio wegnehmen, was ihm nicht zustand, als die Venus nehmen lassen, was ihr nicht gebührte. Wozu soll ich jetzt hier das Zeugnis des Sex. Pompeius Chlorus verlesen ? Er hat die Sache des Dio vertreten, er war überall dabei, ein hochangesehener Mann, der, obgleich wegen seiner Tüchtigkeit schon lange römischer Bürger, trotzdem auch der erste und vornehmste aller Sizilier ist. Wozu das Zeugnis des Q^Caecilius Dio selbst, eines sehr bewährten und grundanständigen Mannes ? Wozu das des L. Caecilius, des L. Ligus, des T . Manilius, des L. Calenus ? Sie alle haben durch ihre Zeugnisse die Affare von dem Geld des Dio bestätigt.
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M . Lucullus, se de his Dionis incommodis pro hospicio quod sibi cum eo esset iam ante cognosse. Quid? Lucullus, qui tum in Macedonia fuit, melius haec cognovit quam tu, Hortensi, qui Romae fuisti, ad quern Dio confugit, qui de Dionis iniuriis gravissime per litteras cum Verre questus es? Nova tibi haec sunt? inopinata? nunc primum hoc aures tuae crimen accipiunt? nihil ex Dione, nihil ex socru tua, femina primaria, Servilia, vetere Dionis hospita, audisti? Nonne multa mei testes quae tu seis nesciunt? nonne te mihi testem in hoc crimine eripuit non istius innocentia, sed legis exceptio? Recita. TESTIMONIA
LUCULLI,
CHLORI,
DIONIS.
Satisne
vobis
magnam pecuniam Venerius homo, qui e Chelidonis sinu in provinciam profectus esset, Veneris nomine quaesisse videtur?
Accipite aliam in minore pecunia non minus impudentem calumniam. Sosippus et Philocrates fratres sunt Agyrinenses. Horum pater abhinc duo et x x annos est mortuus; in cuius testamento, quodam loco si commissum quid esset, multa erat Veneri. Ipso vicensimo anno, cum tot interea praetores, tot quaestores, tot calumniatores in provincia fuissent, hereditas ab his Veneris nomine petita est. Causam Verres cognoscit, pecuniam per Volcatium aeeipit, fere ad H S c c c c milia, a duobus fratribus. Multorum testimonia audistis antea. Vicerunt Agyrinenses fratres ita ut egentes inanesque discederent.
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Dasselbe hat auch M. Lucullus ausgesagt: er habe schon vorher von den Schwierigkeiten Dios erfahren, da er mit ihm gastfreundschaftliche Beziehungen unterhalte". Wie? Lucullus, der sich damals in Makedonien aufhielt, wußte hierüber besser Bescheid als du, Hortensius, der du in Rom warst, an den Dio sich schutzsuchend gewandt hat, der du dich in einem Brief an Verres bitterlich über das dem Dio zugefügte Unrecht beklagt hast? Dir sind diese Dinge neu, dir unerwartet ? Erst jetzt vernehmen deine Ohren diesen Vorwurf? Du hast nichts von Dio, nichts von deiner Schwiegermutter Servilla, dieser trefflichen Frau, der alten Gastfreundin des Dio, vernommen ? Ist nicht vieles, was dir bekannt ist, meinen Zeugen unbekannt ? Hat mir nicht bei diesem Vorwurf nur die Einschränkung des Gesetzes, nicht aber die Unschuld des Verres dein Zeugnis entrissen 13 ? Lies vor. - (Die Zeugnisse des Lucullus, des Chlorus, des Dio.) - Kommt euch die Summe hoch genug vor, die dieser Venusdiener, der aus den Armen der Chelidon in die Provinz gereist war, im Namen der Venus beansprucht hat ? Vernehmt jetzt eine andere, wegen einer minder beträchtlichen Summe nicht minder unverschämte Rechtsverdrehung. Sosippos und Philokrates sind Brüder aus Agyrion* 4 . Deren Vater starb vor nunmehr zweiundzwanzig Jahren. Nach einer Bestimmung in seinem Testament sollte, wenn einer Auflage entgegengehandelt würde, der Venus eine Buße zufallen. Erst zwanzig Jahre später, nachdem unterdessen so viele Prätoren, so viele Quästoren, so viele Rechtsverdreher in der Provinz gewesen waren, beanspruchte man von den beiden im Namen der Venus die Erbschaft. Verres fuhrt die Untersuchung, durch Volcatius empfängt er von dem Brüderpaar das Geld, etwa 400000 Sesterzen. Ihr habt schon früher zahlreiche Zeugnisse vernommen. Die Brüder aus Agyrion obsiegten, doch so, daß sie arm und mittellos abzogen.
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At enim ad Verrcm pecunia ista non pervenir. Q u a e ista defensio est? u t r u m adseveratur in hoc an temptatur? mihi enim res nova est. Verres calumniatores adponebat, Verres adesse iubebat, Verres cognoscebat, Verres iudicabat; pecuniae m a x i m a e dabantur; qui dabant causas obtinebant. Tu mihi ita defendas, " N o n est ista Verri numerata pecunia"? Adiuvo te; mei q u o q u e testes idem dicunt; Volcatio dicunt sese dedisse. Q u a e vis erat in Volcatio tanta ut H S c c c c milia d u o b u s hominibus auferret? Ecquis Volcatio, si sua sponte venisset, unam libellam dedisset? Veniat nunc, experiatur: tecto recipiet nemo.
At ego amplius dico: H S quadringentiens cepisse te arguo contra leges; nego tibi ipsi ullum n u m m u m esse n u m e r a t u m ; sed c u m o b tua decreta, ob edicta, ob imperia, o b iudicia pecuniae dabantur, non erat quaerend u m cuius m a n u numerarentur, sed cuius iniuria cogerentur. C o m i t é s illi tui delecti m a n u s erant tuae; praefecti, scribae, accensi, medici, haruspices,
praecones
m a n u s erant tuae; ut quisque te m a x i m e cognatione adfinitate necessitudine aliqua attingebat, ita m a x i m e m a n u s tua putabatur; cohors tota ilia, quae plus mali Siciliae dedit q u a m si centum cohortes fugitivorum fuissent, tua m a n u s sine controversia fuit. Q u i c q u i d ab h o r u m q u o p i a m c a p t u m est, id non m o d o tibi d a t u m , sed tua m a n u n u m e r a t u m iudicari necesse est. N a m si
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«Aber Verres hat das Geld doch gar nicht erhalten.» Was ist das für eine Verteidigung? Besteht man darauf, oder macht man nur einen Versuch? Denn mir ist dieser Einwand neu. Verres stellte die Rechtsverdreher an, Verres lud vor, Verres führte die Untersuchung, Verres sprach das Urteil; sehr hohe Summen wurden gezahlt, und wer zahlte, der bekam auch recht. Du willst mir einwenden : «Dieser Betrag ist nicht an Verres gezahlt worden»? Ich komme dir entgegen; auch meine Zeugen sagen dasselbe aus ; sie erklären, sie hätten das Geld dem Volcatius gegeben. Doch welche große Macht besaß denn Volcatius, daß er zwei Männern 400000 Sesterzen abnehmen konnte ? Wer hätte dem Volcatius, wenn er von sich aus aufgetreten wäre, auch nur einen Heller gegeben ? Er mag sich jetzt einstellen, er mag es versuchen : niemand wird ihn auch nur in sein Haus hineinlassen. Aber ich gehe noch weiter; ich beschuldige dich, gesetzwidrig vierzig Millionen Sesterzen angenommen zu haben, doch ich behaupte nicht, daß dir selbst auch nur ein As ausgezahlt worden sei; indes, da das Geld wegen deiner Beschlüsse, deiner Erlasse, deiner Befehle, deiner Urteilssprüche gezahlt wurde, mußte man nicht fragen, in wessen Hand die Zahlungen erfolgt seien, sondern wessen Ungerechtigkeit sie erpreßt habe. Deine auserwählten Gefolgsleute waren deine Hände; die Präfekten, Schreiber, Amtsboten, die Ärzte, Opferschauer und Ausrufer" waren deine Hände. Je näher dir jemand durch Verwandtschaft, durch Verschwägerung, durch irgendeine Beziehung stand, desto mehr wurde er als deine Hand betrachtet. Deine ganze Kohorte, die Sizilien mehr Unglück gebracht hat, als wenn es sich um hundert Kohorten entlaufener Sklaven gehandelt hätte, sie war ohne Widerrede deine Hand". Was immer jemand von diesen Leuten genommen hat, das, so muß man notwendig urteilen, ist nicht nur dir gegeben, sondern eigenhändig von dir gezählt worden.
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ACTIONIS
I N C. V E R R E M S E C U N D A E
LIB.II
hanc defensionem probabitis, " N o n acccpit ipse", licet omnia de pecuniis repetundis iudicia tollatis. N e m o umquam reus tarn nocens adducetur qui ista defensione non possit uti; etenim cum Verres utatur, quis erit umquam posthac reus tarn perditus qui non ad Q. Muci innocentiam referatur, si cum isto conferatur? Neque nunc tam isti mihi Verrem defendere videntur quam in Verre defensionis temptare rationem.
Q u a de re, iudices, magnopere vobis providendum est: pertinet hoc ad summam rem publicam et ad existimationem ordinis nostri salutemque sociorum. Si enim innocentes existimari volumus, non solum nos, sed etiam nostras comités praestare debemus. Primum omnium opera danda est ut eos nobiscum educamus qui nostrae famae capitique consulant; deinde, si in hominibus eli gendis nos spes amicitiae fefellerit, ut vindicemus, missos faciamus, semper ita vivamus ut rationem reddendam nobis arbitremur. Africani est hoc, hominis libéralissimi - verum tarnen ea liberalitas est probanda quae sine periculo existimationis est, ut in ilio fuit: cum ab eo quidam vetus adsectator et ex numero amicorum non impetraret uti se praefectum in Africam duceret, et id ferret moleste, " N o l i " , inquit, "mirari si tu hoc a me non impetras. Ego iam pridem ab eo cui meam existimationem caram fore arbitrar peto ut mecum praefectus proficiscatur, et adhuc impetrare non possum." Etenim re vera
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Denn wenn ihr diese Entschuldigung gelten lassen wollt: «Er hat es nicht selbst bekommen», dann mögt ihr alle Prozesse wegen Erpressungen einstellen. Denn niemals wird man einen so belasteten Angeklagten vor Gericht stellen, der sich nicht auf diese Entschuldigung berufen könnte. Denn immerhin beruft sich Verres darauf, und welcher Angeklagte wird in Zukunft so verworfen sein, daß er nicht, mit ihm verglichen, an die Lauterkeit des Q^Mucius 17 erinnert ? Auch scheint mir jetzt, daß die Gegner nicht so sehr Verres verteidigen als an Verres ein Verteidigungsmittel erproben wollen. Ihr müßt daher mächtig auf der Hut sein, ihr Richter. Denn hier steht das Wohl des ganzen Staates und das Ansehen unseres Standes und das Heil der Bundesgenossen auf dem Spiele. Denn wenn wir für rechtschaffen gelten wollen, so müssen wir nicht nur für unsere eigene, sondern auch für die Uneigennützigkeit unserer Gefolgsleute eintreten. Wir müssen uns vor allem bemühen, nur solche Leute mit uns zu nehmen, die auf unseren Ruf und unsere Person achten, ferner, wenn uns unsere freundschaftliche Erwartung bei der Wahl der Leute getäuscht hat, zu strafen, zu entlassen und stets so zu leben, daß wir glauben, zur Rechenschaft verpflichtet zu sein. Von Africanus2*, einem sehr großzügigen Manne (diese Großzügigkeit ist jedoch nur dann billigenswert, wenn sie, wie es bei ihm der Fall war, unseren Ruf nicht gefährdet), stammt folgender Ausspruch. Als jemand, der sich ihm seit langem angeschlossen hatte und zu seinen Freunden gehörte, nicht erreichen konnte, daß er ihn als Präfekten nach Afrika mitnahm, und er hierüber ungehalten war, da sagte Africanus: «Du mußt dich nicht wundern, wenn du dies bei mir nicht erreichen kannst. Ich bemühe mich schon lange bei jemandem, von dem ich glaube, daß ihm mein Ruf etwas wert ist, er möge mich als Präfekt begleiten, und kann ihn bis jetzt nicht dazu bringen.» Denn allerdings, wir müssen, wenn uns an unserem
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ACT IΟ Ν I S IN C . V E R R E M S E C U N D A E LIB. II
multo magis esc petendum ab hominibus, si salvi ec honesti esse volumus, ut eant nobiscum in provinciam, quam in benefici loco deferendum. Sed tu cum et tuos amicos in provinciam quasi in praedam invitabas et cum iis ac per eos praedabare et eos in contione anulis aureis donabas, n o n statuebas tibi non solum de tuis, sed etiam de illorum factis rationem esse reddendam?
C u m hos sibi quaestus constituisset magnos atque überes ex his causis quas ipse instituerat cum Consilio, hoc est cum sua cohorte, cognoscere, tum illud infinitum genus invenerat ad innumerabilem pecuniam corripiendam. D u b i u m nemini est quin omnes o m n i u m pecuniae positae sint in eorum potestate qui iudicia dant, et eorum qui iudicant, quin nemo vestrum possit aedis suas, nemo f u n d u m , n e m o bona patria obtinere, si, cum haec a quopiam vestrum petita sint, praetor improbus, cui nemo intercedere possit, det quem velit iudicem, iudex nequam et levis quod praetor iusserit iudicet.
3°
Si vero illud quoque accedit, ut praetor in ea verba iudicium det ut vel L. Octavius Baibus iudex, h o m o et iuris et offici peritissimus, non possit aliter iudicare - si
3'
i u d i c i u m sit eius m o d i : L. OCTAVIUS IUDEX ESTO. SI PARET F U N D U M C A P E N A T E M , Q U O DE AGITUR, EX IURE Q U I R I T I U M P. SERVILI ESSE, NEQUE IS FUNDUS Q . CATULO
RESTITUETUR, lion necesse erit L. Octavio iudici cogere
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Wohlergehen und an unserer Ehre liegt, die Leute weit eher bitten, sie möchten mit uns in die Provinz gehen, als ihnen dies wie eine Vergünstigung anbieten. Doch du, als du deine Freunde in die Provinz wie zu einem Beutezuge einludest und als du mit ihnen und durch sie auf Raub ausgingest und sie in der Volksversammlung mit goldenen Ringen beschenktest hast du da nicht bedacht, daß du dich nicht nur wegen deiner, sondern auch wegen ihrer Handlungen würdest verantworten müssen ? Verres hatte sich nicht nur diese reiche und ausgiebige Erwerbsquelle verschafft, aus Rechtssachen, die er selbst mitsamt seinem Rate, das heißt mit seinem Gefolge, zu untersuchen beschloß; er hatte auch noch folgende uferlose Methode erfunden, unzählige Geldmittel an sich zu bringen. Wie niemand bezweifelt, ist unser aller gesamtes Geld der Macht derer anvertraut, die die Gerichte einsetzen, sowie derer, die den Spruch fallen; demnach kann niemand von euch sein Haus, niemand seinen Landbesitz, niemand das väterliche Vermögen behaupten, wenn er deswegen gerichtlich beansprucht wird und dann ein gewissenloser Prätor, gegen den niemand einzuschreiten vermag, wen er will zum Richter ernennt und ein nichtsnutziger und leichtfertiger Richter urteilt, wie der Prätor befiehlt10. Doch gesetzt, es kommt auch das noch hinzu : der Prätor erteilt dem Gericht eine Weisung, daß selbst der Richter L. Octavius Baibus, der sich sehr genau mit dem Recht und seiner Pflicht auskennt, nicht anders urteilen kann; gesetzt, das Gericht soll nach folgenden Gesichtspunkten entscheiden: «L. Octavius soll Richter sein. Wenn erwiesen ist, daß das capenatische Grundstück, um das es sich handelt, nach quiritischem Recht dem P. Servilius gehört, und wenn dieses Grundstück nicht dem Q^Catulus zurückgegeben wird...» ist der Richter L. Octavius dann nicht genötigt, den P. Servi-
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ACTIONIS
IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB. II
P. S e r v i l i u m Q . C a t u l o f u n d u m restituere, aut c o n d e m nare e u m q u e m n o n oporteat? E i u s m o d i t o t u m ius p r a e t o r i u m , o m n i s res iudiciaria fuit in S i c i l i a per t r i e n n i u m Verre praetore. D e c r e t a eius modi,
Si
NON ACCIPIT Q U O D
TE
DEBERE
DICIS,
ACCU-
SES; SI PETIT, DUCAS: C . F u f i c i u m d u c i iussit p e t i t o r e m , L . S u e t t i u m , L . R a c i l i u m . I u d i c i a eius m o d i : qui cives R o m a n i e r a n t i u d i c a b a n t si S i c u l i essent, c u m S i c u l o s e o r u m legibus dari o p o r t e r e t , q u i S i c u l i , si cives R o m a n i essent. V e r u m ut t o t u m g e n u s a m p l e c t a m i n i i u d i c i o r u m ,
i2
prius iura S i c u l o r u m , d e i n d e istius i n s t i t u t a c o g n o s c i t e .
S i c u l i h o c iure s u n t u t , q u o d civis c u m cive agat, d o m i c e r t e t suis legibus, q u o d S i c u l u s c u m S i c u l o n o n eiusd e m civitatis, ut de e o p r a e t o r iudices ex P. R u p i l i d e c r e t o , q u o d is de decern l e g a t o r u m s e n t e n t i a statuit, q u a m mili l e g e m R u p i l i a m v o c a n t , sortiatur. Q u o d privatus a p o p u l o petit aut p o p u l u s a p r i v a t o , senatus e x aliqua civit a t e q u i iudicet datur, c u m a l t e r n a e civitates reiectae s u n t ; q u o d civis R o m a n u s a S i c u l o p e t i t , S i c u l u s iudex, q u o d S i c u l u s a civi R o m a n o , civis R o m a n u s datur; c e t e r a r u m r e r u m selecti iudices ex c o n v e n t u c i v i u m
Romanorum
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lius zur Herausgabe des Grundstücks an Catulus zu zwingen oder den zu verurteilen, den er gar nicht verurteilen dürfte 31 ? So stand es mit dem gesamten prätorischen Recht, mit dem ganzen Gerichtswesen in Sizilien, während Verres dort drei Jahre lang Prätor war. Seine Verfügungen lauteten so: «Wenn er nicht annimmt, was du ihm zu schulden behauptest, dann erhebe Anklage; wenn er dich belangt, dann nimm ihn fest 32 .» So hat er den Kläger C. Fuficius festnehmen lassen, den L. Suettius, den L. Racilius. Und die Gerichte waren so besetzt: römische Bürger urteilten, wenn es sich um Sizilier handelte, obwohl er nach deren Gesetzen Sizilier bestellen mußte, und Sizilier urteilten, wenn es sich um römische Bürger handelte. Doch damit ihr das ganze Gerichtswesen überblicken könnt, sollt ihr zunächst von den Rechten der Sizilier und dann von dem Vorgehen des Verres Kenntnis erhalten. Bei den Siziliern gilt: wenn ein Bürger gegen einen Mitbürger klagt, dann fuhrt er den Streit in seiner Heimatgemeinde nach den eigenen Gesetzen; wenn ein Sizilier gegen einen Sizilier aus einer anderen Gemeinde klagt, dann bestimmt der Prätor die hierfür zuständigen Richter durch das Los, nach einem Erlaß, den P. Rupilius nach dem Dafürhalten von zehn Legaten verfaßt hat und den die Sizilier das Rupilische Gesetz nennen"; wenn ein Privatmann gegen eine Gemeinde oder eine Gemeinde gegen einen Privatmann klagt, dann wird, wenn die Parteien den Rat ihrer eigenen Gemeinden wechselseitig abgelehnt haben, der Rat einer beliebigen Drittgemeinde mit der Urteilsfindung betraut; wenn ein römischer Bürger einen Sizilier belangt, dann wird ein Sizilier, und wenn ein Sizilier einen römischen Bürger, dann wird ein römischer Bürger als Richter eingesetzt; in allen übrigen Fällen pflegt man Richter vorzuschlagen, die aus der Bezirksversammlung der römischen B ü r g e r " ausgewählt sind. Die Prozesse zwi-
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C.VERREM
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proponi soient. Inter aratores et d e c u m a n o s lege frumentaria, q u a m H i e r o n i c a m appellant, iudicia Piunt. H a e c o m n i a isto praetore non m o d o perturbata, sed
Í?
plane et Siculis et civibus R o m a n i s erepta sunt. Primum suae leges: q u o d civis c u m civi ageret, aut e u m iudicem q u e m c o m m o d u m erat - p r a e c o n e m , haruspicem, medic u m suum - dabat, aut si legibus erat iudicium constit u t u m et ad civem s u u m iudicem vénérant, libere civi iudicare non licebat. E d i c t u m e n i m h o m i n i s cognoscite, q u o edicto o m n i a iudicia redegerat in suam potestatem, Si
QUI
PERPERAM
IUDICASSET,
SE C O G N I T U R U M ;
CUM
COGNOSSET, ANIMADVERSUM. Idque c u m faciebat, n e m o dubitabat quin, c u m iudex alium de suo iudicio putaret iudicaturum seque in co capitis periculum
aditurum,
voluntatem spectaret eius q u e m statim de capite suo putaret iudicaturum.
Selecti ex c o n v e n t u aut propositi ex negotiatoribus
34
iudices nulli: haec copia, q u a m dico, iudicum cohors non Q . Scaevolae, qui tamen de c o h o r t e sua dare non solebat, sed C . Verris. Cuius modi c o h o r t e m putatis h o c principe fuisse? Sicubi videtis e d i c t u m , Sì QUI PERPERAM IUDICARIT SENATUS, eum q u o q u e ostendam, si q u a n d o sit datus, c o a c t u istius q u o d non senserit iudicasse. E x lege Rupilia sortitio nulla, nisi c u m nihil intererat istius; lege Hiero-
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sehen den Landwirten und Zehntpächtern werden nach dem sogenannten Hieronischen Gesetz über die Getreideversorgung durchgeführt. Alle diese Befugnisse gerieten während der Prätur des Verres nicht nur völlig durcheinander, sondern wurden den Siziliern und den römischen Bürgern ganz und gar entzogen. Zuerst die einheimischen Gesetze. Wenn jemand seinen Mitbürger belangte, dann setzte Verres einen Mann zum Richterein, der ihm genehm war, seinen Ausrufer, Opferschauer oder Arzt, oder falls das Verfahren nach den dortigen Gesetzen vonstatten ging und die Parteien vor einem Mitbürger als ihrem Richter erschienen waren, erlaubte er diesem Bürger nicht, eine unabhängige Entscheidung zu fallen. Denn vernehmt den Erlaß dieses Menschen, durch den er alle Gerichte von seinem Willen abhängig gemacht hatte: wenn jemand eine Fehlentscheidung treffe, dann werde er den Fall untersuchen und nach der Untersuchung strafend einschreiten. Und da er so vorging, trug kein Richter Bedenken (er mußte ja annehmen, ein anderer werde über seine Entscheidung zu Gericht sitzen und er selbst hierbei seinen Kopf aufs Spiel setzen), sich nach dem Willen dessen zu richten, der, wie er meinte, alsbald einen Kapitalprozeß gegen ihn einleiten werde. Kein Richter wurde aus der Bezirksversammlung ausgewählt oder aus der Zahl der Geschäftsreisenden15 vorgeschlagen; das Gefolge stellte die Mannschaft von Richtern, die ich hier meine, nicht das eines Q^Scaevola, der gleichwohl niemanden aus seinem Gefolge zu ernennen pflegte, sondern das eines C. Verres. Wie, meint ihr wohl, war es mit dem Gefolge unter diesem Oberhaupt bestellt? Wenn ihr ferner seinen Erlaß betrachtet : «Falls der Gemeinderat eine Fehlentscheidung trifft», so hat auch der, wie ich noch zeigen will, wenn er einmal als Gerichtshof Verwendung fand, unter dem Druck des Verres gegen seine Überzeugung entschieden. Eine Auslosung
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nica iudicia plurimarum controversiarum sublata uno n o m i n e omnia; de conventu ac negotiatoribus nulli iudices. Q u a n t a m potestatem habuerit videtis, quas res gesserit cognoscite.
Heraclius est Hieronis filius Syracusanus, h o m o in primis d o m i suae nobilis et ante h u n c praetorem vel pecuniosissimus Syracusanorum, nunc nulla alia calamitate nisi istius avaritia atque iniuria pauperrimus. H u i c hereditas ad H S facile triciens venit testamento propinqui sui Heraclii, plena d o m u s caelati argenti optimi multaeque stragulae vestís pretiosorumque mancipiorum; quibus in rebus istius cupiditates et insanias quis ignorât? Erat in s e r m o n e res, m a g n a m Heraclio pecuniam relictam; n o n solum Heraclium divitem, sed etiam ornatum supellectile, argento, veste, mancipiis futurum.
Audit haec etiam Verres, et p r i m o ilio suo leniore artifìcio Heraclium adgredi conatur, ut eum roget inspicienda, quae non reddat. D e i n d e a quibusdam Syracusanis admonetur -
hi autem
quorum
uxores
iste
quidam erant adfines
numquam
alienas
istius,
existimavit,
C l e o m e n e s et Aeschrio, qui q u a n t u m apud istum et q u a m turpi de causa potuerint ex reliquis criminibus intellegetis: hi, ut dico, h o m i n e m a d m o n e n t rem esse praeclaram, d o m u m
refertam o m n i b u s
rebus,
ipsum
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nach dem Rupilischen Gesetze fand niemals statt, außer wenn ihm eine Sache gleichgültig war; die Gerichte nach dem Hieronischen Gesetz, die über sehr viele Streitfälle zu befinden hatten, wurden allesamt durch einen Federstrich aufgehoben; Richter aus der Bezirksversammlung und aus der Zahl der Geschäftsreisenden gab es nicht. Ihr seht, welche Macht er besaß; nehmt jetzt zur Kenntnis, was er getan hat. Heraclius ist der Sohn des Hieron, ein Syrakusaner; er genießt in seiner Heimat größtes Ansehen und war vor der Prätur des Verres wohl der vermögendste Mann von Syrakus, während er jetzt durch kein anderes Mißgeschick als durch die Habgier und Ungerechtigkeit des Verres zu den ärmsten zählt. Diesem Manne fiel durch das Testament seines Verwandten Heraclius eine Erbschaft von mindestens drei Millionen Sesterzen zu, ein Haus, das mit vorzüglich gearbeitetem Silbergeschirr und einer Menge von Teppichen sowie wertvollen Sklaven gefüllt war. Wer weiß nicht, von welcher Leidenschaft fur derlei Dinge Verres besessen ist ? Man redete viel davon, daß Heraclius eine große Summe geerbt habe; er werde nicht nur reich sein, sondern könne auch mit dem Hausrat, dem Silber, den Teppichen und Sklaven Staat machen. Hiervon erfahrt auch Verres, und er versucht zunächst, dem Heraclius durch einen seiner leichteren Kunstgriffe beizukommen, indem er ihn bittet, sich Sachen ansehen zu dürfen, und sie ihm dann nicht zurückgibt. Doch nunmehr wird ihm von einigen Syrakusanern die Belehrung zuteil - sie waren sozusagen mit ihm verschwägert, da er ihre Frauen niemals als ihm fernstehend betrachtete, und hießen Kleomenes und Aischrion ; welch großen Einfluß sie auf Verres und aus welch schändlichem Grunde sie ihn hatten, das werdet ihr aus den übrigen Anschuldigungen ersehen - diese Leute belehren, wie gesagt, den Verres, die Gelegenheit sei vortrefflich, das Haus strotze
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ACT 1 0 Ν I S IN
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LIB.II
autem Heraclium hominem esse maiorem natu, non promptissimum;
eum
praeter
Marcellos
patronum,
quem suo iure adire aut appellare posset, habere neminem; esse in eo testamento quo ille heres esset scriptus, ut statuas in palaestra deberet ponere. "Faciemus ut palaestritae negent ex testamento esse positas, petant hereditatem, quod earn palaestrae commissam esse dicant."
Placuit ratio Verri; nam hoc animo providebat, cum tanta hereditas in controversiam venisset iudicioque peteretur, fieri non posse ut sine praeda ipse discederet. Adprobat consilium; auctor est ut quam primum agere incipiant, hominemque id aetatis minime litigiosum quam tumultuosissime adoriantur. Scribitur Heraclio dica. Primo mirantur omnes improbitatem calumniae; deinde qui istum nossent partim suspicabantur, partim plane videbant adiectum esse oculum hereditati.
Interea dies advenit quo die sese ex instituto ac lege Rupilia dicas sortiturum Syracusis iste edixerat. Paratus ad hanc dicam sortiendam venerat. Tum eum docet Heraclius non posse eo die sortiri, quod lex Rupilia vetaret diebus XXX sortiri dicam quibus scripta esset. Dies x x x nondum fuerant. Sperabat Heraclius, si ilium diem effiigisset, ante alteram sortitionem Q . Arrium, quem provincia tum maxime exspectabat, successurum. Iste omnibus dicis diem distulit, et eam diem constituir ut hanc
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von Dingen aller Art, Heraclius selbst aber sei ein schon ziemlich bejahrter und nicht sehr geschickter Mann; außer den Marcellern habe er keinen Schutzherrn, an den er sich mit gutem Grunde wenden oder den er um Hilfe bitten könne*; in dem Testament, das ihn zum Erben einsetze, heiße es, daß er in der Ringschule Statuen aufstellen solle. «Wir werden erreichen, daß die Ringer behaupten, die Statuen seien nicht dem Testament gemäß aufgestellt worden, daß sie die Erbschaft beanspruchen, indem sie sagen, sie sei der Ringschule verfallen.» Der Plan gefiel dem Verres. Denn er sah voraus, wenn eine so große Erbschaft Gegenstand eines Streites werde und man sie gerichtlich beanspruche, dann könne er unmöglich ohne Beute dabei ausgehen. Er billigt den Vorschlag; er veranlaßt, daß man schnellstens zu prozessieren beginnt und sich mit möglichst viel Lärm über den bejahrten und keineswegs streitsüchtigen Menschen hermacht. Man reicht die Klagschrift gegen Heraclius ein. Zuerst wundert sich alle Welt über die haltlose Schikane. Doch dann hegten, die Verres kannten, teils den Verdacht, teils sahen sie ganz deutlich, daß er sein Auge auf die Erbschaft geworfen habe. Inzwischen rückte der Tag heran, an dem er, wie er angekündigt hatte, nach dem Herkommen und dem Rupilischen Gesetz in Syrakus die Richter durch das Los zu bestimmen gedachte. Er war wohlvorbereitet zur Losziehung für diesen Prozeß gekommen. Da belehrt ihn Heraclius, daß er an diesem Tage nicht losen könne, weil das Rupilische Gesetz verbiete, innerhalb von dreißig Tagen nach Einreichung der Klagschrift zu losen. Die dreißig Tage waren noch nicht vergangen. Heraclius hoffte, wenn er diesem Termin entgehe, dann werde vor der zweiten Losziehung der Nachfolger Q^Arrius eintreffen, den die Provinz eben damals erwartete· 7 . Verres schob für alle Prozesse die Losziehung auf und legte
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L I B . II
Heraclii dicam sortiri post dies triginta ex lege posset. Posteaquam ea dies venit, iste incipit simulare se velie sortiri. Heraclius cum advocatis adit et postulat ut sibi cum palaestritis, h o c est c u m populo Syracusano, aequo iure disceptare liceat. Adversarii postulant ut in earn rem iudices dentur, ex iis civitatibus quae in id forum convenirent electi, qui Verri viderentur: Heraclius contra, ut iudices ex lege Rupilia dentur, ut ab institutis superiorum, ab auctoritate senatus, ab iure o m n i u m Siculorum ne recedatur.
Q u i d ego istius in iure d i c u n d o libidinem et steiera d e m o n s t r e m ? quis vestrum n o n in urbana iuris dictione cognovit? quis u m q u a m isto praetore C h e l i d o n e invita lege agere potuit? N o n istum, ut non n e m i n e m , provincia corrupit; idem fuit qui R o m a e . C u m id quod o m n e s intellegebant diceret Heraclius, ius esse c e r t u m Siculis inter se q u o iure certarent, legem esse Rupiliam
quam
P. Rupilius consul de decern legatorum sententia dedisset, h a n c o m n i s semper in Sicilia cónsules praetoresque servasse, negavit se e lege Rupilia s o r t i t u r u m : q u i n q u é iudices, quos c o m m o d u m ipsi fuit, dedit.
Q u i d h o c h o m i n e facias? q u o d supplicium d i g n u m libidine eius invenías? Praescriptum tibi c u m esset, h o m o deterrime et impudentissime, q u e m ad m o d u m iudices
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den neuen Termin so, daß er die Richter für den Prozeß des Heraclius nach Ablauf der gesetzmäßigen Frist von dreißig Tagen losen konnte. Als dieser Tag gekommen war, tat er zunächst so, als ob er losen lassen wolle. Heraclius wird mit seinen Rechtsanwälten vorstellig und verlangt, daß man ihm gestatte, den Streit gegen die Benutzer der Ringschule, das heißt gegen die Gemeinde Syrakus, auf gleichem Fuß zu fuhren. Die Gegner fordern, man solle fur diesen Prozeß Richter aus den Gemeinden bestellen, die zu demselben Gerichtsbezirk gehörten, nach dem Gutdünken des Verres ausgesuchte Leute; Heraclius wiederum verlangt, daß man die Richter nach dem Rupilischen Gesetz bestelle, daß man von den Einrichtungen der Vorfähren, von dem Beschluß des Senats, vom Recht aller Sizilier nicht abweiche Was soll ich noch dartun, mit welcher Willkür und Ruchlosigkeit dieser Mensch die Rechtspflege verwaltete? Wer von euch hat ihn nicht bei der Ausübung der städtischen Gerichtsbarkeit kennengelernt? Wer hat, als er Prätor war, je gegen den Willen der Chelidon sein Recht verfolgen können? Ihn hat nicht, wie manchen anderen, die Provinz verdorben; er war derselbe wie zuvor in Rom. Heraclius beteuerte, was jedermann einsah: den Siziliern sei zugesichert, nach welchen Rechtsgrundsätzen sie untereinander ihre Streitigkeiten austrügen; hierfür gebe es das Rupilische Gesetz, das der Konsul P.Rupilius im Einvernehmen mit zehn Legaten erlassen habe; hiernach hätten sich alle Konsuln und Prätoren in Sizilien stets gerichtet. Doch Verres weigerte sich, die Richter nach dem Rupilischen Gesetz auslosen zu lassen; er bestimmte fünf Geschworene, die ihm genehm waren. Was soll man mit diesem Menschen anfangen? Welche Strafe kann man sich ausdenken, die seiner Willkür angemessen wäre? Da dir vorgeschrieben war, du abscheulicher und unverschämter Mensch, wie du bei einem Streit unter Sizi-
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inter Siculos dares, cum imperatoris populi Romani auctoricas, legatorum decern, summorum hominum, dignitas, senacus consulrum intercederei, quo senatus consulto P. Rupilius de decern legatorum sentencia leges in Sicilia constituerai, cum omnes ante te praetorem Rupilias leges et in ceteris rebus et in iudiciis maxime servassent, tu ausus es pro nihilo prae tua praeda tot res sanctissimas ducere? tibi nulla lex fuit, nulla religio, nullus existimationis pudor, nullus iudici metus? nullius apud te gravis auctoritas, nullum exemplum quod sequi velles? Verum, ut
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instituí dicere, quinqué iudicibus nulla lege, nullo instituto, nulla reiectione, nulla sorte ex libidine istius datis, non qui causam cognoscerent, sed qui quod imperatum esset iudicarent, eo die nihil actum est; adesse iubentur postridic.
Heraclius interea, cum omnis insidias fortunis suis a praetore fieri videret, capit consilium de amicorum et propinquorum sententia non adesse ad iudicium; itaque illa nocte Syracusis profugit. Iste postridie mane, cum multo maturius quam umquam antea surrexisset, iudices citari iubet. Ubi comperit Heraclium non adesse, cogere incipit eos ut absentem Heraclium condemnent. Uli eum commonefaciunt ut, si sibi videatur, utatur instituto suo nec cogat ante horam decimam de absente secundum praesentem iudicare: impétrant.
Interea sane perturbatus et ipse et eius amici et con-
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siliarii moleste ferre coeperunt Heraclium profugisse;
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liern die Richter bestellen solltest, da dir die Entscheidung eines Feldherrn des römischen Volkes, das Ansehen von zehn hochmögenden Legaten und der Senatsbeschluß entgegenstand, nach dem P. Rupilius im Einvernehmen mit den zehn Legaten die sizilischen Gesetze erlassen hatte, da alle Prätoren vor dir die Rupilischen Gesetze in allen anderen Dingen und besonders bei der Richterbestellung beachtet hatten, hast du es gewagt, um deiner Beute willen so viele und so ehrwürdige Dinge für nichts zu achten ? Für dich gab es kein Gesetz, kein Gewissen, keine Rücksicht auf den Ruf, keine Furcht vor dem Gericht? Dir hat niemandes Beispiel etwas bedeutet, du hattest kein Vorbild, nach dem du dich richten wolltest? Im Gegenteil, wie ich schon angedeutet habe: ohne Gesetz, ohne Herkommen, ohne das Recht der Ablehnung, ohne das Los wurden nach dem Gutdünken des Verres fünf Richter bestellt, die nicht die Sache untersuchen, sondern, wie ihnen befohlen wurde, entscheiden sollten; außerdem geschah an diesem Tage nichts; die Parteien erhalten die Weisung, sich am folgenden Tage wieder einzufinden. Heraclius sah unterdessen, wie der Prätor mit allen Mitteln seinem Vermögen nachstelle; so faßte er nach dem Rat seiner Freunde und Verwandten den Entschluß, nicht zur Verhandlung zu erscheinen; er entwich daher in jener Nacht aus Syrakus. Verres, der viel früher als je zuvor aufgestanden war, ließ am Morgen des anderen Tages die Richter aufrufen. Als er erfuhr, daß Heraclius nicht erschienen sei, begann er sie zu nötigen, ihn trotz seiner Abwesenheit zu verurteilen. Sie aber weisen ihn darauf hin, er möge doch, wenn es ihm recht sei, seinen Grundsatz befolgen und sie nicht zwingen, vor der zehnten Stunde M ein Urteil gegen den Abwesenden und zugunsten des Anwesenden zu fallen; ihrem Gesuch wird stattgegeben. Doch unterdessen gerieten er selbst und seihe Freunde und Ratgeber in starke Verlegenheit; es begann sie zu verdrießen,
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A C Τ I Ο Ν I S IN C . V E R R E M
SECUNDAE
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putabant absentis d a m n a t i o n e m , praesertim cancae pecuniae, m u l t o invidiosiorem fore q u a m si praesens d a m natus esset. E o accedebat q u o d iudices e lege Rupilia dati non erant; m u l t o etiam rem turpiorem fore et iniquiorem visum iri intellegebant. Itaque h o c d u m corrigere vult, apertior eius cupiditas i m p r o b i t a s q u e facta est. N a m illis q u i n q u é iudicibus uti se negat; iubet, id q u o d initio lege Rupilia fieri oportuerat, citari Heraclium et eos qui dicam scripserant; ait se iudices ex lege velie sortiri. Q u o d ab eo pridie, cum multis lacrimis c u m oraret atque o b s e c r a r « , Heraclius impetrare non potuerat, id ei postridie venit in m e n t e m , ex lege Rupilia sortiri dicas o p o r tere. E d u c i t ex urna tris; his ut absentem Heraclium c o n d e m n e n t imperar; itaque c o n d e m n a n t .
Q u a e , m a l u m , ista fuit amentia! E c q u a n d o te rationem
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factorum t u o r u m redditurum putasti? ecquando his de rebus talis viros audituros existimasti? Petatur hereditas ea, quae nulla debetur, in praedam praetoris? interponatur n o m e n civitatis? i m p o n a t u r honestae civitati turpissima persona calumniae? neque h o c solum, sed ita res agatur ut n e simulatio q u i d e m aequitatis ulta adhibeatur? N a m , per deos immortalis, quid interest u t r u m praetor imperet vique cogat aliquem de suis bonis
omnibus
decedere, an huiusce m o d i iudicium det, q u o iudicio
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daß Heraclius geflohen war; sie glaubten, die Verurteilung eines Abwesenden werde, zumal es sich um ein so großes Vermögen handele, weit mehr Haß erzeugen, als wenn er anwesend verurteilt würde. Dazu kam noch, daß die Richter nicht nach dem Rupilischen Gesetz bestellt waren; man sah ein, daß die Sache hierdurch noch viel schmählicher und ungerechter wirken würde. Verres will dies also in Ordnung bringen, doch dabei stellt sich seine Habgier und Gewissenlosigkeit nur noch deutlicher heraus. Denn er erklärt, er wolle von den fünf Richtern keinen Gebrauch machen; er befiehlt, wie es von Anfang an nach dem Rupilischen Gesetz hätte geschehen sollen, man möge Heraclius und die Leute, die die Klagschrift eingereicht hatten, aufrufen ; er sagt, er wolle die Richter nach dem Gesetz auslosen lassen. Was Heraclius am Tage zuvor, da er ihn unter vielen Tränen bat und anflehte, nicht hatte erreichen können, das kam ihm jetzt am folgenden Tage in den Sinn : daß man die Richter nach dem Rupilischen Gesetze durch das Los bestimmen müsse. Er zieht drei Namen aus der Urne; er befiehlt ihnen, Heraclius in Abwesenheit zu verurteilen, und so verurteilen sie ihn. Was war das, zum Henker, für ein Wahnwitz! Hast du nie bedacht, daß du einst von deinen Taten werdest Rechenschaft geben müssen ? Hast du nie vermutet, daß einst solche Männer von diesen Dingen erfahren würden? Soll eine Erbschaft verlangt werden, auf die niemand Anspruch hat, und das zur Beute des Prätors ? Soll sich dafür der Name einer Stadt hergeben ? Soll eine achtbare Gemeinde die schändliche Rolle einer Rechtsverdrehung übernehmen? Und nicht nur das: soll die Sache auch noch so durchgeführt werden, daß nicht einmal der Schein der Gerechtigkeit gewahrt bleibt? Denn, bei den unsterblichen Göttern, was macht es aus, ob der Prätor jemandem befiehlt und ihn gewaltsam nötigt, sein ganzes Hab und Gut preiszugeben, oder ob er ein Gericht
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indicta causa fortunis o m n i b u s everti necesse sit? Profecto e n i m negare non potes te ex lege R u p i l i a sortiri iudices debuisse, c u m praesertim Heraclius id postulare!. Sin illud dicis, te Heraclii volúntate ab lege recessisse, ipse te impedies, ipse tua defensione implicabere; quare enim p r i m u m ille adesse noluit, c u m ex eo n u m e r o iudices haberet quos postularat? deinde tu cur post illius fugam iudices alios sortitus es, si eos qui erant antea dati utriusque dederas volúntate? D e i n d e ceteras dicas o m n i s ilio foro M . Postumius quaestor sortitus est: h a n c solam tu ilio c o n v e n t u reperiere sortitus.
Ergo, inquiet aliquis, donavit populo Syracusano illam hereditatem. P r i m u m , si id confìteri velim, tamen istum c o n d e m n e t i s necesse est; neque e n i m permissum est ut i m p u n e nobis liceat, q u o d alicui eripuerimus, id alteri tradere. Verum ex ista reperietis hereditate ita istum praed a t u m ut perpauca occulte fecerit; p o p u l u m Syracusan u m in m a x i m a m invidiam sua infamia, alieno praemio pervenisse, paucos Syracusanos - eos qui n u n c se publice laudationis causa venisse dicunt - et t u n e participes praedae fuisse et n u n c n o n ad istius laudationem, sed ad c o m m u n e m litium aestimationem venisse. Posteaquam d a m n a t u s est absens, n o n solum illius hereditatis de q u a ambigebatur, quae erat H S triciens, sed o m n i u m
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von der Beschaffenheit niedersetzt, daß der Beklagte, ohne gehört worden zu sein, unvermeidlich sein gesamtes Vermögen verliert? Denn wahrhaftig, du kannst nicht leugnen, daß du die Richter nach dem Rupilischen Gesetz hättest auslosen sollen, zumal Heraclius dies verlangte. Wenn du jedoch behaupten willst, du seiest dem Heraclius zu Gefallen vom Gesetz abgewichen, dann bringst du selbst dich in Schwierigkeiten, verwickelst du selbst dich in den Gründen deiner Verteidigung. Denn erstens: warum wollte Heraclius nicht erscheinen, wenn er Richter hatte, die der gewünschten Kategorie angehörten? Außerdem: warum hast du nach seiner Flucht andere Richter auslosen lassen, wenn du die zuvor bestellten nach dem Wunsch beider Parteien bestellt hattest? Sodann wurden in jener Gerichtszeit die Richter fur alle übrigen Prozesse von dem Quästor M.Postumius ausgelost; nur für diesen hast du selbst sie, wie sich noch zeigen wird, in der betreifenden Sitzung durch das Los bestimmt. Also, wird man sagen, hat er die Erbschaft der Gemeinde Syrakus geschenkt. Gesetzt, ich wollte dies zunächst gelten lassen, ihr müßtet ihn trotzdem verurteilen; denn es geht nicht an, daß wir ungestraft, was wir dem einen rauben, dem anderen aushändigen. Ihr werdet jedoch finden, daß er selbst sich an dieser Erbschaft bereichert und hierbei nur sehr weniges in aller Heimlichkeit vollführt hat, daß die Gemeinde Syrakus in den schlimmsten Verruf geraten ist, wobei sie die Schande, ein anderer den Lohn davontrug, daß die wenigen Syrakusaner, die behaupten, sie seien jetzt erschienen, um Verres im Namen ihres Staates zu belobigen, daß diese Leute damals einen Anteil an der Beute erhalten haben und jetzt nicht um seiner Belobigung willen, sondern zur gemeinschaftlichen Haftung für die Geldbuße erschienen sind. Nachdem das Versäumnisurteil gegen Heraclius ergangen war, sprach man der Ringschule von Syrakus, das heißt den Syra-
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ACTIONIS
IN
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bonorum paternorum ipsius Heraclii, quae non minor erat pecunia, palaestrae Syracusanorum, hoc est Syracusanis, possessio traditur. Quae est ista praetura? Eripis hereditatem quae venerat a propinquo, venerat testamento, venerat legibus; quae bona is qui testamentum fecerat huic Heraclio, aliquanto ante quam est mortuus, omnia utenda ac possidenda tradiderat, cuius hereditatis, cum ille aliquanto ante te praetorem esset mortuus, controversia fuerat nulla, mencionem fecerat nemo. Verum esto. Eripe hereditatem propinquis, da palaestritis, praedare in bonis alienis nomine civitatis, everte leges, testamenta, voluntates mortuorum,
iura vivorum:
num etiam
patriis
Heraclium bonis exturbare oportuit? Qui simul ac profugit, quam impudenter, quam palam, quam acerbe, di immortales, illa bona direpta sunt! quam illa res calamitosa Heraclio, quaestuosa Verri, turpis Syracusanis, miseranda omnibus videbatur! Nam illud quidem statim curatur, ut quicquid caelati argenti fuit in illis bonis ad istum deferatur, quicquid Corinthiorum vasorum, stragulae vestis: haec nemo dubitabat quin non modo ex illa domo capta et oppressa, verum ex tota provincia ad istum comportar· necesse esset. Mancipia quae voluit abduxit, alia divisit; auctio facta est, in qua cohors istius invicta dominata est.
Verum illud est praeclarum. Syracusani qui praefuerant his Heraclii bonis verbo redigendis, re dispertiendis, reddebant eorum negotiorum rationem in senatu; dice-
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kusancrn, nicht nur den Besitz an der streitigen Erbschaft im Werte von drei Millionen Sesterzen zu, sondern auch am gesamten väterlichen Vermögen des Heraclius, dessen Wert nicht geringer war. Was ist das für eine Prä tur ? Du nimmst eine Erbschaft weg, die zugefallen war von einem Verwandten, zugefallen durch das Testament, zugefallen nach den Gesetzen; dieses Vermögen hatte der Erblasser dem Heraclius schon einige Zeit vor seinem Tode zu Besitz und Nießbrauch überlassen; wegen dieser Erbschaft hatte es nie Streit gegeben, hatte niemand ein Wort verloren, obwohl der Erblasser schon einige Zeit vor deiner Prätur gestorben war. Doch dem sei so: nimm die Erbschaft den Verwandten, gib sie den Ringern, mach im Namen der Gemeinde Beute an fremdem Gut, stoß die Gesetze um, die Testamente, den Willen der Verstorbenen, die Rechte der Lebenden : mußtest du deshalb Heraclius auch aus seinem väterlichen Besitztum vertreiben? Sobald er geflohen war, wie schamlos, wie unverhüllt, wie grausam, ihr unsterblichen Götter, ist sein Hab und Gut geplündert worden! Wie erzeigte sich die Sache unheilvoll für Heraclius, gewinnreich für Verres, schimpflich für die Syrakusaner, erbarmungswürdig für alle! Denn dafür wird jedenfalls sofort gesorgt, daß man alles getriebene Silber, das sich in seinem Besitze befand, alle korinthischen Gefäße44 und alle Teppiche zu Verres schaffte; niemand bezweifelte, daß diese Dinge sich notgedrungen nicht nur aus dem eroberten und überwältigten Hause, sondern aus der ganzen Provinz bei ihm einfinden würden. Die Sklaven, die ihm gefielen, nahm er an sich; andere verteilte er; es fand eine Versteigerung statt, bei der sein unbesiegliches Gefolge nach Willkür das Zepter führte. Doch das ist der Gipfel : die Syrakusaner, die das Vermögen des Heraclius verwalteten, angeblich, um es zu Geld zu machen, in Wahrheit, um es zu verteilen, legten im Gemeinde-
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A C T I Ο Ν IS IN
C. V E R R Ε M S E C U N D A E
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bant scyphorum paria c o m p l u r a , hydrias argenteas preciosas, vestem stragulam m u l t a m , mancipia pretiosa data esse Verri; dicebant q u a n t u m cuique eins iussu numm o r u m esset d a t u m . G e m e b a n t Syracusani, sed tarnen patiebantur. Repente recitatur u n o n o m i n e H S c c c iussu praetoris data esse. Fit m a x i m u s clamor o m n i u m , non m o d o optimi cuiusque neque e o r u m q u i b u s indignum semper visum erat bona privati populi n o m i n e per summ a m iniuriam erepta, verum etiam ipsi iliì auctores iniuriae et ex aliqua partícula socii praedae ac rapinarum clamare coeperunt sibi ut haberet hereditatem. Tantus in curia clamor factus est ut p o p u l u s concurreret.
Res ab o m n i conventu cognita celeriter isti d o m u m nuntiatur. H o m o inimicus iis qui recitassent,
4H
hostis
o m n i b u s qui acclamassent, exarsit iracundia ac stomacho; verum tarnen fuit t u m sui dissimilis. Nostis os hominis, nostis audaciam; tarnen t u m rumore populi et clamore et manifesto furto grandis pecuniae perturbatus est. Ubi se collegit, vocat ad se Syracusanos; qui non posset negare ab illis pecuniam d a t a m , non quaesivit procul alicunde (neque enim probaret), sed p r o x i m u m , paene alterum filium, q u e m illam pecuniam diceret abstulisse; ostendit se reddere coacturum. Q u i p o s t e a q u a m id audivit, habuit et dignitatis et aetatis et nobilitatis suae rationem; verba a p u d senatum fecit, docuit ad se nihil perti-
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rat Rechenschaft über ihre Tätigkeit ab; sie sagten, Verres habe mehrere Paare von Bechern, kostbare silberne Kannen, viele Teppiche und wertvolle Sklaven erhalten; sie sagten, wieviel Geld auf seinen Befehl diesem und jenem ausgezahlt worden sei. Die Syrakusaner seufzten, doch sie nahmen es hin. Plötzlich wird verlesen, man habe auf Befehl des Prätors mit einem Schlag 300000 Sesterzen ausgezahlt. Da erhebt sich allerseits lautes Rufen, und hierin stimmten nicht nur alle Rechtschaffenen sowie die Leute ein, die es stets fur empörend gehalten hatten, daß ein privater Besitz im Namen des Volkes auf die ungerechteste Weise geraubt wurde; vielmehr begannen sogar die Urheber des Unrechts, die zu einem kleinen Teile auch die Genossen der Beute und Plünderung waren, zu schreien, Verres solle die Erbschaft fur sich behalten. Im Rathause erhob sich ein so großer Lärm, daß alles Volk herbeilief. Die ganze Versammlung erfuhr von dem Vorfall; rasch wird auch Verres in seiner Wohnung davon unterrichtet. Der Mensch, erbost über die Berichterstatter, aufgebracht gegen alle, die geschrien hatten, entbrannte von Zorn und Ärger; trotzdem war er damals sich selbst nicht ähnlich. Ihr kennt die Stime des Mannes, ihr kennt seine Frechheit; gleichwohl brachte ihn damals das Gerede und Geschrei des Volkes sowie die Entdeckung des Diebstahls einer großen Geldsumme um seine Fassung. Sobald er sich gesammelt hat, ruft er die Syrakusaner zu sich. Da er nicht leugnen konnte, daß sie das Geld ausgezahlt hatten, suchte er sich nicht irgendein entferntes Opfer (das hätte er ja niemandem glaubhaft machen können), sondern ein ganz nahes, sozusagen seinen zweiten Sohn 4I , den er der Entwendung des Geldes bezichtigte; er erklärte, daß er ihn zur Rückgabe zwingen werde. Der aber tat, sobald er davon hörte, was er seiner Würde und seinem Alter und seiner adligen Herkunft schuldig war; er sprach vor dem Ge-
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ACT IΟ Ν IS IN C.VERREM SECUNDAE LIB. II
nere; de isto, id quod omnes videbant, ne ille quidem obscure locutus est. Itaque illi Syracusani statuam postea statuerunt, et is, ut primum potuit, istum reliquit de provinciaque decessit. Et tarnen aiunt eum queri solere non numquam se miserum quod non suis, sed suorum peccatis et criminibus prematur. Triennium provinciam obtinuisti; gener, lectus adulescens, unum annum tecum fuit; sodales, viri fortes, legati tui primo anno te reliquerunt; unus legatus P. Tadius qui erat reliquus non ita tecum multum fuit; qui si semper una fuisset, tarnen summa cura cum tuae, tum multo edam magis suae famae pepercisset. Q u i d est quod tu alios accuses? quid est quam ob rem putes te tuam culpam non m o d o derivare in aliquem, sed communicare cum altero posse? Numerantur illa H S CCC Syracusanis. Ea quem ad m o d u m ad istum postea per pseudothyrum
revertantur,
tabulis vobis
testibusque,
iudices, planum faciam.
Ex hac iniquitate istius et improbitate, iudices, quod praeda ex illis bonis ad multos Syracusanos invito populo senatuque Syracusano venerat, et illa scelera quae per Theomnastum
et Aeschrionem
et Dionysodorum
et
Cleomenem invitissima civitate ilia facta sunt: primum ut urbs tota spoliaretur, qua de re alius mihi locus ad dicendum est constitutus; ut omnia signa iste per eos homines quos nominavi, omne ebur ex aedibus sacris, o m nis undique tabulas pietas, deorum denique simulacra
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meinderat und bewies, daß die Sache ihn nichts angehe; über Verres äußerte auch er ganz offen, was jedermann schon wußte. Daher haben ihm die Syrakusaner später eine Statue errichtet; er aber verließ, sobald er nur konnte, den Verres und kehrte der Provinz den Rücken. Und doch, heißt es, pflege Verres mitunter darüber zu klagen, er sei ein unglücklicher Mensch, weil nicht seine eigenen, sondern seiner Leute Missetaten und Verbrechen auf ihm lasteten. Drei Jahre lang hast du die Provinz verwaltet; dein Schwiegersohn, ein ausgezeichneter junger Mann, war nur ein Jahr bei dir; deine Genossen, tüchtige Männer, deine Legaten haben dich im ersten Jahr verlassen; P.Tadius, der einzige Legat, der zurückblieb, war nicht eben häufig bei dir; wäre er stets in deiner Nähe gewesen, dann hätte er trotzdem mit größter Sorgfalt auf deinen und noch viel mehr auf seinen eigenen Ruf Rücksicht genommen. Weshalb willst du andere anklagen ? Weshalb glaubst du, du könnest deine Schuld auf jemanden abwälzen oder sie auch nur mit einem anderen teilen? Die 300000 Sesterzen werden den Syrakusanern zurückgezahlt. Wie sie später durch eine Hintertür wieder an Verres gelangt sind, das will ich euch noch, ihr Richter, durch Urkunden und Zeugen beweisen. Die Ungerechtigkeit und Gewissenlosigkeit des Verres hatte wider den Willen des Volkes und Rates von Syrakus vielen Syrakusanern Beute aus diesem Vermögen verschafft, und demselben Verhalten entsprangen auch die Verbrechen, die er der schärfsten Ablehnung der Gemeinde zum Trotz durch Theomnastos und Aischrion und Dionysodoros und Kleomenes ausfuhren ließ. Einmal wurde die ganze Stadt ausgeplündert (doch hierüber habe ich an anderer Stelle zu reden beschlossen), und Verres ließ durch die genannten Leute alle Standbilder, alles Elfenbein aus den Tempeln, von überallher sämtliche Gemälde sowie schließlich die Götterbilder, die
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ACT 10 Ν I S IN
C.VERREM
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quae vellet auferret; deinde ut in curia Syracusis, q u e m locum il li β ο υ λ ε υ τ ί ί ρ ι ο ν nomine appellant, honestissimo loco et apud illos clarissimo, ubi illius ipsius M. Marcelli - qui eum Syracusanis locum, quem eripere belli ac victoriae lege posset, conservavi et reddidit - statua ex aere facta est, ibi inauratam istius et alteram filio statuam ponerent, ut d u m istius hominis memoria maneret senatus Syracusanus sine lacrimis et gemitu in curia esse non posset.
Per eosdem istius f u r t o r u m iniuriarum uxorumque socios istius imperio Syracusis Marcellia tolluntur máximo gemitu luctuque civitatis, quem illi diem festum cum recentibus beneficiis C. Marcelli debitum reddebant, t u m generi nomini familiae Marcellorum maxima volúntate tribuebant. Mithridates in Asia, cum earn provinciam totam occupasset, Mucia non sustulit. Hostis, et hostis in ceteris rebus nimis ferus et immanis, tamen honorem hominis deorum religione consecratum violare noluit: tu Syracusanos unum diem festum Marcellis impertiré noluisti, per quos illi adepti sunt ut ceteros dies festos agitare possent? At vero praeclarum diem illis reposuisti Verria ut agerent, et ut ad eum diem quae sacris epulisque opus essent in compluris annos locarentur! Iam in tanta istius impudentia remittendum aliquid videtur, ne omnia contendamus, ne omnia cum dolore agere videamur. N a m me dies vox latera deficiant, si hoc n u n c
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ihm gefielen, wegnehmen41. Außerdem erhielt das Rathaus zu Syrakus, eine Stätte, die dort Buleuterion heißt und die bei den Einwohnern in hohen Ehren und hohem Ansehen steht, eine vergoldete Statue des Verres sowie eine zweite für dessen Sohn, während dort selbst dem M. Marcellus4', der den Syrakusanern diese Stätte nach dem Recht des siegreichen Krieges hätte entreißen können, sie ihnen jedoch bewahrte und zurückgab, nur eine Statue aus Erz errichtet wurde; der Rat von Syrakus sollte sich, solange das Andenken an Verres dauern würde, nicht ohne Tränen und Seufzen im Rathause aufhalten können. Dieselben Leute, die an seinen Diebstählen, Ungerechtigkeiten und Weibern Anteil hatten 44 , erreichen es auch, daß sein Befehl zum lauten Jammer und Wehklagen der Gemeinde das Marcellus-Fest von Syrakus aufhebt; sie begingen diesen Festtag einmal, um für die Wohltaten zu danken, die ihnen C. Marcellus unlängst erwiesen hatte, vor allem aber widmeten sie ihn mit größter Bereitwilligkeit dem Geschlecht, dem Namen, der Familie der Marceller überhaupt 45 . Mit Krida tes hob in Asien, als er die ganze Provinz erobert hatte, das Mucius-Fest nicht auf4*. Ein Feind, und zwar ein im übrigen sehr grausamer und unmenschlicher Feind, hat er gleichwohl die durch den Götterdienst geheiligte Ehre dieses Mannes nicht verletzen wollen; du aber hast nicht zugelassen, daß die Syrakusaner den Marcellern einen einzigen Festtag widmeten, denen sie es doch verdankten, daß sie die übrigen Festtage feiern konnten ? Aber du hast ihnen ja einen herrlichen Tag dafür eingesetzt: sie sollten das Verres-Fest feiern und auf mehrere Jahre verdingen, was fur die Opfer und Festmähler dieses Tages erforderlich sei! Doch offenbar nötigt uns seine übergroße Unverschämtheit, ihm einiges nachzusehen; es soll nicht scheinen, als wollten wir alles ganz genau nehmen, alles mit Empörung zur Sprache bringen. Denn Zeit, Stimme und
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A C T IΟ Ν IS IN C . V E R R E M
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vociferan velim, q u a m miserum i n d i g n u m q u e sit istius n o m i n e a p u d eos diem festum esse qui se istius opera funditus exstinctos esse arbitrentur. O Verria praeclara! quo accessisti, quaeso, q u o non attuleris tecum istum diem? Etenim q u a m tu d o m u m , quam urbem adisti, q u o d f a n u m denique, quod non eversum atque extersum rei i queris? Q u a r e appellentur sane ista Verria, quae non ex n o m i n e sed ex manibus naturaque tua constituía esse videantur.
Q u a m facile serpai iniuria et peccandi consuetudo, q u a m non facile reprimatur, videte, iudices. Bidis oppid u m est tenue sane, non longe a Syracusis. Hic longe primus civitatis est Epicrates quidam. H u i c hereditas H S q u i n g e n t o r u m milium venerat a muliere q u a d a m propinqua, atque ita propinqua ut, ea etiamsi intestata esset mortua, Epicratem
B i d i n o r u m legibus heredem
esse
oporteret. Recens erant illa res q u a m ante demonstravi, de Heraclio Syracusano, qui bona non perdidisset nisi ei venisset hereditas. Huic q u o q u e Epicrati venerat, ut dixi, hereditas. Cogitare coeperunt eius inimici nihilo minus e o d e m praetore hune everti bonis posse q u o Heraclius esset eversus. R e m occulte instituunt; ad Verrem per eius interpretes deferunt. Ita causa componitur ut item palaestritae Bidini peterent ab Epicrate hereditatem, quem ad m o d u m palaestritae Syracusani ab Heraclio petivissent. Numquam
vos praetorem
tam palaestricum
vidistis;
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C. VERRES,
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Lungenkraft würden nicht ausreichen, wenn ich mich jetzt lauthals darüber verbreiten wollte, wie jammervoll und unwürdig es sei, daß sie in dessen Namen einen Festtag begehen sollen, durch den sie, wie sie glauben, völlig zugrunde gerichtet worden sind. Ein herrliches Verres-Fest! Wohin bist du denn, bitte schön, gekommen, ohne daß du diesen Festtag mitgebracht hättest ? Denn welches Haus, welche Stadt hast du betreten, welchen Tempel endlich, den du nicht reingefegt und ausgekehrt 4 7 hinterlassen hättest? Daher mag man das immerhin ein Verres-Fest nennen, was man nicht nur in deinem Namen, sondern auch um deiner Hände und deines ganzen Wesens willen eingerichtet zu haben scheint. Wie leicht Unrecht und zur Gewohnheit gewordene Missetat fortwuchern, wie schwer es ist, sie zu unterdrücken, das könnt ihr hieraus ersehen, ihr Richter. Bidis ist eine recht unbedeutende Stadt in der Nähe von Syrakus 4 *. In dieser Gemeinde gilt ein gewisser Epikrates mit Abstand als der wichtigste Mann. Dem hatte eine Verwandte eine Erbschaft von 500000 Sesterzen hinterlassen, eine Frau, die so nahe mit ihm verwandt war, daß Epikrates, auch wenn sie ohne Testament gestorben wäre, nach den Gesetzen der Bidiner ihr Erbe hätte werden müssen. Noch frisch war der Vorfall, den ich soeben geschildert habe, die Sache mit dem Syrakusaner Heraclius, der sein Vermögen nicht verloren hätte, wäre ihm nicht eine Erbschaft zugefallen. Auch diesem Epikrates war, wie gesagt, eine Erbschaft zugefallen. Seine Feinde kamen auf den Gedanken, er könne unter Verres als Prätor ebenso um sein Vermögen gebracht werden wie Heraclius. Insgeheim fädeln sie die Sache ein und geben dem Verres durch dessen Unterhändler Nachricht. Man einigt sich dahin, daß die bidinischen Ringer die Erbschaft ebenso von Epikrates beanspruchen sollten wie die syrakusanischen von Heraclius. Ihr habt noch nie einen so ringerfreundlichen Prätor erlebt. Doch er trat so
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A C T I O N I S IN C . V E R R E M S E C U N D A E
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verum ita palaestritas defendebat ut ab illis ipse unctior abiret. Qui statim, quo quid praesens esset, iubet cuidam amicorum suorum numerari HS Lxxx. Res occultar! satis non potuit; per quendam eorum qui interfuerant fit Epicrates certior. Primo contemnere et neglegere coepit, quod causa prorsus quod disputari posset nihil habebat. Deinde cum de Heraclio cogitaret et istius libidinem nosset, commodissimum putavit esse de provincia clam abire; itaque fecit; profectus est Regium. Quod ubi auditum est, aestuare illi qui pecuniam dederant, putare nihil agi posse absente Epicrate; nam Heraclius tarnen adfuerat, cum primo sunt dati iudices; de hoc qui, antequam aditum in ius esset, antequam mentio denique controversiae facta esset ulla, discessisset, putabant nihil agi posse. Homines Regium proficiscuntur; Epicratem conveniunt; demonstrant, id quod ille sciebat, se HS LXXX dedisse; rogant eum ut sibi id quod ab ipsis abisset pecuniae curet, ab sese caveat quem ad modum velit, de illa hereditate cum Epicrate neminem esse acturum. Epicrates homines multis verbis ab se male acceptos dimittit; redeunt illi Regio Syracusas, queri cum multis, ut fit, incipiunt se H S LXXX nummum frustra dedisse. Res percrebruit et in ore atque sermone omnium coepit esse. Verres refert illam suam Syracusanam; ait se velie de illis HS LXXX cognoscere; advocat multos. Dicunt
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C. VERRES,
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für die Ringer ein, daß er selbst noch besser eingeölt daraus hervorging **. Damit bares Geld zur Stelle sei, befiehlt er sofort, man solle einem seiner Freunde 80000 Sesterzen auszahlen. Die Sache ließ sich nicht heimlich genug betreiben : durch einen, der dabei gewesen war, erhält Epikrates Nachricht. Der kümmerte sich zunächst nicht darum und blieb gelassen, weil seine Sache gänzlich unanfechtbar war. Doch dann, als er an Heraclius dachte und sich auf die Willkür des Verres besann, hielt er es für das beste, sich heimlich aus der Provinz zu entfernen. Gedacht, getan; er reiste nach Regium 5 °. Als dies bekannt wurde, gerieten die Leute, die das Geld gezahlt hatten, in Unruhe; sie glaubten, in Abwesenheit des Epikrates könne man nichts unternehmen. Denn Heraclius war immerhin zugegen gewesen, als zum ersten Male die Richter bestellt wurden; doch gegen diesen Mann, meinten sie, könne man nicht vorgehen; er war ja verschwunden, ehe man sich an das Gericht gewandt, ehe man Uberhaupt von einem Prozeß gesprochen hatte. Die Leute reisen nach Regium, suchen Epikrates auf und legen ihm dar, was er schon wußte, daß sie 80000 Sesterzen gezahlt hätten; sie bitten ihn, für den Betrag aufzukommen, den sie eingebüßt hätten; von ihnen könne er Sicherheit verlangen, wie er wolle, daß niemand wegen der Erbschaft gegen ihn prozessieren werde. Epikrates empfängt die Leute unfreundlich und schickt sie mit vielen Worten weg. Sie kehren von Regium nach Syrakus zurück und beginnen, wie es zu gehen pflegt, bei manch einem darüber zu klagen, sie hätten ihre 80000 Sesterzen umsonst ausgegeben. Die Sache wurde bekannt und fing an, allgemein Gegenstand der Gespräche und Unterhaltungen zu sein. Verres wiederholt sein syrakusanisches Theaterstück " ; er sagt, er wolle wegen der 80000 Sesterzen eine Untersuchung anstellen; er lädt zahlreiche Personen vor. Die Bidiner behaupten, sie hätten
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ACTI Ο Ν I S IN C. VERRE M SECUNDAE LIB.II
Bidini Volcacio se dedisse; illud non addunt, "iussu istius". Volcatium vocat, pecuniam referri imperat. Volcatius a n i m o aequissimo n u m m o s adfert, qui nihil amitteret, reddic inspectantibus multis: Bidini n u m m o s auferunt.
D i c e t aliquis, " Q u i d ergo in hoc Verrem reprehendis, qui non m o d o ipse fur n o n est, sed ne alium q u i d e m passus est esse?" Attendite; iam intellegetis h a n c p e c u n i a m , quae via m o d o visa est exire ab isto, eodem semita revertisse. Q u i d enim debuit praetor facere, c u m Consilio re cognita c u m comperisset suum c o m i t e m iuris decreti iudici corrumpendi causa -
qua in re ipsius praetoris
caput existimatioque ageretur Bidinos autem pecuniam
pecuniam
accepisse,
contra praetoris famam
ac
fortunas dedisse? non et in eum qui accepisset a n i m a d vertisset et in eos qui dedissent? Tu, qui institueras in eos animadvertere qui perperam iudicassent -
q u o d saepe
per imprudentiam fit - , hos pateris impune discedere qui ob tuum decretum, o b tuum iudicium pecuniam aut dandam aut accipiendam putarant?
Volcatius idem apud te postea fuit, eques R o m a n u s , tanta accepta ignominia; nam quid est turpius ingenuo, quid m i n u s libero dignum quam in conventu m á x i m o cogi a magistratu furtum reddere? qui si eo a n i m o esset q u o non m o d o eques R o m a n u s , sed quivis liber debet esse, aspicere te postea n o n potuisset; inimicus, hostis
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C. VERRES,
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den Betrag an Volcatius geleistet, fügen aber nicht hinzu: auf Befehl des Verres. Er läßt den Volcatius kommen; er trägt ihm auf, die Summe zurückzuzahlen. Volcatius bringt mit der größten Gelassenheit das Geld, da er ja nichts dabei verlor; er zahlt es vor vieler Augen zurück; die Bidiner ziehen mit dem Gelde ab. Dazu könnte man sagen: «Was tadelst du denn hier an Verres; er ist ja selbst kein Dieb und läßt es nicht einmal bei einem anderen zu?» Gebt nur acht; ihr werdet bald sehen, daß dieses Geld, das, wie es scheint, gerade erst auf der Landstraße von ihm weggegangen ist, auf einem Fußpfad zu ihm zurückkehrte. Denn was hätte ein Prätor hier tun müssen? Verres hatte mit seinem Rate die Sache untersucht und festgestellt, daß sein Gefolgsmann, um Recht, behördliches Ermessen und Gerichtsurteil zu verfalschen (und hierbei stand auch die Person und das Ansehen des Prätors auf dem Spiel), Geld angenommen, die Bidiner aber zum Nachteil von Ruf und Stellung des Prätors Geld gezahlt hatten. Hätte er nicht sowohl den Empfänger als auch die Geber des Geldes bestrafen müssen ? Du hattest beschlossen, gegen die einzuschreiten, die ein Fehlurteil gefällt hätten 51 , was ja oft aus Unwissenheit geschieht, und dann läßt du die ungestraft davonkommen, die um deiner Entscheidung, um deines Urteils willen Geld zahlen oder annehmen zu müssen glaubten ? Derselbe Volcatius, ein römischer Ritter, hielt sich auch hernach noch bei dir auf, obwohl ihm eine solche Schande widerfahren war. Denn was ist schimpflicher für einen edlen Mann, was eines Freien weniger würdig, als in einer sehr zahlreichen Versammlung durch die Obrigkeit zur Herausgabe von Diebesgut gezwungen zu werden? Wenn er so dächte, wie nicht nur ein römischer Ritter, sondern jeder freie Mann denken soll, dann hätte er dich hernach nicht mehr anblicken können; er wäre nach einer solchen Schmach
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ACTION IS IN C.VERREM SECUNDAE LIB. II
esset tanca contumelia accepta, nisi tecum t u m conlusisset et tuae potius existimationi servisset q u a m suae. Q u i quam tibi amicus non m o d o tum fuerit quam diu tecum in provincia fuit, verum etiam nunc sit cum iam a ceteris amicis relictus es, et tu intellegis et nos existimare possumus. An hoc solum argumentum est nihil isto imprudente factum, quod Volcatius ei non succensuit? quod iste ñeque in Volcatium neque in Bidinos animadvertit? Est m a g n u m argumentum, verum illud m a x i m u m , quod illis ipsis Bidinis, quibus iste iratus esse debuit, a quibus comperit, quod iure agere cum Epicrate nihil possent, etiamsi adesset, idcirco suum decretum pecunia esse temptatum: iis, inquam, ipsis non m o d o illam hereditärem quae Epicrati venerat, sed, ut in Heraclio Syracusano, item in hoc - paulo etiam atrocius, quod Epicrates appellatus o m n i n o non erat - bona patria fortunasque eius Bidinis tradidit.
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Ostendit enim novo modo, si quis quid de absente peteret, se auditurum. Adeunt Bidini, petunt hereditatem; procuratores postulant ut se ad leges suas reiciat aut ex lege Rupilia dicam scribi iubeat. Adversarii non audebant contra dicere: exitus nullus reperiebatur. Insimulant h o m i n e m fraudandi causa discessisse; postulant ut bona possidere iubeat. Debebat Epicrates n u m m u m nullum
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C. VERRES,
2. B U C H
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dein Feind und Widersacher, hätte er nicht damals mit dir unter einer Decke gesteckt und lieber für deinen als fur seinen eigenen Ruf gesorgt. Wie sehr er aber nicht nur damals mit dir befreundet war, als er sich mit dir in der Provinz aufhielt, sondern es auch jetzt noch ist, nachdem dich die übrigen Freunde bereits verlassen haben, das bemerkst du ebensosehr, wie wir es vermuten können. Ist das etwa der einzige Beweis dafiir, daß nichts ohne Wissen des Verres geschah, wenn Volcatius nicht gegen ihn aufgebracht war, wenn er seinerseits weder den Volcatius noch die Bidiner bestrafte ? Das ist zwar ein starker Beweis, doch der stärkste ist der, daß er eben den Bidinern, über die er empört sein mußte - hatte er doch von ihnen erfahren, daß man deshalb seine Entscheidung mit Geld beeinflussen wollte, weil man auf dem Wege des Rechtes nichts gegen Epikrates auszurichten vermochte, auch wenn er zugegen gewesen wäre - daß er eben diesen Leuten, sage ich, nicht nur die Erbschaft, die dem Epikrates zugefallen war, sondern ebenso wie bei dem Syrakusaner Heraclius, und insofern noch etwas rücksichtsloser, als Epikrates überhaupt nicht vorgeladen wurde, auch dessen väterliches Besitztum und Vermögen zuerkannte. Er gibt nämlich auf eine bisher beispiellose Weise zu erkennen, daß er den anhören wolle, der einen Abwesenden verklage. Die Bidiner erscheinen; sie fordern die Erbschaft. Die Sachwalter verlangen, Verres solle die Parteien auf ihre einheimischen Gesetze verweisen oder anordnen, daß man nach dem Rupilischen Gesetze eine Klagschrift einreiche. Da wagten die Gegner nicht, Einspruch zu erheben; man wußte keinen Ausweg zu finden. Doch nun beschuldigen sie den Mann, er habe sich in betrügerischer Absicht entfernt; sie verlangen, Verres solle sie in den Besitz des Vermögens einweisen. Epikrates war niemandem auch nur einen Heller
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ACTIO Ν I S IN C. VERRE M SECUNDAE LIB.II
n e m i n i ; a m i c i , si q u i s q u i d p e t e r e t , i u d i c i o se pass uros, i u d i c a t u m solvi satis d a t u r o s esse d i c e b a n t . C u m o m n i a Consilia f r i g e r e n t , a d m o n i c u istius i n s i m u l a r e c o e p e r u n t E p i c r a t e m litteras p u b l i c a s c o r r u p i s s e , a q u a s u s p i c i o n e ille a b e r a t p l u r i m u m : a c t i o n e m eius rei p o s t u l a n t . A m i c i recusare ne q u o d
iudicium
neve ipsius c o g n i t i o
ilio
a b s e n t e d e e x i s t i m a t i o n e eius c o n s t i t u e r e t u r , et simul illud i d e m p o s t u l a r e n o n d e s i s t e b a n t u t se ad leges suas reiceret.
Iste a m p l a m n a c t u s , u b i videt esse a l i q u i d q u o d amici
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a b s e n t e E p i c r a t e n o l l e n t d e f e n d e r e , a d s e v e r a t se eius rei in p r i m i s a c t i o n e m d a t u r u m . C u m o m n e s p e r s p i c e r e n t a d i s t u m n o n m o d o illos n u m m o s q u i per s i m u l a t i o n e m a b isto e x i e r a n t revertisse, sed m u l t o e t i a m pluris c u r a p o s t e a n u m m o s abstulisse, a m i c i E p i c r a t e m d e f e n d e r e d e s t i t e r u n t , iste E p i c r a t i s b o n a B i d i n o s o m n i a possidere et sibi h a b e r e iussit. A d illa H S d h e r e d i t a r i a accessit ipsius a n t i q u a H S q u i n d e c i e n s p e c u n i a . U t r u m res ab i n i t i o ita d u e t a est an a d e x t r e m u m ita p e r d u e t a , an ita p a r v a est p e c u n i a , an is h o m o Verres u t h a e c q u a e dixi gratiis facta esse v i d e a n t u r ?
H i e n u n c d e miseria S i c u l o r u m , iudices, a u d i t e . Et H e r a c l i u s ille S y r a c u s a n u s et hic B i d i n u s Epicrates expulsi bonis o m n i b u s R o m a m venerunt; sordidati, maxim a b a r b a et c a p i l l o , R o m a e b i e n n i u m p r o p e f u e r u n t , q u o a d L. M e t e l l u s in p r o v i n c i a m p r o f e c t u s est. T u m isti
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C. VERRES,
1. B U C H
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schuldig; seine Freunde erklärten, sie wollten sich, wenn jemand Klage erhebe, dem Urteil unterwerfen, sie seien bereit, für die Erfüllung der Urteilsschuld Sicherheit zu leisten". Als alle Anschläge zu nichts führten, begannen die Bidiner auf Anraten des Verres den Epikrates zu beschuldigen, er habe öffentliche Urkunden gefälscht, ein Verdacht, dem niemand ferner stand als er. Sie verlangen, daß ihnen in dieser Sache zu klagen gestattet werde. Die Freunde verbaten sich, daß in seiner Abwesenheit ein Prozeß, eine von Verres geleitete Untersuchung stattfinde, die seine Ehre betreffe, und zugleich bestanden sie auf ihrer früheren Forderung, Verres möge die Parteien auf ihre Gesetze verweisen. Verres hat eine Handhabe gefunden; denn wie er sieht, daß die Freunde den abwesenden Epikrates in bestimmter Hinsicht nicht zu verteidigen wünschen, versichert er, daß er in dieser Sache zuallererst eine Klage bewilligen werde. Jedermann durchschaute, daß Verres nicht nur das Geld, auf das er zum Scheine verzichtet hatte, zurückerhalten, sondern daraufhin eine noch viel größere Summe davongetragen habe 54 ; die Freunde gaben es daher auf, Epikrates zu verteidigen; Verres aber entschied, daß die Bidiner das gesamte Vermögen des Epikrates in Besitz nehmen und fur sich behalten sollten. Zu den ererbten 500000 Sesterzen kam noch seine frühere Habe im Werte von anderthalb Millionen Sesterzen hinzu. Wurde die Sache von Anfang an so eingefädelt oder lief es erst am Ende darauf hinaus, oder ist die Geldsumme gering, oder ist Verres der Mann, von dem man glauben könnte, er habe, was ich schilderte, umsonst getan ? Erfahrt jetzt von dem Elend der beiden Sizilier, ihr Richter. Der Syrakusaner Heraclius und der Bidiner Epikrates kamen, von ihrem gesamten Besitz vertrieben, nach Rom; in Trauerkleidern, mit langem Bart und Haupthaar hielten sie sich dort fast zwei Jahre auf, bis L. Metellus in die Provinz abreiste. Da
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bene
A C T I O N IS
commendati
IN
C.VERREM
cum
Metello
SECUNDAE
una
LIB.II
profìciscuntur.
Metellus, simul ac venit Syracusas, u t r u m q u e rescidit, et de Epicrate et de Heraclio. In utriusque bonis nihil erat quod restituí posset, nisi si quid moveri loco non potuerat. Fecerat h o c egregie p r i m o adventu Metellus, ut omnis istius iniurias, quas m o d o posset, rescinderet et inritas faceret. Q u o d Heraclium restituí iusserat ac non restituebatur, quisquís erat eductus senator Syracusanus ab Heraclio,
duci
iubebat;
itaque
permulti
ducti
sunt.
Epicrates quidem c o n t i n u o est restitutus. Alia iudicia Lilybaei, alia Agrigenti, alia Panhormi restituía sunt. Census qui isto praetore sunt habiti non servaturum se Metellus ostenderat; decumas quas iste contra
legem
H i e r o n i c a m vendiderat sese venditurum H i e r o n i c a lege edixerat. O m n i a erant Metelli eius modi ut non tarn suam praeturam gerere q u a m istius praeturam retexere videretur.
Simul atque ego in Siciliam veni, mutatus est. Venerat
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C. VERRES,
2.
BUCH
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sen hielten sich hierbei an einen alten Brauch der Steuerpächter; nicht als ob sie geglaubt hätten, Verres verdiene irgendeine Ehre, sondern weil sie meinten, es sei von Vorteil für sie, wenn man sie für erkenntlich und dankbar halte, deshalb statteten sie ihren Dank ab; sie erklärten, Carpinatius habe ihnen oft in Briefen von seinen Gefälligkeiten berichtet. Verres antwortete, das habe er gern getan, und lobte die Dienste des Carpinatius über die Maßen; dann gibt er einem seiner Freunde, der damals Vorsteher der Gesellschaft war 145 , den Auftrag, er möge doch gewissenhaft darauf achten und besorgt sein, daß sich in den Schriftstücken der Pachtgenossen nichts finde, was man gegen seine Person oder seinen Ruf verwerten könne. Dieser Mann bittet daher (wobei er die übrigen Gesellschafter, eine große Anzahl, ausschloß) die Zehntpächter 144 zu sich und trägt ihnen die Sache vor. Die aber setzen fest und beschließen, man solle die Schriftstücke, die dem Rufe des C. Verres abträglich seien, beseitigen und alles Erforderliche tun, daß hieraus dem C. Verres keinerlei Nachteil erwachsen könne. Wenn ich zeige, daß die Zehntpächter dies beschlossen haben, wenn ich beweise, daß auf Grund dieses Beschlusses Schriftstücke beseitigt wurden, was erwartet ihr dann noch von mir? Könnte ich eine klarer entschiedene Sache vorbringen, einen nachdrücklicher verurteilten Angeklagten vor Gericht ziehen ? Und gar durch wessen Entscheidung verurteilt! Doch wohl durch die Entscheidung derer, denen die Wortführer einer strengeren Gerichtsbarkeit die Gerichte zu übertragen wünschen; sie sind es ja, die das Volk jetzt zu Richtern verlangt, um derentwillen, damit sie unsere Richter seien, wir einen Gesetzesentwurf angeschlagen sehen, und zwar von einem Manne nicht unseres Standes und nicht aus ritterlichem Hause, sondern aus höchstem Adel147. Die Zehntpächter, das heißt die Häupter und gleichsam die Senatoren
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ACT IΟ Ν I S IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.II
senatores publicanorum, removendas de medio litteras censuerunt. Habeo ex iis qui adfuerunt quos producam, quibus hoc committam, homines honestissimos ac locuplecissimos, istos ipsos principes equestris ordinis, q u o r u m splendore vel maxime istius qui legem promulgava oratio et causa nititur. Venient in medium, dicent quid statuerint; profecto, si recte homines novi, non mentientur; litteras enim communis de medio removere potuerunt, fidem suam et religionem removere non possunt. Ergo équités Romani, qui te suo iudicio condemnarunt, h o r u m iudicio condemnari noluerunt: vos nunc u t r u m illorum iudicium an voluntatem sequi malitis, considerate.
At vide quid te amicorum tuorum Studium, quid tuum consilium, quid sociorum voluntas adiuvet. Dicam paulo promptius; neque enim iam vereor ne quis hoc me magis accusatorie quam libere dixisse arbitretur. Si istas litteras non decreto decumanorum magistri removissent, t a n t u m possem in te dicere quantum in litteris invenissem: n u n c decreto isto facto litterisque remotis tantum mihi licet dicere quantum possum, tantum iudici suspicari q u a n t u m velit. Dico te maximum pondus auri argenti eboris purpurae, plurimam vestem Melitensem, plurimam stragulam, multam Deliacam supellectilem, plurima vasa Corinthia, magnum n u m e r u m frumenti,
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C. V E R R E S ,
2. B U C H
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der Steuerpächter, beschlossen, die Schriftstücke zu beseitigen. Ich kann einige von denen, die zugegen waren, als Zeugen vorführen, hochangesehene und sehr begüterte Leute, denen ich mich anvertrauen darf, die Häupter des Ritterstandes selbst, auf deren Glanz sich die empfehlenden Worte und die Sache dessen, der das Gesetz entworfen hat, hauptsächlich stützen. Sie werden sich hier einfinden, werden aussagen, was sie beschlossen haben. Gewiß werden sie, wenn ich die Männer recht kenne, nicht die Unwahrheit sagen; denn sie konnten zwar gemeinschaftliche Schriftstücke beseitigen, doch ihre eigene Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit können sie nicht beseitigen. Demnach suchten die römischen Ritter, die dich durch ihr eigenes Urteil fur schuldig befanden, zu verhindern, daß dich auch das Urteil dieser Richter hier für schuldig erkläre; doch ihr mögt jetzt erwägen, ob ihr euch lieber durch ihr Urteil oder durch ihren Wunsch bestimmen lassen wollt. Doch sieh, wozu der Eifer deiner Freunde, wozu dein eigener Plan, wozu die Willfährigkeit der Pachtgenossen dir verhilft. Ich will mich etwas deutlicher ausdrücken; denn ich fürchte jetzt nicht mehr, daß jemand annimmt, ich hätte nicht so sehr wie ein freier Mann, sondern eher wie ein übertreibender Ankläger gesprochen. Hätten die Vorsteher die Schriftstücke nicht gemäß dem Beschluß der Zehntpächter beseitigt, dann könnte ich nur so viel gegen dich vorbringen, wie ich in diesen Schriftstücken gefunden hätte. Jetzt aber, da man den Beschluß gefaßt und die Schriftstücke beseitigt hat, darf ich so viel behaupten, wie ich vermag, darf der Richter so viel mutmaßen, wie er nur will. Ich erkläre, daß du eine schwere Menge Gold, Silber, Elfenbein und Purpur, sehr viel melitisches Tuch, zahlreiche Teppiche, viel delisches Hausgerät, sehr viele korinthische Gefäße1 eine große Menge Getreide und eine beträchtliche Ladung Honig aus
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ACT IΟ Ν I S IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB. II
vim mellis maximam Syracusis exportasse; his pro rebus quod portorium non esset datum, litteras ad socios misisse L. Canuleium, qui in portu operas daret. Satisne magnum crimen hoc videtur? Nullum, opinor, 177 maius. Q u i defendet Hortensias? Postulabit ut litteras Canulei proferam. Crimen eius modi nisi litteris confirmetur inane esse dicet. Clamabo litteras remotas esse de medio, decreto sociorum erepta mihi esse istius indicia ac m o n u m e n t a furtorum. Aut hoc contendat n u m q u a m esse factum, aut omnia tela excipiat necesse est. Negas esse factum. Placet ista mihi defensio, descendo; aequa enim contentio, aequum certamen proponitur. Producam testis, et producam pluris eodem tempore; quoniam tum cum actum est una fuerunt, nunc quoque una sint; cum interrogabuntur, obligentur non solum iuris iurandi atque existimationis periculo, sed etiam communi inter se conscientia. Si planum fit hoc ita quem ad m o d u m '7® dico esse factum, n u m poteris dicere, Hortensi, nihil in istis fuisse litteris quod Verrem laederet? N o n modo id non dices, sed ne illud quidem tibi dicere licebit, tantum quantum ego dicam non fuisse. Ergo hoc vestro Consilio et gratia perfecistis, ut, quem ad m o d u m paulo ante dixi, et mihi summa facultas ad accusandum daretur, et iudici libera potestas ad credendum.
Q u o d cum ita sit, nihil fingam tarnen. Meminero me '79 non sumpsisse quem accusarem, sed recepisse quos de-
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C. VERRES,
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Syrakus ausgeführt hast; daß L.Canuleius, der im Hafen beschäftigt war, den Pachtgenossen brieflich Bericht erstattete, weil für diese Waren kein Hafenzoll gezahlt worden war. Erscheint dieser Vorwurf als schwer genug? Es gibt, meine ich, keinen schwereren. Wie wird Hortensius die Verteidigung führen ? Er wird verlangen, daß ich die Briefe des Canuleius vorlege, wird erklären, ein derartiger Vorwurf sei unbegründet, wenn man ihn nicht durch Urkunden bekräftige. Ich werde dann laut beteuern, die Briefe seien doch beseitigt worden, der Beschluß der Pachtgenossen habe mir die Unterlagen und schriftlichen Belege fur die Hinterziehungen des Verres geraubt. Er aber muß entweder behaupten, nichts dergleichen sei je geschehen, oder sich allen Geschossen aussetzen. Du leugnest, daß es geschehen sei. Mir gefallt diese Verteidigung, ich gehe in den Ring. Denn ein gleicher Kampf, ein Wettstreit zu gleichen Bedingungen wird mir angeboten. Ich werde Zeugen vorführen, und werde mehrere auf einmal vorfuhren ; weil sie damals, als die Sache geschah, beisammen waren, sollen sie auch jetzt beisammen sein; wenn man sie befragt, dann soll sie nicht nur die Eidesdrohung und die Gefahr für ihren Ruf, sondern auch das gemeinsame Bewußtsein miteinander verbinden. Wenn sich nun herausstellt, daß dies so, wie ich sage, vor sich gegangen sei, kannst du dann noch behaupten, Hortensius, in den Schriftstücken habe nichts gestanden, was Verres zu belasten vermöchte? Das wirst du durchaus nicht behaupten, ja nicht einmal die Behauptung wird dir offenstehen, so viel, wie ich versichere, habe nicht daringestanden. Ihr habt also mit eurem Beschluß und eurer Gefälligkeit nur erreicht, daß, wie ich soeben sagte, mir reicher Stoff zum Anklagen und den Richtern eine unbeschränkte Vollmacht zu Mutmaßungen dargeboten wird. So steht es hiermit, doch ich werde trotzdem nichts erfinden. Ich will bedenken, daß ich mir ja nicht jemanden aus-
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ACTIONIS
IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.II
fenderem; vos ex me causam non a me prolatam, sed ad m e delacam audire oportere; me Siculis satis esse fact u r u m si q u a e cognovi in Sicilia, quae accepi ab ipsis, diligenter exposuero, populo R o m a n o si nullius vim, nullius potentiam pertimuero, vobis si facultatem vere atque honeste iudicandi fide et diligentia mea fecero, mihimet si ne m i n i m u m quidem d e meo curriculo vitae, q u o d mihi semper propositum fuit, decessero.
Q u a p r o p t e r nihil est q u o d metuas ne quid in te confingam: etiam q u o d laetere habes. Multa enim quae scio a te esse commissa, q u o d aut nimium turpia aut p a r u m credibilia sunt, praetermittam. T a n t u m agam de hoc toto n o m i n e societatis. Ut iam scire possis, quaeram decret u m n e sit. C u m id invenero, quaeram remotaene sint litterae. C u m id q u o q u e constabit, vos iam hoc me tacito intellegetis: si illi qui hoc istius causa decreverunt équités R o m a n i nunc idem in eum iudices essent, istum sine d u b i o condemnarent, de q u o litteras eas quae istius furta indicarent et ad se missas et suo decreto remotas scirent esse. Q u e m igitur ab iis equitibus Romanis, qui istius causa cupiunt omnia, qui ab eo benignissime tractati sunt, condemnari necesse esset, is a vobis, iudices, ulla via aut ratione absolví potest?
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C. V E R R E S ,
2. BUCH
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gesucht habe, ihn anzuklagen, sondern es auf mich nahm, bestimmte Leute zu verteidigen, daß ihr nicht eine von mir anhängig gemachte, sondern eine mir übertragene Sache anhören müßt, daß ich den Sizilien! Genüge tue, wenn ich sorgfältig darlege, was ich in Sizilien erfahren, was ich von ihnen selbst vernommen habe, und dem römischen Volke, wenn ich mich durch keine Gewalt und keine Macht einschüchtern lasse, sowie euch, wenn meine Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit euch die Möglichkeit verschafft, richtig und in Ehren zu entscheiden, und schließlich mir selbst, wenn ich nicht im mindesten von der Lebensbahn abweiche, die ich mir stets vorgezeichnet habe ,4 '. Du hast somit keinen Grund zu furchten, daß ich etwas gegen dich erfinde; du hast sogar Grund, dich zu freuen. Denn ich werde viele deiner Vergehen, von denen ich weiß, unberücksichtigt lassen, weil sie entweder gar zu schandbar oder allzu unglaublich sind. Ich werde den Handel mit der Pachtgenossenschaft nur im ganzen erörtern. Damit du Bescheid weißt: ich werde prüfen, ob der Beschluß gefaßt worden ist. Wenn ich das herausgefunden habe, dann prüfe ich weiterhin, ob man Schriftstücke beseitigt hat. Wenn auch das feststeht, dann seht ihr gewiß, ohne daß ich noch ein Wort zu sagen brauche, folgendes ein : wenn jene römischen Ritter, die dem Verres zu Gefallen den Beschluß gefaßt haben, jetzt auch über ihn zu Gericht säßen, dann würden sie ohne Zweifel den Mann verurteilen, von dem sie ja wüßten, daß Schriftstücke, die seine Unterschlagungen anzeigten, an sie gesandt und auf ihren Beschluß hin beseitigt worden seien. Er müßte also von den römischen Rittern verurteilt werden, die ihm in jeder Beziehung wohlwollen, die äußerst zuvorkommend von ihm behandelt worden sind - kann dieser Mann von euch, ihr Richter, durch irgendwelche Mittel und Wege einen Freispruch erhalten ?
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A C T I O N IS IN C. V E R R E M S E C U N D A E
L I B . II
A c ne forte ea, quae remota de m e d i o a t q u e erepta nobis sunt, o m n i a ita condita fuisse atque ita abdita latuisse videantur ut haec diligentia, q u a m ego a m e exspectari m a x i m e puto, nihil e o r u m investigare, nihil adsequi potuerit - quae Consilio aliquo aut ratione inveniri potuerunt inventa sunt, iudices: manifestis in rebus h o m i n e m iam teneri videbitis. N a m q u o d in p u b l i c a n o r u m causis vel p l u r i m u m aetatis meae versor v e h e m e n t e r q u e ilium o r d i n e m observo, satis c o m m o d e mihi videor
eorum
c o n s u e t u d i n e m usu tractandoque cognosse.
Itaque ut hoc c o m p e r i , remotas esse litteras societatis, habui rationem e o r u m a n n o r u m per quos iste in Sicilia fuisset; dein quaesivi, q u o d erat inventu f a c i l l i m u m , qui per eos annos magistri illius societatis fuissent, a p u d quos tabulae fuissent. Sciebam e n i m hanc m a g i s t r o r u m qui tabular habercnt c o n s u e t u d i n e m esse, ut, c u m tabulas n o v o magistro traderent, exempla litterarum ipsi habere non nollent. Itaque ad L. V i b i u m , equitem R o m a n u m , v i r u m p r i m a r i u m , q u e m reperiebam m a g i s t r u m fuisse eo ipso a n n o qui mihi m a x i m e quaerendus erat, p r i m u m veni. S a n e h o m i n i praeter o p i n i o n e m improviso incidi. Scrutatus s u m quae potui et quaesivi o m n i a : inveni d u o s solos libellos a L . C a n u l e i o missos sociis ex p o r t u Syracusis, in q u i b u s erat scripta ratio m e n s u u m c o m p l u r i u m rerum e x p o r t a t a r u m istius n o m i n e sine portorio: itaque obsignavi statim. N o n erat haec ex e o d e m genere q u o d
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C. VERRES,
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Und es soll nicht etwa aussehen, als sei alles, was man beiseite geschafft und uns entzogen hat, so verborgen gewesen und so versteckt geblieben, daß die Sorgfalt, die, wie ich glaube, vor allem von mir erwartet wird, nichts hätte aufspüren, nichts davon hätte erlangen können; was sich mit einiger Berechnung oder Überlegung finden ließ, das ist gefunden, ihr Richter; ihr sollt jetzt sehen, daß wir den Mann mit offenkundigen Tatsachen zu fassen bekommen. Denn weil ich mich wohl die meiste Zeit meines Lebens mit den Angelegenheiten der Steuerpächter beschäftige und mich mit großer Aufmerksamkeit ihrem Stande widme, glaube ich durch Umgang und Erfahrung hinlänglich mit ihrer gewöhnlichen Handlungsweise vertraut zu sein. Sobald ich also erfuhr, man habe Schriftstücke der Pachtgenossenschaft beseitigt, überschlug ich die Jahre, während deren Verres Prätor in Sizilien gewesen war; dann forschte ich nach, was zu ermitteln kinderleicht war, welche Leute in diesen Jahren Vorsteher der Pachtgesellschaft gewesen seien, bei denen sich die RechnungsbUcher befunden hatten. Ich wußte nämlich, daß die Vorsteher, die die Bücher führten, gewöhnlich nicht abgeneigt waren, selbst eine Abschrift der Urkunden zurückzubehalten, wenn sie die Bücher dem neuen Vorsteher übergaben. Ich wandte mich daher zuerst an L. Vibius, einen angesehenen römischen Ritter, der, wie ich feststellte, gerade in dem Jahre Vorsteher gewesen war, über das ich hauptsächlich Untersuchungen anzustellen hatte. Wahrhaftig, ich überraschte den Mann wider sein Erwarten und ganz unvermutet. Ich durchforschte, was ich konnte, und sah überall nach. Ich fand lediglich zwei Berichte, die L. Canuleius den Pachtgenossen aus dem Hafen von Syrakus geschickt hatte; sie enthielten eine mehrmonatige Aufstellung von Waren, die im Namen des Verres ohne Hafenzoll ausgeführt worden waren. Ich versiegelte sie daher auf der
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ACTIONIS
IN C . V E R R E M
SECL'NDAE
LIB.II
ego maxime genus ex sociorum litceris reperire cupiebam; verum tantum inveni, iudices, quod apud vos quasi exempli causa proferre possem. Sed tarnen quicquid erit in his libellis, q u a n t u l u m c u m q u e videbitur esse, hoc quidem certe manifestum erit: de ceteris ex hoc coniecturam facere debebitis. Recita mihi, quaeso, h u n c primum libellum, deinde ilium alterum. L I B E L L I C A N U L E I A N I .
Non quaero unde c c c c amphoras mellis habueris, unde t a n t u m Melitensium, unde L tricliniorum lectos, unde tot candelabra; non, inquam, iam quaero unde haec habueris, sed quo t a n t u m tibi opus fuerit, id quaero. O m i t t o de melle, sed t a n t u m n e Melitensium, quasi etiam amicorum uxores, t a n t u m lectorum, quasi omnium istorum villas ornaturus esses? Et cum haec paucorum mensuum ratio in his libellis sit, facite ut vobis trienni totius veniat in mentem. Sic contendo, ex his parvis libellis apud u n u m magistrum societatis repertis vos iam coniectura adsequi posse cuius modi praedo iste in illa provincia fuerit, quam multas cupiditates, quam varias, quam infinitas habuerit, quantam pecuniam non solum numeratam, verum etiam in huiusce modi rebus positam confecerit; quae vobis alio loco planius explicabuntur.
,s
4
N u n c hoc attendite. His exportationibus quae recitatae sunt scribit H S LX socios perdidisse ex vicensima portori Syracusis. Pauculis igitur mensibus, ut hi pusilli et contempt! libelli indicant, furta praetoris, quae essent
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Stelle. Sie waren nun nicht von der Art, wie ich sie vor allem in den Aufzeichnungen der Pachtgenossen zu finden wünschte 150 , indes, ich habe doch so viel entdeckt, ihr Richter, daß ich euch gewissermaßen ein Beispiel vorführen kann ; was diese Schriften auch enthalten, wie unbedeutend es auch scheinen mag, so ist doch wenigstens dies an den T a g gebracht; das übrige müßt ihr hieraus erschließen. Lies mir bitte zuerst diese Schrift vor, und dann die zweite. - (Die Berichte des Canuleius.) Ich frage jetzt nicht, woher du vierhundert Amphoren' 51 Honig hast, woher so viel melitisches Tuch, woher fünfzig Polster für Liegebänke, woher so viele Leuchter; ich frage jetzt nicht, sage ich, woher du das hast, sondern wozu du so viele Dinge brauchst, das frage ich. Von dem Honig will ich nicht reden, doch wozu so viel melitisches Tuch, als ob du auch die Frauen deiner Freunde, und wozu so viele Polster, als ob du ihrer aller Landhäuser ausschmücken wolltest? Und da diese Schriften nur die Aufstellung von wenigen Monaten enthalten, müßt ihr den ganzen dreijährigen Zeitraum im Geiste überschlagen. Denn ich behaupte: aus diesen kurzen Berichten, die sich bei einem einzigen Vorsteher einer Pachtgescllschaft gefunden haben, könnt ihr bereits schließen, was für ein Räuber dieser Verres in der Provinz gewesen ist, wie viele, wie verschiedenartige, wie grenzenlose Begierden er hatte, wieviel Geld, nicht nur in bar, sondern auch angelegt in Waren dieser Art, er zusammenbrachte. Ich werde euch dies an anderer Stelle deutlicher auseinandersetzen. Achtet für jetzt auf folgendes. Durch die Ausfuhren, die ich verlesen ließ, hätten, so schreibt Canuleius, die Pachtgenossen 60000 Sesterzen von dem Zwanzigsten, dem Hebesatz des syrakusischen Hafenzolls, eingebüßt. Demnach ist in wenigen Monaten, wie diese unscheinbaren und verachteten Schriftstücke verraten, Diebesgut des Prätors im Werte von
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ACT IΟ Ν I S IN C . V E R R E M S E C U N D A E L I B . II
H S c c , ex uno o p p i d o solo exportata sunt. Cogitate nunc - c u m ilia Sicilia sit, hoc est insula q u a e undique exitus marítimos habeat - , q u i d ex ceteris locis exportatum putetis, quid Agrigento, q u i d Lilybaeo, quid Panhormo, quid Thermis, q u i d Halaesa, q u i d Catina, quid ex ceteris oppidis, q u i d vero Messana, q u e m iste sibi locum m a x i m e tutum esse arbitrabatur, ubi a n i m o semper soluto liberoque erat, q u o d sibi iste M a m e r t i n o s delegerat ad q u o s omnia quae aut diligentius servanda aut occultius exportanda erant deportare!. H i s inventis libellis ceteri remoti et diligentius sunt reconditi; nos tarnen, ut o m n e s intellegant hoc nos sine cupiditate agere, his ipsis libellis contenti s u m u s .
N u n c ad sociorum tabulas accepti et expensi, quas re-
18f
>
movere honeste nullo m o d o potuerunt, et ad a m i c u m tuum C a r p i n a t i u m revertemur. Inspiciebamus Syracusis a Carpinatio confectas tabulas societatis, quae significabant multis nominibus eos homines versuram a Carpinatio fecisse qui pecunias Verri dedissent; q u o d erit vobis luce clarius, iudices, t u m c u m eos ipsos produxero qui dederunt; intellegetis enim illa t e m p o r a per quae, cum essent in periculo, pretio sese redemerunt c u m societatis tabulis non solum consulibus verum etiam mensibus convenire.
C u m haec maxime cognosceremus et in manibus ta-
i8
7
bulas haberemus, repente aspicimus lituras eius modi quasi q u a e d a m vulnera tabularum recentia. Statim suspicione ofFensi ad ea ipsa n o m i n a oculos a n i m u m q u e transtulimus. Erant acceptae pecuniae C . VERRUCIO C . F., sic
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C. VERRES,
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1200000 Sesterzen aus einer einzigen Stadt ausgeführt worden. Stellt euch jetzt vor, da es sich ja um Sizilien handelt, das heißt um eine Insel, die nach allen Seiten Ausgangsplätze zur See hat, mit was fur Ausfuhren aus den übrigen Häfen ihr rechnen müßt, aus Agrigent, aus Lilybaeum, aus Panormos, aus Thermal, aus Halaesa, aus Catina, aus den übrigen Städten, namentlich aus Messana, wo Verres sich am sichersten fühlte, wo er stets sorglos und unbekümmert war; hatte er sich doch die Mamertiner auserwählt, alles in ihre Obhut zu nehmen, was sorgfaltiger bewacht oder einigermaßen verborgen ausgeführt werden mußte 1 5 1 . Nachdem ich diese Schriftstücke gefunden hatte, wurden die übrigen beseitigt oder gründlicher versteckt; wir indessen geben uns schon mit ihnen zufrieden, so daß jedermann sich überzeugen kann, wie leidenschaftslos wir in dieser Sache verfahren. Jetzt wollen wir auf die Rechnungsbücher der Pachtgenossen, die man in keiner Weise mit Anstand beseitigen konnte, und auf deinen Freund Carpinatius zurückkommen. Ich habe in Syrakus die von Carpinatius geführten Bücher der Gesellschaft geprüft; aus vielen ihrer Posten ging hervor, daß sich Leute, die Zahlungen an Verres leisteten, die Beträge bei Carpinatius geliehen hatten. Das wird euch sonnenklar sein, ihr Richter, sobald ich euch die Leute, die das Geld gaben, leibhaftig vorführe. Ihr werdet nämlich feststellen, daß die Zeit, in der sie sich, da sie in Gefahr schwebten, für Geld loskauften, mit den Büchern der Pachtgesellschaft nicht nur dem Konsulatsjahre, sondern auch den Monaten nach übereinstimmt. Als ich dies genau untersuchte und die Bücher in Händen hielt, da erblicke ich plötzlich verbesserte Stellen, die wie frische Wunden der Bücher aussahen. Ich schöpfte sofort Verdacht und richtete Auge und Aufmerksamkeit gerade auf diese Posten. Es waren Gutschriften für einen C.Verrucius,
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A C T IΟ Ν IS IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.II
tamen ut usque ad alterum R litterae constaren! integrae, reliquae o m n e s essent in litura; alterum, tertium, quart u m , permulta erant eiusdem m o d i n o m i n a . C u m manifesta res flagitiosa litura tabularum atque insignis turpit u d e teneretur, quaerere incipimus de C a r p i n a t i o quisnam is esset Verrucius q u i c u m tantae pecuniae rationem haberet. Haerere h o m o , versari, rubere. Q u o d lege excipiuntur tabulae p u b l i c a n o r u m q u o minus R o m a m deportentur, ut res q u a m m a x i m e clara et testata esse posset, in ius ad Metellum C a r p i n a t i u m voco tabulasque societatis in f o r u m defero. Fit m a x i m u s consursus homin u m , et, q u o d erat Carpinati nota c u m isto praetore societas ac faeneratio, s u m m e exspectabant o m n e s quidnam in tabulis teneretur.
R e m ad Metellum defero, me tabulas perspexisse soci-
ltiH
o r u m ; in his tabulis m a g n a m rationem C . Verruci permultis n o m i n i b u s esse, m e q u e hoc perspicere ex consulum m e n s u u m q u e ratione, hunc Verrucium neque ante a d v e n t u m C . Verris neque post decessionem quicquam c u m C a r p i n a t i o rationis habuisse; postulo ut mihi respondeat qui sit is Verrucius, mercator an negotiator an arator an pecuarius, in Sicilia sit an iam decesserit. Clamare o m n e s ex conventu neminem u m q u a m in Sicilia fuisse Verrucium. E g o instare ut mihi responderet quis esset, ubi esset, unde esset; cur servus societatis qui tabulas conficeret semper in Verruci n o m i n e certo ex loco
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den Sohn des Gaius doch so, daß die Buchstaben bis zum zweiten «r» unversehrt geblieben waren, die übrigen aber sämtlich eine durchstrichene Stelle bedeckten; es waren zwei, drei, vier - sehr viele ähnliche Posten. Da die skandalöse Verbesserung der Bücher die Sache aufdeckte und sich eine beispiellose Schändlichkeit mit Händen greifen ließ, begann ich mich bei Carpinatius zu erkundigen, wer denn dieser Vernicius sei, mit dem er so viele Geldgeschäfte abschließe. Der Mann stockte, er wand sich, er errötete. Da die Bücher der Steuerpächter laut gesetzlichen Vorbehaltes nicht nach Rom gebracht werden dürfen, lade ich, um die Sache so klar wie möglich durch Zeugnisse feststellen zu lassen, den Carpinatius vor das Gericht des Metellus und bringe die Bücher der Pachtgesellschaft auf den Marktplatz. Ein großer Menschenauflauf entsteht, und weil bekannt war, daß Carpinatius gemeinsam mit dem Prätor Verres Wuchergeschäfte betrieben hatte, warteten alle mit Spannung, was sich wohl in den Büchern finde. Ich trage dem Metellus die Sache vor: ich hätte die Bücher der Pachtgenossen geprüft; diese Bücher enthielten in zahlreichen Posten ein großes Guthaben eines GVerrucius; ich hätte die Konsulatsjahre und Monate überschlagen und daraus ersehen, daß dieser Verrucius weder vor der Ankunft des C. Verres noch nach seiner Abreise in irgendeiner Geschäftsbeziehung zu Carpinatius gestanden habe. Ich verlange, daß Carpinatius mir Auskunft gibt, wer dieser Verrucius sei, ob ein Kaufmann oder Großhändler, ob ein Landwirt oder Viehzüchter, ob er in Sizilien lebe oder schon gestorben sei. Die ganze Versammlung schrie, es habe in Sizilien niemals einen Verrucius gegeben. Ich setzte ihm zu, er solle mir antworten, wer das sei und wo und woher er sei; warum sich der Sklave der Pachtgesellschaft, der die Bücher führte, stets bei dem Namen des Verrucius von einer bestimmten Stelle an ver-
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ACTIONIS
IN
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mendosus esset. Acque haec postulabam, non quo ilium '^y cogi putarem oportere ut ad ea mihi r e s p o n d e r « invitus, sed ut omnibus istius furta, illius flagitium, utriusque audacia perspicua esse posset. Itaque ilium in iure metu conscientiaque peccati m u t u m atque exanimatum ac vix vivum relinquo, tabulas in foro s u m m a h o m i n u m frequentia exscribo; adhibentur in scribendo ex conventu viri primarii, litterae lituraeque omnes adsimulatae et expressae de tabulis in libros transferuntur. Haec omnia >9° s u m m a cura et diligentia recognita et collata et ab hominibus honestissimis obsignata sunt.
Si Carpinatius mihi tum respondere noluit, responde tu mihi nunc, Verres, quem esse h u n c t u u m paene gentilem Verrucium pûtes. Fieri non potest ut, quem video te praetore in Sicilia fuisse et quem ex ipsa ratione intellego locupletem fuisse, eum tu in tua provincia non cognoveris. Atque adeo, ne hoc aut longius aut obscurius esse possit, procedite in medium atque explicate descriptioijem imaginemque tabularum, ut omnes mortales istius avaritiae non iam vestigia sed ipsa cubilia videre possint. Liber explicetur. Videtis Verrucium? videtis pri- >9' mas litteras integras? videtis extremam partem nominis, codam illam Verrinam tamquam in luto demersam esse in litura? Sic habent se tabulae, iudices, ut videtis. Q u i d exspectatis, quid quaeritis amplius? Tu ipse, Verres, quid sedes, quid moraris? N a m aut exhibeas nobis Verrucium necesse est aut te Verrucium esse fateare.
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schrieben habe. Und dies verlangte ich nicht, weil ich geglaubt hätte, man müsse ihn zwingen, mir auch wider Willen zu antworten, sondern damit jedermann die Diebstähle des Verres, die Schändlichkeit des Carpinatius und die Frechheit beider durchschauen könne. So lasse ich denn den Mann, der aus Furcht und im Bewußtsein seines Vergehens stumm und wie betäubt und halb tot war, im Gericht zurück; auf dem Markte, im Beisein einer großen Menschenmenge, schreibt man mir die Bücher ab; hierbei wirken angesehene Männer aus dem Bezirk mit 154 ; man bildet alle Buchstaben und Streichungen genau und deutlich nach und überträgt sie so aus den Büchern in meine Abschriften. Alles dies wurde mit größter Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit geprüft und verglichen und von hochachtbaren Männern versiegelt. Wenn mir Carpinatius damals nicht antworten wollte, so antworte du mir jetzt, Verres, wer deines Erachtens dieser Verrucius war, der beinahe deiner Familie angehört. Es ist unmöglich, daß du jemanden in deiner Provinz nicht kennst, der sich, wie ich sehe, während deiner Prä tur in Sizilien aufhielt und der, wie ich den Rechnungen entnehme, ein reicher Mann war. Oder besser, damit die Sache nicht zu weitläufig wird oder zu lange im Dunkeln bleibt, tretet vor und entrollt die Abschrift mit der Nachbildung der Rechnungsbücher, damit alle Welt von deiner Habgier nicht nur die Spuren, sondern geradezu die Brutstätte sehen kann. Man entrolle die Schrift. Seht ihr den Namen Verrucius ? Seht ihr, daß die ersten Buchstaben unbeschädigt sind? Seht ihr, wie der letzte Teil des Namens, der Schweifdes Verres in der Durchstreichung wie im Schlamm versunken ist? So, wie ihr es hier seht, ihr Richter, steht es auch in den Büchern. Was erwartet ihr noch, was fragt ihr weiter? Du selbst, Verres, was sitzest du da, was zögerst du ? Denn entweder mußt du uns den Verrucius herbeischaffen oder eingestehen, daß du selbst dieser Verrucius bist.
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ACTIONIS
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SECUNDAE
L I B . II
L a u d a n t u r oratores veteres, Crassi illi et A n t o n i i , q u o d c r i m i n a diluere dilucide, q u o d copiose r e o r u m causas defendere solerent: n i m i r u m illi non ingenio s o l u m his patronis, sed fortuna etiam praestiterunt. N e m o e n i m t u m ita peccabat ut defensioni l o c u m non relinqueret; n e m o ita vivebat ut nulla eius vitae pars s u m m a e turpitudinis esset expers; n e m o ita in m a n i f e s t o peccato tenebatur ut, c u m i m p u d e n s fuisset in facto, t u m i m p u d e n tior videretur si negaret. N u n c vero quid faciat H o r t e n -
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sius? avaritiaene c r i m i n a frugalitatis laudibus deprecetur? A t h o m i n e m flagitiosissimum libidinosissimum nequiss i m u m q u e defendit. A n ab hac eius i n f a m i a nequicia vestros ánimos in aliam partem fortitudinis c o m m e m o ratione traducat? A t h o m o inertior, ignavior, magis vir inter mulleres, i m p u r a inter viros muliercula proferri non potest. At mores c o m m o d i . Q u i s c o n t u m a c i o r , quis inh u m a n i o r , quis superbior? A t haec sine c u i u s q u a m malo. Q u i s acerbior, quis insidiosior, quis crudelior u m q u a m fuit? In hoc h o m i n e atque in eius m o d i causa q u i d facerent o m n e s Crassi et A n t o n i i ? T a n t u m , opinor, Hortensi: ad causam non accederent ñeque in alterius i m p u d e n t i a sui pudoris existimationem amitterent. Liberi e n i m ad causas solutique veniebant, neque c o m m i t t e b a n t ut, si i m p u d e n t e s in d e f e n d e n d o esse noluissent, ingrati in deserendo existimarentur.
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Man lobte die Redner von einst, einen Crassus und Antonius154, weil sie die Anschuldigungen klar zu -widerlegen, weil sie die Sache der Angeklagten einfallsreich zu vertreten pflegten. Allerdings übertrafen sie die jetzigen Anwälte nicht nur durch ihre Begabung, sondern auch wegen der Zeitumstände. Denn damals frevelte niemand so, daß er der Verteidigung keine Möglichkeit mehr offen ließ; niemand lebte so, daß kein Teil seines Lebens frei von der größten Schande war; niemand wurde bei so handgreiflichen Vergehen betroffen, daß er, wenn er sich schon bei der Tat schamlos verhalten hatte, durch Leugnen noch schamloser erschienen wäre. Doch was soll jetzt Hortensius tun? Soll er den Vorwurf der Habgier durch das Lob der Mäßigung abwenden? Indes, er verteidigt den lasterhaftesten, ausschweifendsten und nichtswürdigsten Menschen. Oder soll er eure Aufmerksamkeit von seinem schlechten Rufe und seiner Liederlichkeit auf anderes lenken, indem er seine Tapferkeit erwähnt ? Indes, ein untüchtigerer und feigerer Mensch, jemand, der mehr Mann unter Weibern und mehr sittenloses Weib unter Männern wäre, läßt sich nicht aufweisen. Doch sein Betragen ist gefällig. Wer wäre eigensinniger, wer unfreundlicher, wer anmaßender? Doch das schadet niemandem. Wer war je gehässiger, wer heimtückischer, wer grausamer als er? Was könnten alle Crassus und Antonius mit diesem Menschen und einer solchen Sache anfangen? Nur das, meine ich, Hortensius : sie würden die Sache gar nicht übernehmen noch durch die Ehrlosigkeit eines anderen den Ruf ihrer eigenen Ehrenhaftigkeit aufs Spiel setzen. Denn frei und unabhängig traten sie in die Prozesse ein und ließen es nicht dahin kommen, daß sie, die bei der Annahme von Verteidigungen nicht schamlos sein wollten, wegen der Aufgabe einer Sache für undankbar gelten konnten 157 .
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ANHANG
ZU DIESER
AUSGABE
Die beiden Bände, die nunmehr vorgelegt werden, enthalten eine vollständige zweisprachige Ausgabe der Verres-Reden. Die Übersetzung wurde unverändert aus den Bänden 3 und 4 der deutschen Gesamtausgabe der ciceronischen Reden («Bibliothek der Alten Welt») übernommen. Von dort stammen auch die Einleitungen und Erläuterungen. Die Literaturhinweise wurden ergänzt. Der lateinische Text entstammt der Ausgabe von Peterson, M.Tulli Ciceronis Orationes, Band 3, Oxford 1907. Der Herausgeber hat jedoch in Abweichung hiervon an manchen Stellen eine andere Lesart bevorzugt: diejenige, die er seiner Übersetzung zugrunde gelegt hatte. Überlingen, im Januar 1995
Manfred Fuhrmann
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EINFÜHRUNG IN D I E R E D E N G E G E N C. V E R R E S
DU Teile des f^errinenwerkes Die Reden gegen C. Verres sind aus einem Strafprozeß hervorgegangen, dem einzigen, in dem Cicero die Rolle des Anklägers übernommen hat. Sie entstammen dem Jahre 70 v.Chr.; sie sind vollständig erhalten. Das Ganze und seine ungleichen Teile machen, gemessen an der üblichen Form antiker Prozeßreden, ein Unikum aus; Aufbau und Zusammensetzung des Verrinenwerks sind das Produkt besonderer Situationen und ungewöhnlicher Initiativen. Der erste Teil, die Rede gegen Q^Caecilius, gilt einer prozessualen Vorfrage: da nicht nur Cicero, sondern auch Caeálius beim zuständigen Prätor Anzeige gegen Verres erstattet und sich hiermit um das Amt des Anklägers beworben hatte, mußte zunächst entschieden werden, welcher Antrag besser begründet sei; die Rede gegen Caecilius gibt das Plädoyer wieder, das Cicero während der Verhandlung über diese Angelegenheit gehalten hat. Auch der zweite Teil des Verrinenwerks, die sogenannte erste Rede gegen Verres, befaßt sich nicht mit der Hauptsache, mit den Vergehen, die sich Verres während seiner Statthalterschaft in Sizilien hatte zuschulden kommen lassen; Cicero erörtert dort die Prozeßtaktik des Gegners und seine eigene Gegenmaßnahme, den Verzicht auf das übliche ausführliche Plädoyer des Anklägers. Die erste Rede gegen Verres begründet somit lediglich, weshalb eine eigentliche Rede unterbleibt; sie ist nichts als eine Einführung in die Beweisaufnahme, das heißt in die Verhandlungsphase, die im allge-
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EINFÜHRUNG
meinen erst auf zusammenhängende Vorträge der Anklage und der Verteidigung folgte. Die übrigen Teile des Verrinenwerks, die fünf Bücher, die Cicero zur sogenannten zweiten Rede gegen Verres zusammengefaßt hat, holen endlich das bisher Hintangehaltene in reichem Maße nach: Buch 1 schildert das Vorleben des Angeklagten; die Bücher 2 - 3 behandeln in systematischer Ordnung den eigentlichen Anklagestoff, die Missetaten der sizilischen Statthalterschaft. Die zweite Rede gegen Verres ist jedoch gar nicht vorgetragen worden. Cicero verfaßte sie, nachdem sich der Angeklagte, von der Aussichtslosigkeit seiner Sache überzeugt, dem weiteren Verfahren durch die Selbstverbannung entzogen hatte. Die zweite Rede gibt somit lediglich vor, eine Prozeßrede zu sein; ihrer Substanz nach könnte man sie am ehesten als eine publizistische Unternehmung, als die ausgearbeitete Dokumentation über eine politisch bedeutsame Affare bezeichnen. DU rechtlichen Grundlagen Jet Prozenei Die Strafjustiz der römischen Republik vollzog sich in anderen Formen, als sie dem Bürger eines modernen Staates geläufig sind. Schon die Sphären des Zivil- und des Strafrechts waren nicht ebenso voneinander abgegrenzt wie heutzutage : alle leichtere Kriminalität, zu der auch Tatbestände wie Diebstahl und Körperverletzung gehörten, konnte lediglich vom Geschädigten verfolgt werden; er mußte seine Ansprüche in einem Privatprozeß durchfechten, der sich im wesentlichen nur durch seine Folgen, etwa durch Bußen, die ein Mehrfaches der Schadenssumme betrugen, von einer geschäftlichen Streitsache unterschied. Der römische Staat nahm sich demnach lediglich der schweren Delikte an, etwa des Mordes und zumal aller Verbrechen, die sich gegen seine eigene Existenz richte-
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ten (Hochverrat, Landesverrat u.a.). In derartigen Fällen oblag die Entscheidung zunächst der Volksversammlung, wobei Beamte, insbesondere die Tribunen, als Ankläger fungierten. Die späte Republik hat dieses schwerfallige Verfahren, den sogenannten magistratisch-komitialen Prozeß, durch eine zweckmäßigere Einrichtung ersetzt: durch ständige Geschworenengerichte Çquaestiones perpetuai}, die jeweils bestimmte Verbrechenstatbestände behandelten. Die Neuordnung Sullas (81/80 v.Chr.) verlieh diesen Gerichtshöfen ihre für die ciceronische Zeit maßgebliche Form. Seither bestanden insgesamt sieben quaestiones; eine war fur Mordsachen zuständig, eine andere für Hochverratsfálle usw. Sie beruhten sämtlich auf dem Prinzip der Popularanklage; jeder unbescholtene römische Bürger war befugt, die Aufgaben des Anklägers wahrzunehmen. Den Vorsitz führte jeweils ein Prätor oder ein eigens bestellter sogenannter iudex quaestioms. Jeder Gerichtshof hatte im allgemeinen etwa dreißig bis sechzig Mitglieder, die für jeden einzelnen Prozeß aus einer im voraus aufgestellten Richterliste ausgelost wurden. Die Zusammensetzung der Richterliste bemaß sich nach ständischen Kriterien, die seit gracchischer Zeit einen Gegenstand heftigen Streites bildeten. Gaius Gracchus schloß die Senatoren und deren nächste Angehörige vom Richteramt aus (122 v.Chr.); die Gerichtshöfe rekrutierten sich nunmehr aus Mitgliedern des Ritterstandes, der zweithöchsten Klasse innerhalb der römischen Bürgerschaft. Sulla wiederum machte das Geschworenenamt zur ausschließlichen Domäne der Senatsaristokratie. Auch das Gericht, das über Verres urteilte, bestand lediglich aus Senatoren; eine lex Aurelia indes, die noch im gleichen Jahre eingebracht wurde, wies die Mitgliedschaft in den quaestiones zu gleichen Teilen drei verschiedenen Gruppen zu: den Senatoren, den Rittern sowie
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EINFÜHRUNG
den Ärartribunen, einer Rangklasse, von der die Quellen im übrigen so gut wie nichts zu berichten wissen. Die Verbrechen, die Verres begangen hatte, fielen in der Hauptsache unter eine bestimmte Deliktskategorie des öffentlichen Strafrechts; sie wurden von einem eigens hierfür zuständigen Gerichtshof abgeurteilt. Das Delikt hieß in der Sprache des römischen Rechts crimen pecuniarum repetundarum «Beschuldigung wegen wiederzuerstattender Gelder». Der farblose, ja geradezu euphemistische Ausdruck zielt auf einen der schlimmsten Mißstände spätrepublikanischer Staatsverwaltung: auf die Vielfalt der Willkürakte und Gewalttaten, zu der sich das Gros der schier unumschränkt schaltenden römischen Statthalter in den Untertanengebieten hinreißen ließ. Der Tatbestand des Repetundendelikts (man kann ihn am einfachsten durch den Begriff «Erpressung» wiedergeben) wurde vom Senat formuliert, von der Behörde also, der de facto die Aufsicht über alle Teile des Weltreiches zukam. Er sollte den schlimmsten Auswüchsen statthalterlicher Machtvollkommenheit steuern; seine Geschichte beweist, daß er seinen Zweck nur in sehr unvollkommener Weise erfüllt hat. Der Senat schritt zunächst gegen eklatante Einzelfälle ein (seit 1 7 1 v.Chr.); aus diesen Maßnahmen ging bald darauf eine ständige Kommission für Erpressungssachen hervor (seit 149 v.Chr.). Die weitere Entwicklung wurde maßgeblich durch ein Gesetz bestimmt, das der Tribun Acilius Glabrio, ein Anhänger des Gaius Gracchus, im Jahre 122 v. Chr. einbrachte. Hatte sich die Verpflichtung des für schuldig befundenen Statthalters bisher auf die einfache Herausgabe des unrechtmäßig Erlangten beschränkt, so lautete das Urteil nunmehr auf den doppelten Wertersatz; erst hierdurch wurde die Erpressung zu einem wirklichen crimen, einem Verbrechen abgestempelt. Zwar machte Sulla die Verdoppelung der Ersatzsumme wieder rückgängig; der kriminelle Charakter
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der Erpressung blieb jedoch erhalten: einmal hatte das Delikt nunmehr seinen festen Platz im System der sullanischen Geschworenengerichte; überdies führte ein Schuldurteil in einem Repetundenprozeß eine Minderung der Ehre herbei, der man sich, wie das Beispiel des Verres zeigt, tunlichst durch die Selbstverbannung Çexilium) entzog. Die vielfältigen Formen des Tatbestandes wurden sicherlich imLaufederEntwicklungimmer genauer umschrieben; zurZeit des Verres-Prozesses galten die Annahme größerer Geschenke und selbst jeder Kauf, den der Statthalter oder seine Gehilfen abschlössen, als Erpressung, desgleichen die Aneignung fremden Gutes durch Raub oder Diebstahl, ferner Steuervergehen wie die Einziehung neuer oder die rechtswidrige Erhöhung bestehender Abgaben. Potentielle Geschädigte im Sinne der Repetundengesetze waren sämtliche Untertanen Roms; sie hatten das Recht und im allgemeinen auch die Pflicht, ihre Sache von einem römischen Anwalt Çpatronus) verfechten zu lassen. Wie angedeutet, haben die Bemühungen des Gesetzgebers, der Ausbeutung der Untertanen zu wehren, wenig gefruchtet. Bis zum Ende der Republik sah der normale Aristokrat die Statthalterschaft (ur eine Pfründe an, von der er als möglichst reicher Mann nach Hause zurückzukehren trachtete. Es stand mit der Erpressung ähnlich wie mit ihrem innerrömischen Gegenstück, dem Srimmenkauf bei Wahlen : alle Maßnahmen, die das Übel zu bekämpfen suchten, bekundeten nur die zunehmende Ohnmacht der Rechtlichkeit. Da sich schließlich auch die Gerichte, das wichtigste Instrument dieses Kampfes, nicht selten als bestechlich erwiesen, urteilte Verres ziemlich realistisch, wenn er die Zwecke seiner dreijährigen Statthalterschaft auf folgende Formel brachte (Erste Rede gegen Verres 40): er selbst wolle sich mit dem Gewinn des ersten Jahres begnügen; der des zweiten sei für seine Anwälte und der des dritten für seine Richter bestimmt.
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EINFÜHRUNG Der Prozeß
Der Prozeß gegen Verres bekundet, was damals ein noch so schuldiger Statthalter ins Werk setzen konnte, dem Laufe der Gerechtigkeit zu entgehen. Die von dem Angeklagten praktizierten Kunstgriffe und Quertreibereien waren überhaupt nur möglich, weil nahezu jeder Senator von einigem Rang einer bestimmten Gruppe oder Clique angehörte, deren Mitglieder sich auf Gedeih und Verderb zu wechselseitiger Unterstützung verbanden. Daß die Anschläge des Verres und seiner Genossen schließlich doch nicht zu dem gewünschten Erfolge führten, ist vornehmlich das Verdienst des Anklägers Cicero, seines taktischen Geschicks, seiner Energie und seiner advokatorischen Fähigkeiten. Bereits im Jahre 71 v. Chr. waren Gesandte fast sämtlicher sizilischer Gemeinden in Rom erschienen; sie baten Cicero, den einstigen Quästor von Sizilien, er möge sie in dem geplanten Prozeß gegen Verres vertreten. Cicero übernahm den Auftrag: auf der einen Seite widerstrebte ihm die Rolle des Anklägers, die er bisher stets vermieden hatte; andererseits hat er sicherlich erkannt, daß ihm die skandalöse Affare eine vorzügliche Gelegenheit darbot, sein Talent zu entfalten. Im Januar 70 verließ Verres die Insel; um dieselbe Zeit brach sein Nachfolger, L. Caecilius Metellus, aus der Hauptstadt auf. Verres und seine Leute hatten mit dem Prozeß gerechnet: Cicero stieß sofort auf ihren Widerstand, als er - ebenfalls zu Beginn des Jahres 70 - bei dem für Erpressungssachen zuständigen Prätor M'. Acilius Glabrio Anzeige erstattete. Denn ein Gefolgsmann und einstiger Quästor des Verres, Q^Caecdlius Niger, verlangte ebenfalls als Ankläger zugelassen zu werden. Cicero war zunächst genötigt, in dem erwähnten Vorverfahren sein besseres Anrecht darzutun. Nachdem er dieses Hindernis überwunden hatte und seine Klage ange-
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nommen war, erwirkte er bei Glabrio eine Frist von 1 1 0 Tagen, die Ermittlungen durchzuführen und Beweise zu beschaffen. Cicero reiste nach Sizilien; er sammelte dort in fünfzig Tagen das Material, das er zu den Büchern 2 - 5 der zweiten Rede verarbeitet hat. Seine Tätigkeit wurde durch den neuen Statthalter L.Metellus und dessen Gefolge behindert: man suchte ihm Urkunden vorzuenthalten; man verbot Zeugen, sich bei ihm einzufinden; man bedrängte die sizilischen Gemeinden, nichts zum Nachteil des Angeklagten zu unternehmen. Das Verhalten des Metellus war durch einen unlauteren Pakt bedingt, den Verres zustande gebracht hatte: damals bewarben sich sowohl sein Hauptverteidiger, der Redner Q^Hortensius Hortalus, als auch Q^Caecilius Metellus, ein Bruder des sizilischen Statthalters, um das Konsulat des Jahres 69; außerdem kandidierte M.Caecilius Metellus, ebenfalls ein Bruder des Lucius, für die Prätur; Verres aber hatte sich anheischig gemacht, den Wahlen mit seinem Gelde zu dem gewünschten Ausgang zu verhelfen. Cicero kehrte rechtzeitig vor Ablauf der Frist nach Rom zurück. Abermals sah er sich einem Hindernis gegenüber, das die Clique des Verres ihm bereitet hatte. Unmittelbar nach der Zulassung seiner Klage war ein anderer Ankläger aufgetreten; dieser hatte für seine Sache, einen Erpressungsfall in Achaia, eine Frist von 108 Tagen erbeten. Der Prätor konnte die Verhandlungstermine nach Maßgabe der jeweils beantragten Ermittlungsfristen festsetzen. So verfuhr er auch in diesem Falle; der Scheinprozeß wegen der achäischen Erpressungen wurde dem Verfahren gegen Verres vorgezogen. Dieses Manöver bewirkte eine Verzögerung von drei Monaten; der Termin der ersten Verhandlung rückte von Anfang Mai auf den 5. August. Die achäische Finte war Teil eines raffiniert erdachten Planes. Das Jahr 70 bot für die Absichten des Verres, insbe-
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EINFÜHRUNG
sondere für eine Bestechung des Gerichtes, überaus ungünstige Voraussetzungen. Damals bekleideten Cn. Pompei us und M.Lidnius Crassus ihr erstes Konsulat. Pompeius hatte bereits unmittelbar nach der Wahl einschneidende Reformen, um nicht zu sagen den Abbau der sullanischen Verfassung angekündigt: dem Volkstribunat sollten die einstigen Befugnisse zurückgegeben, den Senatoren die Geschworenengerichte genommen werden. Bei dieser Sachlage war die Verres-Clique bestrebt, den Prozeß bis in das folgende Jahr hinzuziehen. Zwei Umstände kamen ihr hierbei zustatten: einerseits schrieb das Erpressungsgesetz vor, daß ein Urteil erst nach zweimaliger Behandlung des Prozeßgegenstandes gefällt werden dürfe; andererseits standen von Mitte August bis Mitte November nur wenige Wochen für die Rechtsprechung zu Gebote, da der größte Teil dieser Zeit durch insgesamt vier längere Festperioden beansprucht wurde. Ende Juli fanden die Wahlen für das Jahr 69 statt. Hortensius und Q^Metellus, die Verbündeten des Verres, erreichten ihr Ziel. Auch M. Me tell us, der sich um die Prätur bewarb, war erfolgreich; ja der Zufall wollte es, daß ihm die Verlosung der Amtsbereiche den Vorsitz im Repetundengerichtshof einbrachte. Verres empfing bereits die Glückwünsche seiner Anhänger; die Freude über den Erfolg wurde auch dadurch nur wenig getrübt, daß es einige Tage später nicht gelang, Ciceros Wahl zum Ädilen zu verhindern. Im ganzen hatte sich die Lage des Angeklagten erheblich verbessert, und mehr denn je hingen seine weiteren Aussichten von dem Gelingen des Verschleppungsplanes ab. Am Nachmittag des 5. August begann die erste Verhandlungsperiode. Cicero trat auf; statt das übliche, den gesamten Prozeßstoff darlegende Plädoyer einzuleiten, erklärte er in einer etwa einstündigen Ansprache, daß er sich sofort der Vorführung der Beweise zuwenden wolle. So geschah es auch;
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vom 6. August an wurde Punkt für Punkt durch Zeugen und Urkunden dargetan, daß Verres während seiner dreijährigen Statthalterschaft insgesamt 40 Millionen Sesterzen erpreßt habe. Es war Ciceros erklärte Absicht, auf diese Weise den Prozeß zu beschleunigen und den Verschleppungsplan der Gegenseite zu durchkreuzen. Das Verfahren hatte vollauf den gewünschten Erfolg; Verres und sein Verteidiger Hortensius wurden geradezu überrumpelt, und die erste Verhandlung war bereits am 13. August beendet. In die folgenden Wochen fielen zwei Festperioden; der Prozeß ruhte. Als das Gericht um den 20. September zur zweiten Verhandlung zusammentrat, hatte Verres aus dem Scheitern seines Planes die Konsequenzen gezogen; er war mitsamt seinen Reichtümern ins Ausland entwichen. Das Gericht hielt die Schuld des Angeklagten für erwiesen und wandte sich dem letzten Abschnitt des Verfahrens zu, der «Festsetzung der Entschädigungssumme» Qitit aestimatio). Hierüber weiß Plutarch mitzuteilen (Cicero-Biographie 8,1), daß Verres nur drei Millionen Sesterzen habe zurückzahlen müssen; wahrscheinlich nennt dieser Betrag den Erlös der Werte, die man noch hatte beschlagnahmen können. Die Sizilier zeigten sich gleichwohl von den Erfolgen ihres Anwalts befriedigt, und mit Recht: der Prozeß hatte die Karriere des Verres vernichtet und für künftige Statthalter ein Exempel statuiert. Cicero selber überwand nicht nur den Angeklagten, sondern auch dessen Verteidiger Hortensius; mit diesem Siege avancierte er zum ersten Gerichtsredner Roms.
Der Angekläfft Für das Leben des C. Verres stehen fast nur die parteiischen, mitunter wohl stark Ubertreibenden Reden Ciceros zu Gebote. Dem Namen fehlt der in Rom übliche dritte Bestandteil,
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EINFÜHRUNG
der Beiname; er ist einzig durch diesen Träger, den von Cicero angeklagten Statthalter Siziliens, in die Geschichte eingegangen. Der Vater war Senator; hierzu konnte man es im Zeitalter Sullas auf mancherlei Weise bringen. Verres selbst mag um 1 1 5 v.Chr. geboren sein. Er begann seine Laufbahn im Jahre 84, kurz vor Ausbruch des furchtbaren Ringens zwischen den Marianem und Sullanern. Er wurde Quästor und Gehilfe des marianischen Konsuls Cn.Papirius Carbo; er reiste mit der Kasse zum konsularischen Heere nach Norditalien. Sulla, der den Krieg gegen Mithridates erfolgreich beendet hatte, landete im Frühjahr 83 in Brundisium, um mit den inneren Feinden abzurechnen; er fand sofort starken Zulauf. Auch Verres trat auf die Seite der Sullaner; nach Cicero ließ er sich hierbei nicht von seiner politischen Überzeugung, sondern von seinem Eigennutz leiten: er unterschlug den Inhalt der ihm anvertrauten Kasse. In den Jahren 80/79 bekleidete Verres seinen nächsten Posten: er war Adjutant des Cn.Cornelius Dolabella, des Statthalters von Kilikien. Offenbar überboten die beiden einander in der Kunst, die Untertanen, wo immer sich eine Gelegenheit zeigte, auszuplündern; zumal Verres habe, berichtet Cicero, ein würdiges Vorspiel seiner sizilischen Herrschaft gegeben. Dolabella wurde nach seiner Rückkehr wegen Erpressungen angeklagt; Verres lieferte ein gut Teil der Beweise und trug nach Kräften zur Verurteilung des einstigen Vorgesetzten bei. Im Jahre 7 J bewarb sich Verres mit Erfolg um die Prätur, das zweithöchste römische Amt; wenn man Cicero glauben darf, verhalf ihm die kilikische Beute zu dieser Ehre. Das Los spielte die besonders anspruchsvolle Aufgabe der Ziviljurisdiktion in seine Hände. Er nahm sie im Jahre 74 auf seine Weise wahr: rechtswidrige Bestimmungen und willkürliche Entscheidungen, zumal in Erbschaftssachen, bekundeten die
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Käuflichkeit des Gerichtsherrn. Weiterer Profit erwuchs dem Prätor Verres aus der Aufsicht über die öffentlichen Bauten, die der Senat ihm und einem seiner Kollegen übertragen hatte. Die seit Sulla gültige Ordnung schrieb vor, daß jeder Konsul und jeder Prätor nach seinem stadtrömischen Amtsjahr die Verwaltung einer Provinz versehe. Verres erhielt Sizilien; er begab sich zu Beginn des Jahres 73 als Proprätor in seinen neuen Machtbereich. Nach Jahresfrist sollte er abgelöst werden, doch der Nachfolger blieb aus: er wurde im Kampf gegen das aufständische Sklavenheer des Spartacus benötigt. Dieselben Ereignisse scheinen dem sizilischen Statthalter noch einmal eine Verlängerung eingebracht zu haben; jedenfalls endete sein Regiment erst mit Ablauf des dritten Jahres. Cicero zeichnet von diesem Regiment ein überaus düsteres Bild, das sicherlich manche Einseitigkeit enthält; er hat ja die sogenannte zweite Rede erst nach dem Siege verfaßt, als er nicht mehr zu befürchten brauchte, er könne sich durch anfechtbare Behauptungen Blößen geben. Andererseits beruft er sich auf eine Fülle von urkundlich bewiesenen Tatsachen; was sich hieraus ergibt, rechtfertigt wohl vollauf seine These, daß die Proprätur des Verres eine wahre Katastrophe, eine Schreckensherrschaft schlimmster Sorte gewesen sei. Offenbar ist sie vor allem durch ihre lange Dauer hierzu geworden : Verres konnte in Muße nach wohlhabenden Leuten fahnden, um sie durch seine Willkürjustiz ihres Vermögens zu berauben; er hatte hinlänglich Gelegenheit, seine Methoden bei der Erpressung überhöhter Kornabgaben von Mal zû Mal zu vervollkommnen. Die ciceronische Darstellung läßt freilich den sizilischen Statthalter nicht nur als Scheusal erscheinen - hierin kann man ihr nach dem Bemerkten im wesentlichen zustimmen; sie stellt ihn auch als ein exzeptionelles Scheusal hin, als eine Abnormität, wie sie Rom noch nicht gesehen habe - in
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EINFÜHRUNG
dieser Hinsicht scheint sie bei weitem nicht den Glauben zu verdienen, den sie beansprucht. Der Eindruck, den die Gesamtheit der Quellen, den auch Cicero selbst (zum Beispiel in seiner Verteidigung des Fonteius, der ebenfalls wegen Erpressungen angeklagt wurde) vermittelt, führt eher auf eine abweichende Deutung: daß sich Verres wohl dem Grade, nicht aber der Art nach von manchem anderen Statthalter jener Zeit unterschieden hat. Während die stadtrömischen Beamten bei jeder Handlung dem Einspruch des Kollegen und dem Widerspruch des Tribunen ausgesetzt waren, unterlag das Provinzialregiment keiner unmittelbaren Gegenwirkung; die Senatsaufsicht, das einzige Institut, das zügelnd und mäßigend eingreifen konnte, erlahmte, je mehr die inneren Schwierigkeiten die Kräfte beanspruchten. Unter diesen Umständen hätten die Provinzialstatthalter ungemein klarer moralischer Begriffe bedurft, sich den Versuchungen einer schier unumschränkten Herrschaftsgewalt mit Erfolg zu widersetzen ; doch gerade hiermit war es seit dem marianisch-sullanischen Bürgerkriege nicht zum besten bestellt. Damals hatten sich zahlreiche Unwürdige von der Art des Verres in die führenden Schichten vorgedrängt; überdies hatten die allgemeinen Maßstäbe bedenklich gelitten. So bildete die verbreitete, mitunter kaum noch empfundene Korruption einen ungewöhnlich günstigen Nährboden für ein Herrenmenschentum, das sich zügellos seinen Instinkten und Leidenschaften hingab. Verres gehörte zu dieser Sorte, und es ist durchaus denkbar, daß er sich wie mancher seinesgleichen ungekränkt seiner Beute hätte erfreuen dürfen, wäre ihm nicht unter den für eine Anklage günstigen Voraussetzungen des Jahres 70 ein so fähiger Ankläger wie Cicero in den Weg getreten. Immerhin blieb Verres ein reicher Mann, und er verbrachte noch siebenundzwanzig ruhige Jahre am selbstgewählten
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Orte der Verbannung. Sein Ende entspricht dem Zeitgeist, der ihn geprägt hatte: Antonius setzte ihn auf die Liste der Geächteten, weil er sich geweigert habe, ihm seine kostbaren Erzgefaße zu überlassen. So starben der Angeklagte und sein Ankläger durch denselben Mann und durch dasselbe Ereignis, die Proskriptionen des Jahres 43 v. Chr. ; Verres habe noch, so heißt es, von dem furchtbaren Ende Ciceros erfahren, ehe der Tod ihn ereilte. Sizilurt unter römischer Herrschaft
Die fruchtbare, ungemein günstig in der Mitte des Mittelmeeres gelegene Insel hatte bereits eine wechselvolle Geschichte hinter sich gebracht, als die Römer sie in Besitz nahmen. Sie war von iberischen und italischen Stämmen bevölkert: von den Sikulern im Osten, von den Sikanern im Westen. Um die Mitte des 8.Jahrhunderts begann die griechische Kolonisation; an den Küsten, zumal im Osten und Süden, entstand ein dichter Kranz von Städten, die sich im Laufe der Zeit zu glanzvoller Blüte entfalteten. Früh hatten auch die Phönizier auf Sizilien Fuß gefaßt; ihre Handelsstützpunkte im Westen der Insel wurden karthagischer Besitz. Im j.Jahrhundert unternahmen die Karthager ihren ersten Versuch, ganz Sizilien in ihre Gewalt zu bringen; er scheiterte mit der Niederlage bei Himera (480 v.Chr.). Seither beherrschte der karthagisch-griechische Gegensatz das Geschehen. Der (uhrende Staat der Griechen war Syrakus; er gebot zu wiederholten Malen über weite Teile der Insel. Während des peloponnesischen Krieges wurde er das Ziel attischer Großmachtpolitik; der Angriff der Athener endete mit einer Katastrophe ( 4 1 J - 4 1 3 v.Chr.). Das 4. und 3.Jahrhundert waren von karthagisch-griechischen Kriegen, aber auch von innergriechischen Auseinandersetzungen erfüllt; zumal die
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EINFÜHRUNG
wechselnden Geschicke der syrakusanischen Vormacht bestimmten das Auf und A b im Kampfe gegen Karthago. Der Sieg über Pyrrhos erschloß der römischen Macht die südlichsten Teile Italiens: im Jahre 272 v . C h r . fiel T a r e n t , zwei Jahre darauf Regium an der sizilischen Meerenge. Ein innergriechischer Z w i s t rief die Römer auf die Insel. Messana lag mit Syrakus im Streit; in seiner Bedrängnis bat es zunächst die Karthager, dann die Römer um Hilfe, die ihrerseits die karthagische Besatzung verjagten. Der Konflikt weitete sich aus zum ersten punischen K r i e g e ( 2 6 4 - 2 4 1 v . C h r . ) ; Syrakus, das zu Anfang mit Karthago verbündet war, trat schon im zweiten Kriegsjahr auf die römische Seite über. Das langwierige Ringen endete mit dem Siege R o m s : die Karthager wurden vertrieben; Sizilien kam in römischen Besitz; nur Syrakus blieb unabhängig. Einige Jahrzehnte später, im zweiten punischen
Kriege ( 2 1 8 - 2 0 1
v . C h r . ) , fiel auch
diese
Schranke: Syrakus schlug sich auf die Seite Karthagos; es wurde nach zweijähriger Belagerung von M . C l a u d i u s Marcellus erobert ( 2 1 2 v. Chr.). Sizilien war Roms ältestes Untertanengebiet
(provincia^);
im Jahre 227 v . C h r . kamen als zweite Provinz die Inseln Sardinien und Korsika hinzu. An der Spitze stand der Statthalter, der im allgemeinen nach Jahresfrist wechselte: zunächst ein Prätor, seit sullanischer Zeit ein Proprätor. Die Römer hatten Sizilien hauptsächlich aus strategischen Gründen in Besitz genommen; demgemäß war der Statthalter vor allem Militärgouverneur; er wachte für die Sicherheit Roms. Erst im Laufe der Zeit wuchsen ihm mancherlei Aufgaben auf dem Gebiete der Zivilverwaltung zu. In die inneren Angelegenheiten der Gemeinden pflegte er sich jedoch nicht einzumischen, und noch weniger gebot er über einen verzweigten Behördenapparat. Überhaupt muß der moderne Betrachter alle Assoziationen fernhalten, die der jetzige Begriff «Provinz»
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nahelegt: Sizilien und die anderen römischen Provinzen waren keine einheitlichen Territorien, die nach einheitlichen Grundsätzen verwaltet wurden; sie setzten sich vielmehr mosaikartig aus zahlreichen Gemeindestaaten und Distrikten zusammen, die auf je verschiedene Weise der römischen Oberhoheit unterstanden. Auf Sizilien existierten insgesamt vier Stufen der Abhängigkeit. Die günstigste Stellung hatten Messana und zwei andere Gemeinden inne : sie waren Verbündete Çcmtatet foederataey Sie genossen im Inneren völlige Autonomie; der Statthalter durfte sich dort nicht in die Verwaltung und Rechtsprechung einmischen. Weiterhin brauchten sie keinerlei Abgaben an Rom zu entrichten ; sie waren jedoch in bestimmtem Umfange verpflichtet, Kriegsmaterial oder Matrosen zu stellen. In einem ähnlichen Verhältnis standen Centuripae, Halaesa und drei weitere Gemeinden; sie hatten dieselben Rechte und Pflichten wie Verbündete. Ihre Position beruhte jedoch nicht auf einem Vertrage, sondern auf bloßer, jederzeit widerruflicher Duldung durch Rom; sie hießen daher civitatis sine foedere immunes atqui liberal. Alle übrigen sizilischen Gemeinden waren Rom Untertan. Sie verwalteten sich zwar selbst und hatten auch ihre eigene Gerichtsbarkeit, doch konnte der Statthalter jederzeit nach freiem Ermessen in ihre Angelegenheiten eingreifen. Ihr wichtigstes Merkmal war die Steuerpflichtigkeit. Sie hatten teils das Eigentum an ihrem Grund und Boden behalten; dann entrichteten sie lediglich den Zehnten, das heißt sie schuldeten Rom alljährlich den zehnten Teil ihrer landwirtschaftlichen Erträgnisse Çcivitatis decumanaey Ein anderer Teil hatte bei der Eroberung das Grundeigentum eingebüßt. Diese Gruppe war nicht nur zehntpflichtig, sondern mußte auch einen jährlichen Bodenzins an die römischen Zensoren abführen (civitatis censoriae^).
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EINFÜHRUNG
Die sizilischen Gemeinden hatten meist aristokratische Verfassungen. Als oberste Behörde fungierte der Rat (bulé, ¡enatui^); der bestimmende Einfluß ging von den fünf oder zehn ersten Ratsherren aus. Die Zehntsteuer wurde nach der Ordnung beigetrieben, die der syrakusanische König Hieron Π. ( 2 7 5 - 2 1 j v.Chr.) in seinem Reiche eingeführt hatte; die Römer haben die Gültigkeit der lex Hieronica auf ganz Sizilien erstreckt. Hiernach wurde der Zehnte nicht unmittelbar von den Römern eingezogen, sondern alljährlich in Syrakus an die Meistbietenden vergeben, und zwar jeweils für die Abgaben einzelner Gutshöfe oder der Gutshöfe einer Gemeinde. Der Zuschlag verpflichtete den Bieter, das versprochene Quantum Korn nach Rom zu liefern. Er durfte seinerseits den Zehnten beitreiben, der sich nach dem Ausfall der Ernte bemaß; die das Gebot übersteigende Menge war sein Gewinn. Die Zehntpacht stand Einheimischen und Römern offen; nicht selten übernahmen die Gemeinden die auf ihr Gebiet entfallende Leistungspflicht. Im allgemeinen hatten sich die römischen Eroberer bemüht, die bestehenden Verhältnisse nach Möglichkeit aufrecht zu erhalten; für die meisten Gemeinden änderte sich daher nur der Herr, nicht auch die Art der Herrschaft. Vor allem aber hörten die inneren Kriege auf; im 2.Jahrhundert verursachten lediglich zwei Sklavenaufstände ernstliche Störungen ( 1 3 5 - 1 3 2 und 1 0 4 - 1 0 1 v.Chr.). Sizilien erfreute sich daher unter dem römischen Regiment eines blühenden Wohlstandes; die Landwirtschaft gedieh, und der Handel warf große Gewinne ab. So wurde die Insel im Laufe der Zeit zur «Vorratskammer» Roms, zur «Ernährerin des römischen Volkes» (Cato bei Cicero, Zweite Rede gegen Verres 2, 5), das heißt auf ihr beruhte in zunehmendem Maße die Getreideversorgung der Hauptstadt. Die wirtschaftlichen Beziehungen führten zahlreiche römische Kauflcute und Zehntpächter nach
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Sizilien ; zur Zeit des Verres hatte jede größere Gemeinde eine römische Kolonie. Diese Verflechtung der Interessen vergrößerte den Aufgabenkreis der obersten römischen Behörde : der Statthalter war nicht mehr lediglich für Sicherheit und Ordnung, sondern auch für das Steueraufkommen und fiir die Kornzufuhr Roms verantwortlich; überdies oblag ihm die Aufsicht über wichtige Bereiche der Gerichtsbarkeit.
Literatur Kommentierte
Ausgaben:
K. HALM - G . LAUBMANN, Ciceros Rede gegen Q . Caecilius und der Anklagerede gegen C . Verres 4. und 5. Buch (Ciceros ausgewählte Reden, Bd. II), Berlin 1900'°. R. G . C . LEVENS, Cicero: T h e Fifth Verrine Oration, London 1946. T. Ν. MITCHELL, Cicero: Verrines II, 1 (mit engl. Übers.), Warminster 1986. Abhandlungen: H. DEGENKOLB, Die Lex Hicronica und das Pfändungsrccht der Steuerpächter, Berlin 1861 (Nachdruck Amsterdam 1968). TH. ZiELiNSKl, Verrina - Chronologisches, Antiquarisches, Juristisches, Philologus 52, 1893, 2 4 8 - 1 9 4 . A. HOLM, Geschichte Siciliens im Alterthum, Bd. 3, Leipzig 1898. H. RAUBER, Die agrarischen Verhältnisse Siziliens im Altertume, besonders zur Zeit Ciceros, Diss. Erlangen, Bayreuth 1919. J. CARCOPINO, La loi de Hiéron et les Romains, Paris 1919. N. MARINONE, Quaestiones Verrinae - Cronologia del processo di Verre, Turin 1950. F. PONTENAY DE FONTETTE, Leges repetundarum, Paris 1954. E. BADIAN, Foreign Clientelae, Oxford 1958. W. STROH, Taxis und Taktik - Ciceros Gerichtsreden, Stuttgart 1975, 1 7 4 - 1 8 7 (zur Rede gegen Caecilius). W. C . MCDERMOTT, T h e Verrine Jury, Rheinisches Museum 120, 1977, 64-75. D. BERGER, Cicero als Erzähler - Forensische und literarische Strategien in den Gerichtsreden, Frankfurt/M. - Bern - Las Vegas 1978, 63-193.
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LITERATUR
M . I. FINLEY, Das antike Sizilien - Von der Vorgeschichte bis zur Arabischen Eroberung, München 1979. F. DELL* CORTE, Servi Venerii, Maia 31, 1979, 1 2 5 - 2 3 5 . ATTI DEL IV COLLOQUIUM TULLIANUM - Palermo, 28 settembre - 2 ottobre 1979, Ciceroniana Ν . S. 4. Rom 1980 (mit 13 Beitragen über Themen der Verres-Reden). M . FUHRMANN, Narrative Techniken in Ciceros zweiter Rede gegen Verres. Der altsprachliche Unterricht X X J I I 3, 1980, 5 - 1 7 . G . ZIMMER, Das Sacrarium des C . Heius - Kunstraub und Kunstgeschmack in der späten Republik, G y m n a s i u m 96, 1989, 493-520. D . SCHMITZ, Zeugen im Verres-Prozeß nach Ciceros Darstellung, ebendort 521-531.
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SCHEMATISCHE ÜBER
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DEN I N H A L T DER
REDEN
G E G E N C. V E R R E S
REDE IM VORVERFAHREN
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Q^CAECILIUS
Einleitung (1-9) Ciceros Gründe fur die Anklage: 1. die Pflicht gegenüber den Siziliern ( i - j ) ; 2. die Rücksicht auf das Wohl des römischen Staates (6-9). Gliederung (jo) Für die Bestimmung des Anklägers muß zweierlei maßgeblich sein: 1. wen sich die Geschädigten als Ankläger wünschen; 2. wen sich der Schädiger nicht als Ankläger wünscht. Hauptteil (11-65} A. Beweisführung ( 1 1 - j i ) . 1. Die Sizilier wünschen sich Cicero als Ankläger (11-22): a) die Tatsache ist unbestreitbar (12-16); b) sie muß für das Gericht maßgeblich sein (17-22). 2. Verres sucht die Anklage durch Cicero zu verhindern (22-51): a) die Tatsache der Verhinderung (22-25); b) der Grund : Cicero ist ein ernsthafter Ankläger, Cacci lius hingegen nicht (26-51): α) Caecilius hat sich an den Verbrechen des Verres beteiligt (27-35); ß) er selbst ist unfähig, den Prozeß zu fuhren (35-47); γ) desgleichen die Nebenankläger (47-51).
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480
SCHEMATISCHE
ÜBERSICHT
Β. Widerlegung der Gründe des Gegners ($2-6$). ι . Caecilius kann sich nicht auf Unrecht berufen, das Verres ihm zugefugt habe (52-58); 2. seine Quästur bei Verres schließt ihn von der Anklage aus (59-65)· Schluß (66-73) ι . Das Staatswohl fordert tüchtige Ankläger (66-71); 2. Cicero, nicht aber Caecilius läßt eine ernsthafte Anklage erwarten (71-73).
ERSTE REDE GEGEN
C. V E R R E S
Einleitung Ç1-3) Der Prozeß gegen Verres gibt den senatorischen Gerichten Gelegenheit, sich von ihrem üblen Rufe zu befreien. Hauptteil Ç3-56'·) ι. Verres und seine Clique; ihre Machenschaften und Pläne (3-32). a) Die Verbrechen des Verres; Geld als seine einzige Hoffnung (3-15). b) Die Machenschaften und Pläne der Verres-Clique : die Wahlen (Konsuln, Prätoren, Ädilen); der Plan der Prozeßverschleppung (15-32). 2. Ciceros Gegenmaßnahmen (32-56). a) Verzicht auf ein zusammenhängendes Plädoyer; sofortige Beweisaufnahme (32-34). b) Warnung an Hortensius (34-42). c) Appell an das Gericht (43-52). d) Ciceros Verfahren bei der sofortigen Beweisaufnahme (53-J6).
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SCHEMATISCHE
ZWEITE
ÜBERSICHT
REDE GEGEN ERSTES
C. V E R R E S
BUCH
Ijnlettung ("1-32) ι. Verres ist zur z w e i t e n V e r h a n d l u n g erschienen ( 1 - 4 ) . 2. Er darf nicht freigesprochen w e r d e n ; Drohungen Ciceros
(4-14)· 3. Der bisherige Verlauf des Prozesses; Ciceros Verhalten; Appell an das Gericht (1 $-23). 4. Ciceros Prozeßtaktik; ihre R e c h t m ä ß i g k e i t (24-32). Gliederung
(32-J4)
Cicero übergeht die Jugend des Verres. Er behandelt : A. Die Quästur. B. Die Legatenstelle und die Proquästur in Kilikien.
Buch ι
C . Die Stadtprätur. D. Die Statthalterschaft in Sizilien. Hauptteil
Buch 2 - 5
(34-158)
A. Die Quästur (34-43). ι . Die T a t s a c h e n : der Parteiwechsel, die Unterschlagung (34-37)· 2. W ü r d i g u n g des Parteiwechsels : heimtückischer Verrat (37-43)· B. Die Legatenstelle und die Proquästur in Kilikien (44-102). ι. Brutalität und Diebstahl in A c h a i a ( 4 4 - 4 $ ) . 2. Versuchter Kunstdiebstahl auf Delos (46-48). 3. Kunstdiebstähle in Asien ( 4 9 - 6 1 ) : a) die Tatsachen ( 4 9 - 5 4 ) ; b ) W ü r d i g u n g dieser Tatsachen ( 5 4 - 6 1 ) . 4. Der Skandal von Lampsakos ( 6 2 - 8 5 ) : a) das Gastmahl des Philodamos ( 6 3 - 7 1 ) ;
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482
SCHEMATISCHE
ÜBERSICHT
b) grausame Bestrafung des Philodamos ( 7 2 - 7 6 ) ; c ) W ü r d i g u n g der Tatsachen und Beweise ( 7 7 - 8 5 ) . 5. R a u b eines milesischen Schiffes ( 8 6 - 9 0 ) . 6. Unterschlagung des Malleolus-Erbes ( 9 0 - 9 4 ) . 7. Erpressungen in Asien; Verschleierungsversuche (95-102). C . Die Stadtprätur ( 1 0 3 - 1 5 8 ) . 1. Die Ziviljurisdiktion ( 1 0 4 - 1 2 7 ) . a) Verkauf von Rechtsprechungsgrundsätzen
in Erb-
schaftssachen ( 1 0 4 - 1 1 8 ) : α) die Annius-Affare ( 1 0 4 - 1 1 4 ) ; ß) die Minucius-Affare ( 1 1 4 - 1 1 8 ) . b ) Käufliche Rechtsprechung, vor allem in Erbschaftssachen ( 1 1 9 - 1 2 7 ) . 2. Die Bauaufsicht ( 1 2 8 - 1 5 4 ) . Die Iunius-Affare: Erpressung bei der Abnahme des Kastortempels. 3. Sonstige Rechtspflege ( 1 5 5 - 1 5 8 ) . a) Der Strafprozeß gegen Opimius ( 1 5 5 - 1 5 7 ) . b ) Die Richterergänzung beim Gerichtshof des Iunius (157-158).
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ZWEITES
ÜBERSICHT
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BUCH
Einleitung Ç1-17J ι. Sizilien und seine Bewohner; die Bedeutung der Provinz für Rom ( 1 - 7 ) . 2. Die Anklage gegen Verres: sie wird von nahezu allen Bewohnern Siziliens unterstützt (8-17). Hauptteil ("17-jpiJ) 1. Die Zivilrechtspflege, vor allem in Erbschaftssachen (17-67). a) Erste Entscheidungen: Dio von Halaesa; Sosippos und Philokrates ( 1 7 - 2 5 ) . b) Verres ist für sein Gefolge verantwortlich; die sizilische Gerichtsverfassung und die Willkürjustiz des Verres (26-34). c) Die Affäre des Heraclius von Syrakus (35-52). d) Die Epikrates-Affare ($3-61). e) Die weiteren Schicksale des Heraclius und des Epikrates; der Statthalter L. Metellus und sein Gesinnungswandel (62—65)· f ) Die Sache des Heraclius von Centuripae (66-67). 2. Die Kriminaljustiz (68-118). a) Die Affare des Sopatros von Halikyai (68-81): α) die Tatsachen (68-75); β) Würdigung dieser Tatsachen (76-81). b) Die Sthenius-Affare (82-118) : α) die Ursache des Konfliktes, die Kunstleidenschaft des Verres (82-88); β) der Prozeß wegen Urkundenfälschung (89-93); γ ) der Kapitalprozeß (94-99); S) die Fälschung der Prozeßprotokolle durch Verres; der falsche Sachwalter Claudius (100-109);
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4«4
SCHEMATISCHE
ÜBERSICHT
ε) die Person des Sthenius, ihr Rang und ihr Ansehen (110-118). 3. Der Ämterschacher ( 1 1 8 - 1 3 6 ) . a) Verkauf von Ratsherrenstellen ( 1 2 0 - 1 2 5 ) . b) Verkauf von Priesterämtern ( 1 2 6 - 1 3 0 ) : a) die Scheinwahl des Theomnastos ( 1 2 6 - 1 2 7 ) ; fi) die Schaltmonat-Affare ( 1 2 8 - 1 3 0 ) . c) Verkauf von Zensorenstellen; der Gehilfe Timarchides ( 1 3 1 - 1 3 6 ) . 4. Erpressungen für Ehrenstatuen ( 1 3 7 - 1 6 8 ) . a) Die Beisteuer der Zensoren; die Schätzung dieser Zensoren und deren Aufhebung durch L. Metellus (137-140). b) Die Zweimillionen-Beisteuer der Sizilier ( 1 4 1 - 1 6 8 ) : α) sie wurde von Verres unterschlagen ( 1 4 1 - 1 4 4 ) ; fi) sie wurde den Siziliern abgenötigt (145-168). 5. Verres und die Steuerpächter ( 1 6 9 - 1 9 1 ) . a) Das Bündnis mit dem Untervorsteher Carpinatius (169-172). b) Die Beseitigung kompromittierender Schriftstücke (173-180). c) Die von Cicero entdeckten Berichte des Canuleius (181-185). d) Die Bücher des Carpinatius: «Verrucius» ( 1 8 6 - 1 9 1 ) . Schluß
Çigi-192)
Hortensius verficht eine aussichtslose, für ihn selbst ehrenrührige Sache.
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DRITTES
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ÜBERSICHT
BUCH
Einleitung ("1-9) Moralische Begründung der Anklage. Glit der ung ("1 o-12^) Cicero widmet sich nunmehr einem trockenen Stoff; er bittet um Aufmerksamkeit. Er behandelt: A. Das Zehntgetreide. B. Das Kaufgetreide. C. Das Schätzpreisgetreide. Hauptteil Ç12-225) A. Das Zehntgetreide (12-163). ι. Die Grundlagen und Ziele der von Verres verfolgten Steuerpolitik (12-52). a) Das Steuergesetz des Hieron; seine
Mißachtung
durch Verres (12-21). b) Die Gehilfen des Verres, insbesondere
Apronius
(21-24). c) Die Steuererlasse des Verres (24-39): α) das unbeschränkte Beschlagnahmerecht der Steuerpächter und die Rückforderungsklage der Landwirte (25-3 j ) ; β) der Tennen- und der i.-Sextilis-Erlaß (36-37); y) der
Gerichtsstand-
und
der
Saatflächenerlaß
(38-39)· d) Die Ziele der verrinischen Steuerpolitik (39-52): α) der hohe Pachterlös und seine Folge, der Ruin der sizilischen Landwirtschaft (39-48); ß) persönliche Bereicherung als das eigentliche Ziel des Verres (48-52).
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SCHEMATISCHE
ÜBERSICHT
2. Einzelne Fälle ungerechter Besteuerung (53-129). a) Ungerechte Besteuerung einzelner Landwirte(53-66): α) des Nymphon von Centuripae (53-54); β) des Xenon von Menai und anderer Sizilier (55-58); y) der römischen Bürger, insbesondere der Ritter Matrinius und Lollius (59-63). Während seiner Quästur usw. : vgl. 34fr. Cn. Papiri us Carbo : Konsul 8 j, 84 und 82 V. Chr. Unter falschem Vorwande usw. : Cicero meint offenbar die Summen, die Verres als Statthalter von Sizilien zum Ankauf des sogenannten zweiten Zehnten sowie weiterer Getreidelieferungen erhalten und zum Teil unterschlagen hatte; vgl. 3, 163 und 170 ff. Für das Zehntgetreide : für den zweiten Zehnten, den Rom zu einem vom Senat festgesetzten Preise käuflich erwarb ; über die Abzüge des Verres 3, 180ff. Die Denkmäler des M. Marcellus und P. Africanus: vgl. 4, 7 3 ? . 93. 97Λ 120ff. sowie die erste Rede gegen Verres, 14. 6 Vgl. i , 63 ff. 7 Ans Kreuz geschlagen: vgl. ς, ι j 8 f f . Alle ftinfunddreißig Bezirke: Cicero denkt an eine bestimmte Form der Volksversammlung, an die comitia tributa, in denen die funfunddreißig Wahlbezirke (tribusJ der römischen Bürgerschaft abstimmten. Die Tributkomitien waren u.a. für politische Prozesse zuständig; die Adilen hatten das Recht, derartige Prozesse durchzufuhren. M. Annius: vgl. j , 73 f. i j 6 . L.Flavius: vgl. ς, i ; ; f . L. Suettius: vgl. j , 147. In den Steinbrüchen: in dem berüchtigten Gefängnis von Syrakus; vgl. j , 68. Von höherer Stelle aus : die Tributkomitien fanden meist auf dem Forum statt ; der leitende Beamte stand auf der Rednerbühne (rostra). 11 Die Wiederaufnahme einer alten Gewohnheit besteht darin, daß Cicero als Adii des kommenden Jahres und in vorgerücktem Alter Anklage erhebt ; früher hätten sich die ersten Männer im Staate dieses Geschäftes angenommen, das jetzt nur noch die Domäne junger Adliger und gewerbsmäßiger Denunzianten sei. Vgl. die Rede gegen Caecilius, 66 ff. ' Cicero erinnert an den Ausgang des Vorverfahrens ; einige der Geschworenen im Prozeß gegen Verres hatten bereits dem Gericht angehört, das Uber den Streit mit Caecilius befand. 10 Die schnelle Rückkehr : vgl. 2, 99 und die erste Rede gegen Verres, 6. Mein Anstand aber usw. : vgl. 4, ΐς. Gewalt habe ich bei meiner Untersuchung usw. : der Ankläger hatte teils von Gesetzes wegen,
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ERLÄUTERUNGEN
teils durch Vollmachten des Gerichtsvorsitzenden obrigkeitliche Befugnisse, insbesondere zur Zwangsladung von Zeugen und zur Beschaffung von Urkunden; vgl. j o f . 2, 64. 1 , 186 ff. 3, 1 1 2 . 4, 146 ff. Die gegenwärtige Staatsverfassung : die Verfassung Sullas, insbesondere seine Reform des Gerichtswesens. Vgl. die erste Rede gegen Verres, 49. Prätor 77 v.Chr., als Statthalter von Sizilien (76—7$ v.Chr.) der zweite Amtsvorgänger des Verres. Vgl. 1 , 139. 3, 1 j 6 u. ö. Vgl. die erste Rede gegen Verres, J i f f . In der einen Stunde: am Nachmittag des ς. August, als Cicero die erste Rede gegen Verres hielt. Am ersten Tage : ebenfalls noch am ς. August. Vgl. die erste Rede gegen Verres, 3 1 . Cicero meint, daß es ihm nicht so sehr darauf ankomme, wieviel er für die Sizilier «erbeute», d. h. zu welcher Ersatzsumme Verres verurteilt werde. Vgl. 6 sowie die Rede gegen Caecilius, 8, und die erste Rede gegen Verres, 49. Hortensius hatte sich offensichtlich darüber beschwert, daß Cicero in der ersten Verhandlung keine zusammenhängende Anklagerede vortrug; ihm wurde hierdurch die Möglichkeit abgeschnitten, seinerseits mit einem ausführlichen Plädoyer zu antworten. Weil der erste, an dem keine zusammenhängenden Vorträge stattgefunden hatten, gleichsam nicht zählt. Wenn dem, der zuletzt gesprochen hat (d. h. dem Ankläger, der in der zweiten Verhandlung sein zweites Plädoyer gehalten hat), nicht geantwortet werden dürfte, so ginge es nicht an, daß er in der zweiten Verhandlung neuen Anklagestoff vorbringt ; folglich hat der Gesetzgeber die zweimalige Verhandlung zu seinem Vorteil angeordnet. Ciceros Argumentation ist einigermaßen sophistisch. C. Servilius Glaucia (Prätor 100 v.Chr.) brachte als Volkstribun ein Erpressungsgesetz ein, das neben anderen Einzelheiten die hier von Cicero erwähnte Änderung des Verfahrens vorschrieb. Das ältere Gesetz ist das Acilische; es war von dem Volkstribunen M ' . Acilius Glabrio, einem Anhänger des C. Gracchus, im Jahre 1 2 1 v. Chr. erlassen worden ; vgl. die erste Rede gegen Verres, $ 1 . Nach diesem strengen Gesetz : ungenau, da Verres nicht mehr nach dem Servilischen, sondern nach dem Gesetz Sullas abgeurteilt wurde; das Gesetz Sullas hatte indes die prozessualen Bestimmungen, auf die es Cicero hier ankommt, beibehalten.
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11 Zum folgenden vgl. 2, 19fr. Halaesa: Stadt an der Nordküste Siziliens (bei dem beutigen Tusa). C. Licinius Sacerdos war als Stadtprätor ( 7 ί v. Chr.) sowie als Statthalter von Sizilien (74 v. Chr.) der Amtsvorgänger des Verres. " Venus hatte auf dem Eryx, einem Berg an der Nordwestspitze Siziliens (beute Monte S. Giuliano), ein berühmtes Heiligtum. 24 Vgl. die erste Rede gegen Verres, 6. 11 Vgl. die erste Rede gegen Verres, 19 fr. Es gab gewerbsmäßige Vermittler für die Bestechung von Gerichtshöfen und Wahlkörperschaften ; vgl. die erste Rede gegen Verres, 16. 17
Vgl. 3, 1 j j f f . Cn. Papiri us Carbo : Konsul 85, 84 und 82 v. Chr. Prä tur in Sizilien : seit Sulla verbrachten die Konsuln und Pritoren ihr eigentliches Amtsjahr in Rom sowie ein weiteres Jahr als Prokonsuln oder Proprätoren in einer Provinz. Gleichwohl hielt man an dem älteren, nunmehr ungenauen Sprachgebrauch fest; der Provinzialstatthalter hieß nach wie vor «Prätor». »9 Nach Gallia Cisalpina (Oberitalien nördlich des Rubikon). Die prätorische Kohorte: allgemeine Bezeichnung fur die Leibwache und das Gefolge eines Oberbefehlshabers oder Statthalters, in diesem Falle des Konsuls Carbo. Ariminum : Hafenstadt an der Adria (heute Rimini); sie wurde von den Sullanern, die sich ihrer durch Verrat bemächtigt hatten, geplündert. ' 1 P. Cornelius Lentulus Sura und L. Valerius Triarius : Quästoren unter Sulla (8· v.Chr.). M. Pupius Piso Calpurnianus Frugi: Konsul 61 v.Chr. L. Cornelius Scipio Asiaticus : Konsul 83 v. Chr., marianischer Truppenfuhrer. " Benevent: Samniterstadt in Kampanien, an der appischen Straße (heute Benevento). Sulla erklärte nach der Entscheidungsschlacht am collinischen Tor (82 v. Chr.) seine politischen Gegner für vogelfrei. Er ließ ihre Güter einziehen und verschenkte oder verschleuderte einen beträchtlichen Teil davon an seine Anhänger. Cn. Cornelius Dolabella : Prätor 81 v. Chr., in den beiden folgenden Jahren Statthalter von Kilikien. C. Publicius Malleolus : Quästor bei Dolabella. Zum folgenden vgl. 77. 9 j f f . " Empfehlungen - Legatenamt: der Text enthält ein unübersetzbares Wortspiel (allegationibus — legationem). 36 Stadt an der Nordküste der Peloponnes, zirka 20 km nordwestlich von Korinth. 11
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ERLÄUTERUNGEN
>7 Cicero verweist auf das 4 . Buch, das sich allerdings nur mit den sizilischen Kumtdiebstählen des Verres befaßt. ' · Aus dem Parthenon auf der A k r o polis.
40
Kleine Kykladeninsel westlich von Mykonos, in römischer Zeit der wichtigste Handelsplatz der Agäis. Zitat aus der Tragödie «Achilles» von Ennius. Z . B . in dem homerischen Hymnos auf Apollon. Im Jahre 490 v. C h r . , vor der Schlacht bei Marathon. Die P e n e r schonten die Insel, weil sie den delischen Apollon mit ihrem Sonnengott identifizierten. D . h . in die römische Provinz Asien, das westliche, etwa 2ςο km breite Küstengebiet Kleinasiens, zu dem auch die ihm vorgelagerten Agäis-Inseln, wie Chios und Samos, gerechnet wurden. Erythrai : Hafenstadt an der Westküste Kleinasiens, gegenüber der Insel Chios. HalikamaB : Hafenstadt in Karien, an der Sudwestküste Kleinasiens. Tenedos: Agäis-Insel südlich des Hellesponts, vor der Küste von Troja. Komitium : ein an das Forum angrenzender Platz für Volksversammlungen; er wurde ebenso w i e das Forum selbst während der Spielzeiten mit Statuen geschmückt, die man ζ. T . aus den Provinzen zu entleihen pflegte.
C . Claudius N e r o : Prätor 81 v . C h r . , in den beiden folgenden Jahren Statthalter von Asien. ^ An die inneren Räume des Hauses, zur Sicherung von Beweisen. 47 Die Entfernung der Statuen, meint Cicero, richte sich nicht gegen ihn, da er für seinen Vorwurf Zeugen beibringen könne, sondern gegen die Personen, die sich nach der Verurteilung des Vermögens annehmen würden: gegen den Quästor, dem es oblag, den Besitz der in einem öffentlichen Strafprozeß Verurteilten einzuziehen und zu versteigern, und gegen den gewerblichen A u f k ä u f e r (sector), der die angebotenen Werte erwarb und weiterveräußerte. Ciceros Argumentation sucht das Verhalten des Verres als Eingeständnis der Schuld hinzustellen. *> Landschaft an der Südküste Kleinasiens, westlich von Kilikien. 4 « Die Wendung «nach innen spielen» bezeichnete eine bestimmte Technik des Zitherspiels; im sprichwörtlichen Gebrauch bedeuteten die Worte «nach innen» so viel wie «fursich selbst», «zum eigenen Vorteil». Bei Cicero erhält dieser übertragene Sinn wieder eine konkrete Beziehung: Verres, der die Statue « i m Innersten seines Hauses» aufstellte, habe seinen Vorteil noch besser zu wahren gewußt als der von ihr abgebildete, «nach innen» spielende Zitherspieler.
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Stadt in Pamphylien, westlich von Aspendos. M. Claudius Marcellus, der Eroberer von Syrakus (212 v.Chr.): vgl. 4, 120Γ. L. Cornelius Scipio As iati cus (Konsul 190) beendete durch seinen Sieg bei Magnesia am Sipylos den Krieg gegen Antiochos ΠΙ. von Syrien (190). T. Quinctius Flamininus (Konsul 198) überwand in der Schlacht bei Kynoskephalai König Philipp V. von Makedonien (197). L. Aemilius Paullus Macedonicus (Konsul 182 und 168) besiegte Perseus von Makedonien (Schlacht bei Pydna, 168). Korinth wurde im Jahre 146 vom Konsul L. Mummius zerstört. 11 P. Servilius Vatia Isauricus (Konsul 79 v.Chr.) eroberte die in Lykien gelegene Stadt Olympos, während er von Kilikien aus die Seeräuber bekämpfte (78-74). " Komitium: vgl. 49. Verres war als Stadtprätor verpflichtet, die Apollinarischen Spiele zu leiten ; offenbar hat er bei dieser Gelegenheit die in der Provinz zusammengestohlenen Kunstwerke zur Schau gestellt. Herren der Gerichte : ein Hieb auf Hortensius ; vgl. die erste Rede gegen Verres, '4 D.h. sämtliche Untertanen Roms; der Doppelausdruck bezeichnet ihre je verschiedene Rechtsstellung. Vgl. die Rede gegen Caecilius, 7. " Ironisch. 36 Cicero meint den berühmten Redner (Konsul 99 v.Chr.). 57 M. Terentius Varrò Luculi us und C. Cassius Longinus waren im Jahre 73 v. Chr. Konsuln. >8 Nikomedes IV. von Bithynien (92-74 v. Chr.) und Sa dala, ein thrakischer Fürst, unterhielten mit Rom freundschaftliche Beziehungen. " D. h. unvermischten Wein, wobei man der Reihe nach den Göttern und den Freunden huldigte. 6° C. Fabius Hadrian us, ein Anhänger des Marius, war Statthalter der Provinz Afrika (82 v. Chr.) ; er residierte in Utica, einer Hafenstadt westlich von Karthago (heute Utique). Sein gewaltsamer Tod wurde deshalb nicht verfolgt, weil inzwischen die Partei Sullas die Macht an sich gebracht hatte. 61 Ein höherer Offiziersrang. Vgl. die erste Rede gegen Verres, 30. Es war dem Statthalter verboten, während seiner Amtszeit ohne die Erlaubnis des Senats seine Provinz zu verlassen. Die kriegerische Unternehmung Dolabellas wird irgendwelchen unruhigen Grenzstämmen gegolten haben. 6) Vage Bezeichnung für eine höhere Charge im Gefolge des Statthalters.
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ERLÄUTERUNGEN
64 Stadt in Phrygien, am östlichen Rande der Mianderebene. 6J Zum folgenden vgl. 4 1 . 95 ff. 66 Die Zeit nach der Beendigung des Amtes. Bis dahin konnte Verres nicht angeklagt werden. Offenbar war Scaurus nach römischer Auffassung befugt, sich bei seinem Sklaven über das Asylrecht des Dianatempels hinwegzusetzen. 61 Hafenstadt an der Südwestküste Kleinasiens, zirka 20 km westlich von Halikamaß. 69 Die zehn Schiffe der Milesier gehörten zur römischen Flotte ; vgl. 8 9 f. L. Magius, L. Fannius: ehemalige Offiziere der marianischen Partei. Sie dienten später als Unterhändler zwischen König Mithridates VI. von Pontos und Q. Sertorius; Mithridates suchte sich, als er in seinen dritten Krieg gegen Rom ( 7 4 - 6 7 v. Chr.) eintrat, mit dem römischen Aufrührer zu verbünden, der damals große Teile Spaniens besetzt hielt. Vgl. die Rede über den Oberbefehl des Pompeius, 9 f. Dianium : Hafen an der spanischen Ostküste gegenüber der Insel Ibiza (heute Denia) ; dort landeten Magius und Fannius, um mit Sertorius zu verhandeln. Sinope : bedeutende Hafenstadt an der Südküste des Schwarzen Meeres, Residenz der pontischen Könige. 7 0 L. Licinius Murena, Statthalter von Asien, führte den 1. Krieg gegen Mithridates ( 8 3 - 8 : v.Chr.). Sein Sohn (Konsul 62) wurde im Jahre 63 von Cicero verteidigt. 71 Im Februar durften die Gesandten auswärtiger Staaten dem Senat ihre Bitten und Beschwerden vortragen; die Konsuln setzten die Termine fest. Die Milesier wußten, daß der Erfolg ihrer Mission von Hortensius und Q. Metellus, den Konsuln des Jahres 69 v. Chr. und Freunden des Verres, abhängen würde. 7 2 Für die Buchführung benutzten die Römer zusammenklappbare Holztafeln, die mit Wachs überzogen waren. Verres vermerkte, daß er seinem Sklaven Chrysogonos 600 000 Sesterzen aus dem Vermögen des Mündels überlassen habe ; da Sklaven nur im Namen ihres Herrn Geschäfte tätigen konnten, wurde hiermit nicht Chrysogonos, sondern Verres selbst zum Darlehensschuldner des jungen Malleolus. 7 » Vgl. 3 6 . 7 4 Von allen : von den Sklaven des Malleolus. Die römische Sitte erlaubte den Sklaven, durch Arbeit Werte zu erwerben, mit denen sie sich freizukaufen pflegten. Zu diesem Sondergyt (peculium) konnten wiederum Sklaven, die sogenannten Stellvertreter ( vicari i ), gehören.
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C. VERRES,
I.BUCH
52I
7> In der Regel war der erste Besuch des Forums (tir die jungen Leute ein Freudentag ; sie wurden, sobald sie das Minnerkleid (toga virilis) erhalten hatten, feierlich dort eingeführt. Dieser Akt bekundete, daß sie nunmehr an den Volksversammlungen teilnehmen durften. 76 Im Grenzgebiet zwischen Lykien und Phrygien. 77 Vgl. 3, I88ff. 78 In einem Verfahren wegen Erpressungen, das nach seiner Rückkehr aus Kilikien anhängig gemacht wurde ; er ging daraufhin in die Verbannung. 79 D. h. Uber seine Statthalterschaft in Sizilien. Vgl. 34. 80 Daß es mit Verres ebenso enden würde wie mit Dolabella. 81 Außerordentliche Mittel: ironisch und im übertragenen Sinne. Man verstand darunter eigentlich große Summen, die auf einmal erworben wurden (z. B. durch Erbschaft oder Schenkung). Da sich Verres nicht auf einen derartigen Grund berufen konnte, trug er jene Beträge auch nicht in seine Bücher ein. Cicero mußte ihm also «ohne Führer» auf die Spur zu kommen suchen : indem er die Bücher der Geschäftspartner prüfte. 81 Auch diese Parenthese ist ironisch gemeint. Es gab für Neulinge wie Verres nur einen rechtmäßigen Weg, Amter zu erlangen : sich möglichst viele Mitbürger zu verpflichten. 8Î Wegen unerlaubter Wählerbeeinflussung (ambitusj. Die Aufsicht über die öffentlichen Gebäude oblag eigentlich den Zensoren. Sie wurde, da Sulla die Zensur abgeschafft hatte, von Fall zu Fall den Konsuln oder bestimmten Prätoren übertragen. ·> Da erhob er sich u s w . : Chelidon war die Mätresse des Verres; Cicero treibt ein geistreiches Spiel mit ihrem Namen, der «Schwalbe» bedeutet. Die römischen Magistrate beobachteten bei ihrem Amtsantritt von einem Zelte aus sitzend den Vogelflug, bis ihnen ein glückbringendes Zeichen zuteil w u r d e ; dann erhoben sie sich und gingen fort. Verres aber « e r h o b sich», nachdem ihm seine «Schwalbe» ein « O m e n » gewährt, d . h . Weisungen für seine Amtsführung erteilt hatte. Den städtischen Amtsbereich: die Aufsicht über die Zivilrechtsprechung unter römischen Bürgern. Ein zweiter Prätor nahm die Rechtsprechung fur Streitigkeiten wahr, an denen Ausländer beteiligt waren ; die übrigen sechs Prätoren leiteten Geschworenengerichte. Bei der Abfassung des Ediktes: Edikte sind Kundmachungen römischer Magistrate, den Amtsblättern moderner Verwaltungsbehörden vergleichbar. Die fur die Zivilrechtsprechung zuständigen Prätoren teilten in ihren Edikten Jahr für Jahr die
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ERLÄUTERUNGEN
Grundsätze mit, nach denen sie während ihrer Amtszeit zu verfahren gedachten ; hierbei pflegten sie sich möglichst eng an das Edikt des Vorgängers anzuschließen. Im Bereich des Zivilrechts war bei den Römern nur ein Teil des Stoffes von Gesetzes wegen geordnet ; die prätorischen Edikte hatten daher für sie nahezu dieselbe Bedeutung wie im modernen Staat das Bürgerliche Gesetzbuch. Im Jahre vor der Stadtprätur des Verres. Vgl. 1 7 . Bis zum Ausbruch des marianisch-sullanischen Bürgerkrieges wurden gewöhnlich alle fünf Jahre Zensoren gewählt, die eine Schätzung (census) durchführten; hierzu hatte sich jeder Römer einzufinden. Anni us scheint jedoch nicht gegen diesen Grundsatz verstoßen zu haben: in den Jahren von 86 bis 70 v.Chr. fand überhaupt kein census statt. Hieraus ergab sich, wie die folgenden Ausführungen zeigen, die Rechtsfrage : nach einer lex Voconia des Jahres 169 v. Chr. war es allen Bürgern, die der ersten Steuerklasse angehörten, untersagt, Frauen als Erben einzusetzen. Auf diese Weise wollte man offenbar deren Emanzipation bekämpfen sowie verhindern, daß die großen Vermögen dem Mannesstamme, dem «Hause» verlorengingen. Der Besitz des Anni us scheint dem fur die ente Klasse erforderlichen Satz genügt zu haben ; allerdings - und hierauf beruft sich Cicero war diese Tatsache nicht von Amts wegen registriert worden. Die Einsetzung von Ersatzerben wurde wirksam, wenn der an erster Stelle Berufene — in diesem Falle die Tochter - die Erbschaft nicht antrat. Ein verallgemeinernder Plural; gemeint ist die Tochter. Ebenso 110. 113. A. Postumius Albin us und Q. Fulvius Flaccus waren im Jahre 174 v. Chr. Zensoren. Verres übernahm diese Zeitbestimmung aus der lex Voconia. Das Voconische Gesetz schränkte die Erbfähigkeit von Frauen mit der Maßgabe ein, daß das Vermögen des Erblassers von den Zensoren registriert sei; die Verordnung des Verres strich diese Klausel. Cicero beanstandet hier, daß Verres seiner Gesetzesänderung rückwirkende Geltung beimaß ; der Ton liegt also auf «Errichtet hat». Ein Testament, das die nächsten Angehörigen überging, galt als pflichtwidrig (inofficiosum) und konnte angefochten werden. Q. (nicht C.) Voconius Saxa : Volkstribun 169 v. Chr. Cicero meint ein Gesetz, die von Sulla erlassene lex de falsis, die TestamentsfiUschungen und Falschmünzerei mit Strafe bedrohte.
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C. V E R R E S ,
I. B U C H
523
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Die Geschworenengerichte urteilten im Namen des römischen Volkes. 97 Gesetze aus der Zeit der mittleren Republik, die einzelne zivilrechtliche Fragen behandelten : die Ersitzung, das Vermächtnisrecht usw. ' · Eine andere Bestimmung der lex Voconia verbot den Angehörigen der ersten Steuerklasse, mehr an Vermächtnissen auszusetzen, als der Alleinerbe oder die Miterben erhielten; auch sie galt nur für Vermögen, die in der Liste der Zensoren registriert waren. Cicero meint, daß Verres die cznsui-Klausel nicht nur beim Frauenerbrecht, sondern auch bei überhöhten Vermächtnissen gestrichen hätte, wenn es ihm um die Sache, um die Beseitigung einer nicht mehr zweckmäßigen Formvorschrift, gegangen wäre. 99 Wie die Pritoren in R o m , so erließen auch die Statthalter der Provinzen Edikte, in denen sie die Grundsätze der Zivilrechtspflege festlegten. Nach dem städtischen Edikt : nicht nach des Verres eigenem, sondern nach dem der folgenden Stadtprätoren, das den früheren Rechtszustand wiederhergestellt hatte. Cicero wirft Verres vor, daß er nicht konsequent handelte : er habe davon abgesehen, die von ihm selbst eingeführte Neuerung auch in Sizilien anzuwenden. Vgl. 1 . 7 f. 100
Die Kinder römischer Bürger trugen eine weiße, mit einem breiten Purpursaum verbrämte Toga, die Knaben, bis sie das Männerkleid (toga virilis) erhielten, die Mädchen bis zu ihrer Verehelichung. Sie trugen weiterhin eine Kapsel (bulla), in der sich ein Amulett befand; die Kapsel war, wenn die Verhältnisse der Eltern es zuließen, aus Gold gefertigt. Mit den «Zierden des Wohlstandes» ist offenbar die goldene Kapsel, mit den «Zierden der freien Geburt» die purpurverbrämte Toga gemeint. Vgl. i { i f .
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Schulen, in denen Rechtsunterricht erteilt wurde, kamen erst während der Kaiserzeit auf. Eine Bestimmung des Zwölftafel-Gesetzes, der berühmten Kodifikation aus der römischen Frühzeit (um 4 j o v. Chr.), berief die Angehörigen des Geschlechts, d . h . die entfernten Verwandten, zur Erbfolge, wenn weder Kinder noch nähere Verwandte vorhanden waren. Das entsprechende Gebot des prätorischen Edikts führte diesen Grundsatz aus, indem es versprach, daß die Berechtigten in den Erbschaftsbesitz eingewiesen werden sollten. In dem von Cicero angenommenen Sachverhalt streitet ein testamentarischer Erbe gegen den gesetzlichen Erben; der gesetzliche Erbe hat den Besitz an der Erbschaft inne. Dem testamentarischen
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Erben standen nun zwei Möglichkeiten offen, sein Recht zu verfolgen : er konnte entweder unmittelbar die Herausgabe der Erbschaft verlangen oder zunächst auf Feststellung klagen, daß er der wahre Erbe sei. Das zweite Verfahren beruhte auf einem Prozeßvertrag ; der Kläger ließ sich vom Beklagten durch einen formgebundenen Akt (sponsio) eine Summe fur den Fall versprechen, daß sich seine Behauptung als richtig erweise. Ferner mußte ihm der Beklagte Sicherheit leisten, d. h. mit Bürgenstellung zusichern, er werde ihm im Falle seines Unterliegens die Erbschaft herausgeben und eventuelle Schäden vergüten. 104
Dieser Satz enthält den eigentlichen Vorwurf. Cicero hat in den §§ 1 1 4 Γ den normalen Rechtszustand umschrieben: «Wenn keine Testamentsurkunde vorgelegt w i r d . . . » ; «Wenn sich jemand auf Grund eines T e s t a m e n t e s . . . » Hieraach galt folgendes : wenn sowohl gesetzliche als auch testamentarische Erben die Erbschaft beanspruchten, die angeblichen testamentarischen Erben jedoch das Testament nicht vorweisen konnten, dann erhielten die gesetzlichen Erben den Besitz an der Erbschaft ; es war den testamentarischen Erben unbenommen, in einem Prozeß ihr Recht an der Erbschaft darzutun. Diesen Rechtszustand verkehrt das in § 1 1 7 mitgeteilte Edikt des Verres in sein Gegenteil : der angebliche testamentarische Erbe, der das Testament nicht vorweisen kann, braucht nicht erst zu prozessieren, um den Besitz an der Erbschaft zu erhalten. In § 1 1 6 legt Cicero dar, daß Verres die Änderung zugunsten einer bestimmten Person vorgenommen hat ; er befaßt sich dort mit den Grundsätzen, nach denen Verres beim Erbschaftsprozeß zu verfahren gedachte ; er zeigt, daß sich Verres hierbei ein redaktionelles Versehen hatte zuschulden kommen lassen, aus dem sich deutlich die Beziehung auf einen Einzelfall ergibt. Dieser verräterische Fehler steckt in dem Worte «Besitzer». In dem Falle, von dem Verres ausging, bei dem Nachlaß des Minucius, hatte der angebliche testamentarische Erbe den Besitz der Erbschaft bereits an sich gebracht ; er war faktischer und - nach dem in § 1 1 7 mitgeteilten Edikt des Verres auch rechtlicher Besitzer der Erbschaft. «Wie nun», fragt Cicero in § 1 1 6 , «wenn der entgegengesetzte Fall eintritt, wenn also nicht der angebliche testamentarische, sondern der gesetzliche Erbe den faktischen Besitz innehat?» A n diese Möglichkeit hatte Verres in der Tat nicht gedacht ; die in § 1 1 6 mitgeteilte Formel hätte eigentlich lauten müssen: «Wenn der Besitzer oder derjenige, dem nach meinem Edikt der Besitz z u k o m m t . . . » Cicero folgert hieraus mit Recht,
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daß Verres den in § 1 1 7 zitierten Text im Hinblick auf einen Einzelfall manipuliert hat. 10! Das ordentliche römische Testament mußte zur Zeit Ciceros von mindestens fünf Zeugen versiegelt sein. 106
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L. Calpurnius Piso Frugi (Prätor 74 v. C h r . ) war als Kollege des Verres berechtigt, dessen Entscheidungen durch seinen Einspruch ( intercessio) aufzuheben. Unübersetzbare Scherze mit den Namen Verres und Sacerdos. lus bedeutet sowohl «Recht» als auch «Brühe» ; ν erres bezeichnet den «Eber», das «Schwein» (vgl. die Rede gegen Caecilius, $7). lus verrinili» steht also für «Eberbruhe» und fur «Recht des Verres». Die Übersetzung verwendet fur im den ebenfalb doppeldeutigen Ausdruck «Gericht». Der Beiname des C . Licinius Sacerdos, des Amtsvorgängers von Verres, bedeutet «Priester» ; den Priestern aber oblag es, u . a . auch Schweine als Opfertiere zu schlachten. Der Witz besagt also, daß der Prätor «Priester» das sich um dasselbe Amt bewerbende «Schwein» hätte schlachten, d. h. verurteilen sollen.
,0
> Ein Gesetz des älteren Cato (Konsul 1 9 5 v . C h r . ) verbot den Beamten die Züchtigung römischer Bürger. ¡o9 Gegen das Ächtungsgesetz Sullas. Vgl. 38. 110 Die Freilassung begründete ein Treueverhältnis zwischen dem ehemaligen Sklaven und seinem Herrn (patronus). 111 Cicero meint. Verres habe sich als Prätor für Zivilsachen nicht um die Einhaltung des sullanischen Strafgesetzes zu kümmern brauchen. Seine Argumentation ist in juristischer Hinsicht überaus schwach; sie soll offenbar vor allem durch die moralische Seite der Angelegenheit Eindruck machen. 112 Der Stand der Freigelassenen. " > Sulpicius war also ein Freigelassener. Wenn ein Erblasser dieses Standes keine Kinder hatte, dann pflegte der Prätor dem Schutzh e l m oder dessen Nachkommen einen Pflichtteil zuzuerkennen ; im Jahre 9 n. Chr. wurde der Anspruch des Schutzherrn gesetzlich fixiert. Die Bestimmung des Verres entsprach wohl dem damaligen Rechtsbrauch, auch wenn sein Amtsvorgänger Sacerdos nichts Ahnliches verfugt hatte. Cicero beanstandet daher nicht die Bestimmung selbst, sondern die rückwirkende Kraft, die Verres ihr beimaß. 1,4
L. Gellius Publicóla: Konsul 7 2 , Zensor 70 v . C h r . Für seine Agenten. Vgl. 1 j j sowie 3 , 28. 4 , 4 7 . • • 6 Die Namensverschiedenheit der beiden Brüder ist dadurch bedingt, daß einer von ihnen durch Adoption in ein anderes Geschlecht gelangt war.
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An der Südseite des Forums. L. Cornelius Sulla Felix und Q. Caecilius Metellus Pius: Konsuln 8o v . C h r . ; L. Octavius und C. Aurelius Cotta: Konsuln 75. Die Prätoren C. Licinius Sacerdos und M. Caesius amtierten ebenfalls im Jahre 7Ç, Verres und P. Caelius im Jahre darauf. Die Instandhaltung der öffentlichen Gebäude wurde jeweils fur fünf Jahre, d. h. für die Zeit von einer Zensur bis zur folgenden, an die Mindestfordernden vergeben ; diese Frist blieb auch üblich, nachdem Sulla die Zensur beseitigt hatte. Die Konsuln des Jahres 7 ; hatten ihre Aufgaben im Bereich des Bauwesens nur zum Teil bewältigt : sie hatten zwar die neuen Verträge geschlossen, waren jedoch mit der Abnahme im Rückstand geblieben; die Gebäude, die sie nicht mehr hatten prüfen können, wurden noch nicht an die neu eintretenden Unternehmer übergeben. Dieser Obliegenheit sollten nunmehr Verres und Caelius nachkommen. 119 Habonius hatte bereits im Jahre zuvor von den Konsuln Octavius und Cotta den Zuschlag für die Reparaturen am Kastortempel erhalten. 110 L. Domitius Ahenobarbus: Konsul J4 v.Chr. 1X1 D. h. für die Kosten, die effektiv aus der Beseitigung des angeblichen Mangels erwachsen wären. Vgl. 144 fr. 1,1 Vgl. die erste Rede gegen Verres, j 1. •*» Den Habonius. Vgl. i46ff. 124 Die drohende Mängelhaftung ist ein passiver Posten im Vermögen des lunius. •»> Vgl. 106 ff. 126 Cn. Domitius Ahenobarbus und L. Caecilius Metellus Diadematus: Zensoren 11 j v. Chr. ; L. Cassius Longinus Ravilla und Cn. Servilius Carpio : Zensoren i i j v . Chr. 117 L. Marcius Philippus und M. Perpema: Zensoren 86 v.Chr. Offensichtlich hatte der ältere lunius damals zum ersten Male die Instandhaltung des Kastortempels übernommen ; der Vertrag war dann von den Konsuln des Jahres 80 erneuert worden. m Die Adilen hatten auf eigene Kosten die öffentlichen Spiele zu veranstalten; sie ließen, wenn sie das Forum schmückten, die Säulen der angrenzenden Tempel übertünchen. Die Instandhaltung war von dem vorigen Unternehmer, d. h. von lunius, auf Habonius übergegangen. Derselbe Habonius erhielt auch den Auftrag, den angeblichen Mangel zu beseitigen, für den lunius haftete. Folglich hätte Verres, wenn man Cicero glauben dürfte, eine sinnlose Klausel in den Kontrakt eingefugt. In Wahrheit verhielt
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es sich anders. Die Klausel muß folgendermaßen wiedergegeben werden : «Der Unternehmer soll für etwaigen Schaden dem Sicherheit leisten, der auch von dem vorigen Unternehmer Sicherheit empfangen hat.» Sie sollte also die Besitzer angrenzender Grundstücke schützen, nicht den Unternehmer, dem die Instandhaltung oblag. ι >° Der Beamte pflegte eine Arbeit, die er abgenommen und für mangelfrei erklärt hatte, unter den empfangenen Leistungen, den «Einnahmen» zu verbuchen. Vgl. 113. L. Appuleius Saturnin us, Volkstribun 100 v.Chr., ein populärer Politiker. · » Vgl. H J . 'S« Der Tochter des P. Anni us Asellus. Vgl. 104 ff. • » Vgl. J, 42 ff. L. Caecilius Metellus Delma ti cus (Konsul 119 v.Chr.) führte erfolgreich Krieg gegen die Dal mater. Er bestritt mit seinem Beuteanteil die Kosten für eine Erneuerung des Kastortempels. Die Erzstatue des Gottes Vertumnus stand in der Nähe des Kastortempels am Ende der tuskischen Straße, die vom Forum zum Circus Maximus führte. Auf ihr wurden zu Beginn der Zirkusspiele die Götterbilder in feierlichem Zuge zum Circus Maximus gebracht. Verres hatte sie pflastern lassen und, wie Cicero behauptet, gegen Entgelt eine äußerst schlechte Arbeit fur gut befunden. 1 , 8 Q. Opimius wurde des Amtsmißbrauchs bezichtigt: er habe sich als Volkstribun ( j ζ v.Chr.) über die Schranken hinweggesetzt, denen ein Gesetz Sullas das tribunizische Einspruchsrecht unterworfen hatte. Man behandelte den Fall in einem Ausnahmeverfahrenf so konnte dem Stadtprätor Verres die Leitung übertragen werden. C . I uni us war als Vorsitzender des Gerichtshofes fur Giftmordsachen (74 v.Chr.) in eine Bestechungsaffare verwickelt, die von Cicero ausfuhrlich in der Rede für Cluentius Habitus erörtert wird (63ff.). Junius hatte während eines Prozesses durch Nachlosung einige zweifelhafte Ersatzrichter bestellt; Verres, der fur die Geschworenenliste zuständig war, überwachte den Vorgang. Als die Kampagne gegen Iunius und seinen Gerichtshof einsetzte, fälschte Verres die Liste, weil er fürchtete, daß man ihn ebenfalb zur Verantwortung ziehen werde. Vgl. die Rede fur Cluentius Habitus, 89 ff. Vgl. 3, i 8 i f f . 1 4 1 Eine dunkle Partie. Q . Curtius ist vielleicht mit Q . Postumius Cur-
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dus, dem Geschäftspartner des Verres, identisch; vgl. 100. Er leitete offenbar im Jahre 70 v. Chr. als iudex qaaeaionis ein Geschworenengericht, denen Mitglieder sich wohl aus derselben Richterabteilung (iteoria) rekrutierten wie die Angehörigen des für Verres zuständigen Gerichts. Curtius suchte der Abteilung durch Nachlosung die rechtschaffensten Richter zu entziehen, so daB für den Gerichtshof des Verres nur bestechliche Individuen übrigblieben.
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Z W E I T E REDE G E G E N C. V E R R E S ZWEITES BUCH Einleitung Das erste Buch schildert gleichsam die kriminelle Laufbahn des Verres : es enthält keine beliebige Vorgeschichte, sondern macht den Leser zum ersten Male mit all den Methoden vertraut, die sich während der sizilischen Statthalterschaft zu einem souverän gehandhabten System der Ausbeutung verdichten sollten. Man erfährt vom Mißbrauch der Gerichtsgewalt (1,103ff.): dieses Thema dominiert im zweiten Buch. Man wird auf die Erpressungen im Bereich der Naturalabgaben vorbereitet (i,9jf.): dieser Materie hat Cicero das gesamte dritte Buch gewidmet. Einige Beispiele illustrieren die Kunstleidenschaft des Verres(1,46ff.): sie macht den einzigen Gegenstand des vierten Buches aus. Schließlich nimmt die Episode vom Verkauf des milesischen Schilfes (1,86 ff.) vorweg, was Cicero im fünften Buch zu einem düsteren Gemälde zusammengefügt hat: die Art und Weise, in der sich Verres die öffentliche Sicherheit angelegen sein ließ. Das erste Buch führt ein Vielerlei der Themen auf wechselnden Schauplätzen vor; die Bücher 2 bis 5 haben allesamt dieselbe Szenerie, die Insel Sizilien, und behandeln in rigoroser Ordnung jeweils bestimmte Gruppen von Delikten. Diese Teile des Verrinenwerks, die den eigentlichen Anklagestoff enthalten, sind nach dem Prinzip der Steigerung arrangiert; sie zeigen deutlich eine Klimax. Das zweite Buch ist noch ein wenig farblos und monoton ; alle rhetorische Aufmachung vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, daß den exemplarischen Vorkommnissen aus den Bereichen der Rechtspflege
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und der allgemeinen Verwaltung einiges von der Gleichförmigkeit gerichtlicher Akten anhaftet, daß es fast stets dieselben Manöver und Kunstgriffe waren, deren sich Verres bei seinen erpresserischen Unternehmungen bediente. Auf das dritte Buch scheint diese Charakteristik in gleichem oder gar noch höherem Maße zuzutreffen ; andererseits erörtert Cicero dort das Kernstück seiner Anklage, und er erörtert es gründlich und mit bemerkenswerter Sachlichkeit: das dritte Buch hat unter allen Teilen des Verrinenwerkes den größten dokumentarischen Wert. Die vielgerühmten letzten Bücher endlich tragen ihre Vorzüge offen zur Schau ; sie sind nicht nur rhetorische Glanzpunkte und kulturhistorische Quellen, die kaum ihresgleichen haben, sondern auch faszinierende Zeugnisse ciceronischer Darstellungskunst. Die Einleitung des zweiten Buches ist zweigeteilt. Cicero stellt zunächst den nunmehrigen Schauplatz des Geschehens vor; er führt aus, was die Insel für die Wirtschaft und Versorgung Roms bedeutet ( 1 - 7 ) · Sodann wird die Dringlichkeit der Anklage dargetan : fast die gesamte Bewohnerschaft Siziliens, Einheimische wie Römer, sei über die Untaten des Verres empört und wünsche seine Verurteilung (8-17). Der Hauptteil befaßt sich mit insgesamt fünf Materien. Den Anfang machen die beiden Zweige der Rechtspflege, die Zivilsachen und die Kriminaljustiz (17-67. 68-118); die zweite Buchhälfte erörtert drei verschiedenartige Themen: den Ämterschacher, den Verres betrieben, und die Gelder, die er für Ehrenstatuen eingefordert habe, sowie schließlich sein Verhältnis zu einer wichtigen Gruppe von Funktionären, zu den Steuerpächtern ( 1 1 8 - 1 3 6 . 137-168. 169-191). Das kurze Schlußwort übt beißende Kritik an dem Verteidiger Hortensius (191-192). Cicero hat sich bemüht, der Stereotyf>izität der einander stark ähnelnden Sachverhalte durch auflockernde kleine Sze-
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nen und Exkurse entgegenzuwirken. Nach dieser Maxime ist zumal der erste Abschnitt des Hauptteils angelegt : der Autor schickt einige exemplarische Fälle voraus; er unterbricht die Erzählung, um zunächst vom Gefolge des Verres und sodann von der sizilischen Gerichtsverfassung zu handeln; er setzt nunmehr die Reihe der Willkürentscheidungen in Erbangelegenheiten fort ( 1 7 - 2 $ . 26-34. 35-67). Auch im dritten Abschnitt hat Cicero mit Bedacht für Abwechslung gesorgt : zwei anschauliche Einzelvorgänge treten zwischen handlungsarme allgemeine Darlegungen (120-125. 126-130. 131-136). Die Hauptfigur wird zu wiederholten Malen mit kräftigen Strichen porträtiert. Wie stets erscheint Verres als das personifizierte Verbrechen; er ist plump und einfallslos; er gerät in Wut, wenn eine Unternehmung nicht wunschgemäß verläuft (48. 73 f. 92). Die Tatsachen, die Cicero nennt, stimmen nicht immer zu diesem Bilde; der moderne Leser jedenfalls wird eher geneigt sein, Verres für einen mit Umsicht und Plan zu Werke gehenden Ausbeuter zu halten, und die beinahe lustigen Prozeduren, die über Schwierigkeiten beim Ämterverkauf hinweghelfen (126-130), scheinen eine bemerkenswerte Schläue zu verraten. Der Protagonist ist von allerlei Helfern umgeben. Cicero geht des öfteren auf dieses Thema ein ; sein Bericht vermittelt dem Leser eine deutliche und im ganzen überzeugende Vorstellung von den Gefolgsleuten des Verres. Wer auf sich hält, distanziert sich bald von dem verbrecherischen Statthalter so der eigene Schwiegersohn und sämtliche Legaten (48 f.). Die niedrigeren Chargen, die Prafekten, Schreiber, Amtsboten usw., sind bedenkenlose, stets auch auf den eigenen Vorteil bedachte Werkzeuge; Verres verwendet sie als Unterhändler, Ankläger, Richter oder gar als «Anwalt» für ein Opfer seiner Willkürjustiz (22. 26 ff. 3 3 f. u. ö.). Unter dem Gesindel, das die vielfältigen Anschläge des Statthalters ausfuhrt, ragen der ehr-
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lose Volcatius, immerhin ein römischer Ritter, ferner ein gewisser Claudius und vor allem der Freigelassene Timarchides, das durchtriebene und erfindungsreiche Faktotum, hervor ($6ff. 6 9 f . I 0 7 f . 1 3 3 ff·)·
Die Szene füllt sich schließlich mit wechselnden Gruppen aus der sizilischen Bevölkerung, mit wohlhabenden Griechen, mit römischen Kaufleuten oder Unternehmern. Cicero bedenkt die Einwohnerschaft der Insel in der Einleitung mit hohem Lob; er stellt die Sizilier als arbeitsame, redliche, den Römern treu ergebene Biedermänner hin (7 f.). Er hebt auch stark hervor, wie einhellig die Empörung sei, die Verres verursacht habe, wie sehr sich der brutale Statthalter in allen Kreisen und Schichten verhaßt gemacht habe : dieses Motiv, das ebenfalls bereits in der Einleitung vorgeführt wird (10 ff.), beherrscht die Abschnitte über die Ehrenstatuen und über die römischen Steuerpachtgesellschaften. Anders als bei den Handlangern des Verres wollen sich hier die allerorten erwähnten Tatsachen wenig zu dem Gesamtbild fügen, das die dceronische Argumentation beim Leser zu erzeugen sucht. Die Darstellung der Heraclius-Affare nennt zum ersten Male Kleomenes und Aischrion, die syrakusanischen Kollaborateure (36); bald daraufzeigt sich, daß die Behörden von Syrakus amtlich an dem üblen Handel beteiligt sind (43 ff.). So geht es fort : Epikrates und Sopatros werden von einheimischen Feinden denunziert (54 ff. 68); nach dem Zerwürfnis mit dem Gastfreunde Sthenius findet Verres bei dessen Widersachern ein offenes Haus und eine nahezu unbegrenzte Bereitschaft zu falschen Anschuldigungen (89 fr.). Der Spürhund Timarchides macht sich den überall schwärenden Hader weidlich zunutze; er gebietet über ein ganzes Netz von Spitzeln und Anklägern (135). Der von Verres eingerichtete Markt für Gemeindeämter findet regen Zulauf ( i 2 o f f ) ; die sizilischen Zensoren, die samt und sonders ihren Posten käuf-
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lieh erworben haben, halten sich durch ungerechte Steuern an ihren ärmeren Mitbürgern schadlos (13iff.). Aus alledem ergibt sich wohl, daß auch die sizilische Umwelt einem Verres durch die üppig wuchernde Niedertracht und Korruption mehr Gelegenheit zu verbrecherischen Anschlägen bot, als Cicero in der Absicht, den Statthalter als ein beispielloses, aller Maßstäbe spottendes Monstrum hinzustellen, wahrhaben möchte. Am wenigsten überzeugt wohl der Versuch des Autors, die Gesellschaft der Steuerpächter vor dem Verdacht zu schützen, sie habe mit Verres konspiriert; daß sich einzig der Bezirksvorsteher Carpinatius zu einem Pakt auf Gegenseitigkeit bereit fand, wird durch die von Cicero angeführten Begleitumstände geradezu zwingend widerlegt (169fr.).
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534 Erläuterungen ' Des Senatorensundes. Vgl. z.B. die Rede gegen Caecilius, 8f., die erste Rede gegen Verres, 2. 36. 43. 49, sowie die zweite Rede, 1, 4Γ ι , 19. 1 , 1 1 7 . I P. Africajius: der jüngere Scipio, der Zerstörer Karthagos (146 v.Chr.). M. Claudius Marcellus: der Eroberer von Syrakus (212 v. Chr.). Vgl. zu diesem Absatz 1, 1 1 . 2, 86f. 4, 71 ff. 4, 11 {ff. ' M. Porcius Cato, der berühmte Zensor (Konsul 19$ v.Chr.). 4 Während des Bundesgenossenkrieges (91-88 v.Chr.), der Rom an den Rand des Verderbens brachte. ' Jenes Jahr : die bedrückende Statthalterschaft des M. Aemilius Lepidus (80 v.Chr.); sein Nachfolger war C. Claudius Marcellus, ein Mitglied des Uber Verres befindenden Gerichtshofes. Zweimal : zum ersten Male durch den berühmten Marcellus, den Eroberer von Syrakus. M. Antonius Creticus hatte, wie einige Jahre später Pompeius, ein außerordentliches Kommando inne, die Seeräuber zu bekämpfen (74-71 v. Chr.) ; seine ausgedehnten Vollmachten erstreckten sich auf sämtliche Meeresküsten. Vgl. 3, 212 f. 6 Vgl. 3, 46fr. 119fr. 7 Bei den Marcellern. Vgl. die Rede gegen Caecilius, 2 . 1 3 , sowie die zweite Rede gegen Verres, 2, j i . 3, 45. 4, 89fr. » V g l . 1 0 3 . 1 4 6 f r . ι 56. 9
Dem Statthalter von Sizilien unterstanden zwei Quästoren ; der eine hatte seinen Amtssitz in Syrakus, der andere in Lilybaeum (an der Westküste der Insel). Mit ihren Rutenbündeln: mit den bekannten Jasca, in denen Beile steckten, den Symbolen staatlicher Zwangsund Strafgewalt ; sie wurden den römischen Beamten von den Bütteln (lictores) vorangetragen. Jeder Provinzquästor gebot über zwei Büttel. 10 Den Nachfolger in der sizilischen Statthalterschaft, L. Caecilius Metellus. II Vgl. z.B. 64f. 3, 122. 11 Messana (heute Messina). Im Jahre 288 v. Chr. hatten sich ehemalige Söldner des syrakusanischen Tyrannen Agathokles, die aus Kamperlien stammenden Mamertiner («Söhne des Mars»), der Stadt bemächtigt. Zum folgenden vgl. 1 1 4 . 4, 1 5 ff. 4, 150. 5, 43 IT. >> Um durch ein belobigendes Zeugnis für Verres einzutreten. ' « V g l . 4, 136fr. Die Verwaltung der Provinzen war ebenso wie die stadtrömischen
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Ämter auf ein Jahr befristet; Verres konnte damals nicht voraussehen, daß besondere Ereignisse ihm eine insgesamt dreijährige Statthalterschaft einbringen würden. 16 Verres kann im Lateinischen auch «du wirst ausfegen» bedeuten (von ver re re). Vgl. 52. 17 Den Kastortempel, dessen Beaufsichtigung Verres gröblich zu eigenem Gewinn mißbraucht hatte. Vgl. i t 119 fr. 11 Stadt an der Nordkiiste Siziliens, in der Nähe des heutigen Tusa. " Des Mannes also, dem Verres mit seinem Gelde das Konsulat des Jahres 69 v.Chr. verschafft hatte. Der vollständige Name des Dio lautete nunmehr Q. Caecilius Dio; vgl. 13. 10 P. Annius Ase 11 us : vgl. 1, 104fr. M. Octavius ligus : vgl. 1, 12jff. C. Licinius Sacerdos: Stadtprätor 75, Statthalter von Sizilien 74 v. Chr. ; er war in beiden Ämtern der Vorgänger des Verres. Cicero verwendet hier den Begriff Prätor bald im strengen Sinne, bald in der Bedeutimg «Proprätor», «Statthalter»; vgl. 1,34. 11 Venus hatte auf dem Berge Eryx (im äußersten Nordwesten der Insel ; heute Monte S. Giuliano) ein bekanntes Heiligtum. Es war üblich, testamentarische Auflagen durch derartige Strafbestimmungen zugunsten eines Tempels zu sichern; vgl. i ¡ . " Der hier erwähnte Zeuge L. Caecilius ist schwerlich mit L. Caecilius Metellus, dem Nachfolger des Verres in der sizilischen Statthalterschaft (Konsul 68 v.Chr.), identisch. M.Terentius Varrò Lucullus: Konsul 73 v.Chr., in den beiden folgenden Jahren Statthalter von Makedonien. " Die Verteidiger des Angeklagten waren vom Zeugniszwang befreit. Stadt im Innern Siziliens, zirka 2 ¡ km nordöstlich von Henna (heute Agira). 11 Chargen des Gefolges, das den römischen Statthalter in die Provinz zu begleiten pflegte. Die Präfektur war ein häufig von Rittern wahrgenommener Offiziersrang unterhalb des Legaten ; die Schreiber rekrutierten sich im allgemeinen aus dem bürgerlichen Mittelstand; die übrigen Dienstleistungen wurden von Freigelassenen oder kleinen Leuten versehen. 26 Spiel mit der doppelten Verwendungsweise von cohort: das Wort bezeichnet sowohl eine militärische Einheit (1 Legion — 10 Kohorten) als auch das Gefolge des Statthalters (cohort practoria). Bei den «Kohorten entlaufener Sklaven» denkt Cicero vor allem an den zweiten Aufstand in Sizilien (104-101 v.Chr., unter Athenion); vgl. 136. 3, 66. 3, 11s.
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Vgl. die Rede gegen Caecilius, 57. Cicero meint wahrscheinlich den jüngeren Scipio, den Zerstörer Karthagos (Konsul 147 und 134 v. Chr.). «»Vgl. 3, i 8 i f f . Sowohl der stadtrömische als auch der vor einem Provinzialstatthalter anhängige Zivilprozeß vollzog sich in zwei Abschnitten. Die Gerichtsbehörde, der Prätor oder der Statthalter, beteiligte sich nur an dem ersten Abschnitt, am Verfahren «vor Gericht» (in iurt). Dort wurde der Gegenstand des Streites festgestellt und der Richter bestimmt. Der zweite Abschnitt, das Verfahren «vor dem Richter» (apud iadicem), galt lediglich der Ermittlung des Sachverhaltes; der Richter lieB sich die Beweise über den von der Gerichtsbehörde formulierten Streitpunkt vorführen und fällte hiernach das Urteil. Das Beispiel ist nach einer der Formeln gebildet, die den ersten Abschnitt des Verfahrens beendeten : ein iudex wird beauftragt, über einen genau umschriebenen Streitpunkt Beweis zu erheben und je nach Lage der Dinge zu entscheiden. Cicero verwendet hier das Formular fur die Klage auf Herausgabe einer Sache, wie sie der Eigentümer gegen den Besitzer geltend machte. Der Rest des Textes verstand sich fur den zeitgenössischen Leser von selbst ; er lautet : « . . . dann soll er (d. h. der Richter L. Octavius) den P. Servilius zugunsten des Q. Ca tul us zu dem Betrag verurteilen, den das Grundstück wert ist, andernfalls aber soll er ihn freisprechen.» Cicero verkehrt nun aber den Zweck der Formel ins Gegenteil, um das handgreifliche Unrecht zu veranschaulichen, das Verres begangen habe : in seinem Beispiel soll nicht dem Eigentümer P. Servilius, sondern dem Nichteigentümer Q. Catulus der Besitz an dem Grundstück zugesprochen werden, d.h. Servilius muß dem Catulus entweder das Grundstück herausgeben oder dessen Schätzwert zahlen. L. Octavius Baibus, P. Servilius Vatia Isauricus (Konsul 79 v. Chr.) und Q. Lutatius Catulus (Konsul 78) gehörten dem Gerichtshof an, der über Verres zu befinden hatte. Capenatisch: in der Mark von Caperla, einer Stadt Südetruriens (zirka 3 ; km nördlich von Rom), gelegen. Quiritisch: römisch; Quirites diente als juristische Bezeichnung für die Römer. 11
" Abermals absurde Beispiele für die Unrechtsjustiz des Verres ; in dem ersten Fall scheint vorausgesetzt zu sein, daß ein Schuldner seinem Gläubiger eine unzulängliche Leistung als Erfüllung aufzunötigen sucht. " P. Rupilius (Konsul 132 V. Chr.) ordnete in dem nach ihm benannten Provinzstatut das Gerichts- und das Steuerwesen Siziliens.
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Oer Ausdruck con ven [us cmumfomanorunibezeichnet den Zusammenschluß aller in einer Provinzstadt wohnhaften römischen Bürger. " Mit dem Worte negotiatores sind hier wohl römische Kaufleute gemeint, die sich nur zeitweilig in der Provinz aufhielten. Die Marceller waren die Schutzherren ganz Siziliens; vgl. io. Angesehene Sizilier pflegten außerdem noch besondere Schutzherren zu haben. ' 7 Q. Arri us (Prätor 73 v.Chr.) gelangte nicht an den Ort seiner Bestimmung : er beteiligte sich am Kriege gegen Spartacus und starb. " Ciceros Darstellung sucht den Leser zu verwirren; immerhin lassen diese Sätze den eigentlichen Streitpunkt erkennen. Heraclius behauptete, es handele sich um einen privaten Prozeß unter Angehörigen derselben Gemeinde ; er wird daher verlangt haben, das Gericht solle ebenfalls aus Syrakusanern bestehen. Die Gegner hingegen meinten, daß eine Gemeinde gegen einen Privatmann klage ; folglich müsse man Auswärtige zu Richtern bestellen. Auf das Rupilische Gesetz haben sich offenbar beide Parteien berufen, so sehr auch Cicero diese Instanz allein für Heraclius beansprucht : die Forderung der Gegner stimmt zwar mit dem Grundsatz «Wenn ein Privatmann gegen eine Gemeinde oder eine Gemeinde gegen einen Privatmann klagt» usw. (32) nicht genau überein, kommt ihm jedoch einigermaßen nahe; außerdem muß man damit rechnen, daß Cicero den Wortlaut des Gesetzes oder den Antrag der Gegner oder beides unpräzise wiedergibt. Verres scheint demnach die Prozeßordnung nicht ganz so willkürlich angewandt zu haben, wie die ciceronische Darstellung glauben machen möchte ; der Vorwurf, daß er sich nach dem Urteil schamlos zu bereichern wußte, bleibt hiervon unberührt. " D. h. vor vier Uhr nachmittags. Korinthische Gefäße wurden aus einer Legierung hergestellt, die Gold, Silber und Kupfer enthielt; sie waren ein begehrter Luxusartikel. 4 1 D.h. seinen Schwiegersohn. Vgl. 49. t ' Vgl. 4, i t j f f . Dem Eroberer von Syrakus. Vgl. 4. Kleomenes und Aischrion. Vgl. 36. 3, 77. $, 31. 5, 81 f. 4> C. Claudius Marcellus (Prätor 80 v. Chr.) hatte im Jahre 79 Sizilien verwaltet. Die Marceller waren die Schutzherren Siziliens; vgl. 10. Mithridates VI., König von Pontos, besetzte zu Beginn seines ersten Krieges gegen die Römer (89-8 ς ν. Chr.) die Provinz Asien ; sämtliche Italiker, die sich dort aufhielten, wurden an einem Tage ermordet.
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ERLÄUTERUNGEN
M u c i u s - F e s t : e i n e S t i f t u n g z u E h r e n des Q . M u c i u s S c a e v o U ( P o n t i f e x M a x i m u s ; Konsul 9 $ v. C h r . ) , der die Provinz A s i e n musterhaft v e r w a l t e t h a t t e ( 9 7 v . C h r . ) ; v g l . 27. 34 und d i e R e d e g e g e n C a e c i lius, Í 7 . 47
C i c e r o s p i e l t a b e r m a l s m i t d e m N a m e n des V e r r e s . V g l . 18 f.
41 In n o r d w e s t l i c h e r R i c h t u n g , z i r k a 1 o k m v o n Syrakus e n t f e r n t . D i e g r i e c h i s c h e n R i n g e r p f l e g t e n sich v o r d e m K a m p f e m i t Ö l e i n z u r e i b e n . D e r l a t e i n i s c h e T e x t e n t h ä l t e i n W o r t s p i e l : unetus, e i g e n t l i c h «gesalbt», « e i n g e ö l t » , b e d e u t e t a u c h «fett», « r e i c h » . G r i e c h i s c h e Stadt i m s ü d l i c h s t e n Italien, an d e r M e e r e n g e von M e s sina ( h e u t e R e g g i o ) . ' 1 D . h . e r b e t r e i b t — w i e b e i d e n 300 000 S e s t e r z e n aus d e m V e r m ö g e n d e s H e r a c l i u s - z u m S c h e i n e d i e R ü c k z a h l u n g des B e t r a g e s , d e n e r s i c h a n g e e i g n e t h a t t e . V g l . 4 8 ff. J* V g l . "
jjf.
D e r Prozeßbevollmächtigte m u ß t e i m allgemeinen Sicherheit dafür leisten, daß der V e r t r e t e n e d e n Ausgang des Prozesses anerkennen w e r d e . V g l . d i e R e d e f ü r Q u i n c t i u s , 29. 6 3 . V o n d e n B i d i n e m , d i e d e n P r o z e ß g e g e n Epikrates b e t r i e b e n .
"
N a c h den Schätzungen u s w . : » g l · 3. 4 + f f - 3. m
vgl.
138f. Die Zehntsteuer
usw.:
ff.
)6 U b e r d i e v e r w a n d t s c h a f t l i c h e B e z i e h u n g , auf d i e s i c h M e t e l l u s h i e r b e r u f t , ist n i c h t s N ä h e r e s b e k a n n t . V g l . 3 , 1 { 3 . >7 S o w o h l das E r p r e s s u n g s g e s e t z als a u c h b e s o n d e r e V o l l m a c h t e n des Gerichtsvorsitzenden G l a b r i o hatten C i c e r o die hoheitlichen Befugnisse e i n g e r ä u m t , d e r e n e r b e d u r f t e , d i e E r m i t t l u n g e n d u r c h z u f u h ren und Beweise zu beschaffen. V g l .
1,16.
'8 S i k u l e r s t a d t im Inneren d e r Insel, zirka 30 k m s ü d w e s t l i c h des Ä t n a (heute Centuripe). In e i n e m S c h i e d s v e r t r ä g e
(compromissum)
pflegten d i e
streitenden
P a r t e i e n m i t e i n a n d e r zu v e r e i n b a r e n , s i c h d e m S p r u c h d e s v o n i h n e n gewählten Schiedsmannes zu u n t e r w e r f e n ; wer sich d e m
Spruch
nicht fügte, büßte einen bestimmten Geldbetrag ein, der zu Beginn des V e r f a h r e n s b e i m S c h i e d s m a n n h i n t e r l e g t w e r d e n m u ß t e . 6° Stadt i m I n n e r e n S i z i l i e n s , z i r k a 35 k m ö s t l i c h v o n L i l y b a e u m . 61 62
D e m Amtsvorgänger des V e r r e s . V g l . 2 1 . A u s d e r B e z i r k s v e r s a m m l u n g , d e m Z u s a m m e n s c h l u ß d e r in S y r a k u s w o h n h a f t e n r ö m i s c h e n B ü r g e r ; v g l . 3 2 . D i e Beisitzer, d i e d e r Statthalter nach römischer Gepflogenheit zuzog, w e n n e r G e r i c h t hielt, hatten z w a r nur eine beratende Stimme ; andererseits durfte er von
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ihrer Meinung nicht leichtfertig abweichen, sofern ihm an seinem Rufe lag. 6Î Dieser Ruf diente als Zeichen, daß die Verhandlung beendet und die Sache entscheidungsreif sei. 64 In diesem Monat pflegte der Senat die Gesandtschaften der von Rom abhängigen Staaten vorzulassen. Vgl. ι , 90. 6* Krieg gegen die Kreter : die kretischen Piraten hatten M. Antonius Creticus (vgl. 8) besiegt und zum Abschluß eines ungünstigen Friedens genötigt. Oer Senat lehnte den Vertrag ab ; Q . Caccili us Metellus Creticus, der Amtsgenosse des Hortensius, unterwarf die Insel (68-66 v.Chr.). Die Byzantiner: der Senat befaßte sich damals mit der Frage, ob Byzanz den einstigen Status der Autonomie und Abgabenfreiheit zurückerhalten solle. Ptolemaios: Ptolemaios XII. Auletes, der seit dem Jahre 80 v . C h r . über Ägypten herrschte; er wurde erst im Jahre s 9 von den Römern anerkannt. 66 Hortensius. Vgl. die Rede gegen Caecilius, 3 5. Die Strafgesetze Sullas. Senatoren durften eine größere Anzahl von Richtern ablehnen, wie das Beispiel des Verres zeigt; vgl. 1, 18. 3. 97· Í . 114· 6> Anspielung auf den berüchtigten Prozeß gegen Oppianicus (74 v. Chr.). Die Richter Bulbus und C. Aelius Staienus Paetus hatten sich angeblich von beiden Parteien bestechen lassen; sie wurden zur Herausgabe des Erlangten verurteilt ; in der Rede für Cluentius Habitus (6jff. 97ΡΓ.) sucht Cicero die Version, die er hier voraussetzt, als unrichtig zu erweisen. Vgl. die erste Rede gegen Verres, 39. 69 Der Senat gliederte sich in eine Anzahl von Abteilungen ; aus ihnen wurden jeweils die Gerichtshöfe fur die einzelnen Prozesse gebildet. Vielleicht spielt Cicero hier bereits auf die neue Organisation an, die der soeben veröffentlichte Gesetzesvorschlag des L. Aurelius Cotta ankündigte ; vgl. 174. 70 Vgl. die Rede gegen Caecilius, 14. 7' Sie war mit einem breiten Purpursaum verbrimt ; vgl. 1, 1 1 3 . i j i f . Der Sizilier Sopatros hatte seinen Sohn offenbar nach römischer Sitte gekleidet. 7» Stadt an der Nordküste Siziliens, zirka 40 k m östlich von Panormos (heute Termini-Imerese). Begehrte Luxusartikel aus verschiedenen Legierungen. Vgl. 46 und die Rede für Sex. Roscius, 133. Der jüngere Scipio. Vgl. 3. 71 Im Jahre 409 v . C h r . Die Stadt wurde völlig zerstört und niemals 74
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wiederaufgebaut ; sie lag östlich von Thermal an der Mündung des nördlichen Himeras, des heutigen Fiume Grande. 76 Griechischer Chorlyriker aus Matauros im Bruttierlande (zirka 6 + o - j j j v.Chr.). Von seinen Gedichten ist außer spärlichen Fragmenten nichts erhalten. 77
Hinweis auf das 4. Buch. Etwa um drei Uhr nachmittags. « Kallidama. >0 Sklaven des Venustempels auf dem Eryx, von Verres als Amtsdiener verwendet. Vgl. 21 f. und die Rede gegen Caecilius, 55. 81 Nach neun Uhr abends. 81 Cn. Cornelius Lentulus Clodianus und L. Gellius Publicóla waren die Konsuln des Jahres 72 v. Chr. 8 5 Senatsbeschlüsse mußten vor Sonnenuntergang gefaßt werden; sonst waren sie ungültig. Die kurzen Tage des Spätherbstes erleichterten die Anwendung des hier erwähnten Kunstgriffes, durch langes Reden das Zustandekommen eines Beschlusses zu verhindern. Vibo : Stadt im Lande der Bruttier (heute Monteleone). Velia : Stadt in Lukanien, zirka 35 km südöstlich von Paestum (heute Castelammare della Bruca bei Pisciotta). Cicero berichtet demnach von seiner Rückreise aus Sizilien. Entlaufene Sklaven: Überbleibsel aus dem Heere des Spartacus. Deine Leute : vgl. die erste Rede gegen Verres, j . 85 M.LoUius Palicanus, Volkstribun 71 v.Chr. 86 Des berühmten Pompeius. Ihm verdankte der Zeuge Theodoras das römische Bürgerrecht; er führte daher den Namen seines Gönners. Vgl. 20. 87 Stadt an der Nordküste Siziliens, zirka 20 km östlich von Panormos (heute Castello di Solante). 88 Vgl. 10. 146 ff. i¡6. " Cn. Cornelius Lentulus Marcellinus (Konsul ¡6 ν. Chr.) ; er war von Hause aus ein Marceller und zählte daher zu den Schutzherren Siziliens. Vgl. die Rede gegen Caecilius, 1 3 . 9° Vgl. die erste Rede gegen Verres, 23. Durch die Angabe des Bezirkes gibt Cicero zu erkennen, daß es sich bei diesem Claudius um ein ziemlich unbekanntes Individuum handelte. " Vgl. 3, 22ff. 130fr. 91 Cn. Cornelius Dolabella: der einstige Vorgesetzte des Verres, der nach seiner kilikischen Statthalterschaft (80-79 v.Chr.) wegen Erpressungen verurteilt wurde; vgl. 1 , 9ς Ff. Opus: Hauptstadt der 78
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ostlichen Lo kris, der mittelgriechischen Landschaft nördlich von Böotien. Philodamos durfte als Gesandter nicht angeklagt werden, auch wenn er sich noch am Orte aufhielt. In welcher Weise diese Angelegenheit mit der Verurteilung Do labellas zusammenhing, ist nicht bekannt. 95 C.Marius: der berühmte Sieger über die Kimbern und Teutonen, der am Ende seines Lebens in den Strudel der Revolution geriet (gestorben 86 v. Chr.) ; auf ihn treffen die Worte «und noch jetzt» nicht zu; vgl. 113. C. Claudius Marcellus (Prätor 80) hatte im Jahre 79 Sizilien verwaltet; er war Mitglied des über Verres urteilenden Gerichtshofes; vgl. 8. { i und 4, 90. L.Cornelius Sisenna: Prätor 78. 9* Im Jahre 82 v. Chr. ; Sulla hatte Pompeius beauftragt, die Marianer in Sizilien und Afrika niederzuwerfen. " Das herrliche Verres-Fest: vgl. ¡ 1 . Vergoldete Statuen: vgl. i j o . 154. Vom sizilischen Bund: vgl. 145. 1 $4. 168. Dieser sonst nirgends erwähnte Zusammenschluß sizilischer Gemeinden hatte wohl nur den Zweck, dem Verres im Namen ganz Siziliens Ehrenstatuen zu bewilligen. Dem Schutzherrn Siziliens: vgl. 1(4. 96 Vgl. 13. 97 Vgl. 21. 93. ' 8 Uber den Zweck des Geschenkes und die Herkunft der dafür aufgewandten Mittel gab offenbar die Weihinschrift Auskunft. »9 Vgl. I. 1 0 0 Vgl. die Rede gegen Caecilius, 67. 1 0 1 Vgl. ι , 12 £ ff. I o a Centuripae: vgl. 66. Halaesa: vgl. 19. Catina: Stadt an der Ostküste Siziliens, südlich des Ätna (heute Catania). Cicero meint das von Rupilius erlassene Statut der Provinz Sizilien. Vgl. 3 1 - 4 0 . IO * L. Licinius Crassus, der berühmte Redner, und Q . Mucius Scaevola (Pontifex Maximus) waren im Jahre 95 v. Chr. Konsuln. I0 > C. Claudius Pulcher: Prätor 95, Konsul 92 v.Chr. Marceller: vgl. die Rede gegen Caecilius, 13. Scipio : der ältere Afri can us (Konsul 1ος und 194 ν. C h r . ) ; die Gesetze für Agrigent entstammten dem Jahre 20 j . Die Siedler: nicht T . Manli us, sondern C. Mamilius hatte sie im Jahre 207 als Prätor in die drei Jahre zuvor hart mitgenommene Stadt gefuhrt. 107 Stadt an der Südküste Siziliens, zirka 2 { km nordwestlich von Agrigent (heute Eraclea Minoa). 108 Stadt an der Nordküste Siziliens, zwischen Thermal und Halaesa (heute Cefalù).
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Anders die Römer, deren Kalender schon in vorcaesarischer Zeit jeden Zusammenhang mit dem Mondlauf preisgegeben hatte. Durch die im folgenden genannten Schaltungen suchten die Griechen den Anschluß an die Mondperioden wiederherzustellen. 110 Zwischen den Römischen Spielen (Ç.-19. September) und den Spielen der Victoria (16. Oktober bis 1. November); vgl. die erste Rede gegen Verres, 3 1. Das Intervall betrug in Wirklichkeit nur fiinfunddreißig Tage ; Cicero schlägt zehn Tage drauf, um eine genaue Analogie zu der Manipulation in Kephaloidion herzustellen. 111 D.h. die Steuern, die ein jeder von ihnen seiner Heimatgemeinde schuldet. 111 Der Anfuhrer im zweiten sizilischen Sklavenaufstand ( 1 0 4 - 1 0 1 v. Chr.). 11 ' Die Statthalter pflegten sich in ihren Provinzen Ehrenstatuen errichten zu lassen, um den Anschein zu erwecken, als hätten sie sich um ihre Untertanen besonders verdient gemacht. Die hierfür bereitgestellten Mittel fielen nicht unter das Erpressungsgesetz, wenn sie innerhalb von fünf Jahren ihrer Bestimmung gemäß ausgegeben wurden; vgl. 142. 114 D.h. als die Beamten der sizilischen Gemeinden, denen dieselben Aufgaben zukamen wie den römischen Ädilen. Vgl. 64. Im Jahre 75 v.Chr. ; Sex. Peducaeus war der zweite Amtsvorgänger des Verres. Vgl. 1 , 1 8 . Indem er sich von den wohlhabenden Mitbürgern für einen niedrig angesetzten Schätzbetrag bezahlen ließ. >•» Vgl. I I . 64Γ ι$6. ι · ' Heraclius, Epikrates: vgl. 63. A. Claudius: vgl. 4, 37. Drepanon: Hafenort an der Nordwestspitze Siziliens (heute Trapani). Uber die Beraubung des Mündels gibt Cicero keine nähere Auskunft. 110 Vgl. >14. i i 4 . 168. 1.1 Vgl. :o. 103. i j 6 . 1.2 Nach dem Gesetz des Hieron usw. : vgl. 3, 14fr. Lieferungen, die für die Vorratskammer angeordnet werden: vgl. die Rede gegen Caecilius, 30, und die zweite Rede gegen Verres, 3, 188ff. Die Sizilier forderten, man möge den römischen Beamten zwingend vorschreiben, die Lieferungen für die Vorratskammer in natura anzunehmen. " > Hinweis auf das 3. Buch. 124 Am Südrande des Marsfeldes, in der Nähe des Circus Flam ini us.
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> Cicero meint offenbar die in den § § 141 f. erwähnte Summe von zwei Millionen Sesterzen; diese Summe enthält somit nicht nur die von den Gemeinden, sondern auch die von den Landwirten usw. für Statuen gezahlten Beträge. Vgl. 16 {. 116 Soter bedeutet «Heiland». Oer Ausdruck war ursprünglich den Göttern vorbehalten ; seit hellenistischer Zeit diente er auch der Ehrung von Monarchen. Vgl. j i f . " » Vgl. 1 1 4 . 1 4 J . 1 6 8 . Die verurteilten Statthalter sind nicht bekannt. Zu den freigesprochenen gehört M. Aemilius Lepidus (Konsul 78 v. Chr.), auf den Cicero 2, 8 anspielt und den er 3, 212 namentlich erwähnt. ' Vom Prätor : von L. Caecilius Metellus, dem Nachfolger des Verres. Vgl. 12. 64Γ 139. Von vier Quästoren: vgl. n f . 1,1 Halaesa: vgl. 19. Catina: vgl. 120. Tyndaris: Stadt an der Nordküste der Insel, zirka ¡o km westlich von Messina (heute S. Maria di Tindaro). Henna: Sikulerstadt in der Mitte Siziliens (heute Castrogiovanni, Enna). Herbita : Sikulerstadt im Inneren Siziliens ; die Lage ist unbekannt. Agyrion : vgl. 2 ς. N e t u m : Sikulerstadt im Inneren Siziliens, zirka 30 km südwestlich von Syrakus (heute Noto antica). Segesta : Stadt im Nordwesten der Insel, etwa auf halbem Wege zwischen Panormos und Drepanon. Vgl. 9. 1 ! > Zu Beginn des 1. Krieges, den die Römer und die mit ihnen verbündeten Rhodier gegen Mithridates VI. führten (89-8$ v.Chr.). Vgl. J i . 134 Während der Bildungsreise nach Athen und Kleinasien, die Cicero in den Jahren 79-77 v . C h r . unternommen hatte. 1 » Tauromenion liegt an der Ostküste Siziliens, etwa auf halbem Wege zwischen Messana und Catina (heute Taormina). Zum Bündnis mit Rom vgl. 3, 13 und j , 49f. o í Stadt im Osten Siziliens, zirka 40 k m nordwestlich von Syrakus (heute Lentini). • )7 D e r ägyptische Gott genoB seit hellenistischer Zeit in zahlreichen Griechenstädten kultische Ehren. >»« D . h . die Gemeindebeamten von Centuripae, denen dieselben Aufgaben zukamen wie den römischen Quästoren. ι » Ein Komitee des Gemeinderats ; es pflegte die Gemeinde in wichtigen Angelegenheiten vor der römischen Obrigkeit zu vertreten. Vgl. die Rede fur Sex. Roscius, 2 j .
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ERLÄUTERUNGEN
° Diese Gemeinden und außerdem noch Panormos genossen den Status v o n ciritates tine Joeáere immana
atqat liberae.
Vgl. hierzu die Einfüh-
rung in die Reden gegen C. Verres : Sizilien unter römischer Herrschaft. Halikyai: vgl. 68. Der römische Staat pflegte seine Steuern nicht selbst einzuziehen, sondern zu verpachten. Als Pächter (pablicani) betitigten sich vor allem Angehörige des Ritterstandes. Sie schlössen sich zu Gesellschaften zusammen, die über einen großen Apparat von Hilfskräften geboten. i4i Das Weidegeld wurde für das Vieh erhoben, das auf öffentlichen Triften weidete. >4' Vgl. i , loo. >44 AU Zollau&eher. Vgl. 176. i l l ff. >4' Die Vorsteher (magiari sccietatis) waren für das Rechnungswesen und die Buchführung verantwortlich. Vgl. 182. eute und einer solchen Rüge ausgesetzt. Wer von euch weiß nicht, wie hoch diese Dinge im Preise stehen? Haben wir nicht gesehen, daß eine nicht sonderlich große Erzstatue bei einer Versteigerung 40000 Sesterzen erbrachte? Wie? Könnte ich nicht, wenn ich wollte, Leute nennen, die teils für einen nicht geringeren, teils sogar für einen höheren Preis gekauft haben ? Denn soweit bei diesen Dingen die Begierde reicht, so weit reicht auch die Wertschätzung. Es ist schwierig, dem Preis eine Grenze zu setzen, wenn man sie nicht auch dem Verlangen setzt. Ich stelle also fest, daß sich Hcius weder freiwillig noch durch schwierige Verhältnisse noch durch die Höhe des Preises bestimmen ließ, diese Statuen zu verkaufen, und daß du sie unter dem Schein eines Kaufes durch Druck, Einschüchterung, Gebot und Befehlsgewalt einem Manne entrissen und weggenommen hast, der mitsamt den übrigen Bundesgenossen vom römischen Volke nicht allein deiner Macht-
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ACTIONIS
IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.
IV
tuae sed etiam fidei populus R o m a n u s c o m m i s e r a t eripuisse atque abstulisse. Q u i d mihi tam o p t a n d u m , iudices, potest esse in hoc crimine q u a m ut haec eadem dicat ipse Heius? Nihil profecto; sed ne difFicilia o p t e m u s . Heius est M a m e r t i n u s ; Mamertina civitas istum publice c o m m u n i consilio sola laudat; o m n i b u s iste ceteris Siculis o d i o est, a b his solis amatur; eius autem legationis quae ad istum l a u d a n d u m missa est princeps est Heius - etenim est primus civitatis: ne forte, d u m publicis mandatis serviat, d e privatis iniuriis reticeat. Haec c u m scirem et cogitarem, c o m m i si tamen, iudices, Heio; produxi prima actione, neque id tamen ullo periculo feci. Q u i d enim poterat Heius respondere, si esset improbus, si sui dissimilis? esse ilia signa d o m i suae, non esse a p u d Verrem? Q u i poterat quicq u a m eius m o d i dicere? U t h o m o turpissimus esset impudentissimeque mentiretur, hoc diceret, ilia se habuisse venalia, eaque sese quanti voluerit vendidisse. H o m o domi suae nobilissimus, qui vos de religione sua ac dignitate vere existimare maxime vellet, primo dixit se istum publice laudare, q u o d sibi ita m a n d a t u m esset; deinde neq u e se habuisse ilia venalia neque ulla condicione, si utrum vellet liceret, adduci u m q u a m potuisse ut venderet ilia quae in sacrario fuissent a maioribus suis relicta et tradita.
Q u i d sedes, Verres? q u i d exspectas? quid te a C e n t u r i pina civitate, a Catinensi, ab Halaesina, a Tyndaritana,
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Vollkommenheit, sondern auch deiner Pflichttreue anvertraut worden war. Was könnte mir bei dieser Anschuldigung so wünschenswert sein, ihr Richter, als daß Heius selbst sich ebenso äußert? In der T a t , nichts. Doch wir wollen uns nichts allzu Schwieriges wünschen. Heius ist Mamertiner. Die Gemeinde der Mamertiner ist die einzige, die den Verres öffentlich in einem allgemeinen Bcschluß belobigt 1 4 . Bei allen übrigen Siziliern ist er verhaßt; sie allein lieben ihn. Von der Gesandtschaft aber, die man zu seiner Belobigung abgeordnet hat, ist Heius der Leiter; er ist ja der erste Mann der Gemeinde. Vielleicht verschweigt er um der amtlichen Aufträge willen das ihm persönlich zugefügte Unrecht. Obwohl ich das wußte und bedachte, habe ich es trotzdem auf Heius ankommen lassen, ihr Richter; ich habe ihn in der ersten Verhandlung vorgeführt, und zwar ohne jede Gefahr für mich. Denn was konnte Heius antworten, wäre er gewissenlos, wäre er sich selbst unähnlich gewesen? Die Statuen stünden bei ihm zu Hause, nicht bei Verres? Wie konnte er so etwas behaupten? Wäre er der schändlichste Gesell und schamloseste Lügner gewesen, dann hätte er gesagt: er habe sie zum Kaufangeboten und zum gewünschten Preise verkauft. Dieser Mann, der in seiner Heimat in höchstem Ansehen steht, dem sehr daran liegt, daß ihr von seiner Gewissenhaftigkeit und anständigen Gesinnung den richtigen Eindruck erhaltet, er sagte zuerst, er lobe den Verres von Amts wegen, weil er hierzu den Auftrag erhalten habe, und sodann, er habe die Werke nicht zum Kauf angeboten, noch hätte er sich, wäre es ihm freigestellt gewesen, unter irgendeiner Bedingung je bestimmen lassen, die Dinge zu verkaufen, die als Erbe und Hinterlassenschaft seiner Vorfahren in dem Heiligtum gestanden hätten. Was sitzest du da, Verres ? Worauf wartest du noch ? Warum sagst du, die Gemeinden Centuripae, Carina, Halaesa, T y n -
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ACTIONIS
IN С. V E R R E M
SECUNDAE
L I B . IV
H e n n e n s i , Agyrinensi ceterisque Siciliae civicatibus circumveniri atque opprimi dicis? Tua te altera patria, q u e m ad m o d u m dicere solebas, Messana circumvenit - tua, inq u a m , Messana, t u o r u m adiutrix scelerum, libidinum testis, praedarum ac furtorum receptrix. Adest e n i m vir amplissimus eius civitatis legatus huius iudici causa dom o missus, princeps laudationis tuae, qui te publice laudat - ita enim m a n d a t u m atque imperatum est; tametsi rogatus de cybaea tenetis m e m o r i a quid
responderit:
aedificatam publicis operis publice coactis, eique aedificandae publice M a m e r t i n u m senatorem praefuisse. Idem ad vos privatim, iudices, confugit; utitur hac lege qua iudicium est, c o m m u n i arce sociorum. Tametsi lex est de pecuniis repetundis,
ille se negat pecuniam
repetere,
q u a m ereptam non tanto opere desiderat: sacra se m a i o rum suorum repetere abs te dicit, deos penatis te patrios reposcit. Ecqui pudor est, ecquae religio, Verres, ecqui metus? Habitasti apud H e i u m Messanae, res ilium divinas apud eos deos in suo sacrario prope cotidiano facere vidisti; non movetur pecunia, denique quae o r n a m e n ti causa fuerunt n o n requirit; tibi habe
Canephoros,
deorum simulacra restitue. Q u a e quia dixit, quia t e m pore dato modeste apud vos socius amicusque populi R o m a n i questus est, quia religioni suae non m o d o in dis patriis repetendis sed etiam in ipso testimonio ac iure
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daris, Henna, A g y r i o n 1 5 und die übrigen Städte Siziliens wollten dich heimtückisch überfallen und zu Boden werfen? Deine zweite Heimat, wie du zu sagen pflegtest, Messana überfällt dich, dein Messana, sage ich, die Gehilfin deiner Verbrechen, die Zeugin deiner Ausschweifungen, der Hort deiner erbeuteten und gestohlenen Schätze. Denn hier steht der angesehenste Mann dieser Gemeinde, wegen deines Prozesses von seiner Heimatstadt als Abgeordneter entsandt, der Wortführer der dir zugedachten Belobigung, der dir von Amts wegen Lob erteilt. Denn so lautet sein Auftrag und Befehl. Indes, ihr erinnert euch, was er geantwortet hat, als man ihn wegen des Lastschiffs fragte: es sei von Gemeinde wegen mit öffentlich angestellten Arbeitskräften gebaut worden, und ein mamertinischer Senator habe von Gemeinde wegen den Bau beaufsichtigt. Derselbe Mann nimmt in eigener Sache zu euch seine Zuflucht, ihr R i c h t e r ; er beruft sich auf das Gesetz, nach dem hier Recht gesprochen wird, auf die gemeinsame Schutzwehr der Bundesgenossen. Z w a r handelt das Gesetz von Ersatzzahlungen in G e l d ; doch er wünscht nicht, den Geldeswert zu erhalten, einen Raub, der ihn nicht sonderlich bedrückt: die geweihten Bildwerke seiner Vorfahren, sagt er, wolle er von dir zurückerhalten; die väterlichen Hausgötter verlangt er von dir wieder. Hast du noch ein wenig Scham, ein wenig Ehrfurcht vor den Göttern, Verres, ein wenig Scheu ? Du hast in Messana bei Heius gewohnt, hast gesehen, wie er in seinem Heiligtum vor diesen Göttern fast täglich seinen Opferdienst verrichtete; nicht das Geld bestimmt ihn, und er verlangt nicht einmal zurück, was nur zum Schmucke diente; behalte die Kanephoren, gib die Götterbilder zurück. Weil er sich so geäußert, weil er als Bundesgenosse und Freund des römischen Volkes bei sich bietender Gelegenheit maßvoll vor euch Klage geführt, weil er sowohl bei der Zurückforderung der ererbten Götter als auch bei seinem Zeugnis und Eide befolgt
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A C T IО Ν IS I N С . V E R R E Μ S E C U N D A E
L I B . IV
iurando proximus fuit, hominem missum ab isto scitote esse Messanam de legatis unum - ilium ipsum qui navi istius aedificandae publice praefuit
qui a senatu pete-
ret uc Heius adficeretur ignominia. H o m o amentissime, quid putasti? impetraturum te? quanti is a civibus suis fieret, quanti auctoritas eius haberetur ignorabas? Verum fac te impetravisse, fac aliquid gravius in Heium statuisse Mamertinos: quantam putas auctoritatem laudationis eorum futuram, si in eum quern constet verum pro testimonio dixisse poenam constituerint? Tametsi quae est ista laudatio, cum laudator interrogatus laedat necesse est? Quid? isti laudatores tui nonne testes mei sunt? Heius est laudator: laesit gravissime. Producam ceteros: reticebunt quae poterunt libenter, dicent quae necesse erit ingratiis. Negent isti onerariam navem maximam aedificatam esse Messanae? Negent, si possunt. Negent ei navi faciundae senatorem Mamertinum publice praefuisse? Utinam negent! Sunt etiam cetera; quae malo integra rcservare, ut quam minimum dem illis temporis ad meditandum confirmandumque periurium. Haec tibi laudatio procedat in numerum? hi te homines auctoritate sua sublevent? qui te neque debent adiuvare si possint, neque possunt si velint; quibus tu privatim iniurias plurimas contumeliasque imposuisti, quo in oppido multas familias totas in perpetuum infamis tuis stupris flagitiisque fecisti.
At publice commodasti. N o n sine magno quidem rei publicae provinciaeque Siciliae detrimento. Tritici modi-
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hat, was seine Überzeugung ihm gebot, deshalb, müßt ihr wissen, hat Verres einen der Gesandten nach Messana geschickt, eben den Mann, der von Gemeinde wegen den Bau seines Schiffes beaufsichtigt hat; er sollte beim Gemeinderat beantragen, daß Heius eine Rüge erhalte. Du Wahnsinnsmensch, was hast du dir dabei gedacht? Du werdest deinen Zweck erreichen ? Wußtest du nicht, wieviel er bei seinen Mitbürgern gilt, wie hoch sein Ansehen im Kurs steht? Doch gesetzt, du hättest dein Ziel erreicht, gesetzt, die Mamertiner wären ziemlich hart gegen Heius vorgegangen: welches Gewicht, meinst du, wird man ihrem Lob beimessen, wenn sie dem eine Strafe zuerkennen, der anerkanntermaßen die Wahrheit bezeugt hat ? Indes, was ist das für ein Lob, wenn der Lobredner, sobald man ihn befragt, dich belasten muß? Wie? Sind diese Leute, deine Lobredner, nicht meine Zeugen ? Heius ist ein Lobredner: er hat dich sehr schwer belastet. Ich will die übrigen vorführen; gern werden sie verschweigen, was sie können, ungern aussagen, was sie müssen. Können sie leugnen, daß sich Verres in Messana ein riesiges Lastschiff hat bauen lassen? Mögen sie's leugnen, wenn sie dazu imstande sind. Können sie leugnen, daß ein mamertinischer Senator von Gemeinde wegen den Bau beaufsichtigt hat ? Möchten sie es nur leugnen! Es gibt noch anderes, was ich nicht berühren, sondern lieber aufsparen will, um ihnen möglichst wenig Zeit zum Aushecken und Abschirmen eines Meineids zu lassen. Dieses Lob soll fürdich zählen ? Diese Leute sollen dir mit ihrem Ansehen helfen? Sie dürfen dich nicht unterstützen, wenn sie können, noch können sie es, wenn sie wollen; du hast einem jeden von ihnen Kränkungen und Mißhandlungen in Menge zugefugt, hast in ihrer Stadt ganze Familien in großer Zahl durch deine Unzucht und deine Schandtaten aufimmer entehrt. Aber der Gemeinde warst du gefallig. J a ; nicht ohne großen Schaden für unseren Staat und für die Provinz Sizilien. Die
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um LX empta populo Romano dare debcbant et solebant: abs te solo remissum est. Res publica detrimentum fecit quod per te imperi ius in una civitate imminutum est; Siculi, quod ipsum non de summa frumenti detractum est, sed translatum in Centuripinos et Halaesinos, immunis populos, et hoc plus impositum quam ferre possent. Na-
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vem imperare ex foedere debuisti; remisisti in triennium; militem nullum umquam poposcisti per tot annos.
Fecisti item ut praedones solent; qui cum hostes communes sint omnium, tamen aliquos sibi instituunt amicos, quibus non modo parcant verum etiam praeda quos augeant, et eos maxime qui habent oppidum oportuno loco, quo saepe adeundum sit navibus, nonnumquam etiam necessario. Phaselis ilia, quam cepit P. Servilius, non fuerat urbs antea Cilicum atque praedonum; Lycii illam, Graeci homines, incolebant. Sed quod erat eius modi loco atque ita proiecta in altum ut et exeuntes e C i licia praedones saepe ad earn necessario devenirent, et, cum se ex hisce locis reciperent, eodem deferrentur, adsciverunt sibi illud oppidum piratae primo commercio, deinde etiam societate.
Mamertina civitas improba antea non erat; etiam erat inimica improborum, quae C . Catonis, illius qui consul fuit, impedimenta retinuit. At cuius hominis! Clarissimi ac potentissimi; qui tamen cum consul fuisset, condemnatus est. Ita, C . Cato, duorum hominum clarissimorum
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Mamertiner mußten dem römischen Volke 60000 Maß Weizen zu kaufen geben, und hieran pflegten sie sich zu halten; du allein hast ihnen das erlassen". Der Staat erlitt Schaden, weil du die Hoheitsrechte jedenfalls in einer Gemeinde geschmälert hast; die Sizilier, weil das Quantum nicht von der Gesamtmenge des Getreides abgezogen, sondern auf die Centuripiner und Halaesiner, steuerfreie Gemeinden, abgewälzt wurde - denen hast du hiermit mehr auferlegt, als sie zu leisten vermochten. Gemäß dem Bündnisvertrage solltest du den Mamertinern befehlen, ein Schiff zu stellen; du gewährtest ihnen für drei Jahre Dispens. In ebenso vielen Jahren hast du nie einen Soldaten bei ihnen angefordert. Du hast dasselbe getan, was Räuber zu tun pflegen: die sind zwar die gemeinsamen Feinde aller, doch beschaffen sie sich einige Freunde, die sie nicht nur verschonen, sondern auch mit Beute beschenken, und zwar vor allem Leute, die eine günstig gelegene Stadt bewohnen, die sie oft, zuweilen auch notgedrungen, mit ihren Schiffen anlaufen müssen. Das bekannte Phaseiis, das P.Servilius erobert hat, war früher keine Stadt der Kilikier und Seeräuber 17 . Dort wohnten Lykier, Leute von griechischer Abkunft. Doch der Ort hatte eine derartige Lage und erstreckte sich so weit in die See hinaus, daß die Räuber bei der Ausfahrt aus Kilikien oft notgedrungen dort landeten und auch dorthin abgetrieben wurden, wenn sie sich aus unseren Gegenden zurückzogen; daher traten die Räuber in nähere Beziehung zu ihm, zuerst durch Handel, dann auch durch Teilhaberschaft. Die Gemeinde Messana war früher nicht schlimm; sie war sogar eine Feindin der schlimmen Gesellen: sie hielt das Gepäck des vormaligen Konsuls C.Cato zurück. Doch was für ein Mann war das! Ein hochangesehener und allgewaltiger. Er war Konsul gewesen und wurde trotzdem verurteilt. J a : C. Cato, der Enkel zweier hochberühmter Männer, des L. Paul-
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nepos, L. Pauli et Μ. Catonis, et P. Africani sororis filius: quo damnato tum, cum severa iudicia fiebant, H S νιιι lis aestimata est. Huic Mamertini irati fuerunt, qui maiorem s u m p t u m quam quanti Catonis lis aestimata est in Timarchidi prandium saepe fecerunt. Verum haec civitas isti praedoni ac piratae Siciliensi Phaselis fuit; hue omnia undique deferebantur, apud istos relinquebantur; quod celari opus erat, habebant sepositum et reconditum; per istos quae volebat clam imponenda, occulte exportanda curabat; navem denique maximam, quam onustam f u n i s in Italiam mitteret, apud istos faciundam aedificandamque curavit; pro hisce rebus vacatio data est ab isto sumptus, laboris, militae, rerum denique o m n i u m ; per triennium soli non modo in Sicilia verum, ut opinio mea fert, his quidem temporibus in o m n i orbe terrarum vacui, expertes, soluti ac liberi fuerunt ab omni sumptu, molestia, munere. Hinc ilia Verria nata sunt, quod in convivium Sex. C o m i n i u m protrahi iussit, in quem scyphum de manu iacere conatus est, quem obtorta gula de convivio in vincla atque in tenebras abripi iussit; hinc ilia crux in quam iste civem R o m a n u m multis inspectantibus sustulit, quam non ausus est usquam defigere nisi apud eos quibuscum omnia scelera sua ac latrocinia communicavit.
Laudatum etiam vos quemquam venitis? qua auctoritate? utrum quam apud senatum an quam apud populum R o m a n u m habere debetis? Ecqua civitas est, non m o d o in provineiis nostris verum in ultimis nationibus, aut tam potens aut tam libera aut etiam tam immanis ac barbara,
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lus und M . C a t o , und der Schwestersohn des P.Africanus Damals, bei seiner Verurteilung, als die Gerichte noch Strenge walten ließen, hat man die Ersatzsumme auf 8000 Sesterzen festgesetzt. Gegen ihn waren die Mamertiner aufgebracht, sie, die oft mehr für ein Frühstück des Timarchides aufwenden mußten, als die Ersatzschuld des Cato betrug. Diese Stadt nun war für unseren sizilischen Räuber und Piraten ein zweites Phaseiis. Dorthin wurde alles von überallher angefahren, bei ihnen gelagert; was es zu verbergen galt, das bewahrten sie in unauffindbaren Verstecken; durch sie ließ Verres, was er wollte, insgeheim verladen und in der Stille wegschaffen; endlich beauftragte er sie, ein riesiges Schiff", das er mit seinem Diebesgut beladen nach Italien schicken wollte, zu bauen und einzurichten. Kür diese Bemühungen befreite er sie vom
Aufwand, von Hand- und Kriegsdiensten 1 *,
ja
schlechtweg von allem; drei Jahre lang waren sie als einzige nicht nur in Sizilien, sondern, wie ich glaube, auf der ganzen Welt (jedenfalls in dieser Z e i t ) los und ledig, ungebunden und frei von jedem Aufwand, von jeder Last und Abgabe. So kam das berüchtigte Verres-Fest z u s t a n d e " . Während des Festgelages ließ er den Sex.Cominius vor sich schleppen; er versuchte, mit der Hand einen Becher auf ihn zu werfen; er befahl, ihn an der Gurgel zu packen und vom Gelage hinweg in das Dunkel des Kerkers zu werfen. So erklärt sich das Kreuz, an das er vor zahlreichen Zuschauern einen römischen Bürg e r " schlagen ließ; das hat er nur bei denen aufzurichten gewagt, mit denen er bei allen seinen Verbrechen und Raubzügen gemeinsame Sache machte. Ihr erscheint gar, um jemanden zu belobigen? M i t welchem Anrecht ? M i t dem, das ihr beim Senat oder beim römischen Volke haben müßtet? Gibt es irgendeine Gemeinde, nicht in unseren Provinzen, sondern in den entferntesten Gegenden, so mächtig oder so unabhängig oder auch so unmenschlich und
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rex denique ecquis est qui senatorem populi Romani recto ac d o m o non invitet? qui honos non homini solum habetur, sed primum populo R o m a n o , cuius beneficio nos in hunc ordinem venimus, deinde ordinis auctoritati, quae nisi gravis erit apud socios et exteras nationes, ubi erit imperi nomen et dignitas? Mamertini me publice non invitarunt. M e cum dico, leve est: senatorem populi Romani si non invitarunt, honorem debitum detraxerunt non homini sed ordini. N a m ipsi Tullio patebat domus locupletissima et amplissima C n . Pompei Basilisci, quo, etiamsi esset invitatus a vobis, tarnen devertisset; erat etiam Percenniorum, qui nunc item Pompeii sunt, domus honestissima, quo Lucius frater meus summa illorum voluntate devertit. Senator populi Romani, quod in vobis fuit, in vestro oppido iacuit et pernoctavit in publico. Nulla hoc civitas umquam alia commisit. "Amicum enim nostrum in iudicium vocabas." Tu quid ego privatim negoti geram interpretabere imminuendo honore senatorio?
Verum haec tum queremur si quid de vobis per eum ordinem agetur, qui ordo a vobis adhuc solis contemptus est. In populi R o m a n i quidem conspectum quo ore vos commisistis? nec prius iliam crucem, quae etiam nunc civis Romani sanguine redundat, quae fixa est ad portum urbemque vestram, revellistis neque in profundum abiecistis locumque ilium o m n e m expiastis, quam R o m a m atque in horum conventum adiretis? In Mamertinorum
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barbarisch, ja gibt es einen König, der nicht einen Senator des römischen Volkes in sein Haus und seinen Wohnsitz einlüde? Man erweist diese Ehre nicht nur der Person, sondern vor allem dem römischen Volke, dessen Gunst uns in diesen Stand gelangen ließ, und sodann dem Ansehen des Standes - denn wenn dies bei den Bundesgenossen und auswärtigen Völkern" kein Gewicht hätte, wo bliebe dann der Name und die Geltung unserer Herrschaft ? Die Mamertiner haben mich offiziell nicht eingeladen. Wenn ich sage «mich», so liegt nicht viel daran; doch wenn sie einen Senator des römischen Volkes nicht einluden, dann haben sie nicht der Person, sondern dem Stande die geschuldete Ehre vorenthalten. Denn der Person des Tullius stand das reichbemittelte und stattliche Haus des Cn. Pompeius Basiliscus zur Verfügung. Auch wenn er von euch eine Einladung erhalten hätte, wäre er dort abgestiegen. Ferner gab es das hochachtbare Haus der Percennier, die jetzt ebenfalls Pompeier sind 2 1 ; dort ist zu ihrer größten Freude mein Vetter Lucius 14 abgestiegen. Soviel an euch lag, hätte in eurer Stadt ein Senator des römischen Volkes auf der Straße herumlungernd nächtigen müssen. Das hat keine Stadt je über sich gebracht. «Du wolltest ja unseren Freund vor Gericht ziehen.» Ihr wagt es, was ich als Einzelperson treibe, so zu wenden, daß die Ehre der Senatoren geschmälert wird? Doch hierüber wollen wir uns dann beschweren, wenn sich eben der Stand mit euch befaßt, den bislang niemand als ihr verächtlich gemacht habt. Indes, mit welcher Stime habt ihr es gewagt, dem römischen Volke vor Augen zu treten ? Ohne das Kreuz herauszureißen, das noch jetzt von dem Blute eines römischen Bürgers trieft, das bei eurem Hafen und bei eurer Stadt aufgerichtet ist, ohne es in den Abgrund zu werfen und die ganze Stätte durch Opfer zu entsühnen, bevor ihr euch nach Rom und in diese Versammlung begabt ? Auf dem verbündeten und friedlichen Boden der Mamertiner ist ein Denk-
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solo foederato atque pacato monumentum istius crudelitatis constitutum est. Vestrane urbs electa est ad quam cum adirent ex Italia crucem civis Romani prius quam quemquam amicum populi R o m a n i viderent? quam vos Reginis, quorum civitati invidetis, itemque incolis vestris, civibus Romanis, ostendere soletis, quo minus sibi adrogent minusque vos despiciant, cum videant ius civitatis illo supplicio esse mactatum. Verum haec emisse te dicis. Quid? ilia Attalica tota Sicilia nominata ab eodem H e i o emere oblitus est? Licuit eodem modo ut signa. Q u i d enim actum est? an litteris pepercisti? Verum hominem amentem hoc fugit: minus clarum putavit fore quod de armario quam quod de sacrario esset ablatum. A t quo modo abstulit? N o n possum dicere planius quam ipse apud vos dixit Heius. C u m quaesissem num quid aliud de bonis eius pervenisset ad Verrem, respondit istum ad se misisse ut sibi mitteret Agrigentum peripetasmata. Quaesivi misissetne; respondit, id quod necesse erat, se dicto audientem fuisse praetori, misisse. Rogavi pervenissentne Agrigentum; dixit pervenisse. Quaesivi quem ad m o d u m revertissent; negavit adhuc revertisse. Risus populi atque admiratio omnium vestrum facta est. Hie tibi in mentem non venit iubere ut haec quoque referret H S vi milibus D se tibi vendidisse? Metuisti ne aes alienum tibi cresceret, si H S vi milibus D tibi constarent ea quae tu facile posses vendere H S ducentis milibus? Fuit tanti, mihi crede; haberes
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mal von der Grausamkeit des Verres errichtet. Ist eure Stadt ausersehen, daß, wer von Italien kommt, eher das Kreuz eines römischen Bürgers erblickt als einen Freund des römischen Volkes? Ihr pflegt es ja den Reginern, auf deren Bürgerrecht ihr neidisch seid 1 5 , und ebenso den römischen Bürgern, die bei euch wohnen, zu zeigen, damit sie desto weniger für sich beanspruchen und weniger auf euch herabblicken, wenn sie sehen, wie man das Bürgerrecht mit diesem Marterwerkzeug zunichte gemacht hat. Indes, du sagst, du habest diese Dinge gekauft. Wie? Die pergamenischen S o f a d e c k e n d i e in ganz Sizilien berühmt waren, hast du die demselben Heius abzukaufen vergessen? Du konntest es ebenso machen wie mit den Statuen. Was ist da passiert? Hast du Papier gespart? Denn daran hat der Wahnsinnsmensch nicht gedacht; er glaubte, es würde nicht so bekannt werden, was er aus dem Schrank, wie was er aus dem Heiligtum wegnähme. Aber wie hat er es genommen? Ich kann es nicht deutlicher sagen, als es Heius selbst vor Gericht gesagt hat. Als ich ihn fragte, ob sonst noch etwas von seinen Sachen an Verres gelangt sei, da antwortete er: Verres habe ihn auffordern lassen, ihm die Sofadecken nach Agrigent zu schicken. Ich fragte, ob er sie hingeschickt habe; die Antwort lautete, wie sie lauten mußte: allerdings habe er dem Prätor gehorcht und sie hingeschickt. Ich fragte, ob sie in Agrigent angekommen seien; er sagte: ja. Ich erkundigte mich, aufweiche Weise er sie zurückerhalten habe; er erklärte, bislang habe er sie nicht zurückerhalten. Die Zuhörer lachten, und ihr alle habt euch gewundert. Fiel dir da nicht ein, ihm zu befehlen, er solle auch dies noch eintragen: er habe sie dir für 6500 Sesterzen verkauft? Du hast wohl gefürchtet, deine Schulden möchten zu sehr anwachsen, wenn dich 6500 Sesterzen kostete, was du leicht für 200000 Sesterzen hättest verkaufen können ? Eis wäre der Mühe wert gewesen, glaub mir; du
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quod defenderes; nemo quaereret quanci ilia res esset; si modo te posses dicere emisse, facile cui velles tuam causam et factum probares; nunc de peripetasmatis quem ad modum te expedias non babes. Quid? a Phylarcho Centuripino, homine locupleti ac nobili, phaleras pulcherrime factas, quae regis Hieronis fuisse dicuntur, utrum tandem abstulisti an emisti? In Sicilia quidem cum essem, sic a Centuripinis, sic a ceteris audiebam - non enim parum res erat clara: tam te has phaleras a Phylarcho Centuripino abstulisse dicebant quam alias item nobilis ab Aristo Panhormitano, quam tertias a Cratippo Tyndaritano. Etenim si Phylarchus vendidisset, non ei, posteaquam reus factus es, redditurum te promisisses. Q u o d quia vidisti pluris scire, cogitasti, si ei reddidisses, te minus habiturum, rem nihilo minus testatam futuram: non reddidisti. Dixit Phylarchus pro testimonio se, quod nosset tuum istum morbum, ut amici tui appellant, cupisse te celare de phaleris; cum abs te appellatus esset, negasse habere sese; apud alium quoque eas habuisse depositas, ne qua invenirentur; tuam tantam fuisse sagacitatem ut eas per ilium ipsum inspiceres, ubi erant depositae; tum se deprensum negare non potuisse; ita ab se invito phaleras sublatas gratiis.
Iam, ut haec omnia reperire ac perscrutari solitus sit, iudices, est operae pretium cognoscere. Cibyratae sunt
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hattest einen C.rund zu deiner Rechtfertigung; niemand würde fragen, wieviel die Sache wert w a r ; wenn du nur vorgeben könntest, sie gekauft zu haben, dann würdest du leicht jedermann deinen Fall und dein Verhalten annehmbar machen. Jetzt weißt du nicht, wie du dich aus den Decken herauswickeln sollst. Wie? Hast du dem Centuripiner Phylarchos, einem vermögenden und vornehmen Manne, den herrlich gearbeiteten Pferdcschmuck 1 7 , der dem König Hieron gehört haben soll 2 ', weggenommen oder a b g e k a u f t ? Ich jedenfalls vernahm es, als ich in Sizilien war, so von den Centuripinern und so auch von den anderen (denn die Sache war nicht wenig bekannt): du habest dem Centuripiner Phylarchos den Pferdeschmuck ebenso abgenommen, sagten sie, wie dem Aristos aus Panormos einen anderen, nicht minder schönen, und wie dem Kratippos aus Tyndaris einen dritten. Wenn dir Phylarchos den seinen verkauft hatte, dann hattest du ihm nicht die Rückgabe versprochen, nachdem die Anklage gegen dich eingereicht war. Weil du indes einsahst, daß mehrere davon wußten, hast du gedacht, daß durch die R ü c k g a b e dein Besitz verringert und die Sache gleichwohl von Z e u g e n bestätigt werden würde; folglich gabst du den Schmuck nicht zurück. Phylarchos erklärte als Z e u g e , er habe, weil er deine Krankheit kannte, wie deine Freunde sich ausdrücken, den Pferdeschmuck vor dir verheimlichen wollen; als du ihn ansprachest, habe er den Besitz abgestritten; auch habe er den Schmuck einem anderen zur Verwahrung gegeben, damit er unauffindbar sei; doch du habest so viel Spürsinn gehabt, daß du ihn mit Hilfe des Mannes besichtigen konntest, der ihn verwahrte; da habe er, nachdem du ihn durchschaut hattest, nicht mehr leugnen können; so sei ihm der Schmuck wider seinen Willen unentgeltlich abgenommen worden. Jetzt ist es auch der M ü h e wert, zu erfahren, ihr Richter, wie er gewöhnlich vorging, dies alles zu entdecken und aufzuspü-
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fratres quidam, Tiepolemus et Hiero, quorum alterum fingere opinor e cera solitum esse, alterum esse pictorem. Hosce opinor, Cibyrae cum in suspicionem venissent suis civibus fanum expilasse Apollinis, veritos poenam iudici ac legis domo profugisse. Quod Verrem artifici sui cupidum cognoverant tum, cum iste, id quod ex testibus didicistis, Cibyram cum inanibus syngraphis venerat, domo fugientes ad eum se exsules, cum iste esset in Asia, contulerunt. Habuit eos secum illo tempore et in legationis praedis atque funis multum illorum opera consilioque usus est. Hi sunt ilia quibus in tabulis refert sese
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Q . Tadius "dedisse iussu istius, Graecis pictoribus". Eos iam bene cognitos et re probatos secum in Siciliam duxit. Q u o posteaquam venerum, mirandum in modum (canis venaticos diceres) ita odorabantur omnia et pervestigabant ut, ubi quidque esset, aliqua ratione invenirent. Aliud minando, aliud pollicendo, aliud per servos, aliud per liberos, per amicum aliud, aliud per inimicum inveniebant; quicquid illis placuerat, perdendum erat. Nihil aliud optabant quorum poscebatur argentum nisi ut id Hieroni et Tlepolemo displiceret.
Verum mehercule hoc, iudices, dicam. Memini Pam-
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philum Lilybitanum, amicum et hospitem meum, nobilem hominem, mihi narrare, cum iste ab sese hydriam Boethi manu factam, praeclaro opere et grandi pondere, per potestatem abstulisset, se sane tristem et conturba-
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ren. Da waren zwei Brüder aus K i b y r a " , Tlepolemos und Hieron; dereine ließ sich,soviel ich weiß,die Herstellung von Wachsfiguren angelegen sein, der andere war Maler. Die sind, glaube ich, als sie in Kibyra bei ihren Mitbürgern in den Verdacht gerieten, sie hätten einen T e m p e l des Apoll beraubt, aus Furcht vor dem Prozeß und der Strafe des Gesetzes aus ihrer Heimat geflohen. Sie hatten Verres als Liebhaber ihrer Kunst kennengelernt, als der, wie ihr von den Zeugen vernommen habt, mit ungültigen Wechseln nach Kibyra kam; auf der Flucht aus ihrer Heimatstadt begaben sie sich als Verbannte zu ihm, während er noch in Asien war. Seit der Zeit behielt er sie bei sich und benutzte bei den Raubzügen und Diebstählen seines Legatenamtes oft ihre Hilfe und ihren Rat. Das sind die Leute, von denen Q/Tadius in seinen Büchern vermerkt hat, er habe auf Befehl des Verres an griechische Maler Zahlungen geleistet 3 0 . Verres nahm sie mit sich nach Sizilien, als er sie schon gut kannte und durch die T a t bewährt fand. Dort angekommen, wußten sie auf wunderbare Weise (man möchte sie für Spürhunde halten) alles so zu beschnüffeln und zu durchstöbern, daß sie stets irgendwie herausfanden, wo es etwas gab. Dies entdeckten sie durch Drohungen, das durch Versprechungen, dies durch Sklaven, das durch Freie, durch einen Freund dies und das durch einen Feind; was bei ihnen Gefallen fand, das mußte man aufgeben. Wer um sein Tafelsilber gebeten wurde, der wünschte nur, es möchte Hieron und Tlepolemos nicht zusagen. Wahrhaftig, ihr Richter, was ich jetzt erzählen will, ist wirklich vorgefallen. Ich erinnere mich, wie Pamphilos aus Lilybaeum, mein Freund und Gastgeber, ein vornehmer Mann, mir erzählte: Verres habe ihm eine von Boethos" verfertigte Kanne, ein herrliches Werk und schwer an Gewicht, gewaltsam weggenommen; da sei er recht traurig und verstört nach Hause zurückgekehrt, weil man ihm ein so schönes Gefäß weg-
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turn d o m u m revertisse, quod vas eius modi, quod sibi a patrc et a maioribus esset relictum, quo solitus esset uti ad festos dies, ad hospitum adventus, a se esset ablatum. " C u m sederem", inquit, "domi tristis, accurrit Venerius; iubet me scyphos sigillatos ad praetorem statim adferre. Permotus sum", inquit; "binos habebam; iubeo promi utrosque, ne quid plus mali nasceretur, et mecum ad praetoris d o m u m ferri. Eo cum venio, praetor quiescebat; fratres illi Cibyratae inambulabant. Q u i me ubi viderunt,
'Ubi
sunt,
Pamphile',
inquiunt,
'scyphi?'
Ostendo tristis; laudant. Incipio queri me nihil habiturum quod alicuius esset preti si etiam scyphi essent ablati. Tum illi, ubi me conturbatum vident, ' Q u i d vis nobis dare ut isti abs te ne auferantur?' N e multa, H S mille me", inquit, "poposcerunt; dixi me daturum. Vocat interea praetor, poscit scyphos." Tum illos coepisse praetor! dicere putasse se, id quod audissent, alicuius preti scyphos esse Pamphili; luteum negotium esse, non dignum quod in suo argento Verres haberet. Ait ille idem sibi videri. Ita Pamphilus scyphos optimos aufert.
Et mehercule ego antea, tametsi hoc nescio quid nu-
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gatorium sciebam esse, ista intellegere, tarnen mirari solebam istum in his ipsis rebus aliquem sensum habere, quem scirem nulla in re quicquam simile hominis habere. Tum primum intellexi ad earn rem istos fratres Cibyratas fuisse, ut iste in furando manibus suis oculis illorum uteretur. At ita studiosus est huius praeclarae existimatio-
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genommen hatte, das ihm von seinem Vater und seinen Vorfahren hinterlassen worden war, das er an festlichen Tagen und wenn Gäste kamen zu gebrauchen pflegte. «Wie ich betrübt zu Hause saß», fuhr Pamphilos fort, «da kommt ein Venussklave" gelaufen. Er befiehlt mir, ich solle sofort meine mit Figuren verzierten Becher zum Prätor bringen. Ich erschrak», sagte er; «ich hatte deren zwei; ich lasse sie beide hervorholen, um nicht noch größeres Unheil heraufzubeschwören, und mir zum Hause des Prätors nachtragen. Wie ich dort ankomme, ruhte der Prätor sich aus; die Brüder aus Kibyra liefen hin und her. Als sie mich erblickten, riefen sie: 3
homines populäres aut nobiles supplicio aut exsilio levarentur, at non ab iis ipsis qui iudicassent, at non statim, at non eorum facinorum damnati quae ad vitam et ad fortunas omnium pertinerent. Hoc vero novum et eius modi est ut magis propter reum quam propter rem ipsam credibile videatur, ut homines servos, ut ipse qui iudicarat, ut statim e medio supplicio dimiserit, ut eius facinoris damnatos servos quod ad omnium liberorum caput et sanguinem pertineret.
О praeclarum imperatorem nec iam cum M ' . Aquilio,
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fortissimo viro, sed vero cum Paulis, Scipionibus, Mariis conferendum! tantumne vidisse in metu periculoque provinciae! C u m servitiorum animos in Sicilia suspensos propter bellum Italiae fugitivorum videret, ne quis se commovere auderet, quantum terroris iniecit! Comprendi iussit; quis non pertimescat? causam dicere dominos; quid servo tam formidolosum? FECISSE VIDERI pronuntiat; exortam videtur flammam paucorum dolore ас morte restinxisse. Q u i d deinde sequitur? Verbera atque ignes et ilia extrema ad supplicium damnatorum, metum ceterorum, cruciatus et crux. Hisce omnibus suppliciis sunt liberati. Quis dubitet quin servorum animos summa for-
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Verurteilte wieder in den vorigen Stand einsetzt, Gefangene befreit, Verbannte zurückruft, Entscheidungen aufhebt. Sobald dies geschieht, erkennt jedermann, daß der betreffende Staat zusammenbricht; sobald sich dies ereignet, glaubt jedermann, daß keinerlei Aussicht auf Rettung mehr besteht. Doch wenn dies irgendwo vorgekommen ist, dann wurden beim Volke beliebte und angesehene Männer von der Strafe des Todes oder der Verbannung befreit - aber nicht gerade von denen, die das Urteil gefällt hatten, aber nicht unverzüglich, aber nicht Leute, die man verurteilt hatte, weil sich ihre Missetaten gegen das Leben und das Vermögen aller richteten. Doch das ist beispiellos und so unerhört, daß es eher wegen der Person des Angeklagten als wegen der Sache selbst glaublich erscheint: Verres hat Sklaven, er hat sie als die Behörde, die selbst das Urteil gefällt hatte, er hat sie mitten vom Richtplatz hinweg freigelassen, und zwar Sklaven, die verurteilt waren, weil ihr Verbrechen Leib und Leben aller Freien bedrohte. Was für ein hervorragender Feldherr, den man schon gar nicht mehr mit dem tapferen M'. Aquilius, sondern mit Männern wie P a u l l u s S c i p i o und Marius vergleichen muß! Solche Einsicht hat er in der Not und Gefahr der Provinz gezeigt! Er bemerkte, daß es bei den Sklaven in Sizilien wegen des italischen Sklavenkrieges gärte: welchen Schrecken hat er da verbreitet, damit niemand es wage, sich zu rühren! Er befahl die Verhaftung; wer gerät da nicht in Furcht? Er lud die Eigentümer vor; was ist schrecklicher für einen Sklaven? Er verkündet, die Schuld sei erwiesen; er scheint die züngelnde Flamme durch die Pein und den Tod weniger gelöscht zu haben. Was folgt darauf? Geißelhiebe und glühende Eisen und das Ende, zur Bestrafung der Verurteilten, zur Abschreckung der übrigen: das qualvolle Kreuz? Von allen diesen Foltern wurden die Leute befreit. Wer zweifelt noch, daß er die Skia-
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ACTIO Ν I S IN C.VERREM SECUNDAE LIB.V
midine oppresserit, cum viderent ea facilitate praetorem ut ab eo servorum sceleris coniurationisque d a m n a t o r u m vita vel ipso carnifice internuntio redimeretur?
Quid? hoc in Apolloniensi Aristodamo, quid? in Leonte Imacharensi non idem fecisti? Quid? iste motus servitiorum bellique subita suspicio utrum tibi tandem diligentiam custodiendae provinciae an novam rationem improbissimi quaestus attulit? Halicyensis Eumenidae, nobilis hominis et honesti, magnae pecuniae vilicus cum impulsu tuo insimulatus esset, H S l x a d o m i n o accepisti, quod nuper ipse iuratus docuit quem ad m o d u m gestum esset. Ab equite Romano C. Matrinio absente, cum is esset Romae, quod eius vilicos pastoresque tibi in suspicionem venisse dixeras, H S DC abstulisti. Dixit hoc L. Flavius, qui tibi earn pecuniam numeravit, procurator C. Matrini, dixit ipse Matrinius, dicit vir clarissimus, C n . Lentulus censor, qui Matrini honoris causa recenti negotio ad te litteras misit mittendasque curavit.
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Quid? de Apollonio, Diocli filio, Panhormitano, cui Gemino cognomen est, praeteriri potest? Ecquid hoc tota Sicilia clarius, ecquid indignius, ecquid manifestius proferri potest? Q u e m , ut Panhormum venit, ad se vocari et de tribunali citari iussit concursu magno frequentiaque conventus. Homines statim loqui: "Mirabar quod Apollonius, homo pecuniosus, tarn diu ab isto maneret inte-
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C.VERRES,
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ven durch größte Furcht in Schranken hielt? Sie sahen ja: die Gefälligkeit des Prätors war so groß, daß man das Leben von Sklaven, die wegen einer verbrecherischen Verschwörung abgeurteilt waren, selbst durch die Vermittlung des Henkers noch loskaufen konnte. W i e ? Hast du dich nicht ebenso im Falle des Aristodamos aus Apollonia, nicht ebenso bei Leon aus Imachara verhalten " ? Wie ? Die Unruhe unter den Sklaven und die plötzliche Kriegsgefahr: hat sie dir denn zur Gewissenhaftigkeit bei der Bewachung der Provinz oder zu einer neuen Quelle skrupellosester Gewinne verholfen? Man hatte auf dein Betreiben gegen einen Gutsverwalter, einen sehr wertvollen Sklaven des vornehmen und angesehenen Eumenidas aus Halikyai , 4 , Anklage erhoben; du aber empfingst vom Eigentümer 60000 Sesterzen, wie er neulich selbst unter Eid mit allen Einzelheiten dargetan hat. Dem römischen Ritter C . Matrinius nahmst du in dessen Abwesenheit, während er in Rom weilte, 600000 Sesterzen w e g ; du hattest behauptet, seine Gutsverwaltcr und Hirten seien bei dir in Verdacht geraten. Das hat L. Flavius, der Geschäftsführer des C. Matrinius, der dir den Betrag auszahlte, das hat Matrinius selbst bezeugt; das bezeugt weiterhin der erlauchte Zensor C n . L e n t u l u s " , der dem Matrinius zuliebe sogleich nach dem Vorfall Briefe an dich richtete und richten ließ. Wie ? Läßt sich der Handel mit Apollonios aus Panormos übergehen, dem Sohne des Diokles, der den Beinamen Geminus trägt ? Läßt sich etwas vorbringen, was in ganz Sizilien bekannter, was empörender, was offenkundiger wäre? Den ließ Verres, als er nach Panormos kam, zu sich rufen und vom Richterstuhl aus vorladen, während eine große und zahlreiche Menge aus dem Bezirk zugegen war. Die Leute sagten sofort: «Ich wunderte mich schon, daß der vermögende Apollonios so lange von Verres verschont blieb; jetzt hat er irgend etwas
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ACT IΟ Ν I S IN
С . VE R RE Μ S E C U N D A E
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ger; excogitavit nescio quid, attulit; profecto h o m o dives repente a Verre non sine causa citatur." Exspectatio summa o m n i u m q u i d n a m id esset, cum exanimacus subito ipse accurrit cum adulescente filio; nam pater grandis natu iam diu lecto tenebatur. Nominat iste servum, quem magistrum pecoris esse diceret; eum dicit coniurasse et familias concitasse - is o m n i n o servus in familia non e r a t - , eum statim exhiberi iubet. Apollonius adfirmare se o m n i n o n o m i n e illo servum habere neminem: iste hominem abripi a tribunali et in carcerem conici iubet. Clamare ille, cum raperetur, nihil se miserum fecisse, nihil commisisse, pecuniam sibi esse in nominibus, numeratam in praesentia non habere. Haec cum maxime summa h o m i n u m frequentia testificaretur, ut quivis intellegere posset eum, quod pecuniam non dedisset, idcirco ilia tarn acerba iniuria adfici - cum maxime, ut dico, hoc de pecunia clamaret, in vincla coniectus est.
Videte constantiam praetoris, et eius praetoris qui in his rebus non ita defendatur ut mediocris praetor, sed ita laudetur ut optimus imperator. C u m servorum bellum metueretur, quo supplicio dominos indemnatos adficiebat, hoc servos damnatos liberabat: Apollonium, hominem locupletissimum, qui, si fugitivi bellum in Sicilia facerent, amplissimas fortunas amitteret, belli fugitivorum nomine indicta causa in vincla coniecit: servos, quos ipse de consili sententia belli faciendi causa consensisse iudicavit, eos sine consili sententia sua sponte o m n i supplicio liberavit.
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ausgeheckt und ins Werk gesetzt; gewiß wird der reiche Mann nicht ohne Grund so plötzlich von ihm vorgeladen.» Alle sind äußerst gespannt, was es damit auf sich habe, als Apollonios plötzlich keuchend in Begleitung seines jugendlichen Sohnes herbeieilt; denn der bejahrte Vater war schon lange an das Bett gefesselt. Verres nennt einen Sklaven, der, wie er behauptete, Oberhirte war; der, sagt er, habe eine Verschwörung angezettelt und Dienerschaften aufgewiegelt. Dieser Sklave befand sich überhaupt nicht unter dem Gesinde. Verres befiehlt, man solle ihn unverzüglich vorführen. Apollonios beteuert, er besitze gar keinen Sklaven dieses Namens. Da läßt er den Mann von der Gerichtsstätte wegführen und ins Gefängnis werfen. Der aber rief, als man ihn ergriff, er sei ein Unglücksmensch: er habe nichts getan, nichts Übles begangen, und sein Geld sei fest angelegt, er besitze im Augenblick keinerlei Barmittel. Gerade als er dies vor einer zahlreichen Menschenmenge beteuerte, so daß man merken konnte, man füge ihm deshalb so bitteres Unrecht zu, weil er kein Geld gegeben hatte - gerade als er, wie gesagt, mit lauter Stimme von dem Gelde sprach, da führte man ihn ins Gefängnis. Seht die Folgerichtigkeit des Prätors, eines Prätors, den man unter diesen Umständen nicht wie einen mittelmäßigen Prätor verteidigt, sondern wie einen hervorragenden Feldherrn zu preisen sucht. Als man einen Sklavenkrieg befürchtete, da befreite er verurteilte Sklaven von eben der Strafe, die er über nicht verurteilte Herren verhängte; den Apollonios, einen sehr vermögenden Mann, der riesige Besitzungen verlieren mußte, wenn die Sklaven in Sizilien einen Krieg erregt hätten, den warf er unter dem Vorwand eines Sklavenkrieges ohne Untersuchung ins Gefängnis; die Sklaven, die kein anderer als er nach dem Spruche seiner Berater einer aufrührerischen Verschwörung für schuldig befunden hatte, die befreite er ohne den Spruch der Berater eigenmächtig von jeder Strafe.
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A C T I O N I S IN C . V E R R E M S E C U N D A E L I B . V
Quid? si aliquid ab Apollonio commissum est quam ob rem in eum iure animadverteretur, tamenne hanc rem sic agemus ut crimini aut invidiae reo putemus esse oportere si quo de homine severius iudicaverit? N o n agam tam acerbe, non utar isra accusatoria consuetudine, si quid esc factum clementer, ut dissolute factum criminer, si quid vindicatum est severe, ut ex eo crudelitatis invidiam colligam. N o n agam ista ratione; cua sequar iudicia, tuam defendam auctoritatem, quoad tu voles; simul ac tute coeperis tua iudicia rescindere, mihi suscensere desinito; meo iure enim contendam eum qui suo iudicio damnatus sit iuratorum iudicum sententiis damnari oportere.
Non defendam Apolloni causam, amici atque hospitis mei, ne tuum iudicium videar rescindere; nihil de hominis frugalitate, virtute, diligentia dicam; praetermittam illud etiam de quo ante dixi, fortunas eius ita constitutas fuisse familia, pecore, villis, pecuniis creditis ut nemini minus expediret ullum in Sicilia tumultum aut bellum commoveri; non dicam ne illud quidem, si maxime in culpa fuerit Apollonius, tamen in hominem honestissimae civitatis honestissimum tam graviter animadverti causa indicta non oportuisse. Nullam in te invidiam ne ex illis quidem rebus concitabo, cum esset talis vir in carcere, in tenebris, in squalore, in sordibus, tyrannicis interdictis tuis patri exacta aetate et adulescenti filio adeundi ad ilium miserum potestatem n u m q u a m esse factam.
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Wie ? Gesetzt, Apollonios ließ sich etwas zuschulden kommen, weshalb man ihn mit Recht bestrafen konnte: sollen wir den Fall trotzdem so behandeln, als glaubten wir, man müsse Verres einen Vorwurf daraus machen oder Haß gegen ihn erregen, weil er ein allzu hartes Urteil über jemanden gefällt habe? Ich will nicht so streng verfahren, nicht den Anklägerbrauch befolgen, daß ich den Vorwurf der Schwäche erhebe, wenn ein mildes Urteil erging, daß ich wegen Grausamkeit Haßgefühle zu erwecken suche, wenn eine strenge Bestrafung erfolgte. So will ich nicht verfahren; ich werde deine Urteile gutheißen und für dein Machtwort eintreten, solange du es wünschest. Doch sobald du selbst anfängst, deine Urteile aufzuheben, darfst du mir nichts weiter übelnehmen. Dann kann ich nämlich mit vollem Recht behaupten, daß der, der sich durch sein eigenes Urteil gerichtet hat, auch durch den Spruch der Geschworenen gerichtet werden müsse. Ich verfechte hier nicht die Sache des Apollonios, meines Freundes und Gastgebers, um nicht den Eindruck zu erwekken, als wolle ich dein Urteil rückgängig gemacht wissen. Ich sage nichts von der mäßigen Lebensweise dieses Mannes, von seiner Tüchtigkeit und Umsicht; ich übergehe auch den Punkt, den ich soeben erwähnt habe: es sei mit seinem Vermögen an Sklaven, Vieh, Landgütern und Darlehen so bestellt gewesen, daß es niemandem weniger Vorteil brachte, wenn in Sizilien irgendein Aufstand oder Krieg erregt wurde; selbst davon spreche ich nicht, daß man, wenn Apollonios auch noch so schuldig war, trotzdem nicht so streng und ohne jede Untersuchung gegen einen hochangesehenen Mann aus einer hochangesehencn Gemeinde hätte vorgehen dürfen. Nicht einmal damit will ich Haß gegen dich erregen, daß es deine tyrannischen Verbote, während sich ein solcher Mann im Kerker, im Dunkeln, im Schmutz, im Elend befand, dem hochbejahrten Vater und dem jugendlichen Sohne niemals gestat-
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ACTIONIS
IN С . V Ε R REM
SECUNDAE
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Etiam illud praeteribo, quotienscumque Panhormum veneris illo anno et sex mensibus - nam tarn diu fuic Apollonius in carcere - totiens te senatum Panhormitanum adisse supplicem, cum magistratibus sacerdotibusque publicis, orantem atque obsecrantem ut aliquando ille miser atque innocens calamitate ilia liberaretur. Relinquo haec omnia; quae si velim persequi, facile ostendam tua crudelitate in alios omnis tibi aditus misericordiae iudicum iam pridem esse praeclusos. O m n i a tibi ista concedam et remittam; provideo enim
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quid sit defensurus Hortensius; fatebitur apud istum neque senectutem patris neque adulescentiam fili neque lacrimas utriusque plus valuisse quam utilitatem salutemque provinciae; dicet rem publicam administrari sine metu ac severitate non posse; quaeret quam ob rem fasces praetoribus praeferantur, cur secures datae, cur carcer aedificatus, cur tot supplicia sint in improbos more maiorum constituta. Quae cum omnia graviter severeque dixerit, quaeram cur hunc eundem Apollonium Verres idem repente nulla re nova adlata, nulla defensione, sine causa de carcere emitti iusserit; tantumque in hoc crimine suspicionis esse adfirmabo ut iam ipsis iudicibus sine mea argumentatione coniecturam facere permittam quod hoc genus praedandi, quam improbum, quam indignum, quamque ad magnitudinem quaestus immensum infinitumque esse videatur.
N a m quae iste in Apollonio fecit, ea primum breviter
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cognoscite quot et quanta sint, deinde haec expendite
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tet haben, den Unglücklichen ги besuchen. Auch das will ich übergehen, daß dich der R a t von Panormos, sooft du in jenen anderthalb Jahren nach Panormos kamst (denn so lange war Apollonios eingekerkert), mitsamt den Beamten und Priestern der Gemeinde fußfällig anging, daß er bat und flehte, du möchtest den unglücklichen und schuldlosen Mann endlich aus seiner elenden Lage befreien. Ich lasse dies alles unerwähnt; wollte ich darauf eingehen, so kennte ich ohne Mühe zeigen, daß du dir durch deine Grausamkeit gegen andere schon längst jeden Z u g a n g zum Mitleid deiner Richter abgeschnitten hast. Alles dies will ich dir schenken und erlassen. Ich sehe nämlich voraus, was Hortensius einwenden wird. Er wird erklären, daß bei Verres weder das hohe Alter des Vaters noch die J u gend des Sohnes noch beider Tränen mehr vermocht hätten als der Vorteil und die Wohlfahrt der Provinz; er wird sagen, daß man ohne Furcht und Strenge keinen Staat verwalten könne; er wird fragen, weshalb man den Prätoren die Rutenbündel voraustrage, wozu ihnen die Beile verliehen '*, wozu das Gefängnis erbaut, wozu nach dem Brauch der Vorfahren gegen Verbrecher so viele Strafen festgesetzt seien. Doch wenn er dies alles mit Nachdruck und Ernst vorgebracht hat, dann frage ich, warum derselbe Verres denselben Apollonios unversehens, ohne daß ein neuer Umstand bekannt geworden wäre, ohne Plädoyer, ohne Grund aus dem Kerker zu entlassen befahl, und ich erkläre dann, in diesem Vorwurf sei ein so starker Verdacht enthalten, daß ich es nunmehr, ohne meinerseits den Beweis zu führen, den Richtern überlassen dürfe, selbst ihre Schlüsse zu ziehen - was man von dieser Art des Beutemachens halten solle, wie niederträchtig, wie empörend und, was den Umfang des Gewinns angehe, wie uferlos und unermeßlich sie sei. Denn was er dem Apollonios angetan hat, das müßt ihr zuerst in seiner Vielfalt und seinem Ausmaß kurz überschlagen;
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A C T IО Ν I S I N C . V E R R E M
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atque aestimate pecunia: reperietis idcirco haec in u n o h o m i n e p e c u n i o s o tot constituta ut ceteris f o r m i d i n e s s i m i l i u m i n c o m m o d o r u m atque e x e m p l a
periculorum
proponeret. P r i m u m insimulatio est repentina capitalis atque invidiosi c r i m i n i s - statuite quanti hoc putetis et q u a m multos redemisse; deinde crimen sine accusatore, sententia sine consilio, d a m n a t i o sine d e f e n s i o n e - aestimate h a r u m o m n i u m rerum pretia et cogitate in his iniquitatibus u n u m haesisse A p o l l o n i u m , ceteros p r o f e c t o multos ex his i n c o m m o d i s pecunia se liberasse; p o s t r e m o tenebrae, vincla, carcer, i n c l u s u m s u p p l i c i u m atque a conspectu p a r e n t i u m ac l i b e r u m , d e n i q u e a libero spiritu atque a c o m m u n i luce seclusum - haec vero, quae vel vita redimi recte possunt, aestimare pecunia n o n queo. H a e c o m n i a sero redemit A p o l l o n i u s iam maerore ac niiseriis perditus, sed t a m e n ceteros docuit ante istius avaritiae scelerique occurrere; nisi v e r o existimatis h o m i n e m p e c u n i o s i s s i m u m sine causa quaestus electum ad tarn incredibile crimen aut sine e a d e m causa repente e carcere e m i s s u m , aut hoc praedandi genus ab isto in illo u n o adh i b i t u m ac t e m p t a t u m , et non per ilium o m n i b u s pecuniosis Siculis m e t u m p r o p o s i t u m et iniectum.
C u p i o mihi ab illo, iudices, subici, q u o n i a m d e militari eius gloria d i c o , si q u i d forte praetereo. N a m mihi videor iam de o m n i b u s rebus eius gestis dixisse, q u a e q u i d e m ad belli f u g i t i v o r u m suspicionem pertinerent; certe
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dann mögt ihr es nach seinem Geldeswert schätzen und abwägen. Ihr werdet feststellen, daß er nur deshalb gegen diesen einen vermögenden Mann so viele Maßnahmen ergriffen hat, um den übrigen das Schreckbild ähnlicher Leiden und ein Beispiel ihrer Gefährdung vor Augen zu stellen. Da ist zuerst der plötzliche Vorwurf eines todeswürdigen und schimpflichen Verbrechens: erwägt selbst, für welchen Preis man sich hiervon losgekauft haben mag und wie viele das taten. Dann die Beschuldigung ohne Ankläger, der Spruch ohne Richterrat, das Urteil ohne Verteidigung: veranschlagt die Taxen für dies alles und bedenkt, daß allein Apollonios in diese Drangsale geraten ist, während sich viele andere gewißt für Geld von derlei Widerwärtigkeiten freigekauft haben. Schließlich das Dunkel, die Fesseln, das Gefängnis, die Kerkerstrafe, die dem Opfer den Anblick der Eltern und Kinder, ja die freie Luft und das gemeinschaftliche Licht vorenthält; diese Dinge, von denen man sich mit gutem Grund für den Preis seines Lebens freikaufen könnte, vermag ich gar nicht nach ihrem Geldeswert abzuschätzen. Von alledem hat sich Apollonios zu spät freigekauft, als er schon durch Gram und Elend gebrochen war; doch gab er den übrigen die Lehre, im voraus auf die verbrecherische Habgier des Verres einzuwirken. Denn ihr werdet gewiß nicht annehmen wollen, daß man den steinreichen Mann ohne gewinnsüchtige Absicht zu einer so unglaublichen Anschuldigung ausersehen oder ihn ohne dieselbe Absicht plötzlich aus dem Gefängnis entlassen habe, oder daß diese Art des Bcutcmachens von Verres nur in diesem einen Falle angewandt und versucht und hierdurch nicht allen vermögenden Siziliern ein Schrcckbild λόγ Augen geführt und eingeprägt worden sei. Da ich vom Kriegsruhm des Verres rede, wünsche ich, ihr Richter, daß Hortensius meiner Erinnerung aufhilft, wenn ich etwas übergehen sollte. Denn ich glaube bereits von allen seinen Taten gesprochen zu haben, soweit sie sich auf die Gefahr
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nihil sciens praetermisi. Habetis hominis consilia, diligentiam, vigilantiam, custodiam d e f e n s i o n e m q u e provinciae. S u m m a illuc pertinet, ut sciatis, q u o n i a m plura genera sunt i m p e r a t o r u m , ex q u o genere iste sit, ne qui diutius in tanta penuria virorum fortium talem imperatorem ignorare possit. N o n ad Q . M a x i m i sapientiam neque ad illius superioris Africani in re g e r u n d a celeritatem, neque ad huius qui postea fuit singulare consilium, neque ad Pauli rationem ac disciplinam, neque ad C . M a ri vim atque virtutem; sed aliud genus imperatoris sane diligenter retinendum et c o n s e r v a n d u m , quaeso, cognoscite.
Itinerum p r i m u m laborem, qui vel m a x i m u s est in re militari, iudices, et in Sicilia m a x i m e necessarius, accipite q u a m facilem sibi iste et i u c u n d u m ratione consilioq u e reddiderit. P r i m u m temporibus hibernis ad magnit u d i n e m frigorum et tempestatum vim ac f l u m i n u m praeclarum hoc sibi remedium compararat. U r b e m Syracusas elegerat, cuius hie situs atque haec natura esse loci caelique dicitur ut nullus u m q u a m dies tam magna ac turbulenta tempestate fuerit quin aliquo tempore eius diei solem homines viderint. H i e ita vivebat iste b o n u s imperator hibernis mensibus ut e u m non facile non m o d o extra tectum, sed ne extra lectum q u i d e m q u i s q u a m viderit; ita diei brevitas conviviis, noctis longitudo stupris et flagitiis continebatur.
C u m autem ver esse coeperat - cuius initium iste non a Favonio neque ab aliquo astro notabat, sed c u m rosam
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eines Sklavenkrieges beziehen; jedenfalls habe ich nichts mit Absicht fortgelassen. Ihr kennt nun die Maßnahmen unseres Mannes, seine Umsicht und Wachsamkeit, und was er für den Schutz und die Verteidigungder Provinz getan hat. Die Hauptsache ist dies: da es mehrere Arten von Feldherren gibt, müßt ihr wissen, zu welcher Art Verres gehört, damit bei dem großen Mangel an tüchtigen Männern niemand mehr einen solchen Feldherrn verkennen kann. Dabei geht es nicht um die Behutsamkeit des Q^Maximus 1 7 noch um des älteren Africanus Raschheit bei der Ausführung oder um die vorzüglichen Maßnahmen des jüngeren, nicht um die Grundsätze und die Zucht des Paullus noch um die Tatkraft und Tapferkeit des C.Marius; nehmt vielmehr bitte das folgende zur Kenntnis, damit ihr eine andere Art von Feldherren mit größter Sorgfalt schonen und erhalten könnt. Zunächst die Reisen: sie sind wohl die größte Strapaze im Kriegsdienst, ihr Richter, und in Sizilien äußerst notwendig; vernehmt, wie leicht und angenehm sich Verres diese Mühe durch sein wohlüberlegtes Verfahren gemacht hat. Erstens hatte er sich zur Winterszeit ein vortreffliches Mittel gegen die große Kälte, gegen heftige Stürme und reißende Wasserläufe verschafft. Er erkor die Stadt Syrakus; deren Lage, Ortsbeschaflenheit und Witterungsverhältnisse sind, wie man sagt, überaus günstig; es hat dort noch niemals einen T a g mit so anhaltenden und starken Störungen gegeben, daß die Leute nicht zu irgendeiner Stunde die Sonne erblickt hätten. Hier lebte unser trefflicher Feldherr während der Wintermonate; man erblickte ihn dann nicht leicht außerhalb seines Bettes, geschweige denn außerhalb seines Hauses. So wurden die kurzen Tage mit Gelagen, die langen Nächte mit Unzucht und schändlichem Treiben verbracht. Doch wenn der Frühling einzuziehen begann (für dessen Anfang diente ihm nicht der Favonius noch irgendein Ge-
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viderat tum incipere ver arbitrabatur - dabat se labori atque itineribus; in quibus eo usque se praebebat patientem acque impigrum ut eum n e m o u m q u a m in equo sedentem viderit. N a m , ut m o s fuit Bithyniae regibus, lectica octaphoro ferebatur, in qua pulvinus erat perlucidus Melitensis rosa fartus; ipse autem c o r o n a m habebat unam in capite, alteram in collo, reticulumque ad naris sibi admovebat tenuissimo lino, minutis maculis, plenum rosae. Sic c o n f e c t o itinere c u m ad aliquod oppidum venerat, eadem lectica usque in c u b i c u l u m deferebatur. E o veniebant Siculorum magistratus, veniebant equites R o m a n i , id quod ex multis iuratis audistis; controversiae secreto deferebantur, paulo post palam decreta auferebantur. Deinde ubi paulisper in cubiculo pretio non aequitate iura discripserat, Veneri iam et Libero reliquum tempus deberi arbitrabatur.
Q u o loco non mihi praetermittenda videtur praeclari imperatoris egregia ac singularis diligentia. N a m scitote oppidum esse in Sicilia nullum ex iis oppidis in quibus consistere praetores et c o n v e n t u m agere soleant, q u o in oppido non isti ex aliqua familia non ignobili delecta ad libidinem mulier esset. Itaque n o n nullae ex eo n u m e r o in convivium
adhibebantur
palam; si quae
castiores
erant, ad tempus veniebant, lucem c o n v e n t u m q u e vitabant. Erant autem convivia non illo silentio populi R o mani praetorum atque i m p e r a t o r u m , neque eo pudore
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C.VERRES,
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stirn als Zeichen; vielmehr glaubte er erst, wenn er eine Rose erblickte, es sei Frühling geworden •'), dann widmete er sich den Strapazen des Reisens. Hierbei zeigte er sich so ausdauernd und unermüdlich, daß niemand ihn je zu Pferde sitzen sah. Denn er ließ sich, wie es bei den Königen von Bithynien Sitte war, in einer Achtmänner-Sänfte tragen; darin befand sich ein durchsichtiges melitisches Polster, das mit Rosenblättern gefüllt w a r " . Er selbst aber trug einen Kranz auf dem Haupte, einen anderen am Hals, und er hielt sich ein rosengefülltes Täschchen aus feinstem Leinen und mit winzigen Maschen vor die Nase. Wenn er so die Reise vollbracht hatte und in einer Stadt angekommen war, dann ließ er sich in derselben Sänfte in sein Schlafgemach tragen. Dort fanden sich die Beamten der Sizilier, fanden sich die römischen Ritter ein, wie ihr es zahlreichen eidlichen Aussagen entnommen habt. Die Streitfälle wurden im geheimen vorgetragen, kurz darauf die Entscheidungen öffentlich ausgegeben. Wenn er so eine Weile im Schlafzimmer nach der gebotenen Summe, nicht nach Recht und Billigkeit, seine Bescheide erteilt hatte, dann glaubte er, die übrige Zeit der Venus und dem L i b e r " schuldig zu sein. An dieser Stelle darf ich, glaube ich, die hervorragende und einzigartige Gewissenhaftigkeit unseres vortrefflichen Feldherrn nicht übergehen. Denn ihr müßt wissen: unter den Städten Siziliens, in denen die Prätoren abzusteigen und Gerichtstag zu halten pflegen, gab es keine, worin er sich nicht eine Frau aus gutem Hause für seine Wollust ausersehen hätte. Und so wurden einige von ihnen unverhohlen zu den Gastereien eingeladen; wenn sie noch etwas mehr auf Tugend hielten, kamen sie zu bestimmter Zeit und mieden das Licht und die Gesellschaft. Die Gelage jedoch fanden nicht in der Stille statt, die sich für Prätoren und Feldherren des römischen Volkes schickt, noch mit dem Anstand, wie er bei den Gastmäh-
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A C T I O N I S IN С . VE R RE Μ SECUNDAF. L I B . V
q u i in m a g i s t r a t u u m c o n v i v i i s versari s o l e a t , sed c u m m a x i m o c l a m o r e a t q u e c o n v i c i o ; n o n n u m q u a m e t i a m res a d p u g n a m a t q u e ad m a n u s v o c a b a t u r . Iste e n i m p r a e t o r s e v e r u s ac d i l i g e n s , q u i p o p u l i R o m a n i l e g i b u s n u m q u a m p a r u i s s e t , illis l e g i b u s q u a e in p o c u l i s p o n e b a n t u r d i l i g e n t e r o b t e m p e r a b a t . I r a q u e e r a n t e x i t u s eius m o d i ut alius i n t e r m a n u s e c o n v i v i o t a m q u a m e p r o e l i o auferretur, alius t a m q u a m o c c i s u s r e l i n q u e r e t u r , p l e r i q u e ut fusi sine m e n t e ac sine ulla s e n s u i a c e r e n t - ut q u i v i s , c u m aspexisset, n o n se p r a e t o r i s c o n v i v i u m , sed
Cannensem
p u g n a m n e q u i t i a e v i d e r e arbitraretur.
C u m v e r o aestas s u m m a esse c o e p e r a t , q u o d
tempus
o m n e s Siciliae s e m p e r p r a e t o r e s in i t i n e r i b u s c o n s u m e r e c o n s u e r u n t , p r o p t e r e a q u o d t u m p u t a n t o b e u n d a m esse m a x i m e p r o v i n c i a m , c u m in areis f r u m e n t a s u n t , q u o d et f a m i l i a e c o n g r e g a n t u r et m a g n i t u d e s e r v i t i p e r s p i c i t u r et labor operis m a x i m e offendit, frumenti copia c o m m o n e r , tempus anni non impedit: tum, inquam, c u m concursant ceteri p r a e t o r e s , iste n o v o q u o d a m g e n e r e i m p e r a t o r p u l c h e r r i m o S y r a c u s a r u m l o c o s t a t i v a sibi castra f a c i e b a t . N a m in i p s o a d i t u a t q u e o r e p o r t u s , u b i p r i m u m ex a l t o s i n u s a b l i t o r e a d u r b e m i n f l e c t i t u r , t a b e r n a c u l a carbaseis i n t e n t a velis c o n l o c a b a t . H u e ex ilia d o m o p r a e t o ria, q u a e regis H i e r o n i s f u i t , sic e m i g r a b a t ut e u m
per
illos d i e s n e m o extra i l i u m l o c u m v i d e r e p o s s e t . In e u m a u t e m i p s u m l o c u m a d i t u s erat n e m i n i , nisi q u i aut soc i u s a u t m i n i s t e r l i b i d i n i s esse p o s s e t . H u e o m n e s m u l i e res, q u i b u s c u m
iste c o n s u e r a t , c o n v e n i e b a n t ,
quarum
i n c r e d i b i l e est q u a n t a m u l t i t u d o f u e r i t S y r a c u s i s ;
hue
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lern von Beamten zu herrschen pflegt, sondern unter lautem Geschrei und Gezänk; bisweilen kam es sogar zu K a m p f u n d tätlichen Auseinandersetzungen. Denn unser strenger und gewissenhafter Prätor gehorchte zwar nie den Gesetzen des römischen Volkes; doch die Gesetze, die beim Becher erlassen w u r d e n 1 1 , befolgte er mit großer Genauigkeit. Und so endete die Sache damit, daß man den einen vom Gelage wie von einer Schlacht auf den Armen davontrug, daß ein anderer für tot zurückblieb, daß die meisten bewußtlos und ohne jede Empfindung ausgestreckt
umherlagen; wer das sah, der
glaubte nicht das Gastmahl eines Prätors, sondern eine Cannaeschlacht der Liederlichkeit zu erblicken. Wenn aber erst der Hochsommer eingetreten war - diese Zeit pflegen die Statthalter Siziliens stets für Reisen zu verwenden; sie glauben nämlich, die Provinz vor allem dann besuchen zu müssen, wenn das Getreide auf den Tennen liegt: dann versammelt sich das Gesinde, und die Menge der Sklaven ist überschaubar; die beschwerliche Arbeit drückt dann am meisten, die Fülle des Getreides reizt und die Jahreszeit ist nicht hinderlich 2 1 - dann, sage ich, wenn die übrigen Prätoren umherreisen, errichtete sich dieser Feldherr neuer Machart an der schönsten Stelle von Syrakus ein Standlager. Denn unmittelbar an der Mündung und Einfahrt des Hafens, w o sich das Meeresufer in Richtung auf die Stadt zu einer Bucht zu krümmen beginnt, ließ er mit Leinensegeln bespannte Z e l t e aufstellen. Dorthin übersiedelte er aus dem Palast der Prätoren, der einst König Hieron gehört h a t t e 1 ' ; man bekam ihn in jenen T a g e n nie anderswo zu sehen. Z u diesem Platz aber war keinem Menschen der Zutritt gestattet, es sei denn, er hätte dem Verres als Genösse oder Helfer seiner Lüste gedient. Dort kamen alle Frauenzimmer zusammen, mit denen er Umgang hatte (es gab deren in Syrakus eine unglaubliche Menge); dort fanden sich die Mannsbilder ein, die
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ACTIONIS
IN С . VE R RE Μ S E C U N D A E
LIB.V
h o m i n e s digni iscius amicitia, digni vita ilia conviviisque veniebanc. Inter eius m o d i viros et mulieres adulta aetate filius versabarur, ut e u m , etiamsi natura a parentis similitudine abriperet, c o n s u e t u d o tamen ac disciplina patris similem esse cogeret. H u e Tertia ilia perducta per
31
d o l u m atque insidias ab R h o d i o tibicine maximas in istius castris effecisse dicitur turbas, c u m indigne pateretur u x o r C l e o m e n i s Syracusani, nobilis mulier, itemque u x o r Aeschrionis, honesto loco nata, in c o n v e n t u m s u u m m i m i Isidori filiam venisse. Iste autem H a n n i b a l , qui in suis castris virtute putaret oportere non genere certari, sic b a n c Tertiam dilexit ut earn secum ex provincia deportaret.
A c per eos dies, c u m iste c u m pallio p u r p u r e o talariq u e tunica versaretur in conviviis muliebribus, non o f f e n d e b a n t u r h o m i n e s neque moleste ferebant abesse a f o r o magistratum, non ius dici, non iudicia fieri; l o c u m ilium litoris percrepare t o t u m m u l i e r u m vocibus cantuque s y m p h o n i a e , in f o r o silentium esse s u m m u m causarum atque iuris, non ferebant h o m i n e s moleste; non e n i m ius abesse videbatur a f o r o neque iudicia, sed vis et crudelitas et b o n o r u m acerba et i n d i g n a direptio.
H u n c tu igitur i m p e r a t o r e m esse defendis, Hortensi?
32
huius f u r t a , rapinas, c u p i d i t a t e m , crudelitatem, superb i a m , scelus, a u d a c i a m rerum gestarum m a g n i t u d i n e atque imperatoriis laudibus tegere conaris? H i e scilicet est
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seiner Freundschaft würdig waren und würdig dieses Lebens und der Gastereien. Mit dieser Sorte von Männern und Frauen verkehrte auch sein schon erwachsener Sohn; den hinderte zwar die eigene Wesensart an der Ähnlichkeit mit dem Vater, doch brachten ihn der tägliche Umgang und die Erziehung dazu, dem Vater nachzueifern. Dorthin wurde zudem die Tertia gebracht, die man mit List und Tücke dem rhodischen Flötenspieler entführt hatte 1 4 ; sie soll eine gewaltige Verwirrung im Lager des Verres hervorgerufen haben, da die Gattin des Syrakusaners Kleomenes, eine Frau von Adel, und ebenso die Gattin des Aischrion, die aus gutem Hause stammte, erbost darüber waren, daß die Tochter des Schauspielers Isidoras in ihre Gesellschaft kam. Unser Hannibal aber glaubte, daß in seinem Lager die Leistung, nicht die Herkunft den Rang bestimme; er war dieser Tertia so zugetan, daß er sie aus der Provinz nach Hause mitnahm. Und während der Tage, da Verres in einem Purpurumhang und einer bis an die Knöchel reichenden T u n i c a " seine Zeit mit Weibergelagen zubrachte, waren die Leute nicht ungehalten darüber noch nahmen sie es übel, daß auf dem Markt die Obrigkeit fehlte, daß nicht Recht gesprochen, nicht Gericht gehalten wurde. Wenn die ganze Gegend am Ufer von Frauenstimmen und vom Klang der Musik erschallte, auf dem Markte aber völliger Stillstand der Prozesse und der Rechtsprechung herrschte, so waren die Leute wirklich nicht böse darüber. Denn offensichtlich fehlten auf dem Markt nicht das Recht und die Gerichte, sondern die Gewalt und die Grausamkeit und der harte, empörende Vermögensraub. Für diesen Mann also trittst du ein, Hortensius, als ob er ein Feldherr wäre ? Dieses Mannes Diebstähle und Raubzüge, seine Habgier, Grausamkeit, Anmaßung, Tücke und Frechheit suchst du durch große Taten und die Lorbeeren eines Feldherrn zu bemänteln ? Da ist freilich zu befürchten, daß du
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ACT I О Ν I S IN C.VERREM SECUNDAE L I B . V
m e t u e n d u m ne ad exitum defensionis tuae vetus ilia A n t o n i a n a dicendi ratio atque auctoritas proferatur, ne excitetur Verres, ne denudetur a pectore, ne cicatrices populus R o m a n u s aspiciat, ex mulierum morsu vestigia libidinis atque nequitiae. D i faciant ut rei militaris, ut belli mentionem facere audeas! C o g n o s c e n t u r enim o m n i a istius aera ilia Vetera, ut non solum in imperio verum etiam in stipendiis qualis fuerit intellegatis. Renovabitur prima ilia militia, cum iste e foro abduci, non, ut ipse praedicat, perduci solebat; aleatoris Placentini castra c o m m e m o r a b u n t u r , in quibus c u m frequens fuisset tamen aere dirutus est; multa eius in stipendiis d a m n a proferentur, quae ab isto aetatis fructu dissoluta et compensata sunt.
Iam vero, c u m in eius modi patientia
turpitudinis
aliena non sua satietate obduruisset, qui vir fuerit, quot praesidia, quam munita pudoris et pudicitiae vi et audacia ceperit, quid me attinet dicere aut coniungere c u m istius flagitio cuiusquam praeterea dedecus? N o n faciam, iudices; omnia Vetera praetermittam, d u o sola recentia sine cuiusquam infamia p o n a m , ex quibus coniecturam facere de o m n i b u s possitis - unum iliud, quod ita fuit inlustre n o t u m q u e o m n i b u s ut n e m o tam
rusticanus
h o m o L. Lucullo M . C o t t a consulibus R o m a m ex ullo m u n i c i p i o vadimoni causa venerit, quin sciret iura o m nia praetoris urbani
nutu atque arbitrio
Chelidonis
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7.VC F . I T F .
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am Ende deiner Verteidigung das altbewährte Beweisverfahren und Beispiel des Antonius e r n e u e r s t d a ß Verres aufgerufen wird, daß er seine Brust entblößt, daß das römische Volk seine Narben erblickt - die Bisse der Weiber, die Spuren seiner Lüste und seiner Liederlichkeit! Mögen die Götter geben, daß du es wagst, die Dienstzeit, den Krieg zu erwähnen! Dann wird man nämlich von allen seinen früheren Feldzügen erfahren, so daß ihr feststellen könnt, wie er sich nicht nur als Feldherr, sondern auch als Soldat bewährt hat. Man wird seine Rekrutenzeit auffrischen, da er brüsk vom Forum weggeführt, nicht, wie er selbst sich rühmt, umständlich verführt zu werden pflegte"; man wird das Lager des Glücksspielers aus Placentia1* erwähnen, das er mit Eifer besuchte und wo man ihm trotzdem den Spielsold kürzte; man wird die vielen Verluste während seiner Dienstzeit " anführen, die er jedoch durch die Erträgnisse seiner Jugend tilgte und ausglich. Nachdem er nun im Erleiden von derlei Unzucht durch fremde, nicht durch eigene Sättigung abgehärtet war - was er dann für ein Mann geworden ist, wie viele und wie stark verschanzte Festungen der Keuschheit und Schamhaftigkeit er mit frecher Gewalt genommen hat, wozu soll ich mich darüber äußern oder mit seinen Schandtaten noch sonst jemandes Unehre in Verbindung bringen? Das will ich nicht tun, ihr Richter; alles Vergangene will ich beiseite lassen. Ich möchte nur zwei neuere Vorkommnisse anfuhren, ohne jemandem Schande zu bereiten; ihr könnt daraus eure Schlüsse auf alles andere ziehen. Das eine war allgemein berüchtigt und bekannt: unter denen, die während des Konsulats des L. Lucullus und M.Cotta aus irgendeiner Landstadt wegen eines Gerichtstermines nach Rom kamen, war niemand so hinterwäldlerisch, daß er nicht gewußt hätte, wie alle Rechtsbescheide des Stadtprätors von dem Wink und der Willkür der Dirne
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ACT IΟ Ν I S IN C.VERREM SECUNDAE LIB.V
meretriculae gubernari, alterum quod, cum paludatus exisset votaque pro imperio suo communique re publica nuncupasset, noctu stupri causa leccica in urbem introferri solitus est ad mulierem nuptam uni, proposicam omnibus, contra fas, contra auspicia, contra omnis divinas atque humanas religiones!
О di immortales! quid interest inter mentes h o m i n u m et cogitationes! Ita mihi meam voluntatem spemque reliquae vitae vestra populique Romani existimatio comprobet, ut ego, quos adhuc mihi magistratus populus Romanus mandavit, sic eos accepi ut me o m n i u m officiorum obstringi religione arbitrarer! Ita quaestor sum factus ut mihi ilium honorem tum non solum d a t u m , sed etiam creditum et commissum putarem; sic obtinui quaesturam in Sicilia provincia ut o m n i u m oculos in me u n u m coniectos esse arbitrarer, ut me quaesturamque meam quasi in aliquo terrarum orbis theatro versari existimarem, ut semper omnia quae iucunda videntur esse, ea non modo his extraordinariis cupiditatibus, sed etiam ipsi naturae ac necessitati denegarem.
N u n c sum designatus aedilis; habeo rationem quid a populo Romano acceperim; mihi ludos sanctissimos maxima cum cura et caerimonia Cereri, Libero, Liberaeque faciundos, mihi Floram matrem populo plebique Romanae ludorum celebritate placandam, mihi ludos antiquissimos, qui primi Romani appellati sunt, cum dignitate maxima et religione Iovi, Iunoni, Minervaeque
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Chelidon abhingen 1 0 . Und das andere: nachdem er bereits im Feldherrn mantel hinausgezogen war und die Gelübde für seinen Oberbefehl und für das allgemeine Wohl des Staates dargebracht hatte, da pflegte er sich nachts, um der Unzucht zu Irönen, mit einer Sänfte in die Stadt tragen zu lassen,zu einer Krau, die zwar mit einem verheiratet war, aber allen zur Verfügung stand - wider das heilige Recht, wider die Kultpflichten seines Feldherrenamtes, wider alle göttlichen und menschlichen Satzungen 3 1 . Ihr unsterblichen Götter! Wie ist doch das Denken und Trachten der Menschen verschieden! So wahr euer und des römischen Volkes Urteil meine Wünsche und Hoffnungen für mein künftiges Leben gutheißen möge: die Ämter, mit denen mich das römische Volk bislang betraut hat, habe ich in der Überzeugung entgegengenommen, daß ich zur gewissenhaften Erfüllung aller meiner Obliegenheiten verpflichtet sei. So bin ich Quästor geworden: ich glaubte, daß man mir dieses Amt nicht nur zugewiesen, sondern verliehen und anvertraut habe. So habe ich die Quästur in der Provinz Sizilien verwaltet: ich meinte, daß aller Augen allein auf mich gerichtet seien; ich stellte mir vor, daß ich und meine Quästur sich auf einer Art Welttheater befänden; ich habe jederzeit alles, was als angenehm gilt, nicht nur den außergewöhnlichen Gelüsten unserer Zeit, sondern selbst der Natur und der Notwendigkeit versagt. Jetzt bin ich ernannter Ädil; ich bin mir bewußt, was ich vom römischen Volke empfangen habe: daß ich mit größter Sorgfalt und Ehrfurcht die hochheiligen Spiele zu Ehren der Ceres, des Liber und der Libera veranstalten, daß ich der M u t ter Flora Huld für das gesamte römische Volk durch die Festfeier von Spielen gewinnen, daß ich die uralten Spiele, die als die ältesten - die Römischen heißen, mit der größten Würde und Gewissenhaftigkeit dem Jupiter, der Juno und der
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A C T I Ο Ν' I S I N С . V Ε R R Ε Μ S E C U N D A E
esse f a c i u n d o s , mihi sacrarum a e d i u m
LIB.V
procurationem,
mihi t o t a m u r b e m t u e n d a m esse c o m m i s s a m ; o b e a r u m rerum laborem et sollicitudinem fructus illos datos, ant i q u i o r e m in senatu sententiae dicendae l o c u m , togam praetextam, sellam c u r u l e m , ius imaginis ad m e m o r i a m posteritatemque prodendae. Ex his ego o m n i b u s rebus,
37
iudices - ita mihi o m n i s deos propitios velim - , etiamsi mihi iucundissimus est h o n o s populi, tarnen n e q u a q u a m capio tantum voluptatis q u a n t u m et sollicitudinis
et
laboris, ut haec ipsa aedilitas, non quia necesse fuerit, all cui c a n d i d a t o data, sed, quia sic oportuerit, recte conlocata et iudicio populi in loco esse posita videatur.
T u c u m esses praetor renuntiatus q u o q u o m o d o -
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mitto e n i m et praetereo q u i d t u m sit a c t u m - sed c u m esses renuntiatus, ut dixi, non ipsa praeconis voce excitatus es, qui te totiens s e n i o r u m i u n i o r u m q u e centuriis illo h o n o r e adfici pronuntiavit, ut hoc putares, aliquam rei publicae partem tibi creditam, a n n u m tibi illum u n u m d o m o c a r e n d u m esse meretricis? C u m tibi sorte obtigisset uti ius diceres, q u a n t u m negoti, q u i d oneris haberes, n u m q u a m cogitasti? neque illud rationis habuisti, si f o r t e te expergefacere posses, earn p r o v i n c i a m , q u a m tueri singulari sapientia atque integritate difficile esset, ad s u m m a m stultitiam n e q u i t i a m q u e venisse? Itaque non m o d o a d o m o tua C h e l i d o n e m in praetura excludere noluisti, sed in C h e l i d o n i s d o m u m praeturam t o t a m detulisti.
Secuta provincia est; in q u a n u m q u a m tibi venit in
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m e n t e m non tibi idcirco fascis ac securis et tantam i m -
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Minerva zu Ehren abhalten muß, daß mir die Obhut der Gotteshäuser, mir der Schutz der ganzen Stadt anvertraut ist daß ich für diese Mühen und Sorgen folgenden Lohn erhalte: im Senat einen höheren Rang bei der Meinungsäußerung, die purpurverbrämte T o g a , den kurulischen Stuhl, das Recht, mein Bildnis dem Andenken der Nachwelt zu hinterlassen 1 1 . So wahr ich wünsche, daß alle Götter mir gnädig seien: wenn mir auch die vom Volke verliehene Ehre höchst angenehm ist, ihr Richtep, so bereitet mir doch all dies durchaus nicht so viel Vergnügen wie Sorge und Mühsal; es soll sich ja zeigen, daß man gerade diese Adilenwürde nicht, weil es erforderlich war, irgendeinem Bewerber zugewiesen, sondern sie, weil es sich so gehörte, richtig besetzt und nach dem Urteil des Volkes dem geeigneten Manne anvertraut hat. Als du, wie auch immer, zum Prätor ausgerufen wurdest (denn ich verschweige und übergehe, was sich damals abgespielt h a t M ) - als du, wie gesagt, ausgerufen wurdest, hat da nicht wenigstens die Stimme des Herolds (er verkündete immer wieder, die und die Zenturie der Älteren oder Jüngeren habe dich mit dieser Ehre b e t r a u t и ) in dir den Gedanken erweckt, daß dir ein Teil der Staatsverwaltung anvertraut sei, daß du dieses eine Jahr das Haus der Dirne meiden müssest ? Als dir durch das Los die Rechtsprechung 1 4 zugefallen war, hast du da niemals bedacht, welche Mühe, welche Last du auf dich nahmst ? Hast du auch das nicht erwogen (sofern du dich überhaupt dazu aufraffen konntest), daß die Aufgabe, der auch hervorragende Klugheit und Lauterkeit nur mit Mühe gerecht zu werden vermag, der größten Torheit und Nichtsnutzigkeit zugefallen war ? So hast du es denn nicht nur unterlassen, der Chelidon währenddeiner Präturdein Haus zu verbieten, sondern du hast sogar die ganze Präturin das Haus derChelidon verlegt. Dann folgte die Verwaltung der Provinz. Hierbei kam dir niemals in den Sinn, daß man dir nicht deshalb die Rutenbün-
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SECUNDAE
LIB.V
peri vim t a n t a m q u e o r n a m e n t o r u m o m n i u m d i g n i t a t e m d a t a m ut e a r u m r e r u m vi et auctoritate o m n i a repagula p u d o r i s offlcique perfringeres, ut o m n i u m b o n a p r a e d a m t u a m duceres, ut nullius res tuta, nullius d o m u s clausa, nullius vita saepta, nullius pudicitia m u n i t a c o n t r a t u a m c u p i d i t a t e m et a u d a c i a m posset esse; in q u a tu te ita gessisti ut, o m n i b u s c u m teneare rebus, ad b e l l u m fugitiv o r u m confugias; ex q u o iam intellegis non m o d o nullam tibi d e f e n s i o n e m , sed m a x i m a m vim c r i m i n u m exortam. Nisi f o r t e Italici f u g i t i v o r u m belli reliquias a t q u e illud T e m p s a n u m i n c o m m o d u m proferes, ad q u o d recens c u m te p e r o p p o r t u n e f o r t u n a attulisset, si q u i d in te virtutis aut industriae habuisses, idem qui semper fueras inventus es.
C u m ad te Valentini venissent et pro iis h o m o disertus
4°
ac nobilis, M . Marius, loqueretur, ut n e g o t i u m susciperes, ut, c u m penes te p r a e t o r i u m i m p e r i u m ac n o m e n esset, ad illam p a r v a m m a n u m e x s t i n g u e n d a m d u c e m te p r i n c i p e m q u e praeberes, n o n m o d o id refugisti, sed eo ipso t e m p o r e , c u m esses in litore, Tertia ilia tua, q u a m tu tecum
deportaras, erat in o m n i u m
conspectu;
ipsis
a u t e m Valentinis ex t a m inlustri nobilique m u n i c i p i o tantis d e rebus r e s p o n s u m dedisti, c u m esses c u m tunica pulla et pallio.
Q u i d h u n c proficiscentem, q u i d in ipsa
provincia
fecisse existimatis qui, c u m iam ex provincia n o n ad triu m p h u m sed ad i u d i c i u m decederet, ne illam q u i d e m in-
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del und die Beile und eine so umfassende Befehlsgewalt und einen so hohen, mit allen Vorrechten versehenen R a n g eingeräumt hat, weil du im Schutze dieser Macht und Geltung alle Schranken des Anstands und der Pflicht durchbrechen, weil du jedermanns Vermögen als deine Beute betrachten solltest, weil niemandes Besitz sicher, niemandes Haus verschlossen, niemandes Leben verbürgt, niemandes Keuschheit gefeit sein sollte vor deiner Begierde und Verwegenheit. Du hast dich dabei so verhalten, daß du, in jeder Hinsicht überführt, zu einem Sklavenkriege deine Zuflucht nehmen mußt. Doch jetzt siehst du wohl ein: hieraus hat sich keinerlei Rechtfertigung für dich ergeben, sondern vielmehr Anschuldigungen in großer Menge. Denn du wirst dich gewiß nicht auf die Überreste des italischen Sklavenkrieges und auf das Mißgeschick der Tempsaner berufen w o l l e n " ; das Glück war dir sehr gewogen (es rief dich ja unverzüglich zu diesem Ereignis), sofern du nur einige Tüchtigkeit und Tatkraft gezeigt hättest; doch du wurdest als derselbe erfunden, der du stets gewesen warst. Als die Valentiner * zu dir kamen, da bat dich ihr Sprecher, der gewandte und angesehene M . M a r i u s , du möchtest dich der Sache annehmen, möchtest dich, da du die Befehlsgcwalt und den T i t e l eines Prätors habest, als Führer und Oberhaupt für die Vernichtung der kleinen Schar zur Verfügung stellen. Du aber lehntest das ab, und außerdem zeigte sich gerade damals, während du dich am Ufer aufhieltest, deine Tertia, die du mitgenommen hattest 3 ', vor aller Augen. Den Valentinern aber, die aus einer bekannten und achtbaren Landstadt kamen, erteiltest du in so wichtiger Angelegenheit deinen Bescheid, während du eine dunkle Tunica und einen griechischen Umhang trugst 4 0 . Was, meint ihr, hat unser Mann erst auf der Hinreise, was während seines Aufenthaltes in der Provinz getan: hat er doch, als er bereits die Provinz verließ - nicht zu einem Triumph,
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famiam fugerit quam sine ulla volupcate capiebat? О divina senatus frequentis in aede Bellonae admurmuratio! Memoria cenecis, iudices, cum advesperasceret et paulo ante esset de hoc Tempsano incommodo nuntiatum, cum inveniretur nemo qui in ilia loca cum imperio mitteretur, dixissetque quidam Verrem esse non longe a Tempsa, quam valde universi admurmuraverint, quam
palam
principes dixerint contra. Et his tot criminibus testimoniisque convictus in eorum tabella spem sibi aliquam proponit, quorum omnium palam causa incognita voce damnatus est?
Esto; nihil ex fugitivorum bello aut suspicione belli laudis adeptus est, quod nequc bellum eius modi neque belli periculum fuit in Sicilia, neque ab isto provisum est ne quod esset; at vero contra bellum praedonum classem habuit ornatam diligentiamque in eo singularem, itaque ab isto praeclare defensa provincia est. Sic de bello praedonum, sic de classe Siciliensi, iudices, dicam ut hoc iam ante confirmem, in hoc uno genere omnis inesse culpas istius maximas avaritiae, maiestatis, dementiae, libidinis, crudelitatis. Haec dum breviter expono, quaeso, ut fecistis adhuc, diligenter attendite.
Rem navalem primum ita dico esse administratam, non uti provincia defenderetur, sed uti classis nomine pecunia quaereretur. Superiorum praetorum consuetudo cum haec fuisset, ut naves civitatibus certusque numerus nautarum militumque imperaretur, maximae et locuple-
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sondern zum Gerichtsverfahren - , nicht einmal die Schande vermieden, die er auf sich nahm, ohne ein Vergnügen dafür einzutauschen! Welch edle Regung, als der zahlreich versammelte Senat im Tempel der Bellona 41 seinen Unwillen kundgab! Ihr erinnert euch, ihr Richter: es dämmerte schon, und man hatte kurz zuvor von dem Unglück der Tempsaner berichtet; als niemand sich fand, den man mit dem Oberbefehl in jene Gegend schicken konnte, und irgendwer sagte, Verres sei nicht weit von Tempsa, wie deutlich haben sie da allesamt gemurrt, wie unverhohlen haben die Häupter des Senates widersprochen! Und jetzt, da so viele Anschuldigungen und Zeugnisse ihn belasten, setzt er noch einige Hoffnung auf die Stimme derer, die ihn offen und hörbar verurteilt haben, noch ehe eine Untersuchung stattfand? Nun gut, er hat sich keinerlei Ruhm in einem Sklavenkrieg oder bei der Drohung eines Krieges erworben; denn es gab keinen solchen Krieg noch irgendwelche Kriegsgefahr in Sizilien, noch hat er dafür gesorgt, daß kein Krieg entstünde. «Aber er besaß eine wohlausgerüstete Flotte für den Kampf gegen die Seeräuber und zeigte dabei eine außergewöhnliche Umsicht; er hat somit als Prätor die Provinz vorzüglich verteidigt.» Ich aber werde mich so über den Seeräuberkrieg, so über die sizilische Flotte äußern, ihr Richter, daß ich schon im voraus versichern kann: in diesem einen Gegenstand sind alle schweren Verfehlungen des Verres zugleich enthalten, Habgier, Hochverrat, Unvernunft, Willkür und Grausamkeit. Während ich euch dies in Kürze auseinandersetze, schenkt mir bitte, wie bisher, eure ungeteilte Aufmerksamkeit. Ich behaupte zunächst: des Seewesens hat er sich nicht angenommen, um die Provinz zu verteidigen, sondern um sich unter dem Vorwande, es sei für die Flotte, Geld zu verschaffen. Die früheren Prätoren pflegten den Gemeinden die Gestellung von Schiffen und von Seeleuten und Soldaten in bestimmter
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A C T IО Ν IS I N
C.VERREM
SECUNDAE
tissimae civitati M a m e r t i n a e nihil h o r u m
LIB.S
imperavisti.
O b hanc rem q u i d tibi M a m c r t i n i clam pecuniae dederint, post, si videbitur, ex ipsorum litteris testibusque quaeremus.
Navem
vero cybaeam
maximam
triremis
instar, palam a e d i f i c a t u m s u m p t u publico tuo nomine, publice, sciente tota Sicilia, per magistratum senatumque M a m e r t i n u m tibi d a t a m d o n a t a m q u e esse dico. Haec navis onusta praeda Siciliensi, c u m ipsa q u o q u e esset ex praeda, simul c u m ipse decederet, adpulsa Veliam est c u m plurimis rebus, et iis quas iste R o m a m mittere c u m ceteris furtis noluit, q u o d erant clarissimae m a x i m e q u e e u m delectabant. Earn navem nuper egomet vidi Veliae m u l t i q u e alii v i d e r u n t , p u l c h e r r i m a m atque ornatissim a m , iudices: quae q u i d e m o m n i b u s qui earn aspexerant prospectare iam exsilium atque explorare f u g a m d o m i n i videbatur.
Q u i d mihi hoc loco respondebis? nisi forte id q u o d , tametsi probari nullo m o d o potest, tamen dici q u i d e m in iudicio de pecuniis repetundis necesse est, de tua pecunia aedificatam esse n a v e m . A u d e hoc saltern dicere q u o d necesse est; noli metuere, H o r t e n s i , ne quaeram
qui
licuerit aedificare n a v e m senatori; antiquae sunt istae leges et mortuae, q u e m ad m o d u m tu soles dicere, quae vetant. Fuit ista res publica q u o n d a m , f u i t ista severitas in iudiciis, ut istam rem accusator in magnis criminibus o b i c i e n d a m putaret. Q u i d e n i m tibi navi? qui si q u o publice proficisceris, praesidi et vecturae causa s u m p t u
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C. V E R R E S ,
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Zahl aufzuerlegen; du aber hast der großen und reichen Gemeinde Messana nichts Derartiges auferlegt. Wieviel Geld dir die Mamertiner hierfür insgeheim gegeben haben, das werden wir, wenn es recht ist, hernach aus deren eigenen Aufzeichnungen und Zeugenaussagen zu ermitteln suchen M . Jetzt aber behaupte ich: wie ganz Sizilien weiß, hat man von Amts wegen und auf öffentliche Kosten in deinem Auftrage ein sehr großes LastschiiT, einem Dreiruderer gleich, vor aller Augen erbaut und dir durch die Behörden und den Rat der Mamertiner Ubergeben und geschenkt. Dieses Schiff, das selbst auch zur Beute gehörte, war mit sizilischer Beute beladen; es fuhr zur selben Zeit wie Verres ab und landete mit sehr vielen Dingen in Velia 4 ' - zumal mit denen, die er nicht mitsamt dem übrigen Diebesgut nach Rom schicken wollte, weil sie sehr wertvoll waren und ihm besondere Freude machten. Dieses Schiff habe ich neulich selbst in Velia gesehen 44 , und viele andere haben es gesehen; es war sehr schön und vorzüglich ausgerüstet, ihr Richter. Ein jeder, der es erblickte, mochte meinen, daß es schon in die Verbannung hinausschaue und einen Fluchtweg für seinen Herrn erspähe. Was wirst du mir hier antworten ? Allenfalls, was man, wenn es sich auch keineswegs beweisen läßt, trotzdem in einem Verfahren wegen Erpressungen zu behaupten genötigt ist: das Schiff sei von deinem eigenen Gelde erbaut worden. Wage doch wenigstens zu behaupten, wozu du genötigt bist. Fürchte nicht, Hortensius, daß ich frage, ob es denn einem Senator überhaupt gestattet war, sich ein Schiff bauen zu lassen. Alt und tot sind die Gesetze, wie du zu sagen pflegst, die das verbieten 45 . Es gab einst diese Grundsätze der Verwaltung, es gab diese Strenge der Gerichte, daß ein Ankläger glaubte, etwas Derartiges als schwere Anschuldigung vorbringen zu können. Denn wozu brauchst du ein Schiff? Wenn du nämlich dienstlich verreisen mußt, dann stehen dir für die sichere
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ACTIONIS IN С. VE R RH Μ SECUNDAE LIB.V
publico navigia praebentur; privatim autem nec proficisci q u o q u a m potes nec arcessere res transmarinas ex iis locis in quibus te habere nihil licet. D e i n d e cur quicquam
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contra leges paras ti? Valeret hoc crimen in illa vetere severitate ac dignitate rei publicae; n u n c non modo te hoc c r i m i n e non arguo, sed ne illa quidem c o m m u n i vituperatione reprehendo: Tu tibi hoc n u m q u a m turpe, numquam
criminosum,
numquam
invidiosum
fore
putasti, celeberrimo loco palam tibi aedificari onerariam navem in provincia q u a m tu c u m imperio obtinebas? Q u i d eos loqui qui videbant, quid existimare eos qui audiebant arbitrabare? inanem te navem esse illam in Italiam adducturum? naviculariam, c u m R o m a m venisses, esse facturum? N e illud q u i d e m q u i s q u a m poterat suspicari, te in Italia m a r i t i m u m habere f u n d u m et ad fructus deportandos onerariam navem comparare. Eius modi voluisti de te sermonem esse o m n i u m palam ut loquerentur te illam navem parare quae praedam ex Sicilia deportaret, et ad ea furta quae reliquisses commearet.
V e r u m haec o m n i a , si doces navem de tua pecunia aedificatam,
remitto atque concedo.
Sed hoc,
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homo
amentissime, non intellegis priore actione ab ipsis istis M a m e r t i n i s , tuis laudatoribus, esse sublatum? N a m dixit Heius, princeps istius legationis quae ad tuam laudation e m missa est, navem tibi operis publicis M a m e r t i n o r u m esse factam, eique faciendae senatorem
Mamertinum
publice praefuisse. R e l i q u a e s t materies. H a n c Reginis, ut ipsi dicunt - tametsi tu negare non potes - publice, quod
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C.VERRES,
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Überfahrt auf öffentliche Kosten Schiffe zur Verfugung; doch in eigener Sache darfst du gar nicht irgendwohin auf Reisen gehen noch dir über See aus den Gegenden etwas kommen lassen, in denen dir jeder Besitz verboten ist 44 . Ferner: warum hast du dir wider die Gesetze etwas angeschafft? Diese Beschuldigung hätte Gewicht, wenn die alte Strenge und Hoheit des Staates noch bestünde; doch jetzt klage ich dich wegen dieses Punktes nicht an, ja ich will nicht einmal den allgemein üblichen Tadel aussprechen. Du aber, glaubtest du denn, es werde dir niemals Schande, nie einen Vorwurf, nie Haß einbringen, daß man dir an einem vielbesuchten Orte öffentlich ein Lastschiff baute - in der Provinz, die deinem Oberbefehl unterstand? Was, glaubtest du, würden die sagen, die das sahen, was die denken, die davon hörten ? Daß du das Schiff leer nach Italien bringen wollest ? Daß du, nach Rom zurückgekehrt, Frachtschiffahrt betreiben werdest ? Auch das konnte niemand vermuten: daß du in Italien ein Gut an der Küste habest und dir das Lastschiff besorgest, um die Ernteerträge zu verfrachten. Offenbar wolltest du, daß man allgemein so von dir sprach, daß es öffentlich hieß, du besorgest dir das Schiff, um deine Beute aus Sizilien fortzuschaffen und um das Diebesgut nachzuholen, das du zurücklassen würdest. Aber dies alles erlasse und schenke ich dir, wenn du nur beweisen kannst, daß du das Schiff mit deinem Gelde hast bauen lassen. Indes, du unvernünftiger Mensch, merkst du nicht, daß ausgerechnet die Mamertiner, deine Lobredner, dir in der ersten Verhandlung diesen Einwand abgeschnitten haben? Denn ausgesagt hat Heius, das Haupt der Gesandtschaft, die zu deiner Belobigung abgeordnet wurde: das Schiff sei von Arbeitern der Gemeinde Messana für dich erbaut worden und ein mamertinischer Ratsherr habe von Amts wegen den Bau geleitet. So bleibt noch das Bauholz. Das hast du von Amts wegen den Reginern 47 auferlegt, wie sie selbst erklären
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A C T IО Ν IS IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.V
Mamertini materiem non habent, imperavisti. Si et ex q u o fit navis, et qui faciunt, imperio tibi tuo non pretio praesto fuerunt, ubi tandem istud latet q u o d tu de tua pecunia dicis impensum?
At Mamertini in tabulis nihil habent. Primum video potuisse fieri ut ex aerario nihil darent; etenim vel Capitolium, sicut apud maiores nostros factum est, publice coactis fabris operisque imperatis gratiis
exaedificari
atque effici potuit; deinde perspicio, id q u o d ostendam, c u m ipsos produxero, ipsorum ex litteris multas pecunias isti erogatas in operum locationes falsas atque inanis esse perscriptas. Iam illud minime mirum est, Mamertinos a q u o s u m m u m beneficium acceperant, quem sibi amiciorem q u a m populo R o m a n o esse cognoverant, eius capiti litteris suis pepercisse. Sed si argumento est Mamertinos tibi pecuniam non dedisse, quia scriptum non habent, sit argumento tibi gratiis stare navem, quia, quid emeris aut quid locaris, scriptum proferre non potes.
At enim idcirco navem Mamertinis non imperasti, q u o d sunt foederati.Di adprobent! H a b e m u s h o m i n e m in fetialium manibus educatum, u n u m praeter ceteros in publicis religionibus foederum sanctum ac diligentem; omnes qui ante te fuerunt praetores dedantur Mamerti-
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(gleichwohl könntest auch du es nicht leugnen) - da die Mamertiner kein Bauholz besitzen. Wenn dir nun sowohl der Baustoff des Schiffes als auch die Arbeiter auf deinen Befehl, nicht gegen Entgelt zu Gebote standen: w o steckt dann der Aufwand, den du aus deinen eigenen Mitteln bestritten zu haben behauptest ? «Bei den Mamertinern steht jedoch nichts davon in den Büchern.» Erstens sehe ich, daß sie die Sache durchführen konnten, ohne etwas aus der Staatskasse zu zahlen. Denn auch das Kapitol konnte, wie es bei unseren Vorfahren geschehen ist, von Staats wegen durch das Aufgebot von Handwerkern und die Einberufung von Arbeitern kostenfrei erbaut und fertiggestellt werden. Außerdem ist mir, wie ich noch dartun will, wenn ich die Leute vorführe, aus ihren Aufzeichnungen deutlich geworden: sie haben zahlreiche Summen, die sie für Verres ausgaben, unter falschen und erfundenen Werkverträgen gebucht. Denn darüber darf man sich am wenigsten wundern, daß die Mamertiner in ihren Büchern den Mann schonten, der sie in großzügigster Weise begünstigt hatte, von dem sie aus Erfahrung wußten, daß er es mit ihnen besser meinte als mit dem römischen Vol'c. Doch wenn das ein Beweis ist, daß die Mamertiner kein Geld für dich zahlten, weil sie nichts Schriftliches darüber haben, dann muß auch dies als Beweis gelten: man hat dir das Schiff unentgeltlich geliefert, weil du nicht durch Schriftstücke dartun kannst, was du gekauft oder gegen Bezahlung in Auftrag gegeben hast. Doch nein - du hast ja deshalb von den Mamertinern kein Schiff verlangt, weil sie Verbündete sind. Das mögen die Götter segnen! Da haben wir einen Mann, der unter den Händen der Fetialen aufwuchs 4 8 ; er ist mehr als andere unsträflich und gewissenhaft, wenn es um die heiligen Pflichten des Staates bei Bündnissen geht. Man überantworte alle Prätoren, die vor dir waren, den Mamertinern; sie haben ihnen ja wider den
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ACT IО Ν IS IN С . VE R REM SECUNDAE LIB.V
nis, q u o d iis navem contra pactionem foederis imperarint. Sed tarnen tu, sancte h o m o ac religiose, cur Tauromenitanis item foederatis navem imperasti? An hoc probabis, in aequa causa p o p u l o r u m sine pretio varium ius et disparem condicionem fuisse? Q u i d ? si eius modi esse haec d u o foedera d u o r u m p o p u l o r u m , iudices, doceo, ut Tauromenitanis nominatim c a u t u m et exceptum sit foedere ne navem dare debeant, Mamertinis in ipso foedere sanctum atque praescriptum sit ut navem dare necesse sit, istum autem contra foedus et Tauromenitanis imperasse et Mamertinis remisisse, n u m cui d u b i u m poterit esse quin Verre praetore plus Mamertinis cybaea q u a m Tauromenitanis foedus opitulatum sit? Recitentur foedera.
Isto igitur tuo, quem ad m o d u m ipse praedicas, beneficio, ut res indicat, pretio atque mercede minuisti maiestatem populi Romani, minuisti auxilia rei publicae, minuisti copias maiorum virtute ac sapientia comparatas, sustulisti ius imperi, condicionem sociorum, memoriam foederis: qui ex foedere ipso navem vel usque ad Ocean u m , si imperassemus, s u m p t u periculoque suo armatam atque ornatam mittere debuerunt, hi ne in freto ante sua tecta et d o m o s navigarent, ne sua moenia portusque defenderent, pretio abs te ius foederis et imperi condicionem
redemerunt.
Q u i d censetis
in
hoc
foedere
5'
faciendo voluisse Mamertinos impendere laboris, operae,
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Bündnisvertrag die Lieferung eines Schiffes auferlegt. Indes, du lauterer und gewissenhafter Mann, warum hast du den Tauromeniern, die ebenfalls Verbündete sind·", ein Schiff" zu liefern befohlen? Oder willst du beweisen, daß bei gleicher Stellung der Gemeinden ihr Recht verschieden und ihre Lage ungleich war, ohne daß Geld eine Rolle gespielt hätte? Wie? Gesetzt, ich beweise, die beiden Bündnisverträge der beiden Gemeinden lauten so, ihr Richter: den Tauromeniern ist im Vertrage ausdrücklich versprochen und zugesichert, daß sie kein Schiff"zu liefern brauchen; den Mamertinern dagegen ist, ebenfalls im Vertrage, auferlegt und vorgeschrieben, daß sie ein Schiffzu liefern verpflichtet sind - gesetzt also, ich zeige, Verres habe entgegen dem Bündnisvertrag die Lieferung den Tauromeniern befohlen und den Mamertinern erlassen: kann dann noch jemand zweifeln, daß unter der Prätur des Verres den Mamertinern das Lastschiff mehr geholfen hat als den Tauromeniern das Bündnis ? Man lese die Bündnisverträge vor. Durch diese deine Wohltat also, wie du selbst dich rühmst, oder, wie die Sache zeigt, für Geld und Lohn hast du geschädigt die Hoheit des römischen Volkes, geschädigt die Hilfsmittel des Staates, geschädigt die durch die Tatkraft und Weisheit der Vorfahren erworbene Macht, aufgehoben die rechtlichen Schranken des Oberbefehls, die Stellung der Bundesgenossen, die Rücksicht auf den Vertrag. Die Mamertiner wären laut ausdrücklicher Bestimmung des Bündnisvertrages verpflichtet gewesen, auf ihre Kosten und Gefahr ein Schiff" bemannt und ausgerüstet bis an den Ozean zu schicken, wenn wir es befohlen hätten, und sie haben, weil sie nicht einmal in der Meerenge vor ihren Wohnungen und Häusern zur See fahren, nicht ihre Mauern und Häfen verteidigen wollten, dir für Geld ihre Bündnerpflicht und die Bedingungen unserer Herrschaft abgekauft. Wieviel Mühe, Arbeit und Geld, meint ihr wohl, hätten die Mamertiner beim Abschluß des Vertrages
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ACTIONIS
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pecuniae ne haec biremis adscriberetur, si id ullo modo possent a nostris maioribus impetrare? Nam cum hoc munus imponebatur tarn grave civitati, inerat nescio quo modo in illo foedere societatis quasi quaedam nota servitutis. Q u o d tum, recentibus suis officiis, integra re, nullis populi Romani difficultatibus, a maioribus nostris foedere adsequi non potuerunt, id nunc, nullo novo officio suo, tot annis post - iure imperi nostri quotannis usurpatum ac semper retentum -
summa in difficultate
navium, a C . Verre pretio adsecuti sunt, ac non hoc solum adsecuti, ne navem darent: ecquem nautam, ecquem militem, qui aut in classe aut in praesidio esset, te praetore per triennium Mamertini dederunt?
Denique cum ex senatus consulto itemque ex lege Terentia et Cassia frumentum aequabiliter emi ab omnibus Siciliae civitatibus oporteret, id quoque munus leve atque commune Mamertinis remisisti. Dices frumentum Mamertinos non debere. Q u o modo non debere? an ut ne venderent? non enim erat hoc genus frumenti ex eo genere quod exigeretur, sed ex eo quod emeretur. Те igitur auctore et interprete ne foro quidem et commeatu Mamertini iuvare populum Romanum debuerunt. Quae
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tandem civitas fuit quae deberet? Qui publicos agros arant, certum est quid e lege censoria debeant: cur his
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4?"
mit Freuden aufgewendet, um die Zuschreibung des Zweiruderers zu vermeiden, wenn sie das bei unseren Vorfahren irgendwie hätten erreichen können? Denn als man der Gemeinde diese beschwerliche Pflicht auferlegte, da haftete dem Bündnisvertrage vielleicht gewissermaßen ein Makel von Knechtschaft an. Was sie damals, als ihre Pflichten gerade erst festgesetzt wurden und die Sache noch nicht entschieden war, von unseren Vorfahren, ohne daß sich das römische Volk in Schwierigkeiten befand, in ihrem Vertrage nicht erreichen konnten, das haben sie jetzt, so viele Jahre später, ohne andere Verpflichtungen zu übernehmen, bei C.Verres mit Geld erreicht, obwohl wir das Recht unserer Herrschaft alljährlich ausgeübt und stets daran festgehalten hatten, und trotz größtem Mangel an Schiffen. Und sie haben nicht nur erreicht, daß sie kein Schiff zu liefern brauchten: haben denn die Mamertiner während der drei Jahre deiner Prätur auch nur einen Seemann, nur einen Soldaten gestellt, der auf der Flotte oder bei einer Wachmannschaft gedient hätte ? Zu guter Letzt: als nach dem Senatsbeschluß sowie nach dem Tcrentischen und Cassischen Gesetz in gleichem Verhältnis von allen Gemeinden Siziliens Getreide gekauft werden sollte 50 , da hast du den Mamertinern auch diese leichte und allen gemeinsame Pflicht erlassen. Du wirst behaupten, die Mamertiner seien kein Getreide zu leisten verpflichtet. Wieso nicht verpflichtet? Brauchten sie denn auch keines zu verkaufen ? Denn es handelte sich nicht um die Gattung von Getreide, die man von ihnen einforderte, sondern um Kaufgetreide. Nach deiner Entscheidung und Auslegung brauchten also die Mamertiner das römische Volk nicht einmal mit ihrem Markt und ihrer Ausfuhr zu unterstützen. Doch welche Gemeinde war denn überhaupt hierzu verpflichtet? Wer Staatsland bebaut", dessen Leistungspflichten sind durch zensorischc Anweisungen genau bestimmt: warum hast dl1
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ACT IО Ν IS IN C . V E R R E M S E C U N D A E
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quicquam praeterea ex alio genere imperavisti? Q u i d ? decumani num quid praeter singulas decumas ex lege Hieronica debent? cur his q u o q u e statuisti q u a n t u m ex hoc genere frumenti empti darent? Q u i d immunes? hi certe nihil debent. At eis non m o d o imperasti, verum etiam, quo plus darent q u a m poterant, haec sexagena milia m o d i u m , quae Mamertinis remiseras, addidisti. Neque
hoc dico, ceteris non
recte imperatum,
sed
Mamertinis, qui erant in eadem causa, et quibus superiores omnes item ut ceteris imperarant pecuniamque ex senatus consulto et ex lege dissolverant, his dico non recte remissum.
Et ut hoc beneficium, q u e m ad m o d u m dicitur, trabali clavo figeret, cum consilio causam M a m e r t i n o r u m cognoscit et de consili sententia Mamertinis se f r u m e n t u m non imperare pronuntiat. Audite decretum mercennarii praetoris ex ipsius commentario, et cognoscite quanta in scribendo gravitas, quanta in constituendo iure sit auctoritas. Recita. COMMENTARIUS. D e consili
sententia
libenter ait se facere itaque perscribit. Q u i d , si hoc verbo non esses usus "libenter"? nos videlicet invitum te quaestum facere putaremus. Ac "de consili sententia"! Praeclarum recitari consilium, iudices, audistis; utrum vobis consilium tandem praetoris recitari videbatur, c u m audiebatis nomina, an praedonis improbissimi
societas
atque comitatus? En foederum interpretes, societatis pactores, religionis auctores! N u m q u a m in Sicilia frumen-
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diesen Leuten noch Leistungen anderer Art auferlegt? Wie? Sind denn die Zehntpflichtigen nach dem Gesetz des Hieron außer dem einfachen Zehnten noch etwas schuldig? Warum hast du auch ihnen vorgeschrieben, wieviel sie von der Gattung des Kaufgetreides liefern sollten? Wie steht es mit den Abgabefreien ? Die sind doch gewiß nichts schuldig. Ihnen hast du indes nicht nur überhaupt Leistungen auferlegt, sondern - so daß sie mehr leisten mußten, als sie vermochten ihnen noch die 60000 Maß zugeschlagen, die du den Mamertinern erlassen hattest". Ich sage nicht, du habest die anderen zu Unrecht belastet; doch den Mamertinern, die sich in demselben Falle befanden und denen alle früheren Prätoren ebenso wie den anderen Leistungen auferlegt und den Kaufpreis nach den Bestimmungen des Senatsbeschlusses und des Gesetzes gezahlt hatten,denen hast du, sage ich, zu Unrecht Erlaß gewährt. Und um diese Vergünstigung, wie man sagt, niet- und nagelfest zu machen, untersucht er die Sache der Mamertiner mit seinen Beratern und erklärt nach deren Spruch, daß er den Mamertinern keine Getreidelieferung auferlege. Vernehmt den Beschluß des für Lohn feilen Prätors aus seinem eigenen Protokoll und beachtet, welche Würde er im Ausdruck, welche Hoheit er bei der Festsetzung eines Vorrechts bekundet. Lies vor. - (Das Protokoll.) - Gerne, sagt er, verfahre er nach dem Spruch seiner Berater, und so schreibt er es auch hin. Doch wie, wenn du das Wort «gern» nicht gebraucht hättest ? Dann würden wir gewiß glauben, daß du nur ungern einen Gewinn erzieltest ? Und «nach dem Spruch der Berater»! Ihr habt gehört, wie man die Liste seiner glänzenden Berater vorlas, ihr Richter; was glaubtet ihr denn, als ihr die Namen hörtet: daß man die Berater eines Prätors nannte oder die Genossen und Begleiter des gewissenlosesten Räubers ? Das sind die Leute, die Bündnisse auslegen, Verträge abschließen und unantastbare Rechte gewährleisten! Nie wurde in Sizilien von Staats
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A C T IΟ Ν I S IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.V
t u m publice est e m p t u m quin M a m e r t i n i s p r o portione imperaretur,
antequam
hoc
delectum
praeclarumque
c o n s i l i u m iste dedit, ut ab his n u m m o s acciperet ac sui similis esset. Itaque t a n t u m valuit istius decreti auctoritas q u a n t u m debuit eius h o m i n i s qui, a q u i b u s f r u m e n t u m emere debuisset, iis decretum vendidisset. N a m statim L . Metellus ut isti successit, ex C . Sacerdotis et ex Sex. Peducaei instituto ac litteris f r u m e n t u m M a m e r t i n i s imperavit. T u m illi intellexerunt se id q u o d a m a l o auctore emissent diutius obtinere non posse.
A g e porro, tu, qui tam religiosum existimari te v o l u isti Interpretern f o e d e r u m , c u r T a u r o m e n i t a n i s f r u m e n t u m , cur Netinis imperasti? q u a r u m civitatum utraque foederata est. A c N e t i n i q u i d e m sibi non d e f u e r u n t ac, simul pronuntiasti libenter te M a m e r t i n i s remittere, te a d i e r u n t et eandem s u a m causam foederis esse d o c u e runt. T u aliter decernere e a d e m in causa non potuisti; pronuntias N e t i n o s f r u m e n t u m dare non debere et ab his tarnen exigis. C e d o mihi eiusdem praetoris litteras et rerum decretarum et f r u m e n t i imperati. LITTERAE RERUM DECRETARUM. Q u i d potius in hac tanta et tam turpi inconstantia suspicari p o s s u m u s , iudices, q u a m id q u o d necesse est, aut isti a Netinis p e c u n i a m c u m posceret non d a t u m , aut id esse actum ut intellegerent M a m e r t i n i bene se a p u d istum tam multa pretia ac m u n e r a conlocasse, c u m idem alii iuris ex e a d e m causa non obtinerent?
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C. V E R R E S ,
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wegen Getreide eingekauft, ohne daß man den Mamertinern eine den Verhältnissen entsprechende Lieferung auferlegt hätte - bevor Verres diesen auserlesenen und glänzenden Rat einsetzte, um von den Mamertinern Geld zu erhalten und sich selber treu zu bleiben. Daher hatte sein Beschluß nur so lange Geltung, wie es bei jemandem angemessen war, der den Leuten seinen Beschluß verkaufte, denen er Getreide hätte abkaufen sollen. Denn sobald L. Metellus ihm im Amte gefolgt war, setzte er für die Mamertiner Getreidelieferungen fest, wie es die Verordnungen und Aufzeichnungen des C.Sacerdos und des Sex. Peducaeus 51 vorsahen. Da begriffen sie denn, daß sie das, was sie von einem schlechten Gewähren gekauft hatten, nicht länger für sich beanspruchen konnten. Doch weiter: du wolltest als gewissenhafter Erklärer von Bündnisverträgen gelten - warum befahlst du den Tauromeniern, warum den Netinern 54 , Getreide zu liefern? Beide Staaten sind mit uns verbündet. Und die Netiner ließen es nicht an sich fehlen: sobald du erklärtest, du wollest den Mamertinern gerne Erlaß gewähren, kamen sie zu dir und legten dar, daß sie in demselben Vertragsverhältnis stünden. Du konntest bei gleicher Sachlage nicht abweichend entscheiden; du versicherst, die Netiner seien nicht verpflichtet, Getreide zu leisten, und doch verlangst du von ihnen die Lieferung. Ich bitte um die Protokolle von den Beschlüssen und Getreideauflagen, die ein und derselbe Prätor ausgesprochen hat. (Die Beschlußprotokolle.)-Was können wir bei einer so auffälligen und schmählichen Widersprüchlichkeit anderes vermuten, ihr Richter, als wozu die Sache uns nötigt: entweder haben ihm die Netiner, als er Geld von ihnen verlangte, nichts gezahlt, oder es ging ihm darum, den Mamertinern zu zeigen, daß sie ihre vielen Zahlungen und Geschenke gut bei ihm angelegt hätten, da ja andere trotz gleicher Sachlage nicht dasselbe Recht erhielten.
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A C T I О Ν IS I N С . V E R R Ε Μ S E C U N D A E
LIB. V
Hic mihi etiam audebit mentionem facere Mamer- •>" cinae laudationis! in qua quam multa sint vulnera quis esc vestrum, iudices, quin intellegac? Primum enim in iudiciis qui deeem l a u d a t o r « dare non potest, honestius est ei nullum dare quam ilium quasi legitimum numerum consuetudinis non explere. Tot in Sicilia civitates sunt quibus tu per triennium praefuisti: arguunt ceterae, paucae et parvae et metu repressae silent, una laudat. Hoc quid est nisi intellegere quid habeat utilitatis vera laudatio, sed tamen ita provinciae praefuisse ut hac utilitate necessario sit carendum? Deinde, quod alio loco antea 58 dixi, quae est ista tandem laudatio, cuius laudationis legati et principes et publice tibi navem aedificatam et privatim se ipsos abs te spoliatos expilatosque esse dixerunt? Postremo quid aliud isti faciunt, cum te soli ex Sicilia laudant, nisi testimonio nobis sunt omnia te sibi esse largitum quae tu de re publica nostra detraxeris? Q u a e colonia est in Italia tarn bono iure, quod tarn imm u n e munieipium, q u o d per hosce annos tarn commoda vacatione o m n i u m rerum sit usum quam Mamertina civitas? Per triennium soli ex foedere quod debuerunt non dederunt, soli isto praetore o m n i u m rerum immunes fuerunt, soli in istius imperio ea condicione vixerunt ut populo Romano nihil darent, Verri nihil negarent.
Verum ut ad classem, quo ex loco sum digressus, revertar, aeeepisti a Mamertinis navem contra leges, remisisti contra foedera. Ita in una civitate bis improbus fuisti,
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Jetzt soll er mir noch wagen, sich auf das Lob der Mamertiner zu berufen! Wie viele wunde Stellen daran haften, wer von euch sieht das nicht ein, ihr Richter? Erstens: wenn jemand nicht einmal zehn Lobeszeugen beizubringen vermag, so ist es ehrenvoller für ihn, gar keinen beizubringen als diese gleichsam schon gesetzliche Zahl des Herkommens nicht zu erfüllen. Es gibt in Sizilien so viele Gemeinden, deren Vorgesetzter du drei Jahre lang warst: die übrigen belasten dich; ein paar unbedeutende, die Furcht zurückhält, schweigen; eine einzige lobt dich. Geht hieraus nicht hervor, daß du sehr wohl einsiehst, welchen Nutzen wahres Lob gewährt, andererseits aber die Provinz so verwaltet hast, daß dir dieser Nutzen zwangsläufig vorenthalten bleibt? Sodann, wie ich schon vorher an anderer Stelle s a g t e " : was ist das denn für ein Lob, bei dem die Abgesandten und maßgeblichen Männer erklären, man habe dir von Gemeinde wegen ein Schiff gebaut und sie selbst seien an ihrem eigenen Vermögen von dir beraubt und ausgeplündert worden? Schließlich, wenn sie als die einzigen aus Sizilien Lob für dich aufbringen, läuft das nicht darauf hinaus, daß sie uns bezeugen, du habest alles, wodurch du sie begünstigt hast, unserem Staate hinterzogen? Welche Kolonie in Italien ist so bevorrechtigt, welche Munizipalstadt so unabhängig daß sie in diesen Jahren eine so angenehme Befreiung von allen Lasten genossen hätte wie die Gemeinde der Mamertiner? Sie allein haben drei Jahre lang nicht geleistet, was sie nach dem Vertrage schuldig waren; sie allein brauchten unter der Prätur des Verres keinerlei Abgaben zu entrichten; sie allein waren in seiner Amtszeit so gestellt, daß sie dem römischen Volke nichts gaben, dem Verres nichts abschlugen. Doch um auf die Flotte, von der ich mich entfernt habe, zurückzukommen : du hast von den Mamertinern den Gesetzen zuwider ein Schiff angenommen, hast ihnen den Bündnisverträgen zuwider eines erlassen. So hast du dich bei einer Ge-
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cum et remisisti quod non oportebat, et accepisti quod non licebat. Exigere te oportuit navem quae contra praedones, non quae cum praeda navigaret, quae defenderet ne provincia spoliaretur, non quae provinciae spolia portaret. Mamertini tibi et urbem quo furta undique deportares, et navem in qua exportares praebuerunt; ill ud tibi oppidum receptaculum praedae fuit, illi homines testes custodesque furtorum, illi tibi et locum furtis et furtorum vehiculum comparaverunt. Itaque ne tum quidem cum classem avaritia ac nequitia tua perdidisti Mamertinis navem imperare ausus es; quo tempore in tanta inopia navium tantaque calamitate provinciae, etiamsi precario essent rogandi, tarnen ab iis impetraretur. Reprimebat enim tibi et imperandi vim et rogandi conatum praeclara ilia non populo Romano reddita biremis, sed praetori donata cybaea, tui nierces imperi, auxili, iuris, consuetudinis, foederis.
Habetis unius civitatis firmum auxilium amissum ac
ήο
venditum pretio: cognoscite nunc novam praedandi rationem ab hoc primum excogitatam. Sumptum omnem in classem frumento stipendio ceterisque rebus suo quaeque nauarcho civitas semper dare solebat. Is neque ut accusaretur a nautis committere audebat, et civibus suis rationes referre debebat, et in illo omni negotio non modo labore sed etiam periculo suo versabatur. Erat hoc,
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meinde zwiefach gewissenlos verhalten, indem du erließest, was du nicht durftest, und annahmst, was dir nicht erlaubt war. Du hättest ein Schiff" fordern sollen, das gegen die Räuber, nicht mit dem Raube auslief, das die Provinz vor dem Beutemachen schützte, nicht mit der Beute der Provinz von dannen fuhr. Die Mamertiner haben dir für dein Diebesgut ihre Stadt, es von überallher dorthin zu schaffen, und ein Schiff", es davonzuschaffen, zur Verfügung gestellt. Diese Stadt diente dir als Stapelplatz deiner Beute; ihre Bewohner waren die Hehler und Wächter des Raubes; sie haben dir für das Gestohlene sowohl einen Aufbewahrungsort als auch ein Fahrzeug gewährt. So hast du denn nicht einmal damals, als dir die Flotte infolge deiner Habgier und Unfähigkeit verloren ging, den Mamertinem die Lieferung eines Schiffes aufzuerlegen gewagt; dabei war zu dieser Zeit der Mangel an Schiffen und das Mißgeschick der Provinz so groß, daß sie es bewilligt hätten, auch wenn man sie nur bittweise hätte ersuchen dürfen. Denn dich hemmte ja in der Gewalt zu befehlen und beim Versuch zu bitten jenes herrliche Fahrzeug - nicht ein dem römischen Volke gelieferter Zweiruderer, sondern ein dem Prätor geschenktes Lastschiff, der Lohn für deine Art zu regieren und Hilfskräfte anzufordern und das Recht, das Herkommen und den Bündnisvertrag zu handhaben. Ihr habt hier den Fall, daß die sichere Hilfe einer ganzen Gemeinde gegen Bezahlung preisgegeben und verkauft wurde. Nehmt jetzt eine neue Art des Beutemachens zur Kenntnis, die Verres als erster ersonnen hat. Allen Aufwand für die Flotte - das Getreide, den Sold und die übrigen Dinge pflegte jede Gemeinde seit jeher dem Kommandanten des Schiffes zu übergeben. Der wagte nicht, eine Anklage durch die Schiffsmannschaft heraufzubeschwören, und mußte auch vor seinen Mitbürgern Rechenschaft ablegen; daher brachte ihm die ganze Sache nicht nur Mühe, sondern auch das Risiko.
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ut dico, factitatum semper, nec solum in Sicilia sed in omnibus provinciis, etiam in sociorum et Latinorum stipendio ac sumptu, tum cum illorum auxiliis uti solebamus: Verres post imperium constitutum primus imperavit ut ea pecunia omnis a civitatibus sibi adnumeraretur, ut is earn pecuniam tractaret quem ipse praefecisset.
Cui potest esse dubium quam ob rem et o m n i u m consuetudinem veterem primus immutaris, et tantam utilitatem per alios tractandae pecuniae neglexeris, et tantam difficultatem cum crimine, molestiam cum suspicione susceperis? Deinde alii quaestus instituuntur, ex uno genere navali videte quam multi! accipere a civitatibus pecuniam ne nautas darent, pretio certo missos face re nautas, missorum o m n e Stipendium lucrari, reliquis quod deberet non dare - haec omnia ex civitatum testim o n i i s c o g n o s c i t e . Recita. TESTIMONIA CIVITATUM.
Huncine hominem, hancine impudentiam, iudices, hanc audaciam! civitatibus pro numero militum pecuniarum summas discribere, certum pretium, sescenos nummos, nautarum missionis constituere! quos qui dederat commeatum totius aestatis abstulerat, iste, quod eius nautae nomine pro stipendio frumentoque acceperat, lucrabatur. Ita quaestus duplex unius missionis fiebat. Atque haec h o m o amentissimus in tanto praedonum impetu tantoque periculo provinciae sic palam faciebat ut et ipsi praedones scirent et tota provincia testis esset.
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So hatte man es, wie gesagt, stets gehalten, nicht nur in Sizilien, sondern in allen Provinzen, auch bei den Sold- und Unterhaltskosten für die Bundesgenossen und Latiner, als wir noch von deren Hilfstruppen Gebrauch zu machen pflegten Verres war seit der Errichtung unserer Herrschaft der erste, der die Weisung erteilte, die Gemeinden sollten den ganzen Geldbetrag an ihn auszahlen, damit der von ihm selbst ernannte Befehlshaber ihn verwalte. Wem kann zweifelhaft sein, weshalb du den allgemeinen, althergebrachten Brauch als erster abgeändert und den großen Vorteil, das Geld durch andere verwalten zu lassen, preisgegeben und ein so schwieriges Geschäft, das Anschuldigungen, und eine Last, die Verdächtigungen mit sich brachte, auf dich genommen hast ? Doch dann erschließt er sich noch andere Erwerbsquellen in dem einen Bereich des Seewesens - beachtet, wie viele! Er nahm Geld von den Gemeinden, daß sie keine Seeleute zu stellen brauchten; für einen bestimmten Preis entließ er die Seeleute; den gesamten Sold der Entlassenen behielt er ein; den anderen zahlte er nicht, was er schuldig war. Nehmt von alledem aus den Zeugnissen der Gemeinden Kenntnis. Lies vor. - (Die Zeugnisse der Gemeinden.) Was für ein Mensch, welche Schamlosigkeit, ihr Richter, welche Frechheit! Den Gemeinden der Zahl der Soldaten entsprechend Geldbeträge aufzuerlegen; einen bestimmten Preis, 600 Sesterzen, fur die Entlassung der Seeleute festzusetzen! Wer die gezahlt hatte, bekam Urlaub für den ganzen Sommer; Verres aber bereicherte sich auch noch an dem Betrag, den er für den Sold und das Getreide des betreffenden Seesoldaten erhalten hatte. So erzielte er durch eine Entlassung doppelten Gewinn. Und dies tat der wahnwitzige Mensch trotz der schweren Überfälle der Räuber und trotz der gefahrvollen Lage der Provinz so offen, daß selbst die Räuber es wußten und die ganze Provinz Zeuge davon war.
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C u m propter istius hanc avaritiam nomine classis esset in Sicilia, re quidem vera naves inanes, quae praedam praetori non quae praedonibus metum adferrent, tamen, cum P. Caesetius et P. Tadius decern navibus suis semiplenis navigarent, navem quandam piratarum praeda refertam non ceperunt, sed abduxerunt onere suo plane captam atque depressam. Erat ea navis plena iuventutis formosissimae, plena argenti facti atque signati, multa cum stragula veste. Haec una navis a classe nostra non capta est, sed inventa ad Megaridem, qui locus est non longe a Syracusis. Q u o d ubi isti nuntiatum est, tametsi in acta cum mulierculis iacebat ebrius, erexit se tamen et statim quaestori legatoque suo custodes misit compluris, ut omnia sibi integra quam primum exhiberentur.
Adpellitur navis Syracusas; exspectatur ab omnibus
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supplicium. Iste quasi praeda sibi advecta, non praedonibus captis, si qui senes ac deformes erant, eos in hostium numero ducit; qui aliquid formae aetatis artificique habebant, abducit omnis, non nullos scribis filio cohortique distribuit, symphoniacos homines sex cuidam amico suo Romam muneri misit. N o x ilia tota in exinaniunda
nave consumitur.
Archipiratam
ipsum
videt
nemo, de quo supplicium sumi oportuit. Hodie omnes sic habent - quid eius sit vos coniectura adsequi debetis - istum clam a piratis ob hunc archipiratam pecuniam accepisse. "Coniectura est." Iudex esse bonus nemo potest qui suspicione certa non movetur. H o m i n e m nostis, consue-
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So gab es wegen der Habgier des Verrcs in Sizilien nur dem Namen nach eine Flotte, in Wahrheit aber unbemannte Schiffe, die dem Prätor Raub, nicht den Räubern Furcht brachten; gleichwohl gelang es dem P.Caesetius und P.Tadius 5 *, als sie mit ihren zehn halbbemannten Schiffen ausliefen, ein mit Beute beladenes Seeräuberschiff wenn nicht aufzubringen, so doch wegzufuhren, da es sich durch seine eigene Last gänzlich festgefahren hatte und auf Grund gelaufen war. Dieses Schiff enthielt in Fülle die schönsten jungen Leute 5 ', in Fülle verarbeitetes und gemünztes Silber sowie eine Vielzahl von Teppichen. Unsere Flotte hat dies eine Schiff nicht erobert, sondern beim Megarischen gefunden, in einer Gegend, die nicht weit von Syrakus entfernt ist 60 . Als man dem Verres hiervon Meldung machte, lag er betrunken mit seinen Frauenzimmern am Strande; trotzdem raffte er sich auf und schickte sofort mehrere Bewacher zu seinem Quästor und seinem Legaten, damit ihm alles so bald wie möglich unversehrt ausgeliefert würde. Das Schiff landet in Syrakus; man erwartet allgemein die Hinrichtung. Doch Verres tat, als habe man ihm Beute zugeführt, nicht Räuber überantwortet: er behandelt diejenigen, die alt und häßlich waren, als Feinde; die Schönheit und Jugend besaßen oder ein Handwerk verstanden, die läßt er sämtlich fortschaffen; einige verteilte er an seine Schreiber, seinen Sohn und sein Gefolge; sechs Musiker sandte er einem seiner Freunde als Geschenk nach Rom. Man verbringt die ganze Nacht mit der Entladung des Schiffes. Den Räuberhauptmann selbst, den man hätte hinrichten müssen, bekommt niemand zu sehen. Jetzt ist jedermann überzeugt (was daran ist, müßt ihr mutmaßen), daß Verres von den Seeräubern für diesen Hauptmann insgeheim Geld erhalten hat. «Das ist eine Mutmaßung.» Niemand kann ein guter Richter sein, der sich nicht auch durch einen begründeten Ver-
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tot scelerum suscipiendorum causa? Nulla, iudices, praeter praedandi novam singularemque rationem. N a m ut illi quos a poetis accepimus, qui sinus quosdam obsedisse maritimos aut aliqua promunturia aut praerupta saxa tenuisse dicuntur, ut eos qui essent adpulsi navigiis interficere possent, sic iste in o m n i a maria infestus ex o m nibus Siciliae partibus i m m i n e b a t . Q u a e c u m q u e navis ex Asia, quae ex Syria, quae Tyro, quae Alexandria venerat, statim certis indicibus et custodibus tenebatur; vectores o m n e s in lautumias coniciebantur, onera atque merces in praetoriam d o m u m deferebantur. Versabatur in Sicilia longo intervallo alter non Dionysius ille nec Phalaris tulit enim ilia q u o n d a m insula multos et crudelis tyrannos -
sed q u o d d a m n o v u m m o n s t r u m ex vetere ilia
i m m a n i t a t e quae in isdem locis versata esse dicitur. N o n e n i m C h a r y b d i m tam infestam neque Scyllam
4"
nautis
quam istum in eodem freto fuisse arbitror; hoc etiam iste infestior, q u o d multo se pluribus et immanioribus canibus succinxerat, Cyclops alter multo importunior; hie enim totam insulam obsidebat, ille A e t n a m solam et earn Siciliae partem tenuisse dicitur.
At quae causa tum subiciebatur ab ipso, iudices, huius tam nefariae crudelitatis? E a d e m quae n u n c in defensione c o m m e m o r a b i t u r . Q u i c u m q u e accesserant ad Siciliam paulo pleniores, eos Sertorianos milites esse atque a Dianio fuge re dicebat. Illi ad deprecandum periculum proferebant alii purpuram Tyriam, tus alii atque odores
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Doch wie erklärt sich seine Begierde, Grausamkeiten zu begehen; was war der Grund für die Ausführung so vieler Verbrechen ? Nur der, ihr Richter, daß er auf eine neue und beispiellose Art Beute machen wollte. Denn wie jene, von denen die Dichter berichten, die, wie es heißt, irgendwelche Meeresbuchten besetzt hielten oder auf Vorgebirgen oder steilen Felsen lauerten, um jeden, der mit seinem Schiffe landete, ermorden zu können" 1 , so bedrohte auch Verres an allen Küsten Siziliens feindselig sämtliche Meere. Jedes Schiff, das aus Asien, aus Syrien, aus Tyros, aus Alexandrien eintraf, wurde sofort von eigens hierfür bestimmten Kundschaftern und Aufsehern beschlagnahmt. Man warf die gesamte Besatzung in die Steinbrüche, man brachte Ladung und Waren in den Palast des Prätors. So schaltete er nach langer Zwischenzeit in Sizilien nicht als ein zweiter Dionysios oder Phalaris 1 " (einst hat ja diese Insel viele grausame Tyrannen hervorgebracht), sondern als ein neues Ungeheuer von der Art der Scheusale, die früher an denselben Orten gehaust haben sollen. Denn ich glaube, daß an eben dieser Meerenge weder Charybdis noch Skylla so schlimm gegen die Seeleute gewütet haben wie er - ja, er wütete um so ärger, als die Hunde zahlreicher und furchtbarer waren, mit denen er sich umgeben hatte; er war ein zweiter, noch viel ungeschlachterer Zyklop; denn er hatte die ganze Insel in seiner Gewalt, während der Zyklop nur den Ätna und die angrenzenden Teile Siziliens beherrscht haben soll 1 ". Doch welchen Grund machte er damals für diese abscheuliche Grausamkeit geltend, ihr Richter? Denselben, den man jetzt bei der Verteidigung vorzubringen gedenkt: von allen Kauffahrern, die mit einer etwas reichlicheren Ladung in Sizilien landeten, behauptete er, sie seien Soldaten des Sertorius und Flüchtlinge aus Dianium" 4 . Die aber wiesen ihm, um die Gefahr abzuwenden, teils tyrischen Purpur vor, teils Weihrauch und Wohlgerüche und Leinenstoffc, teils Edelsteine und
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ACT IΟ Ν IS IN C . V E R R E M S E C U N D A E
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vestemque linteam, gem mas alii et margaritas, vina n o n nulli Graeca venalisque Asiaticos, ut intellegeretur ex mercibus quibus ex locis navigarent. N o n providerant eas ipsas sibi causas esse periculi, quibus argumentis se ad salutem uci arbitrabantur.
Iste enim haec eos ex pi-
ratarum sociecace adeptos esse dicebat; ipsos in lautumias abduci imperabat, navis e o r u m atque onera diligenter adservanda curabat. His institutis c u m completus iam m e r c a t o r u m carcer
'47
esset, tum ilia fiebant quae L. Suettium, equitem R o m a n u m , lectissimum virum, dicere audistis, et quae ceteros audietis. Cervices in carcere frangebantur indignissime civium R o m a n o r u m , ut iam ilia vox et imploratio, "Civis R o m a n u s s u m " , quae saepe multis in ultimis terris o p e m inter barbaros et salutem tulit, ea m o r t e m illis acerbiorem et supplicium maturius ferret. Q u i d est, Verres? quid ad haec cogitas respondere? n u m mentiri me, n u m
fingere
aliquid, n u m augere crimen? n u m quid h o r u m dicere istis defensoribus tuis audes? C e d o mihi, quaeso, ex ipsius sinu litteras Syracusanorum, quas ipse ad arbitrium suum confectas esse arbitratur, cedo rationem carceris, quae diligentissime conficitur, q u o quisque die datus in custodiam, q u o mortuus, q u o necatus sit.
LITTERAE
SYRACUSANORUM.
Videtis civis R o m a n o s gregatim coniectos in lautu-
"48
mias, videtis indignissimo in loco coacervatam multitudinem vestrorum civium. Q u a e r i t e n u n c vestigia quibus exitus e o r u m ex illo loco compareant. Nulla sunt. O m nesne mortui? Si ita posset defendere, tamen fides huic
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Perlen, mitunter auch griechische Weine und asiatische Sklaven : man sollte an den Waren erkennen, aus welchen Gegenden sie kamen. Sie hatten nicht vorausgesehen, daß gerade die Dinge ihnen Gefahr bringen würden, die sie als Beweise für ihre Rettung verwenden wollten. Denn Verres erklärte, dazu seien sie nur durch ihre Kumpanei mit den Seeräubern gekommen; er gab Befehl, die Leute selbst in die Steinbrüche abzuführen, und ließ ihre Schiffe und Ladungen sorgfältig bewachen. Als sich das Gefängnis durch dieses Vorgehen schon ganz mit Kaufleuten gefüllt hatte, da geschah das, was ihr den römischen Ritter L. Suettius, einen ausgezeichneten Mann, habt aussagen hören und worüber ihr noch von den anderen hören werdet. A u f die empörendste Weise wurde römischen Bürgern im Kerker das Genick gebrochen, so daß der flehende R u f «Ich bin römischer Bürger», der schon o f t vielen Leuten in den entlegensten Ländern unter Barbaren Hilfe und Rettung gebracht hat, ihnen nur einen grausameren T o d und eine eiligere Hinrichtung zuzog. Wie steht es, Verres? Was willst du hieraufantworten ? Daß ich lüge, daß ich mir etwas ausdenke, daß ich deine Verbrechen aufbausche? Wagst du so etwas auch nur vor deinen Verteidigern zu beteuern ? Lies mir bitte die Verzeichnisse der Syrakusaner vor, die aus seiner eigenen Tasche stammen, von denen er glaubt, sie seien nach seinem Gutdünken abgefaßt; lies das Gefängnisbuch vor, das mit der größten Sorgfalt geführt ist: an welchem T a g e ein jeder in die Haft eingeliefert wurde, an welchem er gestorben ist, an welchem man ihn hingerichtet hat. - (Die Verzeichnisse der Syrakusaner.) Ihr seht: man hat scharenweise römische Bürger in die Steinbrüche geworfen; ihr seht: man hat an dem unwürdigsten Ort eine Vielzahl eurer Mitbürger zusammengepfercht. Sucht jetzt die Spuren, die ihre R e t t u n g aus diesem Ort erkennen lassen. Es gibt keine. Sind alle die Leute gestorben? Selbst wenn er sich so rechtfertigen könnte, würde man seiner
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ACTIONIS
IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.V
defensioni non haberetur. Sed scriptum exscat in isdem litteris quod iste homo barbarus ac dissolutus neque attendere
umquam
neque
intellegere
potuit:
έδικαι ώθησαν, inquit, hoc est, ut Siculi loquuntur, supplicio adfecti ac necati sunt. Si qui rex, si qua civitas exterarum gentium, si qua
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natio fecisset aliquid in civis Romanos eius modi, nonne publice vindicaremus, nonne bello persequeremur? possemus banc iniuriam ignominiamque nominis Romani inultam impunitamque dimittere? Q u o t bella maiores nostros et quanta suscepisse arbitramini, quod cives Romani iniuria adfecti, quod navicularii retenti, quod mercatores spoliati dicerentur? At ego iam retentos non queror, spoliatos ferendum puto; navibus, mancipiis, mercibus ademptis in vinda mercatores esse coniectos et in vinclis civis Romanos necatos esse arguo. Si haec apud
1
5°
Scythas dicerem, non hie in tanta multitudine civium Romanorum, non apud senatores, lectissimos civitatis, non in foro populi Romani de tot et tarn acerbis suppliciis civium Romanorum, barorum
hominum
tarnen animos etiam
permoverem;
tanta
enim
barhuius
imperi amplitudo, tanta nominis Romani dignitas est apud omnis nationes ut ista in nostros homines crudelitas nemini concessa esse videatur.
Nunc tibi ego ullam salutem, ullum perfugium putem, cum te implicatum severitate iudicum, circumretitum frequentia populi Romani esse videam? Si mehercule, id
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5.
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Rechtfertigung keinen Glauben schenken. Doch in eben diesen Verzeichnissen steht etwas geschrieben, was der ungebildete und fahrlässige Mensch nie zu beachten noch zu begreifen vermochte: «Sic wurden g e r i c h t e t » " 5 , heißt es, und das bedeutet in der Sprache der Sizilier: sie sind bestraft und getötet worden. Wenn ein König, wenn ein auswärtiger Staat, wenn irgendein Volk römischen Bürgern so etwas angetan hätte, würden wir nicht von Staats wegen Vergeltung üben, nicht durch einen Krieg dagegen einschreiten ? Könnten w i r diese Kränkung und Beschimpfung des römischen Namens ungerächt und unbestraft hingehen lassen? W i e viele und wie schwere Kriege, meint ihr, haben unsere Vorfahren auf sich genommen, weil es hieß, daß römische Bürger ungebührlich behandelt, daß FrachtschifTer zurückgehalten, daß Kaufleutc beraubt worden seien ? Doch ich beschwere mich schon gar nicht mehr, daß man Leute zurückgehalten hat; ihre Beraubung kommt mir erträglich v o r ; doch daß man Kaufleute nach Wegnahme der Schiffe, Sklaven und Waren ins Gefängnis geworfen und römische Bürger im Gefängnis hingerichtet hat, darüber führe ich Klage. Wenn ich zu S k y t h e n 1 , 4 spräche und nicht hier, auf dem Forum des römischen Volkes, wenn ich vor ihnen und nicht vor einer so großen Menge römischer Bürger oder vor Senatoren, den ersten Männern im Staate, von so vielen und so furchtbaren Hinrichtungen römischer Bürger redete: ich würde gleichwohl auch die Herzen der Barbaren erschüttern. Denn so groß ist bei allen Völkern das Ansehen unserer Herrschaft, so groß die Achtung vor unserem Namen, daß niemand eine solche Grausamkeit an unseren Landsleuten für erlaubt halten würde. Soll ich jetzt noch glauben, daß irgendeine R e t t u n g , eine Ausflucht für dich offensteht, da ich sehe, wie dich die Strenge der Richter knebelt, dich die zahlreiche Versammlung des
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ACTIONIS
IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.V
q u o d fieri non posse intellego, ex his te laqueis exueris ac ce aliqua via ac ratione explicaris, in illas tibi maiores plagas incidendum esc in q u i b u s ce ab e o d e m me superiore ex loco confici ec concidi necesse est.
C u i si etiam id q u o d defendit velim concedere, tarnen ipsa ilia falsa defensio non minus esse ei perniciosa q u a m mea vera accusatio debeat. Q u i d enim defendit? Ex Hispania fugientis se excepisse et supplicio adfecisse dicic. Q u i s cibi id permisic? q u o iure fecisti? quis idem fecic? qui cibi id facere licuic? F o r u m p l e n u m ec basilicas
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istorum h o m i n u m videmus, et a n i m o a e q u o videmus; civilis enim dissensionis et seu amentiae seu fati seu calamitatis non est iste molestus exitus, in q u o reliquos saltern civis incolumis licet conservarc. Verres, ille vetus proditor consulis, translator quaesturae, aversor pecuniae publicae, tantum sibi auctoritatis in re publica suscepit ut, quibus h o m i n i b u s per s e n a t u m , per p o p u l u m R o m a n u m , per o m n i s magistratus, in foro, in suffragiis, in hac urbe, in re publica versari liceret, iis o m n i b u s m o r t e m acerbam crudelemque proponeret si fortuna eos ad aliq u a m partem Siciliae detulisset.
A d C n . P o m p e i u m , clarissimum virum et fortissimum, permulti occiso Perperna ex illo Sertoriano
!
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numero
militum c o n f u g e r u n t . Q u e m non ille s u m m o c u m studio salvum i n c o l u m e m q u e servavit? cui civi supplicanti non ilia dextera invicta fidem porrexit et s p e m salutis osten-
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römischen Volkes in einem Netz gefangen hält? Wahrhaftig, wenn du dich (was ich jedoch für unmöglich erachte) aus diesen Schlingen herauswinden und auf irgendeine Art und Weise befreien solltest, dann gerätst du zwangsläufig in die stärkeren Netze, in denen du - abermals durch mich - an erhabenerer Stätte vertilgt und vernichtet wirst" 7 . Selbst wenn ich ihm abnehmen wollte, was er einwendet, so müßte doch sein unwahrer Einwand nicht minder verderblich für ihn sein als meine wahre Anschuldigung. Denn was wendet er ein ? Er habe, sagt er, Flüchtlinge aus Spanien aufgefangen und hingerichtet. Wer hat dir das erlaubt? Mit welchem Recht hast du das getan? Wer hat ebenso gehandelt? Wie durftest du so handeln? Das Forum und die Markthallen, sehen wir, sind voll von solchen Leuten, und wir sehen das mit Gleichmut. Denn bei bürgerlicher Zwietracht, sie sei durch Wahnwitz oder Schicksalswalten oder einen unglücklichen Zufall verursacht, erregt der Ausgang keinen Unwillen, der es gestattet, wenigstens die übriggebliebenen Mitbürger unversehrt zu erhalten. Verres hatte einst seinen Konsul verraten, als Quästor die Partei gewechselt, öffentliche Gelder unterschlagen 11 ', und er maßte sich so viel Geltung in unserem Staate an, daß er über Leute, denen der Senat, denen das römische Volk, denen sämtliche Beamte gestatteten, sich auf dem Forum, bei den Wahlversammlungen, in dieser Stadt, in unserem Gemeinwesen aufzuhalten, daß er über sie alle einen bitteren und grausamen Tod verhängte, wenn das Schicksal sie nach irgendeinem Ort in Sizilien verschlagen hatte. Nach der Hinrichtung des Perperna 1 " nahmen sehr viele Soldaten aus dem Heere des Sertorius ihre Zuflucht bei dem ebenso berühmten wie tüchtigen Cn.Pompeius. Wen hat der nicht mit größter Bereitschaft heil und unversehrt erhalten? Welchem fußfälligen Bürger hat seine unbesiegte Rechte nicht Schutz verheißen und Hoffnung auf Sicherheit angeboten ?
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ACTIONIS
IN С. V E R R E M
SECUNDAE
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dit? Itane vero? quibus fuit portus apud eum quern contra arma tulerant, lis apud ce, cuius nullum in re publica momentum umquam fuit, mors et cruciatus erat constitutus? Vide quam commodam defensionem excogitaris! Malo mehercule id quod tu defendis his iudicibus populoque Romano quam id quod ego insimulo probari, malo, inquam, te isti generi h o m i n u m quam mercatoribus et naviculariis inimicum atque infestum putari; meum enim crimen avaritiae te nimiae coarguit, tua defensio furoris cuiusdam et immanitatis et inauditae crudelitatis et paene novae proscriptionis. Sed non licet me isto tanto bono, iudices, uti, non
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licet. Adsunt enim Puteoli toti; frequentissimi venerum ad hoc iudicium mercatores, homines locupletes atque honesti, qui partim socios suos, partim libertos, partim conlibertos spoliatos in vincla coniectos, partim in vinclis necatos, partim securi percussos esse dicunt. Hie vide quam me sis usurus aequo. C u m ego P. Granium testem produxero qui suos libertos abs te securi percussos esse dicat, qui abs te navem suam mercesque repetat, refellito, si poteris; meum testem deseram, tibi favebo, te, inquam, adiuvabo; ostendito illos cum Sertorio fuisse, ab Dianio fugientis ad Siciliam esse delatos. Nihil est quod te mallem probare; nullum enim facinus quod maiore supplicio dignum sit reperiri neque proferri potest.
Reducam iterum equitem R o m a n u m , L. Flavium, si
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voles, quoniam priore actione - ut patroni tui dictitant, nova quadam sapientia, ut omnes intellegunt, conscien-
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C. VERRES,
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BUCH
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Steht es so? Sie fanden einen Hafen bei dem, gegen den sie zu Felde gezogen waren, und über sie hast du, der noch nie etwas galt in unserem Staate, einen qualvollen T o d verhängt? Sieh, welch passenden Einwand du dir ausgedacht hast! Wahrhaftig, mir wäre lieber, dein Einwand erschiene den Richtern und dem römischen Volke glaubhaft, und nicht meine Anschuldig u n g ; es wäre mir lieber, sage ich, man hielte dich für einen Feind und Widersacher dieser Leute, und nicht der Kauffahrer und Frachtschiffer. Denn mein Vorwurf bezichtigt dich nur allzu großer Habgier, dein Einwand hingegen bezichtigt dich wahnwitziger Brutalität und unerhörter Grausamkeit und beinahe einer neuen Ä c h t u n g 1 " . Indes, ich darf mich auf diesen so vorteilhaften Gesichtspunkt nicht berufen, ihr Richter, ich darf es nicht. Ganz Puteoli 1 2 1 ist anwesend; in großer Zahl haben sich die Kaufleute zu dieser Verhandlung eingefunden, vermögende und geachtete M ä n n e r ; sie erklären, daß Verres teils ihre Geschäftspartner, teils ihre Freigelassenen, teils ihre Mitfreigelassenen ausgeplündert und ins Gefängnis geworfen und teils im Gefängnis getötet, teils mit dem Beile hingerichtet habe. Sieh jetzt, wie unvoreingenommen ich mit dir verfahren will. Wenn ich den Z e u g e n P.Granius vorführe, der da behauptet, du habest seine Freigelassenen mit dem Beile hingerichtet, der von dir sein Schiff und seine Waren zurückfordert, dann widerlege ihn, wenn du kannst: ich will meinen Zeugen fallen lassen, will dich begünstigen, dich, sage ich, unterstützen; zeige, die Leute hätten zu Sertorius gehalten, sie seien auf der Flucht von Dianium nach Sizilien verschlagen worden. Nichts sähe ich lieber von dir bewiesen; denn keine Missetat läßt sich erdenken und vorbringen, die eine härtere Strafe verdiente. Ich werde, wenn du willst, den römischen Ritter L.Flavius noch einmal vorführen; denn du hast ja in der ersten Verhandlung - wie deine Anwälte behaupten, vermöge einer
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А С ΤIО Ν I S IN C.VERREM SECUNDAE LIB.V
tia tua acque auctoritate m e o r u m testium - testem nullum interrogasti. Interrogetur Flavius, si voles, q u i n a m fuerit T. Herennius, is quem ille argentariam Lepti fecisse dicit; qui cum amplius centum civis Romanos haberet ex conventu Syracusano qui eum non solum cognoscerent sed etiam lacrimantes ac te implorantes defenderent, tamen inspectantibus omnibus Syracusanis securi percussus est. H u n c q u o q u e testem meum refelli et ilium H e r e n n i u m Sertorianum fuisse abs te demonstrari et probari volo.
Q u i d de ilia multitudine dicemus e o r u m qui capitibus involutis in piratarum captivorum n u m e r o producebantur, ut securi ferirentur? Q u a e ista nova diligentia, quam ob causam abs te excogitata? an te I.. Flavi ceterorumque de T. Herennio vociferatio commovebat? an M. Anni, gravissimi atque honestissimi viri, summa auctoritas paulo diligentiorem timidioremque fecerat? qui nuper pro testimonio non advenam nescio quem nec alienum, sed eum civem R o m a n u m qui omnibus in illo conventu notus, qui Syracusis natus esset, abs te securi percussum esse dixit. Post hanc illorum vociferationem, post hanc '57 c o m m u n e m famam atque querimoniam non mitior in supplicio, sed diligentior esse coepit; capitibus involutis civis Romanos ad п е с е т producere instituit; quos tamen idcirco necabat palam quod homines in conventu, id q u o d antea dixi, n i m i u m diligenter praedonum num e r u m requirebant. Haecine plebi Romanae te praetore est constituta condicio, haec negoti gerendi spes, hoc capitis vitaeque
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C.VERRES.
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neuen Art von Weisheit, wie indes jedermann durchschaut, wegen deines schlechten Gewissens und der Glaubwürdigkeit meiner Zeugen - an keinen einzigen Zeugen eine Frage gerichtet. Man frage, wenn du willst, den Flavius, was für ein Mann der T . Herennius gewesen sei, von dem Flavius behauptet, er habe in L e p t i s e i n Wechselgeschäft betrieben. Der hatte über hundert römische Bürger aus dem Bezirk von Syrakus beigebracht, die ihn nicht nur kannten, sondern auch für ihn eintraten, indem sie dich unter Tränen anflehten, und doch wurde er vor den Augen aller Syrakusaner mit dem Beile hingerichtet. Auch bei Flavius, ebenfalls einem Zeugen von mir, wünsche ich, daß du ihn widerlegst und glaubhaft dartust, jener Herennius sei Sertorianer gewesen. Was sollen wir von der Vielzahl derer sagen, deren Haupt man verhüllte, um sie als gefangene Seeräuber abzuführen und mit dem Beile hinzurichten ? Was ist das für ein neuartiges Verfahren, zu welchem Zweck hast du es ersonnen? Haben dich etwa die lauten Klagen beeindruckt, die L. Flavius und die anderen wegen des T . Herennius erhoben ? Oder hatte dich das hohe Ansehen des M. Annius, eines überaus einflußreichen und vornehmen Mannes, ein wenig vorsichtiger und ängstlicher gemacht ? Der hat neulich als Zeuge ausgesagt, du habest nicht irgendeinen Ankömmling aus der Fremde, sondern einen römischen Bürger, der jedem im Bezirk bekannt, der in Syrakus geboren war, mit dem Beile hingerichtet. Auf die Klage dieser Männer, auf das allgemeine Raunen und Jammern hin begann er, im Strafen nicht milder, sondern vorsichtiger zu sein: er gebot, die römischen Bürger mit verhülltem Haupt zum Tode zu führen. Er ließ sie aber deshalb öffentlich hinrichten, weil die Leute im Bezirk, wie ich schon sagte allzu genau nach der Zahl der Räuber forschten. Das ist also die Lage, in die deine Prätur den gemeinen Mann aus Rom versetzte, das die Aussicht, die sich mit ge-
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discrimen? Parumne multa mercatoribus sunt necessario pericula subeunda fortunae, nisi ctiam hae formidines ab nostris magiscratibus atque in nostris provinciis impendebunt? Ad eamne rem fuit haec suburbana ac Fidelis provincia, plena optimorum sociorum honestissimorumque civium, quae civis Romanos omnis suis ipsa sedibus libentissime semper accepit, ut, qui usque ex ultima Syria atque Aegypto navigarent, qui apud barbaros propter togae nomen in honore aliquo fuissent, qui ex praedonum insidiis, qui ex tempestatum periculis profugissent, in Sicilia securi ferirentur, cum se iam domum venisse arbitrarentur?
Nam quid ego de P. Gavio, Consano municipe, dicam,
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iudices, aut qua vi vocis, qua gravitate verborum, quo dolore animi dicam? tametsi dolor me non deficit; ut cetera mihi in dicendo digna re, digna dolore meo suppetant magis laborandum est. Q u o d crimen eius modi est ut, cum primum ad me delatum est, usurum me illo non putarem; tametsi enim verissimum esse intellegebam, tamen credibile fore non arbitrabar. Coactus lacrimis omnium civium Romanorum qui in Sicilia negotiantur, adductus Valentinorum, hominum
honestissimorum,
omniumque Reginorum testimoniis multorumque equitum Romanorum qui casu tum Messanae fuerunt, dedi tantum priore actione testium res ut nemini dubia esse possit. Quid nunc agam? C u m iam tot boras de uno
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schäftlichen Unternehmungen verband, das die Gefahr, die du über Leib und Leben der Bürger verhängtest? Reichen die Tücken und Wechselfälle nicht aus, die die Kaufleute notgedrungen auf sich nehmen; müssen ihnen von Seiten unserer Beamten und in unseren Provinzen noch diese Schrecknisse drohen ? Die nahe gelegene und treue Provinz war reich bevölkert mit den besten Bundesgenossen und den angesehensten Bürgern; sie hatte stets mit der größten Bereitschaft alle Römer an ihren Wohnplätzen aufgenommen - und wozu? Sollte, wer aus dem fernsten Syrien und Ägypten kommend anlegte, wer bei den Barbaren wegen des Namens der T o g a in einigem Ansehen gestanden hatte, wer den Nachstellungen der Räuber, wer den Gefahren der Stürme entronnen war, in Sizilien mit dem Beile hingerichtet werden, wo er sich schon in die Heimat zurückgekehrt wähnte? Was soll ich erst über P.Gavius, einen Bürger der Stadt C o n s a 1 1 4 , sagen oder mit welcher Stimmgewalt,
welcher
Wucht der Worte, welchem Schmerz der Seele von ihm sprechen ? Indes, an schmerzlicher Betroffenheit fehlt es mir nicht; daß mein Vortrag auch das übrige einschließt, wie es der Sache, wie es meinem Schmerz entspricht, darum muß ich mich eher bemühen. Dieser Anklagepunkt ist so geartet, daß ich, als ich Nachricht davon erhielt, zunächst meinte, ihn nicht verwenden zu können. Denn ich überzeugte mich zwar, daß er ganz und gar auf Wahrheit beruhte, dachte jedoch, er werde keinerlei Glauben finden. Allein gedrängt von den T r ä nen aller römischer Bürger, die in Sizilien Handel treiben, bestimmt durch die Zeugnisse der Valentiner, hochangesehener Leute, sowie aller R e g i n e r 1 , 3 und vieler römischer Ritter, die damals zufällig in Messana weilten, habe ich in der ersten Verhandlung so viele Zeugen vorgeführt, daß die Sache niemandem mehr zweifelhaft sein kann. Was soll ich jetzt tun ? Ich rede ja schon etliche Stunden über einen einzigen Anklage-
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genere ac de istius nefaria crudelitate d i c a m , cum prope o m n e m vim verborum eius modi, quae scelere istius digna sint, aliis in rebus consumpserim, neque hoc providerim, ut varietate criminum vos attentos tenerem, q u e m ad m o d u m de tanta re dicam? Opinor, unus modus atque una ratio est; rem in medio p o n a m ; quae tantum habet ipsa gravitatis ut neque mea, quae nulla est, neque cuiusquam ad inflammandos vestros animos eloquentia requiratur. Gavius hie quem dico, C o n s a n u s , cum in illo numero
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civium R o m a n o r u m ab isto in vincla coniectus esset et nescio q u a ratione clam e lautumiis profugisset Mess a n a m q u e venisset, qui tam prope iam Italiam et moenia Reginorum, civium R o m a n o r u m , videret et ex illo metu mortis ac tenebris quasi luce libertatis et odore aliquo legum recreatus revixisset, loqui Messanae et queri coepit se civem R o m a n u m in vincla coniectum, sibi recta iter esse R o m a m , Verri se praesto advenienti f u t u r u m . N o n intellegebat miser nihil interesse utrum haec Messanae an apud istum in praetorio loqueretur; nam, ut antea vos docui, hanc sibi iste urbem delegerat q u a m adiutricem scelerum, furtorum receptricem,
haberet
flagitiorum
o m n i u m consciam. Itaque ad magistratum M a m e r t i n u m statim deducitur Gavius, eoque ipso die casu Messanam Verres venit. Res ad eum defertur, esse civem R o m a n u m qui se Syracusis in lautumiis fuisse quereretur; quem iam ingredientem in navem et Verri nimis atrociter minitan-
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punkt, über die abscheuliche Grausamkeit des Vcrres; ich habe ja fast alle Wortgewalt, wie sie seinen Freveln angemessen ist, für andere Dinge verbraucht und mich hierbei nicht bemüht, eure Aufmerksamkeit durch ein Vielerlei von Vorwürfen zu fesseln: wie soll ich dann über einen so bedeutenden Gegenstand sprechen? Ich meine, es gibt nur eine Art und Weise: ich will euch die Sache vor Augen stellen. Die hat von sich aus so viel Gewicht, daß es weder meiner Beredsamkeit die gering ist - noch der eines anderen bedarf, euch in flammende Empörung zu versetzen. Der G a v i u s , von dem ich hier spreche, aus Consa, gehörte zu den römischen Bürgern, die Verres ins Gefängnis geworfen hatte, und war, ich weiß nicht wie, heimlich aus den Steinbrüchen entflohen und nach Messana gekommen; als er nun Italien und die Mauern der Reginer, unserer römischen Mitbürger, so nahe vor sich sah und aus der Todesdrohung und Finsternis, gleichsam durch das Licht der Freiheit und den Vorgeschmack der Gesetze erquickt, zum Leben zurückgekehrt war, da hielt er in Messana mit Äußerungen und Klagen nicht zurück: man habe ihn, einen römischen Bürger, ins Gefängnis geworfen; er gehe jetzt geradeswegs nach R o m ; wenn Vcrres dort eintreffe, dann werde er zur Stelle sein. Der Unglückliche begriff nicht, daß es nichts ausmachte, ob er dergleichen in Messana oder bei Verres selbst im Prätorenpalaste äußerte. Denn wie ich euch schon erklärt habe 1 2 4 , hatte sich Verres diese Stadt zur Gehilfin bei seinen Verbrechen, zur Hehlerin seiner Diebesbeute, zur Mitwisserin aller seiner Schandtaten auserwählt. Man führt daher den Gavius sogleich vor die Behörde von Messana, und zufällig trifft am selben T a g e Verres in Messana ein. Die Sache wird ihm angezeigt: da sei ein römischer Bürger; der beschwere sich, daß er sich in den Steinbrüchen von Syrakus befunden habe; sie hätten ihn, als er schon das Schiff bestieg und sehr heftige Drohungen gegen
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tem ab se retractum esse et adservatum, ut ipse in eum statueret quod videretur. Agit hominibus gratias et eorum benivolentiam erga se diligentiamque conlaudat. Ipse inflammatus scelere et furore in forum venit; ardebant oculi, toto ex ore crudelitas eminebat. Exspectabant omnes quo tandem progressurus aut q u i d n a m acturus esset, cum repente hominem proripi atque in foro medio nudari ac deligari et virgas expediri iubet. Clamabat ille miser se civem esse R o m a n u m , municipem C o n s a n u m ; meruisse cum L. Raecio, splendidissimo equite Romano, qui Panhormi negotiaretur, ex quo haec Verres scire posset. Tum iste, se comperisse eum speculandi causa in Siciliam a ducibus fugitivorum esse missum; cuius rei neque index neque vestigium aliquod neque suspicio cuiquam esset ulla; deinde iubet undique h o m i n e m vehementissime verberari. Caedebatur virgis in medio foro Messanae civis Romanus, iudices, cum interea nullus gemitus, nulla vox alia illius miseri inter dolorem crepitumque plagarum audiebatur nisi haec, "Civis Romanus sum." Н а с se commemoratione civitatis omnia verbera depulsurum cruciat u m q u e a corpore deiecturum arbitrabatur; is non modo hoc non perfecit, ut virgarum vim deprecaretur, sed cum imploraret saepius usurparetque n o m e n civitatis, crux, crux, inquam, infelici et aerumnoso, qui n u m q u a m istam pestem viderat, comparabatur.
О nomen dulce libertatis! о ius eximium nostrae civitatis! о lex Porcia legesque Semproniae! о graviter desi-
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Verres ausstieß, zurückgeholt und in Gewahrsam gehalten, damit er selbst nach Gutdünken mit ihm verfahre. Er dankt den Leuten und lobt die freundschaftliche Gesinnung, die sie ihm erzeigt hätten, sowie ihre Umsicht. Er selbst, entflammt von Bosheit und Wut, erscheint auf dem Markt. Seine Augen glühten, seine ganze Miene kündigte Grausamkeit an. Jedermann war gespannt, wozu er sich hinreißen lassen und was er anstellen würde; da gibt er plötzlich Befehl, den Mann herbeizuzerren und mitten auf dem Markte zu entkleiden und festzubinden und die Ruten bereitzuhalten. Der Unglückliche schrie: er sei ein römischer Bürger, Einwohner der Stadt Consa; er habe gemeinsam mit L.Raecius, einem hochangesehenen römischen Ritter, gedient; der treibe in Panormos Handel und von ihm könne sich Verres über alles unterrichten lassen. Darauf Verres: er habe erfahren, daß er von den Anführern der entlaufenen Sklaven 1 2 7 als Kundschafter nach Sizilien entsandt sei - eine Behauptung, für die weder eine Anzeige noch eine Spur noch irgendein Verdacht vorlag. Dann befiehlt er, von allen Seiten mit größter Heftigkeit auf den Menschen einzuschlagen. Mit Ruten peitschte man mitten auf dem Markte von Messana einen römischen Bürger aus, ihr Richter, und dabei ward unter der Pein und dem Klatschen der Hiebe kein Seufzer, kein Laut des Unglücklichen vernommen als der: «Ich bin römischer Bürger.» Durch die Berufung auf sein Bürgerrecht glaubte er alle Schläge abwenden und jede Leibesstrafe verhindern zu können. Doch seine Bitten vermochten die Gewalt der Rutenstreiche nicht aufzuhalten, ja als er wiederholt flehte und das Bürgerrecht für sich in Anspruch nahm, da wurde das Kreuz, das Kreuz, sage ich, für den Unglücklichen und Bejammernswerten, der dieses Marterwerkzeug noch nie erblickt hatte, aufgerichtet. О süßer Name der Freiheit! О unvergleichliches Recht unserer Bürgerschaft! О du, Porzisches Gesetz und ihr, Sempro-
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derata et aliquando reddita plebi R o m a n a e tribunicia potestas! H u c i n e tandem haec o m n i a reciderunt ut civis R o m a n u s in provincia populi R o m a n i , in o p p i d o foederatorum, ab eo qui beneficio populi R o m a n i fascis et securis haberet deligatus in foro virgis caederetur? Q u i d ? c u m ignes ardentesque laminae ceterique cruciatus admovebantur, si te illius acerba imploratio et vox miserabilis non inhibebat, ne civium q u i d e m R o m a n o r u m qui t u m aderant fletu et gemitu m a x i m o commovebare? In crucem tu agere ausus es q u e m q u a m qui se civem Rom a n u m esse diceret?
N o l u i tarnen vehementer agere hoc prima actione, iudices, nolui; vidistis enim ut animi multitudinis in istum dolore et o d i o et c o m m u n i s periculi metu concitarentur. Statui egomet mihi t u m m o d u m et orationi meae et С . N u m i t o r i o , equiti R o m a n o , p r i m o homini, testi meo; et G l a b r i o n e m id q u o d sapientissime fecit facere laetatus s u m , ut repente consilium in m e d i o testimonio dimitteret. Etenim verebatur ne p o p u l u s R o m a n u s ab isto eas poenas vi repetisse videretur, q u a s veritus esset ne iste legibus ас vestro iudicio non esset persoluturus. N u n c q u o n i a m iam exploratum est o m n i b u s quo loco causa tua sit et quid de te f u t u r u m sit, sic tecum agam. G a v i u m istum, q u e m repentinum speculatorem fuisse dicis, o s t e n d a m in lautumias Syracusis a te esse coniect u m , neque id solum ex litteris o s t e n d a m
Syracusa-
n o r u m , ne possis dicere me, quia sit aliqui in litteris
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nische Gesetze! О heftig vermißte und endlich dem römischen Volke wiedergegebene Tribunengewalt I 2 > ! Dahin ist es also schließlich gekommen, daß ein römischer Bürger in einer Provinz des römischen Volkes, in einer Stadt der Verbündeten von dem, der seine Rutenbündel und Beile 1 2 ' dem römischen Volke verdankte, gebunden auf dem Markt mit Ruten ausgepeitscht wurde? Wie? Als man Feuer und glühende Platten und die übrigen Marterwerkzeuge herbeischaffte: wenn dich die schrillen Hilferufe und die Jammerstimme deines Opfers nicht zurückhielten, ließest du dich dann nicht wenigstens von den Tränen und lauten Seufzern der römischen Bürger erschüttern, die damals zugegen waren ? Du wagtest jemanden ans Kreuz zu schlagen, der da sagte, er sei römischer Bürger? Ich wollte in der ersten Verhandlung nicht besonders nachdrücklich auf diesen Punkt eingehen, ihr Richter, wirklich nicht. Ihr habt ja gesehen, wie sich die Stimmung der Menge aus Schmerz und Haß und aus Furcht vor der gemeinsamen Gefahr gegen Verres erhitzte. Ich nahm mir damals vor, mir selbst und meiner Rede Mäßigung aufzuerlegen und ebenso dem römischen Ritter C. Numitorius, einem ausgezeichneten Manne, meinem Zeugen; auch freute ich mich, daß Glabrio tat, woran er sehr weise getan hat: daß er unversehens inmitten der Zeugenaussage die Geschworenen entließ. Er fürchtete nämlich, das römische Volk möchte, aus Besorgnis, daß Verres den Gesetzen und eurem Gericht entschlüpfen werde, mit offener Gewalt dessen Bestrafung durchsetzen. Jetzt, da schon für jedermann entschieden ist, wie es mit deiner Sache steht und wie es dir ergehen wird, will ich so mit dir verfahren : ich werde beweisen, daß du den Gavius, der, wie du behauptest, plötzlich zum Kundschafter wurde, in die Steinbrüche von Syrakus geworfen hast, und ich werde das nicht nur mit den Verzeichnissen der Syrakusaner beweisen. Du sollst mir nämlich nicht einwenden, ich hätte, da in den Ver-
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Gavius, hoc fingere et eligere nomen, ut hunc ilium esse possim dicere, sed ad arbitrium cuum testis dabo qui istum ipsum Syracusis abs te in lautumias coniectum esse dicant. Producam etiam Consanos municipes illius ac necessarios, qui te nunc sero doceant, iudices non sero, ilium P. Gavium quem tu in crucem egisti civem Roman u m et municipem C o n s a n u m , non speculatorem fugitivorum fuisse.
C u m haec omnia quae polliceor cumulate tuis proximis plana fecero, t u m istuc ipsum tenebo quod abs te mihi datur; eo c o n t e n t u m esse me dicam. Q u i d enim nuper tu ipse, cum populi Romani d a m o r e atque impetu perturbatus exsiluisti, quid, inquam, elocutus es? Ilium, quod moram supplicio quaereret, ideo clamitasse se esse civem R o m a n u m , sed speculatorem fuisse. Iam mei testes veri sunt. Q u i d enim dicit aliud С . Numitorius, quid M. et P. Cottii, nobilissimi homines ex agro Tauromenitano, quid Q . Lucceius, qui argentariam Regi maximam fecit, quid ceteri? Adhuc enim testes ex eo genere a me sunt dati, n o n qui novisse Gavium, sed se vidisse dicerent, cum is, qui se civem R o m a n u m esse clamaret, in crucem ageretur. H o c tu, Verres, idem dicis, hoc tu confiteris, ilium clamitasse se civem esse R o m a n u m ; apud te nomen civitatis ne t a n t u m quidem valuisse ut dubitationem aliquam, ut crudelissimi taeterrimique supplici aliquam parvam moram saltern posset adferre. H o c teneo, hie
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zeichnisscn irgendein Gavius erwähnt sei, diesen Namen ausgewählt, um fälschlich behaupten zu können, dieser und jener sei dieselbe Person; vielmehr will ich nach deinem Belieben Zeugen beibringen, die zu bestätigen vermögen, daß du eben diesen Gavius in Syrakus in die Steinbrüche geworfen hast. Ich werde auch Leute aus Consa vorführen, seine Mitbürger und Verwandten; die werden nunmehr zwar dich zu spät, doch die Richter nicht zu spät darüber belehren, daß der P. Gavius, den du ans Kreuz geschlagen hast, ein römischer Bürger und Einwohner von Consa, kein Kundschafter der entlaufenen Sklaven gewesen ist. Wenn ich deinen Fürsprechern alles das, was ich hier ankündige, gründlich bewiesen habe, dann will ich mich genau an das halten, was du mir zugestehst; damit werde ich mich zufrieden erklären. Denn was hast du neulich selbst, als du, von dem Geschrei und Getümmel des römischen Volkes aus der Fassung gebracht, aufsprangst, was, sage ich, hast du da geäußert? Der Mann habe nur deshalb geschrieen, er sei römischer Bürger, um einen Aufschub der Hinrichtung zu erwirken; er sei indes ein Kundschafter gewesen. Also sagen meine Zeugen die Wahrheit. Denn was sonst behaupten C.Numitorius, was M. und P.Cottius, zwei hochangesehene Männer aus dem Bezirk von Tauromenion , и , was Q^Lucceius, der in Regium ein großes Wechselgeschäft betrieben hat, was die übrigen ? Bislang habe ich nämlich nur die Gruppe von Zeugen vorgeführt, die nicht behaupten, sie hätten den Gavius gekannt, sondern lediglich erklären, sie hätten gesehen, wie jemand, der rief, er sei römischer Bürger, ans Kreuz geschlagen wurde. Dasselbe sagst auch du, Verres; du gibst zu: er habe geschrieen, daß er römischer Bürger sei; bei dir habe die Berufung auf das Bürgerrecht nicht einmal so viel vermocht, daß sie einigen Zweifel verursachen, daß sie wenigstens einen kurzen Aufschub der grausamsten und scheußlichsten Hinrich-
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haereo, iudices, hoc sum contentus uno, omitto ac neglego cetera; sua confessione induatur ac iugulecur necesse est. Q u i esset ignorabas, speculatorem esse suspicabare; non quaero qua suspicione, tua te accuso oratione: civem Romanum se esse dicebat. Si tu apud Persas aut in extrema India deprensus, Verres, ad supplicium ducerere, quid aliud clamitares nisi te civem esse Romanum? et si tibi ignoto apud ignotos, apud barbaros, apud homines in extremis atque ultimis gentibus positos, nobile et inlustre apud omnis nomen civitatis tuae profuisset, ille, quisquis erat, quem tu in crucem rapiebas, qui tibi esset ignotus, cum civem se Romanum esse diceret, apud te praetorem si non effugium ne moram quidem mortis mentione atque usurpatione civitatis adsequi potuit?
Homines tenues, obscuro loco nati, navigant, adeunt ad ea loca quae n u m q u a m antea viderunt, ubi neque noti esse iis quo venerunt, neque semper c u m cognitoribus esse possunt. Нас una tarnen fiducia civitatis non modo apud nostros magistratus, qui et legum et existimationis periculo continentur, neque apud civis solum Romanos, qui et sermonis et iuris et m u l t a r u m rerum societate iuncti sunt, fore se tutos arbitrantur, sed, quocumque venerint, hanc sibi rem praesidio sperant futuram.
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C.VERRES,
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tung bewirken konnte. Hieran halte, hieran klammere ich mich, ihr Richter; hiermit allein bin ich zufrieden, ich übergehe und vernachlässige alles übrige; durch sein eigenes Geständnis soll er in die Schlinge geraten und sich den Hals brechen. Wer Gavius sei, wußtest du nicht; daß er ein Kundschafter sei, argwöhntest du; ich frage nicht, was deinen Argwohn erregt hatte; meine Anklage gründet sich nur auf deine eigenen Worte. Er sei ein römischer Bürger, sagte er. Wenn man dich bei den Persern oder im fernsten Indien ergriffe, Verres, und dich zur Hinrichtung führte, würdest du dann nicht rufen, du seiest ein römischer Bürger? Und wenn dir, dem Unbekannten bei Unbekannten, bei Barbaren, bei Leuten, die den äußersten und entlegensten Völkerschaften angehören, der überall angesehene und berühmte Name deines Staates von Nutzen gewesen wäre: konnte da nicht der Mann, den du ans Kreuz schlepptest, wer immer er war, der dir unbekannt war, da er sich für einen römischen Bürger ausgab, bei dir, dem Prätor, wenn nicht seine Rettung, so doch wenigstens einigen Aufschub seines Todes erwirken, sobald er das Bürgerrecht erwähnte und für sich in Anspruch nahm? Es sind einfache Leute ohne Namen und Ansehen, die Schifffahrt treiben; sie gelangen in Gegenden, die sie niemals zuvor besucht haben, wo sie weder den Bewohnern bekannt sein noch stets mit Zeugen für ihre Person aufwarten können. Gleichwohl vertrauen sie allein auf ihr Bürgerrecht, und sie glauben, nicht nur bei unseren Beamten, die die Furcht vor den Gesetzen und vor der öffentlichen Meinung in Schranken hält, und nicht nur bei den römischen Bürgern, mit denen sie durch die Gemeinschaft der Sprache und des Rechts und vieler anderer Dinge verbunden sind, Sicherheit zu finden; vielmehr erwarten sie, daß ihnen, wohin sie auch kommen, eben dieser Umstand Schutz gewähren werde.
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ACT IΟ Ν IS IN C.VERREM SECUNDAE LIB.V
Tolle hanc spem, tolle hoc praesidium civibus Romanis, constitue nihil esse opis in hac voce, "Civis Romanus sum", posse impune praetorem aut alium quempiam supplicium quod velic in eum constituere qui se civem Romanum esse dicat, quod qui sit ignoret: iam omnis provincias, iam omnia regna, iam omnis liberas civitates, iam o m n e m orbem terrarum, qui semper nostris hominibus maxime patuit, civibus Romanis ista defensione praecluseris. Quid? si L. Raecium, equitem R o m a n u m , qui tum erat in Sicilia, nominabat, etiamne id m a g n u m fuit, Panhormum litteras mittere? Adservasses hominem custodiis Mamertinorum tuorum, vinctum clausum habuisses, d u m Panhormo Raecius veniret; cognosceret hominem, aliquid de s u m m o supplicio remitteres; si ignoraret, tum, si ita tibi videretur, hoc iuris in omnis constitueres, ut, qui neque tibi notus esset neque cognitorem locupletem daret, quamvis civis Romanus esset, in crucem tolleretur.
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Sed quid ego plura de Gavio? quasi tu Gavio tum fueris infestus ac non nomini generi iuri civium hostis. N o n illi, inquam, homini sed causae c o m m u n i libertatis inimicus fuisti. Q u i d enim attinuit, cum Mamertini more atque instituto suo crucem fixissent post urbem in via Pompeia, te iubere in ea parte figere quae ad fretum spectaret, et hoc addere - quod negare nullo m o d o potes, quod omnibus audientibus dixisti palam - te idcirco ilium locum deligere, ut ille, quoniam se civem Roma-
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C. V E R R E S ,
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Nimm den römischen Bürgern diese Erwartung, nimm ihnen diesen Schutz; setze durch, daß der Ruf «Ich bin römischer Bürger» keine Hilfe mehr gewährt, daß ein Prätor oder sonst wer ohne Gefahr jede beliebige Strafe über den verhängen kann, der sich für einen römischen Bürger ausgibt, nur weil er ihn nicht kennt: sogleich wirst du mit diesem Grundsatz den römischen Bürgern sämtliche Provinzen, sämtliche Königreiche, sämtliche freien Staaten, den gesamten Erdkreis verschließen, der doch stets zuallererst für unsere Leute offenstand. Wie? Wenn Gavius den römischen Ritter L.Raecius namhaft machte, der sich damals in Sizilien aufhielt, war es dann schwierig, einen Brief nach Panormos zu schicken? Du hättest dir den Mann in der Haft deiner Mamertiner aufbewahrt, hättest ihn gefesselt und eingesperrt, bis Raecius aus Panormos eingetroffen wäre. Falls der den Mann erkannte, hättest du die schlimmste Strafe ein wenig gemildert; falls nicht, dann konntest du, wenn du es so für richtig hieltest, allgemein diese Regel einführen: wenn jemand dir weder bekannt sei noch einen wohlhabenden Zeugen für seine Person zu stellen vermöge, dann solle er, und sei er noch so sehr ein römischer Bürger, ans Kreuz geschlagen werden. Doch was soll ich noch länger über Gavius reden ? Als ob du damals ein Widersacher des Gavius gewesen wärest und deine Feindschaft nicht dem Namen, Stand und Recht der Bürger überhaupt gegolten hätte. Nicht gegen diesen Mann, sage ich, richtete sich dein Haß, sondern gegen die gemeinsame Sache der Freiheit. Denn als die Mamertiner nach ihrem Brauch und Herkommen das Kreuz jenseits der Stadt an der pompejischen Straße errichtet hatten: was bezwecktest du da mit dem Gebot, das Kreuz an der Seite zu errichten, die auf die Meerenge blickt, und wozu machtest du noch die Bemerkung, die du auf keine Weise abstreiten kannst, weil du sie öffentlich vor aller Ohren getan hast: du hättest diesen Platz deshalb ausgesucht,
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ACTIONIS
IN С . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.V
num esse diceret, ex cruce Italiam cernere ac d o m u m suam prospicere posset? Itaque ilia crux sola, iudices, post conditam Messanam illo in loco fixa est. Italiae conspectus ad earn rem ab isto delectus est, ut ille in dolore cruciatuque moriens perangusto fretu divisa servitutis ac libertatis iura cognosceret, Italia autem a l u m n u m s u u m servitutis extremo s u m m o q u e supplicio adfixum videret.
Facinus est vincire civem R o m a n u m , scelus verberare,
'7°
prope parricidum necare: q u i d d i c a m in crucem tollere? Verbo satis digno tarn nefaria res appellari nullo m o d o potest. N o n fuit his o m n i b u s iste contentus; "spectet", inquit, "patriam; in conspectu legum libertatisquc m o riatur." N o n tu hoc loco G a v i u m , non u n u m h o m i n e m nescio q u e m ,
sed
communem
libertatis
et
civitatis
causam in ilium cruciatum et c r u c e m egisti. Iam vero videte hominis audaciam! N o n n e e u m graviter tulisse arbitramini q u o d illam civibus R o m a n i s crucem non posset in foro, non in comitio, non in rostris defigere? Q u o d enim his locis in provincia sua celebritate simillim u m , regione p r o x i m u m potuit, elegit; m o n u m e n t u m sceleris audaciaeque suae voluit esse in conspectu Italiae, vestibulo Siciliae, praetervectione o m n i u m qui
ultro
citroque navigarent.
Si haec non ad civis R o m a n o s , non ad aliquos amicos
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nostrae civitatis, non ad eos qui populi R o m a n i nomen
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damit der Mann, der sich ja für einen römischen Bürger ausgebe, von seinem Kreuze aus Italien sehen und in seine Heimat blicken könne? So wurde denn dieses Kreuz als einziges seit der Gründung von Messana an dieser Seite aufgestellt, ihr Richter. Die Aussicht auf Italien hat Verres in folgender Absicht gewählt: der Mann sollte, während er unter Schmerzen und Martern dahinstarb, erkennen, wie die Rechte der Knechtschaft und der Freiheit nur durch eine ganz schmale Meerenge getrennt seien, Italien aber seinen Zögling erblikken, wie er in der äußersten und härtesten Strafe der Knechtschaft angeschmiedet war. Es ist eine Missetat, einen römischen Bürger zu fesseln, ein Verbrechen, ihn auszupeitschen, geradezu ein Meuchelmord, ihn zu töten: wie soll ich erst seine Kreuzigung nennen? Man kann eine solche Greueltat gar nicht mit einem wirklich angemessenen Ausdruck bezeichnen. Doch Verres war mit alledem noch nicht zufrieden: «Er soll», so sprach er, «auf sein Vaterland blicken, soll im Angesicht der Gesetze und der Freiheit den Tod erleiden.» Du hast hier nicht den Gavius, nicht einen beliebigen Einzelnen, sondern die gemeinsame Sache der Freiheit und des Bürgerrechts den Martern und dem Kreuze überantwortet. Doch beachtet auch, wie unverfroren der Bursche ist! Kommt es euch nicht so vor, als habe es ihm bitter leid getan, daß er das Kreuz für die römischen Bürger nicht auf dem Forum, nicht auf dem K o m i t i u m n i c h t vor der Rednerbühne aufstellen konnte ? Er hat ja den Platz in seiner Provinz ausgesucht, der diesen Stätten durch seine Belebtheit möglichst ähnlich, durch seine Lage möglichst nahe war. Ein Denkmal seines Frevelsinns und seiner Vermessenheit sollte, war sein Begehr, im Angesicht Italiens, am Eingang Siziliens, an der Durchfahrt für alle stehen, die von hüben und drüben vorbeisegelten. Wenn ich nicht vor römischen Bürgern, nicht vor irgendwelchen Freunden unseres Staates, nicht vor denen, die schon
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IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.V
audissent, denique si non ad homines verum ad bestias, aut etiam, ut longius progrediar, si in aliqua desertissima solitudine ad saxa et ad scopulos haec conqueri ac deplorare vellem, (amen omnia muca atque inanima canta et tam indigna rerum acerbitate commoverentur. Nunc vero cum loquar apud senatores populi Romani, legum et iudiciorum et iuris auctores, timere non debeo ne non unus iste civis R o m a n o s ilia cruce dignus, ceteri omnes simili periculo indignissimi iudicencur. Paulo ante, iudi- w·* ces, lacrimal in morte misera atque indigna nauarchorum non tenebamus, et recte ac merito sociorum innocentium miseria commovebamur: quid nunc in nostro sanguine tandem facere debemus? N a m civium Romanorum omnium sanguis coniunctus existimandus est, quoniam et salutis omnium ratio et Veritas postulat. Omnes hoc loco cives Romani, et qui adsunt et qui ubique sunt, vestram severitatem desiderant, vestram fidem implorant, vestrum auxilium requirunt; omnia sua iura commoda auxilia, totam denique libertatem in vestris sententiis versari arbitrantur.
A me tametsi satis habent, tamen, si res aliter accide-
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rit, plus habebunt fortasse quam postulant. N a m si qua vis istum de vestra severitate eripuerit, id quod neque metuo, iudices, neque ullo modo fieri posse video - sed si in hoc me ratio fefellerit, Siculi causam suam perisse querentur et mecum pariter moleste ferent, populus qui-
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den Namen des römischen Volkes gehört haben, wenn ich schließlich nicht vor Menschen, sondern vor wilden Tieren, oder auch, um noch weiterzugehen, wenn ich in einsamster Verlassenheit vor Felsen und Klippen diesen Jammer- und Weheruf anstimmen wollte, dann würden selbst alle die stummen und leblosen Dinge von der so herben und so empörenden Bitterkeit der Geschehnisse erschüttert werden. Jetzt aber rede ich vor Senatoren des römischen Volkes, vor den Garanten der Gesetze, der Gerichte und des Rechts; da brauche ich das Urteil nicht zu fürchtcn: man wird befinden, daß einzig und allein für diesen Bürger dort das Kreuz angemessen, für alle anderen aber eine ähnliche Strafe äußerst unangemessen sei. Wir konnten soeben, ihr Richter, bei dem erbärmlichen und schmachvollen Tode der SchifTskommandanten die Tränen nicht zurückhalten, und mit Fug und Recht hat uns das Elend der unschuldigen Bundesgenossen erschüttert: wie sollen wir uns jetzt bei unserem eigenen Blute verhalten? Denn wir müssen das Blut aller römischer Bürger als verwandt betrachten ; so erheischen es die Rücksicht auf das gemeine Wohl und die tatsächlichen Verhältnisse. Alle römischen Bürger, die anwesenden und die in aller Welt verstreuten, fordern zu dieser Stunde Strenge von euch, bitten um euren Schutz, erwarten euren Beistand; sie glauben, daß alle ihre Rechte, Vorteile, Befugnisse, kurz, ihre ganze Freiheit von eurem Urteil abhängt. Von mir haben sie gewiß schon genug erhalten; doch werden sie, wenn die Sache einen unvermuteten Ausgang nimmt, vielleicht mehr erhalten, als sie verlangen. Denn wenn irgendeine Macht den Verres eurer Strenge entreißen sollte (was ich nicht befürchte, ihr Richter, noch irgendwie für möglich halte) - doch wenn ich mich in meiner Erwartung getäuscht sehen sollte, dann werden die Sizilier den Verlust ihrer Sache beklagen und gemeinsam mit mir bekümmert sein, das römi-
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ACTIONIS
IN С. VE R REM
SECUNDAE
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dem Romanus brevi, quoniam mihi pocestatem apud se agendi dedit, ius suum me agente suis sufFragiis ante Kalendas Februarias recuperabit. Ac si de mea gloria atque amplitudine quaeritis, iudices, non est alienum meis rationibus istum mihi ex hoc iudicio ereptum ad iltud populi Romani iudicium reservari. Splendida est ilia causa, probabilis mihi et facilis, populo grata atque iucunda; denique si videor hie, id quod ego non quaesivi, de uno isto voluisse crescere, isto absoluto, quod sine multorum scelere fieri non potest, de multis mihi crescere licebit. Sed mehercule vestra reique publicae causa, iudices, nolo in hoc delecto consilio tantum flagiti esse commissum, nolo eos iudices quos ego probarim atque delegerim sic in hac urbe notatos isto absoluto ambulare ut non cera sed caeno obliti esse videantur.
Quam ob rem te quoque, Hortensi, si qui monendi
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locus ex hoc loco est, moneo videas etiam atque etiam et consideres quid agas, quo progrediare, quem hominem et qua ratione defendas. Neque de illo tibi quicquam praefinio quo minus ingenio mecum atque omni dicendi facultate contendas; cetera si qua putas te occultius extra iudicium quae ad iudicium pertineant facere posse, si quid artificio consilio potentia gratia, copiis istius moliri cogitas, magno opere censeo desistas, et ilia quae temptata iam et coepta sunt ab isto, a me autem pervestigata
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sehe Volk aber wird, da es mir die Befugnis verliehen hat, mit ihm zu verhandeln, in kurzem, vor dem i . F e b r u a r " * , auf mein Betreiben und durch seine Abstimmung sein Recht erhalten. Und wenn ihr nach meinem Ansehen und Einfluß fragt, ihr Richter: es liegt nicht außerhalb meiner Möglichkeiten, daß mir Verres, wenn er diesem Gericht e n t k o m m t , für das Gericht des römischen Volkes erhalten b l e i b t 1 " . Hervorragend ist diese Sache, geeignet ist sie und leicht für mich, willkommen und angenehm für das Volk. Wenn es schließlich so aussieht, als hätte ich hier durch diesen einen Mann aufsteigen wollen (worum ich mich nicht bemüht habe), so werde ich, wenn man ihn freispricht - und dies ist unmöglich, ohne daß viele ein Verbrechen begehen - Gelegenheit haben, durch viele aufzusteigen. Doch wahrhaftig, um eurer und des Staates willen, ihr Richter: ich wünsche nicht, daß diese auserlesene Geschworenenbank eine so schändliche T a t begeht; ich wünsche nicht, daß die Richter, die ich selbst gutgeheißen und ausgesucht habe, nach einem Freispruch des Verres so gebrandmarkt in unserer Stadt umherlaufen, daß es aussieht, als hätten sie sich nicht mit Wachs, sondern mit Kot b e s c h m i e r t , и . Ich warne daher auch dich, Hortensius, wenn diese Stätte der Ort ist, eine Warnung an dich zu richten: bedenke wieder und wieder und überlege dir, was du tun, wie weit d u dich vorwagen willst, was für einen Menschen und auf welche Weise du ihn verteidigst. Und ich mache dir nicht insofern Vorschriften, als sollten nicht dein Talent und alle deine Fähigkeiten im Vortrage mit mir wetteifern. Doch wenn du sonst etwas, was sich auf das Verfahren bezieht, insgeheim und außerhalb des Verfahrens tun zu können glaubst, wenn du etwas durch Kunstgriffe und Vorkehrungen, durch Macht und Ansehen oder durch die Geldmittel des Verres zu erreichen beabsichtigst, dann rate ich dir dringend, davon abzustehen, und fordere dich auf, auszutilgen und nicht weiter lim
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AC ΤΙ О Ν IS IN C.VERREM SECUNDAE LIB.V
et cognita, moneo ut exstinguas et longius progredi ne sinas. Magno tuo periculo peccabitur in hoc iudicio, maiore quam putas. Q u o d enim te liberatum iam existimationis metu, de- ·75 f u n c t u m honoribus designatum consulem cogites, mihi crede, ornamenta ista et beneficia populi Romani non minore negotio retinentur q u a m comparantur. Tulit haec civitas quoad potuit, quoad necesse fuit, regiam istam vestram dominationem in iudiciis et in omni re publica, tulit; sed q u o die populo R o m a n o tribuni plebi restituti sunt, omnia ista vobis, si forte n o n d u m intellegitis, adempta atque erepta sunt. O m n i u m n u n c oculi coniecti sunt hoc ipso tempore in u n u m q u e m q u e nostrum, qua fide ego accusem, qua religione hi iudicent, qua tu ratione defendas. D e omnibus nobis, si qui tantulum de recta regione deflexerit, non ilia tacita existimatio quam antea contemnere solebatis, sed vehemens ac liberum populi Romani iudicium consequetur. Nulla tibi, Quinte, cum '76 isto cognatio, nulla necessitudo; quibus excusationibus antea n i m i u m in aliquo iudicio Studium t u u m defendere solebas, earum habere in hoc homine nullam potes. Q u a e iste in provincia palam dictitabat, cum ea quae faciebat tua se fiducia facere dicebat, ea ne vera putentur tibi maxime est providendum.
Ego mei rationem iam offici confido esse omnibus '77 iniquissimis meis persolutam; nam istum paucis horis primae actionis o m n i u m mortalium sententiis condem-
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sich zu greifen lassen, was von Verres bereits versucht und begonnen, von mir aber ausgekundschaftet und in Erfahrung gebracht worden ist. Viel steht für dich auf dem Spiele, wenn in diesem Verfahren gefrevelt wird, mehr, als du annimmst. Wenn du nämlich meinst, du seiest der Furcht vor der öffentlichen Meinung bereits überhoben, weil du die Ämterlaufbahn beendet hast und ernannter Konsul bist, dann glaube mir, daß man diese Auszeichnungen und Gunstbeweise des römischen Volkes mit ebenso großer Mühe behaupten wie erringen muß. Geduldet hat unsere Bürgerschaft, solange sie konnte, solange es unumgänglich war, eure königliche Herrschaft in den Gerichten und im ganzen Staatswesen, geduldet; doch seit dem Tage, da das römische Volk die Tribunen zurückerhalten hat, ist alles dies euch genommen und entrissen, wenn ihr es auch vielleicht noch nicht begriffen habt. Aller Augen sind jetzt in diesem Augenblick auf einen jeden von uns gerichtet: mit welcher Pflichttreue ich anklage, mit welcher Gewissenhaftigkeit die hier urteilen, mit welchen Mitteln du die Verteidigung führst. Uns alle wird, wenn jemand nur ein wenig vom geraden Wege abweicht, nicht die stumme Meinung, die ihr bislang zu mißachten pflegtet, sondern das kräftig zupackende und freie Urteil des römischen Volkes treffen. Du bist nicht mit Verres verwandt, Quintus, nicht eng mit ihm verbunden. Von den Entschuldigungen, mit denen du früher in einem Prozeß deine allzu große Bereitschaft zu rechtfertigen pflegtest, steht dir bei diesem Manne keine zu Geb o t e 1 " . Wenn Verres in der Provinz öffentlich erklärt hat, er tue, was er tue, im Vertrauen auf dich, so mußt du dich ernstlich vorsehen, daß diese Behauptung nicht für wahr gilt. Ich habe, glaube ich, den Erfordernissen meiner Pflicht selbst in den Augen meiner ärgsten Widersacher bereits vollauf Genüge getan. Denn ich habe in den wenigen Stunden der ersten Verhandlung erreicht, daß jedermanns Stimme
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ACTIONIS
IN
C.VERREM
SECUNDAE
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navi. Reliquum iudicium iam non de mea fide, quae perspecca est, пес de istius vita, quae damnata est, sed de iudicibus et, vere ut dicam, de te futurum est. At q u o tempore futurum est? - nam id m a x i m e providendum est; etenim c u m o m n i b u s in rebus, tum in re publica permagni m o m e n t i est ratio atque inclinatio
temporum.
N e m p e eo, c u m populus R o m a n u s aliud genus h o m i n u m atque alium ordinem ad res iudicandas requirit, nempe lege de iudiciis iudicibusque novis promulgata; quam non is promulgavit q u o n o m i n e proscriptam videtis, sed hie reus - hie, i n q u a m , sua spe atque o p i n i o n e q u a m de vobis habet legem illam scribendam p r o m u l g a n d a m q u e curavit.
Itaque cum p r i m o agere coepimus, lex non erat promulgata; cum iste vestra severitate permotus multa signa dederat q u a m o b rem responsurus non videretur, m e n t i o de lege nulla fiebat; posteaquam iste recreari et confirmari visus est, lex statim promulgata est. Cui legi c u m vestra dignitas vehementer adversetur, istius spes falsa et insignis impudentia m a x i m e suffragatur. Hie si quid erit c o m m i s s u m a q u o q u a m vestrum quod reprendatur, aut populus R o m a n u s iudicabit de eo h o m i n e quem iam ante iudiciis indignum putarit, aut ei qui propter offensionem iudicorum de veteribus iudicibus lege nova novi iudices erunt constituti.
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den Verres für schuldig erklärte. In dem restlichen Verfahren geht es nicht mehr um meine Pflichttreue, die anerkannt, und nicht mehr um das Leben des Verres, das verurteilt ist, sondern um die Richter und, um die Wahrheit zu sagen, um dich selbst. Doch in was für einer Zeit geht es darum? Denn darauf muß man ja ganz besonders achten; wie bei allen Dingen, so ist zumal im öffentlichen Leben der Geist und die Stimmung der Zeiten von sehr großem Gcwicht: doch wohl in einer Zeit, da das römische Volk eine andere Art von Menschen und einen anderen Stand für die Rechtsprechung verlangt; ist doch bereits ein Gesetzesvorschlag über die Änderung der Gerichte und der Richterbestellungöffentlichangeschlagen I j 6 . Den hat nicht der veröffentlicht, unter dessen Namen ihr ihn angekündigt seht; vielmehr hat dieser Angeklagte, dieser Mann hier, sage ich, durch die Hoffnung und Erwartung, die er mit euch verbindet, bewirkt, daß der Vorschlag abgefaßt und veröffentlicht wurde. Daher war, als w i r mit der ersten Verhandlung begannen, der Vorschlag noch nicht veröffentlicht; als Verres, von eurer Strenge beeindruckt, auf mancherlei Weise zu verstehen gab, daß er sich wohl nicht weiter verantworten w ü r d e 1 " , da dachte man noch nicht an den Vorschlag. Sobald er sich aber zu erholen und neuen M u t zu fassen schien, wurde der Vorschlag unverzüglich bekanntgegeben. Gewiß ist euer Ansehen dem Gesetz sehr hinderlich; andererseits kommt ihm die unbegründete Hoffnung und beispiellose Unverschämtheit des Verres mächtig zustatten. Wenn sich jetzt jemand von euch etwas zuschulden kommen läßt, was Anstoß erregt, dann wird entweder das römische Volk über diesen Mann Gericht halten, von dem es schon vorher glaubte, daß er für die Rechtsprechung nicht tauge, oder diejenigen, die, da die Gerichte in Verruf geraten sind, nach dem neuen Gesetz als neue Richter über die alten urteilen werden.
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A C T I O N I S IN C . V E R R E M S E C U N D A E
LIB.V
M i h i porro, ut ego non d i c a m , quis o m n i u m morta-
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lium non incellegit q u a m longe progredi sit necesse? Potero silere, Hortensi, potero dissimulare, cum tantum res publica vulnus acceperit ut expilata provincia, vexati socii, di immortales spoliati, cives R o m a n i cruciati et necati i m p u n e me actore esse videantur? potero ego hoc o n u s tantum aut in hoc iudicio deponere aut tacitus sustinere? N o n agitanda res erit, non in m e d i u m proferenda, non populi R o m a n i fides imploranda, non omnes qui tanto se scelere obstrinxerunt ut aut fidem suam corr u m p i paterentur aut iudicium corrumperent in discrimen aut iudicium vocandi?
Q u a e r e t aliquis fortasse, " T a n t u m n e igitur laborem,
lRo
tantas inimicitias tot h o m i n u m suscepturus es?" N o n studio q u i d e m hercule ullo neque voluntate; sed non idem licet mihi q u o d iis qui nobili genere nati sunt, quibus o m n i a populi R o m a n i beneficia dormientibus deferuntur; longe alia mihi lege in hac civitate et condicione vivendum est. Venit mihi in m e n t e m M . Catonis, hominis sapientissimi et vigilantissimi; qui c u m se virtute non genere p o p u l o R o m a n o c o m m e n d a r i putaret, cum ipse sui generis initium ac nominis ab se gigni et propagari vellet, h o m i n u m p o t e n t i s s i m o r u m suscepit inimicitias, et m a x i m i s laboribus suis u s q u e ad s u m m a m senectutem s u m m a c u m gloria vixit. Postea Q . Pompeius, humili
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atque obscuro loco natus, nonne plurimis inimicitiis maximisque
suis
periculis
ac laboribus
amplissimos
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Und ich: wer in aller Welt sieht nicht ein, wie weit ich zu gehen gezwungen bin, auch wenn ich nicht ausdrücklich davon rede ? Kann ich schweigen, Hortensius, kann ich darüber hinwegsehen, wenn der Staat eine so schwere Wunde empfängt, wenn mein Klägeramt offenbart, daß man ungestraft eine Provinz ausgeplündert, Bundesgenossen mißhandelt, die unsterblichen Götter beraubt, römische Bürger gekreuzigt und ermordet hat ? Kann ich mich meiner schweren Last durch dieses Verfahren entledigen oder sie schweigend auf mir ruhen lassen ? M u ß ich die Sache nicht zur Verhandlung, nicht öffentlich zur Sprache bringen, nicht den Schutz des römischen Volkes anrufen, nicht alle zur Verantwortung oder vor Gericht ziehen, die ein solches Verbrechen auf sich geladen haben und sich entweder, pflichtvergessen wie sie waren, bestechen ließen oder aber das Gericht bestachen? Manch einer mag noch fragen: «Eine so große Mühe willst du also auf dich nehmen und dich mit so vielen Menschen so schwer verfeinden ?» Wahrhaftig nicht aus N e i g u n g und nicht nach eigener Wahl; allein, ich darf mir nicht dasselbe herausnehmen wie die Abkömmlinge der Adelsgeschlechter, denen alle Gunstbeweise des römischen Volkes im Schlafe zufallen; ich muß nach ganz anderen Gesetzen und Bedingungen in diesem Staate leben " * . Ich denke nn Μ . Cato, einen Mann von größter Klugheit und Wachsamkeit. Da er überzeugt war, daß er sich dem römischen Volke nur durch seine T ü c h t i g k e i t , nicht durch seine H e r k u n f t empfehlen könne, da er den Anfang seines Geschlechts und Namens begründen und von sich selbst ausgehen lassen wollte, lud er die Feindschaft mit den mächtigsten Männern auf sich und lebte in angestrengter Tätigkeit bis ins höchste· Alter ein ruhmreiches Leben. Hat nicht hernach Q J f o m p e i u s , ein Mann von niederer und dunkler Herkunft, die glänzendsten Ehrenstcllen erlangt, indem er zahlreiche Feindschaften und die größten Gefahren und An-
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ACTIONIS
IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.V
honores est adeptus? M o d o С . F i m b r i a m , С . M a r i u m , С . Caelium
vidimus
поп
mediocribus
inimicitiis
ас
laboribus c o n t e n d e r e ut ad istos honores pervenirent ad quos vos per l u d u m et per neglegentiam
pervenistis.
H a e c eadem est nostrae rationis regio et via, horum nos h o m i n u m sectam atque instituta persequimur. V i d e m u s q u a n t a sit in invidia q u a n t o q u e in odio apud q u o s d a m nobilis h o m i n e s n o v o r u m h o m i n u m virtus et industria; si t a n t u l u m oculos deiecerimus, praesto esse insidias; si ullum
locum
aperuerimus
suspicioni
aut
c r i m i n i , a c c i p i e n d u m statim vulnus esse; semper nobis vigilandum, semper l a b o r a n d u m videmus. Inimicitiae
182
sunt, subeantur; labor, suscipiatur; e t e n i m tacitae magis et occultae
inimicitiae t i m e n d a e sunt q u a m
indictae
atque apertae. H o m i n u m n o b i l i u m n o n fere quisquam nostrae industriae favet; nullis nostris ofificiis benivolentiam illorum adlicere possum us; quasi natura et genere diiuncti sint, ita dissident a nobis a n i m o ac voluntate. Q u a r e quid h a b e n t e o r u m inimicitiae periculi, q u o r u m a n i m o s iam a n t e habueris inimicos et invidos q u a m ullas inimicitias susceperis?
Q u a m o b rem m i h i , iudices, o p t a t u m illud est, in hoc
l8
3
reo finem accusandi facere, c u m et p o p u l o R o m a n o satis factum et r e c e p t u m o f f i c i u m Siculis, necessariis meis, erit persolutum; d e l i b e r a t u m autem est, si res o p i n i o n e m m e a m q u a m de vobis h a b e o fefellerit, n o n m o d o eos persequi ad q u o s m a x i m e culpa corrupti iudici, sed etiam illos ad quos c o n s c i e n t i a e contagio p e r t i n e b i t . Proinde si
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C. V E R R E S ,
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strengungen auf sich nahm? Erst kürzlich haben wir erlebt, wie C . Fimbria, С . Marius und C.Caelius unter nicht geringen Anfeindungen und Mühen die Ämter zu erlangen suchten, die ihr auf spielerische und lässige Weise erlangt h a b t 1 1 ' . Eben dies ist die Richtung und der W e g unseres Vorgehens; wir befolgen die Handlungsweise und die Grundsätze dieser Männer. Wir sehen, wie widerwärtig und verhaßt manchen Adligen die Tüchtigkeit und der beharrliche Fleiß von uns Neulingen sind; daß die Falle bereitstellt, wenn wir nur ein wenig die Augen abwenden; daß wir sogleich eine Wunde hinnehmen müssen, wenn wir uns dem geringsten Verdacht oder Vorwurf aussetzen; wir sehen, daß wir stets auf der H u t , stets angestrengt tätig sein müssen. Feindschaften stehen b e v o r : man lasse sie sich gefallen - A n s t r e n g u n g e n : man nehme sie auf sich. Denn vor stillen und geheimen Feindschaften muß man sich mehr fürchten als vor erklärten und offenen. Fast niemand unter den Adligen begünstigt unsere Strebsamkeit; durch keinerlei Dienste können wir ihr Wohlwollen gewinnen; als ob sie von ihrem Wesen und ihrem Ursprung her verschieden wären, so sondern sie sich in der Denkart und den Neigungen von uns ab. Was f ü r Gefahren verursacht also die Feindschaft dieser Leute? Ihre Einstellung war ja schon feindselig und gehässig gegen dich, ehe du in Feindschaft mit ihnen geraten bist. Es ist gewiß mein Wunsch, ihr Richter, mit diesem Angeklagten mein Amt als Ankläger zu beschließen, wenn ich dem römischen Volk Genüge getan und die mir von den Siziliern, meinen Schützlingen, anvertraute Aufgabe erfüllt habe. Ich bin jedoch fest entschlossen: wenn das Ergebnis die M e i n u n g , die ich von euch habe, enttäuschen sollte, dann werde ich nicht nur die verfolgen, auf denen die Hauptschuld der Richtcrbcstechung lastet, sondern auch die, die von dem Makel der Mitwisserschaft befleckt sind. Wenn es daher einige geben
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А С Τ I О Ν IS
IN
C.VERREM
SECUNDAE
LIB.V
qui sunt qui in h o c reo aut potentes aut audaces aut artifices ad c o r r u m p e n d u m judicium velint esse, ita sint parati ut disceptante p o p u l o R o m a n o m e c u m sibi rem videant f u t u r a m ; et si m e in h o c reo, q u e m mihi inimic u m Siculi dederunt, satis v e h e m e n t e m , satis perseverantem, satis vigilantem esse c o g n o r u n t , existiment in iis hominibus
quorum
ego
inimicitias
populi
Romani
salutis causa suscepero m u l t o graviorem atque acriorem futurum.
N u n c te, Iuppiter O p t i m e M a x i m e , cuius iste d o n u m regale, d i g n u m tuo p u l c h e r r i m o t e m p l o , dignum Capitolio atque ista arce o m n i u m n a t i o n u m , dignum regio m u n e r e , tibi factum ab regibus, tibi d i c a t u m atque promissum, per nefarium scelus de m a n i b u s regiis extorsit, cuiusque sanctissimum
et p u l c h e r r i m u m
simulacrum
Syracusis sustulit; teque, I u n o Regina, cuius duo fana duabus in insulis posita s o c i o r u m , Melitae et Sami, sanctissima et antiquissima, simili scelere idem iste o m n i b u s donis o r n a m e n t i s q u e item
duobus
in
nudavit; teque, Minerva,
clarissimis et
religiosissimis
quam templis
expilavit, Athenis, c u m auri grande pondus, Syracusis, c u m o m n i a praeter t e c t u m et parietes abstulit; teque,
i85
L a t o n a et Apollo et D i a n a , q u o r u m iste D e l i non fanum, sed, ut h o m i n u m o p i n i o et religio fert, sedem antiquam d i v i n u m q u e d o m i c i l i u m n o c t u r n o l a t r o c i n i o atque impetu compilavit; etiam et, Apollo, q u e m iste C h i o sustulit; teque etiam atque etiam, D i a n a , q u a m Pergae spoliavit, cuius s i m u l a c r u m sanctissimum Segestae, bis apud Segestanos c o n s e c r a t u m , semel ipsorum religione, iterum
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sollte, die bei diesem Angeklagten ihre Macht oder Skrupellosigkeit oder Schlauheit gebrauchen wollen, das Gericht zu beeinflussen, so mögen sie darauf gefaßt sein, daß sie es bald vor dem Gericht des römischen Volkes mit mir zu tun haben werden. Und wenn sie erkannt haben, daß ich bei diesem Angeklagten, zu dessen G e g n e r ich von den Siziliern bestellt bin, genug Entschiedenheit, genug Ausdauer, genug Umsicht an den T a g lege, dann mögen sie gewärtigen, daß ich mit den Leuten, die ich mir um der Wohlfahrt des römischen Volkes willen zu Feinden mache, noch viel strenger und härter verfahren werde. Jetzt rufe ich dich an, allgütiger, erhabener Jupiter, dessen königliche Weihegabe, w ü r d i g deines herrlichen Tempels, würdig des Kapitols und der B u r g aller Völker, würdig ihres königlichen Spenders, von Königen dir verfertigt, dir geweiht und versprochen, Verres in ruchlosem Frevel den königlichen Händen entrissen und dessen hochheiliges und stattliches Bildnis er aus Syrakus beseitigt hat - und dich, Königin Juno, deren hochheilige und uralte T e m p e l , zwei an der Z a h l , gelegen auf zwei Inseln unserer Bündner, auf Melita und Samos, derselbe Verres in ähnlichem Frevel aller Weihegaben und Schmuckstücke beraubt hat - und dich, Minerva, die er ebenfalls in zwei hochberühmten und ehrwürdigen Tempeln ausgeplündert hat, zu Athen, indem er eine große Menge Goldes, zu Syrakus, indem er alles außer dem Dach und den Wänden wegnahm - und euch, Latona und Apollo und Diana, denen Verres auf Delos nicht nur ein Heiligtum, sondern, wie der fromme Glaube der Einwohner zu berichten weiß, die uralte Heimat und göttliche Wohnstatt in einem nächtlichen Raubüberfall ausgeplündert hat - abermals dich, Apollo, den er von Chios weggenommen, und noch einmal dich, Diana, die er zu Perge beraubt hat, deren hochheiliges Standbild zu Segesta (die Segestaner hatten es zwiefach geweiht, das eine Mal aus
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A C T IО Ν I S IN C . V E R R E M
SECUNDAE
LIB.V
P. Africani victoria, t o l l e n d u m asportandumque curavit; teque, M e r c u r i , q u e m Verres in d o m o et in privata aliqua palaestra posuit, P. Africanus in urbe sociorum et in gymnasio T y n d a r i t a n o r u m iuventutis illorum custodem ac praesidem voluit esse; teque, Hercules, quem iste Agrigenti n o c t e intempesta servorum instructa et comparata m a n u convellere suis sedibus atque auferre conatus est; teque, sanctissima mater Idaea, q u a m apud E n g u i n o s augustissimo et religiosissimo in templo sic spoliatam reliquit ut n u n c n o m e n m o d o Africani et vestigia violatae religionis m a n e a n t ,
m o n u m e n t a victoriae
fanique
o r n a m e n t a n o n exstent; vosque, o m n i u m rerum forensium, c o n s i l i o r u m m a x i m o r u m , legum
iudiciorumque
arbitri et testes celeberrimo in loco populi R o m a n i locati, C a s t o r et Pollux, q u o r u m e t e m p l o quaestum iste sibi et praedam i m p r o b i s s i m a m comparavit; o m n e s q u e di qui vehiculis tensarum sollemnis coetus ludorum invisitis, q u o r u m iter iste ad s u u m quaestum, non ad religionum dignitatem
faciundum
exigendumque
curavit;
teque,
lij7
Ceres et Libera, q u a r u m sacra, sicut opiniones h o m i n u m ac religiones ferunt, longe maximis atque occultissimis c a e r i m o n i i s c o n t i n e n t u r , a quibus initia vitae atque victus, m o r u m , legum, mansuetudinis, humanitatis h o m i nibus et civitatibus data ac dispertita esse dicuntur, q u a r u m sacra populus R o m a n u s a Graecis adscita et accepta tanta religione et publice et privatim tuetur, n o n ut ab illis hue adlata, sed ut ceteris hinc tradita esse vide-
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eigenem frommen Entschluß, das andere Mal nach dem Siege des P. Africanus) er beseitigen und fortschaffen ließ-und dich, Merkur, den Verres in einem Privatbesitz, am Ringplatz eines Privatmannes aufgestellt hat, während P. Africanus ihn in einer Bündnerstadt, im Gymnasium der Tyndaritaner zum Beschützer und Aufseher von deren Jugend bestellt hatte -und dich, Herkules, den er zu Agrigent in tiefer Nacht mit einer bewaffneten und kampfbereiten Sklavenbande von seiner Wohnstatt loszureißen und zu entfernen suchte - und dich, hochheilige Mutter vom Ida, die er zu Engyon in ihrem erhabenen und ehrwürdigen Tempel so ausgeplündert zurückließ, daß man jetzt nur noch den Namen des Africanus und die Spuren des Gottesfrevels antrifft, während die Denkmäler des Sieges und die Schmuckstücke des Tempels nicht mehr vorhanden sind - und euch, Beobachter und Zeugen aller Verhandlungen auf dem Forum, der wichtigsten Beschlüsse, der Gesetze und Gerichte, ansässig am belebtesten Platz des römischen Volkes, Kastor und Pollux, durch deren Tempel sich Verres Gewinn und Beute der schändlichsten Art verschafft hat - und euch, ihr Götter alle, die ihr bei den Spielen auf Festwagen das feiernde Volk besucht, deren Weg er zu seinem Gewinn, nicht für die Würde des Gottesdienstes herrichten und ausbauen ließ - und euch, Ceres und Libera, deren Kult, wie die Meinung und der fromme Sinn der Menschen versichert, die bei weitem erhabensten und geheimsten Feierlichkeiten enthält, die, wie es heißt, den Menschen und Staat :n die Grundlagen des Lebens und der Ernährung, der Sitten, der Gesetze, der Milde und der Menschlichkeit verliehen und zugeteilt haben, deren Dienst das römische Volk von den Griechen übernommen und empfangen hat und im öffentlichen wie im privaten Bereich mit solcher Gewissenhaftigkeit beobachtet, daß man glauben möchte, er sei nicht von den Griechen hierher gebracht, sondern von hier aus den übrigen
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ACTIONIS
IN
C.VERREM
SECUNDAE
LIB.V
antur, quae ab isto uno sic polluta ac violata sunt ut simulacrum Cereris u n u m , quod a viro non modo tangi sed ne aspici quidem fas fuit, e sacrario C a t i n a convellend u m auferendumque curarit, alterum autem H e n n a ex sua sede ac d o m o sustulerit, quod erat tale ut homines, c u m viderent, aut ipsam videre se Cererem aut effigiem Cereris non h u m a n a m a n u factam, sed de caelo lapsam arbitrarentur - vos etiam atque etiam imploro et appello,
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sanctissimae deae, quae illos Hennensis lacus lucosque incolitis, cunctaeque Siciliae, quae mihi defendenda tradita est, praesidetis, a quibus inventis frugibus et in orbem terrarum distributis o m n e s gentes ac nationes vestri religione numinis continentur; ceteros item deos deasque o m n i s imploro et obtestor, q u o r u m templis et religionibus iste nefario quodam furore et audacia instinctus bellum sacrilegum semper impiumque habuit indictum, ut,
si in hoc reo atque in hac causa o m n i a mea consilia ad salutem sociorum, dignitatem rei publicae,
fidem
meam
spectaverunt, si nullam ad rem nisi ad officium et virtu-
18
У
tem omnes meae curae vigiliae cogitationesque elaborarunt, quae mea mens in suscipienda causa fuit, fides in agenda, eadem vestra sit in iudicanda; deinde uti C . Verrem, si eius o m n i a sunt inaudita et singularia facinora sceleris, audaciae, perfidiae, libidinis, avaritiae, crudelitatis, dignus exitus eius modi vita atque factis vestro iudicio
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C. V E R R E S ,
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Menschen mitgeteilt worden, deren Dienst indes der eine Verrcs auf das schlimmste verletzt und entweiht hat; ließ er doch ein Bildnis der Ceres, das von einem Manne nicht einmal angeschaut, geschweige denn berührt werden darf, aus dem Heiligtum von Catina losreißen und wegschaffen; ein anderes aber beseitigte er zu Henna aus dessen Wohnsitz und Hause, und diese Darstellung war so erlesen, daß die Leute, die sie sahen, entweder Ceres selbst oder ein Bild der Ceres, das nicht von Menschenhand verfertigt, sondern vom Himmel gefallen sei, zu erblicken glaubten: auch euch rufe und flehe ich immer wieder an, ihr heiligen Göttinnen, die ihr die Seen und Haine von Henna bewohnt und ganz Sizilien beschützt, das meinem Beistand anvertraut ist, die ihr die Feldfrucht entdeckt und über den Erdkreis verbreitet habt und deren göttliches Walten von allen Völkern und Stämmen gemeinschaftlich verehrt wird - ebenso rufe und flehe ich zu allen übrigen Göttern und Göttinnen, gegen deren Tempel und Gottesdienste Verres, von ruchloser Wut und Bosheit getrieben, stets einen offenen, ebenso frevelhaften wie gottlosen Krieg f ü h r t e 1 4 0 : So wahr bei diesem Angeklagten und in diesem Verfahren alle meine Pläne auf das Heil der Bundesgenossen, die Ehre des römischen Volkes und den Vollzug meines Treue worts gerichtet waren; so wahr sich all mein Sorgen, Wachen und Nachdenken einzig und allein um Pflichterfüllung und Redlichkeit bemüht hat: möchte die Gesinnung, die ich bei der Übernahme der Sachc, die Zuverlässigkeit, die ich bei ihrer Durchführung zeigte, in gleicher Weise bei der richterlichen Entscheidung euer Teil sein; möchte sodann dem C . Verrcs, so wahr alle die Taten seiner T ü c k e , Verwegenheit, Treulosigkeit, Lüsternheit, Habgier und Grausamkeit unerhört und beispiellos sind, durch euer Urteil ein Ende beschicden sein, wie es einem solchen Leben und solchen Taten entspricht; und möchte sich
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ACTIONIS IN C.VERREM SECUNDAE LIB.V
consequatur, utique res publica meaque fides una hac accusatione mea contents sit, mihique posthac bonos potius defendere liceat quam improbos accusare necesse sit.
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C. V E R R E S ,
5.
BUCH
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der Staat und das Gebot meiner Pflicht mit dieser einen Anklage begnügen können, und möchte mir beschieden sein, daß ich in Zukunft eher rechtschaffene Menschen verteidigen darf als Übelster anklagen muß.
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ANHANG
Z W E I T E R E D E G E G E N C. V E R R E S DRITTES
BUCH
Einleitung «Bei allem, was ich bisher gesagt habe, gewährte schon die Mannigfaltigkeit und Neuheit der verbrecherischen Anschläge einige Unterhaltung; doch jetzt haben wir uns vorgenommen, das Getreidewesen zu behandeln, einen Punkt, der durch die Größe des Unrechts, ja schon an sich noch wichtiger ist als die anderen Vorwürfe, der jedoch bei der Verhandlung weniger Annehmlichkeit und Abwechslung bieten wird» (Zweite Rede gegen Verres 3,10). Diese Charakteristik verdient Zustimmung. Mit Recht bereitet Cicero seine Zuhörer oder vielmehr seine Leser darauf vor, daß sich das dritte Buch, das längste unter den langen Büchern der zweiten Rede, mit einer überaus spröden Materie befaßt. Es geht dort um Anbauflächen und Ernteerträge, um Marktpreise und Steuerforderungen, kurz um Zahlen über Zahlen; vergebens sucht man nach den zusammenhängenden Berichten und dramatischen Höhepunkten, die sonst die Hauptwürzc des Verrinenwerks ausmachen. Doch auch die positive Seite der ciceronischen Ankündigung trifft zu: das dritte Buch, das Buch der Stcuercrpressungen, enthält.die weitaus wichtigsten Vergehen des korrupten Statthalters und die eigentliche Substanz der Anklage. Über-
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EINLEITUNG
dies hat Cicero es vorzüglich verstanden, sein Publikum mit den Ausbeutermethoden des Verres und deren technischen Voraussetzungen vertraut zu machen - so vorzüglich, daß der moderne Erklärer gerade hier, bei den sizilischen Steuern, unnötig wird: er braucht nicht, wie sonst gewöhnlich, allerlei Fakten vorauszuschicken, die dem modernen Leser erst den Horizont für das Verständnis der ciceronischen Darlegungen verschaffen. Diese Besonderheit hat eine einfache Ursache. Wenn Cicero von römischen Rechtseinrichtungen und römischer Geschichte und überhaupt von römischen Dingen handelte, dann konnte er seinen römischen Adressaten zutrauen, daß ihnen zumal das Allgemeine und Grundsätzliche geläufig sei; er hatte keinen Anlaß, dergleichen erst umständlich auseinanderzusetzen. Die sizilischen Steuern hingegen waren der Mehrzahl seiner Zeitgenossen offenbar ebenso fremd wie dem modernen Leser; er ging daher gerade hier systematisch zu Werke: er zeichnete nicht nur die Einzelheiten auf, die konkreten Rechtsverletzungen des Angeklagten, sondern auch die mannigfachen Prämissen juristischer, administrativer und ökonomischer Art, die diesen Einzelheiten Relief verliehen. Auch dem dritten Buch fehlt der übliche rhetorische Aufputz nicht: Cicero weiß sich mitunter nicht genug zu tun, die Verwerflichkeit der von ihm berichteten Vorgänge in das grellste Licht zu rücken; er macht sich stark für die unwiderleglichsten Beweise und Schlußfolgerungen usw. Dieser Aufputz ist indes mehr als sonst ein Phänomen der Oberfläche: er präsentiert die Tatsachen, ohne sie im Kern zu verändern. Daher hat zumal das dritte Buch erheblichen Quellenwert; es schildert Wirklichkeit, und zwar eine Wirklichkeit, die nicht aus einzelnen mehr oder minder episodenhaften Verfehlungen, sondern aus einem ganzen System der Unterdrückung und Ausbeutung besteht. Nur in einem Punkte gibt, so scheint es, die ciceronische Darstellung Anlaß zu ernstlicher Kritik: eine
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ZWEIT t
REDE
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C.VERRES,
3 • BUCH
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Fülle von einzelnen Posten wird ausgebreitet, doch ein Überblick über d.is Ganze der von Verres begangenen Steuervergehen fehlt - als komme es zuallererst darauf an, daß sich der Angeklagte überhaupt schuldig gemacht habe, als sei das Fazit der erpreßten Gelder von geringem Gewicht. Die Einleitung trägt nichts zum Thema des Buches bei: Cicero ergeht sich in allgemeinen Räsonnemcnts, die seine Anklage gegen Verres moralisch zu begründen suchen ( 1 - 9 ) . Auf dieses kurze Versatzstück folgt, wie es die Regeln der Rhetorik geboten, eine Disposition; Cicero kündigt an, daß er sich zunächst mit dem Zehnten, dann mit dem «Kauf-» und schließlich mit dem «Schätzpreisgetreide» - so etwa lassen sich die von ihm verwendeten steuerrechtlichen Termini wiedergeben - befassen wolle ( 1 0 - 1 2 ) . Der erste Punkt, die Zchntsteuer, beansprucht den Löwenanteil des Buches ( 1 2 - 1 6 3 ) ; gerade hier hat sich der Autor mit Erfolg bemüht, alles Detail in die richtigen Zusammenhänge zu rücken. Diesem Z w e c k dient vornehmlich ein weit ausholender Einführungsteil ( 1 2 - 5 2 ) ; Cicero behandelt dort die Grundlagen ( 1 2 - 3 9 ) und die Ziele ( 3 9 - 5 2 ) der von Verres befolgten Steuerpolitik. Die Erörterung der Grundlagen geht von dem seit jeher gültigen Rechtszustand aus, von der Steuerordnung des syrakusanischen Königs Hieron II. ( 2 7 5 - 2 1 5 v . C h r . ) , nach der auch die R ö m e r den sizilischen Zehnten einzuziehen pflegten. Von diesem Herkommen, legt Cicero dar, sei Verres auf zweierlei Weise abgewichen, um sich zum Nachteile Roms und Siziliens an der Zehntsteucr zu bereichern. Er habe sich einerseits mit Handlangern versehen, mit Leuten, die nach außen hin als Zehntpächter auftraten, in Wahrheit aber die Werkzeuge und Teilhaber des erpresserischen Statthalters waren - Cicero führt schon hier den Protagonisten Apronius vor, eine Kreatur, die als das genaue Ebenbild ihres Herrn geschildert wird. Andererseits
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020
EINLEITUNG
habe, fährt С iccro fort, Verres sein Verordnungsrecht dazu mißbraucht, sämtliche Garantien aufzuheben, mit denen das Hieron i s c h e G c s e t z d i e Landwirte gegen Übergriffe der Z e h n t p ä c h t e r zu schützen suchte; hierdurch seien die Sizilier der schrankenlosen Willkür seiner Gehilfen und W e r k z e u g e ausgeliefert worden. C i c e r o befaßt sich v o r allem mit einem Erlaß, der die Lage der Steuerpflichtigen in der T a t radikal veränderte: Verres schrieb vor, d a ß es d e m Z e h n t p ä c h t e r freistehe, die Höhe der Steuerschuld festzusetzen, und daß die sizilischen Behörden verpflichtet seien, die v o m Z e h n t p ä c h t e r festgesetzte M e n g e z w a n g s w e i s e einzuziehen. G e w i ß konnte der Z e h n t p f l i c h t i g e eine unbillige Entscheidung des Z e h n t p ä c h t e r s gerichtlich anfechten; doch während bisher, wenn es zu Streitigkeiten kam, der Z e h n t p ä c h t e r sein R e c h t hatte dartun müssen, oblag nunmehr d e m Z e h n t p f l i c h t i g e n der Beweis, daß ihm Unrecht geschehen sei; überdies w u r d e j e t z t dem Z e h n t p ä c h t e r sofort der Besitz an der streitigen Getreidemenge zuteil. Endlich konnte es der Z e h n t p f l i c h t i g e gar nicht w a g e n , von d e m R e c h t s m i t t e l der K l a g e Gebrauch z u machen: Verres hätte nicht g e z ö g e r t , das Gericht mit willfährigen Handlangern aus seinem G e f o l g e zu besetzen. Dieses brutale R e g l e m e n t w u r d e , wie Cicero weiterhin darlegt, durch eine Reihe zusätzlicher D r u c k m i t t e l ergänzt und abgerundet. Der A b s c h n i t t über die Z i e l e der verrinischen Steuerpolitik faßt im vorhinein zusammen, was Cicero in den folgenden Darlegungen zu erweisen gedenkt. Man dürfe sich, heißt es hier, von den hohen Pachterlöscn nicht täuschen lassen, die der Angeklagte erzielt zu haben behaupte. Diese Erlöse seien nur möglich gewesen, weil die Pächter, die Kreaturen des Verres, von A n f a n g an w u ß t e n , d a ß sie den Landwirten erheblich mehr würden abpressen können, als ihnen von R c c h t s w e g e n zustand. Verres habe durch seine steuerlichen
Maßnahmen
die sizilischc Landwirtschaft ruiniert; der römische
Staat
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ZWEITE
werde
REDE GEGEN
den augenblicklichen
C.VERRES,
Vorteil
3 · BUCH
holier
62 I
Pachtsummcn
durch l.inganhaltcndc künftige Ausfälle teuer bezahlen müssen. Das eigentliche Ziel des Angeklagten sei nicht der wenn auch kurzsichtig verfolgte Nutzen der Allgemeinheit, sondern die eigene Bereicherung gewesen; Verres habe weit größere Mengen Getreides für sich behalten als nach Rom gesandt und sich hierbei der Komplicenschaft der Pächter bedient. Auf den Einführungsteil folgt der eigentliche AnklagestofT: eine lange Reihe von Beispielen illustriert das schwere Unrecht, das den sizilischen Landwirten bei der Erhebung der Zehntsteuer zugefügt wurde ( 5 3 - 1 2 9 ) . Cicero schildert zunächst, wie es den Gutsbesitzern erging, deren Zehnter im Wege der Einzelpacht vergeben worden war ( 5 3 - 6 6 ) ; er befaßt sich weiterhin mit den häufigeren Fällen, in denen die Pächter die Abgaben ganzer Gemeinden erstanden hatten ( 6 6 - 1 1 8 ) . Wie aus dieser Partie hervorgeht, pflegten Verres und seine Helfer den Gemeinden folgende Lasten aufzuerlegen: i. den eigentlichen Zehnten oder vielmehr das Quantum, für das der Pächter den Zuschlag erhalten hatte; 2. eine als «Gewinn» des Pächters deklarierte Getreidelieferung, die Verres an sich nahm; 3. eine zusätzliche Barzahlung, die für den Pächter, das heißt für den Helfer des Verres, bestimmt war. Cicero zieht nunmehr die Summe aus den bisherigen Darlegungen, wobei er an Motive des Einfiihrungstciles anknüpft: die Steuerpolitik des Verres habe ruinöse Folgen gezeitigt, sie habe insbesondere eine allgemeine Landflucht und eine beträchtliche VerminderungderAnbauflächenbcwirkt(i 1 9 - 1 2 9 ) . Die Argumentation ist noch unvollständig: Cicero hat bislang mehr vorausgesetzt als dargetan, daß Verres als der eigentliche Urheber der von den Zehntpächtern begangenen Verfehlungen betrachtet werden
müsse. Diese Lücke zu
schließen, f ü g t er seinen Ausführungen über die Zehntsteuer nunmehr einen dritten und letzten Abschnitt an; er bringt
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EINLEITUNG
eine Anzahl von Beweisen, aus denen sich die Gehilfenrolle zumal des A p r o n i u s mit aller nur w ü n s c h b a r e n E v i d e n z ergibt (130-163). Der z w e i t e Hauptteil des dritten Buches gilt d e m sogenannten frumentum
emptum, dem « K a u f g e t r e i d e » ( 1 6 3 - 1 8 7 ) .
Für
diese Angelegenheit w a r Verres u n m i t t e l b a r zuständig. Es handelte sich nicht um eine regelmäßige Steuer, sondern um eine L e i s t u n g s p f l i c h t , die der römische Staat von Fall zu Fall anordnete und für die er eine G e l d e n t s c h ä d i g u n g zu zahlen pflegte. Wenn in R o m M a n g e l herrschte, k o n n t e der Senat den sizilischen Statthalter beauftragen, in seiner Provinz f ü r einen bestimmten Preis ein bestimmtes Q u a n t u m G e t r e i d e zu beschaffen. A u c h Verres sollte d e r a r t i g e Z w a n g s k ä u f e t ä t i g e n , und z w a r in allen drei J a h r e n seiner S t a t t h a l t e r s c h a f t ; die hierf ü r erforderlichen S u m m e n w u r d e n ihm aus der Staatskasse überwiesen. Wie sein A n k l ä g e r darlegt, w u ß t e er sich an diesen M i t t e l n auf dreierlei Weise zu bereichern. Z u n ä c h s t lieh er die G e l d e r a u s ; der monatliche Z i n s e r t r a g von z w e i Prozent flöß in seine T a s c h e . Weiterhin m i ß b r a u c h t e er seinen A u f t r a g zu einer M a n i p u l a t i o n , die ihm sogar d o p p e l t e n G e w i n n einb r a c h t e : bei einem T e i l der G e m e i n d e n wies er das Kaufgetreide z u r ü c k , da es unbrauchbar sei, u n d ließ sich den entsprechenden M a r k t w e r t in barer M ü n z e z a h l e n ; außerdem strich er die S u m m e ein, die ihm der Senat f ü r den A n k a u f bewilligt hatte. R o m aber w u r d e von ihm aus den V o r r ä t e n beliefert, die ihm die überhöhten Z e h n t f o r d e r u n g e n e i n g e b r a c h t hatten. Schließlich erhielt keine G e m e i n d e u n d kein I^andwirt den vollen B e t r a g des v o m Senat f e s t g e s e t z t e n Preises; Verres ließ allerlei A b z ü g e m a c h e n ; insbesondere g e s t a t t e t e e r seinem Schreiber, eine G e b ü h r von vier Prozent e i n z u b c h a l t e n . Der dritte H a u p t t e i l ( 1 8 8 - 2 2 5 ) hat die G e t r e i d e l i e f e r u n g e n zum G e g e n s t a n d , die f ü r den S t a t t h a l t e r selbst u n d f ü r sein G e f o l g e b e s t i m m t w a r e n , das « V o r r a t s - » o d e r «Schätzpreis-
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C. V E R R E S ,
getrcidc» (frumcntum in cellam, frumentum
). BUCH
62 ΐ
aestimatumAuch
diese Last bestand in einer i^istungspflicht, deren Ausmaß und Entgelt vom Senat festgesetzt wurde. Abermals mißbrauchte Vcrres seine Position zu schamloser Bereicherung. Der vom Senat bewilligte amtliche Kaufpreis war oft niedriger als der Marktwert. Daher kam sowohl in Sizilien als auch in anderen Provinzen folgende Übung auf: die Leistungspflichtigen baten den Statthalter, er möge für das ihm zustehende Vorratsgetreide einen Rieht- oder Schätzpreis bestimmen; sie zahlten ihm dann, statt für den amtlichen Preis in natura zu liefern, die Differenz zwischen dem amtlichen Preis und dem Schätzpreis. F ü r den Schätzpreis war grundsätzlich der Marktwert maßgeblich; der Statthalter durfte allerdings den höchsten Preis ansetzen, der an irgendeinem Orte innerhalb seines Amtsbereichs gezahlt wurde. Verres ging beträchtlich über diese Gepflogenheiten hinaus. In seinem Falle hatte der Senat einen Kaufpreis bewilligt, der den damaligen Marktwert um mindestens fünfzig Prozent überschritt; er war somit gar nicht berechtigt, einen Schätzpreis festzusetzen. Er ließ sich hierdurch nicht beirren: der Betrag, den er zu fixieren beliebte, machte das Dreifache des Senats- und das Vier- bis Sechsfache des Marktpreises aus. Auf diese Phantasiesumme rechnete e r das Drittel an, das der Fiskus ihm überwiesen hatte; den R e s t trieb er bei seinen Untertanen ein, und zwar für die fünffache Menge des Getreides, das ihm von Rechts wegen zugestanden hätte. Das kurze Schlußwort legt dar, daß in dem Prozeß gegen Verres nichts Geringeres als die gesamte sizilische Landwirtschaft auf dem Spiel stehe ( 2 2 6 - 2 2 8 ) .
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Erläuterungen 1
I
Junge Aristokraten suchten sich nicht selten dadurch einen Namen zu machen, daß sie bekannte Politiker vor Gericht zogen; so auch der Redner L.Licinius Crassus ( 1 4 0 - 9 1 v . C h r . ) , der als Zwanzigjähriger gegen C.Papirius Carbo, einen Parteigänger des Tiberius Gracchus, Anklage erhob. Der es wagte, als Quästor seinen Konsul usw.: vgl. 1 , 34 ff. Der sich unterfangen hat, aus der Bahn der Götterwagen usw.: vgl. 1, 1 ( 4 . Die Wechselhaftigkeit und Willkür deiner Erlasse: vgl. 1 , 1 1 9 f r . Die Plünderung Asiens, die Heimsuchung Pamphyliens: vgl. 1, 49fr. 9$. Deiner Geißelungen, der Beile, deiner Kreuze usw.: vgl. j , 139fr.
) Vgl. i , 49. 54ff. Komitium: ein an das Forum angrenzender Platz fur Volksversammlungen. 4 Dem Zerstörer von Korinth (146 v. Chr.). > Die spanischen Provinzen entrichteten feststehende Beträge, die von den Statthaltern eingezogen wurden. Der Provinz Asien hatte ein Gesetz des Tiberius Gracchus den Zehnten auferlegt; dieser Zehnte wurde nicht wie der sizilische an Ort und Stelle und an jedermann, sondern in Rom und nur an römische Steuerpachtgesellschaften vergeben. 4 Cicero meint hier die civitatis censor iae, die sowohl einen festen Bodenzins als auch den zehnten Teil ihrer Erträgnisse an den römischen Staat entrichten mußten. Beide Abgaben wurden von den in Rom amtierenden Zensoren verpachtet; vgl. ς, 7 Die Gemeinde der Mamertiner: Messana (heute Messina); vgl. 2 , 1 3 . Tauromenion: Stadt an der Ostküste Siziliens, etwa auf halbem Wege zwischen Messana und Catina (heute Taormina). Außer Messana und Tauromenion genoß auch die kleine Gemeinde Netum den Status einer ciritasJocderata; vgl. 5, j 6 . 1 3 3 . Centuripae: Sikulerstadt im Inneren der Insel, zirka 30 km südwestlich des Ätna (heute Centuripe). Halaesa: Stadt an der Nordküste, in der Nähe des heutigen Tusa. Segesta: Stadt im Nordwesten der Insel, etwa auf halbem Wege zwischen Panormos und Drepanon. Halikyai: Stadt im Inneren Siziliens, zirka 35 km östlich von Lilybaeum. « Vgl. 1, 104fr. 1 1 4 f r . 9 Vgl. i , 4 o f f . 10 L.Octavius und C.Aurclius Cotta waren im Jahre 7ς v . C h r . Konsuln. II Vgl. 2, 83 ff. Thermal: Stadt an der Nordküste Siziliens, zirka 40 km östlich von Panormos (heute Termini-Imerese).
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ZWEITE
12
REDE GEGEN
C.VERRES,
J.BLCH
625
S e l b s t die P a c h t u n t e r n e h m e r , das heißt die A n g e h ö r i g e n d e r g r o ß e n römischen
Steuerpachtgesellschaften
(pubhcani),
waren
lediglich
b e f u g t , i h r a n g e b l i c h e s F o r d e r u n g s r e c h t d u r c h P f ä n d u n g zu s i c h e r n ; sie d u r f t e n sich n i c h t d u r c h W e g n a h m e d e r b e a n s p r u c h t e n G e g e n stände schadlos halten. A n s p i e l u n g auf die L a n d f l u c h t , die V e r r e s d u r c h seine s t e u e r l i c h e n Maßnahmen verursacht hatte. Vgl. 4 3 . 4 6 f r . 80. i 2 o f f . 14
D e r A u s d r u c k « B e z i r k s v e r s a m m l u n g » (conventus bezeichnet
den Zusammenschluß
sässigen r ö m i s c h e n
Bürger.
aller
civium
Romanorum)
in e i n e r P r o v i n z s t a d t
an-
D e r Statthalter w a r verpflichtet,
die
R i c h t e r f ü r b e s t i m m t e A n g e l e g e n h e i t e n aus i h r e m K r e i s e zu b e s t e l l e n ; v g l . 2 , 3 2 . E r besaß e i n V e r z e i c h n i s d e r
Bezirksangehörigen,
das n a c h A b t e i l u n g e n g e g l i e d e r t w a r . A u s d i e s e n H u n d e n d a : v g l . 1 , 1 2 6 . 1 3 3 . 3, 84. 4, 3 1 . 40. 47. j , 11
146.
In d i e s e m F a l l e hätte es s i c h i m m e r h i n u m e r e r b t e B e z i e h u n g e n g e handelt, deren Pflege für Verres minder unehrenhaft gewesen w ä r e .
•6 G e r i c h t e p f l e g t e n in d e r W e i s e b e s e t z t zu w e r d e n , daß z u n ä c h s t d e r B e a m t e aus d e m
Gesamtverzeichnis einen engeren
Personenkreis
a u s s o n d e r t e ( g e w ö h n l i c h d u r c h das L o s ) u n d dann d i e P a r t e i e n e i n e bestimmte Anzahl von Personen ablehnten. C i c e r o m e i n t :
selbst
w e n n du d e m L a n d w i r t n i c h t n u r das ü b l i c h e A b l e h n u n g s r e c h t z u g e s t a n d e n , s o n d e r n i h m e r l a u b t h ä t t e s t , s e i n e r s e i t s e i n e A u s w a h l aus d e m V e r z e i c h n i s d e r B e z i r k s a n g e h ö r i g e n zu t r e f f e n u s w . W e n n der Zehntpächter den Fruchtertrag ermittelt hatte, pflegte e r sich m i t d e m L a n d w i r t o d e r d e r G e m e i n d e d u r c h e i n s c h r i f t l i c h e s A b k o m m e n (pactio) gen. Vgl.
ü b e r d i e H ö h e d e r S t e u e r s c h u l d zu v e r s t ä n d i -
112.
18
D i e D r e s c h t e n n e n b e f a n d e n sich d a m a l s u n t e r f r e i e m H i m m e l .
19
Der ursprüngliche N a m e des achten Monats, der i m Jahre 8 v. C h r . nach A u g u s t u s u m b e n a n n t w u r d e . D . h . v o n d e r ä u ß e r s t e n O s t - an d i e ä u ß e r s t e W e s t k ü s t e . L e o n t i n o i liegt zirka 4 0 k m n o r d w e s t l i c h von Syrakus (heute Lentini).
21
Vgl.
22
Vgl. I,
2
i 3
» Vgl. 2,
» • Vgl.
ff.
112.
129ff. 104f.
163.
L. Hortensius: Konsul 108 v. C h r . ; Cn. Pompeius Strabo, der Vater des b e r ü h m t e n P o m p e i u s :
Konsul
S 9 ; die Zeit ihrer
sizilischen
S t a t t l i a l t e r s c h a f t ist u n b e k a n n t . C . C l a u d i u s M a r c e l l u s ( P r ä t o r
80)
verwaltete die Provinz im Jahre 79.
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626
17
*9
51 5* » Л "
" " " 40
41
ERLÄUTERUNGEN
Der Vater des L. Metellus: C.Caecilius Metellus Caprarius (Konsul i i j v . C h r . ) ; der Großvater: Q.Caecilius Metellus Macedonicus (Konsul 1 4 3 ) ; sowohl dem Vater als auch dem Großvater hatten erfolgreiche Feldzüge in Makedonien einen Triumph eingebracht. Vgl. 2, $ 1 . 4, 89fr. sowie die Rede gegen Caecilius, 2. 13. Cicero hatte im Jahre 75 v . C h r . die Quästur von Lilybaeum verwaltet; er begab sich zu Beginn des Jahres 70 abermals nach Sizilien, um gegen Verres zu ermitteln. Herbita: Sikulerstadt im Inneren Siziliens; die Lage ist unbekannt. Henna: Sikulerstadt in der Mitte der Insel (heute Castrogiovanni, Enna). Murgantia: Sikulerstadt im Inneren der Insel, zirka 40 km wcstlich von Catina. Assoros: innersizilisches Städtchen zwischen Henna und Agyrion (heute Assaro). Imachara: innersizilisches Städtchen westlich des Ätna. Agyrion: Stadt im Inneren der Insel, zirka 2 ς km nordöstlich von Henna (heute Agira). Ätna: Stadt am Südhang des gleichnamigen Berges. Leontinoi: vgl. 38. Sklaven des Venustempels auf dem Eryx, die von Verres zu allerlei Diensten verwendet wurden. Vgl. 2, 92 und die Rede gegen Caecilius, Vgl. i , 1 4 0 f r . Vgl. 3 6 f f . Vgl. 1 3 . Vgl. i , J 4 . Perge: Stadt in Pamphylien. Sikulerstadt im Inneren Siziliens, zirka 60 km nordwestlich von Syrakus (heute Mineo). Ungenau: Centuripae war nicht formlich mit Rom verbündet. Vgl. . 3 . Vgl. $, , 3 9 f f . Calidius wurde verurteilt. Vgl. die erste Rede gegen Verres, 38. Der Anführer im 2. sizilischen Sklavenaufstand (ι0+-101 v.Chr.). Ein Komitee des Gemeinderats; es pflegte die Gemeinde in wichtigen Angelegenheiten vor der römischen Obrigkeit zu vertreten. Vgl. i , 1 6 2 . Ein dunkler Passus. Neubürger trugen den Namen des Mannes, der ihnen das Bürgerrecht verschafft hatte; vgl. 2, 20 und 23. Welcher Cornelier den Gefolgsleuten des Verres diese Gunst zuteil werden ließ, ist unbekannt. Vielleicht will Cicero zu verstehen geben, daß sich Artemidoros und Genossen den Namen Cornelius angemaßt hatten; hierauf deuten auch die Worte «sie waren allesamt keine
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REDE
GEGEN
С. V E R R E S ,
3. B U C H
627
romischen Bürger», die man sonst ein wenig gewaltsam auf die Vergangenheit, auf die Herkunft jener «Cornelier» beziehen müßte. 42 Die sizilischen Lokalbehörden. Vgl. 34. 4 ' Seit einem berühmten Gesetz des Gaius Gracchus erhielten die römischen Bürger verbilligtes, vom Staate subventioniertes Getreide; die Gratisverteilungen an Unbemittelte begannen erst im Jahre { 8 v. Chr. 44 Cicero scheint hier für den Scheffel einen Wert von 18 Sesterzen anzusetzen. Vgl. 1 8 9 , wonach der Höchstpreis des Maßes ( = ein Sechstel Scheffel) 3 Sesterzen betrug. 41
Ein unklares Argument. Vielleicht wurde das für die Truppen bestimmte Getreide besonders streng geprüft.
46
Vgl. 47. Vage Bezeichnung für eine höhere Charge im Gefolge des Statthalters. 4 < Vgl. Piaton, Alkibiades, u j b / c . 4 ' Eigentlich: «für fast die Hälfte mehr als im Vorjahre»; Cicero scheint jedoch vom Doppelten des vorjährigen Zehnten (2 χ 2 $ 8oo — 5 1 6 0 0 ) auszugehen. Ein sizilischer Scheffel (mcdimnus; zirka $2 1) entspricht sechs Maßen (modius; zirka 8,7 1). Der Zehnte von Herbita wurde somit im dritten Jahre Гиг 4 8 6 0 0 Maße verpachtet. >° Vgl. 1 , 1 0 4 f f . i i o . 1 3 6 f r . ) > Im Sinne des guten Verhältnisses, das R o m mit allen sizilischen Gemeinden unterhielt; Herbita hatte den Status einer ciritas decumana. " Vgl. H o f f . " Sulla hatte nach dem Siege am collinischen Tor (Oktober 82 v. C h r . ) seine Gegner, die Marianer, fur vogelfrei erklärt. Das Vermögen der Geächteten wurde eingezogen und versteigert; der Diktator leitete in eigener Person den Verkauf. Vgl. die zweite Rede über dasSiedlergesetz, j 6 . ' 4 Der Name läßt die Existenz einer im übrigen unbekannten Gemeinde Akeste vermuten. " Cicero spielt mit der doppelten Bedeutung von interpret: das W o r t bezeichnet sowohl den «Dolmetscher» als auch den «Vermittler», die «Mittelsperson», den «Unterhändler». ' 6 Insel im Norden Siziliens, die größte der nach ihr benannten Gruppe (heute Lipari). >7 Anders als im § 72 veranschlagt Cicero hier 1 ζ Sesterzen für den Scheffel. Vgl. 90. 1 7 3 f . " Städtchen am nördlichen Fuße des Ätna. 47
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028 "Vgl.
ERLÄUTERUNGEN
1,93.
6° Amestratos: unbedeutendes Städtchen im Norden der Insel, zirka ι ς km südwestlich von Kaiakte (heute Mistretta). '< Heraclius muBte also dem Caesius die Pacht abkaufen. Vgl. 71 f. Petra: Stadt im Inneren Siziliens, zirka 30 km südlich Halaesa. Vgl. 2, 22. C. Licinius Sacerdos war sowohl in der Stadtprätur (75 v. Chr.) als auch in der Statthalterschaft von Sizilien (74 v. Chr.) der Amtsvorgänger des Verres. Μ Vgl. 1 3 . 4> Vgl. 2, 3 2 . W Die Pachtuntemehmer oder Staatspächter fpublicani) rekrutierten sich aus dem Ritterstande. " I m Jahre 73 v . C h r . ; sein vollständiger Name lautet C.Cassius Longinus. « Vgl. 18. 69 Cicero setzt voraus, daß die Thermitaner zunächst den Zehnten, d . h . die von Venuleius zugesicherten 8000 Scheffel Weizen, aufbringen mußten; die 7000 Maß waren der übliche «Gewinn» (des Verres), die 2000 Sesterzen eine «Zugabe» (für Venuleius). 70
Vgl. 4 7 . Auch hier setzt Cicero voraus, daß die Hennenser außer dem «Gewinn» ( 1 8 0 0 0 Maß Weizen) und der «Zugabe» (3000 Sesterzen) auch den Zehnten selbst (8200 Scheffel = 49 200 Maß Weizen) entrichten mußten. Vgl. 99. 7x Stadt an der Nordküste Siziliens, zirka 20 km östlich von Halaesa. 7 ' Sikulerstadt im Südzipfel Siziliens (heute Modica). 74 Den zweiten Zehnten: vgl. 1 6 3 . Bei anderen Gemeinden: vgl. 1 7 8 . 7 ' Hybla: Stadt am südlichen Fuße des Ätna (heute Paterno). 74 Vgl. SS77 Enteila: Stadt im westlichen Sizilien, zirka 40 km südlich von Panormos (heute Rocca d'Entella). Herakleia: Stadt an der Südküste Siziliens, zirka 2 5 km nordwestlich von Agrigent (heute Eraclea Minoa), Gela: bedeutende Stadt an der Südküstc Siziliens (heute ebenfalls Gela). Solus: Stadt an der Nordküste der Insel, zirka 20 km östlich von Panormos (heute Castello di Solanto). Catina: Stadt an der Ostküste, südlich des Ätna (heute Catania). Tyndaris: Stadt an der Nordküste, zirka 50 km westlich von Messina (heute S. Maria di Tindaro). Kephaloidion: ebenfalls an der Nordküste, zwischen Thrrmai und Ihlacsa (heute Ccfalii). Haiuntion: Stadt in der Nähe der Nordküste, zirka 30 km westlich von Tyndaris (heute S. Marco
71
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REDE GEGEN
C. V E R R E S ,
BUCH
629
d ' A l u n z i o ) . A p o l l o n i a : Stadt in Her N ä h e d e r N o r d k ü s t e , z w i s c h e n Haiunt ion u n d K a i a k t e ( h e u t e S. F r a t e l l o ) . E n g y o n : S t ä d t c h e n im I n n e r e n d e r I n s e l ; d i e L a g e ist u n b e k a n n t . C a p i t i u m : S t ä d t c h e n i m I n n e r e n d e r Insel, z i r k a 2 ς k m s ü d l i c h v o n K a i a k t e ( h e u t e C a p i z z i ) . Ina: Städtchen im Südzipfel Siziliens. Murgantia, A s s o r o s : vgl. 4 7 . H e l o r o s : S t a d t i m S ü d o s t e n d e r I n s e l , an d e r M ü n d u n g des g l e i c h n a m i g e n F l u s s e s . l e t a i : Stadt i m I n n e r e n S i z i l i e n s , z i r k a 2 $ k m s ü d w e s t l i c h v o n P a n o r m o s ( h e u t e S. G i u s e p p e J a t o ) . K e t a r i a : S t ä d t c h e n an d e r N o r d k ü s t e , z i r k a 1 0 k m n o r d w e s t l i c h v o n P a n o r m o s . S c h e r a : S t ä d t c h e n i m I n n e r e n d e r I n s e l ; d i e L a g e ist u n g e w i ß . 78
$0000 Scheffel =
79
Ein Maß W e i z e n k o s t e t e 2 - 3 S e s t e r z e n ( v g l . 1 8 9 ) ; die S u m m e v o n
3 0 0 0 0 0 Maß. Vgl. 77.
9 0 0 0 0 S e s t e r z e n e n t s p r i c h t also 3 0 0 0 0 - 4 5 0 0 0 M a ß e n . 80
C i c e r o s c h e i n t b e i d i e s e r R e c h n u n g n u r den u r s p r ü n g l i c h e n Ü b e r schuß von 3 2 4 0 0 0 Maßen anzusetzen.
81
K o n s u l 8 3 v . C h r . ; e r w a r s p ä t e s t e n s i m J a h r e 87 S t a t t h a l t e r v o n Sizilien.
82
F ü r d e n Z e h n t e n j e d e r G e m e i n d e . V g l . 7 6 . 8 9 . 99 u . Ö . M o t y k a : vgl. 1 0 1 . Herbita, A g y r i o n : vgl. 4 7 .
84 8
V g l . 2 , 1 2 . 64 f. 1 3 9 . ι 56.
* V o n d e n p u n i s c h c n K r i e g e n : v o m e r s t e n und v o m z w e i t e n K r i e g e R o m s gegen Karthago ( 2 6 4 - 2 4 1
und 2 1 8 - 2 0 1
v.Chr.).
Zweimal
g r o ß e S c h a r e n e n t l a u f e n e r S k l a v e n : C i c e r o m e i n t die S k l a v e n a u f stände d e r J a h r e 1 3 5 - 1 3 2 u n d 1 0 4 - 1 0 1 . M . V a l e r i u s L a e v i n u s ( K o n sul 2 2 0 u n d 2 1 0 ) w a r in d e n J a h r e n 2 0 9 - 2 0 7 S t a t t h a l t e r v o n S i z i l i e n . P . R u p i l i u s , d e r U r h e b e r des R u p i l i s c h e n G e s e t z e s ( v g l . 9 2 ) , als
Konsul
des
Jahres
13 2 den
ersten
Sklavenaufstand
warf
nieder.
M \ Aquilius (Konsul 1 0 1 ) k ä m p f t e in den Jahren 1 0 1 - 9 9 erfolgreich gegen die Sklaven unter A t h e n i o n .
Hasdrubal, Sohn des
Hanno:
karthagischer Feldherr während des 1 . punischcn Krieges. 86 V g l . 87
103.
D e s G e r ü c h t e s , d a ß d i e Z e h n t p ä c h t e r seine W e r k z e u g e s e i e n .
• • I n d i e s e m V e r t r a g (sponsio)
s i c h e r t e n die P a r t e i e n e i n a n d e r w e c h s e l -
seitig z u , d a ß d e r U n t e r l i e g e n d e d e m S i e g e r e i n e b e s t i m m t e S u m m e zahlen w e r d e . V g l . £ , 1 4 1 . D i e B e z i r k s v e r s a m m l u n g (convcntus).
Vgl. 28.
9° L . C a s s i u s L o n g i n u s R a v i l l a ( K o n s u l 1 2 7 v . C h r . ) hatte sich als R i c h ter den R u f ungewöhnlicher Strenge e r w o r b e n ; vgl. die R e d e für S e x . R o s c i u s , 8 4 f . L . P a p i r i u s P o t a m o : v g l . die R e d e g e g e n C a e c i lius, 29.
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ERLÄUTERUNGEN
630
"
Vgl.
4
off.
»' Vgl. 117. D a M i n u c i u s b e r e i t w a r , m i t 3 0 0 0 0 M a ß e n ü b e r das h ö c h s t e G e b o t des A p r o n i u s h i n a u s z u g e h e n , w a r e e r a u c h b e r e i t g e w e s e n ,
dem
A p r o n i u s d e n s e l b e n B e t r a g als G e w i n n z u k o m m e n zu lassen,
d.h.
i h m die P a c h t für insgesamt 2 4 6 0 0 0 M a ß e abzukaufen. Allein A p r o n i u s l e h n t e a b , da e r und sein A u f t r a g g e b e r V e r r e s einen viel h ö h e r e n G e w i n n zu e r z i e l e n g e d a c h t e n . 94
L . O c t a v i u s ( P r ä t o r u m 7 8 , K o n s u l 7 5 v. C h r . ) h a t t e somit als e r s t e r e i n e K l a g f o r m e l in das p r ä t o r i s c h e E d i k t e i n g e f ü g t , die auf die R ü c k e r s t a t t u n g von g e w a l t s a m o d e r d u r c h D r o h u n g a b g e p r e ß t e n G e w i n nen zielte.
9J V g l . 2 , 6 4 .
138.
I r o n i s c h : C i c e r o m a c h t s i c h ü b e r die A n m a ß u n g des T i m a r c h i d e s lustig, d e r e i n e G e p f l o g e n h e i t d e r h o h e n B e a m t e n ü b e r n o m m e n und seinem Namen
die Amtsbezeichnung
beigefügt hatte.
L . Papirius
P o t a m o : vgl. 1 3 7 . 97
D e r A u s d r u c k «hau zu und schlag d a z w i s c h e n » (caede,
concidt)
ent-
s t a m m t e d e r G l a d i a t o r e n s p h ä r e ; e r h a t t e ü b e r d i e s einen o b s z ö n e n Nebensinn. 98
C i c e r o m i ß d e u t e t a b s i c h t l i c h d i e W o r t e des T i m a r c h i d e s ; e r t u t , als b e z i e h e s i c h d i e W e i s u n g auf das G e f o l g e des V e r r e s ( « i n e u e r G e f o l g e » ) und n i c h t a u f das d e s M e t e l l u s .
99
S e x . P e d u c a e u s und C . L i c i n i u s S a c e r d o s w a r e n als S t a t t h a l t e r von Sizilien ( 7 6 - 7 5 und 7 4 v . C h r . ) die A m t s v o r g ä n g e r des V e r r e s .
100
T i m a r c h i d c s : 2, 6 9 f . 133flf. u . ö . S e x t i u s : j , 11 3. 1 i 8 f . u . ö .
101
V g l . 1, 1 1 3 .
102
C . L a c l i u s : d e r F r e u n d des j ü n g e r e n S c i p i o ( K o n s u l
i5if. 140
v.Chr).
M. Porcius C a t o : der berühmte Zensor (Konsul 195). V g l . d i e e r s t e R e d e g e g e n V e r r e s , 22 ff. »o* M . T e r e n t i u s
Varro
L u c u l l u s und C . C a s s i u s
Longinus w a r e n
die
K o n s u l n des J a h r e s 7 3 v . C h r . 10S V e r r e s w u r d e e r m ä c h t i g t , das G e l d b e i d e n sizilischen S t e u e r p a c h t g e s e l l s c h a f t e n , die m i t d e m Staat G e s c h ä f t s b e z i e h u n g e n
unterhiel-
t e n , a b z u h e b e n ; e r l i e ß es s t e h e n und v e r e i n b a r t e den h o h e n Z i n s satz von z w e i P r o z e n t i m M o n a t . V g l . 2 , 172 fr. « 7 Vgl. 2,
169.
Vgl. 9 4 · 109 D e r S t a t t h a l t e r d u r f t e in s e i n e r P r o v i n z k e i n e r l e i
,o8
Erwerbstätigkeit
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REDE
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C. V E R R E S ,
3. B U C H
63 I
ausüben. Jede Zuwiderhandlung fiel unter das Repetundengesetz. Halaesa war nicht zehntpflichtig. Vgl. 1 3. L. Tullius Cicero, der den Redner begleitete und ihm bei den Ermittlungen half. Vgl. 4, 25. 1 3 7 . 1 4 $ . Unter dem Titel sowohl des eigentlichen als auch des sogenannten zweiten Zehnten. Das folgende bezieht sich lediglich auf den zweiten Zehnten: den eigentlichen Zehnten nahm Verres an, nur den zweiten wies er zurück. Vgl. 1 7 3 .
An den Schreiber Maevius. Vgl. 1 7 5 . • 4 Thermai: vgl. 1 8. Kephaloidion: vgl. 1 0 3 . Amestratos: vgl. 88. Tyndaris: vgl. 103. Herbita: vgl. 47. Genauer: für das zusätzlich auferlegte Getreide. Für den zweiten Zehnten hatte Verres eine Vergütung von 18 Sesterzen je Scheffel erhalten. Vgl. 163. 116 Verres gäbe nur zu, daß er die Pächter, denen er die Beschaffung des Kaufgetreides anvertraut hatte, nicht hinlänglich überwacht habe. Vgl. 185fr. " « Vgl. i , 3 4 f r . Vgl. D.h. " " Vgl. ' » Vgl. wo
i , 90 und 9 $ f f . dem Statthalter von Sizilien. 13. 2, 149ff-
Eigentlich Wachsgeld, eine Gebühr für verbrauchtes Wachs. Die Rechnungsbücher der Römer, zusammenklappbare Holztafeln* waren mit einer Wachsschicht überzogen. Wahrscheinlich im Jahre 80 v . C h r . I2 ' Ciceros Entrüstung gilt einem Typus von Schreibern, der zuvor das verachtete Schauspielergewerbe ausgeübt hatte. Diese Leute verschafften sich mit ihren Ersparnissen den Zugang zu ihrem neuen Beruf; nach Cicero waren sie nunmehr impertinent genug, zu behaupten, sie seien in die zweite Klasse der römischen Bürgerschaft, d . h . in den Ritterstand, aufgestiegen. 116 Dem Senatorenstande. C. Porcius Cato, ein Enkel des Zensors (Konsul 1 1 4 v. Chr.), wurde verurteilt, weil er in seiner Provinz Makedonien Erpressungen begangen hatte. Vgl. 4, 22. ' » · Der goldene Fingerring war ein Vorrecht der Ritter. Wer diesem Stande angehören wollte, mußte ein Vermögen von mindestens 400000 Sesterzen sein eigen nennen. Kranz, Brustschmuck und Halskette dienten als militärische Aus-
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ERLÄUTERUNGEN
Zeichnungen. Der Brustschmuck (phalcrac) bestand in einem Silberschild, der an ledernen Riemen befestigt war und auf der Brust getragen wurde. Vgl. j . S o f f .
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140 141
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144
D . h . mit dem Vermögen, das für die Zugehörigkeit zum Rittersunde erforderlich war. D . h . auf 1 1 Sesterzen (i Denar = 4 Sesterzen). Dieser Schätzpreis galt auch für den Gerstenanteil. D . h . er hat sie um 3 Denare je Maß geschädigt: er gewährte ihnen einerseits die Vergütung nicht, die der Senat bewilligt hatte (1 Denar), und preßte ihnen andererseits die Differenz zwischen seinem «Schätzpreis» und der Vergütung des Senates ab(2 Denare). Vgl. 1 9 7 . Stadt im östlichen Phrygien, zirka 400 km von Ephesos entfernt. Henna: vgl. 4 7 . Phintias: S u d t an der Südküste Siziliens, zwischen Agrigent und Gela. Halaesa: vgl. 1 3 . Catina: vgl. 1 0 3 . Phintias ist etwa 60 k m , Halaesa etwa 50 km und Catina etwa 70 km von Henna entfernt. L. Calpurnius Piso Frugi (Konsul 1 3 3 v . C h r . ) . Das Repetundengesetz entstammte seinem Volkstribunat (149). D . h. diejenigen, die auch Kapitalien oder Häuser besitzen. Vgl. 1 0 3 . Cicero meint hier sowohl den eigentlichen Zehnten als auch das Kaufgetreide; er meint, wie es drei Sätze weiter heißt, das gesamte «Getreide, das fur das römische Volk bestimmt ist.» Für Entscheidungen in Zivilsachen. Vgl. 1 , 119FT. 2, 1 7 f f . Bei einem Strafurteil. Vgl. 2, 6 8 f f . ; dort rügt Cicero vor allem, daß Verres von beiden Parteien Geld genommen habe (78 f.). Vgl. 160. Der ältere Scipio war Statthalter von Sizilien (205 v. C h r . ) ; der Zensor Cato und der jüngere Scipio hatten den Oberbefehl in Spanien inne ( 1 9 $ und 1 3 4 / 3 ) . Dort scheint auch Laelius ein Kommando ausgeübt zu haben (um 144). Q.Lutatius Catulus (Konsul 102 v . C h r . ) war vielleicht Statthalter von Sizilien (um 109). Marius hatte während seines ersten Konsulates und in den darauf folgenden Jahren das Kommando in Afrika inne ( 1 0 7 - 1 0 $ ) . Q.Mucius Scaevola der Pontifex (Konsul 95) verwaltete als Prätor Asien (um 98). M.Aemilius Scaurus übte während seines Konsulates im diesseitigen Gallien den Oberbefehl aus ( 1 1 5 ) . Q.Metellus: wohl Q.Caecilius Metellus Numidicus (Konsul 109), der Vorgänger des Marius in Afrika (109/8). P.Servilius Vatia Isauricus: vgl. 1, 56. Q.Lutatius Catulus: vgl. die
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C. V E R R E S ,
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e r s t e R e d e g e g e n V e r r e s , 4 4 ; e r w a r f d e n A u f s t a n d des M . A e m i l i u s Lepidus nieder ( 7 8 - 7 7 |4Ϊ
v.Chr.).
Q. Caecilius Metellus Macedonicus. Vgl. 4 3 .
146
C . Claudius Marcellus. Vgl. 42 und die R e d e gegen Caecilius, 1 3.
147
M . A e m i l i u s L e p i d u s ( K o n s u l 78 v . C h r . ) w a r i m J a h r e 80 S t a t t h a l t e r
148
M . Antonius Creticus. Vgl. 2 , 8 und die R e d e gegen Caecilius, ς ς .
von Sizilien. ι 4 ' Vgl. 90. 1 $6. Ii« Vgl. I $6. 1,1
C . S e n t i u s ( P r ä t o r 9 4 v . C h r . ) w a r in d e n J a h r e n 9 3 - 8 7
Statthalter
von Makedonien. iSi G e g e n L . A u r e l i u s Cotta (Konsul 6 { v . C h r . ) ; e r w a r b damals, im H e r b s t des J a h r e s 7 0 , f ü r das R i c h t e r g e s e t z , das e r s o e b e n v o r g e schlagen h a t t e . V g l . 2 , 1 7 4 . j , 1 7 7 f . s o w i e d i e R e d e g e g e n C a e c i l i u s , 8 , und d i e e r s t e R e d e g e g e n V e r r e s , 4 3 f f . D i e g e h e i l i g t e S t ä t t e : d i e R e d n e r b ü h n e auf d e m F o r u m (rostra j . • 4 Ü b e r l e i t e n d e F l o s k e l . D i e Ä u ß e r u n g , a u f d i e C i c e r o zu v e r w e i s e n v o r g i b t , ist n i c h t v o r h a n d e n .
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REDE GEGEN VIERTES
C.VERRES
BUCH
Einleitung Das vierte Buch gilt einer eigenartigen M a t e r i e : den Erpressungen und Gewalttaten, d u r c h die sich Verres Kunstgegenstände aller Art anzueignen w u ß t e . Seine Bedeutung erschöpft sich nicht im vordergründigen Geschehen; sie erschöpft sich auch nicht in der Meisterschaft der Darstellung, die ihm seit jeher einen bevorzugten Platz im literarischen CEuvre Ciceros gesichert hat. Das vierte Buch ist für den modernen Leser in besonderer Weise D o k u m e n t . Es behandelt eine pathologische Erscheinung innerhalb eines großen u n d bedeutsamen Vorgangs; es zeigt, welche Exzesse dieser Vorgang, die Hellenisierung Roms, mit sich bringen konnte. Rom hatte von Anfang an d e m Einfluß der griechischen Zivilisation offengestanden; es hatte schon in früher Zeit die Schrift, die M ü n z e , allerlei Rechts- und Kulteinrichtungen sowie manches andere von den Griechen Süditaliens übern o m m e n . Seit den punischen Kriegen war dieser Prozeß in eine neue, in die entscheidende Phase eingetreten. «Griechenland wurde g e n o m m e n ; es nahm seinerseits den rohen Sieger und brachte die Künste ins bäurische L a t i u m » - so lautet eine lapidare Formel, auf die Horaz den Vorgang brachte. Die römische Aristokratie begann, sich sämtlicher Bereiche der griechischen Kultur - der Kunst, d e r Literatur, der Philosophie zu b e m ä c h t i g e n ; sie ergriff diese Dinge u n d machte sie sich d i e n s t b a r : für Propaganda u n d Repräsentation, aber auch als I n s t r u m e n t verfeinerten Lebensgenusses sowie als Schlüssel für eine der Selbstkritik fähige, differenzierte Geisteshaltung.
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REDE
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C.VERRES,
4. BUCH
6^5
Die Kunst wurde zunächst mit barbarischer Gewaltsamkeit herbeigeholt: sie war die Beute des Siegers, der sie im Triumphzug der staunenden Menge zeigte, der sie dann in Rom und in den Städten Italiens aufstellte, als Zierde der Tempel und öffentlichen Plätze. Dem Prunk der Triumphe folgten friedlichere Formen der Aneignung. Griechische Künstler und Kunsthandwerker erhielten römische Aufträge; sie kamen nach Rom und richteten dort ihre Werkstätten ein. Zugleich etablierte sich in der Hauptstadt ein blühender Kunsthandel, und die römischen Auktionshallen boten schlechthin alles feil, was griechische Künstlerhände je hervorgebracht hatten: monumentale Plastiken, Gemälde, Statuetten, kostbares Gerät und erlesenen Schmuck. Gegen Ende des 2. vorchristlichen Jahrhunderts war Griechenland und Rom das Zentrum der griechischen Kunst. Die Römer ergriffen die großen Gattungen, zumal die Plastik, als etwas Fertiges, als Erzeugnis einer längst vollendeten Vergangenheit. Roms Kunstgesinnung war klassizistisch. Die Werke der hellenistischen, bis in die eigene Gegenwart reichenden Epoche lehnte man ab; man bewunderte die Meicter des 6. bis 4. Jahrhunderts, der archaischen und besonders der klassischen Zeit. Diese Grundrichtung des Geschmacks war nicht so eng, daß sie jede Assimilation des Überkommenen verhindert hätte: in einigen Bereichen, beim historischen Relief und beim Porträt, brachten die politischpropagandistischen Motive der römischen Auftraggeber eine durchaus eigenständige Entwicklung hervor. Im übrigen aber diente die Kunst dem privaten Luxus; sie wurde als Schmuck, als Dekoration der Stadtpaläste und Villen verwendet. Gerade dort bekundete sich die klassizistische Haltung des römischen Publikums. Sie bedingte, daß man um jeden Preis klassischer Meisterwerke habhaft zu werden versuchte; sie rief eine rege Kopiertätigkeit ins Leben. Die stets wachsende Nachfrage
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EINLEITUNG
ließ sich gar nicht anders befriedigen als durch unverdrossenes Wiederholen der berühmten Muster; die Künstler brachten es hierin zu solcher Fertigkeit, daß der Handel manche Imitation als Original abzusetzen vermochte. Im Zeitalter der Revolution wuchs die Sammelleidenschaft der römischen Aristokratie. Es wurde geradezu Mode, dem Besucher ein kleines Museum erlesener Gegenstände vorzuführen. Der Redner Crassus besaß kostbare Vasen sowie Metallgefäße mit Treibarbeiten, die er wegen ihres Wertes nicht zu benutzen wagte. Sulla, Lucullus und andere bargen in ihren Villen Statuen und Gemälde von erstem
Rang.
M . Aemilius Scaurus, der Schwiegersohn Sullas, richtete sich als erster ein Gemmenkabinett ein; derselbe Scaurus ließ sämtliche Gemälde des berühmten Pausias von Sikyon (4.Jahrhundert) nach R o m schaffen. Das Vorbild der adligen Herren machte Schule bei den Parvenüs: Chrysogonus, der Günstling Sullas, hatte sein Haus mit den schönsten Dingen aus dem Besitz Geächteter angefüllt, mit Statuen und Gemälden, mit Teppichen, kostbarem Metallgeschirr und ziseliertem Silber. Von diesen Gepflogenheiten der Zeit unterschied sich die Sammelwut des Verres weniger im Prinzip als in den Ausmaßen und Methoden. Cicero sucht zwar seinen Gegner als unwissenden Tölpel hinzustellen, als Banditen, der Kennerschaft nur vortäusche und sich in Wahrheit allein durch Gewinnsucht zu seinem T u n habe bestimmen lassen; er beruft sich hierfür insbesondere auf die Tatsache, daß Verres einmal von seinen eigenen Agenten betrogen worden sei (30fr.). Das Gegenteil ist richtig: Verres besaß die Passion für Kunstdinge, die seine Freunde ihm zuschrieben, und die Kennerschaft, die sein Ankläger ihm streitig machen wollte. Er war kein Neuling mehr, als er das mit Schätzen gefüllte Sizilien betrat; er hatte bereits während seines Aufenthaltes in Asien manch Probestück von seinem Sachverstand - allerdings nicht min-
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C. V E R R E S ,
4. BUCH
637
der von seiner Skrupellosigkeit - abgelegt ( i , 46fr.). So entlarvt auch manches Indiz des vierten Buches seine angebliche Dummheit als rhetorisches Klischee; er hatte ein hinlänglich sicheres Urteil und ging bei seinen Räubereien mit Plan und Überlegung zu Werke. In einem anderen Punkte freilich verdient die ciceronische Darstellung vollauf Zustimmung: schon die Ausmaße lassen vermuten, daß Verres mit seinen Kunstdiebstählen nicht nur der eigenen Leidenschaft frönte, sondern zugleich darauf bedacht war, sich mit wirksamen Geschenken für seine Freunde und Standesgenossen zu versehen. Verres besaß am Ende seiner sizilischen Zeit kein kleines, sondern ein wahrhaft stattliches Museum. Schon im Osten hatten - ein Beweis für seine Kennerschaft - archaische Kunstwerke seine Aufmerksamkeit erregt ( 1 , 46. 49); er ging dieser Neigung auch in Sizilien nach und brachte eine Anzahl ehrwürdiger Kultbilder in seine Gewalt: die uralten Ceresstatuen von Carina und Henna (99fr. 105 ff.), die Diana von Segesta, den Merkur von Tyndaris (72 ff. 84 fr.). Die Hochklassik, das mittlere 5. Jahrhundert, war in seiner Sammlung durch Meisterwerke ersten Ranges repräsentiert: durch einen bronzenen Herkules und einen Apoll des Myron (5 ff. 93), ferner durch zwei bronzene Kanephoren des Polyklet (5 ff.). Auch die Spätklassik, das 4.Jahrhundert, fehlte nicht: Verres hatte sich einen Cupido(Eros) des Praxiteles sowie ein Sapphobildnis des Silanion verschafft (4fr. 125fr.); derselben Zeit entstammten wohl noch einige andere Kunstwerke, deren Schöpfer Cicero nicht anzugeben weiß (37. i27f.). Z u diesen Großplastiken gesellten sich weitere Kostbarkeiten: Statuetten (95f. 110), Elfenbeinschnitzereien (103 f. 124) und Gemälde, vor allem eine Reihe von Porträts der sizilischen Könige (122 f.). Schließlich hatte Verres nicht vergessen, sich mancherlei Schmuck und andere Kleinkunst anzueignen; Cicero erwähnt vor allem einige pbalerae, das heißt Pferde- oder Brustzierate, sowie eine
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EINLEITUNG
ganze Kollektion von Fingerringen mit geschnittenen Steinen (29. 5 7 0 · Dieser künstlerischen Ausstattung entsprach der Prunk der Möbel und Geräte. Verres besorgte sich die kostbarsten Tische, die das Luxusbedürfnis der hellenistischen Zeit ersonnen hatte, Tische aus Lebensbaumholz und Магтог(з7. 1 3 1 ) . Bronzene Speisesofas samt Polstern und Decken ließ er in Mengen für sich und seine Freunde anfertigen (58fr. Vgl. 2, 183); die wertvollsten Decken verschaffte er sich wie üblich durch Raub (27f.). Auch Leuchter galten ihm als Massenware (60. Vgl. 2, 183); doch das Prunkstück seines Hauses machte der meisterlich gearbeitete, mit Edelsteinen verzierte goldene Kandelaber aus, den er dem durchreisenden König Antiochos von Syrien abgenommen hatte (64fr). Am reichlichsten war er mit Metallgefäßen versehen; er hatte ganze Städte darnach durchsuchen lassen (jotf.). So besaß er allerlei Kannen, darunter ein Werk des berühmten Silberschmiedes Boethos, ferner Schüsseln, Schalen und Becher in Fülle sowie Mischkrüge und Räucherpfannen (32. 3 j f f . 46fr. 63. 97f. 131). Auf zwei Dinge hatte er sich mit der größten Leidenschaft geworfen. Einmal war er besonders auf sogenannte korinthische Gefäße erpicht; dieser begehrte Artikel bestand aus einer Kupferlegierung, der Gold und Silber beigemischt wurden (50. 97f. 1 3 1 ) . Zum anderen machte Verres hemmungslos Jagd auf alles Silber, an dem sich Treibarbeiten befanden. Die Reliefs waren meist auf Emblemen angebracht, das heißt auf besonderen Metallstreifen, die man nach der Bearbeitung in das Behältnis eingelassen hatte. Verres trachtete vor allem, diesen figürlichen Schmuck in seinen Besitz zu bringen: er riß ihn ab und behielt ihn für sich; die kahlen Gefäße gab er gewöhnlich den Eigentümern zurück (37. 46ff. 51 f.). Die zahllosen Embleme, deren er sich auf diese Weise bemächtigt hatte, ließ er in einer eigenen Werkstatt von Meisterhand an goldenen Bechern und
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Schalen anbringen (54f.). Schließlich verschmähte er auch Kuriositäten nicht: der Besucher seiner Sammlungen konnte dort mit künstlerischem Zierat versehene Waffen sowie Elefantenzähne und riesige Bambusstangen bestaunen, lauter Dinge, die er aus Tempeln entwendet hatte (97. 103 f. 125). Cicero breitet das Vielerlei der von Verres erpreßten Gegenstände in bunter Folge vor dem Leser aus; er reiht Diebstahl an Diebstahl und scheint sich hierbei ganz seinen Assoziationen zu überlassen. Er hat jedoch in zweifacher Hinsicht mit Bedacht disponiert. Der Stoff ist einerseits auf zwei Hauptabschnitte verteilt: der erste Teil erörtert die Vergehen, deren sich Verres einzelnen Personen gegenüber schuldig gemacht hatte; der zweite behandelt den R a u b von Tempel- und Gemeindegut ( 3 - 7 2 . 7 2 - 1 5 1 ) . Andererseits wird die Fülle der Episoden unverkennbar durch drei Höhepunkte der Darstellung einge-faßt und gegliedert. A m Anfang und am Ende des Buches stehen die ausführlichen Partien über Heius von Messana und über Syrakus ( 3 - 2 8 . 1 1 5 - 1 5 1 ) . Diese Anordnung läßt deutlich hervortreten, wie Verres selbst den Gemeinden mitgespielt hatte, die sich als einzige nicht an der Klage der Sizilier beteiligten; sie entwertet effektvoll das Verhalten der beiden Städte und zumal das lobende Zeugnis, das die von Heius geleitete Gesandtschaft der Mamertiner dem Angeklagten zu erteilen suchte. Die M i t t e des Buches nimmt der Abschnitt über Antiochos ein ( 6 0 - 7 2 ) ; der Autor schildert dort einen ebenso niederträchtigen wie politisch bedenklichen Streich, der ihm ein vorzügliches Bindeglied zwischen dem ersten und zweiten Hauptteil an die Hand gibt. Cicero sucht vor allem zu Beginn seiner Darlegungen geflissentlich
den Eindruck hervorzurufen, daß ihm der Gegen-
stand des Buches, die griechische Kunst, einigermaßen fremd sei. Er erwähnt Praxiteles nicht ohne den Hinweis, er habe sich erst jetzt, bei der Vorbereitung des Prozesses, in diese
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ERLÄUTERUNGEN
M a t e r i e e i n g e a r b e i t e t ; er t u t , als sei ihm d e r N a m e Polyklets e n t f a l l e n ; e r beteuert, daß er für seine Person den W e r t von Kunstwerken
niedrig v e r a n s c h l a g e ( 4 f . 1 3 ; v g l . 94). Diese
Ä u ß e r u n g e n wollen nicht als bare M ü n z e genommen werden. C i c e r o hat sie e i n g e f ü g t , u m einer ü b e r k o m m e n e n , auch zu seiner Z e i t noch verbreiteten A u f f a s s u n g die schuldige R e v e renz zu e r w e i s e n : daß d e r römische A r i s t o k r a t seine W ü r d e b e s c h ä d i g e , w e n n er der K u n s t und anderen unnützen Dingen allzuviel
Aufmerksamkeit
widme.
Die Wirklichkeit
unter-
s c h i e d sich erheblich von diesem traditionellen Leitbildc, und C i c e r o selbst w a r nicht nur mit d e r Philosophie und Literatur, sondern auch mit d e r K u n s t d e r G r i e c h e n gründlicher vertraut als die meisten seiner Z e i t g e n o s s e n . S o bezeugt das vierte B u c h allenthalben seine K e n n e r s c h a f t , u n d zumal seine Urteile u n d B e s c h r e i b u n g e n machen deutlich, daß es ihm auch an E m p f ä n g l i c h k e i t für den R e i z der vollendeten F o r m nicht gefehlt hat. E r s t dieses R ü s t z e u g setzte ihn in den Stand, eine z w e i t e , w i c h t i g e r e u n d mit d e r M a s k e des u n w i s s e n d e n Laien kaum v e r t r ä g l i c h e Rolle w a h r z u n e h m e n : die R o l l e des Mittlers z w i schen griechischem K u n s t s i n n und einem breiteren römischen P u b l i k u m , d e m der v e r h a n d e l t e G e g e n s t a n d u n w i c h t i g erscheinen und das daher die B e s c h w e r d e n d e r Sizilier für überspannt halten mochte. C i c e r o rechnete mit derartigen V o r b e halten und w a r bestrebt, ihnen a u f mancherlei W e i s e e n t g e g e n z u w i r k e n : er
flocht
erläuternde H i n w e i s e ein, um den
R a n g eines K u n s t w e r k s d a r z u t u n ( 4 . 1 2 9 f . ) ; er insistierte auf d e m M a r k t p r e i s , den die v o n ihm g e n a n n t e n D i n g e nun einmal zu erzielen pflegten ( 1 3 f . ) ; er s u c h t e religiöse E m p f i n d u n gen zu mobilisieren ( 4 f . 4 6 f . 6 4 ff. u . ö . ) und berief sich auf das politische A r g u m e n t , daß es u n k l u g sei, den Griechen ein L i n d e r u n g s m i t t e l ihrer K n e c h t s c h a f t zu nehmen ( 1 3 4 ) .
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Erläuterungen 1
2
Begehrte Luxusartikel, die aus bestimmten Kupferlegierungen hergestellt wurden. Vgl. 2, 83. >76. Messana; vgl. i j f f . und 1 5 0 . Mamertiner: vgl. 2, 1 3 .
' Praxiteles: der führende Bildhauer der Spätklassik (4. Jahrhundert). Thespiai: Stadt in Böotien, zirka 1 $ km westlich von Theben. L . M u m m i u s : vgl. 1 , 5 5 . Die Thespiaden : die neun Musen; Thespiai lag am Fuße des Musenberges Helikon. Felicitas: die Güttin des glücklichen Gelingens; der von L. Licinius Lucullus (Konsul 1 ς l v . C h r . ) erbaute Tempel stand im Velabrum, dem Viertel zwischen Kapitol, Forum und Palatin. 4 Neben Phidias und Polyklet der berühmteste Bildhauer der Hochklassik (etwa 4 8 0 - 4 3 0 ) . ϊ Kancphoren: «Korbträgerinnen», Mädchen, die bei Prozessionen Körbe mit Kultgeräten auf dem Kopfe trugen. Polyklet: der berühmte Bildhauer (2. Hälfte des ς. Jahrhunderts), б C. Claudius Pulcher (Konsul 92 v . C h r . ) war im Jahre 99 Adil. Z u r Gepflogenheit, das Forum während der Festperioden mit Statuen zu schmücken, vgl. 1 , 49 und $8. ' Der Glücksgöttin (Tyche), deren Kult in hellenistischer Zeit stark zugenommen hatte. 8
Der Chelidon. Vgl. 2, 1 1 6 . 4, 7 1 . Mit den ein Beil umschließenden Rutenbündeln, dem römischen Symbol der Befehlsgewalt. Verres durfte als Statthalter keinerlei Handelsgeschäfte tätigen; vgl. 3, 1 6 9 . 10 D . h . als Statthalter oder Quästor oder als Adjutant eines Statthalters. 11 Die Kunstkenner. 11 Wenn das Kaufen so geringe Kosten verursacht. Die Redensart besagte in Wahrheit, daß man große Scheu habe, sich durch die Äußerung einer Bitte zu erniedrigen. ·> D . h . 1600 Sesterzen (ι Denar = 4 Sesterzen). 14 Zum folgenden vgl. 2, 1 3 und 1 1 4 . 4, i j o . j , 4 3 f f . " Centuripae, Halaesa: vgl. 3 , 1 3 . Catina, Tyndaris: vgl. 3 , 1 0 3 . Henna, Agyrion : vgl. 3 , 4 7 . 9
Die Sizilier mußten im Bedarfsfalle außer dem Zehnten sogenanntes Kaufgetreide an Rom liefern, für das ein vom Senat festgesetzter Preis gezahlt w u r d e ; dieser Verpflichtung unterlagen auch die abgabenfreien Gemeinden. Vgl. 3, 1 6 3 . Phaseiis: Stadt an der Südküste Kleinasiens, im Grenzgebiet von
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ERLÄUTERUNGEN
Lykien und Pamphylien. P . Servilius Vatia Isauricus: vgl. t ,
56f.
3 , 21 о f. D i e K i l i k i e r , die B e w o h n e r des ö s t l i c h von Pamphylien gelegenen Küstenlandes, w a r e n g e f ü r c h t e t e S e e r ä u b e r . 18
C . P o r c i u s Cato (Konsul 1 1 4 v. C h r . ) : vgl. 3 , 1 8 4 . Seine G r o ß v ä t e r w a r e n L. Aemilius Paullus, d e r Sieger von Pydna (Konsul 1 8 2 und 1 6 8 ) , und d e r Z e n s o r M . P o r c i u s Cato ( K o n s u l 1 9 $ ) , sein O h e i m d e r j ü n g e r e Scipio (Konsul 1 4 7 und 1 3 4 ) .
»9 D e n Aufwand ( Q u a r t i e r , B e f ö r d e r u n g , L e b e n s m i t t e l ) hätten sie dem S t a t t h a l t e r g e s c h u l d e t , sooft e r in Messana Station m a c h t e . Ihre V e r pflichtung zu Hand- und Kriegsdiensten e r g a b sich aus d e m Bündnisvertrage ; sie m u ß t e n insbesondere ein b e m a n n t e s Kriegsschiff s t e l l e n ; vgl. 2 ι und 1 5 0 . 10
43
ff.
Vgl. 2 , ς2 und ι f 4 . 4 , 1 ς ι .
21
Den P . G a v i u s . Vgl. ς,
12
D . h . bei den U n t e r t a n e n in den Provinzen. Vgl. die Rede gegen
i58ff.
Caecilius, 7 . * Basiliscus und die P e r c e n n i e r hatten auf B e t r e i b e n des Pompeius das
a
r ö m i s c h e B ü r g e r r e c h t e r h a l t e n ; sie trugen n u n m e h r seinen N a m e n . Vgl. 2 , 2 0 und 2 3 . 3 , 6 9 . 4 , 3 7 und 4 8 . 14
Vgl· 3, ι 7 0 . 4 , 1 37 und 1 4 5 . D i e B e w o h n e r von R e g i u m (an der M e e r e n g e von Messina; heute R e g g i o ) hatten während des Bundesgenossenkrieges ( 9 1 - 8 8 v . C h r . ) das r ö m i s c h e B ü r g e r r e c h t e r h a l t e n .
χ
6 Eigentlich «attalische D e c k e n » . Sie waren mit G o l d d u r c h w i r k t und hießen nach i h r e m a n g e b l i c h e n Erfinder, e i n e m d e r p e r g a m c n i s c h e n Könige namens Attalos.
* 7 Z i e r s c h e i b e n am Zaumzeug. Seit d e m 2. J a h r h u n d e r t v. C h r . dienten die phalerae
auch als militärische Auszeichnung, d i e auf der Brust
getragen w u r d e ; vgl. 3 ,
I8J.
C i c e r o m e i n t w o h l den zweiten syrakusanischen König dieses Nam e n s , den S c h ö p f e r der sizilischen S t e u e r o r d n u n g ( 2 7 5 - 2 1 ς ν. C h r . ) . Stadt im südlichen P h r y g i e n , an d e r G r e n z e nach L y k i e n . ϊο Vgl. i ,
128.
3* Ein Bildhauer und S i l b e r s c h m i e d des 3 . J a h r h u n d e r t s . "
Vgl. 3 , $ 0 .
33 W ä h r e n d d e r R ö m i s c h e n S p i e l e ; vgl. die e r s t e R e d e gegen V e r r e s , 3 1 . L. C o r n e l i u s S i s e n n a : d e r M i t v e r t e i d i g e r des V e r r e s ; vgl. 4 3 und 2, 1 1 0 . E r war damals Ädil und s o m i t V e r a n s t a l t e r d e r hier e r w ä h n ten Z i r k u s s p i e l e . 34 Es w a r S i t t e , S c h a u s p i e l e r , die besonders gefallen h a t t e n ,
durch
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REDE GEGEN
C. V E R R E S ,
4. BUCH
64}
einen silbernen Kranz o d e r eine ähnliche G a b e auszuzeichnen. Da Her W e r t , d e n d i e s e A n g e b i n d e h a b e n d u r f t e n , v o n G e s e t z e s w e g e n b e g r e n z t w a r , p f l e g t e m a n sie s o n i e d r i g w i e m ö g l i c h zu t a x i e r e n . "
W ä h r e n d der sizilischrn Statthalterschaft. Vgl. 1 , 60.
"
V g l . 2 5 . Q . L u t a t i u s C a t u l u s ( K o n s u l 78 v . C h r . ) w a r M i t g l i e d d e s G e r i c h t s h o f e s , d e r ü b e r V e r r e s zu b e f i n d e n h a t t e ; v g l . 6 9 f .
"
Aus dem wohlriechenden
Holze des orientalischen
Lebensbaumes
(Thuia orientalis). "
H a f e n o r t an d e r N o r d w e s t s p i t z e Siziliens ( h e u t e T r a p a n i ) .
"
N a c h 1 , 1 4 0 h a n d e l t e es s i c h l e d i g l i c h u m ein M ü n d e l ; d e r K o m p l i c e heißt dort A . Claudius.
40
C . Claudius Marcellus: vgl. 3, 4 2 .
41
Heute Malta.
41
T h e r i k l e i s c h e B e c h e r : Trinkschalen mit zwei H e n k e l n ; d e r N a m e w u r d e auf einen korinthischen T ü p f e r , der T h e r i k l e s geheißen habe, z u r ü c k g e f ü h r t . M e n t o r : e i n b e r ü h m t e r S i l b e r s c h m i e d aus u n b e k a n n t e r Z e i t ; s e i n e W e r k e w u r d e n v o n d e n R ö m e r n sehr g e s c h ä t z t .
4
' E i n e E p i s o d e aus d e r Sage v o n d e n Ö d i p u s s ö h n e n . A d r a s t o s , K ö n i g v o n A r g o s , s u c h t e s e i n e n S c h w i e g e r s o h n P o l y n e i k e s nach T h e b e n zur ü c k z u f ü h r e n . S e i n S c h w a g e r , d e r S e h e r A m p h i a r a o s , w u ß t e , daß n i e m a n d d e n F e l d z u g ü b e r l e b e n w e r d e ; e r hielt sich v e r b o r g e n , u m n i c h t t e i l n e h m e n zu m ü s s e n . P o l y n e i k e s b e s t a c h E r i p h y l e , d i e F r a u d e s A m p h i a r a o s , m i t e i n e r k o s t b a r e n H a l s k e t t e , i h m das V e r s t e c k ihres G e m a h l s zu v e r r a t e n . A m p h i a r a o s m u ß t e sich n u n m e h r an d e m Z u g e beteiligen.
44
C i c e r o v e r w e n d e t scherzhaft Ausdrücke der militärischen S p r a c h e ; das W o r t « G e r ä t s c h a f t e n » (rasa)
bezeichnet hier die Pmnkgefaße
des Diodoros. 4
' Vgl. i , 1 2 6 . 1 3 3 . 3, 28. 84. 4, 30. 4 7 . j ,
46
146.
U m n o t f a l l s das G e r i c h t zu b e s t e c h e n . S t h e n i u s : v g l . 2 , 8 2 f f .
47
Vgl. 2, 3 7 .
41
D . h . T r i n k h ö r n e r , d e r e n S p i t z e in e i n e n P f e r d e k o p f a u s l i e f .
49
L . Papirius P o t a m o : vgl. die R e d e gegen Caecilius, 29.
*° G e l d a u s t e i l e r : vgl. die erste R e d e gegen V e r r e s , 2 2 f f . Daß Verres sich d i e P r ä t u r e r k a u f t h a b e , v e r l a u t e t a u c h in d e r e r s t e n R e d e , 2 3 , s o w i e in d e r z w e i t e n R e d e , 1 , 1 0 0 . M i t d e m A n k l ä g e r ist d i e P e r s o n g e m e i n t , d i e ihn d a r a u f h i n w e g e n u n e r l a u b t e r W ä h l e r b e e i n f l u s s u n g (ambitus) >• V g l .
belangen w o l l t e .
2J.
' * Kaiakte: vgl. 3, 1 0 1 . L.Licinius Lucullus (Konsul 74 v . C h r . ) führte
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644
" 14
ERLÄUTERUNGEN
damals den Krieg gegen Mithridates VI. von Pontos. Vgl. 3, .03. Lateinisch everriculum; ein übersetzbares Wortspiel mit dem Namen des Verres. Vgl. 2, 18f. ς ΐ . Anspielung auf das Appellativum verres («Eber», «Schwein»). Vgl. ι, 1 2 1 , und die Rede gegen Caecilius, 57. Cn. Cornelius Lentulus Marcellinus: vgl. die Rede gegen Caecilius,
58
61
6a
•3D. h. in einer Tracht, die eines römischen Statthalters unwürdig war. Cicero nennt drei Männer namens L.Calpurnius Piso Frugi. D e r Großvater (Konsul 133 v . C h r . ) erließ das erste Erpressungsgesetz; V S'· 3» ! 9 £ · D e r Vater verwaltete als P r ä t o r die Provinz Spanien (im Jahre 11 3 oder 112). D e r Sohn war - ebenfalls als Prätor - Kollege des Verres und schritt häufig gegen dessen Entscheidungen e i n ; vgl. ι , 119. V e r r e s : vgl. 53. Pisos Beiname Frugi bedeutet «rechtschaffen», «redlich». Segesta: vgl. 3, 13. N e t u m : Sikulerstadt im Inneren Siziliens, zirka 30 k m südwestlich von Syrakus (heute N o t o antica). Ä t n a : vgl. 3 , 4 7 . H c l o r o s : vgl. 3, 103. König Antiochos X.Eusebcs von Syrien, der Vater der hier genannten Könige, w u r d e im Jahre 83 v . C h r . von seinem armenischen Nachbarn Tigranes ( 9 7 - 5 6 ) aus seinem Reiche v e r t r i e b e n . Etwa im Jahre 74 begaben sich die Söhne, Antiochos XIII. Asiatikos und dessen Bruder, nach R o m . Offenbar hatten sie damals ihr väterliches Erbe bereits z u r ü c k g e w o n n e n ; sie beanspruchten n u n m e h r auch den T h r o n Ägyptens, da ihre M u t t e r Kleopatra Selene eine P t o l e m ä e r i n war. D e r Senat jedoch ließ sie nicht einmal vor, weil er sich, wie Cicero andeutet, mit wichtigeren Dingen zu befassen hatte : m i t den Kriegen gegen Sertorius (in Spanien), gegen König Mithridates VI. (in Asien), gegen die Seeräuber sowie gegen die Gladiatoren unter Spartacus. Antiochos XIII. war der letzte regierende S e l e u k i d e ; Pompeius setzte ihn ab, und sein Land w u r d e romische Provinz (64 v. C h r . ) . D e r Jupitertempel auf d e m Kapitol war im Jahre 83 v . C h r . abgebrannt. Das neue Gebäude, das Sulla zu e r r i c h t e n begonnen h a t t e , w u r d e erst im Jahre 69 von Q . Lutatius Catulus (Konsul 78 ; vgl. 37) vollendet und g e d e i h t . Vgl. 69f. Sie haben Catulus beauftragt, das Bauwerk zu vollenden.
Vgl. 7.
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61
67
REDE
GEGEN
C. V E R R E S ,
4. BUCH
645
Vgl. 1, 45 fr. Perge : Stadt in Pamphylien. Da sie, wie die Römer, von den Trojanern des Aeneas abzustammen behaupteten. Vgl. Vergil, Äneis, 5, 700fr. Der Fall Karthagos beendete den vom jüngeren Scipio geführten 3. punischen Krieg ( 1 4 9 - 1 4 6 v . C h r . ) .
« Vgl. 2, 8 5 ff. Gela: vgl. 3, 1 0 3 . Phalaris: Tyrann von Agrigent (6. Jahrhundert v. C h r . ) ; seine Grausamkeit gab Anlafl zu der hier erwähnten Legende vom ehernen Stier. 7 ° Im Jahre 75 v . C h r . Vgl. 3, 47. 71 D. h. Nichtgriechen, Sikaner oder Punier, die vor allem im Westen der Insel ansässig waren. 72 P.Cornelius Scipio Nasica (Konsul ςι v . C h r . ) ; er gehörte zu den Beiständen des Verres. Er wurde später von Q . Caecilius Metellus Pius (Konsul go) adoptiert und nannte sich seither Q. Caecilius Metellus Pius Scipio Nasica. 7J Bei den Nachkommen. Nur Adlige durften Porträtmasken ihrer Ahnen in der Vorhalle des Hauses aufstellen (ius imaginum). Vgl. zu dieser Partie die zweite Rede über das Siedlergesetz, 1 ff., die Rede für Murena, 1 7 , sowie die zweite Rede gegen Verres, 3, 7 f f . und j , 180 ff. 74 P.Servilius Vatia Isauricus, Richter im Prozeß des Verres: vgl. 1 , 56f. 3, 21 o f . Nach Ciceros Worten suchte er damals den Kunstwerken, die er in seinem Triumph über die Seeräuber vorgeführt hatte (74 v. Chr.), einen dauernden Standort zu verschaffen. 71 Der Jupitertempel auf dem Kapitol. Vgl. 69 f. ™ vgl. 3 , 1 0 3 . 77 Die Marceller, die Nachkommen des Eroberers von Syrakus, waren die prominentesten Schutzherren Siziliens; vgl. 2, ς 1 . 3, 45. 4, 89ff. sowie die Rede gegen Caecilius, 1 3 . C.Claudius Marcellus: vgl. 3, 42 und 2 1 2 . 78 M.Claudius Marcellus Aeserninus: ein anderes, im übrigen unbekanntes Mitglied der Familie. " Ein städtischer Beamter, der das Gymnasium (die Turnschule) beaufsichtigte. Vgl. ς, 1 8 5 . Vgl. J . · ' D . h . den städtischen Beamten, die ähnliche Aufgaben hatten wie die römischen Quästoren und Ädilen: die «Quästoren» verwalteten die Tempeleinkünfte; die «Ädilen» waren für die öffentliche Sicherheit verantwortlich.
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646 8i
ERLÄUTERUNGEN
D e r F a n g d e s E b e r s v o m E r y m a n t h o s g e h ö r t e zu d e n z w ö l f A r b e i t e n , die Herkules im Dienste des Eurystheus vollbringen mußte.
Zum
W o r t s p i e l V e r r e s - verres ( « E b e n » , « W i l d s c h w e i n » ) v g l . 5 3 . Α s s o r o s , H e n n a : vgl. 3, 4 7 . Chry&as: d e r heutige Dittaino. 84
E n g y o n : vgl. 3 , 1 0 3 . D e r G r o ß e n M u t t e r : d e r K y b e l e , einer kleia s i a t i s c h e n F r u c h t b a r k e i t s g ö t t i n . C i c e r o hat s i c h indes g e i r r t ;
der
T e m p e l zu E n g y o n w a r v i e l m e h r k r e t i s c h e n G o t t h e i t e n g e w e i h t , die «Göttliche Mütter» genannt w u r d e n . 85
D . h . aus e i n e r b e s t i m m t e n K u p f e r l e g i e r u n g . V g l .
1.
86 V g l . 3 8 . 87
M . A n t o n i u s C r e t i c u s ( P r ä t o r 7 4 v . C h r . ) h a t t e s i c h in den 74-71
Jahren
v e r g e b e n s b e m ü h t , sie zu b e s e i t i g e n ; e r s t P o m p e i u s m a c h t e
d e m U n w e s e n ein Ende (67 v . C h r . ) . 88
D e s K ö n i g s v o n N u m i d i e n ( g e s t o r b e n 1 4 8 v . C h r . ) . E r trat im 2. pun i s c h e n K r i e g e v o n d e n K a r t h a g e r n zu d e n R ö m e r n ü b e r und w a r seitdem Karthagos erbittertster Feind.
89
D . h . d e r D e m e t e r , d e r G ö t t i n des G e t r e i d e s , u n d d e r e n T o c h t e r Persephone (lateinisch Proserpina).
90
V o n H a d e s - P l u t o n , d e m G o t t d e r U n t e r w e l t , d e r sie zu s e i n e r G e mahlin machte. D e m e t e r suchte vergebens die geraubte
Tochter;
sie z o g s i c h z u r ü c k u n d ließ k e i n G e t r e i d e m e h r w a c h s e n . Z e u s v e r m i t t e l t e d a r a u f h i n e i n A b k o m m e n : P e r s e p h o n e s o l l e ein D r i t t e l des J a h r e s i n d e r U n t e r w e l t u n d d i e ü b r i g e Z e i t b e i den o l y m p i s c h e n Göttern zubringen. 91
D e r lateinische N a m e des Pluton.
91
Insbesondere die eleusinischen Mysterien.
D a s H a u p t f e s t fand i m
S e p t e m b e r statt. E i n e P r o z e s s i o n zog v o n A t h e n nach E l e u s i s ; sie feierte dort die W i e d e r k e h r Persephones und ihre Vereinigung mit der Mutter. 95
D i e sibyllinischen B ü c h e r w a r e n eine S a m m l u n g von
Orakelsprü-
c h e n ; sie w u r d e n i m T e m p e l d e s k a p i t o l i n i s c h e n J u p i t e r a u f b e w a h r t . D e r r ö m i s c h e Staat z o g sie in k r i t i s c h e r L a g e , w e n n b ö s e V o r z e i c h e n s i c h e i n s t e l l t e n , zu R a t e : das f ü r sie z u s t ä n d i g e P r i e s t e r k o l l e g i u m , die «Zehnmänner» männer»),
erhielt
(decemviri; den
i h n e n zu e r s c h l i e ß e n .
seit S u l l a quindeeimviri,
Auftrag,
geeignete
«Fünfzehn-
S ü h n e maßnah m e n
P . M u c i u s Scaevola und L . C a l p u r n i u s
Frugi waren im Jahre 1 3 3 v . C h r . Konsuln. Der römische
aus Piso
Ceres-
t e m p e l stand a m w e s t l i c h e n E n d e d e s C i r c u s M a x i m u s . 94
Ein attischer H e r o s ; e r brachte den M e n s c h e n den A c k e r b a u , den er von D e m e t e r erlernt hatte.
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ZWEITE
9J
REDE
GEGEN
C. V E R R E S ,
4. BUCH
647
Lorbeer- oder O l i v e n z w e i g e , die mit W o l l b i n d e n u m w u n d e n w a r e n , d i e n t e n als K e n n z e i c h e n S c h u t z s u c h e n d e r .
"
Ein a n d e r e r l a t e i n i s c h e r N a m e d e s H a d e s - P l u t o n .
97
P . P o p i l i u s Laenas und P . R u p i l i u s w a r e n i m Jahre 1 3 2 v . C h r . K o n suln. Rupilius e r o b e r t e T a u r o m e n i o n und Henna und schlug h i e r m i t den i . sizilischen Sklavenaufstand n i e d e r ; vgl. 3 ,
"
I2{.
Centuripae: vgl. 3, 1 3 . A g y r i o n , Ätna, Herbita: vgl. 3, 4 7 .
»» V g l . 3 , 100
4
6ff. 120ff.
D e r D e m e t e r - K u l t ist w o h l v o n U n t e r i t a l i e n aus n a c h R o m g e l a n g t ; d i e r ö m i s c h e n C e r e s f e i e r n a h m t e n in a l l e n E i n z e l h e i t e n g r i e c h i s c h e Riten nach.
101
Vgl. z . B . die erste R e d e gegen V e r r e s , 1 3 , ferner die zweite R e d e ,
101
A m landeinwärts gelegenen E n d e . H i e r d u r c h w i r d die «Insel» v o m
3 , 1 8 6 und v o r a l l e m ς, 92 ff. Festlande abgeschnitten. I0
* Bis z u r M ü n d u n g u n d Z u f a h r t an d e r S e e s e i t e .
104
Ein A m t s g e b ä u d e griechischer Städte.
10! T y c h e o d e r t y c h a b e d e u t e t Jortuna,
«Glück»;
Neapolis
bedeutet
«Neustadt». 106 N a c h e i n e m B e z i r k , d e r T e m e n o s h i e ß . 107
Ein D o p p e l t e m p e l d e r « E h r e » u n d d e r « T a p f e r k e i t » ; e r s t a n d i m Süden der Stadt, in d e r N ä h e d e r P o r t a C a p e na.
108 IO
Eines Königs von Syrakus ( 3 1 7 - 2 8 9
v.Chr.).
* Den erwähnten D o p p e l t e m p e l des Honos und der V i r t u s ; Marcellus hatte ihn b e r e i t s z e h n J a h r e z u v o r , in e i n e r S c h l a c h t g e g e n d i e G a l lier, gelobt.
1
E i n
1 1 1
bedeutender Bildhauer der Spätklassik (4. J a h r h u n d e r t ) .
Tempel der F e l i c i t a s : vgl. 4. Siegesdenkmal des Catulus: ein von dem Kimbernsieger Q . L u t a t i u s Catulus (Konsul 1 0 2 v . C h r . ;
vgl.
3, 2 0 9 ) e r j ^ u t e r F o r t u n a t e m p e l ; d o r t stand e i n e A t h e n e d e s P h i d i a s . Säulenhalle des M e t e l l u s : (Konsul
von Q . Caecilius Metellus
Macedonicus
1 4 3 ) e r r i c h t e t ; s i e stand a u f d e m M a r s f e l d e , s ü d l i c h d e s
Circus Flaminius. T u s c u l a n u m : ein - nur für sehr Wohlhabende ers c h w i n g l i c h e r - L a n d s i t z b e i T u s c u l u m (Stadt i n L a t i u m , z i r k a 2 5 k m s ü d ö s t l i c h v o n R o m , h e u t e F r a s c a t i ) . D a s F o r u m in s e i n e m S c h m u c k u s w . : vgl. 6. 1 1 1
P ä a n : ein H e i l g o t t , d e r o f t m i t A p o l l i d e n t i f i z i e r t w u r d e . L i b e r : d e r lateinische
Name
des Dionysos.
Aristaios:
Sohn
des A p o l l ,
ein
bäuerlicher Segensgott. 115
Der Beiname bedeutet «der günstigen Fahrwind sendet».
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б48
ERLÄUTERUNGEN
114
Т . Quinctius Flamininus, der Sieger über König Philipp V. von Makedonien (Konsul 198 v . C h r . ) . " > Bevor es durch den Brand des Jahres 83 v . C h r . vernichtet wurde. Vgl. 64. An der Mündung des Bosporus. Pontus: das Schwarze Meer. 117 Der berühmte Mathematiker wurde bei der Eroberung der Stadt von einem römischen Soldaten erschlagen. " « Kostbare Prunktische, die ihren Namen von der Ähnlichkeit mit einem delphischen Dreifuß erhalten hatten. L. Licinius Crassus, der berühmte Redner, und Q.Mucius Scaevola Pontifex, die Konsuln des Jahres 95 v. Chr., hatten auch das Ädilenamt gemeinsam verwaltet (um 100 v . C h r . ) . C.Claudius Pulcher: vgl. 6. 1,0
Regium: vgl. 26. Thespiai, Cupido: vgl. 4. Knidos: Stadt auf der weit vorspringenden Südwestspitze Kleinasiens; die knidische Venus war das berühmteste Werk des Praxiteles (4. Jahrhundert). Kos: Insel der südlichen Sporaden, vor der Südwestküste Kleinasiens; die koische Venus war ein berühmtes Werk des Apelles (4. Jahrhundert). Alexander: eine Darstellung Alexanders des Großen, ebenfalls von Apelles. Kyzikos: Hafenstadt am Südufer des Marmarameeres. lalysos: ein Heros, der die gleichnamige Stadt auf Rhodos gegründet hatte. Iakchos : Kultname des Dionysos. Paralos: ein attischer Heros, dem man die Erfindung des Dreiruderers zuschrieb. Myron: vgl. j ; die Kuh war eines seiner berühmtesten Werke. Vgl. 2, 3 5 f f . ,,a Vgl. 3, 7 7 f f . i , 8. f. I2 > Vgl. 2, 1 8 6 f f .
Ι2Ϊ 126
Dieser Heraclius ist nicht mit dem soeben erwähnten Syrakusaner gleichen Namens identisch. Vgl. 3, 1 7 0 . 4, 7ς und 1 4 5 . Vgl. die Rede gegen Caecilius, 1 1 . 14.
127
Vgl. 1 2 8 . Die griechischen Ringkämpfer pflegten sich mit Öl einzureihen. 128 L. Caecilius Metellus, der Nachfolger des Verres. Vgl. 2 , 1 2 . 64. 119 Die römischen Senatoren wurden nach Rangstufe und Anciennität befragt; der Vorsitzende rief ihre Namen auf. • )o Der zweite Amtsvorgänger des Verres. Vgl. 3, 1 $6. Vgl. 2, 1 5 1 . 1,2 Vgl. $, 1 0 3 f r . 9 j f f . Cicero selbst genoß dieses Vorrecht schon seit seiner Quästur.
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REDE
GEGEN
C. V E R R E S ,
4.
BUCH
1)4
Q.Caecilius Metellus Numidicus: Konsul 109 v . C h r . L.Licinius Lucullus: der Vater des berühmten Lucullus t Prätor 1 0 4 ; er wurde nach seiner sizilischen Statthalterschaft wegen Unterschlagung angeklagt und verurteilt. • » Vgl. 2, 64. 1 3 8 . «Von Gott mit Wahnsinn geschlagen.» 4 7 Vgl. ι j f f .
" * Verres-Fest: vgl. J 4 . Marcellus-Fest: vgl. 2, j i . 1 5 4 .
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REDE GEGEN FÜNFTES
C.VERRES
BUCH
Einleitung Die Philologen der Kaiserzeit ersannen Überschriften für die Teile der zweiten Verres-Rede; das fünfte Buch hieß ihnen De suppliciis - «Von der peinlichen Gerichtsbarkeit», «Von den Leibesstrafen». Mit diesem Titel trafen sie freilich nur den düster-pathetischen Schluß, den sie mit guten Gründen für ein Paradestück rhetorischer Meisterschaft hielten: das Ganze müßte etwa «Verres als Oberbefehlshaber» oder «Die öffentliche Sicherheit Siziliens während der Statthalterschaft des Verres» genannt werden. Denn eben hiervon handelt das fünfte Buch: von den Hoheitsrechten, vom imperium eines höchsten römischen Beamten, von dem, was den Kern dieses imperium ausmachte, vom militärischen Kommando und von der Strafgewalt. Der antike Titel verfehlt die Sache noch aus einem anderen Grunde. Er hebt den Gegenstand eines Abschnitts hervor; er isoliert diesen Abschnitt und verdeckt hierdurch, was dem fünften Buchc zuallererst besondere Anziehungskraft verleiht: die kunstvolle Verknüpfung der Teile. Cicero hat hier nicht wie in den vorausgehenden Büchern einfach das sachlich Zusammengehörige aneinandergereiht; er hat jeder Partie ihren notwendigen Platz zugewiesen, an dem sie unverrückbar dem Wirkungszweck des Ganzen dient. Zwei M i t t e l bedingen dieses Resultat: einmal der Ablauf der konkreten Ereignisse, den Cicero als Erzählzusammenhang reproduziert, zum anderen die prozeßtaktische Verwendung dieser Ereignisse, die Cicero als den Zusammenhang der Argumentation transparent werden läßt.
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Z T t l T l REDE GEGEN C.VERRES. S • BI CH
65 I
Das fünfte Buch gliedert sich in zwei Hauptabschnitte ( 1 - 1 3 8 . 139-170). Der erste Abschnitt geht von einem möglichen Einwand der Gegenseite aus. Cicero erörtert auch sonst, was die Verteidigung vorgebracht hatte oder vorbringen könnte: das dritte Buch zerpflückt zu wiederholten Malen das Argument, Verres habe den sizilischen Getreidezehnten günstig verpachtet (3,4off. 48ff. 70ff. и.о.); das vierte Buch attakkiert immer wieder die Ausrede, Verres habe seine Kostbarkeiten käuflich erworben (4,8ff. 27fr. 35fr. и.о.). Im fünften Buch setzt Cicero sich mit folgender Entgegnung auseinander: «Verres habe durch seine hervorragende Tapferkeit und Umsicht die Provinz Sizilien in bedenklichen und furchterregenden Zeiten sicher vor entlaufenen Sklaven und vor Kriegsgefahren bewahrt» ( j , 1). Dieser Einwand war nicht ungefährlich. Er hatte zwar kein juristisches Gewicht; er konnte den Vorwurf der Erpressung weder entkräften noch abschwächen. Im spätrepublikanischen Rom machten jedoch nicht nur Hochverratsfälle, sondern auch alle Erpressungssachen ein Politikum aus; politische Gesichtspunkte bestimmten das Urteil oft stärker als noch so zwingende Schuldbeweise. Z u diesen Gesichtspunkten zählte insbesondere das Argument: «Unser Mann hat es vielleicht in Gelddingen nicht immer sehr genau genommen; aber er ist ein guter Feldherr, dessen Rom heute dringender bedarf als je zuvor.» Cicero hat selbst ein Zeugnis dafür hinterlassen, welche Wirkung man sich von einem derartigen Räsonnement erhoffen durfte: die Thesen, die er zu Beginn des fünften Buches als mögliche Position der Gegenseite umschreibt, lassen sich geradezu als Resümee seiner eigenen Verteidigungsrede für Fonteius auffassen. Im dritten und vierten Buch nennt Cicero die Einwände der Gegenseite, um sie zu widerlegen oder als unbegründet hinzustellen. Das fünfte Buch geht über diese Verwendungsweise hinaus: dort münzt die Kunst des Anklägers die angebliche
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EINLEITUNG
Rechtfertigung alsbald in neue Schuldvorwürfe um. Ciceros Darlegungen nehmen zweimal diesen Lauf; die beiden Abschnitte, aus denen der erste Hauptteil besteht ( 1 - 4 1 . 42-138), gelangen gleichermaßen zu dem paradoxen Resultat, daß sich Verres als militärischer Oberbefehlshaber nicht nur keinerlei Verdienste erworben, sondern daß er eben diese Funktion zu weiteren schweren Erpressungen mißbraucht habe. Den Hintergrund geben hier wie dort die schweren sozialen Störungen ab, die zu den düstersten Kapiteln jener düsteren Zeit gehören: der Sklavenaufstand des Spartacus, der während der Statthalterschaft des Verres in Italien wütete, und die seit Jahrzehnten sich verschlimmernde, erst von Pompeius im Jahre 67 v. Chr. erfolgreich bekämpfte Seeräuberplage. Der erste Abschnitt gilt dem «General» Verres, seinen militärischen «Erfolgen» zu Lande, seinem Verhalten im Sklavenkriege. Der Autor hat schon hier die Gewichte sorgfältig verteilt. Eine mit Ironie gespickte Argumentation macht den Anfang ( 1 - 9 ) . Ihr folgt die eigentliche Substanz: Cicero erörtert Fälle; er zeigt, daß Verres selbst aus der Pflicht, für die öffentliche Sicherheit einzustehen, persönlichen Gewinn zu ziehen verstand (10-24). Hier, zumal bei den Darlegungen über Apollonios aus Panormos, läßt sich zum ersten Male das empörte Pathos vernehmen, das die Grundfarbe des ganzen Buches ausmacht. Dann wieder eine Partie, die in vorwiegend heiterer Tönung ein minder gewichtiges Thema behandelt: eine ebenso anschauliche wie witzige Satire schildert den soldatischen» Lebenswandel, dessen sich Verres in Sizilien befleißigt habe ( 2 5 - 4 1 ) . Der zweite Abschnitt des ersten Hauptteils ist dem «Admiral» Verres, seinem «Kampf» gegen die Seeräuber gewidmet. Er legt dar, welche Maßnahmen der Angeklagte in dieser Obliegenheit zu treffen für gut befand, und verweilt des längeren bei den Folgen, die sich hieraus ergaben. Cicero hat sich am
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Schluß des ersten Abschnitts hinlänglich um unterhaltsame Beigaben bemüht; er geht nunmehr sofort in medias res und führt die Tatsachen vor: Verres verzichtete gegen Entgelt auf Beiträge zur Verteidigung, die der römische Staat den Siziliern aufzuerlegen pflegte; er verkaufte den Mannschaften Urlaub und eignete sich außerdem die Mittel an, die für deren Unterhalt bestimmt waren; er schwächte hierdurch die von ihm befehligte Flotte derart, daß sie ihrem Zweck, dem Schutz der sizilischen Küsten, nicht mehr zu genügen vermochte(42-62). Immerhin muß Cicero in der folgenden Partie einräumen, daß den Offizieren des Verres auch einmal ein Erfolg zuteil wurde: sie brachten ein mit Beute beladencs PiratenschifTauf. Er weiß jedoch selbst aus dieser löblichen Tat Kapital für seine Anklage zu schlagen: Verres habe sich sofort der Beute bemächtigt und aus Gewinnsucht einen Teil der Piraten, zumal deren Hauptmann, der gerechten Strafe entzogen (63-79). Bis hierhin reichen die Darlegungen, die das militärische Kommando des Verres als Quelle von Erpressungen und anderen widerrechtlichen Gewinnen anprangern. Die folgende Partie ist allerdings noch eng mit dem Hauptthema verknüpft. Cicero hat bislang nicht eigentlich dargetan, in welchem Maße das Verhalten des Verres der Effektivität des Küstenschutzes abträglich war. Dieser Beweis wird nunmehr erbracht; Cicero schildert die Tragikomödie vom Untergang der sizilischen Flotte (80-100). Doch dann entfernt sich das fünfte Buch Schritt für Schritt vom juristischen Kern der Anklage. Der Erzählzusammenhang-der längste im ganzen Verrinenwerketritt jetzt an die Stelle der Argumentation: er ist das die Einzelheiten verbindende Element; er trägt weiter und führt von der Tragikomödie der Flottenkatastrophe zur Tragödie des Strafgerichts, das Verres über die unschuldigen Schiffskommandanten ergehen ließ (100-138). Hiermit endet, nach stetiger Steigerung des Pathos, der erste Hauptteil des fünften Buches.
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EINLEITUNG
Der zweite Hauptteil ist nach Ciceros eigenem Geständnis eine Zutat, fast ein Hors de propos: er gilt nicht mehr den sizilischen Untertanen, den Erpressungen und sonstigen Verbrechen, die Verres an ihnen beging; er gilt der widerrechtlichen Züchtigung und T ö t u n g römischer Bürger. Mit Bedacht hat Cicero diese besonders stark an romische Gefühle appellierende Partie für den Schluß aufgespart. Er hat auch Vorsorge getroffen, daß sie sich dem Leser nicht allzu unvermittelt präsentiert: die Gewaltakte an römischen Bürgern setzen fort und überbieten, was der vorausgehende Abschnitt, der Bericht von der Bestrafung der SchifTskommandanten, eingeleitet hatte. Dieser Abschnitt ist somit die Klammer der beiden Hauptteile: er vermittelt zwischen den Erpressungen und den alle Gesetzesschranken mißachtenden Bluturteilen des Verres. Der Schluß des Buches ( 1 7 1 - 1 8 9 ) führt zurück zur
fiktiven
Prozeßsituation. Cicero wendet sich noch einmal mit mahnenden Worten an die Richter und an den Verteidiger Hortensius; er geht nochmals auf die politische Bedeutung ein, die dem Verfahren gegen Verres zukomme; er kündigt nochmals an, welche Maßnahmen er zu ergreifen gedenke, wenn der Angeklagte freigesprochen werde ( 1 7 1 - 1 8 3 ) . Cicero endet mit einer emphatischen Anrufung der Götter. Das kühne, über mehrere Seiten sicherstreckende Satzgebilde rekapituliert zugleich den Hauptinhalt des vierten Buches: es zählt sämtliche Freveltaten auf, die der Kunsträuber Verres an den Göttern verübt hatte ( 1 8 4 - 1 8 9 ) . Das fünfte Buch bekundet allenthalben, in den Stilmitteln, im Wechsel der Stimmungen, in der Steigerung des Pathos, einen größeren künstlerischen Aufwand als die vorausgehenden Teile des Verrinenwerkes; es ist in besonderem Maße für ein lesendes Publikum konzipiert. Dieses Merkmal gilt auch für das Charakterbild des Angeklagten, das nunmehr sein end-
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gültiges Relief, seine an die Geschlossenheit einer Dramenfigur gemahnende Schärfe erhält. Die Habgier ist nach wie vor der beherrschende Zug, die mächtigste Triebfeder im Verhalten des Verres. Sie offenbart sich jedoch erst jetzt in ihrer ganzen Gefährlichkeit; sie erreicht bei der Entlarvung der militärischen Vergehen die Dimension des Hochverrats. Auch die Genußsucht, der Hang zu Ausschweifungen macht eines der von Anfang an begegnenden Grundmotive im Charakterbild des Verres aus; auch diesem Laster verleiht Cicero zumal im fünften Buch, in den satirischen Schilderungen des ersten Hauptteils (2$ ff. 80 ff), überaus lebhafte Farben. Ähnliches gilt endlich für den dritten hervorstechenden Zug im Porträt des Verres, für die Brutalität, die Grausamkeit: dieser Zug war ebenfalls schon immer präsent; er wird ebenfalls im fünften Buch, in Schilderungen, die alle Register der Rhetorik beanspruchen (iooff. 158fr.), zu äußerster Intensität gesteigert.
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Erläuterungen
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M'.Aquilius (Konsul 101 v . C h r . ) schlug in den Jahren 1 0 1 - 9 9 den sizilischen Sklavenaufstand unter Athenion nieder. Er wurde nach seiner Rückkehr wegen Erpressungen angeklagt; es gelang seinem Verteidiger M. Antonius (Konsul 99 ; vgl. die Rede gegen Caecilius, 2 j ) , seine Freisprechung zu erwirken. Von Athenion, einem «König» der Aufrührer; er wurde im gleichen Kampf von Aquilius getötet.
' M. Licinius Crass us Dives (Konsul 70 und j j ν. Chr.) errang den entscheidenden Sieg über die Anhänger des Spartacus; Pompeius vernichtete einen Rest (71 v . C h r . ) . * An den Ozean: auf dem Landwege an die atlantische Küste. Peloris: die nordöstliche Spitze Siziliens (heute Capo di Faro). ' L.Domitius Ahenobarbus (Konsul 94 v . C h r . ) war wenige Jahre nach dem Sklavenaufstand Statthalter von Sizilien. 4 Der Hirte war also Sklave. 7 C.Norbanus: vgl. j , 1 1 7 . Im Bundesgenossenkrieg ( 9 1 - 8 8 v . C h r . ) erkämpften sich Roms italische Verbündete das römische Bürgerrecht. I Triokala, ein Städtchen im Inneren Siziliens (zirka ςο km nordwestlich von Agrigent, heute Troccoli), hatte während des 2. sizilischen Sklavenaufstandes dem Tryphon, einem «Könige» der Empörer, als Residenz gedient. 9 Die Mitglieder des Richterrates: die Beisitzer mit beratender Stimme, die Verres nach römischer Gepflogenheit zuzog, wenn er Gericht hielt. Die Bezirksversammlung der römischen Bürger: vgl. 3, 28. 10 Durch das Anbinden an den Pfahl: der Kreuzigung pflegten Geißelhiebe und andere Martern vorauszugehen. Vgl. 14. II Für Gavius. Vgl. i j 8 f f . " L. Aemilius Paullus Macedonicus: vgl. 1 , 55. " Apollonia: vgl. 3, 1 0 3 . Imachara: vgl. 3, 47. 14 Vgl. 3. 1 3 · Cn. Cornelius Lentulus Clodianus (Konsul 72 v . C h r . ; vgl. 2, 9$) war im Jahre 70 Zensor. Die Rutenbündel (Jasces), die Beile: die bekannten römischen Symbole staatlicher Befehlsgewalt; sie wurden den Beamten von
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Bütteln (lictores) vorausgetragen. Als Statthalter mit prätorischen Befugnissen gebot Verres über sechs Büttel. Vgl. 2, 1 1 . 4 , 8. Des Q.Fabius Maximus Verrucosus (Konsul 2 3 3 , 228, 2 1 5 , 2 1 4 und 209 v . C h r . ) ; seine hinhaltende Taktik im Kampf gegen Hannibal brachte ihm den Beinamen Cunctator, «der Zauderer», ein. Favonius: der Zephyr, ein warmer Westwind, der im Februar zu wehen beginnt. Erst, wenn er eine Rose erblickte: erst gegen Ende des Frühlings.
Konige von Bithynien: der letzte, Nikomcdes IV., war im Jahre 74 v . C h r . gestorben; er hatte sein Reich den Römern vermacht. Sänften wurden im allgemeinen nur von Frauen und Gebrechlichen benutzt. Mclitisches Polster: die Stoffe aus Melita (heute Malta) zeichneten sich durch ihre Feinheit aus; vgl. 2, 176. 10 Dem Dionysos, dem Gott des Weines. Vgl. 4, 1 2 8 . 21 Den Trinkgelagen der Griechen und Römer pflegte ein von den Teilnehmern gewählter «Gelagekönig» (rex convivii) zu präsidieren, der die Zahl der Becher, das Mischungsverhältnis von Wein und Wasser u . a . bestimmte. 22 Cicero nennt Umstände, die gerade im Sommer zu einer Sklavenrevolte führen konnten und daher den Statthaltern besondere Vorsicht geboten. 2 * Vgl. 4, 1 1 8 . 24
Vgl. 3. 78. Einen weiten Urnhang (pallium) pflegten nur Griechen zu tragen, und die bis an die Knöchel reichende Tunica war eigentlich ein Frauenkleid. Vgl. 4, (4. ς, 40. 86. 1 3 7 . 16 Vgl. 3. 17 Hinweis auf zwei Formen galanter Annäherung, auf eine gröbere und eine weniger grobe. 18 Bedeutende Stadt in Oberitalien, bei der Mündung der Trebbia in den Po (heute Piacenza). Wen Ciccro mit dem «Glücksspieler» meint, ist nicht erkennbar; er wird seine Gründe gehabt haben, sich mit einer dunklen Andeutung zu begnügen. 29 Die Spielschulden, die er im Lager des «Glücksspielers aus Placentia» gemacht hatte. L. Licinius Lucullus und M. Aurelius Cotta waren Konsuln, als Verres die städtische Prätur innehatte (74 v. Chr.). Wie alle Rechtsbescheide des Stadtprätors u s w . : vgl. 1 , 104. 106. 1 2 0 . 1 3 6 f r . 2, 39. З.78. >• Die nächtlichen Besuche des Verres verstießen gegen sakralrecht-
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ERLÄUTERUNGEN
lieh gesicherte Grundsätze des römischen Verfassungsbrauchs. Die Stadt Rom war frei von jeglichem militärischen Kommando; innerhalb der Mauern hatten die Oberbeamten (Konsuln, Prätoren) nur eine beschränkte, die Provinzstatthalter (Prokonsuln, Proprätoren) gar keine Befehlgewalt. Wenn diese Amtspersonen Rom verließen, um in einen Krieg zu ziehen oder ihre Provinz aufzusuchen, so brachten sie auf dem Kapitol feierliche Gelübde für ihre glückliche Rückkehr dar. Außerdem versicherten sie sich durch auspicia, durch die Beobachtung des Vogelflugs, der Zustimmung Jupiters; schließlich vertauschten sie, sobald sie die Stadtgrenze überschritten, das bürgerliche Kleid, die Toga, mit dem purpurfarbenen Feldherrn mantel (paludamentum), und zugleich versahen die sie begleitenden Büttel ihre Rutenbündel mit den in der Stadt verpönten Beilen. Nunmehr waren alle Voraussetzungen für die rechtmäßige Ausübung der Kommandogewalt erfüllt; sie blieben so lange gültig, als der Inhaber des Kommandos nicht wieder nach Rom zurückkehrte. Dieser Grundsatz betraf vor allem die wichtigste der Auszugszeremonien, die Beobachtung des Vogelflugs: einerseits durfte niemand ein selb ständiges Kommando ausüben, der nicht gültige Auspizien besaß; andererseits erloschen die Auspizien, sobald ihr Träger wieder die Stadtgrenze überschritt. Verres, der sich nach dem feierlichen Auszug noch eine Weile vor der Stadt aufhielt, büßte durch seine geheimen Visiten sowohl sein Kommando als auch seine Auspizien ein; er hätte, um diesen Mangel abzugleichen, zumindest die Auspizien erneuern müssen. Cicero umschreibt einige Kompetenzen seines künftigen Amtes: die Ausrichtung von Spielen und die Polizeiaufsicht über die Stadt R o m . Die Spiele zu Ehren der Ceres, des Liber und der Libera (der Demeter, des Dionysos und der Persephone; vgl. 4, 106 und 1 2 8 ) , die ludi CeriaUs, fielen in die Zeit vom 1 2 . - 1 9 . April. Die Spiele der Flora, einer italischen Vegetationsgöttin, dauerten vom 28. April bis zum 3. Mai. Die Römischen Spiele, die der kapitolinischen Göttertrias Jupiter-Juno-Minerva geweiht waren, begannen am ς. und endeten am 19. September; vgl. die erste Rede gegen Verres, 3 1 . Cicero hatte seit seiner Quästur Sitz und Stimme im Senat; da die Senatoren nach ihrer Rangstufe befragt wurden (vgl. 4, 142), rückte er als Ädil in eine günstigere Position auf. Die mit einem Purpursaum verbrämte Toga, der kurulische Stuhl (ein mit Elfenbein beschlagener Klappstuhl) und das Bildnisrecht (vgl. 4, 8 1 ) waren Privilegien, die nur den höheren Magistraten vom Ädilen an aufwärts, den sogenannten kurulischen Beamten, zukamen.
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>4 Verres hatte seine Prätur angeblich durch Bestechung erlangt. Vgl. 4 , 4 J . "
Die Prätoren wurden von den Zenturiatkomitien, d.h. durch eine Form der Volksversammlung gewählt, die aus 193 Stimmabteilungen (centuriae) bestand. Man stimmte nach Vermögensklassen: der Wahlleiter forderte zuerst die Zenturien der Ritter und der ersten Klasse, dann die der zweiten zur Abstimmung auf usw. Innerhalb einer jeden Klasse hatten die Zenturien der Jüngeren, der Wehrpflichtigen (das Dienstalter reichte bis zum 46. Lebensjahr), den Vorrang vor den Zenturien der Älteren. Das Ergebnis wurde zenturienweise ausgerufen, d. h. der Herold machte kund, welche Zenturien jeweils einen Kandidaten gewählt hatten. Die Aufsicht über die Zivilrechtsprechung unter römischen Bürgern. Vgl. 1 , 104.
>7 Tempsa lag an der tyrrhenischen Küste des Bruttierlandes (zirka 1 0 0 km nordöstlich von Messina; heute Torre del Casale). Die Stadt wurde offenbar von einem Haufen aus den Resten des SpartacusHeeres heimgesucht. "
Die Bewohner der Stadt Vibo, die von den Römern den Namen Valentia erhalten hatte; sie lag ebenfalls im Bruttierlande, etwa auf halbem Wege zwischen Messina und Tempsa (heute Monteleone). " Nach R o m ; vgl. 3 1 . Wie das folgende zeigt, hatte Verres damals bereits die Rückreise aus der Provinz angetreten. 40
Vgl· 4 , S4- i . 3 ' · 86. 1 3 7 . Der Tempel der Bellona, der römischen Kriegsgöttin, stand auf dem Marsfelde, nördlich des Circus Flaminius. Der Senat benutzte ihn oft fiir Sitzungen. 41 Die Mamertiner: vgl. 2, 1 3 . Zum folgenden vgl. 2, 1 3 . 1 1 4 . 4 , 3. 1 5 ff. 1 $0. 4 > Stadt in Lukanien, an der tyrrhenischen Küste, zirka 35 km südöstlich von Paestum (heute Castelammare della Bruca bei Pisciotta). 44 Vgl. 2, 99. 4 > Eine lex Claudia des Jahres 2 1 8 v . C h r . untersagte der führenden Schicht die Beteiligung am Seehandel: sie verbot den Senatoren und deren Söhnen den Besitz von Schiffen, die mehr als 300 Amphoren (1 Amphore — zirka 26 I) zu fassen vermochten. ^ Doch in eigener Sache u s w . : Senatoren pflegten Italien nur in amtlichem Auftrage zu verlassen. In denen dir jeder Besitz verboten ist: jeder Erwerb, den ein Statthalter in seiner Provinz tätigte, fiel unter das Repetundengesetz; vgl. 3, 169. 4, 8 f f .
41
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ERLÄUTERUNGEN
Vgl. 4, 26. Die Fetialen waren ein Priesterkollegium, das den völkerrechtlichen Verkehr überwachte. Sie hatten insbesondere Kriege zu erklären und beim Abschluß von Friedensverträgen mitzuwirken. Sie konnten auch Truppenführer, die völkerrechtliche Grundsätze oder Abmachungen verletzt hatten, an die Gegenseite ausliefern.
49
Vgl. 3, 1 3 . Vgl. 3, 1 6 3 . ϊ 1 Als Bewohner einer ciritas censoria, deren Abgaben von den Zensoren in Rom verpachtet wurden. Vgl. 3, 1 3 . I i Vgl. 4, 20. " Der beiden Amtsvorgänger des Verres. Vgl. 3, 1 56. 14
Vgl. 4. J9» Vgl. 4, .9. Kolonien: von Römern oder Latinem gegründete Gemeinden. Munizipalstädte: die angestammten Siedlungen der italischen Verbündeten; ihre Bewohner besaßen seit dem Bundesgenossenkriege ( 9 1 - 8 8 v . C h r . ) das volle römische Bürgerrecht. ' 7 Der Ausdruck «Bundesgenossen und Latiner» (socii et Latini) bezeichnete die Gesamtheit der italischen Verbündeten. Nachdem alle Italiker das römische Bürgerrecht erhalten hatten, kamen besondere Truppenkontingente von ihrer Seite nicht mehr in Betracht; sie dienten nunmehr in den römischen Legionen. ' · Ein Quästor und ein Adjutant (legatus) des Verres. Vgl. 4, 146. 49· " D . h . Gefangene, die als Sklaven verkauft werden sollten. Die Örtlichkeit hieß nach der im 2. punischen Kriege zerstörten Stadt Megara (zirka 20 km nördlich von Syrakus). 61 P.Servilius Vatia Isauricus : vgl. 1, $6f. 3, 2 i o f . 4, 2 1.
61
"
64
" « " " 69
Vgl. 3, 1 3 . Q.Sertorius (Quästor 90 v . C h r . ) , ein Marianer, hatte versucht, in Spanien einen eigenen Staat zu gründen. Er wurde von Pompeius bekämpft und von Verschwörern aus den eigenen Reihen ermordet (72 v . C h r . ) . Vgl. 146. ι s ι ff. Vgl. . 4 3 fr. Cicero droht mit einem Verfahren wegen Hochverrats. Vgl. 1 , 1 2 . Vgl. 2 9 f. Vgl. 4 , 1 1 7 Г . Vgl. ι , 1 1 3 . ι j 1 f. 3, ι $9. Vgl. 3. 77.
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7 ° C i c e r o m e i n t das « V o r r a t s - » o d e r « S c K i t z p r e i s g e t r e i d e » , das d e m S t a t t h a l t e r u n d d e n ü b r i g e n r ö m i s c h e n B e a m t e n zustand. V g l .
],
188 ff. 71
M i l i t ä r i s c h e C h a r g e n u n t e r h a l b des L e g a t e n .
7* V e r w a n d t s c h a f t l i c h e B e z i e h u n g e n zu R o m w u r d e n n u r v o n Segesta ( v g l · 3 . ι 3 ) b e a n s p r u c h t . V g l . 4 , 7 2 . ς, 7
> Vgl. 4,
74
ιις.
1,5ff.
T y n d a r i s , H e r a k l e i a , A p o l l o n i a , H a i u n t i o n : v g l . 3, 1 0 3 .
Herbita:
vgl· 3. 4 7 · 71
v
76
V o r g e b i r g e an d e r S ü d o s t e c k e Siziliens ( h e u t e C a p o P a s s e r o ) .
77
g l . 4 . ί 4 · 5. 3 " · 40.
137·
E b e n f a l l s e i n V o r g e b i r g e an d e r S ü d o s t e c k e S i z i l i e n s , z i r k a 1 0 k m w e s t l i c h des P a c h y n o s .
78
Vgl. 3,
79
D i e B e w o h n e r v o n L o k r o i , e i n e r Stadt i m L a n d e d e r B r u t t i e r , an
,03.
der Küste des ionischen Meeres (heute G e r a c e Marina, Locri). >° V g l . i , 6 7 f r . 81
Vgl. . ,
82
V g l . 3 , 2 8 . D e r s y r a k u s a n i s c h e conventus w ä r e e b e n f a l l s in V e r r u f
70.
g e r a t e n , w e n n d i e M e n g e d e m V e r r e s G e w a l t angetan h ä t t e ; v g l . i , 69. »> V g l . 4 ,
1.7.
Dort endete im Jahre 4 1 3
v.Chr.
die sizilische E x p e d i t i o n ,
ein
politisches A b e n t e u e r Athens, mit einer katastrophalen Niederlage. C i c e r o ü b e r t r e i b t a l l e r d i n g s , w e n n e r b e h a u p t e t , die a t t i s c h e F l o t t e habe aus 3 0 0 S c h i f f e n b e s t a n d e n ; sie w a r in W i r k l i c h k e i t e t w a h a l b so g r o ß . "
Vgl. 84 f.
86 V g l . 4 , 1 0 6 f f . 87
Vgl. 2, 2 1 . 3, 90Λ
88
V g l . 2 , 82 ff.
89
A r i s t e u s . V e r r e s setzt, o h n e den E i n w u r f zu b e a c h t c n , seine halt-
90
Vgl. 3,
91
C e r v i u s g e h ö r t e also zu d e n R i c h t c r n , die V e r r e s v o r B e g i n n des
losen A n s c h u l d i g u n g e n f o r t . 185.
P r o z e s s e s a b g e l e h n t h a t t e . V g l . 1 , 1 7 f . 3, 9 7 . 9
"
* Vgl. 4,
73
f f . 93. 97f.
D i e s e A n z a h l v o n s i z i l i s c h e n S t ä d t e n hatte sich den R ö m e r n g e g e n ü b e r als b e s o n d e r s z u v e r l ä s s i g e r z e i g t .
9
< Vgl.
4>
72. ϊ ,
83.
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662 "
ERLÄUTERUNGEN
Vgl. 4.
·3ί·
D e r N a m e A c h a i a w u r d e d a m a l s f ü r d i e T e i l e G r i e c h e n l a n d s verw e n d e t , d i e e i n s t d e m a c h ä i s c h e n B u n d e a n g e h ö r t h a t t e n , insbesond e r e f ü r die Peloponnes. 97 Vgl. i , 82 ff. 9i Vgl. 2, 1 2 . 6 4 f . 1 3 9 . 1 5 6 . 3, 1 2 2 . 99
A n s p i e l u n g auf d i e R e d e n s a r t Mars communis belli, « D a s Kriegsglück ist a l l e n g e m e i n » , d. h . es s t e h t bald auf d e r e i n e n , bald auf d e r a n d e r e n Seite.
100 101
N e t u m : vgl. 4 , $9. A m e s t r a t o s : vgl. 3 , 8 8 . H e n n a , A g y r i o n : vgl. 3, 4 7 . D i e s e B e m e r k u n g s c h e i n t auf d e n R i c h t e r u n d k ü n f t i g e n
Prätor
M . C a e c i l i u s M e t e l l u s g e m ü n z t zu s e i n . Vgl. d i e e r s t e R e d e gegen V e r r e s , 26. 30fr. ,ox
Die r ö m i s c h e n Beamten d u r f t e n zwar F r e m d e u n d Sklaven, nicht a b e r i h r e M i t b ü r g e r k ö r p e r l i c h z ü c h t i g e n . Vgl. 1 6 3 .
105
V g l . 3, 50.
io4 D i e s w u r d e o f f e n b a r v o n i r g e n d j e m a n d e m , z . B . v o n d e m sklaven,
behauptet.
Verres wollte
nun
in
einem
Venus-
Feststellungs-
v e r f a h r e n p r ü f e n lassen, o b S e r v i l i u s e i n E h r e n m a n n sei. H i e r z u b e d u r f t e es e i n e s V e r t r a g e s , e i n e r sponsio(vgl.
3, 1 3 5 ) ; in d e m n a c h -
f o l g e n d e n V e r f a h r e n h ä t t e n sich d i e P a r t e i e n - S e r v i l i u s u n d d e r w i l l k ü r l i c h v o n V e r r e s b e n a n n t e B ü t t e l - n o m i n e l l u m die v e r s p r o c h e n e S u m m e , in W i r k l i c h k e i t a b e r w e g e n des V o r w u r f s g e s t r i t t e n , d e n m a n gegen Servilius e r h o b . W ä r e dieser V o r w u r f f ü r stichhaltig e r k a n n t w o r d e n , so h ä t t e S e r v i l i u s n i c h t n u r d i e 1 0 0 0 S e s t e r z e n , s o n d e r n auch seine bürgerliche Ehre, die «Existenz», v e r l o r e n : der Prozeß, den Verres ihm aufzuzwingen suchte, k o n n t e i h m die lebensl ä n g l i c h e Besch ö l t e n h e it (infamia)
einbringen, und hieraus wären
ihm zahlreiche erhebliche Nachteile erwachsen. Als S t a t t h a l t e r m i t p r ä t o r i s c h e n B e f u g n i s s e n g e b o t V e r r e s ü b e r insgesamt sechs Liktoren. 106 V e r r e s . Vgl. 2, 2 4 . Vgl. 2, 1 1 5 f . 108 D i o n y s i o s 1. v o n Syrakus ( 4 0 5 - 3 6 7 v . C h r . ) . 109 Vgl. 6 8 f . 1,0
Sie h a t t e n das R e c h t , d e n B ü r g e r d u r c h i h r V e t o v o r Ü b e r g r i f f e n a n d e r e r B e a m t e r zu s c h ü t z e n ; d i e s e B e f u g n i s k a m i h n e n j e d o c h n u r im Stadtgebiet von R o m zu.
111
Z . B . die Laistrygonen der h o m e r i s c h e n Odyssee ( 1 0 , 8 0 f f . ) , ferner Sinis, S k i r o n u n d a n d e r e U n h o l d e des g r i e c h i s c h e n M y t h o s .
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ZWEITE
REDE
GEGEN
C.VERRES,
5. B U C H
663
1,1
Vgl. 4, 73* •>' Charybdis, Skylla, Zyklop: die bekannten Ungeheuer der Odyssee; Charybdis und Skylla wurden gewöhnlich an der Meerenge von Messina lokalisiert. Von der Skylla, dem bellenden Untier mit sechs Köpfen und zwölf Armen, stellte man sich auch vor, daB ihr Leib von Hunden umgürtet sei; Cicero benutzt dieses Motiv zu einer Anspielung auf die «Hunde»(i, 126. 133. 3, 18 u. ö.) des Verres. 1.4 Soldaten des Sertorius: vgl. 72. Dianium: Hafen an der spanischen Ostküste gegenüber der Insel Ibiza (heute Denia). 1 " Die Sizilier bezeichneten die Hinrichtung durch den Euphemismus «Sie erhielten die ihnen von Rechts wegen zukommende Strafe.» Nomadenvolk der südrussischen Steppe vom Don bis zur Donaumündung. 117 Cicero droht mit einer Anklage vor dem Volk; vgl. 1, 12 ff. j , 1 7 3 . 17 8 f. An erhabenener Stätte: von der Rednerbühne, den rostra, aus; vgl. 3, 223. ••« Vgl. i , 34fr. 1,9 M. Perperna (Prätor 82 v. Chr.), das Haupt der Verschwörung gegen Sertorius. Er befehligte nach dessen Tode das sertorianische Heer und wurde von Pompeius besiegt, gefangengenommen und hingerichtet (72 v.Chr.). Wie sie Sulla über seine politischen Gegner verhängt hatte (82/81 v.Chr.). Stadt an der kampanischen Küste, zirka 12 km westlich von Neapel (heute Pozzuoli), der bedeutendste Handelshafen in Süditalien. 111 Leptis Magna, Stadt an der Küste von Tripolitanien. ·'» Vgl. 7 1 . 114 Compsa oder Consa: Stadt im südlichen Samnium, zirka 80 km östlich von Neapel (heute Conza di Campania). 1.5 Valentiner: vgl. 40. Reginer: vgl. 4, 26. Vgl. 42 ff. 127 Der Aufständischen unter Spartacus. 128 Porzisches Gesetz, Sempronische Gesetze: sogenannte Provokationsgesetze, in denen Grundrechte des römischen Bürgers fixiert waren. Es gab mehrere Itges Porciae; Cicero meint hier das von Cato Censorius im Jahre 198 oder 19s v.Chr. eingebrachte Gesetz, das die Geißelung von Bürgern verbot. Eine ki Sempronia des Gaius Gracchus (weshalb Cicero den Plural verwendet, ist unerfindlich) nahm ältere Bestimmungen wieder auf: hiernach war einzig die Volksversammlung befugt, Bürger zum Tode oder zu schweren
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ERLÄUTERUNGEN
Geldbußen zu verurteilen; vgl. die Rede für Rabirius, 1 2 . О heftig vermiBte . . . Tribunengewalt: die sullanische Verfassung hatte die Rechte der Volkstribunen erheblich beschnitten; Pompeius und Crassus, die Konsuln des Jahres 70 v. C h r . , stellten sie in ihrem alten Umfange wieder h e r ; vgl. die Rede gegen Caecilius, 8, sowie die erste Rede gegen Verres, 44 fr. Vgl. 2 2. 1.0
Vgl. 3 , 1 3 . Vgl. 3 , 9. Dort befand sich auch die Rednerbühne (rostra). D . h. schon im ersten Monat von Ciceros Amtsführung. Cicero droht abermals mit einer Anklage vor dem Volke. Vgl. i , 1 2 ff. $, 1 5 1 . 178 f. Ή Anspielung auf einen Justizskandal, in den Hortensius verwickelt war. Vgl. die Rede gegen Caecilius, 24. ' ) ) M.Terentius Varro, der Angeklagte in der Wachstafelaffare, war ein Vetter des Hortensius. 4 « Der Gesetzesvorschlag des Pritors L. Aurelius Cotta. Vgl. die Rede gegen Caecilius, 8, die erste Rede gegen Verres, 4 3 f r . , sowie die zweite Rede, 2 , 1 7 4 . 3, 2 2 3 f . D . h . daß er sich in die Verbannung begeben w ü r d e , ehe er abgeurteilt sei. Ciceros Räsonnement beruht auf der Fiktion, daß Verres sich doch noch der zweiten Verhandlung gestellt habe. Vgl. 2, 1 f. 4 » Zum folgenden vgl. 3 , 7 fr. 4 , 8 1 . 159 Cicero nennt hier einige «Neulinge» (homines no ν/ j, d.h. Männer, die als erste ihres Geschlechts vom Ritterstande zum höchsten Jahresamt aufgestiegen w a r e n ; vgl. die Rede für Murena, 1 7 . M. Porcius Cato, der berühmte Z e n s o r : Konsul 1 9 5 v . C h r . ; vgl. die Rede gegen Caecilius, 66. Q . P o m p e i u s : Konsul 1 4 1 . C.Flavius Fimbria: Konsul 104. C . C a e l i u s Caldus: Konsul 94. i4o Jupiter, dessen königliche Weihegabe: vgl. 4 , 6 0 f f . Dessen hochheiliges und stattliches Bildnis: vgl. 4 , 1 2 8 f f . Melita (heute Malta): vgl. 4 , 1 0 2 f f . Samos: vgl. i , ( o f f . Minerva . . . zu Athen: vgl. 1 , 4 ; . Minerva . . . zu Syrakus: vgl. 4 , 1 2 2 f f . Latona: vgl. 1 , 48. Delos: vgl. i , 46fr. Chios: vgl. 1 , 49. Perge: vgl. 1 , { 4 . Segesta: vgl. 4, 7 2 f f . Merkur . . . im Gymnasium der Tyndaritaner: vgl. 4, 84fr. Herkules: vgl. 4 , 9 4 f . Ida: Gebirge in der südlichen Troas (Kleinasien), die Heimat der Großen Mutter, der Kybele. Engyon: vgl. 4, 9 7 f . Kastor und P o l l u x : vgl. 1 , i 2 9 f f . Ihr Götter alle, die ihr bei den Spielen u s w . : vgl. 1 , 1 54. Ceres und Libera: vgl. 4, tob ff. Catina: vgl. 4, 9 9 f f . Henna: vgl. 4, 1 0 9 f f . 1.1
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KARTE DES R Ö M I S C H E N
SIZILIEN
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PERSONENREGISTER Z U B A N D I I I U N D IV Das Verzeichnis führt nur die Paragraphen auf, in denen der lateinische Text den betreffenden Namen erwähnt. Die eingeklammerten Zahlen nennen Stellen, die einen Namen in adjektivischer Form verwenden. Identifikationen von Trägern gleichen Namens sind gelegentlich unsicher ; das Verzeichnis befolgt in diesen Fällen das Mögliche und Wahrscheinliche. Abkürzungen
Div. in Caec.: Rede im Vorverfahren gegen Q. Caecilius Verr. I: Erste Rede gegen C. Verres Verr. II: Zweite Rede gegen C. Verres
Ad.: Adil
K . : Konsul Die auf diese Abkürzungen folgenden Zahlen P r . : Prätor nennen das Amtsjahr bzw. die Amtsjahre Q . : Quästor T r . : Volkstribun pass.: passim; in zahlreichen Paragraphen der betreffenden Rede M'.Acilius Glabrio Tr. 122 Verr. I ($1). $2. II ( 1 , 26) M'.Acilius Glabrio K. 67 Verr. I 4. 29. 4 1 . $ 1 . II 1, 30. 2, 64. ς, 76. i , '63 Aegritomarus Div. in Caec. 67. Verr. Q 2, 1 1 8 C. Aelius Staienus Paetus Verr. II 2, 79 Aemilius Alba Verr. II 3, 145 f. 3, 148 M.Aemilius Lepidus K. 78 Verr. II 3, 212 L.Aemilius Paullus Macedonicus K. 182. 168 Verr. II 1, 55. 4, 22. S.
'+•
i.
Ii
M. Aemilius Scaurus Κ. 11 ς Verr. I D 3, 209 Aeneas Verr. Π 3, iyo Africanus —»• Cornelius Scipio Agathinos Verr. Π 2, 89. 2, 92. 2, 94. 2, 1 1 6 Agatbokles von Syrakus Verr. Π 4, 12 2 Agonis Div. in Caec. j j f .
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A i s c h r i o n V e r r . II
36. 2, 50. 3, 7 7 Γ 4, $9. j , 3 1 . $, 81
Aischylos V e r r . II 4, 48 Alba -»• A c m i l i u s Alba T . A l b u c i u s P r . ι ο ς D i v . in C a e c . 63 A l e x a n d e r d e r G r o ß e von M a k e d o n i e n V e r r . II 4 , 135 Alienus D i v . in C a e c . 48 f. A n d r o n V e r r . 11 2, 1 5 6 . 3, 108. 3, 1 1 4 Annaea V e r r . II ι , 11 1 C . A n n a e u s B r o c c h u s V e r r . II 3, 93. 3, 9 7 Annia V e r r . II 1, 153. 2, 21 L . A n n i u s V e r r . II 1, 10$ M . A n n i u s V e r r . II 1, 14. ζ, 73 f. ζ, ι ς6 P. A n n i u s Asellus V e r r . II 1, 104. 1, 107. 1, 110. 1, 1 1 3 . ( 1 , 118). 1, 21 A n t h r o p i n o s V e r r . II 5, 90 A n t i o c h o s III. von Syrien V e r r . II 1, ς ς A n t i o c h o s X . (Eusebes) von Syrien V e r r . II 4, 6 1 A n t i o c h o s XIII. (Asiatikos) v o n Syrien V e r r . II 4 , 6 1 . 4 , 6 4 , 6 7 . 4 , 6 9 f . C . A n t i s t i u s V e r r . II 3, 167Λ M . A n t o n i u s K. 9 9 D i v . in C a e c . 25. V e r r . II 1, 6 0 . 2, 191 f. ς, з . (ς,
}l)
M . A n t o n i u s C r e t i c u s P r . 7 4 D i v . in C a e c . $5. V e r r . II 2, 8. 3, 2 1 3 . 3, 21 j f . A p o l l o d o r o s L a p h i r o n V e r r . II 2 , 1 9 A p o l l o d o r o s Pyragros V e r r . II 3, 7 4 . 4 , 50 ApoIIonios —*• C l o d i u s A p o l l o n i o s G e m i n u s , S o h n d e s D i o k l e s V e r r . I I $, 1 6 f f . L. A p p u l e i u s Div. in C a e c . 4 7 L. A p p u l e i u s S a t u m i n u s T r . 103. 100 V e r r . II i , 151 Q . A p r o n i u s V e r r . II 2, 1 0 8 . 3, 2 2 f . 3,
3, 2 7 f r . ( 3 , 2 8 ) . 3, 3 i f .
3, 3 6 f f . 3, $0. 3, $ 4 . j , j 6 f f . 3, 6 0 f f . 3, 6 j . 3, 6 7 f r . ( 3 , 7 2 ) . 3 , 7 6 . 3 , 7 8 . 3, 84. 3, 9 1 . 3, 9 6 . 3, 1 0 0 . 3, 1 0 3 f r . 3, 109Λ ( 3 , 1 0 9 ) . 3, 1 1 2 f f . 3, 118. 3, 1 2 1 . 3, 125. 3, 1 2 8 f f . 3, 1 3 2 f r . 3, 1 4 0 f r . 3, 1 4 8 f r . 3, 178. 3, 198. 3 , 2 0 0 . 3, 2 2 8 . i , 70 M ' . A q u i l i u s K. 119 D i v . in C a e c . 6 9 M ' . A q u i l i u s K. 101 V e r r . II 3, 12 j . j , 3. {, j . j , 7 . ς, 14 A r c h a g a t h o s V e r r . II 4 , { 1 . 4 , {3 A r c h i m e d e s V e r r . Π 4 , 131 A r c h o n i d a s V e r r . Π з , 1 2 9 . 4 , {9 Aristeus V e r r . II j , 110 A r i s t o d a m o s V e r r . Π ς,
ij
Aristos V e r r . II 4 , 2 9
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Q . A r r i u s Pr. 7 j Verr. II 2, 37. 4, 42 Artcmidoros —> Cornelius Artemidoros von Ätna V e r r . II 3, 105 Artemidoros von Lampsakos V e r r . II 1, 79 Artemon von Centuripae V e r r . II 2, 156. 3, 108 Artemon von Entella V e r r . II 3, 200 Artemon Klimachias V e r r . II 2, 128. 2, 130 Athenion V e r r . II 2, 136. 3, 66. 3, 1 2 5 Atidius V e r r . II 3, 7 $ M. Atilius Bulbus V e r r . I 39. II 2, 79 Atinius V e r r . II ( 1 , 109) Attalos von Netum V e r r . II 4, 59 Attalos von Pergamon V e r r . Π (4, 27) C . A u r e l i u s Cotta К . 75 V e r r . Π ι , 130. з, i s I.. Aurelius Cotta К . 144 D i v . in Caec. (>9 M. Aurelius Cotta К . 74 V e r r . II j , 34 M. Aurelius Scaurus Q . um 90 D i v . in С'лес. 6 j . V e r r . II 1, 85. 1, 97 Bariobal V e r r . II 3, 89 Boethos V e r r . II 4, 32 Brutus —>• lunius Brutus Bulbus —* Atilius Bulbus C . C a c u r i u s V e r r . II 4, 37 L . Caecilius V e r r . II 2, 23 M . Caecilius D i v . in Caec. 29 Q . Caecilius D i v . in Caec. 64 Q . Caecilius D i o V e r r . II 1, 27 г. 2, 19 fr. L . C a e c i l i u s Metellus K . 68 V e r r . I 27. II 2, 10. 2, 62ff. 2, 138fr. 2, 160. 2, 162 ff. 2, 187?. з, 43 ff. 3, 1 1 1 ff. з, 144. 3, ι j ι Г. 3, > j 6 f i . i. J. Ч 9 M . Caecilius Metellus P r . 69 V e r r . I 2 1 . 26. 30f. Q . C a e c i l i u s Metellus Creticus K . 69 D i v . in Caec. 64. V e r r . I 26. 28. II 2, 20 L . Caecilius Metellus Delmaticus K . 1 1 9 V e r r . II 1, I J 4 L . Caecilius Metellus Diadematus K . 1 1 7 V e r r . II 1, 143 Q . Caecilius Metellus Macedonicus K . 143 V e r r . II 3, 2 1 1 . 4, 126 Q . Caecilius Metellus Numidicus K . 109 V e r r . II 3, 209. 4, 147 Q . Caecilius Metellus Pius K . 80 V e r r . II 1, 130 Q . Caecilius Niger Q . 72 D i v . in Caec. pass.
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I\ Caelius Fr. 74 Vcrr. I! ι, ι jo С. Caclius Caldus К. 94 Vcrr. II ς, ι 8 ι Caesar —• Iulius Caesar P. C'acsctius Q. 7! Vcrr. II 4, 146. ς, 6) Μ. Cacsius Pr. 75 Vcrr. II 1, 130 M.Caesius Vcrr. II 3, 88. 3, 101 M. Caesonius Pr. 66 Verr. I 29 Calcnus —»• Fufius Calcnus Cn.Calidius Vcrr. II 4, 41 ff. (4, 43) Q.Calidius Pr. 79 Vcrr. I 38. II 3, 63 L.Calpurnius Piso Frugi K. 133 Vcrr. II 3, 19$. 4, 56. 4, 108 L.Calpurnius Pisu Frugi Pr. um 1 11 Vcrr. II 4, 56I'. L.Calpurnius Pisu Frugi Pr. 74 Oiv. in Cacc. 64. Vcrr. II 1, 1 19. 4, $6 L.Canulrius Vcrr. II 2, 171. 2, 176Γ 2, 182. (2, 183) Carbo —> Papirius Carbo L.Carpinatius Vcrr. II 2, 169. 2, 171 ff. 2, 186IT. 2, 190. 3, 165. 3, •67- 4. "37 L. Cassius Verr. I 30 C. Cassius 1 onginus K. 7 j Vcrr. II 1, 60. 3, 97. (3, 163). ( f , $2) L. Cassius Longinus Ravilla Κ. 1 27 Vcrr. II 1, 143.(3, 1 37). (3, 146) M.Castricius Verr. II 3, 185 Cato —* Porcius Cato Catulus —• Lutatius Catulus P.Cervius Verr. II {, 114 Charidemos Verr. II 1, J2 Chelidon Verr. II 1, 104. 1, 106. 1, 120. 1, 1 36f. ι, 139Γ. 2, 24. 1, 39. 2, 116. j , 78. 4, 71. j , 34. ς, 38 Chlorus —*• Pompeius Chlorus Chrysogonos Verr. II 1, 92 A. Claudius -*• A. Clodius C.Claudius Verr. II 2, 107Γ. Claudii Marcelli Div. in Caec. 13. Verr, U 2, 36. 2, j i . 2, i l l . (2, 154). 3, 4 i . 4, 86. 4, 89f. (4, i j i ) C.Claudius Marcellus Pr. 80 Div. in Caec. 13. Verr. D 1, 8. 1, j i . (2, J I ) . 2, 110. 3, 42. 3, 211. 4, 37. 4, 86f. 4, e j f . M. Claudius Marcellus К. 222. 21 ς. 114. n o . 108 Verr. Π ι , 11. 1, 2, 4. 2, jo. 4, n j f . 4, Hoff. 4, 130f. 4, i j i . s, «4 M. Claudius Marcellus Verr. II 1, 135. 1, 144. 1, 1 { j Μ. Claudius Marcellus Aeseminus Verr. II 4, 91 C.Claudius Nero Pr. 81 Verr.II 1, $0. 1, 71 IT. 1, j f . 1,78. i , 80. i . S j f .
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С . C l a u d i u s Pulcher К. 92 V e r r . II 2, 1 2 2 . 4, 6f. 4, 133 A. Clodius(A. Claudius; Apollonios, Sohn des Nikon) Verr.II2, 140. 4, 37 M . C o e l i u s V e r r . II 4, 37 Sex. Cominius Verr. II 4, 24 Q . C o n s i d i u s Verr. II i , 18 Cornelius Verr. II i , 67. 1, 72 Cornelius Artemidoros Verr. II 3, 28. 3, $4. 3, 6 9 f . 3, 1 1 7 . 3, 138 C n . Cornelius Dolabella Pr. 81 V e r r . I 11. II 1, 41 f. 1, 44 ff. 1, 51. 1 , 6 3 . ι , 7 2 f f . 1 , 77. ι , 88. ι , 90. ι , 9 j f f . 2, 109. 3, 1 7 7 Γ P. Cornelius Lentulus K. 162 Div. in Caec. 69 C n . C o r n e l i u s Lentulus Clodianus K. 72 V e r r . II 2, 95. ς, ι 5 C n . Cornelius LentuIusMarcellinus K. $ 6 D i v . in Caec. 13. Verr. II2, 1 0 3 . 4 . Si P. Cornelius Lentulus Sura K. 71 Verr. II 1 , 37 C o m e l i i Scipioncs V e r r . II 5, 14 P. Cornelius Scipio Africanus maior К. 2o$. 194 V e r r . II 2, 1 2 3 . 3 . 2 0 9 . i.
4
P . C o r n e l i u s Scipio Aeinilianus Africanus m i n o r K. 147. 1 3 4 Div. in Caec. 69. V e r r . II i , 11. 2, 3. 2, 28. 2, 8$ff. 4, 22. 4. 7jfl". 4, 78fr. 4. 9}· 4. 97f· i . 1 J 4 f · i . ' 8 j f · L. Cornelius Scipio Asiaticus K. 190 Verr. II 1, ς ς L . C o r n e l i u s Scipio Asiaticus К . 83 Verr. II 1, 37 P. Cornelius Scipio Nasica K. 5 2 V e r r . II 4, 79 f. L . C o r n e l i u s Sisenna Pr. 78 V e r r . II 2, 1 1 0 . 4, 33f. 4, 43 L. Cornelius Sulla Felix K . 8 8 . 80 V e r r . 11 1, 36. (1, 37). 1, 38. (1, 43). ( 1 , 108). ( 1 , 1 1 3 ) . ι , 1 3 0 . I , (2, 77). 3, 8 1 . 4, 37 Cornelius Tlepolemos V e r r . II 3, 69. 4, 3 0 f . 4, 96 Comificius V e r r . II 1, 1 $0 Q . Comificius P r . 66 Verr. I 30 M.Cossutius V e r r . II 3, j j . 3, i 8 { Cotta -*• Aurelius Cotta Μ. Cottius V e r r . II j , 1 6 $ P. Cottius V e r r . II j , 16 $ Crass us Licinius Crassus M. C r e p e r e i u s V e r r . I 30 L. Curidius V e r r . II 4 , 44 C u r i o —• Scribonius C u r i o Q . Curtius V e r r . II 1, 1 j 8 C n . P o s t u m u s C u r t i u s V e r r . II 1, 100. 1, 102 Q . Postumus Curtius V e r r . II 1, 1 0 0 . 1, 102
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D e m e t r i u s V e r r . II 4 , 92 Dexon V e r r . II ς, ι ο 8 . ς, ι 10. 5, 1 28 Dio —> Caecilius D i o d o r o s von Melita V c r r . II 4 , 38fr. Diodoros, Sohn dos Timarchides, von Syrakus W r r . II 4 , 1 38 Diognetos V e r r . II 3, 86 Diokles von Centuripae V e r r . II 3, 129 Dioklcs Phimes V e r r . II 3, 93 Diokles Popilius V e r r . II 4 . 3^ Dionysiarchos V e r r . Η 4 , ςο Dionysios I. von Syrakus Vorr. Ii ς, 143. ς, 145 Dionysodoros V e r r . II 2, ς о D o k i m o s V e r r . II 3, 78 Γ. 3, 83 Dolaln-Ua - > Cornelius Dohbell.i Си. Domitius Ahenolvirbus K. 122 V e r r . II i , 1 4 ) Cn. Domitius Ahenobarbus K . 96 Div. in Caec. *>η. V e r r . II 2, 118 L. Domitius Ahenobarbus K. 9 4 V e r r . II ς, η L. Domitius Ahenobarbus K. ( 4 V c r r . Η 1, 1 3 9 f . D o r o t h e a s V e r r . II 2, 89 npikrates V e r r . II 2, $3^·
59
ft'·
·4®
hubuiidas von I Icrbita V e r r . 11 ς, ι ι ο . ζ, 128 Fubulida* Grosphus V e r r . II 3, Humenidas V e r r . II ς% ι 5 Hupolemos V e r r . II 4 , 4 9 C . F a b i u s Hadrianus Pr. um 8 ; V e r r . 11 1, 7 0 . ς, 9 4 Q . F a b i u s Maximus Κ . 121 V e r r . 1 ( 1 9 ) Q . F a b i u s Maximus V e r r . II 4 , 42 Q . Fabius Maxim us Verrucosus K . 2 3 3 . 2 2 8 . 2 1 ; . 2 1 4 . 209 V e r r . И j , 2 с Cn. Fannius V e r r . II 1, 128. 1, 130 L. Fannius V e r r . II i , 87 Fimbria —• Flavius F i m b r i a Flaccus —• Valerius Flaccus Flamininus —•Quinctius Flamininus L. Flavius V e r r . II 1, 14. ς, i j .
f,
C. Flavius Fimbria К . 104 V e r r . II j , 181 C.Fuficius V e r r . И 2, 31 L.Fufius Calenus V e r r . II 2, 23 Q.Fulvius Flaccus K . 179 V c r r . II i t
106
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F u r i u s V e r r . II ( ι ,
109)
F u r i u s v o n H e r a k l e i a V c r r . II $ , 1 ! 2 F u s i u s V e r r . II ( i ,
109)
P . G a b i n i u s P r . 8 9 D i v . in C a e c . 6 4 G a l b a —>• S u l p i c i u s G a l b a C . G a l l u s V c r r . II j ,
1 52
P . G a v i u s V c r r . II 5 , 1 5 8 . 5 , 1 6 0 . $ , 1 6 4 ! " . j ,
169f.
L . G e l l i u s P u b l i c o l a K . 7 2 V c r r . II 1 , 1 2 5 . 2 , 9 5 Glabrio
Acilius Glabrio
G l a u c i a —» S e r v i l i u s G l a u c i a Gracchus — S e m p r o n i u s P . G r a n i u s V e r r . II 5 ,
Gracchus
154
L . H a b o n i u s V e r r . II 1 , 1 3 2 .
1 , 1 3 4 . i t 140!*. 1 , 1 4 6 .
ι,
149Γ.
H a d r i a n u s —у F a b i u s H a d r i a n u s H a n n i b a l V e r r . II 5 , 3 1 H a s d r u b a l V e r r . II 3 ,
u $
H e i u s v o n L i l y b a e u m V e r r . II 4 ,
37
H e i V e r r . II 4 , 6 C . Heius von Messana V e r r . И 2, ι 3. 4, 3 f . 4 , 7. 4 , 1 o f f . 4, 1 4 f r . 4, 1 8 f. 4, 27. 4, i j o . $, 47 H e r a c l i u s v o n A m e s t r a t o s V e r r . II 3 , 88 H e r a c l i u s v o n C e n t u r i p a e V e r r . II 2 , 6 6 f. H e r a c l i u s v o n S e g e s t a V e r r . II 5 , 1 1 1 .
j,
120
H c r a c l i u s , S o h n d e s H i e r o n , v o n S y r a k u s V c r r . II 2 , 1 j . 2, 3 ς FT. 2, 4 1 f . 2 , 44ΠΓ. 2 , $ 3 f f . 2 , 5 9 . 2 , 6 2 f. 2 , 6 ς . 2 , 1 4 o . 4 , 1 3 6 . 4 , H e r a c l i u s , V e r w a n d t e r d e s V o r i g e n V c r r . II 2 , H e r a c l i u s v o n S y r a k u s V e r r . II 4 , H c r a k l e o n V e r r . II 5 , 9 1 . ς,
1 3 9 . 4,
151
35
137
97
С . H e r e n n i u s V c r r . I 39 T . H e r c n n i u s V e r r . II 1 , 1 4 . 5 , H e r o d o t o s V e r r . II 2 , 1 2 8 . 2,
ijjf. 130
H i c r o n v o n K i b y r a V c r r . II 4 , 3 0 f . 4 , •)(> Ilicron (3,
II. v o n S y r a k u s V c r r . II ( 2 , 1
14Г·)· (3,
(З. >23)· ( 3 .
1
32). (2,
34). (2,
8f.). (3, 24). (3, 38). (3. 44)· ( ! ,
4 7 ) · (З. 4 0 ) · 4, 29· 4. ч 8 .
63).
(2,
1 1 7 ) . (3.
5 , 3 ° · (5,
147). 120Г).
53)
L . H o r t e n s i u s K . 1 0 8 V e r r . II 3 , 4 2 Q . H o r t e n s i u s H o r t a l u s K . 6 9 V e r r . 1 i 8 f . I j f . 3 3 . 3 7 Г II 1 , 2 4 . 1 , 2 7 . i , 36. i , 7 1 .
1,99.
l J i f T . 2 , 2 4 . 2 , 7 6 . 2 , 1 5 6 . 2 , 1 7 7 f . 2,
192.
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3,6 3, 4 2 . 3, 7°· 3. '82. 3. '88. 3. '9·· 3. '93· 3. " Ί ·
3, 2 2 2 f . j , ι . j , 1 1 . ς, } i . $ , 4 f . J , 1 7 4 . $ , 1 7 6 . j , lanitor V e r r . II 1 ,
3. * · Ί ·
179
63Γ
I s i d o r e s V e r r . II 3 , 7 8 . 5, 3 1 . 5, 81 I s m e n i a s V e r r . II 4 , 92 C . I u l i u s C a e s a r S t r a b o Ä d . 9 0 D i v . in C a c c . 6 3 l u n i u s V e r r . II 1 , 1 3 2 .
i, 1 3 J .
!, 143. 1, 1 5 1 .
C . I u n i u s V e r r . I ( 2 9 ) . II 1 , 1 5 7 ( 1 , M . l u n i u s V e r r . II i , 1 3 5 . i , 1 3 7 . 1 ,
1,
153
157) 139
P. l u n i u s V e r r . II 1, 1 3 0 . 1, 1 3 1 . 1, IJI Q . l u n i u s V e r r . II 1 ,
18
D . l u n i u s B r u t u s V e r r . II i , 1 4 4 . i ,
150
M . l u n i u s S i l a n u s K . 1 0 9 D i v . in C a e c . 6 7 . V e r r . II 2 ,
118
K a l l i d a m a V e r r . II 2 , 89 K l e o m e n e s v o n S y r a k u s V e r r . II 2 , 3 6 . 2 , 5 0 . 4 , £ 9 . 5 , 3 1 . 5, 8 6 f f .
J , 82 ff.
9 4 . $ , 1 0 1 . ς, i o + f . 5, 1 0 7 . ς, 1 1 0 . $ , 1 1 2 . f , 1 1 6 . ς,
122.
{, I 2 5 . J, 1 3 3 f r . K l i m a c h i a s —>• A r t e m o n K r a t i p p o s V e r r . II 4 , 29 K r i t o l a o s V e r r . II 4 , 59 C . L a e l i u s K . 1 4 0 V e r r . II 3 , 1 6 0 . 3 , 2 0 9 L . L a e t i l i u s V e r r . II 2 , 6 4 . 2 , 1 3 8 . 2 ,
140
L a e v i n u s —> V a l e r i u s L a e v i n u s L a m i a V e r r . II 4 ,
J9
Lentulus - * Cornelius Lcntulus L e o n V e r r . II ς, ι 5 L e u n i d a s V e r r . II ξ ,
ίο
L . L i c i n i u s C r a s s u s K . 9 J D i v . in C a e c . 2 $ . V e r r . II 2 , 1 2 2 . 2 , 1 9 1 Γ. 3.3· 4. ' 3 3
M . L i c i n i u s CrasMis K . 7 0 . 5 $ V e r r . II 3 , 1 2 3 . j , $ Licinii L u c u l l i V e r r . II 4 , 4 9 L . L i c i n i u s l . u c u l l u s Hr. 1 0 4 V e r r . II 4 ,
148
L . L i c i n i u s L u c u l l u s K . 7 4 V e r r . II 4 , 4 9 .
34
L . L i c i n i u s M u r e n a V e r r . II 1 , 89 C . L i c i n i u s S a c e r d o s P r . 7 5 V e r r . II 1 , 2 7 . 1 , 1 0 4 . 1 , 1 2 1 . 1 , 1 2 ; . 1 , 1 j o . 2 , 2 1 f . 2 , 6 8 f f . 2, 7 4 f . 2 , 8 1 . 2 , 9 3 . 2 , 1 1 9 . 3 , 9 0 . 3 , 1 1 9 . 3 , 3 , 214РГ. ς, si-
ί,
1
Ij6.
o8
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Ligus —> O c t a v i u s Ligus M . Lollius V e r r . II 3, 63 Q . Lollius V e r r . II 3, 61 ff. Q . Lollius, S o h n des V o r i g e n V e r r . II 3, 63 Μ . Lollius P a l i c a n u s Т г . 7 1 V e r r . II 2, 100 Q . L u c c e i u s V e r r . II $ t 165 M . L u c r e t i u s V e r r . II 1, 18 L u c u l l u s —*• L i c i n i u s L u c u l l u s L u c u l l u s —• T e r e n t i u s V a r r o L u c u l l u s Q . L u t a t i u s C a t u l u s K . 102 V e r r . II 3, 209. 4 , 1 2 6 Q . L u t a t i u s C a t u l u s K. 78 V e r r . I 44. II 2, 3 1 . 3, 21 оΓ. 4, 37. 4, 69. 4 . 82 Q . L u t a t i u s D i o d o r u s V e r r . II 4 , 37 Lyson V e r r . II 4 , 37. 4, 59 M a e n i u s D i v . in C a e c . ( 5 0 ) Maevius V e r r . II 3, 175 L . M a g i u s V e r r . II i t 87 M a l l e o l u s —• P u b l i c i u s M a l l e o l u s L . M a m i l i u s V e r r . II 3, 182 T . M a n i l i u s V e r r . II 2, 23 Q . M a n l i u s T r . 69 V e r r . I 30 T . M a n l i u s V e r r . II 2, 1 2 3 M a r c e l l u s —> C l a u d i u s M a r c e l l u s L . M a r c i u s P h i l i p p u s K. 91 V e r r . II 1, 1 4 3 C . M a r i u s K. 1 0 7 . 1 0 4 - 1 0 0 . 86 V e r r . II 2, 1 10. 2» 113. 3, 209. ς, 1 4 . 5, 2ς.
J,
ι 81
M . M a r i u s V e r r . II j , 40 Masinissa von N u m i d i e n V e r r . II 4 , 1 0 3 C . M a t r i n i u s V e r r . II 3, 6of. 5, 1 5 M a x i m u s —• Fabius Maximum M e n i s k o s V e r r . II 3, 200 M e n t o r V e r r . II 4, 38 M c t e l l u s —> C a c c i l i i b M c t c l l u s M i n u c i u i V e r r . Η 1, 115 M i m i c i u s V e r r . II ( ι , 1 \ v) Q . M i n u c i u s V e r r . II 2, 69. 2, 72 f. 2, 80. 3, 148 ff. 4, 62. 4, 69 M i t h r i d a t c s VI. von P o n t o s V e r r . 11 2, 5«. 2, 159 Mnasislratos V e r r . II j , 109 M . M o d i m V e r r . II 2, 1 19
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P . M u c i u s Scaevola К . 1 3 3 V c r r . II 4 ,
108
Q . M u c i u s Scaevola (augur) Κ . 1 1 7 V e r r . I ς2 Q . M u c i u s Scaevola ( p o n t i f c x ) K . 9 5 D i v . in C a e c . 5 7 . V e r r . I! 2 , 2 7 . 2, 34- ( 2 , 5 1 ) . 2 , 1 2 2 . 3, 2 0 9 . 4 , 1 3 3 L . M u m m i u s K . 1 4 6 V e r r . II ι , ςς.
з , 9. 4 , 4
M.Mummiui» P r . 70 V e r r . II 3, 1 2 3 Murena —• Licinius M u r e n a C.Mustius Verr. Μ ι , 135.
137Я*.
Mvron V e r r . II 4 , 5 . 4 , 1 2 . 4 , 9 3 . 4 , 1 3 5 P. Naevius T u r p i o V e r r . II 2 , 2 2 . 3, 9 0 Γ 5, 1 0 8 N e r o —> Cloiulim N e r o Nikasion V c r r . II 4 , Nike V c r r . 11
113
82
N i k o m e d e s IV. von B i t h y n i e n V e r r . И ι , 6 3 Nikon V e r r . II j , 79 C . Norbanus K . 83 V e r r . И з , 1 1 7. j , 8 N u m e n i o s von C e n t u r i p a e V e r r . II 3 , 57 Numenios von Henna V e r r . II 4 ,
113
N u m i d i c u s — • C a e c i l i u s Metcllus N u m i d i c u s C . N u m i t o r i u s V e r r . Κ ς, 1 6 3 . j t
i6j
N y m p h o d o r o s von A g r i g e n t V e r r . II 4 , 48 N y m p h o d o r o s von C e n t u r i p a e V e r r . II 3 , ςη N y m p h o n V c r r . II 3 , $зГ. L. Octavius K. 75 V c r r . II 1 , 1 30. 3 , 1 8 . ( 3 , ι 5 2 ) L . O c U v i u s Balbus V e r r . II 2, 3 1 I . O c t a v i u s Ligus V e r r . II 1 , 1 2 5 . 1 ? 1 2 7 .
2,23
M . O c t a v i u s Ligus V e r r . II 1 , 1 2 j f f . 1 , 1 3 3 . 2, 2 1 . 2 ,
119
Onasos V c r r . Η ς, ι 20 Q . O p i m i u s T r . 7ς V c r r . II ι ,
ι^Γ.
Μ. Pacilius V c r r . If 2 , «>4.. 2, 98 Palicamis --> Lollius Palicanus Pamphilos V c r r . I! 4, 3 2 . 4 , 35 L.Papinius V c r r . il 4, 4h C . P a p i r i u s Carlm Κ . 1 2 0 V c r r . II 3, 3 C n . P a p i r i u s C a r b o Κ . 8 ς . 84. 82 V c i t . I 1 1 . II 1 , 1 1 .
1, 34fr. ι ,
39.
1 , 41 Γ. 1 , 7 7 . ι , 9 2 . 3, ι 78 L.Papirius» Potamo Div. in C a e c . 29. V e r r . 11 3, 1 3 7 . 3, 1 54. 4 , 4 4
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Paullas —• Aemilius Раи II us S e x . Peducaeus P r . 77 V e r r . II ι , ι δ . 2, ι 38 f. ( 2 , 1 39). 3, >56. 3, 2 1 6 . 4» 1 4 2 г. 5, ςς Peri kies V e r r . II 1 , 85 M . Perperna K . 92 V e r r . II 1 ,
143
M . P e r p e r n a P r . 82 V e r r . II 5, 1 5 3 Perseus von Makedonien V c r r . II 1 , 55 M . P e t i l i u s V e r r . II 2, 71 f. 2, ης Phalakros V c r r . II j , 1 0 $ . 5, 1 1 6 . 5, 1 2 2 Phalaris von Agrigent V c r r . II 4 , 7 3 . 5, 1 4 5 Philinos V e r r . II 3, 80 Philipp V . von Makedonien V c r r . II 1 , Philo -»· Vcturius Philo PhilodamosvonLampsakosVcrr.lt
1 , 6 4 f t . 1 , 7 1 f r . 1 , 83Γ.
Philodamos von Opus V e r r . II 2 , 1 0 9 Philokrates V e r r . II 2 , 2 ς Phylarchos von Centuripae V e r r . Η 4, 29. 4 , $o Phylarchos von Haiuntion V c r r . II 5, 90. j ,
122
Pipa V e r r . II 3 , 7 7 f . 5, 81 Piso —> Calpurnius Piso Piso —• Pupius Piso Poleas V e r r . II 4 , 92 Polemarchos V e r r . II 3, 56 Polykletos V e r r . II 4 ,
4, 12
Q . Pompeius K . 1 4 1 V c r r . II ς, ι 8 ι С η. Pompeius Basiliscus V c r r . II 4 , 25 S e x . Pompeius Chlorus V e r r . II 2 , 23 f. 2, 102 C n . Pompeius Magnus K . 70. 55. 52 V e r r . I 3 1 . 4 4 f . II 2, 1 0 2 . 2, 1 1 3 . 3. 4 5 - 3. ' 2 3 - 3. 204. 5, ς. J , ц з - T e r e n t i u s Varro Sex. V c n n o n i u s V e r r . II 3, 89 V e n u l c i u s V e r r . II 3, 99 C . V e r r e s Div. in C a e c . pass. V e r r . I pass. II pass. C. V e r r e s , Vater ties V o r i g e n V e r r . II 2, 9 5 f . Q. Verres Verr. I 2 3 C. V e r r u c i u s V e r r . II 2, 187Г. 2 t 190Г. 4 , 1 37 T . V e t t i u s Q . u m 7 2 V e r r . II ς , 114 P. V e t t i u s C h i l o V e r r . II 3, i 6 6 f l . L. V e t u r i u s P h i l o Q . 102 Div. in C a e c . (>3 L. V i b i u s V e r r . II 2, 182 Q . V o c o n i u s Saxa T r . 169 V e r r . II ( i , i o 6 f f . ) . 1, 107
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V o l c i t i u s V e r r . II J , 2 $ f . 2, 56. 2, 58. ) , 1 7 1 . j , 1 7 j Γ. L . Volteius V e r r . II j ,
ijjff.
Volusius V e r r . II 3, 28. j , { 4 Xenon V e r r . II 3, ς ς Zosippos V e r r . II 4, 92
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