Verallgemeinerte newtonsche Fluide

Nichtnewtonsche Fluide, zu denen die verallgemeinerten newtonschen Fluide zählen, zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Viskosität nicht nur von Druck und Temperatur abhängt. Vielmehr wirkt sich die Strömung selbst auf die Viskosität der Fluide aus. Das macht die Physik und Strömungsmechanik dieser Fluide außerordentlich komplex. Das Buch führt daher umfassend in die Theorie und Anwendung der verallgemeinerten newtonschen Fluide ein. Neben ausführlichen Herleitungen der Gesetzmäßigkeiten werden Lesern die strömungsphysikalischen Phänomene, die bei diesen Fluiden auftreten, anhand analytischer Beispiele und praxisnaher Strömungssimulationen veranschaulicht. Die gängigsten Fluidmodelle werden vorgestellt und ihre jeweiligen Modellierungsgrenzen aufgezeigt. Viskoelastische Fluide werden im Gegensatz zur gängigen Fachliteratur bewusst nur am Rande behandelt, vielmehr wird der Temperatureinfluss auf die rheologischen Fluideigenschaften betrachtet.Für Studierende der Ingenieurwissenschaften sowie für Praktiker sind die strömungsmechanischen Aspekte der Rheologie von besonderer Bedeutung, denn diese Fluide sind für zahlreiche Industriesparten relevant. Ohne Kenntnisse ihrer Eigenheiten können viele Problemstellungen in der Chemie-, Prozess- und Verfahrenstechnik nicht bearbeitet werden. Bei der Produktion von Farben, Lacken, Dispersionen und Emulsionen beispielsweise, aber auch bei Kunststoffschmelzen sind die Effekte strömungsbedingt veränderlicher Viskosität entscheidend für die Qualität des Endprodukts. Ähnliches gilt für die Prozesstechnik, Hydraulik oder die Getriebe- und Motorenentwicklung. Die ZielgruppenDas Buch wendet sich an Praktiker in den Bereichen chemische Verfahrenstechnik, Lebensmitteltechnologie und Biofluiddynamik sowie an Studierende der Ingenieurwissenschaften.


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Verallgemeinerte newtonsche Fluide

Markus Rütten

Verallgemeinerte newtonsche Fluide Thermische und viskose Strömungseigenschaften

Markus Rütten Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt Göttingen Deutschland

ISBN 978-3-662-56225-3 ISBN 978-3-662-56226-0 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-56226-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Vorwort

Nichtnewtonsche Fluide sind aus unserer technischen Umwelt nicht wegzudenken, sie gehören vielmehr zu den grundlegenden, fluidischen Materialien, die wir in unseren technischen Prozessen und den verbundenen Operationen benutzen, verbrauchen oder umwandeln. Nichtnewtonsche Fluide umfassen Flüssigkeiten unterschiedlichster Art mit sich zum Teil stark ändernden rheologischen Eigenschaften, daher gibt es für diese nicht die eine formale mathematisch-physikalische Beschreibung. Nicht nur deren rheologische Vielfältigkeit sondern auch die notwendigerweise komplexe strömungsmechanische Beschreibung macht das Themengebiet der nichtnewtonschen Fluide schwierig und anspruchsvoll, daher sind solide mathematische und ingenieurtechnische Fähigkeiten notwendig, um ein vertieftes Verständnis für diese Art der Fluide zu erarbeiten. Das Buch soll mit seinen theoretischen Grundlagen, vertiefenden analytischen Betrachtungen und anwendungsnahen Simulationsbeispielen helfen, einen Zugang zu diesem hier vorgestellten Themenfeld zu schaffen. Es richtet sich daher sowohl an Studenten der Ingenieur- und Naturwissenschaften als auch an Wissenschaftler und Ingenieure, die in Forschung und Entwicklung tätig sind. In ausführlicher Weise werden daher die mathematische Grundlagen, die strömungsmechanischen und thermodynamischen Grundgleichungen mit ihren Zustandsgleichungen und den rheologischen Erweiterungen, und den zur Beurteilung der auftretenden Strömungsphänomene notwendigen Analysen behandelt, wobei der Bezug zur Praxis hergestellt wird. Natürlich kann ein Buch alleine nicht alle Fragen zu diesem Themenbereich beantworten, daher wird ergänzend auf federführende Literatur verwiesen, sodass der Leser weitere Orientierungen finden kann. Dieses Buch basiert auf meiner Habilitationsschrift Strömungsmechanik thermoviskoser verallgemeinerter newtonscher Fluide, die an der Universität Kassel eingereicht wurde. Diese Schrift ist daraus entstanden, dass aus meiner Sicht über die Zeit eine Lücke entstanden ist, was das Gebiet der thermoviskosen verallgemeinerten Fluide angeht. Viele neuere Schriften zu den nichtnewtonschen Fluiden konzentrieren sich auf viskoelastische Fluide, da hier einerseits interessante und plakative Strömungsphänomene auftreten und andererseits eine stringente Theorie zur Beschreibung von Fluideigenschaften und deren Rückwirkung auf die Strömung zur Verfügung steht. Dahingegen ist auf dem Gebiet der nichtnewtonschen Fluide die Kopplung der rein impulsgetriebenen Strömung mit V

VI

Vorwort

dem Temperatur- und Wärmetransport etwas in den Hintergrund getreten. Dies liegt u.a. daran, dass schon sehr viele theoretische und analytische Arbeiten auf diesem Gebiet in den sechziger bis achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts geleistet wurden. Ausgezeichnete Werke bieten einen Einblick in die Theorie und anzuwendende Lösungsstrategien für grundlegende thermische Strömungsprobleme. Es haben sich jedoch in der Zwischenzeit neue Möglichkeiten in den Methoden der Strömungsmechanik entwickelt. Insbesondere mit den sich schnell weiterentwickelnden, numerischen Simulationsverfahren wird dem Ingenieur oder dem Wissenschaftler ein Werkzeug in die Hand gegeben, das es ermöglicht, thermische Strömungen komplexer nichtnewtonscher Fluide in bisher nicht darstellbaren komplexen Konfigurationen zu untersuchen und notwendige Fluidmodelle für neuartige Anwendungen zu entwickeln. Damit eröffnen sich neue Anwendungs-, Entwicklungs- und Forschungspotenziale auf vielen industrie- und forschungsrelevanten Gebieten der thermoviskosen, nichtnewtonschen Fluidströmungen. Bevor jedoch speziell entwickelte, numerische Simulationsverfahren auf komplexe Strömungsprobleme angewendet werden können, sind aufwendige Verifikations- und Validierungsschritte notwendig. Daher werden in dieser Arbeit aufbauend auf den theoretischen und analytischen Betrachtungen relevanter, grundsätzlicher Strömungsprobleme entsprechende numerische Simulationsstudien vorgestellt, die sich zur Validierung eines Verfahrens eignen. Die Strömungsprobleme werden bewusst schrittweise behandelt, von der Gittergenerierung über das Aufsetzen der Simulation bis hin zur exemplarischen Analyse der Ergebnisse. Hierbei werden auch Strömungsphänomene vorgestellt, die in der neueren Literatur diskutiert werden. Damit soll dieses Buch helfen, die Lücke zwischen analytisch einfachen Beispielen und komplexen numerischen Strömungssimulationen thermischer, nichtnewtonscher Fluide zu schließen. An dieser Stelle möchte ich mich bei meinen akademischen Lehrern bedanken, bei Herrn Prof. Dr. Gert Böhme, der mir eine bestimmte Art des strömungsmechanischen Denkens beibrachte, und bei Herrn Prof. Dr. Olaf Wünsch, der mir in Rat und Tat beiseite stand und mir wertvolle Tipps und Anregungen gab. Danken möchte ich auch meinem Kollegen Herrn Dr. Roland Kessler, der mir bei der Implementierung der notwendigen Programmerweiterungen und Analysen immer eine starke Unterstützung und Hilfe war. Nichtzuletzt gilt mein Dank meiner Familie für die wertvolle Unterstützung über die lange Zeit der Fertigstellung dieser Arbeit und darüber hinaus. Zudem möchte ich dem DLR für die Unterstützung und dem Team des Springer-Verlags für die angenehme Zusammenarbeit danken. Göttingen, im Januar 2018

Markus Rütten

Inhaltsverzeichnis

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Kontinuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Kinematik materieller Punkte / Fluidelemente . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Kinematische Tensoren und Verformungskinematik . . . . . . . . . . . 2.3.3 Fundamentaltheorem der Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Verzerrungstensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5 Der relative Deformationsgradiententensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.6 Verformungsmaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.7 Ebene Scherströmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.8 Reine Dehnströmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.9 Invarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.10 Objektivität und Zeitableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Kräfte und Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Cauchyscher Spannungstensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Der Druck und die Cauchy-Stokes Zerlegung des Spannungstensor 2.4.4 Bilanzgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.5 Das Reynoldssche Transporttheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.6 Die differenzielle Formulierung oder die Divergenzform . . . . . . . 2.4.7 Die Massenerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.8 Die Impuls- bzw. Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.9 Die Drallbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.10 Die Energiegleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Zustandsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Thermische Zustandsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Kalorische Zustandsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 7 8 9 9 14 20 20 25 32 36 40 41 47 52 52 54 56 57 58 60 61 62 63 63 68 68 71 VII

VIII

Inhaltsverzeichnis

2.6

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Wärmetransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 Das Newtonsche Gesetz des konvektiven Wärmeübergangs . . . . . 2.6.2 Das Fouriersche Gesetz der Wärmeleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.3 Die Temperaturtransportgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.4 Der Impulsfluss, der Temperaturfluss und die Energiebilanz . . . . . 2.6.5 Boussinesq Approximation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Rheologie – Viskosität der Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Erklärungsansätze für die Viskosität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Mikrorheologische Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Makrorheologische Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Prinzip der materiellen Objektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Klassifizierung viskoser Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Dynamische Viskosität und kinematische Viskosität . . . . . . . . . . . 3.3.2 Die Fließfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Einteilung der nichtnewtonschen Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Viskosimetrische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Linear viskose Fluide – Newtonsche Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Stokes’sche Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Navier-Stokes Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Wirbelstärketransport für newtonsche Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Nichtlineare viskose Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Reiner-Rivlin-Erickson Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Thermodynamische Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3 Verallgemeinerte Newtonsche Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.4 Viskoplastische Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.5 Fluidmodelle für Suspensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.6 Thixotropie und Rheopexie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.7 Viskoelastische Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.8 Spannung bei Scherung und Dehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Zustandsabhängigkeit der Viskosität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Temperaturverhalten der Viskosität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.2 Temperaturabhängige Viskositätsfunktionen höher viskoser Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.3 Masterkurven von Polymerlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.4 Arrhenius Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.5 William-Landel-Ferry Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.6 Erwärmung des Fluids durch Dissipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.7 Druckabhängigkeit der Viskosität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.8 Druck- und Temperaturabhängigkeit der Viskosität . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83 83 84 84 86 86 88 88 90 94 95 96 98 99 99 100 101 102 105 125 129 132 137 148 157 157 161 163 166 170 174 176 177 177

Inhaltsverzeichnis

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Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Ähnlichkeit und Kennzahlen einer Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Ähnlichkeit einer Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Dimensionslose Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Euler- und Reynoldszahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Strouhalzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Grashof- und Rayleighzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.6 Richardson- und Froudezahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.7 Prandtl- und Pécletzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.8 Brinkman-, Nahme- und Graetzzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.9 Nußelt- und Biotzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.10 Stanton- und Fourierzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.11 Deborah- und Weissenbergzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Ebene Schichtenströmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Die klassischen Grenzschichtgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Integrale Impulsmethode nach von Kármán und Pohlhausen . . . . . 4.3.3 Die Blasius Grenzschichtgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Die Falkner-Skan Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Die Grenzschichtgleichung für Power-Law Fluide . . . . . . . . . . . . 4.3.6 Die Grenzschichtgleichung für ein Carreau Fluid . . . . . . . . . . . . . 4.3.7 Ebene thermische Plattenströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.8 Ebene Kanalströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.9 Ebene Druckschleppströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.10 Thermische Druckschleppströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.11 Thermoviskose, ebene Couette-Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.12 Thermostrukturviskose, ebene Couette-Strömung . . . . . . . . . . . . . 4.4 Rohrströmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Geschwindigkeitsfelder in Rohrströmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Volumenstrom der Rohrströmungen verallgemeinerter newtonscher Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Zerlegung des Volumenstroms in newtonsche und nichtnewtonsche Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4 Die Mooney-Rabinowitsch Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5 Druckverlust der Rohrströmung verallgemeinerter newtonscher Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.6 Thermische Rohrströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.7 Thermoviskose Rohrströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.8 Thermische strukturviskose Rohrströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Taylor-Couette Strömungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Newtonsche Taylor-Couette Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Taylor-Couette Strömung des Power-Law Fluids . . . . . . . . . . . . .

IX

183 183 184 184 187 188 192 193 195 196 200 204 208 210 212 212 219 222 225 227 231 239 248 250 253 254 256 261 261 265 270 271 274 275 288 292 297 298 302

X

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4.6

Radiale Spaltströmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.1 Radiale Spaltströmung des verallgemeinerten newtonschen Fluids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.2 Newtonsche radiale Spaltströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Die Kegel-Platten Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.1 Die allgemeine Kegel-Platten Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.2 Die Kegel-Platten Strömung eines Power-Law Fluids . . . . . . . . . . 4.7.3 Die Kegel-Platten Strömung des Bingham Fluids . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Numerische Simulation thermischer, strukturviskoser Strömungen . . . . . . . 5.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Simulationsumgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Das numerische Simulationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Numerische Modellierung von Stoff- und Zustandsgleichungen . . . . . . . . 5.3.1 Implementierung nichtnewtonscher Fluidmodelle . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Gitterauflösung für thermische strukturviskose Strömungen . . . . . 5.3.3 Die notwendige Einlauflänge für Strömungen thermischer, strukturviskoser Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.4 Die verwendeten Fluidmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.5 Validierung mit Hilfe integraler Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Thermische Schichtenströmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Ebene Kanalströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Thermostrukturviskose Rohrströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.3 Taylor-Couette Strömungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Kontraktionsströmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1 Die 4:1 Kontraktionsströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2 Die 1:3 Expansionsströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3 Die Blendenströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Nachlaufströmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Strömungsteiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

305 307 309 310 311 313 315 318 321 321 322 323 329 329 331 333 334 337 342 342 344 346 351 351 354 359 372 382 390

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Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393

7

Mathematische Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Tensorrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Benutzte Vektoridentitäten und Umformungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Integralsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Integrationsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6 Deutung vektoranalytischer Terme der Erhaltungsgleichungen . . . . . . . . . 7.7 Isotrope Tensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

397 397 398 400 401 402 402 402

Inhaltsverzeichnis

XI

7.8 Isotrope Tensorfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 8

Koordinatensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Kartesische Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Zylinderkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Kugelkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Differenzialgeometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Frenetsche Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6 Partikeltrajektorie im Frenetschen Dreibein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7 Deformation im lokalen, mitgeführten Koordinatensystem . . . . . . . . . . . . 8.8 Verformungsbeschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

405 405 406 408 409 411 414 415 418 420

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421

Tabellenverzeichnis

Tab. 2.1 Tab. 2.2 Tab. 2.3 Tab. 3.1 Tab. 4.1 Tab. 5.1 Tab. 5.2 Tab. 5.3 Tab. 5.4 Tab. 5.5 Tab. 5.6 Tab. 5.7 Tab. 5.8 Tab. 5.9 Tab. 5.10 Tab. 5.11 Tab. 5.12 Tab. 7.1 Tab. 7.2 Tab. 7.3

Invarianten spezieller Strömungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Scherraten und Dehnraten für gemischte Strömungsformen . . . . . . . . . Parametrische Klassifizierung von Dehnströmungen . . . . . . . . . . . . . . . Temperaturabhängige Viskositätsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definitionen der Taylorzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modellierungsansätze für Extraspannungstensoren . . . . . . . . . . . . . . . . Modellierungsansatz für Baysilon M100000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Validierung der Rohrströmung des Carreau Fluids . . . . . . . . . . . . . . . . Validierung der Spaltströmung des Carreau Fluids . . . . . . . . . . . . . . . . Validierung der Rohrströmung des Ellis Fluids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . GeometriederAbloesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Längen der Ablöseblasen der Expansionsströmung des newtonschen und Carreau Fluids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Längen der Ablöseblasen der Blendenströmung des newtonschen und Carreau Fluids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variation der Wandtemperatur der Blendenströmung des Carreau Fluids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dimensionslose Frequenz der Wirbelstraße der untersuchten Fluide . . . Dimensionen der Ablösung der gemittelten Strömung der untersuchten Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strömungssteuernder Temperatureinfluss auf den Massenstrom für das newtonsche und Carreau Fluid . . . . . . . . . . . . . . . Tensorrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differenzialoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vektoranalytische Terme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44 45 46 162 301 330 335 340 342 345 355 358 365 369 377 382 387 398 399 403

XIII

Abbildungsverzeichnis

Abb. 2.1 Abb. 2.2 Abb. 2.3 Abb. 2.4 Abb. 2.5 Abb. 2.6 Abb. 2.7 Abb. 2.8

Abb. 2.9 Abb. 2.10 Abb. 2.11 Abb. 2.12 Abb. 2.13 Abb. 2.14 Abb. 2.15 Abb. 2.16 Abb. 2.17 Abb. 2.18 Abb. 3.1 Abb. 3.2

Veranschaulichung der Kinematik der Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung der Winkel an den Linienelementen . . . . . . . . . . . . . . . . . Kettenregel der Deformationsgradienten nach [6] . . . . . . . . . . . . . . . . Veranschaulichung des relativen Deformationsgradienten . . . . . . . . . . Skizze zur Hintereinanderschaltung von Tensoren . . . . . . . . . . . . . . . . Schematische Darstellung der Schergeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . Uniaxiale Dehnung des zylindrischen Fluidelementes . . . . . . . . . . . . . Links: Geschwindigkeitsprofil der einfachen ebenen Scherströmung, rechts: Stromlinien zeigen abgleitende Scherschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschwindigkeitsprofile (links) und Stromlinien (rechts) der radialen ebenen Scherströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ebene Couetteströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schematische Darstellung der prinzipiellen Dehnströmungen nach [15] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schranken für Strömungsarten im Invariantenraum . . . . . . . . . . . . . . . Klassifizierung der Dehnströmungen nach dem Dehnparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tetraedisches Volumenelement und zugehörige Oberflächenkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Mohrsche Spannungskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transport durch Volumenverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schema des Wärmeüberganges und der Wärmeleitung durch eine Wand nach [34] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veranschaulichung der linearen Viskosität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipieller Verlauf von Fließkurven, 1- newtonsches Fluid, 2 – strukturviskoses bzw. scherentzähendes Fluid, 3 – dilatantes bzw. scherverzähendes Fluid, 4- Fluid mit Fließgrenze . .

10 16 25 26 29 34 36

37 37 38 42 44 46 52 54 55 60 74 89

92

XV

XVI

Abb. 3.3

Abb. 3.4

Abb. 3.5 Abb. 3.6 Abb. 3.7 Abb. 3.8 Abb. 3.9 Abb. 3.10 Abb. 3.11 Abb. 3.12 Abb. 3.13 Abb. 3.14 Abb. 3.15 Abb. 3.16 Abb. 3.17 Abb. 3.18 Abb. 3.19 Abb. 3.20 Abb. 3.21

Abb. 3.22

Abb. 3.23

Abb. 3.24 Abb. 3.25

Abbildungsverzeichnis

Prinzipieller Verlauf von Viskositätskurven, 1- newtonsches Fluid, 2 – strukturviskoses bzw. scherentzähendes Fluid, 3 – dilatantes bzw. scherverzähendes Fluid, 4- Fluid mit Fließgrenze . . Prinzipielle Fließkurven, Zusammenhang der Spannung, Viskositäten und Scherrate für ein dilatantes, newtonsches und strukturviskose Fluid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Stoffe nach [52] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Viskositätsverhalten des scherentzähenden Power-Law Fluids . . . . . . . Viskositätsverhalten des scherverdickenden Power-Law Fluids . . . . . . Verschiebung der Viskositätskurve durch Variation des Konsistenzparameters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konsistenzparametervariation bei scherverdickenden Power-Law Fluiden, Fließindex n = 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Viskositätskurven des Prandtl-Eyring Modells in Abhängigkeit der Zeitkonstante  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispielviskositätskurven des Powell-Eyring Modells . . . . . . . . . . . . . Viskositätskurven für Fluidmodelle in logarithmischer Auftragung . . . Viskositätskurven des Cross Fluidmodells in Abhängigkeit des Fließindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften des Ellis Fluidmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variation des Fließindex für das Ellis Fluidmodell . . . . . . . . . . . . . . . . Cross und Ellis Fluidmodell im Vergleich, gleiche Fluidparameter . . . . Modifikation des Übergangsparameters ˛ für das Yasuda Fluidmodell,  D 0;31 s, n D 0;2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Viskositätskurven für ein Yasuda und Carreau Fluidmodell,  D 0;05 s; ˛ D 3, n D 0;2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modifikation des Fließindex n für das Carreau Fluidmodell  D 0;05 s Experimentell bestimmte Viskositätskurven wäßriger Polymerlösungen nach [102] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Experimentell bestimmte Viskositätskurven ausgesuchter Polymerlösungen, die durch ein Carreau-Yasuda Modell beschrieben werden [10] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Experimentell bestimmte Viskositätskurven einer linearen monodispersen Polystyren-1-Chloronaphthalen-Lösung, die mit Hilfes eines Carreau-Yasuda Modells angenähert werden [10] . . . . Experimentell bestimmte Viskositätskurven ausgesuchter Polymerschmelzen, die mit dem Carreau Modell abgebildet werden können [10] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grafische Veranschaulichung des vereinfachten Carreau-Ansatzes . . . . Prinzipielle Geschwindigkeitsprofile für newtonsche, dilatante und strukturviskose Fluidmodelle bei einer Schichtenströmung für ein Power-Law Fluid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

93 93 108 108 109 109 110 111 112 113 113 114 114 116 118 119 119

120

120

121 121

124

Abbildungsverzeichnis

Abb. 3.26

Abb. 3.27 Abb. 3.28

Abb. 3.29 Abb. 3.30 Abb. 3.31

Abb. 3.32

Abb. 3.33 Abb. 3.34 Abb. 3.35 Abb. 3.36

Abb. 3.37 Abb. 3.38 Abb. 3.39

Abb. 3.40 Abb. 3.41

Abb. 3.42

Geschwindigkeitsprofile für das Ostwald – de Waale Fluidmodell für verschiedene Fließindizes bei einer Schichtenströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipieller Spannungsverlauf eines Bingham Fluids im Vergleich zum newtonschen Fluid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grafische Veranschaulichung des prinzipiellen Spannungsverlaufs und des Geschwindigkeitsprofils des Bingham Fluids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipieller Spannungsverlauf über der Scherrate für modifizierte Bingham Fluidmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipielle Spannungsverläufe über der Scherrate für modifizierte Herschel-Buckley Fluidmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Experimentell bestimmte Viskositätskurve von Blutersatz, 65 % Wasser, 35 % Glyzerin, 0,02 % Xanthumgummi (% in Massenanteil) nach [4] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grafische Veranschaulichung des zeitabhängigen „Gedächtnisses“ des Fluidverhaltens bei zeitlich konstanter Scherrate thixotroper und rheopexer Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipieller Viskositätsverlauf bei thixotropem Verhalten . . . . . . . . . . Prinzipieller Viskositätsverlauf bei rheopexem Verhalten . . . . . . . . . . . Prinzipieller Viskositätsverlauf bei partiell, thixotropem und rheopexem Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grafische Veranschaulichung des prinzipiellen Zeitverlaufs des Elastizitätsmoduls G.t/ und der Relaxationszeit  bei plötzlicher wirkender Schubverformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veranschaulichung des Maxwell-Modells mit Hilfe eines Federdämpfersystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veranschaulichung des Jeffrey-Modells mit Hilfe eines Federdämpfersystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipielle Viskositätsfunktionen einer Polymerschmelze, z. B. Polyethylene niedriger Dichte, bei Dehnung und Scherung nach Cogswell [24] und Laun und Münstedt [55], das Troutonverhältnis von 3 gilt nur für den newtonschen Bereich beider Viskositätsfunktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Experimentell bestimmte Viskositätskurven eines wäßrigen hm-Acrylcopolymers, 0,6 wt %, [51] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transformationsdiagramm, (Q bezeichnet hier die Transformationsmatrix, da T im Kontext den Spannungstensor darstellt.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Experimentell bestimmte Temperaturabhängigkeit der Fließkurve einer 1000 ppm Metallocenen-Polyethylenschmelze (mllpde) [62] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVII

124 126

126 127 128

129

133 133 135 135

140 143 144

149 150

155

159

XVIII

Abb. 3.43

Abb. 3.44 Abb. 3.45 Abb. 3.46

Abb. 3.47

Abb. 3.48 Abb. 3.49 Abb. 3.50

Abb. 3.51 Abb. 3.52

Abb. 3.53 Abb. 4.1 Abb. 4.2 Abb. 4.3 Abb. 4.4 Abb. 4.5

Abb. 4.6 Abb. 4.7 Abb. 4.8 Abb. 4.9 Abb. 4.10 Abb. 5.1

Abbildungsverzeichnis

Beispielhafte Darstellung des temperaturabhängigen B Abfalls der Viskosität für  .T/ D Ae. T /; A D 1;2 Pas, in Abhängigkeit vom Parameter B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Temperaturabhängigkeit der Viskosität bei Polymeren [52] . . . . . . . . . Temperaturabhängigkeit der Viskosität im Vergleich, berechnet nach der De Guzman, Vogel und Walther Gleichung . . . . . . Temperaturabhängigkeit des normierten logarithmischen Viskositätsverlaufes, Variation des Verschiebungsfaktors aT , 0 D 96;5 Pas, Konsistenzparameter K D 20 s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Temperaturabhängigkeit des normierten logarithmischen Viskositätsverlaufes, Variation des Konsistenzparameters K, 0 D 96;5 Pas, Verschiebungsfaktor aT D 0;5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Viskositätskurven eines Cellulose-Acetat-Butyrat (CAB) zur Bestimmung der Masterkurve, [64] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung des Zeit-Temperatur Verschiebungsprinzips nach [61] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Temperaturabhängigkeit des Verschiebungsfaktors aT für eine jeweils konstante Aktivierungsenergie und gegebener universeller Gaskonstante, Tref D 290 K . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Temperaturabhängigkeit des Verschiebungsfaktors aT je nach Modellierungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Temperaturabhängigkeit der Verschiebungsfaktoren aT für die modifizierten WLF Gleichungen im Vergleich, dargestellt über der Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschiedliche Verläufe des Verschiebungsfaktors aT je nach Materialgruppe [34] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skizzierte Entwicklung des Grenzschichtgeschwindigkeitsprofils . . . . . Veranschaulichung der Grenzschicht-, Verdrängungs- und Impulsverlustdicken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veranschaulichung der Verdrängungsdicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ähnlichkeitsgeschwindigkeitsprofil für eine ebene Plattenströmung . . . Einfluss des Fließindex des Ostwald-de Waale Fluids auf das Geschwindigkeitsprofil einer ebenen Kanalströmung, h D 1 m; @p=@x D 4 Pa/m . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Druckverluste in Abhängigkeit des Volumenstroms . . . . . . . . . . . . . . . Bilanz des Wärmeflusses für das radiale Rohrabschnittselement . . . . . . Skizze zur Wärmeflussbehandlung im Rohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skizze zur radialen Spaltströmung nach [9] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skizze zur Kegelplattengeometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Visualisierung des primären Rechengitters in schwarz und des dualen CFD Simulationsgitters in rot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

160 161 162

166

166 167 167

168 171

173 174 213 218 219 225

250 274 278 278 305 310 324

Abbildungsverzeichnis

Abb. 5.2

Abb. 5.3

Abb. 5.4 Abb. 5.5

Abb. 5.6 Abb. 5.7 Abb. 5.8 Abb. 5.9 Abb. 5.10

Abb. 5.11

Abb. 5.12

Abb. 5.13

Abb. 5.14 Abb. 5.15

Abb. 5.16 Abb. 5.17

Ausschnitt des CFD – Gitters für die Validierungssimulation nach [41], zusätzlich eingetragene thermische Randbedingungen für die spätere Validierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschwindigkeitsprofile des Rohrströmungsvalidierungsfalles nach Sochi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Minimales Gitter für die periodische, ebene Couette-Strömung . . . . . . Fließkurve des in der Validierung benutzten Power-Law Fluids, Konsistenzparameter K D 607; 58 Pasn , Fließindex n D 0; 3162 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Temperatur- und Geschwindigkeitsverlauf des Validierungsfalles nach Bognár [6] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Viskositätskurve des verwendeten Ellis Fluidmodells . . . . . . . . . . . . . . CFD – Gitter für die Simulation der Taylor-Couette Strömung, Längsschnitt mit thermischen Randbedingungen . . . . . . . . . CFD – Gitter für die Simulation der Taylor-Couette Strömung, Querschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LIC Visualisierung der Strömung im Mittel- und Querschnitt, Temperatur des beheizten Wandausschnittes 463,15 K, Sekundärströmungen lasssen sich anhand der Wirbelstruktur identifizieren, Farbkonturplot der lokalen Reynoldszahl . . . . . . . . . . . . LIC Visualisierung der Strömung im Mittel- und Querschnitt, Temperatur des beheizten Wandausschnittes 463,15 K, Sekundärströmungen werden anhand der Wirbelstruktur identifiziert, Graustufenbild der lokalen Viskosität . . . . . . . . . . . . . . . . LIC Visualisierung der Strömung im Detailausschnitt, Temperatur des beheizten Wandausschnittes 463,15 K, Sekundärströmungen können anhand der Wirbelstruktur identifiziert werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärströmung, Verlauf der Axialgeschwindigkeitskomponente der Geschwindigkeit in Abhängigkeit der Wandtemperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschnitt des CFD – Gitters für die Simulation einer Kontraktionsströmung, Gitterausschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variationen der Fluideigenschaften des scherentzähenden und dehnverzähenden Carreau Fluids der Kontraktionsströmung nach Niedziela [29] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschnittsansicht: Strömungsstruktur und Eckenwirbel der Kontraktionsströmung des newtonschen Fluids, LIC Visualisierung . . . Ausschnittsansicht: Strömungsstruktur und Eckenwirbel der scherverdünnenden Kontraktionsströmung mit einem Carreau Fluidmodell, 0 D 10 Pas,  D 1; 0 s, n D 0; 2, LIC Visualisierung . . .

XIX

339

340 343

344 344 345 347 348

349

350

350

351 352

353 353

354

XX

Abb. 5.18

Abb. 5.19 Abb. 5.20 Abb. 5.21

Abb. 5.22

Abb. 5.23 Abb. 5.24 Abb. 5.25 Abb. 5.26

Abb. 5.27

Abb. 5.28

Abb. 5.29

Abb. 5.30

Abb. 5.31

Abbildungsverzeichnis

Ausschnittsansicht: Strömungsstruktur und Eckenwirbel der scherverdünnenden Kontraktionsströmung mit einem Carreau Fluidmodell, 0 D 10 Pas,  D 1; 0 s, n D 0; 2, LIC Visualisierung . . . Skizze der Ablöse- und Wirbeleffekte bei einer Expansionsströmung . . CFD – Gitter für die Simulation einer Expansionsströmung, Gitterausschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 W 3 Expansionsströmung des newtonschen Fluids, 0 D 100 Pas, LIC Visualisierung des Geschwindigkeitsfeldes, Konturverlauf des Geschwindigkeitsbetrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 W 3 Expansionsströmung des scherentzähenden Carreau Fluids, LIC Visualisierung des Geschwindigkeitsfeldes, log. Konturverlauf des Betrages der allg. Scherrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 W 3 Expansionsströmung des scherentzähenden Carreau Fluids, log. Konturverlauf der allg. Scherrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CFD – Gitter für die Simulation einer Kontraktionsströmung durch eine Engstelle bzw. Lochblende, Gitterausschnitt . . . . . . . . . . . . Viskositätskurven des newtonschen und scherratenabhängigen scherentzähenden Carreau Fluids der Blendenströmung . . . . . . . . . . . . Blendenströmung des newtonschen Fluids, Strömungsfeld mit Hilfe der Line Integration Convolution Technik für das Geschwindigkeitsfeld visualisiert, farbliche Konturierung mit dem Geschwindigkeitsbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blendenströmung des scherentzähenden Carreau Fluids, Strömungsfeld mit Hilfe der Line Integration Convolution Technik visualisiert, farbliche Konturierung mit dem Geschwindigkeitsbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blendenströmung des scherentzähenden Carreau Fluids, Strömungsfeld wird mit Hilfe der Line Integration Convolution Technik visualisiert, die Scherrate ist graustufig konturiert dargestellt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blendenströmung des scherentzähenden Carreau Fluids, Strömungsfeld mit Hilfe der LIC Technik für das Geschwindigkeitsfeld visualisiert, die lokale Viskosität ist graustufig konturiert dargestellt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blendenströmung des scherentzähenden Carreau Fluids, als überhöhter Graustufenplot wird die lokale Reynoldszahl dargestellt, Gitterausschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blendenströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, wobei die obere stromab gelegene Wand beheizt ist, das Geschwindigkeitsfeld wird mit Hilfe

354 356 356

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358 358 360 361

361

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 5.32

Abb. 5.33

Abb. 5.34

Abb. 5.35

Abb. 5.36

Abb. 5.37

Abb. 5.38

Abb. 5.39

Abb. 5.40

der Line Integration Convolution Technik visualisiert, die Temperaturkontur ist in Graustufen dargestellt, Gitterausschnitt . . . . . . Blendenströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, wobei die obere, stromab gelegene Wand beheizt ist, als Farbkonturplot wird die lokale Reynoldszahl dargestellt, Gitterausschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blendenströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, wobei die obere stromab gelegene Wand beheizt ist, in überhöhter Graustufenkonturierung wird die lokale Prandtlzahl dargestellt, Gitterausschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blendenströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, wobei die obere stromab gelegene Wand beheizt ist, in überhöhter Graustufenkonturierung wird der lokale Temperaturviskositätsverschiebungsfaktor dargestellt, Gitterausschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blendenströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, wobei die obere stromab gelegene Wand beheizt ist, Graukonturplot der lokalen Nahmezahl, Gitterausschnitt . . Variante 1: Blendenströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, wobei jeweils die stromab gelegene obere und untere Wand, Tu D 483; 15 K und To D 423; 15 K, beheizt werden, Farbkonturplot des Geschwindigkeitsbetrages, Gitterausschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante1: Blendenströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, wobei jeweils die stromab gelegene obere und untere Wand, Tu D 483; 15 K und To D 423; 15 K, beheizt werden, Farbkonturplot der lokalen Prandtlzahl, Gitterausschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante 2: Blendenströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, wobei jeweils die stromab gelegene obere und untere Wand, Tu D 423; 15 K und To D 483; 15 K, beheizt werden, Farbkonturplot des Geschwindigkeitsbetrages, Gitterausschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante 2: Blendenströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, wobei jeweils die stromab gelegene obere und untere Wand, Tu D 423; 15 K und To D 483; 15 K, beheizt werden, Farbkonturplot der lokalen Prandtlzahl, Gitterausschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitschrieb der instationär schwankenden Temperatur an einem Sensorpunkt im Blendennachlauf für die zwei Simulationsfälle, mit oberer beheizter Wand und oben und unten beheizter Wand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abb. 5.41 Abb. 5.42 Abb. 5.43

Abb. 5.44

Abb. 5.45

Abb. 5.46

Abb. 5.47

Abb. 5.48

Abb. 5.49

Abb. 5.50

Abb. 5.51

Abb. 5.52

Abb. 5.53

Abbildungsverzeichnis

CFD - Gitter für die Simulation der Zylindernachlaufströmung, Gitterausschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fließkurve des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids für die Zylinderumströmungssimulation . . . . . . . . . . . . Zylinderumströmung des newtonschen Fluids, beheizte Wand, LIC Visualisierung des Strömungsfelds, Temperatur als Konturplot in Graustufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zylinderumströmung des scherentzähenden Carreau Fluids, unbeheizte Wand, LIC Visualisierung des Strömungsfelds, allg. Scherrate als farblicher Konturplot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zylinderumströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, beheizte Wand, LIC Visualisierung des Strömungsfelds, Temperaturverlauf als graustufiger Konturplot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitschrieb der instationär schwankenden Stromabgeschwindigkeit an einem Sensorpunkt im Nachlauf der Zylinderumströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daten der Frequenzanalyse der instationär schwankenden Stromabgeschwindigkeit an einem Sensorpunkt im Nachlauf der Zylinderumströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zylinderumströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, beheizte Wand, LIC Visualisierung des Strömungsfelds, allg. Scherrate als Graustufenkonturplot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zylinderumströmung des scherentzähenden Carreau Fluids, unbeheizte Wand, lokale Reynoldszahl zu einem Zeitpunkt als farblicher Konturplot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zylinderumströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, beheizte Wand, lokale Reynoldszahl zu einem Zeitpunkt als farblicher Konturplot . . . . . . . . . Zylinderumströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, beheizte Wand, lokale Prandtlzahl zu einem Zeitpunkt als graustufiger Konturplot . . . . . . . . . Zylinderumströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, beheizte Wand, der temperaturbedingte Viskositätsverschiebungsfaktor zu einem Zeitpunkt als farblicher Konturplot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemitteltes Geschwindigkeitsfeld der Zylinderumströmung im Fall des scherentzähenden Carreau Fluids, unbeheizte Wand, LIC Visualisierung des gemittelten Strömungsfelds, gemittelte Geschwindigkeit als Graustufenkonturplot . . . . . . . . . . . . . .

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 5.54

Abb. 5.55 Abb. 5.56 Abb. 5.57

Abb. 5.58

Abb. 5.59

Abb. 5.60

Abb. 5.61

Abb. 5.62

Abb. 5.63

Abb. 5.64

Abb. 8.1 Abb. 8.2

Gemitteltes Geschwindigkeitsfeld der Zylinderumströmung im Fall des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, beheizte Wand, LIC Visualisierung des gemittelten Strömungsfelds, gemittelte Geschwindigkeit als Graustufenkonturplot . CFD – Gitter für die Simulation einer sich teilenden Kanalströmung, Gitterausschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keilströmung des newtonschen Fluids, Stromlinien und Geschwindigkeitsbetrag als Konturplot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keilströmung des scherentzähenden Carreau Fluids, unbeheizter Kanal, Stromlinien und Geschwindigkeitsbetrag als Konturplot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keilströmung des scherentzähenden Carreau Fluids, unbeheizter Kanal, LIC Visualisierung des Scherratengradienten, Scherrate als Konturplot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keilströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, untere Kanalwand, beheizt, Stromlinien zeigen Asymmetrie der Strömung, Temperaturverteilung als farblicher Konturplot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keilströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, untere Kanalwand beheizt, Stromlinien und Geschwindigkeitsbetrag als Konturplot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keilströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, untere Kanalwand beheizt, LIC Visualisierung des Strömungsfelds, allg. Scherrate als farblicher Konturplot . . . . . . . . Keilströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, untere Keilwand beheizt, Stromlinien zur Visualisierung des Strömungsfelds, Geschwindigkeitsbetrag als graustufiger Konturplot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keilströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, untere Keilwand beheizt, LIC Visualisierung des Strömungsfelds, allg. Scherrate als farblicher Konturplot . . . . . . . . Keilströmung des temperaturabhängigen, scherentzähenden Carreau Fluids, untere Keilwand beheizt, LIC Visualisierung des Scherratengradienten, Gradient der Scherrate als Konturplot . . . . . Schematische Darstellung einer Raumkurve mit Schmiegekreis . . . . . . Scherströmung zwischen zwei Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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388 411 416

Abkürzungsverzeichnis

BDF

Backward Difference Formula

CDS CFD CFL

Central Differencing Scheme Computational Fluid Dynamics Courant Friedrich Lewy

DFM

Deformation Field Method

FV FVM

Finite Volumen Finite Volumen Methode

LDPE LDPE LIC LLDPE

high density polyethylene low density polyethylene Line Integration Convolution linear low density polyethylene

MPI

Message Passing Interface

OpenFOAM

Open Source Field Operation and Manipulation

PA PP PTFE

Polyamid Polypropylen Polytetrafluorethylen

QUDS

Quadratic Upwind Differencing Scheme

SIMPLE

Semi-Implicit Method for Pressure Linked Equations

THETA

Thermal Heat release Extension of TAU XXV

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

UDS

Upwind Differencing Scheme

VFT

Vogel-Fulcher-Tammann

WLF WRMS

William Landel Ferry Weissenberg, Rabinowitsch, Mooney, Schofield

Symbolverzeichnis

A ˛ ˛ aT a a

Matrix, Tensor 2. Stufe Fließexponent Wärmeübergangskoeffizient Viskositätsverschiebungsfaktor thermische Diffusivität, Temperaturleitfähigkeit Beschleunigungsvektor

B B ˇ Bi Br B1

Linker Cauchy-Green Verzerrungstensor materieller Körper thermischer Expansionskoeffizient Biotzahl Brinkmanzahl Greenscher Verformungstensor

C  cp Ct C1 Cu cv

Rechter Cauchy-Green Verzerrungstensor topologische Abbildung, Konfiguration des Körpers spezifische Wärmekapazität bei konst. Druck Relativer Rechter Cauchy-Green Verzerrungstensor Piola Verformungstensor Carreauzahl spezifische Wärmekapazität bei konst. Volumen

dA D

differenzielles Flächenelement (Maß) Verzerrungsgeschwindigkeitstensor, Deformationsgeschwindigkeitstensor substantielle Zeitableitung lokale, raumfeste Zeitableitung Deborahzahl differenzielle Änderung entlang eines Weges kovariante Oldroydableitung

D Dt d dt

De ı 

XXVII

XXVIII

Symbolverzeichnis

Ä div d @ Dt dV dA dr Dv dX dx

allgemeine Ableitungsoperation Divergenzoperator (raumfest) differenzielle Änderung partielle Ableitung substantielles Zeitelement differenzielles Volumenelement differenzielles Flächenelement Lageänderung, gerichtetes Linienelement substantielles Geschwindigkeitselement materielles Linienelement der Referenzkonfiguration lokales Linienelement

ev E Ec ei Ei ek Ekin Epot " "P Et et  O 1 R Eu

Eigenvektor Almansi Verzerrungstensor Eckertzahl spezifische innere Energie innere Energie, innere Gesamtenergie spezifische kinetische Energie kinetische Energie, kinetische Gesamtenergie potentielle Energie, potentielle Gesamtenergie Dehnung Dehnrate totale Energie, totale Gesamtenergie massenspezifische totale Energiedichte Viskosität, Scherviskosität differenzielle Viskosität obere newtonsche Grenzviskosität reduzierte Viskosität Eulerzahl

F F1 F Fo Fr f Ft F f

absoluter Deformationsgradiententensor räumlicher Deformationsgradiententensor Fließfunktion Fourierzahl Froudezahl Frequenz relativer Deformationsgradiententensor Gesamtkraft volumenspezifische Kraft

 P

Scherwinkel, Scherung Scherrate

Symbolverzeichnis

G O G Gn Gr Grad grad Gz

materielles Greensches Dehnungsmaß linker Cauchy-Greenscher Verzerrungstensor Generation Number Grashofzahl lagrangescher Gradientenoperator Gradientenoperator (raumfest) Graetzzahl

H h P H

Enthalpie, Gesamtenthalpie spezifische Enthalpie Gesamtenthalpiefluss

I I II III

Einheitsmatrix 1. Grundinvariante 2. Grundinvariante 3. Grundinvariante

J j

Funktionaldeterminante, Jacobi Determinante Stromdichtevektor der Wirbelstärke

K 

Konsistenzparameter Verhältnis der spezifischen Wärmekapazitäten

L     L

Referenzlänge Eigenwert Lagrange Multiplikator Zeit stoffspezifische Wärmeleitfähigkeit Geschwindigkeitsgradiententensor

M m  D V

Dehnmodenparameter Fließexponent dynamische Viskosität, newtonsch Dehnviskosität, newtonsch Volumenviskosität, newtonsch

n Na r

Fließindex Nahmezahl Nablaoperator kontravariante Oldroydableitung unbestimmter Normalspannungstensor Normalspannungsdifferenz

r

N Ni

XXIX

XXX

Symbolverzeichnis

Nu n

Nußeltzahl kinematische Viskosität Normalenvektor

! ˝ o

Wirbelstärke, Wirbelstärkevektor Drehgeschwindigkeitstensor Jaumannsche Zeitableitung

p P Pe ˚v ˚ 'e ˚ ˚

'T ˆ 'v Pr

Druck materieller Punkt Pécletzahl Impulsdichtetensor Energiedissipation Gesamtenergiefluss Fluidität Mengengröße Winkel, Umfangsrichtung Temperaturfluss mitschwimmende Größe Impulsstrom Prandtlzahl

Q Q P Q

qP

Wärmemenge allgemeiner Verdrehungstensor Wärmefluss spezifischer Wärmefluss, Wärmestrom

R r Ra R R Re 0 Ri Rs

universelle Gaskonstante Radius, radiale Richtung Rayleighzahl Drehtensor Radius Reynoldszahl Dichte Referenzdichte Richardsonzahl spezifische Gaskonstante

S St

Cauchyscher Spannungstensor Normalspannung Produktionsrate einer Stoffgröße Stantonzahl

Symbolverzeichnis

Sr

Strouhalzahl

T t

1=2

0 T  t

Temperatur Zeit Schubspannung, Scherspannung Bezugsschubspannung Bezugsschubspannung Reibungsspannungstensor Allgemeiner Tensor Spannungsvektor

U U u  u; v; w

rechter Streckungstensor innere Energie, innere Gesamtenergie spezifische innere Energie Gesamtstoffmenge Geschwindigkeitskomponenten

V V V0 v

linker Streckungstensor Volumen Bezugsvolumen Geschwindigkeit

We W

Weissenbergzahl Arbeit

 X x

Temperaturviskosit[Pleaseinsertintopreamble]tseinflusskoeffizient Ortsvektor in substantieller Betrachtung Ortsvektor in lokaler Betrachtung

XXXI

1

Einleitung

In industriellen Prozessen spielen die Kühlung von Bauteilen, der Transfer von Prozesswärme und der Wärmetransport zur Energiewandlung eine wesentliche Rolle in der Gesamteffizienz der verwendeten Anlagen. Insbesondere dann, wenn Fluide als Schmiermittel eingesetzt werden, kommen mineralische oder synthetische Öle als Medium zum Einsatz. Es werden neben gewöhnlichen newtonschen Flüssigkeiten insbesondere nichtnewtonsche Fluide verwendet. Bei den newtonschen Fluiden hängt bei volumenbeständiger Strömung der Reibungspannungstensor linear vom örtlichen Verzerrungsgeschwindigkeitstensor ab, zudem spielt die Historie der Strömung keine Rolle. Dies ist bei den meisten niedrigmolekularen Flüssigkeiten, wie Wasser, Benzin bzw. leichte Mineralöle oder Alkohohle der Fall. Im Gegensatz dazu zeichnen sich nichtnewtonsche Fluide dadurch aus, dass deren Viskosität nicht nur von Druck oder Temperatur sondern auch von der Strömung selbst und insbesondere von den auftretenden Verzerrungsgeschwindigkeiten aber möglicherweise auch von der Vorgeschichte der Strömung, der Historie, abhängt. Bekannte Beispiele für solche Fluide sind Zahnpasten, Farben, Kunststoffschmelzen, Silikonöle, Polymerlösungen, Lacke, Teige und Suspensionen. Die sich unter Umständen sehr stark ändernden rheologischen Eigenschaften der nichtnewtonschen Fluide sind in der Planung verfahrenstechnicher Anlagen zu berücksichtigen, da diese den Widerstand bzw. Druckverlust in technischen Apparaten bestimmen und damit die Effizienz der Prozesse und Anlagen mindern können. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Anlagenkosten. Zudem sind die rheologischen Eigenschaften dieser Fluide noch wesentlich komplexer und bewirken spezielle Strömungsphänomene, die bei den newtonschen Fluiden nicht vorkommen: Sehr bekannt ist der Weissenbergeffekt, bei dem die freie Oberfläche einer viskoelastische Flüssigkeit an einem eingetauchten, stabförmigen, rotierenden Rühren emporsteigt anstatt wie bei einem newtonschen Fluid sich trichterartig abzusenken. Bei einem nach unten gerichteten Freistrahl einer nichtnewtonschen Flüssigkeit lässt sich eine Strahlaufweitung hinter der Mündung einer Düse beobachten. Driftphänomene bei Suspensionen und zu newtonschen Fluidströmungen © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 M. Rütten, Verallgemeinerte newtonsche Fluide, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56226-0_1

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2

1 Einleitung

gegenläufig rotierende Sekundärströmungen sind weitere bekannte Effekte. Solche Phänomene müssen in strömungstechnischen Prozessverfahren berücksichtigt werden, um unerwünschte Auswirkungen auf Produkteigenschaften zu vermeiden. Neben den Verzerrungsgeschwindigkeiten wirkt sich die Temperatur und stattfindender Wärmeintrag stark auf die rheologischen Eigenschaften der zumeist höhermolekuren nichtnewtonschen Fluide aus. Eine temperaturbedingte Änderung der Viskosität bewirkt bei nichtnewtonschen Fluiden stärkere Rückkopplungseffekte, denn die sich strömungs- und temperaturbedingt ändernden rheologischen Fluideigenschaften wirken sich wiederum auf das Strömungsfeld, den damit verbundenen Wärmetransport und somit auf das sich einstellende Temperaturfeld aus. Der Einfluss von Wärmeeintrag auf die viskosen Eigenschaften und damit verbunden Rückwirkungen ist Gegenstand aktueller Forschung, gerade Fragestellungen hinsichtlich auftretender Strömungsstrukturen, des Fließverhaltens und des Wärmetransportes in nichtnewtonschen Fluiden, z. B. in Wärmetauscherkonfigurationen, werden untersucht. Insbesondere in Hinblick auf den Umgang mit Ressourcen und Energie hat die Effizienzsteigerung beim Wärme- und Stofftransport von nichtnewtonschen Fluiden an Bedeutung gewonnen. Es bieten sich verschiedene Ansätze zur Effizienzsteigerung industriellen Wärmetransportes an. Man kann grundsätzlich zwei Methoden unterscheiden: Einerseits werden entweder aktive oder passive Strömungsbeeinflussungsmaßnahmen ergriffen ohne die Fluideigenschaften zu verändern, andererseits findet eine gezielte Anpassung der viskosen Eigenschaften des Fluids statt. Dies kann beispielsweise durch Änderung von Konzentrationen vorhandener Spezies oder durch Zugaben von Additiven erfolgen. Um solche Maßnahmen jedoch gezielt einsetzen zu können, müssen die grundlegenden Eigenschaften der verschiedenen, nichtnewtonschen Fluide, deren Modellierung und die Mechanismen des Stoff- und Wärmetransportes bekannt sein. Diese Arbeit konzentriert sich auf eine bestimmte Klasse der nichtnewtonschen Fluide: Es sind die verallgemeinerten newtonschen Fluide, die strukturviskoses bzw. dilatantes Verhalten unter Scherlasten aufweisen. Diese Klasse der Fluide wird hier unter dem Aspekt des Wämeeintrages diskutiert. Nur wenn die Eigenschaften dieser nichtnewtonschen Fluide hinreichend bekannt sind, deren Modellierung verstanden ist und ihre Transporteigenschaften und das grundsätzlichen Verhalten bei ausgezeichneten Strömungsproblemen ausreichend beschrieben werden kann, lassen sich Möglichkeiten der gezielten Strömungsbeeinflussung, z. B. zur Verbesserung des Wärme- und Stofftransportes in Wärmetauschern industrieller Anwendungen, ableiten. Diese Arbeit setzt sich daher das Ziel, einen Einblick in für technische Anwendungen relevante Strömungsprobleme thermostrukturviskoser Fluide zu geben und einen aktuellen Stand der Forschung auf diesem Gebiet darzustellen. Hierbei wird sich auf die dezidierten Strömungsfälle konzentriert, die insbesondere dazu geeignet sind, die spezifischen Eigenschaften strukturviskoser oder dilatanter Fluide herauszustellen. Über die reinen Impulstransportprobleme hinaus werden insbesondere thermische Problemstellungen diskutiert, da die Auswirkungen des Wärmeeintrages auf das rheologische Verhalten

1

Einleitung

3

bei nichtnewtonschen Fluiden häufig gravierender sind als bei newtonschen Fluiden. Da sogar die rheologischen Eigenschaften der meisten nichtnewtonschen Fluide nicht durch eine analytisch hergeleitete Funktion exakt beschrieben werden können, sind Modellierungsansätze erforderlich. Daher sind im Zielfeld dieser Arbeit gerade die Besonderheiten, die eine Modellierung der rheologischen Eigenschaften der betrachteten Fluide mit sich bringt, wobei sich bewusst in erster Linie auf verallgemeinerte newtonsche Fluide beschränkt wird, jedoch im Fortgang der Arbeit gezeigt wird, dass dieser Fluidmodellierungsansatz für bestimmte Problemstellungen an seine Grenzen stößt und daher gegebenenfalls auf Simulationsmodelle zurückgegriffen werden muss. Entsprechend dieser Zielsetzung gliedert sich diese Schrift in verschiedene Teilbereiche. Zu Beginn werden die kinematischen Grundlagen der Beschreibung einer Strömung wiederholt. Die notwendigen Begriffe und Betrachtungsweisen werden eingeführt und diskutiert. Hier stehen die kinematischen Tensoren und Maße, die die Verzerrung betrachteter Fluidelemente geeignet beschreiben, im Mittelpunkt, da diese grundlegend für eine spätere Materialbeschreibung sind. Zentrale Begriffe sind die Scherrate und die Dehnrate. Diese werden nicht zuletzt anhand der viskosimetrischen Strömungen ausführlich diskutiert. Der Bezug zu der Klassifizierung von Strömungen anhand von Tensorinvarianten wird dargelegt. Grundlegende Überlegungen zur Objektivität werden angestellt, um später auf notwendige Restriktionen von Viskositätsmodellen eingehen zu können. Es folgt eine ausführliche Abhandlung über die Dynamik der Strömung mit ihren beschreibenden Gleichungen. Ergänzend werden auch die Energiegleichung und die zugehörigen notwendigen Gesetze der Thermodynamik in Variationen betrachtet. Diese werden gerade in Hinblick auf die Zustandsgleichungen diskutiert. Zudem werden die grundlegenden Gesetze zum Wärmeübertrag und zur Wärmeleitung diskutiert. Die hier betrachteten dilatanten oder strukturviskosen Fluide besitzen zumeist recht hohe Viskositäten, auch wenn diese stark veränderlich sein können. Hohe Viskositäten führen in der Regel zu schleichenden, laminaren Strömungen kleinerer Reynoldszahl. Das Problem der Turbulenz wird hier bewusst ausgeklammert, obwohl dies ein spannendes Thema auch für nichtnewtonsche Fluide darstellt. Die rheologischen Eigenschaften nichtnewtonscher Fluide werden im Anschluss diskutiert. Hier wird der zentrale Begriff der Rheologie, die Viskosität, ausführlich besprochen. Die verschiedenen Viskositätseigenschaften, nach denen die Fluide charakterisiert und kategorisiert werden, sind Gegenstand der Betrachtungen. Aus diesen werden die unterschiedlichen Fluidmodelle und Fluidklassen abgeleitet. Hier beginnt der Einstieg in die Modellierung der Fluide. Die zu erfüllenden Restriktionen werden ausführlich hergeleitet und dargestellt, Fluidmodelle werden vorgestellt und hinsichtlich der Strömungsphysik ausführlich diskutiert. Anhand grafischer Veranschaulichungen werden die rheologischen Eigenschaften und insbesondere deren Änderung unter der Wirkung von Verzerrungen erklärt und diskutiert. In den meisten Fällen beschränkt sich die Modellierung strukturviskoser Fluide auf den Einfluss der Scherrate auf die Viskosität. Auch hier nimmt dieser Ansatz den wesentlichen Teil der Ausführungen ein, allerdings werden zusätzlich

4

1 Einleitung

Modellierungsansätze vorgestellt, die geeignet sind, das unterschiedliche Verhalten von bestimmten Fluidklassen hinsichtlich Scherung und Dehnung abzubilden. Viskoelastische Fluide werden hier nur kurz angerissen, da diese nicht im Fokus der Ausführungen stehen. Ein besonderer Schwerpunkt der Betrachtungen stellt der Einfluss der Temperatur auf die Viskosität dar. Ausgehend von einer molekular-theoretischen Begründung werden empirische Beobachtungen mit Modellbildungen verknüpft. Die darauf aufbauenden verschiedenen Modellierungsansätze werden vorgestellt, wobei Temperaturverschiebungsansätze eingehend beschrieben werden. Diese Modelle werden in den späteren Beispielsimulationen genutzt. Die Analyse von Strömungen baut auf eine entsprechende Charakterisierung auf. Dazu werden notwendigerweise dimensionslose Kennzahlen herangezogen, da mit diesen der zugrundeliegende Strömungszustand in der Regel bestimmt ist. Im Vergleich zu den newtonschen Fluiden ist dieser bei nichtnewtonschen Fluiden nicht immer so einfach zu bestimmen, da sich die maßgeblichen Fluideigenschaften aufgrund starker Abhängigkeit lokal wirkender Lasten über Größenordnungen hinweg ändern können. Daher verlieren globale Kennzahlen oft ihre Aussagekraft. Lokale Betrachtungen rücken ins Blickfeld und werden hier diskutiert. Ein anderer Schwerpunkt sind bekannte analytische Lösungen für eine Reihe dezidierter Strömungsprobleme. An diesen lassen sich besondere Eigenschaften der betrachteten Fluide herausarbeiten. Hierbier wird sich einerseits auf strukturviskose und thermisch-strukturviskose Fluide und anderseits auf diverse Schichtenströmungen konzentriert. Letztere dienen insbesondere der Verdeutlichung, welche Fluidmodelle überhaupt in der Lage sind, eine physikalische konsistente Beschreibung der Strömungsform wiederzugeben. Da nur die wenigsten technischen Strömungsanwendungen durch analytische Funktionen beschreibbar sind, werden zumeist neben notwendigen Validierungsexperimenten immer mehr numerische Simulationsverfahren eingesetzt. Da auch in dieser Arbeit einige grundlegende Simulationsbeispiele diskutiert werden, wird das dazu eingesetzte numerische Simulationsverfahren vorgestellt. Dieses Finite-Volumen Verfahren wird allerdings nur in kurzer Übersichtsform umrissen, da einerseits schon eine ausreichend große Vielfalt an fachspezifischer Literatur existiert, andererseits nur eine Orientierung hinsichtlich des benutzten Simulationsverfahrens gegeben werden soll. Im Anschluss folgen einige exemplarische Strömungsfälle, die dazu dienen sollen, Strömungseffekte, die aus den Fluideigenschaften strukturviskoser Fluide folgen, darzustellen. Die Strömungsbeispiele orientieren sich an schon bekannten und in der Literatur ausführlich diskutierten Strömungsproblemen, die aufgrund vorhandener experimenteller Datenbasis häufig auch zur Validierung von Vergleichssimulationen herangezogen werden. Neben den herausgestellten Fluideigenschaften wird besonderes Augenmerk auf die Strömungsphänomene gelegt. Es wird anhand von isothermen und thermischen Schichtenströmungen aufgezeigt, wie sensitiv die Viskosität von exemplarischen Fluiden auf Wärme reagiert und wie sich temperaturbedingt Strömungsstrukturen verändern. Insbesondere an Zylindernachlaufströmungen lässt sich zeigen, wie sich auch die Dynamik der Strömung unter

1

Einleitung

5

Temperatureinfluss aber auch unter dem Aspekt der Fluidmodellierung verschiebt. Die daraus abgeleiteten Erkenntnisse werden herangezogen, um beispielhaft eine Strömungssteuerung durch Änderung des Wärmeflusses an dezidierten Rändern zu bewirken. Abschließend werden die wesentlichen Elemente dieser Abhandlung in kurzer Form zusammengefasst, wobei noch einmal die Überlegungen zur temperaturbedingten Strömungssteuerung und zur Tensormodellierung der hybriden Scherdehneigenschaften nachvollzogen werden. Aufgrund der Breite und Komplexität dieses Themas können nicht alle Aspekte im Detail diskutiert werden, dies würden den angedachten Rahmen sprengen. Daher bleiben viele Forschungsaspekte offen. Auf die besonderen Herausforderungen, die sich daraus ergeben, wird verwiesen. Daraus lassen sich mögliche Potenziale für zukünftige Forschungsthemen und Anwendungsgebiete ableiten, sodass das vorgestellte Themenfeld garantiert spannend bleibt. Es bleibt noch darauf hinzuweisen, dass notwendige mathematische Hilfsmittel im Anhang aufgeführt werden, sodass Schritte der verschiedenen Herleitungen und die geometrischen Bezüge z. B. einer Tensormodellierung nachvollziehbar bleiben.

2

Theoretische Grundlagen

2.1

Zusammenfassung

Um die Transportvorgänge in Natur und Technik verstehen und beherrschen zu können, ist eine genaue Beschreibung dieser in mathematischer Form notwendig. Die Entwicklung einer mathematischen Formulierung der Transportvorgänge ist die Aufgabe der Strömungsmechanik. Häufig können jedoch bestimmte strömungsmechanische Phänomene, wie z. B. die Turbulenz, oder fluidmechanische Eigenschaften nicht im Detail erfasst und berechnet werden. Daher muss eine Modellierung solcher Phänomene und Eigenschaften unter bestimmten Annahmen erfolgen. Diese helfen dann, den Transportvorgang mit hinreichender Genauigkeit zu berechnen. Um einen theoretischen Überblick über die in dieser Arbeit auftretenden Transportmechanismen und deren Annahmen zu erhalten, werden in diesem Kapitel die kontinuumsmechanischen Grundlagen des Stoff- und Wärmetransportes in kurzer Form erläutert, wobei hier die viskosen Eigenschaften des Fluids noch nicht betrachtet werden. Dies erfolgt im nachfolgenden Kapitel. Basierend auf der Kontinuumsannahme werden zuerst die kinematischen Grundlagen der Strömungsmechanik eingeführt und die maßgeblichen Begrifflichkeiten und deren zugehörigen Terme erläutert. Von der geeigneten Beschreibung der reinen Bewegung eines Fluidelementes wird sich zu dessen Verformungskinematik vorgearbeitet, wobei die beteiligten Tensoren und zugehörigen Maße eingeführt werden. Es wird gezeigt, wie darauf aufbauend Strömungsformen unterschieden werden können, und wie eine Charakterisierung möglich ist. Die Beschreibung einer Strömung durch entsprechende kinematischen Größen alleine reicht nicht aus, denn es fehlt der Bezug zur Ursache der sich einstellenden Strömung. Es sind vielmehr die auf das Fluid einwirkenden äußeren und inneren Kräfte und damit auch einhergehende Momente, die zu einer Bewegung führen. Diese Kräfte und Momente und deren Wirkung sind Gegenstand der Dynamik. Die Dynamik hat die Aufgabe, geeignete © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 M. Rütten, Verallgemeinerte newtonsche Fluide, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56226-0_2

7

8

2 Theoretische Grundlagen

globale und lokale Beschreibungen für die Wirkung der verschiedenen Kräfte auf das Fluid und die daraufhin erfolgende Bewegung zu formulieren. Die Interaktion der untereinander wirkenden physikalischen Kräfte und Strömungsgrößen wird dann in Form von Bilanzbzw. Erhaltungsgleichungen beschrieben. Dieses Themenfeld wird im zweiten Teil dieses Kapitels behandelt, wobei ausführliche Herleitungen vorgestellt werden. Da in diesem Buch gerade die thermische Strömungen nichtnewtonscher Fluide behandelt werden, ist es notwendig, auch Themenfelder der Thermodynamik zu behandeln. Hier stehen die Zustandsgleichungen, die physikalische Beschreibung des Wärmetransportes und dessen Auswirkungen hinsichtlich sich einstellender Temperaturfelder, die wiederum die Strömung verändern können, im Mittelpunkt der Bertrachtungen.

2.2

Kontinuum

Die Kontinuumstheorie wird in den meisten Bereichen der Strömungsmechanik verwendet. Sie betrachtet Phänomene aus makroskopischer Sicht und berücksichtigt den atomaren Aufbau des Fluids nicht [1]. Vielmehr wird das strömende Fluid statistisch betrachtet, wobei vorausgesetzt wird, dass auch bei Unterteilung des Strömungsgebietes hinreichend viele Atome oder Moleküle im betrachteten Gebiet verbleiben, um eine statistische Aussage über Eigenschaften und das Bewegungs- und damit Strömungsverhalten dieser Atome oder Moleküle zu erhalten. Diese Betrachtung ist dann sinnvoll, wenn die strömungstechnischen Abmessungen sehr groß gegenüber den atomaren Längenmaßstäben sind. Diese Bedingung ist bei allen makroskopischen, technischen Anwendungen im Maschinenbau erfüllt und somit ist die Anwendung der sich aus der Kontinuumsannahme abgeleiteten Gesetzmäßigkeiten möglich. Jedoch ist diese Bedingung in Richtung immer kleiner Skalen, so zum Beispiel auf dem Gebiet der Nanotechnologie nicht mehr unbedingt erfüllt. Dann muss auf partikelbasierte Modellierungen und Methoden zurückgegriffen werden. Der kleinste Teil, aus dem sich das Kontinuum zusammensetzt, wird als materieller Punkt, als Fluidelement oder auch als Fluidteilchen bezeichnet. Man darf sich dies jedoch nicht als so eng abgegrenzt vorstellen, dass Lücken zwischen den Elementen vorhanden sind. Dies ist nicht erlaubt, es gibt nach der Kontinuumsannahme keine Löcher oder ein Vakuum zwischen den Fluidelementen. Diese reihen sich vielmehr lückenlos aneinander. Durch diese Annahme folgt direkt die Möglichkeit der Feldbeschreibung einer strömungsmechanischen Größe. Dadurch kann nun jedem infinitesimalem Punkt des räumlichen Feldes auch eine strömungsmechanische Größe wie z. B. ein Geschwindigkeits- oder ein Druckwert zugeordnet werden. Man spricht dann mit Bezug auf die Geschwindigkeit vom Strömungsfeld. Die Feldbeschreibung ist allerdings noch mächtiger, denn neue strömungsbeschreibende Größen entstehen erst durch die Anwendung von mathematischen Operatoren, die nur auf kontinuierlichen Feldern definiert sind. So entsteht das Wirbelstärkefeld durch Anwendung des Rotationsoperators auf das Geschwindigkeitsfeld. Dieses Vorgehen ist hilfreich, zum Beispiel lassen sich mit der Wirbelstärke viele Strömungsformen beschreiben oder sogar erst berechnen.

2.3

Kinematik

2.3

9

Kinematik

Die Kinematik ist die Lehre von der reinen Bewegung von Teilchen bzw. Punkten ohne auf die dazu notwendigen Kräfte und Momente einzugehen. In der Fluidmechanik treten anstelle der Punkte die schon vorher erläuterten Fluidelemente des Kontinuums. In diesem Abschnitt werden die kinematischen Grundlagen, die zur Beschreibung der Bewegung, aber auch der Deformation eines Körpers bzw. Fluidteilchen notwendig sind, angesprochen. Es wird sich jedoch auf diejenigen kinematischen Grundbegriffe beschränkt werden, die im Laufe dieser Arbeit aufgegriffen und benutzt werden. Die Ausführungen hier folgen in didaktischer Hinsicht der roten Linie, die von Böhme [6] vorgezeichnet wurde. Als kinematische Gleichungen werden diejenigen Gleichungen bezeichnet, die die geometrischen Größen der Bewegung und Deformation von Fluidteilchen zueinander in Beziehung setzen. Vollständige Darstellungen der kontinuumsmechanischen Grundlagen der Kinematik deformierbarer Körper finden sich u. a. in Truesdells Arbeiten [44, 46], in der klassischen Betrachtungen von Batchelor [5] oder in Truckenbrodts Lehrbuch [43]. Zu Beginn wird auf die Bewegung materieller Punkte eingegangen ausgehend von der unterschiedlichen Betrachtungsweise, die ein Beobachter in der Kontinuumsmechanik einnehmen kann. Anschließend wird die Bewegung der Punkte auf Linienelemente erweitert. Zudem wird dem bewegten Punkt eine kleines Volumen V zugewiesen. Damit verbunden ist die Vorstellung von sich bewegenden Flächen- und Volumenelementen, die auch als Fluidelemente angesehen werden. Insbesondere sind für das vertiefte Verständnis von Transportvorgängen die zeitlichen Ableitungen kinematischer Größen ebenso notwendig wie die Angabe von Verzerrungs- und Spannungsmaßen, um Stoffeigenschaften berücksichtigen zu können. Daher wird besonderes Augenmerk auf die Verformung von Fluidelementen und deren Maße gelegt, da diese schließlich in die Berechnung der viskosen Stoffeigenschaften eingehen, siehe z. B. Giesekus [19]. Die mathematische Beschreibung der Strömungsmechanik findet sich u. a. bei Chorin [12] oder bei Childress [10].

2.3.1

Kinematik materieller Punkte / Fluidelemente

Ein materieller Körper B eines Fluids wird als eine Menge materieller Punkte bzw. Teilchen P verstanden, die eine zusammenhängendes Gebiet im euklidischen Raum einnehmen. Die zeitliche Änderung des Gebietes, die der Körper B im Raum einnimmt, wird als Bewegung bezeichnet. Jedem materiellen Punkt wird eineindeutig, d. h. umkehrbar eindeutig, ein Vektor X zugeordnet. Dieser Vektor kennzeichnet keinen bestimmten Ort sondern das Teilchen selbst. X.P /, die Koordinaten dieses Vektors bezeichnet man daher als materielle Koordinaten. Ein hingegen außenstehender Beobachter in einem festen Bezugssystem kennzeichnet den materiellen Punkt mit dem Ortsvektor x. Die mit der Menge materieller Punkte verbundene topologische Abbildung  wird als Konfiguration des Körpers B bezeichnet. Die Abbildungsfunktion nimmt im ortsfesten Bezugssystem folgende Gestalt an:

10

2 Theoretische Grundlagen

x D .P /; P D 1 .x/ :

(2.1)

Der Körper selbst darf nicht mit der Konfiguration verwechselt werden, da dieser mit fortschreitender Zeit unendliche, verschiedene Konfigurationen einnehmen kann. Daher ist es sinnvoll, eine Referenzkonfiguration R einzuführen und die zeitliche Änderung der Konfiguration ausgehend von dieser zu beschreiben. Damit können alle Teilchen .P /, die durch den Vektor X.P / eineindeutig bestimmt sind, durch ihren Ort in dieser Referenzkonfiguration gekennzeichnet werden: X D R .P /; P D 1 R .X/ :

(2.2)

Diese Zusammenhänge sind in Abb. 2.1 skizziert. Die so definierte Abbildung R bildet B in die Referenzkonfiguration BR ab. Die zu einer ausgewählten Zeit t D 0 eingenommene Konfiguration sei als Ausgangskonfiguration B0 definiert und die im Laufe der Bewegung vom Körper eingenommene Konfiguration zur Zeit t als Momentankonfiguration Bt . Die Forderung, zu jeder Zeit einem materiellem Punkt eineindeutig einen Punkt bzw. einen Ortsvektor im Raum zuordnen zu können, bedingt die Invertierbarkeit der oben definierten Abbildungen. Die Ortsvektoren X zur Zeit t D 0 und x.X; t/ zur Zeit t für einen materiellen Punkt P ergeben sich aus den Abbildungen: X D 0 .P /; P D 1 0 .X/ :

(2.3)

BR

P BR

χ t0 P

χt P χR P

P

P v X, t

B t0

Bt

χ t0 BR X

x e3

e1

Abb. 2.1 Veranschaulichung der Kinematik der Bewegung

e2

χ t X, t

χ t BR

2.3

Kinematik

11

Die zeitlich veränderliche Position eines materiellen Punktes im Körper B kann somit beschrieben werden als x D .X; t/ (2.4) bzw. X D 1 .x; t/ :

(2.5)

Anstelle der Abbildungsfunktion wird in der Regel die folgende vereinfachte Schreibweise bevorzugt: x D x.X; t/ : (2.6) und X D X.x; t/ :

(2.7)

Die Geschwindigkeit eines materiellen Punktes kann somit durch die zeitliche Ableitung der momentanen Position des Punktes, die durch die Abbildungsfunktion bestimmt ist, definiert werden, @R .X; t/ Dt .P / D D v.X; t/ ; (2.8) v.P / WD Dt @t was der materiellen Repräsentation entspricht. Hier entspricht die partielle der materiellen Zeitableitung. Die räumliche Repräsentation der Geschwindigkeit ergibt sich aus der Substitution von X durch x, v.X; t/ D v.1 .x; t/; t/ D v.x; t/ :

(2.9)

Weiterführende Überlegungen zur Beschreibung kinematischer Größen mit Hilfe von Abbildungsfunktionen finden sich in Haupt [22].

2.3.1.1 Eulersche und Lagrangesche Betrachtung Größen, die auf die Ausgangs- oder Referenzkonfiguration bezogen werden, heißen materielle oder lagrangesche Größen, während die auf die Momentankonfiguration bezogenen Größen als räumliche oder eulersche Größen bezeichnet werden. Größen in materieller Darstellung werden häufig mit Großbuchstaben und räumliche Größen mit Kleinbuchstaben gekennzeichnet. Feldvariablen wie z. B die Dichte können entsprechend als Funktion von veränderlichen Positionen X mit Bezug auf eine Referenzkonfiguration und fortlaufenden Zeiten t beschrieben werden: D .X; t/ :

(2.10)

Die Funktion (2.10) wird entsprechend als Referenz- oder als lagrangesche Beschreibung des Dichtefeldes bezeichnet, da Lagrange diese Betrachtungsweise schon diskutiert [25].1 1

Wobei er selbst auf Euler verweist.

12

2 Theoretische Grundlagen

Während es bei der lagrangeschen Beschreibung ausreicht, die Dichte von allen materiellen Punkten eines Körpers eindeutig zu beschreiben, ist diese Beschreibung in vielen Fällen der klassischen Strömungsmechanik jedoch weniger praktisch, insbesondere, wenn es darum geht, die Feldvariablen als eine Funktion eines festen Ortes x zu fortlaufenden Zeiten t zu bestimmen: D .x; t/ : (2.11) Die Funktion (2.11) wird die raumfeste oder eulersche Beschreibung genannt. Diese ist unabhängig von der Position eines individuellen materiellen Punktes, vielmehr liefert die Funktion Werte der Dichte an einer festen Position im Raum zu einer jeweils vorgegebenen Zeit. Beide Betrachtungsweisen sind überführbar entsprechend: D .x; t/ D ..X; t/; t/ D .X; t/ :

(2.12)

Es sei angemerkt, dass sowohl die eulersche als auch lagrangesche Beschreibung als jeweiliger Grenzfall der sogenannten „Arbitrary Lagrangian Eulerian“ (ALE) Beschreibungsform angesehen werden können [22]. Letztere findet ihre Anwendung in der Beschreibung von Strömungsproblemen mit materiell bewegten Rändern.

2.3.1.2 Geschwindigkeit und Beschleunigung Die Geschwindigkeit eines materiellen Punktes kann auch hergeleitet werden, indem die differenzielle Lageänderung dr eines materiellen Punktes über einen differenziell kurzen Zeitraum betrachtet wird, [6, 19, 22]. Eine zeitliche Lageänderung wird in materieller Schreibweise wie folgt beschrieben: dr D .X; t/  .X0 ; t/ D xt  x0 :

(2.13)

Der räumliche Grenzübergang führt zur differenziellen Lageänderung dr.X; t/. Die Geschwindigkeit v folgt aus der Zeitableitung der veränderlichen Position X eines materiellen Punktes: D.X; t/ Ddr.X; t/ D : (2.14) v.X; t/ D Dt Dt Analog leitet sich die Beschleunigung als differenzielle Geschwindigkeitsänderung Dv über einen differenziellen Zeitraum Dt ab, dies entspricht einer nochmaligen Zeitableitung der Abbildungsfunktion .X; t/ a.X; t/ D

D2 .X; t/ ; Dt2

(2.15)

bzw. der Zeitableitung der Geschwindigkeit a, also die Beschleunigung: a.X; t/ D

Dv.X; t/ : Dt

(2.16)

2.3

Kinematik

13

Dies entspricht der lagrangeschen Betrachtungsweise, d. h. die Zeitableitung werden auf das mitgeführte materielle Fluidelement angewandt. Diese grundlegenden Betrachtungen finden sich anschaulich bei Tritton [42].

2.3.1.3 Materielle Zeitableitung Transportprozesse können sowohl stationärer oder auch transienter Natur sein. Um die zeitliche Änderung einer transportierten, lagrangeschen Größe ˆ.X; t/ zu beschreiben,2 muss die absolute Zeitableitung dtd gebildet werden. Da diese die zeitliche Änderung einer auf einem Fluidelement mitschwimmenden Größe ˆ beschreibt, wird sie auch materielle bzw. substanzielle Zeitableitung genannt.3 Es wird hier, wie in vielen Monographien D verwendet,4 z. B.: Dˆ.X;t/ . Zur der Fluidmechanik üblich [6, 19, 22], der Operator Dt Dt 5 Durchführung dieser Ableitung wird die Kettenregel genutzt: Dˆ.X; t/ @ˆ.X; t/ @ˆ.X; t/ dX D C : Dt @t @X dt

(2.17)

Da X immer auf das gleiche Fluidelement weist, ist dessen konvektiver Anteil der Ableitung null. Somit reduziert sich (2.17) auf: @ˆ.X; t/ Dˆ.X; t/ D : Dt @t

(2.18)

Damit ist die materielle Zeitableitung einer lagrangeschen Größe ˆ.X; t/ gleich der lokalen Zeitableitung. Die materielle Zeitableitung der entsprechenden Ersatzgröße ˆ.x; t/ in der eulerschen, ortsfesten Beschreibung berechnet sich ebenfalls über die Kettenregel: Dˆ.x; t/ @ˆ.x; t/ @ˆ.x; t/ dx.X; t/ D C : Dt @t @x dt In (2.19) entspricht lässt:

dx.X;t/ dt

der Geschwindigkeit v.X; t/, welche sich wie folgt umschreiben v.X; t/ D v.X.x; t/; t/ D v.x; t/ :

Der Term

@ˆ.x;t/ @x

(2.20)

entspricht der räumlichen Ableitung grad ˆ.x; t/.6 Insgesamt ergibt sich: @ˆ.x; t/ Dˆ.x; t/ D C gradˆ.x; t/  v.x; t/ : Dt @t

2

(2.19)

(2.21)

Hier beispielhaft eine skalare Größe betrachtet. Im Englischen findet sich auch der Begriff fluid-frame time derivative. 4 Es findet sich häufig auch das Symbol dtd , das hier jedoch als raumfeste totale Ableitung verstanden werden soll. 5 Die partiellen Ableitungen werden durch das Symbol @ gekennzeichnet. 6 Da die Gibbsche Notation verwendet wird, wird der räumliche Ableitungsoperator mit grad bezeichnet, alternativ findet man in der Literatur eine Notation in Nabla-Scheibweise mit dem Symbol r. 3

14

2 Theoretische Grundlagen

Die eulersche Form der Ableitung weist somit für einen festen Ort eine reine zeitliche Ableitung und einen konvektiven Ableitungsterm auf. Am Beispiel der Dichte wird dies näher erläutert, wie gezeigt gilt D .X; t/ @ .X; t/ D Dt @t

(2.22)

für die Dichte eines sich fortbewegenden Fluidelementes. Falls diese Ableitung ungleich null ist, so verändert sich die Dichte des betrachteten fortschwimmenden Fluidelementes mit der Zeit, z. B. durch Kompression des Fluidelementes während der Bewegung. Dies entspricht der lagrangeschen Betrachtung. Mit Hilfe der Kettenregel kann, wie gezeigt wurde, die ortsfeste Zeitableitung, welche der eulerschen Betrachtung entspricht, daraus hergeleitet werden. Dann gilt für die Dichte: @ .x; t/ D D C grad .x; t/  v : Dt @t

(2.23)

Somit besteht die materielle Zeitableitung in der eulerschen Betrachtungsweise aus zwei Termen, einer lokalen, zeitlichen Änderung der Dichte am momentanen festen Punkt im Raum und, ebenfalls dort, einer lokalen, räumlichen Ableitung. Für die materielle Zeitableitung der Geschwindigkeit, also die Beschleunigung folgt dementsprechend: @v.x; t/ Dv D C gradv.x; t/  v : Dt @t

(2.24)

Als wesentliches Ergebnis der vorangegangenen Diskussion ist festzuhalten, dass zur Modellierung eines zeitlichen Transportvorganges die materielle Formulierung der Zeitableitung herangezogen werden muss, eine rein lokale Betrachtung im ortsfesten Koordinatensystem reicht nicht aus, da sonst der konvektive Transportanteil nicht berücksichtigt wäre. Ob dann eine weitere Modellierung der beschreibenden Gleichungen in lagrangescher oder eulerscher Form erfolgt, richtet sich nach der jeweiligen Lösungsmethode. So werden die zumeist gitterfreien, numerischen Partikelverfahren naturgemäß entsprechend der lagrangeschen Beschreibung formuliert, gitterbasierte, numerische Verfahren, wie die Finite-Differenzen, Finite-Volumen oder Finite-Elemente Verfahren, folgen zweckmäßiger Weise der eulerschen Beschreibung.

2.3.2

Kinematische Tensoren und Verformungskinematik

Während der Bewegung können sich Fluidelemente auf sehr unterschiedliche Weise verformen. Die mathematische Beschreibung der Verformung von Fluidelementen erfolgt durch sogenannte kinematische Tensoren. Als kinematische Tensoren werden die Tensoren bezeichnet, die die Deformation von Linien-, Flächen- und Volumenelementen entweder in der eulerschen oder lagrangeschen Betrachtung beschreiben.

2.3

Kinematik

15

2.3.2.1 Geschwindigkeitsgradient Mit Gl. (2.24) wurde die materielle Zeitableitung eingeführt. Während die linke Seite die mitgeführte zeitlich Ableitung beschreibt, folgt die rechte Seite der eulerschen Betrachtungsweise. Entsprechend findet sich auf der rechten Seite die lokale zeitliche Ableitung und die lokale räumliche Ableitung. Wie sich ein eulersches Geschwindigkeitsfeld räumlich ändert, wird durch den Geschwindigkeitsgradienten bestimmt. Dieser Tensor zweiter Stufe wird mit L bezeichnet. Er beschreibt, wie sich zwei infinitesimal benachbarte Punkte über einen kleinen Zeitraum relativ zueinander wegbewegen: dr1 D dr0 C .v1  v0 /4t C O.4t2 / :

(2.25)

Umformen ergibt bei Vernachlässigung Terme höherer Ordnung dr1  dr0 D v1  v0 : 4t

(2.26)

Für die Geschwindigkeitsdifferenz lässt sich schreiben 0 v1  v0 D

@u dx @x B @v B dx @ @x @w dx @x

@u dy @y @v dy @y @w dy @y

1

@u dz @z C @v dzC @z A @w dz @z

D L  dr :

(2.27)

Der linke Term in Gl. (2.26) entspricht der materiellen Zeitableitung des Linienelementes dr, somit folgt entsprechend Gl. (2.27): Ddr D L  dr : Dt

(2.28)

Der Tensor L führt eine lineare Transformation des relativen Lagevektors dr in dessen materielle Zeitableitung durch.7 Die materielle Zeitableitung des Lagevektors ist aber die Geschwindigkeit. Damit ist die Geschwindigkeit eines Partikels eine vektorielle Größe, deren lokale Änderung durch die Ableitung nach dem Ort bestimmt wird. Für den Tensor L, der sogenannte Geschwindigkeitsgradiententensor, lässt sich daher schreiben: L D gradv.x; t/ ; bzw. LD 7

@v.x; t/ : @x

Auch hier wird der Notation von Böhme [6] gefolgt.

(2.29)

(2.30)

16

2 Theoretische Grundlagen

In kartesischen Koordinaten schreibt sich dies in Indexnotation wie folgt Lij D

@vi .x; t/ : @xj

(2.31)

Jeder Tensor zweiter Stufe kann zerlegt werden in eine Summe aus einem symmetrischen und schiefsymmetrischen Tensor zweiter Stufe.     @vj 1 @vi @vj 1 @vi C : (2.32) C  Lij D 2 @xj @xi 2 @xj @xi

2.3.2.2 Deformationsgeschwindigkeitstensor Der symmetrische Teil des Geschwindigkeitsgradiententensors L wird als Deformationsgeschwindigkeitstensor, als Verzerrungsgeschwindigkeitstensor oder auch als Verzerrungstensor D bezeichnet:   @vj 1 @vi : (2.33) C Dij WD 2 @xj @xi Seine Komponenten haben eine besondere physikalische Signifikanz, wie Böhme [6] und Wieghardt [47] anschaulich zeigen: Welche Bedeutung die Hauptdiagonalelemente und Nebendiagonalelemente von D für die Deformation eines quaderförmigen Fluidelementes haben, kann anhand der Betrachtung der Deformationsraten zweier kleiner materieller Linienelemente dx1 und dx2 veranschaulicht werden, die das Flächenelement aufspannen, siehe die Skizze in Abb. 2.2. Dazu soll zum einen die materielle Zeitableitung durch die Beträge der Linienelemente und dem Sinus des Winkels  ausgedrückt werden: D D.dx1  dx2 / .jdx1 j  jdx2 jsin. // : D Dt Dt

(2.34)

Dies lässt sich ableiten, was auf D.dx1  dx2 / D.jdx1 j C jdx2 j/ D sin. / C .jdx1 j  jdx2 j/ P cos. / Dt Dt

(2.35)

Abb. 2.2 Darstellung der Winkel an den Linienelementen dx1 γ

α

dx1

2.3

Kinematik

17

führt. Mit Hilfe der Produktregel folgt für die rechte Seite:  D.jdx2 j D.jdx1 j sin. / C .jdx1 j  jdx2 j/ P cos. / : jdx2 j C jdx1 j Dt Dt (2.36) Zum anderen lässt sich die materielle Zeitableitung der aufspannenden Linienelemente direkt durch die Produktregel bestimmen: D.dx1  dx2 / D Dt



D.dx1 / D.dx1  dx2 / D.dx2 / D  dx2 C dx1 Dt Dt Dt D Ldx1  dx2 C dx1  Ldx2 D dx1 LT  dx2 C dx1  Ldx2   D dx1 LT  dx2 C L  dx2

(2.37)

D 2dx1  D  dx2 : Jetzt lassen sich Gl. (2.36) und (2.37) gleichsetzen: 

 D.jdx1 j D.jdx2 j sin. /C.jdx1 j  jdx2 j/ P cos. / D 2dx1  D  dx2 : (2.38) jdx2 j C jdx1 j Dt Dt

Dann wird auf beiden Seiten durch .jdx1 j  jdx2 j/ geteilt: 

 1 D.jdx1 j 1 D.jdx2 j dx2 dx1 C D : sin. / C P cos. / D 2 jdx1 j Dt jdx2 j Dt jdx1 j jdx2 j

(2.39)

Diese Gleichung erlaubt nun folgende Grenzbetrachtungen: Die beiden Linienelemente sollen gleich ausgerichtet sein, d. h. der Zwischenwinkel ˛ ist gleich Null und der Winkel  wird rechtwinklig. Zudem sollen die beiden Linienelemente in Richtung des Koordinateneneinheitsvektors zeigen. Es gilt: dx2 dx1 D D e1 ; jdx1 j jdx2 j und ferner



1 D.jdx1 j 1 D.jdx2 j D jdx1 j Dt jdx2 j Dt

(2.40)  :

(2.41)

Dadurch vereinfacht sich Gl. (2.39) zu:  2 und weiter zu:

1 D.jdx1 j jdx1 j Dt

 D 2e1  D  e1 ;

D.jdx1 j D D11 jdx1 j : Dt

(2.42)

(2.43)

18

2 Theoretische Grundlagen

Dies lässt sich nun wie folgt interpretieren: Das Diagonalelement D11 beschreibt die Änderungsrate der Länge jdx1 j des materiellen Linienelementes dx1 , welches zu der Zeit t parallel zu Achse e1 ausgerichtet ist. Dies entspricht der Dehn- bzw. Stauchgeschwindigkeit des Linienelementes. Die anderen Diagonalelemente lassen sich entsprechend interpretieren. Die Nichtdiagonalelemente von D lassen sich ebenfalls geometrisch interpretieren. Dazu wird wieder eine Grenzbetrachtung angestellt: Jetzt sollen die Linienelemente senkrecht aufeinander stehen, der Winkel  wird Null. Zudem sollen die Linienelemente parallel zu den Basisvektoren e1 und e2 ausgerichtet sein. Jetzt vereinfacht sich Gl. (2.39) zu: P D 2D12 :

(2.44)

Damit beschreibt D12 die Winkeländerung zwischen den Linienelementen zur Zeit t. Verallgemeinert lässt sich feststellen, dass die Nebendiagonalelemente von D der halben Geschwindigkeit, mit der sich die Winkel der zugehörigen Linienelemente verändern, entsprechen. Die Einträge des Tensor D beschreiben also die Längenänderungsraten der Kanten und die Winkeländerungsraten zwischen den Kanten eines momentan quaderförmigen Volumens, das kantenparallel zum vorgegebenen Koordinatensystem ausgerichtet ist. Das materielle Volumen wird also verzerrt, was die Namensgebung erkärt. Die Volumenänderung des Fluidelementes kann durch die Längenänderung der parallel zu den Koordinatenachsen aufspannenden Linienelemente ausgedrückt werden: D .ds1  ds2  ds3 / DdV D Dt Dt Dds1 Dds2 Dds3 D  ds2  ds3 C ds1   ds3 C ds1  ds2  Dt Dt Dt D D11 ds1  ds2  ds3 C ds1  D22 ds2  ds3 C ds1  ds2  D33 ds3

(2.45)

D .D11 C D22 C D33 / ds1  ds2  ds3 D 2 sp.D/ dV D divv dV : Da die Summe der Diagonalelemente von D der Divergenz8 des Geschwindigkeitsfeldes divv entspricht, bestimmt sich die materielle (also zeitliche) Volumenänderung aus der Divergenz der Strömung, schließlich kann die Divergenz des Geschwindigkeitsfeldes als ein Maß für die volumenverändernde Auswirkung von Stauchung und Streckung der aufspannenden Linienelemente des Volumenelementes interpretiert werden.

8

Es wird die Gibbsche Notation verwendet, daher die Schreibweise div.

2.3

Kinematik

19

2.3.2.3 Drehgeschwindigkeitstensor und Wirbelstärke Der schiefsymmetrische Tensor der Zerlegung des Geschwindigkeitsgradiententensors L in Gl. (2.32) wird mit ˝ bezeichnet und heißt Drehgeschwindigkeitstensor,9   1 @vi @vj : ˝ ij WD  2 @xj @xi

(2.46)

In der Matrixdarstellung des Tensors ˝ finden sich die Komponenten des sogenannten Wirbelstärkevektors !, der wie folgt definert ist: ! WD r  v :

(2.47)

Dieser Vektor, der auch Wirbelvektor genannt wird, birgt eine einfache kinematische Interpretation, wie nun gezeigt wird. Für jeden schiefsymmetrischen Tensor (hier am Tensor ˝ gezeigt) gilt prinzipiell folgende Beziehung: ˝  n WD

1 !  n; 2

(2.48)

wobei hier n ein beliebiger Vektor ist. Wird nur der schiefsymmetrische Anteil des Geschwindigkeitsgradienten betrachtet, d. h. wird bei einer Strömung der Deformationsgeschwindigkeitsgradiententensor außer Acht gelassen, so folgt mit Gl. (2.28): Ddr 1 D !  dr : Dt 2

(2.49)

Das bedeutet das materielle Linienelement dr sich mit der Winkelgeschwindigkeit j 12 !j um ! dreht. Da ˝ sich aus den Komponenten von ! zusammensetzt, wird die Bezeichnung als Drehgeschwindigkeitstensor klar. Es ist anzumerken, dass aufgrund dieser Interpretation des Wirbelstärkevektors als Drehvektor des Fluidelementes unterschiedliche Definitionen existieren. Es findet sich in der Literatur auch eine Definition mit dem Vorfaktor 12 : !D

1  r  v: 2

(2.50)

Diese Definition wird jedoch in den nachfolgenden Betrachtungen nicht verwendet, jedoch erzwingt dieser Definitionsunterschied, dass in entsprechenden Veröffentlichungen die Definition der Wirbelstärke anzugeben ist. 9

Man findet auch die Bezeichnung Rotationstensor, doch diese kann verwirren, denn im Englischen ist der „rotatation tensor“der Drehtensor, der in Abschn. 2.3.5.3 beschrieben wird. Der „spin tensor“ ist der Drehgeschwindigkeitstensor.

20

2.3.3

2 Theoretische Grundlagen

Fundamentaltheorem der Kinematik

Mit Hilfe des Geschwindigkeitsgradiententensors und dessen Zerlegung kann auch das Fundamentaltheorem der Kinematik gezeigt werden. Dazu wird die Geschwindigkeit v.x/ eines Fluidelements P an der Stelle x betrachtet, es stellt sich die Frage, wie sich die Geschwindigkeit des Fluidelements hin zu einer neuen Position x C dx verändert. Eine Taylorreihenentwicklung unter Vernachlässigung höherer Terme führt in Komponentenschreibweise auf: @u @u @u dx C dy C dz ; @x @y @z @v @v @v dx C dy C dz ; v .x C dx/ D v.x/ C @x @y @z @w @w @w w .x C dx/ D w.x/ C dx C dy C dz : @x @y @z u .x C dx/ D u.x/ C

(2.51)

Daraus lässt sich der Geschwindigkeitsgradient rekonstruieren: v.x C dx/ D v.x/ C gradv  dx ;

(2.52)

der sich, wie gezeigt wurde, gemäß LDDC˝;

(2.53)

zerlegen lässt. Es folgt: v.x C dx/ D v.x/ C .D C ˝/  dx D v.x/ C D  dx C ˝  dx 1 D v.x/ C D  dx C !  dx : 2

(2.54)

Dies ist das Fundamentaltheorem der Kinematik, das besagt, dass sich die Bewegung eines Fluidelements im Kontinuum aus einer Translation v, einer Deformation D  dx und einer Rotation 12 !  dx zusammensetzt. Die Bedeutung der Wirbelstärke wird durch das fundamentale Theorem der Kinematik ebenfalls ausgedrückt: Die Wirbelstärke ist ein Maß für die lokale Rotation des Fluids, da sie die bestimmende Größe für den Rotationstensor bzw. Drehgeschwindigkeitstensor darstellt, siehe dazu auch Spurk [39], Truesdell [46] und Wieghardt [47].

2.3.4

Verzerrungstensoren

Als Verzerrungstensoren werden diejenigen Tensoren bezeichnet, die eine Punktabbildung von einer Ausgangs- bzw. Referenzkonfiguration auf eine neue Konfiguration ausdrücken.

2.3

Kinematik

21

Nicht nur einmalige also absolute Deformationen bzw. Verzerrungen von einem initialen Zustand zu einem endgültigen neuen Zustand sind von Interesse, vielmehr interessieren auch relative Deformationen oder auch zeitliche Abfolgen von Verzerrungen bestimmter Strömungsformen. Strömungsformen äußern sich in bestimmten Verzerrungstensoren, die Kenntnis dieser Tensoren hilft daher umgekehrt auch Strömungsformen zu klassifizieren. Gerade deshalb geht auch Giesekus [19] sehr ausführlich auf die Verzerrungstensoren und ihre Bedeutung ein.

2.3.4.1 Absoluter Deformationsgradiententensor Um die Verformung bzw. Deformation eines materiellen Linienelementes, und somit darauf aufbauend auch die Verformung eines Fluidelementes, beschreiben zu können, führt man den absoluten Deformationsgradiententensor ein. Dazu wird der Gradient der Deformation bei einer Bewegung eines Linienelementes relativ zur ursprünglichen Referenzkonfiguration betrachtet. Die Frage lautet, wie verändert sich durch die Deformation die Abbildungsfunkton .X; t/ in Bezug auf das ursprüngliche Linienelement der Referenzkonfiguration dX. Diese Überlegung lässt sich tensoriell formulieren zu: FD

d.X; t/ ; dX

(2.55)

dies ist zugleich die Definition des Tensor zweiter Stufe F. Unter der Zuhilfenahme der abkürzenden Schreibweise von (2.4) lässt sich schreiben: FD

dx : dX

(2.56)

Um die physikalische Signifikanz des Tensor F zu verdeutlichen, ist es hilfreich, die Transformation zweier eng benachbarter Punkte zu betrachten. Diese bewegen sich von den Positionen X0 und X in der Referenzkonfiguration zu den Positionen x0 und x in der aktuellen Konfiguration. Für infinitesimal benachbarte Punkten lässt sich dies als Taylorentwicklung um den Punkt x0 wiederum unter Vernachlässigung höherer Terme schreiben: dx  dX ; (2.57) x D x0 C dX wobei hier das Linienelement .x  x0 / der Ausgangskonfiguration und das Linienelement .X  X0 / der Momentankonfiguration differenziell durch dx und dX beschrieben werden. Der Bruch in (2.57) kann entsprechend (2.56) ersetzt werden: x D x0 C F.X0 ; t/  dX :

(2.58)

Dies kann umgeformt werden zu: dx D F  dX ;

(2.59)

22

2 Theoretische Grundlagen

Damit überführt der absolute Deformationsgradiententensor F ein materielles Linienelement der Referenzkonfiguration dX in ein deformiertes Linienelement dx der aktuellen Konfiguration. Deswegen ist für F auch die Bezeichnung materieller Deformationsgradient üblich. Umgekehrt überführt die Inverse von F das momentan vorliegende deformierte räumliche Linienelement in die ursprüngliche materielle Referenzkonfiguration: dX D F1  dx :

(2.60)

Daher wird F1 auch als räumlicher Deformationsgradient bezeichnet [6, 39]. Damit die Invertierung möglich ist, muss F positiv definit sein, siehe dazu 8.4. Eine besondere Bedeutung kommt der Determinante von F zu, denn mit dieser kann die Verformung des Volumens eines Fluidelementes in Bezug zu einer Referenzkonfiguration bestimmt werden. (2.61) dV D .detF/dV0 : Anhand der Bezeichnung dV wird deutlich, dass für das Fluidelement häufig auch der Begriff Volumenelement benutzt wird. Die Determinante von F wird häufig auch als Funktionaldeterminante oder auch Jacobi-Determinante bezeichnet und mit dem Buchstaben J gekennzeichnet, J D detF : (2.62) Daher schreibt man vereinfacht dV D JdV0 :

(2.63)

dV Da die Jacobi-Determinante J D dV die räumliche Volumenänderung bezogen auf das 0 differenzielle Referenzvolumen beschreibt, wird J auch als Expansion bezeichnet. Wie die zeitliche Änderung der Expansion aussieht, kann aus der Betrachtung der substanziellen Ableitung des Volumenelementes hergeleitet werden:

D .JdV0 / DJ DdV0 DdV D D dV0 C J ; Dt Dt Dt Dt

(2.64)

hier ist der letzte Term auf der rechten Seite Null. Jetzt wird die linke Seite mittels der Beziehung (2.45) ersetzt und umgeformt, DJ dV0 D divv dV ; Dt

(2.65)

der Term dV durch JdV0 gemäß Gl. (2.63) ersetzt, DJ dV0 D divv JdV0 ; Dt

(2.66)

2.3

Kinematik

23

Die weitere Vereinfachung führt auf die Eulersche Expansionsformel DJ D divv J : Dt

(2.67)

Die zeitliche Änderung der Funktionaldeterminante skaliert also mit der Divergenz der Geschwindigkeit. Für inkompressible Strömungen behält sie immer den gleichen Wert. Für das Flächenelement dA kann analog die folgende Beziehung dA D .detF/.F1 /T  dA0

(2.68)

ndA D .detF/.F1 /T  n dA0

(2.69)

gezeigt werden. In der Form

mit dem Maß des differenziellen Flächenelementes dA heißt diese auch Nansonsche Formel.

2.3.4.2 Der absolute Deformationsgradiententensor und der Geschwindigkeitsgradient Wie der absolute Deformationsgradiententensor und der Geschwindigkeitstensor zusammenhängen, wird durch nachfolgende Überlegungen dargelegt. Ausgangspunkt ist die Geschwindigkeit: @x.X; t/ Dx.X; t/ D ; (2.70) v.X; t/ D Dt @t die sich umschreiben lässt zu v.X; t/ D v.X.x; t// D v.x; t/ :

(2.71)

Leitet man den Vektor v nach der eulerschen Koordinate x ab, so folgt (2.30), wird jedoch nach der lagrangeschen Koordinate X differenziert, folgt nach der Kettenregel:

Dies ist nichts anderes als

dv.x; t/ dx dv.x; t/ D : dX dx dX

(2.72)

dv.x; t/ D LF : dX

(2.73)

In der Literatur [22] wird häufig hierfür auch die großgeschriebene Version des Gradienten verwendet10 : Gradv.x; t/ D LF : (2.74) 10

Da die Gibbsche Notation verwendet wird, wird für die räumliche Ableitung in lagrangescher Betrachtung das Symbol Grad verwendet.

24

2 Theoretische Grundlagen

Die materielle Ortsableitung der Geschwindigkeit ergibt sich somit über die lineare Transformation des absoluten Deformationsgradiententensor durch den Geschwindigkeitsgradiententensor. Gl. (2.73) kann unter Verwendung des Satzes von Schwarz [9, 11] weiter umgeformt werden zu:

Es folgt unmittelbar

  Dx D dv.x; t/ D Grad F.X; t/ D FP : D dX Dt Dt

(2.75)

P 1 : L D FF

(2.76)

Der Geschwindigkeitsgradiententensor lässt sich somit aus der zeitlichen Änderung des absoluten Deformationsgradiententensors und dessen Inverse bestimmen. Dies verdeutlicht den Zusammenhang D dv.x; t/ F D FP D D L F: Dt dX

(2.77)

Diese Gleichung lässt sich für die zeitlichen Verfolgung des absoluten Deformationsgradiententensors nutzen. Auch die Verzerrungsrate des infinitesimal kleinen materiellen Linienelementes dx, die schon in Abschn. 2.3.2.2 betrachtet wurde, lässt sich mit Hilfe des absoluten Deformationsgradiententensors in Zusammenhang mit dem Geschwindigkeitsgradiententensor zeigen: D Ddxi D FiA dXA Dt Dt @FiA dXA D @t @2 i .X; t/ dXA D @XA @t @vi D XA @XA @vi D FjA dXA @xi D Lij dxj :

(2.78)

Im Prinzip wurde hier wieder auf den Abbildungsansatz aus Abschn. 2.3.1 zurückgespielt.

2.3.4.3 Kettenregel für Deformationsgradienten In der Analyse von zeitlich abhängigen Strömungen ist es nicht immer zweckmäßig, die momentanen Deformationen des Zeitpunktes t auf eine initiale Referenzkonfiguration des Zeitpunktes t0 zu beziehen. Vielmehr kann die Deformation, die ein Fluidelement innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls Œt0 ; t erlebt, interessieren. Vorher hat

2.3

Kinematik

25 F(t0 , t)

dr0

dr

dr F(t0 , t )

Zeit t 0

F(t , t)

Zeit t

Zeit t

Abb. 2.3 Kettenregel der Deformationsgradienten nach [6]

das Fluidelement jedoch schon eine Deformation im Zeitintervall Œt0 ; t0  erfahren, daher muss die Gesamtdeformation sich aus den Deformationen der Teilzeitintervalle berechnen lassen. Für das Intervall Œt0 ; t0  transformiert der Deformationsgradiententensor das Referenzlinienelement zu: dr0 D F.t0 ; t0 /  dr0 : (2.79) Das deformierte Linienelement dr0 wird im Intervall Œt0 ; t weiter deformiert: dr D F.t0 ; t/  dr0 :

(2.80)

Einsetzen von (2.79) in (2.80) ergibt: dr D F.t0 ; t/  F.t0 ; t0 /  dr0 :

(2.81)

Daraus folgt unmittelbar die Kettenregel für Deformationsgradienten: F.t0 ; t/ D F.t0 ; t/  F.t0 ; t0 / ;

(2.82)

die in Abb. 2.3 veranschaulicht ist, siehe auch [6]

2.3.5

Der relative Deformationsgradiententensor

Einige Fluide weisen zeitlich abhängige Stoffeigenschaften auf, d. h. sie verfügen quasi über ein Gedächtnis, was ihre Verformungsgeschichte betrifft: Zeitlich zurückliegende Deformationen wirken sich auf die momentane Viskosität und den momentanen Verformungszustand aus. Daher ist es notwendig, zurückliegende Deformationen zu berücksichtigen, d. h früher erfahrene Deformationen müssen auf die aktuelle Konfiguration

26

2 Theoretische Grundlagen

dr

v(r ,t )

dr v(r,t) Bahnlinie

Zeit t =t−s

Zeit t

Abb. 2.4 Veranschaulichung des relativen Deformationsgradienten

bezogen werden. Ausgangspunkt ist das differenzielle Linienelement dr der aktuellen Konfiguration zur Zeit t. Das Fluidelement hat sich zum vergangenen Zeitpunkt t0 im Deformationszustand dr0 befunden. Um den rückwärts gerichteten zeitlichen Abstand des vergangenen Zustandes zur Gegenwart besser zu erfassen, bietet sich die Einführung der Zeitvariable s WD t  t0 an. Dadurch kann die Deformationsänderung rückwärtsgerichtet durch den relativen Deformationsgradiententensor Ft .r; t; s/ entsprechend der folgenden Definition: (2.83) Ft .r; t; s/ WD grad dr0 .r; t; 0/ ; beschrieben werden. Der relative Deformationsgradiententensor Ft transformiert ein materielles Linienelement dr der aktuellen Zeit t in dessen Lage dr0 zur früheren Zeit t0 D t  s: (2.84) dr0 .r; t; s/ D Ft .r; t; s/  dr.r; t; 0/ : Dies wird in Abb. 2.4 skizziert. Der tiefgestellte Index t kennzeichnet, dass dieser Tensor auf die aktuelle Konfiguration zur Zeit t bezogen wird.

2.3.5.1 Der rechte Cauchy-Green Verzerrungstensor Wie stark sich ein Linienelement dx verformt, muss durch ein geeignetes Maß bestimmt werden. Wenn sich ein Fluidelement und damit die infinitesimale Umgebung der zugehörigen Punkte nur gleichmäßig verschieben, so entspricht der absolute Deformationsgradiententensor F der Einheitsmatrix I. Findet eine reine Festkörperdrehströmung statt, so ist zwar F ¤ I, doch Verzerrungen im eigentlichen Sinne treten nicht auf. Das bedeutet, dass F kein geeignetes Verzerrungsmaß ist [6]. Um Verzerrungen eindeutig bemessen zu können, wird folgende Überlegung angestellt: Wie verändert sich die Länge eines Linienelementes dx? Zur Beantwortung der Frage wird das Quadrat der Länge ds des Linienelementes als Maß betrachtet. Das lagrangesche Pendant der Referenzkonfiguration ist das Linienelement dX, das die Länge dS besitzt und in Richtung des Einheitsvektors e ausgerichtet ist. Das Quadrat der Länge des Vektors dx hängt mit dem Quadrat der Länge des Vektors dX wie folgt zusammen:

2.3

Kinematik

27

ds2 D jdxj2 D dx  dx D F  dX  F  dX D dX  FT  F  dX   D dX  FT  F  dX

(2.85)

D dX  C  dX D dS e  C  dS e D dS2 e  C  e : Das symmetrische Produkt C.X0 ; t0 ; t/ WD FT .X0 ; t0 ; t/  F.X0 ; t0 ; t/

(2.86)

wird als rechter Cauchy-Greenscher Verzerrungstensor oder auch nur als Cauchyscher Verzerrungstensor bezeichnet. Der Tensor C beschreibt die reine Verzerrung der Fluidelemente aber nicht deren Drehung, was sich wie folgt veranschaulichen lässt. Dazu wird das Skalarprodukt zweier materieller Linienelemente, die zur Referenzzeit t0 mit dr0 und ır0 beschrieben werden, berechnet: dr  ır D .F  dr0 /  .F  ır0 / D dr0  .FT  F/  ır0

(2.87)

D dr0  C  ır0 : Fallen die beiden Linienelemente zusammen .dr0 D ır0 /, so reduziert sich C auf ein Hauptdiagonalelement, wie schon anhand von Gl. (2.85) zu erkennen war. Wird z. B. das anfangs parallel zu x-Achse liegende Linienelement der Länge dx0 auf die zur aktuellen Zeit vorliegende Länge ds verzerrt, so ergibt dies:  Cxx D

ds dx0

2 :

(2.88)

Analog können auch die anderen Achsenrichtungen betrachtet werden. Damit beschreibt ein Hauptdiagonalelement des rechten Cauchy-Green Verzerrungstensor, wie sich Linienelemente, die ursprünglich in Bezugsachsenrichtung ausgerichtet waren, sich im Laufe der Bewegung verkürzen oder verlängern. Für die Nichtdiagonalelemente von C gibt es ebenfalls eine geometrische Deutung. Stehen die beiden Linienelemente aus Gl. (2.87) senkrecht aufeinander und sind entsprechend zweier Bezugsachsen ausgerichtet, so lässt sich z. B. mit dr0 D dx0 ex und ır0 D dy0 ey und (2.88) zeigen: dsıs cos ˛ dx0 ıy0 p D Cxx Cyy cos ˛ :

Cxy D

(2.89)

28

2 Theoretische Grundlagen

Die Nichtdiagonalelemente von C beschreiben somit die Winkeländerung zwischen zwei verschränkten Linienelementen. Somit gibt der rechte Cauchy-Green Verzerrungstensor Aufschluss, wie sich ein zur Referenzzeit ursprünglich quaderförmiges Fluidelement über eine verstrichene Zeit verzerrt hat, jedoch nicht, wie es sich gedreht hat. Daher können die Eigenwerte dieses Tensors zur Bestimmung der Verzerrungen herangezogen werden, jedoch nicht, wie dieser ausgerichtet ist.

2.3.5.2 Der relative rechte Cauchy-Greensche Verzerrungstensor In Abschn. 2.3.5 wurde der relative Deformationsgradiententensor eingeführt, um die Historie einer Deformation für Fluide mit Gedächtniseigenschaften beschreiben zu können. In der Behandlung der zeitlichen Abfolge einer Strömung ist es notwendig eine Beschreibung für die vergangene relative Verzerrung zu haben. Dies kann durch den relativen (rechten) Cauchy-Greenschen Verzerrungstensor Ct , der wie folgt definiert ist: Ct .r; t; s/ WD FTt .r; t; s/  Ft .r; t; s/ :

(2.90)

Er hat eine analoge Anschauung wie der rechte Cauchy-Greensche Verzerrungstensor, dies wird ebenfalls durch die folgende Verknüpfung zweier Linienelemente deutlich: dr0  ır0 D dr  Ct  ır :

(2.91)

Die Diagonalelemente beschreiben somit, welche Länge die Linienelemente, die momentan parallel zu den Koordinatenachsen ausgerichtet sind, zu einem früheren Zeitpunkt hatten. Währenddessen beschreiben die Nichtdiagonalelemente die Winkel, die Linienelemente, die momentan senkrecht aufeinander stehen, früher eingeschlossen hatten.

2.3.5.3 Drehungs- und Strecktensoren Ein anderer Zugang zur Herleitung der Cauchyschen Verzerrungstensoren folgt aus der linearen Algebra, wonach sich der absolute Deformationsgradiententensors F eindeutig multiplikativ zerlegen lässt: F D RU D VR : (2.92) Hier sind U und V der rechte und der linke Streckungstensor, wobei gilt: UD

p p FT FV D FFT :

(2.93)

U wird auch als räumlicher Streckungstensor, V als materieller Streckungstensor bezeichnet. Diese Aufspaltung wird auch polare Zerlegung genannt. Der Tensor R ist der Drehtensor, der wegen RRT D RT R D I und RT D R1 orthogonal und natürlich asymmetrisch ist.

(2.94)

2.3

Kinematik

29

Der materielle Strecktensor V ist ein symmetrischer Tensor, da V D VT

(2.95)

ist. Eine gegenseitige Umformung der Streckungstensoren erfolgt durch V D RURT und U D RT VR :

(2.96)

Mit Hilfe von R lassen sich somit die beiden Strecktensoren aufeinander drehen. Setzt man in Gl. (2.56) die jeweiligen Zerlegungen des absoluten Deformationsgradiententensors nach Gl. (2.92) ein, so folgt: dx D R .UdX/ D V .RdX/ :

(2.97)

Damit kann die Deformation als Hintereinanderschaltung von Rotation und Streckung oder umgekehrt als Hintereinanderschaltung von Streckung und Rotation verstanden werden. Das heißt, dass entweder zuerst eine Dehnung oder Stauchung in die Richtung des Hauptachsensystems der Referenzkonfiguration (durch U) stattfindet und dann eine Drehung der Achsen in die neue Konfiguration (durch R), oder, dass zuerst eine Drehung in die Konfiguration stattfindet und dann eine betragsgleiche Dehnung oder Streckung in Richtung des Hauptachsensystems der neuen Konfiguration (durch V) erfolgt. Dies wird in Abb. 2.5 veranschaulicht. Abb. 2.5 Skizze zur Hintereinanderschaltung von Tensoren

RdX

V

R

dX F = RU = VR

U

dx

R

UdX

30

2 Theoretische Grundlagen

Da V ein materieller Streckungstensor ist, folgt, dass seine Komponenten vi vom Wert her zwar die prinzipiellen Verzerrungen entlang der Hauptachsen der Referenzkonfiguration, ei entsprechen, doch die prinzipiellen Achsen von V andere sind als die von U: Uei D vi ei

  V .Rei / D R U RT .Rei / D vi .Rei / :

(2.98)

Von besonderem Interesse sind der relative materielle Streckungstensor und der relative Drehtensor. Die Eigenschaften dieser Tensoren lassen sich über die Zeitableitung des relativen Deformationsgradiententensors, der initial zum Zeitpunkt t0 wie folgt zerlegt wird, Ft0 D Vt0 Rt0 ;

(2.99)

bestimmen: D D D .Vt0 jt0 D0 / Rt0 jt0 D0 C Vt0 jt0 D0 .Rt0 jt0 D0 / : Ft jt0D0 D Dt 0 Dt Dt

(2.100)

Da der relative Dreh- und relative Strecktensor zum Zeitpunkt t0 Einheitstensoren sind, vereinfacht sich dies auf: D D D .Vt0 jt0 D0 / C .Rt0 jt0 D0 / : Ft jt D0 D Dt 0 0 Dt Dt

(2.101)

D Ft0 jt0 D0 D L Ft0 jt0 D0 ist und Ft0 jt0 D0 initial auch ein EinheitsDa gemäß Gl. (2.77) Dt tensor ist, entspricht die zeitliche Ableitung in Gl. (2.101) einer Aufspaltung in einen symmetrischen und asymmetrischen Anteil, und es gilt ferner:

DD

D .Vt0 jt0 D0 / Dt

(2.102)

˝D

D .Rt0 jt0 D0 / : Dt

(2.103)

und

Für die absoluten materiellen Streck- und Dehntensoren ist eine solche Beziehung nicht so einfach aufgebaut. Truesdell [46] zeigt den folgenden Zusammenhang, DD und

  DU 1 DU 1 RT R U C U1 2 Dt Dt

  DR T 1 DU 1 1 DU RT ; ˝D R C R U U Dt 2 Dt Dt

(2.104)

(2.105)

und weist darauf hin, dass damit ein interessanter Punkt in der Kinematik einer Strömung geklärt werden kann: Eine viskose ebene Scherströmung, in der Partikel sich parallel zur

2.3

Kinematik

31

Wand bewegen, weist lokal eine Wirbelstärke auf, die zeitliche Ableitung des Drehtensors ist jedoch Null. Partikel auf konzentrischen Kreisbahnen können sich wirbelstärkefrei bewegen, dahingegen ist die zeitliche Ableitung des Drehtensors ungleich Null. Damit ist die kinematische Bedeutung beider Tensoren unterschiedlich, was Truesdell als wertvoll kommentiert.

2.3.5.4 Der linke Cauchy-Greensche Verzerrungstensor Mit Hilfe der Streckungstensoren lassen sich die Cauchy-Green Tensoren berechnen. Der rechte Cauchy-Green Tensor folgt aus C D FT F D U2 ;

(2.106)

und der nun eingeführte linke Cauchy-Green Tensor B errechnet sich wie folgt: B WD FFT D V2 :

(2.107)

Dieser Tensor wird auch als Fingerscher Verformungstensor oder Fingertensor bezeichnet [19]. Schaut man sich die einzelnen Komponenten des Tensors an, Bij D

@xi @xk : @Xj @Xj

(2.108)

so zeigt sich, dass er zweckmäßigerweise die gegenwärtige Konfiguration auf die Referenzkonfiguration bezieht.

2.3.5.5 Der Piola und der Greensche Verformungstensor In manchen Fällen jedoch soll die vorgegebene Referenzkonfiguration auf die gegenwärtige Konfiguration bezogen werden, das bedeutet: C1 ij D

@Xi @Xk : @xj @xj

(2.109)

Dies schreibt sich analytisch C1 D F FT :

(2.110)

Der Tensor C1 wird als Piola Verformungstensor bezeichnet, durch ihn werden die jeweiligen vorgegebenen Referenzlängen auf eine gegenwärtige Länge bezogen. Auch der Greensche Verformungstensor B1 bezieht die vorgegebene Referenzkonfiguration auf die aktuelle Konfiguration, wobei jedoch nun, eine jeweilige Referenzlänge auf die neuen aktuellen Längen bezogen wird: B1 ij D

@Xj @Xj ; @xi @xk

(2.111)

bzw.: B1 D F1T F1 :

(2.112)

32

2.3.6

2 Theoretische Grundlagen

Verformungsmaße

Wie stark sich ein Fluidelement während einer Strömungsbewegung verformt, ist von der Strömung selbst und natürlich von den Materialeigenschaften des Fluids abhängig. Im einfachen Fall bleiben Materialeigenschaften, wie z. B. die Viskosität, konstant, häufig ist jedoch genau diese selbst abhängig von der Deformation des Fluidelements. Um dies auch numerisch simulieren zu können, muss die Verformung quantitativ bestimmt werden, um wiederum die zugehörigen Materialeigenschaften festzulegen zu können. Verformungsmaße sind daher zwingend notwendig. Da verschiedenste Strömungsarten existieren, man denke zum Beispiel an kompressible und inkompressible Strömungen, gibt es kein einheitliches Verformungsmaß, und somit keins, welches für alle Strömungen geeignet ist, vielmehr werden die jeweils interessierenden Eigenschaften im jeweiligen Maß abgebildet. Aufgrund des komplexen mehrdimensionalen Charakters der Deformationen, haben auch Verformungsmaße tensoriellen Charakter. Eigenwerte oder geeignete Tensornormen können die Dimension herunterbrechen.

2.3.6.1 Greensche Dehnungsmaße Für strömungsmechanischen Betrachtungen kann rein die Längenänderung eines Linienelementes von Interesse sein. Ein geeignetes Maß muss gefunden werden, um die Länge eines Linienelementes der Momentankonfiguration mit dessen Länge in der Referenzkonfiguration vergleichen zu können. Betrachtet wird die Differenz der jeweiligen Quadrate des Linienelementes: dx  dx  dX  dX D FdX  FdX  dX  dX D dX  FT F  dX  dX  dX

(2.113)

D X  .C  I/  dX : Man führt für den Klammerterm in (2.113) den Tensor G mit dem Skalierungsfaktor G WD

1 .C  I/ : 2

1 2

ein:

(2.114)

Der Tensor G wird als materielles Greensches Dehnungsmaß, manchmal auch nur als relativer Verzerrungstensor bzw. lagrangescher Verzerrungstensor, siehe [18] bezeichnet. Falls nur Rotation, aber keine Deformation auftritt, so folgt mit F D I, dass C D I und G D 0 sind. In der Literatur findet sich auch ein entsprechendes räumliches Greensches Dehnungsmaß, dann wird anstelle des rechten Cauchy-Greenschen Verzerrungstensor der O als Bezug genutzt, damit folgt: linke Cauchy-Greensche Verzerrungstensor G O WD 1 .B  I/ : G 2

(2.115)

2.3

Kinematik

33

2.3.6.2 Almansi Dehnungsmaße Wiederum wird die Differenz der Linienelementquadrate in räumlicher Darstellung betrachtet: dx  dx  dX  dX D dx  dx  F1 dx  F1 dx  T 1 D dx  dx  dx  F1 F  dx   1 T 1   dx : F Dx I F

(2.116)

Entsprechend wird jetzt der Klammerterm in (2.116) durch den räumlichen Almansi Verzerrungstensor EO 11 mit dem Skalierungsfaktor 12 ersetzt:  1 I  B1 : EO WD 2

(2.117)

Dieser Tensor ist ein zweites Maß für eine relative Verzerrung. In der Literatur findet sich auch der materielle Almansi-Verzerrungstensor E, der wie folgt definiert ist:  1 I  C1 ; (2.118) ED 2 dieser wird auch als materielles Almansi Dehnungsmaß bezeichnet.

2.3.6.3 Scherrate Wie später noch gezeigt wird, ist die Viskosität nicht immer konstant, neben Druck und Temperatur kann sie für bestimmte Fluide auch von der Verformungsgeschwindigkeit abhängen. Diese Größe nennt man auch die Scherrate bzw. Schergeschwindigkeit . P Im Fall der ebenen einfachen Scherströmungen wird die Scherrate wie folgt definiert: P WD

@u @y

(2.119)

mit u als der Geschwindigkeitskomponente in der Ebene, tangential zur Wand, und y der wandnormalen Richtung.12 Formal kann die eindimensionale Scherrate entsprechend der Abb. 2.6 wie folgt hergeleitet werden: d du D dy dy



ds dt



d D dt



ds dy

 D

d D P ; dt

(2.120)

mit ds als überstrichene Strecke des oberen Randpunkte des Fluidelementes. Die Scherrate kann sowohl negative wie auch positive Werte annehmen. Bei der Formulierung von Häufig wird anstelle von E die Bezeichnung H benutzt, da auch der Begriff Hamel-Almansi Dehnungsmaß geläufig ist. 12 Die Geschwindigkeitskomponenten im Kartesischen werden hier mit u; v; w bezeichnet. 11

34

2 Theoretische Grundlagen u

Abb. 2.6 Schematische Darstellung der Schergeschwindigkeit

du

dy y

γ

x

gebräuchlichen nichtlinearen Fluidmodellen, siehe insbesondere Abschn. 3.5.3, wird der Betrag dieser Scherrate benutzt, da negative Viskositäten auszuschließen sind. Im dreidimensionalen Fall wird häufig die verallgemeinerten Scherrate benutzt, die wie folgt definiert wird: r p 1 sp Œ.L C LT /2  D 2sp .D2 / : (2.121) P WD 2 Verkürzt schreibt man auch r P D

v u X 1 u1 ŒD W D D t Dij Dji : 2 2 ij

(2.122)

Durch diese Rechenvorschrift13 folgt, dass nur die Quadrate der Hauptdiagonalelemente und der Nebendiagonalelemente des Verzerrungsgeschwindigkeitstensor in die Scherrate eingehen. Aus der Definition und der geometrischen Deutung dieser Elemente des Verzerrungsgeschwindigkeitstensors wird klar, dass die Scherrate ein Maß sowohl für die Streckungs- oder Stauchungsgeschwindigkeit von entsprechend ausgerichteten Linienelementen als auch für die Winkeländerungsgeschwindigkeit der Winkel  zwischen den Linienelementen des Fluidelementes darstellt. Dies geht aus der Herleitung und geometrischen Deutung der Gl. (2.43) und (2.44) hervor. Zudem spiegelt sich dies in verallgemeinerten Scherrate wieder, die hier der Einfachheit halber quadratisch ausgeschrieben wird: 13

In der Literatur findet sich häufig auch eine Definition des Deformationstensors ohne den Vorfaktor dieser muss in den Berechnungen entsprechend berücksichtigt werden.

1 , 2

2.3

Kinematik

35

  2  2 @u 2 @v @w P D2 C2 C2 @x @y @z 2      @u @u @v @v @w 2 @w 2 C C C : C C C @y @x @z @x @z @y 

2

(2.123)

Daher wäre es vielleicht vom Sprachgebrauch her angemessener von einer Verzerrungsrate oder einer Verformungsrate zu sprechen.14 Gl. (2.123) zeigt zugleich, dass die verallgemeinerte Scherrate nur noch eine Aussage darüber trifft, ob eine Verformung vorliegt, jedoch nicht darüber, welche Art von Verformung (Scherung, Stauchung oder Dehnung) vorliegt. Dies ist für die Betrachtung isotroper Materialien zumeist ausreichend. In späteren Abschn. 2.3.7 und 3.3.1 wird noch auf Interpretationen und ferner noch auf eine allgemeinere Definition der Scherrate eingegangen, siehe Abschn. 2.3.9. Für spezielle Strömungsformen, wie z. B. die ebenen Schichtenströmungen oder Dehnströmungen, kann sich dieser Zusammenhang erheblich reduzieren, so muss schließlich der zweidimensionale Fall darin enthalten sein. Setzt man in die verallgemeinerte Scherrate den Verzerrungsgeschwindigkeitstensor einer ebenen Schichtenströmung ein, v ! u u 1  @u 2 1  @u 2 p @u t ; C D P D 2sp .D2 / D 2 4 @y 4 @y @y

(2.124)

so erhält man wieder die zweidimensionale Scherrate entsprechend der Gl. (2.119).

2.3.6.4 Dehnrate Neben der Scherrate, die insbesondere bei Schichtenströmungen auftritt, gibt es Strömungen, in denen das Fluidelement in erster Linie einer Dehnung oder Stauchung unterworfen wird. Bei kompressiblen Strömungen besteht zumindest ein Anteil der Deformation aus einer Dehnung. Bei inkompressiblen Strömungen müssen aufgrund der Divergenzfreiheit etwaige Dehnungsanteile der Deformation durch Stauchungen ausgeglichen werden, sodass für das Fluidelement die Strömung volumenerhaltend ist. Unter der Dehnung " versteht sich die Streckung des in Richtung einer Hauptachse ausgerichteten Fluidelementes in Richtung dieser Hauptachse, Stauchung bedeutet Verkürzung des Fluidelementes in Richtung dieser Hauptachse. D. h. die maßgebliche Kante bzw. Bezugslänge ds0 wird zu ds gedehnt oder gestaucht: " WD

ds : ds0

(2.125)

Im Englischen findet sich daher auch der Begriff strain rate für die Verzerrungsrate, manchmal auch mean shear rate für die allg. Scherrate.

14

36

2 Theoretische Grundlagen

Abb. 2.7 Uniaxiale Dehnung des zylindrischen Fluidelementes

u

y dx

ds

x

Deformationen dieser Art sind zeitlich ablaufende Prozesse, daher ist es hilfreich den Begriff Dehngeschwindigkeit bzw. Dehnrate "P einzuführen, diese ist wie folgt definiert: "P WD

dPs : ds

(2.126)

Greift man die Koordinatenzuweisung, wie sie in Abb. 2.7 dargestellt wird, auf, so lässt sich die Dehnrate analog zu Gl. (2.120) schreiben als:     du.x; t/ d ds d" d ds D D D D "P : (2.127) dx dx dt dt dx dt Im Dreidimensionalen muss eine Dehnung nicht nur in eine einzige Richtung erfolgen, sondern prinzipiell in jede Hauptachsenrichtung. Man spricht von biaxialer Dehnung bzw. Stauchung oder im Fall kompressibler Strömungen sogar von triaxialer Dehnung bzw. Stauchung, die mit einer Volumenänderung des Fluidelementes verbunden ist. Die drei möglichen Dehnungen werden, wenn man ein mitgeführtes Dreibein einführt, siehe Abschn. 8.5, als "Pt (Tangentialrichtung), "Pn (Normalenrichtung) und "Pb (Binormalenrichtung) bezeichnet, wobei mit "Pt die Dehnrate in Strömungsrichtung bezeichnet wird. Bei inkompressiblen Fluiden folgt aus der Divergenzfreiheit: "Pt C "Pn C "Pb D 0 :

(2.128)

Wie später noch erläutert wird, spielt die Dehnung gerade auch für bestimmte, nichtlineare Stoffmodelle eine nicht zu vernachlässigende Rolle, wenn spezielle Strömungsformen vorliegen. Dann muss die Dehnung in der Modellierung des Spannungstensors berücksichtigt werden.

2.3.7

Ebene Scherströmungen

Anhand von Strömungen mit eingeschränkter Kinematik können die prinzipiellen Strömungseigenschaften und deren Niederschlag in den beschreibenden kinematischen Tensoren veranschaulicht werden. Dazu werden zunächst die ebenen Scherströmungen betrachtet. In diesem Fall besteht die Strömung aus vielen materiellen Flächen, die übereinander weggleiten und dabei in sich weder verzerrt noch verbogen werden. Im Prinzip

2.3

Kinematik

37

kann man sich jede dieser Gleitflächen als eine feste Wand vorstellen, an der das darunter oder darüber liegende Fluid haftet. Bewegen sich zwei benachbarte, aber nicht angrenzende, geschichtete Flächen relativ zu einander, so wird das dazwischen liegende Fluid geschert. In Abb. 2.8 wird dies für den Fall eines reibungsbehafteten und für den Fall eines reibungsfreien Abgleitens von Fluidschichten jeweils anhand einer Stromlinienskizze veranschaulicht. Man benutzt auch den Begriff der Schichtenströmung, wobei hier nicht vorausgesetzt wird, dass die Bewegung einer kartesischen Koordinatenausrichtung folgen muss. So ist z. B. auch eine Schichtung der Gleitflächen in radialer Richtung r möglich, siehe Abb. 2.9. Für diese besondere Art der Strömung zeigen sich die kinematischen Tensoren in einer einfachen Gestalt. Der Geschwindigkeitsgradiententensor besitzt nur ein Element auf der Nebendiagonalen:

y

y u0

u0

x

x

u1

u1

Abb. 2.8 Links: Geschwindigkeitsprofil der einfachen ebenen Scherströmung, rechts: Stromlinien zeigen abgleitende Scherschichten

y

y vr

x

x

vr vr

Abb. 2.9 Geschwindigkeitsprofile (links) und Stromlinien (rechts) der radialen ebenen Scherströmung

38

2 Theoretische Grundlagen

0

0 L D @0 0

P 0 0

1 0 0A : 0

(2.129)

Der zugehörige symmetrische Verzerrungsgeschwindigkeitstensor besitzt zwei Nichtdiagonalelemente: 0 1 1 0 P 0 2 D D @ 12 P (2.130) 0 0A : 0 0 0 Da dieser Geschwindigkeitsgradiententensor nur ein Nebendiagonalelement und der Verzerrungsgeschwindigkeitstensor dieses als symmetrisches Paarelement aufweist, kann das Nebendiagonalelement als die Scherrate P identifiziert werden, die in diesem Fall nur die Winkeländerungsgeschwindigkeit des Winkels zwischen den entsprechend ausgerichteten Linienelementen des Fluidelementes darstellt. Da dies als zusammen- bzw. auseinanderscheren gesehen wird, leitet sich aus dieser geometrischen Beschreibung der Deformation der Begriff Scherrate ab, siehe Abb. 2.10. Hat der Geschwindigkeitsgradiententensor einen solchen Aufbau, besitzt die Deformation des Fluidelement für diese Strömungsform nur einen Freiheitsgrad. Solche Strömungen nennen sich viskosimetrisch. Die einfachste Scherströmung ist die ebene Schichtenströmung mit übereinander weggleitenden Gleitflächen, ähnlich einem verschobenen Papierstapel. Jede Gleitfläche bewegt sich mit der eigenen oftmals zeitabhängigen Geschwindigkeit tangential fort. Wird ein kartesisches Koordinatensystem eingeführt, in dem die Bewegung in Richtung der x-Koordinate stattfindet, so sind die Geschwindigkeiten in y und z Koordinatenrichtung Null: u D u.y; t/; v D 0; w D 0 :

(2.131)

Damit folgt durch Berechnung des Geschwindigkeitsgradiententensors für die Scherrate: .y; P t/ D

@u.y; t/ : @y

(2.132)

(uW

Abb. 2.10 Ebene Couetteströmung

u1 + du1 dt y

dx

x

dx u1dt

d = – dt

2.3

Kinematik

39

Die Interpretation ist aufschlussreich: Gl. (2.132) zeigt, dass bei einer ebenen Schichtenströmung für gegebenen Ort und Zeit die Scherrate der wandnormalen d. h. senkrecht zur Ebene gerichteten Geschwindigkeitsänderung entspricht. Aus der Überlegung heraus, dass die einzelne Gleitfläche für jeden Zeitpunkt an jedem Ort x über die Koordinate y eindeutig bestimmt ist, denn die Geschwindigkeit in y-Richtung ist ja Null, kann y als eine materielle Koordinate angesehen werden. Das gilt klarerweise auch für die z-Koordinate, denn auch in z-Richtung ist die Geschwindigkeit Null. Damit kann die Position eines Punktes P, der sich zu der aktuellen Zeit t am Ort x; y; z befindet, zur vergangenen Zeit t  s bestimmt werden: x0 D x 

Z

s

u.y; t  sN/dNs; y0 D y; z0 D z :

(2.133)

0

Diese Bewegungsgeschichte wird durch den relativen Deformationsgradienten ausgedrückt: 1 0 1  0 (2.134) Ft D @0 1 0A : 0 0 1 Entsprechend folgt für den relativen Cauchy Verzerrungstensor 0

1 Ct D @ 0 und dessen Inversen

 1 C 2 0

0

C1 t

1 C 2 D@  0

 1 0

1 0 0A ; 1

(2.135)

1 0 0A : 1

(2.136)

Es sei darauf hingewiesen, dass diese vereinfachten ebenen Scherströmungen grundsätzlich wirbelbehaftet sind, die Wirbelstärke wird ebenfalls durch die Scherrate bestimmt. Diese findet sich dann im Drehgeschwindigkeitstensor in der Form 0

0 ˝ D @ 12 P 0 wieder.

1 P 2

0 0

1 0 0A 0

(2.137)

40

2.3.8

2 Theoretische Grundlagen

Reine Dehnströmungen

Das kinematische Gegenstück zu den Schichtenströmungen bilden die reinen Dehnströmungen [6]. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie keine Wirbelstärke besitzen: Die Fluidelemente werden in den drei senkrecht aufeinander stehenden prinzipiellen Achsen nur gestreckt oder gestaucht, sie drehen sich aber keinesfalls, somit ist der Drehgeschwindigkeitstensor ˝ D 0. Damit gehört diese Klasse der Strömungen zu den Potenzialströmungen. Die kinematischen Tensoren L und D besitzen dann bezüglich einer Hauptachse die folgende Diagonalform: 0 "P1 @ LDDD 0 0

0 "P2 0

1 0 0A : "P3

(2.138)

Die Hauptdiagonalelemente sind die Dehngeschwindigkeiten in den drei senkrecht aufeinander stehenden Richtungen. Falls sich eine Dehngeschwindigkeit als negative Summe der anderen zwei ausdrücken lässt, so ist die Strömung isochor, dies ist für inkompressible, d. h. dichtebeständige Fluide der Fall. Die kinematischen Tensoren nehmen die folgende Diagonalform an: 1 0 0 "P1 0 A: (2.139) L D D D @ 0 "P2 0 0 0 "P1  "P2 Das Geschwindigkeitsfeld folgt sofort über den Ansatz v D L.t/ r bei der Wahl eines geeigneten, d. h. entsprechend der Dehnrichtungen ausgerichteten Koordinatensystems: 1 "P1 .t/x A: vD@ "P2 .t/y ."P1 .t/ C "P2 .t//z 0

(2.140)

Unter der Bedingung der Inkompressibilität sind die beiden Dehngeschwindigkeiten "P1 und "P2 räumlich konstant, sie können weiterhin von der Zeit abhängen. Da dadurch alle Fluidelemente zu jeder Zeit in gleicher Weise gedehnt oder gestaucht werden, verhält sich das Fluid homogenen. Daher spricht man auch von homogenen Strömungen. Es sei angemerkt, dass durch eine zeitliche Integration der Dehngeschwindigkeiten über das Intervall Œt  s; t die Dehnungen bestimmt werden können: Z "i .t; s/ WD

s

"Pi .t  sN/dNs; i D 1; 2 :

(2.141)

0

Die über das Zeitintervall Œt  s; t aufintegrierte Dehnung nach Gl. (2.141) stellt zugleich ein natürliches Maß für die relative Dehnung für diesen Zeitraum dar: Ein materieller Punkt, der sich zur Zeit t am Ort r .x; y; z/ befindet, befand sich vormals bei r0 :

2.3

Kinematik

41

0 r0 D @

e"1 .t;s/ x e"2 .t;s/ y

"1 .t;s/C"2 .t;s/

e

1 A:

(2.142)

z

Der relative rechte Cauchy Verzerrungstensor nimmt infolgedessen unter der Voraussetzung, dass die Koordinatenbasis parallel zu den Dehnungshauptachsen gewählt wird, die folgende Gestalt an: 0 2"1 1 e 0 0 (2.143) Ct D @ 0 0 A: e2"2 2."1 C"2 / 0 0 e Dessen Inverse unterscheidet sich nur durch den Vorzeichenwechsel in den jeweiligen Exponenten: 1 0 2"1 e 0 0 A: @ 0 C1 (2.144) 0 e2"2 t D 2."1 C"2 / 0 0 e Die verschiedenen Deformationen des Fluidelementes durch die prinzipiellen Dehnströmungen werden in Abb. 2.11 skizziert. Es sei angemerkt, dass bei reinen Schichtenströmungen der Verzerrungsgeschwindigkeitstensor immer auch einen formal gleichen Aufbau wie der bei reinen Dehnströmungen annehmen kann, denn durch die Wahl eines geeigneten Koordinatensystems kann jeder symmetrische Tensor, so auch der symmetrische Verzerrungsgeschwindigkeitstensor, auf Diagonalform gebracht werden. Jedoch ist bei einer reinen Schichtenströmung eine Komponente auf der Hauptdiagonalen gleich Null, zudem müssen in diesem Fall die Komponenten des Drehgeschwindigkeitstensor von Null verschieden sein.

2.3.9

Invarianten

Aus der linearen Algebra ist wohlbekannt, dass die Eigenwerte eines 3  3 Tensors zweiter Stufe A invariant sind. Die Eigenwerte werden auch als die Wurzeln der charakteristischen Gleichung, det .A  I/ WD 0 ; (2.145) definiert. Man berechnet die Eigenwerte durch Lösen der Eigenwertaufgabe Aev D ev :

(2.146)

Der Eigenvektor ev hat von Null verschiedene Komponenten, wenn die Determinante det .A  I/ verschwindet. Ist der Tensor A symmetrisch, so sind die Eigenwerte stets reelle Zahlen. Liegt der Tensor in Hauptdiagonalform vor, so entsprechen die Eigenwerte den Hauptdiagonalelementen. Gl. (2.145) lässt sich umformen zu

42

2 Theoretische Grundlagen

uniaxial

ν1 = ε˙ t x1 ν2 = – 12 ε˙ t x2 ν3 = – 12 ε˙ t x3

biaxial

ν1 = 12 ε˙ t x1 ν2 = 21 ε˙ t x2 ν3 = – ε˙ t x3

planar

x3 ν1 = ε˙ t x1 ν2 = 0 ν3 = – ε˙ t x3

x1 x2

Abb. 2.11 Schematische Darstellung der prinzipiellen Dehnströmungen nach [15]

 3 C IA 2  IIA  C IIIA D 0 ;

(2.147)

wobei in dieser Form der charakteristischen Gleichung die sogenannten Grundinvarianten I, II, und III von A eingehen. Diese Invarianten berechnen sich wie folgt: IA D spA D 1 C 2 C 3 D a11 C a22 C a33 i 1h .spA/2  spA2 D 1 2 C 1 3 C 2 3 IIA D 2   D .a11 a22 C a22 a33 C a33 a11 /  a223 C a213 C a212 IIIA D detA D 1 2 3 D a11 a22 a33 C 2a23 a13 a12  a22 a213  a11 a223 C a33 a212 :

(2.148)

2.3

Kinematik

43

Wie aus den vorherigen Kapiteln zu entnehmen ist, spielen die Eigenschaften des Verzerrungsgeschwindigkeitstensor D eine maßgebliche Rolle in der Ausprägung der Strömungsform. Durch dessen Invarianten lassen sich die verschiedenen Strömungsformen unterscheiden, zudem lassen sich Schranken für inkompressible Strömungen folgern. Die erste Schranke ergibt sich aus der Forderung nach Divergenzfreiheit, denn dann ist die Spur von D gleich Null. Die erste Invariante ist damit Null. Die Definition der zweiten Invariante reduziert sich auf die negative Spur des Quadrattensors des Verzerrungsgeschwindigkeitstensors, diese Spur selbst ist positiv. Durch das Vorzeichen folgt für inkompressible Strömungen: (2.149) IID < 0 : Zur weiteren Analyse wird eine Variablentransformation eingeführt:  D

IID 2

 13

 ;

D

IIID 2

 23   IID ;  3

(2.150)

wobei die erste Variable einer Gewichtung des Eigenwertes  mit der dritten Invariante und die zweite dem Verhältnis der zweiten und dritten Invariante entspricht. Das führt auf eine neue charakteristische Gleichung: 3  3  C 2 D 0 :

(2.151)

Diese lässt sich analytisch lösen, wobei für  nur reellwertige Lösungen aufgrund der Symmetrie von D erlaubt sind. Um dies zu erfüllen, muss größer Null sein. Daraus lässt sich mit Hilfe der Definition von eine weitere Schranke für das Invariantenverhältnis ableiten: 3 2 (2.152) jIIID j  p .IID / 2 ; 3 3 bzw.

jIIID j

2  p : 3 3 .IID / 3 2

(2.153)

Dieses Verhältnis erlaubt jetzt eine Klassifizierung der Strömung, die Zuordnung der Invarianten zur Strömungsform findet sich in Tab. 2.1. Die in Tab. 2.1 aufgelisteten Invarianten der speziellen Dehn- und Scherströmungen zeigen zudem die grundsätzliche Ähnlichkeit dieser Strömungsformen. Dass die Kinematik der inkompressiblen Strömungen eingeschränkt ist, spiegelt sich auch in den Zahlen3 werten der letzten Spalte deutlich: Das Verhältnis IIID =.IID / 2 kann sich nur im Intervall i h 2 2 bewegen, siehe Abb. 2.12. Damit stellen die reine, einachsige Dehnströmung ; p  3p 3 3 3 und die äquibiaxiale Dehnströmung die Grenzfälle inkompressibler Strömung dar. Eine besondere Bedeutung kommt der zweiten Invariante des Verzerrungsgeschwindigkeitstensor, IID , zu. Es berechnet sich aus dieser die allgemeine Scherrate, die wie

44

2 Theoretische Grundlagen

Tab. 2.1 Invarianten spezieller Strömungen nach Böhme [6] IIID

Strömungstyp

Eigenwerte von D

IID

IIID

einachsige Dehnströmung

"P;  "2P ;  "2P

3 2 "P 4

1 3 "P 4

äquibiaxiale Dehnströmung

"Pb ; 2P"b ; "Pb

3P"2b

2P"3b

2 p 3 2  3p 3

ebene Dehnströmung

"P; P"; 0

"P2

0

0

Scherströmung

1 P ;  12 P ; 2

1 2 P 4

0

0

0

2

3

.IID / 2 3

ebene Scherströmung uniaxiale Strömung biaxiale Strömung

IIID

1

0

–1

–2

0

0,5

1

2

1,5 –IID

2,5

3

Abb. 2.12 Schranken für Strömungsarten im Invariantenraum

in Abschn. 3.5.3 noch gezeigt wird, herangezogen wird, um für bestimmte nichtlineare Fluidmodelle die Viskosität zu bestimmen: P D

p

2sp .D2 / D

p 4IID :

(2.154)

Der Fall der reinen Scherströmung wurde schon diskutiert, siehe Abschn. 2.3.7, für den Fall der rein uniaxialen Dehnströmung ergibt sich für die allgemeine Scherrate der Wert von "Pu , für die rein biaxiale Dehnströmung errechnet sich dieser zu "Pb .15 Liegen solche Strömungsformen vor, so kann der Wert der allgemeinen Scherrate, der sich aus dieser Berechnungsvorschrift ergibt, in der entsprechenden Fluidmodellierung genutzt werden. Im Fall der uniaxialen Dehnung bei inkompressibler Strömung kann die Dehnrate auch über das Verhältnis der dritten zur zweiten Invarianten bestimmt werden: 15

Uniaxial wird mit u indiziert, biaxial mit b.

2.3

Kinematik

45

"Pu D 

3 IIID detD : D6 2 IID sp.D2 /

(2.155)

Zudem liefert diese Gleichung im Fall der reinen Scherströmung für die Dehnrate den Wert Null. Problematisch sind jedoch gemischte Strömungsformen, da dann keine physikalisch eindeutig interpretierbaren Dehn- und Scherraten zu bestimmen sind. Dies lässt sich anhand der Grenzfälle scher-uniaxiale Dehnströmung und scher-biaxiale Dehnströmung zeigen. Die zugehörigen Verzerrungstensoren und nehmen folgende Form an: 0

DuS

"Pu D @ 12 P 0

1 P 2  12 "Pu

0

1 0 "Pb 0 0 A DbS D @ 21 P  12 "Pu 0

1 0 0 A: 2P"b

1 P 2 1 " P 2 b

0

(2.156)

In Tab. 2.2 finden sich die mit Hilfe von Gl. (2.154) für die Scherrate und Gl. (2.155) für die Dehnrate kalkulierten Ergebnisse für diese Strömungsformen. Wie sich anhand dieser Zuordnung erkennen lässt, lassen sich für die gemischten Strömungsformen in den Berechnungstermen die Scherraten- und Dehnratenanteile nicht mehr sauber trennen trotz der unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften von Dehnung und Scherung. Die gegebenen Berechnungsvorschriften sind also nur bedingt geeignet für die Beschreibung einer komplexen dreidimensionalen Strömung. Diese Unzulänglichkeit wirkt sich erschwerend auf die Fluidmodellierung aus, wenn unterschiedliches viskoses Verhalten hinsichtlich Dehnung und Scherung berücksichtigt werden muss, siehe dazu Abschn. 3.5.8.1. Eine weitere parametrische Zuordnung der grundlegenden stationären Dehnströmungsformen für inkompressible Strömungen kann durch Herleitung eines klassifizierenden Parameters erfolgen. Aufgrund der Divergenzfreiheit ist die erste Invariante des Verzerrungsgeschwindigkeitstensors Null: ID D spD D d11 C d22 C d33 D 0 :

(2.157)

Vorausgesetzt, dass eine strömungsbedingte Dehnung vorliegt und somit Eigenwerte bzw. einzelne Diagonalelemente des Verzerrungsgeschwindigkeitstensors ungleich Null sind, Tab. 2.2 Scherraten und Dehnraten für gemischte Strömungsformen p IIID Strömungstyp 4IID 3 2II D p uniaxiale Dehnströmung 3P"u "Pu p äquibiaxiale Dehnströmung 2 3P"b 2P"b Scherströmung uniaxiale Dehnscherströmung biaxiale Dehnscherströmung

P p P 2 C 3P"2u q P 2 C 12P"2b

0 P 2 "P u 2P 2 C6"P u 2" Pb 2P"b C 2P82PC12 "P b

"Pu C

46

2 Theoretische Grundlagen

so kann, wie Stevenson [40] zeigt, das Verhältnis der Diagonalelemente zur Klassifizierung der Dehnströmung genutzt werden: MD

d22 : d11

(2.158)

Nehmen wir eine positiven Wert a für d11 an, a > 0, der auch unabhängig vom Klassifizierungsparameter bzw. Dehnmodenparameter M ist, dann folgt aus (2.157) und (2.158): d11 D a ; d22 D Ma ;

(2.159)

d33 D .M  1/a : Mit Hilfe des Parameters M lassen sich nun die Dehnströmungen zuordnen, dies wird in Tab. 2.3 ausgeführt. Eine zugehörige grafische Repräsentation findet sich in Abb. 2.13. Es sei noch darauf hingewiesen, dass die Indizierung in Gl. (2.158) gewissermaßen willkürlich gewählt ist, denn für die Fälle M D 0; 5; d22 D d33 bzw. M D 2; 0; d11 D d33 können die entsprechend ausgerichteten Achsen x2 ; x3 bzw. x1 ; x3 getauscht werden, ohne dass sich die Klassifizierung der Strömung ändert.

Tab. 2.3 Parametrische Klassifizierung von Dehnströmungen Parameter M

Typ der Dehnströmung

0,5

uniforme, einachsige Dehnströmung

]0,5  1,0[

ungleichförmige, einachsige Dehnströmung

1,0

ebene Dehnströmung

]1,0  2,0[

biaxiale Dehnströmung

2,0

äquibiaxiale Dehnströmung

ε˙11 = ε˙0

ε˙22

=

M ε˙0

ε˙22 M = 2 äquibiaxial

M = 1 planar

ε˙3 3 = – 1 + M ε˙0

ε˙11 M = 0,5 uniaxial

Abb. 2.13 Klassifizierung der Dehnströmungen nach dem Dehnparameter

2.3

Kinematik

47

Auch die zweite und dritte Invariante lassen sich mittels des Dehnmodenparameters darstellen:    1 2 2 2 d11 C d22 D a2 1  M C M 2 ; (2.160) C d33 IID D 2 IIID D detD D d11 d22 d33 D a3 .1  M/ M :

(2.161)

Die hier dargestellte Systematik nach dem Dehnmodenparameter M kann zur Modellierung von gemischten Scher- und Dehnströmungen herangezogen werden, wie in Abschn. 3.5.8 noch gezeigt wird. Worauf hier nicht eingegangen wurde, ist die Deutung der Invarianten des Geschwindigkeitsgradiententensor L hinsichtlich der möglichen verschiedenen Ausprägung der Strömung. Dessen Invarianten verweisen auf eine größere Variationsvielfalt, da die Anteile des Rotationstensors einfließen. Die Strömungsformen können eine zum Teil sehr verwobene Gestalt annehmen, insbesondere dann, wenn konjugiert komplexe Eigenwerte auftreten. Eine detaillierte Aufstellung mit zugehörigen, skizzenhaften Illustrationen findet sich bei Reyn [35], der die Invarianten zur grundlegenden Klassifizierung der Strömung nutzt. Aufbauend auf der Arbeit von Chong [11], der ebenfalls Strömungsformen topologisch klassifiziert, nutzt Ricca [36] die Invarianten, um aus der Topologie von Strömungen auf geometrische Zusammenhänge der Dynamik der Strömung zu schließen. Dallmann [13] klassifiziert anhand der Invarianten die grundlegenden Strömungsstrukturen und untersucht mit der Invariantenentwicklung die Stabilität und Entwicklung unterschiedlicher Strukturen [14].

2.3.10 Objektivität und Zeitableitungen In der Strömungsmechanik spielen gerade die technischen Anwendungen, in der Bauteile rotieren, eine besondere Rolle. So finden sich in der Energie- und Verfahrenstechnik Turbinen, Verdichter oder Pumpen. Für diese Maschinen ist eine genaue Berechnung der Strömung notwendig, um den Wirkungsgrad zu steigern. Im ruhenden Bezugssystem erscheinen deren zugehörigen Strömungen instationär, betrachtet man jedoch die Strömung im mitrotierenden Relativsystem, so scheint oft eine stationäre Strömung vorzuliegen. Da dann das Strömungsfeld leichter zu berechnen, zu analysieren und zu evaluieren ist, erscheint es aus Anwendungssicht zweckmäßig, die Strömung im Relativsystem zu beschreiben. Die Frage, die sich jedoch dabei stellt, ist, welche Größen sind bezugsindifferent bzw. objektiv, und welche nicht. Für die bezugsindifferenten Größen müssen keine Zusatzterme beim Übergang vom Absolut- ins Relativsystem berücksichtigt werden, die bezugsdifferenten Größen erfordern sehr wohl Zusatzterme. Insbesondere bei der Formulierung von Stoffgesetzen ist es notwendig, sicherzustellen, dass diese unabhängig vom gewählten festen oder mitrotierenden Bezugssystem sind. Schließlich widerspricht es der Erfahrung und experimentellen Beobachtung, dass sich

48

2 Theoretische Grundlagen

durch Wechseln des Bezugssystems die materiellen Eigenschaften eines Stoffes verändern. Da Stoffmodelle jedoch durch Tensorbeziehungen formuliert werden, dürfen somit nur objektive Tensoren bzw. objektive tensorwertige Beziehungen verwendet werden. Welche Größen objektiv sind, kann durch bestimmte Rechenregeln bestimmt werden. Ein zweistufiger räumlicher oder Euler-Tensor A ist nur dann objektiv, wenn für dessen Transformation in ein neues Koordinatensystem  die Beziehung A D QAQT

(2.162)

gilt. Dies kann über die Transformation eines auch zeitlich veränderlichen Ortsvektors gezeigt werden. Dabei wird der eine Ortsvektor x.t/ bezüglich des ersten Beobachters durch die zueinander stattfindende Relativdrehung der Bezugssysteme Q und die Relativverschiebung c.t/ des Ursprungs in den Ortsvektor x .t/ D Q.t/A C c.t/

(2.163)

bezüglich eines zweiten Beobachters überführt. Hierbei muss für den Drehtensor Folgendes gelten: (2.164) Q.t/T Q.t/ D Q.t/ Q.t/T D I ; detQ.t/ D 1 : Nur wenn Q.t/ zum Zeitpunkt t diese Bedingung erfüllt, ist liegt eine gleichförmige Starrkörperdrehung vor. Zur Formulierung von Stoffgesetze werden Ansätze für abhängige Konstitutivgrößen, wie z. B. die Spannung, als skalar- oder tensorwertige Funktionen der unabhängigen Konstitutivgrößen, wie z. B. der Deformationsgradient, die Temperatur oder der Druck, aufgestellt. Wie schon erläutert, müssen solche Ansätze auch der Forderung nach der Objektivität genügen. Beschränkt man sich auf isotropes Materialverhalten, so gilt folgende Aussage: Hängt die skalare Funktion f von verschiedenen Sätzen zweistufiger Tensoren Ai und Vektoren ai ab, erfüllt sie die Forderung nach Objektivität, wenn die Bedingung f .QAi QT ; Qai / D f .Ai ; ai /

(2.165)

erfüllt ist. Weiter ist eine zweistufige Tensorfunktion G bei Erfüllung der folgenden Bedingung objektiv: (2.166) G.QAi QT ; Qai / D QG.Ai ; ai /QT : Die Forderung nach Objektivität trifft ebenso auf die Zeitableitung beliebiger Tensoren zu, jedoch ist die materielle Zeitableitung von Euler-Tensoren beliebiger Stufe nicht unbedingt objektiv. Insbesondere der Spannungstensor hat das Problem, dass dessen materielle Zeitableitung nicht objektiv ist, obwohl der Tensor selber objektiv ist. Daher ist es erforderlich, dass in der Momentankonfiguration spezielle Zeitableitungen definiert werden. Diese spezifischen Zeitableitungen werden für die jeweilig gesondert mitgeführten Koordinatensysteme formuliert.

2.3

Kinematik

49

Wird ein Koordinatensystem so mitgeführt, dass es sich zwar mit dem Fluidelement dreht, aber dessen Deformation nicht mitvollzieht, so muss auf den dem Fluidelement zugeordneten Vektor a die folgende Operation angewandt werden: o

a WD

Da  ˝a : Dt

(2.167)

Dies ist die Jaumannsche Zeitableitung [24], gekennzeichnet durch o . Diese Zeitableitung spiegelt nur die Deformation des Fluidelementes im Relativsystem wieder, wenn das Relativsystem nur die Drehung des Fluidelementes mitmachen soll. Daher müssen die Drehanteile aus der materiellen Zeitableitung herausgerechnet werden. Unterliegt das Koordinatensystem auch dessen Deformation, so wendet man die kontravariante Oldroydableitung an: r

a WD

Da  La : Dt

(2.168)

Diese wird mit r gekennzeichnet. Da hier das mitgeführte Koordinatensystem die Drehung und die Deformation des Fluidelement mitmacht, werden neben den Drehanteilen auch die Deformationsterme von der reinen materiellen Zeitableitung abgezogen, beides ist in L enthalten. In der Literatur findet auch die kovariante Oldroydableitung [31, 32] ihre Anwendung, 

a WD

Da C LT a ; Dt

(2.169)

der das Symbol  zugeordnet wird [26]. Diese Zeitableitung beschreibt die Änderung eines einem Flächenelement zugeordnetem Vektor im mitbewegten Relativsystem, wobei sich jetzt das System nur translatorisch bewegt, das Flächenelement jedoch wiederum Rotation und Deformation erlebt. An dieser Stelle wird in Bezug auf den später eingeführten Spannungsbegriff etwas vorausgegriffen, dies dient der besseren Veranschaulichung der Objektivität: Analoge Überlegungen gelten insbesondere für die zu betrachteten Spannungstensoren. So beschränkt sich z. B. die Wahrnehmung von Spannungsänderungen durch einen Beobachter in einem rotierenden Koordinatensystem auf den Anteil, der aufgrund der Spannungsänderungen im mitdrehenden Koordinatensystem zustande kommt, während Spannungsänderungen, die von einer Translation oder Rotation herrühren, von einem Beobachter in einem mitrotierenden Koordinatensystem nicht wahrgenommen werden. Das Prinzip der materiellen Objektivität fordert jedoch, dass das Materialverhalten nicht von der Einbettung des Beobachters in ein irgendwie geartetes Koordinatensystem abhängen darf [45, 49]. So muss z. B. für den Fall eines Beobachterwechsels durch eine zusätzliche Rotation, dargestellt durch einen orthogonalen Tensor Q, für die Transformationseigenschaften der Spannungen gelten: (2.170) T D QTQT :

50

2 Theoretische Grundlagen

Das alleine reicht jedoch nicht aus, um die Änderungsrate der Spannungen zu beschreiben. Für eine mit dem Tensor  gebildete objektive Spannungsrate16 ÄT DT D  T C T Ät Dt

(2.171)

muss die folgende allgemeine Transformationseigenschaft gelten,   D QQT C

DQ T Q ; Dt

(2.172)

um eine objektive Zeitableitung zu erhalten. Objektive Ableitungen, die diese Transformationseigenschaften erfüllen müssen, werden dadurch bestimmt, dass  spezifiziert wird. So kann z. B. der Rotationstensor ˝ eingesetzt werden: o

T WD

DT  ˝T C T˝ : Dt

(2.173)

Dies ist die oben schon erläuterte Jaumannsche Zeitableitung. Durch Setzen von Geschwindigkeitsgradiententensor L folgt die schon bekannte kontravariante Oldroydableitung, die für bestimmte Stoffgesetze ihre Anwendung findet: r

T WD

DT  LT  TLT : Dt

(2.174)

Hier werden sowohl die Drehanteile als auch die Deformationsterme von der materiellen Zeitableitung abgezogen, da das mitgeführte Koordinatensystem die Drehung und die Deformation des Fluidelement erfährt. Analog dazu ist die kovariante Oldroydzeitableitung definiert:  DT C LT T C TL : T WD (2.175) Dt Jetzt hat sich das Koordinatensystem wiederum rein translatorisch bewegt, der Tensor erlebt jedoch Rotation und Deformation. Auch komplexere Ersetzungen sind je nach BeRT anstelle von  in Gl. (2.172) eingesetzt, so ergibt trachtung möglich: Wird z. B. DR Dt sich die Green-Nagdhi Zeitableitung [21, 27, 28]: DR T DT DR T  R TCT R : TO WD Dt Dt Dt

(2.176)

Weiterführende Erläuterungen zu diesem Thema finden sich bei Xiao, Bruhns und Meyers [48] oder bei Altenbach [1]. Im Anhang wird auf den Zusammenhang der kovarianten und kontravarianten Ableitungen noch weiter eingegangen, siehe 8.4. 16

Mit dem Symbol Ä wird hier die allgemeine objektive Ableitung gekennzeichnet.

2.3

Kinematik

51

Diese Überlegungen verdeutlichen, dass gerade im Fall von Stoffgleichungen, in denen nicht nur der aktuelle Deformationszustand eingeht sondern auch dessen Historie, objektive Ableitungen zu verwenden sind, um den Spannungszustand bestimmen zu können. Die Schowalter-Zeitableitung [38], die mit Þ symbolisiert wird, ist eine allgemeine Form einer objektiven materiellen Zeitableitung: Þ

TD

DT  LT  TLT C  .TD C DT/ : Dt

(2.177)

Durch geschicktes Umformen der Schowalter-Zeitableitung zeigt sich, dass diese zwischen der kontravarianten und kovarianten Oldroyd Ableitung interpoliert: Þ

TD

1  aM 1 C aO TC T: 2 2

(2.178)

Mit Hilfe des Parameters a kann das Gewicht der beiden Ableitungen bestimmt werden. Die schon bekannte kovariante Oldroyd Ableitung ergibt sich durch Wahl von a D 1 in Gl. (2.178). Durch Setzen von (a D 1) ergibt sich wiederum die kontravariante Oldroyd-Ableitung. Diese besondere, erweiterte materielle Zeitableitung eines Vektorbzw. Tensorfeldes wird im Englischen mit „upper convected time derivative“ oder auch als upper Lie derivative bezeichnet. Diese Form der verallgemeinerten zeitlichen Ableitung eines Vektor- oder Tensorfeldes führt nicht nur einen Übergang in ein bewegtes Koordinatensystem durch, sondern es findet eine direkte Transformation in ein Koordinatensystem, welches der Bewegung des Fluids und seine Deformationen unterworfen ist, statt. Damit besteht zwischen dieser Form der zeitlichen Ableitung und der ursprünglich verwendeten einfachen substanziellen zeitlichen Ableitung ein grundlegender Unterschied. Mit der „upper convected time derivative“ wird nicht nur die Flüssigkeit selbst als Masse und somit ihr Impuls transportiert, sondern es werden auch die zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgebauten Spannungszustände konvektiert. Die Anwendung der Bestimmungsregeln für die Objektivität auf den Deformationsgradiententensor und den Drehgeschwindigkeitstensor bei der Transformation in ein neues sich konstant drehendes Koordinatensystem C , DC D QDQT ; ˝ C D Q˝QT C ˝  ;

(2.179)

zeigt, dass der Deformationsgradiententensor objektiv ist, der Drehgeschwindigkeitstensor jedoch nicht. Dies ist das Theorem von Zaremba [46]: Streckung und Dehnung sind bezugsindifferent, hingegen entspricht die Drehung im neuen Drehsystem der Drehung im ursprünglichen System plus der Drehung des neuen Drehsystems. Dies führt zur Verletzung der Bezugsindifferenz. Daher dürfen nur die Invarianten des Verzerrungsgeschwindigkeitstensors in die Beschreibung der Strömungsarten und in die Maße für Deformationen einfließen.

52

2 Theoretische Grundlagen

Wendet man die Rechenregeln zur Bestimmung der Objektivität auf die absoluten Deformationsgradiententensor, die räumlichen und materiellen Strecktensoren und den Drehtensor an, so zeigt sich, dass F, U und R nicht bezugsindifferent sind, V jedoch wohl. Daher ist letzter wesentlich, wenn es um die Bestimmung von Verformungsrichtungen geht, siehe Abschn. 2.3.5.3. Allerdings muss dazu der Drehtensor auch bekannt sein.

2.4

Dynamik

Bisher wurde nur die reine Bewegung und Deformation von Fluidelementen und deren geeignete Beschreibungsform betrachtet, ohne auf die dazu notwendigen Kräfte und Momente einzugehen. Damit wurden jedoch die Ursachen der Bewegung nicht erfasst, denn die kinematischen Größen alleine reichen nicht aus, um eine reale Strömung in einem technischen Apparat zu berechnen. Vielmehr wirken äußere und innere Kräfte und damit einhergehende Momente auf das Fluid, die zu einer Bewegung führen. Diese Kräfte und Momente und deren Wirkung sind Gegenstand der Dynamik. Die Dynamik hat die Aufgabe, geeignete globale und lokale Beschreibungen für die Wirkung der verschiedenen Kräfte auf das Fluid und die daraufhin erfolgende Bewegung zu formulieren. Die Beschreibung der Interaktion der untereinander wirkenden physikalischen Kräfte und Strömungsgrößen erfolgt dann in Form von Bilanz- bzw. Erhaltungsgleichungen.

2.4.1

Kräfte und Spannungen

Um die auf das Kontinuum wirkenden Kräfte in eine Bilanzgleichung abbilden zu können, müssen diese näher beschrieben und kategorisiert werden. Man unterscheidet zwischen Oberflächenkräften und Volumenkräften. Volumenkräfte greifen innerhalb des Volumens eines Körpers an, so z. B. die Gewichtskraft, die Oberflächenkräfte entfalten ihre Kraftwirkung an der Grenzfläche des betrachteten Kontinuums und seiner Umgebung, dies gilt z. B. für die Reibungskraft, siehe Abb. 2.14. Abb. 2.14 Einteilung der Kräfte

n ΔA Δ FO

ΔV

xV Δ FV

xO

2.4

Dynamik

53

Um Kraftberechnungen für Volumen komplexer Geometrien durchführen zu können, ist es zweckmäßig, die Volumenkraftdichte f einzuführen. Diese Größe ist eine volumenspezifische Kraft, die Volumenkräfte werden dann über den Vektor der Volumenkraftdichte f beschrieben: Die auf ein Volumenelement dV wirkende Volumenkraft ist somit fdV. Die Oberflächenkräfte wirken am Rand des Kontinuums, der jedoch beliebig komplex sein kann. Analog zur Volumenkraft ist es daher für die Berechnung der Oberflächenkraft sinnvoll, den Spannungsvektor t einzuführen. Der Spannungsvektor ist eine flächenspezifische Kraft, sodass sich die auf ein Oberflächenelement dA wirkende Kraft durch tdA ergibt. Durch jeweiliges Aufintegrieren über das Gesamtvolumen bzw. der Gesamtoberfläche des Kontinuums ergeben sich die gesamt wirkende Volumenkraft und Oberflächenkraft. Für die Berechnung innerhalb des Kontinuums kommt das Schnittprinzip der Mechanik zur Anwendung. Durch einen gedanklichen Schnitt durch das interessierende Gebiet werden zwei sogenannte Schnittufer, die als neue Grenzoberflächen angesehen werden, erzeugt. An diesen Grenzoberflächen wirken dann Oberflächenspannungen. Da Schnitte willkürlich durch das Kontinuum gelegt werden können, bedeutet dies, dass auf jeder beliebigen Schnittfläche im Kontinuum Spannungen herrschen. Daraus lässt sich folgende Verallgemeinerung ableiten: Die auf einen beliebigen Teil des Kontinuums insgesamt einwirkende Kraft F setzt sich immer aus den Beiträgen der Volumenkraft f und Beiträgen der Oberflächenkraft t zusammen, •

“ tdA C

FD A

fdV :

(2.180)

V

Spannungen haben aufgrund ihres vektoriellen Charakters verschiedene Komponenten, diejenigen, die der Richtung der Flächennormalen zuzuordnen ist, wird als Normalspannung bezeichnet und mit dem Symbol gekennzeichnet. Die Spannungskomponenten, die den tangentialen Richtungen zugeordnet werden, werden als Schubspannungen oder auch Scherspannung bezeichnet,17 hier ist das Symbol allgemein gebräuchlich. Da entsprechend dem Schnittprinzip beliebig orientierten Schnittufer gedanklich erzeugt werden können, hängen die Spannungen nicht nur vom Ort und der Zeit ab, sondern eben auch von der Orientierung der Schnittufer. Außerdem gilt das newtonsche Reaktionsprinzip, d. h. dass am jeweiligen Schnittufer zwar betragsgleiche aber entgegengerichtete Spannungen wirken, es gilt: t.n/ D t.n/ : (2.181) Üblicherweise wird mit dem Vektor n der nach außen gerichteten Normaleneinheitsvektor der Oberfläche des Schnittufers gekennzeichnet. 17

Häufig wird nicht sauber unterschieden, jedoch bezieht sich der Begriff Scherspannung auf die Wirkung der Kraft, diese löst eine Scherung aus, was z. B. zu einer Schichtenströmung führt. Dahingegen zielt der Begriff Schubspannung darauf ab, dass mit dieser Kraft Material auch verschoben werden kann.

54

2.4.2

2 Theoretische Grundlagen

Cauchyscher Spannungstensor

Wie schon erläutert hängt der Spannungsvektor t insbesondere von der Schnittorientierung ab. Das bedeutet, dass sich der Spannungszustand für einen Zeitpunkt an einem Ort in alle drei Raumrichtungen ändern kann. Damit reicht eine vektorielle Größe alleine nicht aus, um den Spannungszustand eindeutig zu beschreiben, vielmehr muss ein Spannungstensor eingeführt werden. Für ein kartesisches Koordinatensystem hat der sogenannte Cauchysche Spannungstensor, der im Allgemeinen mit S bezeichnet wird, folgenden Aufbau: 1 0 xx xy xz (2.182) S D @ yx yy yz A :

zx zy zz Erst durch die Festlegung des Normaleneinheitsvektors n ergibt sich der Spannungsvektor t durch t D S  n: (2.183) Gl. (2.183) wird die Cauchysche Spannungsformel genannt. Der Tensor zweiter Stufe S bildet somit linear den Normaleneinheitsvektor n in den Spannungstensor t ab. Böhme [6] zeigt dies am tetraedischen, infinitesimal kleinen Volumenelement, das drei seiner Flächen an den Koordinatenebenen ausgerichtet hat, die vierte Fläche, die beliebig schräg ausgerichtet ist, wird durch den Normalenvektor n charakterisiert, siehe Abb. 2.15. Das Kräftegleichgewicht an diesem Fluidelement reduziert sich auf die Summe der Oberflächenkräfte, da das Volumen schwindend klein sein soll:

Abb. 2.15 Tetraedisches Volumenelement und zugehörige Oberflächenkräfte

z

t n dA n t –ey dAy

x

t –ex dAx

t –ez dAz y

2.4

Dynamik

55

  t .n/ dA C t .ex / dAx C t ey dAy C t .ez / dAz D 0 :

(2.184)

Die zugrundeliegende Idee des so konstruierten Volumenelementes ist, dass die Flächen, die an der Koordinatenebenen ausgerichtet sind, zugleich Projektionsflächen der schrägen Fläche sind, dAi D ei  ndA, was dann auf    t .n/ D t .ex / ex C t ey ey C t .ez / ez n

(2.185)

und damit auf den Cauchyschen Spannungstensor führt. Da der Spannungstensor symmetrisch ist, reichen sechs Größen, um den Spannungszustand im Kontinuum eindeutig zu beschreiben. Auf der Hauptdiagonalen stehen die Normalspannungen und auf den Nebendiagonalen sind die Schubspannungen bzw. Scherspannungen zu finden. Wie aus der linearen Algebra bekannt ist, kann jeder symmetrische Tensor durch eine Transformation in ein geeignetes orthogonales Koordinatensystem .e1 ; e2 ; e3 / in eine Diagonalform überführt werden [2]. Damit verschwinden im Spannungstensor die Schubspannungen, nur die Normalspannungen, die nun den drei orthogonalen Hauptachsen zugeordnet werden können, bleiben übrig. Die Wirkrichtungen sind die drei Hauptspannungsrichtungen. Der Cauchysche Spannungstensor besitzt dann folgende Gestalt: 1 0 0 1 0 (2.186) S D @ 0 2 0 A : 0 0 3 Die Komponenten dieses Tensors 1 ; 2 ; 3 heißen Hauptspannungen. Eine grafische Größenzuordnung der Hauptspannungen erfolgt über die Mohrschen Spannungskreise, die in Abb. 2.16 dargestellt sind. Für jeden beliebigen Schnitt durch das Kontinuum liegen Schubspannung- und Normalspannungswerte im von den Kreiskurven eingeschlossenen, schraffierten Bereich.

Abb. 2.16 Der Mohrsche Spannungskreis

τ

σ3

σ2

σ1 σ

56

2.4.3

2 Theoretische Grundlagen

Der Druck und die Cauchy-Stokes Zerlegung des Spannungstensor

Fluide zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie in Ruhelage weder Zugkräfte noch Scherkräfte aufnehmen können, sondern nur hydrostatische Druckkräfte. Damit ist in der Hydrostatik der hydrostatische Druck p die entscheidende ortsabhängige skalare Feldgröße, die den Spannungszustand des ruhenden Fluids eindeutig beschreibt. Der hydrostatische Druck ist die örtliche Normalspannung, die unabhängig von der Orientierung der Oberfläche wie auch Schnittfläche durch das Kontinuum ist. Per definitionem ist die Druckspannung p dem nach außen gerichteten Normaleneinheitsvektor der zugehörigen Fläche entgegengerichtet. Der Spannungsvektor reduziert sich im hydrostatischen Fall zu: t D p  n :

(2.187)

Da für diesen Fall die Druckspannung unabhängig von der Orientierung eines Schnittufers ist, folgt dies auch für Spannungstensor. Dieser ist dann kugelsymmetrisch: 1 0 1 0 0 (2.188) S D p @0 1 0A : 0 0 1 Sobald das Fluidelement sich bewegt und dabei deformiert wird, treten Abweichungen in der Normalspannung zum rein hydrostatischen Druck auf. Damit kann der Druck nicht mehr nur rein hydrostatisch betrachtet werden. Es zeigt sich vielmehr, dass der Druck eine Größe ist, die je nach Art der Strömung, insbesondere bei kompressiblen Strömungen, stark von den thermodynamischen Größen Dichte , Temperatur T und spezifischen kinetischen Energie ek des betrachteten Fluidelementes abhängen kann, welche über die thermodynamische Zustandsgleichung, siehe Abschn. 2.5, erfasst wird. Daher bezeichnet man den Druck bei sich schnell bewegenden viskosen Fluiden auch als thermodynamischen Druck. Auch dieser Druck ist unabhängig von der Deformationsgeschwindigkeit, d. h. er hat wiederum die Eigenschaft, unabhängig von der Orientierung eines Schnittufers zu sein. Der Cauchysche Spannungstensor S kann daher zweckmäßiger Weise in zwei Anteile zerlegt werden, in einen kugelsymmetrischen Druckanteil p, der unabhängig von der Deformationsgeschwindigkeit ist (dieser wird auch als mechanischer Druck bezeichnet), und in den von den Deformationsgeschwindigkeiten abhängigen Extraspannungs- bzw. Reibungsspannungstensor18 T: S D pI C T: (2.189) Diese Aufspaltung wird indexCauchy-Stokes Zerlegung Cauchy-Stokes Zerlegung genannt. Die Tensoren S und T sind auf den Nebendiagonalen gleich, die Hauptdiagonalelemente sind unterschiedlich. Für die Normalspannungen ii des Cauchy Spannungstensors ergibt sich nach Gl. (2.189), Der Begriff Reibung wird in der Regel mit Schub- bzw. Scherspannungen verbunden, weniger mit Normalspannungen, diese treten jedoch im Extraspannungs- bzw. Reibungsspannungstensor weiterhin auf.

18

2.4

Dynamik

57

ii D p C ii ;

(2.190)

die Zerlegung in den Druck und die Normalspannungen des Extraspannungstensors ii . Bei inkompressiblen Strömungen bietet es sich an, einen mittleren Druck zu definieren: 1 1 pN D  . 11 C 22 C 33 / D  spS : 3 3

(2.191)

Diese Druckspannung ist invariant, aber, wie oben beschrieben, ist sie nicht unbedingt gleich dem thermodynamischen Druck. Da das Druckniveau bei inkompressiblen Strömungen nicht festgelegt ist, bietet es sich an, den Druck gleich dieser mittleren Druckspannung zu setzen. Weiterführende Überlegungen hierzu werden in Abschn. 3.4.1 angestellt, da dann die Viskosität eingeführt ist.

2.4.4

Bilanzgleichungen

Die Kontinuumsmechanik basiert auf einigen Grundaxiomen, die aufgrund gewonnener Erfahrungen und experimentellen Untersuchungen postuliert wurden. Aus theoretischen Überlegungen entwickelte sich die Herangehensweise, die Grundaxiome als Mengenbilanzen zu formulieren. Man führt dazu einen Bilanzraum ein, in dem über eine Mengengröße  bilanziert wird. Die Größe  wird durch Integration über das Volumen des Bilanzraumes bestimmt: •

dV:

 D

(2.192)

V

Hierin ist eine an die Masse dV gekoppelte Feldgröße. Der Mengenbilanzgrundgedanke erfordert, dass die Bilanzgleichungen für geschlossene materielle Systeme, aufgestellt werden. In der Vorstellung schwimmt das materielle Volumen sozusagen mit den Fluidelementen mit. Es besteht dann aus den gleichen Fluidpartikeln, deren Bewegung aus der lagrangeschen Sicht verfolgt wird. Für einen solchen festgelegten Bilanzraum haben Bilanzgleichungen immer dieselbe Form: Die zeitliche Änderung des Vorrats im Innern ist gleich der Summe aus dem Fluss der massenspezifischen Größe , die an das Massenelement dV gekoppelt ist, über die Systemgrenzen und der Produktion von im Inneren des Bilanzraumes [6], d. h. dass der Vorrat einer speicherbaren bzw. extensiven Größe sich im Bilanzraum nur dadurch verändern kann, wenn entweder ein Fluss dieser Größe über den begrenzenden Rand hinaus oder hinein erfolgt, oder wenn diese Bilanzgröße Bilanzgröße im Bilanzraum produziert oder vernichtet wird. Dieser Zusammenhang kann dann integral, d. h. für globale, umfassende Gebiete, für Masse, Impuls und Energie wie folgt aufgestellt werden: • “ • D

dV D  j  n dA C dV: (2.193) Dt V

A

V

58

2 Theoretische Grundlagen

In Gl. (2.193) bezeichnet die volumenbezogene Dichte der Produktionsrate im Inneren des Bilanzraumes, der Vektor j den flächenbezogenen Fluss über die Oberfläche mit dem nach außen gerichteten Flächennormaleneinheitsvektor n. j wird auch als Flussdichte bezeichnet. Die Orientierungsvorgabe von n bedingt auch das Minuszeichen vor dem Flächenintegral. Quellen und Senken werden durch die volumenbezogene Produktionsrate benannt.

2.4.5

Das Reynoldssche Transporttheorem

Eine Formulierung der Bilanzgleichungen für geschlossene, sich bewegende System ist für eine Berechnung nicht immer praktisch, denn die materielle Beschreibung bringt das Problem mit sich, dass sich nicht nur die Lage, sondern auch Form und Gestalt des mitschwimmenden materiellen Fluidelementes während der Fortbewegung ändern können. Die zeitliche Beschreibung der Formänderung ist in der Regel schwierig und z. B. für eine numerische Berechnung zu rechen- und speicheraufwendig. Die sogenannten lagrangeschen Verfahren diskretisieren daher anders, indem sie nicht polygonale Volumenelemente verwenden sondern mitgeführte Partikel mit erweiterten Eigenschaften verfolgen. Aufgrund dieser Problematik bieten sich raumfeste offene Systeme an, die jedoch nicht mehr mitschwimmen, sondern über die offene Begrenzung die transportierte Größe hindurchschwimmen lassen. Es wird dann über das raumfeste Kontrollvolumen bilanziert. Um dies in den Bilanzgleichungen korrekt abzubilden, muss das sogenannte Reynoldssche Transporttheorem genutzt werden, das nun vorgestellt wird. Dazu betrachten wir die Größe ˚, die ein Skalar, Vektor oder Tensor sein kann und in einem infinitesimal kleinen, begrenzten materiellen Volumen den zugehörigen Fluidpartikeln zugeordnet ist. Die über das Volumen aufintegrierte Gesamtmenge  ist • ˚.x; t/dV :

 .t/ D

(2.194)

V.t/

Zu einem Bezugszeitpunkt t0 ist das materielle Element dV identisch mit dem raumfesten materiellen Element dV0 . Zu späteren Zeiten muss die Abbildungsvorschrift (2.63) genutzt werden, um dV auf dV0 abbilden zu können. Die materielle Zeitableitung von  ist dann D D D Dt Dt

• V.t/

D ˚.x; t/dV D Dt

• ˚.x; t/JdV0 :

(2.195)

V0

Jetzt kann die Integrationsreihenfolge getauscht werden: D Dt



• ˚dV D

V.t/

V0

D .˚J/ dV0 D Dt

• V0

DJ D˚ JC˚ dV0 : Dt Dt

(2.196)

2.4

Dynamik

59

Wir ersetzen die Zeitableitung der Funktionaldeterminante mit Hilfe der eulerschen Expansionsformel DJ=Dt D divv J und formen weiter um zu: D Dt

• 

• ˚dV D

V0

V.t/

 D˚ C ˚divv JdV0 : Dt

(2.197)

Jetzt erfolgt die Rückführung auf das Volumenelement dV: D Dt

• 

• ˚dV D

V

V.t/

 D˚ C ˚divv dV : Dt

(2.198)

Unter Zuhilfenahme der Überführung der materiellen Zeitableitung in die eulersche Betrachtung schreiben wir: D Dt

• 

• ˚dV D

V

V.t/

 @˚ C grad˚v C ˚divv dV : @t

(2.199)

Jetzt betrachtet der ortsfeste Beobachter das festgefrorene Volumen gleicher Gestalt zum Zeitpunkt t. Die Gleichung kann vereinfacht werden zu: D Dt



• ˚dV D V

V.t/

@˚ C div .˚v/ dV : @t

(2.200)

Die Anwendung des Divergenztheorems führt schließlich auf D Dt



• ˚dV D V

V.t/

@˚ dV C @t

“ ˚ v  ndA :

(2.201)

A

Das erste Integral der rechten Seite beschreibt nun die zeitliche Änderung im Inneren des Volumens, das zweite Integral die konvektiven und diffusive Flüsse über die Grenzen des Volumens. Skizziert wird dieser Transport in Abb. 2.17. Hier wird ein Volumen vom Zeitpunkt t0 über die Zeit nach t1 verschoben. Zu beiden Zeiten bleibt das Volumen V 0 überdeckt. Bezieht man sich auf ein festes Volumen zur Zeit t0 , so kann man die Volumenverschiebung als einen einströmenden Fluss und ausströmenden Fluss darstellen. Die Anwendung des Reynoldsschen Transporttheorems findet bei der Formulierung der Bilanzgleichungen für raumfeste, offene Bilanzräume statt. Für offene, d. h. über die Grenzen durchströmbare Systeme, verändert sich die allgemeine Bilanzgleichung (2.193) zu: • V

@. / dV D  @t



“ v  ndA 

A

• j  ndA C

A

dV ; V

(2.202)

60

2 Theoretische Grundlagen

Abb. 2.17 Transport durch Volumenverschiebung

Ausströmung t0

O V

I

t1

Einströmung

wobei hier die Formulierung ˚ D gewählt wurde. Die physikalische Interpretation ist die folgende: Wird die Annahme getroffen, dass das Volumen raumfest ist, dann kann die durch die Strömung transportierte Größe über den Rand in das Kontrollvolumen konvektiv hinein wie auch hinaus fließen. Dieser zusätzlich auftretende konvektive Fluss muss in den Gleichungen als zusätzliches Oberflächenintegral Berücksichtigung finden: Er wird durch das erste Flächenintegral auf der rechten Seite ausgedrückt. Natürlich tritt der konvektive Fluss nur an durchströmbaren Rändern auf, an festen Wänden ist er selbstverständlich Null. Der diffusive Fluss j und die Produktionsrate im inneren des Volumens, die auch in der allgemeinen Bilanzgleichung auftreten, bleiben in dieser Formulierung unverändert erhalten.

2.4.6

Die differenzielle Formulierung oder die Divergenzform

Bezieht man die Bilanz auf infinitesimal kleine Volumina, gelangt man zu der differenziellen Form einer Bilanzgleichung. Die differenzielle Form ergibt sich aus der Überlegung, die Integralgleichung (2.202) für ein lokales raumfestes Volumen zu formulieren. Mit Hilfe des Satzes von Gauss (7.26), siehe 7.4, lassen sich die Oberflächenintegrale umformen: • • • • @. / dV D  div . v/ dV  divjdV C dV : (2.203) @t V

V

V

V

Anschließend werden die beiden ersten Integrale auf der rechten Seite zusammengefasst und dann durch das Volumen V geteilt, um danach einen Grenzübergang V ! 0 durchführen zu können. Dies führt auf @

D div . v C j/ C : @t

(2.204)

Diese Gleichung beschreibt nun die lokale Verknüpfung der Bilanz- und Zustandsgrößen. Zudem liegt nun eine partielle Differenzialgleichung vor, da zur zeitlichen Ableitung

2.4

Dynamik

61

in lokaler Formulierung nun auch Ortsableitungen der konvektiven und diffusiven Flussdichten auftreten [6]. Die Divergenzform erlaubt Flüsse von Umwandlungsprozessen zu unterscheiden, Flüsse (über die Grenzen) sind in der Klammer von (2.204) zu finden, die Umwandlung bzw. Produktionsrate oder auch Zerstörungsrate wird durch das Symbol repräsentiert. Für Operator basierte Programmierung ist diese Form nützlich.

2.4.7

Die Massenerhaltung

Die Massenbilanz lautet in integraler Form für das geschlossene System • D dV D 0 : Dt

(2.205)

V.t/

Gl. (2.205) besagt, dass für ein mitbewegtes materielles Volumen die Masse erhalten bleibt. Für ein raumfestes Kontrollvolumen ergibt sich mit Hilfe des Reynoldssche Transporttheorems für die Massenbilanz: • “ @ v  ndA : (2.206) dV D  @t V

A

Die linke Seite von Gl. (2.206) beschreibt die zeitliche Änderung der Masse im inneren des Kontrollvolumens, die rechte Seite den Massenstrom über die Oberfläche. Die differenzielle Form der Massenerhaltung lautet @ C div . v/ D 0 : @t

(2.207)

div . v/ D .grad /v C divv ;

(2.208)

Unter Nutzung der Identität,

und der materiellen Zeitableitung, Gl. (2.18), kann die Massenerhaltung auch geschrieben werden zu: D C div v D 0 : (2.209) Dt Werden Inkompressibilität, divv D 0 und eine konstante Dichte vorausgesetzt, was bei fast allen Flüssigkeiten der Fall ist, so vereinfacht sich Gl. (2.209) zu: D @ D C .grad /v D 0 : Dt @t

(2.210)

Insbesondere für hochviskose Fluide gilt die Inkompressibilität, da sich die Dichte nur vernachlässigbar schwach mit der Temperatur und dem Druck ändert.

62

2.4.8

2 Theoretische Grundlagen

Die Impuls- bzw. Bewegungsgleichungen

Durch Multiplikation der Masse mit einer Geschwindigkeit resultiert der Impuls. Der Impuls ist die materielle physikalische Größe, die die Masse und die Geschwindigkeit als die unitäre Eigenschaft vereint und auf die Newton seine Axiome und Prinzipien aufbaut [29]. Die Impulsbilanz besagt, dass in einem Inertialsystem die zeitliche Änderung des Impulses eines Körpers gleich der Summe der auf den Körper einwirkenden Kräfte ist. Dies ist auch bekannt als 2. Newtonsches Axiom. Mit Hilfe der Cauchyschen Spannungsformeln und der Unterscheidung nach Oberflächen- und Volumenkräften lässt sich die integrale Impulsbilanz für geschlossene System wie folgt formulieren: D Dt



“ v dV D

• S  ndA C

A

V.t/

fdV :

(2.211)

V.t/

Für offene raumfeste Kontrollvolumen findet sich für Gl. (2.211) folgende Formulierung: • V

@ . v/ dV D  @t



“ v .v  n/ dA C A

• S  ndA C

A

fdV :

(2.212)

V

Die linke Seite der Gl. (2.212) beschreibt die lokale zeitliche Änderung des Impulses im Inneren des Kontrollvolumens. Das erste Flächenintegral auf der rechten Seite erfasst den Impulsstrom über die Oberfläche des Kontrollvolumens, auch dies ist eine Kraft. Das zweite Integral beschreibt die resultierende Oberflächenkraft, die sich aus Oberflächenspannungen zusammensetzt, während das Volumenintegral auf der rechten Seite die resultierende Volumenkraft der aufintegrierten Volumenkraftdichten erfasst. Die vektorielle Impulsbilanz bzw. die Impulsgleichung ist letztlich ein System aus drei gekoppelten Feldgleichungen, daher spricht man im allgemeinen auch von Bewegungsgleichungen. Die Impulsbilanz für das materielle Fluidelement nimmt in der differenziellen Form folgende Gestalt an: Dv D divS C f : (2.213) Dt Die zeitliche Änderung des Impulses des materiellen Fluidelementes wird bestimmt durch die Cauchyschen Spannungen und der angreifenden Volumenkraft. Diese Gleichung wird auch als Cauchysche Bewegungsgleichung bezeichnet. Wie im Abschn. (2.4.2) gezeigt wurde, kann der Cauchysche Spannungstensor in den isotropen Druckanteil und den Reibungsspannungstensor T zerlegt werden. Die differenzielle Impulsbilanz lautet dann

Dv D gradp C divT C f : Dt

(2.214)

2.4

Dynamik

63

In dieser Form lassen sich die volumenbezogenen Kräfte auf der rechten Seite klar identifizieren, der erste Term ist die Druckkraft, der zweite die Reibungskraft, und der letzte die angreifende Volumenkraft. Zudem ist in dieser Schreibweise das von Newton postulierte Prinzip Actio Est Reactio verwirklicht. Die antreibenden Kräfte auf der rechten Seite führen zu einer Bewegungsreaktion, d. h. einer Änderung des Impulses, ausgedrückt durch den Term auf der linken Seite.19

2.4.9

Die Drallbilanz

Aus der Impulsbilanz kann anschaulich die Drallbilanz hergeleitet werden. Dazu wird ein Massenelement dV, das sich mit der Geschwindigkeit v bewegt und daher einen Impuls v dV besitzt, betrachtet. Das Massenelement soll sich am Endpunkt r eines Hebels befinden, der seinen Drehpunkt im Ursprung des Inertialsystems hat. Der Ursprung soll gleichzeitig der Bezugspunkt sein. Durch die Bewegung und dessen Impuls hat das Massenelement den Drehimpuls r  v dV, durch seine Volumenkraft fdV besitzt es zudem das Drehmoment r  fdV. Weiterhin wirken Oberflächenkräfte S  ndA, die ebenfalls ein Drehmoment erzeugen. Die Drehmomente können den Drehimpuls verändern. Diese Überlegungen führen zum eulerschen Axiom: Die zeitliche Änderung des Dralls oder Drehimpulses eines Körpers bezüglich eines festen Punktes im Inertialsystem ist gleich der Summe der Drehmomente der auf den Körper wirkenden Kräfte: D Dt



“ r  .S  n/ dA C

r  v dV D V.t/



A

r  fdV :

(2.215)

V.t/

Die differenzielle Betrachtung der Gl. (2.215) führt unter der Bedingung homogener Materialien nicht auf ein Analogon zu Gl. (2.213) sondern zur Erkenntnis, dass der Cauchysche Spannungstensor symmetrisch ist: (2.216) Sij D Sji :

2.4.10 Die Energiegleichung Die Energiebilanz, die häufig zur Lösung strömungsthermomechanischer Problemstellungen aufgestellt werden muss, fußt auf dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik. Dieser 19

Es sei zu Gl. (2.214) noch angemerkt, dass es sich auch eine Schreibweise findet, wo der Divergenzterm auf der rechten Seite auch ein negatives Vorzeichen besitzt, siehe z. B. die Ausführungen im Lehrbuch von Durst [16]. Das negative Vorzeichen liegt darin begründet, dass der Reibungsspannungsterm als Reaktionsterm interpretiert wird, da er der Strömung sozusagen entgegenwirkt. Hier jedoch wird der Schnittuferkonvention der Mechanik gefolgt, daher das positive Vorzeichen. Welcher der beiden Argumentationen gefolgt wird, sollte sich nicht nur aus den Gleichungen entnehmen lassen sondern auch in den verwendeten Skizzen kenntlich gemacht werden.

64

2 Theoretische Grundlagen

stellt den Zusammenhang zwischen den fundamentalen Größen Arbeit, Energie und Wärme her [3]. Allgemein lässt sich der 1. Hauptsatz wie folgt formulieren: Die Änderung der totalen Energie Et des strömenden Fluids ist gleich der Summe aus zu-/ abgeführter P und der am Fluidelement verrichteten Arbeit W.20 Formelmäßig schreibt Wärmeströme Q sich der 1. Hauptsatz DEt P CW: DQ (2.217) Dt Die totale Energie setzt sich zusammen aus der kinetischen Energie Ekin und der inneren Energie Ei ,21 sie beinhaltet jedoch nicht die potenzielle Energie Epot , da diese durch die am Fluidelement verrichtete Arbeit mitbeschrieben wird, siehe nachfolgende Gl. (2.220). Die totale Energie bezieht sich auf das Fluid im kompletten Strömungsgebiet, eine fluidelementweise Betrachtung erfolgt über die Einführung der massenspezifischen totalen Energiedichte et , sodass sich die totale Gesamtenergie durch Integration der spezifischen totalen Energiedichte über das Volumen ergibt: • Et D

et dV :

(2.218)

V.t/

Diese Größe besitzt die Einheit Energie pro Masse (J/kg). Die Änderung der totalen Energie hängt von dem über die Ränder des Bilanzraumes zu- oder abfließenden Wärmestrom P 22 Q, “ P D Q

 qP ndA ;

(2.219)

A.t/

und der geleisteten Arbeiten W der äußeren und inneren Kräfte ab, “ WD

• v  S  ndA C

A.t/

v  fdV :

(2.220)

V.t/

Der spezifische Wärmefluss über den Rand wird mit qP bezeichnet. Die jeweiligen Vorzeichen der Flüsse ergeben sich in der Regel daraus, dass gemäß dem Schnittprinzip der Mechanik ein Fluss in Richtung der nach außen gerichteten Randflächennormale positiv angenommen wird, und dass sich das Fluid in Richtung der wirkenden Kräfte bewegen soll. Dies ist für die Volumenkraftdichte f sofort einsichtig, beim Spannungstensor sind verschiedene Interpretationen hinsichtlich des Vorzeichens möglich, wie dies Manchmal verschwimmt in der Literatur die Unterscheidung in die Zustandsgröße Energie E, in P die Prozessgröße Arbeit W und in die Flussgröße Wärmestrom Q. 21 U ist das in der Thermodynamik verwendete Symbol. 22 Die Gesamtwärmemenge wird mit dem Symbol Q belegt. 20

2.4

Dynamik

65

in [16] diskutiert wird, siehe oben. Nach gängiger Konvention strömt ein positiver Wärmestrom jedoch von außen ins Volumen, daher ist hier ein negatives Vorzeichen hinzugefügt worden. Es empfielt sich, Vorzeichenkonventionen bei ins Auge gefasster Literatur abzugleichen.23 Da die totale Energie sich aus der massenspezifischen kinetischen Energie ek und der massenspezifischen inneren Energie ei zusammensetzt, kann Gl. (2.218) umgeschrieben werden in D Dt







.ei C ek / dV D V.t/

v  S  ndA C A.t/

“ qP  ndA ;

v  fdV  V.t/

(2.221)

A.t/

wobei hier ei die spezifische innere Energie darstellt.24 Anwendung des Reynoldsschen Transporttheorems führt wiederum auf die Formulierung für offene, raumfeste Kontrollvolumen: • V

D .ei C ek / dV D Dt



• v  S  ndA C

A

“ qP  ndA :

v  fdV  V

(2.222)

A

Ergänzend ist hier die lokale Formulierung gezeigt: • V

@ .ei C ek / dV D @t “

C



1 ei C jvj2 v  ndA 2

A

• v  S  ndA C

A



V

(2.223) qP  ndA :

v  fdV  A

Unter Nutzung des Satzes von Green und Gauss kann die integrale Energiegleichung (2.222) umgeformt werden zu: • V

D .ei C ek / dV D Dt

“ P dV ; .div .v  S/ C v  f  div q/

(2.224)

V

was sich dann analog zur Impulsgleichung differenziell formulieren lässt: 23

D .ei C ek / D div .v  S/ C v  f  div qP : Dt

(2.225)

In dieser Arbeit wird das Schnittprinzip der Mechanik als Konvention für die Vorzeichen herangezogen. 24 In der Thermodynamik wird die Größe meist mit dem Buchstaben u gekennzeichnet.

66

2 Theoretische Grundlagen

2.4.10.1 Bilanzgleichungen für die kinetische Energie Wie in den oberen Betrachtungen schon angeklungen ist, bietet es sich für verschiedene Anwendungen an, entweder die kinetische Energie oder die innere Energie separat zu betrachten. Die integrale Formulierung könnte direkt aus Gl. (2.221) abgeleitet werden, wenn man die Definition ek WD 12 jvj2 nutzt und nach den physikalischen Wirkungen trennt. Wie diese Aufteilung geht, soll hier gezeigt werden, denn diese Bilanzgleichung kann auch über die Impulsgleichung hergeleitet werden. Aus der Multiplikation der differenziellen Impulsgleichung (2.214) mit der Geschwindigkeit, v 

Dv D v  gradp C v  divT C v  f ; Dt

(2.226)

ergibt sich die Bilanzgleichung für die spezifische kinetische Energie ek D 12 jvj2 . Durch Anwenden der Produktregel folgt für die kinetische Energie ek die folgende differenzielle Formulierung in der substanziellen Betrachtung: 1 Djvj2 D v  gradp C v  divT C v  f ; 2 Dt und in der eulerschen Betrachtung:   1 @jvj2 2 C gradjvj  v D v  gradp C v  divT C v  f : 2 @t

(2.227)

(2.228)

Die integrale Form der Bilanzgleichung für die kinetische Energie lautet dann für das geschlossene System: • “ • 1 D 2 jvj dV D v  .pI C T/  ndA C v  fdV : (2.229) Dt 2 V.t/

A

V.t/

2.4.10.2 Die Dissipationsfunktion Wenn ein viskoses Fluid einen technischen Apparat durchströmt, so ist über die Zeit und Ort ein Temperaturanstieg des Fluids zu beobachten. Dies liegt an den Reibungseffekten an der Wand und im Fluid, die zu einer teilweisen Umwandlung von kinetischer Energie in Wärme führen, dieser Vorgang wird als Dissipation bezeichnet. Da Reibungseffekte nur unter Bewegung auftreten, besitzt die Gleichung für die kinetische Energie einen Dissipationsterm, für den eine Funktion formuliert werden kann. Dazu wird der Term der div .v  S/ aus Gl. (2.225) umgeformt zu: div .v  S/ D v  divS C gradv W S :

(2.230)

Diese Gleichung kann mit Hilfe der Cauchy-Stokes Zerlegung für den Cauchyschen Spannungstensor umgeformt werden zu: div .v  S/ D v  .gradp C divT/ C gradv W .pI C T/ ;

(2.231)

2.4

Dynamik

67

woraus div .v  S/ D v  .gradp C divT/  pdivv C T W gradv

(2.232)

folgt. Während der erste Term auf der rechten Seite von (2.232) die Quellwirkung des Spannungsflusses ausdrückt, der zweite Term den Einfluss der Kompressibilität des Fluids auf die Energie erfasst, beschreibt der letzte Term T W gradv die Dissipation ˚ der kinetischen Energie durch Reibung. Dieser Term lässt sich auch schreiben als sp .T  D/, somit folgt für die jetzt eingeführte Dissipationsfunktion: ˚ D sp .T  D/ :

(2.233)

Nur wenn ein Fluid als ideal, somit als reibungsfrei angesehen wird, tritt keine Dissipation auf. In allen relevanten technischen Strömungen ist das Fluid viskos, somit wird Wärme durch Dissipation erzeugt, welche die innere Energie des Fluidsverändert und natürlich auch dessen Temperatur erhöht.

2.4.10.3 Bilanzgleichung für die innere Energie Zieht man von der differenziell formulierten Transportgleichung der Totalenergie (2.225) die kinetische Energie ab und berücksichtigt die Umformungen (2.232) und (2.233) so ergibt sich die Transportgleichung für die innere Energie:

Dei D pdivv C sp .T  D/  div qP : Dt

(2.234)

Die innere Energie ändert sich zum einen über die Zu- oder Abfuhr von Wärme über die Grenzen des Kontrollvolumens hinweg, zum anderen durch Wärme, die durch Dissipation im Fluid entsteht.

2.4.10.4 Enthalpiebilanz Ergänzend sei noch eine weitere Größe an diese Stelle genannt: So wird häufig anstelle der Transportgleichung für die kinetische oder innere Energie als alternative Größe die Enthalpie H des Fluids betrachtet: H WD Ei C p  V :

(2.235)

Die Enthalpie wird auch Wärmeinhalt genannt, sie umfasst neben der inneren Energie auch die Volumenarbeit. Im Lehrbuch von Baehr [3] wird auf die Interpretation und besondere Bedeutung der Enthalpie für technische Prozesse aus spezifischer thermodynamischer Sicht eingegangen. In ihrer spezifischen Form wird sie mit h bezeichnet: h D ei C

p :

(2.236)

68

2 Theoretische Grundlagen

Die zugehörige Erhaltungsgleichung ist bzw.

Dt

D pdivv C sp .T  D/  div qP

(2.237)

p

p

Mit

D.h  p /

D.  / Dt

D

1 Dp  Dt

D.  / Dh D  pdivv C sp .T  D/  div qP : Dt Dt

(2.238)

C p 1 D und unter Zuhilfenahme von (2.209) reduziert sich diese zu Dt

Dp Dh D C sp .T  D/  div qP : Dt Dt

(2.239)

In einigen numerischen Strömungslösern findet diese Gleichung ihre Anwendung, insbesondere dann, wenn thermofluidische Probleme gerechnet werden, da die Enthalpietransportgleichung neben Dissipation und Wärmefluss die Druckänderung erfasst.

2.5

Zustandsgleichungen

Da die drei Grundgleichungen, die Massenerhaltung, die Impulserhaltung und die Energieerhaltung, mehr unbekannte Variablen aufweisen als die drei Größen Masse, Impuls und Energie, ist das Gleichungssystem so nicht eindeutig lösbar. Daher sind weitere, sogenannte Zustandsgleichungen notwendig, die den physikalischen, stofflichen Zusammenhang zwischen den physikalischen Größen Druck p, Dichte und Temperatur T als Zustandsbeschreibung herstellen. Diese drei Größen heißen Zustandsvariablen, sie sind zentrale Elemente der Thermodynamik [3]. Man unterscheidet die thermische und die kalorische Zustandsgleichung.

2.5.1

Thermische Zustandsgleichung

Die Gleichung, die die Beziehung der drei Zustandsvariablen untereinander darstellt, heißt thermische Zustandsgleichung. Für ideale Gase lautet diese p D Rs T :

(2.240)

Die in dieser Gleichung auftretende Größe Rs ist die spezifische Gaskonstante. Bei dichtebeständigen Strömungsprozessen, z. B. bei Flüssigkeiten, wo die Annahme konstanter Dichte gerechtfertigt ist und eine Druck- und Temperaturabhängigkeit der Dichte keine Rolle spielt, wird eine thermische Zustandsgleichung nicht gebraucht, um weiterführende Berechnungen durchführen zu können.

2.5

Zustandsgleichungen

69

Auch wenn in der Regel eine Dichtebeständigkeit bei Flüssigkeiten angenommen wird, kann es jedoch für bestimmte Anwendungen notwendig sein, die temperaturabhängige und druckabhängige Dichteänderung zu berücksichtigen. Gerade bei Ölen oder Polymerschmelzen muss eine Temperaturabhängigkeit der Dichte berücksichtigt werden, wenn Temperaturunterschiede signifikant werden. In der Regel wird die linear-temperaturabhängige Dichteänderung über die Längenänderung in die drei raumaufspannenden Richtungen hergeleitet. Der lineare Ansatz für die Ausdehnung einer Länge lautet: lT D l0 .1 C ˛T/ ;

(2.241)

hierin kennzeichnet ˛ den linearen Längenausdehnungskoeffizienten. Analog wird für die Volumenausdehnung die folgende lineare Beschreibung gewählt: VT D V0 .1 C ˇT/ :

(2.242)

Mit ˇ wird der linearen Volumenausdehnungskoeffizient bezeichnet, es findet sich auch die Bezeichnung thermischer Expansionskoeffizient. Für homogene Fluide ist ˇ  3˛. Für die Dichte gilt bei Annahme der Erhaltung der Masse, T VT D 0 V0 ) T V0 .1 C ˇT/ D 0 V0 ;

(2.243)

mit 0 und V0 als Bezugsdichte und Bezugsvolumen. Schließlich folgt: T D

0 : 1 C ˇT

(2.244)

Diese Form ist im Gebrauch ungewöhnlich, daher wird in der Regel die Umrechnung T VT D 0 V0 ) T VT D 0 VT .1  ˇ  T/ ;

(2.245)

T D 0 .1  ˇ  T/

(2.246)

benutzt, was auf

führt. Somit ergibt sich die neue, bei höherer Temperatur geringere Dichte durch Bezug auf die alte Dichte, von der ein temperaturabhängiger Anteil abgezogen wird. Diese lineare Beziehung für die temperaturabhängige ist eine wesentliches Element in der Boussinesq Approximation thermischer Konvektionsströmungen, siehe dazu Abschn. 2.6.5. Ein linearer Ansatz mag für komplexere Fluide nicht immer hinreichen. Daher bedient man sich oft entweder einer Reihenbildung der Form T D 0 C a1  T ı C a2  .T ı /2 C ::: ;

(2.247)

70

2 Theoretische Grundlagen

wobei die Temperatur in ° Celsius eingeht, oder einem Exponentialansatz der Form ı

T D 0 eˇ0 T :

(2.248)

Letztere Gleichung findet Anwendung für Polymere, deren thermischer Ausdehnungskoeffizient, 1 @.T; p/ 1 @ ˇ WD (2.249) jp D  jp .T; p/ @T @T bei konstantem Druck p temperaturunabhängig ist [33]. Hier bezeichnet .T; p/ das spezifische Volumen. Mit Hilfe dieser Definition lässt sich z. B. für den Fall des Reihenentwicklungsansatzes der thermische Ausdehnungskoeffizient leicht berechnen: ˇD

a1 C 2a2  T ı C ::: : 0 C a1  T ı C a2 .T ı /2 C :::

(2.250)

Bei Polymeren kann neben der Temperaturabhängigkeit die Druckabhängigkeit oft nicht vernachlässigt werden, daher wird als alternativer Ansatz für die thermodynamische Zustandsgleichung zur Beschreibung des spezifischen druck- und temperaturabhängigen Volumens des Polymers die empirische, sogenannte Tait-Gleichung, [41], benutzt [37]:

 N .T; p/ D 0 .T/ 1  C  ln 1 C

p B.T/

 ;

(2.251)

die zugehörige Dichtefunktion nimmt damit folgende Gestalt an: N 0 .T/  .T; p/ D h 1  C  ln 1 C

p B.T/

i :

(2.252)

Hier tritt neben der Universalkonstante C D 0; 0894 eine temperaturabhängige Ausdehnungsfunktion B.T/ auf. Für diese erfolgt in der Regel ein Exponentialansatz [33, 37] der Form ı (2.253) B.T/ D b0 eb1 T : Die Werte der fluidspezifischen Konstanten b0 und b1 lassen sich Tabellenwerken entnehmen, siehe z. B. [33]. In der Behandlung von zweiphasigen, amorphen und teilkristallinen Polymerschmelzen wird in der Regel auch nur eine einzige thermodynamische zweiphasige Zustandsgleichung für das spezifische Volumen benutzt. Obwohl die Behandlung beider Phasen mit der Tait-Gleichung möglich ist, erzwingt die zweiphasige Formulierung eine Fallunterscheidung nach der jeweiligen Phase, da die Koeffizienten für die Bestimmung des Referenzvolumens und der Ausdehnungsfunktion B.T/ unterschiedlich sind. Weiterführende Ergänzungen und experimentelle Daten, z. B. für Polypropylen, finden sich bei Hieber [23].

2.5

Zustandsgleichungen

2.5.2

71

Kalorische Zustandsgleichung

Die kalorische Zustandsgleichung gibt den Zusammenhang zwischen der inneren Energie und der Temperatur wieder. Für ideale Gase, d. h. Gase mit konstanten spezifischen Wärmen, lautet die kalorische Zustandsgleichung dei WD cv dT :

(2.254)

In dieser Gleichung steht cv für die spezifische isochore Wärmekapazität. Es ist eine stoffspezifische Größe, sie stellt ein Maß für die gespeicherte Energie dei pro Temperatureinheit dT bei konstantem Volumen dar: cv D

dei : dT

(2.255)

Da diese Größe das stoffspezifische Speichervermögen an Wärme ausdrückt, gilt, je größer die spezifische Wärmekapazität, desto geringer ist die Temperaturänderung des Fluids bei Änderung der inneren Energie z. B. durch Zu- oder Abfuhr von Wärme. Die Größe ist zudem temperaturabhängig, für viele technisch relevante Fluide ist die Änderung über die auftretenden Temperaturintervalle jedoch nahezu konstant. Unter idealen Gasen versteht man einatomige, inerte Gase. Solche werden in realen Anwendungen häufig nicht verwendet, daher ist es bei jeder technischen Anwendung wesentlich, die Annahme idealen Gases und der damit verbundenen Näherungen zu überprüfen. Gegebenenfalls ist das Realgasverhalten durch erweiterte Zustandsgleichungen zu modellieren. Häufig findet sich auch eine differenzielle Formulierung mit der Enthalpie als Zielgröße: dh WD cp dT :

(2.256)

Hierin ist cp die spezifische isobare Wärmekapazität. Auch diese ist eine stoffspezifische Größe, die das Speichervermögen an Wärme bei konstanten Druck beschreibt. Die Überführung in die Enthalpieform erfolgt durch den Zusammenhang h D ei D

cp ei ; cv

(2.257)

in dem das Verhältnis der spezifische Wärmekapazitäten mit , dem Isotropenkoeffizient, bezeichnet wird.25 Mit Hilfe der kalorischen und thermischen Zustandsgleichung können nun der Druck und die Temperatur als Funktionen der Dichte und der spezifischen inneren Energie dargestellt werden: (2.258) p. ; ei / D .  1/ ei ; T. ; ei / D 25

.  1/ei : Rs

(2.259)

Auch hier ist die Schreibweise nicht einheitlich, daher findet man auch andere Symbole wie z. B.  .

72

2 Theoretische Grundlagen

Zusammen mit den Erhaltungsgleichungen für die Masse, den Impuls und der Energie ergibt sich nun ein Gleichungssystem mit sieben Gleichungen und genauso vielen Unbekannten. Werden noch für die fünf Differenzialgleichungen – eine aus der Massenerhaltung, drei von den einzelnen Geschwindigkeitskomponenten und eine für die spezifische Gesamtenergie – entsprechende Randbedingungen vorgegeben, ist das Gleichungssystem prinzipiell lösbar, sei es analytisch oder numerisch.

2.6

Wärmetransport

Der Wärmetransport ist ein maßgeblicher Faktor in technisch relevanten Strömungen und Bauteilen, da damit eine Temperaturänderung des Fluids verbunden ist, sich Stoffparameter signifikant ändern können, und die durch Dissipation freigesetzte Wärme durch Kühlmaßnahmen abgeführt werden muss. Um den Wärmetransport und die damit verbundene Temperaturänderung beschreiben zu können, wird eine Gesetzmäßigkeit für die Wärmeleitung, dannach die Änderung der inneren Energie kurz beleuchtet. In Polifke [34] finden sich weiterführende Erläuterungen und Anwendungsbeispiele. Zunächst jedoch soll kurz auf den konvektiven Wärmetransport an der Wand eingegangen werden, um eine simple Beschreibungsform zu finden, wie Wärme von der Wand ins Fluid hineingetragen und wegtransportiert wird.

2.6.1

Das Newtonsche Gesetz des konvektiven Wärmeübergangs

Ein besonders wichtige technische Anwendung besteht darin, durch Überströmen eines heißen Bauteil mit kaltem Fluid dieses Bauteil zu kühlen. Hier tritt insbesondere der konvektive Wärmeübergang von der Wand ins Fluid auf.26 Dieser Wärmeübergang ist konvektiv,27 da ein Transport vom überströmenden Fluid stattfindet. Beim konvektiven Wärmetransport tritt einerseits die sogenannte Zwangskonvektion und andererseits die sogenannte freie Konvektion auf. Von ersterer wird gesprochen, wenn die Bewegung von außen, d. h. rein impulsgetrieben, dominant aufgeprägt wird. Dies geschieht in der Regel durch technische Apparate wie Pumpen oder Gebläse. Die freie Konvektion entsteht rein durch Dichteunterschiede, die auf Temperaturunterschiede28 zurückzuführen sind. Somit entstehen Volumenkräfte, die sogenannten Auftriebskräfte, die der Gravitationswirkung entgegenwirken. Durch diese Mechanismen wird auch die Strömung an einer Wand bestimmt. Die sich an der Wand einstellende Strömungsform wirkt sich dann auf den Wärmeübergang aus. Daher wird häufig auch der Begriff Wandwärmefluss verwendet. Vom Lateinischen convectum – mitgetragen. 28 Es sollen hier keine Lösungen verschiedener Spezies oder Konzentrationsunterschiede betrachtet werden. 26 27

2.6

Wärmetransport

73

Schon Newton hat 1701 den Wärmefluss an der Wand untersucht [30]. Er stellte dabei die folgende Beziehung auf,29 das newtonsche Gesetz des konvektiven Wärmeübergangs: qP W D ˛ .TW  T1 / ;

(2.260)

wobei hier der Koeffizient ˛ der Wärmeübergangskoeffizient ist.30 Das Besondere bei diesem Koeffizienten ist, dass er keine stoffspezifische Größe darstellt, sondern strömungsabhängig ist. Daher muss letztendlich die Strömungsform bekannt sein, um diese Gleichung nutzen zu können. Wie bei allen Transportphänomenen muss auch hier ein antreibendes Potential für den konvektiven Wärmeübergang vorhanden sein. Dieses ist der Temperaturunterschied zwischen der Wandtemperatur TW und der unbeeinflussten Temperatur des Fluids T1 fernab der Wand. Natürlich kann der konvektive Wärmeübergang und Transport nicht alleine vonstatten gehen, er ist immer auch mit der sogenannten Wärmeleitung verbunden.

2.6.2

Das Fouriersche Gesetz der Wärmeleitung

In der Energiegleichung ist die in einem Material oder Fluid stattfindende Wärmeleitung neben dem reinen konvektiven Transport eine weitere maßgebliche Größe, die zu einer Temperaturveränderung im Fluid führt.31 Durch Wärmeleitung wird Wärme Q dem Fluid entweder zu oder abgeführt. In vielen technischen Anwendungen spielt die stoffspezifische Eigenschaft, Wärme zu leiten, eine besondere Rolle. Aus der Beobachtung ist bekannt, dass dies mit Temperaturunterschieden verbunden ist, daher lässt sich ein Zusammenhang zwischen dem Temperaturgradienten und der Wärmestromdichte durch eine Potenzreihenentwicklung ausdrücken. Da der erste Term der Reihe, der konstant wäre, verschwinden muss, gerade wegen des vorausgesetzten Temperaturunterschiedes, verbleiben nur Terme erster und höherer Ordnung. Der Reihenansatz ist die entscheidende Idee, die Fourier im Jahre 1822 [17] dazu nutzte, den Wärmestrom berechnen zu können. Vernachlässigt man die Terme höherer Ordnung, so folgt das Fouriersche Gesetz der Wärmeleitung: Es beschreibt für isotrope Materialien und Fluide einen linearen Zusammenhang zwischen der vektoriellen Wärmestromdichte und einem wirkenden Temperaturgradient: qP D  gradT ;

(2.261)

29 Anstelle der normalerweise zu verwendenden vektoriellen Größe qP W wird sich hier nur auf die wandnormale Komponente konzentriert, die mit qP W bezeichnet wird. 30 Je nach Problemstellung, Kühl- oder Heizfall, kann die Temperaturdifferenz umgekehrt definiert sein. Hier ist der ins Fluid einfließender Wärmestrom positiv definiert. 31 Bei niedrigviskosen Fluiden ist die durch Dissipation erzeugte Wärme gering, dies ändert sich für höherviskose Fluide in Abhängigkeit von der Strömung.

74

2 Theoretische Grundlagen

mit  als stoffspezifische Wärmeleitfähigkeit. Das Fouriersche Gesetz drückt durch das Vorzeichen vor der Wärmeleitfähigkeit aus, dass der Wärmestrom vom Fluid höherer Temperatur zum kühleren Fluid fließt. Anstelle eines antreibenden Temperaturgradienten kann äquivalent auch der Unterschied an innerer Energie als Ursache angesehen werden: qP D 

 gradei : Pr

(2.262)

c

Hierin ist  die dynamische Viskosität,  D cvp der Isotropenkoeffizient,32 der Stoffparameter cp bezeichnet die spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck, cv steht für die spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen, mit Pr wird die stoffabhängige Prandtlzahl gekennzeichnet. Soll der Gesamtwärmestrom, der einem Fluidelement zu- oder abgeführt wird, ermittelt werden, so muss die Wärmestromdichte über den gesamten Rand des Fluidelementes aufintegriert werden: “ P  gradT dA : (2.263) QD A.t/

Dies verändert die Temperatur im Fluid. Hierfür lässt sich eine Transportgleichung herleiten. In Abb. 2.18 ist der Mechanismus des Wärmeüberganges vom Fluid in die Wand, die Wärmeleitung durch die Wand und der zweite Übergang von der Wand wieder in ein Fluid schematisch dargestellt. Weiterführende Betrachtungen zur Wärmeleitung finden sich auch in [4] und in [34]. Abb. 2.18 Schema des Wärmeüberganges und der Wärmeleitung durch eine Wand nach [34]

T

1 2

TW1 TW2 1

T

T

x

32

1/

1

s/λ

Für Fluide verschiedener Spezies entspricht dies dem Polytropenexponenten.

1/

2

2

2.6

Wärmetransport

2.6.3

75

Die Temperaturtransportgleichung

Dazu wird Gl. (2.234) durch Einsetzen von (2.233) und (2.261) umgeformt zu:

Dei D pdivv C div .gradT/ C ˚ : Dt

(2.264)

Für ein inkompressibles Fluid reduziert sich dies auf:

Dei D div .gradT/ C ˚ : Dt

(2.265)

Um auf den eigentlichen Transport der Temperatur beschreiben zu können, wird noch einmal an den ersten Hauptsatz der Thermodynamik erinnert, wobei hier alle der kinetischen Energie zugehörigen Anteile ausgeklammert werden: Es bleibt die Betrachtung der inneren Energie, deren Zunahme wird entweder durch Wärmezu- oder abfuhr oder durch verrichtete Arbeit W verursacht: P C ıW : dEi D dQ

(2.266)

Mit dem Symbol d wird die Änderung der Zustandsgröße beschrieben, ı steht für die differenzielle Änderung längs einer Länge bzw. über einen Weg. Die innere Energie kann durch die Betrachtung der Enthalpie, siehe Gl. (2.236), ersetzt werden dh 

p P C ıW : D dQ

(2.267)

Als Arbeit W soll nur eine Kompression oder Expansion des Volumens V bei konstantem Druck verrichtet werden (andere Anteile würden der kinetischen Energie zugeschlagen), und damit also nur eine Änderung der Dichte bewirken. Damit reduziert sich Gl. (2.267) auf P; dh D dQ (2.268) woraus folgt:

P D : cp dT D dQ

(2.269)

Der letzte Term, also die Änderung der Wärme, kann wieder mit Hilfe des schon beschriebenen Wärmeflusses qP über den Rand aus Gl. (2.261) und der durch Dissipation erzeugten Wärme ersetzt werden:   ˚  P gradT C : (2.270) dQ D div Unter dieser Annahme kann (2.264) umgeformt werden zu DT D div Dt



  ˚ gradT C : cp cp

(2.271)

76

2 Theoretische Grundlagen

Dies ist die Temperaturtransportgleichung für inkompressible Fluide mit konstanter, spezifischer Wärmekapazität (und konstanter Dichte).33 Für inkompressible Fluide sind cv und cp gleich, sodass auch häufig nur das Kürzel c verwendet wird. Setzt man diese Bedingung voraus, so hätte man auch direkt die innere Energie ei in Gl. (2.265) ersetzen können durch: dei D cdT ;

(2.272)

und durch Umformen direkt auf Gl. (2.271) schließen können. Anstelle des Bruches cp wird häufig auch die Diffusivität der Temperatur a, auch thermische Diffusivität genannt, benutzt: aD

 : cp

(2.273)

Die Diffusivität der Temperatur gibt die Fähigkeit des Stoffes wieder, Temperatur weiterzuleiten, daher ist der Begriff Temperaturleitfähigkeit allgemein gebräuchlich. Es sei noch an dieser Stelle angemerkt, dass die Temperaturleitfähigkeit eine kinematische Stoffgröße darstellt, wie aus der Einheitenbetrachtung festzustellen ist, denn der Massenbezug ist herausgefallen. Um zwischen Flussgrößen und Umwandlungsprozessen unterscheiden zu können, wird Gl. (2.271) in Divergenzform, siehe Gl. (2.204), formuliert34 :   @T  ˚ D div v T  gradT C : @t cp cp

(2.274)

Die Temperatur wird sowohl advektiv als auch diffusiv transportiert und steigt durch Dissipation an. Der Temperaturfluss 'T entspricht dem Klammerterm in (2.274): 'T D v T 

2.6.4

 gradT : cp

(2.275)

Der Impulsfluss, der Temperaturfluss und die Energiebilanz

Die Bilanzierung strömungsmechanischer Größen basiert auf dem Grundgedanken, dass sich eine intensive Größe in einem beliebig geformten Bilanzraum nur durch Flüsse über den Rand (rein oder raus) oder inneren Quellen bzw. Senken verändern kann. Damit folgt, Anstelle des korrekten Begriffes Temperaturtransportgleichung wird häufig für diese Gleichung auch der Begriff Wärmetransportgleichung verwendet. 34 Diese Form der Gleichung ist für die später betrachtete Finite Volumen Methode wesentlich. 33

2.6

Wärmetransport

77

dass der Impulsstrom 'v sich auf die Energiebilanz als bestimmende Flussgröße auswirkt. Dies kann gezeigt werden, indem der Einfluss des Impulsdichtetensors ˚ v , ˚ v D v ˝ v C pI  T ;

(2.276)

auf den Gesamtenergiefluss 'e betrachtet wird. Multiplikation von (2.276) mit der Geschwindigkeit v führt auf den Impulsstrom, erst durch Addition des thermischen Flusses 'T folgt dann der Gesamtenergiefluss: 'e D

1 ˚ v v C c'T :

(2.277)

Damit sind der Impulsstrom und der Wärmestrom die antreibenden Größen für den Energiefluss.

2.6.5

Boussinesq Approximation

Die Temperatur wirkt sich auf die thermodynamischen Größen recht unterschiedlich aus, so zeigen einige Größen nur eine geringe Abhängigkeit von der Temperatur, ein besondere Wirkung hat die Temperatur auf die Dichte, denn wenn starke Temperaturunterschiede vorhanden sind, treten häufig auch hohe Dichteunterschiede auf. Temperaturbedingte Dichteunterschiede können jedoch zu Auftriebsströmungen führen. Dann ist einerseits eine starke Auftriebsströmung zu beobachten, wie z. B. über der Flamme einer brennenden Kerze, andererseits ist die Annahme einer inkompressiblen Strömung dann nicht mehr gerechtfertigt. Sind Dichteänderungen groß, muss die Energiegleichung in die Modellierung der Strömung oder direkt in die Strömungssimulation eingehen. Bleiben die Temperaturen und die Temperaturgradienten jedoch in bestimmten Grenzen, und dies ist in vielen technischen Konfigurationen der Fall, so kann man den Einfluss der Temperatur auf bestimmte Strömungsgrößen vernachlässigen. Dies ist eine der Kernüberlegungen, die es Boussinesq [7] ermöglichten, Auftriebsströmungen vereinfacht zu betrachten. So wird bei thermischen Konvektionsströmungen, wie sie z. B. in der Raumklimatisierung oder bei fluidischen Wärmetauschern auftreten, immer dann die Boussinesq Approximation genutzt, wenn die auftretenden Temperaturunterschiede relativ klein sind. Dann reicht es aus, den Auftrieb als Volumenkraftterm fA D  g ;

(2.278)

mit g D g  ez , dem Vektor der Erdbeschleunigung,35 nur in der Impulsgleichung (2.212) zu berücksichtigen. Die Boussinesq Approximation zeichnet sich durch folgende drei Punkte aus [42]: 35 unter der speziellen Annahme, dass der Koordinateneinheitsvektor ez entsprechend der Wirklinie der Gravitation ausgerichtet ist.

78

2 Theoretische Grundlagen

• Sämtliche Stoffwerte des Fluids, das sind die dynamische Viskosität  , die Wärmeleitfähigkeit , der thermische Expansionskoeffizient ˇ und die spezifische Wärmekapazität cp bei konstantem Druck sind temperaturunabhängig. • Dichteänderungen, die aufgrund von Temperaturänderungen auftreten können, sind gering. Damit sind sie nur im Auftriebsterm der Impulsgleichung zu berücksichtigen. • Dichteänderungen, die aufgrund von Temperaturänderungen auftreten können, können in erster Näherung linear betrachtet werden. Es ergibt sich somit eine vereinfachte lineare Zustandsgleichung der Form D m Œ1  ˇm .T  Tm / :

(2.279)

Hierin sind m die mittlere Dichte und Tm die mittlere Temperatur im Strömungsgebiet. Die Herangehensweise zur Berechnung der mittleren Größen kann unterschiedlich sein. Neben einer Volumenmittelung findet sich sehr häufig der Ansatz, den Mittelwert zwischen einer Boden und Deckentemperatur einer quaderartigen Konvektionszelle der Höhe h zu bestimmen: (2.280) Tm D 1=2 .TBoden C TDecke / : Damit die Boussinesq Approximation Gültigkeit besitzt, muss folgende Bedingung erfüllt sein: h  Mit  wird die Fließgrenzspannung bezeichnet, n ist der schon bekannte Fließindex und K ist der Konsistenzparameter. Umformen von Gl. (3.118) und Nutzen von (3.21) führt für Spannungen, die größer sind als die Fließgrenzspannung, auf:

128

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

 ./ P D

P n1

 C Kjj ; >  : P

(3.119)

Wie oben schon angesprochen wurde, bereitet die Fließgrenze einerseits das Problem, dass ein Fluid ohne Deformation eigentlich keiner Spannung unterworfen sein sollte, andererseits macht sie die numerische Simulation zum Teil schwierig, da schrankenartig zwischen statischem und fließendem Zustand unterschieden werden muss.

3.5.4.4 Modifizierte Herschel-Buckley Fluidmodelle Analog zum Bingham Fluid bietet es sich daher an, das Herschel-Buckley Fluidmodell ebenfalls gezielt zu modifizieren. Wie schon bei der Modifizierung des Bingham Fluids kann wieder eine Übergangsfunktion genutzt werden:   P n1 P : (3.120)

.P / D    enjP j C K jj Auch diese Regularisierung geht auf Papanastasiou [76] zurück und wird in der Abb. 3.30 veranschaulicht. Alternativ findet sich in der Literatur [11], und Anwendung [95, 105] eine Modifikation durch einen newtonschen Ansatz für den Spannungsbereich unterhalb der Fließgrenze, ( P ;

  ; (3.121)

./ P D n1 n1

  K P P C KjP j P ; >  was jedoch zu einer C1-Unstetigkeit des Spannungsverlaufes am Übergangspunkt führt.

2

τ ( γ˙ ) τγ

[− ]

1,5

1 orig. Herschel-Buckley Fluid mod. Herschel-Buckley Fluid (n = 10) mod. Herschel-Buckley Fluid (n = 20) mod. Herschel-Buckley Fluid (n = 50)

0,5

0 0

0,1

0,2

0,3

γ˙

0,4

0,5

1 s

Abb. 3.30 Prinzipielle Spannungsverläufe über der Scherrate für modifizierte Herschel-Buckley Fluidmodelle

3.5

Nichtlineare viskose Fluide

3.5.5

129

Fluidmodelle für Suspensionen

Um die Breite der Modellierungsmöglichkeiten, die der allgemeine Formulierungsansatz der verallgemeinerten newtonschen Fluiden (3.74) bietet, wird jetzt auf einige sehr spezielle Fluide eingegangen: Das Gemisch von sich nichtlösenden Partikeln in einer Flüssigkeit wird als Suspension bezeichnet. Suspensionen sind Grundlagen vieler biologischer, medizinischer und technischer Prozesse. Sie kommen praktisch überall vor, insbesondere in der Lackier- und Lebensmittelindustrie [67], aber auch in Brauch- und Schmutzwasserströmungen. Daher sind Materialmodelle, die Eigenschaften von Suspensionen widerspiegeln, von großem Interesse. Gängig ist das Abbilden von strukturviskosen Fluideigenschaften durch eine Modellierung mit einem Carreau Fluidmodell. Jedoch lassen sich nicht alle Eigenschaften damit gut erfassen. Insbesondere können Partikel in Suspensionen unter Scherung oder Stauchung agglomerieren. Damit können sehr plötzlich Knicke in Fließkurven auftauchen. In Abb. 3.31 ist für ein Blutanalogiefluid12 das plötzliche Abknicken der Fließkurve bei höheren Scherraten und der dann nahezu lineare Verlauf deutlich zu erkennen. In der Medizin sind Blutströmungen besonders wichtig. Hier spielt der Fähreus Effekt eine besondere Rolle. Bei hohen Scherraten kommt es hier zu Ausrichtungen, Agglomerationen und Paketbildungen von Hämoglobinmolekülen, was sich günstig für den Transport der Molekülansammlungen durch enge Gefäße auswirkt. Blut verhält sich sehr unterschiedlich je nach Temperatur und Hämatokritanteil, daher sind Messungen zu unterschiedlichen Bedingungen erforderlich, insbesondere wenn es um medizinische Anwendungen geht, wo die Temperatur runtergesetzt wird, z. B. im Fall von Organtransplantationen, oder wenn krankheitsbedingt der Hämatokritanteil vom gesunden Durchschnitt abweicht. Für das Blut des gesunden Menschen bei einer Temperatur von 37 ı C und einem Hämatokritanteil von 45 % sind die typische Werte  D 4; 8  103 Pa und 1 D 4; 74 mPas. Abb. 3.31 Experimentell bestimmte Viskositätskurve von Blutersatz, 65 % Wasser, 35 % Glyzerin, 0,02 % Xanthumgummi (% in Massenanteil) nach [4]

Carreau η0 = 55 cP η∞ = 3,39 cP λ = 9,56 s n = 0,2

η ( γ˙) [cP]

101,5

101

100,5 10− 1

100

101

γ˙ 12

102

103

1 s

Da Blut außerhalb des Körpers schnell zersetzt, sind für die Entwicklung medizinischer Produkte Blutersatz- oder Blutanalogiefluide erforderlich.

130

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

3.5.5.1 Einsteins Suspensionsmodell Für viele Stoffe, insbesondere Kolloide und hochmolekulare Verbindungen verliert der lineare newtonsche Ansatz seine Gültigkeit, da die nichtgelösten Teilchen den inneren Widerstand erhöhen, also quasi-umströmt werden. Dies erhöht die Viskosität nichtlinear. Die Viskosität von Suspensionen und oder verdünnten Lösungen wurde von Einstein [31] untersucht. Dabei wurden vier Voraussetzungen getroffen: Die dispersen Moleküle müssen viel größer sein als die des Fluids, aber wesentlich kleiner als die Apparatur, in der sie fließen, sie sollen eine kugelförmige Gestalt haben, und sie sollen in ihrer Anzahl noch so gering sein, dass deren Abstand zueinander groß genug ist, sodass eine gegenseitige Beeinflussung ausbleibt. Dem Ansatz von Einstein folgend, erhält man für die Viskosität L verdünnter inkompressibler kolloidaler Lösungen schließlich: L D 0 .1 C KE c/ :

(3.122)

Hierin ist 0 die Viskosität des reinen Fluids, das als Suspensionsmittel wirkt, und KE eine Strukturkonstante, die die Form der Teilchen berücksichtigt. Im Fall kugelförmiger Teilchen ist KE D 2; 5. Sind die Teilchen stabförmig, so ist K D 2. c ist die Volumenkonzentration des gelösten Kolloids, d. h. das Verhältnis des Volumens der dispersen Phase VD zum Gesamtvolumen VL : VD cD : (3.123) VL Dieser Einsteinsche Suspensionsmodellansatz gilt nur für hinreichend große Teilchen, die sich gegenseitig nicht beeinflussen.13

3.5.5.2 Casson Modell Casson [22] hat ein theoretisches Modell entwickelt, dass Eigenschaften von Suspensionen sehr gut nachbildet. Dazu werden die im Fluid mitschwimmenden Partikel als kleine Zylinder der Halblänge L und Radius r modelliert. Die Grundidee ist dabei, dass sich mitschwimmende Partikel in Abhängigkeit der Scherrate agglomerieren, d. h. es kommt zu einer ausgerichteten Aneinanderlagerung der Partikel: Die Partikelanlagerung kann als Längung der Modellzylinder gedeutet werden, d. h., das geometrische Verhältnis J D L=r wächst beginnend von einem ursprünglichen Verhältniswert J0 mit höherer Scherrate an. Casson leitet eine lineare Beziehung zwischen der dann als konstant angenommenen, scherratenabhängigen Änderung der Modellzylindergeometrie J 0 D ddJP und der inversen Wurzel der Scherspannung her: J D J0 C J 0 p

13

1 0 jj P

:

(3.124)

Da Blut eine hochkonzentrierte Suspension ist, ist die gegenseitige Beeinflussung gegeben, und daher ist dieses Modell nur eingeschränkt nutzbar. c würde beim Blut dem Hämatokritwert entsprechen.

3.5

Nichtlineare viskose Fluide

131

0 ist hier die dynamische Viskosität der fluiden Phase. Die Agglomeration funktioniert nur, wenn die Partikel ein bestimmtes Längen zu Radius Verhältnis aufweisen, zudem ist sie abhängig von der Ausrichtung der Partikel a und der Konzentration c der Partikel in der Suspension. Daher p tritt ein Ausrichtungsfaktor A D aJ0  1 und ein Agglomerationsparameter B D a  c  J 0 = P auf. Dies muss neben der geometrischen Beziehung berücksichtigt werden. Eine Umformung von Gl. (3.124) nach der Wurzel der Spannung führt auf: 

1=2 D

0 .1  c/A

1=2

 P 1=2 C

a  c  J0 A

h i .1  c/A=2  1 :

(3.125)

Der Vorfaktor von P 1=2 und der letzte Term in Gl. (3.125) sind konstant, dies führt auf die originale Version der konstitutiven Gleichung von Casson: P 1=2 C K0 :

1=2 D K1 jj

(3.126)

Die Konstanten sind Fluidparameter und werden auch als Casson Viskosität Ca D K12 und als Casson Grenzspannung ;Ca D K02 bezeichnet. Letztlich folgt

1=2 D

p

Ca jj P 1=2 C

p

;Ca :

(3.127)

Der letzte Term in Gl. (3.127) legt die Fließgrenze fest.

3.5.5.3 Casson-Mohos Modell Aufgrund von verschiedenen experimentellen Ergebnissen, siehe [45], lag es nahe, statt des Exponenten 1=2 in der originalen Casson Formulierung eine Verallgemeinerung durchzuführen, denn z. B. für ein Milch-Schokolade Gemisch konnten bessere Kurvenanpassungen mit 1=2  n  1 erreicht werden. Mohos [66] verwendet den allgemeinen Exponenten n: (3.128)

n D K1 P n C K0 ; wobei der Ansatz J D J0 C J 0

1 : .0 jj/ P n

(3.129)

zugrunde gelegt wurde. Dies führt wiederum auf: n

D



0 .1  c/A

n

n

P C



a  c  J0 A



 .1  c/An  1 :

(3.130)

Auch wenn die grundlegenden Überlegungen, die zu diesem Modell geführt haben, mechanischer Art sind, so muss jedoch auch bei diesem wieder das Verhalten des Fluids durch Anpassungen der Koeffizienten nachmodelliert werden.

132

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

Aufgrund der Diskontinuität des Casson Modells am Rand der Grenzspannung führte Papanastasiou [76] einen glatten Übergang ein:  r  p

;Ca  p  mjP j 1e : (3.131) ./ P D Ca C jj P Die Exponentialfunktion wird genutzt, um den glatten Übergang zu erzwingen. Für große Parameter m.> 100/ nähert sich das Modell dem originalen Casson Modell an.

3.5.5.4 Quemada Fluidmodell Ausgehend von der Modellannahme einer minimalen Energiedissipation entwickelte Quemada [84] ein Fluidmodell für konzentrierte disperse Fluide, das sowohl die Scherrate als auch die Volumenkonzentration der dispersen Phase berücksichtigt: 0

q

jj P Pc

1 k0 C k1 B ./ P D 0 @ 1  q 2 1 C jP j

12 C

A

:

(3.132)

Pc

Dieses Modell wurde von Quemada insbesondere für Blutströmungen vorgeschlagen [85] und ausführlich untersucht [86]. Der Anteil der Hämatokrite im Blut entspricht der Volumenkonzentration der dispersen Phase . Durch Messungen wurden folgende Modellkonstanten für Blut bestimmt: 0 D 1; 2  103 Pa sI D 0; 45I Pc D 1; 88s1 I k0 D 4; 33I k1 D 2; 07. Das Modell ist leicht zu implementieren und wird daher häufig verwendet, zudem wurde es durch Experimente von Schmid-Schönbein [97] abgesichert. Auch wenn das Quemada Fluidmodell gute Resultate liefert, kann nicht eindeutig ausgesagt werden, welches Suspensionsmodell für Blutströmungen das geeignetste ist, da sehr unterschiedliche patienten- und auch krankheitsbedingte Faktoren eine große Rolle hinsichtlich der Bluteigenschaften spielen. Vergleichende Studien werden daher fortlaufend durchgeführt, siehe z. B. [69] oder [58].

3.5.6

Thixotropie und Rheopexie

Viele natürliche und synthetische Fluide weisen neben des typischen scherentzähenden oder scherverzähenden Materialverhaltens auch ein zeitabhängiges Verhalten auf. Diese Materialien zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass deren Viskosität, im Gegensatz zu den rein newtonschen Fluiden, nicht nur vom aktuellen Spannungszustand abhängt, sondern vielmehr von der Historie der erlebten Deformationen, die das Fluidelement während seiner Bewegung erfährt. Dieses Charakteristikum nennt sich Gedächtniseigenschaft. Bekannte Beispiele sind Materialien mit thixotropem oder rheopexem Verhalten. Das grundsätzliche Verhalten beider Fluide lässt sich bei einer zeitlich anhaltenden gleichförmigen Scherbelastung leicht unterscheiden, wie in Abb. 3.32 dargestellt wird. Diese Abbildung verdeutlicht die Klassifizierung des Fluidverhaltens.

3.5

Nichtlineare viskose Fluide

133

Abb. 3.32 Grafische Veranschaulichung des zeitabhängigen „Gedächtnisses“ des Fluidverhaltens bei zeitlich konstanter Scherrate thixotroper und rheopexer Fluide

τ rheopexe Fl. zeitunabh. Fließg. thixotrope Fl.

t γ˙

t

3.5.6.1 Thixotropes Verhalten Bei thixotropen Materialien lässt sich beobachten, dass deren Viskosität trotz konstanter Scherbelastung mit zunehmender Scherzeit abnimmt bis ein unteres Niveau erreicht wird. Entsprechend nimmt auch der Fließwiderstand bis hin zu einem Minimalwiderstand ab. Wird die Scherbelastung reduziert (oder ausgesetzt), erfolgt eine sogenannte Erholung des Fluids, die mit einer zeitlich fortschreitenden Erhöhung der Viskosität verbunden ist, wie in [3, 5] und [62] dargelegt wird. In Abb. 3.33 ist dies auch schematisch dargestellt. Thixotropes Verhalten ist somit die Verringerung der Viskosität während einer Scherphase und der vollständigen Erholung der Viskosität während der nachfolgenden zeitlichen Ruhephase. Eine vollständige Thixotropie ist damit reversibel. Bei zeitlich wechselnder Last entspricht der typische Verlauf der Viskosität einer thixotropen Substanz dem, wie er in Abb. 3.33 dargestellt wird. So wird das Fluid einer Scherung mit der Scherrate P1 bis zu einem Zeitpunkt t1 ausgesetzt, anschließend unterliegt das Fluid einer verringerten Scherrate P2 . Der erste Bereich stellt das typische Absinken des Fließwiderstandes im zeitlichen Verlauf auf einen unteren Gleichgewichtswert dar. Der Begriff „Breakdown“ Abb. 3.33 Prinzipieller Viskositätsverlauf bei thixotropem Verhalten

η

γ˙ = Konst. >> 0

Wirkungszeit – ta

γ˙ = 0

Relaxationszeit – tr t

134

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

wird hierfür verwendet, anschließend zeigt die für thixotrope Substanzen charakteristische Erholung, das sogenannte „Rebuilding“. Bei verringerter Scherbelastung kann sich ein zweiter Gleichgewichtswert bei höherer Viskosität einstellen. Zur Charakterisierung thixotroper Substanzen sind vor allem die Bestimmung der Gleichgewichtsviskosität in Abhängigkeit von der Scherrate sowie die Quantifizierung der Zeiten des „Breakdown“ bzw. des „Rebuilding“ von Bedeutung, Informationen dazu finden sich in [5, 62, 65]. In der Regel tritt der Effekt der Thixotropie in Verbindung mit Scherverdünnung auf. Daher gibt es auch Interpretationen, die eine Scherverdünnung als Thixotropie mit sofortiger Wirkung und unmittelbarer Relaxation verstehen [5]. Generell ist das Verhalten der Thixotropie quantitativ und sogar qualitativ abhängig von der Wirkzeit und der Relaxationszeit. Die Strukturänderung ist schneller für eine größere Beanspruchung, d. h. eine kürzere Wirkzeit bei höherer Last führt zu einer schnelleren Viskositätsreduzierung. Ein sehr bekanntes Beispiele für thixotrope Substanzen ist neben den bekannten Fluiden wie den Cremes, den Gelees und den Pasten, der Ketchup, der bei gleichmäßigem Schütteln oder Rühren dünnflüssig wird und eine Relaxationszeit von etwa 10 Minuten bei 20 ı C aufweist. Auch schweres Paraffinöl wird bei schüttelnder Belastung schlagartig dünnflüssig, dessen Relaxationszeit liegt bei ungefähr 8 Stunden bei 20 ı C. Thixotropie ist auch für Sportler besonders wichtig, denn die Hyaluronsäure, die Gelenkflüssigkeit, weist thixotropes Verhalten auf, daher ist es sehr empfehlenswert, sich vor dem Sport aufzuwärmen. Thixotropie stellt auch eine Gefahr dar: Treibsände sind alle stark thixotrop, daher führt schnelles Bewegen zur zeitlichen Absenkung der Viskosität, wodurch man unaufhaltbar absinkt. Oberflächenvergrößerung durch Öffnen der Bekleidung kann helfen. Thixotropie ist auch eine Ursache für Damm- und Deichbrüchen oder auch für Schlammlawinen; gerade in tonartigen Sedimenten kann durch die mechanische Belastung, wie sie bei Erdbeben oder Wasserdruck bei langanhaltendem Regen und einsickerndem Wasser auftritt, ein Wechsel von fest zu fließfähig auftreten. Nicht immer findet die Erholung vollständig statt, daher bezeichnet man ein Fluid oder Material, das bei Scherlast strukturviskoses Verhalten aufweist, aber die ursprüngliche Strukturstärke bzw. Nullviskosität auch nach einer „unendlich“ langen Ruhezeit nicht mehr erreicht, als pseudo-thixotrop. Es hat eine irreversible Strukturveränderung stattgefunden, damit ist die Regeneration nur partiell. Joghurt weist pseudo-thixotropes Verhalten auf: Auch nach einer längeren Relaxationszeit bleibt Joghurt nach einem kräftigen Rühren deutlich dünnflüssiger als zuvor.

3.5.6.2 Rheopexes Verhalten Rheopexes Verhalten bedeutet die Erhöhung der Viskosität während eines Scherbelastungszeitraumes und das Absinken der Zähigkeit auf das Ausgangsniveau während der nachfolgenden Ruhephase. In Abb. 3.34 wird der prinzipielle Viskositätsverlauf veranschaulicht. Rheopexie ist somit mit der Scherverzähung verwandt. Analog zu den Ausführungen im vorherigen Kapitel kann Scherverdickung daher auch als Rheopexie mit schlagartiger Wirkung und Relaxation verstanden werden. Vollständige Rheopexie ist reversibel. Beispiele für rheopexe Substanzen sind Keramikschlicker, Latexdispersionen,

3.5

Nichtlineare viskose Fluide

135 η

Abb. 3.34 Prinzipieller Viskositätsverlauf bei rheopexem Verhalten

γ˙ = Konst. >> 0

γ˙ = 0

Wirkungszeit – ta

Relaxationszeit – tr t

hochkonzentrierte Proteinsuspensionen, Kohlesuspensionen und Plastisolen. Zumeist ist rheopexe Verhalten unerwünscht, da rheopexe Substanzen inhomogen fließen, d. h. es kommt zu Wandgleiteffekte, Entmischung und Pfropfenbildung. Zudem steigt der notwendige Energieaufwand für den Fluidtransport. In bestimmten Anwendungen ist rheopexe Verhalten erwünscht, z. B. bei Schuhsohlen von Sportschuhen. Analog zur Pseudo-Thixotropie werden mit Pseudo-Rheopexie reversible Vorgänge bezeichnet, bei denen nur eine partielle Regeneration der Viskosität stattfindet, diese ist allerdings größer als der Anfangswert, siehe Abb. 3.35.

Scherphase

Ruhephase

rheopex

Scherrate

Viskosität

partiell rheopex

partiell thixotrop thixotrop

Zeit

Abb. 3.35 Prinzipieller Viskositätsverlauf bei partiell, thixotropem und rheopexem Verhalten

136

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

Je nach Zusammensetzung, Konzentration und Partikelgrößenverteilung können Mischungen gleichartiger Fluide sich thixotrop oder rheopex verhalten. In der Verfahrenstechnik wird das thixotrope oder rheopexe Verhalten gezielt durch Zugabe kleinster Mengen an oberflächenaktiven Substanzen, den Tensiden, gesteuert.

3.5.6.3 Viskositätsmodell für zeitabhängiges thixotropes oder rheopexes Verhalten Eine einfache Methode, die Zeitabhängigkeit zu modellieren, besteht darin, die relevanten Parameter als Funktionen der Zeit aufzufassen, .t/; P .t/, und aus den experimentell ermittelten Verläufen sich den Wert der Spannung P .t/ geben zu lassen. Dieser einfache Ansatz beschreibt alle Details der Strukturänderung jedoch nur näherungsweise, daher wird in der Regel ein anderer Ansatz verfolgt. So wird bei komplexeren aber weiterhin vorwiegend qualitativen Modellen die Strukturänderung mit einem dimensionslosen Strukturparameter  quantifiziert: Ist das Fluid im Ruhezustand entweder vor oder nach der Beanspruchung vollkommen relaxiert, wird dem Strukturparameter  der Wert Eins zugewiesen. Ist die maximale Strukturänderung erreicht, so soll  den Wert Null annehmen. Werte dazwischen sollen während der Beanspruchungs- bzw. Relaxationsphase dem Strukturparameter zugewiesen werden. Zur Beschreibung des Materialverhaltens werden dann zwei gekoppelte Gleichungen aufgestellt: Die erste Gleichung liefert die Spannung für einen P bestimmten Wert von P ./. Die zweite Gleichung, die Strukturverlaufsgleichung für .t/, liefert den zeitabhängigen Wert von . Die Modellgleichungen unterscheiden sich, sehr verbreitet ist das Modell von Houska [48], das eine Erweiterung des Herschel-Bulkley Fluidmodells darstellt.   P n1 P ;

D  C 1  C .k0 C k1 / jj P D a .1  /  bjj P ";

(3.133)

wobei  ; k0 ; n die Standardparameter des Fluids ohne Strukturänderung sind, und 1 ; k1 die Parameterwerte der Zeitabhängigkeit für die Strukturänderung darstellen, wobei hier angenommen wird, dass ein lineare Abhängigkeit von  vorliegt. Die zweite Gleichung ist die kinetische Gleichung mit zwei Komponenten: Die erste Komponente a.1  / ist der Strukturaufbauterm,  nimmt zu, sobald P wieder zu Null runtergefahren ist, also die Phase der Relaxation begonnen hat. Die zweite Komponente bjj P " ist der Strukturabbauterm, der ausdrückt, dass  während der Beanspruchungsphase abnimmt. In diesem Modell treten acht Modellparameter auf: Die Fluidmodellparameter:  ; k0 ; n und 1 ; k1 und die kinetischen Parameter a, b und ". Nachteilig ist, dass zur Bestimmung dieser acht Parameter hinreichend viele Messungen notwendig sind; dann jedoch kann mit diesem Modell das komplexe zeitliche thixotrope oder rheopexe Verhalten der vermessenen Fluide hinreichend genau in numerischen Simulationen abgebildet werden.

3.5

Nichtlineare viskose Fluide

3.5.7

137

Viskoelastische Fluide

Eine weitere Klasse natürlicher und synthetischer Fluide sind viskoelastische Materialien, die sich einerseits dadurch auszeichnen, dass deren Viskosität von der Historie der während seiner Bewegung erlebten Deformationen abhängt, dieses Charakteristikum wird, wie oben schon beschrieben mit Gedächtniseigenschaft bezeichnet. Andererseits speichern diese Fluide Energie derart, dass es zu elastischen Effekten kommt: Ein elastisches Material nimmt, wenn Deformationen aufgrund der Wirkung von aufgeprägten, äußeren und infolge auch inneren Spannungen stattgefunden haben, nach Wegfall dieser Kräfte seine ursprüngliche Gestalt an, damit „merkt“ das Material sich zeitlich unbegrenzt seine Ursprungsform. Das besondere ist, dass es quasi zurückfedert, Energie ist also in einer Art Federspannung gespeichert. Das Federmodell ist daher ein gängiges Modell zur Erklärung der Elastizität. Ein newtonsches Fluid ist dagegen linear viskos, d. h., dass einerseits das Fließverhalten zeitlich unmittelbar aufgrund einer Kraftwirkung erfolgt, aber auch, dass während der Verformung Energie in Wärme reibungsbedingt dissipiert und nichts in eine Art Speicher fließt. Somit kann die zuvor stattgefundene Deformation der Fluidelemente des Fluids sobald die Kraftwirkung wegfällt, nicht rückgängig gemacht werden. Im Prinzip nimmt ein viskoelastische Material eine Zwischenstellung zwischen elastischem Material und newtonschem Fluid ein. Das viskoelastische Material speichert die Historie seiner Deformation über einen bestimmten begrenzten Zeitraum, der sogenannten Relaxationszeit, daher ändert es zeitlich relaxierend sein Fließverhalten, auch wenn die Deformationsursache weggefallen ist, es federt teilweise analog zum elastische Material zurück. Jedoch ist ein Teil der während der Verformung umgesetzten Energie aufgrund innerer Reibung dissipiert. Dies lässt sich am zeitlich abklingenden, schwingenden Fließverhalten beobachten. Das Abklingverhalten hängt von der Stärke des viskosen Anteils ab. Wie beschrieben sind viskoelastische Fluide irgendwo zwischen z. B. Gummi und Wasser einzuordnen. Daher liegt es nahe, auf einfache Modellvorstellungen bestehend aus Feder und Dämpfer zurückzugreifen, als Analogon zu Modellen, wie sie in der Elastomechanik verwendet werden. Dies ist der bekannte Maxwellsche Modellierungsansatz [59], der auch von Truesdell diskutiert wird [112]. Zusätzlich zum Maxwellschen Modellierungsansatz mit Hilfe von Feder und Dämpferelementen wird bei der Modellierung von Polymerlösungen der Ansatz verfolgt, den Spannungstensor in einen generalisierten newtonschen Anteil und einen viskoelastischen Anteil abzuspalten. Beide Anteile werden dann gesondert modelliert: Ttotal D Tgeneralnewt C Telast :

(3.134)

Hierin umfasst Tgeneralnewt den linear oder nicht-linear viskosen, newtonschen Spannungsanteil, während der elastische Anteil durch den verallgemeinerten elastischen Spannungstensor Telast , auch Polymerspannung genannt, wiedergegeben wird. Zusammen ergibt sich wiederum der Tensor der Gesamt- bzw. Totalspannungen.

138

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

Modellvorstellungen für die Polymerspannung lassen sich wieder durch Verknüpfung entsprechender Feder-Dämpfer Systeme entwickeln. Hier gibt es sehr unterschiedlich komplexe Modelle, wie noch gezeigt wird, z. B. ist das zugehörige Feder-Dämpfer System von Jeffreys komplizierter als das Maxwellsche, jedoch ist es in der Modellierungsmöglichkeit für bestimmte Fluide, insbesondere den Polymerlösungen, näher an experimentellen Befunden. Die Aufspaltung in einen verallgemeinert newtonschen und viskoleastischen Anteil kann anhand der Betrachtung einer Polymerlösung physikalisch interpretiert werden: Der verallgemeinertnewtonsche Anteil entspricht der Lösung, in der sich der elastische Anteil gelöst befindet. Dahingegen drückt die Polymerspannung den elastischen Anteil der Viskosität aus, der durch die Dehn- und Stauchbarkeit und der damit verbundenen Federeigenschaften der vorhandenen Polymerketten in der Lösung hervorgerufen wird. Eine zeitliche Interpretation hinsichtlich der Dauer von schwingenden, viskosen Moden ist auch möglich, in dem man die einem Fluid zugeordnete charakteristische Relaxationszeit einführt: Dies ist die rückliegende Zeitspanne, über deren Verlauf noch Informationen in den aktuellen Spannungszustand einfließen. Alles, was davor an Deformationen vorlag, ist vergessen und fließt nicht mehr in die Viskosität ein. Da der lineare Spannungstensor im Modell unmittelbar wirkt, werden ihm die schnellen Relaxationsmoden zugeordnet, während die langsamen Moden dem Polymerspannungstensor zugeordnet sind. Zu diesen Effekten kommt noch ein weiterer hinzu: In rheologischen Experimenten mit viskoelastischen Fluiden, insbesondere bei Polymerlösungen und -schmelzen wird häufig die verspätete Reaktion des Fluids auf die von außen aufgeprägten Kräfte beobachtet. Diese zeitliche Verzögerung des Ablaufes nennt man Retardation. Die Retardationszeit ist ein weiterer stoffspezifischer Parameter, der in die Modellbeschreibung des Fluids eingehen muss. Aus diesen Überlegungen wird deutlich, dass die Formulierung des Zeitverhaltens und der Gedächtniseigenschaften für viskoelastische Fluide essenziell ist. Daher ist es unabdinglich, eine durch geeignete Versuche das Zeitverhalten des Fluids zu bestimmen, um eine fluideigenschaftsbeschreibende Funktion aufstellen zu können.

3.5.7.1 Gedächtnisfunktion Für jedes viskoelastische Fluid gilt es nun, eine materialspezifische Tensorfunktion, die sogenannte Gedächtnisfunktion bzw. die Relaxationsfunktion: G D G .F.t; t0// :

(3.135)

aufzustellen und mittels Wahl geeigneter Parameter zu eichen. Da sich nichtlineare viskoelastische Fluide stark unterscheiden, gibt es auch sehr unterschiedliche Modelle, die jeweils nur für die spezifischen viskoelastischen Fluide gültig sind. Deshalb soll nachfolgend nur in allgemeiner Form auf die verschiedenen Modelle eingegangen werden. Bei Böhme [16] und Giesekus [42] finden sich weiterführende Erläuterungen zu den grundlegenden Modellvorstellungen.

3.5

Nichtlineare viskose Fluide

139

In der gängigen Modellvorstellung, nachfolgend dargestellt für den eindimensionalen Fall, wird beim nichtnewtonschen, viskoelastischen Fluid einer Deformation  mittels der Relaxationsfunktion G .t/ ein zeitlicher Verlauf der Spannung .t/ zugeordnet: G .t/ D

.t/ : 

(3.136)

Dieser Zusammenhang ist in dieser Form nur dann gültig, wenn die Deformationen so klein sind, dass die rückwirkenden Spannungen im Fluid linear von ihnen abhängen. Für die Relaxationsfunktion wird im allgemeinen über die in die Vergangenheit reinreichende Zeitspanne s D t  t0 ein zeitlich exponentiell abnehmender Verlauf angenommen, s

G .s/ D G.0/e  ;

(3.137)

da dies für viele Fluide empirisch ermittelt wurde. Die hier auftretende Größe  steht für die sogenannte Relaxationszeit, diese Zeitkonstante ist die Systemzeit, die angibt, über welche Zeitspanne der Einfluss der schon vergangenen Spannungszustände auf das momentane Verhalten der Flüssigkeit abnimmt. Bei verschiedenen viskoelastischen Fluiden zeigen sich auch thixotrope oder rheopexe Eigenschaften, wenn längere Einwirkzeiten der Scherrate bestehen, siehe dazu Abb. 3.32. Zur Veranschaulichung soll eine initial sprunghafte, dann weiter konstante Auslenkung auf das viskoleastische Fluid einwirken. Dazu wird mit Hilfe einer Sprungfunktion H.s/ ausgedrückt: s (3.138) G .s/ D G.0/e  H.s/ ; Da die Modellannahme eines Federdämpfer-Systems gilt, wird die Relaxationsfunktion initial mit dem Elastizitätsmodul (der Feder) G.0/ ausgelenkt. Danach relaxiert die Sprunginformation. Die Bedeutung der Parameter G.0/ und Relaxationszeit  der differenziellen Modelle ist in Abb. 3.36 veranschaulicht. Die Gedächtnisfunktion kann sehr leicht um den Effekt der Retardation erweitert werden: Indem die materialspezifische Retardationszeit R eingeführt wird, kann der zeitliche Verzug der Dehnungs- bzw Scherverzerrungsreaktion des Fluids auf die wirkende Kraft berücksichtigt werden. So kann z. B. die eventuell auftretende Retardation wieder über eine Sprungfunktion H.R / berücksichtigt werden: s

G .s/ D G.0/e  H .R / :

(3.139)

Es sei ferner angemerkt, dass die Relaxationsfunktion bei einer einfachen Formulierung nach Gl. (3.137) nur eine charakteristische Frequenz und damit Relaxationszeit  aufweisen würde. Dies entspricht i.A. nicht der Beobachtung, daher findet häufig eine Erweiterung der Relaxationsfunktion statt: G .s/ D

N X

s

Gk e k :

kD1

dadurch kann ein Spektrum von N Relaxationszeiten beschrieben werden.

(3.140)

140 Abb. 3.36 Grafische Veranschaulichung des prinzipiellen Zeitverlaufs des Elastizitätsmoduls G.t/ und der Relaxationszeit  bei plötzlicher wirkender Schubverformung

3 Rheologie – Viskosität der Fluide γ∙ γ∙0

t τ /γ 0

G0

G(t ) λ

t

Um das lineare Antwortverhalten von viskoelastischen Fluiden ermitteln zu können, werden oszillationsrheometrische Messungen bei kleiner Amplitude durchgeführt:  D 0 sin .!t/ :

(3.141)

Für kleine Auslenkungen ergibt sich als lineare Antwort der rückstellend wirkenden Spannungen (3.142)

D 0 sin .!t C ı/ D G00 0 sin .!t/ C G0 0 cos .!t/ : Hier bezeichnet 0 die Amplitude der Spannungsantwort und ı die zeitliche Phasenverschiebung, die aufgrund des elastischen Anteil im Maxwell Fluid generiert wird. Ein solcher Zusammenhang kann kompakter durch Einführung des komplexen Relaxationsmoduls bzw. Schubmoduls G D G0 C iG00 :

(3.143)

dargestellt werden. G0 stellt den dissipativen, viskosen Anteil und G00 den elastischen Anteil dar. Die elastische Komponente nennt sich auch Speichermodul, während die dissipative Komponente auch Verlustmodul genannt wird. Für die beiden Module lassen sich nach dem erweiterten Maxwellschen Modell nach (3.140) folgende Gleichungen schreiben: N X ! 2 2k Gk (3.144) G0 .!/ D 1 C ! 2 2k kD1

3.5

Nichtlineare viskose Fluide

141

und 00

G .!/ D

N X

Gk

kD1

!k : 1 C ! 2 2k

(3.145)

Folgerichtig wird aus dem Speichermodul und dem Verlustmodul eine komplexe, dynami00 0 sche Viskosität definiert, deren Komponenten nimmt die Form 0 D G! und 00 D G! an. Diese Größen geben somit das lineare Antwortverhalten des jeweils betrachteten Fluids wieder. Eine Verknüpfung von oszillationsrheometrischen und scherrheometrischen Messungen ist möglich. Diese gelingt mit Hilfe der Beziehung ./ P D j.!/j ;

(3.146)

in der die Scherrate der Oszillationsfrequenz gleich gesetzt wird: P D !. Dieser empirisch gefundene Zusammenhang, der strenggenommen nur für sehr kleine Scherraten bzw. Frequenzen analytisch gezeigt werden kann, wird als die Cox-Merz Regel bezeichnet.

3.5.7.2 Integrale Modelle Da bei Fluiden mit „Gedächtnis“ die zurückliegende Verformungsgeschichte entsprechend der Gl. (3.27) eingeht, muss neben einer geeigneten Gedächtnisfunktion ein geeignetes Maß für die relative Verzerrung zwischen den zurückliegenden Zeiten s D t  t0 gefunden werden. In Abschn. 2.3.5.2 ist der relative Verzerrungstensor Ct .r; t; s/ eingeführt worden, dieser liefert genau das gewünschte Maß für die relative Verzerrung. Damit nimmt die integrale Zustandsgleichung (3.27) die folgende Form an: Z

1

TD 0

dG .t; s/ ŒCt .r; t; s/  I ds : ds

(3.147)

Bevor Gl. (3.147) angewandt wird, muss noch ein geeigneter Ausdruck für die Gedächtnisfunktion eingesetzt werden.

3.5.7.3 Doi-Edwards Fluidmodell Wie oben schon beschrieben kann die Spannung in einen newtonschen Anteil und einen elastischen Anteil zerlegt werden, dies ist bei der Behandlung von Lösungen üblicherweise der Fall. Das Doi-Edwards Modell beruht auf folgenden Ansatz: Z T D 0 D C Ge f 2

t 1

     t; t0 Q t; t0 dt0 :

(3.148)

142

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

3.5.7.4 Differenzielle Fluidmodelle Wie eingangs schon beschrieben wurde, können die Viskositätseigenschaften der viskoelastischen Fluide entweder integral oder differenziell beschrieben werden. Obwohl sich die zwei Beschreibungsformen sehr stark voneinander unterscheiden, insbesondere was Randbedingungen und die praktische Implementierung angeht, kann gezeigt werden, dass diese durchaus äquivalent sind: Ausgangspunkt soll die eindimensionale integrale Stoffgleichung der Form Z 1

.t/ D

G.s/P .t  s/ ds

(3.149)

0

sein. Einsetzen von

s

G .s/ D G .0/ e  H .s/

(3.150)

und ableiten nach der Zeit führt auf Z

1

P D G .0/ 0

s

e 

@.t P  s/ ds : @s

(3.151)

Die rechte Seite von Gl. (3.151) kann als Integral einer partiellen Integration aufgefasst werden,14 daher lässt sich diese Gleichung umformen zu:  h i1 1 Z 1 s s P  s/  e  .t P  s/ds ; (3.152)

P D G .0/ e  .t 0  0 und weiter zu

P D G .0/ .t/ P C

1

.t/ ; 

(3.153)

wobei das letzte Integral mit Hilfe von Gl. (3.149) ersetzt wurde. Nach Multiplikation mit  folgt schließlich

.t/ C  P .t/ D .t/ P ; (3.154) wobei die Definition  WD G .0/  eingeführt wird. In dieser konstitutiven Gleichung tritt neben des Terms D , P zeitlich unmittelbar wirkt, noch die zeitliche Ableitung der Spannung P auf, wodurch die Abhängigkeit der Spannungszustände vom zeitlichen Verlauf in der Flüssigkeit ausdrückt wird. Im Fall einer Polymerlösung umfasst  nun die Viskosität der Lösung und die Viskosität des Polymers. Falls eine sehr langsame Spannungsänderung stattfindet,  P .t/ > , so folgt:

P .t/ D

 .t/ P ) D G ; 

was dem Hookeschen Gesetz für den elastischen Festkörper entspricht. d.u  v/=ds D u0  vR C u  v 0 R u  v D u0  vds C u  v 0 ds 14

(3.155)

3.5

Nichtlineare viskose Fluide

143

Abb. 3.37 Veranschaulichung des Maxwell-Modells mit Hilfe eines Federdämpfersystems G=

η0 λ

γ

η0 γ1

Der grundsätzlich Aufbau von Gl. (3.154) ist aus der Betrachtung von Feder-DämpferSystemen der klassischen Mechanik bekannt, daher liegt es nahe, das Fluidverhalten in einer schematischen Darstellung als eine elastische Komponente, die Feder in Abb. 3.37 zu beschreiben, die mit einer rein viskosen Komponente, das Dämpfungselement in Abb. 3.37, linear verknüpft ist. Dieser sehr einfache Erklärungsansatz für viskoelastische Verhalten eines Fluids ist die sogenannte Maxwellsche Modellvorstellung, die auf den Erfinder James Clerk Maxwell zurückgeht. In der Maxwellschen Modellvorstellung entspricht die elastische Komponente einer Hookeschen Feder, damit wird sie durch ein linear von der Auslenkung abhängiges Kraftgesetz beschrieben. Daraus folgt, dass nun auch die Relaxationszeit einen spezifischen Materialparameter darstellt, der die Zeitkonstante der linearen Antwort des Fluids auf eine Auslenkung beschreibt. Mit der einfachen Feder-Masse Modellvorstellung von Maxwell lassen sich einige (jedoch nicht alle) der empirischen Beobachtungen erklären, da es den zeitlichen Zusammenhang zwischen dem momentanen Spannungszustand des Fluids auch in zeitlicher Abhängigkeit zu den vorangegangenen Spannungszuständen beschreibt. Komplexeres Zeitverhalten wird mit einer Erweiterung begegnet, die von Barnes [6] stammt:

C 1

d d 2 C 2 2 C ::: D 0  C 1 P C 2 C R ; dt d t

(3.156)

was weiterhin eine isentrope Beziehung zwischen der Spannung und Deformation darstellt. Problematisch erweist sich jedoch die Beschreibung verschiedener Strömungseffekte von auftretenden nichtlinearen Normalspannungsdifferenzen für bestimmte Fluide. Eine Erweiterung des Feder-Masse Analogiemodells von Maxwell stellt der Ansatz von Jeffreys dar. Hier wird der verallgemeinerte newtonsche Anteil abgespalten und ein zusätzlicher Dämpfer parallel zum maxwellschen geschaltet. Die Jeffreys Modellvorstellung führt zu komplexeren Fluidmodellen. Die gängige Veranschaulichung mit Hilfe eines Federdämpfersystems ist in Abb. 3.38 dargestellt. Die Herangehensweise zur Herleitung der Gleichung kann [16] entnommen werden.

144

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

Abb. 3.38 Veranschaulichung des Jeffrey-Modells mit Hilfe eines Federdämpfersystems

ηS

G=

η λ

ηP

3.5.7.5 Verallgemeinerung der Feder-Dämpfer Modelle Viskoelastische Fluide zeichnen sich durch zum Teil sehr komplexere Strömungsvorgänge aus. Insbesondere sind die zu beobachtenden Phänomene zumeist dreidimensional, sodass eine entsprechende Erweiterung der Gl. (3.154) notwendig ist. Ferner bedarf die in dieser Gleichung auftretenden Zeitableitung einer eingehenden Betrachtung: Die einfache Zeitableitung der Spannung würde zu einem Spannungstensor führen, der nicht objektiv wäre und damit ungeeignet wäre zur Beschreibung eines Materialgesetzes. Daher müssen insbesondere objektive Zeitableitungen verwendet werden. Die Anwendung der allgemeinen objektiven Zeitableitung, siehe Gl. (2.177), führt auf eine verallgemeinerte Form des Maxwell Modells, das dann das folgende Aussehen aufweist: Þ

.n/

Þ

T C T C Q .T/ T D 2D C R D :

(3.157)

Zusätzlich wurde in Gl. (3.157) ein Term angehängt, der auch die Zeitableitung des Verzerrungsgeschwindigkeitstensors einfließen lässt. Um ein Materialgesetz zu spezifizieren, sind entsprechende Materialparameter zu wählen: Mit der Relaxationszeit  wird der Anteil des zeitlich zurückliegenden Spannungszustandes berücksichtigt, die Retardationszeit R berücksichtigt zusätzlich auftretende zeitabhängige Verformungsanteile, die mit einem Zeitverzug eingekoppelt werden. Über .n/

das Funktional Q .T/, das ein Tensor nullter oder zweiter Stufe sein kann, wird der nichtlineare Spannungsanteil, der sich aus einer Strukturviskosität oder Dilatanz ergibt, berücksichtigt. Bei näherer Betrachtung von Gl. (3.157) wird deutlich, wie die verschiedenen Fluidmodelle entwickelt werden können und wie sie sich dann voneinander unterschieden: Diese Unterschiede ergeben sich in der Art, erstens, wie in Gl. (3.157) der zeitabhängige Spannungsterm über die Relaxationszeit  eingekoppelt wird, zweitens, welche Form der objektiven Ableitung gewählt wird, drittens, wie der nichtlineare viskose Anteil am

3.5

Nichtlineare viskose Fluide

145 .n/

Spannungstensor behandelt wird, und viertens wie das Funktional Q .T/ formuliert wird. Bei vielen gängigen viskoelastischen Fluiden wird der zeitabhängige Deformationsterm vernachlässigt, d. h. R wird zu Null gesetzt. Zur Orientierung wird nachfolgend auf einige solcher Modelle mit ihren Spezialisierungen eingegangen.

3.5.7.6 Maxwell-Oldroyd Fluid A Die Maxwell Fluide bzw. die sogenannten Maxwell-Oldroyd Fluide A lassen sich auf die folgende Gleichung zurückführen: 4

T C T D 2D :

(3.158)

Hier tritt die kovariante Oldroydableitung des Spannungstensors auf.

3.5.7.7 Maxwell-Oldroyd Fluid B Das Maxwell-Oldroyd Fluidmodell B unterscheidet sich vom vorherigen Modell durch die Verwendung der kontravarianten objektiven Oldroydableitung: O

T C T D 2D :

(3.159)

3.5.7.8 Giesekus Fluide Eine sehr einfache Spezialisierung von (3.157) stellt das dreiparametrische Giesekus .n/

Modell dar. Für Q .T/ wird folgende Beziehung aufgestellt:  Q .T/ D ˛ T : 

(3.160)

Im Giesekus Modell wird die kontravariante Ableitung angewandt, dies führt auf: O  T C T C ˛ T2 D 2D : 

(3.161)

In dieser Gleichung treten drei Stoffparameter, die durch rheometrische Untersuchungen bestimmt werden müssen, auf: Neben der Viskosität  und der schon bekannten Relaxationszeit  ist ˛ ein Steuerparameter, mit dem der Anteil der quadratischen Abhängigkeit vom Spannungszustand eingestellt wird.

3.5.7.9 Phan-Thien-Tanner Fluide

.n/

Bei den Phan-Thien-Tanner Materialmodellen wird für das Funktional Q .T/ in Gl. (3.157) eine Skalarfunktion aufgestellt, Dabei wird zwischen zwei Formulierungen unterschieden: Es gibt eine lineare Formulierung, das Phan-Thien-Tanner-Linear Modell,

146

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

abgekürzt mit PTT-L, und eine exponentielle Formulierung, das Phan-Thien-TannerExponential Modell, abgekürzt PTT-E. Im PTT-L Modell wird der folgende skalare Ausdruck:  (3.162) Q .T/ D ˛ sp .T/ ;  in die konstitutive Gleichung eingesetzt: Þ  T C T C ˛ sp .T/ T D 2D : 

(3.163)

Dahingegen zeichnet sich das PTT-E durch 

Q .T/ D e˛  sp.T/  1

(3.164)

aus. Damit folgt für die konstitutive Gleichung: h  i Þ T C T C e˛  sp.T/  1 T D 2D :

(3.165)

Die Materialparameter sind wiederum durch rheologische Versuche zu bestimmen. Variationen der Modelle entstehen wiederum durch die Wahl der objektiven Ableitung bzw. der jeweiligen Anteile.

3.5.7.10 White-Metzner Fluide

.n/

Beim White-Metzner Modell wird das Funktional Q .T/ in Gl. (3.157) zu Null gesetzt. Stattdessen wird der Parameter  für die Einkopplung der Zeitableitung wie folgt genutzt:  D  .D/ :

(3.166)

Die aktuelle Scherrate bestimmt nun die Größe des Zeitanteils in der Zustandsgleichung und damit deren Auswirkung auf die Spannung: Þ

T C  .D/ T D 2D :

(3.167)

3.5.7.11 Oldroyd Flüssigkeiten Obwohl die bisher aus dem verallgemeinerten Maxwell Modell hervorgegangenen Fluidmodelle für viele Probleme durchaus geeignet sind, versagen sie bei der Beschreibung nichtlinearer zeitabhängiger Normalspannungseffekte, wie sie bei den viskoelastischen Flüssigkeiten auftreten können. Aber gerade zeitlich verzögerte Normalspannungseffekte haben einen sehr starken Einfluss auf die Form der Strömung für bestimme Klassen viskoelastischer Fluide. Daher ist es erforderlich, die Retardationszeit in die Beschreibung bzw.

3.5

Nichtlineare viskose Fluide

147

Modellierung der Viskosität einzubringen. Man spricht dann von Oldroyd-Flüssigkeiten [73]. Man unterscheidet in die Oldroyd-Flüssigkeit A, 4

Þ

T C T D 2D C R D ;

(3.168)

wenn die kontravariante Oldroydableitung auftritt, und in die Oldroyd-Flüssigkeit B, O

Þ

T C T D 2D C R D ;

(3.169)

im Fall der kovarianten Oldroydableitung.

3.5.7.12 Boger Fluide Ein Sonderklasse der Fluide mit elastischem Fluidverhalten stellen die Boger-Fluide dar [14]. Diese Flüssigkeiten zeichnen sich durch eine nahezu scherratenunabhängige Viskosität aber deutlich ausgeprägtes elastisch-viskoses Verhalten auf. Es sind verdünnte Polymerlösungen, deren Lösung so hoch viskos sind, dass Spannungen aufgrund von Elastizität messbar bleiben. Die scherratenunabhängige damit newtonsche Viskosität entstammt dem Lösungsmittels, während der elastische Anteil vom Polymer stammt. Die Verdünnung muss so abgestimmt sein, dass strukturviskose Effekte gerade zu vernachlässigen sind, d. h. ein Ausrichten der Molekularketten des Polymers im Verzweigungsgeflecht aufgrund einer Scherbelastung zu einem kaum oder noch nicht messbaren Viskositätseffekt führt. In der Regel sind von der Menge nur annähernd 10 ppm Polymer, den Rest stellt das Lösungsmittel, daher steigt die newtonsche Viskosität um nicht mehr als 10 %, die Scherentzähungseffekte bleiben so minimal. Die Modellierung der Viskosität erfolgt über einen Ansatz für die Spannung der Lösung, indiziert mit s (solution): (3.170) Ts D 2s D und mit Hilfe des Maxwellschen Modells für die Spannung des Polymers, indiziert mit p: 4

Tp C Tp D 2p D :

(3.171)

Addiert man beide Ansätze, so folgt daraus eine Oldroyd-B Modellierung: 4

Tsp C Tsp D 2sp .D C R D/ :

(3.172)

s Hier ist R D sC der Retardationszeitparameter, in dem der Relaxationszeitparameter p  erscheint. Der Retardationszeitparameter nimmt somit nur einen kleinen Zeitanteil am Relaxationszeitraum ein. Ein ausführliche Diskussion der Fluideigenschaften führt James [49]. Zudem werden weitere Hinweise zur Modellierung der Boger-Fluide gegeben.

148

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

Die hier aufgeführten viskoelastischen Fluidmodelle stellen nur einen Ausschnitt aus der bisher aufgestellten Modellpalette dar. Weiterführende Ausführungen zur Theorie, Herleitung und Anwendung finden sich bei Bird [10, 12], Böhme [16], Giesekus [42], Ferry [37], Christensen [23] oder auch bei Shaw [99] und in kompakter Form bei Renardy [90].

3.5.8

Spannung bei Scherung und Dehnung

In einigen Anwendungen ist es zwingend erforderlich neben dem durch Scherung erzeugten Spannungszustand auch den durch reine Dehnung hervorgerufenen Spannungszustand zu berücksichtigen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Dehn- bzw. Stauchanteile in der Verformung maßgeblich sind, und das Materialverhalten bei Dehnung oder Stauchung sich vom Scherverhalten unterscheidet. In diesem Fall treten die Normalspannungsdifferenzen N1 und N2 auf. Dadurch können sich u.U. sehr komplexe Materialmodelle ergeben, gerade dann, wenn z. B. Gedächtniseigenschaften des Fluides vorliegen. Für rein viskose Stoffmodelle lässt sich jedoch bei entsprechenden Annahmen eine elegantes Stoffmodell aufstellen. Wie in Abschn. 3.5.3 schon geschildert wurde, lassen sich rein viskose Stoffmodelle für inkompressible Fluide durch einen einfachen Zusammenhang zwischen dem Verzerrungsgeschwindigkeitstensor D und einem Funktional aus dessen zweiter und dritter Grundinvariante bilden: T D '1 .IID ; IIID / D :

(3.173)

Wenn dieser tensorielle Zusammenhang gilt, so bezeichnet man das Fluid als ein verallgemeinertes newtonsches Fluid, da es dem newtonschen Modell formal ähnlich ist, wobei die nichtlinearen Fließeigenschaften als Funktional im Viskositätskoeffizienten 1 berücksichtigt werden. Wie schon beschrieben wurde, besteht hierin die Verallgemeinerung zu den newtonschen Fluiden. In der Regel sind Strömungskonfigurationen und infolge die sich ergebenden Strömungsformen komplex, d. h. es treten in der Regel nicht nur Scheranteile sondern auch Dehnanteile auf.15 Zumeist sind die Scheranteile dominant, aus diesem Grund beschränkt man sich in der Modellierung des viskosen Verhaltens häufig auf die Verwendung der allgemeinen Scherrate gemäß Gl. (2.123), um die Viskosität zu bestimmen, ohne dabei die Scher- und Dehnrate getrennt zu behandeln. In einigen Strömungen tritt jedoch neben der Scherung auch eine vergleichbar signifikante Dehnungsrate und damit Dehnviskosität auf, wie Petrie [80] darlegen, und was schon sehr früh in der Rheologie untersucht wurde, siehe [47, 78]. Es lässt sich dann beobachten, dass je nach Belastung und Fluid die Materialantwort auf Scherung oder Dehnung sehr unterschiedlich ist, wie z. B. Messungen 15 In der englischen Literatur werden die Begriffe elongational und extensional häufig wahlweise verwendet, was bei Petrie [81] jedoch kritisch diskutiert wird.

Nichtlineare viskose Fluide

Abb. 3.39 Prinzipielle Viskositätsfunktionen einer Polymerschmelze, z. B. Polyethylene niedriger Dichte, bei Dehnung und Scherung nach Cogswell [24] und Laun und Münstedt [55], das Troutonverhältnis von 3 gilt nur für den newtonschen Bereich beider Viskositätsfunktionen.

149

106

η (γ˙ ) | η (ε˙ ) [Pa ⋅ s]

3.5

ηε˙

105

}

Troutonverhältnis

104

ηγ˙

103 10− 5 10− 4 10− 3 10− 2 10− 1

γ˙ ε˙

100

101

10 2

1 s

gezeigt haben [44, 54, 55]. Solche Messungen sind die Grundlage für die prinzipiellen Kurvenverläufen der Dehn- und Scherviskosität für Polyethylene geringer Dichte, wie sie in Abb. 3.39 gezeigt werden. In diesem Fall ist es notwendig, ein eigenes Materialmodell sowohl für Dehnbelastungen bzw. Stauchbelastungen zu verwenden. Sollen z. B. Strömungssimulationen mit gleichzeitig scherverdünnenden und dehnungsverdickenden Fluiden durchgeführt werden, so müssen für Dehnung und Scherung unterschiedliche Modelle zum Einsatz kommen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das sogenannte Troutonverhältnis, das Verhältnis von Dehn- zur Scherviskosität, von einem konstanten Wert abweicht. Dieser prinzipielle Verlauf findet sich nicht für jedes Polymer, deutliche Abweichungen können je nach Zusammensetzung hinsichtlich der Langkettigkeit, der Materialmischung und des Lösungsmittels auftreten. In Abb. 3.40 sind dazu Messergebnisse für eine wäßrige hm-Acrylcopolymerlösung dargestellt. Die Modellierung der Messkurven erfolgt für die Dehnviskosität mit einem Yasuda Modell und für die Scherviskosität mit einem Carreau Modell. Ein Materialmodell ähnlich dem eines Carreau Modells lässt sich auch für die Dehnviskosität formulieren. Damit ergibt sich die für die Dehnviskosität: "P .P"/ D "0 P 

1

1 C ." "/ P

2

 .1n2 " / :

(3.174)

Hierin sind n" und " nun die anzupassenden Kurvenparameter, die so einzustellen sind, dass experimentell gemessene Dehnungsviskositätsverläufe genauestens wiedergegeben werden. n" bestimmt dabei, ob die Strömung dehnverdünnend für 0 < n" < 1, dehnverdickend für n" > 1 oder eine konstante Dehnviskosität besitzt, n" D 1, wodurch D D D0

150

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

ηε˙

101

η ( γ˙) | η ( ε˙ ) [Pa . s]

gemessene Dehnviskosität gemessene Scherviskosität modellierte Dehnviskosität modellierte Scherviskosität

100

10− 1

ηγ˙

10− 2 10− 3

10− 1

101

γ˙ | ε˙

103

105

1 s

Abb. 3.40 Experimentell bestimmte Viskositätskurven eines wäßrigen hm-Acrylcopolymers, 0,6 wt %, [51]

folgt. Der zweite Parameter kann dazu genutzt werden, die Stärke des Dehnviskositätseffektes einzustellen. Es tritt hier noch die Nulldehnviskosität "0 P auf, welche (auch aus 16 praktischen Gründen) der Nullscherviskosität 0 P in der Regel gleichgesetzt wird. Jetzt muss noch berücksichtigt werden, dass sich nur dann die unterschiedlichen viskosen Effekte zeigen, wenn die Spannungsrichtungen, in denen die unterschiedlichen Dehnund Scherviskositäten wirken, in der Simulation auch eindeutig bestimmt werden können. Das heißt, nur bei entsprechender Ausrichtung der Koordinatenachsen (gerade in Richtung der Dehnungen) stehen auf den Diagonalelementen des Verzerrungsgeschwindigkeitstensors die reinen Dehnungen sowie auf den Nebendiagonalelementen die Scherungen. Dann lässt sich der Spannungstensor wie folgt berechnen:   P Dij  ıii Dii C "P .P"/ ıij Dii : (3.175)

ij D P ./ Damit wirkt sich die Scherviskosität auch nur in den Nichtdiagonalelementen des Spannungstensors aus, während die Dehnviskosität sich nur in den Diagonalelementen des Spannungstensors niederschlägt. Nicht immer ist bei der numerischen Simulation das zugrundeliegende Koordinatensystem so günstig ausgerichtet, dass sich Gl. (3.175) unmittelbar anwenden lässt. Es sind dann verschiedene Ansätze möglich, um das unterschiedliche Verhalten des Fluides bei Scherung und Dehnung zu reflektieren: Zum einen kann für den Fall, dass das Fluidelement zugleich stark geschert und gedehnt werden sollte, ein rechenintensiverer tensorbasierter Ansatz erfolgen, zum anderen kann sich eine Modellierung durch ein geschicktes Wichten von Scher- und Dehnmodellierungen anbieten. 16 Es wird in diesem Unterkapitel die Indizierung P für den Bezug zur Scherung, "P für den Bezug zur reinen Dehnung benutzt.

3.5

Nichtlineare viskose Fluide

151

3.5.8.1 Hybride Modellierung von Dehn- und Scherviskosität Die einfachere Modellierung der Spannungsberechnung besteht darin, durch geschicktes Überblenden zwischen den beiden Anteilen der Scher- und Dehnviskositäten zu interpolieren, bevor dann Gl. (3.173) herangezogen wird. Wesentlich ist dabei, dass die Struktur der verallgemeinerten newtonschen Fluide nach Gl. (3.173) erhalten bleibt. Dieses Überblenden wird durch die bei Böhme [16] aufgeführte Formel beschrieben: s '1 .IID ; IIID / D 2P .P / C

3

"P2 P 2



2 "P .P"/  2P .P / ; 3

(3.176)

wobei die Dehngeschwindigkeit entsprechend des Ansatzes detD sp.D2 /

(3.177)

3IIID 2IID

(3.178)

"P D 6 bzw. "P D

(vgl. Abschn. 2.3.9) berechnet wird. Das Quadrat der Scherrate wird durch die schon bekannte Beziehung (3.179) P 2 D 2sp.D2 / berechnet. Durch diese Konstruktion in Böhmes hybrider Dehnspannungsmodellierung nach Gl. (3.176) wird eine glatte Interpolation zwischen Scher- und Dehnviskosität ermöglicht: Jetzt bestimmt das Verhältnis der Dehn- zur Schergeschwindigkeit den jeweiligen Anteil der zugehörigen Viskosität. Für die praktische Anwendung stellt sich natürlich noch die Frage nach dem Verlauf der Dehnviskosität in Abhängigkeit von der Dehngeschwindigkeit. Auch in diesem Fall muss wiederum auf Experimente zurückgegriffen werden. Für Polyethylenschmelzen niedriger Dichte (LDPE)17 finden sich entsprechende Daten bei Laun und Münstedt [55]. Sakar und Gupta [96] schlagen ein Fluidmodell auch für ein Polymer geringer Dichte vor, das Scher- und Dehnviskosität unabhängig bestimmt. In ihren Anwendungen [124] wird ein Carreau-Modell für die Scherviskosität um ein Dehnviskositätsmodell ergänzt:   n1 2 P D 0 1 C .IID /2 2 0

13

 m1  1 2 6 C7 B 2 "P D 0 4Tr C ı @1  q : A5 1 C .2 IID / 1 C .1 IID /2

17

Ein sogenanntes „low density polyethylene“.

(3.180)

152

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

Insgesamt hat dieses Modell sechs Parameter: Neben der bekannten Nullviskosität 0 D 0 P treten sowohl die üblichen Carreau Modellparameter für die Scherviskosität,  und n, als auch die Modellparameter für die Carreau-artige Modellierung der Dehnviskosität, 1 , 2 und m, auf. Zudem muss im vorgestellten Modell noch unterschieden werden, ob es sich um eine dreidimensionale (in ihren Anwendungen axialsymmetrische) oder ebene Strömung handelt. Entsprechend nimmt das Troutonverhältnis Tr entweder den Zahlenwert 3 für dreidimensionale Strömungen oder 4 für planare Strömungen an. Es sei daran erinnert, dass für den dreidimensionalen Fall ein Troutonverhältnis von 3 für das newtonsche Fluid gilt. Dieser Zahlenwert ist bei generalisierten newtonschen Fluiden jedoch nur für das newtonsche Plateau der Nullviskosität gültig, ansonsten können sehr viel höhere Werte auftreten, wie in [55] gezeigt, bei Petrie [79] diskutiert und skizzenhaft in Abb. 3.39 illustriert wird. Der Ansatz von Sarkar und Gupta ist in dieser Form unflexibel, da vorher bestimmt werden muss, welche Strömungsart vorliegt. Wenn komplexere Geometrien durchströmt werden, muss jedoch das Troutonverhältnis allgemeiner berechnet werden, denn es können verschiedene Strömungsarten in verschiedenen Strömungsgebieten gleichzeitig vorliegen. Daher bietet es sich z. B. an, den Überlegungen von Jones [50] folgend, die folgende Formel für das Troutonverhältnis zu verwenden, Tr D

"P .P"/ ; p P .P D 3P"/

(3.181)

wobei sich "P nach Formel (3.177) bzw. (3.178) bestimmt. Um die Allgemeinheit der Betrachtung zu zeigen, wird in Formel (3.180) anstelle der Scherrate die zweite Invariante des Deformationsgradiententensors als scher- und dehnungsbeschreibende Größe verwendet. Diese entspricht der allgemeinen Scherrate nach Gl. (2.121). Mit Hilfe von Gl. (3.176) kann damit die Spannung bestimmt werden. Darüber hinaus wird von Sarkar und Gupta der Blendparameter ı eingeführt. Auch dieser soll je nach charakteristischer Strömung spezifiziert werden. Für eine axialsymmetrsiche Strömung ist dieser Parameter Null, für eine planare Strömung wird diesem ein Wert von ı D ıp D 37; 3 für das LDPE zugewiesen. Somit kann das Einführen dieses Blendparameters ı und der darüber zugeschalteten Wichtungsfunktion als strömungsspezifische Korrektur des Troutonverhältnisses interpretiert werden. Eine weitere Verallgemeinerung des Modells von Sakar und Gupta kann durch ein strömungsabhängige Berechnung des Blendparameters ı erfolgen. Wie in Abschn. 2.3.9 dargestellt wurde, kann über den Klassifizierungsparameter M bestimmt werden, welche Art Dehnströmung vorliegt. David [28] diskutiert dies beispielhaft bei der Herleitung seines komplexen hybriden Fluidmodells. Übertragen auf das Fluidmodell von Sakar und Gupta bedeutet dies, das für einen Strömungszustand zwischen den beiden Extremen der axialen und planaren Strömungsform die Rückführung von ı auf den Parameter M erfolgen kann:

3.5

Nichtlineare viskose Fluide

153

ıD

.M  0:5/ ıp : 1:5

(3.182)

Dies in Formel (3.180) eingesetzt, ergibt ein flexibles hybrides Dehn- und Scherfluidmodell für ein LDPE, welches allerdings die Eigenschaften der äquibiaxialen auf die planaren Strömungen übertragt, vergleiche Tab. 2.3.

3.5.8.2 Approximative Tensormodelle für Dehn- und Scherströmungen Auch wenn die gemischtgewichteten Modelle ihre Berechtigung haben, da für bestimmte Anwendungen gute Ergebnisse bei moderat gestiegenem Rechenaufwand erzielt werden, so sind diese nicht so allgemeingültig, dass sichergestellt ist, dass Strömungen in komplexen Konfigurationen hinreichend genau wiedergegeben werden. Es gibt daher die Überlegung, zwischen bekannten Strömungsformen zu interpolieren, wobei die wesentliche Grundvoraussetzung für ein solches Fluidmodell darin besteht, dass zwischen Dehn- und Scheranteilen als Grenzfälle unterschieden werden und eine eindeutige Zuordnung der jeweiligen Anteile der Strömungsformen erfolgen kann. Jedoch schon aus kinematischer Sicht gestaltet sich eine eindeutige Zuordnung aufgrund der Überlagerung der reinen Fluidelementdrehung mit der Drehung der Scherachsen der reinen Scherung und der anders ausgerichteten Hauptachsen der reinen Dehn- oder Streckströmung als schwierig. Means [60] und Bobyarchick [13] stellen Möglichkeiten vor, anhand geometrischer Überlegungen am Mohrschen Spannungskreis die unterschiedlichen Strömungsformen zuzuordnen. Andere, wie Reyn [91], ziehen das lokale Lösen einer Differenzialgleichung heran, um die lokale Strömung zu klassifizieren. Das Lösen einer Differenzialgleichung ist aufwendig und führt in der Konstruktion eines Modells nicht immer zum Ziel, da lokal jeweilige Randbedingungen formuliert werden müssen. Im Fall, dass eine Zuordnung der Strömungsformanteile gelingt, ist der numerische Aufwand geringer als bei den lagrangeschen und gemischt-lagrangeschen Methoden, daher finden, basierend darauf, neue Modelle ihre Anwendung, die zwischen den einzelnen Strömungsformen, der einfachen Scherströmung, der uni- oder biaxialen Dehnströmung oder der Drehströmung, interpolieren. Oft sind diese nur an den Stützstellen exakt, ansonsten sind auch diese Modelle aufgrund der gewählten Interpolation nur approximativ. Das Problem ist, dass aufgrund einer anders als parallel zu den Koordinaten ausgerichteten Strömungsrichtung die Dehn-, Stauch- oder Scherrichtungen nicht den Koordinatenrichtungen entsprechen müssen. Vielmehr finden Dehnung und Stauchung in Richtung der Eigenvektoren des jeweils materiellen Strecktensors statt, der sich mit Hilfe der polaren Zerlegung aus dem absoluten Deformationstensor berechnet. Die Eigenvektoren des materiellen Strecktensors spannen zwar ein entsprechendes Hauptachsensystem auf, das so ausgerichtet ist, dass man zwar die aktuellen Dehn- bzw. Streckrichtungen getrennt bestimmen kann, aber die Scheranteile sind darin überlagert. Zudem muss noch der richtige Drehtensor gefunden werden, um aus dem absoluten Deformationsgradiententensor den materiellen Strecktensor bestimmen zu können, siehe Abschn. 2.3.5.3. Danach müssen die Scheranteile davon abgespalten werden. Eine genaue Klassifizierung des Verformungszustandes des Fluidelementes bleibt also unabdingbar, um diesen letzten Schritt gehen zu

154

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

können. So wurden z. B. zur weiteren Quantifizierung und Qualifizierung der Deformationen noch die Cauchy-Green Tensoren herangezogen, siehe Abschn. 2.3.5.1 und 2.3.5.4. Die Eigenvektoren des rechten Cauchy-Green Tensors spannen auch ein Hauptachsensystem auf, was aber nicht unbedingt entsprechend ausgerichtet ist. Die Eigenschaften der Eigenrichtungen sind trotzdem hilfreich, so z. B. nutzt die Gruppe um Haller diesen Tensor, um lagrangesche, kohärente Strukturen zu identifizieren und die Strömung hinsichtlich von Wirbelstrukturen zu klassifizieren [43, 77]. Ein prinzipieller Zugang, eine saubere Trennung zwischen Drehung, Streckung bzw. Stauchung und Scherung zu erreichen, besteht darin, mitgeführte Tensortransportgleichungen zu betrachtet. Diese lagrangeschen, tensorbasierten Modelle besitzen den Vorteil, dass der unverformte Zustand bekannt ist bzw. gesetzt werden kann. Damit lassen sich entweder während einer Verformung die notwendigen Informationen gewinnen oder nach der mitgeführten Deformation die entsprechenden Projektionen in den undeformierten Zustand und damit die unterschiedliche Anteile bestimmen. Insgesamt ist jedoch der Rechenaufwand sehr hoch. Schließlich muss ein mitgeführtes lagrangesches Koordinatensystem für jedes Kontrollvolumen zusätzlich berechnet werden. Aufgrund des Berechnungsaufwandes hat sich diese Methode noch nicht durchgesetzt, allerdings zeichnen sich komplett lagrangesche Simulationsansätze ab, sodass hier zukünftig Impulse zu erwarten sind. Auch euler-lagrange gemischte Ansätze sind möglich [94], wobei wie oben erwähnt der lagrangesche Ansatz zur Bestimmung der materiellen Tensoren verwendet wird und eine Rückführung auf den absoluten Verformungstensor und später auf den Deformationsgeschwindigkeitstensor stattfindet. Im Prinzip ist ein solcher Weg exakt, aber die Berechnung des lagrangeschen und eulerschen Transports durch die räumlichen und zeitlichen Koordinaten ist aber numerisch sehr aufwendig. Wenn es gelingt den Verzerrungstensor in einen transformierten Verzerrungstensor in ein oder in zwei Koordinatensysteme (der allgemeinere Fall) zu überführen, in dem als Diagonalelemente nur die Dehn- und Stauchanteile und als Nebendiagonalelemente die reinen Scheranteile auftreten, dann lassen sich die bisher besprochenen Modellierungsansätze leicht anwenden. Es folgen dann Spannungstensoren im Scher- und Dehnachsenkoordinatensystem, die entsprechend der Gleichung,

iiC D "P DC ii ;

ij D P Dij ; i ¤ j ;

(3.183)

berechnet werden. Es muss dann nur noch eine Rücktransformation der Spannungstensoren in das ursprüngliche Koordinatensystem stattfinden, um den Rechengang fortsetzen zu können. Das wesentliche Element einer tensorbasierten Fluidmodellierung ist also die Transformation des jeweiligen Tensors in das jeweilige lokale Bezugs- bzw. Koordinatensystem. Wenn der Transformationstensor bestimmt ist, kann die Transformation des Verzerrungstensor D entsprechend der Vorschrift, Q D Q D QT ; D

(3.184)

3.5

Nichtlineare viskose Fluide

155

durchgeführt werden.18 Durch die Transformation erhält man den lokalekoordinaten VerQ Die einzelnen Komponenten dieses Tensors werden nun genutzt, um zerrungstensor D. die lokalen Dehn- und Scherraten zu berechnen mit Fluidmodellen, die im Abschn. 3.5 diskutiert werden. Man erhält daraufhin den lokalekoordinaten Spannungstensor   Q Q TQ D f"; P P D D :

(3.185)

Danach muss eine Rücktransformation des Spannungstensors in das geltende globale Koordinatensystem erfolgen, man erhält den Spannungstensor im globalen Koordinatensystem, T D QT TQ Q ; (3.186) dessen Komponenten (bei nicht idealer Ausrichtung) gemischte Spannungsanteile aus Dehnung und Scherung aufweisen. Auf diese Art und Weise kann ein tensorielles Fluidmodell entworfen werden, das den verschiedenen Fluideigenschaften bei Scherung und Dehnung gerecht wird. Das zugehörige Transformationsdiagramm findet sich in Abb. 3.41. Wie betont wurde, besteht die besondere Schwierigkeit also darin, dass nicht unbedingt nur eine Transformation durchgeführt werden muss, sondern meist zwei, da sich im Verzerrungsgeschwindigkeitstensor die Eigenschaften von Scherung und Dehnung mit ihren unterschiedlichen Hauptachsensystemen überlagern. Das zu trennen bleibt also die besondere Herausforderung. Der jetzt betrachtete Ansatz beruht auf der Dreifachzerlegung des Geschwindigkeitsgradiententensor19 in eine reine Drehung, eine Scherung und eine nichtrotierende Streckung nach Koláˇr [53]. Diese Methode wurde ursprünglich zur Identifizierung von Wirbeln in komplexen, wirbelbehafteten Strömungen vorgeschlagen. Eine geschickte Neuausrichtung des Koordinatensystems ermöglicht eine Unterscheidung in eine Drehbewegung aufgrund eines Wirbels, eine Zuordnung der effektiven Scheranteile und die Bestimmung der Dehn- und Streckanteile der Strömung, wenn das zugrundeliegende Abb. 3.41 Transformationsdiagramm, (Q bezeichnet hier die Transformationsmatrix, da T im Kontext den Spannungstensor darstellt.)

˜ D

19



Q D QT

˜ QT DQ

D

18

˜) fε˙,γ˙ (D

Für symmetrische Matrizen ist die inverse Matrix gleich der transponierten. TDM – triple decomposition method

T

156

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

Koordinatensystem nicht rotiert. Koláˇr führt das neue Bezugssystem ein, in dem das ursprüngliche Koordinatensystem so lange gedreht wird, bis sich ein Schertensor mit maximaler effektiver Scherung abspalten lässt. Die Komponenten des Drehtensors werden somit durch folgende Maximierung bestimmt: .kD12 ˝ 12 k C kD23 ˝ 23 k C kD31 ˝ 31 k/BRF D

(3.187)

max .kD12 ˝ 12 k C kD23 ˝ 23 k C kD31 ˝ 31 k/alle :

Da durch diese Vorschrift der Drehtensor Q bekannt ist, kann dieser nun zur Überführung des Geschwindigkeitsgradiententensors in das neue Bezugssystem herangezogen werden: gradvjBRF D Q gradvjxyz QT :

(3.188)

Jetzt wird der Geschwindigkeitsgradiententensor im sogenannten Basic Reference Frame ausgedrückt. Durch die Zuordnung von Komponenten aus dem transformierten Geschwindigkeitsgradiententensor lässt sich der sogenannte Residuumtensor RESjBRF bestimmen: 0 B

@u @x

.sign @u /MIN.j @u j; j @v j/ @y @y @x

@x /MIN.j @u j; j @v j/ RESjBRF D @ .sign @x @y @x

/MIN.j @u j; j @w j/ .sign @w @x @z @x BRF

@v @y

.sign @w /MIN.j @v j; j @w j/ @y @z @y

.sign @u /MIN.j @u j; j @w j/ @z @z @x

1 C

.sign @v /MIN.j @v j; j @w j/ @z @z @y A ; @w @z

(3.189) mit reinen Schergeschwindigkeitsanteilen abgespalten

von dem ein Tensor gradvSH j werden kann: gradvSH jBRF D gradvjBRF  RESjBRF :

(3.190)

Der Residuumtensor lässt sich wiederum aufspalten in einen reinen Drehtensor und einen Verzerrungstensor, in dem nur noch nichtrotierende Dehn- bzw. Streckgeschwindigkeitsanteile auftauchen: RESjBRF D

1 1 RESjBRF  REST jBRF C RESjBRF C REST jBRF ; 2 2

(3.191)

bzw.: RESjBRF D ˝ vortex jBRF C DEL jBRF :

(3.192)

Während sich Koláˇr auf die Identifizierung von Wirbeln konzentriert, stehen für die tensorbasierte Fluidmodellierung der Tensor gradvSH jBRF mit den effektiven Schergeschwindigkeitsanteilen und der nichtrotierende Dehn- bzw. Streckgeschwindigkeitstensor DEL jBRF im Fokus der Betrachtung. Dieser Streckgeschwindigkeitstensor kann jetzt zur Modellierung der Dehn- und Staucheigenschaften des Fluids herangezogen werden, während der Schergeschwindigkeitstensor die dilatanten oder strukturviskosen Fluideigenschaften aufgrund von Scherung abbildet. Bei der weiteren Fluidmodellierung muss beachtet werden, dass der Tensor gradvSH jBRF mit den effektiven Schergeschwindigkeiten noch Drehanteile

3.6

Zustandsabhängigkeit der Viskosität

157

aufgrund von Scherung besitzt, siehe Abschn. 2.3.2.2, daher muss dieser in einem weiteren Schritt in einen zugeordneten asymmetrischen Drehgeschwindigkeitstensor ˝ SH jBRF und einen symmetrischen Schergeschwindigkeitstensor DSH jBRF zerlegt werden. gradvSH jBRF D ˝ SH jBRF C DSH jBRF :

(3.193)

Dieser resultierende Schergeschwindigkeitstensor DSH jBRF kann nun zur Modellierung der Schereigenschaften des Fluids herangezogen werden. Das hier vorgestellte Modell ist nicht exakt, da es nicht für rotierende Bezugssysteme gilt, daher wird hier das Attribut approximativ benutzt. Zur Ermittlung einer Lösung auch für rotierende Systeme müssten den Überlegungen von Wedgewood [121] gefolgt werden, was auf Formulierungen von ko- und kontravarianten Oldroydableitungen hinausläuft, und dann zusätzlicher Transportgleichungen bedarf. Es bleibt festzuhalten, dass eine physikalisch genaue Modellierung noch weiteren Forschungsaufwänden bedarf.

3.6

Zustandsabhängigkeit der Viskosität

Die Variation der Temperatur kann einen signifikanten Einfluss auf die Viskosität des Fluids bewirken. Dies ist in vielen technischen Applikationen der Fall. Fluide, deren Viskosität nur von der Temperatur abhängen, heißen thermoviskos. Im Fall newtonscher Fluide sinkt die Viskosität mit steigender Temperatur, dieser Effekt wird als Temperaturverdünnung bezeichnet. Dies ist schon seit geraumer Zeit bekannt, seit Uhrmacher beobachteten, dass die mechanischen Uhren schneller liefen bei höheren Temperaturen und langsamer bei kälteren Temperaturen. Dies war auf die Temperaturabhängigkeit des Öls der Uhr zurückzuführen. Dass die Temperaturabhängigkeit der Viskosität von Schmieröl im Verbrennungsmotor durchaus eine große Rolle spielt, erfahren Autofahrer tagtäglich auf dem Weg zur Arbeit. Das anfangs kalte Schmieröl sorgt durch die höhere Viskosität für einen höheren Kraftstoffverbrauch, während nach der Aufwärmphase des Motors der Verbrauch drastisch absinkt. Das Schmieröl darf aber nicht zu temperaturentzähend sein, denn dann kann die Schmierwirkung verloren gehen und der Motor durch Kolbenfraß schwer geschädigt werden. Auch der Druck wirkt sich auf das viskose Verhalten des Fluids aus. Ein erhöhter Druck kann zu Umorientierungen von Molekülketten im Fluid führen, und dadurch scherentzähende oder dilatante Wirkungen hervorrufen.

3.6.1

Temperaturverhalten der Viskosität

Da sich auf Molekülebene die Temperatur auf die freie Weglänge der einzelnen Atome bzw. Moleküle auswirkt, ist es nicht verwunderlich, dass sich dies in der Kontinuumsbeschreibung der Fluide in einer termperaturveränderlichen Viskosität niederschlägt.

158

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

Für viele niedermolekulare Fluide ist der Einfluss der Temperaturänderung, wenn sie in bestimmten Grenzen bleibt, auf die Viskosität nicht so groß, sodass in der Regel lineare Änderungen angenommen werden können. Dies haben schon Stokes und Einstein anhand der Diffusion von Teilchen im newtonschen Fluid untersucht, was schließlich zur StokesEinstein Beziehung [30] geführt hat: D D

kB T : 6R0

(3.194)

Hier ist D der molekulare Diffusionskoeffizient, kB ist die Boltzmannkonstante und R0 der Radius des diffundierenden Teilchens. Experimentelle Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die Annahme eines linearen Zusammenhanges zwischen Temperatur und Viskosität bei Flüssigkeiten schnell zu größeren Fehlern führt. Daher werden häufig polynomiale Funktionsansätze gewählt, um die temperaturabhängige Änderung der Viskosität auszudrücken, so stellen z. B. Weast et al. [120] ein Polynom vierten Grades für die Temperaturabhängigkeit der Viskosität von Wasser für den Temperaturbereich von 10 ı C bis 35 ı C auf: 1; 77721  K0  0; 05798 T  K1 C 0; 00124 T 2  K2 1000 1; 66039  105 T 3  K3 C 9; 814  105 T 4  K4 :  1000

.T/ D

(3.195)

Die einzusetzenden Temperaturen müssen der Celsius-Skala entstammen Hier sind die Koeffizienten Ki Konsistenzfaktoren, um die Einheitenkonsistenz zu wahren.20 Gerade bei der Berechnung der Viskosität von Schmiermittel bzw. -öle wird häufig auf den Ansatz von Ferron [36] unter Verwendung von Eichkoeffizienten,  T D k0 C k1 C k2 ref Tref



T Tref

2 ;

(3.196)

zurückgegriffen,21 obwohl bekannt ist, dass sich die Viskosität eher exponentiell verändert. Auch Polynomialansätze genügen nur approximativ den experimentellen Viskositätsuntersuchungen. Vielmehr zeigt sich, dass für Flüssigkeiten die logarithmische Auftragung des Viskositätsverlaufs über der reziproken Temperatur innerhalb von Temperaturintervallen von bis ungefähr 50 K eine Gerade ergibt. Daraus folgert der exponentielle Funktionalansatz, EA

 D 0 e R T ; 20

(3.197)

In der Originalquelle fehlen diese. Die Eichkoeffizientenen und der Polynomgrad müssen den experimentellen Ergebnissen angepasst werden.

21

3.6

Zustandsabhängigkeit der Viskosität

159

Mit zunehmender Temperatur fällt die Viskosität stärker ab. Dies lässt sich mit der kinetischen Theorie von Eyring erklären. So gibt es in einer Flüssigkeit bei einer bestimmten Temperatur gewisse Bereiche größerer freier Weglänge. Je höher die Temperatur, desto größer und konzentrierter werden diese Bereiche. Dies hängt exponentiell von der Temperatur ab. Nach Eyring strömen die Flüssigkeitsteilchen aus der Umgebung eines freien Bereiches in diesen hinein. Im Gegensatz zur Diffusion, wo dieses Hineinfließen aus allen Richtungen gleich wahrscheinlich ist, gilt dies beim Strömungsvorgang nicht, denn die die Strömung antreibende Kraft erleichtert das Auffüllen in Strömungsrichtung und erschwert dieses entgegen der Strömungsrichtung, was die Wahrscheinlichkeit für letzteres senkt. Eyring folgerte daraus den obigen exponentiellen Zusammenhang. Zudem konnte gezeigt werden, dass die Aktivierungsenergie üblicherweise zwischen 5 und 50 kJ/mol liegt, damit entspricht sie im Wert ungefähr der Aktivierungsenergie für das Auslösen der Diffusion. Es gibt sehr unterschiedliche Fluidarten mit entsprechend verschiedenartigen Viskositätsverläufen, daher ist nicht davon auszugehen, dass es eine einheitliche mathematische Gesetzmäßigkeit hierfür gibt. Um jedoch die Temperaturabhängigkeit der Viskosität grundsätzlich zu verstehen, müssen u. a. experimentelle Beobachtungen, wie sie in Abb. 3.42 dargestellt werden, herangezogen werden. Aus diesen Kurven lassen sich dann Regeln ableiten. Dargestellt sind die Temperaturabhängigkeit der Fließkurven einer Schmelze linearen Polyethylens niedriger Dichte (LLDPE), die mit Metallocenen (1000 ppm) dotiert wurde. So lässt sich bei Ölen und Kunststoffschmelzen beobachten, dass die Viskosität bei steigender Temperatur exponentiell abfällt:  .T/ D 0 eB.T0 T/ ;

⋅10− 2 2 T = 333 K T = 383 K T = 393 K T = 403 K

1,5

η [Pa ⋅ s]

Abb. 3.42 Experimentell bestimmte Temperaturabhängigkeit der Fließkurve einer 1000 ppm MetallocenenPolyethylenschmelze (mllpde) [62]

(3.198)

1

0,5

0

100

200

300

γ˙

1 s

400

500

160

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

mit T0 als Referenztemperatur, bei der die Bezugsviskosität 0 gilt. Da die Fluidtemperatur in der Differenz als Subtrahend auftritt und der Multiplikant B einen positiven Skalierungsfaktor darstellt, nimmt bei höherer Temperatur im Vergleich zur Referenztemperatur die Viskosität ab, bei niedriger zu. Diese Gesetzmäßigkeit, die sich von Gl. (3.197) leicht unterscheidet, wurde schon von Reynolds diskutiert, daher wird die diesem einfachen Modell entsprechende Viskosität als Reynoldsche Modellviskosität bezeichnet. Oft jedoch zeigen die experimentelle Daten nicht diesen einfachen Zusammenhang, daher werden ähnliche Modelle22 verwendet, wobei meist zusätzliche Modellparameter entsprechend anzupassen sind, z. B.: B  .T/ D Ae. T / :

(3.199)

In dieser Gleichung ist T die absolute Temperatur in Kelvin, A und B sind Stoffkonstanten, die experimentell zu bestimmen sind. Sind diese Stoffkonstanten bekannt, lässt sich .T/ prinzipiell berechnen. Das temperaturabhängige exponentielle Abfallen der Viskosität kann je nach Größe des Koeffizienten B sehr stark sein, sodass gerade für relativ kleine Scherraten die Temperaturabhängigkeit der Viskosität sehr groß ist, siehe Abb. 3.43. Gerade Polymere zeigen eine starke Abhängigkeit der Viskosität von der Temperatur, wie in Abb. 3.44 anhand von experimentell bestimmten Viskositätkurven veranschaulicht wird. Auch dies verdeutlicht, dass bei technisch relevanten Problemen, in denen auch der Wärmetransport betrachtet wird, die Temperatur nicht vernachlässigt werden darf. Wie zu Beginn dieses Kapitels schon beschrieben wurde, kann die Temperaturabhängigkeit der Viskosität auf Vorgänge auf molekularer Ebene zurückgeführt werden, die durch die mikrorheologische Betrachtung erklärt werden, doch für Fluide, die aus größeren oder langkettigen Molekülen bestehen, gibt es noch keine exakte Theorie. Hier helfen die Ansätze, die auf der Kontinuumsannahme beruhen. Abb. 3.43 Beispielhafte Darstellung des temperaturabhängigen Abfalls der Viskosität für B  .T/ D Ae. T /; A D 1;2 Pas, in Abhängigkeit vom Parameter B

B = 1000 K B = 1500 K B = 2000 K

η (T )

103

102

101

280

300

320

340

360

380

T[K] 22

Man spricht bei dieser Form der exponentiellen Modellierung von Arrhenius-artigen Gleichungen.

3.6

Zustandsabhängigkeit der Viskosität

Abb. 3.44 Temperaturabhängigkeit der Viskosität bei Polymeren [52]

161

η ( γ˙) [Pa . s]

105

150 °C 160 °C 170 °C 180 °C 190 °C 200 °C

104

103

10− 1

100

101

γ˙

3.6.2

102

[] 1 s

Temperaturabhängige Viskositätsfunktionen höher viskoser Fluide

Da die Fluide zumeist eine unterschiedliche Abhängigkeit der Viskosität von der Temperatur zeigen, gibt es auch eine entsprechende Anzahl von Berechnungsgleichungen mit ihren verschiedenen Spezialisierungen. Für die thermoviskosen Fluide bietet es sich an, entweder die temperaturabhängige Viskosität mit Hilfe des Exponentialansatzes, siehe Gl. (3.199), zu berechnen, oder auch algebraische Modelle zu verwenden. Nachfolgend werden in Tab. 3.1 einige bekannte Thermoviskositätsfunktionen aus der Literatur dargestellt. Wie schon an der Anzahl der im Laufe der Zeit entwickelten Modelle für die Abhängigkeit der Viskosität von der Temperatur zu erkennen ist, gibt es keine allgemeingültige Aussage und Gesetzmäßigkeit über das Temperatur-Viskositätsverhalten eines Stoffes. Daher muss für jede spezielle Anwendung auf ein mehr oder weniger geeignetes, approximatives Modell zurückgegriffen werden, da das Kurvenverhalten sehr unterschiedlich sein kann, siehe Abb. 3.45. Auch aufgrund der Vielzahl an Stoffen existieren eine ganze Reihe von mathematischen Ansätzen. Darüber hinaus ist die Genauigkeit der jeweiligen Modell auch vom gewählten Temperaturintervall abhängig. So nimmt z. B. nach der Frenkel-Eyring Gl. (3.1) die Viskosität bei steigender Temperatur bis zu einem Grenzwert ab. Für höherviskose Stoffe kann nach der Vogel-Gleichung ln D A C

B ; T C

(3.200)

eine sehr einfache Beschreibung des Zusammenhanges zwischen Temperatur und Viskosität erfolgen.23;24 Die drei Parameter A, B und C sind durch Experimente zu bestimmen. 23

In der Literatur heißt diese Gleichung auch Vogel-Fulcher-Tammann Gleichung (VFT). Manchmal findet man anstelle des natürlichen Logarithmus den Zehnerlogarithmus, wie er bei den WLF Modellen benutzt wird. Dies muss jeweils geprüft werden, denn in der englischen Literatur

24

162

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

Tab. 3.1 Temperaturabhängige Viskositätsfunktionen nach [116] Name

Gleichung

Bradbury et al.

ln D A C Be T

Combs and Nations

ln D A C B CT

C

Cornelissen et al.

ln D A C BT C

De Guzman

ln D A C B T1

ln D A C BT 6

Fox and Flory



C

1e T

Gross and Zimmermann

ln D A C B

Le Chartelier

ln D Ae T

Litovitz

ln D A C BT 3

Jenckel

ln D A C B e T T C

1 3

1

C 3 1 1e T

C

C

C T

Umstätter

ln 0 D sin.A  BlnT/

Vogel

1 ln D A C B TC

Walther

ln. C A/ D BT C

Waterton

ln D A C B e T T

C

de Guzman (A = 2ln(Pas ) , B = 160 K) Vogel (A = 2ln(Pas ) , B = 40ln(Pas) K) Walther (A = 1 Pas, B = 800ln(Pas )KC ,C = 1,1);

20

η [Pa·s]

15

10

5 200

300

250

350

T [k]

Abb. 3.45 Temperaturabhängigkeit der Viskosität im Vergleich, berechnet nach der De Guzman, Vogel und Walther Gleichung

wird in der Regel die Abkürzung log für den natürlichen Logarithmus genutzt, der dekadische wird zumeist mit dem Index „10“ versehen, vergleiche [39, 107, 119]

3.6

Zustandsabhängigkeit der Viskosität

163

Ein sogenanntes „Curve-Fitting“ hat zu erfolgen: Am Beispiel der temperaturabhängigen Viskositätsfunktion von Vogel wird nun dargestellt, wie die drei unbekannten Stoffparameter bestimmen werden. Dazu werden bei gleicher Scherung drei Viskositätswerte 1 , 2 und 3 bei drei zugehörigen Temperaturen T1 , T2 und T3 bestimmt. Daraus ergeben sich die folgenden Bestimmungsgleichungen: CD

.ln1  ln3 / .T1  T2 / T3  .ln1  ln2 / .T1  T3 / T2 ; .ln1  ln2 / .T1  T3 /  .ln1  ln3 / .T1  T2 / AD

(3.201)

.T1 C C/ ln1  .T2 C C/ ln2 ; .T1  T2 /

(3.202)

B D .T2 C C/ .ln2  A/ :

(3.203)

Innerhalb des durch die gemessenen Temperaturen gegebenen Intervalls liefert die geeichte Viskositätsfunktion gute Näherungswerte, eine Extrapolation ist jedoch nicht verlässlich. Fasst man in Gl. (3.200) die Konstanten A als ln0 auf, so wird daraus mit Hilfe von B ; (3.204) ln D ln 0 C T C die Vogel-Fulcher Gleichung bzw. die Vogel-Fulcher-Tammann Gleichung: B

 D 0 e TTVF ;

(3.205)

wobei hier die Konstante C durch die Vogel-Fulcher Temperatur TVF ersetzt wurde, die meist 50 ı C unter der Glasübergangstemperatur liegt, siehe Abschn. 3.6.5.

3.6.3

Masterkurven von Polymerlösungen

Um die Temperaturabhängigkeit der Viskosität bei variabler Scherrate genau zu bestimmen, werden in der Praxis Versuchsreihen durchgeführt, in der unter Variation der Temperatur die Viskositäten für verschiedene Scherraten bestimmt werden. In der Regel wird über die verschiedenen Messreihen die Viskosität über die Scherraten in grafischer Form als Kurvenplot aufgetragen. Häufig ähneln sich die einzelnen Fließfunktionen sehr stark, sie sind zumeist nur entsprechend der vorgegebenen Temperatur verschoben aber in ihrer Form unverändert. Die Verschiebung findet in Relation zu einer gegebenen Bezugstemperatur und einer zugehörigen Referenzfließkurve entweder nach oben statt, dies bei niedrigerer Temperatur, oder umgekehrt, nach unten statt bei entsprechend höherer Temperatur. Dies bedeutet kurz gefasst: Je höher die Temperatur desto niedriger ist die Viskosität bei vorgegebener Schergeschwindigkeit. Die Variation der Viskosität in Abhängigkeit der Scherrate und der Temperatur kann für viele Stoffmodelle, insbesondere bei

164

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

Polymerschmelzen, durch eine sogenannte Masterkurve und einem zugehörigen temperaturabhängigen Viskositätsverschiebungsfaktor aT mathematisch beschrieben werden. Zur Erläuterung wird die sogenannte reduzierte Viskosität R eingeführt: R D

 : ref

(3.206)

Diese dimensionslose Viskosität bezieht die aktuell lokal vorliegende Viskosität auf eine Bezugsviskosität ref , zumeist wird die untere newtonsche Grenzviskosität bzw. Nullviskosität 0 gewählt, die auch temperaturabhängig sein kann. Entsprechend wird auch die reduzierte Scherrate eingeführt: PR WD R P :

(3.207)

Hierin ist R wiederum die reduzierte Viskosität und P die aktuell vorliegende Scherrate. Gl. (3.206) wird umgeformt zu (3.208)  D R ref : Wie werwähnt, ist in vielen Stoffmodellen die relevante Bezugsviskosität die Nullviskosität, ref D 0 , daher kann die Temperaturabhängigkeit der Viskosität durch eine geeignete Funktion für 0 D 0 .T/ ausgedrückt werden. Dieser Formalismus bewirkt, dass durch das Verschieben der Werte von 0 in Abhängigkeit von der Temperatur T die Fließkurve sich gleichermaßen verschiebt. Die Verschiebungsrichtung kann wie folgt bestimmt werden: Die Viskosität wird durch 0 dividiert, während die Schergeschwindigkeit mit 0 multipliziert wird. Grafisch bedeutet dies, das für eine doppellogarithmisch dargestellte Fließkurve durch den Temperatureinfluss eine Verschiebung der Bezugskurve bzw. Masterkurve in Richtung einer Geraden der Steigung 1 durchgeführt wird. Durch den beschriebenen Ansatz ist es nun möglich, die Temperaturabhängigkeit der Viskosität durch eine einzige charakteristische Funktion auszudrücken:  .P ; T/ D f .; P 0 .T//: 0 .T/

(3.209)

Dies wir nun am nachfolgenden Beispiel erläutert: Ausgangspunkt ist die Modellierung der reduzierten Viskosität z. B. durch ein Cross Fluidmodell, siehe Gl. (3.97), mit diesem Modell kann die reduzierte Viskosität in Abhängigkeit von der reduzierten Scherrate bestimmt werden: 1 : (3.210) R D 1 C .K PR /n Die reduzierte Viskosität wird jetzt mit Hilfe von Gl. (3.206) ersetzt. Auch die reduzierte Scherrate wird durch die real vorliegende Scherrate ersetzt. Daraus folgt:  .P ; T/ D

ref  n : 1 C Kref P

(3.211)

3.6

Zustandsabhängigkeit der Viskosität

165

Die Aufgabe besteht nun darin, geeignete Gesetzmäßigkeiten für ref aufzustellen. Zumeist wird die untere Grenzviskosität als Referenz genommen. Diese kann Temperatur abhängig sein, ref D 0 .T/, sie geht wie folgt ein: P T/ D 0 .;

0 .T/ : 1 C .K0 .T/ P /n

(3.212)

Nun kann die Temperaturabhängigkeit der Nullviskosität entweder direkt über eine bekannte Gesetzmäßigkeit bestimmt werden, siehe Gl. (3.199), oder aus experimentellen Daten gewonnen werden. Da sich die Temperaturabhängigkeit wie oben besprochen als eine Verschiebung einer Masterkurve darstellen lässt, ist es sinnvoll, einen geeigneten temperaturabhängigen Verschiebungsfaktor einzuführen: aT WD

0 .T/ : 0 .Tref /

(3.213)

Wiederum wird die Nullviskosität diesmal zu einer bestimmten Bezugstemperatur als Referenz gewählt. Verkürzend wird nun 0 D 0 .Tref / geschrieben. Mit 0 .T/ D aT .T/ 0 folgt:  .P ; T/ D

aT .T/ 0 : 1 C .KaT .T/ 0 P /n

(3.214)

In doppellogarithmischer Darstellung lässt sich das Verhalten leicht zeigen, mit Hilfe von ln

 .; P T/ D .1  n/ lnaT .T/  n ln .K0 / P 0

(3.215)

gelingt Abb. 3.46. Hierin ist n D 0;5, 0 D 96;5 Pas und der Konsistenzparameter auf K D 20 s gesetzt worden. Wie beabsichtigt hebt der Verschiebungsfaktor die normierte Spannungskurve nur an, verändert aber nicht deren Form. Eine Änderung des Konsistenzparameters wirkt sich wie folgt aus: Der Kurvenverlauf fällt bei gleichem Verschiebungsfaktor aT mit höherem Konsistenzparameter K steiler ab. In Abb. 3.47 wird dies dargestellt. In der Regel wird durch einen Satz von Messkurven auf die Masterkurve geschlossen. In Abb. 3.48 ist eine solche Messreihe für ein Cellulose-Acetat-Butyrat (CAB) Fluid gezeigt, die Abbildung stammt aus [64]. Eine weitere Abstraktion ist in Abb. 3.49 sichtbar, auch aus [64] zu sehen, das sogenannte Zeit-Temperatur Verschiebungsprinzip. Für die verschiedenen Fluide gibt es zur Berechnung der Temperaturabhängigkeit der Viskosität bzw. des temperaturabhängigen Verschiebungsfaktors verschiedene Ansätze und Gesetzmäßigkeiten, diese werden nun exemplarisch erläutert.

166

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

−4 aT (T ) = 0,2 aT (T ) = 0,4 aT (T ) = 0,6

−5

˙

log( η (ηγ 0,T ) ) [− ]

Abb. 3.46 Temperaturabhängigkeit des normierten logarithmischen Viskositätsverlaufes, Variation des Verschiebungsfaktors aT , 0 D 96;5 Pas, Konsistenzparameter K D 20 s

−6

−7

−8 0

200

400

600

γ˙

1000

[]

−6 K = 40 s K = 50 s K = 60 s

−6,5

˙

log ( η (ηγ 0,T ) ) [− ]

Abb. 3.47 Temperaturabhängigkeit des normierten logarithmischen Viskositätsverlaufes, Variation des Konsistenzparameters K, 0 D 96;5 Pas, Verschiebungsfaktor aT D 0;5

800

1 s

−7 −7,5 −8 0

200

400

600

γ˙

3.6.4

800

1000

[ 1s ]

Arrhenius Gesetz

Ein häufig verwendeter Ansatz, der aus der thermischen Molekulardynamik und der Reaktionskinetik stammt, ist das Arrhenius Gesetz. Hier wir mit Hilfe einer Exponentialfunktion und geeigneten Parametern das abklingende Verhalten einer chemischen Reaktion beschrieben. Andrade [1] hat die Arrhenius Gesetzmäßigkeit frühzeitig auf die Viskosität angewandt. Ausgangspunkt ist das schon bekannte exponentielle Abfallen der Viskosität in direkter Abhängigkeit von absoluten Temperatur nach dem sogenannten Arrhenius Ansatz, siehe Gl. (3.199). Basierend auf dieser Gesetzmäßigkeit wird in

3.6

Zustandsabhängigkeit der Viskosität

167

Abb. 3.48 Viskositätskurven eines Cellulose-Acetat-Butyrat (CAB) zur Bestimmung der Masterkurve, [64]

Abb. 3.49 Darstellung des Zeit-Temperatur Verschiebungsprinzips nach [61]

lg (T )

lg

lg

lg a T 45

°

Messkurve lg( )=f(lg ) bei Temperatur T

lg a T Masterkurve lg

=f(lg(

)) lg lg (

)

Erweiterung der ursprünglichen Formulierung das Prinzip der Masterkurven übernommen und nun die gesuchte temperaturabhängige Viskosität in Bezug zu einer bekannten Referenzviskositätsfunktion bei vorgegebener Referenztemperatur Tref gesetzt: E0 1

eR T .; P T/ D E0 1 : .; P Tref / e R Tref

(3.216)

Hier wurde statt des allgemeinen Parameters B aus Gl. (3.199) spezifischere Größen benutzt: E0 ist die materialabhängige Aktivierungsenergie,25 RD 8; 314 J/(mol K) ist die universale Gaskonstante. Der ursprünglich benutzte Parameter A fällt durch die Division durch die Referenzviskosität weg. Gl. (3.216) wird umgeformt zu: E0 .; P T/ DeR .; P Tref /

25



1 1 T  Tref



;

Man findet auch den Begriff Fließaktivierungsenergie, siehe [52]

(3.217)

168

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

E0 R = 500 K E0 R = 1000 K E0 R = 1500 K

1

0,8

aT [− ]

Abb. 3.50 Temperaturabhängigkeit des Verschiebungsfaktors aT für eine jeweils konstante Aktivierungsenergie und gegebener universeller Gaskonstante, Tref D 290 K

0,6

0,4 290

300

310

320

330

340

350

T [K]

bzw. .; P T/ D e

E0 R



1 1 T  Tref



 .; P Tref / ;

(3.218)

bzw. P Tref / ; .; P T/ D aT  .;

(3.219)

wobei sich ein Verschiebungsfaktor von aT D e

E0 R



1 1 T  Tref



(3.220)

ergibt. Dieser Verschiebungsfaktor wird auch als Andrade Verschiebungsfaktor bezeichnet. Er gilt auch für newtonsche Fluide, im Fall von Wasser nimmt der Vorfaktor C D ER0 ungefähr den Wert 8; 2  102 K an. In Abb. 3.50 wird beispielhaft der Einfluss der Temperatur für ein jeweils konstantes Verhältnis von Aktivierungsenergie und universeller Gaskonstante gezeigt. Die Abnahme des Verschiebungsfaktors hängt auch deutlich von der Aktivierungsenergie ab. Mit Gl. (3.218) bzw. (3.219) erfolgt dann eine Temperaturanpassung der Viskosität. Diese Formulierung, für die in der Literatur auch die Bezeichnung Arrhenius-Gesetz geführt wird [52], liest sich in logarithmischer Schreibweise:     1 E0 1 .; P T/  D : (3.221) ln .aT / D ln .; P Tref / R T Tref Es werden auch Variationen aufgeführt. In [52] wird z. B. ein Vorfaktor genutzt:   1 1 Ea ln .aT / D  ; (3.222) 2; 3R T Tref was letztlich auf einen anderen Wert für die Aktivierungenergie, hier jetzt Ea , hinausläuft.

3.6

Zustandsabhängigkeit der Viskosität

169

Es existieren weitere verschiedene Variationen, so wird z. B. von Bognár [15] für ein Power-Law Fluid eine Fließindexabhängigkeit und ein quadratische Abhängigkeit von der Referenztemperatur eingeführt: Ea ln .aT / D nR

T  Tref 2 Tref

! :

(3.223)

Für die Modellierung der Temperaturabhängigkeit mit Hilfe eines Arrhenius Gesetz spricht, dass bei bekannter Temperatur und der materialabhängigen Aktivierungsenergie sich der Verschiebungsfaktor aT sofort berechnen lässt und das exponentielle Verhalten bei Polymeren gut wiedergegeben wird. Das Arrhenius Gesetz wird daher zumeist bei Polyolefinen, Polyethylenen (LDPE, LDPE und LLDPE), Polymerschmelzen und teilkristallinen Polymeren (PP, PTFE und PA) eingesetzt. Für Polymerschmelzen liegt die Aktivierungsenergie Ea im Bereich von 25 bis 80 kJ/mol [52]. Die Arrhenius-Gleichung sollte nur für Temperaturen im Bereich T > Tg C 100 K angewendet werden, wobei Tg für die Glasübergangstemperatur26 steht. Wenn der Systematik der Masterkurven gefolgt wird, dann verschiebt sich auch die Nullviskosität in Abhängigkeit der Temperatur. Ist dies nicht der Fall, so bietet es sich als Alternative z. B. an, die folgende Modellierung anzuwenden:27   1 1 D ; .1n/ 0  1 .1 C .H.T//2 P 2 / 2 mit

 H.T/ D exp E0

1 1  T  T0 TE0  T0

(3.224)

 :

(3.225)

Als Beispiel wurde hier eine Carreau Fluidmodellierung gewählt. E0 bezeichnet hier wieder die Aktivierungsenergie. Mit T0 wird die absolute Referenztemperatur T0 bezeichnet, in der Regel wird diese zu Null gesetzt, während die absolute Referenztemperatur TE0 die Temperatur ist, bei der die Arrheniusfunktion H.T/ D 1 ist. Anhand der Formel (3.224) wird deutlich, dass die Temperatur nur auf die Zeitkonstante  wirkt und somit den Übergang zum strukturviskosen Anteils der Viskositätsfunktion verschiebt. 26

Die Glasübergangstemperatur bezeichnet die Temperatur, ab der das Polymer gummiartig weich bzw. flüssig wird, dieses Weichwerden ist die sogenannte ˛-Relaxation. Es ist kein exakter Phasenübergang, da noch kristalline Anteile fest sind, während die amorphen Anteile schon flüssig sind. Man findet auch die Bezeichnung Einfriertemperatur 27 Im kommerziell erhältlichen Strömungslöser FLUENT (Stand 2011) kann dieses Modell gewählt werden. – siehe Nutzerhandbuch FLUENT

170

3.6.5

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

William-Landel-Ferry Gleichung

Neben dem Arrhenius-artigen Ansätzen bietet sich die sogenannte William-Landel-Ferry Gleichung an, um mit dieser den Temperaturveschiebungsfaktor aT zu bestimmen. Die zugrundeliegenden Betrachtungen finden sich in [37, 123]. Diese Gleichung wird häufig mit der Bezeichnung WLF-Gleichung abkürzend aufgeführt. Dieser Ansatz findet dann Anwendung, wenn Styrolpolymerschmelzen und Schmelzen ähnlicher Stoffe betrachtet werden. Es handelt sich dabei zumeist um teilkritstalline Polymere, die bei Raumtemperaturen fest sind und bei Temperaturen oberhalb der sogenannten Glasübergangstemperatur TG gummiartig flüssig werden. Ab einer bestimmten Standardtemperatur TS werden diese Polymere komplett flüssig. Hierfür lassen sich dann entsprechende Masterkurven und Verschiebungsfaktoren bestimmen. Ausgangspunkt der Herleitung der WLF Gleichung ist die Doolittle Gleichung, wonach die Viskosität aus dem freien Volumen Vf resultiert: 

B.V  Vf / 0 exp Vf was auf ln./ D lnA C

 ;

(3.226)

B.V  Vf / Vf

(3.227)

führt. Unter der Annahme, dass das freie Volumen proportional zur Temperatur ist, Vf D Vf .TG / C ˛f .T  TG / ;

(3.228)

erhält man die WLF-Gleichung der Form 

P T/ 0 .; log .aT / D log 0 .P ; Tg /



  C=fg T  Tg ;  D fg =˛f C T  Tg

(3.229)

wobei fg D Vf .TG /=.Vf .TG /CV0 .TG // das Anteilsverhältnis28 des freien Volumens bei der Glasübergangstemperatur repräsentiert. Da diese Volumenanteile zumeist nicht bekannt sind, zieht man die Koeffizienten zusammen, und die WLF Gleichung nimmt die folgende allgemeine Form     C1 T  Tref .; P T/   D (3.230) log .aT / D log .; P Tref / C2 C T  Tref an. Hierin ist mit Tref die Referenztemperatur bezeichnet. Die Stoffparameter C1 und C2 sind experimentell zu bestimmen. In der WLF Gleichung wird der dekadische Logarithmus verwendet, wie es in der Literatur üblich ist, dies wird in den Konstanten 28

fractional free volume

3.6

Zustandsabhängigkeit der Viskosität

171

berücksichtigt. Da als Referenztemperatur häufig eine Standardtemperatur gewählt wird, in der das Polymer komplett aufgeschmolzen, also flüssig ist, wird in der Literatur auch in dieser Gleichung die Bezeichnung TS geführt, dann nehmen die Stoffparameter folgenden Werte an: C1 D 8; 86 und C2 D 101; 6 K.29 Wesentlich bei dieser Formulierung ist im Vergleich zur Arrhenius-Gleichung, dass die Temperatur auch im Zähler des Exponenten auftritt, damit gelingt eine bessere Steigungsanpassung der Viskositätskurve. Als Referenztemperatur kann auch die Glasübergangstemperatur TG herangezogen werden. Es ändern sich dann die Stoffparameter, für Polymerschmelzen wurden folgende Werte ermittelt: C1 D 17; 44 und C2 D 51; 6 K. Diese Werte gelten in guter Näherung nahezu universell für einen Temperaturbereich von der stoffabhängigen Erweichungstemperatur bzw. Glasübergangstemperatur bis zur oberen Grenze von ca. TG C 100 K. Beide Ansätze sind gleichwertig, da diese überführt werden können. Die Werte erklären sich durch eine Verschiebung der Temperaturen um 50 K: TS  TG D 50 K. In der Praxis muss daher darauf geachtet werden, welche Referenztemperatur gemeint ist, zudem gilt diese Beziehung nur unter der Bedingung konstanter nicht frequenter Spannungslast. Ein Vergleich der unterschiedlichen Modellierungsansätze für den Verschiebungsfaktors aT wird in Abb. 3.51 skizziert. Die Ähnlichkeit der Kurven lässt sich auch darauf zurückführen, dass sich die Ansätze ineinander überführen lassen, so kann die Vogel-Fulcher-Tammann Gl. (3.205) in die WLF Gl. (3.230) umgeformt werden. Dazu setzt man die Temperatur T auf die Glasübergangstemperatur, wobei diese sich um C2 von der Vogel-Fulcher Temperatur unterscheidet: WLF (C1 = − 8, 86 , C2 = 101, 6 K Tre f = 270 K) WLF (C1 = − 6, 86 , C2 = 101, 6 K Tre f = 270 K) Arrhenius (Eo = 40.000 J/mol , R = 8, 314 J/ (mol K) , Tre f = 270 K)

1

aT [–]

0.8 0.6 0.4 0.2 0 270

280

290

300 T [K]

310

320

330

Abb. 3.51 Temperaturabhängigkeit des Verschiebungsfaktors aT je nach Modellierungsansatz 29

Die Temperaturangaben erfolgen in der Literatur häufig in Grad Celsius. Aufgrund der Differenzbildung werden jedoch hier absolute Temperaturen (Kelvin) verwendet, wie es in der Numerik üblich ist.

172

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

 ln

g 0

 D

B B B D D : TG  TVF TVF C C2  TVF C2

(3.231)

Es folgt: ln

  G B B D ln  ln D  G 0 0 T  TVF C2 B B .C2  T C TG  C2 / B D D  T  .TG  C2 / C2 C2 .T  TG C C2 / C1 .T  TG / B .T  TG / D D ; C2 .C2 C T  TG / C2 C T  TG

(3.232)

wobei die Konstante C1 dem Bruch B=C2 entspricht, in dem die Umrechnung auf den dekadischen Logarithmus berücksichtigt wurde. Für höhere Temperaturen geht die sich aus der WLF Gleichung ergebende Verschiebungskurve in den Kurvenverlauf der Arrhenius Gleichung mit einer Aktivierungsenergie von E0 D 2;303 R C1 C2 Š 4 Kcal/mol über. Mit Hilfe der WLF kann eine Verschiebung der Viskositätskurve bei einer beliebigen Bezugstemperatur T0 auf die gesuchte Temperatur T erfolgen, dann kann Gl. (3.230) zweimal angesetzt werden, bzw. ein zusätzlicher Bruchterm hinzugefügt werden, wie Többen [109] zeigt: 

.T/ .TS / log .aT / D log .TS / .T0 /

 D

C1 .T0  Ts / C1 .T  Ts /  : C2 C .T0  Ts / C2 C .T  Ts /

(3.233)

wobei hier wieder Tref gleich Ts gesetzt wurde. Der neue zusätzliche Parameter bewirkt eine Verschiebung auf eine Masterkurve, von der durch den zweiten Term in Gl. (3.233) die temperaturbedingte Anpassung errechnet wird. Falls T0 der Referenztemperatur bei konstanter Schubspannung Ts gleich gesetzt wird, so fällt die erste Verschiebung weg und man erhält die WLF Gleichung in ihrer Grundform. Neben der recht einfachen WLF Gl. (3.230) gibt es noch weitere darauf aufbauende Variationen bzw. Anpassungen, die statt drei z. B. vier oder fünf zusätzliche Parameter aufweisen. Durch die erhöhte Anzahl der bestimmbaren Parameter lässt sich einerseits die Modellierungsfreiheit erhöhen, doch steigt auch der experimentelle Aufwand, um die Parameter in den notwendigen Genauigkeitsschranken zu bestimmen. Schöppner [98] variiert die obige Gl. (3.233) nur wenig, indem er den zweiten Nenner fixiert: log .aT / D

C1 .T0  Ts / C1 .T  Ts /  : C2 C .T0  Ts / C2 C .T0  Ts /

(3.234)

Dahingegen führt Mours [68] ein sechsparametrisches Modell ein: log .aT / D

C1 .Tb  Ts / C1 .T  Ts /  : C2 C .T0  Ts / C2 C .T  Ts /

(3.235)

3.6

Zustandsabhängigkeit der Viskosität

173

WLF unmodifiziert (C1 = 8,86 ,C2 = 101,6 K , Ts = 165 K) WLF Toeben (C1 = 8,86 ,C2 = 101,6 K,Tb = 270 K , Ts = 165 K) WLF Mours (C1 = 8,86 ,C2 = 101,6 K, Tre f = 260 K, Tb = 290 K, Ts = 165 K) 3

aT [–]

2

1

0 240

280

260

300

T [k]

Abb. 3.52 Temperaturabhängigkeit der Verschiebungsfaktoren aT für die modifizierten WLF Gleichungen im Vergleich, dargestellt über der Temperatur

Jetzt unterscheiden sich Referenz- und Bezugstemperaturen: Tref D Ts ¤ Tb ¤ T0 . Neben diesen drei Temperaturen (und ihren zugehörigen Spannungszuständen) müssen auch die beiden Koeffizienten C1 und C2 bestimmt werden. Wie in Abb. 3.52 prinzipiell gezeigt wird, kann mit Hilfe dieser Modifikationen der temperaturabhängige Verlauf des Verschiebungsfaktors aT gezielt an die experimentell gewonnenen Materialdaten angepasst werden. In der Arbeit von Conzen [26] finden sich weiterführende Erläuterungen. Eine weitere Modifikation des Verschiebungsansatzes wird von Carlowitz [19] erläutert. Für nicht allzu große Temperaturunterschiede ergibt sich eine flache Viskositätsabklingkurve, daher kann vereinfachend der Verschiebungsfaktor wie folgt berechnet werden:   (3.236) log .aT / D  T  Tref : Der Koeffizient  kann durch eine lineare Näherung wiederum aus experimentell gewonnenen Daten bestimmt werden. Er drückt die Sensitivität der Viskosität gegenüber Temperaturänderungen aus, siehe auch Abschn. 4.2.8. Dieser Ansatz kann damit als stückweise lineare Approximation an den Verlauf der bekannten Verschiebungsfunktion verstanden werden. Aus den bisherigen Überlegungen ist deutlich geworden, dass es für verschiedene Materialien auch verschiedene Ansatzgleichungen für die Modellierung des Temperatureinflusses gibt, siehe dazu auch [34]. In Abb. 3.53 wird dies nach Materialgruppen grafisch dargestellt. Wenn dann der Verschiebungsfaktor bestimmt ist, lässt sich dieser in der Fluidmodellierung einfach berücksichtigen, wie am Beispiel des vereinfachten Carreau Fluids gezeigt wird:

174

3 Rheologie – Viskosität der Fluide T [K]

Abb. 3.53 Unterschiedliche Verläufe des Verschiebungsfaktors aT je nach Materialgruppe [34] Verschiebungsfaktor aT [−]

240

220

200

180

160

140

120

PS

80

LDPE 60 HDPE PP 40

20 2

2.2

2.4

2.6

Reziproke Temperatur T 10− 3 K − 1

 .P ; T/ D

aT 0 : 1 C .aT P /m

(3.237)

Für die Temperaturabhängigkeit der Dehnviskosität gelten analoge Überlegungen wie bei der Scherviskosität: So kann z. B. mit einem Arrhenius Gesetz oder einer WLF Gleichung die Temperaturabhängigkeit über die Verschiebung der „Nulldehnviskosität“ modelliert werden.

3.6.6

Erwärmung des Fluids durch Dissipation

Die reibungsbehaftete Bewegung des Fluids kann im strengen Sinne nicht nur mechanisch betrachtet werden, vielmehr nimmt die Temperatur im Fluid schon durch Dissipation zu. Dies kann je nach Strömung schon einen Einfluss z. B. auf die Viskosität und damit Fließeigenschaften haben. Zu genauen Analyse der durch Dissipation eingetragenen Wärme können zwei Grenzfälle unterschieden werden: Im Fall einer Rohrströmung kann die Rohrwand zum einen isotherm sein, zum anderen kann sie adiabat sein. Im isothermen Fall und bei ausgebildeter, stationärer Strömung darf das Temperaturfeld des Fluids aufgrund der auch in stromabwärtiger Richtung konstanten Temperatur TW an der Wand nur vom Radius r abhängen, T D T .r/. Da bei ausgebildeter stationärer Strömung die radiale Geschwindigkeitskomponente vr D 0 ist, so muss auch die substanD 0 sein. Aufgrund des Wegfalls des konvektiven zielle Ableitung der Temperatur DT Dt Transportes vereinfacht sich die Energiegleichung zu:

3.6

Zustandsabhängigkeit der Viskosität

175

  dT 1 d r D 0;

P C 1 dr dr

(3.238)

mit der Wärmeleitfähigkeit  des Fluids. Aufgrund positiver Dissipationsleistung muss die Temperatur nach außen abfallen. Diese Gleichung kann jetzt analytisch gelöst werden: Eine Integration über den Rohrquerschnitt liefert:   dT  D vN W ; dr W

(3.239)

wobei anstelle von die folgende Beziehung

.r/ D 2 W

r d

(3.240)

für die Scherspannung eingeht. Gl. (3.240) liefert die Erklärung dafür, dass die über den Rohrquerschnitt durch Dissipation generierte Wärme an die Wand abgegeben wird. Eine nochmalige Integration von (3.240) führt auf: T .0/  TW D 

d vN W ; 

(3.241)

wobei der hier auftretende mit Faktor  vom Fluidmodell und vom Fließindex abhängt. Im adiabaten Fall erlaubt die Rohrwand keine Energieabfuhr vom Fluid radial nach außen. Dadurch kommt es zu einem Anstieg der Temperatur in Strömungsrichtung. Eine Abschätzung erfolgt wieder mit Hilfe der Energiegleichung. Eine integrale Bilanz zwischen zwei Querschnitten 1 und 2 führt zu: p1  p2 ; TN 2  TN 1 D c

(3.242)

wobei mit TN die über den Querschnitt A gemittelte Massetemperatur 1 TN D uN A

“ A

TudA

(3.243)

gekennzeichnet wird. Wie bei Böhme [16] schon gezeigt wurde, geht die Viskosität des Fluids in die Gl. (3.242) nicht ein. Die wesentlichen Stoffparameter sind nur die Wärmekapazität c und die Dichte . Damit bewirkt die Druckdifferenz als dynamische Ursache einer Strömung maßgeblich die Temperaturzunahme. Die Viskosität ist indirekt über die Wandschubspannung beteiligt.

176

3.6.7

3 Rheologie – Viskosität der Fluide

Druckabhängigkeit der Viskosität

Neben der Temperatur hat auch der Druck bei vielen Fluiden einen starken Einfluss auf die Viskosität. Bei den meisten Fluiden steigt die Viskosität exponentiell bei wachsendem Druck an, daher ist dieser Effekt in vielen technischen Anwendungen zu berücksichtigen. Dies ist unter Umständen gewollt: So steigt die Viskosität von Schmiermitteln bei exzentrischer Lagerung sehr stark an, sodass ein Festfressen von Lagern verhindert werden kann. Um die Druckabhängigkeit der Viskosität zu modellieren, wird häufig das Barus Gesetz [7] verwendet: (3.244) 0 .p/ D 0 e.˛p/ : Dieses Gesetz berücksichtigt das exponentielle Anwachsen der Viskosität in Abhängigkeit des Druckes. Hierin ist ˛ ein stoffspezifischer Parameter, der experimentell bestimmt wird. Dieser bestimmt das Niveau des unteren Scherratenplateaus bei vorgegebenem Druck. Durch die Aufspaltung der druckabhängigen Viskosität in die newtonsche Grenzviskosität bzw. Nullviskosität 0 und dem exponentiellen Wachstumsfaktor e.˛p/ auf der rechten Seite von Gl. (3.244) lässt sich dieses Gesetz formal auf die strukturviskosen Stoffmodelle anwenden, wie hier am Beispiel des Cross Modells gezeigt wird: 

0  1  e.˛p/ : (3.245)  .; P p/ D 1 C 1 C .K / P .1n/ Es ist jedoch zu beachten, dass der von der Nullviskosität zum linearen Abfall oder Anstieg hin (bei entsprechender logarithmischer Auftragung der Viskositätsfunktion) stattfindende Kurvenübergang, welcher durch den Konsistenzparameter K ausgedrückt wird, ebenfalls eine Funktion des Druckes sein kann, dann muss der Konsistenzparameter ebenfalls angepasst werden: (3.246) K D K.p/ D e.ˇ pCE/ : Die neu auftretenden Parameter ˇ und E sind ebenfalls durch entsprechende Experimente zu bestimmen. Physikalisch bestimmt ˇ die Scherentzähungsrate für vorgegebenem Druck. Auch für die Dehnviskosität können entsprechende Modellierungsansätze für den Einfluss des Druckes verfolgt werden. So lässt sich z. B. auch entsprechend dem Barus Gesetz, Gl. (3.244), ein Faktor an das Carreau Modell heranmultiplizieren, der die Druckabhängigkeit berücksichtigt: D .P"/ D D0 

1

1 C .C" "P/

2

.˛p/ :  .1n2 " /  e

(3.247)

Auch hier könnte der Konsistenzparameter C" druckabhängig sein, was eine entsprechende Modellierung erfordert. In der Praxis muss wiederum mittels des Stoffparameters ˛ eine optimale Anpassung der Fließkurve an experimentell gewonnene Vergleichsdaten erfolgen.

Literatur

177

Auch eine Modellierung der Druckabhängigkeit mit Hilfe einer Verschiebungsfunktion ist möglich. Die entsprechende Herleitung erfolgt analog zu den Vorgehensweisen bei der Einführung der Masterkurven und der Verschiebungsgleichungen bei der Temperaturabhängigkeit der Viskosität. Am Beispiel des Carreau Modells wird hier das Ergebnis gezeigt: ap .p/0  m : (3.248)  .; P p/ D 1 C ap .p/P

3.6.8

Druck- und Temperaturabhängigkeit der Viskosität

Dass sich Druck und Temperatur in den meisten technischen Anwendungen gleichzeitig verändern, liegt u. a. an der reibungsbedingten Dissipation der Strömung selbst, aber auch an möglicherweise vorhandenen externen Wärmequellen. Dadurch kann es erforderlich werden, beide Einflussfaktoren auf die Viskosität zeitgleich zu modellieren. Am Beispiel des vereinfachten Carreau Modells sei dies gezeigt:  .P ; T; p/ D

aT .T/ap .p/0  m : 1 C aT .T/ap .p/P

(3.249)

Es sei angemerkt, dass die Druckabhängigkeit jedoch meist einen wesentlich geringeren Einfluss hat und daher fast immer (so auch in den nachfolgenden Kapiteln) in Relation zum Temperatureinfluss zu vernachlässigen ist. Ergänzend ist nachfolgend eine Modellierung der Scher- und der Dehnviskosität für ein temperatur- und druckabhängiges Carreau Fluidmodell dargestellt. Beispielhaft erfolgt die Temperaturmodellierung nach dem Verschiebungsansatz, während die Druckabhängigkeit mit Hilfe des Gesetzes von Barus modelliert wird, dieser jedoch keinen Einfluss auf den Konsistenzparameter haben soll:  .; P T; p/ D

aT .T/0  m  e.˛ p/ : 1 C aT .T/ P

(3.250)

aT .T/D0  e.˛" p/ : 1 C .aT .T/" "P/m

(3.251)

D .P"; T; p/ D

Nachteilig bei all den vorgestellten Modellierungsansätzen ist, dass die einzelnen Parameter, die in den jeweiligen Gleichungen auftreten, durch entsprechende Experimente zu ermitteln sind.

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3 Rheologie – Viskosität der Fluide

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3 Rheologie – Viskosität der Fluide

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4

Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

4.1

Zusammenfassung

Zu den Aufgaben des Ingenieurs oder Wissenschaftlers gehört nicht nur die Berechnung einer numerischen Strömungslösung oder die Datenaufnahme während eines Experiments, vielmehr schließt sich die oft sehr zeitraubende Analyse der vorliegenden, numerisch oder experimentell gewonnenen Strömungslösungen an. Eine grundlegende Aufgabe besteht darin, zu überprüfen, ob die vorhandenen Ergebnisse bestimmten Kriterien genügen, die über Validität der Lösung Aufschluss geben. Bei der Untersuchung der Ergebnisse kann auf verschiedenste Analysemethoden zurückgegriffen werden. Um einen Überblick über die zu erwartenden Strömungsphänomene zu gewinnen, sollte beim Aufstellen der zu lösenden Gleichung eine Dimensionsanalyse angewandt werden. Eventuell kann durch eine Betrachtung der Größenordnung und -verhältnisse der verschiedenen Terme zueinander festgestellt werden, welche Terme maßgeblich sind, aber auch welche vernachlässigt werden können. Somit lässt sich das Problem auf die maßgeblichen Parameter und Kennzahlen reduzieren. Für die Vorbereitung der numerischen Simulation aber auch der Analyse der Strömungslösung bedeutet dies, dass ferner geprüft werden muss, wo sich die Strömung im Kennzahlenraum aufhält. So kann schon im Vorfeld abgeschätzt werden, ob z. B. noch eine laminare oder sich schon eine turbulente Strömung zu erwarten ist. Eventuell muss ein Turbulenzmodell verwendet werden. Wie verhält sich die Strömung in der Zeit, gibt es überhaupt eine stationäre Lösung oder muss mit einem bestimmten Zeitschritt eine instationäre Strömungslösung errechnet werden? Solche Vorüberlegungen charakterisieren die Herangehensweise an die Simulation und werden hier angerissen. Aufbauend auf den anfangs eher theoretischen Ausführungen zu Ähnlichkeiten werden anschließend spezielle thermische Strömungen viskoser und strukturviskoser Fluide betrachtet. Die in diesem Kapitel vorgestellten newtonschen und nichtnewtonschen Strömungsfälle sind von einfacher und eher exemplarischer Gestalt, da sich nur für solche © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 M. Rütten, Verallgemeinerte newtonsche Fluide, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56226-0_4

183

184

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

auch analytische Lösungen finden lassen. Beispielhaft werden für diese dennoch technisch relevanten und rheologisch interessanten Strömungsformen analytische Lösungen entwickelt, die einerseits spezifische rheologische Eigenheiten der jeweiligen Fluidklasse aufzeigen, andererseits auch die Vergleichsgrundlage für spätere Validierungssimulationen bilden. Diese sehr ausführlich diskutierten Lösungen können dann als Wegweiser für die numerische Strömungssimulation von nichtnewtonschen Fluidströmungen dienen.

4.2

Ähnlichkeit und Kennzahlen einer Strömung

Um einen Überblick über die zu erwartenden Strömungsphänomene zu gewinnen, kommt beim Aufstellen der zu lösenden Gleichung die Dimensionsanalyse zur Anwendung. Dadurch kann das Problem auf die maßgeblichen Parameter und Kennzahlen reduziert werden. Dimensionslose Gleichungen bieten einerseits eine kompakte Darstellung und andererseits eine größere Verallgemeinerungsfähigkeit, da über Gleichheit von Kennzahlen gleichzeitig über einen weiten Gültigkeitsbereich Lösungen bestimmt werden. Zudem können dadurch Aussagen zu ihrer Ähnlichkeit getroffen werden, denn ist der Gültigkeitsbereich der Kennzahlen bekannt, so ist in der Regel ebenfalls bekannt, welche Phänomene auftreten. Beispielhaft sei hier auf laminare Strömungen für kleine Reynoldszahlen verwiesen, der Übergang zur Transition, der bei wenig höheren Reynoldszahlen zu erwarten ist, wie auch die turbulente Strömung für hohe Reynoldszahlen. Auch Ablösephänomene an Zylindern oder Kugeln sind leicht zuordbar. Hier sei auf die unterschiedlichen, reynoldszahlabhängigen Ausprägungen der von Kármánschen Wirbelstraße verwiesen. Deren instationäres Wechselverhalten wird durch die Strouhalzahl erfasst. Schon bei mittleren Machzahlen sind Kompressibilitätseffekte zu erwarten, schließlich sollten Stöße bei Strömungen um Machzahlen nahe Eins auftreten, wenn geometrische Dicken überschritten bzw. Dickenänderungen vorhanden sind. Neben der Kennzahlenanalyse hilft häufig auch eine Betrachtung der Skalierung bzw. der Größenordnung der Einzelterme, um durch asymptotische Betrachtungen entscheiden zu können, ob und in welchem Maß die einzelnen Terme eine Rolle spielen. Dies ermöglicht unter Umständen weitere Vereinfachungen in der Formulierung der zugehörigen Transportgleichungen. Gerade hier ist die Entdimensionierung besonders hilfreich, da diese erst den Größenordnungsvergleich ermöglicht.

4.2.1

Ähnlichkeit einer Strömung

In der experimentellen wie auch numerischen Strömungsmechanik muss immer die Frage gestellt werden, wie ähnlich soll das Modell dem Original sein? Was muss im Experiment oder in der numerischen Simulation abgebildet werden, was kann weggelassen werden? Jedoch beginnt das Problem schon mit der Ähnlichkeit selbst: Was ist eigentlich ähnlich? In erster Linie wird an eine Skalierung gedacht, denn es ist nicht zuletzt aus

4.2

Ähnlichkeit und Kennzahlen einer Strömung

185

Kostengründen zumeist unumgänglich, ein Experiment mit verkleinerten Modellen durchzuführen. Bevor für ein Experiment ein physisches Modell als Abbild eines realen Systems konstruiert wird, muss festgelegt werden, in welchen Aspekten das Modell zum realen Vorbild ähnlich sein soll. Es gibt je nach Fachrichtung sehr unterschiedliche Regeln und Bedingungen, nach denen eine Ähnlichkeit zwischen Modell und Original besteht. Auf die in der Strömungsmechanik maßgeblichen Ähnlichkeitsregeln wird nachfolgend eingegangen.

4.2.1.1 Geometrische Ähnlichkeit Um im klassischen Sinne von einem Modell, z. B. ein skaliertes Windkanalmodell, überhaupt sprechen zu können, muss es zum Original geometrisch ähnlich sein, d. h. als geometrisch ähnlich wird ein Modell im Vergleich mit dem Original bezeichnet, wenn alle Längen im Modell in einem konstanten Verhältnis zu den im realen System auftretenden Längen stehen. Dieses Verhältnis bezeichnet man als Skalierung oder Längenmaßstab ML . Berechnet man diesen Maßstab entsprechend ML D

LOriginal ; LModell

(4.1)

so bedeutet dies z. B. für die drei Raumrichtungen: ML D

ıxOriginal ıyOriginal ızOriginal D D : ıxModell ıyModell ızModell

(4.2)

Die geometrische Ähnlichkeit lässt sich häufig nur schwer zu realisieren. So stellen oft die Eigenschaften von zu verwendenden Materialien eine Grenze dar. Ein Modell kann man nicht beliebig filigran werden, da einerseits Fertigungsgrenzen eine beliebige Miniaturisierung verhindern und andererseits angreifende Gewichts-, aero- oder hydrodynamische Kräfte die erstellte Struktur zerstören können.

4.2.1.2 Dynamische Ähnlichkeit Die geometrische Ähnlichkeit alleine reicht nicht aus, um auf vorherrschende Kräfte vom Modell rückschließen zu können. Es sind mehr Bedingungen zu erfüllen als nur die Realisierung der geometrischen Ähnlichkeit. Für eine numerische bzw. experimentelle Untersuchung muss sich das Modellsystem von den Kräften ähnlich zum Originalsystem verhalten: Man bezeichnet das Modell eines realen Systems als zu diesem dynamisch ähnlich, wenn alle Kräfte, die im Modell auftreten, in einem konstanten Verhältnis, dem Kräftemaßstab, zu den im realen System auftretenden Kräften stehen. Ist die dynamische Ähnlichkeit gegeben, dann folgt, dass dies auch für alle resultierenden Kräfte gilt. In der Strömungsmechanik sind als zu betrachtende Kräfte in erster Linie die Trägheitskräfte, Schwerkräfte, Reibungskräfte und Druckkräfte zu berücksichtigen:

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4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

FTrägheit Original FTrägheit Modell FSchwerkraft Original D FSchwerkraft Modell FDruck Original D FDruck Modell FReibung Original D : FReibung Modell

MF D

(4.3)

Je nach Problem kann dies nicht reichen: Häufig ist es auch noch notwendig, dass Kapillarkräfte, Corioliskräfte oder gezeitenerzeugende Kräfte maßstäblich sind.

4.2.1.3 Kinematische Ähnlichkeit Man bezeichnet das Modell eines realen Systems als zu diesem kinematisch ähnlich, wenn alle zeitabhängigen Prozesse im Modell in einem konstanten Zeitverhältnis zu den in der Natur auftretenden Prozessen ablaufen. Den dazugehörigen Zeitmaßstab wollen wir mit MT bezeichnen. Man kann zeigen, dass dynamische und geometrische Ähnlichkeit hinreichende Voraussetzungen für die kinematische Ähnlichkeit sind. Die charakterisierenden, dimensionsbehaften Größen haben nur die Dimensionen Länge und Zeit, wie die kinematische Viskosität. 4.2.1.4 Strukturelle Ähnlichkeit Es gibt auch Ähnlichkeiten, die nicht direkt über eine Skalierungsgröße das Modell auf das Original abbilden. Hier geht es um Muster- oder Strukturgleichheit. So bezeichnet man mit dem Begriff strukturelle Ähnlichkeit zwei Strömungen, die sich zeitlich in ihrer Musterausprägung gleichartig entwickeln und sich in ihrem Strömungsmuster schließlich ähneln. In der Wirbeldynamik bezeichnet man z. B. bestimmte Typen von analytischen Wirbeln als Ähnlichkeitslösungen. Diese Form der Ähnlichkeit geht auf gleiche analytische Funktionen zurück, die wie sich z. B. im Fall der Wirbelströmungen zeigt, Lösungen der vereinfachten Navier-Stokes Gleichungen darstellen. Die Unterschiede ergeben sich aus den jeweils problemangepassten bzw. skalierbaren Variablen einer bestimmten analytischen Grundfunktion, die sogenannten Ähnlichkeitsvariablen. 4.2.1.5 Thermische Ähnlichkeit Ein Ähnlichkeit nur im Sinne eines Musters bzw. einer Struktur ist im Bereich der thermischen Strömungen zu kurz gegriffen, so fällt unter dem Begriff thermischer Ähnlichkeit auch das Vermögen, vergleichbare Wärmemengen in vergleichbaren Zeiträumen aufzunehmen, abzugeben oder zu transportieren. Diese Eigenschaft eines Materials oder einer Strömung wird durch eine Reihe von dimensionslosen Kennzahlen ausgedrückt, auf die in nachfolgender Diskussion im Detail eingegangen wird. Dass es in diesem Bereich aber auch um Muster- oder Strukturähnlichkeit geht, lässt sich anhand der thermischen Grenzschichten oder dem Ausbilden und dem Zerfall thermischer Konvektionstrukturen, die sogenannten „Plumes“, zeigen. Auch hier charakterisieren Kennzahlen die Komplexität der Strukturen.

4.2

Ähnlichkeit und Kennzahlen einer Strömung

4.2.2

187

Dimensionslose Kennzahlen

Der Begriff Ähnlichkeit ist nun zwar qualitativ eingeführt worden, jedoch fehlen noch die entsprechenden Maße, die dies quantifizieren. Dies wird mit Hilfe der dimensionslosen Kennzahlen möglich, der gleiche Wert aller beteiligter Kennzahl bedeutet gleichartiges Aussehen oder Verhalten der Strömung. Die dimensionslosen Kennzahlen ermöglichen jedoch noch mehr: Sie ermöglichen eine Klassifizierung der Strömung, da Strömungsformen bestimmten Wertebereichen der Kennzahlen zugeordnet werden können. Dimensionslose Kennzahlen können direkt aus der Entdimensionierung der dimensionsbehafteten Erhaltungsgleichungen abgeleitet werden. Dazu müssen die dimensionsbehafteten Variablen der Grundgleichungen, hier die Längen, die Geschwindigkeit, die Zeit, die Temperatur und der Druck, durch geeignete Bezugsgrößen dividiert werden. Dies wird im Folgenden am Beispiel der für ein kartesisches System formulierten zweidimensionalen Erhaltungsgleichungen demonstriert. Zu Beginn steht die Überlegung, die Längen bzw. Ortskoordinaten durch eine geeignete geometrische, strömungsproblembezogene Bezugslänge L und eine strömungsgeschwindigkeitsskalierende, betragsmäßige Bezugsgeschwindigkeit V1 zu normieren und darauf aufbauend die Entdimensionierung weiter fortzuführen. Diese Überlegung führt zu: xQ D

y u v x I yQ D I uQ D I vQ D : L L V1 V1

(4.4)

Der Druck wird durch einen Bezugsdruck skaliert, pQ D

p ; pB

(4.5)

der Bezugsdruck wird später noch näher bestimmt. Spielen in der Anwendung Energieterme und somit zugehörig Temperaturen eine Rolle, so muss auch die zugehörige Erhaltungsgleichung entdimensioniert werden. Im Gegensatz zu den anderen strömungsmechanischen Größen wird zur Entdimensionierung der Temperatur eine problemtypische Temperaturdifferenz als Bezugsgröße eingeführt: T  T1 : TQ D TW  T1

(4.6)

Meist wird, wie hier durch die Indizes angedeutet, die Differenz aus der Temperatur des Fluids der ungestörten Anströmung mit der mittleren Wandtemperatur der Konfiguration gebildet. Nachdem die Orts- und primitiven Variablen entdimensioniert sind, werden die Erhaltungsgleichungen auf eine dimensionslose Form gebracht. Entsprechendes Dividieren durch die Bezugsgrößen und nachfolgendes Umformen führt für die Kontinuitätsgleichung auf die folgende Formulierung:   @Qu V1 @Qu D 0: (4.7) C L @Qx @Qy

188

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Es ist leicht zu erkennen, dass der Bruch VL1 auf der linken Seite von Gl. (4.7) durch einfache Division herausfällt. Somit taucht in der Kontinuitätsgleichung keine signifikante dimensionslose Kennzahl auf, d. h. diese Gleichung ist unabhängig von möglichen Bezugslängen oder -größen. Das Ergebnis war zu erwarten, denn die Masse des Fluids ist in der klassischen Mechanik unveränderlich an Atomen gebunden und diese sind unabhängig von jeglicher Längenskalierung oder von Geschwindigkeiten. Relativistische Effekte sind ausgeschlossen.

4.2.3

Euler- und Reynoldszahl

Wir betrachten im Folgenden die vereinfachte stationäre Impulsgleichung ohne äußere Kräfte, wie z.B die Schwerkraft. Dazu setzen wir ein kartesisches Koordinatensystem voraus und beschränken uns im Folgenden auf die x-Komponente. Die Impulsgleichung nimmt die folgende, dimensionslose Form an: V2 1 L

    @Qu pB @Qp @vQ V1 @2 uQ @2 uQ uQ D C uQ C 2 C 2 : @Qx @Qy L @Qx L @Qx2 @Qy

Dividiert man diese Gleichung durch  uQ

@Qu @vQ C uQ @Qx @Qy

 D

(4.8)

2 V1 , L

V1 L pB L @Qp C 2 2 2 L V1 @Qx L V1



@2 uQ @2 uQ C 2 2 @Qx @Qy

 :

(4.9)

so resultiert nach Kürzen für den ersten Vorfaktor auf der rechten Seite VpB2 . Diese Ent1 dimensionierung des Druckes führt auf die sogenannte Eulerzahl Eu, die nach Leonhard Euler (1707–1783) benannt wurde, Eu WD

pB ; 2 V1

(4.10)

diese setzt somit den statischen Druck dem dynamischen Druckanteil der ungestörten An2 , so wird die strömung ins Verhältnis. Wählt man gerade für den Bezugsdruck pB D V1 Eulerzahl zu Eins gesetzt. Zu betrachten ist noch der dimensionslose Vorfaktor im letzten Term auf der rechten Seite:  V1 L : (4.11) D 2 2 L V1 V1 L Der Kehrwert dieses Faktors definiert die nach Osborne Reynolds (1842–1912) benannte Reynoldszahl: V1 L V1 L D : (4.12) Re WD 

4.2

Ähnlichkeit und Kennzahlen einer Strömung

189

Damit vereinfacht sich die dimensionslose Impulsgleichung zu:     @Qp @vQ 1 @2 uQ @Qu @2 uQ D Eu C C uQ : uQ C @Qx @Qy @Qx Re @Qx2 @Qy2

(4.13)

Jetzt wird deutlich, dass die Reynoldszahl Re die wichtigste strömungsmechanische Kennzahl ist, denn die Herleitung der Reynoldszahl legt folgende Interpretation der Reynoldszahl nahe: Sie wird als das Verhältnis von Trägheitskraft zu Reibungskraft interpretiert. Es findet sich auch eine wenig gebräuchliche (sehr seltene) Interpretation als das Verhältnis der kinetischen Energie zur durch Reibung dissipierenden Energie: Re WD

1 2 2 2 L3 V1 L V1 D 12 : V1 L L2 V1 2

(4.14)

Letzteres geht auf die dimensionlose Energiegleichung zurück. Schließlich gibt die Reynoldszahl Aufschluss darüber, wie sich die Strömung im Kräftespiel von Trägheit und Reibung ausprägt. Der Reynoldszahl kommt eine besondere Bedeutung zu, da mit ihr festgestellt werden kann, in welchem Strömungszustand sich die Strömung höchst wahrscheinlich befindet, so z. B. ob sich eine Strömung laminar oder turbulent verhält, denn mit steigender Reynoldszahl nimmt bei gegebenen Störungen der Anteil an Instabilitäten und Fluktuationen, die zur Turbulenz und zugehörigen turbulenten viskosen Effekten führen, zu. Die Reynoldszahl wird entweder mit der festen Bezugslänge L gebildet, bei Flügelprofilen ist dies die Chordlänge c, bei Rohrströmungen der Durchmesser D, oder sie wird über eine signifikante überströmte Lauflänge x bestimmt. Für diesen Fall wird in der Literatur allgemein gebräuchlich ein Lauflänge x als Index eingeführt: Rex WD

V1 x : 

(4.15)

Gerade bei Grenzschichtströmungen oder Anlaufströmungen kann dies der Fall sein.. Im Rahmen der Betrachtung nichtnewtonscher Fluide ergeben sich allerdings noch weitere Überlegungen: Jetzt ist die dynamische Viskosität, mit der die Reynoldszahl gebildet wird, keine Konstante mehr.1 Damit ändert sich auch die Reynoldszahl scherratenabhängig: Re ..// P D Reloc D Re .P / D

V1 L : ./ P

(4.16)

Da die Scherraten lokal stark variieren können, ist eine Angabe einer globalen Reynoldszahl kaum noch sinnvoll, vielmehr müssen „lokale Reynoldszahlen“ gebildet werden. Hohe lokale Reynoldszahlen können durchaus in der Nähe von kleinen Reynoldszahlen 1

Daher wird sie nun mit  bezeichnet.

190

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

auftreten, insbesondere bei Kanal- oder Rohrströmungen kann die lokale Reynoldszahl bei strukturviskosen Fluiden vom Strömungsgebiet zur Wand hin aufgrund der hohen Scherrate im wandnahen Bereich um mehrere Größenordnungen ansteigen, auch wenn die Geschwindigkeit zur Wand hin kleiner wird. Damit können turbulente Strömungseffekte durchaus in Wandnähe auftreten, während sich ein Großteil des Fluids weiterhin laminar verhält. Daher ist die mögliche Berücksichtigung einer Turbulenzmodellierung für Strömungen mit hohen Scherraten durchaus ein wesentlicher Aspekt der numerischen Simulation eines Strömungsproblems, der beim Aufsetzen der Simulation unbedingt zu überprüfen ist. Aus den obigen Gründen heraus finden sich in der Literatur verschiedene Definitionen der Reynoldszahl. Metzner und Reed [43] führen eine verallgemeinerte Reynoldszahl ein. Sie stützen sich auf die Beobachtung von Skelland [68], der aufzeigt, dass bei einer vollausgebildeten laminaren Strömung eines nichtnewtonschen Fluids in einem Rohr mit ist, siehe einem kreisrunden Querschnitt die Wandschubspannung W proportional zu 8U D Abschn. 4.4. Damit lässt sich z. B. für ein Power-Law Fluid

W D K 0



8U D

2 (4.17)

schreiben. n muss an das jeweilige Fluid angepasst werden, K 0 ist ein Proportionalitätsfaktor, der unter Nutzung der Formel von Rabinowitsch, die in Abschn. 4.4 gezeigt wird, hergeleitet werden kann:   3n C 1 n 0 : (4.18) K DK 4n Nun definieren Metzner und Reed die verallgemeinerte Reynoldszahl als: Re0 WD

16 ; f

(4.19)

wobei sie den sogenannten Fanning Friction Factor, benannt nach John Thomas Fanning (1837–1911) [23], ein dimensionsloser Reibungsbeiwert, als Bezugsgröße wählen. Dieser ist wie folgt definiert:

W : (4.20) f WD 1 U 2 2 Durch Einsetzen von Gl. (4.17) und anschließendes Umformen folgt schließlich: Re0 D

U 2n Dn : K 0 8n1

(4.21)

Da der Reibungsbeiwert für ein Power-Law Fluid für eine vollentwickelte laminare Rohrströmung in der grafischen Auftragung des Reibungsbeiwertes über der Reynoldszahl 16 genau auf der Linie von f D Re 0 liegt, wird diese Definition häufig verwendet.

4.2

Ähnlichkeit und Kennzahlen einer Strömung

191

Letzteres ist auch der Grund, warum die sogenannte effektive Reynoldszahl definiert wird, UD ; (4.22) Reeff WD eff wobei hier eff als eine mittlere Viskosität auftritt. Obwohl auch hier gilt, dass der Reibungsbeiwert für laminare Rohströmungen in der grafischen Auftragung auf der Linie f D Re16eff liegt, werden physikalische Eigenschaften des nichtnewtonschen Fluids nicht mehr in dieser Definition reflektiert. Eine andere Definition der Reynoldszahl variiert die klassische newtonsche Definition, indem statt der dynamischen Viskosität  die Wandviskosität W genommen wird2 : ReW WD

UD : W

(4.23)

8U W berechnet sich aus W D w PW und PW D 3nC1 . Für das Power-Law kann 4n D die Wandviskosität bei (eventuell durch eine Messung) bekannter Wandschubspannung entsprechend 1

n1

W D K n W n

(4.24)

berechnet werden, und für Herschel-Bulkley Fluide nach 1

K n W

W D  1 :

w   n

(4.25)

Die beiden Definitionen der Reynoldszahl hängen über den Reibungsbeiwert zusammen: f D

3n C 1 16 : 4n ReW

(4.26)

Werden Überströmungen, z. B. von Rundelementen, Zylindern oder Kugeln, untersucht, wird häufig die folgende Definition verwendet: ReC WD

U 2n D ; K

(4.27)

wobei hier wieder beispielhaft das Power-Law Fluid verwendet wird. Im Fall thermoviskoser Strömungen newtonscher und nichtnewtonscher Fluide kann die lokale Betrachtung der Reynoldszahl mehr Aufschluss über das Verhältnis von Trägheitszu viskosen Kräften liefern als eine globale geltende Reynoldszahl. Insbesondere ändert 2

Im Englischen spricht man von „apparent viscosity“.

192

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

sich die lokale Reynoldszahl nicht nur in Abhängigkeit der lokalen Scherrate sondern auch in Abhängigkeit der lokalen Temperatur: P T// D Rex ..;

VL jx : .; P T/

(4.28)

Die Bezugslänge ist dabei geschickt zu wählen oder anzupassen. Ändert sich jedoch die lokale Reynoldszahl über größere Gebiete über bestimmte Grenzen, ändert sich das Strömungsverhalten plötzlich deutlich, siehe Abschn. 5.5.3. Dieses Phänomen ist grundsätzlich bekannt, wie das Beispiel des Umschlages von laminarer zu turbulenter Strömung zeigt.3

4.2.4

Strouhalzahl

Bei vielen aero- oder hydrodynamischen Konfigurationen zeichnen sich Strömungen höherer Reynoldszahl in der Regel durch eine instationäre Strömungsablösung aus. Die Strouhalzahl Sr ist die dimensionslose Kennzahl, die diese Ablösung charakterisiert. So kann z. B. bei instationären Wirbelströmungen aus der Strouhal-Zahl die Ablösefrequenz von abschwimmenden Wirbeln bestimmt werden, wie sie z. B. bei der sogenannten von Kármánschen Wirbelstraße auftreten. Sie wurde nach dem tschechischen Physiker Vincent Strouhal (1850–1922) benannt, der sie 1878 einführte [70]. Die Strouhalzahl Sr ist das Verhältnis des Produktes aus Wirbelablösefrequenz f und der Größe des umströmten Hindernisses L zu der Bezugsströmungsgeschwindigkeit V1 : Sr WD

f L : V1

(4.29)

Sie lässt sich aus der Entdimensionierung der instationären Impulsgleichung herleiten, die wiederum nur in eine kartesische Richtung betrachtet wird: V2 V1 @Qu C 1 tref @Qt L

    @Qu pB @Qp @vQ V1 @2 uQ @2 uQ uQ D C uQ C 2 C 2 ; @Qx @Qy L @Qx L @Qx2 @Qy

(4.30)

wobei die tref die Bezugszeit darstellt. Da wie schon bei der Herleitung der Reynoldszahl durch Seite:

2 V1 L

geteilt wird, ergibt sich als Vorfaktor der zeitlichen Ableitung auf der linken

L V1 L f L D D : 2 tref V1 V1 tref V1

(4.31)

3 Die Einordnung des Strömungsverhaltens in Reynoldszahlmaßstäben wird Englischen mit flow regime bezeichnet.

4.2

Ähnlichkeit und Kennzahlen einer Strömung

193

Da instationäre Effekte beschrieben werden, gibt es eine problemspezifische Frequenz f , sodass die Bezugszeit tref durch diese ersetzt wird. Daraus folgt dann die Strouhalzahl, die auch als Verhältnis der lokalen Beschleunigung zur konvektiven Beschleunigung gedeutet wird. Für die meisten technischen Anwendungen findet sich in erster Näherung eine Strouhalzahl um 0;21. In der Natur lässt sich Ähnliches beobachten: So erzeugen Fische durch ihren Flossenschlag ein Wirbelsystem mit einer Strouhalzahl von ungefähr 0;23. Da die instationäre Ablösung von der Reynoldszahl abhängt, ist infolgedessen auch die Strouhalzahl abhängig von der Reynoldszahl. Für viele Problemfälle gibt es entsprechende Diagramme, siehe Roshko [63]. Dies wird häufig zur Validierung verwendet. So kann bei bekannter Strouhalzahl, die sich aus der Kenntnis der Reynoldszahl ergibt, die Schwingungsfrequenz der Wirbelablösung bestimmt werden: f D

Sr  u : L

(4.32)

Eine numerische Simulation des Strömungsproblems muss in der Lage sein, die gegebene Strouhalzahl, die sich aus den in der Simulation detektierten Schwankungsgrößen errechnet, wiederzugeben. Dies erfordert eine hinreichende, zeitliche Auflösung des Problems und lässt auf die Größe des zu wählenden Zeitschrittes schließen.4

4.2.5

Grashof- und Rayleighzahl

Bei thermischen Konvektionsströmungen spielt ein weiteres Phänomen eine entscheidende Rolle in der Ausprägung von Strömungsstrukturen: Dies ist der Auf- bzw. Abtrieb eines lokal wärmeren oder kälteren Fluids. Ursache hierfür ist zumeist ein Wärmefluss in das Fluid über eine das Strömungsgebiet begrenzende Wand, d. h. das Fluid heizt sich an der Wand entweder auf oder kühlt sich entsprechend ab. So kommt es bspw. durch lokales Aufwärmen des Fluids zu einer Dichteverringerung, was bei wirkender Schwerkraft zu einer Auftriebsströmung führt. Daher muss ein Schwerkraftterm sowohl in der Impulsgleichung als auch in der Temperaturgleichung ergänzend betrachtet werden. Die spezifische Auftriebskraft fA ergibt sich aus den lokalen Dichteunterschieden zur mittleren Dichte 1 : fA D

g . 1  / :

(4.33)

Zur weiteren Erläuterung wird hier (unüblicherweise) die x-Koordinatenrichtung als Wirkline der Schwerkraft angenommen. Die spezifische Auftriebskraft wird in Gl. (4.8) eingesetzt und es folgt im Fall freier Konvektion für den dimensionslosen Impulstransport ohne Druckgradienten: 4

In der Praxis wir häufig als Zeitschritt 1=20 der Frequenz gewählt.

194

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen 2 V1 L

  @Qu g V1 @2 uQ @vQ uQ D . 1  / C 2 : C uQ @Qx @Qy L @Qy2

(4.34)

Für die Dichte- und Temperaturänderung erfolgt eine Kopplung in linearer Form durch den thermischen Ausdehnungskoeffizienten: ˇD

1



@ @T

 p



1



1  T  T1

 ;

(4.35)

Damit lässt sich Gl. (4.34) umformen zu 2 V1 L

die durch den Term

2 V1 L

 uQ

@vQ @Qu C uQ @Qx @Qy

 D gˇ .T  T1 / C

V1 @2 uQ ; L2 @Qy2

(4.36)

geteilt wird,

  @vQ gˇ .T  T1 / L @Qu @2 uQ C uQ D uQ C ; 2 @Qx @Qy V1 V1 L @Qy2

(4.37)

Der erste Term auf der rechten Seite von Gl. (4.37), gˇ .T  T1 / L ; 2 V1

(4.38)

kann durch Ersetzen der Bezugsgeschwindigkeit, ; L

(4.39)

gˇ .T  T1 / L3 : 2

(4.40)

V1 D umgeformt werden zu: Gr WD

Dies ist zugleich die Definitionsgleichung der Grashofzahl Gr, benannt nach Franz Grashof (1826–1893). Die Grashofzahl charakterisiert das Verhältnis der auf das Fluid wirkenden Auftriebskraft zur entgegen wirkenden Zähigkeitskraft. Demnach stellt sie ein Analogon zur Reynoldszahl dar. Für die freie Konvektion in der Nähe einer Wand wird die Grashofzahl mit der Temperaturdifferenz, die sich aus dem Unterschied der Wandtemperatur zur Temperatur der freien Strömung ergibt, berechnet. Die Bestimmung der spezifischen, problemtypischen Länge L ist ein nicht zu unterschätzendes Problem, gerade, wenn es sich um komplexe Strömungskonfigurationen handelt. Daher gibt es auch eine Variante, in der die überströmte Strecke als Lauflänge x in die örtliche bzw. lokale Grashofzahl eingeht: Grx WD

gˇ .TW  T1 / x3 : 2

(4.41)

4.2

Ähnlichkeit und Kennzahlen einer Strömung

195

Wie der Auftrieb im Verhältnis zum trägheitsbedingten Stofftransport steht, kann durch die lauflängenabhängige Rayleighzahl Ra, benannt nach John William Strutt, 3rd Baron Rayleigh (1842–1919), als die bestimmende dimensionslose Kennzahl ausgedrückt werden: gˇ .TW  T1 / x3 : (4.42) Rax WD a Die lauflängenabhängige Rayleighzahl kann in Grenzschichten, z. B. bei einer thermischen, aufsteigenden Schichtenströmung an einer senkrechten Wand leicht berechnet werden. Dann liefert die Rayleighzahl ein Maß dafür, wann ein Umschlag von laminarer zu turbulenter Strömung auftreten kann, wenn zusätzlich zur impulsgetriebenen Zwangskonvektion eine Temperaturdifferenz als antreibende Größe auf die Strömung wirkt, die zu einem schnelleren Umschlag zur Turbulenz führen kann. Bei einer kritischen Rayleighzahl, Rax;krit:  109 ;

(4.43)

tritt dieser Umschlag in der Regel auf. Anstelle der Definition über die Lauflänge ist es für viele thermofluidische Anwendungen üblich, die problembeschreibende, charakteristische Länge und die Temperaturdifferenz heranzuziehen, dann folgt die globale Definition der Rayleighzahl: Ra WD

4.2.6

gˇTL3 : a

(4.44)

Richardson- und Froudezahl

Eine weitere dimensionslose Kennzahl, die einen Bezug zur Schwerkraft besitzt, stellt die sogenannte Richardsonzahl Ri dar, diese ist benannt nach dem britischen Mathematiker und Meteorologen Lewis Fry Richardson (1881–1953). Sie beschreibt unter anderem den Zusammenhang zwischen potenzieller und kinetischer Energie. Die Definition variiert jedoch je nach Anwendungsgebiet. Für Flüssigkeiten oder Gase in einem Schwerefeld findet sich folgende Definition: gh (4.45) Ri DW 2 : u Hierin ist g die Gravitationsbeschleunigung, h ist die für das problemtypische Länge in Richtung des Schwerefeldes, also eine Höhe, und u ist der typische Geschwindigkeitsbetrag. Darüber hinaus kann die Richardsonzahl auch als Anhalt dafür dienen, ob möglicherweise Turbulenzen auftreten: Je kleiner Ri, desto wahrscheinlicher sind Turbulenzen, die Richardsonzahl nimmt dann typische Werte von 10 bis 0,1 an.

196

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Im Fall thermischer Konvektionsströmungen wird für die Richardsonzahl die folgende Definitionsgleichung verwendet: Ri WD

gˇ.TWand  T0 /L : u2

(4.46)

Wieder ist g die Beschleunigung durch das Schwerefeld, ˇ der thermische Ausdehnungskoeffizient, TWand ist die Temperatur der geheizten Wand, T0 eine Referenztemperatur. Die typische Länge des Problems wird mit L bezeichnet, und u steht für die charakteristische Geschwindigkeit. Aufgrund dieser Definitionsgleichung kann der Zusammenhang mit der Grashofzahl Gr und der Reynoldszahl Re direkt gezeigt werden: Ri D

Gr : Re2

(4.47)

Die Richardsonzahl charakterisiert das Konvektionsverhalten einer Strömung: Für eine Richardsonzahl Ri < 0;1 ist die natürliche Konvektion vernachlässigbar, dagegen ist die erzwungene Konvektion für Ri > 10 vernachlässigbar. Dazwischen müssen beide berücksichtigt werden. Es sei angemerkt, dass diese Definition der Richardsonzahl auf die Froudezahl Fr führt, benannt nach William Froude (1810–1879). Bildet man den Kehrwert der Richardsonzahl und zieht die Quadratwurzel, so ergibt sich die Definitionsgleichung für die Froudezahl: u Fr WD p : gh

(4.48)

Sie stellt ein Maß für das Verhältnis von Trägheitskräften zu Schwerekräften dar, es ist daher nicht überraschend, dass die Froudezahl neben der Reynoldszahl einer der Koeffizienten der dimensionslosen Navier-Stokes-Gleichung darstellt, wenn Gravitationskräfte auf die Strömung wirken. Daher spielt diese dimensionslose Zahl bei Wellenbewegungen geschichteter Strömungen die charakterisierende Rolle.

4.2.7

Prandtl- und Pécletzahl

Bisher wurde der Temperatureinfluss auf die Strömung nur im Auftrieb berücksichtigt. Der Temperatur- bzw. Wärmetransport wurde noch nicht hinsichtlich der auftretenden Kennzahlen betrachtet. Um bei solchen thermofluidischen Strömungen die Fluideigenschaften charakterisieren zu können, bedarf es einer speziellen Kennzahl. Zur Herleitung dieser wird beispielhaft die zweidimensionale Temperaturgleichung (2.271) entdimensioniert. Mit y u v T x ; (4.49) ; vQ D ; TQ D xQ D ; yQ D ; uQ D L L V1 V1 T

4.2

Ähnlichkeit und Kennzahlen einer Strömung

197

mit der Bezugslänge L, der Bezugsgeschwindigkeit V1 und der Referenztemperatur T, hier eine Differenz. Es folgt damit: ! ! 2 T @TQ V1 T 0 Q @2 TQ V1 @TQ T @2 TQ @TQ ˚ : (4.50) C C cp uQ D 2 C cp C vQ 2 2 2 t @Qt L @Qx @Qy L @Qx @Qy L Nach Division durch cp V1 T=L erhält man ! @TQ @TQ L @TQ  C uQ C vQ D tV1 @Qt @Qx @Qy cp V1 L bzw. @TQ @TQ @TQ C uQ C vQ @Qt @Qx @Qy

!

@2 TQ @2 TQ C @Qx2 @Qy2

@2 TQ @2 TQ C @Qx2 @Qy2

 D cp V1 L

! C

! C

V1 0 Q ˚; cp L T

V1 0 Q ˚; cp L T

(4.51)

(4.52)

wobei die Bezugszeit t so gewählt wird, dass L=t der Bezugsgeschwindigkeit V1 entspricht. Mit der schon bekannten Temperaturleitfähigkeit: aD

 ; cp

(4.53)

kann für den Vorfaktor der rechten Seiten von Gl. (4.52)  1  1 a D D cp V1 L cp V1 L Re

(4.54)

geschrieben werden. In Gl. (4.54) tritt wieder die Reynoldszahl auf, was auch aufgrund der Energieinterpretation zu erwarten war. An dieser Stelle kann die neue dimensionslose Kennzahl, die nach Ludwig Prandtl (1875–1953) benannte Prandtlzahl, definiert werden: Pr WD

: a

(4.55)

Die Prandtlzahl charakterisiert für reibungsbehafte Strömungen das Verhälnis von diffusivem Impuls- zu diffusivem Temperaturtransport. Die dimensionslose Temperaturgleichung lässt sich jetzt verkürzt schreiben: ! ! @TQ @TQ @2 TQ V1 0 Q @TQ @2 TQ 1 C uQ C vQ ˚: (4.56) C 2 C D @Qt @Qx @Qy Re Pr @Qx2 @Qy cp L T Damit charakterisiert die Prandtlzahl die Ausprägung des Temperaturfeldes unter den verschiedensten Strömungsbedingungen, insbesondere von Temperaturgrenzschichten, es ist daher nicht verwunderlich, dass die Prandtlzahl die Grashofzahl mit der Rayleighzahl koppelt: Ra D Gr  Pr : (4.57)

198

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Im Fall der newtonschen Fluide ist die Prandtlzahl eine Konstante und somit eine reine stoffspezifische Größe, d. h. sie ist unabhängig von der vorherrschenden Strömung. Für nichtnewtonsche Fluide ist dies nicht der Fall, da zwar die Dichteänderungen in der Regel vernachlässigbar sind, sich aber die kinematische Viskosität über Größenordnungen ändern kann. Dahingegen verändert sich der diffusive Temperaturtransport im Verhältnis zu scherratenabhängigen Viskosität kaum, da dieser auf dem molekularen Temperaturausgleich beruht. Eine Analyse der Prandtlzahl kann daher Aufschluss darüber geben, wie sich die thermischen Transporteigenschaften des Fluids unter Einfluss hoher Scherraten verändert. Dies ist auch der Grund, problemspezifische Definitionen der Prandtlzahl heranzuziehen. Wenn z. B. zur Charakterisierung der Strömung die Reynoldszahl nach Metzner und Reed, Gl. (4.21), herangezogen wird, so ist es folgerichtig, die Prandtlzahl entsprechend zu bilden: cp K 0 .8V1 L=D/n1 : (4.58) Pr0 WD  Einfacher ist es, analog zu oben, die Wandviskosität als Bezug zu wählen, was auf die folgende Definition führt5 : W cp PrW WD : (4.59)  Wenn es sinnvoll erscheint, eine effektive Viskosität zu definieren, so verwendet man diese einfache Definition der effektiven Prandtlzahl: Preff WD

eff cp : 

(4.60)

Dies ist für Power-Law Fluide nicht immer die beste Lösung, daher wird nach Bird [4] auf die folgende Definition zurückgegriffen: PrC WD

cp K .V1 L=D/n1 : 

(4.61)

Diese Definition berücksichtigt, dass der diffusive Impulsfluss potenzartig ist und daher den Temperaturfluss und damit Wärmefluss stärker beeinflussen kann, als im linearen Fall. Für andere nichtnewtonsche Fluide bietet es sich an, die lokale Prandtlzahl zu betrachten, P cp ; (4.62) Prloc WD  die es erlaubt, sich lokal änderne diffusive Flüsse im Strömungsfeld zu vergleichen.

5

Dies ist die „apparent Prandtl number“.

4.2

Ähnlichkeit und Kennzahlen einer Strömung

199

Aus Gl. (4.54) lässt sich noch eine weitere Kennzahl ableiten: Der Kehrwert von die nach Jean Claude Eugène Péclet (1793–1857) benannte Pécletzahl: Pe WD

V1 L : a

a V1 L

ist

(4.63)

Ihre Interpretation erfolgt aus Gl. (4.54) durch die Bildung des Kehrwertes und der Erweiterung um einen Flächenterm, es folgt: Pe D

cp V1 L L3 cp V1 V1 L D D : a  L2

(4.64)

Jetzt lässt sich die Pécletzahl Pe als das Verhältnis aus konvektivem, maskroskopischen Energietransport zu diffusivem, miskroskopischen Energietransport interpretieren. Ferner gilt für die Pécletzahl, wie anhand der durchgeführten Umformungen schon mit Gl. (4.54) zu erkennen war: Pe D Re  Pr : (4.65) Die dimensionslose Energiegleichung in Temperaturform (4.50) kann mit Hilfe der Reynolds- und der Prandtlzahl, oder alternativ mit der Pécletzahl, in folgender Form geschrieben werden: @TQ @TQ @TQ C uQ C vQ @Qt @Qx @Qy

!

1 D Pe

@2 TQ @2 TQ C @Qx2 @Qy2

! C

V1 0 Q ˚: cp L T

(4.66)

Aus der Betrachtung der dimensionslosen Temperaturgleichung wird deutlich, dass neben der gegebenen Geometrie der Konfiguration nur das Produkt aus den Kennzahlen Reynolds- und Prandtlzahl, also die Pécletzahl, die Ähnlichkeit der thermofluiddynamischen Vorgänge bei impulsgetriebener Konvektion, der sogenannten Zwangskonvektion, bestimmt. Es ist wesentlich, noch einmal daran zu erinnern, dass die Prandtlzahl für newtonsche Fluide über weite Temperatur- und Druckbereiche als konstant angenommen werden kann, und daher die Pécletzahl linear von der Reynoldszahl abhängt. Dies gilt, solange nicht die Grenzbereiche der verdünnten Gase oder eines möglichen Phasenwechsels erreicht werden. Für nichtnewtonsche Fluide variiert die Prandtlzahl sehr stark, denn bei konstanter Dichte kann die Viskosität über Größenordnungen variieren, entsprechend gilt dies jedoch auch für die Reynoldszahl. Bei der Pécletzahl gehen nach Gl. (4.65) die veränderliche Prandtl- und die zudem strömungsgeschwindigkeitsabhängige und viskositätsabhängige Reynoldszahl ein. Jetzt jedoch heben sich die viskosen Terme gegenseitig auf, wie man L eff cp   , sieht. Trotz veränderlicher sofort anhand der Beziehung, Peeff D Reeff Preff D V1 eff Prandtlzahl bleibt also die dominante lineare Abhängigkeit von der Geschwindigkeit für die Pécletzahl bestehen, während die anderen Größen meist konstant (die geometrischen Abmaße) oder nahezu konstant bleiben (Dichte, Wärmekapazität und Wärmeleitfähigkeit).

200

4.2.8

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Brinkman-, Nahme- und Graetzzahl

Wie schon in Abschn. 3.6.6 gezeigt wurde, kann die durch Reibung entstehende Wärme gerade bei höherviskosen Fluiden nicht vernachlässigt werden. Die zusätzlich durch Dissipation erzeugte Wärme und die damit verbundene lokale Temperaturänderung muss durch Wärmeleitung abgeführt werden. Das Verhältnis der dissipativ erzeugten Temperaturänderung zur Temperaturleitung kann durch die sogenannte generation number6 Gn ausgedrückt werden. Diese folgt aus Gl. (4.52), wenn durch den Vorfaktor des Temperaturleitung beschreibenden Terms, cp V1 L , geteilt wird: V1 L a

"

bzw. V1 L a

@TQ @TQ @TQ C uQ C vQ @Qt @Qx @Qy "

!# D

@TQ @TQ @TQ C uQ C vQ @Qt @Qx @Qy

@2 TQ @2 TQ C @Qx2 @Qy2

!# D

!

@2 TQ @2 TQ C @Qx2 @Qy2

C

2 0 Q V1 ˚; a T

(4.67)

! C Gn ˚Q :

(4.68)

Die Kennzahl Gn wurde mehrfach hergeleitet und führt daher auch mehrere Namen, gängig ist die Bezeichnung Brinkmanzahl Br [10] nach Henri Coenraad Brinkman (1908–1961), sie beschreibt das Verhältnis der durch Reibung entstandenen Temperaturzunahme zur Fähigkeit des Fluids, diese Temperatur abzuleiten: Br WD

2 0 V1 : a Tprocess

(4.69)

Hierin sind a die thermische, stoffspezifische Temperaturleitfähigkeit und Tprocess eine problemangepasste Bezugstemperatur. Die Brinkmanzahl wird speziell dann verwendet, wenn Prozess antreibende Temperaturdifferenzen durch die Temperaturunterschiede von Wand (TW ) und Fluid (TF ), Tprocess D TF  TW , oder zwischen begrenzenden Rändern, Tprocess D TW1  TW2 , vorliegen. Diese Kennzahl lässt sich auf bekannte Kennzahlen zurückführen: 2 cp 0 V1 ; (4.70) Br WD Pr  Ec D a cp T mit der bekannten Prandtlzahl Pr und der Eckertzahl Ec. Letztere stellt das Verhältnis der spezifischen kinetischen Energie zur Enthalpie dar: Ec WD

2 V1 : cp T

(4.71)

6 In der anglikanischen Literatur findet sich dieser Begriff, in der deutschen Literatur wird dahingegen von der Brinkmanzahl oder Nahmezahl gesprochen.

4.2

Ähnlichkeit und Kennzahlen einer Strömung

201

Die Brinkmanzahl wird häufig auch geschrieben als Br WD

2 0 V1 ; qP Dh

(4.72)

wobei hier V1 die charakteristische Strömungsgeschwindigkeit, qP die charakteristische Wärmestromdichte, Dh ein hydraulischer Durchmesser als charakteristische Länge und 0 die Viskosität repräsentieren. Interessanter für die Betrachtung der Strömung hochviskoser, strukturviskoser Fluide ist, ob die eingetragene oder durch Dissipation entstehende Temperatur im Verhältnis zur Temperaturleitung einen Einfluss auf die relevanten Stoffgrößen hat, wobei in der Regel vorausgesetzt wird, dass die Temperaturänderung des Fluids maßgeblich durch die Dissipation hervorgerufen wird und nicht durch eine feste äußere Temperaturdifferenz. Dies lässt sich mit Hilfe der Nahmezahl Na, 7 bestimmen. Die formale Definition ist die gleiche wie bei der Brinkmanzahl: 2 0 V1 : (4.73) Na WD a Trheo Die hier vorgenommene Indizierung der viskosbedingten Temperaturdifferenz verweist auf deren Interpretation: Die Nahmezahl setzt die Erwärmung des Fluids durch viskose Effekte ins Verhältnis zur Änderung q der Viskosität. Man kann dies auch als Verhältnis der Zeitskala des viskosen Aufwärmens

0 h2 aT0

zur konvektiven Zeitskala

h v

auffassen.

Für Schleppströmungen kann der Einfluss der durch Scherung entstehenden Temperaturzunahme auf die Viskosität sowohl für newtonsche wie auch nichtnewtonsche Fluide abgeschätzt werden, indem eine Formulierung aufgestellt wird, in der problemspezifische mittlere Größen benutzt werden. Es bietet sich z. B. an, die Nahmezahl für den Fall der ebenen Schleppströmung so zu formulieren, dass die mittlere Scherung NP und die mittlere Spannung N eingehen. Neben der vorgegebenen Geometrie, der Strömungskanalhöhe h fließen der Temperaturviskositätseinflusskoeffizient  8 und, wie gehabt, die Temperaturleitfähigkeit a ein. Entsprechend der Herleitung von Macosko [39] kann die veränderliche Trheo beschrieben werden. Mit der von Pearson [51, 52] Viskosität durch  D 0 C @ @T beschriebenen Temperaturdiffererenz, nach der sich die rheologischen Eigenschaften des Fluids ändern,   0 (4.74) Trheo D @ @T

Sie wird auch als indexGriffithzahl Griffithzahl bzw. Nahme-Griffith Zahl bezeichnet. Der Temperaturviskositätseinflusskoeffizient wird auch als viskose Temperatursensitivität (viscous temperature sensitivity) bezeichnet und hat unterschiedlichste Abkürzungen. 7 8

202

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

bzw. dem Temperaturviskositätseinflusskoeffizient  in allgemeiner Form: 1 @ ;   0 @T

(4.75)

@ 2 2 2 V1 0 @T V1 0 V1 0 D : 0 D a @ a.  0 / a

(4.76)

 WD folgt: Na D

@T

Mit Hilfe der charakteristischen Geschwindigkeit V1 D NP h lässt sich die Nahmezahl schreiben als: 0 NP 2 h2 ; (4.77) Na D a bzw. Na D

 N NP h2 ; a

(4.78)

jetzt mit der mittleren Scherspannung N D 0 NP . Nach geeigneter Mittelung kann für den Fall einer Rohrströmung anstelle der Höhe des durchströmten Spaltes h der Rohrdurchmesser d als maßgebliche Größe verwendet werden. Zur Bestimmung des Temperaturviskositätseinflusskoeffizienten  kann eine Viskositätsverschiebungsfunktionen nach Abschn. 3.6.1 genutzt werden, siehe z. B. Gl. (3.236). In den Auswirkungen auf die Strömung kann nicht immer zwischen einem von außen eingetragenen Temperatureinfluss und durch Dissipation entstandenen Temperatureinfluss auf die Viskosität unterschieden werden, da sich beides auf die Strömung auswirkt und sich eine Rückwirkung einstellt. Wie Bird [4] zeigt, kann es daher praktischer sein, den Gradienten der Viskosität in Verbindung zu einer rheologischen Bezugstemperatur zusetzen. Die von Bird [4] beschriebene Definition der Nahmezahl kann hergeleitet werden, indem von der Interpretation ausgegangen wird, dass diese das Verhältnis der durch die Temperaturänderung bedingte Änderung der Viskosität zur Referenzviskosität ausdrückt: Na WD

 D 0

@ Trheo @T

0

:

(4.79)

Hier wird durch Einführen der rheologischen Temperatur die allgemein definierte Nahmezahl auf die temperaturviskositätsänderungsbeschreibende Nahmezahl reduziert. Die Nahmezahl bekommt in ihrer Interpretation Elemente der Brinkmanzahl. Da ein Gleichgewicht von viskoser Aufheizung und Wärmeleitung herrscht, kann Trheo näher bestimmt werden, indem die Temperaturdifferenz der Generationszahl9 herangezogen wird: Trheo ' Tgen D 9

Dies ist die Generationstemperaturdifferenz nach Bird.

2 0 V1 : a

(4.80)

4.2

Ähnlichkeit und Kennzahlen einer Strömung

203

Damit ergibt sich die Nahmezahl zu: Na WD

2 @ V1 @T : a

(4.81)

Vergleicht man Gl. (4.76) mit der von Bird angegebene Definition der Nahmezahl, (4.81), so wird deutlich, dass sich die viskose Temperatursensitivität unterscheidet. Diese ist . Daher ist es beim quantitativen Vergleich wesentlich, welche im letzten Fall  D 10 @ @T Definition verwendet wird. Bei internen Strömungen, wie z. B. Rohr-, Kanal- oder Schlitzströmungen oder bei thermischen Grenzschichtströmungen spielte eine weitere Kennzahl, die Graetzzahl Gz [28], nach Leo Graetz (1856–1941), eine wichtige Rolle. Sie ist wie folgt definiert: Gz WD

V1 H 2 ; aL

(4.82)

wieder ist V1 die Bezugsgeschwindigkeit, hier kennzeichnet H die Kanalhöhe (oder entsprechend des Strömungsproblems den Durchmesser des Rohres), und a ist die schon bekannte Temperaturleitfähigkeit. Betrachtet man die Temperaturgleichung für eine stationäre, zweidimensionale Einlaufströmung, in der sich eine Temperaturgrenzschicht aufgrund Überströmung der beheizten Wand ausbildet, zeigt sich, dass der Temperaturgradient in wandnormaler Richtung .y/ gegenüber dem Temperaturgradienten in Strömungsrichtung .x/ stark dominiert. Unter der Zwangsbedingung der begrenzenden Wände zeigt sich, dass die Querströmungsgeschwindigkeit v auch sehr viel kleiner gegenüber der Hauptströmung u ist, und damit der zugehörige Term vernachlässigbar ist. Daher vereinfacht sich die Temperaturgleichung (2.271) auf die Energiegleichung der erzwungenen Konvektion: cp

T @2 TQ V1 T @TQ uQ D ; L @Qx H 2 @Qy2

(4.83)

wobei hier der dissipative Term außen vor gelassen wurde. Multiplikation mit H 2 =T führt auf: V1 H 2 @TQ @2 TQ (4.84) cp uQ D 2 : L @Qx @Qy Der Vorfaktor auf der linken Seite ist die Graetzzahl. Aus der Herleitung wird ersichtlich, dass mit ihr das Verhältnis von konvektiv transportierter Wärme zu der durch Wärmeleitung normal zur Strömungsrichtung abgeführter Wärme dargestellt wird. Die Graetzzahl kann auch als Verhältnis zweier, spezifischer Systemzeiten verstanden werden. Die eine Systemzeit ist die Zeit, die gebraucht wird, um das thermische Gleichgewicht durch Temperaturleitung normal zur Strömungsrichtung zu erreichen, die andere Systemzeit beschreibt die Verweilzeit im Strömungskanal der Länge L. Je größer die Graetzzahl, desto mehr dominiert der diffusive Wärmetransport gegenüber dem konvektiven Anteil des Wärmetransportes.

204

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Für die Durchströmung oder Überströmung von Bauteilen lässt sich wieder eine lauflängenabhängige Graetzzahl definieren: Gzx WD

V1 H 2 : ax

(4.85)

Hierin ist x die Lauflänge, ab der die Strömung das beheizte Bauteil durch- bzw. überströmt. Die Graetzzahl kann als Produkt der Pécletzahl mit dem Verhältnis der örtlichen d. h. lauflängenabhängigen, geometrischen Längen geschrieben werden: Gz D Pe

D : x

(4.86)

Damit skaliert die Graetzzahl das Verhälnis aus konvektivem, maskroskopischen Energietransport zu diffusiven, miskroskopischen Energietransport mit dem geometrischen Lauflängenverhältnis. Indem Gl. (4.85) formal mit der kinematischen Viskosität erweitert wird, bzw. indem Gl. (4.65) genutzt wird, nimmt die Graetzzahl folgende Gestalt an: Gz D Re  Pr

D : x

(4.87)

Das Besondere an dieser Formulierung der Graetzzahl ist, dass sie nun als eine dimensionslose Lauflänge angesehen werden kann. Die Untersuchung von Einlaufströmungen zeigt, dass ab Gr D 1 alle Strömungen sowohl fluiddynamisch, als auch thermisch eingelaufen sind. Weitere Betrachtungen in Abschn. 4.3.7 werden noch verdeutlichen, dass die Graetzzahl die dimensionslose Einlauflänge darstellt. Sie ist damit eine der wichtigsten Kennzahl für die Wärmeleitung in stationär durchströmten Kanälen, also thermischen Schichtenströmungen [26].

4.2.9

Nußelt- und Biotzahl

Mit den bisher betrachteten dimensionslosen Kennzahlen gelingt es nicht, den Wärmeübergang von der Wand in das Fluid und die zugehörige Wärmeleitung im Fluid zu charakterisieren, da der Wärmeübergangskoeffizient bisher nicht in die vorgestellten Kennzahlen eingeht. Daher ist eine neue Kennzahl zu bilden, die diesen speziellen Wärmtransportvorgang an der Wand ins Fluid umfasst. Dies leistet die Nußeltzahl Nu, nach Wilhelm Nußelt (1882–1957), sie beschreibt den Wärmeübergang von einer Wand ins Fluid, der bei Überströmung einer geheizten bzw. gekühlten Fläche auftritt, und vergleicht diesen mit der fluidspezifischen Wärmeleitung: Nu WD

˛L : 

(4.88)

4.2

Ähnlichkeit und Kennzahlen einer Strömung

205

Hierin ist ˛ der Wärmeübergangskoeffizient, siehe Gl. (2.260), L stellt die charakteristische Länge dar, z. B. die Länge der überströmten Platte, und mit  geht die Wärmeleitfähigkeit des Fluids ein. Aus der Einheitenbetrachtung lässt sich die Bedeutung der Nußeltzahl schließen: Der Wärmeübergangskoeffizient besitzt die Einheit mW2 K , W , diese wird durch die Länge L normiert, sodass die Wärmeleitfähigkeit die Einheit mK wiederum ein Flächenmaß entsteht. Somit setzt die Nußeltzahl den Wärmefluss über die Wand in das Fluid ins Verhältnis zur abtransportierten Wärme durch Wärmeleitung im Fluid. In der Praxis sind zwei verschiedene Variationen der Nußeltzahl im Gebrauch: Man unterscheidet zwischen der lokalen Nußeltzahl und der mittleren (globalen) Nußeltzahl. Die lokale Nußeltzahl beschreibt das Verhältnis von Wärmeübergang zur Wärmeleitung lokal an der Stelle x der Wand, ˛.x/x ; (4.89) Nu.x/ WD  wobei x wiederum die anliegend überströmte Lauflänge darstellt. Die Lauflänge und damit die lokale Nußeltzahl kann in anliegenden Grenzschichten wiederum sehr leicht berechnet werden. Für variierende Konturen ist dies kaum möglich. Daher wird für nicht mehr einfache Strömungskonfigurationen und Strömungsstrukturen die mittlere Nußeltzahl gebildet: ˛L N : (4.90) Num WD  Neben der problemtypischen Länge L, z. B. die Ausdehnung der überströmten Platte in Strömungsrichtung oder der Rohrdurchmesser, geht jetzt der gemittelte Wärmeübergangskoeffizient ein, der durch folgenden Mittelungsoperator bestimmt wird: 1 ˛N D L

Z

L

˛.x/dx :

(4.91)

0

Damit kann die mittlere Nußeltzahl auch als ein globales Maß verstanden werden, mit dem eine Simulation auf ihre korrekte Wiedergabe des Wärmetransportes überprüft werden kann: Für Strömungsfälle, in denen ein kontinuierlicher Wärmedurchfluss stattfindet und eine mittlere Temperatur (gemittelt über das gesamte Strömungsgebiet) sich einstellen soll, müssen die mittleren Nußeltzahlen an der kühlen Wand und an der warmen Wand die gleichen sein. Es sei hier angemerkt, dass in der technischen Strömungslehre zur Bestimmung der Wärmeströme von einer Wand in das Fluid hinein (oder umgekehrt) semi-empirische Berechnungsvorschriften gebräuchlich sind. Für bestimmte Strömungskonfigurationen, z. B. Rohr-, Kanal- oder Wandströmungen, und je nach Fluid und Strömungszustand, sei es eine laminare oder turbulente Strömung, gibt es spezifische Formeln zur Berechnung der Nußeltzahl. Diese Formeln sind Funktionen der Reynolds- und Prandtlzahl: Nu D Nu .Re; Pr/ :

(4.92)

206

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Daher wird bei bekannter Prandtlzahl zuerst die Reynoldszahl bestimmt, dann folgt mit Hilfe einer problemspezifischen Funktion die Nußeltzahl. Erst dann kann mit Hilfe der Formel (4.88) der Wärmeübergangskoeffizient bestimmt werden. Daraus lässt sich bei gegebener Temperaturdifferenz T und Wandfläche A der Wärmestrom bestimmen: P D ˛  A  T : Q

(4.93)

In der numerischen Strömungs- und Thermodynamik ist das Vorgehen ein anderes, denn hier wird der Wärmestrom aus bzw. in die Wand direkt durch den Strömungslöser bestimmt. Ein lokaler Wärmübergangskoeffizient bestimmt sich durch die Wärmestromdichte P Q (4.94) qP D ; A und der wärmeführenden Fläche. Damit lässt sich entsprechend Gl. (4.91) ein mittlerer Wärmeübergangskoeffizient und somit eine mittlere Nußeltzahlt bestimmen. Eine numerische Integration dieser Größen sollte immer durchgeführt werden, um so einerseits die Implementation der Transportgleichungen und Lösungsalgorithmen im benutzten Strömungslöser zu prüfen, andererseits um die Validität der Lösung z. B. über das Sicheinstellen des thermischen Gleichgewichtes nachzuweisen. Wie auch schon bei der Reynoldszahl kann für das jeweils betrachtete Fluid eine eigene Nußeltzahl bestimmt werden. Für die vollausgebildete, laminare, stationäre Rohrströmung eines Power-Law Fluid, bei der ein konstanter Wärmestrom vom Rand ins Fluid fließt, kann eine globale Nußeltzahl bestimmt werden. Der Ansatz geht auf die Temperaturtransportgleichung (2.274) zurück. Allerdings ist die Strömung stationär und die Dissipation im Fluid selbst soll in erster Näherung vernachlässigt werden. Für das für Rohrströmungen übliche Zylinderkoordinatensystem reduziert sich Gl. (2.274) auf: cp vz

  @T 1 @ @T r : D @z r @r @r

(4.95)

Da das Geschwindigkeitsprofil für diesen Fall bekannt ist, siehe in Abschn. 4.4 die Gl. (4.374), kann die globale Nußeltzahl angegeben werden zu: Nu1 D

8 .5n C 1/ .3n C 1/ : 31n2 C 12n C 1

(4.96)

Im newtonschen Fall ist der Fließindex n D 1 und die Nußeltzahl nimmt den Wert 4; 36 an, für n D 0 folgt ein starker Wärmeübergang an der Wand mit der Nußeltzahl von 8; 0. Weiterführende Untersuchungen finden sich bei Bird und Lyche [38]. Für Analysen numerischer Simulationsdaten bietet es sich an, eine besondere Form der lokalen Nußeltzahl zu verwenden. Aus dem durch die Simulation zur Verfügung gestellten

4.2

Ähnlichkeit und Kennzahlen einer Strömung

207

Temperaturfeld kann der lokale Wärmefluss an der Wand (in Wandnormalenrichtung) an der Position x über das Fouriersche Gesetz der Wärmeleitung (2.261) bestimmt werden: qP W .x/ D 

@T.x; y/ jW : @y

(4.97)

Es gilt natürlich weiterhin das Newtonsche Gesetz des konvektiven Wärmeübergangs, (2.260), sodass sich die örtliche Nußeltzahl schreiben lässt als: Nu.x/ D

qP W .x/ L L @T.x; y/ ˛.x/L D D jW ;  TW  T1  TW  T1 @y

(4.98)

wobei hier neben der Wandtemperatur TW und der Fluidtemperatur T1 die schon bekannte Bezugslänge L eingeht. Durch Einführen der dimensionslosen Variablen yQ D Ly und TQ D TTW kann für die lokale Nußeltzahl T1 TW Nu.x/ WD

Q y/ @T.x; jW ; @Qy

(4.99)

geschrieben werden. Die lokale Nußeltzahl kann somit als dimensionsloser Temperaturgradient an der Wand interpretiert werden. In einigen thermischen Anwendungen ist es notwendig, den umgebenden Strömungsrand, genauer das Materialverhalten des umgebenden Festkörpers hinsichtlich dessen Wärmetransportes in die Betrachtung des Wärmetransportes innerhalb des Fluids mit einzubeziehen. Die Wechselwirkung der Wärmeübergänge ins Fluid einerseits und dem Wärmetransport innerhalb des Festkörpers andererseits wird durch die Biotzahl Bi, nach Jean-Baptiste Biot (1774–1862), charakterisiert. Sie bezeichnet das Verhältnis vom äußeren Wärmeübergang, also dem Wärmetransport von der Oberfläche des Festkörpers ins Fluid, zum inneren Wärmeübergang, der Wärmeleitung durch den Körper: Bi WD

˛  Ls : s

(4.100)

Gl. 4.100 weist formal den gleichen Aufbau wie die Nusseltzahl auf. Jedoch wird hier anstatt der Wärmeleitfähigkeit des Fluids die des Festkörpers verwendet.10 Die einzelnen Formelzeichen stehen für folgende Größen: ˛ ist der Wärmeübergangskoeffizient von der Struktur zum überströmenden Fluids, Ls bezeichnet jetzt als charakteristische Länge die Materialdicke der Struktur, z. B. die Schichtdicke des festen Körpers, die erwärmt werden muss. s ist die Wärmeleitfähigkeit des festen Körpers, der Struktur. Nun besagt die Ähnlichkeitstheorie, dass die Verhältnisse der Wärmeleitwiderstände zweier geometrisch ähnlicher Körper gleich sind, wenn ihre Biotzahlen gleich sind, unabhängig davon, welche wirkliche Größe die Körper haben. Dies gilt sowohl für freie als auch für erzwungene Konvektion auf der Fluidseite. Eine große Biotzahl besagt, dass der 10

Die Festkörperseite wird meist als sogenannte Struktur bezeichnet, daher der Index s.

208

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

innere Wärmeleitwiderstand groß ist, so dass eine Verbesserung des äußeren Wärmeübergangs an der Oberfläche keine Verbesserung der Gesamtwärmeleitung bringt. Wichtig ist dieser Zusammenhang zum Beispiel zur Beschreibung der physikalischen Eigenschaften von Randbedingungen: So kann ein Rand als isotherm bezeichnen werden, wenn die Biotzahl sehr groß ist, und damit der Festkörper durch schnelle Wärmeleitung im Inneren seine Wandtemperatur halten kann (vorausgesetzt der Körper ist als Wärmespeicher entsprechend groß), auch wenn durch den Wärmeübergang ins Fluid Wärme abfließt.

4.2.10 Stanton- und Fourierzahl Durch keine der bisher vorgestellten Kennzahl wurde beschrieben, wie schnell bzw. intensiv die Wärmeübertragung an der Wand stattfindet. Um dies zu können, muss die Dynamik der Strömung mit dem Wärmeübergang verknüpft werden. Dies leistet die nach Thomas Edward Stanton (1865–1931) benannte Stantonzahl St, die den Wärmstrom an der Wand mit der Enthalpiestromdichte ins Verhältnis setzt. Daher lässt sich diese Kennzahl auf die folgenden dimensionsbehafteten Größen, der Bezugsgeschwindigkeit vref des um- bzw. durchströmenden Fluids, der Dichte des Fluids, der Wärmekapazität cp des Fluids bei konstantem Druck, der Temperaturdifferenz zwischen Wand und der Referenztemperatur des Fluids, und der Wärmestromdichte an der Wand qP W zurückführen: St WD

qP W : vref cp .TW  T1 /

(4.101)

Diese Definition ist insbesondere für CFD Anwendungen geeignet, da der thermische Strömungslöser Wärmestromdichten oder Temperaturen an der Wand kennt und die fluidspezifischen Größen als Vorgaben gesetzt werden. Es ist jedoch auch eine andere Definition der Stantonzahl sinnvoll, insbesondere, wenn z. B. der Fall der Auskühlung bzw. des Erhitzen eines Körpers betrachtet werden soll. Der Körper weist ein Volumen V und eine überströmte Fläche A auf, zudem besitzt er eine Anfangstemperatur Ta . Er wird mit der Bezugsgeschwindigkeit vref von einem Fluid der Anfangsumgebungstemperatur Tv;a überströmt. Dabei wird ein Gesamtwärmefluss P bei einem Wärmeübergangskoeffizienten ˛ abgegeben. Für diese bzw. Gesamtheizrate Q Problem definiert sich die Stantonzahl wie folgt: St WD

˛A.Tu;a  Ta / ˛ : D vref cp vref cp V

(4.102)

Somit lässt sich die Stantonzahl als das Verhältnis der gesamten übergehenden Wärme zum konvektiven Wärmetransport interpretieren. Die Stantonzahl ist somit ein Maß für die Abkühlintensität bzw. Heizintensität. Aus der Betrachtung der beiden initialen Temperaturen wird klar, dass je größer die Stantonzahl ist, desto schneller verläuft der Kühl- oder

4.2

Ähnlichkeit und Kennzahlen einer Strömung

209

Heizprozess. Dies kann am Beispiel eines Körper, der in einen Ofen gelegt wird, veranschaulicht werden: Die Temperatur des Ofens wird hochgefahren. Es zeigt sich, dass die Stantonzahl niedrig ist, wenn die Temperatur des Körpers nur langsam der Ofentemperatur folgt. Folgt die Temperatur des Körpers jedoch zügig der Ofentemperatur, so liegt eine hohe Stantonzahl vor. Dabei verläuft die Temperaturkurve des Körpers für eine hohe Stantonzahl nach einer gewissen Zeit linear, dahingegen für niedrige Stantonzahl erst nach unendlicher Zeit linear. Die Abgrenzung der Stantonzahl zur Nußeltzahl besteht darin, dass diese die Wärmeleitung und nicht den konvektiven Wärmetransport als Referenz setzt. Dass beide zusammengehören, ergibt sich daraus, dass die Stantonzahl auch als das Verhältnis von Nusseltzahl und dem Produkt aus Reynoldszahl und Prandtlzahl beschrieben werden kann. St D

Nu Re  Pr

(4.103)

Auch für den Fall thermisch oszillierender Heiz- bzw. Abkühlprozesse kann die Stantonzahl auch herangezogen werden. Zur Unterscheidung wird sie dann mit dem tiefgestellten Index ! versehen, wobei anstelle der und Heizrate bzw. Kühlrate nun die Frequenz ! herangezogen wird: ˛A ; (4.104) St! WD !cp V mit !D

2 : T

(4.105)

Veranschaulichen lässt sich das an einem Körper, den man der umweltbedingten Außentemperatur aussetzt. Der Temperaturverlauf des Körpers kann nicht mehr linear verlaufen, vielmehr schwankt dieser dem Tag- und Nachtwechsel folgend. Die bisher betrachteten Kennzahlen verweisen entweder auf Wärmeeffekte im Inneren des Fluids, sei es Wärmeentstehung durch Dissipation oder das Verhältnis der einzelnen stoffgrößenabhängigen Transportvorgänge im Feld oder an der Wand. Insbesondere werden stationäre, sich einschwingende oder sich ausbildende Strömungen betrachtet. Oft sind jedoch auch instationäre Transportvorgänge zu beschreiben, in denen das Verhältnis von Wärmeleitfähigkeit zu Wärmespeicherfähigkeit zeitlich erfasst werden soll. Um diese zeitlichen Prozesse zu charakterisieren, kann eine weitere Kennzahl herangezogen werden, diese kann aus der dimensionslosen, instationären Temperaturdiffusionsgleichung hergeleitet werden, hier wieder nur eine Komponente dargestellt: ! cp T @TQ @2 TQ T @2 TQ C 2 : (4.106) D 2 t @Qt L @Qx2 @Qy c T

Teilen durch p t ergibt als Vorfaktor auf der rechten Seite die nach Jean Baptiste Joseph Fourier (1768–1830) benannte Fourierzahl Fo:

210

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Fo WD

 t : cp L2

(4.107)

Neben den schon bekannten fluidspezifischen Größen steht t für eine charakteristische Zeit und L für eine charakteristische Länge. Bei instationärer Wärmeleitung und konstanter Strömung ist der Kehrwert der Fourierzahl die Graetzzahl.

4.2.11 Deborah- und Weissenbergzahl Um das scherratenbedingte veränderliche viskose Verhalten eines Fluids zu charakterisieren, kann die sogenannte Deborahzahl als charakterisierende Kennzahl herangezogen werden. Die Deborahzahl De wurde von Markus Reiner eingeführt und nach einer Passage aus dem Deborah Lied benannt [61], sie ist allgemein definiert als das Verhältnis der charakteristischen Eigenzeit bzw. Relaxationszeit  zur charakteristischen Prozess- bzw. Beobachtungszeit tp : 11  De WD : (4.108) tp Für Versuche, in denen das Material mit konstanter Geschwindigkeit deformiert wird, die Strömung daher stationär ist, entspricht die charakteristische Eigenzeit der Inversen der kritischen Scherrate, oberhalb der sich die Viskosität des Fluids verändert. Die Beobachtungszeit ist der Kehrwert der Scherrate tp D 1=P . Daher kann die Deborahzahl auch wie folgt definiert werden: De WD P : (4.109) In dieser Variante kann sie als ein dimensionsloses Maß für eine charakteristische Scherentzähung interpretiert werden, je größer die Deborahzahl ist, so stärker ist auch diese Scherentzähung, siehe dazu auch Dealy [17]. QQQ Aus der geometrischen Überlegungen heraus kann die Scherrate in Näherung als die Relation einer Bezugsgeschwindigkeit U zu einer Bezugslänge L gedeutet werden. Dies führt auf eine weitere Definition der Deborahzahl: U (4.110) De WD  : L Diese Definition ist nützlich, da damit z. B. bei einer Rohrströmung die Einlauflänge für ein strukturviskoses Fluid berechnet werden kann. Auch wenn viskoelastische Fluide in dieser Betrachtung keine Rolle spielen, so wird hier kurz auf zwei typische Kennzahlen viskoelastischer Fluide eingegangen. Die Deborahzahl kann in diesem Zusammenhang als ein Maß für die Elastizität eines Fluids 11

siehe dazu: Dealy [17].

4.2

Ähnlichkeit und Kennzahlen einer Strömung

211

verstanden werden. Diese Zahl wird interpretiert als das Verhältnis der Größe der elastischen zur Größe der viskosen Kraft. Die Deborahzahl ist Null für newtonsche Fluide und unendlich für den rein elastischen Festkörper, der sich nach dem Hooke’schen Gesetz verhält. D.h. eine hohe Deborahzahl entspricht einem überwiegend elastischen Verhalten und eine niedrige Deborahzahl einem überwiegend viskosen Verhalten. Da die Bezugszeit jetzt jedoch prozessabhängig ist, ist die Deborahzahl keine stoffspezifische Stoffgröße. In diesem Zusammenhang wird eine weitere dimensionslose Kennzahl genannt, die Weissenbergzahl We, nach Karl Weissenberg (1883–1976), sie ist ebenfalls ein Maß für die Elastizität des Fluids.12 Sie ist wird definiert als Verhältnis von der ersten Normalspannungsdifferenz zur Schubspannung: We WD

N1 :

12

(4.111)

Bewertung Zusammenfassend lassen sich für die thermischen, strukturviskosen Strömungen folgende Aussagen treffen [12]: • Ist sowohl die Nahmezahl und das Verhältnis von Nahme- zu Brinkmannzahl größer als Eins, so muss die Änderung der Viskosität aufgrund der Temperaturänderung durch Dissipation berücksichtigt werden. • Ist die Graetzzahl kleiner Eins, so überwiegt die Wärmeleitung an den begrenzenden Wänden. Als Folge ist die Strömung thermisch voll ausgebildet. Die Annahme einer isothermen Strömung kann getroffen werden. • Ist die Graetzzahl ungefähr Eins, so bildet sich das Temperaturprofil noch in Richtung der Strömung aus. Ist zudem die Nahmezahl größer Eins ist die thermische Rückkopplung zu berücksichtigen, die Geschwindigkeitsprofile sind dann ebenfalls noch nicht ausgebildet. • Ist die Graetzzahl sehr viel größer als Eins, so überwiegt die Konvektion. Das bedeutet, dass sich die Temperaturprofile noch weiterhin langsam in Fließrichtung ausbilden, die Geschwindigkeitsprofile sind nahezu vollständig entwickelt. In der Auslegung von fluidtechnischen Apparaten konzentriert man sich zumeist auf den ersten Fall der isothermen Strömung oder auf den stationären Konvektionsfall, für den entweder das Geschwindigkeitsprofil voll ausgebildet ist oder wie im Fall einer Einlaufströmung dieses genauestens bekannt ist. Dahingegen werden instationäre Strömungsfälle, wie Anlaufströmungen eher seltener betrachtet. In den nachfolgenden Abschnitten werden einfache Scherströmungen bzw. Schichtenströmungen näher betrachtet, da diese auch analytisch beschrieben werden können, 12

Die Abkürzung Wi ist ebenfalls gebräuchlich, um Verwechslungen mit der Weberzahl zu vermeiden, daher muss ein Abgleich der Abkürzung im jeweiligen Kontext erfolgen.

212

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

wodurch eine ausgezeichnete Voraussetzung für eine Validierung gegeben ist. Selbst für den Fall, dass die Temperatur einen maßgeblichen Einfluss auf die Strömung hat, lassen sich für einige derartiger Strömungen Temperaturprofile in analytischer Form angeben. Zunächst wird auf einfache spezielle Strömungen eingegangen, es werden die ebene Kanalströmung, dann die Druck-Schleppströmung betrachtet. Anschließend wird auf Rohrströmungen näher eingegangen. In beiden Fällen werden sowohl sogenannte isotherme Fälle als auch die entsprechenden thermischen Fälle diskutiert.

4.3

Ebene Schichtenströmungen

Die einfachste Strömungsform ist die sogenannte ebene Schichtenströmung. Diese tritt in der Realität als laminare Grenzschichtströmung (unter der Bedingung des sehr langsamen lauflängenabhängigen Anwachsens der Grenzschichtdicke), als laminare Rohrströmung oder als Kanalströmung auf. Die Schichtenströmung zeichnet sich dadurch aus, dass entweder durch Einführen einer Ähnlichkeitsvariable eine Dimensionsreduzierung möglich ist, oder durch die Möglichkeit, eine Symmetrieannahme in eine Koordinatenrichtung zu treffen, sodass sich das Strömungsproblem um eine Dimension reduziert. Ersteres gilt z. B. für Grenzschichtströmungen an der ebenen Platte, letzteres findet sich bei den Rohrströmungen. Die Reduzierung der Gleichungen führt in bestimmten Fällen dazu, dass analytische Lösungen angegeben werden können. Auf einige dieser Strömungen und der zugehörigen Lösungen wird im Folgenden eingegangen. Zuvor wird jedoch in kurzer Form auf die klassischen Grenzschichtgleichungen eingegangen.

4.3.1

Die klassischen Grenzschichtgleichungen

Im Jahr 1904 führte Ludwig Prandtl bei einem Vortrag auf dem Heidelberger Mathematiker-Kongress die Theorie ein, dass bei Fluidströmungen mit großen Reynoldszahlen sich eine dünne Schicht in Wandnähe aufgrund von Reibungseffekten ausbildet. Diese Schicht bezeichnete er als Grenzschicht oder Reibungsschicht [56]. Das dabei entstehende Geschwindigkeitsprofil ergibt sich zu u D 0 (Haftbedingung) an der Wand bis zu u D u1 am Übergang zu der reibungsfreien Außenströmung und ist Abb. 4.1 zu entnehmen. Die Grenzschicht besitzt eine Dicke, die mit ı bezeichnet wird. Dies ist die Strecke senkrecht von der Wand zu dem Feldpunkt, an dem der Übergang zur freien Anströmung stattfindet. Da ein Grenzübergang nicht eindeutig ist, behilft man sich auch aus messtechnischen Gründen mit der Definition, dass die Grenzschichtdicke ı als die Dicke festgelegt wird, bei der die Geschwindigkeit 99 Prozent der Geschwindigkeit der freien Außenströmung erreicht hat: ı.x/ WD y.x/juD0;99u1 :

(4.112)

4.3

Ebene Schichtenströmungen

213

u∞

u = u∞

u = u∞

u = u∞ Übergangsbereich

laminare Grenzschicht

turbulente Grenzschicht

y δ

x x krit viskose Unterschicht

Abb. 4.1 Skizzierte Entwicklung des Grenzschichtgeschwindigkeitsprofils

Eine Grenzschicht bildet sich durch Überströmen einer Wand, an der das Fluid haften bleibt,13 aus, in Abb. 4.1 ist skizziert, wie die Grenzschicht mit zunehmender Lauflänge x der Strömung langsam anwächst. Mit zunehmend überströmter Wegstrecke entwickelt sich aus einer laminar strömenden Grenzschicht eine turbulente, dies schlägt sich in der Grenzschichtdicke wieder. Als laminar wird dabei eine gleichmäßige, parallele Strömung bezeichnet, wohingegen es bei einer turbulenten Strömung zu lokal differenten Rückund Querströmungsanteilen gegenüber der eigentlichen Hauptströmungsrichtung kommt. Verwirbelungen finden in unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Skalen statt. Maßgeblich für eine solche Charakterisierung der Strömung ist die Reynoldszahl. Ein Übergang von einer laminaren in eine turbulente Strömung bei einer ebenen Platte bei üblich vorhandenen Störanteilen findet in etwa bei einer kritischen Reynoldszahl von Rekrit D

u x 1 D 5  105 krit

(4.113)

statt. Um diese beiden Strömungseigenschaften entlang einer ebenen Platte mathematisch beschreiben zu können, werden in den folgenden zwei Abschnitten die Grenzschichtgleichungen für laminare Strömungen betrachtet. Hergeleitet wird dies durch Vereinfachung der Navier-Stokes-Gleichungen. Da nur laminare Strömungen betrachtet werden sollen, wird auf die Herleitung der turbulenten Grenzschichtgleichungen selbst nicht weiter eingegangen, jedoch kann diese dem Schlichtung [64] entnommen werden. Ausgangspunkt für die laminaren Grenzschichtgleichungen sind die zweidimensionalen, inkompressiblen Navier-Stokes Gleichungen:

13

In der Numerik verwendet man abkürzend den Begriff viskose Wand.

214

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Die Kontinuitätsgleichung lautet: @u @v C D 0; @x @y

(4.114)

die Impulsgleichung in x-Richtung: @u @u @u 1 @p Cu Cv D C @t @x @y @x



@2 u @2 u C 2 2 @x @y

 ;

(4.115)

:

(4.116)

und die Impulsgleichung in y-Richtung: @v @v 1 @p @v Cu Cv D C @t @x @y @y



@2 v @2 v C @x2 @y2



Äußere Kräfte wurden vernachlässigt. Mit Hilfe der charakteristischen Größen L, hier die gegebene Plattenlänge als Bezugslänge, und u1 , hier die Geschwindigkeit der freien Anströmung, können die dimensionsbehafteten Größen des Differenzialgleichungssystems (4.114) bis (4.116) in der Form: u D

u ; u1

v D

v ; u1

p D

p ; u21

x D

x ; L

y D

y ; L

t D

u1 t ; L

(4.117)

als dimensionslose Größen geschrieben werden. Das so erhaltene dimensionslose Differenzialgleichungssystem lautet dann, unter Zuhilfenahme der Reynoldszahl in der Formulierung u1 L ; (4.118) Re D wie folgt: Kontinuität:

@u @v  C D 0 @x @y 1 1

(4.119)

Impuls in x -Richtung:   @u @p 1  @u  @u C u C v D  C     @t @x @y @x Re 1 2  1 1 1 ı ı ı

@2 u @2 u C @x 2 @y 2 1 1 ı 2

Impuls in y -Richtung:   @v  @p 1  @v  @v C u C v D  C     @t @x @y @y Re

ı



1

ı



ı



1

ı

2

@2 v  @2 v  C @x 2 @y 2 1 ı ı

! ; (4.120)

! : (4.121)

4.3

Ebene Schichtenströmungen

215

Es könnte die Annahme getroffen werden, dass nur große Reynoldszahlen betrachtet werden sollen. Dann würden in den Gl. (4.120) und (4.121) der Grenzprozess für Re ! 1 vollzogen werden. Die so entstehenden Gleichungen würden jedoch eine reibungsfreie Strömung darstellen, welche einer wirbelfreien Überströmung gleich käme. Die so hergeleitete Potenzialströmung würde jedoch bis auf wenige Spezialfälle die Haftbedingung an der Wand verletzen. Es müssen also andere Gleichungen gefunden werden, bei denen nicht alle Reibungsglieder vernachlässigt werden. Unter diesem Gesichtspunkt müssen die einzelnen Glieder der Navier-Stokes Gleichungen abgeschätzt werden. Dies geschieht in Bezug auf ihre Größenordnung: Unter der Annahme, dass für die Länge x und die Geschwindigkeit u die Größenordnung O.1/ gilt, ergibt sich für y als Größenordnung die dimensionslosen Grenzschichtdicke, also O.ı  /. In den Gl. (4.119), (4.120) und (4.121) wurde diese Abschätzung der Größenordnung den einzelnen Termen zugeordnet. Jetzt kann, unter der Annahme, dass p ı ; siehe Schlichting [64], gilt, und unter Berücksichtigung von L und u1 1 ı p L Re

(4.122)

folgt, gezeigt werden, dass die Größenordnung von v  ebenfalls O.ı  / beträgt. Dies lässt sich zeigen, da beim Grenzprozess Re ! 1, dass heißt ı  ! 0, siehe Gl. (4.122), die Kontinuitätsgleichung (4.119) entarten würde. Ebenfalls aus Gl. (4.122) ergibt sich die Ordnung des Faktors 1=Re zu O.ı  2 /. Die getroffenen Annahmen grenzen allerdings auch die pysikalische Gültigkeit ein: So werden die Größenordnungen der lokalen Beschleunigungen (z. B. @u =@t ) identisch zu denen der konvektiven Beschleunigungen (z. B. u @u =@x ) gewählt. Dies hat zu Folge, dass sehr plötzliche Beschleunigungen, wie sie beispielsweise bei Druckwellen entstehen, ausgeschlossen werden müssen. Um nun die Navier-Stokes Gleichungen vereinfachen zu können, muss eine sogenannte Grenzschichttransformation durchgeführt werden, da y D O.ı  / für ı  ! 0 sehr kleine Werte annimmt und dementsprechend für eine Beschreibung der Grenzschicht ungeeignet ist. Entsprechend verhält es sich bei der Geschwindigkeitskomponente v  . Aus diesem Grund werden diese beiden Werte der folgenden Transformation unterworfen: p y y D y Re  ; ı

p v D v  Re

(4.123)

Jetzt ist die Größenordnung der beiden neuen Variablen y und v identisch zu der von x und u , damit eignen sie sich zur Beschreibung der Grenzschicht. Nach Einsetzen der beiden Größen aus Gl. (4.123) in die Gl. (4.119) bis (4.120) und Vollziehen des Grenzprozesses Re ! 1 ergeben sich die Prandtl’schen Grenzschichtgleichungen in dimensionsloser Form:

216

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

@u @v D 0; C @x @y

(4.124)

@u @p @u @u @2 u D  C C u  C v ;  @t @x @y @x @y2

(4.125)

0D

@p : @y

(4.126)

Die Vereinfachungen des Gleichungssystems (4.124) bis (4.126) gegenüber den vollständigen Navier-Stokes Gleichungen sind bemerkenswert. Insbesondere die gegenüber Gl. (4.116) stark vereinfachte Impulsgleichung in y-Richtung besagt, dass der Druck in Querrichtung zur Strömung konstant, also unabhängig von y, ist. Dementsprechend kann er am Rand der Grenzschicht entnommen werden, wo er durch die reibungsfreie Außenströmung bestimmt wird und somit als bekannte Funktion angesehen werden kann. Dadurch reduzieren sich die Unbekannten in dem vorliegenden Gleichungssystem um eins und zwar von u , v  , p auf u und v. Des Weiteren wird vorausgesetzt, dass am Grenzschichtrand die Geschwindigkeitskomponente u in die der reibungsfreien Strömung u1 .x ; t / übergeht. Da dort die Geschwindigkeitsgradienten @u =@y und @u 2 =@2 y zu Null werden, lässt sich Gl. (4.125) zu @u @u1 @p C u1 1 CD    @t @x @x

(4.127)

vereinfachen. Der Überlegung folgend, dass der Druck nur noch von x abhängt und sich durch Werte der freien Anströmung mittels der Eulergleichung: 

 @p  @u1 D u ; 1 @x @x

(4.128)

bestimmen lässt, kann der Druckgradient eliminiert werden. Dann fällt Gl. (4.126) auch weg. Dadurch ergeben sich zwei Gleichungen für die beiden unbekannten Funktionen u .x ; y; t / und v.x ; y; t /: @u @u @u @u @2 u D u1 1 C u  C v C ;   @t @x @y @x @y2

(4.129)

@u @v D0 C  @x @y

(4.130)

Mit den Randbedingungen: yD0W y!1W

u D v D 0; u D u1 .x ; t / :

(4.131)

4.3

Ebene Schichtenströmungen

217

Für den Fall einer stationären Strömung entfällt die zeitliche Ableitung @u =@t ebenfalls, und das Gleichungssystem vereinfacht sich zu: u

 @u @u @2 u  @u1 C v C ; D u 1 @x @y @x @y2

@u @v D 0; C  @x @y yD0W y!1W

u D v D 0; u D u1 .x /:

(4.132)

(4.133)

(4.134)

Vorteilhaft an diesem dimensionslosen Gleichungssystem ist, dass es nicht direkt von der Reynoldszahl abhängt. Dementsprechend genügt eine einmalige Berechnung der Strömung, die dann für alle großen Reynoldszahlen gültig ist. Das liegt natürlich an der Grenzschichttransformation nach Gl. (4.123), denn dadurch gilt auch, dass die transformierte Grenzschichtdicke, p N D ı.x/ Re ; ı.x/

(4.135)

ebenfalls mit der Wurzel aus der Reynoldszahl skaliert. Erst durch Resubstituierung der Grenzschichttransformation und Rückdimensionierung der Variablen entsprechend der Beziehungen in Gl. (4.117) erhält man die dimensionsbehafteten Gleichungen der Grenzschichttheorie für eine laminare, stationäre Strömung: u

@u 1 @p @2 u @u Cv D C 2; @x @y @x @y

(4.136)

@v @u C D 0; @x @y

(4.137)

yD0W y!1W mit: u1

u D v D 0; u D u1 .x/ ;

1 @p @u1 D : @x @x

(4.138)

(4.139)

Wie bereits diskutiert wurde, ist die Dicke der Grenzschicht durch das aushelfende Kriterium (4.112) willkürlich gewählt worden, daher ist es notwendig, eine weitere Größe

218

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

zu definieren, um ein physikalisch sinnvolles Maß für die Grenzschichteigenschaft einer Strömung zu haben. Ergänzend zur Grenzschichtdicke ı definiert man die sogenannte Verdrängungsdicke ı1 , diese ist wie folgt definiert: Z1  ı1 D 0

u 1 u1



Zı  dy 

1 0

u uı

 dy :

(4.140)

Da nicht in Unendliche integriert werden soll, wird praktischerweise approximativ nur bis zum Grenzschichtrand ı integriert, an dem die Grenzschichtgeschwindigkeit in die ungestörte Anströmgeschwindigkeit übergeht. Daher wird auch oft u1 anstelle von uı gesetzt. Die Verdrängungsdicke lässt sich interpretieren als die Dicke, um die eine Potenzialströmung verdrängt werden würde, wenn diese die gleiche Masse wie die Grenzschichtströmung transportieren würde. Eine grafische Veranschaulichung der Verdrängungsdicke liefert Abb. 4.2, dort kann die schraffierte Fläche oberhalb der durch ı1 definierte Grenzlinie als Verlust an Volumenstrom interpretiert werden. Dieser Verlust wird durch die schraffierte Fläche gleichen Flächeninhaltes unterhalb der Grenzlinie ausgeglichen. Die Verdrängungsdicke ı1 kann also als ein Maß interpretiert werden, wie weit die reibungslose Außenströmung durch die Bildung einer Grenzschicht und damit infolge der Geschwindigkeitsminderung von der Wand weg nach außen verschoben wurde. Ein weiteres Maß, wie sich die Grenzschicht in ihrer Verdrängungswirkung auswirkt, kann auch durch den Bezug auf den Impulstransport entwickelt werden: Z1 ı2 D 0

Abb. 4.2 Veranschaulichung der Grenzschicht-, Verdrängungs- und Impulsverlustdicken

u u1

    Zı u u u 1 dy  1 dy : u1 uı uı

(4.141)

0

y

u(y)

δ1

u

4.3

Ebene Schichtenströmungen

219

u∞

δ

y δ2

δ1

x

Abb. 4.3 Veranschaulichung der Verdrängungsdicke

Die Impulsverlustdicke ı2 ist ein Maß für den in der der Grenzschicht durch Reibungswirkung weniger durchfließende Impuls.14 Grafisch lässt sich dies analog zur Verdängungsdicke zeigen. Ein solches Maß für den Verlust an Impuls durch Reibung besitzt den Vorteil, nicht abhängig von einer willkürlich festgelegten Grenze wie bei der Grenzschichtdicke zu sein. Auch ein energetisches Maß ist sinnvoll, um die durch die Reibung in der Grenzschicht auftretenden Verluste zu erfassen. Mit der Energieverlustdicke ı3 wird ein Maß eingeführt für den Energieverlust der Grenzschichtströmung wieder im Vergleich zur Potenzialströmung. Sie ist wie folgt definiert: Z1 ı3 D 0



u u1

1

u u1

2 !

Zı dy  0

u uı

 1

u uı

2 ! dy :

(4.142)

Für die Plattengrenzschicht findet sich eine Veranschaulichung der verschiedenen Verlustdicken in ihrer Größenrelation in Abb. 4.3.

4.3.2

Integrale Impulsmethode nach von Kármán und Pohlhausen

Um eine Lösung der Grenzschichtgleichungen zu erhalten, kann die Integrale Impulsmethode nach von Kármán und Pohlhausen angewandt werden, siehe dazu das Werk von Schlichting [64]. Integrieren von Gl. (4.136) führt auf: Z 0

14

h

u

@u @u1 @u Cv  u1 dy D xy jhyD0 ; @x @y @x

Statt ı2 wird häufig das Kürzel  verwendet.

(4.143)

220

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

wobei zur Ersetzung Gl. (4.139) genutzt wurde. Mit Hilfe der Kontinuitätsgleichung (4.137), der Randbedingung v.x; 0/ D 0 und Vertauschen der Integrationsreihenfolge formt sich diese um zu: Z

h

0

u

@u @u1 @u  u1  u1 dy D  W ; @x @x @x

(4.144)

mit 0 an der Wand. Die Grenzschicht besitzt die lauflängenabhängige Dicke ı D ı.x/, an der u1 konstant ist. Damit erhält man die klassische Form der Integralen Impulsgleichung, die von Prandtl [57], Pohlhausen [53] und Schlichting [64] ausführlich behandelt wird, Z

ı

0

@ @ Œu .u1  u/ dy D @x @x

Z

ı

u .u1  u/ dy D W C ı

0

@p ; @x

(4.145)

und die zu den von Kármán und Pohlhausen Lösungen geführt hat. Es sei angemerkt, dass diese Gleichung für jede Grenzschichtströmung gilt, egal ob sie laminar oder turbulent, newtonsch oder nichtnewtonsch ist. Wird eine freie Umströmung eines stromlinienförmigen Körpers betrachtet, so ist der Druckgradient in Stromrichtung am Grenzschichtrand Null. Zudem sei angemerkt, dass durch diese Gl. (4.145) die Definition der Impulsverlustdicke verständlich wird: Da am Grenzschichtrand u1 D uı angenommen wird,15 kann die konstante Grenzschichtrandgeschwindigkeit u2ı ausgeklammert und vor das Integral gezogen werden, was dann auf u2ı

@ı2 @p D W C ı @x @x

(4.146)

führt. Nach von Kármán und Pohlhausen kann für die Integralgleichung (4.145) eine näherungsweise Lösung gefunden werden, indem zuerst eine approximierende Ansatzfunktion für das Geschwindigkeitsprofil angesetzt wird, und danach die Grenzschichtdicke bestimmt wird. Durch Bestimmen der Randbedingungen können die Koeffizienten der Ansatzfunktion so bestimmt werden, dass das Integral erfüllt ist. Ein übliche Vorgehensweise ist, polynomiale Ansatzfunktionen verschiedener Grade zu wählen, so wurde z. B. von Pohlhausen ein Polynomgrad von Drei gewählt: u D ay C by2 C cy3 :

(4.147)

Die Haftbedingung ist bei y D 0 sofort erfüllt. Der Koeffizient b wird nach Pohlhausen zu Null gesetzt, da die Reibung an der Wand dort so stark dominiert, dass die Wandschubspannung W nahezu konstant ist. Änderungen gehen dann nur von zweiter Ordnung (klein) ein und können vernachlässigt werden. Diese Überlegung erlaubt die Bestimmung 15

Messtechnisch bedingt wird die Grenzschichtdicke durch uı D 0; 99u1 bestimmt.

4.3

Ebene Schichtenströmungen

221

der Koeffizienten a und c, denn am oberen Grenzschichtrand ist die Geschwindigkeit u D u1 , also konstant, und deren Ableitung Null. Damit sind 3 u1 ; 2 ı 1 u1 cD : 2 ı

aD

(4.148)

Die Geschwindigkeitsfunktion lautet nun in dimensionsloser Form: u 3 y 1  y 3  D : u1 2ı 2 ı

(4.149)

Jetzt hat man eine Profilform für die Geschwindigkeit, wo die Grenzschichtdicke der Formparameter ist. Diesen kann man jetzt im zweiten Schritt bestimmen, indem in das Integral von Gl. (4.145) eingesetzt wird, was in dimensionsloser Form: Z u21 ı

0

1

Z .1  uN /NudNy 

u21 ı

1

0

   1 3 1 3 3 3 yN  yN dNy 1  yN C yN 2 2 2 2

(4.150)

ergibt. Auswerten des Integrals und darauffolgendes Ableiten der Grenzschichtdicke nach x entsprechend Gl. (4.145) und Ersetzen von W durch  23 u1 führt auf eine approximative ı Bestimmungsdifferenzialgleichung für ı: 3 u1 39 2 dı u  : 280 1 dx 2 ı

(4.151)

Dies lässt sich sofort berechen, für die Grenzschichtdicke folgt die Näherungsgleichung: ı.x/ 

r  : 4; 64 u1 x

(4.152)

Dies kann durch die Reynoldszahl, die mit der Lauflänge gebildet wird, ausgedrückt werden: ı.x/  4; 64Re1=2 : (4.153) x x Die so hergeleitete Näherungslösung stimmt schon gut mit der bekannten Lösung aus dem Schlichting [64] ı.x/  4; 91Re1=2 (4.154) x x überein. Unterschiede ergeben sich durch Ansatzfunktion und deren Grad. Setzt man dieses Ergebnis in den Ansatz für die Geschwindigkeit ein, so ist das Geschwindigkeitsprofil bestimmt.

222

4.3.3

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Die Blasius Grenzschichtgleichung

Für eine Strömung entlang einer ebenen Platte stammt eine erste allgemeingültigere Lösung der Grenzschichtgleichungen von Blasius [6], wobei in den von ihm betrachteten Grenzschichtgleichungen der Druckgradient vernachlässigt wurde: @u @v C D0; @x @y @u @2 u @u D 2 : u Cv @x @y @y

(4.155) (4.156)

Diese beiden partiellen Differenzialgleichungen können durch eine Koordinatentransformation gelöst werden, die eine Rückführung auf eine gewöhnliche Differenzialgleichung ermöglicht. Da die Impulsgleichung einen parabolischen Charakter aufweist, ist p nach Blasius eine Ähnlichkeitskoordinate der Form  y= x sinnvoll. Daher wird als neue unabhängige Variable r u1 .x; y/ D y (4.157) x p eingeführt. Die Wurzel u1 = stellt eine geeignete Skalierung in der Entdimensionierung von  dar, da das Anwachsen der viskosen Schicht ins Verhältnis gesetzt wird zum konvektiven Anteil der Strömung, der von der freien Anströmung geprägt ist. Zusammen mit der Wurzelfunktion auf die wandtangentiale Koordinate bildet dies das Verzerrungsmaß für das Geschwindigkeitsprofil entlang der Wandnormale in y-Richtung. Verallgemeinert entspricht dies dem Ansatz: y : (4.158) .x; y/ D h.x/ Ausgangspunkt der Überlegungen ist das Einführen einer Stromfunktion der Form: Z .x; y/ D

y

udy :

(4.159)

0

Mit Hilfe der Stromfunktion bestimmen sich die Geschwindigkeitskomponenten u und v: uD

@ ; @y

vD

@ : @x

(4.160)

Nach Einsetzen der Gl. (4.160) in Gl. (4.155) wird die Kontinuitätsgleichung: @2 @2  D0 @x@y @y@x

)

xy



yx

D 0;

(4.161)

4.3

Ebene Schichtenströmungen

223

erfüllt.16 Die Bewegungsgleichung (4.156) wird eine partielle Differenzialgleichung 3. Ordnung in der Stromfunktionsformulierung: y

yx



x

yy

D

yyy

:

(4.162)

Jetzt gilt es, die Stromfunktion durch eine Funktion f ./ auszudrücken: Da u eine Ableitung der Stromfunktion nach y ist und durch die freie Anströmgeschwindigkeit geeignet skaliert werden soll, bietet sich der Ansatz u.x; y/ D

@ @ D u1 f 0 ./ @ @y

(4.163)

an. Damit folgt für die Stromfunktion: Zy

Zy u dy D u1

.x; y/ D 0

0

r

f ./ dy D u1 0

x u1

Z

f 0 ./ d :

(4.164)

0

Mit Hilfe der Definition der dimensionslosen Stromfunktion Z

f 0 ./d f ./

(4.165)

0

lässt sich die Stromfunktion

in der Form .x; y/ D

p u1 xf ./

(4.166)

schreiben. Dadurch kann nun anstelle von .x; y/ die Funktion f ./ in die partielle Differenzialgleichung (4.162) eingesetzt werden, was zu x

 p @ p 1 u1 D f ./ u1 x x D f 0 u1 x C f p @x 2 u1 x r @ p f u1 u1 x C D f0 @x 2 x

führt. Unter Ausnutzen von r u1 @ 1 1 D D y @x 2 x3 2x 16

Die Indexnotation wird ab hier genutzt, um die partiellen Ableitungen verkürzt darzustellen.

224

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

lassen sich die Ableitungen der Stromfunktion bestimmen:

x

1 D 2

r

u1  f  f 0 : x

(4.167)

Entsprechend gilt: D u1 f 0 ;

y

yx

yy

yyy

(4.168)

r u1 y 00 1 1 u1 00 f D f ; D  u1 2 x x 2 x r u1 00 f ; D u1 x D

u21 000 f : x

(4.169)

(4.170)

(4.171)

Die Gl. (4.167) bis (4.171) werden nun in (4.162) eingesetzt. Das führt auf eine gewöhnliche, nichtlineare Differenzialgleichung 3. Ordnung für die dimensionslose Stromfunktion f ./: 1 (4.172) f 000 C ff 00 D 0 ; 2 mit den Randbedingungen: D0W

f D0;

!1W

f0 D 1:

f0 D 0

(4.173)

Trotz der scheinbar einfachen Form kann die Differenzialgleichung (4.172) nicht analytisch gelöst werden, sondern nur numerisch, wie es Blasius schon im Jahr 1908 mit Papier und Bleistift zeigte [6]. Ein Geschwindigkeitsprofil, wie es in Abb. 4.4 dargestellt wird, ist das Ergebnis. Über die Definition der Grenzschichtdicke ı kann der Wert für  bestimmt werden. Wie beschrieben nehmen wir den Zusammenhang ı D y.u=uı D 0; 99/ an. Anhand Abb. 4.4 ist zu erkennen, dass sich der Rand bei   5; 0 ergibt. Dieses Abbildung zeigt den typischen Verlauf dieses  Geschwindigkeitsprofils, den man an jeder Stelle x der p Platte, unter Berücksichtigung der Skalierung der y-Koordinate durch Gl. (4.157) mit x , vorfindet. Der Begriff Ähnlichkeitslösung stammt daher, dass bei geeigneter Skalierung auch die Geschwindigkeitsprofile immer einen ähnlichen Verlauf aufweisen. Nun folgt also mit der Annahme   5; 0, dass für r x ı.x/  5; 0 u1

4.3

Ebene Schichtenströmungen

Abb. 4.4 Ähnlichkeitsgeschwindigkeitsprofil für eine ebene Plattenströmung

225

ζ 5

1 f ′(ζ ) =

u u∞

gilt. Somit ergibt sich in Bezug auf die Lauflänge x bzw. die Bezugslänge L folgendes: 5; 0 ı.x/ p x Rex

bzw.

5; 0 ı.x/ p L Rex

r

x : L

(4.174)

Es zeigt sich, dass die laminare Grenzschichtdicke ı an der ebenen Platte proportional zur Wurzel aus der Lauflänge x anwächst und diese ferner zur Wurzel der Reynoldszahl umgekehrt proportional ist. Die exakte Lösung nach Blasius ergibt für die Verdrängungsdicke bei dieser Plattenströmung: 1; 7208 ı1 .x/ D p : x Rex

(4.175)

Ein Vergleich mit Gl. (4.174) zeigt, dass ı1  ı=3 ist.

4.3.4

Die Falkner-Skan Gleichung

Die bisher gezeigte Lösung der Grenzschichtgleichung galt für eine ebene Plattenströmung ohne Druckgradienten. Falkner und Skan [21, 22] gelang es, eine Lösung der Grenzschichtgleichung mit Druckgradienten aufzuzeigen. Im Gegensatz zum verallgemeinertem Ansatz von Blasius nach Gl. (4.158) setzen sie folgenden Variablentrennungsansatz an: u.x; y/ D U.x/f 0 ./ ;

(4.176)

226

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

um die Gleichung u

@u @u  @x @y

Z

y

0

 @U.x/ @2 u udy D U.x/ C 2 ; @x @y

(4.177)

die sich aus Gl. (4.136) jedoch für variable Geschwindigkeiten in Stromabrichtung ergibt, zu lösen. Falkner und Skan verwenden für die Ähnlichkeitsvariable  den schon bekannten Ansatz nach Gl. (4.158), den sie zusammenfassen zu:  D yg.x/ :

(4.178)

Die einzelnen Ableitungen in Gl. (4.177) werden mit Hilfe der Kettenregel berechnet: @ @u D U 0 f 0 C Uf 00 ; @x @x @u 00 @ D Uf ; @y @y !  2 2 @2 u 000 @ 00 @  DU f C Uf : @y2 @y @y2

(4.179)

Da für  eine lineare Funktion in y angesetzt wurde, siehe Gl. (4.178), ist die zweite Ableitung Null. Jetzt können die so berechneten Terme in Gl. (4.177) eingesetzt werden. Nach Lösen des Integrals führt dies auf: f 000  ff 00



U.x/g0 .x/ g3



    @U.x/=@x  f 02  ff 00  1 D 0: g2

(4.180)

Es existieren Lösungen für den Fall, dass man die Funktion g.x/ in Gl. (4.178) durch einen Polynomansatz spezialisiert: (4.181)  D yCxa : Dadurch genügt die Geschwindigkeit außerhalb der Grenzschicht der Potenzbeziehung U.x/ D Kxm ;

(4.182)

wobei m D 2a C 1 ist.17 Jetzt wird für die Konstante C die folgende Beziehung zu K K. Ersetzen der Konstante C in Gl. (4.181) führt auf: gewählt, C2 D mC1 2 r Dy 17

r r .m C 1/K .m1/=2 .m C 1/K m1 .m C 1/U.x/ Dy Dy x x : 2 2 2 x

Es folgt übrigens für m D 0 die Blasius Gleichung.

(4.183)

4.3

Ebene Schichtenströmungen

227

Damit lassen sich nun die partiellen Ableitungen in Gl. (4.180) bestimmen. Nach Sortieren der Einzelterme vereinfacht sich die Differenzialgleichung zu:   f 000 C ff 00 C ˇH 1  f 02 D 0 ;

(4.184)

2m . Für diese Differenzialgleichung hat sich die mit der neuen Variablen ˇH D mC1 Bezeichnung Falkner-Skan Gleichung durchgesetzt. Der Parameter ˇH ist ein Maß für den Druckgradienten dp=dx. Für den Fall, dass ˇH positiv ist, ist der Druckgradient negativ (Druckabfall) und umgekehrt. Für ˇH D 0 folgt wieder die Blasiusgrenzschicht ohne antreibenden Druckgradienten. Der Parameter ˇH wird mit Hartree Parameter bezeichnet und deshalb auch mit H indiziert.

4.3.5

Die Grenzschichtgleichung für Power-Law Fluide

Die Gleichungen, die die Grenzschichtströmung einer Power-Law Flüssigkeit entlang einer Platte beschreiben, sind nicht linear. Da eine exakte, analytische Lösung in allgemeiner Form bisher nicht formuliert werden konnte, werden numerische Methoden verwendet, um Näherungslösungen zu bestimmen [16]. Trotzdem können wichtige Einsichten in die wesentlichen physikalischen Eigenschaften, die innerhalb der Grenzschicht existieren, durch selbstähnliche Lösungen für die Grenzschichtgleichungen gewonnen werden. Ähnlichkeitslösungen für verschiedene Strömungsformen sind bekannt, und wurden ausführlich studiert: An der ebenen Platte wurde die Falkner-Skan Gleichung mit ihren Lösungen diskutiert. Goldstein [27] zeigt Lösungen für die Strömung im konvergierenden Kanal. Abgrenzend dienen selbstähnliche Lösungen auch als die Basis für Methoden, die verwendet werden, um komplexere nicht-ähnliche Strömungen zu studieren. Da Grenzschichtströmungen strukturviskoser und dilatanter Fluid in technischen Anwendungen zu finden sind, wurden sie schon frühzeitig untersucht: Die Arbeiten von Schowalter [66] und Acrivos [1] können als der Beginn der Untersuchungen von selbstähnlichen Lösungen der Grenzschichtströmung von Power-Law Fluide angesehen werden [16]. Beide Forscher untersuchten die Strömung entlang einer ebenen Platte und entwickelten eine Form der Ähnlichkeitstransformation, mit der eine beschreibende gewöhnliche Differenzialgleichung hergleitet werden kann, aus der sich eine selbstähnliche Lösung ableiten lässt. Acrivos stellte einige Lösungen für die Blasius-ähnliche Differenzialgleichung für den Fall einer viskosen Überströmung einer Stoff undurchlässigen Platte vor. Die äußere Strömung wird in diesen Untersuchungen als gleichmäßig angenommen. Lee und Ames [37] betrachteten verschiedene Ähnlichkeitstransformationen einiger nicht-newtonscher Fluide. Für Power-Law Fluide untersuchten sie unterschiedliche Strömungszustände am Rand der Grenzschicht und leiten verschiedene Formen gewöhnlicher Differenzialgleichungen her, die die jeweiligen Strömungen approximieren. So wird z. B. eine

228

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Differenzialgleichung des Typs Falkner-Skan für ein Power-Law Fluide mit Hilfe gruppentheoretischer Methoden hergeleitet. Die Lösung dieser Differenzialgleichungen ergibt dann selbstähnliche Geschwindigkeitsprofile. Auch für den Fall, dass das nicht-newtonsche Fluid über poröse Wände hinweg fließt, gibt es Ähnlichkeitslösungen. Nachman und Taliaferro [46] diskutierten eine selbstähnliche Lösung für die Grenzschichtströmung eines Power-Law Fluids mit Stoffübertragung durch die Oberfläche. Sie zeigten, dass die Ähnlichkeit erhalten bleibt, wenn die Funktion, die die Stoffübertragung durch die Oberfläche beschreibt, von einer bestimmten Form ist. Diese hängt insbesondere von der Position in der Strömung ab. Sie zeigten auch, dass die Injektionsraten des Fluids in einem kritischen Bereich liegen müssen, um selbstähnliche Geschwindigkeitsprofile zu sichern. In diesem Kapitel wird eine Version der Gleichung vom Falkner-Skan Typ für das Power-Law Fluid hergeleitet, wobei der prinzipiellen Vorgehensweise von Schlichting [64] und im Detail Dabrowski [16] gefolgt wird. Die Grenzschichtströmung eines Power-Law-Fluids wird, wie gehabt, durch die Kontinuitätsgleichung @v @u C D 0; (4.185) @x @y und die Impulsbilanz u

@u @u @p @u @2 u Cv D  C nj jn1 2 @x @y @x @y @y

(4.186)

beschrieben. Die zugehörigen Randbedingungen werden wie folgt vorgegeben: u D 0; v D V.x/

für y D 0 ;

(4.187)

y ! 1:

(4.188)

und u ! Ue .x/

für

Diese Randbedingungen reflektieren einerseits die Haftbedingung an der Oberfläche und die Stofftransportrate durch die Oberfläche, die stromab variieren kann. Senkrecht zur Oberfläche der Wand soll die Strömung als konstant (oder sogar als Null) angenommen werden. Die Stromabgeschwindigkeit am Rand der Grenzschicht, Ue .x/, soll mit der freien Außenströmung übereinstimmen. Der Stofftransport durch diese gedachte Oberfläche kann entlang der betrachteten Länge entweder als konstant angenommen werden oder mit der stromabwärtigen Position variieren. Im Allgemeinen kann ein Stofftransport in die Grenzschicht durch Einblasen oder, im Fall des Stofftransports aus der Grenzschicht heraus, durch Absaugen vom Fluid abgebildet werden. Für das Verhalten der Impulsgleichung in einem ausreichenden Abstand von der Obere D Ue .x/ dU . Hier beschreibt Ue .x/ die externe Strömung als eine Funktion fläche gilt  dp dx dx vom Abstand entlang der Oberfläche. Dies kann, wie oben schon besprochen wurde, mit Hilfe der Bernoulligleichung, erläutert z. B. bei Spurk [69], gezeigt werden. Je nach

4.3

Ebene Schichtenströmungen

229

vorgegebener Form der externen Strömung, Ue .x/, ergeben sich spezifische Typen selbstähnlicher Lösungen für die Grenzschichtströmung. Liegt die externe Strömung in der Form Ue .x/ D Cxm vor, dann lassen sich selbstähnliche Lösungen vom Typ Falkner-Skan herleiten. So gehören Strömungen über eine Platte zur Familie der Falkner-Skan Lösungen. Die spezielle Blasius Grenzschichtströmung entsteht durch Setzen von m D 0 setzt. Bei newtonschen Fluiden hängt die Konstante C nur von dem Parameter m ab, während bei den hier betrachteten nicht-newtonschen Fluiden C auch vom Fließindex n abhängt. Um die Differenzialgleichung, die die Grenzschichtströmung eines Power-Law Fluids beschreibt, herleiten zu können, muss wieder eine geeignete Ähnlichkeitsvariable formuliert werden. Daraus resultiert dann eine gewöhnliche Differenzialgleichung, die auf die gesuchte selbstähnliche Lösung führt. Eine geeignete Ähnlichkeitsvariable lässt sich wie folgt definieren:  1

.2n  1/m C 1 Ue2n nC1  (4.189) .x; y/ D y nC1 x Das Einführen der Ähnlichkeitsvariable erlaubt die Reduzierung auf ein Problem, für das eine Stromfunktion  der Form,

nC1 U 2n1 x  .x; y/ D f ./ .2n  1/m C 1 e

1  nC1

;

(4.190)

formuliert werden kann. In Gl. (4.190) ist f ./ eine dimensionslose Funktion. Eine detailliertere Beschreibung der Herleitung von dieser bestimmten Form der Ähnlichkeitsvariable  und der Stromfunktion kann bei Dabrowski [16] gefunden werden. Die Stromfunktion  erfüllt identisch die Kontinuitätsgleichung (4.185), während die Impulsgleichung (4.186) zur Falkner-Skan ähnlichen, gewöhnlichen Differenzialgleichung nf 000 jf 00 jn1 C f 00 f C ˇH .1  .f 0 /2 / D 0

(4.191)

transformiert wurde, wobei die Striche wieder die Differenzierung nach der Variable  kennzeichnen. Der Hartree Parameter ˇH , der schon oben als der Druckgradientenparameter bezeichnet wurde, ist durch ˇH D

.n C 1/m .2n  1/m C 1

(4.192)

gegeben, die Geschwindigkeitskomponenten u und v werden durch u D Ue f 0 ;

(4.193)

  1

 .2n  1/m C 1 n 2n1 .2n1/mn nC1 C x vD nC1

.n  2/m C 1 0 f  f .2n  1/m C 1

(4.194)

230

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

bestimmt. Es sei angemerkt, dass für den Fließindex n D 1, was dem newtonschen Fluid entspricht, die Ähnlichkeitsvariable , die Stromfunktion  und die Gl. (4.191) sich auf die bekannte Falkner-Skan Strömung reduziert, siehe dazu im Schlichting [64]. Gl. (4.191) wird ebenfalls von Lee und Ames [37] aufgestellt, wobei der Hauptunterschied in der Auswahl der Koeffizienten der entsprechenden Größen in der Falkner-Skan ähnlichen Differenzialgleichung besteht. Die Randbedingungen müssen ebenfalls transformiert werden, die Gl. (4.187) und (4.188) schreiben sich dann

 f .0/ D V.x/

.2n  1/m C 1 nC1

n

C

2n1 .2n1/mn

x

1   nC1

;

(4.195)

f 0 .0/ D 0 ; f 0 ./ ! 1 für

(4.196)

 ! 1:

(4.197)

Um selbstähnliche Lösungen zu finden, wird gefordert, dass Gl. (4.191) und die zugehörigen Randbedingungen von den originalen Variablen x und y unabhängig sind. Die Randbedingung (4.187), die eine Stoffübertragung durch die Oberfläche zulässt, ist infolge der Einführung der Ähnlichkeitsvariable  zu (4.195) geworden. Das Auftreten von x in dieser Randbedingung bedeutet, dass eine allgemeine selbstähnliche Lösung für die Gl. (4.191) nicht gefunden werden kann. Allerdings kann die Funktion V.x/ so spezialisiert werden, dass sie einen Stofftransport durch die Oberfläche beschreibt, wobei dadurch die Existenz einer selbstähnlichen Lösung möglich ist: Wird V.x/ D V0 x folgt für die Randbedingung (4.195): O f 0 .0/ D V0 C.m; n/ ;

.2n1/mn nC1

gesetzt,

(4.198)

O wobei V0 und C.m; n/ Konstanten sind. Die hier gewählte Funktion V.x/ entspricht dem Ansatz von Nachman und Taliaferro [46], die diese Funktion bei ihrer Diskussion der Grenzschichtströmung eines Power-Law Fluids entlang einer Platte in der Anwesenheit von ähnlichkeitserhaltender Stoffübertragung eingeführt haben. Der Vorteil besteht darin, dass jetzt eine selbstähnliche Lösung für die Gl. (4.191) formuliert werden kann, die den Randbedingungen (4.196), (4.197) und (4.198) unterliegt. Obwohl prinzipiell Stoffeinträge in die Grenzschichtströmung durch die Oberfläche möglich sind, wird sich auf Strömungen ohne Stofftransport durch die Oberfläche konzentriert. Es werden selbstähnliche Lösungen für die Gl. (4.191) unter den folgenden Bedingungen gesucht: (4.199) f D f 0 D 0 wenn  D 0 ; f0 ! 1

wenn

 ! 1:

(4.200)

4.3

Ebene Schichtenströmungen

231

Gl. (4.191) und die Randbedingungen (4.199) und (4.200) bilden ein nichtlineares Zwei-Punkt-Randwertproblem dritten Grades, für das keine analytische Lösung bekannt ist, außer im degenerierten Fall, wenn n D 2 ist. Daher muss ein numerisches Verfahren herangezogen werden, um die Lösung bestimmen zu können. Techniken zur Lösung solcher Randwertproblemen basieren auf Schießverfahren, dem Finite-Differenzen-Methode oder der Kollokation nach der Methode der kleinsten Fehlerquadrate. Entsprechend der Vorgehensweise von Blasius ist eine weitere Vereinfachung dann möglich, wenn vorausgesetzt wird, dass der Druckgradient verschwindend gering ist, ˇH D 0. Dies ist verbunden mit der geometrischen Deutung einer Potenzialströmung über die ebene Platte, für die u ! Ue (konstant), wenn s ! 1 gilt. Darum kann ohne Beschränkung der Allgemeinheit Ue .x/ D 1 gesetzt werden. Dann vereinfacht sich Gl. (4.192) unter den Randbedingungen (4.199) und (4.200) zu: 1 f 000 C f .f 00 /2n D 0 : n

(4.201)

Bemerkenswert ist, dass Gl. (4.201) im Wesentlichen die gleiche Form aufweist, wie jene, die von Acrivos [1] für eine solche Strömung angegeben wurde, wobei ein unterschiedlicher Koeffizient auftaucht, der auf die unterschiedliche Formulierung der Ähnlichkeitsvariable zurückzuführen ist. Diese Gleichung entspricht wiederum einem nichtlinearen Zwei-Punkt-Randwertproblem dritten Grades, das ebenfalls nur mit Hilfe einer geeigneten numerischen Methode gelöst werden kann.

4.3.6

Die Grenzschichtgleichung für ein Carreau Fluid

Auch wenn für bestimmte verallgemeinerte newtonsche Fluide eine Grenzschichtlösung ermittelt werden kann, so bleiben häufig Probleme bei der Anwendung bestehen. So hat das einfache Power-Law Fluid den großen Nachteil, dass es eigentlich nur über einen kleinen Bereich der Schergeschwindigkeit anwendbar ist. Aus der Literatur ist bekannt, dass seine Gültigkeitsgrenzen bei sehr niedrigen oder sehr hohen Schergeschwindigkeiten sichtbar werden. Zudem weisen numerische Untersuchungen der Grenzschichtströmung dilatanter Fluide, die durch den Power-Law Fluidansatz modelliert werden, häufig auch Schwierigkeiten hinsichtlich ihrer Konvergenz auf, was von Denier und Dabrowski [18] diskutiert wird. Dieses Konvergenzversagen rührt her vom andersartigen, d. h. nicht exponentiellen Abfallen der Geschwindigkeit zum Fernfeld hin. Der Übergang zum ungestörten Geschwindigkeitsprofil stellt bei den dilatanten Power-Law Fluiden das Problem dar. Der einfache Potenzansatz bereitet häufig Probleme in Gebieten nahezu gleichförmiger Strömungen bei sehr kleinen Schergeschwindigkeiten. Wie schon in Abschn. 3.5.3.10 dargelegt wurde, hat sich das Carreau-Modell als das geeignetste Viskositätsmodell aus der Kategorie der verallgemeinerten newtonschen Fluide herausgestellt, wenn die anhaftenden Beschränkungen der Viskositätsmodelle nach dem

232

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Potenzansatz, besonders für sehr kleine und sehr große Schergeschwindigkeiten, eine Modellierung scheitern lassen. Gerade dann hat sich das Carreau Fluid zur Modellierung zahlreicher großtechnischer strukturviskoser Strömungen bewährt. Folgerichtig wird dieses Stoffgesetz auch für den speziellen Fall der Grenzschichtströmung untersucht. Bevor die Lösung der Grenzschichtgleichungen für ein Carreau-Modell diskutiert werden, müssen diese erst in bestimmter Form aufgestellt werden. Die Herleitung der Grenzschichtgleichungen für ein Carreau Modellfluid beginnt mit der einfachen, variablen Form der Massenerhaltung und der Impulsgleichung für eine stationäre, inkompressible und viskose Strömung ohne Einwirkung äußerer Kräfte. Dieselbe Entdimensionierung, wie sie bei den Power-Law Fluid durchgeführt wurde, wird hier angewandt. Die nachfolgenden Herleitungen folgen der Arbeit von Denier und Dabrowski [16, 18]. Es beginnt mit der Entdimensionalisierung der Viskosität, sie nimmt die folgende Form an: 2 3 ( 2  2 ) n1  2 @u K1 U 5: (4.202)  D 1 41 C C0 1 C ıL @y Die rechte Seite (rhs) der Impulsgleichung in x-Richtung, in dem der differenzielle Druckterm und der Viskositätsterm maßgeblich sind, entspricht: "   1 1 K1 U 2 @p .n  1/C rhs D  C 0 @x UL ı 2 ıL n3 " #  2 2  2 2 @u @u @ u K1 U 2  1C   (4.203) ıL @y @y @y2 2 3 3 " 2  2 # n1  2 2 @ @u U u K 1 5 C 41 C C0 1 C C O.ı 2 /5 ; ıL @y @y2 hier tritt der Term O.ı 2 / in der Form 2 2 ( 2  2 ) n3   2 K @u U U K 1 1 O.ı 2 / Dı 2 4.n  1/C0 1C ıL ıL @y   @u @2 u @v @2 u @u 2 Cu @y @y @x@y @x @y2 2 3 3 ( 2  2 ) n1  2 2 @u U u @ K 1 5 5 C 41 C C0 1 C ıL @y @y2

(4.204)

auf. Zudem kann eine nichtnewtonsche Reynoldszahl (siehe Abschn. 4.2.3) für das Fluid nach dem Carreau Ansatz wie folgt definiert werden: Re D

UL : 1

(4.205)

4.3

Ebene Schichtenströmungen

233

Es sei darauf hingewiesen, dass diese Definition der Reynoldszahl von der Fließzahl n unabhängig und formal identisch ist zur bekannten Definition der Reynoldszahl newtonscher Fluide. In Gl. (4.203) wird zudem gefordert, dass der Druck- und Viskositätsterm der Ordnung O.ı 1 / sind, woraus 1 1 D O.ı 1 / Re ı 2 resultiert. Die Grenzschichtdicke bleibt somit abhängig von der Wurzel der Reynoldszahl:   1 ı D O Re 2 :

(4.206)

Ferner gilt, dass die Grenzschichtdicke für Fluide nach dem Carreau-Ansatz, im Gegensatz zur derjenigen Grenzschichtdicke, die aus dem Potenzansatz folgt, unabhängig vom  1 U 2 Fließindex n ist. Der Term KıL ist eine dimensionslose Größe, daher kann dieser als dimensionsloser Parameter   K1 U 2 2  D ıL aufgefasst werden.  ist eine Größe der Ordnung O.1/ und kann im Viskositätsmodell nach Carreau als dimensionsloses Äquivalent zur Konstante K1 mit der Einheit Zeit angesehen werden. Mit diesen Voraussetzungen ergibt sich für den Impulsgleichung in x-Richtung in der Grenzschicht eines Fluids nach dem Carreau Ansatz u

@u @p @u Cv D @x @y @x 2 ( C 41 C C0



@u 1Cn  @y

2 ) (

3  ) n3  2  2 @2 u @u 2 CO ı 5 : 1C  @y @y2

(4.207)

Die Impulsbilanz in y-Richtung lässt sich auf ähnliche Weise herleiten. Es folgt:

@v 1 @p @v ı u D Cv @x @y ı @x 2 3 ( 2 ) n3  2   2 2 @u @ @ @u u u @v @u 5 C ı 4.n  1/C0 2 1 C  C2 2 @y @y @x@y @y @y @y 2 3 ( 2 ) n1  2 2   @u 5 @ v C O ı2 : C 41 C C0 1 C  2 @y @y

(4.208)

Ein Differenzialgleichungssystem zur Beschreibung einer Grenzschicht eines Fluides, dessen Viskosität sich aus dem Carreau Modell bestimmen lässt, erhält man, wenn man die

234

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Reynoldszahl gegen Unendlich laufen lässt, d. h. auch, dass ı gegen Null strebt. Wird diese Grenzwertbetrachtung durchgeführt, reduzieren sich die bestimmenden Gleichungen auf @u @u Cv @x @y 2 3 ( )(  ) n3   2 2 @u 2 @u 2 @p 4 5@ u; 1C  D  C 1 C C0 1 C n  @x @y @y @y2

u

(4.209)

@v @u C D 0; @x @y @p 0D : @y Die Randbedingungen, die für dieses Gleichungssystem gelten sollen, sind die gleichen, wie sie schon für das Fluidmodell nach dem Potenzansatz genutzt wurden: u D 0; v D V.x/ bei y D 0;

(4.210a)

u ! Ue .x/ wenn y ! 1:

(4.210b)

Als Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass eine Grenzschichtströmung eines Carreau Fluides durch diese stark vereinfachten partiellen Differenzialgleichungen (4.209) und mit den einhergehenden Randbedingungen (4.210b) beschrieben wird. Dieses Gleichungssystem ist jedoch nichtlinear, und eine geschlossene Lösung ist nicht bekannt. Daher ist man wiederum gezwungen, dieses Problem numerisch zu lösen. Die herkömmliche Vorgehensweise zur Lösung dieser Klasse von Problemen besteht darin, das Gleichungssystem in eine für numerische Methoden geeignete Form zu transformieren. Wie eine allgemeine Transformation konstruiert werden kann, wird im Schlichting [64] und bei Schneider [65] dargestellt. Der Leitgedanke zur Wahl der Transformation ist dadurch geprägt, dass eine Reynoldszahl äquivalente Form der nichtnewtonschen Strömung zur Strömung mit newtonschem Fließverhalten gewährleistet werden soll. Zudem zielt eine Transformation in der Regel auch darauf ab, das Problem um eine Dimension zu reduzieren. Die von Denier und Dabrowski verwendete Transformation wird daher wie folgt definiert:   12 Ue ; (4.211)  D x;  D y x Zugleich wird die Stromfunktion 1

.x; y/ D .Ue x/ 2 f .; /

(4.212)

eingeführt. Hier bezeichnet Ue die externe Geschwindigkeit der Fernfeldströmung und f .; / die dimensionslose Stromfunktion. Die so gewählte Stromfunktion erfüllt auch die Kontinuitätsgleichung.18 Die Geschwindigkeitskomponenten sind gegeben durch: 18

Dies ist eine grundlegende Zwangsbedingung an die Formulierung einer Stromfunktion.

4.3

Ebene Schichtenströmungen

@f , @ 2

235

u D Ue

v D 4

@Ue x @x

C Ue 1

2 .Ue x/ 2

 f C .Ue x/

1 2



3  @f @f 5 : C x @ @

(4.213)

Nachdem die neuen Ausdrücke für u; v und die Ableitung von u in die Impulsgleichung in x-Richtung eingesetzt werden, so folgert nach einigen Vereinfachungen [16]: 2 3 (  2 2 ) (  2 2 ) n3 2 @3 f 4 @ f @ f Ue3 Ue3 5  2  2 1 C C0 1 C n 1C @y3  @  @ "

 2 # 2  @Ue 1  @Ue @f @f C C 1 C1 f 2 Ue @ @ 2 Ue @ @

2 @2 f @f @ f @f :  D @@ @ @2 @

(4.214)

Das Verhalten einer Strömung (gerade auch in der Grenzschicht) wird häufig vom Druckgradienten geprägt. Dies kann besonders dadurch berücksichtigt werden, indem, wie schon gehabt, ein externer Druckgradientenparameter ˇh eingeführt wird. Dieser wird definiert als  @Ue : (4.215) ˇH ./ WD Ue @ Der Term 1 in Gl. (4.214) verursacht hierbei für sehr kleine -Werte ein singuläres Verhalten. Diese Singularität kann jedoch beseitigt werden durch Ausfaktorisieren des Terms: 2

3  2 2 ) (  2 2 ) n3 2 @ f @ f @f 4 1n 5 1 C C0  2  C nUe3  2  C Ue3  2 @y3 @ @ "  2 # @2 f @f 1 C ˇH 1  C ŒˇH C 1 f 2 @ 2 @

2 @2 f @f @ f @f :  2 D @@ @ @ @ 3

(

(4.216)

Gl. (4.216) ist eine nichtlineare partielle Differenzialgleichung dritter Ordnung, was deren numerische Lösung erschwert. Denier und Dabrowski reduzieren die Ordnung der Diffe@f renzialgleichung um Eins, indem sie die Funktionsableitung (f nach ) durch q D @ substituieren. Das Reduzieren der Ordnung erlaubt schließlich die Anwendung eines simpleren, numerischen Schemas. Mit Hilfe dieser Substitution erhält man:

236

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

2 3 ( 2 ) ( 2 ) n3   2 @2 q 4 @q @q 1n 5 1 C C0  2  C nUe3   C Ue3  @y2 @ @

 1 @q @f @q .ˇH C 1/ f C  C C ˇH 1  q2  q D 0: 2 @ @ @ Da

@f @

(4.217)

D q.; /, ergibt die Integration nach : Z f .; / D



qd C G./ :

(4.218)

0

Durch Einsetzen der Randbedingung an der Stelle  D 0 in die Funktion f .; / verschwindet das Integral; damit kann die allein von -abhängige Funktion G durch f .; 0/ D G./ ersetzt werden: Z  f .; / D

qd C f .; 0/ :

(4.219)

@f .; 0/ @q d C : @ @

(4.220)

0

Für die Ableitung nach  folgt @f .; / D @

Z 0



Unter Verwendung dieser Ausdrücke für f und 2

@f @

in Gl. (4.217) ergibt sich

3 2 ) ( 2 ) n3   2 @q @q @ q4 1n 5 1 C C0  2  C nUe3   C Ue3  @y2 @ @

Z   1 1 @f @f .; / @q .ˇH C 1/ q C  C d C .ˇH C 1/ f .; 0/ C  2 @ 2 @ @ 0  @q D 0 : (4.221) C ˇH 1  q2  q @ (

2

Die Randbedingungen (4.210b) werden im neuen Koordinatensystem .; / ausgedrückt, die Haftbedingung an der Oberfläche fordert u D 0 bei  D 0, daraus folgt: @f jD0 D 0; oder q jD0 D 0 : @

(4.222)

Der Transport an der Oberfläche, der durch eine mögliche Geschwindigkeitskomponente v D V./ bei  D 0 gegeben sein kann, wird mit  VD

Ue 

 12

1 .ˇH  1/f .; 0/ C  2



@f @f .; 0/ C  jD0 @ @



4.3

Ebene Schichtenströmungen

237

berechnet. Das kann schließlich vereinfacht werden zu:  

 Ue

 12

VD

1 @f .; 0/ .ˇ C 1/f .; 0/ C  : 2 @

(4.223)

Die Randbedingung für das Fernfeld, u ! Ue wenn  ! 1, erfordert: @f ! 1 wenn  ! 1 oder q ! 1 : @

(4.224)

Gl. (4.223) kann verwendet werden, um Gl. (4.221) zu vereinfachen, woraus 2 3 ( 2 ) ( 2 ) n3   2 @2 q 4 @q @q 1n 5 1 C C0  2  C nUe3   C Ue3  @y2 @ @ "Z    12 #   1 @q @f .ˇH C 1/ q C  d  C V 2 @ Ue @ 0

(4.225)

 @q C ˇH 1  q2  q D0 @ folgt, die zugehörigen Randbedingungen sind: q D 0 bei  D 0 ; q ! 1 wenn  ! 1 ;

(4.226)

wohingegen ein Massentransportrandbedingung in Gl. (4.225) implizit vorliegt. Die partielle Differenzialgleichung, die die Grenzschichströmung des Carreau-Fluids bestimmt, Gl. (4.225), stellt eine Integrodifferenzialgleichung dar, die numerisch gelöst werden kann. Als wesentlicher Punkt soll hier festgehalten werden, dass überhaupt eine Grenzschichtgleichung hergeleitet werden kann, denn mit der Eigenschaft, Grenzschichten auszubilden, ist verbunden, dass die Wirkung einer Haftung an der Wand in das Strömungsfeld hinein begrenzt ist und als Distanz und damit als Dicke der Grenzschicht erfasst werden kann. Dies entspricht der experimentellen Beobachtung, zudem sind Grenzschichtgleichungen auch ein Ansatzpunkt für numerische Lösungen, da man die Strömung unterteilen kann in einen wandnahen, viskosen Bereich und einen wandfernen, reibungslosen und damit aus numerischer Sicht sehr viel einfacher zu berechnenden Bereich. Wie oben bereits beobachtet, bereitet insbesondere die nichtlineare Natur der partiellen Differenzialgleichung der Grenzschichtströmung eines Carreau-Fluidmodells Schwierigkeiten, diese zu lösen, da ein analytischer Lösungsansatz nicht ohne weiteres ersichtlich ist. Wäre eine Ähnlichkeitslösung bekannt, so würde dies wertvolle Einsichten in das Verhalten der Strömung liefern. Eine Untersuchung der Gl. (4.216) weist schon darauf hin,

238

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

dass eine allgemeine Klasse von Ähnlichkeitslösungen, ähnlich der Falkner-Skan Lösungen für newtonsche Fluide, für den speziellen Fall des Carreau-Fluids nicht offensichtlich ist. Ferner ist noch nicht einmal klar, ob eine Lösung überhaupt existiert. Nur unter bestimmten Annahmen kann Gl. (4.216), wie Dabrowski [16] zeigt, auf eine Form reduziert werden, die es erlaubt, eine Selbstähnlichkeitslösung zu finden. Dies ist 1 z. B. der Fall, wenn für die Umströmung Ue ./ D  3 gilt. Diese spezifische Umströmung erinnert an die Falkner-Skan Gleichungen, hier entspricht sie einer Potenzialströmung um einen Keil, dessen eingeschlossener Winkel 2 beträgt. Setzt man Ue .x/ in Gl. (4.216) ein und f .; / D f ./ (d. h. das Geschwindigkeitsfeld in Strömungsrichtung nur von der Ähnlichkeitsvariablen  abhängt) voraus, erhält man:

n  2 o n  2 o n3 2 1 C n f 00 f 000 1 C C0 1 C n f 00  2 i 2 1h 1  f0 D 0; C ff 00 C 3 3

(4.227)

wobei mit den Strichen die Ableitung nach  gekennzeichnet wird. Die zugehörigen Randbedingungen lauten f D f 0 D 0 bei  D 0; f 0 ! 1 wenn  ! 1:

(4.228)

Gl. (4.227) kann mit einem Schießverfahren gelöst werden, wie Dabrowski [16] demonstriert. Ein Ergebnis ist hier deutlich hervorzuheben: Durch die nun bekannte Selbstähnlichkeitslösung für Carreau-Fluide kann auf hervorzuhebende Eigenschaften des Viskositätsverlaufes innerhalb der Grenzschicht geschlossen werden. Die Fluidviskosität berechnet sich über n  2 o n1 2 :  D 1 C C0 1 C f 00 In dieser Darstellung wurde eine Normierung so gewählt, dass die Viskosität gegen Eins strebt, wenn  ! 1. Wesentlich ist hier, dass die zweite Ableitung der Ähnlichkeitslösungfunktion f die Viskosität bestimmt. Diese wird in der Grenzschicht an keiner Stelle zu Null, weder an der Wand noch irgendwo im Feld, wie Dabrowski [16] aufzeigt. Dies ist aber ein wesentlicher Unterschied zum Power-Law Ansatz, der auf eine Gleichung führt, die verschwindende Viskositäten aufweisen kann. Da eine verschwindende Viskosität beim Carreau Fluidmodell nicht auftritt, ist das Modell im Prinzip physikalischer als ein Power-Law Modell und daher gerade für Grenzschichtströmungen oder ähnliche Strömungsformen sehr gut geeignet. Dies ist auch der Grund, warum im späteren Verlauf nur das Carreau Fluidmodell für die numerischen Simulationen herangezogen wird.

4.3

Ebene Schichtenströmungen

4.3.7

239

Ebene thermische Plattenströmung

Wie oben schon beschrieben wurde, ist die wohl einfachste ebene Schichtenströmung die stationäre, laminare, quasi zweidimensionale Überströmung einer ebenen Platte. Dazu sind spezielle Lösungen bekannt. Nun jedoch soll die überströmte Platte temperiert werden, sodass sich auch eine thermische Grenzschicht ausbildet. Die Platte soll im Ursprung beginnen und dann entlang der Koordinatenachse x überströmt werden. Es wird also vorausgesetzt, dass die Strömung in x Richtung fließt und y die wandnormale Richtung kennzeichnet. Die ausgebildete Strömungsgrenzschicht soll am Freiströmungsrand die Geschwindigkeit U1 aufweisen, eine Temperatur T1 soll am thermischen Grenzschichtrand herrschen. Das bestimmende Gleichungssystem besteht aus der Massenerhaltung, @v @u C D 0; (4.229) @x @y der reduzierten Grenzschichtimpulsgleichung, u

@u @U1 @v 1 @ xy Cv D U1 C : @x @y @x @y

(4.230)

und der Temperaturgleichung, u

  @T @T @ @T a ; Cv D @x @y @y @y

(4.231)

Im diffusiven Transportterm der Temperatur T tritt die schon bekannte Temperaturleitfähigleit a D cp , siehe Gl. (2.273), auf. In der Grenzschichtimpulsgleichung tritt der

Term U1 @U@x1 auf, der nach Bernoulli dem Druckgradienten  1 @p entspricht, da am @x Grenzschichtrand eine reibungsfreie Strömung angenommen wird. Zudem soll die folgenden Randbedingungen, die die Lösung bestimmen, gelten: An der undurchlässigen, reibungsbehafteten Wand bei y D 0 ist die Geschwindigkeit Null, u .x; 0/ D 0 ; v .x; 0/ D 0 :

(4.232)

Für die Temperaturgleichung werden in der Regel zwei Grenzfälle betrachtet: Einerseits wird die Wand oft stark vereinfachend als isotherm angesehen TW D konst:, andererseits wird häufig ein konstanter Wärmestrom über die Wand angenommen. In diesem Fall kann der wandnormale Oberflächenwärmefluss qP N D qP W vereinfachend beschrieben werden durch: @T D ˛ .TF  TW / : (4.233) qP W D  @y

240

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Der Wärmeübergangskoeffizient an der Wand wird mit ˛ gekennzeichnet, die Temperatur des wandüberstreichenden Fluids mit TF , und die Wandtemperatur mit TW . In theoretisch unendlicher Entfernung von der Wand .y D 1/, was hier bedeutet außerhalb der thermischen und impulsgetriebenen Grenzschicht, sind die Randbedingungen die folgenden: u .x; 1/ D U1 ; (4.234) T .x; 1/ D T1 : Zudem kann angenommen werden, entweder, dass das Fluid aufgrund einer höheren Temperatur an der Wand oder eines Wärmestroms aufgeheizt wird, oder, dass das Fluid abgekühlt wird, wenn es heißer ist als die Wand bzw. die ebene Platte. Analog zu der Herleitung der Integralmethode für die rein impulsgetriebene Strömungsgrenzschicht wird mit der Temperaturgleichung verfahren. Das Aufstellen einer integralen Temperaturbilanz über ein an der Wand angrenzendes Kontrollvolumen führt auf die Ansatzgleichung @ @x

Z

ıT

u .T1  T/ dy D a

0

@T ˇˇ : @y yD0

Diese Gleichung wird mit der dimensionslosen Temperatur  D @ @x

Z

ıT

.1  / udy D a

0

@ ˇˇ : @y yD0

(4.235) TTW T1 TW

umgeformt zu:

(4.236)

Man kann, wie schon in Abschn. 4.3.2 gezeigt wurde, einen polynomialen Ansatz für den ungefähren Verlauf des Temperaturprofils wählen:  DaCb

 2  3 y y y Cc Cd : ıT ıT ıT

(4.237)

Es gelten die folgenden Randbedingungen:  D0

für y D 0 ;

 D1

für y D ıT ;

@ D1 für y D ıT ; @y @ D konst: in Wandnähe : @y

(4.238)

Aus den Randbedingungen folgt: D

3 y 1  2 ıT 2



y ıT

3 :

(4.239)

4.3

Ebene Schichtenströmungen

241

Durch Ableiten bestimmt sich der wandnormale Gradient von Gl. (4.236) zu 3 @ ˇˇ D ; @y yD0 2ıT

(4.240)

sodass nun diese Gleichung berechnet werden kann. Der prinzipielle Verlauf der Temperatur entspricht dem der Grenzschichtgeschwindigkeit aus Abschn. 4.3.2, da der gleiche Ansatz gewählt wurde. Diese formale Ähnlichkeit der Integralgleichungen (und dem damit verbundenen prinzipiellen Verhalten) nennt sich auch Reynoldsanalogie. Der grundsätzlich gleiche Aufbau der Gleichungen führt auf ein gleiches Verhalten der Grenzschichtgeschwindigkeit und der Grenzschichttemperatur, was genutzt werden kann, um die Anlauflänge bzw. Einlauflänge (bei Rohren und Kanälen) zu bestimmen. Weiteres dazu findet sich bei Polifke [55]. Das Verhältnis der impulsgetriebenen zur thermischen Grenzschichtdicke kann Polifke fogend als konstant angenommen werden: kD

ıT D konst: : ı

(4.241)

P Das Integral des massespezifischen Enthalpieflusses in Gl. (4.236), nachfolgend mit H bezeichnet, lässt sich dann unter der Bedingung, dass die dimensionslose Temperatur  oberhalb der thermischen Grenzschicht h > ıT Null ist, mit Hilfe eines Näherungsansatzes durch ein Polynom dritten Grades berechnen und durch das Grenzschichtdickenverhältnis ausdrücken: P D H

Z Z

h

.1  / udy

0 ıT

D

.1  / udy

  !  ! y 3 1 y 3 3 3 y y  u1 ıT k k d ıT 2 ıT 2 ıT ıT 0   Z 1 1 1 3 3 yQ k  yQ 3 k3 dQy 1  yQ C yQ 3 D u1 ıT 2 2 2 2  0 3 2 3 4 k  k : D u1 ı 20 280 0

Z

1

1 3 y C 1 2 ıT 2



(4.242)

Bei Flüssigkeiten ist es in der Regel der Fall, dass die Temperaturgrenzschicht kleiner ist als die Impulsgrenzschicht. Dann zeigt ein Vergleich der Größenordnungen, dass für diesen Fall der letzte Term in der Klammer auf der rechten Seite von Gl. (4.242) vernachlässigt werden kann. Es bleibt die Beziehung: P D u1 ı 3 k2 : H 20

(4.243)

242

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Jetzt wird Gl. (4.235) umgeschrieben zu:   @T ˇ @ 3 2 u1 ı k D a ˇyD0 ; @x 20 @y

(4.244)

und die Randbedingung (4.240) genutzt: 3 3 2 @ı k u1 D a : 20 @x 2ıT

(4.245)

Ersetzen von ıT durch Nutzen der Beziehung (4.241) führt auf 3 3 @ı 3 k u1 D a ; 20 @x 2ı was sich umformt zu k3 D

10a u1 ı @ı @x

:

(4.246)

(4.247)

Für u1 ı @ı kann Gl. (4.151) zur Ersetzung herangezogen werden. Damit lässt sich @x schließlich das Verhältnis der Grenzschichtdicken mit Hilfe der Prandtlzahl ausdrücken: ıT D 0; 976Pr1=3 : ı

(4.248)

Damit lassen sich Abschätzungen durchführen: Für zähe Fluide, wie Öle, Schlämme oder Farben ist die Prandtlzahl mehrere Größenordnungen groß, sodass die Dicke der Temperaturgrenzschicht meist nur ein Zehntel der der Strömungsgrenzschicht beträgt.19 Bisher wurden Fluide allgemein betrachtet, daher rücken jetzt die nichtnewtonschen Fluide wieder ins Blickfeld. Nachfolgend sollen die Differenzialgleichungen für ein Power-Law Fluid hergeleitet werden, die eine Berechnung der Temperaturgrenzschichten erlauben. Da auch im nichtnewtonschen Fall beim Temperaturtransport der Geschwindigkeitsverlauf und der Geschwindigkeitsgradient eingehen müssen, ist immer eine zusätzliche Differenzialgleichung erforderlich, um eine Lösung generieren zu können. Dazu wird wieder die Anströmung einer stromauf spitz zulaufenden, ebenen Platte betrachtet. Das zugehörige, kartesische Koordinatensystem .x; y/ hat seinen Ursprung an der Plattenspitze. Unter der Bedingung, dass sich die Grenzschicht ausgebildet hat und der Druckgradient verschwindet, reduziert sich das beschreibende Gleichungssystem auf: @v @u C D 0; @x @y 19

(4.249)

Diese ist dann auch maßgeblich für die wandnahe räumliche Auflösung bei numerischen Simulationen.

4.3

Ebene Schichtenströmungen

243

und u

@v 1 @ xy @u Cv D : @x @y @y

(4.250)

Dieses System unterscheidet sich somit von der allgemeinen Grenzschichtgleichung darin, dass der Druckgradient und damit die geometrische Änderung des Grenzschichtrandes vernachlässigt werden, U1 @U@x1 ! 0. Die ebene Platte soll wieder durch wandnah fließendes, entweder überhitztes Fluid der Temperatur Tf beheizt oder durch kaltes Fluid gekühlt werden, daher wird das System um die folgende Temperaturtransportgleichung ergänzt:   @T @T @ @T a : (4.251) Cv D u @x @y @y @y Wieder soll ein Power-Law Fluid mit einer Viskositätsfunktion entsprechend der Gl. (3.85) betrachtet werden. Ferner wird vereinfachend angenommen, dass die Fluideigenschaften unabhängig von der Temperatur sind. Das Fluidmodell wird jetzt in die Impulsgleichung eingesetzt:   ˇ @u ˇn1 @u @u 1 @ @u ˇ ˇ D K : (4.252) u Cv @x @y @y @y @y Die Randbedingungen, die schon im vorherigen Fall besprochen wurden, (4.232) und (4.234) sollen auch hier gelten. Es bieten sich mehrere Möglichkeiten an, um für dieses Differenzialgleichungssystem Strömungslösungen zu gewinnen. Der erste Ansatz besteht darin, zwei entkoppelte gewöhnliche Differenzialgleichungen zu erzeugen, die aus geeigneten Ähnlichkeitstransformationen und Einführen einer Stromfunktion resultieren. Diese können dann nacheinander gelöst werden. Allerdings sind Approximationen notwendig und analytische Lösungen nur bei weiteren starken Vereinfachungen herleitbar. Daher muss sich letztendlich auf numerischen Lösungsverfahren zurückgezogen werden. In der Arbeit von Bognár und Hriczó [7] wird der schon bekannte Ansatz verfolgt, mit Hilfe einer Ähnlichkeitsvariable die vollausgebildete, thermische, nichtnewtonsche Grenzschicht bei einem konstanten Wärmestrom über die Wand zu berechnen. Dabei wird angenommen, dass das überströmende Fluid heißer ist als die Wand, es gilt damit TF > TW > T1 , damit gibt das Fluid die mittransportierte Wärme an die Wand ab, was dem Kühlfall eines Wärmetauschers entspricht. Die Lösung der Differenzialgleichung (4.252) erfolgt über einen Ähnlichkeitsansatz durch Einführen der neuen dimensionslosen Variablen  D ayxp und der polynomialen Stromfunktion  D bxq f ./, wobei hier die Konstanten a und b und die Exponenten p und q auftreten.20 Zudem tritt hierin die von der Ähnlichkeitsvariable abhängige 20

Der Ähnlichkeitsansatz ist von Pohlhausen aus der Grenzschichttheorie bekannt.

244

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Stromfunktion f ./ auf, die dimensionslos ist. Dieser Ansatz erfüllt die Kontinuitätsgleiund v D  @ ist. Ferner unterliegt die Stromfunktion den obigen chung, da u D @ @y @x Randbedingungen: @ .x; 0/ D 0 ; @x @ .x; 0/ D 0 ; (4.253) @y @ .x; 1/ D U1 : @x Die Stromfunktion wird in Gl. (4.252) eingesetzt, was auf:   @ @2  K @ ˇˇ @2  ˇˇn1 @2  @ @2   ; D @y @y@x @x @y2 @y @y2 @y2

(4.254)

führt. Zur Lösung dieser Differenzialgleichung wird die Ableitungen der Stromfunktion  nach x; y berechnet, wobei zu beachten ist, dass die Funktion f von der Ähnlichkeitsvariable abhängt:

und

  @ D bx.pC1/ pf C qf 0 @x

(4.255)

@ D abx.pCq/ f 0 : @y

(4.256)

Die Ableitung der Funktion f nach  wird hier mit 0 gekennzeichnet. Beide Ableitungen werden jeweils nach y noch einmal abgeleitet, bevor eingesetzt werden kann in Gl. (4.254). Mit Hilfe eines symbolischen Mathematikprogrammes lässt sich folgende Gleichung für die Ähnlichkeitsvariablenstromfunktion herleiten:  00 n1 00 0 jf j f  p f f 00 C .p C q/f 02 D 0 ;

(4.257)

wobei als Bedingung vorausgesetzt wird, dass einerseits .2  n/p C .2n  1/q D 1 ist und andererseits K= a2n1 bn2 D 1 sein soll. Aus den Randbedingungen (4.234) und aus Gl. (4.256) folgt ab D U1 und pCq D 0 bzw. p D q. Aus den Randbedingungen (4.253) kann auf p D q D 1=.n C 1/ geschlossen werden, die Koeffizienten a; b berechnen sich zu: 1   nC1 2n K .U1 / nC1 ; (4.258) aD bD

1   nC1 2n1 K .U1 / nC1 :

(4.259)

4.3

Ebene Schichtenströmungen

245

Somit reduziert sich die Differenzialgleichung auf:  00 n1 00 0 jf j f 

1 f f 00 D 0 ; nC1

(4.260)

mit den Randbedingungen: f .0/ D 0 ; f 0 .0/ D 0 ;

(4.261)

f .1/ D 1 : Zudem sind jetzt die Koeffizienten der Stromfunktion und der Ähnlichkeitsvariable bekannt: 1   nC1 2n1 K .U1 / nC1 x1=.nC1/ f ./ ; (4.262)  .x; y/ D 1   nC1 2n K .U1 / nC1 yx 1=.nC1/ ; .x; y/ D

(4.263)

Die Geschwindigkeitskomponenten lassen sich dann daraus berechnen: u .x; y/ D U1 f 0 ./ ; 1   nC1 2n  n  U1  nC1 K U1 x nC1  f 0 ./  f ./ : v .x; y/ D nC1

(4.264)

Zur Herleitung einer von  abhängigen Temperaturtransportgleichung für den Fall der isothermen Wandrandbedingung wird die Temperaturgleichung (4.251) herangezogen und die obige Variablentransformation, .x; y/ ! ./, durchgeführt. Dies führt auf eine der dimensionslosen Stromfunktionsgleichung formal ähnlichen Differenzialgleichung:  00 n1 0 0 Pr f  0 ./ D 0 : jf j  ./  nC1

(4.265)

Die Temperaturrandbedingungen für den isothermen Fall lauten:  .0/ D 0 ;  0 .0/ D 0 ;

(4.266)

 .1/ D 0 : Mit den beiden Gl. (4.260) und (4.265) und den zugehörigen Randbedingungen lassen sich die Lösungen nun numerisch bestimmen.

246

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

An dieser Stelle soll der alternative Lösungsweg betrachtet werden: Anstelle der Lösung zweier entkoppelter, gewöhnlichen Differenzialgleichungen, die sich durch eine geeignete Ähnlichkeitstransformation ergeben, soll nun zur Berechnung der thermischen Grenzschichtströmung ein approximierendes Differenzialgleichungssystem hergeleitet werden, das dann numerisch gelöst werden kann. Molla und Yao [45] wählen dazu einen Transformationsansatz, um die impulsgetriebene und thermische Grenzschicht berechnen zu können, sie entdimensionieren die Gl. (4.251) und (4.252) durch: yp x Re; xQ D ; yQ D l l u v uQ D ; vQ D ; U1 U1 T  T1 D ; TW  T1 was auf:

(4.267)

@vQ @Qu C D 0; @Qx @Qy   @Qu @Qu @ @Qu uQ C vQ D D ; @Qx @Qy @Qy @Qy uQ

(4.268)

(4.269)

@ 1 @2  @ C vQ D ; @Qx @Qy Pr @Qy2

(4.270)

führt. Hier treten die Reynoldszahl Re, der dimensionslose Diffusionskoeffizient D, Re D

 K U1 l ; DD D 1 1 1



U1 l

n1

ˇ @Qu ˇn1 ˇ ˇ ; @Qy

(4.271)

und die Prandtlzahl Pr auf. Die Bezugslänge l wird entsprechend lDC

2=.1n/

"  #1=.n1/ K 2 1 nC1 1

(4.272)

berechnet. Zudem wurde der Diffusionskoeffizient verkürzt geschrieben als: ˇ @Qu ˇn1 D D Cˇ ˇ : @Qy

(4.273)

Jetzt führen Molla und Yao [45] parabolische Koordinaten ein, um die Singularität an der Spitze der ebene Platte zu beseitigen: yQ  D xQ ;  D p ; 2Qx p U D uQ ; V D 2Qx vQ :

(4.274)

4.3

Ebene Schichtenströmungen

247

Die dimensionslose Temperatur ist jetzt eine Funktion von  und ,  D .; /. Das neue Koordinatensystem formt die Kontinuitäts-, Impuls- und Temperaturgleichung um zu: 2

@U @U @V  C D 0; @ @ @

@U @U @ 2U C .V  U/ D @ @ @

2U

  @U D : @

@ @ 1 @2  C .V  U/ D ; @ @ Pr @ 2

(4.275)

(4.276)

(4.277)

Die Randbedingungen für dieses Gleichungssystem sind sowohl an der Wand vorgegeben, U D 0; V D 0;  D 1, wie auch außerhalb der impulsgetriebenen und der thermischen Grenzschicht, U D 1; V D 0;  D 0. Dies ist das bestimmende Gleichungssystem, für das keine analytische Lösung bekannt ist, daher muss wiederum auf ein numerisches Lösungsverfahren zurückgegriffen werden. Anstatt der isothermen Wandbedingung kann sehr leicht der Fall eines konstanten Wärmestroms betrachtet werden. Dazu muss die Entdimensionierung der Temperatur leicht angepasst werden:   U1 l 1=2 T : (4.278)  D qP l W 1 a

Es ist geschickt, die dimensionslose Temperatur in parabolischen Koordinaten darzustelp len,  D 2 .; /. Das führt auf die neue Temperaturgleichung,

2U

@ 1 @2  @ C .V  U/ C U D ; @ @ Pr @ 2

(4.279)

D 1. Der Wert 1 entspricht mit einer neuen Temperaturwandrandbedingung z. B. @ @ dem Abfluss von Wärme über die Wand aus dem System hinaus, 1 entspräche einem Wärmezufluss. Jetzt muss das um diese Gleichung erweiterte System diskretisiert werden, erst danach kann es numerisch gelöst werden. Die vorgestellten Ansätze, um gekoppelte Strömungs- und Temperaturgrenzschichten zu bestimmen, führen zwar nicht auf einfache analytische Lösungen, sie demonstrieren jedoch, dass auch für komplexe Randbedingungen noch Strömungslösungen bestimmt werden können, indem die Ordnung des Differenzialgleichungssystems geeignet reduziert wird. Zudem verdeutlichen die aufgestellten Gleichungssysteme die Ähnlichkeitscharakteristik der Grenzschicht, da nur die Prandtlzahl und der Diffusionskoeffizient lösungsbestimmend sind.

248

4.3.8

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Ebene Kanalströmung

Eine einfache Strömungsform mit leicht zu definierenden Randbedingungen ist die eingelaufene, stationäre, laminare Kanalströmung in einem ebenen Kanal mit ruhenden Wänden. Die Strömung ist eine reine Druckströmung, wobei der antreibende Druckgradient konstant über den Querschnitt anliegt. Es bildet sich eine ebene Schichtenströmung mit starken Gradienten an der Wand aus. Für ein newtonsches Fluid ist das Geschwindigkeitsprofil grundsätzlich bekannt; es lässt sich bei Vorgabe der Haftbedingung an den Wänden in Abhängigkeit vom Druckgefälle angeben. Dazu wird ein Koordinatensystem so eingeführt, dass der Ursprung an der unteren Kanalwand liegt. Der Kanal hat die Höhe h. Entsprechend der Impulsgleichung kann nun die Kräftebilanz aufgestellt werden: @p @ D : @y @x

(4.280)

Hier wurde die Spannung nicht mit dem Index yx indiziert, da nur die Scherpannung in Strömungsrichtung auftritt. Zuerst wird der newtonsche Fall betrachtet. Die Ableitung der D ersetzt: Spannung wird entsprechend  @u @y @2 u 1 @p : D 2 @y  @x

(4.281)

Zweimalige Integration in wandnormale Richtung führt auf: u .y/ D

1 @p 2 y C C1 y C C2 : 2 @x

(4.282)

Die Integrationskonstanten folgen aus den Randbedingungen: An den Wänden ist die Geschwindigkeit aufgrund der Haftbedingung Null, damit ist C2 identisch Null. Da die Strömung grundsätzlich symmetrisch ist, kann C1 durch Einsetzen von h in Gl. (4.282) bestimmt werden: 1 @p h: (4.283) C1 D  2 @x Das Geschwindigkeitsprofil zeigt unter der Annahme eines newtonschen Fluids den bekannten parabelförmigen Verlauf: u .y/ D

 1 @p  2 y hy 2 @x

(4.284)

Nun wird ein nichtnewtonsches Fluid betrachtet: Setzt man die Viskositätsfunktion eines Ostwald-de Waele Fluids, siehe Gl. (3.84) in den Ansatz (4.280) ein, so ergibt sich das Geschwindigkeitsprofil aus dem folgenden Ansatz, siehe auch Skelland [68]:

ˇ @u ˇn1 @u @p @ Kˇ ˇ D (4.285) @y @y @y @x

4.3

Ebene Schichtenströmungen

249

 n @u @p @ ; K D @y @y @x

bzw.

(4.286)

wobei zugleich die Scherrate durch die partielle Ableitung der Geschwindigkeit nach der Wandnormalen ersetzt wurde. Zudem wird eine symmetrische Kanalströmung angenommenen, das erlaubt die Betragszeichen der Scherrate in der Fluidmodellierung in der Berechnung zu vernachlässigen, siehe dazu die Ausführungen von Bird [4]. Dies lässt sich integrieren zu:  n 1 @p @u D (4.287) y C C1 : @y K @x Die Integrationskonstante C1 ergibt sich aus der Symmetrie der Strömung in der Kanalmitte bei h=2, dort ist der Geschwindigkeitsgradient Null: C1 D  Dies führt auf:

1 1 @p h: 2 K @x

(4.288)

1n 1 @p @u .y  h/ : D @y K @x

Erneut wird integriert:

h u .y/ D

1 @p K @x

.y  h/

(4.289)

i nC1 n

nC1 1 @p n K @x

C C2 :

(4.290)

Die Integrationskonstante C2 kann durch die Randbedingung an der Stelle y D h bestimmt werden, da dort die Geschwindigkeit Null ist. Umformen von Gl. (4.290) führt auf:

C2 D 

h i nC1 n  12 K1 @p h @x nC1 1 @p n K @x

:

(4.291)

Schließlich ergibt sich: u .y/ D

1 nC1 1 @p n K @x

"

1 @p .y  h/ K @x

nC1 n

# nC1

n 1 1 @p h   : 2 K @x

(4.292)

Damit ist eine funktionaler Zusammenhang zwischen dem Druckgradienten und dem Geschwindigkeitsprofil gegeben, der zur Validierung herangezogen werden kann. In Abb. 4.5 wird der Einfluss des Fließindex für einen festen Druckgradienten und gegebenen Konsistenzparameter gezeigt.

250

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Abb. 4.5 Einfluss des Fließindex des Ostwald-de Waale Fluids auf das Geschwindigkeitsprofil einer ebenen Kanalströmung, h D 1 m; @p=@x D 4 Pa/m

2 u[m/s]

(n + 1)/ n = 6 (n + 1)/ n = 4 (n + 1)/ n = 2

1

0 0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

y[m]

4.3.9

Ebene Druckschleppströmung

Ein weiteres numerisches Prinzipexperiment, das sich gut zur Validierung des eingesetzten numerischen Verfahrens eignet, ist die Simulation der ausgebildeten, stationären, ebenen Druckschleppströmung in einem Kanal. Diese Strömung ist eine Verallgemeinerung der obigen, ebenen Kanalströmung. Die Druckschleppströmung ist eine reibungsbehaftete Schichtenströmung zwischen zwei gleichförmig bewegten Wänden bei gegebenen räumlich konstanten Druckgradienten. Hierbei sollen die Wände sich nur in tangentialer Richtung in ihrer Geschwindigkeit unterscheiden, der Abstand der Wände zueinander soll dagegen konstant bleiben. Da für diese Strömung eine analytische Lösung angegeben werden kann, sind entsprechende Validierungsgrößen bei gegebenen Strömungsparametern grundsätzlich bekannt. In der folgenden Betrachtung soll wiederum das Geschwindigkeitsprofil in Abhängig, keit von der Geometrie, d. h. der Kanalhöhe h, vom vorgegebenen Druckgradienten @p @x vom Volumenstrom VP und vom Fluidmodell errechnet werden. Hierbei werden die sogenannten „isothermen“ Fälle betrachtet, d. h. die Temperatur hat keinen Einfluss auf die Viskosität. Zunächst wird der Fall eines newtonschen Fluides betrachtet: Aus der Impulsgleichung lässt sich, analog zur Herleitung der Kanalgeschwindigkeit der einfachen Schichtenströmung im festen Kanal, für die Druck-Schleppströmung das folgende Geschwindigkeitsprofil herleiten. Ausgangspunkt ist wieder das Kräftegleichgewicht von Gl. (4.281), das zweimal integriert wird und zu Gl. (4.282) führt. Der Unterschied liegt in den Randbedingungen: Da sich die untere Wand bewegt, ist C2 gleich der unteren Wandgeschwindigkeit u0 , für y D h ergibt sich die obere Wandgeschwindigkeit uh . Das führt zu:  C1  h D

1 @p 2 h C u0  uh 2 @x

(4.293)

4.3

Ebene Schichtenströmungen

251

bzw. C1 D 

1 @p u0  uh  h: h 2 @x

(4.294)

Das Geschwindigkeitsprofil nimmt dann die folgende Form an: u .y/ D

u0  uh 1 @p 1 @p 2 y  hy  y C u0 2 @x 2 @x h

(4.295)

 uh 1 @p  2 y  yh C y ; 2 @x h

(4.296)

bzw. u .y/ D

falls u0 den Wert Null hat oder man nur die Differenzgeschwindigkeit zwischen unterer und oberer Wand betrachtet. Es sei noch angemerkt, dass, falls das Druckgefälle Null ist, sich ein lineares Geschwindigkeitsprofil ergibt. Welche Form das Geschwindigkeitsprofil für den nichtnewtonschen Fall der ebenen Druckschleppströmung annimmt, ist ebenfalls von Interesse, jedoch lassen sich nicht immer geschlossene Lösungen angeben. Die prinzipielle Vorgehensweise ist jedoch die gleiche wie oben. Im folgenden wird der Spezialfall des Geschwindigkeitsprofils eines Prandtl-Eyring Fluides betrachtet. Ausgangspunkt ist wieder die Impulsgleichung mit der Kräftebilanz dp d D : (4.297) dy dx Wiederum wurde die Spannung nicht mit dem Index yx indiziert, da auch jetzt nur die Scherpannung in Stromrichtung auftritt. Integration ergibt den schon bekannten linearen Zusammenhang zwischen Druckgradient und Spannungsverlauf:

.y/ D 0 C

dp y; dx

(4.298)

wobei 0 die Wandschubspannung an der unteren Wand ist. Die Wandschubspannung an der oberen Wand h folgt durch Setzen von y D h. Für eine Auswertung muss eine Wandspannung bekannt sein. D P . / bzw. du D Um das Geschwindigkeitsprofil zu bestimmen, wird der Ansatz du dy d in Gl. (4.297) wird integriert: P . /dy gewählt. Nach der Substitution dy D dp=dx 1 u .y/ D dp=dx

Z . /d P C C1 :

(4.299)

In Gl. (4.299) kann die Integrationskonstante durch die Randbedingung C1 D u.0/ D u0 bestimmt werden. Jetzt gilt es ein geeignetes Fluidmodell einzusetzen, hier z. B. die inverse Fließfunktion des Prandtl-Eyring Modells:   Z

 1 d C u0 : sinh (4.300) u .y/ D dp=dx 0



252

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Hier ist die Indizierung der Bezugsspannung im Prandtl-Eyring Modell mit erfolgt, da nachfolgnd .0/ D 0 gesetzt wird. Jetzt lässt sich das Integral bestimmen zu:  

1  C C2 C u0 : cosh (4.301) u .y/ D dp=dx 0

 Die Integrationskonstante C2 bestimmt sich aus der Geschwindigkeit an der oberen Wand uh und der Wandschubspannung h für die Höhe h:  

h 1  C uh  u0 : cosh (4.302) C2 D  dp=dx 0

 C2 ist zugleich auch: C2 D 

 

0 1  ; cosh dp=dx 0



was für y D 0 folgt. Somit zeigt sich der interessante Zusammenhang:    

h

0 dp 0 .uh  u0 / : cosh  cosh D



 dx  Es folgt: u .y/ D

   

h 1  cosh  cosh C uh : dp=dx 0





Einsetzen von Gl. (4.298) führt zu: " !  # y

0 C dp 1 

h dx u .y/ D cosh  cosh C uh : dp=dx 0





(4.303)

(4.304)

(4.305)

(4.306)

Um die eingehenden Parameter zu reduzieren, gilt es, h zu ersetzen. Dazu wird die obere Wand betrachtet, wo die Geschwindigkeit uh und .h/ D h ist. Entsprechend Gl. (4.298) folgt: dp (4.307)

h D 0 C h : dx Damit hat auch der zweite cosh-Term den gleichen formalen Aufbau und zeigt die Abhängigkeit von 0 : " ! !# y h

0 C dp

0 C dp 1  dx dx u .y/ D (4.308) cosh  cosh C uh : dp=dx 0



 Diese Gleichung verdeutlicht, dass letztlich neben den Materialparametern und dem Druckgradienten noch zwei strömungsbestimmende Parameter bekannt sein müssen, um ein Geschwindigkeitsprofil angeben zu können. In diesem Fall sind es die Wandschubspannung an der unteren Wand und die obere Wandgeschwindigkeit.

4.3

Ebene Schichtenströmungen

253

4.3.10 Thermische Druckschleppströmung Um für eine thermische Druckschleppströmung eine Gleichung zur Berechnung des Temperaturprofils herzuleiten, wird die Energiegleichung in ihrer Temperaturform, siehe Gl. (2.271), herangezogen. Diese reduziert sich für diese einfache stationäre Schichtenströmung zu:  2 @u @2 T : (4.309)   2 D P 2 D  @y @y Nur mit den entsprechenden Randbedingungen kann die Energiegleichung gelöst werden: Am ruhenden Kanalboden soll die Dirichlet Randbedingung gelten, damit ist die Wand isotherm mit der konstanten Temperatur T .y D 0/ D T0 . Für die Oberseite der Strömung j D 0, dies entspricht kann entweder die Neumann Randbedingung gelten, d. h. @T @y yDh einer Symmetriebedingung, oder die obere Wand wird als isotherm angenommen, d. h. hier gilt wieder die Dirichlet Randbedingung T .y D h/ D Th . Jetzt muss in Gl. (4.309) die partielle Ableitung der Schichtgeschwindigkeit nach der Höhe ersetzt werden. Dazu wird Gl. (4.296) partiell in Richtung der Wandnormalen abgeleitet: uh 1 @p @u .h  2y/ : D  @y h 2 @x

(4.310)

Dieses Ergebnis wird in (4.309) eingesetzt. Eine erste Integration liefert:

 @T .y/   uh 2 uh @p  D hy  y2 y @y  h h @x # " 2   4 3  1 @p 2 2 h y  2hy C y C C1 :   2 @x 3

(4.311)

Es folgt durch nochmaliges Integrieren:

  uh @p hy2 y3   uh 2 y2   T .y/ D   h 2 h @x 2 3 # " 2  2 2  3 1 @p 2hy y4 h y  C C1 y C C2 :  C   2 @x 2 3 3

(4.312)

Damit lässt sich das Temperaturprofil für eine Wandgeschwindigkeit, einer Kanalhöhe, einer Viskosität und für ein vorgegebenes Druckgefälle, angeben, sobald die Integrationskonstanten bestimmt sind. Diese lassen sich aus den Randbedingungen ableiten: Nimmt man jeweils isotherme Wände an, so folgt für die Integrationskonstanten:  u 2 u @p h2  h h .Th C To /   C  h  @x 6  C2 D  T0 :  C1 D 



1 @p 2 @x

2

h3 ; 3

(4.313)

254

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Anders sieht dies für eine isotherme und adiabate Wand aus: 

1 @p C1 D  2 @x  C2 D  T0 : 

2

h3  3



uh p h

2 ; (4.314)

Durch Einsetzen der jeweiligen Konstanten lassen sich die zugehörigen, analytischen Lösungen leicht berechnen. Diese dienen dann der Validierung der numerischen Simulation.

4.3.11 Thermoviskose, ebene Couette-Strömung Wie schon in Abschn. 3.6.1 diskutiert wurde, ändert sich die dynamische Viskosität mit der Temperatur. Dies muss immer dann berücksichtigt werden, wenn eine nennenswerte Temperaturdifferenz21 zwischen Wand und Fluid oder gegenüberliegenden begrenzenden Wänden vorliegt, ferner, wenn die Wärmeentstehung durch Dissipation entsprechend hoch ist und damit der Temperaturanstieg auf die Viskosität rückwirkt. Zur Anschauung betrachten wir nun den Fall einer vollausgebildeten, stationären, inkompressiblen, planaren Couette-Strömung eines newtonschen Fluids mit temperaturabhängiger dynamischer Viskosität. Die obere Wand soll sich mit der Geschwindigkeit u.y D h/ D uh bewegen, dort wirkt die Temperatur Th , während die untere Wand ruht, u.y D 0/ D u0 D 0, dort ist die Temperatur T0 . Es wird angenommen, dass T0 der initialen Temperatur des durchströmenden Fluids gleicht. Die dynamische Viskosität soll der einfachen Reynoldsschen Modellviskosität entsprechen,  .T/ D 0 e.T0 T/ .22 Es herrscht die Haftbedingung an den Wänden, zudem sollen der Druckgradient, der Schwerkrafteinfluss und die Temperaturabhängigkeit der Viskosität des Fluids vernachlässigbar sein. Für diese Schichtenströmung gestaltet sich die Impulsgleichung recht einfach:

@ .T0 T/ @u .y/ 0 e D 0: @y @y

(4.315)

Die Energiebilanz nimmt die folgende Gestalt an: 0 u2h @2 T e.T0 T/ C .Th  T0 /  @y2 21



@u .y/ @y

2 D 0:

(4.316)

In der Literatur wird häufig eine Differenz von 10 Kelvin als Grenze angeführt. Hier wird  anstelle von  verwendet, um anzuzeigen, dass die Scherrate keinen Einfluss auf die Viskosität haben soll. 22

4.3

Ebene Schichtenströmungen

255

Zur Herleitung einer allgemeinen Lösung werden diese Gleichungen entdimensioniert: y u ; u D ; h uh  T  T0  D ; D : 0 Th  T0 y D

(4.317)

Ferner wird die Temperaturdifferenz verkürzt geschrieben als ıT D Th  T0 . Zudem wird eine modifizierte Brinkmanzahl eingeführt: Brm D

0 u2h : .Th  T0 / 

(4.318)

Bekannterweise ist  die Wärmeleitfähigkeit des Fluids. Somit nehmen die Impuls- und Energiegleichung eine noch einfachere Gestalt an:

 @ .ıT / @u e D 0; @y @y

(4.319)

die Energiebilanz vereinfacht sich zu: @2  C Brm e.ıT / @y2



@u @y

2 D 0:

(4.320)

Gl. (4.319) lässt sich integrieren zu: @u D Ae.ıT / : @y

(4.321)

Diese setzen wir in Gl. (4.320) ein und erhalten @2  C Brm A2 e.ıT / D 0 : @y2

(4.322)

Diese Differenzialgleichung zweiter Ordnung lässt sich grundsätzlich mit Hilfe eines symbolischen Mathematikprogrammes23 lösen,

 q      1 ıT C1 2 1 2  /2 .C 1  tanh : ı C C y  y D ln 1 2 ıT 2Brm A2 2 T

(4.323)

Prinzipiell ist damit der Temperaturverlauf bekannt. Es bleibt die Bestimmung der Integrationskonstanten, die sich aus den Randbedingungen der Temperatur ergeben. Durch die 23

z. B. Mathematica

256

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Entdimensionierung ist  .0/ D 0 an der unteren Wand und  .1/ D 1 an der oberen Wand. Damit  .0/ D 0 ist, muss das Argument des natürlichen Logarithmus den Wert Eins haben und daher der tanh2 -Term zu Null werden, daraus folgt aber, dass C2 D 0 ist. 2 Damit lässt sich die weitere unbekannte Konstante bestimmen: C1 D 2BrımT A . Somit reduziert sich die Temperaturgleichung auf: " !# r   1 1 2 2 2 Brm A ıT y :  y D ln 1  tanh ıT 2

(4.324)

Jetzt kann dieses Ergebnis in Gl. (4.321) eingesetzt werden, " !# r @u 1 Brm A2 ıT y2 D A 1  tanh2 ; @y 2

(4.325)

und wieder mit Hilfe eines symbolischen Mathematikprogammes gelöst werden: 2 tanh

2

u D

q

 1 Brm A2 ıT 2

y2

y C C3 :

p 2Brm ıT

(4.326)

Die Integrationskonstante C3 bestimmt sich für y D 0; u .0/ D 0 zu Null, es bleibt tanh

2

u D

q q

 1 Brm A2 ıT 2

y2

y :

1 Brm ıT 2

(4.327)

Jetzt fehlt noch die Integrationskonstante A. Dazu wird die Information am obereren Rand, y D 1; u .1/ D 1, genutzt:

AD

arctanh q

q 4

 1 Brm ıT 2

1 Brm ıT 2

:

(4.328)

Diese Lösung beinhaltet auch den Grenzwert einer verschwindenden Temperaturdifferenz, ıT ! 0, dann strebt A gegen Null und der lineare Geschwindigkeitsverlauf resultiert.

4.3.12 Thermostrukturviskose, ebene Couette-Strömung Da die rein thermoviskosen Strömungen die Komplexität der verallgemeinerten newtonschen Fluide mit Temperaturabhängigkeit der Viskosität nicht wiedergeben können, wird

4.3

Ebene Schichtenströmungen

257

nun die thermostrukturviskose planare Couette Strömung eines Ostwald-de Waale Fluids betrachtet. Die nachfolgende Betrachtung findet sich in der Arbeit von Bognár et al. [8]. Es wird die Strömung eines ein Power-Law Fluids betrachtet: .; P T/ D 0 .T/jP jn1 ;

(4.329)

wobei die Viskosität des Fluids in seiner Temperaturabhängigkeit einem Arrhenius-artigen Ansatz folgen soll: 

0 .T/ D ref e

A.TTref / 2 RTref

;

(4.330)

mit der Aktivierungsenergie A und Bezugsviskosität ref , die zu einer Bezugstemperatur Tref bestimmt wird. Ausgangspunkt ist wieder die stark vereinfachte Impulsgleichung für die stationäre, ebene Schichtenströmung ohne Schwerkrafteinfluss oder antreibenden Druckgradienten: " A.TTref /  #  @u n @ 2 RTref D 0; ref e @y @y

(4.331)

und die Energiegleichung in der Temperaturform:  @2 T  2 C ref e @y

A.TTref / 2 RTref



@u @y

nC1

D 0;

(4.332)

wobei das Fluidmodell schon eingeflossen ist. Zudem kann auf die Betragszeichen verzichtet werden, da eine Vorzugsrichtung und Konvexität der Lösung vorgegeben sein soll, was es erlaubt, nur den Geschwindigkeitsgradienten zu nutzen. Wiederum gilt die Haftbedingung an den Wänden, die obere Wand bewegt sich mit uh , dort herrscht die niedrigere, konstante Temperatur Th , während die untere Wand ruht und dort die Temperatur T0 ebenfalls konstant ist. Die obere, kühlere Temperatur an der oberen isothermen Wand soll auch die Referenztemperatur sein, Tref D Th . Mit Hilfe der dimensionslosen Variablen y D

y u A.T  Th / ; u D ; D ; h uh nRTh2

(4.333)

folgt die dimensionslose Form der Gleichungen:

  n @ n @u e D 0; @y @y

(4.334)

  @2  h2 A  uh nC1 n @u nC1 C  e D 0: ref @y2 n RTh2 h @y

(4.335)

258

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Gl. (4.334) kann integriert werden: @u D C11=n e ; @y

(4.336)

mit der positiven Integrationskonstanten C1 . Diese eingesetzt in die Temperaturgleichung (4.335) führt auf: @2  C Ke D 0 ; (4.337) @y2 mit K D ref

h2 A 1C1=n C : n RTh2 1

(4.338)

Die Substitution  0 D f ./ eingesetzt in (4.336) liefert f 0 f C Ke D 0 :

(4.339)

Diese Differenzialgleichung erster Ordnung kann durch Trennen der Variablen und Integrieren gelöst werden, was die Ableitung der dimensionslosen Temperatur, p  0 ./ D  C2  2Ke ;

(4.340)

ergibt, in der C2 als eine neue Integrationskonstante auftaucht. Es sei hier angemerkt, dass @2 nur die negative Lösung infrage kommt, da gemäß Gl. (4.336) @y 2 < 0 aufgrund der positiven Konstante K sein muss. Nochmaliges Integrieren führt schließlich auf: 

C2 .y / D ln 2K 



p  C2  y C C3  2ln cosh ; 2

(4.341)

und diese eingesetzt in die Impulsgleichung resultiert in: 1

Cn p u .y / D 1 C2 tanh K 



p

 C2  y C C3 C C4 : 2

(4.342)

Die zugehörigen dimensionslosen Randbedingungen sind y D 0 W 

y D1W

u .0/ D 0; .0/ D 

A.T0  Th / D 0 ; nRTh2

u .1/ D 1; .1/ D 0 ;

(4.343)

4.3

Ebene Schichtenströmungen

259

die die Gleichungen so weit spezifizieren, dass die Integrationskonstanten bestimmt werden können: u .0/ D 0 W u .1/ D 1 W .0/ D 0 W .1/ D 0 W

C11=n p C2 tanh .C3 / C C4 D 0 ; K  p C11=n p C2 C2 tanh ! C C3 C C4 D 1 ; K 2 C2 cosh2 .C3 / D e0 ; ! 2K p  C2 C2 2 cosh C C3 D 1 : ! 2K 2 !

(4.344)

Diese vier Bedingungen sind nicht ohne weitere Einschränkungen und Annahmen einfach zu lösen. Bognár [8] führt aus, dass Lösungen nur in bestimmten eingrenzenden Abhängigkeiten existieren können. Um eine analytische Lösung herzuleiten, bietet es sich z. B. an, bestimmte Annahmen zu treffen: Nimmt man an, dass die Konstante C4 eine additive Geschwindigkeit ist, so folgt aus der 1. Geschwindigkeitsrandbedingung, dass C4 D 0 ist. Da an der unteren Wand die Geschwindigkeit Null ist, muss auch der tanh.C3 / zu Null werden, und damit auch C3 . Dies hat zur Folge, dass die untere Wand adiabat zu sein hat, denn  p p C2  0  y C C3 : (4.345)  .y / D  C1 tanh 2 Dies ist für die meisten Strömungslöser eine überbestimmt Randbedingung da eine gleichzeitige Festlegung von Temperatur und Wärmefluss ein schwer handhabbare Zweangsbedingung ist und nicht der Physik entspricht. In der Regel wird nicht festgelegt, wie viel Wärme abgeführt werden muss, um die Temperatur konstant zu halten, oder welcher Wärmestrom sich für eine feste Temperatur einstellt. Dies ist dann Teil der Lösung. Falls der verwendete Strömungslöser diese Kombination der Randbedingungen jedoch erlaubt, kann die, jetzt folgend, hergeleitete Lösung zur Validierung der numerischen Methode herangezogen werden: Es verbleiben  p C1=n p C2  y ; (4.346) C2 tanh u .y / D 1 K 2 und 

C2 .y / D ln 2K 



 2ln cosh

p

C2  y 2

 :

(4.347)

Damit hat sich die Bestimmung der ausstehenden Konstanten erheblich vereinfacht. Aus der ersten Temperaturbedingung folgt: C2 D 2K e0 ;

(4.348)

260

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

was, in die Temperaturgleichung eingesetzt, auf "

!# p 0 2K e y .y / D 0  2ln cosh ; 2

(4.349)

führt. Die zweite Temperaturrandbedingung .1/ D 0 liefert einen Ausdruck für K: e0 KD 2

" ln

!#2 p 1  e0 : p 1  1  e0

1C

(4.350)

Es zeigt sich, dass nur für eine bestimmte Parameterkombination eine eindeutige Lösung existiert, d. h. nur wenn K den Wert 0;88 annimmt, folgt eine eindeutige Lösung, die auch zur Validierung geeignet ist. Dann ist 0 D; 1:18. Es fehlt noch die Bestimmung von C1 . Dazu wird die Konstante C2 in die Geschwindigkeitsgleichung (4.346) und an der Stelle u .1/ D 1 ausgewertet, was schließlich "p !#n p 2e0 2K e0 C1 D tanh ; K 2

(4.351)

ergibt. Wie diskutiert wurde, ist obige Lösung hinsichtlich der physikalischen Randbedingungen nur als Sonderfall anzusehen. Daher soll nachfolgend die Annahme getroffen werden, dass die Konstante C4 ¤ 0 ist, woraus auch folgt, dass C3 ¤ 0 ist und damit ein Wärmestrom an der beheizten Wand sich einstellt. Um die Gl. (4.342) und (4.341) lösen zu können, müssen die gegebenen Randbedingungen aus Gl. (4.344) so umgeformt werden, dass sich die Konstanten berechnen lassen: So lässt sich dann C4 D

C11=n p C2 tanh .C3 / K

(4.352)

in die Geschwindigkeitsgleichung an der Stelle y D 1 einsetzen, was auf

p  C11=n p C2 C C3  tanh .C3 / D 1 C2 tanh K 2

(4.353)

führt. Diese Gleichung soll als Bedingungsgleichung für eine iterative Bestimmung der Konstanten genutzt werden. Dazu wird ein erster Schätzwert für C3 vorgegeben. Wird C2 =2K D e0 cosh2 .C3 / in die Temperaturbedingung an der Stelle y D 1 eingesetzt, so ergibt sich nach einigen Umformungen: i2 h p  e0 cosh.C3 /  2  C3 : C2 D 2arccosh

(4.354)

4.4

Rohrströmungen

261

Jetzt berechnet sich die nächste Konstante: K D C2 =.e0 cosh2 .C3 // ; und daraus

 C1 D

K konst:

n=.nC1/

;

(4.355)

(4.356)

h A mit konst: D ref n . Die so bestimmten Konstanten werden in Gl. (4.353) eingeRTh2 setzt und die linke Seite bestimmt. Es ist zu erwarten, dass der erste Schätzwert nicht die gewünschte Übereinstimmung liefert, daher wird durch Bisektion eine neuer Wert für C3 vorgegeben, und der Rechengang so oft wiederholt, bis eine hinreichende Übereinstimmung erreicht ist. Danach können der Geschwindigkeits- und Temperaturverlauf ausgerechnet werden. Damit ist wieder eine analytische Lösung gefunden worden, die zur Validierung herangezogen werden kann. Es ist hier noch anzumerken, dass sich in den Ausführungen von Bognár [8] weitere Erläuterungen zur Lösbarkeit und Eindeutigkeit dieses scheinbar einfachen Strömungsproblems finden lassen. 2

Ergänzende Untersuchungen zu dieser Klasse von thermischen Strömungen finden sich bei [3, 25, 42, 48], in der neben Ähnlichkeitslösungen, Polymereigenschaften und Temperaturverläufen auch Nußeltzahlen für approximierende Lösungen angegeben werden.

4.4

Rohrströmungen

Eine Variation der ebenen Grenzschichtströmung ist die axialsymmetrische Rohrströmung. Rohrströmungen sind in der technischen Umwelt von besonderer Bedeutung, da fast jeglicher Stofftransport durch Rohre erfolgt. In der technischen Strömungslehre wird sich daher ausgiebig diesem Thema gewidmet. Für eine laminare, stationäre, vollausgebildete Strömung in einem geraden, zylindrischen Rohr sind bei entsprechendem Druckgefälle das Geschwindigkeitsprofil und damit der Volumenstrom bekannt. Dies beschränkt sich nicht nur auf newtonsche Fluide sondern gilt auch für nichtnewtonsche Fluide, damit ist die Rohrströmung für die Validierung der Fluidmodellimplementierung sehr geeignet.

4.4.1

Geschwindigkeitsfelder in Rohrströmungen

Im Folgenden wird eine vollausgebildete, stationäre Durchströmung eines kreiszylindrischen Rohres unter der Annahme betrachtet, dass externe Kräfte wie die Gravitation

262

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

vernachlässigt werden können und ein konstanter Druckgradient gegeben ist. Für diese Druck getriebene Strömung besitzt das Geschwindigkeitsfeld nur eine Komponente, die Ausbildung einer Schichtenströmung ist durch die Axialsymmetrie bedingt. Zur weiteren Betrachtung wird ein Zylinderkoordinatensystem auf der Mittelachse des Rohres platziert. Die Betrachtung der Impulsbilanz in axialer Richtung24 führt auf: 2 @p .z/

rz .r/ D : r @z

(4.357)

Unter der Annahme eines konstanten Druckgefälles ist @p.z/ D p , wobei l die Länge des @z l Rohres kennzeichnet und p dem Druckgefälle p1  p0 entspricht. Der Druck p0 soll am Eintritt in das Kontrollvolumen und p1 am Austritt herrschen, zudem wird angenommen, dass der Eintrittsdruck größer als der Austrittsdruck ist, damit es auch wirklich ein Gefälle ist, d. h. p einen negativen Wert besitzt. Da die Länge l und das Druckgefälle p konstant sind, hängt die Spannung linear vom Radius r ab,

rz .r/ D

p r: 2l

(4.358)

Damit lässt sich die Wandschubspannung z. B. als Validierungsgröße für entsprechende numerische Simulationen bestimmen: Einsetzen des Rohrradius R in Gl. (4.358) ergibt:

W D

pR : 2l

(4.359)

Die für diese Art von Strömung so berechenbare Wandschubspannung kann entweder als eine isoliert-lokale oder eine globale Größe verstanden werden, da auch nur globale Größen eingehen. Bei bekannter Wandschubspannung folgt für den radialen Spannungsverlauf:

W r: (4.360)

rz .r/ D R Der Spannungsverlauf ist erwartungsgemäß linear. Für spätere Simulationen steht jetzt ein geeigneter Größenverlauf auch für die lokale Validierung der numerischen Simulation im Feld zur Verfügung. Aufbauend auf dem Spannungsverlauf lässt sich das Geschwindigkeitsprofil durch Integration des Ansatzes dvz D P .r/ dr 24

(4.361)

Es sei hier noch einmal daran erinnert, dass hier der Konvention folgend ein positives Schnittufer betrachtet wird, daher ergibt sich nachfolgende Beziehung, in der gängigen Literatur wird jedoch häufig die Schubspannung grundsätzlich entgegen der Strömungsrichtung aufgetragen, was zu einem negativen Vorzeichen der Schubspannung führt.

4.4

Rohrströmungen

263

bestimmen. Durch die Substitution d D RW dr führt Gl. (4.361) auf die Berechnung eines unbestimmten Integrals und einer Integrationskonstante, die über Randbedingungen bestimmt wird: Z R P .r/ d C C : (4.362) vz .r/ D

W Die Funktion für P wird durch das Fluidmodell vorgegeben. Durch Integration, analytisch oder numerisch, kann jetzt ein Geschwindigkeitsprofil berechnet werden, sodass eine Validierung damit möglich ist. Im Fall newtonscher Fluide folgt für das Geschwindigkeitsfeld mit P D

rz 

Z

vz .r/ D

R

W 

rz d ;

(4.363)

vz .r/ D

R 1 2

CC:

W  2 rz

(4.364)

und somit

Dies führt letztlich mit Hilfe von Gl. (4.360) auf vz .r/ D

W 1 2 r CC: R 2

(4.365)

Da die Geschwindigkeit an der Rohrwand Null ist, bestimmt sich die Integrationskonstante zu:

W 1 2 R : (4.366) CD R 2 Das Geschwindigkeitsprofil wird somit durch vz .r/ D



W 1  2 r  R2 R 2

(4.367)

bestimmt. Somit erklärt sich der typische parabelförmige Verlauf des laminaren Geschwindigkeitsprofils der Rohrströmung, wie es von Hagen 1839 [49] und Poiseuille 1841 erstmals gezeigt wurde [54]. Es sei noch darauf hingewiesen, dass entsprechend Gl. (4.359) die Wandschubspannung einen negativen Wert besitzt, somit die Geschwindigkeit vz .r/ in positive Koordinatenrichtung zeigt. Es ist üblich, ein Geschwindigkeitsprofil in der Form   r2 vz .r/ D vzmax 1  2 R anzugeben, wobei vzmax die maximale Axialgeschwindigkeit bezeichnet.

(4.368)

264

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Rohrströmungen nichtnewtonscher Fluide sind von besonderem Interesse [30], da diese in weiten Bereichen der Verfahrenstechnik vorkommen. Daher betrachten wir nun beispielhaft die Rohrströmung für den Fall des nichtnewtonschen Ostwald-de Waele Fluids.  1=n . Ferner Ausgangspunkt soll die allgemeine Gl. (4.362) sein. P wird ersetzt durch Krz wird rz gemäß Gl. (4.360) ersetzt, es folgt: vz .r/ D bzw.

R

W

Z  W 1=n r R d C C ; K

 1=n1 Z W .r/1=n d C C : vz .r/ D RK

(4.369)

(4.370)

Anschließend muss mit Hilfe der Substitution d D RW dr nach r integriert werden, woraus das Geschwindigkeitsprofil folgt. In diesem Fall ist es jedoch einfacher, vom differenziellen Kräftegleichgewicht auszugehen: 

was umgeformt

n

W r ; R

(4.371)

 1=n @vz W D r1=n @r KR

(4.372)

K

@vz @r

D

ergibt und integriert wird zu: vz .r/ D

 1=n r1=nC1 W CC: KR 1=n C 1

(4.373)

Die Konstante C wird wieder über die Haftbedingung am Rand r D R bestimmt. Für das Ostwald-de Waele bzw. Power-Law Modell ergibt sich schließlich das folgende Geschwindigkeitsprofil: vz .r/ D

 r 1=nC1   1=n  nR   W 1 : K nC1 R

(4.374)

Der Vorfaktor auf der rechten Seite in Gl. (4.374) stellt die maximale Geschwindigkeit dar, die im Rohr auf der Mittelachse (r D 0/ erreicht werden kann. Daher lässt sich verkürzt schreiben:   r 1=nC1  : (4.375) vz .r/ D vzmax 1  R Für die Rohrströmung weist das Bingham Fluid ein besonders interessantes Geschwindigkeitsprofil auf. Um ein Fließen des Bingham Fluids überhaupt zu ermöglichen, muss

4.4

Rohrströmungen

265

die Wandschubspannung die Fließspannung übertreffen. An der Wand ist die Wandschubspannung aufgrund der hohen Scherrate besonders groß, daher stellt sich dort die Fließbewegung ein. Mit zunehmenden Wandabstand nimmt die Scherrate und damit die Schubspannung ab. Diese kann ab einem Grenzradius die Fließgrenze unterschreiten. Dies bewirkt, dass der weiter innen liegende Anteil des Fluids wie ein Festkörper von der äußeren fließenden Schicht mitgetragen wird. Ansatzpunkt ist die rzKomponente des Verzerrungsgeschwindigkeitstensors, die in diesem Fall der Scherrate entspricht: (

Drz .r/ D  p

r l 4

0 ; r  rf ;  C f ; r > rf :

(4.376)

Durch Integration folgt das Geschwindigkeitsprofil: (

vz .r/ D  p

r2 l 4

 c1; r   rf ; f r C  C C2 ; r > rf ;

(4.377)

mit den Integrationskonstanten C1 und C2 . Durch die Forderung, dass die Geschwindigkeit aufgrund der Haftbedingung an der Wand Null ist und ein kontinuierlicher Übergang zwischen der Festkörperbewegung und der Scherraten geprägten Fluidbewegung in Wandnähe gegeben sein muss, lassen sich die Konstanten bestimmen. Letztlich ergibt sich ein Geschwindigkeitsprofil für die Axialgeschwindigkeit: 8 ˆ ˆ <





 r 2 1  Rf ; r  rf ;    vz .r/ D   r2 ˆ  R  r 2 p R2 ˆ 1  Rf2  f 1  Rf ; r > rf : : l 4

4.4.2

2 p rf l 4

(4.378)

Volumenstrom der Rohrströmungen verallgemeinerter newtonscher Fluide

Neben den lokalen Strömungsgrößen bietet es sich an den Volumenstrom VP zu bestimmen. Dieser errechnet sich aus dem Ansatz: VP D 2

Z

R

rvz .r/dr :

(4.379)

0

Zu weiteren Umformung wird eine partielle Integration bzw. der Ansatz 

1 2 r vz 2

0

1 dvz .r/ D rvz C r2 2 dr

(4.380)

266

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

genutzt. Dies integriert führt auf: Z

R

0



1 2 r vz rvz dr D 2

R

Z

R

 0

0

1 2 dvz .r/ r dr : 2 dr

(4.381)

Da die Geschwindigkeit an der Wand Null sein soll (kein Gleiten), fällt der erste Term auf der rechten Seite weg. Es bleibt: VP D 

Z

R

r2

0

Dies führt unter Nutzung von P D

dvz .r/ , dr

R3 VP D 3

W

dvz .r/ dr : dr

(4.382)

r D  RW rz und dr D  RW d auf

Z

W 0

rz2 d P :

(4.383)

Der Volumenstrom kann demnach für beliebige newtonsche wie auch nichtnewtonsche Fluide berechnet werden, sobald das Druckgefälle, der Rohrradius und die Fließfunktion P bzw. das Funktional für die Spannung bekannt sind. Der newtonsche Fall führt mit P D rz unmittelbar auf das Hagen-Poiseuillesche Gesetz D3 W VP D ; 32

(4.384)

zugleich lässt sich damit die volumenstromabhängige Scherrate an der Wand bestimmen PW D

32VP ; D3

(4.385)

Leider lassen sich nicht für alle nichtnewtonschen Viskositätsfunktionen analytisch geschlossene Lösungen für das Geschwindigkeitsprofil für die Rohrströmung angeben. Dennoch kann der Volumenstrom in Abhängigkeit vom axialen Druckgradienten und der allgemeinen Viskositätsfunktion  ./ P bestimmt werden. Ein allgemeiner Ansatz zur Berechnung des Volumenstroms ist die Integration des Geschwindigkeitsfeldes über den Radius des Rohres, siehe Gl. (4.382). Wenn Fluideigenschaften einfließen sollen, findet jedoch eine Ersetzung der Integration statt, siehe z. B. Robertson [24]. So wird in der Regel bei bekanntem Fließgesetz die Scherspannung rz entlang des Radius r integriert . Diesmal wird jedoch die Scherrate .r/ P herangezogen ist und die Integration über diese Größe durchgeführt: VP D 

Z 0

R

r2

dvz .r/ dr D  dr

Z

R 0

r2 dr P :

(4.386)

4.4

Rohrströmungen

267

Analog zu dem Ansatz (4.380) kann das letzte Integral mit  3 0 dP .r/ 1 r P D r2 P C r3 3 dr

(4.387)

umgeformt werden. Dies lässt sich integrieren zu:  VP D 3

 Z  3 R r P 0 

R

r

3 d P .r/

dr

0

 dr

:

(4.388)

Jetzt bietet sich der Wechsel der Integration von r nach P an:  3 R r P 0 

 VP D 3

Z

PW

! r dP 3

:

(4.389)

0

Hier ist PW die Scherrate an der Wand. Mit Hilfe der allgemeinen Beziehung rz D .P 2 /P für Rohrschichtenströmungen und der axialen Impulsbilanz (4.357) folgt:  .P / P D bzw. r D 3

@p 1 r @z 2

(4.390)

!3

2

3 P 3 :

@p @z

(4.391)

Dies eingesetzt in Gl. (4.389) führt auf 0  R  VP D @ r3 P 0  3

2

!3 Z

@p @z

PW

1 3 P 3 dP A :

(4.392)

0

Der Vorteil dieser Gleichung liegt in der Modellierung der verallgemeinerten newtonschen Fluide, so wird die Viskositätsfunktion als Funktion von P geschrieben. Je nach Wahl des Materialmodells kann diese dann in das Integral eingesetzt werden. Entweder lässt sich das Integral dann analytisch oder numerisch lösen. Die obere Grenze PW muss jedoch vorher bestimmt werden. Dazu kann Gl. (4.390) an der Wand ausgewertet werden:  .PW / PW D

@p 1 R @z 2

(4.393)

Dies bedeutet, dass, wenn ein Materialmodell gegeben ist, die Viskositätsfunktion nur mit PW multipliziert werden muss, danach kann dies in Gl. (4.393) eingesetzt werden. Wenn die Integration analytisch nicht gelingt, so bietet sich die numerische Lösung an.

268

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Da nun für einige verallgemeinerte newtonsche Fluide analytische Funktionen für P in einer entsprechend integrablen Form vorliegen, kann für diese auch der Volumenstrom VP in Abhängigkeit von einem vorgegebenen normierten Druckgefälle p und bei bekanntem Durchmesser D und Rohrlänge l bestimmt werden. Letztere Größen geben, wie Gl. (4.359) zeigt, die Wandschubspannung vor. Für das Ostwald-de Waele Modell folgt z. B.: R3 n  W 1=n ; VP D 1 C 3n K

(4.394)

woraus sich sofort die volumenstromabhängige Wandscherrate für die vollausgebildete Rohrströmung bestimmen lässt: 1 C 3n PW D n

VP R3

!1=n :

(4.395)

Statt mit Hilfe des Druckgefälles bzw. der Wandschubspannung in Gl. (4.374) lässt sich das Geschwindigkeitsprofil auch mit Hilfe des Volumenstroms darstellen:    r 1C1=n  3n C 1 VP vz .r/ D 1  : (4.396) R2 n C 1 R Dies ist insbesondere dann nützlich, wenn der Volumenstrom experimentell bestimmt wird. Auch für das Ellis Modell lässt sich der Volumenstrom analytisch angeben: "  1=n # 3 n

W

R W  C ; (4.397) VP D 0 4 1 C 3n  Interessanterweise lässt sich auch für das Bingham Fluid unter der Voraussetzung, dass die Wandschubspannung größer als die Fließspannung ist und damit überhaupt eine Fließbewegung stattfindet, ein entsprechender Volumenstrom berechnen: "  4 # 3

f 4

1 R f W C : (4.398) VP D 1 0 4 3 W 3 W Diese Beziehung wird auch als Buckingham-Reiner Gleichung bezeichnet. Anhand dieser analytisch bestimmbaren Größen lassen sich dann entsprechende Validierungssimulationen für diese nichtnewtonschen Fluidmodelle durchführen. Beispielhaft wird später in Abschn. 5.4 näher darauf eingegangen. Wie schon in Abschn. 3.5.4.3 beschrieben wurde, stellen Herschel-Bulkley Fluide eine besondere Herausforderung dar. Für den Spezialfall einer Durchströmung eines schlanken Rohres, z. B. einer Kapillare, kann eine analytische Funktion für den Volumenstrom hergeleitet werden, wie Bird et al. [5] im Ergebnis zeigen. Hier soll die ausführlichere Herleitung aufgezeigt werden. Ausgangspunkt ist der Spannungsverlauf, der wieder in zylindrischen Koordinaten dargestellt wird:

4.4

Rohrströmungen

269

rz   @vz D @r 0 @vz D0 @r

für rz >  (4.399) für rz   :

Mit Hilfe von Gl. (4.359) kann das Geschwindigkeitsprofil durch Integration von  Z R pR  n  vz .r/ D dr (4.400) 2l 0 0 < von der Achse r D 0 bis r D R bestimmt werden. Dabei ist zu beachten, dass r D 2  lp den Radius bezeichnet, ab dem das Fluid zu fließen beginnt. Das Geschwindigkeitsprofil berechnet sich dann zu: 

 1n

nC1 l n p # "  nC1  nC1  n n pr pR  2   2   für rz >  l l  1  nC1  n pR 1 n nC1 l  2  vz .r/ D für rz   : 20 n p l vz .r/ D

1 20

(4.401)

Der Volumenstrom kann jetzt durch Integration über die Querschnittsfläche des kapillaren Rohres bestimmt werden. Mit Unterstützung eines symbolischen Mathematikprogrammes ergibt sich,  1  nC1 n pR R2 1 n nC1 l  2  20 n p l 2  2   1n  2nC1  n l pR nC1 n 1 R  2  2  20 n p 2n C 1 l    1  3nC1  n n l 3 n pR 1 n nC1  2  C 2 ; 20 n p 2n C 1 3n C 1 l

VP D 2



(4.402)

mit dem Druckgefälle als alleinigen Parameter oder 

1  nC1 R 1 n nC1 1 

W  2  n 20 n W 2  2  1n   2nC1 1 nC1 1 n  1

W  2  n  2 20 n

W 2n C 1 R  3  1n   3nC1 1 n  nC1 1 n 1

W  2  n C 2 ; 20 n

W 2n C 1 3n C 1 R3

VP D 2

mit W als Parameter.

(4.403)

270

4.4.3

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Zerlegung des Volumenstroms in newtonsche und nichtnewtonsche Anteile

Wie schon durch obige Überlegungen klar wird, ist eine grundlegende Frage, wie sich der Volumenstrom ändert, wenn anstelle eines newtonschen Fluids ein verallgemeinertes nichtnewtonsches Fluid betrachtet wird. Reher et al. [59, 60] haben dazu eine Methode vorgeschlagen, den Volumenstrom, der sich für ein gegebenes Fluidmodell, der Rohrgeometrie und einem Druckgefälle einstellt, in Relation zum Volumenstrom des newtonschen Fluids anzugeben. Der Hintergrund dieser Überlegung ist, dass im Gegensatz zum newtonschen Fluid beim nichtnewtonschen Fluid der Volumenstrom nicht mehr proportional zum anliegendem Druckgefälle ist. Es wäre allerdings wünschenswert, diese Annahme treffen zu können, um bekannte Rechenmodelle nutzen zu können, und das Ergebnis durch einen modellspezifischen Faktor zu korrigieren. Basierend auf diesem Ansatz wurden allgemeine Berechnungsmodelle für die meisten verallgemeinerten newtonschen und viskoplastischen sowie einigen viskoelastischen Fluidmodelle abgeleitet. Das prinzipielle Vorgehen dabei ist, den Volumenstrom in zwei Faktoren aufzuspalten: VP D Vnewt  VR :

(4.404)

Es wird der Volumenstrom Vnewt D  R4 p=.8L / des newtonschen Fluid, das die konstante dynamische Viskosität  besitzt, mit einem dimensionslosen Korrekturfaktor VR WD

VF Vnewt

(4.405)

multipliziert. Letzteres ist das Verhältnis von Volumenstrom des nichtnewtonschen Fluids zum Volumenstrom des idealen newtonschen Fluids, daher ist auch der Begriff relativer Volumenstrom oder Volumenstromverhältnis üblich. Der relative Volumenstrom kann im Sinne eines Effizienzgrades interpretiert werden. Auch in diesem tritt der Druckgradient auf, jedoch nicht mehr proportional. Die verschiedenen Fluidmodelle weisen unterschiedliche Parameter auf, die entsprechend bekannt sein müssen, bevor der Volumenstrom berechnet werden kann. Einige Beispiele werden nachfolgend zur Erläuterung aufgeführt, weitere finden sich in Mohos [44]. Die oben beschriebene Zerlegung des durch ein Rohr fließenden Volumenstroms ist sehr einfach für ein Power-Law Fluid, siehe Abschn. 3.5.3.1. Der Volumenstrom, der oben schon berechnet wurde, siehe Gl. (4.394), lässt sich schreiben als  1n   R4 p Rp n 3n1 n P  2 n : VD 8L K L K 3n C 1 „ ƒ‚ … „ ƒ‚ … VP newt

(4.406)

VP R

Für n D 1 und K D  ergibt sich wieder das Gesetz von Hagen-Poiseuille. Auch für das Ellis Fluidmodell, siehe Gl. (3.101), lässt sich eine solche Formel aufstellen:

4.4

Rohrströmungen

271

   4 R p R4 p P 1C .˛  1/ : VD 80 L 3C˛ 2 L 1=2

(4.407)

Mit ˛ D 1 folgt wieder dem Gesetz von Hagen-Poiseuille. Für ein Bingham Fluids, siehe 3.5.4.1, gelingt die Zerlegung durch Einführen der sogenannten Buckinghamzahl: Bu WD

2 L 

 D ;

R p

(4.408)

die zur Beschreibung von viskoplastischen Fluiden genutzt wird. Damit lässt sich der Volumenstrom schreiben als:    R4 p 4 1 VP D  1  Bu C Bu4 : 8L  3 3

(4.409)

Wenn die Buckinghamzahl den Wert Eins annimmt, dann nimmt der Korrekturfaktor den Wert Null an und die Strömung erliegt. Für das Casson Fluidmodell, das in Abschn. 3.5.5.2 beschrieben wurde, ergibt sich folgende Zerlegung des Volumenstroms:   16 4 1  R4 p  1  Ca C Ca2  Ca8 ; VP D 8L  7 3 21 wobei hier die Cassonzahl,

p p

 r0 Ca WD p D p ;

R

(4.410)

(4.411)

eingeführt wird. Diese entspricht der Wurzel der Buckinghamzahl. Selbst die Zerlegung des Volumenstroms für ein Oldroyd Fluid ist möglich:     1 1 1 1 1 1  R4 p u P 8 e  2 C 3  4 C C C 4 : VD 8L  2u u u 8 6u u

(4.412)

Für die Auslegung technischer Bauteil kann diese Zerlegung gewinnbringend sein, da sich die Korrekturfaktoren tabellieren lassen. Dies ermöglicht dann schnelle Überschlagsrechnungen.

4.4.4

Die Mooney-Rabinowitsch Gleichung

Die bisher besprochenen Eigenheiten, die verallgemeinerte newtonscher Fluide beim Durchströmen von Rohren aufweisen, werden in der Rheometrie genutzt. Ein Kapillarrheometer misst die dynamische Viskosität in Abhängigkeit der Scherrate für eine

272

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

vollentwickelte, stationäre Rohrströmung bei konstanten (wenn auch sehr kleinem) Rohrdurchmesser R. Die Grundidee hierbei ist, dass man durch Messen verschiedener Durchflussraten VP bei verschiedenen anliegenden Druckgefällen auf die dynamische Viskosität  .P / zurückrechnen kann. Um diese Vorgehensweise nachvollziehen zu können, ist es sinnvoll, die Viskosität als Funktion einer charakteristischen Scherrate, PVP WD

4VP ; R3

(4.413)

und der Wandschubspannung W zu beschreiben. Hier ist die charakteristische Scherrate in Anlehnung an ein newtonsches Fluid mit Hilfe des Volumenstroms definiert. Daher kann mit einem gemessenen Volumenstrom die charakteristische Scherrate sofort bestimmt werden. Wie oben schon gezeigt wurde, siehe Gl. (4.386), kann der Volumenstrom allgemein über Integration bestimmt werden, z. B. durch:   Z R 4 1 2 vz .r D R/ C 2 r dr P ; PVP D R R 0

(4.414)

mit vz .r D R/ als Geschwindigkeit des Fluids an der Wand bei Gleitbedingung. Jetzt jedoch soll die Haftbedingung gelten. Wenden wir uns dem zweiten Messwert, dem Druckgefälle, zu: Mit diesem ergibt sich . Diese muss nun in nach der bekannten Gl. (4.359) die Wandschubspannung W D pR 2l Bezug zur charakteristischen Scherrate gesetzt werden. Dazu formt man Gl. (4.360) um zu: R (4.415)

rz .r/ : rD

W Folglich lässt sich ein Integrationswechsel in Gl. (4.414) mit dr D durchführen: PVP D

4

W3

Z

R d rz

W

W

r2 P . rz / d rz :

(4.416)

(4.417)

0

Diese Gleichung ist der Ausgangspunkt folgender Überlegung: Wenn man die Integralfunktion der charakteristische Scherrate, hinter der sich der experimentell bestimmte Volumenstrom verbirgt, nach der Wandschubspannung ableitet, so bekommt man eine Differenzialgleichung, die den Zusammenhang zwischen der charakteristischen Scherrate (und damit dem Volumenstrom), der Wandschubspannung und der Wandscherrate herstellt. Letzteres eignet sich zur Bestimmung der Viskosität. Die Ableitung nimmt folgende Gestalt an: Z dPVP 12 W 2 4P . W / D 4 r P . rz / d rz C : (4.418) d W

W

W 0

4.4

Rohrströmungen

273

Der Trick hier ist zu erkennen, dass das Integral wieder die charakteristische Scherrate wiedergibt. Damit wird das Integral nun ersetzt, 3P P dPVP 4PW D V C ; d W

W

W

(4.419)

wobei hier vereinfachend PW D P . W / geschrieben wurde. Teilen durch PVP und 1W führt auf: 1 dPVP PW PVP D 3 C 4 : (4.420) 1 PVP d W  W

Statt diese Gleichung zu lösen, wird ein Integralansatz gewählt, der auf eine neue Differenzialgleichung führt:   @ln PVP PW 4 D3C : (4.421) PVP @ln . W / Diese muss nur noch nach PW umgeformt werden. " PW D PVP

 # 1 @ln PVP 3 C : 4 4 @ln . W /

(4.422)

Jetzt kommt der entscheidende Trick für die Auswertung experimenteller Daten: Man definiert   @ln PVP 0 n D ; (4.423) @ln . W / was in Gl. (4.422) eingesetzt, PW D PVP

3n0 C 1 ; 4n0

(4.424)

die sogenannte Mooney-Rabinowitsch Gleichung ergibt. Um mit Hilfe experimentell gewonnener Daten – in diesem Fall sind Volumenströme zu messen, um die charakteristische Scherrate zu bestimmen, vgl. (4.413) – die Wandscherrate zu bestimmen, werden Versuche mit unterschiedlichem Druckabfall durchgeführt. Da die Wandschubspannung direkt über den Druckabfall im Rohr bestimmt ist, lässt sich im natürlich logarithmischen Diagramm die Kurve PVP über W auftragen. Aus dem Kurvenverlauf lässt sich die Steigung n0 bestimmen. Durch eine entsprechend hohe Anzahl von Messwerten kann der Fehler klein gehalten werden. Mit Hilfe einer gewählten charakteristischen Scherrate bestimmt sich die Wandscherrate, aus der sofort die dynamische Viskosität gemäß  .PW / D PWW folgt. Bei bekannter Wandscherrate kann die vom Radius des Rohres abhängige Scherrate z. B. für ein newtonsches Fluid, P .r/ D PW

r R

;

(4.425)

274

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

oder für ein strukturviskoses bzw. dilatantes Fluid, hier ein Power-Law Fluid, P .r/ D PW

 r  1n R

;

(4.426)

bestimmt werden.

4.4.5

Druckverlust der Rohrströmung verallgemeinerter newtonscher Fluide

Für technische Strömungen ist insbesondere der Druckverlust ein wesentliches Auslegungskriterium. Für einen vorgegeben Volumenstrom VP und einer Rohrlänge L soll dieser berechnet werden. Im newtonschen Fall gelingt dies mit Hilfe der Gl. (4.384) durch Einsetzen der Beziehung (4.359) und anschließendem Umformen: p D

8LVP : R4

(4.427)

Analog dazu kann auch für das Ostwald-de Waele Fluid der Druckverlust bestimmt werden [36]:  n n n K VP L 22C3n 1C3n n : (4.428) p D  n D1C3n Wie sich der Druckverlust in Abhängigkeit des Volumenstroms entwickelt, wird in Abb. 4.6 dargestellt. Es wird der Druckverlust für ein newtonsches Modellfluid, das eine dynamische Viskosität von  D 1 Pa s aufweisen soll, mit den zugehörigen Druckverlusten eines strukturviskosen und eines dilatanten Fluids verglichen. Letztere werden 3000

Abb. 4.6 Druckverluste in Abhängigkeit des Volumenstroms

μ = 1 Pa s n = 0,5 K = 1 Pa sn n = 1,2 K = 1 Pa sn

p [Pa]

2000

1000

0 0

10

5 V˙

m3 s

15

20

4.4

Rohrströmungen

275

jeweils durch ein Power-Law modelliert. Der Konsistenzparameter wird zu K D 1 Pa sn gesetzt, wobei n variiert wird. Die Länge des Rohres soll 1 m betragen, der Durchmesser ebenfalls 1 m. Es spiegelt sich natürlich wider, dass sich bei Scherverzähung Druckverluste erhöhen und bei Scherentzähung verringern. Aus letzterem Grund werden z. B. in der Mineralöl- und Förderindustrie Additive verwendet, die scherentzähend wirken und somit den Druckverlust minimieren. Druckverluste werden in der Regel durch einen Druckverlustkoeffizienten  ausgedrückt. Für eine laminare, newtonsche Rohrströmung ergibt sich aus der HagenPoiseuilleschen Gleichung der Ansatz für dessen Definition: p D 

L1 2 v ; D2 m

(4.429)

pD2 ; 32L

(4.430)

wobei die mittlere Geschwindigkeit, vm WD

und die newtonsche dynamische Viskosität einzusetzen sind. Diese Gleichung kann mit Hilfe der Definition der Reynoldszahl Re WD D vm = auf folgende Form gebracht werden: 64 ; (4.431)  WD Re dies ist zugleich die alternative Definition des Druckverlustkoeffizienten. Die Druckverlustformel (4.429) kann auch für nichtnewtonsche Fluide genutzt werden, wenn  entsprechend angepasst wird. Hier kommt die obige Volumenstromzerlegung zur Anwendung: Die Reynoldszahl wird dazu mit einer modifizierten dynamischen Viskosität berechnet, die anstelle der dynamischen Viskosität eingesetzt wird: m WD

 : VR

(4.432)

Hier wurde bewusst der Buchstabe  benutzt, da jetzt die dynamische Bezugsviskosität des nichtnewtonschen Fluides gemeint ist, das kann z. B. der Konsistenzparameter K des Power-Law Fluids sein. Damit berechnet sich der Druckverlustkoeffizient nach: D

64 64 D ; Rem Dvm VR

(4.433)

hier tritt als zusätzlicher Teiler der relative Volumenstrom auf. Jetzt kann der so berechnete Druckverlustkoeffizient in die Druckverlustgleichung eingesetzt werden.

4.4.6

Thermische Rohrströmung

Thermische Rohrströmungen sind ein wesentlicher Baustein in den technischen Strömungen. Daher wird diese Strömung auch hier betrachtet. Wie gehabt wird hier zuerst auf

276

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

newtonsche Fluide eingegangen, bevor dann die nichtnewtonschen Fluide im Blickfeld gerückt werden. In beiden Fällen soll es keinen Einfluss der Temperatur auf die Viskosität geben, dies wird später betrachtet. Zu Beginn wird eine vollausgebildete laminare Rohrströmung mit einem parabolischen Geschwindigkeitsprofil nach Hagen und Poiseuille vorausgesetzt. Die maximale Axialgeschwindigkeit wird der Einfachheit halber entsprechend Gl. (4.368) als Bezug gewählt. Die zugehörige Temperaturgleichung besitzt die folgende Form:

 

 r 2 @T 1 @ @T @2 T Da r C 2 : (4.434) vmax 1  R @z r @r @r @z Eine Grenzschichtströmung liegt vor, wenn eine Richtung der Geschwindigkeitsableitung über längere Strecken wesentlich größer ist als die anderen. Die soll hier angenommen werden, d. h. die radiale Ableitung der Axialgeschwindigkeit soll wesentlich größer sein soll als die Ableitung der Umfangsgeschwindigkeit. Letztere soll sogar Null sein. Zudem kann ein schichtartiger Aufbau auch für das Temperaturfeld angenommen werden, doch ein Unterschied besteht zur impulsgetriebenen Grenzschicht: So ist zwar der radiale Temperaturgradient groß gegenüber dem axialen Temperaturgradienten, dieser ist jedoch nicht vernachlässigbar, es ist mit fortschreitender Lauflänge eine Abnahme oder Zunahme der Temperatur in Abhängigkeit der thermischen Randbedingungen zu erwarten. Aufgrund des abzusehenden, glatten Verlaufes des axialen Temperaturfeldes bei vollausgebildeten Rohrströmung kann jedoch die zweite Ableitung der Temperatur vernachlässigt werden. Es kann auch dahingehend argumentiert werden, dass der axiale, konvektive Anteil des Temperaturtransportes den axialen, diffusiven Anteil aufgrund von vorgegeben Fluideigenschaften bei weiten übertrifft. Damit reduziert sich die Temperaturtransportgleichung auf  

 r 2 @T @T 1 @ r : (4.435) Da vmax 1  R @z r @r @r Diese Differenzialgleichung kann nur gelöst werden, wenn für die partielle Ableitung @T @z ein entsprechender Ausdruck gefunden ist. Dieser folgt aus der jeweiligen thermischen Randbedingung. Wie gehabt soll wieder der Fall des konstanten Wärmestroms und der Fall der konstanten Wandtemperatur betrachtet werden. Wesentlich in der folgenden Betrachtung ist, dass auch die Strömung thermisch vollständig ausgebildet sein soll. Dies bedeutet, dass das dimensionslose Temperaturprofil .r; z/ D

T.z; r/  TW .z/ Tm .z/  TW .z/

(4.436)

an jeder Stelle z die gleiche Form besitzt [55]. An dieser Stelle wird zur Entdimensionierung neben der Wandtemperatur TW die lokale von der Koordinate z abhängige, adiabate Mischungstemperatur Tm eingeführt:

4.4

Rohrströmungen

277

2 Tm .z/ WD vm R2

Z

R

cp T.r; z/u.r/2rdr ;

(4.437)

0

mit vm D 12 vmax als mittlere Geschwindigkeit. Wird nun ein konstanter Wärmestrom oder eine konstante Wandtemperatur angenommen, so wird durch diese Entdimensionierung die dimensionslose Temperatur  unabhängig von der Koordinate z. Setzt man jetzt einen konstanten Wärmestrom voraus, so bedingt die Voraussetzung einer vollständig ausgebildeten Strömung, dass die Nußeltzahl gemäß Gl. (4.88), wenn man sie mit Hilfe von W in der folgenden Variante formuliert, ˛ D TmqPT W Nu D

qP W D ;  .Tm  TW /

(4.438)

ebenfalls konstant ist. Obwohl das dimensionslose Temperaturprofil in seiner Form invariant bleibt, muss sich dennoch das Temperaturniveau des Fluids mit zunehmender Lauflänge ändern, da schließlich Wärme zugeführt wird. Da sich die mittlere adiabate Mischungstemperatur Tm mit zunehmender Lauflänge verändert, muss sich die Wandtemperatur entsprechend gleichlaufend verändern [55], für den Temperaturgradienten in axialer Richtung gilt: @T 2RPqW @Tm D D ; (4.439) @z @z cp m P wobei m P der transportierte Massenstrom im Rohr ist. Dies wird in Abb. 4.7 verdeutlicht, in der die lokale Wärmeflussbilanz dargestellt wird. (4.439) eingesetzt in Gl. (4.435) führt auf eine integrierbare Form der Energiegleichung:  

 r 2 @T 2vm 2RPqW 1 @ r D 1 : r @r @r a cp m P R

(4.440)

Die zweimalige Integration führt unter der ˇ Berücksichtigung der Randbedingung ˇ T.R/ D TW und der Symmetriebedingung @T D 0 auf: @r rD0 2vm 2RPqW T .r/ D TW C a cp m P



3 1  r 2 1  r 4  : C 16 4 R 16 R

(4.441)

Durch Integration entsprechend Gl. (4.437) und Ersetzen des Massenstroms gemäß m P D vm R2 lässt sich die gleichbleibende Temperaturdifferenz berechnen: Tm  TW D

11 qP W D 11 qP W D 22 qP W R D D : 48  48  48 

(4.442)

Da sowohl der Wärmestrom als auch die Temperaturdifferenz konstant sind, ist für diesen  , und der Wärmeübergangskoeffizient ˛ D 48 . Fall die Nußeltzahl Nu D 48 11 11 D

278

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Abb. 4.7 Bilanz des Wärmeflusses für das radiale Rohrabschnittselement

q˙W (z)

TW (z) Tm (z)



Tm (z + dz)

r

z

dz

Der Fall der isothermen Wand kann leicht anhand der Abb. 4.7 gezeigt werden. Für die sich nun mit der Lauflänge ändernde Temperaturdifferenz T D Tm .z/  TW .z/ gilt die Wärmeflussbilanz entsprechend Gl. (4.439): 2RPqW 2R˛ @T D D T ; @z cp m P cp m P

(4.443)

was sich unmittelbar lösen lässt: 

T.z/ D T.0/e

  2R˛ c m P z p

:

(4.444)

Eine durchaus interessante Strömung stellt die Strömung eines strukturviskosen Fluides durch ein Rohr mit dem Radius R dar, bei der im ersten Fall eine konstante Wandtemperatur TW , im zweiten Fall ein konstanter Wärmestrom qP über die begrenzende Wand fließt. Diese sehr anschaulichen Beispiele sind [2] entnommen und in Abb. 4.8 prinzipiell dargestellt. Es wird angenommen, dass die Viskosität von der Temperatur unabhängig also konstant ist. Da ein Power-Law Fluid betrachtet wird, sind folglich der Fließindex n und der Konsistenzparameter K konstant. Anstelle des Fließindex n wird nachfolgend konstante Wandtemperatur TW /

Strömungsprofil ausgebildet

radiale Wärmeleitung axiale Wärmeleitung

r

z=0

konstanter Wandwärmestrom q˙W

z konvektiver Wärmestrom in Axialrichtung

T0 Strömungsrichtung L

Abb. 4.8 Skizze zur Wärmeflussbehandlung im Rohr

R

4.4

Rohrströmungen

279

die inverse Größe s D 1=n benutzt. Ein vollständig ausgebildetes Strömungsprofil einer laminaren Strömung soll am Eintritt in den beheizten Rohrabschnitt vorliegen:

 r sC1 : (4.445) vz D vmax 1  R Dort hat das Fluid die uniforme Temperatur T0 . Die Temperaturgleichung nimmt dann folgende Form an:

 

 r sC1 @T 1 @ @T @2 T D r C 2 : cp vmax 1  R @z r @r @r @z

(4.446)

Die Dichte, die spezifische Wärmekapazität und die stoffspezifische Wärmeleitfähigkeit sollen ebenfalls konstant sein. Die Strömung soll so langsam fließen, dass eine Temperaturerhöhung durch Dissipation zu vernachlässigen ist. Sie ist zudem laminar. Der Term auf der linken Seite von Gl. (4.446) beschreibt die Konvektion in Stromabrichtung, der erste Term in der Klammer auf der rechten Seite beschreibt die Wärmeleitung in radialer Richtung, der zweite Term der Klammer drückt die Wärmeleitung in Strömungsrichtung aus. Letzterer kann für strukturviskose Fluide, bei denen in der Regel der axiale, diffusive Temperaturtransport wesentlich kleiner ist als der axiale, konvektive Anteil des Temperaturtransportes, vernachlässigt werden.25 Gl. (4.446) vereinfacht sich daher zu:  



 r sC1 @T @T 1 @ r : (4.447) cp vmax 1  D R @z r @r @r Um das Temperaturprofil bestimmen zu können, müssen jetzt die Randbedingungen herangezogen werden. Auf der Rohrachse r D 0 ist die Temperatur limitiert, dies ist darauf zurückzuführen, dass das Geschwindigkeitsprofil als ausgebildet angenommen wird, und daher die Wärme, die über die Wand zu- oder abgeführt wird, durch Konvektion ausgeglichen wird. Für das Fluid gilt das Fouriersche Gesetz der Wärmeleitung, siehe Gl. (2.261), was sich hier jedoch auf die radiale Komponente beschränkt: qP D 

@T : @r

(4.448)

Wie schon gesagt, wird initial am Eintritt z D 0 die Temperatur T0 des Fluids als gleichförmig angenommen. Im ersten Fall soll die Wand eine konstante Temperatur TW aufweisen. Zur Gewinnung der Lösung wird Gl. (4.447) entdimensionalisiert: D 25

z r T  TW ; D ; D : T0  TW R vmax R2

Für Flüssigmetalle kann das anders sein.

(4.449)

280

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Zudem wird das Geschwindigkeitsprofil aus Gl. (4.445) mit der gemittelten Axialgeschwindigkeit R 2 R R vz .r/rdrd vN z D 0 R 2 0 R R (4.450) rdrd 0 0 entdimensioniert:

./ D

 vz sC3 1   sC1 : D vN z sC1

(4.451)

Die dimensionslose Temperaturdifferenzialgleichung lautet:

./

@ 1 @ D @  @

  @  : @

(4.452)

Die zugehörigen thermischen Randbedingungen sind  . D 0/ D 1,  . D 1/ D 0, und ferner  . D 0/ D limit . Ein üblicher Ansatz zur Lösung der Differenzialgleichung (4.452) ist die Methode der Separation der Variablen, in unserem Fall  .; / D f ./ g ./. Hierbei bildet die Funktion f ./ den Transport der Temperatur ab, während die Funktion g ./ den impulsgetriebenen Transport beschreibt. Einsetzen des Separationsansatzes und Teilen durch f  g ergibt:   @ 1 @f ./ 1 @g./ D  : (4.453) g./ @

./f ./ @ @ Auf der linken Seite besteht nur eine Abhängigkeit nach , auf der rechten Seite nur nach . Da diese jedoch gleich sind, müssen beide Seiten auf eine gemeinsame Konstante  verweisen, wobei  eine positive Zahl repräsentiert und letztlich ein Eigenwert der Differenzialgleichung ist.26 Daher ist die Differenzialgleichung aufspaltbar in 1 @g D  ; g @

1 @  @

  @f  C  f D 0 : @

(4.454)

Die erste Gleichung lässt sich sofort über einen Euleransatz lösen: g ./ D Ae :

(4.455)

Es wurde hier anstelle der üblichen, kleingeschriebenen Eigenwertbezeichnung  die großgeschriebene Bezeichnung  gewählt, um eine Verwechslung mit der Wärmeleitfähigkeit zu vermeiden. 26

4.4

Rohrströmungen

281

Damit lässt sich die allgemeine Lösung für die dimensionslose Temperatur nun schreiben als: 1 X  .; / D Ai fi ./ e : (4.456) iD1

Diese Gleichung zeigt auf, dass die Exponentialfunktion das Abklingen der noch zu bestimmenden Strukturfunktionen beschreibt. Die Bestimmungsgleichung für fi ./, die zweite Gleichung aus (4.454), in der der Term  die Kopplung mittels des dimensionslosen Geschwindigkeitsprofils ./ widerspiegelt, beschreibt ein Eigenwertproblem. Der Lösungsansatz für dieses Eigenwertproblem wurde von Stodola und Vianello, siehe Hildebrand [34], vorgestellt. Hiernach ergibt sich eine Reihung von Eigenfunktionen mit ihren Eigenwerten, die diese Differenzialgleichung erfüllen. Durch Iteration können diese bestimmt werden. Das Eigenwertproblem soll hier nicht allgemein gelöst werden, vielmehr konzentrieren wir uns auf die Bestimmung des ersten Eigenwertes, da dieser in der Regel die Lösungsstruktur dominiert. Für f1 ./ muss also eine geeignete Ansatzfunktion angesetzt werden. Bevor eine sinnvolle Wahl für f erfolgen kann, wird das dimensionslose Geschwindigkeitsprofil mit s D 2 festgelegt. Damit folgt für das Eigenwertproblem: 1 @  @

 

@f @

 C

 5 1  3 f D 0 : 3

(4.457)

Nach Bird [4] wird an dieser Stelle als polynomiale Ansatzfunktion das Geschwindigkeitsprofil selbst herangezogen, der Argumentation folgend, dass dieses selbst eine Eigenfunktion sei. Dies ist bei Strömungsproblemen häufig dann der Fall, wenn der konvektive Transport dominiert. Einsetzen der Eigenfunktion f1 ./ D 1   3 führt auf die leicht integrierbare Differenzialgleichung: 1 @  @

  2 @f1 5  C 1 1   3 D 0 ; @ 3

(4.458)

und nach zweimaliger Integration zur allgemeinen Schätzlösung auf: 5 f ./ D 1 3



1 297 2 1  2 C 5  8 64  25 4 25 64

 D 21 h1 ./ :

(4.459)

Diese Schätzlösung kann wieder eingesetzt werden in Gl. (4.457), was zu einer verbesserten Schätzung führt. Durch entsprechende Iterationen konvergiert das Verfahren. An dieser Stelle wollen wir jedoch mit der nun bekannten ersten Schätzlösung die Bestimmungsgleichung für den ersten Eigenwert ausrechnen:  R1  3 2 h1 ./ d 0  1 : 1 D R 1 2 3 0  .1   / h1 ./ d

(4.460)

282

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Der Integralwert der ersten Schätzung errechnet sich zu 3,97. Die hinreichend genaue numerische Lösung [38] iteriert auf den Wert 3,95. Damit ist die erste Schätzung schon recht gut. P1 i  0 fi .1/ i Ai e : (4.461) Nu D P1 Ai i  0 fi .1/ i e Das besondere Interesse gilt deshalb dem ersten Eigenwert, da er der Nußeltzahl für große  entspricht, wie dies das mögliche Kürzen der Terme in der nachfolgenden Gleichung zeigt: P1 1  0 fi .1/ i Ai e (4.462) D 1 : lim Nu D P1 A i   1 !1 fi0 .1/ i e Dies kann genutzt werden, denn wenn der erste Eigenwert bestimmt ist, ist der Wärmeeintrag an der Wand prinzipiell bekannt. Bird [4] hat hier den Ansatz von Stodola und Vianello genutzt, allerdings hätte es sich auch angeboten, das Gleichungssystem (4.454) weiter in ein System gewöhnlicher Differenzialgleichungen erster Ordnung umzuwandeln und den ersten (größten) Eigenwert numerisch zu bestimmen, siehe z. B. Hanke [32]. Im folgenden betrachten wir den Fall des konstanten Wärmestroms über die Rohrwand. Um auch für diesen Fall eine Lösung herleiten zu können, bietet es sich wieder an, Gl. (4.447) zu entdimensionalisieren jedoch etwas unterschiedlich im Vergleich zum vorherigen Fall. Mit D folgt:

r z T  T0 ; D ; D ; qP W R= R vmax R2

  @ 1 @ D 1   sC1 @  @

  @  ; @

(4.463)

(4.464)

zugleich werden auch die Randbedingungen dimensionslos formuliert: Auf der Mittelachse des Rohres  D 0 hat  den jeweils maximalen Wert, an der Wand  D 1 ist der D 1, am Eintritt in den geheizte Rohrabschnitt ist  D 0. Wärmefluss  @ @

Bird postuliert aufgrund einer asymptotischen Überlegung eine bestimmte Lösungsform für Gl. (4.464). Der asymptotischen Betrachtung von Bird liegen die folgende Annahmen zugrunde: Erstens ist ein Wärmefluss an der Wand vorgegeben, es ist also keine feste Wandtemperatur gegeben, daher ist zu erwarten, das das Temperaturniveau mit zunehmendem  ansteigt. Es kann ein linearer Ansatz gewählt werden, wobei ein Koeffizient C0 den Anstieg vorgibt. Zudem ist für große  die Strömung auch hinsichtlich der Ausbildung des Temperaturprofils voll ausgebildet, daher ist eine entsprechende Profilfunktion  anzusetzen: (4.465)  .; / D C0  C  ./ :

4.4

Rohrströmungen

283

Bird schränkt selbst ein, dass diese Lösung nur eine approximative sein kann, denn für  D 0 führt diese Lösung nicht auf  D 0. Allerdings interessiert primär das ausgebildete Geschwindigkeitsprofil für große , daher formuliert er eine plausible Ersatzrandbedingung, die sich aus dem Bilanzgedanken ergibt: Über den Rand des Rohres fließt schließlich genauso viel thermische Energie hinein (oder hinaus), wie über den Rohreintritt und Austritt abfließt (oder zufließt): Z 2 Z R cp .T  T0 / vz rdrd ; (4.466)  2RzPq D 0

bzw.

0

  @ 1 @ 1   sC1 D @  @

  @  ; @

(4.467)

mit der oben beschriebenen Ersetzung. Der gewählte Ansatz (4.465) führt auf die Differenzialgleichung:     1 @ @  D C0 1   sC1 ;  @ @

(4.468)

und schließlich auf die approximierende Lösung  2   sC3    .; / D C0  C C0 C C1 ln C C2 4 .s C 3/2

(4.469)

Jetzt gilt es noch, die Konstanten zu bestimmen, dies geschieht wiederum mit Hilfe der Randbedingungen: Anhand der vorgegeben Temperaturen  .;  D 0/ D 0 und  . D 0;  ! 1/ D 1 und der zu fordernden Symmetriebedingung auf der Mittelachse folgt: 2 .s C 3/ ; sC1 C1 D 0 ;

C0 D 

und C2 D

(4.470) (4.471)

.s C 3/3  8 4 : s C 1 16 .s C 3/ .s C 5/

(4.472)

Damit ergibt sich die nachfolgende Lösung für das Temperaturprofil in großer Entfernung vom Eintritt in den beheizten oder gekühlten Rohrabschnitt:  .; / D 

2 .s C 3/ 2 .s C 3/  sC1 sC1

.s C 3/3  8 4 C s C 1 16 .s C 3/ .s C 5/



2  sC3  4 .s C 3/2

 (4.473)

284

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Diese Gleichung wird nun rücktransformiert: T .r; z/ D T0 C .PqR=/ 

 2 .s C 3/

z 2 .s C 3/  s C 1 vmax R2 sC1

 r 2 R

4



 r sC3 ! R

.s C 3/2

.s C 3/3  8 4 : C s C 1 16 .s C 3/ .s C 5/

(4.474)

Diese analytische Lösung eignet sich insbesondere für die Verifizierung und Validierung eines durch numerische Simulation gewonnenen Temperaturprofils. Einerseits können eventuell vorhandene Fehler im Verfahren aufgedeckt werden, andererseits kann eine Aussage über die für eine Simulation notwendige Länge des räumlich zu diskretisierenden Rohres getroffen werden: Nur wenn das analytische Temperaturprofil hinreichend genau durch die numerische Simulation errechnet wird, war auch die bis dahin durch die Rohrströmung zurückgelegte Strecke für eine vollständige Ausbildung des Temperaturprofils ausreichend. Wie beschrieben ist es allgemein üblich, eine Beurteilung der übertragenen Wärmeleistung durch die dimensionslose Nußeltzahl vorzunehmen. Für den diskutierten Strömungsfall lässt sich der lokal übertragene Wärmestrom an der Rohrwand auch durch ein entsprechendes Wärmeleitungsgesetz, qP W .z/ D ˛ .Tm .z/  TW .z// ;

(4.475)

ausdrücken, wobei der radiale Wärmestrom qP .z/ gleich dem an der Wand qP W .z/ ist. Hier ist ˛ der schon bekannte Wärmeübergangskoeffizient und TW die Temperatur der Wand an der Stelle z. Die mittlere Fluidtemperatur Tm .z/27 wird durch folgende Mittelung R 2 R R Tm .z/ D

0

0 vz .r/T.r; z/rdrd ; R 2 R R 0 0 vz .r/rdrd

(4.476)

errechnet. Für eine Rohrströmung ist die Nußeltzahl definiert durch: Nu WD

˛2R ; 

(4.477)

 ist die schon bekannte Wärmeleitfähigkeit, die Bezugslänge ist der Durchmesser 2R. Aus der obigen Entdimensionierung, siehe Gl. (4.463), zeigt sich für die Nußeltzahl der interessante Zusammenhang: Nu D 27

2PqW .z/R 2 ˛2R D : D   .Tm .z/  TW .z// .m .z/  W /

Diese wir im Englischen als bulk temperature bezeichnet.

(4.478)

4.4

Rohrströmungen

285

Aufgrund der vorgenommenen Entdimensionierung kann die inverse Nußeltzahl als die halbe dimensionslose Temperaturdifferenz zwischen Wand und mittlerer Fluidtemperatur interpretiert werden. Für das obige voll ausgebildete Temperaturprofil, das nach entsprechend hinreichend großer Durchströmungslänge vorliegt, kann nach Auswerten der Gl. (4.473) für eine Stelle  und nach entsprechender Mittelung nach Gl. (4.476) in Gl. (4.478) eingesetzt werden: Nu D

8 .s C 3/ .s C 5/ : 31s2 C 12s C 1

(4.479)

Damit ist die Nußeltzahl, die man für ein Ostwald-de Waele Fluid für diese ausgebildete thermische Rohrströmung, allgemein bestimmt. Offensichtlich zeigt sich jetzt, dass die thermodynamischen Eigenschaften des Fluids nach vollständiger Ausbildung des Temperaturprofils nicht in den Wärmeübergang einfließen, sondern nur die strukturviskosen Eigenschaften des Fluids. Bird [4] verweist allerdings darauf, dass die hier angestellten Überlegungen nur für einen eingeschränkten Strömungs- und Wärmeübergangsbereich gelten: vz2 4R2 < 10 : ˛z

(4.480)

Darüberhinaus gilt die Voraussetzung einer laminaren Strömung nicht mehr. Bisher wurde die asymptotische Lösung für große, durchströmte Rohrlängen betrachtet. Wie die Wärme in das Fluid kurz nach Eintritt in den beheizten Bereich des Rohres eingetragen wird und wie sich dies auf das Temperaturprofil auswirkt, wird nun näher betrachtet. Dazu werden bestimmte Vorüberlegungen getroffen: Die vom Wärmefluss beeinflusste Fluidschicht an der Wand ist zu Beginn sehr dünn, daher kann hier angenommen werden, dass das Verhältnis von Schichtdicke zu Rohrradius sehr klein ist. Dies erlaubt, die Rohrkrümmung zu vernachlässigen und die Wand als flach anzusehen. Da die Mittelachse von der beheizten oder gekühlten Wand im Vergleich zur thermisch beeinflussten Fluidschicht weit weg ist, und eine Rückwirkung von dort nicht besteht, bietet es sich an, ein ebenes Koordinatensystem anzuwenden. An der Wand ist y D 0, die Rohrachse liegt nun im Unendlichen .y D 1/. Das Geschwindigkeitsprofil kann in erster Näherung als linear ansteigend angesehen werden, unter der Annahme, dass der Konsistenzparameter n hinreichend groß ist, siehe Gl. (4.375). Damit liegt in der Nähe der Wand das folgende Geschwindigkeitsprofil vor [4]: v0 y ; (4.481) vz .y/ D R mit v0 D

 s W

m

R D vmax .s C 1/ D hvz i .s C 3/ ;

(4.482)

und hvz i als gemittelte Axialgeschwindigkeit. Diese Annahmen fließen in die Temperaturgleichung (4.447) ein, wodurch sich diese zu @2 T v0 y @T Da 2 R @z @y

(4.483)

286

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

reduziert. Es sei hier an die thermische Diffusivität a erinnert, siehe Gl. (2.273). Diese reduzierte Gleichung wird nun in Wandnormalenrichtung abgeleitet: v0 y @2 T @ Da R @y@z @y



@2 T @y2

 :

(4.484)

Eine weitere Vereinfachung dieser Gleichung ist durch Einsetzen des Fourierschen Wärmeleitungsgesetzes @T qP D  (4.485) @y möglich: v0 @Pq @ Da R @z @y



1 @Pq y @y

 :

(4.486)

Jetzt haben wir hier eine Differenzialgleichung für Wärmeströme. Diese kann durch eine Entdimensionierung auf eine allgemeine Form gebracht werden, für die der Lösungsweg bekannt ist. Die Entdimensionierung erfolgt mit Hilfe der Ersetzung: ˚D

z qP y ; D ; D ; qP W R vmax R2

(4.487)

hier ist  aufgrund der obigen Annahme einer dünnen thermischen Schicht anders als in Gl. (4.463) definiert. Die Randbedingungen lassen sich entsprechend angeben:  D 0 ! ˚ D 0;  D 0 ! ˚ D 1;

(4.488)

 D 1 ! ˚ D 0: Einsetzen führt auf folgende, dimensionslose Wärmestromdifferenzialgleichung: @ @˚ D @ @



1 @˚  @

 :

(4.489)

Eine Standardmethode zur Lösung solcher Differenzialgleichungen ist die Variablentransformation. Bird [4] setzt  D p (4.490) 3 9 ein und erhält: 

  @˚ @2 ˚ D0 C 33  1 2 @ @

(4.491)

4.4

Rohrströmungen

287

mit den Randbedingungen .0/ D 1 und .1/ D 0. Mit Hilfe z. B. des Bronsteins [11] oder symbolischer Mathematikprogramme, wie z. B. Mathematica,28 kann eine Lösung für den dimensionslosen Wärmefluss gefunden werden: R1

˚D

 R1 0

e d 3

e3 d

D



3 2

Z

1



3

e d : 3

(4.492)

Die Variable ˚ wird nun rücktransformiert: Z

qP 3 D 2 qP W  3

1 

e d : 3

(4.493)

Daraus lässt sich jetzt eine Beziehung für den Wärmestrom in Abhängigkeit des Wandabstandes  und der Position  errechnen. Um allgemein vom Wärmestrom auf die Temperatur schließen zu können, wird das Fouriersche Gesetz (4.485) integriert: Z

1 y

Z qP dy D 

T0 T

dT D  .T  T0 / :

(4.494)

Mit qP D qP W ˚ lässt sich auch schreiben: Z  .T .y; z/  T0 / D qP W bzw.: T .y; z/ D T0 C

qP W 

1 y

Z

1 y

˚dy ;

˚dy :

(4.495)

(4.496)

p Wie Bird [4] zeigt, führt ein Wechseln der Integrationsvariablen, dy D Rd D R 3 9d, auf: p Z qP W R 3 9 1 ˚d ; (4.497) T .y; z/ D T0 C   und schließlich zu p Z Z 1 qP W R 3 9 1 3 3 2 T .y; z/ D T0 C e dd :   3   28

www.wolfram.com/mathematica/ Stand 2014.

(4.498)

288

4 Analytische Lösungen thermischer viskoser Strömungen

Auch hier bietet es sich an, Integraltafeln zu verwenden, die es ermöglichen, die Lösung wie folgt zu schreiben: ! p Z 1 3 qP W R 3 93 e 3    e d : (4.499) T .y; z/ D T0 C 3  23  Zur grafischen Darstellung kann es sich z. B. anbieten, für das letzte Integral eine Reihenentwicklung durchzuführen, wobei in der Regel nach dem dritten Glied abgebrochen wird. Alternativ kann das letzte Integral auch in ein anderes umgeformt werden, p    p   2  qP W R 3 9 3 2 e ; (4.500)  3 E 1 .3 / C   3 3  T .y; z/ D T0 C 3 3  3 um dann mitR Hilfe eines Rechenprogrammes den Kurvenverlauf zu bestimmen. Hierin 1 xt sind En D 1 e tn dt die Exponentialintegralfunktion,  .x/ die Gammafunktion und

 D Ry und  D p die zugehörigen transformierten Koordinaten. 3 9 Wie schon beschrieben setzt die Nußeltzahl den konvektiven Abtransport der Wärme durch Wärmeleitung im Fluid ins Verhältnis zum Wärmeübergang von der Wand ins Fluid. Damit bietet es sich an, die globalen Nußeltzahlen zu vergleichen, um den Wärmeaustausch hinsichtlich der Effizienz für verschiedene Konfigurationen oder Strömungen gegeneinander zu bewerten. Für den jetzigen Fall lässt sich die Nußeltzahl mit Hilfe des Ansatzes, Nu D

2RPqW ˛L ; D   .T .y D 0; z

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