Zerstörende und Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung

Dieses stark praxisorientierte Fachbuch gibt dem Leser einen umfassenden, verständlich geschriebenen und mit aussagekräftigen Abbildungen unterlegten Überblick zum Thema Werkstoff- und Wärmebehandlungstechnik. Für Praktiker und Studierende gleichermaßen gut geeignet.

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Karlheinz Schiebold

Zerstörende und Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung Werkstoff- und Wärmebehandlungstechnik

Zerstörende und Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung

Karlheinz Schiebold

Zerstörende und Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung Werkstoff- und Wärmebehandlungstechnik Ein Lehr- und Arbeitsbuch mit 165 Abbildungen und 30 Tabellen

Karlheinz Schiebold Mülheim a.d.R., Deutschland

ISBN 978-3-662-57833-9 https://doi.org/10.1007/978-3-662-57834-6

ISBN 978-3-662-57834-6 (eBook)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Dem Andenken meines Vaters

Prof. Dr.-phil. ERNST SCHIEBOLD (1894 – 1963)

In dankbarer Verehrung gewidmet

Karlheinz Schiebold

Vorwort Dieses Buch ist Bestandteil einer Reihe von Büchern über Zerstörungsfreie und Zerstörende Werkstoffprüfung. Wenn über die verschiedenen Prüfverfahren berichtet werden soll, ist es auch erforderlich, die Werkstoffe und ihre Eigenschaften, die Herstellungsverfahren, ihre Veränderungen durch die Wärmebehandlung und die metallurgischen Grundlagen zu beschreiben. Auch ist es notwendig, die Prüfergebnisse und ihre Dokumentation zu beschreiben. Das erfolgt im Buch über metallographische Werkstoffprüfung. Ein kurzer Hinweis sei dem Konstrukteur großer Bauwerke gestattet. Seine Konstruktionen weisen Sicherheitsfaktoren auf, die im Laufe der Zeit, besonders aber in den letzten 50 Jahren stark reduziert worden sind, auch weil die Werkstoffe in ihren Eigenschaften immer belastbarer geworden sind. Leider zeigen sich damit in Verbindung zahlreiche Brüche an Gebäuden, Zügen, Brücken ect. Deshalb bleibt dem Konstrukteur nur der umfassendere Einsatz von Werkstoffprüfungen in definierten Zeitabständen, um entgegen zu wirken und die Sicherheit der Konstruktion einigermaßen zu erhalten. Es erscheint deshalb dem Verfasser notwendig, über die Werkstoff- und Wärmebehandlungstechnik und ihre richtige Anwendung zu berichten. Das Buch soll insbesondere dem Vater des Autors, Prof. Dr.-phil. Ernst Schiebold gewidmet sein, einem Pionier der Werkstoffprüfung, dessen Aktivitäten zur Entwicklung der Werkstofftechnik Anfang der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts erstmals an die Öffentlichkeit kamen und der aus seiner Zeit in der damaligen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft auch zur Entstehung der Gesellschaft zur Förderung Zerstörungsfreier Prüfverfahren und damit zur Gründung der Deutschen Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung (DGZfP) beigetragen hat. Später war er als Direktor des Amtes für Material- und Warenprüfung (DAMW) in Magdeburg tätig. Von 1953 bis 1963 hat Prof. Ernst Schiebold als ordentlicher Professor und Direktor des Instituts für Werkstoffkunde und Werkstoffprüfung an der Technischen Hochschule Magdeburg (heute Otto-von-Guericke Universität) in kurzer Zeit eine über die Landesgrenzen hinaus bekannte wissenschaftliche Schule mit dem Schwerpunkt Zerstörungsfreie Prüfung aufgebaut. Aus ihr ging auch sein Sohn Karlheinz hervor, der 1963 sein Studium der Werkstoffkunde und -prüfung abgeschlossen hat. Da zum damaligen Zeitpunkt keine Planstelle am Institut frei war, ging er in die Industrie und begann sein erstes Arbeitsleben im damaligen VEB Schwermaschinenbau Kombinat Ernst Thälmann Magdeburg (später SKET SMS GmbH), wo er in der komplexen Werkstoffprüfung über 28 Jahre tätig war. Dort begann die Laufbahn von Karlheinz Schiebold als Gruppenleiter für Ultraschallprüfung und später als Abteilungsleiter für die Zerstörungsfreie (ZfP) und Zerstörende (ZP) Werkstoffprüfung sowie die Spektrometrie. Aufgrund der im SKET doch außerordentlich umfassend vorhandenen Metallurgie mit einem Stahlwerk, drei Eisengießereien, zwei Stahlgießereien, einer Großschmiede, zwei Stahlbaubetrieben und zahlreichen Maschinenbaubetrieben war ein umfangreiches Betätigungsfeld gegeben. Die Werkstoffprüfung gewann über die Jahre eine immer größere Bedeutung für die Untersuchung metallurgischer Produkte und vermittelte für ihn dadurch unschätzbare Erfahrungswerte. Schiebold war insgesamt 25 Jahre mit seinen Prüfern in den Betrieben unterwegs und bearbeitete zudem Forschungs- und Entwicklungsthemen für die Betriebe der Metallurgie. Aus diesen Erfahrungswerten konnte er nach der Wende in seinem zweiten Arbeitsleben im aus der LVQ GmbH in Mülheim an der Ruhr (Lehr- und Versuchsgesellschaft für Qualität) ausgegründeten eigenen Unternehmen LVQ-WP Werkstoffprüfung GmbH und im Magdeburger von der Treuhand erworbenen Unternehmen LVQ-WP Prüflabor GmbH (ehemals das Laboratorium des VEB Schwermaschinenbau Karl Liebknecht Magdeburg) schöpfen und 7

manchmal unter großem Zeitdruck Unterrichtsmaterialien, wie Skripte, Übungen, Wissensteste und teilweise auch Prüfungen verfassen. Durch die Anerkennung der Firma LVQ-WP Werkstoffprüfung GmbH als Ausbildungsstätte der DGZfP sind solche Unterlagen in der ZfP in sechs Prüfverfahren und 3 Qualifikationsstufen entstanden und in der ZP in Zusammenarbeit mit dem DVM in 9 Prüfverfahren über fast zwanzig Jahre erfolgreich zur Weiterbildung von Werkstoffprüfern verwendet worden. Die so verfassten Skripte ergänzt durch ausgewählte Inhalte von Beiträgen auf den Jahrestagungen des Deutschen Verbandes für Materialprüfung, bilden eine wesentliche Grundlage für dieses Buch, das somit auch eine willkommene Hilfe bei der Ausbildung von Werkstoffprüfern sein kann. Leider ist es in einem solchen Fachbuch nicht möglich, sämtliche Techniken und Anwendungen der Werkstoff- und Wärmebehandlungstechnik zu beschreiben. So wird auf theoretische Ableitungen, mathematische Methoden, Modellierungen und bruchmechanische Bewertungen verzichtet. Allen am Entstehen des Buches Beteiligten sei an dieser Stelle gedankt. Besonderer Dank gilt meiner lieben Frau Angelika und natürlich auch allen Firmen und Personen, von denen ich bei der Vorbereitung und Ausgestaltung dieses Buches Unterstützung erhielt, und insbesondere den Sponsoren, die zum Entstehen und Gelingen des Werkes beigetragen haben. Dem Springer-Verlag danke ich für die bei der Herausgabe des Buches stets gute Zusammenarbeit. Mülheim an der Ruhr, Frühjahr 2018 Prof. Dr.-Ing. Karlheinz Schiebold

Benutzungshinweise Bilder, Tabellen, Gleichungen und Literaturzitate werden jeweils innerhalb eines Kapitels fortlaufend gezählt, z.B. Bild 1.24 = 24. Bild im Kapitel 1; oder [ 7 ] = 7. Literaturzitat im Literaturverzeichnis am Ende des Buches. In diesem Buch werden die Maßeinheiten des Internationalen Einheitensystems (SI) einschließlich der daraus abgeleiteten dezimalen Vielfachen und Teile wie Milli, Mega usw. verwendet. 8

INHALTSVERZEICHNIS Lfd.-Nr.

Inhalt

Seite

0.

Einführung

14

1.

Werkstofftechnik

16

1.1 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 1.3.7 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.2.1 1.5.2.1.1 1.5.2.1.2 1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.2.1 1.6.2.2 1.6.2.3 1.6.2.3.1 1.6.2.3.2 1.6.2.3.3 1.6.2.4 1.7 1.7.1 1.7.2 1.7.3 1.7.3.1 1.7.3.2 1.8 1.8.1 1.8.1.1 1.8.1.2 1.8.1.2.1 1.8.1.2.2 1.8.1.2.3

Einteilung der Werkstoffe Aufbau der Werkstoffe Werkstoffeigenschaften Elektrische Leitfähigkeit Dichte Schmelztemperatur Wärmeleitfähigkeit Mechanische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Technologische Eigenschaften Metalle Der kristalline Aufbau Kristallbaufehler Verformung Legierungsbildung Metallgefüge Eisen und Stahl Einteilung der Eisenwerkstoffe Roheisen Roheisenerzeugung im Hochofen Aufbau des Hochofens Hochofenerzeugnisse Stahlherstellung Roheisenmischer Stahlherstellungsverfahren Allgemeine Grundlagen Blasstahlverfahren Desoxidieren und Vergießen des Stahls Desoxidation Unberuhigtes Vergießen Beruhigtes Vergießen Wirkung der Eisenbegleiter Einteilung und Kennzeichnung der Stähle Einteilung der Stähle Kennzeichnung der Stähle Anwendung von Stählen und Gusseisenwerkstoffen Anwendungsgebiete wichtiger Stahlgruppen Einsatz von Gusseisen Stahlformgebungsverfahren Urformen Gießen als Herstellungsverfahren Technische Gießverfahren Blockguss Strangguss Sandguss

16 17 21 21 21 22 22 22 22 23 23 23 24 26 27 27 28 28 29 29 29 30 31 31 31 31 32 34 34 34 34 35 38 38 39 43 43 46 48 48 48 51 51 52 53 9

Lfd.-Nr.

Inhalt

1.8.1.2.4 1.8.1.3 1.8.1.3.1 1.8.1.3.2 1.8.1.3.3 1.8.1.3.4 1.8.1.2.5 1.9 1.9.1 1.9.1.1 1.9.1.2 1.9.1.3 1.9.2 1.9.2.1 1.9.2.2 1.9.3 1.9.3.1 1.9.3.2 1.10 1.10.1 1.10.2 1.10.2.1 1.10.2.2 1.10.3 1.10.3.1 1.10.3.2 1.10.4 1.10.5 1.10.5.1 1.10.5.2 1.10.6 1.10.7 1.11 1.11.1 1.11.2 1.11.3 1.11.3.1 1.11.3.2 1.11.3.3 1.12 1.12.1 1.12.2 1.12.3 1.12.3.1 1.12.3.2 1.12.3.3 1,12.3.4 1.13 1.13.1 1.13.2 1.13.3

Schleuderguss Gussfehler Lunker Warmrisse Poren Sand- und Schlackeneinschlüsse Kernstützen Umformen Warmformgebung Freiformschmieden Gesenkschmieden Warmwalzen Kaltformgebung Kaltwalzen Tiefziehen Fehler beim Umformen Fehler beim Walzen Fehler beim Schmieden Nichteisenmetalle (NE-Metalle) Einteilung und Bezeichnung Aluminium und Aluminiumlegierungen Rein- und Reinstaluminium Aluminiumlegierungen Magnesium und Magnesiumlegierungen Reinmagnesium Magnesiumlegierungen Titan und Titanlegierungen Kupfer und Kupferlegierungen Reines Kupfer Kupferlegierungen Nickel, Zink, Blei und ihre Legierungen Weitere Nichteisenmetalle Kunststoffe Spezifische Eigenschaften Aufbau und Herstellung Einteilung Plastomere Elastomere Duromere Verbundwerkstoffe Definition und Wirkungsmechanismus Herstellung Anwendungen Faserverbundwerkstoffe Teilchenverbundwerkstoffe Schichtverbunde Fehler in plattierten Bauteilen Keramik Eigenschaften Herstellungsverfahren Formgebungsverfahren

Seite 53 54 54 56 56 57 57 57 57 58 59 59 60 60 60 61 61 61 65 65 66 66 68 71 71 71 72 73 73 73 76 77 77 77 78 80 81 81 81 82 82 83 84 84 85 85 85 87 87 90 91 10

Lfd.-Nr.

Inhalt

Seite

1.13.4 1.13.4.1 1.13.4.2 1.13.4.3 1.13.4.4 1.13.4.5 1.14 1.14.1 1.14.1.1 1.14.1.2 1.14.1.3 1.15

Einteilung keramischer Werkstoffe Kristalline Oxidkeramik Einatomare keramische Stoffe Nichtoxidische Hartstoffe Hydratisierbare Silikate Anorganische Gläser Prüfverfahren für Kunststoffe und Keramikwerkstoffe Prüfverfahren für Kunststoffe Zugversuch an Kunststoffen Schlagbiegeversuch Härteprüfung durch Eindruckversuch Prüfverfahren für Keramikwerkstoffe

91 91 93 94 94 94 95 95 95 95 96 97

2.

Wärmebehandlungstechnik

98

2.1 2.1.1 2.1.1.1 2.1.1.1.1 2.1.1.1.2 2.1.1.2 2.1.1.3 2.1.1.4 2.1.2 2.1.2.1 2.1.2.2 2.1.3 2.1.4 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7 2.4 2.4.1 2.4.1.1 2.4.1.2 2.4.1.3 2.4.2 2.5 2.5.1 2.5.1.1 2.5.1.2 2.5.1.3 2.5.1.4 2.5.1.5 2.5.1.6

Physikalische Grundlagen der Wärmebehandlung Phasenumwandlungen Primärkristallisation Keimbildung Kristallwachstum Einfluss der Korngrenzen Umwandlungen im festen Zustand Erhitzungs- und Abkühlungskurven Thermisch aktivierte Vorgänge Diffusion und Diffusionsgesetze Platzwechselmechanismen Ausheilen von Defekten Kriechvorgänge und Spannungsrelaxation Gefügearten Die Grundtypen der Zustandsdiagramme Eutektisches System Vollständige Löslichkeit im festen Zustand Peritektisches System Eutektoides System Ausscheidungen Intermetallische Verbindung Hebelgesetz Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm Das Teildiagramm Eisen-Zementit Umwandlungstemperaturen Phasen bei reinem Eisen Erläuterungen zum Eisen-Kohlenstoff-Diagramm Das System Eisen-Graphit ZTU- und ZTA-Schaubilder ZTU-Schaubilder Die Bildung von Perlit, Bainit und Martensit ZTU-Schaubilder für isotherme Umwandlungsvorgänge ZTU-Schaubilder für kontinuierliche Umwandlungsvorgänge Einfluss der Legierungselemente auf das Umwandlungsverhalten Einfluss der Austenitisierungstemperatur Grundsätzliche Formen der ZTU-Schaubilder

98 98 99 99 100 100 101 101 103 103 105 106 107 108 111 111 112 114 114 115 116 116 117 118 118 118 119 121 125 125 125 129 130 131 132 133 11

Lfd.-Nr.

Lfd.-Nr.

2.5.2 2.5.2.1 2.5.2.2 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.6.5 2.7 2.8 2.9 2.10 2.10.1 2.10.2 2.10.3 2.10.4 2.10.5 2.11 2.12 2.13 2.14

ZTA-Schaubilder ZTA-Schaubilder für kontinuierliches Erwärmen ZTA-Schaubilder für isothermes Erwärmen Wärmebehandlung des Stahls Einrichtungen zum Erwärmen der Werkstücke Mittel zum Erwärmen der Werkstücke Einrichtungen zum Abkühlen der Werkstücke Mittel zum Abkühlen der Werkstücke Chargieren der Werkstücke Glühen des Stahls Härten des Stahls Vergüten des Stahls Wärmebehandlungsfehler Fehler beim Glühen Fehler beim Härten Fehler beim Anlassen Fehler beim Vergüten Maß- und Formänderungen infolge Wärmebehandlung von Stählen Fehler bei der mechanischen Bearbeitung Fehler durch Betriebsbeanspruchung Erzeugungsfehler Falsche Auswahl und Behandlung des Werkstoffs

Inhalt 134 134 135 136 136 142 142 142 144 144 149 150 152 154 154 158 158 159 160 161 162 163

3.

Literaturverzeichnis

164

4.

Sachwortverzeichnis

168

12

0. Einführung Im Vorwort zu diesem Buch wurde bereits ein Hinweis zu den Konstruktionen großer Bauwerke gegeben, der auf die Problematik der über Jahrzehnte herabgestuften Sicherheitsfaktoren aufmerksam machen sollte. In der Gegenwart stellt man in zunehmendem Maße Unglücke fest, die wahrscheinlich auch auf zu geringe Sicherheiten zurückzuführen sind. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts sind Sicherheitsfaktoren von 2, d. h. Bauwerke mit doppelter Wanddicke, keine Seltenheit gewesen. Dagegen sind in der Gegenwart, auch durch die Auswertung von Unglücksfällen, die Anstrengungen zur ständigen Werkstoffprüfung an den betreffenden Komponenten wesentlich verstärkt worden. Beispielsweise werden heute Schienenprüfzüge und Radsatzprüfungen mit Ultraschall ständig eingesetzt, um z. B. Schäden an den Schienen und Radsätzen vorbeugend festzustellen. Von der Vielzahl der Unglücksfälle mit zahlreichen Todesopfern sollen nachfolgend nur einige wenige beschrieben werden, um den Zusammenhang zwischen zu geringen Sicherheitsfaktoren, den Werkstoffprüfungen und den Unglücksfällen besser zu verstehen. Ein charakteristischer Fall war das schwere Eisenbahnunglück bei Eschede, bei dem 101 Menschen ums Leben kamen und 88 schwer verletzt wurden. Am 3. Juni 1998 entgleiste der ICE „Wilhelm Conrad Röntgen“ mit Tempo 200 km/h und prallte gegen eine Brücke. Eine Auswirkung dieses Unfalls zeigt Bild 0.1 [ 1 ].

Bild 0.1

Ansicht vom schwersten Zugunglück der deutschen Nachkriegsgeschichte

Ursache des Unglücks war offensichtlich ein gebrochener Radreifen, der sich vom Radkörper löste und den Zug zum Entgleisen brachte. Umfangreiche Verhandlungen folgten und erbrachten die Erkenntnis, dass die Deutsche Bahn schwere Versäumnisse bei der Zulassung und Wartung der Radreifen zu verantworten hatte. Es ist zu vermuten, dass der zum Bruch führende Anriss im Radreifen nicht erst beim Unglück entstanden ist, sondern schon einige Zeit vorhanden war. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass auch die Wartungsintervalle nicht eingehalten wurden. Bei den Verhandlungen wurde auch deutlich, dass die Deutsche Bahn nicht ausreichend für die erforderlichen Ultraschallgeräte zur Prüfung auf Anrisse gesorgt hatte. Ein weiteres Zugunglück, das die Vermutungen zur Vernachlässigung der vorbeugenden Wartung der Radsätze an ICE-Zügen bestätigte, war der Fall des ICE-Unfalls im Kölner Hauptbahnhof. Dieser Zug ist nach Einschätzung des Eisenbahnbundesamtes knapp einer © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 K. Schiebold, Zerstörende und Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57834-6_1

14

Katastrophe entgangen, da der Unfall sich bei Schrittgeschwindigkeit ereignet habe. Die Bundesbahn übergab die Klärung der Ursachen der Bundesanstalt für Materialprüfung in Berlin (BAM). Herr Dr. Klinger berichtete über seine Untersuchungen auf einer EisenbahnFachtagung der DGZfP in Wittenberge [ 3 ]. Er kam zu dem Ergebnis, dass erstens der Radsatz nicht erst in Köln zerbrochen war, sondern bereits ca. 200 km vor Köln bei voller Geschwindigkeit des Zuges (bis zu 300 km/h) und dass das Entgleisen des Zuges wohl deshalb zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetreten war, weil es bis zum Hauptbahnhof in Köln nur sehr wenige Weichen gab, die der Zug passieren musste. Erst beim Herausfahren des Zuges aus dem Bahnhof gab es sehr viele Weichen, die dann wohl zum Entgleisen führten. Ein ganz besonderes Merkmal dieses Unglücksfalles war jedoch, dass festgestellt wurde, dass der Sicherheitsfaktor auf dem gebrochenen Radsatz nur 1,002 betrug, d. h. dass der Konstrukteur keinesfalls einen Fehler in seiner Konstruktionsberechnung haben durfte. Aber nicht nur Eisenbahnunglücksfälle sind charakteristisch. Auch die in letzter Zeit aufgetretenen Schäden durch Erdbeben (Mexiko) oder Wirbelstürme (USA) stimmen bedenklich [ 2 ]. Bei diesen Ereignissen hat man erkennen können, dass die betroffenen Gebäude vielfach zu geringe Wandstärken hatten oder gar aus Holz gebaut wurden und nicht gegen Erdbeben oder Wirbelstürme sicher waren. Es lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Energiewende und die Werkstoffprüfung durchaus zusammenhängen, d. h. dass die Werkstoffprüfungen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die Zukunft wird zeigen, ob man aus den vielen Unglücksfällen gelernt hat und den Zusammenhang zwischen der Energiewende, den Sicherheitsfaktoren auf den Konstruktionen und der Werkstoffprüfung beachten will. Es gibt eine Vielzahl von Werkstoffen, die zum überwiegenden Teil hier beschrieben werden. Natürlich kann diese Aufzählung nicht vollständig sein, aber sie ist erforderlich, weil die Werkstoffe erklärt sein müssen, ehe man sie prüft. Wärmebehandlungen verändern die Werkstoffe und müssen bei der Betrachtung der Prüfverfahren berücksichtigt werden. Das ist nicht leicht, weil es praktisch kein Wärmebehandlungsverfahren gibt, das in allen Fällen und speziell den Erfordernissen der Verwendung entspricht.

15

1.

Werkstofftechnik

1.1

Einteilung der Werkstoffe

Werkstoffe sind für die Konstruktion nützliche, feste Stoffe. Man kann sie in folgende Gruppen einteilen [ 4 ], [ 12 ]:  Metalle als gute elektrische Leiter, auch bei tiefen Temperaturen plastisch verformbar, chemisch nicht immer sehr beständig  Keramische Werkstoffe als schlechte elektrische Leiter, nicht plastisch verformbar, chemisch sehr beständig  Kunststoffe als schlechte elektrische Leiter, bei erhöhter Temperatur plastisch verformbar, chemisch an Luft bei Raumtemperatur beständig, geringe Dichte, nicht sehr hitzebeständig  sonstige Werkstoffe: Gläser, Holz, Papier, Leder, Baustoffe. Als weitere Werkstoffgruppe kommen die Verbundwerkstoffe hinzu, die sich aus der Kombination von mindestens zwei Werkstoffen mit verschiedenen Eigenschaften zusammensetzen. Die wichtigste Werkstoffgruppe ist die der Metalle. Diese kann man nochmals unterteilen in  Eisenwerkstoffe Reineisen, Stähle, Gusseisen. und  Nichteisenmetalle Aluminium und seine Legierungen, Titan und seine Legierungen, Magnesium und seine Legierungen, Kupfer und seine Legierungen, Zinn, Blei u a. (Weißmetalle). Von den chemischen Elementen im Periodensystem besitzen über 60 % Metallcharakter. Metalle kommen in der Natur in Form von Erzen und Gesteinen vor. Diese sind meist leicht abbaubar, ähnlich dem Kohleabbau. Kunststoffe jeder Art müssen dagegen durch komplizierte chemische Verfahren hergestellt werden. Daher spielen sie erst seit den letzten Jahrzehnten eine wichtige Rolle. Metalle und hier besonders Eisen und Stahl konnte man schon im vorigen Jahrhundert herstellen. Welcher Werkstoff wofür eingesetzt wird, richtet sich zunächst nach den technischen Eigenschaften, die er erfüllen muss. Darüber hinaus ist aber auch die Verarbeitbarkeit von großer Bedeutung, damit das Werkstück überhaupt hergestellt werden kann und nicht zuletzt die Wirtschaftlichkeit. Auch der Umweltaspekt, insbesondere die Wiederverwertbarkeit, spielt eine zunehmende Rolle.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 K. Schiebold, Zerstörende und Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57834-6_2

16

1.2

Aufbau der Werkstoffe [ 21 ], [ 22 ], [ 26 ], [ 27 ], [ 34 ]

Alle Stoffe setzen sich aus einzelnen Atomen zusammen. Diese Atome setzen sich wiederum aus einer gewissen Anzahl an Protonen, Neutronen und Elektronen zusammen. Diese Anzahl bestimmt das jeweilige Element, das man dem Periodensystem der Elemente (Bild 1.1) entnehmen kann [ 57 ]. So hat beispielsweise Eisen (Fe) 26 Protonen (und damit auch 26 Elektronen) und 54 – 26 = 28, 56 – 26 = 30 oder 57 – 26 = 31 Neutronen (Die Zahl 55,847 gibt den Mittelwert an). Dem Periodensystem können noch einige weitere wichtige Eigenschaften des jeweiligen Elements entnommen werden, wie die Dichte oder der Schmelzpunkt.

Bild 1.1

Periodensystem der Elemente [ 35 ]

Die Werkstoffgruppen unterscheiden sich in der Art der Anordnung der Atome. Alle festen Metalle weisen eine systematische Anordnung der Atome auf. Verbindet man die Mittelpunkte der Atome durch Linien miteinander, so erhält man räumliche Figuren. Diese gesetzmäßige Anordnung bezeichnet man als Raumgitter oder auch Kristallsystem [ 60 ]. Bild 1.2 zeigt Beispiele von Kristallsystemen. Die meisten Metalle kristallisieren zu hexagonalen oder zu kubischen Raumgittern, wobei die größere Bedeutung dem kubischen Gitter zukommt. Viele Metalle, wie z. B. Eisen, haben ein Würfelgitter. Der Grundtyp dieses Gitters wird aus 8 Atomen gebildet. Auf jeder Würfelecke sitzt ein Atom. Hierbei unterscheidet man zwischen dem kubisch-raumzentrierten und dem kubisch-flächenzentrierten Gitter. 17

Bild 1.2

Beispiele von Kristallsystemen [ 4 ]

Im kubisch-raumzentrierten Gitter befindet sich außer an den Ecken noch 1 Atom im Zentrum des Würfels (Bild 1.3)

Bild 1.3

Kubisch-raumzentriertes Gitter [ 4 ]

Beim kubisch-flächenzentrierten Gitter befinden sich die Atome an den Ecken und im Mittelpunkt einer jeden Fläche. Der Raum dieses Gitters ist frei von Atomen (Bild 1.4).

Bild 1.4

Kubisch-flächenzentriertes Gitter [ 4 ]

18

Um den geometrischen Aufbau der Gitter besser darstellen zu können, werden nur die Atomschwerpunkte in den Zeichnungen wiedergegeben. Die Abstände zwischen zwei Atomen sind in den Darstellungen gegenüber dem Durchmesser erheblich vergrößert. In Wirklichkeit sind die Abstände der Atome im Gitter nur sehr gering. Das Verhältnis zwischen Atomdurchmesser und Atomabstand soll die nebenstehende maßstäbliche Darstellung verdeutlichen (Bild 1.5).

Bild 1.5

Größenverhältnis von Atomdurchmesser und Atomabstand [ 4 ]

Stoffe sind in der Regel nicht nur aus einem Raumgitter aufgebaut, sondern eine Vielzahl dieser Kristallsysteme eines Stoffes sind durch Körner aufgebaut. Die Körner, auch Kristallite genannt, haben eine Größe zwischen 0,01 und 10 mm. Ein Stück Metall besteht aus vielen Körnern. 3 bis 3,5 Millionen aneinandergereihte Gitter ergeben z. B. bei Eisen eine Länge von 1 Millimeter. Das nachstehende Bild 1.6 zeigt schematisch ein Aufbausystem, wobei die Punkte die Lage der Atomschwerpunkte andeuten.

Bild 1.6

Aufbausystem der Kristalle [ 4 ]

Keramische Stoffe bestehen aus anorganischen Verbindungen, häufig Metall-SauerstoffVerbindungen, wie z. B. SiO2 (Quarz). Diese sind wie bei den Metallen regelmäßig angeordnet (Bild 1.7) und können manchmal auch sehr komplizierte Strukturen annehmen.

19

Bild 1.7

Kristalline Festkörperstruktur von SiO2 [ 62 ]

Es gibt auch die Möglichkeit, dass sich die Grundbausteine zu einem regellosen Netz anordnen. Diese Struktur wird als Glas bezeichnet (Bild 1.8). Eine nützliche Eigenschaft solcher Gläser ist, dass der Durchgang von Licht nicht richtungsabhängig ist, so dass ein ungestörtes Bild erscheint, wenn man beispielsweise durch eine Fensterscheibe sieht.

Bild 1.8

Glasartige Festkörperstruktur von SiO2 [ 62 ]

Kunststoffe sind aus langen, organischen Molekülketten aufgebaut. Kohlenstoff-Atome bilden dabei die eigentliche Kette, daran sind insbesondere Wasserstoff-Atome, aber auch Sauerstoff, Chlor, Fluor und Stickstoff gebunden. Diese Ketten können ungeordnet verbunden (Glas) oder gefaltet (Kristall) vorliegen. Die meisten Kunststoffe bestehen aus einem Gemisch dieser beiden Strukturen (Bild 1.9 und 1.10).

Bild 1.9

Molekülketten von Polyäthylen [ 62 ]

20

Bild 1.10 1.3

Molekülketten in thermoplastischen Kunststoffen [ 62 ]

Werkstoffeigenschaften

Von grundlegender Bedeutung für Kennzeichnung, Einteilung sowie die spätere Auswahl eines Werkstoffs für ein bestimmtes Einsatzgebiet sind seine Eigenschaften. Diese werden im Bereich der Werkstoffprüfung ausführlich behandelt [ 4 ], [ 6 ], [ 12 ], [ 20 ], [ 54 ] 1.3.1

Elektrische Leitfähigkeit

Die elektrische Leitfähigkeit ist die Fähigkeit eines Stoffes, den elektrischen Strom zu leiten. Sie ist umgekehrt proportional zum elektrischen Widerstand [ 53 ], [ 60 ]. Man unterscheidet in Supraleiter:

S = 0 z. B. Vanadium bei T < 5 K (= -268 C), Blei bei T < 7 K (= -266 C)

Leiter:

106 1/cm

> L

Halbleiter:

103 1/cm

> HL > 10-8 1 / cm,

Isolator:

10-9 1/cm > I

> 104 1 / cm,

z. B. Metalle, Graphit z. B. Germanium, Silizium

> 10-18 1 / cm, z. B. Polymere, Keramik

Die Leitfähigkeit eines Metalls ist am größten, je reiner der Stoff ist. 1.3.2

Dichte

Dichte  = Masse m / Volumen V Beispiele: Mg 1,7

Al 2,7

Fe 7,8

Gold 19,3

Al2O3 3,9

Kunststoffe 0,9-1,5

Wasser 1

g/cm3

21

1.3.3

Schmelztemperatur

Die Schmelztemperatur ist die Temperatur, bei der ein Material vom festen in den flüssigen Zustand übergeht, d. h. die geordnete Struktur z. B. eines Metalls zerstört wird. Nachfolgend sind einige Schmelztemperaturen aufgeführt [ 5 ]: 0 C 660 C 1536 C 3407 C.

Wasser: Aluminium: Eisen: Wolfram: 1.3.4

Wärmeleitfähigkeit

Die Wärmeleitfähigkeit von Metallen ist proportional der elektrischen Leitfähigkeit. Hat ein Werkstoff nur eine geringe Wärmeleitfähigkeit, so muss er vorsichtig erhitzt werden, um Spannungen als Folge großer Temperaturunterschiede zu vermeiden. Tabelle 1.1 gibt einige Werte für die Wärmeleitfähigkeit von verschiedenen Werkstoffen wieder [ 5 ]. Metall

Wärmeleitfähigkeit in J / msK

Silber

400

Kupfer

380

Aluminium

228

Eisen

76

Austenitischer Stahl

16

Porzellan

1,2

PVC

0,16

Tabelle 1.1

Werte für die Wärmeleitfähigkeit von verschiedenen Werkstoffen [ 5 ]

Weitere physikalische Eigenschaften sind u. a. magnetisches Verhalten, thermische Ausdehnung, optische Eigenschaften und kernphysikalische Eigenschaften (Radioaktivität). 1.3.5

Mechanische Eigenschaften [ 12 ], [ 60 ], [ 85 ]

Zu den wesentlichen mechanischen Eigenschaften zählt das Verhalten unter Krafteinwirkung. Diese Eigenschaften sind im Buch über mechanisch-technologische Werkstoffprüfung [ 95 ] ausführlich behandelt worden. 1.3.6

Chemische Eigenschaften

Chemische Beständigkeit ist definiert als die Fähigkeit eines Werkstoffs, der Zerstörung durch irgendeine Reaktion zwischen Umgebung und Oberfläche zu widerstehen [ 57 ]. Mangelhafte chemische Beständigkeit ist eine der Ursachen für die begrenzte Lebensdauer von Bauteilen oder Maschinen. 22

Zu den chemischen Eigenschaften gehören:  atmosphärische Korrosionsbeständigkeit  Korrosionsbeständigkeit in Lösungen  Oxidationsbeständigkeit (z. B. beim Erhitzen)  Brennbarkeit  Giftigkeit 1.3.7

Technologische Eigenschaften

Dazu zählen z. B. die Verarbeitbarkeit der Werkstoffe [ 4 ], wie die Gießbarkeit, die Kalt- und Warmumformbarkeit, die Schweiß- und Lötbarkeit, die Spanbarkeit und Härtbarkeit sowie ihre ökologische Verträglichkeit. Darunter versteht man wiederum die Möglichkeit, den Werkstoff oder seine Folgeprodukte umweltfreundlich wiederzuverwerten oder ohne Belastungen der Umwelt abzulagern. In den letzten Jahren spielt dieser Aspekt eine immer bedeutendere Rolle. 1.4

Metalle

Von den aufgeführten Werkstoffen sind die Metalle die am häufigsten vertretenen und verwendeten Werkstoffe. Deshalb sollen sie an erster Stelle beschrieben werden. Jedes Metall hat aufgrund seiner atomaren Struktur und seines spezifischen Gitteraufbaus typische Eigenschaften. Sie spiegeln sich wieder:      1.4.1

im metallischen Glanz in der Lichtundurchlässigkeit im kristallinen Aufbau in der Festigkeit und Verformbarkeit in der guten elektrischen und thermischen Leitfähigkeit. Der kristalline Aufbau [ 4 ]

Die Metallkunde beschäftigt sich damit, die Eigenschaften der Metalle (makroskopische Eigenschaften) durch den mikroskopischen Aufbau zu erklären. Die Eigenschaften der Metalle werden durch die Art der Atome, deren Anordnung und die zwischen ihnen wirkenden Bindungskräfte (Metallbindung) bestimmt. Die Anordnung der Atome bzw. Ionen erfolgt in einem dreidimensionalen Kristallgitter. Es bildet sich beim Übergang vom flüssigen in den festen Zustand. Die ungeordneten Atome gehen dann in einen geordneten Zustand über, der für jedes einzelne Metall verschieden sein kann. Daraus resultieren unterschiedliche Kristallgittertypen. Die kleinste Einheit eines solchen Gitters ist die Elementarzelle (Bild 1.11).

23

KugelmodellDarstellung

StrichmodellDarstellung kubisch raumzentriertes Kristallgitter [krz] MetallIonen

Ionenmittelpunkt

Elektronenwolke

kubisch flächenzentriertes Kristallgitter [kfz]

hexgonales Kristallgitter [hex]

Bild 1.11

Beispiele für Elementarzellen eines Kristallgitters [ 6 ], [ 7 ]

Die Gebrauchsmetalle gehören den kubischen, hexagonalen und tetragonalen Kristallgittern an. Das kubische Kristallgitter tritt als kubisch-raumzentriert (als Beispiel: -Eisen, Molydän, Wolfram, Chrom) und kubisch-flächenzentriert (als Beispiel -Eisen, Aluminium, Kupfer, Nickel, Gold, Silber) auf. Im hexagonalen Kristallsystem liegen die Metalle Magnesium, Zink und Beryllium vor. Bei der metallischen Bindung werden die Valenzelektronen vom Atom abgegeben und sind im Gitter frei beweglich. Daraus resultiert die gegenüber den nichtmetallischen Werkstoffen gute elektrische und Wärmeleitfähigkeit. 1.4.2.

Kristallbaufehler

Das reale Kristallgitter enhält eine Vielzahl von Baufehlern, d. h. Abweichungen vom betrachteten Idealkristall. Diese, auch als Gitterstörungen bezeichneten Fehler sind von großem Einfluss auf die Verformbarkeit, Festigkeit und auf weitere Eigenschaften der Metalle. Sie liegen in einer Größenordnung von 10-8 cm, was etwa dem Atomdurchmesser bzw. dem Atomabstand im Gitter entspricht. Entsprechend ihrer Ausdehnung werden sie eingeteilt in (Bild 1.12) [ 60 ] :

24

1. Nulldimensionale Gitterbaufehler (Leerstellen, Zwischengitteratome, Fremdatome), 2. eindimensionale Gitterbaufehler (Versetzungen), 3. zweidimensionale Gitterbaufehler (Korngrenzen). 5

Bild 1.12

Kristallbaufehler

1 Leerstelle 2 Zwischengitteratom 3 Fremdatom 4 Versetzung 5 Korngrenze [ 16 ]

Leerstellen sind freigebliebene Plätze im Raumgitter. Zwischengitteratome nehmen Plätze zwischen den regelmäßig angeordneten Atomen ein und verspannen das Gitter. Fremdatome sind andere Atome als die Atome des Grundwerkstoffs. Versetzungen sind linienförmige Störungen, an willkürlich im Gitter endenden Atomebenen. Korngrenzen entstehen bei der Erstarrung der Metalle und sind flächenhaft ausgedehnt. Hier stoßen einzelne Kristallbereiche aneinander, deren Ausrichtung der Gitter verschieden ist (Bild 1.13).

Bild 1.13

Korngrenzen, die durch Stufenversetzungen gebildet werden [ 16 ] a) Kleinwinkelkorngrenze aus einer Reihe von Stufenversetzungen gebildet, b) Großwinkelkorngrenze, c) Zwillingsgrenze als Beispiel für besondere Großwinkelkorngrenze mit spiegelbildlich liegenden Kristallen 25

1.4.3

Verformung

Die Kristallbaufehler sind von grundlegender Bedeutung für die Eigenschaften der Werkstoffe. Die Verformung beruht auf der Bewegung von Versetzungen. Dabei entstehen Gleitstufen an der Oberfläche. Die Bewegung der Atome erfolgt dabei nicht gleichzeitig, sondern nacheinander (Bild 1.14). Stößt nun die Versetzung auf ein Hindernis, konkret auf einen Kristallbaufehler, so wird diese Bewegung behindert und möglicherweise sogar zum Stehen gebracht. Darauf beruhen die Härtemechanismen [ 8 ]:  Versetzungshärtung: Versetzungen sind ein Hindernis für die Versetzungsbewegung.  Mischkristallhärtung: Fremdatome haben üblicherweise einen anderen Durchmesser als die übrigen Atome und verzerren dadurch das Gitter, ebenso wie die Zwischengitteratome, was dann ein Hindernis für die Versetzungsbewegung darstellt.  Feinkornhärtung: Ist die Korngröße klein („feines Korn“), so sind viele Korngrenzen in dem Gefüge vorhanden, die die Versetzungsbewegung aufhalten.  Ausscheidungshärtung: Ausscheidungen sind kleine Bereiche/Körner einer anderen Phase, die auch aus ganz anderen Elementen bestehen können. Sie stellen ebenfalls ein Hindernis für die Versetzungsbewegung dar. Durch Zugabe von Legierungselementen, Wärmebehandlung und Verformung kann man die Art und Menge an Kristallbaufehlern steuern und so gezielt die Eigenschaften eines Werkstoffs verändern.

Bild 1.14

Versetzungsbewegung [ 10 ], [ 60 ] 26

1.4.4

Legierungsbildung

Da die reinen Metalle mit ihren Eigenschaften den technischen Anforderungen häufig nicht genügen, werden Metall-Metall- bzw. Metall-Nichtmetall-Komponenten in den unterschiedlichsten Mischungsverhältnissen über den schmelzflüssigen Zustand hergestellt. So entstehen Legierungen. Liegen die Komponenten mit ihren Kristallgittern im festen Zustand nebeneinander vor, so spricht man von einem Kristallgemisch. Bilden die Komponenten ein gemeinsames Kristallgitter, so entstehen Mischkristalle (Mkr). Sie können in zwei Arten vorliegen (Bild 1.15) [ 16 ]: a) Austauschmischkristalle  Der Atomdurchmesser der Komponente ist etwa gleich groß, Beispiel Fe - Cr. b) Einlagerungsmischkristalle  Der Atomdurchmesser der Komponenten ist wesentlich kleiner, Beispiel Fe – C.  Grundsystem des Stahls mit den Komponenten Fe (Komponente 1) und C (Komponente 2).

a)

Austausch-Mischristall

Einlagerungs-Mischristall

Komponente 1

Komponente 1

Komponente 2

Komponente 2

Bild 1.15 1.4.5

b)

Atomanordnung bei Austausch- und Einlagerungs-Mischkristallen [ 63 ]

Metallgefüge [ 8 ]

Bei der Erstarrung der Schmelze bilden sich, ausgehend von Keimen (Aneinanderlagerung von ca. 50 Atomen) die Kristallite oder Körner. Die Keime wachsen dabei bis zur Berührung mit den Nachbarkörnern, wobei die Korngrenzen entstehen. Die Gesamtheit der Kristallite, der Korngrenzen sowie fremder Bestandteile im Festkörper bezeichnet man als Gefüge (Bild 1.16), das gekennzeichnet ist durch die Art, Größe, Form und Verteilung der Gefügebestandteile. Sind viele Keime in der Schmelze, so entsteht ein feinkörniges Gefüge, das sich durch gute Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften auszeichnet. Bei Vorhandensein von wenigen Keimen (z. B. bei reinen Metallen) wird die Gefügeausbildung relativ groß.

27

Bild 1.16

Gefüge von reinem Eisen (Armco-Eisen) [ 61 ] a: Korn oder Kristallit b: Korngrenze

V = 500 : 1

Zur Sichtbarmachung des Gefüges wird eine Metallprobe geschliffen, poliert, geätzt und danach im Lichtmikroskop bei Vergrößerungen bis 100-fach betrachtet. 1.5

Eisen und Stahl [ 46 ], [ 60 ], [ 61 ], [ 63 ]

1.5.1

Einteilung der Eisenwerkstoffe

Reines Eisen erstarrt bei 1536 °C zum kubisch-raumzentrierten (krz)-Eisen. Bei weiterem Abkühlen wandelt sich dieses bei 1392 °C in das kubisch-flächenzentrierte (kfz)-Eisen und bei 911°C in das -Eisen mit krz Kristallgitter um. Diese Gitterumwandlungen sind mit Eigenschaftsänderungen verbunden, z. B. mit Volumen- bzw. Längenänderungen. Neben der Umwandlung des Gitters ist bei reinem Eisen die Umwandlung vom paramagnetischen in den ferromagnetischen Zustand bei einer Temperatur von 768 °C (Curie-Temperatur) von Bedeutung. Sowohl die magnetische Umwandlung, wie auch die Gitterumwandlungen sind umkehrbar, treten also beim Erwärmen des festen Eisens bis zur Schmelze genauso auf. Alle Begleitelemente des Eisens verändern bereits schon in geringen Mengen seine Eigenschaften. Einerseits gehen sie unerwünscht in das Erzeugnis, während sie andererseits zur Beeinflussung der Güteeigenschaften absichtlich dem Eisen zugesetzt werden. Auf diese Weise ist es möglich, den Werkstoff an seinen jeweiligen Verwendungszweck optimal anzupassen. In technischen Eisenlegierungen ist gerade die Einwirkung des Kohlenstoffs (C) auf die Festigkeit und Verformbarkeit so tiefgreifend, dass die durch ihn bedingten Unterschiede folgende grobe Einteilung zulassen: a) Roh- und Gusseisen mit 2,0 - 4,0 % C verträgt keine mechanischen Formgebungen durch Warm- oder Kaltumformen, ist also nicht schmied-, walz und pressbar. Die Formgebung erfolgt durch Gießen. Die Unterteilung erfolgt nach Bruchaussehen in graues oder weißes Gusseisen. b) Stahl ist eine Legierung aus Eisen, Kohlenstoff (von 0,02 bis 2,1 %) und Eisenbegleitern (= Legierungselemente) bei der der Eisengehalt über 50 % beträgt. Stahl lässt sich sowohl im warmen als auch im kalten Zustand durch Schmieden, Walzen und Pressen in jede beliebige Form überführen. 28

1.5.2

Roheisen [ 60 ]

1.5.2.1

Roheisenerzeugung im Hochofen

1.5.2.1.1 Aufbau des Hochofens Der Hochofen gehört zur Gruppe der Schachtöfen. Schachtöfen haben den Vorteil, dass der heiße Abgasstrom entgegengesetzt zur Durchsatzrichtung der Beschickung verläuft, wobei diese vorgewärmt wird. Die Beschickung des Hochofens ist in Bild 1.17 und der schematische Aufbau in Bild 1.18 wiedergegeben.

Bild 1.17

Stoff-Fluss in der Hochofenanlage [ 12 ]

Im Wesentlichen besteht der Hochofen aus zwei mit der Grundfläche aufeinandergestellten Kegelstümpfen, von denen der obere als Schacht und der untere als Rast bezeichnet wird. Die Form ist deshalb so gewählt, damit die Beschickung infolge Ausdehnung durch Erwärmung nicht im Ofen hängenbleibt. In der Rast verringert sich das Volumen bei der Verbrennung des Kokses und Reduktion des Erzes, deshalb auch die Verjüngung nach unten. Den Abschluss des Schachtes nach oben und damit die Einfüllöffnung für den Möller (Hochofenzuschläge und Erze) wird als Gicht bezeichnet. Die Gicht ist durch einen Gasfang (Glocke oder Trichter) verschlossen, um die Gichtgase nutzen zu können. Die Ebene des größten Ofenquerschnitts wird Kohlensack genannt. Unterhalb der Rast schließt sich ein zylindrischer Teil, das Gestell, an. In ca. 2 m Höhe (je nach Hochofengröße) über dem Bodenstein münden in das Gestell die Windzufuhrdüsen, die sog. Windformen.

29

Unterhalb der Windformen, im unteren Teil des Gestells, wo sich Roheisen und Schlacke sammeln, ist der Herd.

Bild 1.18

Schematischer Schnitt durch einen Hochofen [ 12 ]

Entsprechend der unterschiedlichen Temperaturen ist der Hochofen mit Steinen unterschiedlicher Temperaturbeständigkeit ausgemauert. Zu einer Hochofenanlage gehört eine Batterie von drei Winderhitzern. Das sind Stahlblechtürme von 6 - 8 m Durchmesser und einer Höhe von 25 - 40 m, die innen mit feuerfesten Steinen zu einem Brenn- und einem Gitterschacht (Heizfläche bis zu 35000 m²) ausgemauert sind. Im Brennschacht wird das Gichtgas verbrannt, wobei die heißen Abgase den Gitterschacht auf ca. 1000 °C erwärmen. Anschließend wird der am Hochofen gebrauchte „Wind" durch das Gitterwerk geleitet, wobei er sich auf ca. 700 – 900 °C erhitzt. Dadurch werden beträchtliche Mengen an Brennstoff eingespart. Im Hochofen werden die Erze vorwiegend durch den Kohlenstoff reduziert. Bei diesem Prozess entsteht das Roheisen. Man unterscheidet die indirekte und die direkte Reduktion. Entsprechend der unterschiedlichen Temperaturen ist der Hochofen mit Steinen unterschiedlicher Temperaturbeständigkeit ausgemauert. 1.5.2.1.2 Hochofenerzeugnisse Das Haupterzeugnis des Hochofenprozesses ist das Roheisen. Nach Aussehen des frischen Bruches unterscheidet man zwischen weißem und grauem Roheisen. Das Roheisen wird entweder zu Masseln vergossen, die zur Weiterverarbeitung an Gießereien geliefert werden, oder es geht flüssig zum Roheisenmischer, aus dem es dann zur Stahlherstellung entnommen wird. Die Schlacke, ursprünglich ein Abfallprodukt, wird heute zum größten Teil weiter genutzt. Sie dient zur Herstellung von feinkörnigem Sand, Schotter, Schlackensteinen, 30

Zement und Schlackenwolle. Zu erwähnen sei hier noch der Vollständigkeit halber das Gichtgas, das für Heizzwecke (Winderhitzer und Energieerzeugungsanlagen) verwendet wird. Nachstehend die Analysen einiger Roheisensorten (Tabelle 1.2): Bezeichnung

C%

Si %

Mn %

P%

S%

Graues Roheisen

3,0 - 4,0

2,0 - 3,5

0,5 - 1,0

0,4 - 0,8

0,02 - 0,07

Weißes Roheisen

2,8 - 3,5

0,5 - 1,0

2,0 - 4,0

< 0,3

0,02 - 0,07

St 37-2

0,2

0,4

0,5

< 0,05

< 0,05

Tabelle 1.2

Chemische Analysen von grauem und weißem Roheisen sowie einem unlegierten Stahl [ 40 ]

1.6

Stahlherstellung [ 60 ], [ 63 ]

1.6.1

Roheisenmischer

Roheisenmischer dienen als Sammelbehälter für das in Pfannenwagen vom Hochofen kommende flüssige Roheisen, da Abstichzeit und Roheiseneinsatz oft nicht mit der Frischzeit und dem Roheiseneinsatz im Stahlwerk übereinstimmen. Außerdem haben sie die Aufgabe, die Unterschiede in der Zusammensetzung und der Temperatur des Roheisens anzugleichen, die von Hochofenabstich zu Hochofenabstich auftreten können. Die Aufenthaltszeit des Roheisens im Mischer sollte mindestens 10 Stunden betragen. Bei einer Abstichtemperatur von ca. 1400 °C beträgt die Temperatur im Mischer etwa 1300 °C. 1.6.2

Stahlherstellungsverfahren

1.6.2.1

Allgemeine Grundlagen

Vergleicht man die chemische Analyse von Roheisen und unlegiertem Stahl (Tabelle 1.3), so ist zu erkennen, dass zur Stahlherstellung ein  Absenken des Kohlenstoffgehalts,  Entfernen von Phosphor, Schwefel und weiteren Begleitelementen, so weit wie technischwirtschaftlich vertretbar,  Erhitzen der Roheisenschmelze von ca. 1300 °C auf eine Stahlgusstemperatur von ca. 1600 °C notwendig sind. Dies erfolgt durch das Frischen (Bild 1.19), d. h. Oxidieren, das Verbrennen der Eisenbegleiter. Da dabei die Schmelze wesentlich mehr Sauerstoff löst, muss die Desoxidation folgen. Das ist eine so weitgehende Verminderung des Sauerstoffgehaltes, bei höher kohlenstoffhaltigen Stählen verbunden mit einer Rückverkohlung, um die Warmformgebung und Verwendung der beim Vergießen zu Blöcken oder Strangguss hergestellten Stahlsorten zu ermöglichen. Die Durchführung des Frischprozesses erfordert, das 31

 Sauerstoff in hoher Konzentration in der Schmelze gelöst sein muss,  eine bevorzugte Oxidation der zu entfernenden Elemente vor dem Eisen erfolgt. Kupfer, Zinn und weitere durch die Schrottverarbeitung bei der Stahlherstellung in der Stahlschmelze vorhandene Begleitelemente sind deshalb nicht oder nur sehr schwer entfernbar.  Reaktionsprodukte des Frischens fest an die Schlacke gebunden werden, allein Kohlenmonoxid CO entweicht gasförmig (unberuhigt vergossener Stahl),  Besonders wichtig für die Stahleigenschaften ist die Entphosphorisierung und Entschwefelung. Phosphor (P) wird zuerst zu P2O5 oxidiert.

Bild 1.19

Schematische Darstellung des Windfrischens [ 16 ]

Je nach Art des Frischens gibt es verschiedene Stahlherstellungsverfahren, die generell in  Blasstahlverfahren und  Herdofenverfahren zu unterscheiden sind. 1.6.2.2

Blasstahlverfahren

Dieser Verfahrensgruppe gehören die nur noch historisch interessanten Thomas- und Bessemer-Verfahren an, bei denen Luft durch den Düsenboden des birnenförmigen Konverters in die Schmelze geblasen wurde. Jetzt werden Sauerstoff-Aufblasverfahren zur MassenstahlHerstellung benutzt. Hierzu gehören das LD-, das LDAC-, das Kaldo- und weitere Verfahren. Von all diesen Verfahren hat das nach den Lizenzgebern, den Vereinigten österreichischen Eisen- und Stahlwerken (VOEST) und der österreichischen Alpine Montan Gesellschaft in Linz / Donauwitz, benannte LD-Verfahren die größte Bedeutung erlangt. Es hat sich seit dem 32

Jahre 1952 im großtechnischen Betrieb bewährt. Das Verfahren wird in einem kippbaren, zylindrischen Reaktionsgefäß durchgeführt, das je nach Roheisenzusammensetzung basisch oder sauer ausgekleidet ist (Bild 1.20 und 1.21).

Bild 1.20

Schnitt durch einen LD-Konverter [ 63 ]

Bild 1.21

Tiegel und Düse bei einem LD-Konverter [ 63 ]

Zum Frischen wird Sauerstoff mit einem O-Gehalt zwischen 99,5 - 99,8 % durch eine wassergekühlte Lanze, die in der Konverterachse hängt, senkrecht auf das Bad geblasen. Die Düsenspitze ist dabei vom theoretischen Badspiegel 300 - 1500 mm entfernt. Die metallurgischen Vorgänge lassen sich sowohl durch den Lanzenabstand als auch durch den Sauerstoffdruck steuern. Auf diese Weise können ähnliche Effekte wie beim Windfrischverfahren (hoher Druck, geringer Lanzenabstand, d. h. tiefes Eindringen des Sauerstoffstrahles) oder SM-Verfahren (geringer Druck, weiterer Abstand, d. h. geringes Eindringen) erzielt werden, so dass die günstigen Eigenschaften der Wind- und Herdfrischverfahren ausgenutzt und andere ungünstige Eigenschaften ausgeschaltet werden können. Das LD-Verfahren ist nur für das Frischen von Roheisen mit niedrigem Phosphorgehalt geeignet. Abhilfe bei höheren Phosphorgehalten wurde durch die Entwicklung des LD-ACVerfahrens geschaffen. Bei diesem Verfahren wird zuerst 5 Minuten lang mir reinem Sauerstoff geblasen. Anschließend wird dem Sauerstoff Kalkstaub zugemischt, der eine schmelz33

flüssige Schlacke bildet, welche die Phosphorsäure binden kann. Infolge der bei diesem Verfahren anfallenden großen Schlackenmenge, wird nach ca. 15 Minuten abgeschlackt und weitere 5 Minuten lang mit Kalkstaubzusatz geblasen. Das Ergebnis ist ein Stahl mit niedrigstem Phosphorgehalt. 1.6.2.3

Desoxidieren und Vergießen des Stahls [ 63 ]

1.6.2.3.1

Desoxidation

Durch das Frischen enthält die Schmelze eine größere Menge gelösten Sauerstoffs, die entfernt werden muss. Die Sauerstoffentfernung hängt davon ab, wieviel andere Elemente bereits im Stahl gelöst sind. Aus diesem Grunde wird der Stahlschmelze im Ofen bzw. Konverter oder der Gießpfanne Ferromangan, Ferrosilicium, Silicomangan oder Aluminium (sehr starke Sauerstoff- und dazu Stickstoffabbindung!) zur Desoxydation zugesetzt. 1.6.2.3.2

Unberuhigtes Vergießen

Die nicht oder nur wenig desoxidierte Stahlschmelze weist noch einen Teil gelösten Sauerstoff auf, der beim Abkühlen in der Kokille mit dem Kohlenstoff reagiert und Kohlenmonoxyd (CO) bildet. Das Gas steigt an die Blockoberfläche und verbrennt zu CO2. Dieser Vorgang ist mit beträchtlichen Bewegungen (Kochen) der Schmelze verbunden. Da die Erstarrung von der Kokillenwand zum Blockkern hin fortschreitet, kommt es in unberuhigt vergossenen Blöcken zu Blockseigerungen. Auch verbleiben Gasblasen im Block, die erst beim Warmumformen verschweißen. Es sind vor allen Dingen Phosphor und Schwefel, die stark seigern, aber auch Kohlenstoff und andere Legierungselemente. Weiterhin treten auch Konzentrationsunterschiede in Blocklängsrichtung auf. Da der Kopf des Blocks durch das Kochen am längsten flüssig bleibt, enthält er auch die stärksten Seigerungen. Er fällt deshalb aber auch nicht ein, es entsteht also kein Kopflunker. Eine unberuhigte Erstarrung ist nur bei kohlenstoffarmen Massen- und Baustählen zugelassen. 1.6.2.3.3

Beruhigtes Vergießen

Beim beruhigten Guss wird der Sauerstoff durch Zugabe von stark wirkenden Desoxidationsmitteln gebunden. Meist wird Silicomangan und/oder Aluminium in metallischer Form zugegeben. Es entstehen durch die Reaktion flüssige und daher tropfenförmige Silikate und Tonerdeeinschlüsse, die möglichst zum Blockkopf aufsteigen sollen. Wenn sie jedoch von der Erstarrung überrascht werden, verbleiben sie als nichtmetallische Einschlüsse im Block. Blockseigerungen kommen kaum vor, aber durch das Schwinden bei der Erstarrung ein Kopflunker. Die Erstarrung erfolgt allgemein in der Form gemäß Bild 1.22. Die Unterschiede zwischen beruhigt und unberuhigt vergossenem Stahl zeigt Bild 1.23. Zunächst erstarrt eine äußere schmale Randzone I infolge der starken Wärmeabfuhr und hohen Keimzahl der Formwand feinglobular. In der Zone II wachsen Stengelkristalle entgegen der Richtung der Wärmeabfuhr. In einer mehr oder weniger großen Kernzone III haben sich im Verlauf der Erstarrung Verunreinigungen angesammelt, die als Keime wirken. Hier tritt eine regellose Kornbildung ein, was zu einem grob kristallinen globularen Gussgefüge führt.

34

Bild 1.22

Erstarrungsgefüge eines Stahlblockes

Bild 1.23 Unterschiede zwischen beruhigt und unberuhigt vergossenem Stahl [ 12 ], [ 63 ] 1.6.2.4

Wirkung der Eisenbegleiter [ 60 ], [ 63 ]

Die Eisenbegleiter treten in den Stählen teilweise als unerwünschte Beimengungen, teilweise aber auch als absichtlich zulegierte Elemente zur Erreichung bestimmter Eigenschaften auf. 35

Kohlenstoff (C) Kohlenstoff ist das wichtigste Legierungselement des Eisens. Er liegt im Stahl in Form von Eisenkarbid (Fe3C=Zementit) oder im Eisen gelöst vor (Einlagerungsmischkristall). Die Festigkeit von Stählen erhöht sich bei Zunahme des C-Gehaltes. Mit steigender Festigkeit nehmen die Zähigkeitswerte (Dehnung, Einschnürung und Kerbschlagzähigkeit) sowie die Kaltverformbarkeit ab. Schmiedbarkeit, Schweißeignung und spanende Bearbeitbarkeit werden verringert. Kohlenstoff ist für das Härten und Vergüten des Stahles von großer Bedeutung. Silizium (Si) Silizium liegt im Stahl in der Grundmasse gelöst vor. Aufgrund seiner großen Affinität zum Sauerstoff ist Silizium als Desoxidationsmittel geeignet. In Baustählen bewirkt Silizium eine Erhöhung der Zugfestigkeit, aber auch eine Vergrößerung der Korngröße. Die Kaltverformbarkeit wird herabgesetzt. In Werkzeugstählen erhöht Silizium die Härtbarkeit, in Gusseisen fördert es eine Graphitausscheidung. Mangan (Mn) Mangan liegt zum größten Teil in der Grundmasse gelöst oder in Form von nichtmetallischen Einschlüssen als MnO oder MnS vor. Mangan wird als Desoxidationsmittel eingesetzt bzw. dient zur Abbindung von Schwefel. Mangan erhöht bei kohlenstoffarmen Stählen die Festigkeit und Streckgrenze. Es fördert die Durchhärtung und verbessert trotzdem die Zähigkeit des Werkstoffs. Phosphor (P) Die Höhe des Phosphor-Gehalts in Stahl ist vom Stahlerzeugungsverfahren abhängig. So ist der P-Gehalt beim Thomas-Stahl etwa doppelt so hoch wie beim SM- oder LD-Stahl. Phosphor liegt im Stahl in gelöster Form vor. Er neigt ebenso wie Schwefel zu Block- bzw. Kristallseigerungen. Ein Ausgleich zwischen phosphorreichen und phosphorarmen Zonen ist auch bei längeren Diffusionsglühungen nicht möglich. Durch Phosphor wird die Schweißeignung verschlechtert und die Sprödbruchempfindlichkeit verstärkt, was sich besonders bei unberuhigt vergossenen Stählen negativ auswirkt. Zur Verbesserung der Schweißeignung wird deshalb der Stahl beruhigt und der P-Gehalt variiert je nach Stahlsorte. Er liegt bei allgemeinen Baustählen bei max 0.08 %, bei Stählen im Kernkraftwerksbau ist Phosphor auf 0.012 % begrenzt. Schwefel (S) Schwefel neigt ebenso wie Phosphor zu Seigerungen, die örtlich zu stark verminderter Zähigkeit führen können. Schwefel sollte möglichst vollständig an Mangan gebunden, d. h. als MnS vorliegen. Falls Mangan nicht in ausreichender Menge vorhanden ist, kann Schwefel sich mit Eisen zu Eisensulfiden (FeS) verbinden. Diese niedrigschmelzenden Verbindungen (entstehen bei ca. 985 oC Schmelztemperatur), welche sich auf Korngrenzen ablagern, können zur Rot- oder Warmbrüchigkeit führen. Der SGehalt wird deshalb begrenzt und liegt bei Baustählen bei max. 0.05 %. Die einzige Ausnah36

me sind Automatenstähle mit maximal 0,2 % Schwefel. Die eingelagerten Mangansulfide lassen den Werkstoff in kurze, bröckelige Späne abbrechen. Chrom (Cr) Chrom gehört wie Molybdän, Vanadium und Wolfram zu den sogen. Karbidbildnern, d. h. sie bilden hauptsächlich mit Zementit Mischkarbide. Eisen-Chrom-Mischkarbide können bis zu 10 % Chrom enthalten. Bei höheren Chromgehalten können Sonderkarbide mit starken Auswirkungen auf die Festigkeitseigenschaften entstehen. Ab 0.8 % Cr wird die Warmfestigkeit verbessert, ab ca. 12 bis 13 % Cr wird der Stahl bei gleichzeitig niedrigem C-Gehalt korrosions- und zunderbeständig. Chrom verringert die kritische Abkühlungsgeschwindigkeit, so dass Chrom-Stähle nur in Öl gehärtet werden dürfen oder sogar lufthärtbar sind. Da Chromstähle zur Anlasssprödigkeit neigen, ist meist Molybdän und/oder Wolfram zulegiert, um diese Eigenschaften zu mindern. Nickel (Ni) Nickel liegt im Stahl ausschließlich in gelöster Form vor. Die Festigkeitszunahme durch Nickel ist auf die höhere Festigkeit der Eisen-Nickel-Mischkristalle zurückzuführen. Nickel wirkt sich stark auf die Durchhärtung bzw. Durchvergütung aus, was sich beim Schweißen, besonders bei etwas höherem C-Gehalt nachteilig bemerkbar macht (Vorwärmung). Nickel wirkt kornverfeinernd, so dass die Zähigkeitseigenschaften erhöht werden. Im Gegensatz zu Mangan-Stählen weisen Nickel-Stähle in Dickenrichtung keine schlechteren Eigenschaften auf. Hohe Ni-Gehalte führen zu einem austenitischen Gefüge. Austenitische Cr-NiStähle sind besonders korrosions- und zunderbeständig. Aluminium (Al) Aluminium wird dem Stahl als Desoxidationsmittel in metallischer Form zugegeben. Neben Sauerstoff wird durch Al auch Stickstoff gebunden (Ausscheidung von Al-Nitriden). Dadurch wirkt Aluminium kornverfeinernd, Verformungsvermögen und Zähigkeit nehmen beträchtlich zu. Geringe Al-Gehalte erhöhen die Überhitzungsunempfindlichkeit, Al-Gehalte bis 3 % verbessern die Zunder- und Hitzebeständigkeit. Sauerstoff (O) In gebundener Form bildet Sauerstoff nichtmetallische Einschlüsse (MnO, SiO, Al2O3) und verschlechtert dadurch den Reinheitsgrad, während sich andererseits die Oxide bei der Erstarrung und der Gefügeumwandlung als Keime günstig auswirken. In gelöster Form macht Sauerstoff den Stahl alterungsanfällig und steigert die Neigung zur Rotbrüchigkeit. Er wirkt versprödend, wodurch besonders die Kerbschlagzähigkeit nachlässt. Stickstoff (N) Stickstoff ist der Hauptverursacher für die Alterung des Stahles. Durch Zugabe von Aluminium wirkt Stickstoff jedoch in Verbindung mit Vanadin, Niob oder Titan bei Feinkornbaustäh37

len festigkeitssteigernd und erhöht die Streckgrenze, besonders auch in der Wärme, ohne dass die Verformungsfähigkeit zu sehr verringert wird. Bei besonders verschleißgefährdeten Bauteilen kann Stickstoff dem Stahl von Außen bei ca 550 oC zugeführt werden (Nitrierhärten). Wasserstoff (H) Wasserstoff bewirkt eine Versprödung des Stahles. Er ist die Ursache für die Entstehung von feinsten Rissen und Trennungen (Flocken, Fischaugen). Gerade beim Schweißen ist zur Vermeidung von wasserstoffinduzierten Rissen auf eine gute Trocknung der Stabelektroden bzw. des Schweißpulvers zu achten. Da Wasserstoff gutes Diffusionsvermögen besitzt, werden Stähle nach dem Schweißen nachgewärmt. 1.7

Einteilung und Kennzeichnung der Stähle [ 24 ], [ 60 ]

1.7.1

Einteilung der Stähle

Stähle lassen sich aufgrund unterschiedlicher Kriterien in verschiedene Gruppen einteilen. nach dem Legierungsgehalt  unlegierte Stähle:

Si Mn Ti Al

max. 0,5 % max. 0,8 % max. 0,1 % max. 0,1 %

Cu P S

max. 0,25 % max. 0,09 % max. 0,07 %

Außer den hier genannten Legierungselementen werden keine weiteren einem unlegierten Stahl absichtlich zugesetzt. z. B.:

St 37, C 45, C 105 W 2.

 niedriglegierte Stähle (Legierungselemente < 5 %):

z. B.:

15 Mo 3, 42 MnV 7.

 hochlegierte Stähle (Legierungselemente > 5 %):

z. B.:

X 10 CrNiTi 18 9, X 10 Cr 13, X 60 CrMnMoVNbN 21.10.

nach dem Reinheitsgrad z.B.: - Massenstahl

P < 0,08 %

S < 0,07 %,

- Qualitätsstahl

P < 0,045 %

S < 0,045 %,

- Edelstahl

P < 0,035 %

S < 0,035 %.

38

nach dem Gefügestand z. B.:

- ferritisch-perlitische Stähle, - austenitische Stähle, - martensitische Stähle.

nach der Verwendung z. B.:

- Betonstahl, - Federstahl, - Ventilstahl, - Hitze- und zunderbeständiger Stahl.

1.7.2

Kennzeichnung der Stähle

nach der Festigkeit (für Bau- und Konstruktionsstähle) R St 37 2 (unlegierter Baustahl) Stahlgütegruppe nach DIN 17100 Mindestzugfestigkeit 37 kpmm2 (360 N/mm2) Symbol für Stahl R beruhigt RR besonders beruhigt U unberuhigt nach der Streckgrenze (für Feinkornbaustähle) St E 420 Miindeststreckgrenze 420 N/mm2 Symbol für Streckgrenze Symbol für Stahl

39

Bei der Kennzeichnung werden nach DIN 17006 [ 65 ] folgende Bezeichnungen verwendet: M A St 42 .6 N Behandlungszustand Gewährleistungsumfang „Kern" der Benennung Ureigenschaften Erschmelzungsart Erschmelzungsarten: B E I LE M T

Bessemer-Stahl, Elektrostahl allgemein, Elektrostahl aus dem Induktionsofen, Elektrostahl aus dem Lichtbogenofen, Siemens-Martin-Stahl, Thomas-Stahl.

TI W V B Y

Tiegel-Stahl, nach Sonderverfahren erblasener Stahl, Sauerstoff-Aufblasverfahren, basisches Futter, saures Futter.

nach der chemischen Zusammensetzung Bei der Kennzeichnung der niedriglegierten Eisenwerkstoffe nach der chemischen Zusammensetzung werden für die Angabe des Gehaltes unterschiedlicher Legierungselemente die Schlüsselzahlen (Multiplikatoren) nach Tabelle 1.3 verwendet: Schlüsselzahl

Legierungselemente

4

Cr, Co, Mn, Ni, Si, W

10

Al, B, Be, Mo, Nb, Ta, Ti, V, Zr

100

P, S, N, C, Ce

Tabelle 1.3

Schlüsselzahlen für die Legierungselemente [ 60 ]

Bei der Verwendung des X als Vorbuchstabe vor dem Kohlenstoffgehalt sind die Gehalte der Legierungselemente in ganzen Prozentsätzen angegeben: z. B.

X 10 CrNiTi 18.10.

Es ist zu beachten, dass der Kohlenstoff auch bei hochlegierten Stählen den Faktor 100 beibehält. Im obigen Beispiel beträgt er also 0,10 %.

40

Beispiele: 

unlegierte Stähle C 45 Kohlenstoffgehalt 0,45 % Symbol für Kohlenstoff



niedriglegierte Stähle 13 CrMo 4 4 Molybdängehalt 0,4 % Chromgehalt 1,0 % Symbole der Legierungselemente Kohlenstoffgehalt 0,13 %

 hochlegierte Stähle

X 10 CrNi 18 10 Nickelgehalt 10,0 % Chromgehalt 18,0 % Symbole der Legierungselemente Kohlenstoffgehalt 0,10 % Symbol für hochlegierte Stähle nach Werkstoffnummern Die Werkstoffnummern sind siebenstellig. Sie setzen sich zusammen aus: X.

XXXX.

XX

Anhängezahl: Behandlungszustand Anhängezahl: Herstellungsverfahren Festgelegte Qualität Sorten-Nr. Stahlsortengruppe Werkstoffhauptgruppe

41

Für die Hauptgruppen gilt folgender Rahmenplan (Systematik der Werkstoffnummern für Stahl und Stahlguß nach DIN 17007 [ 66 ]: 0 1 2 3 4 bis 8 9

Roheisen und Ferro-Legierungen Stahl Schwermetalle z. B.: Cu, Ni (außer Eisen) Leichtmetalle z. B.: Al nichtmetallische Werkstoffe frei für interne Benutzung

In die Hauptgruppen 0 bis 1 gehören alle Werkstoffe, bei denen Eisen den größten Einzelgehalt darstellt. Anhängezahlen sind nur dann einzufügen, wenn es zum eindeutigen Kennzeichnen des Werkstoffes im Einzelfall notwendig ist. Nachstehend zwei Beispiele für die Kennzeichnung nach Werkstoffnummern: 1. 0116 . 61 N

Normalgeglüht beruhigter SM-Stahl St 37-3 nach DIN 17 100 allgemeiner Baustahl, unlegiert nach DIN 17 100 Stahl 1 . 27 13 festgelegt für Stahl mit 0,55 % C, 0,7 % C, 1,7 % Ni, 0,3 % Mo + V Werkzeugstahl (nickelhaltig) Stahl Ureigenschaften:

A H L P Q R RR S U Z TT W

= = = = = = = = = = = =

alterungsbeständig halbberuhigt vergossen laugenrissbeständig pressschweißbar kaltstauch- bzw. kaltverformbar beruhigt vergossen besonders beruhigt vergossen schmelzschweißbar unberuhigt vergossen ziehbar (tiefziehbar) kaltzäh warmfest

42

Kern der Benennung: 1. nach der Zugfestigkeit 2. nach der chemischen Analyse. Gewährleistungsumfang 1

=

Streckgrenze

2

=

Falt- oder Stauchversuch

3

=

Kerbschlagzähigkeit

4

=

Streckgrenze und Falz- oder Stauchversuch

5

=

Falt- oder Stauchversuch und Kerbschlagzähigkeit

6

=

Streckgrenze und Kerbsschlagzähigkeit

7

=

Streckgrenze, Kerbschlagzähigkeit, Falt- oder Stauchversuch

8

=

Warmfestigkeit oder Dauerstandsfestigkeit

9

=

elektrische oder magnetische Eigenschaften

Behandlungszustand A

=

angelassen

B

=

behandelt auf beste Bearbeitbarkeit bei der Zerspanung

E

=

einsatzgehärtet

G

=

weichgeglüht

H

=

gehärtet

Hf

=

Oberfläche flammgehärtet

Hi

=

Oberfläche induktionsgehärtet

K

=

kaltverformt

N

=

normalgeglüht

NT

=

nitriert

S

=

spannungsarmgeglüht

U

=

unbehandelt

V

=

vergütet (Zahl hinter V gibt die Mindestfestigkeit nach dem Vergüten in N/mm2 an).

1.7.3

Anwendung von Stählen und Gusseisenwerkstoffen

1.7.3.1

Anwendungsgebiete wichtiger Stahlgruppen

Tabelle 1.4 gibt einen Überblick über wichtige Stahlgruppen [ 4 ]

43

Stahl (unlegiert oder legiert) Konstruktionsstähle Allgemeine und Feinkornstähle

Arbeits- oder Werkzeugstähle

Maschinenbaustähle Stähle für besondere Umgebungsbedin- Einsatzstähle - Vergütungsstähle gungen (hohe oder tiefe Temperaturen, Korrosionsangriff)

- unlegierte Stähle - Kaltarbeitsstähle - Warmarbeitsstähle - Schnellarbeitsstähle

Keine Wärmebehandlung beim Verbraucher

Wärmebehandlung beim Verbraucher

Wärmebehandlung beim Verbraucher

-

Verarbeitung im Lieferzustand als Bleche, Stabstahl, Rohre

Bezeichnung nach chemischer Zusammensetzung

Legierungszusammensetzung wichtig für die Eigenschaften

-

Tabelle 1.4

Überblick über wichtige Stahlgruppen.

Allgemeine Baustähle nehmen über 60 % der Weltstahlerzeugung ein. Entsprechend ihrer Festigkeitswerte werden sie im Hoch-, Tief-, Hallen-, Brücken-, Fahrzeug- und Schiffbau in Form von Halbzeugen verwendet. Sie müssen gut verformbar und schweißbar sein. Gewährleistete mechanische Eigenschaften dieser Baustähle sind in DIN 17100 [ 67 ] genormt. Beispiele: St 37-2

Schweißkonstruktionen

St 37-3

im Stahl- und Behälterbau

St 60-2

Passfedern und -stifte, Keile

Feinkornbaustähle sind Baustähle mit einer Mindeststreckgrenze von > 355 N/mm2. Die geringe Korngröße, die die guten Festigkeits- und Zähigkeits-Eigenschaften bewirkt, ist auf die Zugabe von Legierungselementen in hundertstel Prozent (Mikrolegieren) zurückzuführen. Beispiel:

St E 355 meist verwendeter Hochbaustahl (gut schweißbar)

Einsatzstähle haben einen Kohlenstoffgehalt < 0,25 % und erhalten durch Aufkohlen mit nachfolgendem Härten eine hohe Oberflächenhärte, einen großen Verschleißwiderstand und eine hohe Dauerfestigkeit. Beispiele: 16 MnCr 5 25 CrMo 4

Zahnräder, Wellen, Kolbenbolzen im Fahrzeug- und Getriebebau

Vergütungsstähle haben einen Kohlenstoffgehalt von 0,25 bis 0,6 %. Das Vergüten (Härten und nachfolgendes Anlassen auf 450 bis 700 °C) bewirkt eine für den Verwendungszweck hohe Festigkeit bei guter Zähigkeit. 44

Beispiele: C 35

kleine Achsen, Wellen, Hebel

34 CrMo 4

Teile hoher Dauerfestigkeit, Kurbelwellen

50 CrV 4

Pleuelstangen, Kardanwellen, Zahnräder

Warmfeste Stähle werden für Bauteile und Anlagen bei ständigen Temperaturen bis 550 °C verwendet. Sie müssen schweißbar sein (deshalb niedriger Kohlenstoffgehalt !) Beispiel: 13 CrMo 44

Kesselbleche, Rohre, Flansche (bis 520 °C verwendbar).

Für Temperaturen über 650 °C sind hochlegierte Stähle bzw. aushärtbare NiCrCoLegierungen einzusetzen. Kaltzähe Stähle kommen bei Temperaturen unter -40°C bis 0 Kelvin zur Anwendung. Beispiel:

X 8 Ni 9

Teile für Luftverflüssigungs-Anlagen

Nichtrostende / korrosionsbeständige Stähle sind hochlegierte Chromstähle, die als weitere Legierungselemente Nickel, Molybdän, Titan u.a. enthalten. Beispiele:

X 10 Cr 13

Geräte der Lebensmittelindustrie

X 35 CrMo 17

Messer aller Art

X 10 CrNiMoTi 18 12

Teile von Säureanlagen der chemischen Industrie

Unlegierte Werkzeugstähle (0,6 % < C < 1,3 %) dienen zur Herstellung von Werkzeugen, die bei Raumtemperatur verwendet werden. Beispiel:

C 85 W

Hämmer, Zangen, Gartengeräte

Kaltarbeitsstähle werden zur spanenden und spanlosen Formgebung (max. 250 °C) von Werkstoffen verwendet. Beispiele:

X 155 CrVMo 12 1

Schnitte, Kalibrierwerkzeuge

60 WCrV 7

Pressluftmeißel

Warmarbeitsstähle dienen zur Herstellung von Werkzeugen, die bei Temperaturen oberhalb 300 °C bis etwa 700 °C verwendet werden. Beispiele:

X 40 CrMo 5 3

Werkzeuge der Glas- und Kunststoffverarbeitung

56 NiCrMoV 7

Gesenkschmiedewerkstoff

Schnellarbeitsstähle sind hochlegierte Edelstähle, die als Schneidwerkstoffe für hohe Zerspanleistungen verwendet werden. Beispiele:

S 18 -

1

-

2

-

5

(X 79 WCo 18 5)

45

Stahlguss Prinzipiell können alle bisher genannten Stahlgruppen auch als Stahl(form)guss hergestellt werden. Stahlgussteile haben aber ein grobkörniges nadeliges Gefüge und erhalten erst durch eine Wärmebehandlung (Normalglühen, Vergüten) die Eigenschaften, wie sie umgeformte Stähle gleicher chemischer Zusammensetzung aufweisen. Die Kennzeichnung erfolgt durch ein vorangestelltes GS mit nachfolgender Angabe der Mindestzugfestigkeit oder der chemischen Zusammensetzung bzw. weiterer Angaben. Beispiele: GS-45

unlegierter Stahlguss

GS-20 Mn 5 V

niedriglegierter Stahlguss, vergütet

GS-42 CrMo 4 Hi

niedriglegierter Stahlguss, induktionsgehärtet

GS-X 6 CrNi 18 9

nichtrostender Stahlguss

GS findet vielseitige Anwendung für Formgussteile des allgemeinen Maschinenbaus, Energiemaschinenbaus, Fahrzeug- und Schiffbaus, in der chemischen und Nahrungsmittelindustrie, z. B. als Gehäuse, Walzenständer, Achsen, Wellen, Zahnräder, Armaturen, Ofen- und Kesselteile, Kette u. a. m. 1.7.3.2

Einsatz von Gusseisen [ 60 ]

Da Gußeisen im Gegensatz zu Stahl nicht mehr umformbar ist, wird die Schmelze sofort in die fertige Form gegossen, um dort zu erstarren. Das Gussstück wird aus der Form herausgenommen und anschließend von Formstoffen gereinigt (Strahlen, Abtrennen, Entgraten).  Gusseisen mit Lamellengraphit [ 12 ]

Kurzzeichen Dichte Schmelzpunkt

GG 7,25 kg/dm3 1150 - 1250 °C

Zugfestigkeit Bruchdehnung Schwindmaß

100 - 350 N/mm2 1% 1%

Gusseisen mit Lamellengraphit (Bild 1.24), oft noch Grauguss genannt, hat 2,5 bis 4 % C, der größtenteils als lamellarer Graphit im Gefüge enthalten ist und die graue Bruchfarbe bedingt. GG wird aus Roheisen, Gussbruch, Stahlschrott und Zusätzen (wie z. B. Ferromangan) in Kupol- oder Elektroöfen erschmolzen. GG ist wegen seiner naheutektischen Gießtemperatur und dem kleinen Schwindmaß von 1 % sehr gut vergießbar, so dass dünnwandige, komplizierte Gussstücke hergestellt werden können. Das stahlähnliche Grundgefüge wird durch die als Kerben wirkenden Graphitlamellen unterbrochen. Daraus resultiert die wanddickenabhängige, sehr niedrige Zugfestigkeit des GG, die sehr geringe Bruchdehnung, die gute Dämpfungsfähigkeit von Schwingungen.  Gusseisen mit Kugelgraphit [ 12 ]

Kurzzeichen Dichte Schmelzpunkt

GGG 7,25 kg/dm3 1150 - 1250 °C

Zugfestigkeit Bruchdehnung Schwindmaß

400 - 800 N/mm2 2% 0,5...1,2 % 46

Bei GGG (Guss-Graphit-Globular), auch sphärolitisches Gusseisen (Sphäroguss) genannt, liegt im Gegensatz zu GG der Graphit in Kugelform vor (Bild 1.25). Dies wird durch eine spezifische Schmelzbehandlung erreicht (Magnesiumzusätze nach starker Entschwefelung). GGG wird bevorzugt im Elektroofen erschmolzen.

Bild 1.24

Gefüge eines Gusseisens mit Lamellengraphit, ca. 500 : 1, geätzt

Die Graphitkugeln haben im Gegensatz zu den Lamellen in GG kaum Kerbwirkung. Daraus resultieren bessere Festigkeits- und Dehnungseigenschaften. Die Festigkeitseigenschaften werden nach dem Abgießen durch eine Wärmebehandlung (Weichglühen, Perlitisieren, Vergüten) eingestellt. GGG hat Eigenschaften des Stahlformgusses und dabei die gute Vergießbarkeit des GG. Es wird für Kurbelwellen, Zahnräder und schlagbeanspruchte Teile des Fahrzeugbaus verwendet.

Bild 1.25

Gefügeausbildung eines Gusseisens mit Kugelgraphit, 1000 : 1, geätzt 47

 Temperguss

Kurzzeichen: Dichte: Zugfestigkeit: Bruchdehnung: Schwindmaß:

GTW

und

GTS

7,4 kg/dm3 | 350 - 700 N/mm2 320 - 480 N/mm2 15 - 3 % | 10 - 2 % 1,6 % | 0,5 %

Temperguss ist ein Fe-C-Si-Werkstoff (Temperrohguss), dessen Kohlenstoff als Fe3C gebunden vorliegt. Durch die spezielle Wärmebehandlung „Tempern" in  nichtentkohlender Atmosphäre zerfällt das Karbid Fe3C in Eisen und Graphit. Man erhält GTS (schwarzer Temperguss): Das Gefüge besteht aus (Ferrit) + Perlit + Graphit. Beispiel: GTS-55-04 (Rm > 550 N/mm2, A3 > 4 %),  entkohlender Atmospäre wird der Werkstoff entkohlt. Man erhält GTW (weißer Temperguss): Das Gefüge besteht aus Ferrit + Graphit. Beispiel: GTW-40-05 (Rm > 400 N/mm2, A3 > 5 %). 1.8

Stahlformgebungsverfahren [ 60 ]

Bei den Stahlformgebungsverfahren wird grundsätzlich unterschieden zwischen a) Stahlformgebung im flüssigen Zustand, bei dem das Bauteil nach dem Gießen bereits seine endgültige Gebrauchsform erhält (Urformen) und b) Stahlformgebung im festen Zustand, z. B. spanlose Verformung in der Wärme (Umformen, Walzen, Schmieden, Pressen). 1.8.1

Urformen [ 12 ]

1.8.1.1

Gießen als Herstellungsverfahren

Schwierige Geometrien z. B. von Ventilgehäusen in Kraftwerken können oft nicht durch Fügen (z. B. Zusammenschweißen) von Halbzeug hergestellt werden. Die Teile werden dann in einem Stück direkt gegossen. Hierzu benötigt man eine Form, die meistens nach dem Abguss zerstört wird (verlorene Form). Es gibt aber auch Metallformen (z. B. Kokillen), die wiederverwendbar sind. Um die geeignete Form herzustellen, wird in der Regel um ein Modell Formsand verfestigt, das eine Nachbildung des Gussteils ist. Da die Gussteile meist hohl sind, muss nach dem Entfernen des Modells ein Kern eingeführt werden. Damit der Kern beim Einguss der Schmelze nicht verrutscht, muss er durch Kernstützen gehalten werden. Jede Gussform braucht mindestens einen Einguss (Speiser) und einen Steiger. Durch den Speiser wird das flüssige Metall in die Form gefüllt. Der Steiger dient zum Entweichen von Luft und Verunreinigungen aus der Form (Bild 1.26).

48

Bild 1.26

Gussform [ 64 ]

Das Gefüge von Gussteilen und damit die mechanischen Eigenschaften können nach dem Abguss nur noch durch eine Wärmebehandlung, aber nicht mehr durch Umformen, verändert werden. Daher ist die richtige Wahl der Form, des Formwerkstoffs und der Gießtemperatur entscheidend für die mechanischen Eigenschaften des späteren Gussteils. Die Abkühlgeschwindigkeit wird beispielsweise durch den Formwerkstoff und das Volumen der Form bestimmt. Ziel ist ein Feinkorn-Gefüge an der Oberfläche (= Gusshaut), wodurch eine höhere Festigkeit und eine größere Korrosionsbeständigkeit erreicht werden soll.

49

Keime entstehen zuerst an der kalten Wand. Da der Temperaturunterschied sehr groß ist, entstehen hier sehr viele Keime gleichzeitig. An diese Keime kristallisiert weitere Schmelze an, so dass die Keime senkrecht zur Wand in die Schmelze wachsen (Bild 1.27).

Bild 1.27

Kristallisation der Schmelze beim Gießen [ 64 ]

Die hauptsächlichste Wachstumsrichtung ist die Richtung der besten Wärmeableitung. Ist die Wärmeableitung durch die Wand sehr groß (Kokillenguss), so entstehen lange „dendritische Kristalle". Ist die Wärmeableitung langsam, ist also keine Vorzugsrichtung vorhanden, so entstehen eher runde, „globulitische Kristalle" (Sandguss). Eine hohe Gießtemperatur begünstigt 50

die Tendenzen zur Dendritenbildung bei Kokillenguss und zu Grobkornbildung bei Sandguss. Einen guten Kompromiss stellt z. B. ein Gefüge mit der äußeren Gusshaut als Schreckschicht, einer nachfolgenden unterdrückten Dendritenbildung und Globuliten im Inneren dar. Es kann z. B. durch Absenken der Gießtemperatur eingestellt werden, die für einige Gusswerkstoffe in Tabelle 1.5 zusammengestellt worden ist. Gießtemperaturen in Grad Celsius

Tabelle 1.5

Grauguss

1.200 - 1.300

Stahlguss

1.550 - 1.600

Aluminiumguss

630 - 710

Gießtemperaturen für verschiedene Gusswerkstoffe [ 12 ]

Durch Seigerung setzen sich zwischen den Dendriten Verunreinigungen, nichtmetallische Einschlüsse, Oxide, etc. ab. Das kann für Ultraschall z. B. eine Phasengrenzfläche darstellen, so dass der Ultraschall hier reflektiert, d. h. aus seiner Richtung gelenkt wird und nicht mehr geortet werden kann. Auch Röntgenstrahlung kann z. B. in den Dendriten und zwischen ihnen unterschiedlich geschwächt werden. "Gefügeanzeigen" auf dem Film können dann zu Fehldeutungen führen. 1.8.1.2

Technische Gießverfahren [ 60 ]

Nach dem Stahlgewinnungsprozess muss die Schmelze abgegossen werden. Dies geschieht entweder in Blöcken oder Formen zur Weiterverarbeitung durch Schmieden, Walzen und Pressen oder zu Gussstücken, die im Wesentlichen ihre endgültige, komplizierte Gestalt erhalten. Man unterscheidet folgende Gießverfahren:  Blockguss  Strangguss  Kokillenguss  Druckguss  Schleuderguss  Sandguss 1.8.1.2.1 Blockguss Der Stahl wird in metallische Formen aus Gusseisen eingefüllt, die zur Erzielung eines gleichmäßigen Gefüges meist gekühlt werden. Ihre Form und Größe ist vom Weiterverarbeitungsverfahren abhängig. Beim Blockguss wird die Schmelze direkt aus der Gießpfanne „fallend" oder „steigend" in eine Kokille umgegossen. Beim Gießen im Gespann werden zwei oder mehrere Kokillen über einen Eingusstrichter „steigend" gefüllt (Bild 1.28). Bei besonders rissempfindlichen Werkstoffen ist es erforderlich, die Schmelze vor dem entgültigen Vergießen in die Kokille zu entga51

sen, z. B. um den Wasserstoff zu entfernen. Die Schmelze wird folglich zunächst in einer Vakuumpfanne behandelt, ehe sie in die richtige Gießpfanne umgefüllt wird.

Bild 1.28

Blockguss (Gießen im Gespann) [ 64 ]

1.8.1.2.2 Strangguss Der Grundgedanke des Stranggussverfahrens ist ein kontinuierlicher Abguss, bei dem Lunkerbildung durch „Nachfließen" der ständig vorhandenen Schmelze vermieden wird. Gleichzeitig kann durch Walzen während der Abkühlung die Hohlraumbildung vermieden und ein feinkörniges Gefüge eingestellt werden (Bild 1.29).

Bild 1.29

Strangguss [ 64 ] 52

1.8.1.2.3 Sandguss Der Sandguss ist wohl die verbreitetste Gießart (Bild 1.30). Als Sandguss wird sie bezeichnet, weil in den Formkästen Formsand verwendet wird, um die den geometrischen Abmessungen der Gussstücke entsprechenden Modelle zu fixieren.

Bild 1.30

Sandguss, Kastenformverfahren [ 12 ]

1.8.1.2.4 Schleuderguss Unter dem Begriff Schleuderguss sind Gießverfahren zusammengefasst, bei denen durch Rotation eines Teiles der Gießeinrichtung die Zentrifugalkraft Einfluss auf Form und Kristallisation nimmt. Das Verfahren ist besonders bei der Rohrherstellung aus hochlegierten Stählen interessant, die sich nicht mehr umformen lassen. Man erzielt eine gute Maßhaltigkeit bei feinem Korn (Bild 1.31).

Bild 1.31

Schleuderformguss [ 12 ] 53

1.8.1.3

Gussfehler [ 64 ]

Ungänzen in Halbzeugprodukten sind oft ursächlich auf das Erschmelzen, Gießen und Erstarren des Werkstoffes als Gussblock oder als Stranggussbramme zurückzuführen, ehe diese als Block, Bramme oder Knüppel weiterverarbeitet werden. Bei Gussteilen sind Schmelz- und Gießtemperatur, der Werkstoff mit seinen Legierungsbestandteilen und nicht zuletzt die Eisenbegleitelemente, wie Schwefel und Phosphor von besonderem Einfluss auf das Entstehen derartiger Ungänzen. Beispielsweise sind sie meistens auf die typischen metallurgischen Einflussgrößen zurückzuführen, wie unzulängliches Gießen, falsches Entleeren der Gussstücke aus der Form, überhöhte oder zu niedrige Gießtemperatur und eingeschlossene Gase oder eingeschlossenen Formsand. Formstoff und Werkstoff spielen neben den technologischen Einflussgrößen eine bedeutende Rolle. 1.8.1.3.1 Lunker Beim Abkühlen reduziert sich das Metallvolumen. Dies gilt auch beim Gießen; hier sind drei Phasen der Volumenminderung festzustellen: 1. Volumenminderung im flüssigen Zustand durch Einguss und Steiger ausgleichbar. 2. Volumenminderung im plastisch „teigigen" Zustand (Innen: flüssig; außen: teigig, fest), „Flüssigkeit" = Schmelze gleicht Volumenänderungen aus (Schwindung = Tab.1.6). 3. Volumenminderung im festen Zustand, gleichmäßige werkstoffabhängige Volumenkontraktion (Schrumpfung = Tab. 1.6). Besonders drastisch ist die Volumenminderung beim Übergang flüssig / fest (teigig). Hier treten Schwindlungshohlräume, Lunker genannt, auf (Bild 1.32).

Darstellung der Abkühlphase an einem Gussteil Bild 1.32

Lunkerbildung [ 64 ] 54

Werkstoff

Schwindung in %

Schrumpfung in %

Grauguss

1,0

1,0

Stahlguss

2,0

3,0

Aluminiumguss

1,0 bis 1,3

1,3

Tabelle 1.6

Schwindung und Schrumpfung bei wichtigen Gusswerkstoffen [ 12 ]

In der Abgussform wird der Werkstoff an den Wänden zuerst fest und erstarrt schließlich in Schichten. Beim Übergang flüssig / fest führt jedoch die Volumenminderung dazu, dass die Flüssigkeit im Inneren diese ausgleichen muss, wodurch der Spiegel der Schmelze absinkt und ein sog. Kopflunker entsteht, der beim Sandguss durch den Speiser und beim Kokillenguss durch den Blockkopf aufgenommen wird. Bei globulitischer Erstarrung im Inneren kann zusätzlich zwischen einzelnen Körnern noch Restschmelze liegen, die dann verästelte Hohlräume zwischen den Körnern hinterlässt. Es entstehen Mikrolunker, Gasblasen, Schwammiges Gefüge (Bild 1.33 und 1.34).

Bild 1.33

Mikrolunker, interdendritisch [ 12 ]

Bild 1.34

Mikrolunker, intergranular [ 12 ]

55

1.8.1.3.2 Warmrisse Bei hochlegierten Werkstoffen besteht der letzte Rest Schmelze zwischen den Kristallen oft aus niedrigschmelzendem Material. Es kann sich dabei z. B. um Schwefel, Sauerstoff oder Phosphorverbindungen handeln, die als „Seigerungen" zwischen den bereits festen Körnern noch flüssig sind, wenn aufgrund der Volumenschrumpfung im Gussteil bereits starke mechanische Spannungen auftreten (Bild 1.35).

Bild 1.35

Warmrissbildung [ 64 ]

Diese mechanischen Spannungen kann der Werkstoff dann nicht aufnehmen, er reißt längs der Flüssigkeitsfilme (Bild 1.36).

Bild 1.36

Warmrisse [ 64 ]

1.8.1.3.3 Poren Eine Schmelze enthält im Gegensatz zum Feststoff eine große Menge an gelöstem Gas. Dieses Gas muss beim Festwerden aus dem Metall verschwinden. Es ballt sich meist an der Grenzfläche flüssig/fest zu Gasblasen zusammen und entweicht durch die noch flüssige Schmelze an die Luft oder in den Formsand. Dazu braucht das Gas Zeit. Erstarrt die Schmelze zu schnell, so können diese Blasen „eingefroren" werden und zur Porenbildung führen. Bild 1.37 zeigt Gasblasen in einem Block aus unberuhigtem Stahl. Porosität erzeugt z. B. im Bild der Eindringprüfung weitestgehend rundliche Anzeigen. 56

Bild 1.37

Gasblasen in einem Block aus unberuhigtem Stahl [ 64 ]

1.8.1.3.4 Sand- und Schlackeneinschlüsse Abplatzen des Formsands beim Verfüllen der Form führt zu warzenartigen Erscheinungen (Schülpen) an der Oberfläche und zu Sandeinschlüssen im Inneren des Gusswerkstoffs. Durch Desoxidationsvorgänge und Reaktion mit feuerfesten Auskleidungsstoffen entstehen nichtmetallische Produkte, die ebenfalls im Werkstückinnern „eingefroren" werden können (Schlacken). 1.8.1.3.5 Kernstützen Kernstützen bei Hohlteilen dienen dazu, die innere Form so abzustützen, dass sie nicht verruscht und so die Maßgenauigkeit gefährdet wird. Kernstützen bestehen aus demselben Material wie das Gussteil. Sie werden mit dem Gusswerkstoff verschweißt. Ist die Stütze ankorrodiert, ölig oder schmutzig, so gelingt das Verschweißen nicht und es entsteht eine Art von „Bindefehler" zwischen Gusswerkstoff und Kernstütze. Diese Erscheinung ist als Fehler zu werten („unverschweißte Kernstützen"), die die Bauteilhaltbarkeit entscheidend beeinträchtigt. 1.9

Umformen [ 60 ]

1.9.1

Warmformgebung

Unter Warmformgebung versteht man eine bildsame Formgebung bei Temperaturen oberhalb der Rekristallisationstemperatur eines Werkstoffes. Durch die plastische Verformung wird eine Verbesserung der Werkstoffeigenschaften erzielt, z. B. durch Verschweißen von Hohlräumen wie Gasblasen und Mikrolunker. Ferner wird durch die Verformung eine Verbesserung der Güteeigenschaften, insbesondere in Längsrichtung erreicht, wobei jedoch eine geringere Güte in Querrichtung in Kauf genommen werden muss. 57

Zur plastischen Verformung müssen Spannungen aufgebracht werden, die über der Spannung der Fließgrenze liegen, welche mit steigender Temperatur abnimmt. Daraus ist ersichtlich, dass der Kraftaufwand bei Warmformgebung umso geringer ist, je höher die Warmverformungstemperatur gewählt wird. Neben der Temperatur ist der Kraftaufwand auch von der Verformungsgeschwindigkeit abhängig. Hieraus erklärt sich die Tatsache, dass sich die Verformungsvorgänge auf Schmiedehämmern wesentlich von denen auf Schmiedepressen, bei denen eine Verformung ohne weiteres bis zum Werkstückkernbereich durchdringen kann, unterscheiden. Da die Verformungsendtemperatur einen wesentlichen Einfluss auf das Gefüge und damit auf die Eigenschaften des Werkstoffs hat (Korngröße, Ausbildung und Menge des Ferrits), ist es besonders wichtig, die Temperatur zu überwachen. Diese Temperaturbereiche liegen bei Stählen je nach Kohlenstoff- und Legierungsgehalt zwischen 800 und 1200 oC. Bei der Erhitzung zur Warmverformung und bei der Abkühlung nach der Verformung können durch falsche Wärmeführung Fehler unterschiedlicher Art auftreten, z. B. Innenrisse bei zu schnellem Aufheizen oder Oberflächenrisse bei zu raschem Abkühlen. 1.9.1.1

Freiformschmieden

Das Freiformschmieden wird bei der Fertigung von kleinen einfach geformten Teilen, bei denen sich ein Gesenkschmieden nicht lohnt oder von größeren Teilen angewandt. Man unterscheidet glatte axialsymmetrische Schmiedestücke, wie Wellen, Achsen, Stäbe, abgesetzte axialsymmetrische Schmiedestücke, wie Walzen, Ruderschäfte und nichtaxialsymmetrische Schmiedestücke, wie Exzenterwellen oder Kurbelwellen. Vielfach werden die Schmiedestücke im Herstellungsgang zunächst als Mehrfachschmiedestücke geschmiedet und später durch Trennschneiden zerlegt. Beim Freiformschmieden muss zunächst ein Schmiedeblock, der vom Stahlwerk angeliefert wird, auf Schmiedehitze gebracht werden (ca.1150 oC bei Stahl). Danach erfolgt das Vorschmieden zumeist auf eine glatte axialsymmetrische Form. Beim anschließenden Einteilen werden die späteren Quer- und Längsabmessungen des Schmiedestückes vorbereitet. Erst nach dieser Festlegung der Schmiedestückbereiche beginnt das Fertigschmieden auf die vorgegebene Endform. Nach Beendigung des Schmiedeprozesses wird das Schmiedestück entweder auf Hüttenflur abgelegt oder zum Sammeln in einen Glühofen gebracht, wenn es sich um einen rissempfindlichen Werkstoff handelt. Der eigentliche Verformungsprozess wird durch die Schmiedewerkzeuge vollzogen. Während das Schmiedestück mit Hilfe eines Manipulators bewegt und in Stellung gebracht wird, erfolgt die Verformung zwischen einem feststehenden Untersattel und einem die Hubbewegungen ausführenden Obersattel. Man unterscheidet im Wesentlichen zwischen Flach- und Spitzsätteln, je nachdem, welche geometrische Form erzeugt werden soll. Weiterhin unterscheidet man bei der Herstellung von Schmiedestücken zwischen dem Reckschmieden und dem Stauchen. Beim Reckschmieden wird das Teil im Wesentlichen nur in der Längsachse gestreckt, so dass auch eventuelle Innenfehler von rundlichen Formen in längliche Formen übergehen und meistens auch in Faserrichtung angeordnet werden. Ausnahmen davon bilden die Flocken- und Seigerungsrisse, die unregelmäßig über den Querschnitt orientiert sind, weil sie unabhängig von der Verformung dort entstehen, wo der Wasserstoff nicht herausdiffundieren konnte und wo ausreichende Spannungen vorliegen. Dennoch lassen sich solche Fehler, die meistens durch Ultraschallprüfung nachgewiesen werden, 58

bei entsprechend verformbarer Werkstückdicke und geeigneter nachfolgender Wärmebehandlung (Flockenfreiglühen) auch später noch verschließen. Seltener wird heute noch das Freiformschmieden auf Schmiedehämmern betrieben, weil einerseits solche Schmiedeaggregate relativ energieunfreundlich sind und andererseits das Gesenkschmieden oder auch das Schmieden auf Feinschmiedemaschinen wesentlich günstigere Parameter nicht nur hinsichtlich der Kosten aufweisen. 1.9.1.2

Gesenkschmieden [ 63 ]

Massenteile und komplizierte Schmiedestücke, wie z. B. Kurbelwellen, werden als relativ kleine Teile im Gesenk geschlagen. Die Rohteile werden der Fertigteilform weitestgehend angepasst, so dass der Zerspanungsaufwand gegenüber dem Freiformschmieden deutlich verringert ist. Der wesentlichste Vorteil von Gesenkschmiedestücken ist der besonders günstige Faserverlauf, der auch gute mechanisch-technologische Eigenschaften garantiert. Diesen Vorteil nutzt man insbesondere bei der Herstellung von großen Kurbelwellen im sogenannten Faserflussverfahren. Dabei wird zunächst eine glatte rotationssymmetrische Welle erzeugt, mechanisch an der Oberfläche bearbeitet, die Hubpartien eingestochen und anschließend die Hub- und Lagerbereiche der künftigen Kurbelwelle nacheinander auf dem Glühofen erwärmt und mit den entsprechenden Stauchpresswerkzeugen in die endgültige Form gebracht. Dadurch entstehen zwei wesentliche Vorteile: 1. Der Faserverlauf geht mit den Kurbelwellenabschnitten mit, wie z. B. Lager-WangenHubzapfen, so dass die mechanischen Eigenschaften insbesondere die Kerbschlagzähigkeit auch in Querrichtung wesentlich bessere Werte aufweisen als bei der freiformgeschmiedeten Kurbelwelle und 2. Der Bearbeitungsaufwand an der rohen Kurbelwelle ist relativ gering. 1.9.1.3

Warmwalzen [ 64 ]

Im Gegensatz zum Schmieden, bei dem eine Verformung in Stufen erfolgt, läuft die Warmverformung beim Walzen in ununterbrochener kontinuierlicher Folge ab. Das Prinzip des Warmwalzens beruht darauf, dass z. B. ein glühender Stahlblock zwischen zwei sich gegenläufig mit gleicher Geschwindigkeit drehenden Walzen hindurchgeführt wird, wobei mit jedem Walzvorgang eine Querschnittsabnahme verbunden ist (Bild 1.38).

Bild 1.38

Schematische Darstellung des Warmwalzprozesses [ 40 ]

59

Eine Weiterentwicklung im Walzwerk, bei dem die Verformung in einem Durchgang bis zu 97 % möglich ist, stellt das Planetenwalzwerk dar (Bild 1.39).

Bild 1.39

Planetenwalzwerk [ 40 ]

Bei diesem Walzwerk ist eine Vielzahl von kleinen Arbeitswalzen um eine dicke Stützwalze rotierend angeordnet. Da die Arbeitswalzen nicht selbstständig greifen, wird das Walzgut durch Schiebewalzen eingedrückt. Zum Glätten des leicht welligen Fertigbandes befindet sich hinter dem Planetengerüst ein Polierwalzen-Duo. 1.9.2

Kaltformgebung [ 60 ]

Das Unterscheidungsmerkmal zwischen Warm- und Kaltverformung besteht darin, dass die Verformung ober- oder unterhalb der Rekristallisationstemperatur durchgeführt wird. Demzufolge ist ein Walzen von Zinn bei einer Temperatur von ca. 30 oC vom Grundsatz her ein Warmwalzen, während ein Walzen von Stahl bei z. B. 400 oC einem Kaltwalzen entspricht (Rekristallisationstemperatur von unlegiertem Stahl ca. 500 bis 700 oC). 1.9.2.1

Kaltwalzen [ 60 ]

Das Kaltwalzen findet im Wesentlichen zur Herstellung von Feinblech und Bandstahl mit hoher Oberflächengüte Anwendung. Vor dem Kaltwalzen muss der Walzzunder durch Abbeizen von der Oberfläche entfernt werden. Durch das Kaltwalzen entsteht eine Streckung der Körner und damit eine Verfestigung des Walzgutes, wodurch immer größere Walzkräfte benötigt werden. Aus diesem Grunde wird ein Rekristallisationsglühen zwischen den einzelnen Walzgängen in Schutzgasatmosphäre durchgeführt, um eine erneute Verzunderung zu vermeiden. 1.9.2.2

Tiefziehen [ 60 ]

Das Tiefziehverfahren wird zur Herstellung von nahtlosen Hohlteilen oder unregelmäßig geformten Teilen (z. B. Autokarosserieteile) eingesetzt. Bei diesem Verfahren wird das Ausgangsblech mittels Stempel in eine Tiefziehform (Matrize) gepresst. In der Regel kann ein Teil in einem Zug hergestellt werden, während bei größeren Ziehtiefen mehrere Züge gegebenenfalls mit dazwischenliegenden Rekristallisationsglühungen erforderlich sein können. 60

1.9.3

Fehler beim Umformen

Derartige Fehler sind einerseits ursächlich zurückzuführen auf Fehler im Block, wie Lunker, Schlacken oder Seigerungen. Man nennt sie „inhärente“ bzw. verschleppte Fehler. Sie erhalten eine Verformung durch Walzen, Schmieden und Plattieren. Andererseits können verarbeitungsbedingte Fehler durch die Umformung selbst verursacht werden, wie z. B. Überwalzungen oder Zerschmiedungen. 1.9.3.1

Fehler beim Walzen

Wenn eine Bramme zu Blech oder Band flachgewalzt und gestreckt wird, können u. U. vom Kopflunker oder den damit verbundenen Bereichen nichtmetallische Einschlüsse bzw. Schlacken dopplungsartige Fehler entstehen (Bild 1.40), wenn die Bramme nicht ausreichend geschopft wird.

Bild 1.40

Typische Art und Lage dopplungsartiger Fehler [ 43 ]

Wenn ein Block in Stabmaterial umgeformt wird, werden nichtmetallische Einschlüsse in längere und dünnere Fehler ausgewalzt, die man Schlackenzeilen nennt (Bild 1.41).

Bild 1.41 1.9.3.2

Entstehung von Schlackenzeilen [ 43 ]

Fehler beim Schmieden

Die Herstellung von Schmiedestücken erfolgt in einer Erzeugniskette von der Erschmelzung, dem Abguss, der Verformung, der Wärmebehandlung und der mechanischen Bearbeitung. Aus jeder dieser Prozessstufen können Fehler resultieren, die der Werkstoffprüfer als Anzeigen bewerten muss. Deshalb sind Kenntnisse des Herstellungsprozesses unabdingbar für die Entscheidungsfindung fehlerhafter Schmiedestücke, obwohl oft metallografische Untersuchungen gefragt sind, um die Fehlerursachen eindeutig zu klären. 61

Bereits die Erschmelzung und das Abgießen haben Einfluss auf nachfolgende Fehler im Schmiedestück. Man bezeichnet solche Fehler auch als inhärente oder verschleppte Fehler, weil ihre Entstehung nicht im Umformprozess begründet ist. Werden Schmelz- oder Gießtemperaturen nicht eingehalten, können aus einer zu „matten" Schmelze mit zu niedrigen Gießtemperaturen vorzugsweise nichtmetallische Einschlüsse und bei zu hohen Gießtemperaturen Lunkerbildung nachgewiesen werden. Das gilt insbesondere für den Kokillenguss in Abhängigkeit vom Blockformat und vom Werkstoff des Gussblocks. Beim Abgießen eines Blockes in der Kokille können auch exogene Fremdkörper oder Einschlüsse in den Schmiedeblock gelangen, beispielsweise Teile der Ofen- oder Kokillenausmauerung, speziell von der Blockhaube. Aufgrund der Rissempfindlichkeit bestimmter, besonders legierter Werkstoffe, müssen diese Blöcke unmittelbar nach dem Ziehen aus der Kokille im Schmiedeofen zur Verformung vorbereitet werden. Man bezeichnet diesen Vorgang als Warmübergabe, welche aus energetischen Gründen generell anzustreben ist. Falls keine Warmübergabe erfolgt, müssen die Blöcke auf einem Ofen geregelt warmgehalten oder abgeheizt werden, weil sonst Risse entstehen können, die nicht mehr verschweißen, wenn sie oxydiert sind. Beim Verformungsprozess unterscheidet man das Freiform- und das Gesenkschmieden. In beiden Fällen sind die Einsatz- und die Endtemperaturen beim Schmieden von großer Bedeutung. Die Einsatztemperatur entscheidet oft über die Verformungsfähigkeit nichtmetallischer Einschlüsse aus dem Gussblock. Insbesondere silikatische und oxydische Einschlüsse können sich bei Unterschreitung bestimmter Temperaturgrenzen nicht mehr mitverformen und ergeben durch den Verformungsvorgang trennungsartige Anzeigen, so dass sie kaum von Rissen zu unterscheiden sind. Wird die Schmiedeendtemperatur nicht eingehalten, so können Kernzerschmiedungen die Folge sein. Beim Freiformschmieden sind Fehler durch das Stauchen eines Schmiedeblocks wahrscheinlicher als durch das Reckschmieden, weil der Block vielfach senkrecht zum Faserverlauf verformt wird. Hierbei findet der Prüfer teilweise sehr grobe Fehler, wie Zerschmiedungen und Querrisse, wenn sie durch mechanische Bearbeitung oder durch Trennschneiden, wie z. B. bei Mehrfachschmiedestücken, freigelegt werden. Ähnliches trifft auch auf sogenannte Aufweitungsprozesse zur Erzeugung von Ringen, Hohlkörpern oder Bandagen zu. Kernversatz ist eine mögliche Folge fehlerhafter Arbeitsweise. Eine Zerschmiedung entsteht während des Schmiedevorgangs im Allgemeinen bei zu niedrigen Schmiedetemperaturen, teilweise jedoch auch bei der Verwendung falscher Schmiedesättel, z. B. wenn bei geringem Durchmesser anstelle eines Rundsattels ein Flachsattel benutzt wird. Kernzerschmiedungen sind von Kernlunkern vor allem dann zu unterscheiden, wenn ein zu großer Querschnitt vorliegt, so dass der Kern nicht mehr aufreißen kann. Bei Querabmessungen über 250 mm wird das Auftreten von Kernzerschmiedungen unwahrscheinlich. Solche Fehler werden zumeist nur mit der Eindring- oder Magnetpulverprüfung festgestellt, wenn sie durch Trennschneiden oder mechanische Bearbeitung offengelegt worden sind (Bild 1.42).

Bild 1.42

Formen innerer und äußerer Fehler durch Zerschmiedung [ 43 ] 62

Beim Reckschmieden wird der Rohblock nach dem Vorschmieden eingeteilt und ständig entsprechend den erforderlichen Querabmessungen im Durchmesser verjüngt. Dadurch wird er gestreckt und alle Fehler im Inneren auch. Das kann dazu führen, dass Hohlräume, sofern sie nicht oxydiert sind, wieder verschweißen und bringt mit Sicherheit eine Streckung ehemals nahezu runder Einschlüsse in längliche Formen. In Bild 1.43 sind die häufigsten an einem Schmiedestück zu beobachtenden Fehler zusammengefasst dargestellt.

Bild 1.43

a)

Längsriss

b)

Dauerbruchanriss (Umlaufbiegung)

c)

Dauerbruchanriss (Torsion)

d)

Schlackenzeile

e)

Seigerungszeile

f)

Schmiedefalte

g)

Kernzerschmiedung („Schmiedekreuz“)

Verschiedene Fehlerarten an einem Freiformschmiedestück [ 42 ]

Fehler als Magnetpulverabdrücke von geschmiedetem Stangenmaterial zeigen die Bilder 1.44 und 1.45 [ 43 ].

Bild 1.44

Überwalzung

Bild 1.45

Längsriss

Beim Gesenkschmieden wird das auf Schmiedetemperatur erhitzte Ausgangsprodukt in einem freiformgeschmiedeten Gesenk geschlagen und nimmt dabei die Form der Gesenkgravur an (Bild 1.46).

63

Bild 1.46

Beispiel für das Gesenkschmieden [ 43 ]

Typische Fehlerarten beim Gesenkschmieden sind Oberflächenrisse durch Materialverbrennungen und Korngrenzenschädigungen, Gratbildung durch mangelhafte Werkzeuge und Schmiedeüberlappungen. Eine Schmiedeüberlappung entsteht durch das Übereinanderlegen bzw. Falten von Oberflächenpartien des Schmiedestücks beim Herausarbeiten der Konturen. Bild 1.47 demonstriert beispielsweise Schmiedeüberlappungen an einem Gesenkschmiedestück. Die Überlappung entsteht meistens dann, wenn etwas vom geschmiedeten Metall zwischen den zwei Gesenkschalen herausquetscht wird. Sie hat zumeist dasselbe Aussehen wie eine Schmiedefalte beim Freiformschmieden in Form einer teilweise unterbrochenen Linie.

Bild 1.47

Faserverlauf und Entstehung einer Schmiedeüberlappung [ 35 ]

Verschiedene Fehlerarten an einem Gesenkschmiedestück sind in Bild 1.48 wiedergegeben und Bild 1.49 zeigt die Anzeige einer Schmiedefalte an einer Pleuelstange.

Bild 1.48

a)

Risse in der Gratnaht außen

b)

Riss in der Gratnaht innen

c)

Querrisse im Steg

d)

Querrisse im kleinen Auge

e)

Schmiedefalte, Riss

Verschiedene Fehlerarten an einem Gesenkschmiedestück [ 35 ]

64

Bild 1.49

Pleuelstange mit Schmiedefalte [ 43 ]

1.10

Nichteisenmetalle (NE-Metalle) [ 30 ], [ 50 ], [ 60 ]

1.10.1

Einteilung und Bezeichnung

Die Einteilung der Nichteisenmetalle erfolgt nach:  der Dichte in Leichtmetalle ( < 5 g/cm3) und Schwermetalle ( > 5 g/cm3),  dem Aussehen in Buntmetalle (Cu und Cu-Legierungen, häufig auch Ni und Co), und Weißmetalle (Pb, Sn),  der Verarbeitung in Guss-, Knet- und Sinterwerkstoffe,  dem Schmelzpunkt in niedrigschmelzende (Ts < 600 °C : Sn, Pb),  hochschmelzende (600 °C < Ts < 2000 °C : Cu, Cr, Ni, Co) und  höchstschmelzende (Ts > 2000 °C : Os, Mo, W) Metalle. Die Bezeichnung der reinen NE-Metalle erfolgt durch das vorgestellte chemische Symbol mit der nachfolgend wahren Masse (%-Gehalt), z. B. Ni 99,5 oder Al 99,98 (Reinaluminium). Bei der systematischen Benennung der Legierungen nach DIN 1700 [ 95 ] wird mit dem Hauptelement, dem Basismetall begonnen. Die chemischen Symbole der Legierungselemente folgen mit nachgestellter Zahl, die den wahren Gehalt in Masse-% angibt, z. B. Cu Zn 37

Kupfer-Zink-Legierung mit 37 % Zn (Messing mit der alten Bezeichnung Ms 63),

Cu Ni 25 Zn 25

Kupfer-Nickel-Zink-Legierung (Neusilber mit der alten Bezeichnung Ns 6025),

G-Al Si 12 Cu 1 Ni 1

Aluminium-Silizium-Kupfer-Nickel-Gusslegierung (Kolbenlegierung).

Halbzeug wird durch die Angabe der vorgeschriebenen Mindestzugfestigkeit noch näher bezeichnet, z. B. Blech aus Al 99,5 (Tabelle 1.7):

65

Lieferzustand

Rm (N/mm2)

Bezeichnung

weich

> 70

Al 99,5 W 7

kaltgewalzt (halbhart)

> 110

Al 99,5 F 11

kaltgewalzt (hart)

> 130

Al 99,5 F 13

Tabelle 1.7 1.10.2

Lieferzustand eines Al-Blechs [ 30 ], [ 60 ]

Aluminium und Aluminiumlegierungen [ 30 ], [ 31 ], [ 32 ], [ 60 ]

Aluminium und seine Legierungen sind nach den Eisenwerkstoffen die meist verwendeten metallischen Werkstoffe. 1.10.2.1

Rein- und Reinstaluminium

Der Al-Gehalt ist bei Reinaluminiumsorten > 90 %, bei Reinstaluminiumsorten > 99,9 %. Als herausragende Eigenschaften des Aluminiums sind zu nennen:  Dichte  = 2,7 g/cm3, andere Metalle zum Vergleich (Tabelle 1.8):

Tabelle 1.8

Metall

 [g/cm3]

Mg

1,7

Ti

4,5

Fe

7,8

Cu

8,9

Pt

21,5

Dichte einiger Metalle im Vergleich mit Aluminium [ 60 ]

 sehr gute Korrosionsbeständigkeit durch Bildung einer Al2O3-Deckschicht,  gute elektrische Leitfähigkeit (Al = 38, Cu = 58, aber Fe = 10 m/mm2),  gute Wärmeleitfähigkeit,  gut umformbar (kfz-Gitter), spanbar, schweißbar und lötbar,  wirksame Festigkeitssteigerung durch Kaltverfestigung, Legieren und Aushärten. Die Mindestfestigkeitswerte liegen im kaltgewalzten Zustand höher als im weichgeglühten, die Bruchdehnung verhält sich umgekehrt, wie am Beispiel Reinaluminium der Sorte Al 99,7 gezeigt wird (Tabelle 1.9).

66

Festigkeitswerte

weich

kaltgewalzt

R5

60 N/mm2

120 N/mm2

Rp0,2

20 N/mm2

100 N/mm2

A5

40 %

4% 7,2 x 104

E Tabelle 1.9

Mindestfestigkeitswerte von weichem und kaltgewalztem Al [ 30 ]

Bild 1.50 verdeutlicht die gute Beständigkeit gegen atmosphärische Einwirkungen, Bild 1.51 zeigt die Abhängigkeit der elektrischen Leitfähigkeit vom Beimengungsgehalt, Verformungsgrad und Wärmebehandlung.

Festigkeitabnahme in %

0

Landklima

4

Industrieatmosphäre Landklima

8

Industrieatmosphäre

12

Seeklima Al99,0 , AlMn1, AlMn1Mg1 Baustahl

16 0

10

30

20

Korrosionszeit in Jahren

Festigkeitsabnahme durch Korrosionsabzehrungen für Al-Werkstoffe und Baustahl bei Bewitterung verschiedener atmosphärischer Bedingungen [ 60 ]

elektrische Leitfähigkeit

sm/mm

2

Bild 1.50

36,4 36,0 35,6 35,2 34,8 34,4

c) Fe %

34,0 33,5

0

0,1 0,2 0,3 0,4

0,1

0,2

0,3

0,4

0,1 0,2 0,3 0,4

b) Fe %

0,1 0,2 0,3 0,4

a) Fe %

0,5

0,6 2

Bild 1.51

sm/mm

Elektrische Leitfähigkeit von Reinaluminium [ 30 ] a) hartgezogen

b) 4 h 350 °C, Luft,

c) 2 h 500 °C, Wasser

Verwendung finden Rein- und Reinstaluminium als:  Leiterwerkstoff für Kabel, Freileitungen, Stromschienen  Verpackungsmaterial (Al-Folie) 67

 Küchen- und Haushaltgeräte  Wandverkleidungen  Spiegelbelegungen (gutes Reflexionsvermögen). 1.10.2.2

Aluminiumlegierungen

Die wichtigsten Legierungselemente sind Magnesium (Mg), Silizium (Si), Kupfer (Cu), Mangan (Mn) und Zink (Zn). Knet- und Gusslegierungen stehen als naturharte Legierungen vom Typ Al-Mg und Al-Mn sowie als aushärtbare Legierungen vom Typ Al-Cu-(Mg), Al-Mg-Si und Al-Zn-Mg-(Cu) zur Verfügung. Ihre Zusammensetzung ist in DIN 1725 [ 68 ] vorgeschrieben. Die mit den naturharten Legierungen erzielten Festigkeitssteigerungen gehen hauptsächlich auf den Effekt der Mischkristallverfestigung zurück. Sie können geschweißt werden, ohne dass ein wesentlicher Festigkeitsabfall in der Wärmeeinflusszone eintritt. Schweißen ausgehärteter Legierungen führt zum Festigkeitsverlust, der durch erneute Aushärtungsbehandlung zu korrigieren ist. Die Vorgänge der Aushärtung sind denen der Alterung beim Stahl ähnlich. Sie verlangen als Grundvoraussetzung mit fallender Temperatur eine stark abnehmende Löslichkeit des Legierungselements im Grundmetall, wie z. B. der des Cu im Al und das der bei hoher Temperatur beständige homogene Mischkristall unterkühlbar ist. Technologisch vollzieht sich das Aushärten in folgenden Schritten (Bild 1.52). °C

S

600

S+

T 1

500

+ Al2Cu

400 300

2

200 100 3 5

10 % Cu

t

Bild 1.52 Temperaturverlauf der Aushärtung in Zuordnung zum Zustandsschaubild AlCu [ 30 ] (1) Lösungsglühen: Beim Glühen der eingezeichneten Legierung mit 4 % Cu dicht unter der eutektischen Temperatur wird das zur Aushärtung führende Cu im Mischkristall gelöst und würde im Falle langsamer Abkühlung als 2. Kristallart, als spröde intermetallische Verbindung Al2Cu ausgeschieden. (2) Abschrecken: Die Abkühlung geschieht so schnell, dass das Legierungselement im Mischkristall in übersättigter Lösung verbleibt. 68

(3) Auslagern: Bei Raumtemperatur (Kaltaushärtung) oder bei erhöhter Temperatur (120 – 180 oC, Warmaushärtung), bilden sich über längere bzw. kürzere Zeiten noch als Bestandteile des AlGitters schicht- bzw. plattenförmige, lichtoptisch nicht sichtbare Ansammlungen von CuAtomen, die zu Gitterverspannungen und damit zu einem Härte- und Festigkeitsanstieg führen. Exakte Angaben über die für verschiedene Legierungen vorgeschriebenen Festigkeitseigenschaften in Verbindung mit den Halbzeugarten sind in DIN 1745 [ 69 ], DIN 1746 [ 70 ], DIN 1747 [ 71 ] und DIN 1748 [ 72 ] zu finden, einen allgemeinen Überblick gibt Bild 1.53. 600

AlZnMgCupLF50 AlZn5Mg3F44

500 400

AlCu4Mg1F41 AlMg5F32

300 200

AlMg3F26

AlZn5Mg1F25

Al99,5F13 AlMg5F24 AlMg3F13

100

Al99,5F1 0,1 0

0,154

0,2

0,3 0,41

0,4

0,5

0,6

0,82

0,7 1,23

0,8

0,9

1,0 1,54 %

Dehnung

Bild 1.53

Spannungs-Dehnungs-Diagramm der Al-Knetwerkstoffe (Al-Mg) [ 60 ]

In technischen Aluminium-Magnesium-Legierungen ist bis zu 10 % Magnesium enthalten. Solche Legierungen finden sowohl als Knet- als auch als Gusslegierungen Verwendung. Sie sind praktisch nicht aushärtbar, haben aber eine hohe Eigenhärte und Festigkeit, die durch Ausglühen, beispielsweise beim Schweißen, nicht vermindert wird. Von besonderer technischer Bedeutung ist die hohe Korrosionsbeständigkeit der Al-Mg-Legierungen, besonders auch gegenüber Seewasser und schwach alkalischen Lösungen. Auch die Warmfestigkeit der Al-Werkstoffe ist gering. Bild 1.54 zeigt das Gussgefüge von G Al Mg 5.

Bild 1.54

Gussgefüge von G Al Mg 5 [ 60 ] 69

Infolge von Kristallseigerungen und Verunreinigungen von Eisen, Mangan und Silizium sind bereits Andeutungen eines Eutektikums vorhanden. Dieser Werkstoff hat als Sandguss eine Streckgrenze von 100 N/mm2, eine Zugfestigkeit von 180 N/mm2 und eine Bruchdehnung von 4 %. Als Kokillenguss ist die Zugfestigkeit mit 210 N/mm2 und die Dehnung mit 6 % noch etwas höher. Das in Bild 1.55 dargestellte gewalzte, geknetete und geglühte Al Mg 5 enthält punktförmige Ausscheidungen von Al3Mg2. Die Streckgrenze liegt bei 100 N/mm2, die Zugfestigkeit bei 250 N/mm2 und die Bruchdehnung bei 20 %.

Bild 1.55

Gefüge von geknetetem und geglühtem Al Mg 5 [ 42 ]

Beispiele für die Anwendung von Al-Knetlegierungen sind in Tabelle 1.10 zusammengestellt [ 68 ]. Legierungstyp

Anwendungsbeispiele

Al Mn

nicht aushärtbar

Verkleidungen im Bauwesen und Fahrzeugbau

Al Mg

nicht aushärtbar

Architekturteile, Fahrzeugbau, seewasserbeständige Schiffsteile, feinmechanisch-optische Geräte

Al Mg Si

aushärtbar

Schiffsaufbauten, Teile für Hebezeuge und Fördermittel

Al Cu Mg

aushärtbar

Automatenlegirung für Schrauben, Muttern und Kugellagerringe, Gesenkschmiedeteile, z.B. Pleuel

Al Zn Mg

aushärtbar

Schweißkonstruktionen im Fahrzeugbau, Brückenbau

Al Zn Mg Cu

aushärtbar

Bauteile im Flugzeugbau

Tabelle 1.10 Beispiele für Al-Knetlegierungen unter Angabe von Anwendungen (DIN 1725) Vor allem aus Festigkeitsgründen werden Aluminium-Feingussteile als Sand- und Kokillenguss, in geringerem Umfang auch als Druckguss aus Al-Legierungen hergestellt. In breiter Anwendung sind AlSi-Legierungen mit weiteren Zusätzen an Mg, Cu u. a. Daneben werden in 70

geringerem Umfang AlMg-Legierungen verwendet. DIN 1725 [ 68 ] ist die einschlägige Werkstoffnorm. Anwendungsbeispiele sind in Tabelle 1.11 zusammengestellt. Legierungstyp

Anwendungsbeispiele

G - Al Si (9 - 13 % Si)

dünnwandige, druckdichte Gussstücke für Motor- Getriebe-, Pumpengehäuse mit Cu- und Ni-Zusatz warmfest für Motorkolben und Zylinderköpfe

G -Al Mg (3 - 10 % Mg)

korrosionsbeständige Gussstücke der Nahrungsmittel- und chemischen Industrie, Büro- und Haushaltgeräte, Schiffsbauteile

G -Al Si Mg G - Al Cu Mg

aushärtbare hochfeste, dünnwandige bis dickwandige Gussstücke des Motoren- und Flugzeugbaus

Tabelle 1.11

Beispiele für Al-Gusslegierungen unter Angabe von Anwendungen [ 42 ]

1.10.3

Magnesium und Magnesiumlegierungen

Magnesium gilt als das leichteste Gebrauchsmetall ( = 1,7 g/cm3; Ts = 650 oC). Deshalb werden Magnesium und seine Legierungen als metallischer Leichtbaustoff insbesondere im Flugzeugbau eingesetzt. 1.10.3.1

Reinmagnesium

Der Reinheitsgrad des Magnesiums kann 99,9 % erreichen. Magnesium ist ein verhältnismäßig guter Leiter für Wärme und Elektrizität. Bemerkenswert für Magnesium und seine Legierungen ist der mit 45000 N/mm2 niedrige Elastizitätsmodul. Deshalb kommt Magnesium auch im unlegierten Zustand nicht als tragender Werkstoff in Anwendung, erst durch Kaltverfestigung werden höhere Festigkeitswerte erreicht. Wesentlich für die Verarbeitung des Magnesiums ist, dass es sich mit Eisen nicht legiert. Man kann deshalb Magnesium in Eisentiegeln schmelzen. Reines Magnesium wird in der Pyrotechnik, z. B. als Blitzlichtpulver verwendet, ferner dient es als Desoxidationsmittel für Nickel und Nickellegierungen. Reines Magnesium ist bisher noch nicht genormt worden. Um die Festigkeitseigenschaften zu verbessern, muss man es legieren. 1.10.3.2

Magnesiumlegierungen

Magnesium kann mit einer Reihe von Metallen Verbindungen eingehen, die aber zu einem großen Teil sehr korrosionsanfällig sind. Dazu gehören Zinn, Blei, Wismut, Antimon, Kadmium, Aluminium und Mangan [ 60 ]. Die schlechten Festigkeits- und Verformungseigenschaften, die ungenügende Korrosionsbeständigkeit und die leichte Entzündbarkeit des reinen Magnesiums behindern die Anwendung stark. Legierungen des Mg mit Al, Zn, Mn und Si bringen eine verbesserte Festigkeit, Korrosionsbeständigkeit, Gießbarkeit und Spanbarkeit. Deshalb werden solche Werkstoffe wie z. B. GD-Mg Al 9 Zn 1 mit 9 % Aluminium und 1 % Zink, GD-Mg Al 6 Mn mit 6 % Aluminium und 1 % Mangan, GD-Mg Al 4 Si 1 mit 4 % Aluminium und 1 % Silizium, 71

vor allem für Gehäuseteile, z. B. Handbohrmaschinen, Motor-, Getriebe- und Flugzeugteile verwendet. Die Herstellung von Halbzeug ist gegenüber der Gussproduktion gering. Die heute in der Praxis verwendeten Magnesiumlegierungen sind in DIN 1729-1 [ 73 ] (Knetlegierungen) und DIN 1729-2 [ 74 ] (Gusslegierungen) genormt. Man unterteilt die Magnesiumwerkstoffe gewöhnlich in aluminiumfreie und aluminiumhaltige Legierungen. Zu erwähnen ist auch noch die hohe Affinität des Magnesiums zum Sauerstoff. Das hat zur Folge, dass neben einer geringen Korrosionsbeständigkeit entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen und das selbst schon bei der Erschmelzung von Magnesium, wo Salze und Schwefelpulver zugesetzt werden. 1.10.4

Titan und Titanlegierungen [ 30 ], [ 60 ]

Typische Eigenschaften des hochschmelzenden Titans (Ts = 1727 oC), genormt in DIN 17850 [ 73 ], sind:  Dichte  = 4,5og/cm3,  sehr gute Korrosionsbeständigkeit durch Deckschichtbildung von TiO2, übertrifft z. B. die von austenitischen Stählern und Nickellegierungen bei chlorhaltigen Medien,  polymorphe Umwandlung (wie bei Fe): hexagonal  kubisch-raumzentriert bei 880 oC, deshalb bei Legierungen Wärmebehandlung zur Festigkeitssteigerung,  leichte Gasaufnahme von H2, O2 und N2 bei höheren Temperaturen führt zu Aufhärtungen, deshalb ist eine Schutzgasschweißung notwendig,  die Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften von reinem Ti sind ähnlich wie bei unlegierten Stählen. Die Festigkeit und Zähigkeit hängen stark vom Gehalt an gelösten Elementen wie O, N und C ab. Rm

=

300 - 700 N/mm2

Rp 0,2

=

200 - 550 N/ mm2

A5

=

30 - 15 %

E

=

10,5 x 102 N/mm2 (entspricht ½ E von Stahl).

Titanlegierungen wurden unter Verwendung von Al, V, Mo, Sn, Co, Mn u. a. vor allem zur Steigerung der Festigkeit und Zeitstandfestigkeit bei höheren Temperaturen entwickelt. Durch Glühen zwischen 700 und 800 oC und anschließendem Abschrecken werden martensitische Gefügeausbildungen erzielt, die zu wesentlichen Festigkeitssteigerungen führen. Die Legierung Ti Al6 V4 erreicht im vergüteten Zustand Festigkeitswerte von Rm  1050 N/mm2 und Rp  950 N/mm2, die Dehnung A5 liegt über 10 %. Hohe Legierungs- und Verarbeitungskosten begründen, dass die teuren Ti-Werkstoffe vornehmlich dort eingesetzt werden, wo das günstige Verhältnis Masse/Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit besonders effektiv nutzbar ist, z. B. im Raketen-, Flugzeug- und Triebwerksbau. Beispiele für die Verwendung von Ti und Ti-Legierungen sind in Tabelle 1.12 aufgeführt.

72

Werkstoff

Anwendungsbeispiele

Reines Ti

Chemischer Apparatebau, Galvanotechnik, Armaturen, Behälterauskleidungen, da Loch- und Spannungsrissbeständigkeit

Ti Al 6 V4 Ti Al 5 Sn 2

Triebwerks- und Fahrwerksteile im Flugkörperbau, Verkleidungsbleche, Brandschoten

Tabelle 1.12

Beispiele und Anwendungen von reinem Ti und Ti-Legierungen [ 30 ]

1.10.5

Kupfer und Kupferlegierungen [ 30 ], [ 60 ]

1.10.5.1

Reines Kupfer

Als besondere Eigenschaften des Kupfers sind zu nennen:  Dichte  = 8,9 g / cm3 ,  sehr gute Korrosionsbeständigkeit, da in der Spannungsreihe rechts vom Wasserstoff stehend, allerdings unbeständig gegen Schwefel und oxidierende Säuren,  sehr gute elektrische Leitfähigkeit (wird nur von Silber übertroffen),  sehr gut kalt- und warmumformbar (kfz-Gitter),  gut löt- und schweißbar, mit Ausnahme sauerstoffhaltiger Sorten (anfällig gegen Wasserstoffkrankheit),  schlecht gieß- und spanbar. Die mechanischen Eigenschaften des reinen Kupfers sind: Rm

= 200 - 300 N/mm2 ,

Rp 0,2

= 100 - 300 N/mm2 Kaltverfestigung,

A5

= 30 - 5 %,

E

= 12,5 x 104 N/mm2 .

Verwendung findet Kupfer als elektrischer Leiterwerkstoff (mehr als 50 % der Cu-Produktion)  für Kalt- und Warmwasserrohre,  als Basismetall für zahlreiche Cu-Legierungen. 1.10.5.2

Kupferlegierungen

Bezogen auf ihre Anwendungsgebiete sind in der Reihenfolge ihrer Bedeutung CuZn- (Messing), CuSn- (Bronze), CuAl- (Aluminium-Bronze) und CuNi-Legierungen die wichtigsten Kupferlegierungen. Einige typische Vertreter werden nachfolgend betrachtet.

73

CuZn-Legierungen (Messing) Kupfer-Zink-Legierungen, genormt in DIN 17660 [ 76 ] (Knetlegierungen) und DIN 1709 [ 75 ] (Gusslegierungen) werden nach dem Gefügeaufbau in einphasige () und zweiphasige (+) Legierungen eingeteilt. Die Ein- und Zweiphasigkeit hängt von der Höhe des Zn-Gehaltes ab, -Messing liegt bei Cu > 62,5 % vor (CuZn37 bis CuZn10). -Legierungen zeichnen sich durch gute Warmumformbarkeit aus (CuZn40, Schmiedemessing). Blei ist in Gehalten > 0,1 % im -Mischkristall nicht löslich, scheidet sich tropfenförmig aus und wirkt bei spangebender Bearbeitung als Spanbrecher (Cu Zn 40 Pb 3, Automatenmessing). Die Festigkeitseigenschaften von CuZn-Legierungen soll Bild 1.56 veranschaulichen. 60

in kp/mm

2

(federhart)

50

+ (hart) + +

40 +

30

+ +

x

+ x

+ (halbhart) x x

+ x x

(weich)

x

20 10 in %

50 40 30 20 10

x +

0

x +

10

x

x

x

x

+

+

+

+

20

30

x +

40

50

Zn in Masse %

Bild 1.56

Festigkeit und Bruchdehnung von CuZn-Blechen [ 60 ]

Die Korrosionsbeständigkeit von Messing nimmt mit dem Cu-Gehalt zu, bei Legierungen mit Cu > 80 % treten die besonderen Korrosionsformen der Spannungsrisskorrosion und der Entzinkung kaum noch auf. Bei der Entzinkung löst sich der Mischkristall in bestimmten Korrosionsmedien auf und es kommt zur Wiederabscheidung des Cu auf der Oberfläche. Spannungsrisskorrosion zeigt sich als Aufreißen des Werkstoffs. Sie tritt nur auf, wenn gleichzeitig Zugspannungen und ein bestimmtes Korrosionsmedium, z. B. Ammoniak einwirken. Ein Spannungsfreiglühen von kaltverfestigtem Messinghalbzeug vermindert seine Spannungsrisskorrosionsanfälligkeit. Messing, das außer Cu und Zn noch weitere Legierungselemente enthält, z. B. Al, Mn, Ni, Si, wird als Sondermessing bezeichnet, das in bestimmten Korrosionsmedien eine erhöhte Beständigkeit erzielt. Eine Übersicht zur Anwendung wichtiger CuZn-Knetlegierungen zeigt Tabelle 1.13. Als CuZn-Gusslegierungen werden sowohl -als auch ( + )-Legierungen eingesetzt, z. B. vom Typ Cu Zn 33Pb für Formgussteile und vom Typ Cu Zn 40 Pb für Kokillen- und Druckguss. 74

Legierung

Legierungsbestandteile in Masse%

Eigenschaften und Anwendung

CuZn10

89,0 bis 91,0 Cu, Rest Zn

CuZn15

84,0 bis 86,0 Cu, Rest Zn

CuZn20

79 bis 81 Cu, Rest Zn

hohe Korrosionsbeständigkeit auch unter Einwirkung mechanischer Spannungen. Sehr gute Kaltumformbarkeit. Installationsteile E-Technik, Schlauchrohre, Faltenbälge, Federkörper, Schmuckwaren

CuZn30

69,0 bis 71,0 Cu, Rest Zn

gute Korrosionsbeständigkeit, sehr gute Kaltumformbarkeit. Wärmeübertragerrohre, Tiefziehund Federteile

CuZn37

62,0 bis 64,0 Cu, Rest Zn

CuZn36Pb1

62,0 bis 64,0 Cu, 0,5 bis 2,0 Pb, Rest Zn

Hauptlegierung zum spanlosen Umformen durch Tiefziehen, Streckziehen, Drücken, Gewinderollen. Mit Bleianteil zerspanbar. Hohlwaren, Schrauben, Reißverschlüsse, Feingetriebeteile

CuZn40

59,0 bis 62,0 Cu, Rest Zn

CuZn38Pb1

59,5 bis 61,5 Cu, 0,5 bis 2,0 Pb, Rest Zn

Tabelle 1.13

warm- und kaltumformbar durch Biegen, Nieten, Stauchen, Prägen. Mit Bleianteil zerspanbar. Rohrböden für Wärmetauscher, Gesenkschmiedestücke, Beschlagteile

CuZn-Knetlegierungen (Anwendungen) [ 30 ], [ 60 ]

CuSn-Legierungen (Zinnbronzen) Von technischem Interesse sind die als Zinnbronzen bekannten Knetlegierungen für etwa 8 % Sn und als Gusslegierungen für etwa 14 % Sn (DIN 17662 [ 78 ] bzw. DIN 1705 [ 79 ]). Tabelle 1.14 gibt einen Überblick. Zur Erzielung guter Gleiteigenschaften bei Gleitlagern wird ein Gefüge aus weichen und harten Gefügebestandteilen angestrebt. Die weichen Phasen sorgen für eine gewisse Selbstschmierung, ermöglichen die Einbettung harter Teilchen (Fremdkörper, Abrieb) und verhindern Verschweißungen von Gleit- und Wellenwerkstoff. Die harten Gefügebestandteile sollen die Belastung aufnehmen und Kräfte übertragen. So erklärt sich für spezifische Gleitlageranwendungsfälle das Zulegieren des weichen Bleis zur Zinnbronze, z. B. CuPb15Sn7. Wird der Zinnbronze noch Zn zulegiert, erhält man die bekannten Rotgusslegierungen, z. B. G-CuSn5Zn7Pb. Weitere Bronzen Wird Cu mit einem anderen Metall legiert, tragen solche Bronzen den Namen dieses Legierungselements, z. B. Gold-, Silber-, Beryllium-, Mangan-, Aluminiumbronze. Aluminiumbronze zählt zu den korrosionsbeständigsten Kupferwerkstoffen (Deckschichtbildung mit hohen Al2O3-Anteilen), ist z. B. seewasserbeständiger als Messing und Zinnbronzen. Sie weist Festigkeitswerte wie unlegierter Stahl auf und wird im Pumpen-, Turbinen- und Armaturenbau verwendet. Werden mehrere Legierungselemente dem Cu zugesetzt, spricht man von Mehrstoffbronzen (z. B. Cu Al10 Ni6 Fe4).

75

Bezeichnung

Zusammensetzung

Verwendung

Zinnbronze 2

CuSn2

Cu mit 1 - 2 % Sn u. 0,1% Pb

Schrauben, stromführende Federn, Metallschläuche, Wärmetauscherrohre

Zinnbronze 4

CuSn4

Cu mit 3 - 5 % Sn u. 0,4 % Pb

Schrauben, Teile für die chemische Industrie, Steckverbindungen

Zinnbronze 6

CuSn6

Cu mit 5 - 7 % Sn u. 0,4 % Pb

Federn aller Art, Membranen, Gleitelemente, Teile für den Maschinen- und Apparatebau

Zinnbronze 8

CuSn8

Cu mit 7,5 - 9 % Sn u. 0,4 % Pb

Federn aller Art, Teile für die chemische Industrie, Motoren- und Getriebebau, Gleitelemente

Guss-Zinnbronze 10 G-CuSn10 Cu mit 10 % Sn

Armaturen, Räder, Gehäuse für Pumpen und Turbinen

Guss-Zinnbronze 14 G-CuSn14 Cu mit 14 % Sn

Lagerschalen, Schieberspiegel, Schneckenkränze

Tabelle 1.14

Zinnbronzen, Zusammensetzung und Anwendung [ 30 ], [ 60 ]

Cu-Ni-Legierungen Im Allgemeinen verwendet man CuNi-Legierungen dort, wo höhere Anforderungen an Korrosionsbeständigkeit und Warmfestigkeit gestellt werden, z. B. für Kondensatorrohre im Schiffbau (CuNi10Fe). Ab 15.5 % Ni ist die rote Kupferfarbe vollständig in silberweiß übergegangen (CuNi25, Münzlegierung). Als Werkstoff für Präzisionswiderstände und Heizleiter wird die unter dem Namen Konstantan bekannte Legierung CuNi44 verwendet. Eine besondere Gruppe sind die Cu-Ni-Zn-Legierungen, als Neusilber bekannt und in DIN 17663 [ 80 ] genormt. Sie sind gut kaltformbar, spanbar (mit 1 % Pb) und sehr korrosionsbeständig. Typische Anwendungsbeispiele sind Tafelgeräte, Bestecke, Schmuck, Drehteile der Feinmechanik, Optik und Uhrenindustrie, Schanktischverkleidungen. 1.10.6

Nickel, Zink, Blei und ihre Legierungen

Ni-Werkstoffe werden bei speziellen Anforderungen an Korrosionsbeständigkeit und mechanische Eigenschaften angewendet. Es gibt mehrere NiCr-Legierungen, wie NiCr20TiAl oder NiCr35, die als zunderfeste (oxidationsbeständig bis 1200 oC) und als unter oxidierenden Bedingungen korrosionsbeständige Legierungen eingesetzt werden. Die technische Bedeutung des Zinks als Metall beruht hauptsächlich auf seiner Anwendung für Oberflächenbeschichtungen zum Korrosionsschutz von Stahlteilen. Reines Blei hat kaum technische Bedeutung, Legierungszusätze von 0,5 bis 13 % Sb führen zu den verschiedenen Sorten „Hartblei". PbSb-Legierungen mit 4 bis 7 % Sb und geringen Zusätzen von As und Se werden für Akkumulatorenplatten verwendet. Die als Weißmetalle bezeichneten PbSbSnLegierungen haben als Lagermetalle Bedeutung. 76

1.10.7

Weitere Nichteisenmetalle

Die restlichen NE-Metalle haben als Elemente oder Legierungsgrundelemente bei weitem nicht die Bedeutung der vorangehend beschriebenen. Viele NE-Metalle, wie Cr, Mn, Mo, Ni, V, W sind als Legierungselemente im Stahl, um bestimmte Eigenschaften zu erreichen, z. B.  Ni in Vergütungsstählen zur Verbesserung der Durchhärtung,  W, Mo, V in Schnellarbeitsstählen zur Sicherung der Warmverschleißbeständigkeit. 1.11

Kunststoffe [ 13 ], [ 19 ], [ 39 ], [ 59 ]

1.11.1

Spezifische Eigenschaften

Kunststoffe sind polymere Werkstoffe. Als polymere Werkstoffe bezeichnet man makromolekulare, organische Werkstoffe, die durch chemische Umwandlung von Naturprodukten (Gummi, Cellulose) oder durch Synthese von Erdöl, Erdgas oder Kohle hergestellt werden. Die wichtigsten Grundelemente sind S, C, H, O, N. Die Makromoleküle bestehen aus mehr als 1000 sogenannten Monomeren (Einzelmoleküle). Bereits 1902 wurde in Erkner bei Berlin das erste Phenolharz großtechnisch hergestellt. 1910 führte die Zeitschrift „Kunststoffe" die gleichnamige Bezeichnung für diese Werkstoffgruppe ein. Kunststoffe und Kunstharze haben sich von „Ersatzstoffen" zu hochwertigen Werkstoffen entwickelt, deren Eigenschaften oftmals denen der herkömmlichen metallischen Werkstoffe überlegen sind. Die Kunststoffe oder Polymere sind heute in keinem Industriezweig zu entbehren. Ihr mengenmäßiger Anteil ist beträchtlich, Nach Frick und Stern wurden im Jahre 2011 ca. 250 Mio t Kunststoffe produziert [ 96 ]. Die Zuwachsraten der Produktion von Kunststoffen übertreffen bedeutend die der Stahlerzeugung. Der Energiebedarf bei der Werkstofferzeugung einschließlich Aufbereitung und Verarbeitung ist, bezogen auf das Volumen, wesentlich geringer als bei Metallen bzw. anorganischen Werkstoffen. In Erdöleinheiten ausgedrückt benötigt man für 100 km Dränagerohr, 4 Zoll Durchmesser mit Fittings: PVC Asbestzement Ton Stahlguss

360 t Erdöl 400 t Erdöl 500 t Erdöl 1970 t Erdöl.

Aus dem Bindungsmechanismus (Atombindung und Van der Waals-Bindung) sowie der bevorzugt amorphen Struktur ergeben sich folgende typische Eigenschaften: • schlechte elektrische Leitfähigkeit, • gute chemische Beständigkeit, • geringe Festigkeit und Steifigkeit, • geringe thermische Beständigkeit, • geringe Dichte (0,9 g/cm3 bis 2,2 g/cm3), • große Wärmeausdehnungszahl, • Sprödigkeit bei tiefer Temperatur, • gute Verarbeitbarkeit durch Verformen bei relativ niedriger Temperatur. 77

1.11.2 Aufbau und Herstellung [ 60 ] Makromoleküle werden aus niedermolekularen Ausgangsstoffen gebildet. Sie bestehen aus den Elementen Sn, C, H, O, N, Cl, F, Si. Der prinzipielle Vorgang der Entstehung hochmolekularer Stoffe ist in Bild 1.57 dargestellt.

C

C

C

C

C

C

C

C n

a) Das Monomer Doppelbindung Bild 1.57

b) Das Radikal Einfachbindung, bereit zur Kettenbindung

c) Das Polymer n-fach zu einer Kette verbunden, n = Polymerisationsgrad

Entstehung hochmolekularer Stoffe

Beispiel: Polymerisation von Äthylen: H

Ausgangsstoff: Äthylen (Bild 1.58).

H

C C H

H

 Aktivierung; z. B. Erwärmen 

Radikal H

H

C C H

H

 (C-Doppelbindung aufgespalten) 

Makromolekül

H

H H

C C H

H H

C C

H H

H

C C

H H n

H

Stoff (Polymerisat) Polyethylen Bild 1.58

Entstehung eines Makromoleküls 78

Monomere mit Doppelbindungen werden durch Aktivierung (Aufbrechen der Doppelbindungen) zum Radikal überführt. Dieses Radikal ist reaktionsbereit und bildet durch Aneinanderreihung vieler Radikale das kettenförmige Makromolekül. Die Anzahl der in einem Makromolekül enthaltenen Monomere nennt man Polymerisationsgrad (n). Er kann bis zu 103 – 105 betragen. Der Polymerisationsgrad bestimmt wesentlich die mechanischen Eigenschaften des Werkstoffs (Bild 1.59). Festigkeit

Festigkeit

Plastizität Polymerisationsgrad n

Bild 1.59

Abhängigkeit der Festigkeit und der Plastizität vom Polymerisationsgrad n (n-Kettenlänge) [ 13 ]

Die chemischen Grundverfahren zur Herstellung organischer Hochpolymere sind [ 19 ]: 1) Polymerisation [ 19 ]

wie oben beschrieben Produkte: Polymerisate, z. B. Polyethylen 2) Polykondensation [ 19 ]

Hier sind zwei reaktionsfähige Gruppen beteiligt, z. B. -OH, -COOH, -COH, oder -NH2. Diese Endgruppen reagieren miteinander, wobei eine niedermolekulare Gruppe (z. B. H2O) abgespalten wird. Beispiel:  R1 - C - OH 

+

   OH - C - R2  R1 - C - O - C - R2   

+

H2O

Produkte: Polykondensate (z. B. Polyester, Polyamide)

79

3) Polyaddition [ 19 ]

Es reagieren zwei Partner miteinander, wobei jedoch kein H2O abgespalten wird. Wesentlich ist die Aufspaltung einer N = C-Doppelbindung. Beispiel:

O  R1 - N = C

H O   HO - R2  R1 – N - C - O - R2

+

Produkte: Polyaddukte, z. B. Polyurethan 1.11.3

Einteilung [ 60 ]

= N x mm-2

Aufgrund ihrer Struktur können wir drei Gruppen von organischen Werkstoffen unterscheiden, die sich signifikant in ihren Eigenschaften (Bild 1.60) und Verarbeitungseigenschaften unterscheiden.

50 CrV4V 1000 800 Re Streckgrenze Rm Zugfestigkeit Rt Dehnungsgrenze bei gesamter Dehung

Spannung

600

400 St 37-3 200 EP-Reaktionsharz (Duroplast) Rm Rt

100 80

Al 99.9

Re

60

40

PTFE-50°C PVC hart

20 PE weich ~ 200%

PTFE-23°C

~ 300% 0 10

20

30

Dehnung

Bild 1.60

%

Spannungs-Dehnungs-Diagramme verschiedener Kunststoffe und metallischer Werkstoffe [ 19 ] 80

1.11.3.1

Plastomere [ 60 ]

Plastomere oder auch Thermoplaste genannt sind ungeordnet. Sie können weich bis hart sein und sind in der Wärme verformbar. Die meist linearen, unverzweigten Kettenmoleküle sind untereinander nicht chemisch gebunden. Plastomere sind schmelzbar und deshalb schweißbar. Unterhalb der sogenannten Einfrier- oder Erweichungstemperatur (ET) erstarren sie spröde, oberhalb verhalten sie sich wie zähflüssige Schmelzen. Dieser Erwärmungsprozess ist reversibel. Das Pulver oder Granulat wird mit Farbpigmenten, Weichmachern, Gleitmitteln u. a. versetzt und in Mischern, Knetern zu einer Masse verarbeitet, die durch • Spritzpressen, • Extrudieren, • Gießen, • Blas- oder Vakuumformen oder • Aufschäumen zur Herstellung des Fertigproduktes führt. Beispiele sind PE (Polyethylen), PVC (Polyvinylchlorid), PTFE (Polytetrafluorethylen). 1.11.3.2

Elastomere [ 60 ]

Auch Elastomere können weich bis hart sein, sind aber weitmaschig vernetzt. Deshalb ist eine Verschiebung der Ketten nicht möglich, jedoch ein Strecken der Fäden zwischen den Vernetzungspunkten. Daraus resultiert das gummielastische Verhalten. d. h. sie sind zwar formfest, sind aber mit geringen Kräften sehr stark elastisch verformbar. Ihr gummielastisches Verhalten bleibt in größeren Temperaturbereichen gleich. Elastomere bestehen aus Naturoder Synthesekautschuk, so dass sich ihre Verarbeitung auf eine Herstellung (durch Polymerisation) des Synthesekautschuks oder auf das Cracken (Aufspalten) des Naturkautschuks beschränkt. Die makromolekularen Vorprodukte werden dann unter Temperatur (130 -140 oC) und Druck (10 bar) in Formen zu Endprodukten verarbeitet. Beispiele sind Gummiprodukte aus Naturkautschuk und Polyurethan. 1.11.3.3

Duromere [ 60 ]

Duromere oder auch Duroplaste genannt sind mittelhart bis hart (spröde), sie sind stark engmaschig vernetzt und deshalb nicht mehr verformbar, nicht schmelzbar und nicht schweißbar. Bei hoher Temperatur neigen sie zu chemischer Zersetzung. Da die ausgehärteten Duromere nicht weiterverarbeitbar sind, werden sie sofort in die Endform gebracht und können noch spanend bearbeitet werden. Beispiele sind Epoxidharze und ungesättigte Polyester. Sie lassen sich verarbeiten zu a) Formteilen Thermoplastische Vorprodukte werden unter Temperatur und Druck (250-600 bar, 130-170 °C) ausgehärtet (in der Form), indem der Harzanteil bei dieser Temperatur schmilzt und mit dem zugemischten Härter vernetzt. Die gepressten Formteile haben eine glatte, glänzende Oberfläche. 81

b) Halbzeugen Schichtpressstoffe aus Phenol- und Aminoplasten sind als Hartpapier und Hartgewebe in Form von Tafeln, Streifen, Rohren, Vollstäben und Profilen bekannt. Dazu werden Papier-, Baumwoll- oder Zellstoffgewebe mit Harzen getränkt und unter Druck bei höherer Temperatur ausgehärtet. 1.12

Verbundwerkstoffe [ 19 ]

1.12.1

Definition und Wirkungsmechanismus

Verbundwerkstoffe sind makroskopisch homogene Werkstoffe, die sich aus mindestens zwei verschiedenen Materialien oder Stoffgruppen zusammensetzen. Die gezielte Kombination führt zu Eigenschaften, welche mit keiner der Komponenten erreichbar wären. Sie sind von den Stoffverbunden mit makroskopisch inhomogenem Aufbau (Beschichtungen, Plattierungen) zu unterscheiden, wobei der Übergang fließend erfolgt. Der Entwicklung von Verbundwerkstoffen liegt der Wunsch nach neuen auf konventionellem Wege nicht erzielbaren Eigenschaften, d. h. Werkstoffen nach Maß, zugrunde. Entsprechend ihres Aufbaus unterteilt man nach Teilchen-, Faser- und Schichtverbunden, wobei vielfältige Modifikationen in der Geometrie und in den Werkstoffhauptgruppen möglich sind. Bild 1.61 zeigt in einer groben Übersicht einige praktische Beispiele. Verbundwerkstoffe

Teilchenverbundwerkstoffe

Faserverbundwerkstoffe

Kurzfaser Bild 1.61

Langfaser

Schichtverbunde und Oberflächenverbunde

Zwischenlage Deckschicht

Überblick über Verbundwerkstoffe [ 19 ]

In den konventionellen Anwendungen stehen Verbundwerkstoffe meist in Konkurrenz zu etablierten, insbesondere metallischen Materialien, die in der Regel weit kostengünstiger sind. Daher werden sie nur dort eingesetzt, wo ihre herausragenden Eigenschaften voll ausgenutzt werden. Neben den Kosten in der Herstellung ist ein weiterer erheblicher Nachteil, dass sie bislang nicht wiederverwertet werden können. Außerdem kann man diese Werkstoffe im Allgemeinen nicht reparieren. Eine ausreichende Haftung der Verbundkomponenten, wobei gegebenenfalls haftfördernde Behandlungen erforderlich sind und die Verträglichkeit ihrer thermischen Ausdehnung bzw. Kontraktion, sind Voraussetzung für die Bewährung in der Praxis.

82

Da an den Grenzflächen Reaktionen zu erwarten sind, können Verbundwerkstoffe nur bis zu einer Temperatur verwendet werden, bei der die Geschwindigkeit dieser Reaktion noch sehr klein ist. Bild 1.62 zeigt an einem Faserverbundwerkstoff den eigentlichen Wirkmechanismus.

Bild 1.62

Spannungs-Dehnungs-Diagramm der Komponenten eines Faserverbundwerkstoffs [ 19 ]

Eine hochsteife und hochfeste Faser führt bei einer vergleichsweise nachgiebigen Matrix zu einer beträchtlichen Verstärkungswirkung, da bei gleicher Dehnung in Faser und Matrix die Festigkeit der Faser maßgebend wird. Je nach Faseranteil entstehen dadurch erhebliche Festigkeitssteigerungen. Liegen Fasern nur in einer Richtung, so entstehen stark anisotrope Werkstoffe. Bei Faserlagen 0°, 45°, 90° bzw. bei Geweben sind auch quasiisotrope Eigenschaften zu erzielen. Häufig findet man gute mechanische Eigenschaften unter Zugspannung, aber schlechte bei Druckspannung, so dass die Grenzflächen Faser-Matrix beim Ausbiegen der Fasern leicht aufreißen. Zur Faser verstreckte Werkstoffe haben oft wesentlich höhere Festigkeiten als in kompakter Form. Außerdem kommt es beim Bruch einer einzelnen Faser nicht automatisch zum Versagen eines ganzen Faserbündels bzw. des gesamten Werkstücks. Der Matrixwerkstoff schützt die Fasern vor mechanischer Beschädigung, chemischen Angriffen und überträgt die äußeren Belastungen auf die Faser. Vorteile des Verbunds sind neben hoher Festigkeit, chemischer Beständigkeit vor allem geringe Rissempfindlichkeit (rissstoppende Wirkung von Fasern) und das geringe spezifische Gewicht (Leichtbau). 1.12.2

Herstellung

Die sehr unterschiedlichen Matrix- und Faserwerkstoffe, vor allem aber die geometrische Form der Einlagerungen haben sehr unterschiedliche Herstellungstechnologien zur Folge. Am Beispiel glasfaserverstärkter Kunststoffe, einem sehr häufig hergestellten Verbundwerkstoff, werden z. B. Technologien wie 83

 Laminieren (lagenweises Auftragen von Faserverbunden oder -matten auf die mit Trennmittel vorbereitete Form, Tränkung mit Harz und erneutes Auftragen) bis zur erforderlichen Dicke.  Faserharzspritzen (Vermischung von Kurzfasern mit flüssigem Kunststoff im Luftstrom und anschliessendes Formgeben durch Formpressung).  Nasswickeln bzw. Nassziehen (Durchlauf von Fasersträngen durch flüssigen Kunststoff und anschließendes Wickeln oder Ziehen in die vorgesehene Form) angewandt. Bei faserverstärkten Kunststoffen gibt es keine gebrauchsfertigen Halbzeuge, welche nur noch in die gewünschte Form zu bringen wären. Die Werkstoffeigenschaften entstehen gleichzeitig mit der Herstellung des Bauteils und hängen daher direkt von dem eingesetzten Fertigungsverfahren ab. Für metallische oder keramische Matrixverbundwerkstoffe sind z. B. Infiltrationsverfahren (Einsaugen der flüssigen Matrix in mit Fasern ausgelegte Formen) oder Sinterverfahren im Einsatz. Auch durch gerichtete Erstarrung und Ausscheidungen im Magnetfeld können derartige Gefüge hergestellt werden. 1.12.3

Anwendungen

1.12.3.1

Faserverbundwerkstoffe

Aus Kostengründen stellen Glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) überwiegend mit UP-Matrix den Hauptteil der Anwendungen. Typische Beispiele sind Bootskörper, Behälter, Gehäuse. Bei hohen Anforderungen insbesondere an die Steifigkeit werden Kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK) mit EP-Matrix eingesetzt (Sportgeräte, Raumfahrt, Luftfahrt). Ein extremer Vorteil dieser Werkstoffe ist das geringe Gewicht. Aramidfaserverstärkte Kunststoffe und borfaserverstärkte Kunststoffe bilden hinsichtlich der Eigenschaften und Kosten bei gleichen Einsatzgebieten Alternativen. Für besonders biegesteife Bauteile werden die extrem hochfesten Kohlenstofffasern eingesetzt (CFK). Diese Fasern übertragen ihre hohe Zugfestigkeit in der Richtung auf den Verbund, in der sie im Werkstoff liegen (Bild 1.63).

Bild 1.63

Faseranordnung und Verstärkungsrichtungen bei CFK [ 19 ] 84

Die gegenwärtige Entwicklung versucht, Leichtbauwerkstoffe für den Hochtemperatureinsatz (Kolbenbolzen, Pleuel) und für mehrachsig beanspruchte Bauteile (Federlenker) auf metallischer Basis/C-Faser in Al oder auf keramischer Basis aufzubauen. Daneben gibt es großen Bedarf für medizinische Anwendungen z. B. mit kohlefaserverstärktem Kohlenstoff (Hüftgelenke). Anwendungen im Bauwesen sind z. B. Stahlbeton oder metallverstärktes Glas. 1.12.3.2

Teilchenverbundwerkstoffe

Gefüllte Kunststoffe (z. B. Duroplastmatrix mit SiO2) besitzen gegenüber Kunststoffen erhöhte Festigkeit und werden zu Kleinteilen oder Gehäusen verarbeitet. Aus Polymerbeton (Epoxidharz mit Granitkörnern) werden Gestelle von Werkzeugmaschinen hergestellt. Eine breite Anwendung für Kunststoffverbundwerkstoffe bietet die Zahnmedizin (Zahnprothesen, Kunststoffzähne, Zahnfüllungen) und die Humanmedizin (Knochenzement, Prothesen). Hartmetalle und oxidkeramische Verbundwerkstoffe dienen vor allem der zerspanenden Werkstoffbearbeitung (Schleifkörper) und bei der Herstellung von Verschleißteilen. Cermets (Keramik-Metall-Verbunde) werden als Hochtemperaturwerkstoffe z. B. im Strahlaustritt von Raketen eingesetzt. 1.12.3.3

Schichtverbunde

Hier nutzt man entweder die korrosionshemmende oder verschleißmindernde Wirkung für den Decklagenwerkstoff. Anwendungen liegen im Leichtbau (Wabenkonstruktionen). 1.12.3.4

Fehler in plattierten Bauteilen

Plattierungen kennt man als Auftragungen von Edelstahl oder Silber auf ferritisch-perlitischem Stahl. Für die Fertigung von Druckbehältern ist oft neben ausreichender Festigkeit eine hohe Korrosionsbeständigkeit gegenüber gasförmigen und flüssigen Medien gefordert. Daher wird oft auf ein ferritisches Kesselblech, das zwar ausreichende Festigkeit aber niedrige Korrosionsbeständigkeit besitzt, ein austenitischer oder nickelbasislegierter Werkstoff aufgebracht, der zwar relativ niedrige Festigkeit aber hohe Korrosionsbeständigkeit aufweist. Es gibt verschiedene Verfahren zur Herstellung von Plattierungen, wie z. B. Galvanisches Plattieren, Walzplattieren, Sprengplattieren oder Schweißplattieren (Auftragsschweißen). Im (nuklearen) Anlagenbau ist das Schweißplattieren das am meisten verbreitete Herstellungsverfahren und wird ausgeführt durch     

MIG-Schweißen mit Bandelektrode Plasma-Schweißen UP-Vieldrahtschweißen (Bild 1.64) E-Hand-Schweißen UP-Schweißen mit Bandelektrode (Bild 1.65).

Aufgrund der geringen Aufmischung, der hohen Abschmelzleistung und der relativ glatten Oberfläche wird heute bevorzugt das UP-Schweißen mit Bandelektrode angewendet. Allerdings ist, wie generell beim UP-Schweißen, auch hier kein Schweißen unter Zwangslage möglich.

85

Bild 1.64

UP-Vieldrahtschweißen [ 35 ]

Bild 1.65

UP-Schweißen mit Bandelektrode [ 35 ]

Hochlegiertes Schweißgut löst sich beim Auftragsschweißprozess von niedriglegiertem, aber höher kohlenstoffhaltigem Trägerwerkstoff auf. In diesem Bereich zwischen den Werkstoffen, „Interface" genannt, entsteht eine Mischwerkstoff „Aufmischung", die aufhärtungsempfindlich ist. Beim Abkühlen oder während einer anschließenden Wärmebehandlung können daher in diesem Bereich Risse entstehen. Die Ausdehnung dieser Risse ist im Allgemeinen nicht kleiner als 3 x 3 mm. Wird das Schweissgut nicht mit dem Trägerwerkstoff vermischt, so entsteht ein Bindefehler statt des Interfaces. Andererseits sollte das Ausmaß der Aufmischung möglichst gering gehalten werden, um eine Beeinträchtigung der Korrosionsfestigkeit des Auftragswerkstoffs zu vermeiden und die Zahl der Lagen gering zu halten. In den Zwickeln zwischen sich überlappenden Schweißlagen können sich Schlackeneinschlüsse bilden. Hinzu kommen schweißnahtübliche Fehler, wie z. B. Porosität etc. 86

Die Art des anzuwendenden Prüfverfahrens ist abhängig vom Zeitpunkt der Fertigung. Nach ASME-Code, Sect. III [ 47 ], ist z. B. die Trägerwerkstoffoberfläche vor dem Schweißen einer Magnetstreufluss- oder Eindringprüfung zu unterziehen. Nach dem Schweißen bzw. möglichst erst nach einer Wärmebehandlung erfolgt die Ultraschallprüfung. 1.13

Keramik [ 19 ]

Zu der Gruppe der keramischen Werkstoffe gehören alle nichtmetallischen und anorganischen Werkstoffe. Aus dieser Definition ergibt sich eine Vielzahl an Werkstoffen. Die folgenden Erläuterungen beziehen sich daher nur auf einige typische keramische Werkstoffe, es gibt aber auch durchaus keramische Werkstoffe mit anderen Eigenschaften, Herstellungsverfahren o. ä. 1.13.1

Eigenschaften [ 19 ]

Folgende herausragenden Eigenschaften werden beim Einsatz von Keramiken ausgenutzt:        

thermische und elektrische Isolierfähigkeit Druckfestigkeit hohe chemische Beständigkeit (Korrosionsbeständigkeit) hohe Schmelztemperaturen, d. h. Hochtemperaturbeständigkeit Verschleißfestigkeit hohe Härte niedriges spezifisches Gewicht geringe thermische Ausdehnung.

Außerdem gibt es keramische Stoffe mit besonderen physikalischen Eigenschaften, wie Ferromagnetika, Ferroelektrika und Dielektrika. Keramiken haben aber auch erhebliche Nachteile, dazu gehört insbesondere die Sprödigkeit, da sie nicht in der Lage sind, Spannungsspitzen durch Verformung abzubauen. Daher sind sie neben ihrer Anwendung als Baustoff mehr als Funktionswerkstoffe denn als Konstruktionswerkstoffe einzuordnen. Die Bilder 1.66 bis 1.68 geben einen Überblick über den Elastizitätsmodul und die Wärmeleitfähigkeit metallischer, keramischer und polymerer Stoffe sowie über die Dichten und linearen Ausdehnungskoeffizienten verschiedener Werkstoffe [ 19 ].

87

Bild 1.66

Elastizitätsmoduln metallischer, keramischer und polymerer Stoffe

88

Bild 1.67

Wärmeleitfähigkeit metallischer, keramischer und polymerer Stoffe

89

Bild 1.68

1.13.2

Dichten und lineare thermische Ausdehnungskoeffizienten von Werkstoffen verschiedener Hauptgruppen

Herstellungsverfahren

Aufgrund der hohen Schmelzpunkte von Keramiken, werden diese im Allgemeinen nicht durch Schmelzen, sondern durch Sintern hergestellt. Die Ausgangsmaterialien bei der Herstellung keramischer Körper sind pulverförmig. Die Herstellung von Keramik lässt sich in drei Stufen gliedern: 90

 Aufbereiten und Mischen der Pulver (Grünkörper)  Herstellen der Formteile  Brennen (Sintern); dabei wird im ersten Schritt das Wasser ausgetrieben, im zweiten Schritt der Körper durch Sintern verdichtet, dabei wird die Porosität verringert.

Möglichkeiten zur Steigerung der Sintergeschwindigkeit sind:  Druckintern (Anwendung von Druck während des gesamten Sintervorgangs),  Reaktionssintern (chemische Umwandlung von zwei pulverförmigen Komponenten oder aus einem Pulver und einem Gas während des Sinterprozesses),  Flüssigphasensintern (Sintern in Gegenwart der metallischen oder oxidischen Schmelze).

Heutzutage hat man zur Verbesserung der Qualität der Produkte einige spezielle Verfahren entwickelt. Dazu gehören  Reaktionssprühverfahren,  Sol-Gel-Verfahren (über die Prozessschritte Flüssig-System, z. B. Alkoholate),  Polymer-Pyrolyse (thermische Zersetzung polymerer Keramikvorstufen). 1.13.3

Formgebungsverfahren

Die Formgebung von Keramiken gestaltet sich ausgesprochen schwierig, da sie zum einen sehr spröde sind, d. h. nicht verformbar, zum anderen sehr hart. Häufig sind zur Bearbeitung Diamantwerkzeuge notwendig. Daher werden möglichst endkonturnahe Fertigungsverfahren eingesetzt. Das ist bei Schlickerguss der Fall. Durch erhöhte Wasserzugabe wird ein dünnflüssiger Brei hergestellt. Nachdem er in eine gewünschte Form gegossen wurde, wird das überschüssige Wasser abgesaugt. Für dieses Verfahren eignen sich besonders Formen aus Gips (CaSO4). Nach der Formgebung ist die Festigkeit der Porzellanmasse noch sehr gering. Ein fester Körper entsteht erst durch Brennen zwischen 1000 und 1460 C. Einige neuere Verfahren sind  Gel Casting-Verfahren,  Gasdruckinterverfahren (für Bauteile komplizierter Geometrien und enger Toleranzen),  Plasmaspritzverfahren (auch für die Herstellung großdimensionierter Bauteile mit einer hohen Maßgenauigkeit, bislang aber teuer und nur für rotationssymmetrische Teile; so lassen sich auch Keramikbeschichtungen aufbringen). 1.13.4

Einteilung keramischer Werkstoffe [ 60 ]

Da es eine Vielzahl keramischer Werkstoffe gibt, werden hier nur einige Gruppen behandelt. 1.13.4.1

Kristalline Oxidkeramik

Kristalline oxidische keramische Stoffe werden bereits länger als Metalle verwendet. Ein klassisches Beispiel ist Porzellan. Die Rohstoffe dafür sind Ton (Kaolinit) Al2O3,. 2 SiO2,. 2 H2O, Feldspat KAl Si3O8 und Quarz SiO2. Porzellan als typischer keramischer Isolierstoff ist 91

unempfindlich gegen klimatische Einflüsse, wie Feuchtigkeit, Salznebel, Industrieabgase und Sonnenlicht. Es ist bei Raumtemperatur auch beständig gegen Salzsäure- und alkalihaltige Gase, Dämpfe und Niederschläge. Diese Eigenschaften bleiben auch bei elektrischer Beanspruchung durch einen Entladungsfunken erhalten. Der spezifische Durchgangswiderstand RD beträgt für Porzellan 1011  cm bis 1012  cm (Bild 1.69 und 1.70).

Bild 1.69 Abhängigkeit des spezifischen Durchgangswiderstands von der Temperatur [ 60 ] 1 Phenoplastformstoff 2 Magnesiumsilikat 3 Aluminiumoxidkeramik

Bild 1.70

Durchschlagfestigkeit von Porzellan in Abhängigkeit von der Wanddicke [ 60 ]

Feuerfeste Steine dienen insbesondere zur Ofenauskleidung. Besonders dafür geeignet sind möglichst reine Oxide wie SiO2, MgO, Al2O3, da sie hohe Schmelztemperaturen haben, beim Aufheizen und Abkühlen keine großen Volumenänderungen erfahren und keine Phasenumwandlungen durchlaufen.

Einige Beispiele sind in Tabelle 1.15 zusammengestellt. 92

Bezeichnung

Zusammensetzung

obere Verwendungstemperatur

Schamotte

70 % SiO2, 27 % Al2O3, 3 % Fe2O3

1670 C

Silikastein

fast reines SiO2

1730 C

Sillimanit

36 % SiO2, 63 % Al2O3, 1 % Fe2O3

1750 C

Korund

reines Al2O3

2000 C

Beryllia

-

2200 C

Tabelle 1.15

Beispiele für feuerfeste Steine [ 19 ]

Die Längenänderung verschiedener feuerfester Steine wird in Bild 1.71 dargestellt.

Bild 1.71

Längenänderung verschiedener feuerfester Steine [ 35 ]

Solche feuerfesten Steine werden zur Ofenauskleidung, Ausmauern von Schmelzöfen, Schmelzwannen der Glasindustrie und als Tiegelmaterial verwandt. 1.13.4.2

Einatomare keramische Stoffe [ 60 ]

Hierzu zählen die Elemente C, Si, Ge, B. Die wichtigste Werkstoffgruppe bilden die Halbleiter Si und Ge, die in großem Umfang in der Elektroindustrie eingesetzt werden. Dabei ist Si bis 200 C und Ge bis 90 C einsetzbar. Außerdem gibt es noch Verbindungshalbleiter wie GaAs. Die aus Halbleitern hergestellten Dioden, Transistoren und anderen Bauelemente beherrschen große Teile der Nachrichten-, Verkehrs-, industriellen Verfahrenstechnik und der Raumfahrttechnik sowie nicht zuletzt der Datenverarbeitung. Werkstoffe auf Grundlage des Kohlenstoffs sind Graphit und Diamant. Graphit zeichnet sich durch gute elektrische und thermische Leitfähigkeit, gute Temperaturwechselfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit aus. C-Fasern besitzen eine sehr hohe Steifigkeit. Etwa 90 % der Kohlenstoff- und Graphitproduktion werden als Elektroden für elektrothermische und elektrochemische Verfahren verwendet, z. B. als Elektroden in Lichtbogenöfen bei der Elektrostahlproduktion oder bei der Schmelzflusselektrolyse von Aluminium. Ferner sind 93

Kohlenstoff und Graphit klassische Kontaktwerkstoffe für elektrische und mechanische Schleifkontakte, wie Bürsten, Schleifbügel, Gleitringe oder Kolbenringe, die ohne Schmierung bei geringem Verschleiß arbeiten. Diamant wird wegen seiner hohen Härte für alle Trenn- und Schleifverfahren eingesetzt, z. B. zum Läppen, Schleifen, Sägen und Bohren harter metallischer und keramischer Werkstoffe. Diamantpulver werden lose als Poliermittel oder gebunden in einer Metall- oder Kunstharzmatrix als Schleif- oder Trennscheiben verwendet. 1.13.4.3

Nichtoxidische Hartstoffe [ 60 ]

Man unterscheidet  nichtmetallische Hartstoffe

z. B. SiC wird aufgrund der Temperaturwechselbeständigkeit und der Korrosionsbeständigkeit als Konstruktionswerkstoff für thermisch und chemisch hochbelastete Bauteile eingesetzt z. B. Si3Ni4 wird u. a. als Hochtemperaturwerkstoff eingesetzt, da der Wirkungsgrad von Wärmemaschinen umso größer ist, je höher die Betriebstemperatur ist; Si3Ni4 kann bis ca. 1400 C eingesetzt werden.  metallische Hartstoffe

Die häufigsten Phasen in Hartmetallen sind Wolframkarbid (WC), Titankarbid (TiC) und Tantalkarbid (TaC). Diese bestimmen die Härte und die Verschleißfestigkeit. Hartmetalle werden in folgenden Bereichen verwendet: - Schneidwerkzeug - Werkzeuge zum Stanzen, Tief- und Drahtziehen - Verschleißteile (Spikes, Mahlkugeln) - Maschinenteile (Walzen, Zylinder, Turbinenschaufeln, u. a.). 1.13.4.4

Hydratisierbare Silikate

Das typische Beispiel ist Zement, mit dessen Hilfe Sand und Schotter zu Beton verklebt wird. Dabei werden keramische Stoffe verschiedener Teilchengröße vermischt, da so eine hohe Dichte des Betons erzielt wird. 1.13.4.5

Anorganische Gläser

Anorganische Gläser sind Oxidgemische, in denen durch Schmelzen und schnelles Abkühlen die Kristallisation verhindert wird. Sie finden insbesondere wegen ihrer isotropen Durchstrahlbarkeit mit sichtbarem Licht als Werkstoffe in der Optik Anwendung, z. B. für Linsen und Lichtfilter, aber auch im Bau- und Verpackungswesen und im chemischen Apparatebau (als chemisch beständige Konstruktionswerkstoffe).

94

1.14

Prüfverfahren für Kunststoffe und Keramikwerkstoffe

1.14.1

Prüfverfahren für Kunststoffe

Entsprechend den beschriebenen Verfahren der Werkstoffprüfung an Metallen werden die folgenden Versuche an Kunststoffen ausgeführt: 1) Zugversuch (DIN 53455 [ 80 ]), 2) Schlagbiegeversuch (DIN 53453 [ 79 ]), 3) Härteprüfung durch Eindruckversuch (DIN 53456 [ 81 ]). 1.14.1.1

Zugversuch an Kunststoffen

Der Zugversuch dient zur Beurteilung des Verhaltens von Kunststoffen bei einachsiger Beanspruchung auf Zug. Die Prüfung wird an bestimmten Probekörpern unter festgelegten Bedingungen für die Vorbehandlung, das Prüfklima und die Prüfgeschwindigkeit durchgeführt. Die Prüfergebnisse sind nur bei Einhaltung gleicher Herstellbedingungen für die Probekörper und gleicher Prüfbedingungen vergleichbar. Der Zugversuch dient in erster Linie zur Qualitätskontrolle. Eine umfassende Beurteilung des Verhaltens von Kunststoffen bei Zugbeanspruchung ist nur möglich, wenn Festigkeits- und Formänderungseigenschaften bei verschiedenen Prüfbedingungen (z. B. Prüfgeschwindigkeit, Temperatur, Vorbehandlung) bestimmt werden. Hinsichtlich der den Zugversuch kennzeichnenden Begriffe, der Durchführungsweise und seiner Auswertung wird in diesem Zusammenhang auf das Buch des Autors „Mechanisch-technologische Werkstoffprüfung“ [ 95 ] verwiesen. 1.14.1.2

Schlagbiegeversuch

Nach dem Schlagbiegeversuch (DIN 53453 [ 79 ]) lassen sich an Proben, die aus Formmasse (Pressmasse oder Spritzgussmasse) hergestellt oder aus Formstoff (Pressstoff oder Spritzguß stoff) oder Schichtpressstoff-Erzeugnissen entnommen werden, die Schlagzähigkeit an oder die Kerbschlagzähigkeit ak bestimmen. Verschiedene anzuwendende Probekörper sind in den Normen für das betreffende Erzeugnis festgelegt oder zu vereinbaren. Für die Ermittlung der Schlagzähigkeit an und der Kerbschlagzähigkeit ak in KJ/m2 bzw. mJ/mm2 gelten die Formeln und Begriffsdefinitionen:

an

=

An ────── b  h

An

=

vom ungekerbten Probekörper verbrauchte Schlagarbeit in KJ o. mJ

b

=

Breite des Probekörpers in seiner Mitte in m bzw. mm

h

=

Dicke des Probekörpers in seiner Mitte in m bzw. mm

ak

=

Ak ────── b  hk

95

mit Ak

=

vom gekerbten Probekörper verbrauchte Schlagarbeit in KJ o. mJ

b

=

Breite des Probekörpers in Kerbmitte in m bzw. mm

hk

=

Dicke des Probekörpers in Kerbmitte in m bzw. mm.

Der Schlagbiegeversuch eignet sich vor allem für die Überwachung der Herstellung und Verarbeitung sowie für die Abnahme von Formmassen und von Formstoff und Schichtpressstoff-Erzeugnissen. 1.14.1.3

Härteprüfung durch Eindruckversuch

a) Allgemeines:

Die Härteprüfung durch Eindruckversuche (DIN 53456 [ 81 ]) dient nur zur Bestimmung der Kugelhärte von Kunststoffen. Sie ist auch für Hartgummi anwendbar. b) Prinzip:

Ein genormter Prüfkörper (Kugel) wird mit definierter Kraft (Vor- und Prüfkraft) senkrecht in den Kunststoff eingedrückt [ 17 ]. Gemessen wird unter Last die Eindringtiefe der Kugel nach einer bestimmten Belastungszeit. Die Kugeldruckhärte ergibt sich als Quotient aus Prüfkraft und Oberfläche des Eindrucks. c) Prüfkörper:

Verwendet wird eine gehärtete und polierte Stahlkugel mit einem Durchmesser von D = 5 mm und einer Härte von 800 HV. d) Berechnung des Härtewertes:

=

F ── S

F

=

Prüfkraft in N

D

=

Kugeldurchmesser in mm

h

=

Eindringtiefe in mm.

H

=

1 ───────  x D



F ──── h

in N/mm2

mit

e) Prüflast:

Vorkraft

Fo

=

9,81 N

Prüfkraft

F

=

49,0; 132; 358; 961 N

Die Prüfkraft muss so gewählt werden, dass die Eindringtiefe h im Bereich von 0,15 - 0,35 mm liegt. 96

f) Beanspruchungsdauer:

Allgemein gilt 30 s (mitunter wird die Eindringtiefe auch nach 10 und 60 s Beanspruchungsdauer gemessen). g) Bezeichnung:

H 358/60 = 80 N/mm2 H: 358: 60: 80:

Kennbuchstabe Prüfkraft F in N Belastungsdauer in s Kugeldruckhärte.

h) Bedingungen für die Messung:

1) 2) 3) 4)

Eindringtiefe h im Bereich von 0,15 - 0,35 mm auf 0,01 mm abgelesen Eindruckmittenabstand: min 5 mm Probendicke: min 4 mm Prüfung soll bei Normalklima 23/50 DIN 50014 [ 82 ], d. h. (23+/- 2) Grad C und (50 +/- 3) % relative Luftfeuchte durchgeführt werden. Außerdem sind die Proben vor dem Versuch mindestens 16 Stunden lang bei Normalklima zu lagern.

i) Anmerkung:

Um die Bestimmung der Härtewerte zu erleichtern, wird in DIN 53456 [ 81 ] eine Tabelle aufgeführt, aus der die Kugeldruckhärte in Abhängigkeit von Prüfkraft und Eindringtiefe abgelesen werden kann. 1.15

Prüfverfahren für Keramikwerkstoffe [ 83 ]

Neben ihren traditionell genutzten Eigenschaften der thermischen und elektrischen Isolierfähigkeit werden Keramikwerkstoffe durch ihre Hochtemperatur-, Verschleiß- und Korrosionsbeständigkeit sowie ihre hohe Härte und ihr niedriges spezifisches Gewicht für hochtechnologische Anwendungen immer bedeutungsvoller. Anwendungseinschränkungen für Keramikwerkstoffe ergeben sich vor allem aus ihrer Sprödigkeit, da sie nicht in der Lage sind, Spannungsspitzen durch Verformung abzubauen. So sind sie neben ihrer Anwendung als Baustoff mehr als Funktionswerkstoffe denn als Konstruktionswerkstoffe einzuordnen. Das spiegelt sich auch in den für die Beurteilung ihrer Eigenschaften in der betrieblichen Praxis zur Anwendung kommenden Prüfverfahren wider. Diese beschränken sich für die Ermittlung von Kenngrößen des Werkstoffwiderstands gegen Bruch im Wesentlichen auf den Druckversuch und auf den Biegeversuch. Beim Druckversuch nach DIN 50106 [ 83 ] werden einfach herzustellende zylindrische Proben mit einem Verhältnis Höhe zu Durchmesser von 2 : 1 verwendet. Soll neben der Druckfestigkeit der E-Modul oder die Stauchgrenze ermittelt werden, so erfolgt das mit Dehnungsmessstreifen. Für die Bestimmung der Druckfestigkeit bei höheren Temperaturen kann bei Keramikwerkstoffen wegen ihrer großen Temperaturbeständigkeit ein Arbeiten unter Vakuum oder Schutzgas entfallen.

97

Die Biegefestigkeit ist ein Festigkeitskennwert, der bei spröden Werkstoffen auf das Vorhandensein und die Verteilung von Defekten und Fehlstellen, an denen kaum abzubauende Spannungsüberhöhungen auftreten, empfindlich reagiert. Es kann sich dabei z. B. um Mikrorisse, Poren, Einschlüsse oder Bearbeitungsriefen handeln. Für Biegeprüfungen an Keramikwerkstoffen gibt es noch keine verbindliche Prüfvorschrift. Verbreitet ist die Anwendung des Vierpunkt-Biegeversuchs. Aufgrund der hohen Temperaturbeständigkeit von Keramiken kann auch bei über 1000 °C noch ein Wert der Biegefestigkeit ermittelt werden.

2.

Wärmebehandlungstechnik

2.1

Physikalische Grundlagen der Wärmebehandlung [ 4 ], [ 33 ], [ 60 ]

2.1.1

Phasenumwandlungen [ 4 ]

Bei verschiedenen Temperaturen kann ein Material in verschiedenen Phasen vorliegen, z. B. bei hohen Temperaturen flüssig oder gasförmig, bei niedrigen Temperaturen fest. Es können aber auch verschiedene feste Phasen in Abhängigkeit von der Temperatur existieren; so liegt z. B. reines Eisen bei Raumtemperatur im kubisch-raumzentrierten Zustand vor (Bild 2.1), oberhalb von 911 oC aber kubisch-flächenzentriert (Bild 2.2). Bei einer Wärmebehandlung können daher Phasenumwandlungen auftreten.

Bild 2.1

Kubisch-raumzentriertes Gitter (α-Eisen) [ 60 ]

Bild 2.2

Kubisch-flächenzentriertes Gitter (γ-Eisen) [ 60 ]

Eine Legierung besteht aus mindestens zwei verschiedenen Atomsorten, den Komponenten. Ein Zustand (oder Phase) ist dann ein Gebiet gleicher Struktur und chemischer Zusammensetzung. Welcher Zustand einer binären Legierung im Gleichgewicht stabil ist, kann dem sogenannten Zustandsschaubild (oder Phasendiagramm) entnommen werden. Darin sind die Zustände abhängig von der Zusammensetzung c (x-Achse) und der Temperatur T (y-Achse) eingezeichnet. Es gibt dabei die Möglichkeit, dass zwei Komponenten löslich sind und sogenannte Mischkristalle (MK) bilden (Bild 2.3). Hier haben alle Kristalle die gleiche Zusammensetzung. 98

Bild 2.3

Mischkristalle aus Cu und Ni

Falls die Komponenten A und B nicht mischbar sind, besteht das Gefüge aus A-Kristallen und aus B-Kristallen. Man spricht von einem Kristallgemisch (Bild 2.4).

2.4

Kristallgemisch aus PB und Sn

Häufig gibt es aber auch den Fall, dass die Komponenten A und B zwar nicht vollständig ineinander löslich sind, aber eine gewisse Menge an B-Atomen im A-Kristall gelöst werden kann und umgekehrt. Man spricht dann von einer begrenzten Mischbarkeit. Die Phasen bezeichnet man üblicherweise mit griechischen Buchstaben, wie α-MK und γ-MK. 2.1.1.1

Primärkristallisation [ 60 ]

Der Übergang flüssig/fest wird als Primärkristallisation, das dabei entstehende Gefüge nach der Erstarrung (Gussgefüge) als Primärgefüge bezeichnet. Durch thermische (z. B. Glühen) und thermomechanische (z. B. Warmformgebung) Behandlungen kristallisiert der Werkstoff im festen Zustand um, es entsteht das Sekundärgefüge. In der Schmelze besteht noch kein strukturiertes Kristallgitter, die Atome befinden sich im ungeordneten Zustand und in ständiger Bewegung. Beim Abkühlen der Schmelze setzt beim Erreichen der Schmelztemperatur die Erstarrung ein und die Kristallisation beginnt. Dafür verantwortlich sind Keime, die man auch als Kristallisationszentren bezeichnet. An diese Keime lagern sich mit abnehmender Temperatur immer mehr Atome an, das Kristallgitter wächst. 2.1.1.1.1

Keimbildung [ 60 ]

Die Korngröße des Primärgefüges hängt von der Keimzahl und der Wachstumsgeschwindigkeit der Kristalle ab. Je größer die Wachstumsgeschwindigkeit ist, desto feiner ist das Primärkorn. Umgekehrt wird das Primärkorn gröber, wenn die Wachstumsgeschwindigkeit abnimmt. Für die Keimbildung ist außer der Schmelztemperatur Ts auch eine Unterkühlung 99

der Schmelze ∆T erforderlich. Die Schmelze erstarrt nicht bei Ts, sondern erst bei T = Ts - ∆T. Erst wenn der Keim bis zu einer kritischen Größe gewachsen ist, wird Energie für die weitere Kristallisation frei. Die bis zum Erreichen der kritischen Keimgröße erforderliche Aktivierungsenergie wird nur dann freigesetzt, wenn die unterkühlte Schmelze einen ausreichenden Überschuss an freier Energie gegenüber dem kristallinen Zustand aufweist. Die Keimzahl ist bei technischen Gusslegierungen weitgehend abhängig von der Größe dieser Unterkühlung der Schmelze. Durch große Abkühlgeschwindigkeiten wie beim Kokillenguss wird die Kristallisationswärme schnell abgeführt und die Unterkühlung sowie die Keimzahl nehmen zu. Anders beim Sandguss, bei dem die Abkühlung sehr viel langsamer erfolgt. In metallischen Werkstoffen sind immer ausreichend Oberflächen für die Keimbildung in der Schmelze vorhanden, an denen die Kristallisation beginnen kann. Solche als Keime wirkenden Oberflächen sind z. B. die Wände der Gussform (Kokillenwand), Legierungsbestandteile, Oxid, Carbide, Nitride und arteigene oder artfremde Keime, die vor Erstarrungsbeginn der Schmelze zugegeben werden. Diesen Vorgang bezeichnet man auch als Impfen. Bekannt ist diesbezüglich insbesondere das Impfen von Kugelgraphitschmelzen mit Magnesium oder von AlSi-Legierungen mit Natrium, die zu einer Schmelzenunterkühlung und damit zu der gewünschten feinkörnigen Ausbildung des Gefüges führen. 2.1.1.1.2

Kristallwachstum

Die Kristallisationsformen der Gefüge hängen weitgehend von den Abkühlbedingungen ab (Bild 2.5).

Bild 2.5

Auswirkung des Wärmeflusses auf die Gefügeausbildung [ 60 ]

a

Gleichmäßiger Wärmefluss in verschiedenen Richtungen mit globularem Korn,

b

Richtungsabhängiger Wärmefluss mit Dendriten.

In Bild 2.6 sind die Erstarrungsvorgänge schematisch zusammengestellt. 2.1.1.2

Einfluss der Korngrenzen

Nach dem Erstarren werden in der Schmelze nicht lösbare Substanzen, wie Verunreinigungen, vor den Kristallisationsfronten hergeschoben. Sie bilden damit Korngrenzensubstanzen mit stark gestörtem Gitteraufbau. Je nachdem, welche Eigenschaften die Korngrenzensubstanzen aufweisen, ist folgendes Werkstoffverhalten zu erwarten:

100

 Bei verformbarer Korngrenzensubstanz werden die Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften entscheidend von den Eigenschaften und der Größe der Körner bestimmt.  Bei spröden Korngrenzensubstanzen an den Korngrenzen ergeben sich Probleme beim Härten der Stähle.

Bild 2.6 2.1.1.3

Erstarrungsvorgänge schematisch [ 60 ] Umwandlungen im festen Zustand [ 60 ]

Phasenänderungen werden im Allgemeinen als Phasenumwandlungen bezeichnet. Im festen Zustand werden die Phasenumwandlungen eingeteilt in Umwandlungen und in Ausscheidungen. Als Beispiel für eine Umwandlung werden hier die Umwandlungen des γ-Eisens in αEisen oder der γ-Mischkristalle in α-Mischkristalle genannt. Ausscheidungen entstehen, wenn eine oder mehrere Phasen sich aus Mischkristallen ausscheiden, wenn mit sinkender Temperatur die Löslichkeit abnimmt. Die Zusammensetzung und die Gitterstruktur der ausscheidenden Phasen weichen von der Ausgangsphase ab. Diese Vorgänge sind zeit- und temperaturabhängig und erfordern eine Diffusion. Eine wesentliche Umwandlung im festen Zustand ist die Martensitbildung, die unter dem Abschnitt Zustandsschaubilder etwas detaillierter beschrieben werden soll. 2.1.1.4

Erhitzungs- und Abkühlungskurven [ 60 ]

Bei welchen Temperaturen Phasenumwandlungen stattfinden, kann man aus Erhitzungsoder Abkühlungskurven entnehmen. Beim Erhitzen erkennt man im Temperatur-ZeitDiagramm einen Haltepunkt ts (Bild 2.7). 101

Temp.

ts

Zeit

Bild 2.7

Erhitzungskurve

Die zugeführte Energie wird an diesem Punkt nicht zur Temperaturerhöhung verwandt, wie bei der bisherigen Erwärmung, sondern zur Zerstörung des Kristallgitters. Erst wenn der ganze Inhalt eines Tiegels geschmolzen ist, wird durch die weiterhin zugeführte Wärme wieder kontinuierlich die Temperatur erhöht.

Temp.

Die Abkühlungskurve (Bild 2.8) verläuft entsprechend umgekehrt. Im flüssigen Zustand sinkt die Temperatur stetig. Mit Erreichen der Erstarrungstemperatur kristallisieren die Atome. Die dabei freiwerdende Energie, beim Erwärmen als Schmelzwärme zugeführt, wird nunmehr als Kristallistationswärme wieder abgegeben, so dass auch hier ein Haltepunkt tE erkennbar ist, der die Kristallisationstemperatur angibt.

tE

Zeit

Bild 2.8

Abkühlungskurve

Erhitzungs- und Abkühlungskurven sehen bei Phasenumwandlungen im festen Zustand ähnlich aus, so dass auch hier die Umwandlungstemperaturen auf diese Weise ermittelt werden können.

102

2.1.2

Thermisch aktivierte Vorgänge

Die meisten Zustandsänderungen erfordern einen Platzwechsel der beteiligten Atomarten. Die Platzwechselvorgänge von Atomen aufgrund einer wesentlich schnelleren Bewegung der Atome auf ihren Gitterplätzen bezeichnet man als thermisch aktiviert, wenn sie durch thermische Einwirkung stattfinden, wie z. B. durch Wärmebehandlungen. Thermisch aktivierte Vorgänge führen zur Veränderung der Werkstoffeigenschaften und des Gefüges. Folgende Mechanismen treten bei erhöhten Temperaturen auf: • Diffusion entsprechend der Diffusionsgesetze • Ausheilen von Defekten • Kriechvorgänge. 2.1.2.1

Diffusion und Diffusionsgesetze [ 6 ], [ 7 ], [ 16 ]

Unter Diffusion versteht man den Konzentrationsausgleich durch Platzwechsel einzelner Atome. Die Wanderung einer Atomsorte erfolgt in Richtung des Konzentrationsgefälles, so dass Konzentrationsunterschiede ausgeglichen werden. Eine wichtige Auswirkung der Diffusion besteht also in der Beseitigung von Gefügeungleichmäßigkeiten. Mit der sich durch die Diffusion ergebenden Homogenisierung des Gefüges ist in der Regel auch eine Verbesserung bestimmter Werkstoffeigenschaften verbunden. Beispielsweise kann bei metallischen Werkstoffen, die miteinander Mischkristalle bilden, der Übertritt der Atome von dem einen Metall in das andere und umgekehrt durch Druck und Temperatur beschleunigt werden. Auch nichtmetallische Stoffe können auf diese Weise vom Metallgitter aufgenommen werden, wenn Mischbarkeit im festen Zustand vorliegt. Dazu zählt die Wasserstoffaufnahme verschiedener Metalle. Bedeutung haben Diffusionsvorgänge insbesondere bei folgenden Prozessen:  Die Bildung von Oberflächenschichten durch entsprechende Wärmebehandlung, wie beim Randschichthärten oder der thermochemischen Behandlung  Die Korrosion von Metallen hinsichtlich ihres Korrosionsschutzes  Die Plattierung metallischer Werkstoffe zur Erzielung der benötigten Festigkeit.

Blechdicke d

t=0 t1

entkohlende Gasphase

Kohlenstoffgehalt C

Bild 2.9 enthält als Beispiel für die Diffusion den Konzentrationsverlauf bei der diffusionsgesteuerten Entkohlung eines Bleches [ 6 ] .

t2 t3 t=

Bild 2.9

Gleichgewicht

Konzentrationsverlauf bei der diffusionsgesteuerten Entkohlung eines Blechs 103

Die Diffusionsgeschwindigkeit ist umso größer, je höher die Temperatur ist. Zwischengitteratome, wie z. B. Kohlenstoff in Eisen, können wesentlich schneller diffundieren als Austauschatome (Bild 2.10) [ 9 ].

Bild 2.10 Temperaturabhängigkeit der Diffusionskoeffizienten von Fremdatomen in Eisen Außerdem erfolgt die Diffusion in Grenzflächen, Versetzungen und Oberflächen wesentlich schneller als innerhalb eines Korns. Die als Diffusion bezeichneten temperaturabhängigen Platzwechselvorgänge von Atomen, Ionen und anderer Teilchen sind entscheidend für den Massentransport im festen Werkstoff, der vollständig regellos erfolgt. Die vorhandenen Konzentrationsunterschiede führen zu einer gleichgerichteten Bewegung der Teilchen. Quantitativ wird dieser Vorgang durch die Diffusionsgesetze und insbesondere durch das 1. Fick`sche Gesetz beschrieben (Bild 2.11) [ 60 ]. Es lautet:

dmA = - D

x

dcA ───── dx

 Sdt

mit dmA als Stoffmenge A, die in der Zeit dt durch eine Fläche S senkrecht zur Diffusionsrichtung bei einem Konzentrationsgefälle von dcA/dx transportiert wird. D ist der Diffusionskoeffizient.

104

Bild 2.11 2.1.2.2

Ableitung des 1. Fick`schen Diffusionsgesetzes [ 60 ]

Platzwechselmechanismen

Es gibt drei Mechanismen der Platzwechselvorgänge in Festkörpern (Bild 2.12) [ 60 ].

Bild 2.12

Platzwechselmechanismen im Kristallgitter a)

Direkter Platzwechsel

b)

Leerstellenmechanismus

c)

Zwischengittermechanismus

Von diesen drei Mechanismen ist der Leerstellenmechanismus am häufigsten, da er nur eine geringe Aktivierungsenergie benötigt. Eine tiefere Einsicht in das Diffusionsgeschehen vermittelt das 2. Fick`sche Gesetz, welches eine Beziehung zwischen der zeitlichen und örtlichen Konzentrationsänderung darstellt: dc ─── = dt

d2c D  ─────. dx2

Technische Anwendungen der Lösung dieser Differentialgleichung sind z. B. das Aufkohlen beim Einsatzhärten und das Entkohlen bei der Wärmebehandlung. 105

2.1.3

Ausheilen von Defekten [ 4 ]

Durch Verformung können beispielsweise viele Versetzungen und andere Kristallbaufehler in den Werkstoff eingebracht werden. Mit einer entsprechenden Wärmebehandlung können viele dieser Fehler „ausgeheilt“ werden. Dies geschieht in drei Stufen: 1. Erholung (Abbau von Eigenspannungen und Versetzungen im Korninnern), Darunter versteht man eine Umordnung der Gitterdefekte, wodurch die physikalischen Eigenschaften, wie z. B. der elektrische Widerstand, die Thermokraft, praktisch wieder die Werte vor der Verformung erreichen. Dabei werden auch Eigenspannungen in erheblichem Maß abgebaut. Leerstellen heilen aus und Versetzungen lagern sich durch thermische Aktivierung in einen energieärmeren Zustand um. Bild 2.13 zeigt Möglichkeiten für das Ausheilen von Gitterdefekten durch Wärmebehandlung.

Bild 2.13

Möglichkeiten für das Ausheilen von Gitterdefekten [ 4 ]

Bei höheren Temperaturen können sich die regellos verteilten Versetzungen in Reihen anordnen. Innerhalb der Körner entstehen Kleinwinkelkorngrenzen (Polygonisation). 2. Rekristallisation (Kornneubildung), Wird die Temperatur weiter erhöht, dann rekristallisiert das verformte Gefüge. Es bilden sich durch thermisch aktivierte Platzwechsel bei sehr geringen Weglängen neue unverzerrte Kristallite. Das rekristallisierte Gefüge besitzt die gleichen Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaf106

ten wie das unverformte Gefüge. Die durch die Verformung entstandenen Gitterdefekte, wie Leerstellen oder Versetzungen, werden beseitigt. Die Platzwechselvorgänge beim Rekristallisieren laufen umso träger ab, je fester die atomare Bindung, d. h. je höher die Schmelztemperatur Ts ist. Die unterste Rekristallisationsschwelle beträgt ungefähr TRkmin = 0,4 Ts. Für Eisen lässt sich in Ansatz bringen: Ts

= (1536 + 273) K = 1809 K mit

TRkmin

720 K ≈ 450 oC.

Die Rekristallisationstemperatur ist kein fester Werkstoffkennwert, sie hängt von folgenden Faktoren ab [ 4 ]:  Verformungsgrad  Glühtemperatur und -zeit  Korngröße des verformten Gefüges  chemische Zusammensetzung.

Eine Verformung oberhalb der Rekristallisationstemperatur wird als Warmverformen, die Verformung unterhalb als Kaltverformung bezeichnet. 3. Kornwachstum

Die Festigkeitswerte des rekristallisierten Gefüges werden weitgehend durch dessen Korngröße bestimmt. Die Wärmebehandlungsbedingungen müssen deshalb meistens so gewählt werden, dass sich ein möglichst feinkörniges Gefüge ergibt. Im Rekristallisationsschaubild ist die Abhängigkeit der Korngröße, von der Glühtemperatur und dem Verformungsgrad dargestellt. Die Verformung sollte möglichst groß sein, damit das rekristallisierte Gefüge feinkörnig wird und die Glühtemperatur kleiner gewählt werden kann. Zusammenfassend lassen sich folgende bedeutsamen technischen Anwendungen der Rekristallisation angeben:  Durch Kaltverformung verfestigte und daher ohne Gefahr der Rissbildung nicht weiter verformbare Werkstücke erhalten durch das Rekristallisierungsglühen ihre ursprüngliche Verformbarkeit wieder zurück (Tiefziehbleche).  Durch Rekristallisierungsglühen kann ein nahezu beliebig feinkörniges Gefüge hergestellt werden, wenn entsprechend große plastische Verformungen technisch möglich sind.  Bei nicht umwandelbaren Werkstoffen, wie Kupfer oder Nickel, bzw. austenitischen Stählen kann sich die Korngröße nur durch ein rekristallisierendes Glühen verändern. 2.1.4

Kriechvorgänge und Spannungsrelaxation [ 4 ]

Kriechen bedeutet die zeitabhängige fortschreitende plastische Verformung bei konstanter Belastung. Die zeitabhängige Abnahme der Spannung bei konstanter Verformung bezeichnet man als Spannungsrelaxation. 107

Beide Erscheinungen beruhen bei metallischen Werkstoffen auf der mit der Temperatur zunehmenden Beweglichkeit der Atome, der größeren Anzahl und dem Verhalten der Gitterdefekte. Die diffusionskontrollierten thermisch aktivierten Platzwechselvorgänge sind für diese Prozesse charakteristisch. Kriech- und Relaxationsvorgänge sind entscheidend für die Gebrauchseigenschaften von Werkstoffen, die bei höheren Temperaturen zum Einsatz gelangen. Bei höheren Temperaturen und niedrigeren Spannungen wird das Kriechen mehr durch Diffusionsströme als durch Versetzungsbewegungen bewirkt. Der Materialtransport findet dann nicht nur im Kornvolumen statt, sondern wegen der vielen Leerstellen verstärkt auch auf den Korngrenzen. Die Folge ist ein deutliches Korngrenzengleiten. Bemerkenswert ist auch die Veränderung des Bruchverhaltens mit zunehmender Temperatur. Während bei niedrigen Temperaturen die Werkstofftrennung meist als transkristalliner Bruch erfolgt, führt die Schwächung der Korngrenzen durch Leerstellenkondensation zu Brüchen auf den Korngrenzen. Der Kriechbruch ist interkristallin. Im Allgemeinen ist die Anwendbarkeit von Rekristallisationsschaubildern begrenzt, weil meistens die Angabe der Glühzeit fehlt und das Rekristallisationsverhalten der Werkstoffe erheblich voneinander abweicht. Die Glühbedingungen sind daher fast immer durch Versuche festzulegen. Bei höheren Glühtemperaturen und längeren Glühzeiten können die rekristallisierten Körner vor allem nach großen Verformungen weiterwachsen. Man erhält dann Grobkorn. Dieser Vorgang wird als sekundäre Rekristallisation bezeichnet. Die Rekristallisation kann jedoch auch zu Texturen führen, die meistens nicht erwünscht sind, weil dann die Eigenschaften des Werkstoffs anisotrop werden, in manchen Fällen jedoch positive Aspekte bringen, wie z. B. bei Transformatorblechen, wo die Körner im Blech parallel zur Richtung der leichtesten Magnetisierbarkeit liegen. 2.2

Gefügearten [ 4 ], [ 6 ], [ 10 ], [ 14 ], [ 16 ]

Wie bereits im Kapitel „Werkstofftechnik“ behandelt wurde, sind die Atome von Metallen regelmäßig angeordnet, in sogenannten Kristallgittern, wie beispielsweise kubischraumzentriert (krz, α-Eisen) oder kubisch-flächenzentriert (kfz, γ-Eisen). Ein reales Gitter ist jedoch nicht über große Distanzen hinweg derart regelmäßig, sondern es treten Gitterbaufehler (Defekte) wie Versetzungen und Korngrenzen auf. Diese sind mit bloßem Auge meistens nicht zu erkennen, da sie in zu kleinen Größenordnungen vorliegen. Makroskopisch sehen daher die meisten Werkstoffoberflächen blank oder einheitlich matt aus, so dass der Eindruck erweckt wird, der Werkstoff sei insgesamt einheitlich (homogen) aufgebaut. Um nun zumindest einen Teil der Gitterbaufehler sichtbar machen zu können, werden lichtmikroskopische Aufnahmen von einer ebenen, geschliffenen und polierten Oberfläche eines Werkstoffs angefertigt. Man bezeichnet das als Metallographie. Damit wird das Gefüge sichtbar gemacht, d. h. man erkennt Kristallite einheitlicher Gitterorientierung. Mittlere Korndurchmesser liegen bei 100 μm = 0,1 mm, darunter spricht man von feinkörnigem Gefüge, darüber von grobkörnigem Gefüge. Die festgestellten Mittelwerte bezeichnet man als Korngröße des betreffenden Werkstoffs. Körner sind verschieden große, unregelmäßige Polyeder, von denen man natürlich nur einen Anschnitt sieht (Bild 2.14) [ 23 ].

108

Bild 2.14

Korngrenzen im Gefüge a) eines Baustahls mit 0,12 % C und Schlackeneinschlüssen b) des keramischen Werkstoffs Aluminiumoxid (Al2O3)

Nichtgleichachsige Kornformen treten vor allem in Erstarrungsgefügen auf (Stengelkristalle in Bild 2.15).

Bild 2.15

Stengelkristalle im Gussgefüge von Reinaluminium [ 12 ]

An solchen lichtmikroskopischen Aufnahmen erkennt man auch, ob die Körner eine Vorzugsorientierung haben (Textur). Die Eigenschaften eines solchen Werkstoffs sind dann meist auch richtungabhängig (anisotrop). Folgendes ist feststellbar:  Poren  Einschlüsse: unbeabsichtigt aus der Schmelze eingebrachte Verunreinigungen

109

 Dispersionen: absichtlich eingebrachte, feinverteilte Feststoffe  Ausscheidungen: dispersionsartige Verteilungen von Teilchen, die durch Wärmebehandlung ausgeschieden wurden; sie können verschiedene Gestalt annehmen (Bild 2.16)

Bild 2.16

Elektronenmikroskopische Aufnahme einer Al-Cu-Legierung [ 45 ], [ 49 ]

 Eutektische Gefüge, Dendriten: Hier sind zwei Gefügebestandteile nebeneinander angeordnet die während des Wachstums mit festen Formzusammenhängen entstanden sind (Bild 2.17 und 2.18).

Bild 2.17

Perlit im Stahl mit 0,8 % C als Beispiel für eutektisches Gefüge [ 49 ]

Bild 2.18

Dentriden von primär erstarrtem Blei neben ternärem Eutektikum [ 49 ] in einer Bleilegierung (Weichlot)

 Oberflächenschichten  Oberflächenschäden (Korrosionsschäden, Anrisse)

110

 Martensitische Gefüge: entstehen durch Umklappumwandlungen (Bild 2.19)

Bild 2.19

Martensitisches Gefüge in einem Stahl mit 1,3 % C und 0,5 % W (30 min bei 1000 oC in Wasser abgeschreckt) [ 49 ].

2.3

Die Grundtypen der Zustandsdiagramme

2.3.1

Eutektisches System

Die Abkühlungskurven einer Legierung bei Nichtmischbarkeit zweier Komponenten zeigen verschiedene Verläufe je nach Zusammensetzung (Bild 2.20). Kurve 1 und 7 entsprechen den Abkühlungskurven der reinen Komponenten A und B. Die übrigen Abkühlungskurven zeigen einen gemeinsamen Haltepunkt bei der eutektischen Temperatur TE und einen Knickpunkt zu Beginn der Erstarrung. Daraus kann das Zustandsdiagramm gezeichnet werden. 1 1

2

3

4

5

6

2

3

4

5

6

7

Schmelze Temeratur

A´ Sc + h - K me ris lze + ta lle

+

C

+ - Kristalle +

Zeit

Bild 2.20

7

B´ +

+ Schmelze - Kristalle +

+ - Kristalle

A

B

Abkühlungskurven und daraus abgeleitetes Zustandsschaubild bei Nichtmischbarkeit im festen Zustand [ 33 ]

Die Linien des Erstarrungsbeginns werden als Liquiduslinien, die der beendeten Erstarrung als Soliduslinien bezeichnet. In Einstoffsystemen fallen diese beiden Linien/Punkte zusammen, in Zweistoffsystemen nicht. Zwischen diesen beiden Linien liegen sowohl Schmelze als auch Kristalle vor. 111

Aus Legierungen, die reich an A sind, scheiden sich bei der Abkühlung, sobald die Liquiduslinie erreicht ist, zuerst Kristalle von reinem A aus. Hierdurch erhöht sich der Gehalt der Schmelze an B. Bei weiterer Temperaturerniedrigung erreicht die Restschmelze den Punkt C, ab dem A-Kristalle und B-Kristalle in mehr oder weniger feinem Gemenge, dem sogenannten Eutektikum, erstarren. Dieses System nennt man eutektisches System. Sind die Komponenten A und B begrenzt mischbar, so erhält man ein Diagramm, wie in Bild 2.21 gezeigt. Bei einer geringen Konzentration an B liegen nur -MK vor, bei einer geringen Konzentration an A nur -MK. Im Bereich dazwischen (Gebiet F D E G) liegen sowohl -MK als auch -MK vor, man bezeichnet dieses Gebiet auch als Mischungslücke.





D

E

- Mischkristalle

h is c m e hk lze r is + ta lle

Sc

C

M

- Mischkristalle

e+ elz talle hm ris Sc schk Mi

Temperatur

Schmelze

- Mischkristalle + - Mischkristalle F A Bild 2.21

G B

Schaubild mit Eutektikum [ 33 ] [ 60 ]

Der Punkt C ist der eutektische Punkt (eutektische Zusammensetzung cE, eutektische Temperatur TE). Hier findet bei der Abkühlung folgende Reaktion statt Schmelze  -MK + -MK . 2.3.2

Vollständige Löslichkeit im festen Zustand

In diesem Fall sind die Komponenten A und B im festen Zustand vollständig löslich. Sie bilden im gesamten Konzentrationsbereich nur einen einzigen Mischkristall. Zwischen der Soliduslinie und der Liquiduslinie liegen gleichzeitig Mischkristalle und Flüssigkeit vor. Die Zusammensetzung von Schmelze und MK ist dabei üblicherweise verschieden und kann ebenfalls dem Zustandsschaubild entnommen werden (Bild 2.22).

112



Schmelze

+

Sc

hm elz e

+

+ +

E

+

Mi sc

E

+

E

hk ris

+

tal

le

+ E +

Mischkristalle

B´ X

A Bild 2.22

B

Abkühlungskurven und daraus abgeleitetes Zustandsschaubild bei vollständiger Mischbarkeit im festen Zustand [ 14 ]

Beispiel: Die Zusammensetzung sei c0, die Temperatur To (Bild 2.23). Man zeichnet nun eine Waagerechte bis zu den Grenzlinien des Phasengebietes (Konode). Die Schnittpunkte geben dann die Konzentration für die Mischkristalle (c1 und c3) und für die Schmelze (c2) an. Bei weiterem Abkühlen der Schmelze reichert diese sich immer mehr an B an, bis am Schmelzpunkt von B auch der Rest kristallisiert. T

Schmelze MK + S

T0

chme l

ze

X

MK A

Bild 2.23

C1

C2

C3

B

Beispiel für vollständige Mischbarkeit [ 16 ]

113

2.3.3

Peritektisches System

Am peritektischen Punkt (E) reagiert die Restschmelze mit der bereits ausgeschiedenen Phase (-MK) zu einer neuen Phase (-MK). Bild 2.24 zeigt ein Schaubild mit Peritektikum. Schmelze + -MK  -MK

- Mischkristalle

Temperatur

A´ Sch Mis melze chk + rist alle -

D

Schmelze C

E

- Mischkristalle

-M isc hk ri s ta lle

+ - Mischkristalle

F

G

A Bild 2.24 2.3.4



B

Schaubild mit Peritektikum [ 16 ]

Eutektoides System

Die bisher dargestellten Zustandsschaubilder zeigen Reaktionen bei der Abkühlung aus der Schmelze. Es gibt aber auch Reaktionen, bei denen nur feste Zustände beteiligt sind. Das eutektoide System sieht eigentlich genauso aus wie das eutektische System, nur dass hier nicht die Schmelze zu zwei festen Phasen reagiert, sondern eine feste Phase zu zwei neuen Phasen. Am eutektoiden Punkt (E) (eutektoide Zusammensetzung cE, eutektoide Temperatur TE) findet also die Reaktion -MK  -MK + -MK

statt. Dabei stellen -MK, -MK, -MK drei unterschiedliche feste Phasen dar (Bild 2.25).

114

A´ Sch melz e+

C

Schmelze Misc hkris talle

B´ Temperatur

Mischkristalle Mischkristalle + Kristalle

D

E

Mischkristalle + Kristalle

Mischkristalle + Mischkristalle

B

A

Bild 2.25 2.3.5

Zustandsschaubild bei Umwandlungen im festen Zustand [ 16 ]

Ausscheidungen

Im Falle der begrenzten Mischbarkeit nimmt die Löslichkeit der Komponente B im -MK mit der Temperatur zu. Oberhalb der Ausscheidungstemperatur liegen also nur -MK vor, bei der Abkühlung werden dann noch -MK ausgeschieden, wobei die B-Konzentration im -MK abnimmt (Bild 2.26).

T

S

T0

- MK x

- Kristalle +

- Kristalle

x

A Bild 2.26

C0

Begrenzte Mischbarkeit und Ausscheidungen [ 16 ]

mit der Reaktion

-MK  -MK + -MK.

Häufig sehen Zustandsschaubilder auf den ersten Blick sehr kompliziert aus. Sie lassen sich aber immer in kleine einfache Bilder zerlegen, wie z. B. die intermetallischen Verbindungen gezeigt haben. 115

2.3.6

Intermetallische Verbindungen

In metallischen Zweistoffsystemen können auch ganz neue Kristallarten An Bm entstehen. Man nennt sie intermetallische Verbindungen. Sie können nur gebildet werden, wenn sowohl A als auch B vorhanden sind. Das zugehörige Zustandsschaubild (Bild 2.27) kann man sich zusammengesetzt vorstellen aus den Zustandsschaubildern A - AmBn und AmBn - B. Schmelze Temperatur

Schmelze + AmBn - Kristalle

C Schmelze + B - Kristalle

Schmelze + A - Kristalle





E

D A + Kristalle

Am

A

Bild 2.27 2.3.7

AmBnKristalle Bn

B

Zustandsschaubild beim Auftreten einer intermetallischen Verbindung [ 16 ]

Hebelgesetz

Man kann einem Zustandsschaubild nicht nur entnehmen, welche Phasen bei vorgegebener Zusammensetzung co und Temperatur To vorliegen, sondern auch in welchen Konzentrationen und Anteilen diese Phasen vorliegen (Bild 2.28). T

S

- MK + - MK T0

AA

Bild 2.28

C0

B

Zustandsschaubild mit Phasen und Konzentrationen in Abhängigkeit von der Temperatur [ 60 ]

116

Man zeichnet vom Punkt co / To eine Waagerechte bis zu den Grenzlinien des Phasengebietes (= Konode). Die Schnittpunkte geben dann die Konzentration für die α-MK c und für die ß-MK cß an. Die Mengenanteile werden durch das Hebelgesetz anschaulich angegeben: mα

x (c - cα)

= mß x (cß - c)

mit

= Mengenanteil der α-Phase mα = Mengenanteil der ß-Phase mß „Hebelarm“ für „Last“ mß cß - c = „Hebelarm“ für „Last“ mα c - cα = co näher am α-Gebiet → es sind mehr α-MK vorhanden. Ändert sich die Legierungszusammensetzung c, so ändern sich nur die Mengenanteile der Phasen, nicht die Zusammensetzungen c und c! Ein Zustandsschaubild gibt im Allgemeinen den Zustand im Gleichgewicht an, das z. B. bei schnellem Abschrecken gar nicht erreicht wird. Manchmal ist es schwierig, das Gleichgewicht einzustellen. Außerdem können zwar die Anteile der Phasen abgelesen werden, nicht aber, wie sie verteilt sind, d. h. wie das Gefüge aussieht (große oder kleine Körner, grobe oder feine Verteilung der Phasen). 2.4

Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm [ 4 ], [ 11 ], [ 19 ], [ 33 ], [ 60 ]

Die Grundlage aller Stähle und von Gusseisen ist das System Eisen-Kohlenstoff (Fe-C). Dabei kann der Kohlenstoff als Graphit (elementares C) oder als Zementit Fe3C (metastabil) vorkommen. Bei langsamer Abkühlung bildet sich bevorzugt Graphit, bei beschleunigter Wärmeableitung Zementit. In kohlenstoffärmeren Legierungen ist die Neigung zur Bildung von Graphit sehr gering. Der Aufbau der Stähle ist in erster Linie von dem metastabilen Gleichgewicht Eisen-Zementit bestimmt. Dieser Teil des Zustandsschaubildes ist in Bild 2.29 dargestellt (im Folgenden sind alle Konzentrationen in Gewichtsprozenten angegeben).

Bild 2.29

Zustandsschaubild System Eisen-Kohlenstoff [ 4 ] 117

2.4.1

Das Teildiagramm Eisen-Zementit

Beim reinen Eisen treten während der Erwärmung und Abkühlung im festen Zustand mehrere Phasenumwandlungen auf. Es wurde eingeführt, die den Umwandlungen entsprechenden Haltepunkte der Temperatur-Zeit-Kurven mit A zu bezeichnen und durch Zahlenindizes zu unterscheiden. Auf Abkühlungskurven findet man die Haltepunkte im Allgemeinen bei tieferer Temperatur als auf Erhitzungskurven. Abkühlungskurven: Ar 2.4.1.1

(r = refroidissement), Erhitzungskurven:

Ac

(c = chauffage).

Umwandlungstemperaturen

In Tabelle 2.1 sind einige wichtige Umwandlungstemperaturen zusammengestellt. Temperatur in C

Charakteristische Umwandlung

1536

Erstarrungstemperatur (Schmelztemperatur)

1392

A4-Punkt

911

A3-Punkt

769

A2-Punkt: magnet. Umwandlung (bei hoher Temp. ist Fe unmagnetisch)

723

A1-Punkt: eutektoide Umwandlung (Perlitpunkt)

Tabelle 2.1

Umwandlungstemperaturen im System Eisen-Kohlenstoff [ 4 ]

Die in den verschiedenen Temperaturbereichen beständigen Kristallarten werden mit griechischen Buchstaben bezeichnet. 2.4.1.2

Phasen bei reinem Eisen

In Tabelle 2.2 sind bei reinem Eisen auftretende Phasen aufgeführt. Umwandlungspunkt

Phase

zwischen A4 und Schmelzpunkt -Eisen (kubisch-raumzentriert); auch -Ferrit genannt zwischen A3 und A4

-Eisen (kubisch-flächenzentriert); auch Austenit genannt

unterhalb A3

-Eisen (kubisch-raumzentriert); auch Ferrit genannt

Tabelle 2.2

Umwandlungstemperaturen im System Eisen-Kohlenstoff

Eine weitere Phase des Eisen-Kohlenstoff-Systems ist Zementit Fe3C (metastabil) mit komplizierter orthorhombischer Struktur als härtesten Bestandteil des Stahlgefüges (Härte etwa zehnmal größer als Eisen). Sind zusätzliche Legierungselemente vorhanden, können auch zusätzliche Karbide auftreten. 118

2.4.1.3

Erläuterungen zum Eisen-Kohlenstoff-Diagramm [ 4 ], [ 44 ]

Das im ersten Augenblick recht kompliziert erscheinende Fe-C-Diagramm kann in drei einfache, bereits bekannte Schaubilder aufgeteilt werden: Punkt I:

Peritektisches System -MK + Schmelze



-MK (Austenit)

T = 1493 C

Punkt C: Eutektisches System Schmelze



-MK (Austenit)

+

Fe3C (Zementit)

T = 1147 C

-MK (Ferrit)

+

Fe3C (Zementit)

T = 723 C

Punkt S: Eutektoides System -MK (Austenit)



Man kann sich das Fe-C-System auch merken als „zwei liegende K´s“. Aus Schmelzen mit weniger als 4,3 %C (untereutektisch) scheiden sich primär -MK aus, aus Schmelzen mit mehr als 4,3 %C (übereutektisch) Zementit (Primärzementit). Bei der Abkühlung nähert sich die Zusammensetzung der Restschmelze in beiden Fällen der Konzentration des Punktes C mit 4,3 %C. Wenn die Temperatur auf 1147 C abgefallen ist, erstarrt die Restschmelze zu einem Eutektikum aus Zementit (6,67 %C) und gesättigten -MK (2,06% C). Dieses Gefüge wird mit Ledeburit bezeichnet (Bild 2.30). a) [ 60 ]

b) [ 4 ]

Bild 2.30 Charakteristische Gefüge der Fe-C-Legierungen, metastabiles System von a) eutektisches Eisen, Ledeburit mit 4,3 %C (Ferrit: hell; Zementit: dunkel), b) übereutektisches Eisen mit 5 %C (helle Streife: Primär-Zementit in Ledeburit) Enthält die ursprüngliche Schmelze weniger als 2,06 %C, so tritt neben den -MK kein Eutektikum auf. Bei Legierungen mit weniger als 0,51 %C scheiden sich zunächst -MK aus, die dann mit der Restschmelze peritektisch zu -MK reagieren, bei C-Gehalten zwischen 0,51 % und 2,06 % scheiden sich sofort -MK (Austenit) aus der Schmelze aus. Bei tieferen Temperaturen zerfällt der Austenit eutektoid in Ferrit und Zementit. 119

Liegt der C-Gehalt der Legierung unterhalb S = 0,80 %C, so scheidet sich aus dem Austenit mit sinkender Temperatur zunächst Ferrrit mit sehr geringem C-Gehalt aus (Linie G - P), während sich der restliche Austenit entsprechend der Kurve G - S an Kohlenstoff anreichert. Aus kohlenstoffreichem Austenit (über 0,80 %C = übereutektoid) scheidet sich bei Abkühlung Zementit (Sekundärzementit) aus, wodurch der Kohlenstoffgehalt des Austenits entsprechend E - S abnimmt. Ist die Temperatur 723 C (Punkt C) erreicht, so zerfällt der restliche Austenit in beiden Fällen zu einem Eutektoid aus Ferrit und Zementit. Aus dem Ferrit scheidet sich bei weiterer Abkühlung unter 723 C Tertiärzementit entsprechend der Löslichkeitslinie P - Q aus. Das Eutektoid aus Ferrit und Zementit wird wegen seines perlmuttartigen Glanzes des angeätzten Schliffes Perlit genannt. Untereutektoide Legierungen mit weniger als 0,8 %C enthalten Ferrit und Perlit, die eutektoide Legierung mit 0,8 %C nur Perlit und übereutektoide Legierungen mit mehr als 0,8 %C (aber weniger als 2,06 %) enthalten Perlit und Sekundärzementit, der sich auf den Kongrenzen des Austenits oder im Korninnern als Platten ausscheidet (Bild 2.31) [ 4 ] .

Bild 2.31

a)

b)

c)

d)

Gefügebilder von a) unterperlitischem Stahl mit 0,15 %C (Ferrit: hell; Perlit: dunkel), b) perlitischem Stahl mit 0,8 %C (Ferrit: hell; Zementit: dunkel), c) überperlitischem Stahl mit 1,4 %C (Sekundär-Zementit: hell; Perlit: dunkel), d) untereutektischem Eisen mit 2,8 %C (Ledeburit: gesprenkelt; Perlit: dunkel).

120

Eine Übersicht über die Gefüge im System Eisen-Zementit gibt Bild 2.32 [ 19 ] .

Bild 2.32 2.4.2

Eisen-Kohlenstoff-Diagramm, metastabiles System mit Gefügeausbildung

Das System Eisen-Graphit

Die stabilen Gleichgewichtszustände Eisen-Graphit (Bild 2.33) stellen sich träger ein als die weniger stabilen des Systems Eisen-Zementit. Daher liegt üblicherweise Eisen-Zementit vor, obwohl es weniger stabil ist. 121

Bild 2.33

Zustandsschaubild im System Eisen-Graphit [ 4 ]

Zustände des Eisen-Graphit-Systems stellen sich entweder bei sehr hohen C-Gehalten ein oder aber in Gegenwart bestimmter Elemente, besonders Silizium. Die Umwandlungsvorgänge im System Eisen-Graphit erfolgen ähnlich wie die im System Eisen-Zementit. Untereutektische Legierungen mit weniger als 4,25 %C beginnen mit der Ausscheidung von - bzw. -MK. Die Restschmelze C´mit 4,25 %C erstarrt bei 1153 C zu einem aus Graphit und gesättigten -MK mit 2,03 %C bestehenden Eutektikum. Aus übereutektischen Legierungen mit mehr als 4,25 %C scheidet sich primär Graphit aus (dunkel eingefärbt), ehe die Restschmelze zum Eutektikum reagiert (Bilder 2.34 bis 2.36).

Bild 2.34

Gefüge einer untereutektischen Eisen-Kohlenstoff-Legierung [ 55 ]

122

Bild 2.35

Gefüge einer eutektischen Eisen-Kohlenstoff-Legierung [ 55 ]

Bild 2.36

Gefüge einer übereutektischen Eisen-Kohlenstoff-Legierung [ 55 ]

Zu beachten ist, dass die Phasengrenzen der Schaubilder Eisen-Zementit und Eisen-Graphit (Bild 2.37) nicht völlig identisch verlaufen. Das Eutektoid aus Ferrit und Graphit bildet sich bei einer Konzentration von 0,69 %C. Da der Graphit aus reinem Kohlenstoff besteht, stellt er mengenmäßig weniger als 1 Massen-% des Eutektoids dar! Die eutektoide Temperatur liegt hierfür bei 738 C. Der geschilderte Ablauf gilt, wie erwähnt, nur für den Fall der völligen Einstellung des Gleichgewichts. Das Eisen-Graphit-Gleichgewicht wird aber praktisch nicht erreicht. Im Allgemeinen scheidet sich nur der über ca. 0,8 %C liegende Anteil des Kohlenstoffs bei der Erstarrung als Graphit aus, während der übrige Anteil nach dem Eisen-Zementit-System kristallisiert. Das bedeutet, dass der Austenit beinahe immer nach dem metastabilen Zementitsystem umwandelt. Das Gefüge derartig umgewandelter Eisen-Kohlenstoff-Legierungen besteht daher bei Raumtemperatur aus Graphit und einer ferritisch-perlitischen oder einer rein perlitischen Grundmasse (Bilder 2.38 und 2.39). Nur nach besonders langem Glühen, vor allem bei Eisen-Kohlenstoff-Legierungen mit hohem Siliziumgehalt, kann das Gefüge aus Ferrit und Graphit bestehen. Je nach den Entstehungsbedingungen, die auch durch metallurgische Maßnahmen zu beeinflussen sind, kann der Graphit Formen annehmen, die von den üblichen blattförmigen (lamellaren) über zerklüftete Formen bis zu kugeligen Teilchen reichen.

123

Bild 2.37

Das Doppelzustandsschaubild Eisen-Kohlenstoff [ 4 ]

Bild 2.38

Graphitlamellen in einer ferritisch-perlitischen Grundmasse [ 4 ]

Bild 2.39

Graphitlamellen in einer perlitischen Grundmasse [ 4 ] 124

2.5

ZTU- und ZTA-Schaubilder [ 19 ], [ 38 ], [ 55 ]

2.5.1

ZTU-Schaubilder

ZTU-Schaubilder sind Zeit-Temperatur-Umwandlungsdiagramme und ZTA-Schaubilder ZeitTemperatur-Austenitisierungsdiagramme, wobei das ZTA-Schaubild das für die entgegengesetzte Richtung der Temperaturänderung dem ZTU-Diagramm analoge Schaubild darstellt. Die bisher beschriebenen Phasenumwandlungen stellen die Bedingungen im Gleichgewicht dar. Diese stellen sich nur bei sehr langsamer Abkühlung ein. Durch erhöhte Abkühlungsgeschwindigkeit werden die Umwandlungen zu tieferer Temperatur verschoben. Häufig stellen sich diese Gleichgewichte sogar nur teilweise oder überhaupt nicht ein. Stattdessen bilden sich metastabile Zwischenzustände, die nur bei niedrigen Temperaturen eine mehr oder weniger große Beständigkeit haben. 2.5.1.1

Die Bildung von Perlit, Bainit und Martensit

Bei der Umwandlung des Austenits kann es je nach Abkühlungsverlauf zu sehr unterschiedlichen Gefügeausbildungen kommen. Man unterscheidet zwischen Umwandlungen in der  Perlitstufe (schließt das Gleichgewicht mit ein)  Bainitstufe (früher Zwischenstufe genannt)  Martensitstufe.

In den Abkühlungskurven macht sich der Einfluss der Abkühlungsgeschwindigkeit dadurch bemerkbar, dass der Ar3-Punkt (Ausscheidung von Ferrit) und der Ar1-Punkt (eutektoider Punkt, Perlitbildung) zu tieferen Temperaturen verschoben werden. Der Abstand zwischen ihnen wird dabei immer geringer, bis sie schließlich zusammenfallen (Bild 2.40).

Bild 2.40

Verschiebung der /-Umwandlung eines untereutektoiden Stahles mit steigender Abkühlungsgeschwindigkeit [ 4 ]

125

Bei weiterer Steigerung der Abkühlungsgeschwindigkeit wird schließlich die Bildung des Perlits zunächst teilweise und dann vollständig unterdrückt. Der unterkühlte Austenit wandelt sich erst bei tieferen Temperaturen in Bainit und in Martensit um. Der Beginn dieser Umwandlungen wird mit Bs (Beginn der Bainitumwandlung) bzw. Ms (Beginn der Martensitumwandlung, Martensitpunkt) bezeichnet. Mit zunehmender Abkühlungsgeschwindigkeit wird der BsPunkt zu tieferen Temperaturen verschoben, der Ms-Punkt ist unabhängig von der Abkühlungsgeschwindigkeit. Als Beispiel seien die Gefüge dargestellt, die sich bei einer untereutektoiden Legierung mit 0,45 %C einstellen. Bei geringer Unterkühlung bildet sich ein Gefüge mit annähernd gleichen Teilen Ferrit und Perlit (Bild 2.41).

Bild 2.41

Umwandlung in der Perlitstufe [ 60 ]

Bei der Umwandlung dieser Legierung in der Bainitstufe entsteht ein nadeliges, als Bainit oder auch als Widmannstättisches bezeichnetes Gefüge (Bild 2.42).

Bild 2.42

Umwandlung in der Bainitstufe [ 60 ]

Bei Unterkühlung auf noch tiefere Temperaturen bildet sich das nadelige Härtungsgefüge Martensit (Bild 2.43).

Bild 2.43

Umwandlung in der Martensitstufe [ 60 ] 126

Während einer kontinuierlichen Abkühlung kann der Fall eintreten, dass die Umwandlung in einzelne Phasen zwar beginnt, aber nicht bis zum Ende abläuft. Dann entsteht ein Mischgefüge aus rundlichen Flecken von dichtstreifigem Perlit, dunkel angeätzten Nadeln aus Bainit und einer hellen nadeligen Grundmasse von Martensit (Bild 2.44).

Bild 2.44

Umwandlung bei kontinuierlicher Abkühlung im Bereich der kritischen Abkühlungsgeschwindigkeit [ 60 ]

Hinsichtlich der Gefügeausbildung müssen unterschieden werden: Perlitbildung In der Perlitstufe entsteht durch die Umwandlung des Austenits ein kristallines Gemenge aus Ferrit- und Zementitanteilen. Die Keimbildung und das Wachstum der Kristalle erfolgt über die Diffusion des Kohlenstoffs, des Eisens und der Legierungselemente. Je größer die Abkühlgeschwindigkeit, desto langsamer erfolgt die Diffusion, d. h. der zurückgelegte Weg der Atome wird kleiner, die Lamellenbreite nimmt ab. Es entsteht dann fein- oder feinststreifiger Perlit (Sorbit und Troostit). Bainitbildung Der Bainit bildet sich zwischen der Perlit- und der Martensitstufe. Die Eisendiffusion ist bei diesen tiefen Temperaturen nicht mehr möglich, sondern nur noch die Kohlenstoffdiffusion. Diese führt einerseits zu Anreicherungen in Richtung auf die Zementitbildung, andererseits zu stellenweisen Verarmungen, wo sich dann Ferrit durch einen Umklappmechanismus bilden kann, ähnlich wie beim Martensit. Zur Bildung von Umklappkeimen braucht sich der Austenit umso weniger zu entmischen, je tiefer die Temperatur ist. Martensitbildung Mit Erreichen der Martensittemperatur wird die Diffusion sowohl von Eisen als auch von Kohlenstoff unterdrückt, so dass ein diffusionsloses Umklappen des Gitters möglich ist. Durch das Umklappen des kubisch-raumzentrierten Austenitgitters wird das Gitter tetragonal verzerrt und aufgeweitet, der Kohlenstoff ist darin zwangsgelöst (Bild 2.45). Die zwangsweise erzeugte Verspannung des kubischen Gitters zu dem tetragonalen Gitter verursacht die Härte des Martensits, die ein Vielfaches größer ist als die des Ferrits. Daher wird dieses Gefüge auch Härtungsgefüge, der Vorgang der Martensitbildung auch als Härten bezeichnet.

127

Bild 2.45

Verspannung des kubisch-raumzentrierten Gittersystems durch tetragonales Würfelgitter [ 60 ]

Eine vollständige und klare Darstellung des Umwandlungsverhaltens eines Stahles kann man aus einem ZTU- Diagramm ablesen. In diesen Diagrammen ist auf der x-Achse die Zeit logarithmisch aufgetragen, auf der y-Achse die Temperatur (linear). In diesen Diagrammen sind C-förmige Kurven gleichen Umwandlungsgrades eingetragen, z. B. W = 5 % und W = 95 % als Markierung von „Beginn“ und „Ende“ einer Umwandlung (Bild 2.46).

Bild 2.46

ZTU-Umwandlungsschaubild für isotherme Umwandlung eines Stahles Mit 0,42 %C, 1,5 %Cr, 0,1 %V nach Austenitisierung bei 1050 oC [ 60 ]

In den Umwandlungsschaubildern prägen sich im Allgemeinen die drei Umwandlungsbereiche der Perlit-, Bainit- und Martensitstufe aus, die durch zwei Bereiche größerer Umwandlungsträgheit getrennt sein können. Der Austenit beginnt erst nach einer gewissen sogenannten Anlaufzeit umzuwandeln. Sie ist je nach Umwandlungstemperatur verschieden. Es treten sogar Umwandlungmaxima auf, die dadurch zu erklären sind, dass der Austenit mit sinkender Temperatur instabiler wird, die Diffusion aber abnimmt. Es entstehen so die typischen „Nasen“, welche die Temperatur maximaler Umwandlungsrate kennzeichnen. 128

Ein ZTU-Diagramm muss für jede Stahlmarke einzeln erstellt werden, da auch die Umwandlung und damit die Gefügeausbildungen je nach Kohlenstoff- und Legierungsgehalt verschieden sind. Man unterscheidet ZTU-Diagramme für isotherme Umwandlung und ZTUDiagramme für kontinuierliche Abkühlung. Die Lesart bzw. die Interpretationsweise ist bei diesen beiden Diagrammen völlig verschieden:  Das isotherme Diagramm wird immer waagerecht, d. h. bei konstanter (isothermer) Temperatur gelesen.  Das kontinuierliche Diagramm wird immer entlang einer Abkühlungskurve gelesen. 2.5.1.2

ZTU-Schaubilder für isotherme Umwandlungsvorgänge [ 4 ], [ 60 ]

Der Ablauf der isothermen Umwandlungen soll am Beispiel des Stahls 42 MnV 7 (Bild 2.47) im Einzelnen erläutert werden.

Bild 2.47

Isothermes ZTU-Schaubild des Stahls 42 MnV 7 [ 4 ], [ 60 ]

Im isothermen ZTU-Schaubild dieses Stahls treten zwei Umwandlungshöchstwerte bzw. Temperaturen mit kürzesten Anlaufzeiten auf, eine im Bereich der Perlitbildung bei 600 C, eine zweite in der Bainitstufe bei 475 C. Für den Perlit beträgt die Anlaufzeit bei 600 C etwa 8 s. Die Zeit für vollständige Umwandlung beträgt bei dieser Temperatur 170 s. Für den Bainit beträgt die Anlaufzeit bei 475 C nur 1 s. Die Zeit für vollständige Umwandlung beträgt bei 400 C 220 s. 129

Perlitbereich und Bainitbereich sind in bezug auf das Umwandlungsende durch einen Höchstwert der Zeit bei 470 C voneinander getrennt. Die Trennung der beiden Umwandlungsbereiche ist hier jedoch kaum durch einen Höchstwert der Anlaufzeit erkennbar. Im Bereich der Perlitstufe geht der Perlitbildung (P) eine Ferritbildung (F) voraus. Die Linie des Ferrit-Umwandlungsbeginns muss sich der Ac3-Linie nähern, die Linien des PerlitUmwandlungsbeginns und -endes der Ac1-Linie. Eine Probe dieses Stahls, die von Austenitisierungstemperatur auf 600 C abgeschreckt und bei dieser Temperatur gehalten wird, beginnt nach 8 s Ferrit zu bilden. Nach 20 s setzt die Perlitbildung ein. Nach beendeter Umwandlung besteht das Gefüge zu 15 % aus Ferrit und zu 85 % aus Perlit. Eine andere Probe dieses Stahls, die von Austenitisierungstemperatur auf 265 C abgeschreckt wird, beginnt nach Erreichen des Martensitpunktes bei 310 C mit der Martensitbildung. Bei 265 C sind bereits 50 % des Austenits in Martensit umgewandelt. Beim Halten auf 265 C beginnt nach etwa 60 s die Umwandlung des restlichen Austenits in Bainit. 2.5.1.3

ZTU-Schaubilder für kontinuierliche Umwandlungsvorgänge [ 4 ], [ 60 ]

Die Aussagen, die ein kontinuierliches ZTU-Schaubild ermöglichen, sollen wieder am Beispiel des Stahls 42 MnV 7 (Bild 2.48) besprochen werden.

Bild 2.48

ZTU-Schaubild für kontinuierliche Abkühlung des Stahls 42 MnV 7 [ 4 ] 130

Es lassen sich auch hier drei Bereiche unterscheiden: der Bereich der Ferrit- und Perlitbildung (gleichgewichtsähnlich) bei den langsamsten Abkühlungsvorgängen, der Bereich der Martensitbildung bei den höchsten Abkühlungsgeschwindigkeiten und die Bainitstufe, die sowohl hinsichtlich der Geschwindigkeit als auch hinsichtlich der Temperatur zwischen diesen beiden Bereichen liegt. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass alle Aussagen aus dem kontinuierlichen ZTU-Schaubild nur entlang der eingezeichneten Abkühlungskurven zu lesen sind. Der langsamste Abkühlungsvorgang, der im Bild dargestellt ist, führt nach 2  104 s bei 700 C zur Ferritbildung. Bis zum Beginn der Perlitbildung nach weiteren 1  104 s bei etwa 660 C werden 20 % Ferrit gebildet. Die Perlitbildung wird vollständig bei 4  104 s und 640 C. Das Gefüge hat dann eine Härte von 220 HV. Mit zunehmender Abkühlungsgeschwindigkeit (Kurven mit den Härtewerten 22 und 24 HRC) sinken diese Temperaturen gleichmäßig, gleichzeitig nehmen die Ferritmengen ab und die Perlitmengen zunächst zu. Der Abkühlungsvorgang mit dem Härtewert 28 HRC zeigt, dass nach 80 s und bei 675 C die Ferritbildung und nach etwa 150 s und 610 C die Perlitbildung einsetzt. Die Perlitbildung läuft nicht mehr vollständig ab, sondern wird, nachdem etwa 60 % Perlit entstanden und inzwischen 510 C erreicht sind, durch Bainitumwandlung abgelöst. Mit sinkender Temperatur entstehen bis zum Erreichen des Martensitpunktes nach 800 s etwa 20 % Bainit. Die Umwandlung ist damit noch nicht vollständig geworden. Die restliche Austenitmenge von 10 % ist, wie der erniedrigte Ms-Punkt von 245 C anzeigt, an Kohlenstoff angereichert. Sie wandelt sich mit weiter sinkender Temperatur in Martensit um. Das Gefüge besteht also aus 10 % Ferrit, 60 % Perlit, 20 % Bainit und 10 % Martensit und hat eine Härte von 28 HRC. Bei kontinuierlichen Abkühlungsvorgängen, die schneller als in 30 s auf 600 C abkühlen, tritt keine Ferrit- und Perlitbildung mehr auf, sondern lediglich unterhalb 550 C Bainit mit nachfolgender Martensitbildung; die Härte steigt auf über 34 HRC an. Kontinuierliche Abkühlungen, die die Temperatur von 400 C schneller als in 8 s erreichen, sind überkritisch und führen zu rein martensitischen Gefügen mit Härtewerten von über 60 HRC. 2.5.1.4

Einfluss der Legierungselemente auf das Umwandlungsverhalten

Der Einfluss des Kohlenstoffs als wesentlichstes Legierungelement der Stähle wird am deutlichsten in der Ausbildung des Ferritbereiches. Im isothermen ZTU-Schaubild zeigen reine Kohlenstoffstähle bis 0,4 %C und niedrig bis mittel legierte Stähle die Ferritbildung im Allgemeinen als erste Reaktion im Bereich der Perlitstufe. Bei reinen Kohlenstoffstählen unterschreiten die Anlaufzeiten dieser Ferritbildung im Temperaturbereich des Umwandlungmaximums die messtechnisch erfassbare Grenze von 1 s. Diese schnelle Ferritbildung lässt sich auch bei Stählen mit hohen Legierungsgehalten nur verhältnismäßig geringfügig verschieben, vorausgesetzt, dass der Kohlenstoffgehalt niedrig ist. So liegt bei dem Stahl 28 NiCrMo 7.4 der Ferritbeginn schon bei 120 s, während die Perlitumwandlung erst nach 14000 s vollständig abgelaufen ist. Bei Kohlenstoffgehalten von mehr als 0,4 % tritt die voreutektoide Ferritbildung nur oberhalb des Umwandlungsmaximums auf, während unterhalb nur perlitische Strukturen gefunden werden. Die Perlitbildung wird mit zunehmendem Kohlenstoffgehalt bis etwa 0,6 %C in ihrem Anfang und Ende zu längeren Zeiten verschoben. Bei höheren Kohlenstoffgehalten scheinen die Anlaufzeiten durch die Vorausscheidung von Zementit wieder abzunehmen. Bei übereutektoiden Stählen leitet also eine voreutektoide Zementitausscheidung den Zerfallsvorgang des Austenits ein. Diese Zementitvorausscheidung kann z. B. bei einem Stahl mit 2 % Man131

gan und 1,2 % Kohlenstoff über den Bereich der Perlitbildung hinausgehen, bis weit in den Temperaturbereich, der dem Bainit zugeordnet wird. Bei reinen Kohlenstoffstählen und bei Nickelstählen zeigt das Umwandlungsschaubild keine Trennung in zwei Umwandlungsbereiche. Die Bainitumwandlung lässt sich nur durch Gefügeuntersuchungen feststellen: sie reicht hinauf bis in das Umwandlungmaximum bei 550 C und kann bei den Nickelstählen sogar bis 600 C festgestellt werden. Das Auftreten von reaktionsträgen Zonen zwischen der Perlit- und der Bainitstufe wird deutlich bei Stählen mit sonderkarbidbildenden Legierungselementen wie Chrom, Molybdän, Vanadin, Wolfram. Diese verschieben die Perlitbildung zu höheren Temperaturen. So kann das Maximum der Perlitbildung von 500 C bei reinen Kohlenstoffstählen und bei nickellegierten Stählen auf etwa 700 C bei Stählen mit sonderkarbidbildenden Legierungselementen verschoben sein. Gleichzeitig wird das Maximum der Zwischenstufenbildung von etwa 500 C auf 400 C erniedrigt. Auf diese Weise rücken die beiden Umwandlungbereiche mit steigender Affinität der Legierungselemente zum Kohlenstoff und mit zunehmender Konzentration auseinander. Bei der Umwandlungstemperatur von 500 C entsteht ein umwandlungsträger Bereich, der schließlich zur vollständigen Trennung beider Umwandlungsgebiete führen kann. In den angrenzenden Temperaturbereichen der Perlit- und Bainitstufe wird die Umwandlung nicht mehr vollständig. Die Vergrößerung der Anlaufzeiten bis zum Beginn der Umwandlung durch die verschiedenen Legierungselemente kennzeichnet ihren Einfluss auf die Härtbarkeit. Die stärkste Wirkung übt in dieser Richtung das Mangan aus. Die Lage des Martensitpunktes hängt in erster Linie vom Kohlenstoffgehalt ab. Seine Temperatur wird durch die meisten Legierungselemente erniedrigt. Diese Einflüsse sind sinngemäß auch bei den kontinuierlichen ZTU-Schaubildern festzustellen. Jedoch bleibt ganz allgemein durch die Art der Versuchsführung die Verschiebung und Trennung der einzelnen Umwandlungsbereiche undeutlicher. 2.5.1.5

Einfluss der Austenitisierungstemperatur [ 4 ], [ 60 ]

Es ist bekannt, dass mit steigender Härtetemperatur die Härtbarkeit zunimmt. In der Darstellung der ZTU-Schaubilder bewirkt jede Änderung der Austenitisierungstemperatur erhebliche Verschiebungen der Anlauf- und Umwandlungszeiten. Im isothermen Versuch werden mit Überschreiten der Ac3-Temperatur Beginn und Ende der Umwandlung im Perlitbereich zu längeren Zeiten verschoben, während Umwandlungsbeginn und -ende der Bainitbildung nahezu unverändert bleiben. Ähnliches gilt für den Umwandlungsverlauf bei kontinuierlicher Abkühlung. Ein Einfluss auf die Martensittemperatur lässt sich nicht feststellen. Die Ursache für die Verschiebung der Ferrit- und Perlitbildung liegt in der Veränderung der Keimzahl in Abhängigkeit von der Temperatur und der Kornvergrößerung. Die Umwandlung des Bainits scheint von derartigen Keimen weniger beeinflusst zu sein. Er zeigt in dieser Hinsicht deutlich engere Verwandtschaft zum Martensit.

132

2.5.1.6

Grundsätzliche Formen der ZTU-Schaubilder [ 4 ], [ 60 ]

Aus den im letzten Abschnitt beschriebenen Einflüssen der Legierungselemente lassen sich folgende kennzeichnende Formen der istothermen ZTU-Schaubilder ableiten (Bild 2.49). ACcm

Form I

Ac 1e

Schaubilder mit einem Umwandlungsmaximum und stetigen Kurven für Umwandlungsbeginn und -ende. Beispiel: Stahl Ck 45

C

A P

B MS M

Form II

Form III

Form IV

Form V

Bild 2.49

Schaubilder mit beginnender Trennung in zwei Umwandlungsbereiche, die im Umwandlungbeginn gerade erkannt werden kann, im Umwandlungsende dagegen bereits deutlich festzustellen ist. Beispiel: Stahl mit 0,45 %C und 2 %Mn Schaubilder mit deutlicher Einsattelung in den Linien des Umwandlungbeginns und vollständiger Trennung des Umwandlungsendes von Perlitund Bainitbereich. Im Gebiet der Trennung bleiben die Umwandlungen unvollständig. Beispiel: St 50 CrV 4 Schaubilder mit vollständiger Trennung der beiden Umwandlungsbereiche. Im Zwischengebiet findet keine Umwandlung statt. Beispiel: St 28 NiCrMo 7.4 Schaubilder ohne Bainitstufe. Bei hohen Legierungs- und niedrigen C-Gehalten liegt die Martensitbildung bei hohen Temperaturen, die Bainitstufe so weit erniedrigt ist, dass sie von der Martensitstufe überdeckt wird. Beispiel: Stähle  5 %Cr und < 0,2 %C Kennzeichnende Formen isothermischer ZTU-Schaubilder [ 60 ] 133

2.5.2

ZTA-Schaubilder [ 4 ], [ 55 ], [ 60 ]

Von nicht ganz so großer Bedeutung wie die ZTU-Schaubilder sind die Zeit-TemperaturAustenitisierungs-Schaubilder, auch ZTA-Auflösungs-Schaubilder genannt. Hier werden die Umwandlungsvorgänge beim Aufheizen angegeben. Die Austenitisierung wird vor einer bestimmten Wärmebehandlung durchgeführt, um homogenen Austenit als kontrolliertes Ausgangsgefüge zu haben. Es wird auch hier je nach Temperaturführung in kontinuierliche und isotherme ZTA-Schaubilder unterschieden. Ähnlich wie bei ZTU-Schaubildern werden die kontinuierlichen ZTASchaubilder entlang der Aufheizlinien, die Isothermen entlang der Linien konstanter Temperatur gelesen. 2.5.2.1

ZTA-Schaubilder für kontinuierliches Erwärmen

Bild 2.50 zeigt als Beispiel das ZTA-Schaubild für kontinuierliches Erwärmen des Stahls C 100 Cr 6.

Bild 2.50

ZTA-Schaubild für kontinuierliches Erwärmen des Stahls 100 Cr 6 [ 28 ]

Die durchgehenden breiten Linien zeigen jeweils Beginn und Ende einer Umwandlung der verschiedenen Gefügebestandteile an. Beim Erwärmen erfolgt, wie bereits beschrieben, zunächst die Umwandlung des Perlits in Austenit. Das beginnt bei deutlich höheren Temperaturen als aus dem Fe-C-Diagramm zu entnehmen ist. Je rascher erwärmt wird, umso später beginnt die Umwandlung (höhere Temperatur) und umso später ist sie beendet. Anschließend beginnt sich der Ferrit in Austenit umzuwandeln. Daneben sind noch Karbide vorhanden, die sich erst bei Temperaturen oberhalb des schraffierten Bereichs auflösen. Danach liegt dann ein homogener Austenit vor, d. h. der Kohlenstoff ist gleichmäßig verteilt. Ein weiteres Erwärmen hat dann ein Kornwachstum zur Folge. Wird extrem langsam erwärmt, nähert sich der Beginn der Perlitumwandlung der Gleichgewichtstemperatur von 723 C. 134

Das Umwandlungsverhalten wird vom Ausgangszustand und vom Gehalt an Legierungselementen beeinflusst. Besteht das Ausgangsgefüge nicht aus Ferrit und Perlit, sondern aus Ferrit mit eingeformten Karbiden, wird das Umwandlungsverhalten beschleunigt. Legierungselemente verzögern das Umwandlungsverhalten. 2.5.2.2

ZTA-Schaubilder für isothermes Erwärmen

Bild 2.51 gibt als Beispiel ein ZTA-Schaubild für isothermes Erwärmen eines Stahls mit 0,45 %C wieder.

Bild 2.51

ZTA-Schaubild für isotherme Auflösung eines Stahls mit 0,45 %C [ 4 ]

Hier ist der Ablauf der Umwandlung parallel zur Zeitachse abzulesen. Dabei wird angenommen, dass sehr schnell auf eine bestimmte Temperatur erwärmt wurde und diese Temperatur über die Zeit konstant gehalten wird. Das Schaubild selbst sieht ähnlich aus wie das bei kontinuierlichem Erwärmen. Auch beim isothermen Erwärmen beginnt die Umwandlung mit der Auflösung des Perlits und ist so umso rascher beendet, je höher die Temperatur ist. Sie ist nahezu unabhängig vom C-Gehalt des Stahls und dauert umso länger, je größer der Ferritgehalt des Ausgangszustandes ist. Legierungselemente verzögern die Umwandlung.

135

2.6

Wärmebehandlung des Stahls [ 19 ], [ 28 ], [ 29 ], [ 51 ], [ 64 ]

2.6.1

Einrichtungen zum Erwärmen der Werkstücke

Der Erfolg einer Wärmebehandlung hängt weitgehend von der Art der Erwärmung ab. An die Einrichtungen zum Erwärmen müssen daher folgende Mindestanforderungen gestellt werden:  die erreichbare Temperatur soll mindestens 1100 oC betragen,  die Temperatur soll möglichst in kurzer Zeit erreicht werden,  die Temperatur soll leicht regelbar sein,  die erforderliche Temperatur muss in ihrer Höhe ( 10 oC) konstant bleiben,  eine gleichmäßige Erwärmung der Werkstücke muss gewährleistet sein,  an den Werkstücken sollen bei der Erwärmung keine chemischen Veränderungen erfolgen (Entkohlung oder Verzunderung),  das Erwärmen soll wirtschaftlich sein,  die Einrichtungen müssen den Bestimmungen der Unfallverhütungsvorschriften entsprechen und dürfen die Umwelt nicht belasten (Abgase).

Bild 2.52 zeigt ein Beispiel für einen Ofen, der diesen Anforderungen weitgehend gerecht wird.

Bild 2.52

Gasbeheizter Kammerofen mit geschlossenem Glühraum [ 64 ]

Schmiedefeuer, Bunsenbrenner und Schweißbrenner (Bild 2.53) sind zur Erwärmung von Werkstücken weniger gut geeignet und sollen nicht verwendet werden. Sie weisen folgende Nachteile auf:  die Werkstücke werden nur ungleichmäßig erwärmt,  der direkt in das Schmiedefeuer eintretende Gebläsewind führt leicht zur Oxidation und zur Entkohlung des Stahles,  beim Erwärmen mit dem Schweißbrenner werden wesentlich höhere Temperaturen erreicht als zum Härten bzw. zum Glühen notwendig sind.

136

Schmiedefeuer Bild 2.53

Schweißbrenner

Schmiedefeuer und Schweißbrenner sind ungeeignete Einrichtungen zur Wärmebehandlung [ 64 ]

Zum Erwärmen der Werkstücke werden in der Praxis neben anderen Einrichtungen auch Bad- und Kammeröfen verwendet. Bei den Badöfen (Bild 2.54) kommen als Erwärmungsbäder Salzbäder (weniger Bleibäder) zur Anwendung. Die Erwärmung der Salze bzw. Metalle erfolgt von außen in elektrisch-, gas- oder ölbeheizten Wannen oder Tiegeln.

Bild 2.54

Elektrisch beheizter Salzbadofen [ 51 ] a) Salzbad

b) Heizelemente c) Transformator d) Härtegut e) Absaugung

Die Vorteile der Salzbäder liegen in der gleichmäßigen Erwärmung des Härtegutes, wobei durch geeignete Wahl des Bades ebenso Entkohlung wie auch Aufkohlung vermieden werden kann. Außerdem können in Salzbädern Werkstücke, z. B. Gewindebohrer, örtlich begrenzt erwärmt werden. Salz- und Bleibäder entwickeln giftige Dämpfe, welche abgesaugt werden müssen. In Prüflaboratorien und Ausbildungsbetrieben werden überwiegend Kammeröfen eingesetzt. Bei Verwendung dieser Öfen können die Nachteile der Erwärmung mit offenen Flammen 137

weitgehend vermieden werden. Die Öfen werden meistens gas- oder elektrisch beheizt (Bild 2.55) [ 51 ] und sind gut regelbar. Zum Einhalten der genauen Temperatur dienen Thermoelemente, die mit selbsttätig arbeitenden Reglern verbunden sind. Diese erlauben die Überwachung der erforderlichen Temperaturführung. In vielen Fällen sind an den Öfen auch Diagrammschreiber angeschlossen, die Zeit und Temperatur mitschreiben und somit eine Dokumentation der Wärmebehandlung aus Gründen der Qualitätssicherung ermöglichen. a)

Bild 2.55

b)

a) elektrisch beheizter Kammerofen mit offenem Glühraum und b) gasbeheizter Kammerofen mit geschlossenem Glühraum

Moderne Wärmebehandlungseinrichtungen werden nicht nur mit geschlossenen Glühräumen ausgestattet, sondern sind auch über Mikroprozessortechnik prozessgesteuert. Die Bilder 2.56 bis 2.59 zeigen mikroprozessorgesteuerte Wärmebehandlungseinrichtungen, die auch unter Vakuum arbeiten.

Bild 2.56

Vakuum-Kammerofen der Fa. Carbolite Gero GmbH & Co. KG [ 84 ] 138

Bild 2.57

Vakuum-Kammerofen der Fa. Nabertherm [ 85 ]

Bild 2.58

Vakuum-Kammerofen der Fa. Ipsen [ 86 ]

Bild 2.59

Vakuum-Kammerofen der Fa. Aichelin [ 87 ] 139

Weitere Einrichtungen zum Erwärmen der Werkstücke zeigen die Bilder 2.60 bis 2.62.

Bild 2.60

Prozessgas-Kammerofen für das Einsatzhärten (Fa. Ipsen) [ 86 ]

Bild 2.61

Automatisierte Salzbad- Nitrocarburieranlage (Fa. Durferrit) [ 88 ]

Bild 2.62 Hauben-Retortenöfen zum Plasmanitrieren (Fa. Eltro) [ 89 ] Bild 2.63 enthält eine Übersicht über ein Prozessleitsystem. Es kann damit jede Information der angeschlossenen Wärmebehandlungseinheiten an einen Leitstand geholt werden, der weit von den eigentlichen Prozessen entfernt liegt. Damit entfallen für den, der mit der Aufgabe der Prozessüberwachung betraut ist, die üblichen Rundgänge zu den Wärmebehandlungsöfen. 140

Bild 2.63

Prozessleitsystem der Fa. Bernd Münstermann GmbH & Co. KG [ 90 ]

An den Wärmebehandlungsöfen sind zur Prozesssteuerung sog. Programmgeber (Bild 2.64) eingebaut, die die in der Software vorgegebenen Temperatur-Zeit-Kurven für die Wärmebehandlungsprozesse auf die Öfen umsetzen, d. h. dass dort das Temperaturregime dieser Software folgt und die Temperaturen über die Zeiteinheit sehr genau eingestellt werden können. Im Bild 2.65 ist ein Programmleitsystem beispielhaft dargestellt.

Bild 2.64

Beispiel für einen Programmgeber [ 51 ]

Bild 2.65

Beispiel für ein Programmleitsystem der Fa. Procon [ 51 ] 141

2.6.2

Mittel zum Erwärmen der Werkstücke

Wärmmittel dienen zur Übertragung der Wärme auf die zu behandelnden Werkstücke. Sie sind entweder flüssig oder gasförmig. Die Auswahl des Wärmmittels richtet sich hauptsächlich nach der gewünschten Wärmgeschwindigkeit sowie den Anforderungen an die Werkstückrandschicht. Eine Reaktion des Wärmmittels mit den Randschichten der Werkstücke muss tolerierbar bleiben, z. B. beim Entkohlen, Oxidieren oder Verzundern. 2.6.3

Einrichtungen zum Abkühlen der Werkstücke [ 91 ], [ 92 ]

Für die Auswahl der Einrichtungen zum Abkühlen der Werkstücke sind zutreffend:  der erreichbare Abkühlverlauf und dessen möglicher Einfluss auf Formänderungen der Werkstücke (Verzug)  die Form und Abmessungen der Werkstücke  die Art und Temperatur des Abschreckmittels  die Menge und Umwälzung des Abschreckmittels  die Belegungsordnung der Werkstücke  der Füllgrad der Charge  das Reinigen der Teile von Rückständen des Abschreckmittels  der Einfluss des Abkühlmittels auf die Oberfläche und Randschichtzusammensetzung der Werkstücke.

Generell werden die Einrichtungen zum Abkühlen der Werkstücke mit einer Umwälzung ausgerüstet, um einen Wärmeentzug sicherzustellen, der dem erforderlichen Abkühlverlauf entspricht. Auch muss eine Einrichtung zum Rückkühlen des Mittels vorhanden sein, um den durch das Abschrecken eintretenden Temperaturanstieg in Grenzen zu halten. 2.6.4

Mittel zum Abkühlen der Werkstücke

Das Abkühlen bzw. Abschrecken erfolgt in flüssigen oder gasförmigen Mitteln. Für deren Auswahl sind hauptsächlich die Form und Abmessungen der Bauteile, die Härtbarkeit der Werkstoffe, die Härtetemperatur, die erforderliche Abkühlwirkung sowie die zur Wärmebehandlung verwendete Anlage maßgebend. Die Abkühlung kann langsam, gestuft oder als Abschrecken eintreten, wie in Bild 2.66 gezeigt wird.

Bild 2.66

Abkühlungskurven für unterschiedliche Abkühlung der Werkstücke [ 51 ] 142

Typische Arbeitstemperaturen der Abschreckmittel sind in Tabelle 2.3 zusammengefasst. Abschreckmittel

Bereich der Arbeitstemperatur

Wasser ohne Zusatz

bis 25 oC

Wasser mit Zusatz

bis 70 oC

Öl

bis 80 oC

Warmbadöl

bis 150 oC

Salzwarmbad

160 bis 350 oC

Wirbelbett

≈ 25 bis 400 oC

Inertgas

25 oC

Tabelle 2.3

Arbeitstemperaturen der üblichen Abschreckmittel nach DIN 17022-1 [ 41 ]

In den Bildern 2.67 und 2.68 werden kleine Vorrichtungen für ein Warmbad und ein Wasserabschreckbad gezeigt [ 92 ].

Bild 2.67

Warmbad

Bild 2.68

Wasserabschreckbad

Das Umwandeln von Restaustenit unterhalb der Raumtemperatur erfolgt in Tiefkühltruhen oder -schränken bis -140 oC oder Tauchbehältern bis -196 oC. In gekühlter Luft kann bis auf ca. -60 oC, in Sonderfällen bis -140 oC abgekühlt werden. Niedrigere Temperaturen lassen sich unter Verwendung von Trockeneis, Alkoholmischungen oder in verflüssigten Gasen (z. B. Stickstoff) erreichen. 143

2.6.5

Chargieren der Werkstücke

Unter Chargieren der Werkstücke versteht man das Zuführen zu den Öfen, die Belegung der Öfen und das Abtransportieren der Werkstücke vom Ofen. Eine Belegungsordnung ist unbedingt erforderlich, weil alle vorgesehenen Werkstückbereiche der Wärmebehandlung zugänglich sein müssen. Beispielsweise sollen alle aufzukohlenden bzw. carbonitrierenden Werkstückbereiche vom Behandlungsmittel ungehindert erreicht und beim Abschrecken vom Abschreckmittel möglichst gleichmäßig und mit ausreichender Strömungsgeschwindigkeit beaufschlagt werden.

Bild 2.69

Vergießen von Stahl beim Chargieren [ 93 ]

Schüttgut sollte nicht zu hoch und nicht zu dicht geschüttet werden. Einseitig geschlossene oder napfförmige Werkstücke müssen beim Abschrecken so angeordnet werden, dass ihre Öffnungen möglichst nach oben weisen, damit verdampfende Feuchtigkeit entweichen kann. Die Werkstücke sind so zu packen, dass sie durch das Gewicht aufliegender anderer Teile nicht verformt werden. Kompakte Werkstücke sind beim Belegen der Öfen zu untersetzen, damit die Wärme oder die Belüftung das ganze Teil erreichen. Es kann sonst dazu kommen, dass nicht das vorgesehene Gefüge ensteht und unberechtigt die Gefahr von Rissen vermutet wird. 2.7

Glühen des Stahls [ 28 ], [ 63 ], [ 92 ]

Glühen ist eine Art der Wärmebehandlung des Stahls. Der Zweck des Glühens besteht u. a. darin, unerwünschte Gefügeeigenschaften, die die mechanischen Eigenschaften eines Werkstücks beeinflussen können, zu beseitigen. Eine Veränderung des Gefügeaufbaus wird durch Umwandlungsvorgänge im festen Zustand unter Beeinflussung der Erwärmungs- und Abkühlungsbedingungen erreicht. Beim Glühen wird ein Werkstück auf eine bestimmte Temperatur erwärmt und über eine bestimmte Zeit bei dieser Temperatur gehalten. Danach erfolgt in der Regel eine langsamere Abkühlung bis auf Raumtemperatur (Bild 2.70). 144

Temperatur °C Haltezeit

ärm Erw

0

Bild 2.70

n hle kü Ab

en

Glühtemperatur

Zeit (t)

Zeit-Temperatur-Schaubild Glühen [ 63 ], [ 92 ]

Je nach Art des zu beeinflussenden Gefüges können unterschiedliche Glühverfahren angewendet werden. Die in der Praxis häufig vorkommenden Glühverfahren sind: Weichglühen Das Weichglühen hat das Ziel, ein für die Härtung geeignetes Gefüge zu erzeugen und den Stahl in einen weichen, gut bearbeitbaren Zustand zu bringen. Die Zementitlamellen des Perlits formen sich unter dem Einfluss der Temperatur nach und nach mehr zu Kugeln um. Aus dem lamellaren Perlit entsteht körniger Zementit. Dadurch werden die spanende Bearbeitung und das Umformen des Stahls erleichtert. Das Weichglühen von untereutektoiden Stählen (wie z. B. der C45) erfolgt bei Temperaturen dicht unterhalb Ac1. Die erforderlichen Haltezeiten sind mit einigen Stunden wesentlich länger als bei anderen Wärmebehandlungsverfahren. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass bei übereutektoiden Stählen ein Pendeln um Ac1 zu einem schnelleren Erfolg führt. In Bild 2.71 wird der Zeit-Temperatur-Ablauf für das Weichglühen untereutektoidischer Stähle graphisch dargestellt. Die Graphik ist als schematische Darstellung zu verstehen. Die erforderliche langsame Abkühlung wird durch Ofenabkühlung erreicht. Ab ca. 300 °C kann an ruhender Luft bis auf Raumtemperatur abgekühlt werden.

Bild 2.71

Temperaturbereich beim Weichglühen von Stählen [ 28 ] 145

Normalglühen Das Normalglühen hat das Ziel, unerwünschte Gefügebildungen der Stähle zu beseitigen. Hier sind insbesondere Inhomogenität und Grobkörnigkeit des Gefüges zu nennen. Dazu werden untereutektoide Stähle (wie z. B. der 42CrMo4) bei einer Temperatur ca. 30 - 50 °C oberhalb Ac3 geglüht. Das entstehende Gefüge ist ferritisch-perlitisch. Für den Stahl 42CrMo4 wird eine Normalglühtemperatur von 840 - 880 °C empfohlen. Die Abkühlung erfolgt mit einer Umwandlung in der Perlitstufe. Bild 2.72 zeigt den Temperaturverlauf beim Normalglühen von Stählen.

Bild 2.72

Temperaturbereich beim Normalglühen von Stählen [ 28 ]

Lösungsglühen Bei austenitischen korrosionsbeständigen Stählen fehlt die α/γ-Umwandlung. Deshalb können sie weder gehärtet noch normalgeglüht werden. Bei diesen Stählen wird im Laufe der Verarbeitung aber mindestens einmal ein Lösungsglühen durchgeführt. Diese Wärmebehandlung verbindet die Beseitigung mehrer ungünstiger Zustände der Stähle in einem Behandlungsschritt. Die austenitischen Stähle neigen zur Ausscheidung von Chrom-Karbiden, was zu einer verminderten Korrosionsbeständigkeit führt. Durch das Lösungsglühen werden diese Karbide wieder in Lösung gebracht; der Stahl hat wieder seine gute Korrosionsbeständigkeit. Das Lösungsglühen führt auch zu einer Kornverfeinerung, wenn vor der Behandlung eine Kaltumformung durchgeführt wird. Durch die Verformung erhält der Werkstoff die für die Rekristallisation wichtigen Fehlstellen, die wie Keime für die Kristall-Neubildung wirken. Schließlich sei noch auf die Beseitigung von ungünstigen Gefügeausbildungen durch einen Schweißprozess hingewiesen. Das sind z. B. ein Gussgefüge im Schweißgut sowie Entmischungen und Ausscheidungsprozesse sowohl im Schweißgut als auch im Übergangsbereich zum Grundwerkstoff. Das Lösungsglühen erfolgt bei Temperaturen von 1000 bis 1100 °C. Die Haltedauer soll im Hinblick auf das Kornwachstum niedrig sein. Es genügt im Allgemeinen eine Zeit von 5 - 10 Minuten. Die Lösungs- und Rekristallisationsprozesse beginnen bereits bei Temperaturen unter 1000 °C und sind bei Erreichen der Glühtemperatur praktisch schon abgeschlossen. Die Abkühlung muss sehr schnell erfolgen, um die Ausscheidung von Chrom-Karbiden zu vermeiden. Hier muss besonders der Temperaturbereich von 950 - 450 °C schnell durchlaufen werden.

146

Spannungsarmglühen Unter Spannungsarmglühen versteht man ein Glühen bei einer Temperatur unterhalb des unteren Umwandlungspunktes Ac1 (P-S-K-Linie), meist unter 650 oC mit anschließendem langsamem Abkühlen zur Beseitigung innerer Spannungen. Dabei sollen die übrigen Werkstoffeigenschaften möglichst unverändert bleiben. In Bild 2.73 ist der Temperaturverlauf für das Spannungsarmglühen abgebildet.

Bild 2.73

Temperaturverlauf für das Spannungsarmglühen von Stählen [ 28 ]

Das Spannungsarmglühen wird dort angewandt, wo aufgrund von vorhandenen Eigenspannungen ein Verziehen des Werkstückes oder Spannungsrisse im Werkstück eintreten können. Innere Spannungen entstehen bei der ungleichmäßigen Erwärmung oder Abkühlung, z. B. beim Schweißen, Erstarren und Abkühlen von Gussstücken. Auch durch Kaltverformung, z. B. durch Biegen, Hämmern und Richten können innere Spannungen entstehen. Bei der Weiterverarbeitung oder später im Betrieb können sich solche Spannungen im Werkstück durch Verzug negativ bemerkbar machen. Schweißkonstruktionen weisen oft nach der Fertigstellung hohe Eigenspannungen auf. Sollen diese geschweißten Bauteile hoch beansprucht oder bei tiefen Betriebstemperaturen verwendet werden, muss spannungsarm geglüht werden. An großen Schweißkonstruktionen, die wegen ihrer Größe kein Spannungsarmglühen in einem Ofen zulassen, kann oft durch örtliches Glühen der Schweißstelle mit transportablen Glüheinrichtungen die Spannung beseitigt werden. Rekristallisationsglühen Bei der spanlosen Formgebung können sich die Eigenschaften des Stahles verändern. Je nach Verwendungszweck sind diese Eigenschaften erwünscht oder unerwünscht. Besonders bei der Kaltverarbeitung, z. B. durch Kaltbiegen, Kaltwalzen, Tiefziehen, Bördeln und Treiben entstehen teilweise unerwünschte Werkstoffeigenschaften. Durch Rekristallisationsglühen werden die gewünschten Eigenschaftsverbesserungen erzielt. Hierbei wird ein ähnlicher Gefügezustand erreicht wie beim Normalglühen, nur dass hierbei keine Austenitisierung erfolgt, sondern die Glühtemperatur wesentlich tiefer liegt, in der Regel unter Ac1 (P-S-K-Linie im Bild 2.74).

147

Bild 2.74

Temperaturverlauf für das Rekristallisationsglühen von Stählen [ 28 ]

Wird z. B. ein Blech gekantet, so wird das Gefüge im äußeren Biegeradius gestreckt und im inneren Biegeradius gestaucht, wobei im Bereich der neutralen Faser keine Gefügeveränderung erfolgt. Solche Gefügeveränderungen bewirken die Verspannung der Kristallgitter, die Verspannung der Kristalle verursacht die Veränderung der mechanisch-technologischen Eigenschaften. Diffusionsglühen Beim Diffunsionsglühen oder auch Homogenisierungsglühen wird meist zwischen 1050 °C und 1200 °C langzeitig geglüht, um eine gleichmäßige Verteilung der Mischkristalle zu erreichen (Bild 2.75). Es kann beim Erstarren der Stahlschmelze zu örtlichen Entmischungen (Kristallseigerungen) kommen. Durch langzeitiges Glühen bei hoher Temperatur soll ein Konzentrationsausgleich durch Diffusion erreicht werden.

Bild 2.75

Temperaturverlauf für das Diffusionsglühen von Stählen [ 28 ] 148

Eine weitere Möglichkeit, um das Diffusionsglühen anzuwenden, ist die Beseitigung stabiler Karbidnetze von überkohlten Einsatzstählen. Bei Temperaturen von 900 bis 1000 °C wird dieser Gefügezustand aufgelöst. Ähnlich wie beim Grobkornglühen kann die Kornvergröberung durch nachfolgendes Normalglühen, Vergüten oder Verformen wieder verfeinert werden. Grobkornglühen Beim Grobkornglühen (Bild 2.76) wendet man eine gegenüber dem Normalglühen überhöhte Temperatur über Ac3 an. Zumeist liegt diese bei ≤ 1000 °C. Stähle, die vor dem Abgießen besonders behandelt wurden, z. B. Al-beruhigte Feinkornstähle, bilden nicht so leicht ein Grobkorngefüge. Um den gewünschten Effekt zu erzielen, muss hier die Glühtemperatur über 1000 °C liegen. Nach dem Halten auf Glühtemperatur wird langsam abgekühlt. Es entsteht ein grobes Korn, das normalerweise unerwünscht ist. Bei Einsatzstählen, vor allem denen der MnCr- oder CrMo-Gruppe, kommt es beim Zerspanen zum sog. „Schmieren“. Um die Zerspanbarkeit zu verbessern, wendet man hier die Grobkornglühung an. Der Span „schmiert“ nun nicht mehr, sondern bricht sehr kurz. Später wird das vorhandene Grobkorngefüge durch ein nachfolgendes Normalglühen oder Vergüten beseitigt.

Bild 2.76 2.8

Temperaturverlauf für das Grobkornglühen von Stählen [ 28 ]

Härten des Stahls

Die Härteverfahren sind dadurch gekennzeichnet, dass die Abkühlung nach dem Erwärmen des Werkstückes schnell erfolgt. Bei Raumtemperatur liegt ein Gefüge vor, das nicht dem Gleichgewichtszustand entspricht. Es wird als Martensit bezeichnet. Der technologische Ablauf des Härtens wird in Bild 2.77 schematisch dargestellt. Voraussetzung für die Härtbarkeit eines Stahls ohne jegliche Vorbehandlung ist ein Mindestkohlenstoffgehalt von 0,2 %. Die Erwärmungstemperatur liegt im Austenitgebiet. Während der Haltedauer wird der Kohlenstoff im Austenitgitter (kfz) gelöst, danach erfolgt das Abkühlen mit einer Geschwindigkeit, die größer ist als die kritische, um möglichst durchgreifend das Härtegefüge Martensit zu erreichen. Dieser Gefügebestandteil entsteht durch das diffusionslose Umklappen des kfz-Gitters in ein krz-Gitter. 149

Temperatur Austenisieren unterperlitische Stähle

A3

überperlitische Stähle A1 Abschrecken Wasser Öl Erwärmen Anlassen Sammeln Zeit (t)

Bild 2.77

Temperatur-Zeit-Verlauf für das Härten (schematisch) [ 63 ]

Die Härtung erfolgt durch Abschrecken des Stahls aus dem Gebiet des Austenits, also von Temperaturen oberhalb des Haltepunktes Ac3. Dieser Punkt sinkt entsprechend dem Verlauf der G-S-Linie im Eisen-Kohlenstoff-Schaubild mit steigendem C-Gehalt bis zur eutektoiden Zusammensetzung (Punkt S). Dementsprechend kann auch die Härtetemperatur mit steigendem Kohlenstoffgehalt gesenkt werden. In der Regel liegen die Härtetemperaturen bei untereutektoiden und eutektoiden Stählen ca. 30 bis 50 oC oberhalb der G-S-Linie im EisenKohlenstoff-Diagramm. Der Erfolg einer Härtung hängt nicht nur allein von der Härtetemperatur, sondern auch von der Erwärmungsdauer ab. Die Werkstücke müssen gut durchgewärmt werden und nach Erreichen der Härtetemperatur eine gewisse Zeit in diesem Temperaturbereich gehalten werden, damit die Gefügeumwandlung vollständig erfolgen kann. Die Haltezeit kann nach der Faustformel T = D / 2 + 20 min ermittelt werden. Die Erwärmungsdauer ist ein Erfahrungswert und hängt von der Bauart des verwendeten Härteofens und vom Werkstückquerschnitt ab. Beim Abschrecken sind die äußere Form des Werkstückes, die Lage beim Eintauchen in das Abschreckmittel und die richtige Wahl des Abschreckmittels von entscheidender Bedeutung. 2.9

Vergüten des Stahls

Das Vergüten ist eine Wärmebehandlung zum Erzielen hoher Zähigkeitswerte bei einer bestimmten Zugfestigkeit. Es ist ein Härten mit nachfolgendem Anlassen bei höheren Temperaturen (über 400 °C) und wird bei Vergütungsstählen angewendet. Bild 2.78 zeigt das Schema des Vergütens. Die Bedeutung des Vergütens beruht darin, dass in Abhängigkeit von der Anlasstemperatur die Festigkeits- und Zähigkeitswerte in einem sehr großen Bereich zu beeinflussen sind, d. h. optimal an die Bedürfnisse der Konstruktion anzupassen sind. Für die Sicherheit vergüteter Bauteile muss die Betriebstemperatur unter der Anlasstemperatur liegen (sonst Festigkeitsabnahme!). Neben der erheblich verbesserten Zähigkeit werden durch das Vergüten auch die Unterschiede der mechanischen Gütewerte zwischen Kern und Rand ausgeglichen. 150

Temperatur A3 A1

Halten

Halten

Härten

Anlassen

Zeit Vergüten Bild 2.78

Schema des Vergütens [ 63 ]

Anlassen ist ein Erwärmen gehärteter Werkstücke auf eine Temperatur zwischen Raumtemperatur und Ac1 und Halten dieser Temperatur mit nachfolgendem zweckentsprechendem Abkühlen (DIN 17014) [ 94 ]. Durch das Anlassen werden die Verspannungen im Werkstück verringert und damit die Härte des Martensits verringert. Die Bilder 2.79 bis 2.81 veranschaulichen, dass die Vergütungstiefe größer sein kann, als die nach dem Härten erzeugte vollmartensitische Werkstoffschicht. Der gehärtete und nicht angelassene unlegierte Stahl weist eine vollmartensitische Randschicht von ca. 5 bis 7 mm auf (Bild 2.80).

Bild 2.79

Gehärteter und nicht angelassener Stahl vor dem Vergüten [ 28 ] 151

Bild 2.80

Gehärteter und niedrig angelassener Stahl beim Vergüten [ 28 ]

Bild 2.81

Gehärteter und hoch angelassener Stahl beim Vergüten [ 28 ]

2.10

Wärmebehandlungsfehler [ 25 ]

Mängel oder Fehler an wärmebehandelten Werkstücken sind selten auf eine Ursache zurückzuführen [ 36 ]. Einfluss auf solche Fehler können außer der durchgeführten Wärmebehandlung auch der Werkstoff, die Gestalt bzw. die Geometrie des Werkstücks, die folgende Bearbeitung oder die Einsatz- oder Betriebsbedingungen haben. Weisen verschweißte Werkstoffe Kohlenstoffgehalte von ca. 0,5 % und mehr auf, können mit zunehmendem Kohlenstoffgehalt Aufhärtungserscheinungen speziell in den Randzonen (Wärme-Einflusszonen) der Schweißverbindungen zu Rissen führen, wie Bild 2.82 zeigt.

Bild 2.82

Anriss in der Wärmeeinflusszone [ 60 ], [ 63 ] 152

Zu den klassischen Wärmebehandlungsfehlern gehören Härterisse (Bild 2.83 und 2.84). Sie entstehen beim Härten, wenn der Werkstoff die hohen Abkühlungsspannungen beim Abschrecken des Prüfstückes nach dem Austenitisieren nicht mehr auffangen kann und seine Zerreißfestigkeit überschritten wird.

Bild 2.83

Härterisse an einem Stanzwerkzeug [ 63 ]

Bild 2.84

Härterisse nach Abschreckbehandlung an einer Turbinenscheibe [ 63 ]

Nach dem Verformungsprozess müssen die meisten Schmiedestücke im Wärmebehandlungsofen gesammelt und geregelt abgekühlt werden, weil sich sonst insbesondere bei legierten Werkstücken und nicht entgasten Blöcken sogenannte Flockenrisse bilden können. Sie treten meistens völlig regellos orientiert über den Querschnitt auf (Bild 2.85).

Bild 2.85

Flockenrisse an einem Generatorläufer [ 63 ] 153

Seigerungen des Blocks werden im Allgemeinen bei der zerstörungsfreien Prüfung nicht festgestellt, da es sich im Wesentlichen um Entmischungserscheinungen beim Erstarren handelt. Der Prüfer findet dagegen oft nichtmetallische Einschlüsse sowie Schlacken oder Risse, die in den Seigerungszonen bevorzugt angeordnet sind. 2.10.1

Fehler beim Glühen

Die Fehler, die bei allen Glühverfahren immer wieder gemacht werden, laufen stets auf die Wahl einer zu hohen, manchmal auch zu niedrigen Glühtemperatur, auf eine zu lange Glühdauer, auf eine Oberflächenentkohlung durch zu lange Berührung mit der Luft oder schließlich auf eine unbedingt zu unterlassende mehrmalige Wiederholung des Glühverfahrens hinaus. Ebenso häufig werden Fehler bei der Abkühlung gemacht. Ein beim Glühen überhitzter Stahl kann wieder brauchbar gemacht werden, indem man ihn kurz auf Umwandlungstemperatur erhitzt und dann an der Luft abkühlen lässt, oder indem man ihn durch Abschrecken in Öl härtet und anschließend bei richtiger Temperatur nochmals glüht. Geht man in der Temperatur bis zur Gelb- oder Weißhitze, so verbrennt der Stahl. Zu lange Glühdauer führt außerdem zu grobem Korn, welches viele Eigenschaften des Stahls negativ beeinflusst. Eine wichtige Voraussetzung für ein dem Glühverfahren entsprechend ausgebildetes Gefüge im Werkstück ist die Belegungsordnung. Werden beispielsweise die zu glühenden Teile auf dem Herdwagenofen nicht wie in der Belegungsordnung angeordnet bzw. belegt, so kann es passieren, dass die Teile an den aufliegenden Bereichen keinen ausreichenden Luftsturz erfahren und folglich in diesen Bereichen sehr grobes Gefüge aufweisen. Die Teile werden beim Herausfahren des Herdwagens zum Zwecke der Luftabkühlung an diesen Bereichen nicht von der Umluft erreicht. In der Folge können Reklamationen erwartet werden. 2.10.2

Fehler beim Härten

Die am häufigsten in der Praxis auftretenden Mängel sind zu hohe oder zu niedrige Härtewerte, zu große Maß- oder Formänderungen, Risse, Anschmelzungen oder Anfressungen der Oberfläche. Zu niedrige Härte kann als Ursache unvollständiges Austenitisieren infolge zu geringer Austenitisierungstemperatur, zu kurzer Haltezeit oder wegen ungenügender Abschreckwirkung haben. Es entsteht ein Gefüge mit zu geringer Martensitbildung. Andererseits kann bei zu hoher Austenitisierungstemperatur und/oder zu langer Haltezeit, zu langem Halten im Warmbad, unbeabsichtigtem Aufkohlen oder Aufsticken ein zu hoher Anteil an Restaustenit entstehen, wodurch ebenfalls nicht die volle Gebrauchshärte erreicht wird. Das Gleiche gilt bezüglich der Härte, wenn bei zu hoher Temperatur angelassen oder die Anlasszeit zu groß gewählt wird. Zu hohe Härte kann meistens auf ein zu kurzes oder bei zu niedriger Temperatur durchgeführtes Anlassen zurückgeführt werden. Analog kann unbeabsichtigtes Aufkohlen oder Aufsticken während des Austenitisierens zu höheren Härtewerten führen. Flächige oder lochartige Anfressungen entstehen meistens durch Korrosion nach mangelhaft durchgeführter Reinigung vor bzw. nach dem Härten. Verunreinigte Salzschmelzen oder das Reinigen in aggressiven Reinigungsmitteln können solche Mängel auch bewirken. Aufschmelzungen entstehen beim Erwärmen in Elektrodensalzbadöfen, wenn die Abstände der Werkstücke zu den Elektroden zu gering sind oder wenn vagabundierende elektrische Ströme auftreten. Auch zu hohe Temperaturen oder unbeabsichtigtes Aufkohlen beim Austenitisieren können örtlich zu Aufschmelzungen führen. Dampfblasen, Zunderreste und Anfass154

stellen von Zangen sowie Auflagestellen beim Erhitzen oder Abschrecken führen zu Ungleichmäßigkeiten, die man auch als Weichfleckigkeit bezeichnet. Bei unvorsichtigem Beschleifen gehärteter Stahlbauteile treten leicht Schleifrisse auf. Sie werden durch starke örtliche Erwärmungen hervorgerufen, die Spannungen verursachen. Oberflächenrisse entstehen auch, wenn man den beim Härten gebildeten Zunder durch Beizen in Säure entfernen will, da der beim Beizen gebildete Wasserstoff teilweise in den Stahl eindringt und die hier vorhandenen Spannungen erhöht. Man sollte deshalb gehärtete Teile nicht in Säuren entzundern, sondern nur durch mechanische Verfahren, z. B. durch Kiesstrahlen. Beim Abschreckhärten treten Spannungen auf, durch die sich die Werkstücke verziehen oder sogar Risse entstehen. Ein weiterer Grund für das mögliche Entstehen von Härterissen kann in der Vorgehensweise beim Abschrecken liegen, wie Bild 2.86 zeigt.

Bild 2.86

Beispiele für richtiges und falsches Vorgehen beim Härten [ 63 ] 155

Kleine beim Härten auftretende Risse können im Laufe der Zeit z. B. durch Betriebsbeanspruchung wachsen und das Werkstück unbrauchbar machen [ 52 ]. Man unterscheidet prinzipiell folgende Arten von Spannungen, die beim Härten auftreten und später Mängelerscheinungen zur Folge haben können [ 58 ]: 1. Abkühl- oder Schrumpfspannungen bei unterschiedlichen Abkühlbedingungen über den Querschnitt der Werkstücke 2. Umwandlungsspannungen beim Umwandeln von Austenit in Martensit 3. Zugspannungen vom Rand zur Mitte der Werkstücke durch unterschiedliche Gefüge, wie Martensit, Troostit, Sorbit und Perlit, die nebeneinander auftreten und ein unterschiedliches spezifisches Gewicht und Volumen aufweisen. Bei manchen Werkstücken, die gehärtet werden müssen, liegt der Grund für den Ausschuss schon in der ungeeigneten Konstruktion. Scharfe Ecken und Kanten und besonders auch schroffe Querschnittsübergänge sind möglichst zu vermeiden, um die Rissgefahr beim Härten zu vermindern. Schließlich sollen Härtegut und Härteofen in einem richtigen Verhältnis zueinander stehen, d. h. dass die Werkstückgröße zur Ofenraumgröße passen muss. Wird beispielsweise ein großes Werkstück in einem zu kleinen Ofen erwärmt, so werden die Randschichten, besonders aber die Ecken und Kanten zuerst erhitzt. In der Folge können Härterisse und ungleiche Härtebereiche entstehen. Die gleichen Fehler treten auf, wenn die Werkstücke in einem genügend großen Ofen unzureichende Zeit hindurch erhitzt werden. Das trifft man insbesondere dort an, wo viele Werkstücke gleichzeitig zu härten sind. Beim Einsatzhärten kennt man das Abblättern der Einsatzschicht als wichtigste Mangelerscheinung, die auf folgende Fehler zurückzuführen ist [ 28 ], [ 63 ]:  Überkohlung durch zu hohe Einsatztemperatur, eine zu rasche Temperatursteigerung oder ein ungeeignetes Härteverfahren  Schlechter Übergang von der Einsatzschicht zum Kern durch eine zu schnelle Temperatursteigerung  Schädliche Bestandteile aus dem Einsatzmittel, wie z. B. Sulfide  Verzug der eingesetzten Werkstücke durch falsche Härtung mit Abspringen der Einsatzschicht beim nachfolgenden Richten  Härterisse als Folge von Härtespannungen  Schleifrisse beim Schleifen gehärteter Schichten mit zu starker Erwärmung.

Beanstandungen an einsatzgehärteten Teilen sind wie beim normalen Härten nicht ausschließlich auf Fehler bei der Wärmebehandlung in der Härterei zurückzuführen, sondern ebenso auf Ursachen, die in einer falschen Werkstoffauswahl, in einer nicht wärmebehandlungsgerechten Werkstückgeometrie oder in der anschließenden zerspanenden Bearbeitung zu suchen sind [ 56 ]. In der folgenden Tabelle 2.4 sind einige der am häufigsten auftretenden Fehler und ihre Ursachen zusammengestellt. 156

Fehler

Ursache

Zu niedrige Härte

 Randkohlenstoffgehalt zu niedrig  Weichhaut infolge Randoxidation  Zu niedrige Härtetemperatur  Zu geringe Abkühlwirkung  Weichhaut durch entkohlte Randschicht  Hoher Restaustenitgehalt  Zu hohe Anlasstemperatur  Zu lange Anlasszeit  Zu niedrige Einsatzhärtungstiefe

Zu kleine Einsatzhärtetiefe

 Isolierende Beläge auf der Werkstückoberfläche  Aufkohlungstemperatur zu niedrig  Aufkohlungsdauer zu kurz  C-Pegel falsch eingestellt  Zu wenig Aufkohlungsmittel  Zu dichte Packung der zu härtenden Werkstücke  Zu niedrige Härtetemperatur  Zu niedrige Austenitisierungstemperatur  Zu kurze Austenitisierungshaltezeit  Zu niedrige Abschreckgeschwindigkeit  Zu hohe Anlasstemperatur  Zu lange Anlasszeit

Zu hohe Härte

 Zu niedrige Anlasstemperatur  Nicht angelassen  Zu kurze Anlasszeit

Zu große Einsatzhärtetiefe

 Aufkohlungstemperatur zu hoch  Aufkohlungszeit zu lang  C-Pegel zu hoch  Anlasstemperatur zu niedrig  Anlasszeit zu kurz  Nicht angelassen

Tabelle 2.4

Fehlerquellen und mögliche Ursachen für einsatzgehärtete Teile [ 63 ]

157

2.10.3

Fehler beim Anlassen

Der Zweck des Anlassens besteht nach DIN 17022-1 [ 41 ] in der  Änderung der Härte  Änderung der Zähigkeit  Abnahme der Eigenspannungen  Abnahme der Rissgefahr  Abnahme des Restaustenitgehalts  Änderung der Maße und evtl. auch der Form des Werkstücks.

Um Fehler beim Anlassen zu vermeiden, sollen folgende Richtlinien eingehalten werden: 1. Das Anlassen soll sofort nach dem Härten erfolgen. 2. Bei Werkstücken, die die höchste Härte behalten, jedoch spannungsfrei sein müssen, wie z. B. Messwerkzeuge, genügt ein Anlassen bei 150 bis 180 oC über ca. 10 Stunden. 3. Die vorgeschriebene Anlasstemperatur muss eingehalten werden. Zu tiefes Anlassen kann zum Bruch des Werkstückes im Betrieb führen, zu hohes Anlassen hat eine starke Erweichung im Gefolge. 4. Je länger das Anlassen dauert, desto spannungsärmer wird das Werkstück. Deshalb muss die vorgegebene Anlasszeit eingehalten werden. 5. Im Anlasstemperaturbereich zwischen 250 und 550 oC kann eine Anlassversprödung auftreten, wenn im kritischen Temperaturbereich zu langsam abgekühlt wird. 6. Anlasstemperaturen im oberen Temperaturbereich sind so festzulegen, dass der Ac1Punkt des jeweils verwendeten Stahls nicht erreicht wird. 7. Durch zweckentsprechende Wahl des Anlassmittels kann auch eine Beeinträchtigung der Bauteil-Randschicht, z. B. durch Oxidation oder unerwünschtes Aufsticken vermieden oder vermindert werden. 2.10.4

Fehler beim Vergüten

Das Vergüten stellt ein Härten mit nachfolgender Anlassbehandlung auf solche Temperaturen dar, dass eine wesentliche Steigerung der Zähigkeit und Dauerfestigkeit bei mäßiger Härte erreicht wird. Die Vergütung muss bis zum Kern der Werkstücke erfolgen. Man vergütet also Stähle, die bei normaler Härtung durchhärten. Um Fehler im Prozess des Vergütens zu vermeiden, sollten folgende Richtlinien eingehalten werden: 1. Das Anlassen muss möglichst sofort nach dem Härten durchgeführt werden. 2. Die zu vergütenden Werkstücke müssen gleichmäßig durchgewärmt werden. 3. Die Oberflächen der Werkstücke müssen glatt, zunderfrei und ohne Fehler sein. 4. Das Anlassen muss allmählich erfolgen, weil sonst Risse entstehen können. 5. Beim Anlassen muss eine bestimmte Mindestdauer bei vorgeschriebener Temperatur eingehalten werden. 6. Die Abkühlung der Werkstücke wird beim Anlassen zumeist langsam erfolgen, auf jeden Fall aber nach Vorschrift. 158

2.10.5

Maß- und Formänderungen infolge Wärmebehandlung von Stählen

Maß- oder Formänderungen, insbesondere Verzüge, können bei der Wärmebehandlung zu beträchtlichen Kosten in der Fertigung durch Nacharbeit oder Ausschuss führen. Es liegt im Interesse der Fertigung, wenn die Verzüge entweder so klein wie möglich gehalten werden oder zumindest weitgehend vorhergesagt werden können [ 51 ]. Verzugserscheinungen an Konstruktionen sind schwierig zu beherrschen, weil sie von vielen Faktoren abhängen. Diesbezüglich wirken die konstruktive Gestaltung der Bauteile ebenso wie der Werkstoff selbst, dessen umformtechnische oder spanende Bearbeitung bis zur Wärmebehandlung. Ursache für Maß- und Formänderungen an Werkstücken sind Phasenänderungen und Verformungen (Bild 2.87)

Bild 2.87

Ursachen für Maß- und Formänderungen [ 51 ]

Desweiteren werden unvermeidbare und vermeidbare Maß- und Formänderungen unterschieden. Durch die Wärmebehandlung kann unvermeidbar eine Veränderung der Mikrostruktur ohne plastische Deformation eintreten; es entstehen unvermeidbare Volumenreduzierungen. Bild 2.88 zeigt die drei Grundtendenzen solcher Änderungen [ 51 ].

Bild 2.88

Grundtendenzen für Maß- und Formänderungen [ 51 ]

159

Maß- und Formänderungen können sowohl beim Aufheizen als auch beim Abkühlen der Werkstücke entstehen, weil Eigenspannungen durch die Wärmezu- und abführung nicht zu vermeiden sind. Einflussgrößen auf die Maß- und Formänderungen sind die Konstruktion, die Stahlerzeugung und -weiterverarbeitung, die Fertigung der Bauteile und das Gebrauchsverhalten beim Kunden. Obwohl viele Faktoren zu diesen Änderungen der Gestalt (Verzug) beitragen, gibt es bereits Möglichkeiten zu ihrer Vorausberechnung. Eine Simulation der Temperatur, der Gefügeumwandlungen, der Deformationen und der Spannungen werden im Großrechner verarbeitet, so dass die Berechnungsergebnisse an unterschiedlichen Bereichen des Bauteiles zu jedem Zeitpunkt zwei- oder dreidimensional dargestellt werden können [ 51 ]. 2.11

Fehler bei der mechanischen Bearbeitung

Schleifrisse sind verarbeitungsbedingte Fehler, die durch Spannungen verursacht werden, welche infolge Reibungswärme zwischen dem Schleifstein und dem Metall und der damit verbundenen Überhitzung aufgebaut werden. Sie können durch zu hohen Anpressdruck oder „stumpfe" Schleifmittel entstehen und verlaufen meistens senkrecht zur Drehrichtung des Schleifsteines oder netzartig (Bild. 2.89).

Bild 2.89

Entstehung von Schleifrissen

Bei gehärteten Teilen überlagern sich Härtespannungen mit Bearbeitungsspannungen, wenn unangemessenes Schleifen erfolgt. Entstehende Risse können sowohl vom Schleifen als auch vom Härten verursacht sein. Die Bilder 2.90 und 2.91 zeigen Schleifrisse an einem Schraubenrad und an einem Motorenteil.

Bild 2.90

Schleifrisse an einem einsatzgehärteten Schraubenrad [ 63 ]

160

Bild 2.91 2.12

Motorenteil mit Schleifrissen [ 63 ]

Fehler durch Betriebsbeanspruchung [ 52 ]

Solche Fehler werden hauptsächlich auf verschiedene Beanspruchungsbedingungen, wie die Spannungsverhältnisse, Werkstoffermüdung, Korrosion und Erosion zurückgeführt. Während des Weiterverarbeitungsprozesses werden zahlreiche Fehler, die sich ursprünglich unter der Oberfläche oder im Inneren der Werkstücke befanden (und mit der Oberflächenprüfung nicht zu erkennen gewesen wären), infolge der maschinellen Bearbeitung, z. B. durch tiefgehende mechanische Bearbeitung an die Oberfläche gelangen. Beanspruchungsbedingte Fehler sind wahrscheinlich die allerwichtigsten Fehler, die bei der Prüfung von Funktionsteilen in Betracht gezogen werden müssen. Bauteile in denen Fehler infolge von Werkstoffermüdung oder Überbeanspruchung entstehen können, werden als höchstgefährdet angesehen und erfordern besondere Aufmerksamkeit. Ermüdungsrisse - auch Dauerrisse genannt - sind beanspruchungsbedingte Fehler, die meistens zur Oberfläche hin offen liegen und von Spannungskonzentrationsstellen, wie z. B. von Gewindebereichen ausgehen (Bild 2.92). Beanspruchungsbedingte Fehler können durch quasistatische Überlastung des Bauteils entstehen. Ursache für Ermüdungsrisse ist aber meistens eine dynamische Wechselbelastung unterhalb der Belastungsgrenze bei Überschreitung der Lastwechselzahl von ca. 106 / Lebensdauer.

Bild 2.92

Typische Art und Lage von Ermüdungsrissen an einer Torsionswelle [ 63 ]

Besonders an scharfen Querschnittsübergängen ohne ausreichenden Radius muss der Konstrukteur mit solchen Fehlern rechnen. Ermüdungsrisse können immer erst dann vorhanden sein, wenn das Bauteil in Betrieb gewesen ist, jedoch können die Risse eine Folge von Porosität, Einschlüssen oder anderen Fehler insbesondere in der Oberfläche eines hochbeanspruchten Bereiches des Bauteiles sein. Besondere Formen der betrieblichen Überbeanspruchung sind z. B. das Heißlaufen einer Welle (Bild 2.93) oder durch zu hohe Spannungen auftretende Anrisse (Bild 2.94) im Betriebseinsatz. 161

Bild 2.93 Im Betrieb durch Heißlaufen entstandene Spannungsrisse an einer Spindel [ 63 ]

Bild 2.94 2.13

Im Betrieb aufgetretene Anrisse an einer Pumpenwelle [ 63 ]

Erzeugungsfehler [ 64 ]

Werden Fehler durch die der Wärmebehandlung vorangegangenen metallurgischen Prozesse erzeugt, so können sie sich auch auf den Wärmebehandlungsprozess auswirken. Ist z. B. eine andere als die vom Konstrukteur ausgewählte Stahlmarke eingesetzt worden, so kann das zu einer Reihe von Fehlern nach der Wärmebehandlung führen. Der Werkstoff wird beispielsweise speziell für ein bestimmtes Wärmebehandlungsverfahren ausgewählt, um danach entsprechende Festigkeits- oder Härtewerte zu erhalten. Da die Härte eines Werkstoffs außerordentlich vom Kohlenstoffgehalt abhängt, kann eine auf den vorgegebenen C-Gehalt abgestimmte Wärmebehandlung bei einem niedrigeren C-Gehalt im Werkstück durchaus geringere Härtewerte ergeben. Der ausgewählte Werkstoff kann auch entscheidend sein für den Verzug von Werkstücken aufgrund hoher innerer Spannungen, die wiederum durch die Wärmebehandlung verstärkt werden können. Ein spezielles Beispiel war vor noch nicht allzu langer Zeit das Flockenfreiglühen von luftvergossenem Stahl. Flocken sind in Schmiedestücken durch hohe Spannungen und bei Vorhandensein eines zu hohen Wasserstoffgehaltes entstehende Risse. Lässt man z. B. die Schmiedestücke nach dem Fertigschmieden zu lange auf Hüttenflur liegen bis sie in den Glühofen kommen oder ist die Einsatztemperatur zu niedrig, so können die Flocken entstehen, ohne das die folgende Wärmebehandlung noch etwas ändern kann. Die Teile müssen dann wieder neu umgeformt und wärmebehandelt werden. 162

Erzeugungsfehler können sowohl innere als auch äußere Fehler am Vormaterial sein. So gehen oft von Lunkerstellen Risse aus, die später zum Dauerbruch führen. Warm- und Kaltrisse sind dagegen zumeist an der Oberfläche anzutreffen und folglich durch Prüfen vor der Wärmebehandlung nachweisbar. In der Regel wird jedoch erst nach der Wärmebehandlung ehe eine Auslieferung der Bauteile erfolgt, zerstörungsfrei geprüft, um sicher zu sein, dass nicht durch die Wärmebehandlung entstandene oder verstärkte Risse vorhanden sind. Innere Fehler wie Einschlüsse oder Poren in Schmiedestücken bewirken nur dann bei den Wärmebehandlungsprozessen Nachfolgefehler oder Brüche, wenn sie durch Wärmeeinwirkung oder durch Umformen sehr trennungsartig geworden sind. Poren oder Gasblasen dagegen sind zumeist relativ ungefährlich, weil sie teilweise sogar durch geeignete Verformungstemperaturen wieder verschweißt werden können. Bei hochlegierten Stählen dagegen geben solche Fehler auch Veranlassung zum Reißen oder zum Bruch. Wenn das Vormaterial wie Schmiedeblöcke mit fehlerhafter Zusammensetzung, nicht richtig wärmebehandelt wird, kann es brüchig werden und nimmt später stellenweise keine Härte an. Äußere Stahlfehler aus dem metallurgischen Herstellungsprozess sind beispielsweise Verzunderungen, Falten oder Überlappungen, die beim anschließenden Härten zum Reißen führen können. Insbesondere bei Gesenkschmiedestücken werden zunächst innere Fehler bei der spanenden Bearbeitung zu äußeren Fehlern, die, wenn sie nicht festgestellt werden, bei der anschließenden Wärmebehandlung zum Aufreißen und zum Bruch des Werkstücks führen können. 2.14

Falsche Auswahl und Behandlung des Werkstoffs [ 15 ], [ 18 ], [ 37 ]

Die Fehler, die bei der Stahlauswahl unterlaufen, sind oft von größerer Bedeutung als der Stahlverbraucher annimmt. Für jeden besonderen Zweck muss auch stets die geeignete Stahlmarke ausgewählt werden. Welcher Stahl im Einzelfall der zweckmäßigste ist, hängt von zahlreichen, jeweils verschiedenen Umständen ab. Abmessungen und Form der Werkstücke, Art und Höhe der Beanspruchung, Eigenschaften der zu bearbeitenden Grundwerkstoffe, Arbeitsgeschwindigkeit und Betriebstemperatur, Herstellungskosten sind alles Faktoren, die bei der Auswahl des Stahls zu berücksichtigen sind. Die Firmen der Warmbehandlung können sich umfangreich bei den Stahl-InformationsZentren oder Betriebs-Forschungsinstituten sowie bei den Stahlhändlern über die gewünschten Stahlmarken, ihre Eigenschaften und die entsprechenden Wärmebehandlungsverfahren informieren. So können sich die Firmen, Konstrukteure, Technologen oder Metallurgen den richtigen Stahl für den eigenen Verwendungszweck auswählen. Dennoch müssen in dieser Hinsicht noch Kompromisse geschlossen werden, weil es oft den idealen Stahl für alle gewünschten Gebrauchseigenschaften nicht gibt und der Stahl nach der wichtigsten Gebrauchseigenschaft ausgewählt werden muss. Fehler bei der Auswahl von Werkstoffen passieren selten, d. h. wenn nicht der richtige ausgewählte Werkstoff bei der Wärmebehandlung eingesetzt wurde. Es liegen viel öfter Verwechslungen vor. Das trifft besonders auf kleine Werkstücke zu. Solche Werkstücke werden dann oft mittels Wirbelstrom-VerwechslungsPrüfungen untersucht, um den richtigen von dem falschen, den wärmebehandelten von dem unbehandelten Werkstück zu unterscheiden. Zur Auswahl der richtigen Wärmebehandlung können Wärmebehandlungsanweisungen zugrunde gelegt werden, die ebenfalls veröffentlicht bei o. g. Stellen vorliegen. Ist die Wärmebehandlung dann bekannt, so kann es kaum noch zu Fehlern kommen, weil heutzutage bei fast allen Wärmebehandlungseinrichtungen computergestützte Prozessleitsysteme vorhanden sind. 163

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Bargel, Schulze Werkstoffkunde, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2008;

[ 61 ]

Eisenkolb, Einführung in die Werkstoffkunde Bd. II, VEB Verlag Technik Berlin 1961;

[ 62 ]

Autorenkollektiv, Gusswerkstoffe, Nichteisenmetalle, Sinterwerkstoffe, Plaste 1998;

[ 63 ]

Schiebold, Skript Werkstofftechnik, LVQ-WP Werkstofftechnik GmbH 1995;

[ 64 ]

Schiebold, Skript Euromaterialprüfer, LVQ-WP Werkstofftechnik GmbH 1995;

[ 65 ]

DIN 17006, Eisen u. Stahl, Systemat. Benennung, ersetzt d. DIN EN 10027-1 2017;

[ 66 ]

DIN 17007, Werkstoffnummern Stahl, ersetzt d. DIN EN 10027-2 1992;

[ 67 ]

DIN 17100, Allgemeine Baustähle-Gütevorschriften, ersetzt d. DIN EN 10025-2 2005;

[ 68 ]

DIN 1725, Aluminiumlegierungen Guss, ersetzt d. DIN EN 1706 2010;

[ 69 ]

DIN 1745, Bänder und Bleche aus Aluminium, erswetzt d. DIN EN 485-2 2009;

[ 70 ]

DIN 1746, Rohre aus Aluminium, ersetzt d. DIN EN 755-2 2013;

[ 71 ]

DIN 1747, Stangen aus Aluminium, ersetzt d. DIN EN 755-2 2008;

[ 72 ]

DIN 1748, Strangpreßventile aus Aluminium, ersetzt d. DIN EN 755-9 2008;

[ 73 ]

DIN 17850, Titan, ersetzt d. DIN 17850 1990;

[ 74 ]

DIN 17660-1, Schweißen von Betonstahl 2006;

[ 75 ]

DIN 1709, Kupfer-Zink-Gusslegierungen, ersetzt d. DIN EN 1982 2008;

[ 76 ]

DIN 17662, Schweißen, Kalibrierung, ersetzt d. DIN EN ISO 17662 2016;

[ 77 ]

DIN 1705, Kupfer-Zinn-Gusslegierungen, ersetzt d. DIN EN 1982 2008;

[ 78 ]

DIN 17663, Schweißen, Qualität, ersetzt d. DIN EN ISO 17663 2009;

[ 79 ]

DIN 53453, Prüfung von Kunststoffen, Schlagbiegeversuch 1982;

[ 80 ]

DIN 53455, Prüfung von Kunststoffen, Zugversuch, ersetzt d. DIN EN ISO 527 1996;

[ 81 ]

DIN 53456, Prüfung von Kunststoffen, Härteprüfung, ers. d. DIN EN ISO 2039 2003;

[ 82 ]

DIN 50014, Klimate, ersetzt d. DIN 50014 1985;

[ 83 ]

DIN 50106, Prüfung metallischer Werkstoffe, Druckversuch 2016;

[ 84 ]

Internet Fa. Carbolite GmbH & CoKG; 166

[ 85 ]

Internet Fa. Nabertherm;

[ 86 ]

Internet Fa. Ipsen;

[ 87 ]

Internet Fa. Aichelin;

[ 88 ]

Internet Fa. Durferrit;

[ 89 ]

Internet Fa. Eltro;

[ 90 ]

Internet Fa. Münstermann GmbH & CoKG;

[ 91 ]

Simon, Härten und Vergüten II, Springer-Verlag 1931;

[ 92 ]

Bleckmann, Die Härterei, Springer-Verlag 1968;

[ 93 ]

Internet Chargieren;

[ 94 ]

DIN 17014, Wärmebehandlung v. Eisenwerkstoffen, ers. d. DIN EN ISO 4885 2017;

[ 95 ]

Schiebold, Mechanisch-technologische Werkstoffprüfung, Springer-Verlag BerlinHeidelberg 2015;

[ 96 ]

Frick, Stern, Kunststoffproduktion 2011;

167

4.

Sachwortverzeichnis

A) Aluminium und Al-Legierungen 66 F) Fehler beim Anlassen 158 Anorganische Gläser 94 Fehler beim Glühen 154 Anwendungsgebiete wicht. Stahlgruppen 43 Fehler beim Härten 154 Anwendung von Stählen u. Guss 43 Fehler beim Schmieden 61 Aufbau der Werkstoffe 17 Fehler beim Umformen 61 Aufbau des Hochofens 29 Fehler beim Vergüten 158 Ausheilen von Defekten 106 Fehler beim Walzen 61 Ausscheidungen 115 Fehler d. Betriebsbeanspruchung 161 Austenitisierungstemperatur 132 Fehler in plattierten Bauteilen 85 Freiformschmieden 58 B) Bainitbildung 125 Beruhigtes Vergiessen 34 G) Gefügearten 108 Blasstahlverfahren 32 Gießen als Herstellungsverfahren 48 Blei und Legierungen 76 Glühen des Stahls 144 Blockguss 51 Gussfehler 54 C) Chargieren der Werkstücke 144 Chemische Eigenschaften 22 D) Desoxidation 34 Dichte von Werkstoffen 21 Diffusion 103 Diffusionsgesetze 104 Duromere 81

H) Härten des Stahls 149 Hebelgesetz 116 Hochofenerzeugnisse 30 Hydratisierbare Silikate 94 I) Intermetallische Verbindung 116

K) Kaltformgebung 60 Kaltwalzen 60 Keimbildung 99 E) Einatomare keramische Stoffe 93 Kennzeichnung der Stähle 39 Einfluss der Korngrenzen 100 Keramik 87-93 Einfluss der Legierungselemente 131 Kernstützen 57 Einrichtungen z. Abkühlen der Werkst. 142 Korngrenzeneinfluss 100 Einrichtungen z. Erwärmen der Werkst. 136 Kriechvorgänge 107 Einsatz von Gusseisen 46 Kristallbaufehler 24 Einteilung der Eisenwerkstoffe 28 Einteilung der Werkstoffe 16 Kristallwachstum 100 Einteilung und Kennzeichnung der Stähle 38 Kunststoffe 77-81 Eisenbegleiterwirkung 35 Kupfer und Kupferlegierungen 73 Eisen und Stahl 28 EKD (Eisen-Graphit) 121 L) Lunker 54 EKD (Eisen-Kohlenstoff-System) 117 EKD (Eisen-Zementit) 118 M) Magnesium und Legierungen 71 Elastomere 81 Martensitbildung 125 Elektrische Leitfähigkeit 21 Maß- u. Formänderungen 159 Erhitzungs- und Abkühlungskurven 101 Mechanische Eigenschaften 22 Erzeugungsfehler 162 Metalle 23 Eutektisches System 111 Metallgefüge 27 Eutektoides System 114 Mittel z. Abkühlen d. Werkstücke 142 Mittel z. Erwärmen d. Werkstücke 142 F) Falsche Auswahl des Werkstoffs 163 Faserverbundwerkstoffe 84 N) Nichteisenmetalle 65 Fehler bei der mechanischen Nichtoxidische Hartstoffe 94 Bearbeitung 160 Nickel und Legierungen 76 168

P) Peritektisches System 114 U) Umformen 57 Perlitbildung 125 Umwandlungen im festen Zustand 101 Phasen bei reinem Eisen 118 Umwandlungstemperaturen 118 Phasenumwandlungen 98 Unberuhigtes Vergießen 34 Physikalische Grundl. d. Wärmebehandl. 98 Urformen 48 Plastomere 81 Platzwechselmechanismen 105 V) Verbundwerkstoffe 82 Poren 56 Verformung 26 Primärkristallisation 99 Vergüten des Stahls 150 Prüfverfahren für Keramik 97 Vollst. Löslichkeit im festen Zustand 112 Prüfverfahren für Kunststoffe 95 W) Wärmebehandlung des Stahls 136 R) Reines Kupfer 73 Wärmebehandlungsfehler 152 Reinmagnesium 71 Wärmeleitfähigkeit 22 Rein- und Reinstaluminium 66 Warmformgebung 57 Roheisen 29 ff. Warmrisse 56 Warmwalzen 59 S) Sandguss 53 Werkstoffeigenschaften 21 Sand- und Schlackeneinschlüsse 57 Schichtverbunde 85 Z) Zink und Zinklegierungen 76 Schlagbiegeversuch an Kunststoffen 95 ZTA-Schaubilder 134 f. Schleuderguss 53 ZTU-Schaubilder 125-133 Schmelztemperatur 22 Zugversuch an Kunststoffen 95 Stahlformgebungsverfahren 48 Stahlherstellung 31 Strangguss 52 T) Technische Gießverfahren 51 Technolog. Eigenschaften d. Werkstoffe 23 Teilchenverbundwerkstoffe 85 Thermisch aktivierte Vorgänge 103 Tiefziehen 60 Titan und Titanlegierungen 72

169

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