Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren im Hilbertraum und elliptischer Differentialoperatoren

In diesem Lehrbuch wird der Spektralsatz für selbstadjungierte Operatoren aus dem Resultat der Linearen Algebra über die Diagonalisierung Hermitescher Matrizen hergeleitet. Dabei werden Lebesgue-Stieltjes-Integrale verwendet und der Auswahl- sowie der Konvergenzsatz von Helly über monotone Funktionen bereitgestellt. Wir konstruieren die Spektralschar durch eine technisch aufwändige Approximation, wobei die Stieltjes-Umkehrformel im Zentrum des Beweises steht. Ein Ergebnis hiervon ist, dass selbstadjungierte Operatoren nicht nur ein diskretes, sondern auch ein kontinuierliches Spektrum besitzen. Die auftretenden Streueigenwerte können hierbei nicht durch Variationsmethoden gewonnen werden. Dann wenden wir uns der zentralen Frage zu, welche elliptischen Differentialoperatoren eine selbstadjungierte Fortsetzung besitzen und somit im Geltungsbereich des Spektralsatzes liegen. Hier unterscheiden wir zwischen stabilen elliptischen Differentialoperatoren auf beschränkten Gebieten und denen auf dem ganzen Raum, wie etwa dem Schrödingeroperator. Auch Laplace-Beltrami-Operatoren und der Schwarzsche Operator für Minimalflächen werden im obigen Sinne als selbstadjungiert erkannt.Am Ende dieses Buches geben wir eine Einführung in die Störungstheorie selbstadjungierter Operatoren. Hier weisen wir die analytische Abhängigkeit der Spektralschar vom Störungsparameter nach.Dieses Werk zur Spektraltheorie ist insbesondere für das fortgeschrittene Mathematik- und Physikstudium geeignet, Kenntnisse in der Funktionalanalysis und der Theorie elliptischer Differentialgleichungen werden vorausgesetzt.


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Friedrich Sauvigny

Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren im Hilbertraum und elliptischer Differentialoperatoren

Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren im Hilbertraum und elliptischer Differentialoperatoren

Friedrich Sauvigny

Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren im Hilbertraum und elliptischer Differentialoperatoren

Friedrich Sauvigny Fachgebiet Mathematik BTU Cottbus-Senftenberg Cottbus, Deutschland

ISBN 978-3-662-58068-4 ISBN 978-3-662-58069-1 https://doi.org/10.1007/978-3-662-58069-1

(eBook)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Spektrum © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Verantwortlich im Verlag: Annika Denkert Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Dem Andenken an Professor Dr. Erhard Heinz (1924 – 2017) und Professor Dr. G¨ unter Hellwig (1926 – 2006) in dankbarer Erinnerung gewidmet

VII

Vorwort

In den Notices of the American Mathematical Society fand sich die bemerkenswerte Feststellung: Mathematicians are addicted to eigenvalue problems. Tats¨achlich begleiten Eigenwertprobleme die Mathematiker und Physiker von den Anf¨angervorlesungen zur Linearen Algebra und Analytischen Geometrie sowie der Analysis (siehe Satz 6 in § 3 von Kap. IV im Lehrbuch [S1]) u ¨ber die Stabilt¨ atsuntersuchungen in der Variationsrechnung bis hin zu den Energiebetrachtungen in der Quantenmechanik. In den Vorlesungen u ur voll¨ber Funktionalanalysis wird der Spektralsatz f¨ stetige bzw. kompakte und beschr¨ ankte, Hermitesche Operatoren (siehe hierzu [S3] Kap. 8 oder [S5] Chap. 8) bewiesen. Zur Bequemlichkeit der Leser nehmen wir diesen Beweis in den § II.11 unseres Lehrbuchs auf. Dabei bezeichnet etwa § II.11 den § 11 im Kapitel II. Die Differentialoperatoren werden erst durch Inversen-Bildung mittels einer Greenschen Funktion f¨ ur die Spektraldarstellung zug¨anglich, und das Spektrum ist hierbei diskret und besitzt +∞ als einzigen H¨aufungspunkt (man vergleiche [H1]). Wir wollen in dieser Abhandlung direkt f¨ ur eine geeignete Klasse unbeschr¨ankter Operatoren eine Spektraldarstellung herleiten. Hier kann das Spektrum auch kontinuierlich sein und sich von −∞ bis +∞ erstrecken. Dieser Spektralsatz f¨ ur selbstadjungierte Operatoren wurde unabh¨angig von J. von Neumann [vN] und A. Wintner [Wi] am Ende der 1920er Jahre bewiesen, als sich die Quantenmechanik in ihrer urspr¨ unglichen Entwicklungsphase befand. In § I.2 und § I.3 werden wir direkt die schwache L¨ osbarkeitstheorie f¨ ur elliptische Differentialoperatoren zur Beantwortung der Frage nach der Selbstadjungiertheit dieser Operatoren heranziehen. Den Weg bis zum Spektralsatz in § I.12 k¨ onnen wir dem Inhaltsverzeichnis entnehmen. Entscheidend wird zu seinem Beweis die Resolvente eines Operators und die Stieltjes’sche Umkehrformel herangezogen. Der Beweis baut auf die Spektraldarstellung Hermitescher Matrizen und verwendet Konvergenzbetrachtungen mit Hilfe der S¨ atze von E. Helly u ankter ¨ber Funktionen beschr¨ Variation. Die notwendigen Integralbegriffe von Riemann-Stieltjes sowie von Lebesgue-Stieltjes k¨ onnen wir dem Lehrbuch [S1] zur Analysis entnehmen.

VIII

Vorwort

Wir wollen zun¨achst den Spektralsatz f¨ ur separable Hilbertr¨aume beweisen. Im § III.1 werden wir dann u ¨ber eine Integralformel von Herglotz den Spektralsatz f¨ ur beliebige Hilbertr¨ aume zeigen. Bei den uns interessierenden Anwendungen auf elliptische Differentialoperatoren reicht allerdings der Spektralsatz f¨ ur separable Hilbertr¨ aume aus. Wir orientieren uns hier an der Vorlesung [H2] von Herrn Professor Dr. E. Heinz, der mir wie seinen zahlreichen Sch¨ ulern das Forschungsgebiet der klassischen Analysis er¨ offnet hat. F. Hirzebruch [HS] hat einen andereren Zugang zum Spektralsatz gew¨ ahlt, welcher Operator-Algebren benutzt aber der Theorie von Differentialgleichungen ferner liegt. Wir werden in § II.1 die Cayley-Transformation vorstellen, und in § II.2 den Spektralsatz f¨ ur unit¨ are Operatoren u ¨ber die Exponentialreihe aus dem Spektralsatz f¨ ur Hermitesche Operatoren herleiten. Hiermit ist die zeitabh¨angige Schr¨odingergleichung in § II.3 eng verkn¨ upft. Die physikalische Interpretation dieser Gleichungen kann man dem inspirierenden Skriptum [B] von H.J. Borchers u ¨ber Quantenmechnik entnehmen. Der abstrakte Spektralsatz wurde schon kurz nach seiner Entdeckung von K.O. Friedrichs [F] auf halbbeschr¨ ankte Differentialoperatoren angewandt, dessen Ideen wir in § II.4 darstellen. In seinem Vortrag 1976 im G¨ottinger Mathematischen Kolloquium hatte ich das große Gl¨ uck, diesen beeindruckenden Mathematiker vom Courant-Institut in New York am Ort seiner wissenschaftlichen Herkunft erleben zu k¨ onnen. In § II.6 wird die FriedrichsFortsetzung auf Laplace-Beltrami-Operatoren und im § II.8 auf Schr¨odingeroperatoren angewandt. Im § II.7 werden wir ein Eigenwertproblem behandeln, welches H.A. Schwarz schon um 1890 zur Beurteilung eines lokalen Minimums bei Minimalfl¨achen vorgeschlagen hat. Im § II.8 entwickeln wir die Spektraltheorie f¨ ur Schr¨odingeroperatoren mit halbbeschr¨anktem Potential nach unten. Schließlich beantworten wir im § II.9 die Frage zur wesentlichen Selbstadjungiertheit von Schr¨odingeroperatoren, was f¨ ur die Quantenmechanik zentrale Bedeutung besitzt. Hier orientieren wir uns an der Monographie von G. Hellwig: Differentialoperatoren der mathematischen Physik [He]. An Herrn Prof. Dr. G. Hellwig werde ich f¨ ur sein weitsichtiges und vorbildliches Wirken als Direktor des Instituts f¨ ur Mathematik an der RWTH Aachen, wo ich von 1978 bis 1983 wissenschaftlicher Assistent war, immer ein dankbares Andenken bewahren. Im Zentrum des § II.9 steht ein Regularit¨ atssatz f¨ ur Schr¨ odingeroperatoren, welcher eine Weiterentwicklung des Weylschen Lemmas durch E. Wienholtz darstellt. Wir betrachten Integraloperatoren in § II.10 mit Hermiteschen messbaren Kernfunktionen K = K(x, y), (x, y) ∈ Rn × Rn , welche lokal quadratisch integrierbar sind. Diese stellen unbeschr¨ ankte, selbstadjungierte Operatoren im Hilbertraum dar, auf welche der Spektralsatz f¨ ur selbstadjungierte Ope-

Vorwort

IX

ratoren aus § I.12 anwendbar ist. Im Falle K = K(x, y) ∈ L2 (Rn × Rn ) ist dieser Hilbert-Schmidt-Operator sogar beschr¨ ankt auf L2 (Rn ) sowie vollstetig und besitzt {0} als H¨ aufungsspektrum. Den hier angemessenen Spektralsatz f¨ ur vollstetige Hermitesche Operatoren (man vergleiche das Theorem 7.3 in [S5] Chap. 8) zeigen wir im § II.11 mit den direkten Variationsmethoden im Hilbertraum. In diesem Lehrbuch wollen wir unsere Leser auch mit der St¨orungstheorie selbstadjungierter Operatoren im Hilbertraum vertraut machen. Bereits in § I.4 untersuchen wir die St¨ orung wesentlich selbstadjungierter Operatoren. In unserer Darstellung leiten wir in den abschließenden § III.2 und § III.3 tiefere Ergebnisse aus der St¨ orungstheorie linearer Operatoren her. Dort werden wir die stetige, gleichm¨ aßige und analytische Abh¨ angigkeit der Spektralschar von der entsprechenden Familie selbstadjungierter Operatoren pr¨asentieren und hierf¨ ur direkte Beweise anbieten. Dar¨ uber hinaus empfehlen wir das Studium der Originalarbeit [H3] von E. Heinz, welche in das Grundlehrenbuch [K] von T. Kato an zentraler Stelle Eingang gefunden hat. Diese Dissertation von E. Heinz im Jahr 1951 bei F. Rellich vollendet gewissermaßen die St¨ orungstheorie linearer Operatoren im Hilbertraum, welche von F. Rellich ab den 1930er Jahren begr¨ undet wurde. Wir m¨ochten mit dieser Monographie beitragen zum bleibenden Andenken an Herrn Professor Dr. Erhard Heinz, der mit seinem Wirken die Tradition von D. Hilbert u ¨ber R. Courant und F. Rellich in der Analysis am G¨ottinger Mathematischen Institut fortgesetzt hat. Nun gibt es recht umfangreiche Darstellungen der Spektraltheorie, wie etwa das klassische Lehrbuch [AG] von N.I. Achieser und I.N. Glasmann, das wohlbekannte Grundlehren-Buch von T.Kato [K] u ¨ber Perturbation theory for linear operators oder die neuere Darstellung [Sm] von K. Schm¨ udgen u ¨ber Unbounded self-adjoint operators on Hilbert space. Auch m¨ochten wir die interessante Monographie [L] u ¨ber Spektraltheorie in der Riemannschen Geometrie von O. Labl´ee hier nennen. In unserem Lehrbuch zur Spektraltheorie setzen wir gr¨ undliche Kenntnisse der Funktionalanalysis und der Theorie elliptischer Differentialgleichungen voraus, wie sie etwa in unserem Lehrbuch [S4] und [S5] (bzw. in der deutschen Ausgabe [S3] und [S4]) vermittelt werden. Wir hoffen durch die konsequente Hinf¨ uhrung zum Spektralsatz f¨ ur selbstadjungierte Operatoren und die gleichzeitige Behandlung der Spektraltheorie elliptischer Differentialoperatoren die Leser zur Besch¨aftigung mit diesem zentralen Gebiet zwischen Theoretischer Physik, Funktionalanalysis und der Theorie partieller Differentialgleichungen zu ermutigen.

X

Vorwort

An dieser Stelle m¨ ochte ich ganz herzlich Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Willi J¨ager, Prof. Dr. Frank M¨ uller, Prof. Dr. Sabine Pickenhain und Prof. Dr. Gerhard Str¨ohmer sowie Dr. Michael Hilschenz, M. Sc. Andreas K¨ unnemann und M. Sc. S¨ oren Tschierse f¨ ur ihr andauerndes Interesse und f¨ ur ihre vielen wertvollen Hinweise zu den behandelten Themen danken. Schließlich m¨ochte ich Frau Dr. Annika Denkert sowie Frau Agnes Herrmann vom Springer-Verlag und Herrn Clemens Heine vom Birkh¨ auser-Verlag vielmals danken f¨ ur ihr langfristiges Vertrauen und ihre große Hilfsbereitschaft bei diesem Buchprojekt u ¨ber die Spektraltheorie.

Prof. Dr. Friedrich Sauvigny Institut f¨ ur Mathematik / Fachgebiet Analysis Brandenburgische Technische Universit¨ at Cottbus - Senftenberg im August 2018

Inhaltsverzeichnis

I

Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren . . . . . . . . . . . . . 1 §1 Abgeschlossene Operatoren mit ihren Graphen . . . . . . . . . . . . . . 1 §2 Stabile elliptische Differentialoperatoren auf beschr¨ankten Gebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 §3 Aussch¨ opfung des Hilbertraums durch Niveaur¨aume des Differentialoperators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 ¨ §4 Uber die Selbstadjungiertheit von Hermiteschen Operatoren . . 24 §5 Die Resolvente eines selbstadjungierten Operators . . . . . . . . . . . 35 §6 Die Spektralschar mit ihrem Riemann-Stieltjes -Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 §7 Lebesgue-Stieltjes-Integrale bez¨ uglich der Spektralschar . . . . . . 51 §8 Unbeschr¨ ankte Spektraloperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 §9 Auswahl- und Konvergenzsatz von E. Helly . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 §10 Cauchy-Stieltjes-Integrale und die Stieltjes-Umkehrformel . . . . . 80 §11 Approximation der Spektralschar selbstadjungierter Operatoren 89 §12 Der Spektralsatz selbstadjungierter Operatoren und ihr Spektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

II

Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 §1 Die Cayley-Transformierten abgeschlossener Hermitescher Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 §2 Der Spektralsatz f¨ ur unit¨ are Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 §3 Die zeitabh¨ angige Schr¨ odingergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 §4 Die Friedrichs-Fortsetzung halbbeschr¨ankter Hermitescher Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 §5 Der Vergleich von Rellichoperatoren mit ihren Spektren . . . . . . 154 §6 Positive Laplace-Beltrami-Operatoren auf beliebigen Gebieten . 163 §7 Der Operator von H.A. Schwarz f¨ ur Minimalfl¨achen . . . . . . . . . . 171 §8 Spektraltheorie von Schr¨ odingeroperatoren mit halbbeschr¨ anktem Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

XII

Inhaltsverzeichnis

§9 Die wesentliche Selbstadjungiertheit von Schr¨odingeroperatoren188 §10 Spektraltheorie der Integraloperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 §11 Der Spektralsatz f¨ ur kompakte Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 §1 Die Integralformel von Herglotz und ihre Folgerungen . . . . . . . . 213 §2 Einf¨ uhrung in die St¨ orungstheorie selbstadjungierter Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 §3 Ein analytischer St¨ orungssatz f¨ ur die Spektralschar . . . . . . . . . . 246 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

In diesem Kapitel entwickeln wir die Theorie selbstadjungierter Operatoren im Hilbertraum und untersuchen ihre Beziehung zu den Hermiteschen Operatoren. Wir stellen die Resolvente eines Operators vor und behandeln Riemannsowie Lebesgue-Stieltjesintegrale bez¨ uglich einer Spektralschar. Durch Approximation mit endlich-dimensionalen Hermiteschen Operatoren zeigen wir den Spektralsatz f¨ ur selbstadjungierte Operatoren. Hierzu beweisen wir den Auswahl- und den Konvergenzsatz von E. Helly. Im Zentrum des Beweises f¨ ur den allgemeinen Spektralsatz steht die Stieltjes’sche Umkehrformel.

§1 Abgeschlossene Operatoren mit ihren Graphen Wir beginnen mit der grundlegenden Definition I.1.1. Im Hilbertraum H mit dem inneren Produkt (f, g)H , f, g ∈ H nennen wir die lineare Abbildung T : DT → H mit T (αf + βg) = αT f + βT g f¨ ur alle f, g ∈ DT und α, β ∈ C auf dem linearen Raum DT ⊂ H einen linearen Operator mit dem Definitionsbereich DT und dem Wertebereich WT := T (DT ) ⊂ H. Definition I.1.2. Der Operator S heißt Fortsetzung des Operators T , wenn die Inklusion DS ⊃ DT und die Identit¨ at Sf = T f

f¨ ur alle

f ∈ DT

erf¨ ullt ist. Wir schreiben dann S ⊃ T oder gleichwertig T ⊂ S. Bemerkungen: i) Aus S ⊂ T und T ⊂ S folgt S = T .

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 F. Sauvigny, Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren im Hilbertraum und elliptischer Differentialoperatoren, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58069-1_1

2

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

ii) Der Graph des Operators T GT := {(f, T f ) ∈ H × H : f ∈ DT } stellt einen linearen Teilraum des Vektorraums H × H dar. iii) Die Inklusion S ⊃ T bedeutet f¨ ur die Graphen dieser Operatoren gerade GS ⊃ G T . Definition I.1.3. Der lineare Operator T mit dem Definitionsbereich DT heißt abgeschlossen, wenn aus fn → f (n → ∞)

,

f n ∈ DT

und T fn → g (n → ∞) die Eigenschaften f ∈ DT sowie T f = g folgen. Somit ergibt sich f¨ ur solche Folgen die Aussage T ( lim fn ) = lim T fn . (I.1.1) n→∞

n→∞

Wir statten den linearen Raum H2 := H × H := {(f1 , f2 ) : f1 , f2 ∈ H} mit dem inneren Produkt < (f1 , f2 ), (g1 , g2 ) >:= (f1 , g1 )H +(f2 , g2 )H , (f1 , f2 ), (g1 , g2 ) ∈ H×H (I.1.2) aus und erhalten einen Hilbertraum. Durch die Setzung πj : H × H → H

mit

πj (f1 , f2 ) := fj ∈ H

(I.1.3)

erkl¨aren wir die Projektion auf die j-te Komponente f¨ ur j = 1, 2. Theorem I.1.1. Der lineare Operator T ist genau dann abgeschlossen, wenn der Graph GT ⊂ H × H eine abgeschlossene Menge darstellt. Beweis: =⇒ “ : Sei der abgeschlossene Operator T gegeben. Dann betrachte ” man die in H2 konvergente Folge GT 3 (fn , T fn ) → (f, g)

(n → ∞) .

Es folgt f ∈ DT sowie T f = g nach Definition I.1.3, und wir erhalten limn→∞ (fn , T fn ) ∈ GT . Also ist GT abgeschlossen. ⇐= “ : Sei GT abgeschlossen. Die Folge fn → f mit T fn → g (n → ∞) ” und fn ∈ DT erf¨ ullt dann die Bedingung (fn , T fn ) → (f, g) ∈ GT (n → ∞) . Somit erhalten wir (f, g) = (f, T f ) ∈ GT und f ∈ DT sowie T f = g. q.e.d. Definition I.1.4. Ein linearer Operator T mit dem Definitionsbereich DT heißt abschließbar, wenn aus der Eigenschaft kfn k → 0 (n → ∞) mit fn ∈ DT und T fn → g (n → ∞) dann g = 0 folgt.

§1 Abgeschlossene Operatoren mit ihren Graphen

3

Theorem I.1.2. Sei T ein abschließbarer linearer Operator in DT . Dann besitzt T eine minimale abgeschlossene Fortsetzung T oder auch Abschließung gem¨ aß den Formeln (I.1.4) und (I.1.5) mit folgenden Eigenschaften: Es gilt ullt die Bedingung T ⊂ T , und jede abgeschlossene Fortsetzung T1 ⊃ T erf¨ T ⊂ T1 . Beweis: Sei der abschließbare lineare Operator T gegeben. Von seinem Graphen GT ⊂ H × H betrachten wir den Abschluss n o G := (f, g) ∈ H2 : Es existieren (fn , gn ) ∈ GT mit(fn , gn ) → (f, g)(n → ∞) . Auf diesem abgeschlossenen, linearen Teilraum von H2 betrachten wir die Projektion Π1 : G → H

mit

Π1 (f, g) := f ∈ H

f¨ ur

(f, g) ∈ G

(I.1.4)

auf die erste Komponente. Diese Abbildung Π1 ist injektiv, da deren Kern nur aus dem Nullelement besteht. Ist n¨ amlich Π1 (f, g) = 0 mit dem Element (f, g) ∈ G erf¨ ullt, so gibt es Elemente (fn , gn ) ∈ GT mit der Eigenschaft (fn , T fn ) = (fn , gn ) → (f, g) = (0, g) ∈ H2 f¨ ur n → ∞. Da der Operator T abschließbar ist, so ergibt sich g = 0 und somit (f, g) = (0, 0). aren wir den linearen Operator Auf dem Definitionsbereich DT := Π1 (G) erkl¨ T := Π2 ◦ Π1−1 : DT → H mit der Eigenschaft T f = Π2 ◦ Π1−1 f = Π2 (f, g) = g ∈ H ,

f ∈ DT ;

(I.1.5)

dabei ist (f, g) ∈ G mit Π1 (f, g) = f eindeutig bestimmt. Wir berechnen nun o n GT = (f, g) ∈ H2 : f ∈ DT , g = T (f ) = G , und somit ist der Operator T abgeschlossen. Aus obiger Konstruktion wird auch klar, dass T den minimalen abgeschlossenen Operator T1 ⊃ T darstellt. q.e.d. Wir ben¨otigen nun den folgenden Operator auf H × H, welcher eine Drehung um den Winkel π2 darstellt. Definition I.1.5. Auf dem Hilbertraum H × H betrachten wir den Drehoperator U : H2 → H2 erkl¨ art durch H2 3 (f, g) → U (f, g) := (−g, f ) ∈ H2 . Bemerkung: Der Drehoperator ist isometrisch sowie surjektiv auf dem Hilbertraum H2 und stellt eine unit¨ are Transformation dar. Weiterhin gelten die Identit¨aten U 2 := U ◦ U = −IdH×H

und

U 4 := U ◦ U ◦ U ◦ U = IdH×H .

(I.1.6)

4

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Definition I.1.6. Es sei T ein linearer Operator mit dichtem Definitionsbereich DT ⊂ H gegeben. Dann betrachten wir als adjungierten Graphen die Menge n o GT∗ := (U GT )⊥ = (f, g) ∈ H2 : (f, −T h)H + (g, h)H = 0, ∀h ∈ DT . (I.1.7) Aus dem abgeschlossenen linearen Teilraum GT∗ ⊂ H2 erhalten wir durch Projektion den Definitionsbereich DT ∗ := Π1 (GT∗ ) des adjungierten Operators T ∗ := Π2 ◦ Π1−1 : DT ∗ → H ;

(I.1.8)

dabei bezeichnen Πj : GT∗ → H

mit

Πj (f1 , f2 ) := fj ∈ H

f¨ ur

(f1 , f2 ) ∈ GT∗

(I.1.9)

die Einschr¨ ankungen der Projektionen πj auf den Teilraum GT∗ . Bemerkungen: i) Die Projektion Π1 ist injektiv: Aus Π1 (f, g) = 0 f¨ ur (f, g) ∈ GT∗ folgt f = 0 und mit Hilfe von (I.1.7) die Bedingung 0 = (f, −T h)H + (g, h)H = (g, h)H ,

∀h ∈ DT .

Da DT ⊂ H dicht liegt, erhalten wir g = 0 und schließlich (f, g) = (0, 0) . ii) Somit kann man den adjungierten Operator (I.1.8) definieren. Da nach ullt ist, muss der Operator T ∗ abKonstruktion GT ∗ = GT∗ = (U GT )⊥ erf¨ geschlossen sein. Der Orthogonalraum eines linearen Teilraums im Hilbertraum ist n¨amlich immer abgeschlossen. iii) Es gilt die Identit¨ at (g, T f ) = (T ∗ g, f )

f¨ ur alle

f ∈ DT

und alle

g ∈ DT ∗ .

(I.1.10)

Diese Aussage entnehmen wir sofort der Bedingung (I.1.7). Wir fassen unsere Ergebnisse zusammen im Theorem I.1.3. Zu einem linearen Operator T mit dem dichten Definitionsbereich DT ⊂ H ist der adjungierte Operator T ∗ abgeschlossen und besitzt den Definitionsbereich DT ∗ aus Definition I.1.6; die beiden Operatoren T und T ∗ erf¨ ullen die obige Identit¨ at (I.1.10). Ist zus¨ atzlich der Operator T abschließbar, so besitzt seine minimale Abschließung T die Adjungierte (T )∗ = T ∗ .

(I.1.11)

Beweis: Wir haben nur noch die Identit¨ at (I.1.11) zu zeigen. Hierzu gehen wir von der Identit¨at GT = GT aus, wobei · · · den Abschluss in H × H angibt.

§1 Abgeschlossene Operatoren mit ihren Graphen

5

Da der Drehoperator isometrisch ist, folgt U (GT ) = U (GT ) = U (GT ) und schließlich G(T )∗ = [U (GT )]⊥ = [U (GT )]⊥ = [U (GT )]⊥ = GT ∗ . q.e.d. In der Menge der abgeschlossenen und dicht definierten Operatoren liefert die Bildung der Adjungierten ∗ eine Involution nach dem folgenden Theorem I.1.4. Zu einem linearen abgeschlossenen Operator T mit dem dichten Definitionsbereich DT ⊂ H besitzt der adjungierte Operator T ∗ den dichten Definitionsbereich DT ∗ ⊂ H; weiter haben wir dann die Eigenschaft T ∗∗ = T . ¨ Beweis: Wir betrachten zun¨ achst die Aquivalenzen [U ({U (GT )}⊥ )]⊥ = GT

U ({U (GT )}⊥ ) = (GT )⊥

⇐⇒

{U (GT )}⊥ = −U [(GT )⊥ ]

⇐⇒

⇐⇒

2

{(f, g) ∈ H : (f, −T h)H + (g, h)H = 0, ∀h ∈ DT } =

(I.1.12)

= {(g, −f ) ∈ H2 : (f, h)H + (g, T h)H = 0, ∀h ∈ DT } Da die Mengen in den unteren beiden Zeilen u ¨bereinstimmen, erhalten wir die Identit¨at [U ({U (GT )}⊥ )]⊥ = GT . (I.1.13) L¨ age DT ∗ nicht dicht in H, so gibt es ein h 6= 0 mit h ⊥ DT ∗ . Somit folgt (0, h) ⊥ U (GT ∗ ) und weiter (0, h) ∈ [U (GT ∗ )]⊥ = [U ({U (GT )}⊥ )]⊥ = GT . Diese Aussage widerspricht der Grapheneigenschaft von T . Somit ist DT ∗ ⊂ H dicht, und wir k¨onnen den Operator T ∗∗ bilden. Nun bemerken wir GT ∗∗ = [U (GT ∗ )]⊥ = [U ({U (GT )}⊥ )]⊥ = GT , und wir erhalten schließlich T = T

∗∗

.

(I.1.14) q.e.d.

F¨ ur die nachfolgende Klasse von Operatoren werden wir in § 12 eine Spektraldarstellung herleiten, welche die Eigenwerte und Eigenr¨aume des Operators repr¨asentiert. Definition I.1.7. Stimmt ein linearer Operator T auf dem dichten Definiaß T = T ∗ tionsbereich DT ⊂ H mit seinem adjungierten Operator T ∗ gem¨ u ¨berein, so nennen wir diesen Operator T selbstadjungiert. Die elliptischen Differentialoperatoren der Geometrie und der Physik sind im nachfolgenden Sinne wesentlich selbstadjungiert; sie erlauben eine Spektraldarstellung erst nach einem Abschlussprozess. Definition I.1.8. Einen abschließbaren Operator T auf dem dichten Definitionsbereich DT ⊂ H nennen wir wesentlich selbstadjungiert, wenn seiaß ne minimale Abschließung T mit seinem adjungierten Operator T ∗ gem¨ T = T ∗ = (T )∗ u ¨bereinstimmt.

6

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Bemerkung: Ein abschließbarer Operator T ist also genau dann wesentlich selbstadjungiert, wenn T selbstadjungiert ist. Theorem I.1.5. Ebenso wie der Operator T mit dem dichten Definitionsbereich DT ⊂ H besitze auch sein adjungierter Operator T ∗ einen dichten Definitionsbereich DT ∗ ⊂ H. Dann ist der Operator T abschließbar, und seine ullt T = T ∗∗ . minimale Abschließung T erf¨ ¨ (I.1.12) ersetzen wir die erste Zeile durch Beweis: In den Aquivalenzen [U ({U (GT )}⊥ )]⊥ = GT

⇐⇒

U ({U (GT )}⊥ ) = (GT )⊥ = (GT )⊥

. (I.1.15)

Dann erhalten wir die Identit¨ at GT ∗∗ = [U ({U (GT )}⊥ )]⊥ = GT . Somit ist T abschließbar, und es gilt T = T ∗∗ .

(I.1.16) q.e.d.

Theorem I.1.6. Es sei T ein abschließbarer Operator mit dem dichten Definitionsbereich DT ⊂ H. Dann besitzt auch sein adjungierter Operator T ∗ einen dichten Definitionsbereich DT ∗ ⊂ H, und die minimale Abschließung T von T erf¨ ullt die Identit¨ at T = T ∗∗ . Beweis: F¨ ur die Operatoren T ⊂ T liegen die zugeh¨origen Definitionsbereiche DT ⊂ DT ⊂ H dicht. Nach Theorem I.1.4 liegt auch D(T )∗ = DT ∗ ⊂ H dicht, und wir ermitteln aus (T )∗ = T ∗ die Identit¨ at T = (T )∗∗ = T ∗∗ . q.e.d.

§2 Stabile elliptische Differentialoperatoren auf beschr¨ ankten Gebieten

7

§2 Stabile elliptische Differentialoperatoren auf beschr¨ ankten Gebieten Wir w¨ahlen n ∈ N mit n ≥ 3 als Raumdimension, und wir erkl¨aren auf dem beschr¨ankten Gebiet Ω ⊂ Rn f¨ ur die Funktionen u = u(x) : Ω → R ∈ C 2 (Ω) ∩ C 0 (Ω) den elliptischen Differentialoperator in Divergenzform Lu(x) := −

n X

 ∂  ∂ u(x) + c(x)u(x) , aij (x) ∂xj ∂xi i,j=1

x∈Ω

(I.2.1)

mit den Koeffizientenfunktionen aij = aij (x) ∈ C 1 (Ω) f¨ ur i, j = 1, . . . , n sowie c = c(x) ∈ C 0 (Ω). Zu der rechten Seite g ∈ C 0 (Ω) betrachten wir unter Nullrandbedingungen die L¨ osung der inhomogenen Differentialgleichung Lu(x) = g(x) ,

x∈Ω

und

u(x) = 0 ,

x ∈ ∂Ω .

(I.2.2)

Multiplikation mit einer beliebigen Testfunktion ϕ ∈ C0∞ (Ω) und partielle Integration liefern die schwache Differentialgleichung Z X n  aij (x)uxi (x)ϕxj (x) + c(x)u(x)ϕ(x) dx Ω i,j=1 (I.2.3) Z g(x)ϕ(x)dx

=

f¨ ur alle

ϕ ∈ C0∞ (Ω) .



Wir verwenden nun als Hilbertraum H(Ω) := L2 (Ω) den Lebesgueraum der quadratintegrablen Funktionen mit dem inneren Produkt Z (f, g)H(Ω) := f (x)g(x)dx f¨ ur alle f, g ∈ L2 (Ω) . Ω

C0∞ (Ω)

⊂ H(Ω) der Testfunktionen liegt dicht im angegebenen Der Raum Hilbertraum bez¨ uglich der Norm sZ q f (x)2 dx f¨ ur alle f ∈ H(Ω) . kf kH(Ω) := (f, f )H(Ω) = Ω

Die Lebesguer¨aume haben wir bereits in unserem Lehrbuch zur Analysis [S1] in Kapitel VIII § 8 behandelt. Wie im Kapitel X § 1 unseres Lehrbuchs zu den partiellen Differentialgleichungen [S3] f¨ uhren wir nun den Sobolevraum H1 (Ω) := W01,2 (Ω) der 1-mal schwach differenzierbaren Funktionen aus H(Ω) mit quadratintegrablen ersten partiellen Ableitungen ein. Hierzu bezeichnen wir mit Dei die schwache Ableitung von Funktionen aus H(Ω) in Richtung ei = (δ1i , . . . , δni ) f¨ ur

8

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

i = 1, . . . , n als beschr¨ ankte lineare Funktionale auf dem Raum L2 (Ω), welche wir mit seinem Repr¨ asentanten aus H(Ω) identifizieren. Dann erkl¨aren wir im Sobolevraum H1 (Ω) das innere Produkt (f, g)H1 (Ω) :=

Z X n Ω

 Dei f (x)Dei g(x) + f (x)g(x) dx (I.2.4)

i=1

f¨ ur alle

f, g ∈

W01,2 (Ω)

und die Norm kf kH1 (Ω)

v uZ  n  X u |Dei f (x)|2 + |f (x)|2 dx f¨ ur alle f ∈ W01,2 (Ω). := t Ω

i=1

(I.2.5) Der Sobolevraum H1 (Ω) entsteht als Abschluss des Raums der Testfunktionen C0∞ (Ω) bez¨ uglich der Norm (I.2.5). Nach dem Sobolevschen Einbettungssatz aus [S3] Kapitel X § 2 ist die Norm (I.2.5) auf dem Sobolevraum H1 (Ω) ¨aquivalent zur Dirichletnorm v vZ uZ X n u u u 2 t 1 |Dei f (x)|2 dx, f ∈ H1 (Ω). (I.2.6) kf kH0 (Ω) := t |Df (x)| dx = Ω i=1



Insbesondere gibt es nach dem Sobolevschen Einbettungssatz f¨ ur das beschr¨ankte Gebiet Ω eine Konstante 0 < Λ(Ω) < +∞, so dass Z Z |Dϕ(x)|2 dx ≥ Λ(Ω) |ϕ(x)|2 dx f¨ ur alle ϕ ∈ C0∞ (Ω) (I.2.7) Ω



richtig ist; diese Absch¨ atzung bleibt auch f¨ ur die alle f ∈ H1 (Ω) g¨ ultig. Definition I.2.1. Stellen wir die folgenden Voraussetzungen an die Koeffizienten unseres Differentialoperators aij (x) ∈ L∞ (Ω)

f¨ ur

i, j = 1, . . . , n,

aij (x) = aji (x) f.¨ u. in Ω f¨ ur i, j = 1, . . . , n, n X 1 |ξ|2 ≤ aij (x)ξi ξj ≤ M0 |ξ|2 f.¨ u. in Ω f¨ ur alle M0 i,j=1

(I.2.8) ξ∈R

n

und c(x) ∈ L∞ (Ω)

mit

c(x) ≥ −M2

f.¨ u. in

Ω,

(I.2.9)

so sprechen wir von einem elliptischen Differentialoperator (I.2.1) auf dem beschr¨ ankten Gebiet Ω; dabei wurden die Konstanten M0 ∈ [1, +∞) und M2 ∈ [0, +∞) beliebig gew¨ ahlt.

§2 Stabile elliptische Differentialoperatoren auf beschr¨ ankten Gebieten

9

Einem elliptischen Differentialoperator ordnen wir die folgende Bilinearform auf unserem Sobolevraum H1 (Ω) zu: B(u, v) :=

Z nX n Ω

o aij (x)D ei u(x)D ej v(x) + c(x)u(x)v(x) dx

i,j=1

f¨ ur alle

(I.2.10)

u, v ∈ H1 (Ω) .

Theorem I.2.1. Unter den Voraussetzungen (I.2.8) und (I.2.9) an seine Koeffizienten auf dem beschr¨ ankten Gebiet Ω und der Stabilit¨ atsbedingung 0 ≤ M2 <

Λ(Ω) M0

(I.2.11)

stellt der schwache elliptische Differentialoperator Lf (x) := −

n X

  Dej aij (x)D ei f (x) + c(x)f (x)

f.¨ u. in



(I.2.12)

i,j=1

f¨ ur alle f ∈ H1 (Ω) einen abgeschlossenen Operator auf seinem dichten Definitionsbereich H1 (Ω) ⊂ H(Ω) dar. Beweis: 1.) Zu einem gegebenen Element g ∈ H(Ω) betrachten wir die Linearform Z n o F (v) := g(x)v(x) dx , v ∈ H(Ω) (I.2.13) Ω

auf unserem Hilbertraum sowie die Bilinearform (I.2.10) auf dem Sobolevraum. Nun gehen wir von einer L¨ osung f ∈ H1 (Ω) der schwachen Differentialgleichung wie folgt aus: B(f, ϕ) = F (ϕ)

f¨ ur alle

ϕ ∈ C0∞ (Ω) .

(I.2.14)

2.) In diese schwache Differentialgleichung setzen wir ihre L¨osung f ∈ H1 (Ω) als zul¨assige Testfunktion ein, und wir erhalten unter Ber¨ ucksichtigung von (I.2.7), (I.2.8), (I.2.9), (I.2.11) die folgende Ungleichung Λ(Ω) − M0 M2 1 M2 kf k2H1 (Ω) = kf k2H1 (Ω) − kf k2H1 (Ω) 0 0 0 M0 Λ(Ω) M0 Λ(Ω) Z n o 1 g(x)f (x) dx kf k2H1 (Ω) − M2 kf k2H(Ω) ≤ B(f, f ) = F (f ) = ≤ 0 M0 Ω

1 ≤ kgkH(Ω) kf kH(Ω) ≤ p kgkH(Ω) kf kH10 (Ω) . Λ(Ω) (I.2.15) Somit ergibt sich die schwache a-priori-Absch¨ atzung

10

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

kf kH10 (Ω)

p M0 Λ(Ω) kLf kH(Ω) ≤ Λ(Ω) − M0 M2

f¨ ur alle

f ∈ H1 (Ω) .

(I.2.16)

3.) Da wegen (I.2.16) der Kern des schwachen Differentialoperators nur aus der Null besteht, so gibt es nach dem Satz 2 aus [S3] Kapitel X § 3 genau eine L¨osung f ∈ H1 (Ω) der schwachen Differentialgleichung (I.2.14). Somit ist die Abbildung L : H1 (Ω) → H(Ω) bijektiv, wenn wir noch die Definition der schwachen Ableitung beachten. 4.) F¨ ur eine Folge gk ∈ H(Ω) (k = 1, 2, . . .) , welche limk→∞ gk = g ∈ H(Ω) erf¨ ullt, und ihre Urbilder fk ∈ H1 (Ω)

mit

L(fk ) = gk

hat dann auch das Grenzelement g genau ein Urbild f ∈ H1 (Ω)

mit

L(f ) = g .

Aus der Linearit¨at des Operators und der a-priori-Absch¨atzung (I.2.16) folgt die Ungleichung kfk − f kH10 (Ω) ≤ C(Ω, M0 , M2 )kL(fk − f )kH(Ω) = C(Ω, M0 , M2 )kgk − gkH(Ω)

f¨ ur alle

(I.2.17)

k∈N

mit der a-priori-Konstante p M0 Λ(Ω) . C(Ω, M0 , M2 ) := Λ(Ω) − M0 M2 Wegen (I.2.17) erhalten wir limk→∞ fk = f ∈ H1 (Ω) sowie L(f ) = g, und der Operator L ist im Sinne von Definition I.1.3 abgeschlossen. q.e.d. Theorem I.2.2. Der adjungierte Operator L∗ zum schwachen elliptischen Operator L im Hilbertraum H(Ω) aus dem Theorem I.2.1 stimmt mit diesem gem¨ aß L = L∗ u ¨berein, und folglich ist der Operator L selbstadjungiert. Dieser stellt eine selbstadjungierte Fortsetzung des elliptischen Operators in Divergenzform L aus (I.2.1) mit D(Ω) := {u ∈ C 2 (Ω) ∩ C 0 (Ω) : u(x) = 0, ∀x ∈ ∂Ω} als dichten Definitionsbereich dar. Beweis: Mit Hilfe der Bilinearform (I.2.10) bestimmen wir aus der Identit¨at (I.1.7) den adjungierten Graphen zum Operator wie folgt n o GL∗ = (f, g) ∈ H(Ω)2 : (f, −Lh)H(Ω) + (g, h)H(Ω) = 0, ∀h ∈ H1 (Ω) n o = (f, g) ∈ H(Ω)2 : B(f, h) = (g, h)H(Ω) , ∀h ∈ H1 (Ω) n o = (f, Lf ) ∈ H(Ω) × H(Ω) : f ∈ H1 (Ω) = GL . (I.2.18)

§2 Stabile elliptische Differentialoperatoren auf beschr¨ ankten Gebieten

11

¨ Somit stimmen die Graphen von L und L∗ u ¨berein. Mit den Uberlegungen (I.2.1) – (I.2.3) zu Beginn dieses Abschnitts sehen wir ein, dass L eine Fortsetzung des Operators L auf dem dichten Definitionsbereich D(Ω) darstellt. q.e.d. Wir verwenden nun geeignete Funktionen γ, um in den gewichteten Hilbertr¨aumen H(Ω, γ) auch selbstadjungierte Fortsetzungen f¨ ur gewichtet elliptische Differentialoperatoren zu erhalten. Wir benennen die zentrale Ungleichung (I.2.20) nach K. O. Friedrichs [F], der schon in den 1930er Jahren selbstadjungierte Fortsetzungen konstruiert hat (vergleiche § II.4 unserer Abhandlung). Definition I.2.2. Wir erkl¨ aren als zul¨ assige Gewichtsfunktion γ = γ(x) ∈ L∞ (Ω)

mit

1 ≤ γ(x) ≤ M1 M1

f.¨ u.

in

Ω;

(I.2.19)

dabei ist die Konstante M1 ∈ [1, +∞) fest gew¨ ahlt. Dann gilt wegen (I.2.7) die Friedrichs-Ungleichung Z Z Λ(Ω) 2 |ϕ(x)|2 γ(x) dx f¨ ur alle ϕ ∈ C0∞ (Ω) . |∇ϕ(x)| dx ≥ M 1 Ω Ω (I.2.20) Statten wir die Menge der Testfunktionen C0∞ (Ω) mit dem inneren Produkt Z ϕ(x)ψ(x)γ(x) dx f¨ ur alle ϕ, ψ ∈ C0∞ (Ω) (I.2.21) (ϕ, ψ)H(Ω,γ) := Ω

aus, so erhalten wir einen Pr¨ a-Hilbertraum gem¨aß Definition 4 in [S2] Kap. II § 6. Wie in [S3] Kap. VIII § 3 beschrieben wurde, erweitern wir diesen Pr¨ a-Hilbertraum zum Hilbertraum H(Ω, γ). Dabei wird das innere Produkt (I.2.21) auf den Hilbertraum fortgesetzt, und der Raum der Testfunktionen uglich der folgenden Norm C0∞ (Ω) liegt dicht im Hilbertraum H(Ω, γ) bez¨ sZ |f (x)|2 γ(x) dx

kf kH(Ω,γ) :=

f¨ ur alle

f ∈ H(Ω, γ) .

(I.2.22)



Offenbar gilt die Absch¨ atzung √

p 1 kϕkH(Ω) ≤ kϕkH(Ω,γ) ≤ M1 kϕkH(Ω) M1

f¨ ur alle

ϕ ∈ C0∞ (Ω).

(I.2.23) Schließen wir bez¨ uglich der k.kH(Ω,γ) -Norm den Raum der Testfunktionen ab, so erhalten wir f¨ ur alle zul¨ assigen Gewichtsfunktionen den gleichen Banachraum mit ¨aquivalenten Normen. Als Hilbertr¨ aume H(Ω, γ) unterscheiden sich jedoch diese R¨aume bei unterschiedlichen γ als Gewichtsfunktionen.

12

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Weiter betrachten wir den Pr¨ a-Hilbertraum C0∞ (Ω) mit dem inneren Produkt Z n o 1 Dϕ(x) · Dψ(x) + ϕ(x)ψ(x)γ(x) dx, ϕ, ψ ∈ C0∞ (Ω). (ϕ, ψ)H (Ω,γ) := Ω

(I.2.24) Diesen schließen wir wiederum ab bez¨ uglich der Norm sZ n o |Dϕ(x)|2 + |ϕ(x)|2 γ(x) dx , ∀ ϕ ∈ C0∞ (Ω) . (I.2.25) kϕkH1 (Ω,γ) = Ω

Dann erhalten wir den Friedrichs-Sobolev-Raum H1 (Ω, γ), dessen inneres Produkt wir durch Erweiterung von (I.2.24) auf diesen Hilbertraum erkl¨aren. Aufgrund der Friedrichs-Ungleichung (I.2.20) ist auf dem Raum der Testfunktionen die H1 (Ω, γ)-Norm (I.2.25) ¨ aquivalent zur Dirichletschen H01 (Ω)-Norm 1 (I.2.6), welche wiederum zur H (Ω)-Norm (I.2.5) auf dem beschr¨ankten Gebiet Ω ¨aquivalent ist. Wenn eine zul¨ assige Gewichtsfunktion γ aus Definition I.2.2 gegeben ist, so stimmen die nachfolgenden R¨aume als Banachr¨aume gem¨aß H1 (Ω, γ) ≡ H1 (Ω) (I.2.26) u ¨berein, und ihre Normen (I.2.25) beziehungsweise (I.2.5) sind ¨aquivalent. Definition I.2.3. Zu den Koeffizienten (I.2.8) sowie (I.2.9) aus Definition I.2.1 und der zul¨ assigen Gewichtsfunktion (I.2.19) aus Definition I.2.2 betrachten wir den gewichteten elliptischen Differentialoperator n  1 X ∂  ∂ Lγ u(x) := − u(x) + c(x)u(x), x ∈ Ω. aij (x) γ(x) i,j=1 ∂xj ∂xi

(I.2.27)

Theorem I.2.3. F¨ ur den gewichteten elliptischen Differentialoperator Lγ aus Definition I.2.3 mit der Stabilit¨ atsbedingung 0 ≤ M2 <

Λ(Ω) M0 M1

(I.2.28)

stellt der zugeh¨ orige schwache Differentialoperator Lγ f (x) := −

n  1 X ej  D aij (x)D ei f (x) + c(x)f (x), f ∈ H1 (Ω, γ) γ(x) i,j=1

(I.2.29) einen abgeschlossenen Operator auf seinem in H(Ω, γ) dichten Definitionsbereich dar. Beweis: 1.) Zu einem gegebenen Element g ∈ H(Ω, γ) erkl¨aren wir die Linearform

§2 Stabile elliptische Differentialoperatoren auf beschr¨ ankten Gebieten

Z n

Fγ (v) :=

o g(x)γ(x)v(x) dx ,

v ∈ H(Ω)

13

(I.2.30)



auf dem Hilbertraum H(Ω), und wir definieren die Bilinearform Z nX n o Bγ (u, v) := aij (x)D ei u(x)D ej v(x) + c(x)u(x)γ(x)v(x) dx Ω

i,j=1

f¨ ur alle

u, v ∈ H1 (Ω) (I.2.31)

auf dem Sobolev-Raum H1 (Ω). 2.) Wir wollen nun eine L¨ osung f ∈ H 1 (Ω) der Differentialgleichung Lγ f = g in der schwachen Form (Lγ f, ϕ)H(Ω,γ) = (g, ϕ)H(Ω,γ)

f¨ ur alle

ϕ ∈ C0∞ (Ω)

(I.2.32)

beziehungsweise Bγ (f, ϕ) = Fγ (ϕ)

f¨ ur alle

ϕ ∈ C0∞ (Ω)

(I.2.33)

konstruieren. Wie im Teil 3 des Beweises von Theorem I.2.1 l¨osen wir die schwache Differentialgleichung (I.2.33) mit einer L¨osung f ∈ H1 (Ω) = H1 (Ω, γ). Dieses ist m¨ oglich, da auf der rechte Seite (I.2.30) die Funktion g(x)γ(x) ∈ H(Ω) erf¨ ullt und ferner die Koeffizientenfunktion c(x)γ(x) ∈ L∞ (Ω) gen¨ ugt. Weiter besteht nach der a-priori-Absch¨atzung (I.2.35) der Kern des Operators Lγ nur aus dem Nullelement. 3.) Setzen wir die L¨ osung f ∈ H1 (Ω) in (I.2.33) ein, so erhalten wir mit Hilfe von (I.2.8), (I.2.9), (I.2.20) wie im Teil 2 des Beweises von Theorem I.2.1 die folgende Ungleichung: 1 M1 M2 Λ(Ω) − M0 M1 M2 kf k2H1 (Ω) = kf k2H1 (Ω) − kf k2H1 (Ω) 0 0 0 M0 Λ(Ω) M0 Λ(Ω) Z n o 1 ≤ kf k2H1 (Ω) − M2 kf k2H(Ω,γ) ≤ Bγ (f, f ) = Fγ (f ) = g(x)γ(x)f (x) dx 0 M0 Ω √ M1 kgkH(Ω,γ) kf kH10 (Ω) . ≤ kgkH(Ω,γ) kf kH(Ω,γ) ≤ p Λ(Ω) (I.2.34) Wegen (I.2.28) ergibt sich die schwache a-priori-Absch¨ atzung kf kH10 (Ω) ≤ C(Ω, M0 , M1 , M2 ) kLγ f kH(Ω,γ) f¨ ur alle f ∈ H1 (Ω, γ) p √ M0 M1 Λ(Ω) . mit der Konstante C(Ω, M0 , M1 , M2 ) := Λ(Ω) − M0 M1 M2

(I.2.35)

4.) Mit der Absch¨ atzung (I.2.35) zeigen wir die Abgeschlossenheit des bijektiven Differentialoperators Lγ : H1 (Ω, γ) → H(Ω, γ) wie im Teil 4 des Beweises von Theorem I.2.1 . q.e.d.

14

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Bemerkung: Unter der Stabilit¨ atsbedingung (I.2.28) sind wegen (I.2.34) und (I.2.35) die L¨osungen der Operatorgleichung Lγ (f ) = g, f ∈ H1 (Ω, γ) stabil unter den St¨ orungen der rechten Seite g ∈ H(Ω, γ) in den angegebenen Normen. Ferner liefern die beiden ersten Ungleichungen in (I.2.34) die Absch¨atzung P (Ω, M0 , M1 , M2 ) kf k2H1 (Ω) ≤ Bγ (f, f ) 0

f¨ ur alle

f ∈ H1 (Ω, γ)

(I.2.36)

mit der positiven Konstante P (Ω, M0 , M1 , M2 ) :=

Λ(Ω) − M0 M1 M2 ∈ (0, +∞) . M0 Λ(Ω)

(I.2.37)

Somit ist die zum Operator Lγ geh¨ orige Bilinearform Bγ (., .) positiv-definit auf dem Friedrichs-Sobolev-Raum H1 (Ω, γ) . Insbesondere besitzt Lγ einen trivialen Kern, welcher nur aus dem Nullelement besteht. Theorem I.2.4. Der im Hilbertraum H(Ω, γ) adjungierte Operator L∗γ zum schwachen elliptischen Operator Lγ aus Theorem I.2.3 stimmt mit diesem gem¨ aß Lγ = L∗γ u ¨berein, und folglich ist der Operator Lγ selbstadjungiert. Dieser stellt eine selbstadjungierte Fortsetzung des gewichteten elliptischen Operators Lγ aus (I.2.27) mit D(Ω, γ) := C0∞ (Ω) als dichten Definitionsbereich dar. Beweis: Mit Hilfe der Bilinearform (I.2.31) bestimmen wir aus der Identit¨at (I.1.7) den adjungierten Graphen zum Operator: n GL∗ γ = (f, g) ∈ H(Ω, γ) × H(Ω, γ) : o (f, −Lγ h)H(Ω,γ) + (g, h)H(Ω,γ) = 0, ∀h ∈ H1 (Ω, γ) n o (I.2.38) = (f, g) ∈ H(Ω, γ)2 : Bγ (f, h) = (g, h)H(Ω,γ) , ∀h ∈ H1 (Ω, γ) n o = (f, Lγ f ) ∈ H(Ω, γ) × H(Ω, γ) : f ∈ H1 (Ω, γ) = GLγ . Somit stimmen die Graphen von Lγ und L∗γ u ¨berein. Mittels partieller Integration sehen wir sofort ein, dass Lγ eine Fortsetzung des Operators Lγ auf D(Ω, γ) darstellt. q.e.d. Bemerkung: Eine wichtige Aufgabe besteht sp¨ater darin, unter geeigneten Randbedingungen weitere Klassen selbstadjungierter elliptischer Differentialoperatoren zu finden – auch u ankte Gebiete Ω und f¨ ur singul¨are ¨ber unbeschr¨ Gewichtsfunktionen γ.

§3 Aussch¨ opfung des Hilbertraums durch Niveaur¨ aume des Differentialoperators

§3 Aussch¨ opfung des Hilbertraums durch Niveaur¨ aume des Differentialoperators ¨ Nun setzen wir die Uberlegungen aus § 2 fort und formulieren Definition I.3.1. Zum beliebigen Niveau N ∈ R erkl¨ aren f¨ ur den Differentialoperator Lγ aus Definition I.2.3 die N -Bilinearform Bγ,N (u, v) := Bγ (u, v) − N · (u, v)H(Ω,γ) =

Z nX n Ω

  o aij (x)D ei u(x)D ej v(x) + c(x) − N u(x)γ(x)v(x) dx

(I.3.1)

i,j=1

f¨ ur alle

u, v ∈ H1 (Ω, γ) .

Definition I.3.2. F¨ ur den gewichteten elliptischen Differentialoperator Lγ cγ ≤ Lγ aus Definition I.2.3 betrachten wir den Subdifferentialoperator L gem¨ aß n  X ∂  ∂ cγ u(x) := − 1 u(x) − M2 u(x), x ∈ Ω . aij (x) L γ(x) i,j=1 ∂xj ∂xi

(I.3.2)

cγ ≤ Lγ erhalten wir in Den zugeh¨ origen schwachen Subdifferentialoperator L n   X cγ f (x) := − 1 L Dej aij (x)D ei f (x) −M2 f (x), f ∈ H1 (Ω, γ). (I.3.3) γ(x) i,j=1

Definition I.3.3. Zum beliebigen Niveau N ∈ R erkl¨ aren wir f¨ ur den Differentialoperator Lγ aus Definition I.2.3 die N -Subbilinearform [ B γ,N (u, v) :=

Z nX n Ω

f¨ ur alle

  o aij (x)D ei u(x)D ej v(x) − M2 + N u(x)γ(x)v(x) dx

i,j=1 1

u, v ∈ H (Ω, γ) . (I.3.4)

Bemerkung: Auf der Diagonale erf¨ ullen diese Bilinearformen die Absch¨atzung [ B γ,N (u, u) ≤ Bγ,N (u, u)

f¨ ur alle

u ∈ H1 (Ω, γ)

und

N ∈ R.

(I.3.5)

Definition I.3.4. Die Einheitssph¨ are im gewichteten Hilbertraum H(Ω, γ) bezeichnen wir mit n o He (Ω, γ) := f ∈ H(Ω, γ) : (f, f )H(Ω,γ) = 1 . (I.3.6)

15

16

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Theorem I.3.1. F¨ ur gewichtete elliptische Differentialoperatoren aus obiger Definition I.2.3 unter der Stabilit¨ atsbedingung (I.2.28) gen¨ ugt die N Bilinearform aus Definition I.3.1 und N -Subbilinearform aus Definition I.3.3 auf dem Niveau N = 0 der folgenden Absch¨ atzung d Bγ,0 (f, f ) ≥ B γ,0 (f, f ) ≥ Λ(Ω, M0 , M1 , M2 ) f¨ ur alle

(I.3.7)

f ∈ H1 (Ω, γ) ∩ He (Ω, γ)

mit der Konstante Λ(Ω, M0 , M1 , M2 ) :=

Λ(Ω) Λ(Ω) − M0 M1 M2 = − M2 ∈ (0, +∞) . M0 M1 M0 M1 (I.3.8)

cγ die Stabilit¨atsbedingung Beweis: Da auch der Subdifferentialoperator L (I.2.28) erf¨ ullt, so erhalten wir mit (I.2.36) die Absch¨atzung 2 d B γ,0 (f, f ) ≥ P (Ω, M0 , M1 , M2 ) kf kH1 (Ω) 0

f¨ ur alle

f ∈ H1 (Ω, γ)

(I.3.9)

mit der Konstante P (Ω, M0 , M1 , M2 ) aus (I.2.37). Verwenden wir nun links die Ungleichung (I.3.5) und rechts die Absch¨ atzung (I.2.20), so folgt aus (I.3.9) die Aussage Λ(Ω) d P (Ω, M0 , M1 , M2 ) kf k2H(Ω,γ) Bγ,0 (f, f ) ≥ B γ,0 (f, f ) ≥ M1 = Λ(Ω, M0 , M1 , M2 ) f¨ ur alle f ∈ H1 (Ω, γ) ∩ He (Ω, γ) , wenn wir (I.2.37) und (I.3.8) beachten.

(I.3.10)

q.e.d.

Definition I.3.5. Wir bezeichnen mit E := IdH(Ω,γ) den Einheitsoperator auf dem Hilbertraum H(Ω, γ). Zu jedem Niveau N ∈ R erkl¨ aren wir den c Niveauraum des Subdifferentialoperators Lγ gem¨ aß n o ∞ [ N (Ω, γ, N ) := f ∈ H1 (Ω, γ) : B (f, ϕ) = 0, ∀ϕ ∈ C (Ω) (I.3.11) γ,N 0 cγ − N E . als Kern des Operators L Bemerkungen: i) F¨ ur einen nichttrivialen Niveauraum {0} ( N (Ω, γ, N ) erhalten wir zum Eigenwert N die Eigenelemente 0 6= f ∈ H1 (Ω, γ) des schwachen Subdifcγ mit L cγ f = N f . Der Niveauraum N (Ω, γ, N ) stellt ferentialoperators L dann gerade den Eigenraum der Dimension n := dim N (Ω, γ, N ) ∈ N des cγ zum Eigenwert N dar. Operators L

§3 Aussch¨ opfung des Hilbertraums durch Niveaur¨ aume des Differentialoperators

ii) Um die Regularit¨ at der Eigenfunktionen unter entsprechenden Voraussetzungen an die Koeffizienten zu zeigen, verweisen wir auf Chap. 10 in unserem Lehrbuch [S5]. In Section 4 wird die Beschr¨anktheit schwacher L¨osungen und in Section 5 bzw. 7 wird ihre H¨olderstetigkeit im Innern bzw. am Rand nachgewiesen. Durch lokale Rekonstruktion (siehe Section 6 von [S5] Chap. 9) k¨ onnen wir mit Hilfe der Schauderschen Theorie die h¨ohere Regularit¨ at der Eigenfunktionen beweisen. In diesem Zusammenhang empfehlen wir auch die Abschnitte 8.5, 8.6, 8.9, 8.10 im Lehrbuch [GT] von D. Gilbarg und N. Trudinger. Theorem I.3.2. Die Niveaur¨ aume sind trivial gem¨ aß N (Ω, γ, N ) = {0} f¨ ur jedes N ≤ 0, und deren Dimensionen erf¨ ullen dim N (Ω, γ, N ) ∈ N0 := {0, 1, 2, 3, . . .}

f¨ ur jedes

N > 0.

Verschiedene Niveaur¨ aume sind zueinander orthogonal gem¨ aß N (Ω, γ, N ) ⊥ N (Ω, γ, M )

f¨ ur alle

M, N ∈ R

mit

M 6= N

beziehungsweise (f, g)H(Ω,γ) = 0

f¨ ur alle

f ∈ N (Ω, γ, N ) ,

g ∈ N (Ω, γ, M ) (I.3.12)

und

M, N ∈ R

mit

M 6= N .

Beweis: 1.) Dem Satz 2 aus [S3] Kap. X § 3 entnehmen wir, dass der Niveauraum N (Ω, γ, N ) f¨ ur alle N ∈ R endlich-dimensional ist. Diese Aussage k¨onnen wir auch wie im Teil 1 des Beweises von Theorem I.3.4 zeigen. 2.) F¨ ur alle N ≤ 0 folgt nach (I.3.4), (I.3.7), (I.3.8) die Ungleichung d [ B γ,N (f, f ) ≥ Bγ,0 (f, f ) > 0

f¨ ur alle

f ∈ H1 (Ω, γ) \ {0}.

(I.3.13)

W¨are N (Ω, γ, N ) zumindest 1-dimensional, so setzen wir in (I.3.11) ein Ele[ ment 0 = 6 f ∈ N (Ω, γ, N ) ein. Wir erhalten dann mit B γ,N (f, f ) = 0 einen Widerspruch zu (I.3.13), und N (Ω, γ, N ) = {0} f¨ ur alle N ≤ 0 ist gezeigt. 3.) Seien 0 < M < N < +∞ und f ∈ N (Ω, γ, M ) sowie g ∈ N (Ω, γ, N ) beliebig gew¨ahlt, so liefert die Bemerkung zu Definition I.3.5 die folgende Aussage: cγ f, g)H(Ω,γ) = B d c M · (f, g)H(Ω,γ) = (L γ,0 (f, g) = (f, Lγ g)H(Ω,γ) = N · (f, g)H(Ω,γ) ⇒ (M − N ) · (f, g)H(Ω,γ) = 0 ⇒ (f, g)H(Ω,γ) = 0 . q.e.d. Mit den direkten Variationsmethoden zeigen wir das zentrale

17

18

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Theorem I.3.3. i) Es existieren f¨ ur alle k ∈ N0 aufsteigende Niveaus 0 = N0 < N1 < . . . < Nk < +∞ , so dass die nichttrivialen Niveaur¨ aume {0} ( N (Ω, γ, Nl ) ( H(Ω, γ) der Dimension nl := dim N (Ω, γ, Nl ) ∈ N die orthonormierten Elemente fl,1 , . . . , fl,nl als Basis besitzen gem¨ aß N (Ω, γ, Nl ) = [ fl,1 , . . . , fl,nl ]

mit

l = 1, . . . , k .

(I.3.14)

Mit [., . . . , .] bezeichnen wir hierbei denjenigen Vektorraum, welcher von den k M eingetragenen Elementen aufgespannt wird, und N (Ω, γ, Nl ) stellt die dil=1

rekte Summe der Vektorr¨ aume N (Ω, γ, Nl ) f¨ ur l = 1, . . . , k dar. ii) Auf dem Orthogonalraum H+ (Ω, γ, Nk ) :=

k nM

N (Ω, γ, Nl )

o⊥

n = f ∈ H(Ω, γ) :

l=1 k   X f, gl l=1

H(Ω,γ)

(I.3.15)

= 0, ∀ gl ∈ N (Ω, γ, Nl ) mit l = 1, . . . , k

o

\ ist die Bilinearform B aß γ,Nk positiv-definit gem¨ \ Bγ,Nk (f, f ) ≥ B γ,Nk (f, f ) ≥ Λk (f, f )H(Ω,γ) f¨ ur alle

(I.3.16)

f ∈ H1 (Ω, γ) ∩ H+ (Ω, γ, Nk )

mit einer Konstante Λk ∈ (0, +∞) . Beweis (durch vollst¨ andige Induktion u ¨ber k): 1.) F¨ ur k = 0 w¨ ahlen wir N0 = 0 sowie H+ (Ω, γ, N0 ) := H(Ω, γ), und wir entnehmen die Absch¨ atzung (I.3.16) der Ungleichung (I.3.7) aus Theorem I.3.1 mit der Konstante Λ0 =: Λ(Ω, M0 , M1 , M2 ) > 0 von (I.3.8). Damit ist der Induktionsanfang gesichert. 2.) Sei die Aussage bereits f¨ ur k ∈ N0 wahr, so betrachten wir die Funktion ϑk (N ) :=

inf

f ∈H10 (Ω,γ)∩He (Ω,γ)∩H+ (Ω,γ,Nk )

[ B γ,N (f, f ) ,

N ≥ Nk .

(I.3.17)

Wegen (I.3.16) ist f¨ ur die stetige Funktion ϑk (N ), N ≥ Nk die folgende Bedingung erf¨ ullt: ϑk (Nk ) ≥ Λk > 0 . Weiter besitzt die schwach monoton fallende Funktion ϑk das asymptotische Verhalten:

§3 Aussch¨ opfung des Hilbertraums durch Niveaur¨ aume des Differentialoperators

lim ϑk (N ) = −∞ :

N →∞

Nach den Zwischenwertsatz gibt eine Zahl Nk < Nk+1 < +∞ mit der folgenden Eigenschaft: 0 = ϑk (Nk+1 ) =

inf

f ∈H10 (Ω,γ)∩He (Ω,γ)∩H+ (Ω,γ,Nk )

B\ γ,Nk+1 (f, f ) .

(I.3.18)

3.) Gem¨ass der Definition I.3.3 minimieren wir das nichtnegative Funktional B\ γ,Nk+1 (f, f ) = Z nX n

  o aij (x)D ei f (x)D ej f (x) − M2 + Nk+1 f (x)γ(x)f (x) dx (I.3.19)

i,j=1



=

Z nX n Ω

o



aij (x)D ei f (x)D ej f (x) dx − M2 + Nk+1



≥ 0,

i,j=1

f¨ ur alle

f ∈ H01 (Ω, γ) ∩ He (Ω, γ) ∩ H+ (Ω, γ, Nk ) .

Hierzu w¨ahlen wir eine Minimalfolge {fj }j=1,2,... ⊂ H01 (Ω, γ) ∩ He (Ω, γ) ∩ H+ (Ω, γ, Nk ) mit

(I.3.20)

lim B\ γ,Nk+1 (fj , fj ) = 0 .

j→∞

Diese besitzt im Sobolev-Raum H01 (Ω) eine schwach konvergente Teilfolge, weil sie dort beschr¨ ankt ist. Da das Gebiet Ω beschr¨ankt ist, so k¨onnen wir nach dem Rellichschen Auswahlsatz zu einer konvergenten Teilfolge in H(Ω) u ¨bergehen; dabei verzichten wir jeweils auf eine Umbezeichnung. Wegen (I.2.23) sind die k.kH(Ω) -Norm und die k.kH(Ω,γ) -Norm ¨aquivalent, und somit konvergiert die Teilfolge auch im Hilbertraum H(Ω, γ). Beachten wir noch die Unterhalbstetigkeit unseres Funktionals (I.3.19) bzgl. schwacher Konvergenz der Ableitungen in H(Ω), so finden wir eine L¨osung fk+1,1 ∈ H01 (Ω, γ) ∩ He (Ω, γ) ∩ H+ (Ω, γ, Nk ) mit der folgenden Minmaleigenschaft: B\ γ,Nk+1 (fk+1,1 , fk+1,1 ) = (I.3.21) inf

f ∈H10 (Ω,γ)∩He (Ω,γ)∩H+ (Ω,γ,Nk )

B\ γ,Nk+1 (f, f ) = 0 .

Somit erhalten wir f¨ ur beliebige g ∈ H01 (Ω, γ) ∩ H+ (Ω, γ, Nk ) die Aussage 0 ≤ B\ γ,Nk+1 (fk+1,1 + g, fk+1,1 + g) 2 \ \ = B\ γ,Nk+1 (fk+1,1 , fk+1,1 ) + 2Bγ,Nk+1 (fk+1,1 , g) +  Bγ,Nk+1 (g, g) (I.3.22) 2 \ = 2B\ γ,Nk+1 (fk+1,1 , g) +  Bγ,Nk+1 (g, g)

f¨ ur alle

 ∈ R.

19

20

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Es ergibt sich die schwache Differentialgleichung B\ γ,Nk+1 (fk+1,1 , g) = 0

f¨ ur alle

g ∈ H01 (Ω, γ) ∩ H+ (Ω, γ, Nk ) .

(I.3.23)

4.) Auf dem Orthogonalraum [fk+1,1 ]⊥ := {f ∈ H(Ω, γ) : (f, fk+1,1 )H(Ω,γ) = 0} betrachten wir nun die folgende Gr¨ oße ] Λ k+1 :=

inf

f ∈H10 (Ω,γ)∩He (Ω,γ)∩H+ (Ω,γ,Nk )∩[fk+1,1 ]⊥

B\ γ,Nk+1 (f, f ) ≥ 0 . (I.3.24)

] Falls Λ osung k+1 = 0 eintritt, so konstruieren wir wie in 3.) eine L¨ fk+1,2 ∈ H01 (Ω, γ) ∩ He (Ω, γ) ∩ H+ (Ω, γ, Nk ) ∩ [fk+1,1 ]⊥ der schwachen Differentialgleichung B\ γ,Nk+1 (fk+1,2 , g) = 0

f¨ ur alle

g ∈ H01 (Ω, γ) ∩ H+ (Ω, γ, Nk ) .

(I.3.25)

5.) Wir setzen das Verfahren fort und erhalten das orthonormierte System n o fk+1,1 , . . . , fk+1,nk+1 ⊂ N (Ω, γ, Nk+1 } . Das Theorem I.3.2 liefert die endliche Dimension nk+1 := dim N (Ω, γ, Nk+1 ) ∈ N , und wir definieren den Orthogonalraum nk+1

[fk+1,1 , . . . , fk+1,nk+1 ]⊥ :=

\

[fk+1,l ]⊥ .

l=1

Die Gr¨oße Λk+1 := (I.3.26) inf

f ∈H10 (Ω,γ)∩He (Ω,γ)∩H+ (Ω,γ,Nk )∩[fk+1,1 ,...,fk+1,nk+1 ]⊥

B\ γ,Nk+1 (f, f )

muss positiv ausfallen, da wir anderenfalls ein weiteres linear unabh¨angiges Element in N (Ω, γ, Nk+1 ) konstruieren k¨ onnten. Das obige Verfahren bricht also nach endlich vielen Schritten ab, und wir erhalten N (Ω, γ, Nk+1 ) = [ fk+1,1 , . . . , fk+1,nk+1 ] .

(I.3.27)

6.) Die Absch¨atzung (I.3.16) f¨ ur k+1 ist mit der Gr¨oße (I.3.26) auf dem Raum

§3 Aussch¨ opfung des Hilbertraums durch Niveaur¨ aume des Differentialoperators

H+ (Ω, γ, Nk+1 ) :=

k+1 nM

N (Ω, γ, Nl )

o⊥ (I.3.28)

l=1 +

= H (Ω, γ, Nk ) ∩ [fk+1,1 , . . . , fk+1,nk+1 ]



erf¨ ullt. Somit ist auch der Induktionsschritt gesichert und das Theorem vollst¨andig bewiesen. q.e.d. Die stabilen elliptischen Differentialoperatoren Lγ auf beschr¨ankten Gebieten sind nach dem Theorem I.2.4 selbstadjungiert – und somit dem allgemeinen Spektralsatz aus § 12 zug¨ anglich. Mittels direkter Variationsmethoden k¨onnen cγ schon jetzt eine Spektralwir f¨ ur die zugeh¨origen Subdifferentialoperatoren L darstellung mit diskretem Spektrum herleiten. Genauer zeigen wir das cγ ) Theorem I.3.4. (Spektralsatz f¨ ur die Operatoren L Die Niveaus Nk , k = 0, 1, 2, . . . aus Theorem I.3.3 besitzen das asymptotische Verhalten lim Nk = +∞ . (I.3.29) k→∞

Die Elemente {fk,1 , . . . , fk,nk }k=1,2,... stellen ein vollst¨ andig orthonormiertes System des Hilbertraums H(Ω, γ) dar, und wir haben die orthogonale Zerlegung des Hilbertraums H(Ω, γ) in die direkte Summe H(Ω, γ) =

∞ M

N (Ω, γ, Nk ) .

(I.3.30)

k=1

cγ die Spektraldarstellung Schließlich besitzt der Subdifferentialoperator L cγ f = L

+∞ X

n o Nk (fk,1 , f )H(Ω,γ) fk,1 + . . . + (fk,nk , f )H(Ω,γ) fk,nk

k=1

f¨ ur alle

(I.3.31)

f ∈ H1 (Ω, γ) .

Beweis: 1.) F¨ ur alle k ∈ N0 und l = 1, . . . , nk+1 betrachten wir die Funktionen fk+1,l ∈ H01 (Ω, γ) ∩ He (Ω, γ) ∩ H+ (Ω, γ, Nk ) , und die Aussage (I.3.21) liefert 0 = B\ γ,Nk+1 (fk+1,l , fk+1,l ) =

Z nX n Ω

o   aij (x)D ei fk+1,l (x)D ej fk+1,l (x) dx − M2 + Nk+1 .

i,j=1

Somit erhalten wir die Energiebilanz

(I.3.32)

21

22

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Z nX n Ω

o aij (x)D ei fk+1,l (x)D ej fk+1,l (x) dx = M2 + Nk+1

(I.3.33)

i,j=1

f¨ ur alle

k ∈ N0

und

l ∈ {1, . . . , nk+1 } .

2.) W¨are nun die asymptotische Aussage (I.3.29) falsch, so existiert eine Konstante 0 < N∞ < +∞ mit der Eigenschaft 0 < Nk+1 ≤ N∞

f¨ ur alle

k ∈ N0 .

Nun betrachten wir die orthonormierte Folge {fk+1,1 }k=0,1,2,... ⊂ H01 (Ω, γ) ∩ He (Ω, γ) , welche wegen der Identit¨ at kfk+1,1 − fl+1,1 kH(Ω,γ) =



2

f¨ ur alle

k, l ∈ N0

mit

k 6= l

keine in H(Ω, γ) konvergente Teilfolge besitzen kann. 3.) Aus der Bilanz (I.3.33) und der Elliptizit¨atsbedingung (I.2.8) ermitteln wir, dass diese Folge ein gleichm¨ aßig beschr¨ anktes Dirichletintegral aufweist: Z nX n o 1 Dei fk+1,1 (x)Dei fk+1,1 (x) dx M0 i=1 Z n ΩX n o (I.3.34) ≤ aij (x)D ei fk+1,1 (x)D ej fk+1,1 (x) dx Ω

i,j=1

= M2 + Nk+1 ≤ M2 + N∞

f¨ ur alle

k ∈ N0 .

Nach dem Rellichschen Auswahlsatz aus [S3] Kapitel X § 2 k¨onnen wir eine in H(Ω, γ) konvergente Teilfolge ausw¨ ahlen, was zum Teil 2.) einen Widerspruch ergibt. Somit ist die asymptotische Aussage (I.3.29) richtig. fl : H1 (Ω, γ) → H(Ω, γ) 4.) F¨ ur l = 0, 1, 2, . . . betrachten wir die Operatoren K fl f := L cγ f − K

l X

n o Nk (fk,1 , f )H(Ω,γ) fk,1 + . . . + (fk,nk , f )H(Ω,γ) fk,nk

k=1

f¨ ur alle

f ∈ H1 (Ω, γ) ; (I.3.35)

dabei tritt die Summe im Fall l = 0 nicht auf. Zun¨achst beachten wir fl f = 0 K

f¨ ur alle

f∈

l M

N (Ω, γ, Nk ) ,

l ∈ N0 .

(I.3.36)

k=1

Dann betrachten wir f¨ ur l = 0, 1, 2, . . . die Restriktionen fl |H+ (Ω,γ,N ) : H01 (Ω, γ) ∩ H+ (Ω, γ, Nl ) → H+ (Ω, γ, Nl ) , Kl := K l

(I.3.37)

§3 Aussch¨ opfung des Hilbertraums durch Niveaur¨ aume des Differentialoperators

deren Kerne trivial sind. Bezeichnen wir durch K∞ : {0} → {0} mit

K∞ (0) = 0

den Nulloperator, so erf¨ ullen die (I.3.37) zugeh¨origen Graphen die Inklusionen cγ = K0 ) K1 ) K2 ) . . . ) K∞ = L

+∞ \

Kl ,

(I.3.38)

l=1

und sie weisen das angegebene asymptotische Verhalten auf. 5.) Den Aussagen (I.3.35) – (I.3.38) entnehmen wir die Zerlegung des Hilbertraums H(Ω, γ) in die direkte Summe (I.3.30) sowie die Spektraldarstellung (I.3.31). Dann bilden wir im Hilbertraum H(Ω, γ) den Abschluss des Vektorraums {fk,1 , . . . , fk,nk }k=1,2,... , welcher von dem Orthonormalsystem {fk,1 , . . . , fk,nk }k=1,2,... aufgespannt wird. Wegen der Darstellung (I.3.31) ermitteln wir den Wertebe  cγ ) := L cγ H1 (Ω, γ) wie folgt: reich W(L cγ ) = {fk,1 , . . . , fk,n } . W(L k k=1,2,...

(I.3.39)

cγ : H1 (Ω, γ) → H(Ω, γ) surjektiv ist, folgt Da die Abbildung L cγ ) = H(Ω, γ) . W(L

(I.3.40)

Die Kombination von (I.3.39) und (I.3.40) liefert {fk,1 , . . . , fk,nk }k=1,2,... = H(Ω, γ) .

(I.3.41)

Somit bildet {fk,1 , . . . , fk,nk }k=1,2,... im Hilbertraum H(Ω, γ) ein vollst¨andiges Orthonormalsystem. q.e.d. Bemerkung: Das Eigenwertproblem des Euklidischen Laplaceoperators ∆ auf beschr¨ankten Gebieten unter Nullrandbedingungen haben wir mit Hilfe der Greenschen Funktion auf ein Eigenwertproblem f¨ ur Integraloperatoren transformiert. Wir konnten so den Spektralsatz f¨ ur vollstetige Operatoren zur Anwendung bringen. Dieses Vorgehen findet ohne die Theorie der Sobolevr¨aume im Rahmen der klassischen Funktionenr¨ aume statt. Hierzu verweisen wir auf § 1 und § 9 in [S3] Kapitel VIII .

23

24

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

¨ §4 Uber die Selbstadjungiertheit von Hermiteschen Operatoren Wir kehren nun zu den abstrakten Operatoren aus § 1 zur¨ uck. Mit der identischen Abbildung auf dem Hilbertraum H erhalten wir den Einheitsoperator E := IdH . Weiter sei T ein linearer Operator auf dem dichten Definitionsbereich DT ⊂ H mit dem adjungierten Operator T ∗ . In der Spektraltheorie betrachten wir dann zu beliebigem z ∈ C den Operator T − zE auf dem Definitionsbereich DT mit dem Kern als Nullraum NT −zE := {f ∈ DT : (T − zE)f = 0} . Falls die Bedingung NT −zE 6= {0} erf¨ ullt ist, so liefert z einen Eigenwert des Operators T . Weiter erkl¨ aren wir den Bildbereich WT −zE := {g = T f − zf : f ∈ DT } mit seinem Orthogonalraum n WT⊥−zE := g ∈ H : (g, f )H = 0 ,

o ∀f ∈ WT −zE .

Zum Studium der Invertierbarkeit des Operators T − zE ben¨otigen wir das Theorem I.4.1. F¨ ur die obigen Operatoren gilt die Identit¨ at WT⊥−zE = NT ∗ −zE

(I.4.1)

zwischen dem Orthogonalraum des Bildes von T − zE und dem Nullraum NT ∗ −zE := {g ∈ DT ∗ : (T ∗ − zE)g = 0} als Kern der adjungierten Abbildung T ∗ − zE . Beweis: Unter Benutzung der Dichtheit DT ⊂ H sowie der Identit¨at (I.1.10) ¨ zeigen wir die folgenden Aquivalenzen: g ∈ NT ∗ −zE ⇐⇒

g ∈ DT ∗

⇐⇒

erf¨ ullt

g ∈ DT ∗

(T ∗ − zE)g = 0

l¨ ost

(f, (T ∗ − zE)g)H = 0

f¨ ur alle

f ∈ DT

⇐⇒

g ∈ DT ∗

erf¨ ullt

(f, T ∗ g)H − z(f, g)H = 0

f¨ ur alle f ∈ DT

⇐⇒

g ∈ DT ∗

erf¨ ullt

(T f, g)H − (zf, g)H = 0

f¨ ur alle f ∈ DT

(I.4.2) ⇐⇒

g ∈ DT ∗

erf¨ ullt

((T − zE)f, g)H = 0

⇐⇒

g ∈ WT⊥−zE

f¨ ur alle

f ∈ DT

.

Hiermit haben wir die Identit¨ at (I.4.1) bewiesen.

q.e.d.

¨ §4 Uber die Selbstadjungiertheit von Hermiteschen Operatoren

25

Selbstadjungierte Operatoren T sind wegen (I.1.10) Hermitesch im Sinne von Definition I.4.1, und sie besitzen wegen Theorem I.4.2 nur reelle Eigenwerte. Nach der Formel (I.4.1) stimmen f¨ ur reelle Eigenwerte der jeweilige Eigenraum mit dem Kobild u ¨berein, und damit sind die Eigenr¨aume abgeschlossen. Nun ist z ∈ R genau dann kein Eigenwert von T , wenn der Operator T − zE auf H invertierbar ist. In der Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren k¨ onnen wir also die Eigenwerte z ∈ R als diejenigen Stellen ermitteln, in welchen der Operator T − zE nicht invertierbar ist. In den u ¨brigen Punkten z ∈ C erhalten wir mit Rz := (T − zE)−1 die Resolvente als beschr¨ankten Operator auf H. Definition I.4.1. Ein linearer Operator H heißt Hermitesch, wenn sein Definitionsbereich DH ⊂ H dicht und die folgende Identit¨ at erf¨ ullt ist: (Hf, g)H = (f, Hg)H

f¨ ur alle

f, g ∈ DH .

(I.4.3)

Bemerkungen: i) F¨ ur beliebige Skalare α, β ∈ R mit α 6= 0 ist der Operator αH + βE genau dann Hermitesch, wenn der Operator H Hermitesch ist. ii) F¨ ur beliebige Hermitesche Operatoren H gilt die Fortsetzung H ⊂ H ∗ . Hierzu betrachten wir die Inklusion GH ∗ = (U GH )⊥ = n o = (f, g) ∈ H2 : (f, −Hh)H + (g, h)H = 0 , ∀h ∈ DH n o = (f, g) ∈ H2 : −(Hf, h)H + (g, h)H = 0 , ∀h ∈ DH o n = (f, g) ∈ H2 : (g − Hf, h)H = 0 , ∀h ∈ DH o n ⊃ (f, g) ∈ H2 : f ∈ DH , g = Hf = GH .

(I.4.4)

iii) Wenn T selbstadjungiert ist und H ⊃ T Hermitesch, so folgt H = T . Denn aus T ⊂ H ergibt die Definition I.1.6 zusammen mit der Bemerkung ii) die Inklusion T = T ∗ ⊃ H ∗ ⊃ H ; somit erhalten wir die Identit¨at T = H. Die selbstadjungierten Operatoren stellen also maximale Elemente in der Klasse der Hermiteschen Operatoren dar. Beispiel I.4.1. Wir erkl¨ aren lokal integrable Potentiale im Rn wie folgt: q ∈ L1loc (Rn ) := n

o q(x) : Rn → R : q ∈ L1 (Ω) f¨ ur alle Gebiete Ω ⊂⊂ Rn .

(I.4.5)



Dabei bedeutet Ω ⊂⊂ Rn , dass der topologische Abschluss Ω eine kompakte Menge im Rn darstellt.

26

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

¨ Nun verwenden wir die Uberlegungen zu Beginn von § II.8, wo wir den Hilbert2 n raum L (R ) u ankten Gebiet Rn sowie einen umfassen¨ber dem unbeschr¨ den Post-Hilbertraum H(Rn ) ⊃ L2 (Rn ) definieren. Auf dem dichten Teilaren wir f¨ ur alle f ∈ DHq den raum DHq := C0∞ (Rn ) ⊂ H := L2 (Rn ) erkl¨ Schr¨ odingeroperator Hq f (x) := −∆f (x) + q(x)f (x) ,

x ∈ Rn

(I.4.6)

mit Hilfe des Laplaceoperators ∆f (x) :=

n X ∂2 f (x) , ∂x2j j=1

x ∈ Rn .

Nun berechnen wir Z

  − ∆f (x) + q(x)f (x) g(x) dx (Hq f, g)H = Rn Z   = ∇f (x) · ∇g(x) + q(x)f (x)g(x) dx Rn Z   f (x) − ∆g(x) + q(x)g(x) dx = (f, Hq g)H =

(I.4.7)

Rn

f¨ ur alle

f, g ∈ DHq ,

und der Schr¨odingeroperator Hq ist Hermitesch. Wir werden in § II.8 und § II.9 die schwierige Frage beantworten, f¨ ur welche Potentiale der Operator Hq im Rn wesentlich selbstadjungiert ist. Nach Theorem I.2.2 besitzt der Operator Hq auf beschr¨ ankten Gebieten Ω ⊂ Rn unter Nullrandbedingungen f¨ ur ∞ L (Ω)-Potentiale, welche den Schr¨ odingeroperator stabil erscheinen lassen, eine selbstadjungierte Fortsetzung.

Theorem I.4.2. (Reelle Eigenwerte) Sei z ∈ C ein Eigenwert des Hermiteschen Operators H, so folgt z ∈ R. Beweis: Falls z ∈ C ein Eigenwert von H ist, so gibt es ein Element f ∈ DH \ {0} mit Hf = zf . Aus der Identit¨ at (I.4.3) erhalten wir z(f, f )H = (zf, f )H = (Hf, f )H = (f, Hf )H = (f, zf )H = z(f, f )H Wegen 0 < (f, f )H < +∞ ergibt sich z = z und somit z ∈ R.

. (I.4.8) q.e.d.

Wir zeigen die instruktive Aussage, wonach unbeschr¨ankte Hermitesche Operatoren nur auf einem linearen Teilraum des Hilbertraums definiert sind. Theorem I.4.3. (E. Hellinger, O. Toeplitz) Sei der Hermitesche Operator H mit DH = H auf dem ganzen Hilbertraum gegeben. Dann ist der Operator H selbstadjungiert und beschr¨ ankt.

¨ §4 Uber die Selbstadjungiertheit von Hermiteschen Operatoren

27

Beweis: Wegen H ⊂ H ∗ ist H = DH ⊂ DH ∗ ⊂ H und folglich DH ∗ = H sowie H = H ∗ erf¨ ullt. Also ist der Operator H selbstadjungiert, und nur die Beschr¨anktheit von H bleibt zu zeigen. W¨are n¨amlich der Operator H unbeschr¨ankt, so g¨ abe es eine Folge {fn }n=1,2,... ⊂ H mit der Eigenschaft kfn k = 1

,

kHfn k ≥ n

f¨ ur alle

n ∈ N.

(I.4.9)

Dann betrachten wir die Folge stetiger linearer Funktionale Ln (g) := (Hfn , g)H ,

g∈H

n ∈ N.

f¨ ur alle

(I.4.10)

Diese sind f¨ ur jedes feste g ∈ H beschr¨ ankt gem¨aß |Ln (g)| = |(Hfn , g)H | = |(fn , Hg)H | ≤ kHgk f¨ ur alle

n ∈ N.

(I.4.11)

Nach dem Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨anktheit (man vergleiche [S5], Chap. 8, Theorem 6.3 oder [S3] Kap. VIII,§ 6, Satz 1) ist die Folge der Operatornormen kLn k = kHfn k , n = 1, 2, . . . beschr¨ankt, was im Widerspruch zur Aussage (I.4.9) steht. q.e.d Definition I.4.2. Zu einem Hermiteschen Operator H mit dem dichten Definitionsbereich DH ⊂ H betrachten wir die assoziierten Operatoren H ± iE

erkl¨ art durch

(H ± iE)f := Hf ± if

,

f ∈ DH

(I.4.12)

mit dem Wertebereichen o n WH±iE := (H ± iE)(DH ) = g ∈ H : g = Hf ± if, f ∈ DH Definition I.4.3. Die Orthogonalr¨ aume n ⊥ WH±iE := g ∈ H : (g, f )H = 0 ,

∀f ∈ WH±iE

o

.

(I.4.13)

(I.4.14)

nennen wir Defektr¨ aume, und wir erkl¨ aren die Defektindizes n o ⊥ δ± (H) := dim WH±iE ∈ 0, 1, 2, . . . .

(I.4.15)

F¨ ur die Abbildung H ± iE besteht der Kern nur aus dem Nullelement, denn nach Theorem I.4.2 stellen die Zahlen ∓i keine Eigenwerte des Hermiteschen Operators dar. Folglich existieren die inversen Operatoren (H ± iE)−1 : WH±iE → DH

(I.4.16)

auf den Wertebereichen WH±iE . Wir m¨ ussen nun die Operatoren H nach Theorem I.4.4 so w¨ ahlen, dass WH±iE abgeschlossen sind. Dann k¨onnen wir den Hilbertraum H orthogonal zerlegen in die direkte Summe ⊥ H = WH±iE ⊕ WH±iE = WH±iE ⊕ NH ∗ ∓iE

,

wobei wir das Theorem I.4.1 auf den Orthogonalraum anwenden.

(I.4.17)

28

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Theorem I.4.4. Jeder Hermitesche Operator H ist abschließbar, und es gilt WH±iE = WH±iE

.

(I.4.18)

Ferner ist der Operator H genau dann abgeschlossen, wenn die Wertebereiche WH±iE ⊂ H abgeschlossen sind. Beweis: Wegen (I.4.4) ist der Hermitesche Operator H ⊂ H ∗ abschließbar. Weiter erf¨ ullen die Operatoren H die Hermitesche isometrische Eigenschaft k(H ± iE)f k2H = kHf k2H + kf k2H ≥ kf k2H

f ∈ DH .

f¨ ur alle

(I.4.19)

Hierzu zeigen wir mit Hilfe von (I.4.3) die folgende Identit¨at (Hf ± if, Hf ± if )H = (Hf, Hf )H ∓ i(f, Hf )H (I.4.20) ±i(Hf, f )H + (f, f )H = (Hf, Hf )H + (f, f )H . Zwischenbehauptung I: Es bildet {(fn , Hfn )}n=1,2,... ⊂ GH genau dann eine Cauchyfolge in H2 , wenn {(H ± iE)fn }n=1,2,... ⊂ WH±iE beide Cauchyfolgen in H darstellen. Die Implikation =⇒ entnehmen wir der Identit¨at (I.4.19), w¨ahrend wir zur Implikation ⇐= die folgenden Formeln heranziehen: 1 1 [(H + iE)f + (H − iE)f ], f = [(H + iE)f − (H − iE)f ], f ∈ DH 2 2i (I.4.21) heranziehen. Analog zeigen wir die Hf =

Zwischenbehauptung II: Es konvergiert {(fn , Hfn )}n=1,2,... ⊂ GH = GH in H2 genau dann gegen ein Element (f, Hf ) ∈ GH , wenn die beiden Folgen {(H ± iE)fn }n=1,2,... ⊂ WH±iE jeweils in H gegen (H ± iE)f ∈ WH±iE konvergieren. Mit diesen beiden Zwischenbehauptungen sehen wir die Identit¨at (I.4.18) und die weiteren Aussagen des Theorems ein. q.e.d Sehr instruktiv ist der folgende Theorem I.4.5. (Zerlegung von DH ∗ ) Der abgeschlossene Hermitesche Operator H : DH → H besitzt f¨ ur den Definitionsbereich DH ∗ seines adjungierten Operators H ∗ : DH ∗ → H die orthogonale Zerlegung ⊥ ⊥ DH ∗ = WH−iE ⊕ DH ⊕ WH+iE

.

(I.4.22)

Folglich gibt es zu jedem f ∈ DH ∗ eindeutig bestimmte Elemente f0 ∈ DH und ⊥ f± ∈ WH±iE , so dass f = f− + f0 + f+ richtig ist.

¨ §4 Uber die Selbstadjungiertheit von Hermiteschen Operatoren

29

Beweis: Sei f ∈ DH ∗ gew¨ ahlt, so erkl¨ aren wir (H ∗ + iE)f ∈ H. Da der Teil⊥ raum WH+iE abgeschlossen ist und sein Orthogonalraum WH+iE = NH ∗ −iE erf¨ ullt, so gibt es nach dem Satz u ¨ber die orthogonale Zerlegung eindeutig bestimmte Elemente f0 ∈ DH und f+ ∈ NH ∗ −iE mit der Eigenschaft (H ∗ + iE)f = (H + iE)f0 + 2if+ . Beachten wir H ⊂ H ∗ , so erh¨alt man (H ∗ + iE)f = (H + iE)f0 + 2if+ = (H ∗ + iE)f0 + if+ + iEf+ = (H ∗ + iE)f0 + H ∗ f+ + iEf+ = (H ∗ + iE)f0 + (H ∗ + iE)f+ .

(I.4.23)

Somit folgt 0 = (H ∗ + iE)(f − f0 − f+ ) = (H ∗ + iE)f− , ⊥ setzen. Schließlich wenn wir noch f− := f − f0 − f+ ∈ NH ∗ +iE = WH−iE erhalten wir die Darstellung f = f− + f0 + f+ mit den eindeutig bestimmten ⊥ Elementen f0 ∈ DH sowie f± ∈ WH±iE . q.e.d.

Theorem I.4.6. Ein Hermitescher Operator H ist genau dann selbstadjungiert, wenn die Wertebereiche der Bedingung WH±iE = H gen¨ ugen. Dann sind die Operatoren H ± iE : DH → H invertierbar zu beschr¨ ankten Opera−1 −1 toren (H ± iE) : H → H mit der Operatornorm k(H ± iE) k ≤ 1 . Beweis: =⇒“: Sei der Hermitesche Operator H selbstadjungiert, so stimmen ” die Definitionsbereiche DH ∗ = DH u ¨berein. Da nach Theorem I.4.2 der Kern der Abbildung H ± iE nur aus dem Nullelement besteht, so erhalten wir NH ∗ ±iE = NH±iE = {0} .

(I.4.24)

Da H = H ∗ abgeschlossene Operatoren darstellen, so sind nach Theorem I.4.4 auch die Wertebereiche WH±iE abgeschlossen. Die orthogonale Zerlegung (I.4.17) liefert zusammen mit (I.4.24) die Aussage H = WH±iE . Somit sind die beiden Operatoren H ± iE auf dem Hilbertraum H invertierbar, und die Absch¨atzung (I.4.19) impliziert die Schranke an die Operatornorm. ⇐=“: Sei die Bedingung WH±iE = H erf¨ ullt, so ist der Operator H nach ” ⊥ Theorem I.4.4 abgeschlossen. Wegen WH±iE = {0} liefert das Theorem I.4.5 ⊥ ⊥ DH ∗ = WH−iE ⊕ DH ⊕ WH+iE = DH . ∗

Es folgt H = H , und der Operator H ist selbstadjungiert.

(I.4.25) q.e.d.

F¨ ur die Spektraltheorie von Differentialoperatoren ist noch das folgende Ergebnis wichtig. Theorem I.4.7. Ein Hermitescher Operator H ist wesentlich selbstadjungiert genau dann wenn die Wertebereiche WH±iE ⊂ H dicht liegen beziehungsweise die Defektindizes δ± (H) = 0 verschwinden. Dann ist sein Abschluss H selbstadjungiert, und die Operatoren H ± iE : DH → H sind invertierbar −1 : H → H mit der Operatornorm zu beschr¨ ankten Operatoren (H ± iE) −1 k(H ± iE) k ≤ 1 .

30

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Beweis: Die Wertebereiche WH±iE liegen dicht in H genau dann, wenn die Bedingung (I.4.26) H = WH±iE = WH±iE f¨ ur den abgeschlossenen Operator H nach Theorem I.4.4 erf¨ ullt ist. Gem¨aß Theorem I.4.6 ist die Bedingung (I.4.26) genau dann erf¨ ullt, wenn der Operator H selbstadjungiert beziehungsweise der Operator H wesentlich selbstadjungiert ist. Alle weiteren Aussagen entnehmen wir auch dem Theorem I.4.6 sowie der Definition I.4.3. q.e.d. Im n¨achsten Abschnitt ben¨ otigen wir noch das Theorem I.4.8. Der Hermitesche Operator H : DH → H auf dem dichten Definitionsbereich DH ⊂ H erf¨ ulle f¨ ur eine Zahl z ∈ R erf¨ ulle die Ungleichung k(H − zE)f k ≥ c · kf k f¨ ur alle f ∈ DH

mit einer Konstante

c > 0. (I.4.27) Der Operator H ist genau dann wesentlich selbstadjungiert, wenn der Wertebereich WH−zE dicht in H liegt. Folglich ist sein Abschluss H selbstadjungiert, und der Operator H − zE : DH → H ist invertierbar zu einem beschr¨ ankten −1 −1 Operator (H − zE) : H → H mit der Operatornorm k(H − zE) k ≤ c−1 . Beweis: Wir zeigen zun¨ achst die Zwischenbehauptung I: Es bildet {(fn , Hfn )}n=1,2,... ⊂ GH genau dann eine Cauchyfolge in H2 , wenn {(H − zE)fn }n=1,2,... ⊂ WH−zE eine Cauchyfolge in H darstellt. Die Implikation =⇒ entnehmen wir der Absch¨atzung k(H − zE)f k ≤ kHf k + |z|kf k f¨ ur alle

f ∈ DH

.

(I.4.28)

Zur Implikation ⇐= beachten die Ungleichung (I.4.27) und ziehen die folgende Formel heran: Hf = (H − zE)f + zf , f ∈ DH . (I.4.29) Analog zeigen wir die Zwischenbehauptung II: Eine Folge {(fn , Hfn )}n=1,2,... ⊂ GH = GH konvergiert in H2 genau dann gegen (f, Hf ) ∈ GH , wenn die Bildfolge {(H −zE)fn }n=1,2,... ⊂ WH−zE in H gegen (H −zE)f ∈ WH−zE konvergiert. Diesen beiden Zwischenbehauptungen entnehmen wir sofort die Identit¨at WH−zE = WH−zE .

(I.4.30)

1.) Wenn H wesentlich selbstadjungiert ist, so ist dessen Abschluss H selbst∗ adjungiert, und es folgt H = H = H ∗ . Wegen z ∈ R liefert Theorem I.4.1 ⊥ WH−zE = NH−zE = {0} ,

(I.4.31)

¨ §4 Uber die Selbstadjungiertheit von Hermiteschen Operatoren

31

wobei wir mittels (I.4.27) den Nullraum auf der rechten Seite bestimmen. Schließlich erhalten mit Hilfe von (I.4.31) und (I.4.30) die Identit¨at H = WH−zE = WH−zE

,

(I.4.32)

und WH−zE liegt dicht in H . 2.) Liegt nun umgekehrt WH−zE dicht in H, so erhalten wir aus (I.4.30) die Aussage WH−zE = H . Nun liefert Theorem I.4.1 die folgende Identit¨at ⊥ = NH ∗ −zE = NH ∗ −zE {0} = WH−zE

.

(I.4.33)

Also erhalten wir H ∗ = H, und der Operator H ist wesentlich selbstadjungiert. In beiden F¨allen 1.) und 2.) ist der Operator H − cE auf H invertierbar, und wir entnehmen der Ungleichung (I.4.27) die Schranke an die Operatornorm. q.e.d Bemerkung zur Ungleichung (I.4.27): In die Bedingung (I.4.27) setzen wir ein Eigenelement f ∈ H \ {0} zum Eigenwert ζ ∈ R ein und erhalten |ζ − z| · kf k = k(ζ − z)f k = k(H − zE)f k ≥ c · kf k (I.4.34) ⇐⇒

|ζ − z| ≥ c

⇐⇒ ζ ∈ / (z − c, c + c) .

Somit beinhaltet die Ungleichung (I.4.27), dass beim Hermiteschen Operator H die Eigenwerte ζ ∈ (z − c, z + z) nicht auftreten. Wir wollen St¨orungen wesentlich selbstadjungierter Operatoren betrachten. Definition I.4.4. Sei ein wesentlich selbstadjungierter Operator T : DT → H auf dem dichten Definitionsbereich DT ⊂ H gegeben. Dann heißt der Hermitesche Operator H : DT ⊂ H eine zul¨ assige St¨ orung des Operators T , falls die Ungleichung (Hf, Hf )H ≤ a (T f, T f )H + b (f, f )H

f¨ ur alle

f ∈ DT

(I.4.35)

mit gewissen Konstanten 0 ≤ a < 1 und 0 ≤ b < +∞ erf¨ ullt ist. Wir erhalten mit (T + H) : DT ⊂ H einen zul¨ assig gest¨ orten Operator.

Theorem I.4.9. (St¨ orung wesentlich selbstadjungierter Operatoren) Sei ein wesentlich selbstadjungierter Operator T : DT → H auf dem dichten Definitionsbereich DT ⊂ H mit der zul¨ assigen St¨ orung H : DT ⊂ H gegeben. Dann ist auch der Operator (T + H) : DT ⊂ H wesentlich selbstadjungiert. Falls der Operator T sogar selbstadjungiert ist, so ist auch der zul¨ assig gest¨ orte Operator (T + H) selbstadjungiert.

32

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Beweis: 1.) Zun¨achst wenden wir die Identit¨ at (I.4.20) auf den Hermiteschen Operator (T + H) an und erhalten h i h i  (T + H) ± iE f, (T + H) ± iE f = H   = (T + H)f ± if, (T + H)f ± if H     (T + H)f, (T + H)f + f, f = H H         T f, T f + Hf, Hf + 2Re T f, Hf + f, f , ∀ f ∈ DT . H

H

H

H

(I.4.36) Nun beachten wir f¨ ur alle  > 0 die elementare Absch¨atzung √  √    1 1 2 Re T f, Hf = 2 Re  T f, √ Hf ≤ 2  T f, √ Hf   H H H    1 + ≤  T f, T f f¨ ur alle f ∈ DT . Hf, Hf  H H (I.4.37) 2.) Der Identit¨at (I.4.36) und den Absch¨ atzungen (I.4.37) sowie (I.4.35) entnehmen wir f¨ ur alle 0 <  ≤ 1 nach unten die folgende Absch¨atzung: h i h i  (T + H) ± iE f, (T + H) ± iE f H



≥ [1 − ] T f, T f



h

H

+ 1−

1 i 

Hf, Hf

 H

  + f, f

H

(I.4.38)

h  h  a i bi  ≥ 1−+a− T f, T f + 1+b− · f, f , ∀ f ∈ DT .   H H Wir betrachten nun die Hilfsfunktion a χ() := 1 −  + a − , 0 <  ≤ 1 mit   a  0 χ(1) = 0 und χ (1) = − 1 + 2 = −1 + a < 0 .  =1

(I.4.39)

Somit k¨onnen wir eine Zahl 0 < 0 < 1 w¨ ahlen, so dass die Bedingungen 1 − 0 + a −

a > 0 0

und

1+b−

b > 0 0

(I.4.40)

erf¨ ullt sind. Wir erkl¨ aren jetzt die positive Zahl n a bo m0 := min 1 − 0 + a − , 1 + b − >0 0 0 Die Absch¨atzung (I.4.38) liefert dann die folgende Ungleichung

(I.4.41)

¨ §4 Uber die Selbstadjungiertheit von Hermiteschen Operatoren

h

i h i  (T + H) ± iE f, (T + H) ± iE f ≥ m0 ·

h

T f, T f



 H

+ f, f

  = m0 · (T ± iE)f, (T ± iE)f

H

H

 i

(I.4.42)

H

f¨ ur alle

33

f ∈ DT ;

hierbei verwenden wir noch die Identit¨ at (I.4.20) f¨ ur den Operator T . 3.) Ferner liefern die Identit¨ at (I.4.36) und die Ungleichung (I.4.37) f¨ ur unser 0 < 0 < 1 sowie die Ungleichung (I.4.35) nach oben die Absch¨atzung h i h i  (T + H) ± iE f, (T + H) ± iE f H

   1 i  · Hf, Hf + f, f ≤ [1 + 0 ] T f, T f + 1+ 0 H H H h i   i   h b a + 1+b+ · T f, T f f, f ≤ 1 + 0 + a + 0 0 H H   i h  + f, f ≤ M0 · T f, T f 



h

H

H



= M0 (T ± iE)f, (T ± iE)f

(I.4.43)

 H

, ∀ f ∈ DT

mit der Konstante n a bo M0 := max 1 + 0 + a + , 1 + b + < +∞ . 0 0

(I.4.44)

Hier benutzen wir wieder die Identit¨ at (I.4.20) f¨ ur den Operator T . 4.) Auf dem Wertebereich WT ±iE = (T ± iE)(DT ) erkl¨aren wir den Operator h i (T + H) ± iE ◦ (T ± iE)−1 g ± , g ± = (T ± iE)f ± ∈ WT ±iE (I.4.45) mit dem eindeutig bestimmten Element f ± ∈ DT . Setzen wir nun das Element f ± = (T ± iE)−1 g ± ∈ DT mit g ± ∈ WT ±iE in die Ungleichung (I.4.42) ein, so erhalten wir die Ungleichung h i h i  (T + H) ± iE ◦ (T ± iE)−1 g ± , (T + H) ± iE ◦ (T ± iE)−1 g ± H



≥ m0 · g ± , g ±

 H

f¨ ur alle

g ± ∈ WT ±iE .

(I.4.46) Setzen wir das Element f ± = (T ± iE)−1 g ± ∈ DT mit g ± ∈ WT ±iE in die Ungleichung (I.4.43) ein, so erhalten wir die Absch¨atzung

34

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

h

 i h i (T + H) ± iE ◦ (T ± iE)−1 g ± , (T + H) ± iE ◦ (T ± iE)−1 g ± 

≤ M0 · g ± , g ±

 H

f¨ ur alle

H

g ± ∈ WT ±iE . (I.4.47)

5.) Der Operator (I.4.45) stellt wegen (I.4.46) und (I.4.47) einen beschr¨ankten und invertierbaren Hermiteschen Operator dar, welchen wir zu einem beschr¨ankten Operator B : H → H auf den ganzen Hilbertraum fortsetzen k¨ onnen. Hierbei k¨ onnen wir zur beschr¨ ankten, koerziven Bilinearform aus (I.4.46) und (I.4.47) mit dem Satz von Lax-Milgram (siehe das Theorem 4.20 in Chap. 8 des Lehrbuchs [S5] oder [S3], Kap. VIII,§ 4, Satz 10) den Operator B konstruieren. Wir erhalten somit die folgende Identit¨at h i (T + H) ± iE f = B ◦ (T ± iE) f, f ∈ DT . (I.4.48) 6.) Ist nun der Operator T wesentlich selbstadjungiert, so liegt WT ±iE ⊂ H dicht. Nach (I.4.48) liegt dann auch WT +H±iE ⊂ H dicht im Hilbertraum H. Also ist dann der Operator T + H wesentlich selbstadjungiert. Wenn T selbstadjungiert ist, so haben wir die Identit¨at WT ±iE = H, und ¨ WT +H±iE = H. Folglich ist die Relation (I.4.48) liefert die Ubereinstimmung dann auch T + H selbstadjungiert. q.e.d.

§5 Die Resolvente eines selbstadjungierten Operators

35

§5 Die Resolvente eines selbstadjungierten Operators Definition I.5.1. Sei T ein linearer Operator mit dem dichten Definitionsbereich DT ⊂ H . Dann heißt die Punktmenge n o %(T ) := z ∈ C T − zE besitzt auf H eine beschr¨ ankte Inverse (I.5.1) die Resolventenmenge von T . Wir erkl¨ aren durch Rz := (T − zE)−1 : H → H

,

z ∈ %(T )

(I.5.2)

die Resolvente von T . Unter σ(T ) := C \ %(T ) verstehen wir das Spektrum von T .

Theorem I.5.1. Sei T ein in DT erkl¨ arter selbstadjungierter Operator. Dann ist C \ R ⊂ %(T ) oder ¨ aquivalent σ(T ) ⊂ R erf¨ ullt, und es gilt die folgende Resolventenabsch¨ atzung k(T − zE)−1 k ≤

1 |Im z|

f¨ ur alle

z ∈ C \ R.

(I.5.3)

Beweis: Sei z = x + iy ∈ C mit y 6= 0 beliebig gew¨ahlt. Dann betrachten wir die Operatoridentit¨ at  1 T − zE = T − (x + iy)E = (T − xE) − iyE = y (T − xE) − iE = y(S − iE) . y (I.5.4) 1 Dabei ist der Operator S := (T − xE) selbstadjungiert gem¨aß y S∗ =

1 1 1 ∗ (T − xE) = (T ∗ − xE) = (T − xE) = S . y y y

Nach Theorem I.4.6 ist der Operator S −iE auf H invertierbar mit der Schran−1 ke k(S − iE) k ≤ 1 . Wegen (I.5.4) existiert f¨ ur alle z = x + iy ∈ C \ R der inverse Operator 1 −1 = (S − iE) : H → H mit der Schranke y

1

1 1

−1 −1 −1 k(T − zE) k = (S − iE) = k(S − iE) k ≤ . y |y| |Im z| (T − zE)

−1

(I.5.5)

Hieraus ersehen wir die die Inklusion C \ R ⊂ %(T ) sowie die Resolventenabsch¨atzung (I.5.3) . q.e.d. In Verallgemeinerung eines Satzes von O. Toeplitz (siehe Theorem 4.14 in [S5] Chap. 8 oder Satz 6 in [S3] Kap. VIII, § 4) auf unbeschr¨ankte Operatoren erhalten wir

36

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Theorem I.5.2. (Toeplitz-Kriterium) Seien der selbstadjungierte Operator T in DT und der Punkt z ∈ R gegeben. Dann ist z ∈ %(A) g¨ ultig genau dann, wenn f¨ ur ein c > 0 die folgende Bedingung erf¨ ullt ist k(T − zE)f k ≥ c · kf k

f¨ ur alle

f ∈ DT .

Beweis: =⇒“: Sei z ∈ %(T ) gegeben. Dann existiert der Operator ” 1 f¨ ur ein c > 0 . (T − zE)−1 : H → H mit k(T − zE)−1 k ≤ c

(I.5.6)

(I.5.7)

Somit folgt 1 kgk f¨ ur alle g ∈ H . (I.5.8) c Setzen wir nun g := (T − zE)f mit f ∈ DT in (I.5.8) ein, so erhalten wir k(T − zE)−1 gk ≤

c · kf k ≤ k(T − zE)f k f¨ ur alle

f ∈ DT .

(I.5.9)

⇐=“: Sei f¨ ur den Punkt z die Bedingung (I.5.6) erf¨ ullt. Da der Operator ” T selbstadjungiert ist, liefert Theorem I.4.8 f¨ ur den Wertebereich WT −zE = H. Weiter ist T − zE : DT → H invertierbar zum beschr¨ankten Operator −1 −1 (T − zE) : H → H mit der Schranke k(T − zE) k ≤ c−1 . q.e.d. Wir werden im § 11 die folgenden Aussagen ben¨otigen: Theorem I.5.3. (Resolventenformeln) F¨ ur beliebige Punkte z1 , z2 ∈ %(T ) gelten die Identit¨ aten Rz1 − Rz2 = (z1 − z2 ) · Rz1 ◦ Rz2 Weiter haben wir die Ableitung

und

Rz1 ◦ Rz2 = Rz2 ◦ Rz1 . (I.5.10)

d Rz = Rz2 , dz

z ∈ %(T ) .

Beweis: Zum Nachweis der linken Identit¨ at in (I.5.10) berechnen wir −1

−1

Rz1 − Rz2 = (T − z1 E) − (T − z2 E) =   −1 −1 (T − z1 E) ◦ (T − z2 E) − (T − z1 E) ◦ (T − z2 E) =   −1 −1 (T − z1 E) ◦ (z1 − z2 ) · E ◦ (T − z2 E) = (z1 − z2 ) · (T − z1 E)

−1

◦ (T − z2 E)

−1

(I.5.11)

= (z1 − z2 ) · Rz1 ◦ Rz2 .

Vertauschen wir z1 und z2 in der linken Identit¨at, so erhalten wir die Kommutator-Relation von (I.5.10). Verwenden wir schließlich die Stetigkeit der Resolventenfunktion Rz , z ∈ %(T ) bez¨ uglich der Operatornorm, so ergibt sich die angegebene Differentiationsregel. q.e.d.

§5 Die Resolvente eines selbstadjungierten Operators

37

Theorem I.5.4. Sei C : H → H ein linearer Operator im Hilbertraum mit der Norm kCk < 1. Dann existiert der inverse Operator (E − C)

−1

: H → H mit der Schranke k(E − C)

−1

k≤

1 . 1 − kCk

(I.5.12)

Beweis: Wir betrachten die geometrische Reihe T =

∞ X

Ck

mit den Partialsummen

Tn :=

k=0

n X

C k , n = 0, 1, . . . , (I.5.13)

k=0

deren Konvergenz wir in der Operatornorm kontrollieren. Wir sch¨atzen gem¨aß kT k ≤

∞ X

kCkk =

k=0

1 1 − kCk

(I.5.14)

ab und ermitteln (E − C) ◦ T = (E − C) ◦

∞ X

∞ ∞  X X Ck = C k = E = T ◦ (E − C) . Ck −

k=0

k=0

k=1

Somit existiert der inverse Operator T = (E − C) angegebenen Schranke.

−1

: H → H mit der oben q.e.d.

Die geometrische Reihe (I.5.13) bezeichnet man als von Neumann-Reihe. Theorem I.5.5. F¨ ur z0 ∈ %(T ) haben wir die nachfolgende Inklusion {z ∈ C : |z − z0 | < kRz0 k−1 } ⊂ %(T ) sowie die Entwicklung Rz =

∞ X

(z − z0 )k Rzk+1 , 0

z∈C

mit

|z − z0 | < kRz0 k−1 .

(I.5.15)

k=0

Also ist %(T ) eine offene Menge in C und σ(T ) abgeschlossen. Beweis: Sei z0 ∈ %(T ) gegeben, so ermitteln wir die Identit¨at   (T − z0 E) ◦ E − (z − z0 ) Rz0 = T − z0 E − (z − z0 ) E = T − z E . (I.5.16) F¨ ur alle z ∈ C mit |z − z0 | < kRz0 k−1 gilt k(z − z0 ) Rz0 k = |z − z0 | kRz0 k < 1 . Die Formel (I.5.16) zusammen mit dem Theorem I.5.4 liefern die Entwicklung Rz = (T − zE) =

∞ X k=0

−1

−1  −1 = E − (z − z0 ) Rz0 ◦ (T − z0 E)

∞  X (z − z0 )k Rzk0 ◦ Rz0 = (z − z0 )k Rzk+1 . 0

(I.5.17)

k=0

Hieraus ergeben sich obige Behauptungen.

q.e.d.

38

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Bemerkung: Die Funktion Φ(z) := (g, Rz f )H , z ∈ %(T ) ist holomorph f¨ ur beliebige, fest gew¨ ahlte Elemente f, g ∈ H im Hilbertraum. Hierzu betrachten wir die Entwicklung   Φ(z) = g, Rz f f¨ ur alle

H

=

z∈C

∞ X

  (z − z0 )k g, Rzk+1 f 0

k=0

mit

−1

|z − z0 | < kRz0 k

(I.5.18)

H

.

ullt, und es gilt Rz = Rz∗ . Theorem I.5.6. F¨ ur z ∈ %(T ) ist auch z ∈ %(T ) erf¨ Beweis: Wir gehen aus von der Aussage     = f, (T − zE)g (T − zE)f, g H

f¨ ur alle

H

f, g ∈ DT .

(I.5.19)

Hier setzen wir f = Rz ϕ sowie g = Rz ψ mit ϕ, ψ ∈ H ein und erhalten       ϕ, Rz ψ = Rz ϕ, ψ = ϕ, Rz∗ ψ f¨ ur alle ϕ, ψ ∈ H . (I.5.20) H

Somit folgt Rz =

H

Rz∗

H

.

q.e.d.

F¨ ur die folgenden Operatoren wollen wir die Resolvente u ¨ber ihre explizite Spektralschar bestimmen. Definition I.5.2. Wir nennen den Hermiteschen Operator Hn : H → H einen n-dimensionen Hermiteschen Operator zur Dimension n ∈ N, wenn es einen n-dimensionalen linearen Teilraum Mn ⊂ H gibt, so dass Hn f = 0 f¨ ur alle f ∈ M⊥ n

Hn f ∈ Mn f¨ ur alle f ∈ Mn ,

gilt.

(I.5.21)

Weiter verwenden wir den Projektor En : H → H auf den abgeschlossenen linearen Teilraum Mn mit der folgenden Eigenschaft: En f = f

f¨ ur alle

f ∈ Mn

,

En f = 0

f¨ ur alle

f ∈ M⊥ n .

(I.5.22)

Wir verwenden nun die Diagonalisierung Hermitescher Matrizen im Cn gem¨aß dem Satz 10 von Kap. 3, § 4 im Skriptum von H. Grauert [G] Lineare Algebra und Analytische Geometrie II. Diese Hauptachsentransformation beruht auf dem Fundamentalsatz der Algebra, f¨ ur welchen wir in [S1] Kap. III, § 8 einen elementaren Beweis angegeben haben. Alternativ k¨onnen wir auch mittels direkter Variationsmethoden aus dem § II.11 f¨ ur den Spektralsatz kompakter, Hermitescher Operatoren diese Diagonalisierung durchf¨ uhren. Aufgrund der Hauptachsentransformation im n o Komplexen gibt es eine ortho(n) normierte Basis ϕj ∈ Mn : j = 1, . . . , n mit der Eigenschaft

§5 Die Resolvente eines selbstadjungierten Operators (n)

Hn ϕj

(n)

(n)

= λ j ϕj

f¨ ur

j = 1, . . . , n

39

(I.5.23)

zu den reellen Eigenwerten (n)

λ1 Dann folgt f¨ ur alle f = j = 1, . . . , n und ψn ∈ Hn f =

n X

n X

(n)

≤ λ2

(n)

(n)

c j ϕj

j=1 M⊥ ullt n erf¨ (n) (n)

(n)

c j λ j ϕj

(I.5.24)   (n) = ϕj , f

(n)

+ ψn ∈ H , wobei cj

H

f¨ ur

ist, die folgende Identit¨at

=

j=1

≤ . . . ≤ λ(n) n .

n X

(n)

λj



(n)

ϕj , f

j=1

Nun verwenden wir die Sprungfunktion ( 0 , χ : R → R mit χ(λ) := 1 ,



(n)

H

ϕj

.

(I.5.25)

−∞ < λ < 0 (I.5.26) 0 ≤ λ < +∞

und den Projektor (E − En ) : H → H auf den Orthogonalraum M⊥ n . Dann definieren wir die Spektralschar En (λ), −∞ < λ < +∞ des n-dimensionalen Hermiteschen Operators Hn wie folgt:   X (n) (n) ϕj , f ϕj + χ(λ)(E − En )f , En (λ)f := H (n) (I.5.27) j∈{1,...,n}: λj ≤λ − ∞ < λ < +∞ .

f¨ ur alle

Die abgeschlossenen Teilr¨ aume Mn (λ) := {En (λ)f : f ∈ H} erf¨ ullen die folgende Monotoniebedingung: {0} ⊂ Mn (λ) ⊂ Mn (µ) ⊂ H

f¨ ur alle

λ ≤ µ.

(I.5.28)

Es ist λ0 6= 0 ein Eigenwert von Hn genau dann, wenn En (λ0 − ) = 6 En (λ0 ) f¨ ur alle  > 0 erf¨ ullt ist. Damit erhalten wir die Spektraldarstellung f¨ ur den n-dimensionalen Hermiteschen Operator Hn Z +∞ λdEn (λ)f f¨ ur alle f ∈ H . (I.5.29) Hn f = −∞

Weiter ermitteln wir aus (I.5.25) f¨ ur beliebiges z ∈ C \ R und alle f ∈ H die folgenden Identit¨ aten: (Hn − zE)f =

n X

(n)

(λj

  (n) (n) − z) ϕj , f ϕj − z(E − En )f H

j=1

(Hn − zEn )−1 f =

n X j=1

(n)

(λj

− z)

 −1  (n) ϕj , f

(n)

H

ϕj

und

1 − (E − En )f . z

(I.5.30)

40

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Verwenden wir nun die Spektralschar (I.5.27), so erhalten wir f¨ ur die Resolvente des n-dimensionalen Hermiteschen Operators Hn den Ausdruck Z +∞ 1 −1 (n) Rz f := (Hn − zE) f = dEn (λ)f, f ∈ H , z ∈ C \ R . (I.5.31) −∞ λ − z Wir fassen unser Ergebnis zusammen im folgenden (n)

−1

Theorem I.5.7. F¨ ur die Resolvente Rz f := (Hn − zE) f , f ∈ H des n-dimensionalen Hermiteschen Operators Hn haben wir die Darstellung Z +∞     1 d g , En (λ)f , f, g ∈ H , z ∈ C \ R g , Rz(n) f = H H −∞ λ − z (I.5.32) als Sesquilinearform auf H × H. Bemerkung: Obiges Theorem I.5.7 wird uns in § 9 – § 11 die Grundlage liefern, um die Spektralschar selbstadjungierter Operatoren durch Approximation zu konstruieren.

§6 Die Spektralschar mit ihrem Riemann-Stieltjes

-Integral

41

§6 Die Spektralschar mit ihrem Riemann-Stieltjes -Integral Wir benutzen Projektoren gem¨ aß dem Lehrbuch [S5] Chap. 8, Definition 4.16 sowie Theorem 4.17 oder [S3] Kap. VIII § 4, Definition 8 sowie Satz 8, und wir u ¨berlassen unseren Lesern den Beweis von Theorem I.6.1. Seien Mj abgeschlossene Teilr¨ aume des Hilbertraums H mit den zugeh¨ origen Projektoren Pj : H → H, welche Pj (H) = Mj f¨ ur j = 1, 2 erf¨ ullen. Dann sind die folgenden Aussagen ¨ aquivalent: i) M1 ⊂ M2 , ii) P1 ◦ P2 = P2 ◦ P1 = P1 , iii) P1 ≤ P2 beziehungsweise



f, P1 f

 H

  f¨ ur alle f ∈ H . ≤ f, P2 f H

Definition I.6.1. Es sei die Schar der Projektoren E(λ) : H → H , λ ∈ R gegeben mit den Projektionsr¨ aumen M(λ) := {E(λ)f : f ∈ H}, welche im Hilbertraum H abgeschlossen sind. Weiterhin gelten die Monotoniebedingung M(λ) ⊂ M(µ)

− ∞ < λ ≤ µ < +∞ ,

f¨ ur alle

die asymptotische Bedingung \ M(λ) = {0}

[

sowie

λ∈R

(I.6.1)

M(λ) = H ,

(I.6.2)

λ ∈ R.

(I.6.3)

λ∈R

und die rechtsseitige Stetigkeit \ M(λ + ) = M(λ)

f¨ ur alle

>0

Dann nennen wir {E(λ)}λ∈R eine Spektralschar. Wir setzen E(−∞) := 0 sowie E(+∞) := E mit dem Nulloperator 0 beziehungsweise dem Einheitsoperator E auf dem Hilbertraum H . Bemerkungen: i) Die Monotoniebedingung (I.6.1) ist nach Theorem I.6.1 a¨quivalent zu E(λ) ◦ E(µ) = E(λ) = E(µ) ◦ E(λ) ,

−∞ ≤ λ ≤ µ ≤ +∞ .

Insbesondere sind die Projektionsoperatoren vertauschbar gem¨aß E(λ) ◦ E(µ) = E(µ) ◦ E(λ) ,

λ, µ ∈ R := {−∞} ∪ R ∪ {+∞} .

Weiter ist die Monotoniebedingung (I.6.1) a ur ¨quivalent zu E(λ) ≤ E(µ) f¨ alle −∞ ≤ λ ≤ µ ≤ +∞ im Sinne von     f¨ ur alle f ∈ H . ≤ f, E(µ)f f, E(λ)f H

H

42

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

ii) Die asymptotische Bedingung (I.6.2) ist ¨ aquivalent zur schwachen Konvergenz ^ lim E(λ) = 0 = E(−∞) beziehungsweise λ→−∞

(λ → −∞)

E(λ)f * 0 = E(−∞)f

f¨ ur alle

f ∈H

und zur schwachen Konvergenz ^ lim E(λ) = E

λ→+∞

beziehungsweise

(λ → +∞)

E(λ)f * f = E f

f¨ ur alle

f ∈ H.

Die rechtsseitige Stetigkeit (I.6.3) ist ¨ aquivalent zur schwachen Konvergenz: ] lim E(λ + ) = E(λ)

f¨ ur alle

→0+

E(λ + )f * E(λ)f

( → 0+)

λ∈R

f¨ ur alle

beziehungsweise

f ∈H

und f¨ ur alle

λ ∈ R.

iii) Mit der Projektorenschar (I.5.27) haben wir eine Spektralschar f¨ ur die n-dimensionalen Hermiteschen Operatoren Hn angegeben. Definition I.6.2. Sei das rechtsseitig halboffene Intervall ∆0 := [a, b) mit den Grenzen −∞ ≤ a < b ≤ +∞ gegeben. Dann erkl¨ aren wir den Operator E(∆0 ) := E(b) − E(a) : H → H mit seinem Bildraum M(∆0 ) := E(∆0 )H. Theorem I.6.2. Zun¨ achst stellt E(∆0 ) f¨ ur alle Intervalle ∆0 := [a, b) mit den Grenzen −∞ ≤ a < b ≤ +∞ einen Projektor dar. Weiter erhalten wir f¨ ur die beiden disjunkten Intervalle ∆j = [aj , bj ), j = 1, 2 mit den nachfolgenden Grenzen −∞ ≤ a1 < b1 ≤ a2 < b2 ≤ +∞ die Identit¨ at E(∆1 ) ◦ E(∆2 ) = 0 = E(∆2 ) ◦ E(∆1 ) . Insbesondere gilt dann die Aussage     E(∆1 )f , E(∆2 )g = E(∆2 ) ◦ E(∆1 )f , g H

H

(I.6.4)

= 0 f¨ ur alle f, g ∈ H, (I.6.5)

welche die Orthogonalit¨ atsbedingung M(∆1 ) ⊥ M(∆2 ) beinhaltet. Beweis: Der Operator E(∆0 ) := E(b) − E(a) : H → H ist beschr¨ankt und Hermitesch gem¨aß E(∆0 )∗ = E(b)∗ − E(a)∗ = E(b) − E(a) = E(∆0 ) , denn E(a) und E(b) besitzen diese Eigenschaften. Dann berechnen wir 2

2

E(∆0 ) = (E(b) − E(a)) = (E(b) − E(a)) ◦ (E(b) − E(a)) 2

= E(b) − E(b) ◦ E(a) − E(a) ◦ E(b) + E(a)2 = E(b) − 2E(a) + E(a) = E(b) − E(a) = E(∆0 ) ,

§6 Die Spektralschar mit ihrem Riemann-Stieltjes

-Integral

43

und E(∆0 ) stellt somit einen Projektor dar. Weiter ermitteln wir E(∆1 ) ◦ E(∆2 ) = (E(b1 ) − E(a1 )) ◦ (E(b2 ) − E(a2 )) = E(b1 ) ◦ E(b2 ) − E(b1 ) ◦ E(a2 ) − E(a1 ) ◦ E(b2 ) + E(a1 ) ◦ E(a2 ) = E(b1 ) − E(b1 ) − E(a1 ) + E(a1 ) = 0 = E(b1 ) − E(a1 ) − E(b1 ) + E(a1 ) = E(b2 ) ◦ E(b1 ) − E(b2 ) ◦ E(a1 ) − E(a2 ) ◦ E(b1 ) + E(a2 ) ◦ E(a1 ) = (E(b2 ) − E(a2 )) ◦ (E(b1 ) − E(a1 )) = E(∆2 ) ◦ E(∆1 ) . Somit sind alle obigen Aussagen gezeigt.

q.e.d.

Definition I.6.3. Es heißt τ = τ (λ) = %(λ) + iσ(λ), λ ∈ R komplexe Funktion beschr¨ ankter Variation oder kurz τ ∈ BV (R, C), wenn alle Zerlegungen in R Z : − ∞ < a0 < a1 . . . < an−1 < an < +∞ ,

n := n(Z) ∈ N

(I.6.6)

mit den Teilintervallen ∆j := [aj−1 , aj ) der L¨ angen |∆j | := aj − aj−1 und Bildgr¨ oßen τ (∆j ) := τ (aj ) − τ (aj−1 ) ∈ C f¨ ur j = 1, . . . , n die Absch¨ atzung n X

|τ (∆j )| =

j=1

n X

|τ (aj ) − τ (aj−1 )| ≤ M

(I.6.7)

j=1

f¨ ur eine gewisse Konstante M < +∞ erf¨ ullen. F¨ ur Funktionen τ ∈ BV (R, C) erkl¨ aren wir ihre Totalvariation Z +∞ n n X X |dτ (λ)| := sup |τ (∆j )| = sup |τ (aj ) − τ (aj−1 )| ∈ [0, +∞). −∞

Z j=1

Z j=1

(I.6.8)

Theorem I.6.3. Zur Spektralschar {E(λ)}λ∈R ist die Funktion τ : R → C erkl¨ art durch   , λ∈R (I.6.9) τ (λ) = %(λ) + iσ(λ) := E(λ)f , g H

von beschr¨ ankter Variation und erf¨ ullt die Absch¨ atzung Z +∞   d E(λ)f , g ≤ kf k · kgk −∞

H

f¨ ur alle Elemente f, g ∈ H im Hilbertraum.

(I.6.10)

44

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Beweis: F¨ ur ein beliebiges beschr¨ anktes Intervall ∆0 := [a, b) mit den Grenzen −∞ < a < b < +∞ betrachten wir die Zerlegung Z : a = a0 < a1 < a2 < . . . < an−1 < an = b

mit

n = n(Z) ∈ N (I.6.11)

in die disjunkten Teilintervalle ∆j := [aj−1 , aj ) f¨ ur j = 1, . . . , n(Z). Mit Hilfe von Theorem I.6.2 berechnen wir n  n    X X E(∆j )f , g = E(∆j )f , E(∆j )g H

j=1



n X

H

j=1

v uX u n kE(∆j )f k 2 · kE(∆j )f k · kE(∆j )gk ≤ t

v uX u n t kE(∆j )gk 2

j=1

j=1

v u  X n n  X   u =t E ∆j f , E ∆k f j=1

k=1

H

j=1

v u  X n n  X   u ∆j g , E ∆k g ·t E j=1

= kE(∆0 )f k · kE(∆0 )gk ≤ kf k · kgk f¨ ur alle

k=1

H

f, g ∈ H .

Diese Absch¨atzung gilt f¨ ur jedes Intervall ∆0 = [a, b) ⊂⊂ R mit all seinen Zerlegungen Z, und somit ist f¨ ur die Totalvariation (I.6.8) die obige Ungleichung (I.6.10) gezeigt. q.e.d. Wir betrachten nun den Funktionenraum n C 0 (R, C) := ϕ ∈ C 0 (R, C) lim ϕ(λ) λ→±∞

existieren in

o C .

Die Elemente von C 0 (R, C) k¨ onnen stetig als komplexwertige Funktionen fortgesetzt werden auf die erweiterte reelle Achse R, welche einen kompakten topologischen Raum darstellt. Statten wir den obigen Vektorraum mit der Supremumsnorm kϕk0 := sup |ϕ(λ)|

,

ϕ ∈ C 0 (R, C)

λ∈R

aus, so wird dieser zu einem Banachraum. Eine beliebige Zerlegung von R Z : −∞ = a0 < a1 < a2 < . . . < an−1 < an = +∞ mit n = n(Z) ∈ N (I.6.12) teilt die reelle Achse {−∞} ∪ R in die disjunkten Intervalle ∆j := [aj−1 , aj )

f¨ ur

j = 1, . . . , n(Z)

auf, und die zugeh¨ origen Projektoren E(∆j ) = E(aj ) − E(aj−1 ) bilden gem¨aß n(Z)

X j=1

E(∆j ) = E

§6 Die Spektralschar mit ihrem Riemann-Stieltjes

-Integral

45

eine Teleskopsumme. Wir w¨ ahlen nun beliebige Zwischenwerte λj ∈ ∆j f¨ ur j = 1, . . . , n(Z), welche wir zum Vektor Λ := {λj }j=1,...,n(Z) zusammenfassen, und vereinbaren die Definition I.6.4. Bei gegebener Spektralschar {E(λ)}λ∈R erkl¨ aren wir f¨ ur beliebige Zerlegungen Z von R und entsprechende Zwischenwerte Λ die RiemannStieltjes-Operatorsumme n(Z)

R = R(E(.), ϕ, Z, Λ) :=

X

ϕ(λj )E(∆j )

(I.6.13)

j=1

zu den Funktionen ϕ ∈ C 0 (R, C). Definition I.6.5. Wir betrachten eine Folge von Zerlegungen der erweiterten reellen Achse R in der Form (k)

(k)

(k)

(k)

Z (k) : −∞ = a0 < a1 . . . < an(k) −1 < an(k) = +∞ mit

n(k) := n(Z (k) ) ∈ N (k)

f¨ ur (k)

Weiter erf¨ ullen die L¨ angen |∆j | := aj (k)

(k)

(I.6.14)

k = 1, 2, 3, . . . . (k)

− aj−1 der beschr¨ ankten Teilinter-

(k)

:= [aj−1 , aj ) f¨ ur j = 2, . . . , n(k) − 1 die Feinheitsbedingung n o (k) max |∆j | : j = 2, . . . , n(k) − 1 → 0 f¨ ur k → ∞ . (I.6.15)

valle ∆j

Schließlich fordern wir die Aussch¨ opfungsbedingung (k)

lim a1 = −∞

und

k→∞

(k) lim a (k) k→∞ n −1

= +∞ .

(I.6.16)

Dann nennen wir Z (k) , k = 1, 2, . . . ausgezeichnete Zerlegungsfolge von R. Theorem I.6.4. Sei eine Funktion ϕ ∈ C 0 (R, C) gegeben. Dann konvergiert f¨ ur jede ausgezeichnete Zerlegungsfolge Z (k) , k = 1, 2, . . . von R mit den ent(k) sprechenden Zwischenwerten Λ(k) := {λj }j=1,...,n(k) , k = 1, 2, . . . die Folge der Operatoren R

(k)

= R(E(.), ϕ, Z

(k)



(k)

) :=

(k) n X

(k)

(k)

ϕ(λj )E(∆j ) ,

k = 1, 2, . . . (I.6.17)

j=1

gegen den beschr¨ ankten linearen Operator lim R(E(.), ϕ, Z (k) , Λ(k) ) =:

k→∞

Z

+∞

ϕ(λ)d E(λ)

(I.6.18)

−∞

in der Operatornorm. Weiter gilt die folgende Absch¨ atzung Z

+∞

ϕ(λ)d E(λ) ≤ kϕk0 .

−∞

(I.6.19)

46

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Beweis: 1.) Sei die Funktion ϕ ∈ C 0 (R, C) fest gew¨ahlt. Zun¨achst sch¨atzen wir mittels Theorem I.6.2 und Darstellung (I.6.17) f¨ ur alle k ∈ N wie folgt ab:   kR(k) f k2 = R(k) f, R(k) f H

=

(k)  nX

(k) (k) ϕ(λj )E(∆j )f,

(k) n X

j=1

=

(k)

(k)

ϕ(λl )E(∆l )f

 H

l=1

(k) (k) n X nX

  (k) (k) (k) (k) ϕ(λj ) ϕ(λl ) E(∆j )f, E(∆l )f

j=1 l=1 (k)

=

H

(k)

n X nX

  (k) (k) (k) (k) ϕ(λj ) ϕ(λl ) E(∆l ) ◦ E(∆j )f, f

j=1 l=1

=

(k) n X

(k) |ϕ(λj )|2



(k) E(∆j )f, f



j=1

H



kϕk20

(k) n X



(I.6.20) H

(k)

E(∆j )f, f

j=1

 H

(k)

= kϕk20

 nX

(k)

E(∆j )f, f

 H

j=1



= kϕk20 f, f

 H

,

  = kϕk20 Ef, f

H

f ∈ H.

Wir erhalten in der Operatornorm von R(k) die Absch¨atzung kR(k) k ≤ kϕk0

f¨ ur

k = 1, 2, 3, . . .

(I.6.21)

2.) Weiter gibt es f¨ ur unsere Funktion ϕ zu vorgegebenem  > 0 gewisse Zahlen −∞ < a < b < +∞, so dass die Bedingung |ϕ(t) − ϕ(s)| <  f¨ ur alle Paare (s, t) ∈ (−∞, a]2 und (s, t) ∈ [b, +∞)2 (I.6.22) erf¨ ullt ist. Nun ist die Funktion ϕ : [a − 1, b + 1] → C gleichm¨aßig stetig, und wir finden ein δ = δ() ∈ (0, 12 ], so dass die Absch¨atzung |ϕ(t) − ϕ(s)| < 

f¨ ur alle

s, t ∈ [a − 1, b + 1]

mit

|t − s| < 2δ (I.6.23)

richtig ist. Da Z (k) , k = 1, 2, . . . eine ausgezeichnete Zerlegungsfolge von R darstellt, so k¨onnen wir ein N = N () ∈ N finden, derart dass die folgenden Bedingungen erf¨ ullt sind: n o (k) (k) (k) [a, b) ⊂ [a1 , an(k) −1 ) und max |∆j | : j = 2, . . . , n(k) − 1 < δ f¨ ur alle

k ≥ N () . (I.6.24)

3.) F¨ ur beliebige Indizes k, l ≥ N () vergleichen wir die Riemann-StieltjesOperatorsumme

§6 Die Spektralschar mit ihrem Riemann-Stieltjes

R

(k)

= R(E(.), ϕ, Z

(k)



(k)

) :=

(k) n X

(k)

-Integral

47

(k)

ϕ(λj 0 )E(∆j 0 )

j 0 =1

mit der entsprechenden Summe (l)

R

(l)

= R(E(.), ϕ, Z

(l)

(l)

, Λ ) :=

n X

(l)

(l)

ϕ(λj 00 )E(∆j 00 ) .

j 00 =1

Hier verfeinern wir die Zerlegungen Z (k) und Z (l) zur gemeinsamen Zerlegung Z := Z (k) ∪ Z (l) : −∞ = a0 < a1 < a2 < . . . < an−1 < an = +∞ , (I.6.25) welche aus den n = n(Z) = n(Z (k) , Z (l) ) ∈ N Teilungspunkten beider Zerlegungen besteht. Auf den Teilintervallen ∆j := [aj−1 , aj ) k¨onnen wir konstante Funktionswerte (k)

zj

(k)

= ϕ(λj 0 (j) ) ∈ C

und

(l)

(l)

zj = ϕ(λj 00 (j) ) ∈ C

f¨ ur

j = 1, . . . , n(Z)

so angeben, dass die folgenden Darstellungen gelten: n(Z)

n(Z)

R

(k)

=

X

(k) zj E(∆j )

und

R

(l)

=

X

(l)

zj E(∆j ) .

(I.6.26)

j=1

j=1

4.) Unter Ber¨ ucksichtigung von (I.6.22) – (I.6.24) zeigt man leicht (k) (l) ur j = 1, 2, . . . , n(Z) und alle k, l ≥ N (ε) . zj − zj <  f¨

(I.6.27)

Eine genaue Ausf¨ uhrung ist dem Beweis des Satzes 1 in § 4 von Kapitel 2 des Lehrbuchs [S1] zu entnehmen. Aus (I.6.26) berechnen wir R

(k)

−R

(l)

=

n(Z) 

X

(k)

zj

(l)

− zj



E(∆j ) ,

(I.6.28)

j=1

und die Ungleichungen (I.6.27) liefern mit den Argumenten (I.6.20) die folgende Absch¨atzung kR(k) − R(l) k ≤ 

f¨ ur alle

k, l ≥ N ()

(I.6.29)

in der Operatornorm. Somit existiert der Grenzwert (I.6.18) bez¨ uglich der Operatornorm. Schließlich k¨ onnen wir den Ungleichungen (I.6.21) die Absch¨atzung (I.6.19) entnehmen. q.e.d. Definition I.6.6. Das in der Formel (I.6.18) von Theorem I.6.4 auftretende Integral sprechen wir als Riemann-Stieltjes-Integral der Funktion ϕ ∈ C 0 (R, C) u ¨ber die Spektralschar {E(λ)}λ∈R an.

48

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Addition, Skalarmultiplikation, Multiplikation und Konjugation im Funktioupfungen f¨ ur ihre Riemannnenraum C 0 (R, C) besitzen entsprechende Verkn¨ Stieltjes-Integrale u ¨ber eine Spektralschar {E(λ)}λ∈R nach dem folgenden Theorem I.6.5. F¨ ur beliebige Funktionen ϕ, ψ ∈ C 0 (R, C) und Skalare c ∈ C haben wir i) die Additivit¨ at des Integrals Z

+∞

Z

+∞



 ϕ(λ) + ψ(λ) dE(λ).

−∞

−∞

−∞

+∞

Z ψ(λ)dE(λ) =

ϕ(λ)dE(λ) +

(I.6.30) ii) die Produkteigenschaft des Integrals Z

+∞

+∞

 Z ϕ(λ)dE(λ) ◦

 Z ψ(λ)dE(λ) =



 ϕ(λ) · ψ(λ) dE(λ).

−∞

−∞

−∞

+∞

(I.6.31) iii) die Skalarprodukteigenschaft des Integrals c·

+∞

Z

+∞

Z



ψ(λ)d E(λ) =



 c · ψ(λ) d E(λ) .

Z

+∞

(I.6.32)

−∞

−∞

iv) den adjungierten Operator +∞

Z

ϕ(λ)d E(λ)

∗

=

ϕ(λ)d E(λ) .

(I.6.33)

−∞

−∞

Beweis: 1.) Mit den Identit¨ aten (I.6.17) und (I.6.18) ermitteln wir zun¨achst die Additivit¨at (I.6.30): +∞

Z

Z

+∞

ψ(λ)dE(λ)

ϕ(λ)dE(λ) + −∞

−∞

= lim

(k) n X

k→∞

j=1

(k)

k→∞

(k)

= lim

k→∞

n X j=1

(k) n X

(k)

ϕ(λj )E(∆j ) + lim

 (k) (k) ϕ + ψ (λj )E(∆j ) =

Z

(k)

(k)

ψ(λj )E(∆j )

j=1

+∞



 ϕ(λ) + ψ(λ) dE(λ) .

−∞

2.) Dann berechnen wir die Identit¨ at (I.6.31) ¨ ahnlich, indem wir Theorem I.6.2 und die Konvergenz der auftretenden Doppelreihen im Banachraum beachten:

§6 Die Spektralschar mit ihrem Riemann-Stieltjes +∞

Z

=

lim

k→∞

(k) (k) ϕ(λj )E(∆j )

= lim

(k)  nX

k→∞

" n(k) X

k→∞

(k) (k) ϕ(λj )E(∆j )

" n(k) n(k) XX

k→∞

= lim

m→∞





l=1

(k)  nX

j=1

= lim



(m) n    X (m) (m) ◦ lim ψ(λl )E(∆l )

j=1

"

ψ(λ)dE(λ)

49

−∞

−∞ n X

+∞

 Z ϕ(λ)dE(λ) ◦

(k)



-Integral

(k) (k) ψ(λl )E(∆l )



#

l=1 (k) (k) (k) ϕ(λj )ψ(λl )E(∆j )



(k) E(∆l )



#

j=1 l=1

(k) (k) (k) ϕ(λj )ψ(λj ) E(∆j )



#

+∞

Z =



 ϕ(λ) · ψ(λ) dE(λ) .

−∞

j=1

3.) Indem wir die Funktion ϕ(λ) := c, λ ∈ R in (I.6.31) einsetzen, erhalten wir die Identit¨at (I.6.32) wie folgt:    Z +∞   Z +∞  Z +∞ ψ(λ)dE(λ) ϕ(λ)dE(λ) ◦ ψ(λ)d E(λ) = c· −∞

−∞

−∞ +∞

Z =



Z



+∞

ϕ(λ) · ψ(λ) dE(λ) =



 c · ψ(λ) dE(λ) .

−∞

−∞

4.) Zum Nachweis von (I.6.33) berechnen wir folgende Identit¨at, wobei wir die Konvergenz in der Operatornorm benutzen: +∞

Z

ϕ(λ)dE(λ)

∗

=

−∞



lim

k→∞

(k) n X

= lim

k→∞

Z

(k) (k) ϕ(λj )E(∆j )

∗

= lim

k→∞

j=1

(k)

∗

j=1

(k)

 nX

(k)

ϕ(λj )E(∆j ) (k)  nX

(k)

(k)

ϕ(λj ) E(∆j )



j=1

+∞

ϕ(λ) dE(λ) .

=

q.e.d.

−∞

Theorem I.6.6. F¨ ur beliebige Funktionen ψ ∈ C 0 (R, C) haben wir auf dem Hilbertraum H die Sesquilinearform ! ! h Z +∞ i i h Z +∞ ψ(λ)dE(λ) f , g ψ(λ)dE(λ) g = f, −∞ −∞ H H (I.6.34) Z +∞   = ψ(λ) d E(λ)f , g f¨ ur alle f, g ∈ H . −∞

H

Dabei besitzt die Belegungsfunktion im obigen Stieltjes-Integral gem¨ aß (I.6.10) eine beschr¨ ankte Variation.

50

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Beweis: Zum Nachweis von (I.6.34) beachten wir (I.6.33) und berechnen f,

+∞

hZ

i

! =

ψ(λ)dE(λ) g −∞

(k) n X

= lim

j=1 +∞

  ψ(λ) d E(λ)f , g

=

f,

−∞

= lim

(k) (k) ψ(λj )E(∆j )

j=1

(k) n X

k→∞

H

f¨ ur alle

H

lim

(k) n X

k→∞

H

  (k) (k) ψ(λj ) f , E(∆j )g

k→∞

Z

h

i

! g H

  (k) (k) ψ(λj ) E(∆j )f , g

j=1

f, g ∈ H .

H

q.e.d.

Theorem I.6.7. F¨ ur beliebige Funktionen ϕ ∈ C 0 (R, C) haben wir auf dem Hilbertraum H die nichtnegative, Hermitesche Sesquilinearform ! i i h Z +∞ h Z +∞ ϕ(λ)dE(λ) g ϕ(λ)dE(λ) f , −∞ −∞ H (I.6.35) Z +∞   = |ϕ(λ)|2 d E(λ)f , g f¨ ur alle f, g ∈ H . H

−∞

Beweis: Mit Hilfe der Identit¨ aten (I.6.31), (I.6.33) und dem Theorem I.6.6 ermitteln wir die Aussage (I.6.35) wie folgt: ! i i h Z +∞ h Z +∞ ϕ(λ)dE(λ) g ϕ(λ)dE(λ) f , −∞

−∞

=

f,

hZ

+∞

= f,

hZ

+∞

i  ϕ(λ) · ϕ(λ) dE(λ) g

−∞

Z

+∞



|ϕ(λ)|2 d E(λ)f , g

= −∞

i

 H



H

= f,

f¨ ur alle

!

ϕ(λ)dE(λ) g −∞

−∞



H +∞

i hZ ϕ(λ)dE(λ) ◦

H

hZ

+∞ −∞

f, g ∈ H .

i  |ϕ(λ)|2 dE(λ) g

H

q.e.d.

Bemerkung: Die in (I.6.34) und (I.6.35) auftretenden  Riemann-Stieltjes-Integrale u E(λ)f , g , λ ∈ R beschr¨ankter ¨ber die komplexe Belegungsfunktion H Variation werden in Definition I.9.4 genau erkl¨art. Hierzu zerlegen wir die Belegungsfunktion mit den Gleichungen (I.7.7) – (I.7.9) in schwach monotone Funktionen und setzen gem¨ aß der Formel (I.7.12) das Integral u ¨ber die obige komplexe Belegungsfunktion aus vier Riemann-Stieltjes-Integralen u ¨ber schwach monoton steigende Belegungsfunktionen zusammen.

§7 Lebesgue-Stieltjes-Integrale bez¨ uglich der Spektralschar

51

§7 Lebesgue-Stieltjes-Integrale bezu ¨ glich der Spektralschar Wir betrachten zu vorgegebener Spektralschar {E(λ)}λ∈R die schwach monoton steigende Belegungsfunktion   , λ∈R (I.7.1) %h (λ) := E(λ)h, h H

f¨ ur beliebige h ∈ H . Wir erkl¨ aren hierzu das Riemann-Stieltjes-Integral Z +∞ (I.7.2) Ibh (ϕ) := ϕ(λ) d %h (λ) , ϕ ∈ C 0 (R, R) , −∞

welches wir im Sinne von Definition 1 aus dem Lehrbuch [S1] Kap. VIII § 1 als ein Daniellsches Integral auf dem reellen Funktionenraum n o C 0 (R, R) := ϕ ∈ C 0 (R, R) lim ϕ(λ) existieren in R λ→±∞

auffassen k¨onnen. Durch ein Fortsetzungsverfahren in [S1] Kap. VIII § 2 k¨ onnen wir das Daniellsche Integral Ibf fortsetzen zum Lebesgue-StieltjesIntegral Ih , dessen integrierbare Funktionen die Klasse o n (I.7.3) L(%h ) := ϕ : R → R : Ih (ϕ) existiert in R bilden. Nach Satz 2 und Satz 5 aus [S1] Kap. VIII § 2 haben wir in L(%h ) f¨ ur Funktionenfolgen ϕk : R → R (k = 1, 2, 3, . . .) den Satz u ¨ber monotone Konvergenz von B. Levi und den Satz u ¨ber majorisierte Konvergenz von H. Lebesgue zur Verf¨ ugung. Wenn wir nun eine beliebige Funktion ϕ : R → R zerlegen in ihren Positivaß ϕ(x) = ϕ+ (x) − ϕ− (x), x ∈ R , so und Negativteil ϕ± : R → [0, +∞] gem¨ gilt die folgende Aussage: ϕ ∈ L(%h )

⇐⇒

ϕ± ∈ L(%h ) .

(I.7.4)

Zu beliebigem Exponenten p ∈ [1, +∞) erkl¨ aren wir den Lebesgueraum der p-fach integrierbaren Funktionen u ¨ber die Belegungsfunktion %h durch n o Lp (%h ) := ϕ : R → R : |ϕ|p ∈ L(%h ) . (I.7.5) Wir wenden das Theorem I.6.7 auf die Funktion ϕ(λ) b = 1, λ ∈ R und die Elemente f = g = h ∈ H wie folgt an: Z +∞ Z +∞ Z +∞   2 2 ϕ(λ)d% b (λ) = | ϕ(λ)| b d% (λ) = |ϕ(λ)| b d E(λ)h , h h h −∞

=

hZ

−∞

+∞ −∞

i ϕ(λ)dE(λ) b h,

hZ

H

−∞

+∞ −∞

i ϕ(λ)dE(λ) b h

!

  = Eh , Eh H

H

= khk2 .

52

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Folglich geh¨ort die Funktion ϕ(λ) b = 1, λ ∈ R zur Klasse L1 (%h ), und die H¨ oldersche Ungleichung liefert die Inklusion L(%h ) = L1 (%h ) ⊃ Lp (%h )

1 ≤ p < +∞ .

f¨ ur alle Exponenten

(I.7.6)

Wir zerlegen die komplexe Belegungsfunktion beschr¨ankter Variation aus Theorem I.6.3, um ein komplexes Lebesgue-Stieltjes-Integral zu definieren. Zu beliebigen Elementen f, g ∈ H betrachten wir die komplexe Funktion   , λ∈R (I.7.7) τf,g (λ) = %f,g (λ) + iσf,g (λ) := E(λ)f , g H

mit dem Realteil    i 1 h E(λ)f , g + E(λ)g , f 2 H H h    i 1 E(λ)(f + g) , (f + g) − E(λ)(f − g) , (f − g) = 4 H H %f,g (λ) :=

=

1 1 (+) (−) %f +g (λ) − %f −g (λ) =: %f,g (λ) − %f,g (λ) , 4 4

(I.7.8)

λ∈R

und dem Imagin¨arteil   i  1 h − E(λ)g , f E(λ)f , g 2i H H   i h  1 = − E(λ)(f + ig) , (f + ig) E(λ)(f − ig) , (f − ig) 4 H H σf,g (λ) :=

=

1 1 (+) (−) %f −ig (λ) − %f +ig (λ) =: σf,g (λ) − σf,g (λ) , 4 4 (±)

(I.7.9)

λ ∈ R.

(±)

Dabei sind %f,g : R → R und σf,g : R → R monoton nichtfallende Funktionen der beschr¨ankten Totalvariation kf k · kgk mit den Eigenschaften: %f,g (λ) = %g,f (λ)

und

σf,g (λ) = −σg,f (λ) ,

λ ∈ R.

(I.7.10)

Wie in den Formeln (I.7.1) – (I.7.5) beschrieben, so k¨onnen wir das Riemann(±) (±) Stieltjes-Integral u ¨ber die Belegungsfunktionen %f,g und σf,g von C 0 (R, R) (±)

(±)

fortsetzen auf die Klasse L(%f,g ) und L(σf,g ) der Funktionen mit endlichem Lebesgue-Stieltjes-Integral. Wegen der Gleichungen (I.7.7) – (I.7.9) setzen wir Definition I.7.1. Die Klasse reeller Lebesgue-integrabler Funktionen u ¨ber die komplexe Belegungsfunktion τf,g = %f,g + iσf,g wird gegeben durch n o (±) (±) L(τf,g ) := ϕ : R → R ϕ ∈ L(%f,g ) und ϕ ∈ L(σf,g ) . (I.7.11)

§7 Lebesgue-Stieltjes-Integrale bez¨ uglich der Spektralschar

53

Definition I.7.2. F¨ ur reelle Lebesgue-integrable Funktionen ϕ ∈ L(τf,g ) u ¨ber die komplexe Belegungsfunktion τf,g = %f,g + iσf,g erkl¨ aren wir das LebesgueStieltjes-Integral durch die folgenden Integrale Z +∞ ϕ(λ)dτf,g (λ) := −∞ +∞

Z

−∞

Z

+∞

+i −∞

(+) ϕ(λ)d%f,g (λ)

(+) ϕ(λ)dσf,g (λ)

Z

+∞

− −∞

Z

(−)

(I.7.12)

ϕ(λ)d%f,g (λ)

+∞

−i −∞

(−)

ϕ(λ)dσf,g (λ) .

Definition I.7.3. F¨ ur Funktionen der Klasse n L(τf,g , C) := ψ = ϕ + iχ ϕ ∈ L(τf,g ) und

χ ∈ L(τf,g )

o

(I.7.13)

erkl¨ aren wir mittels (I.7.12) das komplexe Lebesgue-Stieltjes-Integral Z

+∞

Z

+∞

+∞

χ(λ)dτf,g (λ) .

ϕ(λ)dτf,g (λ) + i

ψ(λ)dτf,g (λ) := −∞

−∞

Z

(I.7.14)

−∞

Wir wollen nun das Lebesgue-Stieljes-Integral u ¨ber die Spektralschar auf rechts abgeschlossenen Intervallen Θ0 einf¨ uhren. Hierzu verwenden wir Definition I.7.4. Seien die Grenzen −∞ ≤ a < b ≤ +∞ beliebig gew¨ ahlt, so erkl¨ aren wir die charakteristische Funktion u ber das rechts abgeschlossene ¨ Intervall Θ0 := (a, b] durch    0 , −∞ ≤ λ ≤ a (I.7.15) ωa,b,∞ (λ) := 1 , a < λ ≤ b   0 , b < λ ≤ +∞ . F¨ ur hinreichend großes k0 ∈ N und k = k0 , k0 + 1, k0 + 2, . . . erkl¨ aren wir die approximativen Funktionen der Klasse C 0 (R, R) folgendermaßen  0 , −∞ ≤ λ ≤ a      −1    k (λ − a) , a < λ ≤ a + k 1 , a + k −1 < λ ≤ b , (I.7.16) ωa,b,k (λ) :=    −1  1 − k (λ − b) , b < λ ≤ b + k     0 , b + k −1 ≤ λ ≤ +∞ welche lim ωa,b,k (λ) = ωa,b,∞ (λ) f¨ ur alle λ ∈ R erf¨ ullen. k→∞

54

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Definition I.7.5. Zu den Grenzen −∞ ≤ a < b ≤ +∞ nennen wir Z Z b ψ(λ) d E(λ) ψ(λ) d E(λ) = a

Θ0

Z := lim

k→∞

(I.7.17)

+∞

ψ(λ) ωa,b,k (λ) d E(λ) −∞

das Riemann-Stieltjes-Integral der Funktion ψ ∈ C 0 (R, C) u ¨ber das rechts abgeschlossene Intervall Θ0 := (a, b] der Spektralschar {E(λ)}λ∈R . Theorem I.7.1. Die Sesquilinearform zum Riemann-Stieljes-Integral (I.7.17) mit den Grenzen −∞ ≤ a < b ≤ +∞ erf¨ ullt die Identit¨ at ! Z h b i f, ψ(λ) d E(λ) g = a

Z

+∞

H



ψ(λ) · ωa,b,∞ (λ)d E(λ)f, g −∞

b

Z

 H

=:

  ψ(λ)d E(λ)f, g , ∀f, g ∈ H. H

a

Dabei erscheint das Lebesgue-Stieltjes-Integral gem¨ aß Definition I.7.3 von der Funktion ψ · ωa,b,∞ ∈ L(τf,g , C) u komplexe Belegungsfunktion mit ¨ber die  beschr¨ ankter Variation τf,g (λ) := E(λ)f, g

H

, λ ∈ R.

Beweis: Die Definitionen I.7.2 und I.7.3 liefern, dass in der Funktionenklasse L(τf,g , C) der Lebesguesche Konvergenzsatz gilt. Mittels Theorem I.6.6 berechnen wir dann ! hZ b i f, ψ(λ) d E(λ) g a

=

hZ

f , lim

k→∞

f,

= lim

k→∞

H

+∞

i

ψ(λ) · ωa,b,k (λ) d E(λ) g −∞

hZ

!

+∞

i

!H

ψ(λ) · ωa,b,k (λ) d E(λ) g −∞

H

+∞

Z



ψ(λ) · ωa,b,k (λ) d E(λ)f , g

= lim

k→∞

−∞

+∞

Z



ψ(λ) · ωa,b,∞ (λ) d E(λ)f , g

= −∞ b

Z



ψ(λ) d E(λ)f, g

=: a



 H

,

H

 H

∀f, g ∈ H . q.e.d.

§7 Lebesgue-Stieltjes-Integrale bez¨ uglich der Spektralschar

55

Proposition I.7.1. (Integrationsregel f¨ ur die Spektralschar) F¨ ur beliebige Grenzen −∞ ≤ a < b ≤ +∞ mit dem rechts abgeschlossenen Intervall Θ0 := (a, b] gilt die folgende Integrationsregel: Z

b

Z

dE(λ) = E(b) − E(a+) = E(b) − E(a) .

dE(λ) = a

Θ0

Beweis: 1.) Zun¨achst setzen wir −∞ < a < b < +∞ voraus. Dann benutzen wir die Funktion  0 , −∞ ≤ λ ≤ a   ‘ ωa,b,k (λ) := k (λ − a) , a < λ < a + k −1   0 , a + k −1 ≤ λ ≤ +∞ ‘ mit lim ωa,b,k (λ) = 0, ∀λ ∈ R sowie die Funktion k→∞

“ ωa,b,k (λ)

:=

  

0

−∞ ≤ λ ≤ b

,

1 − k (λ − b)

 

0

b < λ < b + k −1

,

b ≤ λ ≤ +∞

,

“ ucksichtigung von (I.7.16) berechmit lim ωa,b,k (λ) = 0, ∀λ ∈ R . Unter Ber¨ k→∞

nen wir f¨ ur k = k0 , k0 + 1, . . . die nachfolgenden Integrale Z +∞ ωa,b,k (λ)dE(λ) = −∞

Z

+∞ ‘ ωa,b,k (λ)dE(λ) −∞

Z

Z

b

+∞

Z

“ ωa,b,k (λ)dE(λ) =

dE(λ) +

+ a+k−1

−∞

+∞ ‘ ωa,b,k (λ)dE(λ)

+ E(b) − E(a + k

−1

+∞

Z

“ ωa,b,k (λ)dE(λ) .

)+ −∞

−∞

(I.7.18) 2.) Leicht ermitteln wir hierin die Limites Z

+∞ ‘ ωa,b,k (λ)dE(λ)

lim

k→∞

−∞

+∞

Z

“ ωa,b,k (λ)dE(λ) ,

= 0 = lim

k→∞

−∞

wenn wir mit dem Lebesgueschen Konvergenzsatz in der zugeh¨origen Sesquilinearform den Grenz¨ ubergang vollziehen:  Z +∞  ‘ = ωa,b,k (λ)dE(λ) g lim f , k→∞

Z

+∞

lim

k→∞

−∞

H

−∞

  ‘ ωa,b,k (λ) d f , dE(λ)g

H

=0

f¨ ur alle

f, g ∈ H .

56

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

3.) Nun liefert der Grenz¨ ubergang k → ∞ in (I.7.18) wegen der rechtsseitigen Stetigkeit der Spektralschar E(λ), λ ∈ R die folgende Identit¨at Z b Z +∞ Z d E(λ) = d E(λ) := lim ωa,b,k (λ)dE(λ) 

‘ ωa,b,k (λ)dE(λ) + lim

= lim

k→∞

−∞

+∞

Z

k→∞

−∞

E(b) − E(a + k −1 )



+∞

Z

“ ωa,b,k (λ)dE(λ) = 0 + E(b) − E(a) + 0 = E(b) − E(a) .

+ lim

k→∞

k→∞

a

Θ0

−∞

Damit ist die obige Identit¨ at f¨ ur alle −∞ < a < b < +∞ gezeigt. Wir erreichen durch die Grenz¨ uberg¨ ange a → −∞ und b → +∞ den vollst¨andigen Nachweis dieser Proposition. q.e.d. Proposition I.7.2. (Additionsregel f¨ ur die Spektralschar) Mit den Grenzen −∞ ≤ a < b < c ≤ +∞ und den rechts abgeschlossenen Intervallen Θ0 := (a, c], Θ1 := (a, b] sowie Θ2 := (b, c] gilt f¨ ur alle Funktionen ψ ∈ C 0 (R, C) die Additionsregel Z Z c ψ(λ)dE(λ) ψ(λ)dE(λ) =: a

Θ0 b

Z =

c

Z ψ(λ)dE(λ) +

(I.7.19)

ψ(λ)dE(λ)

a

b

Z

Z

ψ(λ)dE(λ) .

ψ(λ)dE(λ) +

:=

Θ2

Θ1

Beweis: Mit Hilfe von Theorem I.7.1 berechnen wir die Identi¨at ! Z c i hZ b ψ(λ)d E(λ) g ψ(λ)d E(λ) + f, b

a

=

f,

b

hZ

i

ψ(λ)d E(λ) g a

Z

H

! +

f,

i

H

Z

!

ψ(λ)d E(λ) g b

+∞

H

+∞

ψ(λ) · ωb,c,∞ (λ)d τf,g (λ)

ψ(λ) · ωa,b,∞ (λ)d τf,g (λ) +

=

c

hZ

−∞

−∞

Z

+∞

=

  ψ(λ) · ωa,b,∞ (λ) + ωb,c,∞ (λ) d τf,g (λ)

−∞

Z

+∞

=

  ψ(λ) · ωa,c,∞ (λ) d E(λ)f, g

−∞

=

f,

c

hZ a

i ψ(λ)d E(λ) g

H

! f¨ ur alle H

f, g ∈ H .

q.e.d.

§7 Lebesgue-Stieltjes-Integrale bez¨ uglich der Spektralschar

57

Proposition I.7.3. (Orthogonalit¨ atsregel f¨ ur die Spektralschar) F¨ ur die beliebigen Funktionen ψ, ψe ∈ C 0 (R, C) und die gew¨ ahlten Grenzen −∞ ≤ a < b ≤ c < d ≤ +∞ gilt die Orthogonalit¨ atsregel b

Z

d

 Z ψ(λ)d E(λ) ◦

 e ψ(λ)d E(λ) = 0 .

(I.7.20)

c

a

Beweis: Mit der Definition I.7.5 und dem Theorem I.6.5 ii) ersehen wir die Operatoridentit¨at b

Z

=

lim

k→∞

= lim

e ψ(λ)d E(λ)

Z   ψ(λ) ωa,b,k (λ) d E(λ) ◦ lim

−∞

l→∞

" Z 

+∞  Z ψ(λ) ωa,b,k (λ) d E(λ) ◦

k, l→∞

+∞

e ωc,d,l (λ) d E(λ) ψ(λ)



−∞ +∞

e ωc,d,l (λ) d E(λ) ψ(λ)



#

−∞

−∞

Z

= lim



c

a +∞

Z



d

 Z ψ(λ)d E(λ) ◦

k, l→∞

+∞

 e ψ(λ) · ψ(λ) · ωa,b,k (λ) · ωc,d,l (λ) d E(λ) .

−∞

(I.7.21) Nun ermitteln wir u ¨ber das Theorem I.6.6 mit dem Lebesgueschen Konvergenzsatz den Grenzwert folgender Sesquilinearform: ! i h Z +∞ e ψ(λ) · ψ(λ) · ωa,b,k (λ) · ωc,d,l (λ) d E(λ) g f, lim k, l→∞

−∞

"Z

H

+∞



e ψ(λ) · ψ(λ) · ωa,b,k (λ) · ωc,d,l (λ) d E(λ)f , g

= lim

k, l→∞

−∞

+∞

Z



e ψ(λ) · ψ(λ) · ωa,b,∞ (λ) · ωc,d,∞ (λ) d E(λ)f , g

= −∞

Z

+∞



e ψ(λ) · ψ(λ) · 0 d E(λ)f , g

= −∞

 H

=0

f¨ ur alle

#

 H

(I.7.22)

 H

f, g ∈ H .

Eine Kombination von (I.7.21) und (I.7.22) liefert die Behauptung.

q.e.d.

Proposition I.7.4. (Produktregel f¨ ur die Spektralschar) Mit den Grenzen −∞ ≤ a < b ≤ +∞ gilt f¨ ur Funktionen ψ, ψe ∈ C 0 (R, C) die Produktregel b

Z a

b

 Z ψ(λ)d E(λ) ◦ a

b

 Z e ψ(λ)d E(λ) =



 e ψ(λ) · ψ(λ) d E(λ) . (I.7.23)

a

Beweis: Definition I.7.5 und Theorem I.6.5 ii) liefern diese Identit¨at wie folgt:

58

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren b

Z

=

+∞

Z lim

k→∞

= lim

−∞

l→∞

+∞  Z ψ(λ) ωa,b,k (λ) d E(λ) ◦

e ωa,b,l (λ) d E(λ) ψ(λ)



−∞ +∞

e ωa,b,l (λ) d E(λ) ψ(λ)



#

−∞

−∞ +∞

Z

= lim

k, l→∞

e ψ(λ) · ψ(λ) · ωa,b,k (λ) · ωa,b,l (λ) d E(λ)



−∞

+∞

b

Z e ψ(λ) · ψ(λ) · ωa,b,∞ (λ) d E(λ) =

=



+∞

Z   ψ(λ) ωa,b,k (λ) d E(λ) ◦ lim

" Z 

k, l→∞

Z

e ψ(λ)d E(λ) a

a



b

 Z ψ(λ)d E(λ) ◦

−∞



 e ψ(λ) · ψ(λ) d E(λ) .

a

In der obigen Identit¨ at vollziehen wir den Grenz¨ ubergang mit dem Lebesgueschen Konvergenzsatz bez¨ uglich der zugeh¨ origen Sesquilinearform gem¨aß ! i h Z +∞ e ψ(λ) · ψ(λ) · ωa,b,k (λ) · ωa,b,l (λ) d E(λ) g f, lim k, l→∞

−∞

"Z

H

+∞



e ψ(λ) · ψ(λ) · ωa,b,k (λ) · ωa,b,l (λ) d E(λ)f , g

= lim

k, l→∞

−∞ +∞

Z =

  e ψ(λ) · ψ(λ) · ωa,b,∞ (λ) d E(λ)f , g

−∞

=

f,

b

hZ



 i e ψ(λ) · ψ(λ) d E(λ) g

a

#

 H

H

! , ∀f, g ∈ H. H

Dabei verwenden wir das Theorem I.7.1.

q.e.d.

Proposition I.7.5. (Spektralidentit¨ at) Bei beliebigen Grenzen −∞ ≤ a < b ≤ +∞ haben wir f¨ ur alle Funktionen at ψ ∈ C 0 (R, C) die Spektralidentit¨

 Z

b a

 2 Z

ψ(λ)d E(λ) f =

b a

  |ψ(λ)|2 d E(λ)f, f

H

,

f ∈ H.

(I.7.24)

Beweis: Wir beachten die Definition I.7.5 und wenden das Theorem I.6.7 f¨ ur die Funktionen ϕ := ψ · ωa,b,k , auf der Diagonalen in H an.

k = k0 , k0 + 1, k0 + 2, . . .

§7 Lebesgue-Stieltjes-Integrale bez¨ uglich der Spektralschar

59

Dann erhalten wir f¨ ur alle f ∈ H die Identit¨ at

 Z

b a

lim

 2

ψ(λ)d E(λ) f = +∞

hZ

k→∞

k, l→∞

ψ(λ) ωa,b,k (λ) d E(λ) f ,

k→∞

+∞

i

ψ(λ) · ωa,b,k (λ) dE(λ) f ,

+∞

i

!H

ψ(λ) ωa,b,l (λ) d E(λ) f +∞

hZ

i

!H

ψ(λ) · ωa,b,k (λ) dE(λ) f −∞

+∞

k→∞

H



|ψ(λ)|2 · ωa,b,k (λ) 2 d E(λ)f , f

= lim +∞

!

ψ(λ)ωa,b,l (λ)dE(λ) f

hZ

−∞

=

H

i

−∞

Z

Z

=

−∞

−∞

hZ

= lim

i

!

ψ(λ)dE(λ) f

+∞

hZ

l→∞

+∞

i

a

a

ψ(λ)ωa,b,k (λ)dE(λ) f, lim

hZ

b

i hZ ψ(λ)dE(λ) f, i

−∞

= lim

b

hZ

−∞

  |ψ(λ)|2 · ωa,b,∞ (λ) d E(λ)f , f

−∞

b

Z H

=

 H

  |ψ(λ)|2 d E(λ)f, f ,

a

womit die Spektralidentit¨ at gezeigt worden ist.

H

q.e.d.

Definition I.7.6. F¨ ur die endlichen Grenzen −∞ < a < b < +∞ erkl¨ aren wir zu jeder Funktion ψ ∈ C 0 (R, C) die regularisierte Funktion    ψ(a) , −∞ ≤ λ < a (I.7.25) der Klasse C 0 (R, C) . ψa,b (λ) := ψ(λ) , a ≤ λ < b   ψ(b) , b ≤ λ ≤ +∞ Dann setzen wir das Riemann-Stieltjes-Integral der Funktion ψ ∈ C 0 (R, C) u ankte, rechts abgeschlossene Intervall Θ0 := (a, b] der Spektral¨ber das beschr¨ schar {E(λ}λ∈R als b

Z

Z ψ(λ) d E(λ) = Θ0

b

Z ψ(λ) d E(λ) :=

a

ψa,b (λ) d E(λ) .

(I.7.26)

a

Bemerkung: F¨ ur beliebige Funktionen ψ, ψe ∈ C 0 (R, C) bleiben die Additionsregel (I.7.19), die Orthogonalit¨ atsregel (I.7.20), die Produktregel (I.7.23) und die Spektralidentit¨ at (I.7.24) g¨ ultig, insofern wir beschr¨ankte, rechts abgeschlossene Intervalle Θ0 := (a, b] mit den endlichen Grenzen −∞ < a < b < +∞ betrachten.

60

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

§8 Unbeschr¨ ankte Spektraloperatoren Wir betrachten nun den Funktionenraum n C 0 (R, R) := ϕ ∈ C 0 (R, R) Es existieren lim ϕ(λ) λ→±∞

in

o R .

(I.8.1)

Dieser Vektorraum besteht aus den reellwertigen stetigen Funktionen auf R, welche an den Randpunkten ±∞ von rechts bzw. links gegen ein Element aus R = {−∞} ∪ R ∪ {+∞} konvergieren. Wir wollen nun u ¨ber solche Funktionen, welche an den Randpunkten ±∞ unbeschr¨ankt werden k¨onnen, ein Lebesgue-Stieltjes-Integral bez¨ uglich der Spektralschar {E(λ)}λ∈R erkl¨aren. Dieses Integral wird einen Operator auf dem Hilbertraum H darstellen, der m¨ oglicherweise unbeschr¨ ankt und folglich nur auf einem echten Teilraum von H definiert ist (man vergleiche hierzu das Theorem I.4.3). Diesen Definitionsbereich werden wir explizit angeben. In der Klasse C 0 (R, R) sind insbesondere die Potenzfunktionen ϕ(λ) := λm , λ ∈ R mit m ∈ N enthalten. Definition I.8.1. Zur Funktion ϕ ∈ C 0 (R, R) betrachten wir den formalen Spektraloperator Z +∞ ϕ(λ)d E(λ) S = Sϕ := −∞

mit der Zerlegung in die nichtnegativen Spektraloperatoren Z +∞ ± ± ϕ± (λ)d E(λ) . S = Sϕ := −∞

Insbesondere erhalten wir die Identit¨ at S = S + − S − formal. Dabei ist die + − Zerlegung ϕ(λ) = ϕ (λ) − ϕ (λ), λ ∈ R der Funktion ϕ in ihren Positivteil ϕ+ (λ) ≥ 0, λ ∈ R und ihren Negativteil ϕ− (λ) ≥ 0, λ ∈ R verwendet worden. Wir wollen die Operatoren Sϕ± mittels Approximation durch beschr¨ankte Operatoren definieren und deren Definitionsbereiche im Hilbertraum ermitteln. Hierzu ben¨otigen wir die folgende Definition sowie die Proposition I.8.1. Definition I.8.2. Zu der Funktion ϕ ∈ C 0 (R, R) erkl¨ aren wir f¨ ur alle Punkte −∞ ≤ a < b ≤ +∞ die modifizierte Funktion ϕa,b durch    ϕ(a) , −∞ ≤ λ < a . (I.8.2) ϕa,b (λ) := ϕ(λ) , a ≤ λ < b   ϕ(b) , b ≤ λ ≤ +∞ Bemerkung: Die modifizierte Funktion ϕa,b geh¨ort zur Klasse C 0 (R, R) f¨ ur alle −∞ < a < b < +∞ und stellt eine regularisierte Funktion gem¨aß der Definition I.7.6 dar. F¨ ur a = −∞ und b = +∞ (a = −∞ oder b = +∞) ist ullt, wenn ϕ(a) ∈ R und ϕ(b) ∈ R die Aussage ϕa,b ∈ C 0 (R, R) genau dann erf¨ (ϕ(a) ∈ R oder ϕ(b) ∈ R) richtig ist.

§8 Unbeschr¨ ankte Spektraloperatoren

61

Proposition I.8.1. (Monotone Approximation) Zu einer beliebig vorgegebenen Funktion ϕ ∈ C 0 (R, R) gibt es eine absteigende Folge reeller Zahlen −1 ≥ a1 ≥ a2 ≥ a3 ≥ . . . ≥ −∞

lim ak = −∞

mit

k→∞

und eine aufsteigende Folge reeller Zahlen +1 ≤ b1 ≤ b2 ≤ b3 ≤ . . . ≤ +∞

mit

lim bk = +∞ ,

k→∞

so dass die modifizierte Funktion ϕk := ϕak ,bk f¨ ur alle k ∈ N in der Klasse C 0 (R, R) liegt. Deren Positiv-/Negativteil ϕ± := ϕ± k ak ,bk (k ∈ N) konvergiert schwach monoton steigend auf R gegen den der Positiv-/Negativteil ϕ± der Funktion ϕ, das heißt ± ± 0 ≤ ϕ± k (λ) = ϕak ,bk (λ) ↑ ϕ (λ) ,

mit

− ϕk (λ) = ϕ+ k (λ) − ϕk (λ) ,

λ∈R λ ∈ R,

f¨ ur

k→∞ (I.8.3)

∀k ∈ N.

Weiterhin besteht f¨ ur die Betragsfunktionen die schwach monoton steigende Konvergenz |ϕk (λ)| ↑ |ϕ(λ)| , mit

λ∈R

f¨ ur

k→∞

− |ϕk (λ)| = ϕ+ k (λ) + ϕk (λ) ,

(I.8.4) λ ∈ R,

∀k ∈ N.

Beweis: 1.) Wenn ϕ(−∞) ∈ R und ϕ(+∞) ∈ R gelten, so verwenden wir die konstanten Zahlenfolgen ak := −∞ und bk := +∞ f¨ ur k = 1, 2, . . .. Die konstante Funktionenfolge ϕk := ϕak ,bk = ϕ ∈ C 0 (R, R) ,

k∈N

besitzt dann die behaupteten Eigenschaften. 2.) Wenn |ϕ(+∞)| = +∞ gilt, so k¨ onnen wir durch die Spiegelung an der reellen Achse ϕ(λ) 7→ ϕ(λ) e : −ϕ(λ) , λ ∈ R die folgende Situation erreichen: ϕ(+∞) = +∞ .

(I.8.5)

Wir w¨ahlen zun¨achst 1 ≤ b1 < +∞, so dass inf

b1 ≤λ 0 Zahlen x± ∈ Q mit x− < x‘ < x+ und %ˆ(x‘ ) −  ≤ %ˆ(x− ) ≤ %ˆ(x‘ ) ≤ %ˆ(x+ ) ≤ %ˆ(x‘ ) +  .

(I.9.13)

Wegen lim %nk (x± ) = %ˆ(x± ) folgt k→∞

%ˆ(x‘ ) − 2 ≤ %nk (x− ) ≤ %nk (x+ ) ≤ %ˆ(x‘ ) + 2

f¨ ur alle

k ≥ k0 .

(I.9.14)

Da die Funktionen %nk schwach monoton steigend sind, so erhalten wir %ˆ(x‘ ) − 2 ≤ %nk (x‘ ) ≤ %ˆ(x‘ ) + 2

f¨ ur alle

k ≥ k0

(I.9.15)

beziehungsweise lim %nk (x‘ ) = %ˆ(x‘ ) .

k→∞

(I.9.16)

3.) Nun setzen wir die Funktion %ˆ rechtsseitig stetig in ihre abz¨ahlbar vielen Unstetigkeitsstellen gem¨ aß Proposition I.9.2 fort. Eine erneute Anwendung des Cantorschen Diagonalverfahrens an diesen Stellen liefert die in (I.9.9) behauptete Konvergenz gegen die Grenzfunktion %. Die Totalvariationen ermitteln wir nur mit Zerlegungen Z in R0 (%), und die Approximation (I.9.9) R +∞ zusammen mit %nk ∈ BV0+ (R; M ) f¨ ur alle k ∈ N liefert −∞ |%(λ)| ≤ M . Also liegt die Grenzfunktion % wieder in der Klasse BV (R; M ), wie oben behauptet wurde. q.e.d. Wir geben uns nun eine Belegungsfunktion % ∈ BV0+ (R; M ) mit der Schranke M ∈ [0, +∞) an ihre Totalvariation vor. Zu einer Zerlegung von R aus (I.6.12) mit den zugeh¨origen Intervallen ∆j := [aj−1 , aj ) f¨ ur j = 1, . . . , n(Z) w¨ahlen wir beliebige Zwischenwerte λj ∈ ∆j f¨ ur j = 1, . . . , n(Z), welche wir zum Vektor Λ := {λj }j=1,...,n(Z) zusammenfassen. Dann vereinbaren wir Definition I.9.3. Zu der Belegungsfunktion % ∈ BV0+ (R; M ) erkl¨ aren wir f¨ ur beliebige Zerlegungen Z von R und entsprechenden Zwischenwerten Λ die Riemann-Stieltjes-Summe n(Z)

R(%, ψ, Z, Λ) :=

X j=1

mit den Funktionen ψ ∈ C 0 (R, C).

  ψ(λj ) %(aj ) − %(aj−1 )

(I.9.17)

§9 Auswahl- und Konvergenzsatz von E. Helly

73

Wir betrachten nun eine ausgezeichnete Folge von Zerlegungen von R gem¨aß der Definition I.6.5 in der Form (k)

(k)

(k)

(k)

Z (k) : −∞ = a0 < a1 . . . < an(k) −1 < an(k) = +∞ mit

n(k) := n(Z (k) ) ∈ N

f¨ ur

(k)

(k)

Dabei erf¨ ullen die L¨ angen |∆j | := aj (k)

∆j

(k)

(I.9.18)

k = 1, 2, 3, . . . . (k)

− aj−1 der Teilintervalle

(k)

:= [aj−1 , aj ) f¨ ur j = 1, . . . , n(k) die Feinheitsbedingung n o (k) max |∆j | : j = 2, . . . , n(k) − 1 → 0 f¨ ur k → ∞ .

(I.9.19)

Weiter gilt die Aussch¨ opfungsbedingung (k)

lim a1 = −∞

(k) lim a (k) k→∞ n −1

und

k→∞

= +∞ .

(I.9.20)

¨ Ahnlich wie das Theorem I.6.4 beweist man die folgende Proposition I.9.3. Sei eine Funktion ψ ∈ C 0 (R, C) sowie eine Belegungsfunktion % ∈ BV0+ (R; M ) mit der Schranke M ∈ [0, +∞) gegeben. Dann konvergiert f¨ ur jede ausgezeichnete Zerlegungsfolge Z (k) , k = 1, 2, . . . von R (k) mit entsprechenden Zwischenwerten Λ(k) := {λj }j=1,...,n(k) , k = 1, 2, . . . die Folge der Riemann-Stieltjes-Summen R(%, ψ, Z

(k)



(k)

) :=

(k) n X

  (k) (k) (k) ψ(λj ) %(aj ) − %(aj−1 ) , k = 1, 2, . . .

(I.9.21)

j=1

gegen den Grenzwert lim R(%, ψ, Z

k→∞

(k)



(k)

Z

+∞

) =:

ψ(λ)d %(λ)



C.

(I.9.22)

−∞

Z

+∞

ψ(λ)d %(λ) in (I.9.22) das Riemann-Stieltjes-

Definition I.9.4. Es heißt −∞

Integral von der Funktion ψ ∈ C 0 (R, C) u ¨ber die Belegungsfunktion % ∈ BV0+ (R; M ). Bemerkung: Wenn % ∈ BV0+ (R; M ) mit der Schranke M ∈ [0, +∞) gew¨ahlt wird, so liefert obige Konstruktion die Absch¨ atzung Z +∞ ψ(λ)d %(λ) ≤ M · sup |ψ(λ)| f¨ ur alle ψ ∈ C 0 (R, C) . (I.9.23) −∞ λ∈R

74

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Theorem I.9.2. (Hellyscher Konvergenzsatz) Mit der Schranke M ∈ [0, +∞) besitze die Funktionenfolge %l ∈ BV0+ (R; M ) f¨ ur l = 1, 2, . . . und die Funktion %∞ ∈ BV0+ (R; M ) folgende Eigenschaft: lim %l (λ) = %∞ (λ)

l→∞

f¨ ur alle

λ ∈ R.

Weiter sei eine Funktion ψ ∈ C00 (R, C) mit Nullrandbedingungen gegeben. Dann haben wir die Konvergenzaussage Z +∞ Z +∞ lim ψ(λ)d %l (λ) = ψ(λ)d %∞ (λ) (I.9.24) l→∞

−∞

−∞

f¨ ur ihre Riemann-Stieltjes-Integrale. Beweis: 1.) Wegen ψ ∈ C00 (R, C) und (I.9.20) existiert zu vorgegebenem ε > 0 ein Index k0 = k0 (ε), so dass f¨ ur alle k ≥ k0 die Zerlegungen Z (k) von R gem¨aß (I.9.18) und (I.9.19) die folgenden Eigenschaften besitzen: o o n n (k) (k) (I.9.25) ≤ ε , sup |ψ(λ)| : λ ∈ ∆n(k) ≤ ε . sup |ψ(λ)| : λ ∈ ∆1 (k)

Wir w¨ahlen nun beliebige Zwischenwerte λj

(k)

∈ ∆j

f¨ ur j = 1, . . . , n(k) aus

(k) {λj }j=1,...,n(k)

(k)

und fassen diese zu Λ := zusammen. Mit l = 1, 2, 3, . . . und l = ∞ betrachten wir aus (I.9.17) sowie (I.9.21) die Riemann-StieltjesSummen R(%l , ψ, Z

(k)



(k)

)=

(k) n X

  (k) (k) (k) ψ(λj ) %l (aj ) − %l (aj−1 ) ,

j=1

f¨ ur

(I.9.26)

k = k0 , k0 + 1, . . .

2.) Die Riemann-Stieltjes-Summen (I.9.26) vergleichen wir mit den inneren Riemann-Stieltjes-Summen b l , ψ, Z (k) , Λ(k) ) := R(%

n(k) X−1

  (k) (k) (k) ψ(λj ) %l (aj ) − %l (aj−1 )

j=2

f¨ ur alle

l ∈ N ∪ {∞}

und

(I.9.27)

k ≥ k0 .

Wegen (I.9.25) und %l ∈ BV0+ (R; M ) f¨ ur alle l ∈ N ∪ {∞} ermitteln wir (k) (k) (k) ur j = 1 und j = n(k) |ψ(λj )| %l (aj ) − %l (aj−1 ) ≤ M · ε f¨ (I.9.28) f¨ ur alle l ∈ N ∪ {∞} und k ≥ k0 . Somit folgen die Ungleichungen

§9 Auswahl- und Konvergenzsatz von E. Helly

b l , ψ, Z (k) , Λ(k) ) ≤ 2M · ε R(%l , ψ, Z (k) , Λ(k) ) − R(% f¨ ur alle

l ∈ N ∪ {∞}

und

75

(I.9.29)

k ≥ k0 .

3.) Aufgrund von Definition I.9.4 k¨ onnen wir k1 = k1 (ε) ∈ N mit k1 (ε) ≥ k0 (ε) so groß w¨ahlen, dass Z +∞ ψ(λ)d%l (λ) − R(%l , ψ, Z (k1 ) , Λ(k1 ) ) ≤ ε f¨ ur alle l ∈ N ∪ {∞} −∞

(I.9.30) erf¨ ullt ist. Hierbei benutzen wir, dass die Totalvariationen der Funktionen %l , l ∈ N ∪ {∞} gleichm¨ aßig durch die Konstante M beschr¨ankt sind, und aßig stetig ist. dass die Funktion ψ : R → C gleichm¨ Weiter impliziert die Konvergenz der Funktionenfolge {%l }l=1,2,... auf R die Aussage b l , ψ, Z (k1 ) , Λ(k1 ) ) = R(% b ∞ , ψ, Z (k1 ) , Λ(k1 ) ) . lim R(%

l→∞

(I.9.31)

Somit finden wir ein l0 = l0 (ε) ∈ N, so dass die folgende Absch¨atzung gilt: b b ∞ , ψ, Z (k1 ) , Λ(k1 ) ) ≤ , ∀l ∈ N mit l ≥ l0 . R(%l , ψ, Z (k1 ) , Λ(k1 ) ) − R(% (I.9.32) 4.) Kombinieren wir die Absch¨ atzungen (I.9.29), (I.9.30) und (I.9.32), so erhalten wir f¨ ur alle l ∈ N mit l ≥ l0 (ε) die Ungleichungen Z Z ≤

+∞

Z

+∞

ψ(λ)d %∞ (λ) − −∞ +∞

−∞

−∞

ψ(λ)d %l (λ)

ψ(λ)d %∞ (λ) − R(%∞ , ψ, Z (k1 ) , Λ(k1 ) )

b ∞ , ψ, Z (k1 ) , Λ(k1 ) ) + R(%∞ , ψ, Z (k1 ) , Λ(k1 ) ) − R(% b (k1 ) b l , ψ, Z (k1 ) , Λ(k1 ) ) + R(% , Λ(k1 ) ) − R(% ∞ , ψ, Z b (k1 ) + R(% , Λ(k1 ) ) − R(%l , ψ, Z (k1 ) , Λ(k1 ) ) l , ψ, Z Z + R(%l , ψ, Z (k1 ) , Λ(k1 ) ) −

+∞ −∞

ψ(λ)d %l (λ)

≤ ε + 2M · ε + ε + 2M · ε + ε = (4M + 3) · ε .

(I.9.33)

76

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Da diese Absch¨atzung f¨ ur beliebig vorgegebenes ε > 0 g¨ ultig ist, so erhalten wir die Konvergenzaussage (I.9.24) f¨ ur die Riemann-Stieltjes-Integrale. q.e.d. Wir k¨onnen nun im Theorem I.5.7 geeignet einen Grenz¨ ubergang durchf¨ uhren. Theorem I.9.3. F¨ ur alle n ∈ N betrachten wir zum n-dimensionalen Hermiteschen Operators Hn gem¨ aß Definition I.5.2 die zugeh¨ orige Spektralschar {En (λ)}λ∈R aus (I.5.27). Dann gibt es eine Teilfolge {nk }k=1,2,... der nat¨ urlichen Zahlen mit 1 ≤ n1 < n2 < n3 < . . . , so dass die assoziierten Belegungsfunktionen aus (I.9.3) und (I.9.4) f¨ ur die Elemente f, g ∈ H punktweise in ganz R wie folgt konvergieren:   1 (+) (+) lim %f,g;nk (λ) = %f,g;∞ (λ) ∈ BV0+ R; kf + gk2 , k→∞ 4   1 (−) (−) + lim %f,g;nk (λ) = %f,g;∞ (λ) ∈ BV0 R; kf − gk2 , k→∞ 4  1  (+) (+) lim σf,g;nk (λ) = σf,g;∞ (λ) ∈ BV0+ R; kf − igk2 , k→∞ 4   1 (−) (−) lim σf,g;nk (λ) = σf,g;∞ (λ) ∈ BV0+ R; kf + igk2 . k→∞ 4 (±)

(I.9.34)

(±)

Hierbei liegen die Grenzfunktionen %f,g;∞ sowie σf,g;∞ in den angegebenen Regularit¨ atsklassen. Die komplexe Grenzfunktion τf,g;∞ (λ) := %f,g;∞ (λ) + iσf,g;∞ (λ) := i h i h (+) (−) (−) (+) %f,g;∞ (λ) − %f,g;∞ (λ) + i σf,g;∞ (λ) − σf,g;∞ (λ) , λ ∈ R Z

(I.9.35)

+∞

|d τf,g;∞ (λ)| ≤ kf k2 +kgk2 mit der Supremum-

besitzt die Totalvariation −∞

d (R, C) aus der schranke sup |τf,g;∞ (λ)| ≤ kf k · kgk und geh¨ ort der Klasse BV λ∈R

Definition I.9.5 an. Die Resolventen obiger Teilfolge Rz(nk ) h := (Hnk − zE)

−1

h,

h∈H

und

z ∈ C0

besitzen das folgende asymptotische Verhalten Z +∞   1 d τf,g;∞ (λ) = lim f , Rz(nk ) g k→∞ λ − z H −∞

,

f¨ ur

k = 1, 2, . . .

z ∈ C0

(I.9.36)

auf der imagin¨ aren Ebene C0 := C \ R . Beweis: 1.) Wir zeigen zun¨ achst die erste Zeile von (I.9.34) und weisen die weiteren Zeilen entsprechend nach. Proposition I.9.1 entnehmen wir die Folge

§9 Auswahl- und Konvergenzsatz von E. Helly

  1 (+) %f,g;n ∈ BV0+ R; kf + gk2 4

f¨ ur

n = 1, 2, 3, . . .

77

(I.9.37)

Nach dem Hellyschen Auswahlsatz aus dem Theorem I.9.1 k¨onnen wir inner  1 halb der Klasse BV0+ R; kf + gk2 zu einer geeigneten Teilfolge u ¨bergehen: 4  1  (+) (+) (+) %f,g;∞ (λ) := lim %f,g;nk (λ), λ ∈ R mit %f,g;∞ ∈ BV0+ R; kf + gk2 . k→∞ 4 (I.9.38) (±)

(±)

2.) Den Regularit¨aten der Funktionen %f,g;∞ und σf,g;∞ in (I.9.34) entnehmen wir sofort die Absch¨ atzung der Totalvariation. Zur Ermittlung der Supremumschranke greifen wir auf die Formel (I.9.2) zur¨ uck und betrachten die Teilfolge der komplexen Funktionenfolge   τf,g;nk (λ) := Enk (λ)f , g = %f,g;nk (λ) + iσf,g;nk (λ) H

h

h i (+) (−) (+) (−) = %f,g;nk (λ) − %f,g;nk (λ) + i σf,g;nk (λ) − σf,g;nk (λ) →

h

i

i h i (+) (−) (+) (−) %f,g;∞ (λ) − %f,g;∞ (λ) + i σf,g;∞ (λ) − σf,g;∞ (λ) = τf,g;∞ (λ) f¨ ur

k → ∞ in jedem Punkt

λ ∈ R.

(I.9.39) Mit dem Theorem I.6.3 beschr¨ anken wir die Totalvariationen: Z +∞ Z +∞   d Enk (λ)f , g ≤ kf k · kgk , ∀ k ∈ N. d τf,g;nk (λ) = −∞

−∞

H

(I.9.40) Somit erhalten wir die Supremumschranke ur alle sup |τf,g;nk (λ)| ≤ kf k · kgk f¨

k ∈ N,

(I.9.41)

λ∈R

und die punktweise Konvergenz (I.9.39) liefert die gew¨ unschte Absch¨atzung sup |τf,g;∞ (λ)| ≤ kf k · kgk f¨ ur alle

f, g ∈ H .

(I.9.42)

λ∈R

3.) Wir wenden Theorem I.5.7 an und erhalten f¨ ur alle k ∈ N folgende Identit¨ at:

78

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren



f , Rz(nk ) g

Z

 H

Z

+∞

= −∞

  1 d Enk (λ)f, g λ−z H

+∞

1 d τf,g;nk (λ) −∞ λ − z Z +∞ Z +∞ 1 1 (+) (−) d %f,g;nk (λ) − d %f,g;nk (λ) = −∞ λ − z −∞ λ − z Z +∞ Z +∞ 1 1 (+) (−) d σf,g;nk (λ) − i d σf,g;nk (λ) , z ∈ C0 . +i −∞ λ − z −∞ λ − z =

(I.9.43)

Wir evaluieren den Limes k → ∞ in den letzten vier Integralen von (I.9.43) 1 ,λ∈R mittels Theorem I.9.2, welches wir auf die Funktion ψ(λ) := λ−z der Klasse C00 (R, C) und die gem¨ aß (I.9.34) konvergenten Belegungsfunktionen aus der Proposition I.9.1 anwenden. Dann ergibt sich das asymptotische Verhalten   lim f , Rz(nk ) g k→∞

Z

+∞

= −∞

Z

+∞

+i −∞

Z

1 (+) d% (λ) − λ − z f,g;∞

H

Z

1 (+) dσ (λ) − i λ − z f,g;∞ +∞

= −∞

1 d τf,g;∞ (λ) λ−z

+∞ −∞

Z

1 (−) d% (λ) λ − z f,g;∞

+∞ −∞

1 (−) dσ (λ) λ − z f,g;∞

f¨ ur alle

Damit sind alle Aussagen des Theorems gezeigt.

(I.9.44)

z ∈ C0 . q.e.d.

Wir f¨ uhren einen geeigneten Unterraum des Vektorraums BV (R, C) der Funktionen beschr¨ankter Variation wie folgt ein. Definition I.9.5. Wir erkl¨ aren den Repr¨ asentantenraum n d (R, C) := τ : [−∞, +∞) → C τ ∈ BV (R, C) ist rechtsseitig stetig BV o f¨ ur alle Punkte λ ∈ [−∞, +∞) und τ (−∞) = 0 gilt f¨ ur die Funktionen beschr¨ ankter Variation.

§9 Auswahl- und Konvergenzsatz von E. Helly

79

Bemerkung: Man kann leicht zeigen, dass f¨ ur jede Funktion τ ∈ BV (R, C) der rechtsseitige Grenzwert τ (−∞) := lim τ (λ) ∈ C existiert. Gehen wir λ∈R, λ→−∞

nun beim Riemann-Stieltjes-Integral f¨ ur ψ ∈ C 0 (R, C) mit der Belegungsfunktion τ ∈ BV (R, C) u ber zur Belegungsfunktion τb(λ) := τ (λ) − τ (−∞), λ ∈ R ¨ unter verschwindender Anfangsbedingung, so ermitteln wir sofort Z +∞ Z +∞ ψ(λ)d τb(λ) . (I.9.45) ψ(λ)d τ (λ) = −∞

−∞

80

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

§10 Cauchy-Stieltjes-Integrale und die Stieltjes-Umkehrformel Zum Verst¨andnis des Repr¨ asentantenraums von Funktionen mit beschr¨ankter Variation ben¨otigen wir das d -Funktionen) Theorem I.10.1. (Zerlegungssatz f¨ ur BV d Jede komplexe Funktion τ = % + iσ ∈ BV (R, C) der beschr¨ ankten TotalZ +∞ |d τ (λ)| ∈ [0, +∞) l¨ asst sich eindeutig in der Form variation M := −∞

h i h i τ (λ) = %(λ) + iσ(λ) = %(+) (λ) − %(−) (λ) + i σ (+) (λ) − σ (−) (λ) f¨ ur alle

(I.10.1)

λ∈R

durch die Setzungen (I.10.4) und (I.10.8) mit den folgenden Funktionen zerlegen: %(+) , σ (+) ∈ BV0+ (R; M )

und

%(−) , σ (−) ∈ BV0+ (R; 2M ) .

d (R, R) der Funktion τ mit Beweis: 1.) Wir betrachten den Realteil % ∈ BV Z +∞ |d %(λ)| ≤ M , woraus die Einschließung der Totalvariation −∞

−M ≤ %(λ) ≤ +M ,

∀λ ∈ R

folgt. Als Weiterentwicklung der Definition I.6.3 definieren wir f¨ ur beliebiges −∞ < µ < +∞ im halboffenen Intervall (−∞, µ] die Zerlegungen Z(µ) : − ∞ < a0 < a1 . . . < an−1 < an ≤ µ ,

n := n(Z) ∈ N .

(I.10.2)

Mit den Teilintervallen ∆0j := (aj−1 , aj ] f¨ ur j = 1, . . . , n und den Bildgr¨oßen %(∆0j ) := %(aj ) − %(aj−1 ) gilt die Absch¨ atzung n X

|%(∆0j )| =

n X

|%(aj ) − %(aj−1 )| ≤ M .

(I.10.3)

j=1

j=1

Dann erkl¨aren wir die unbestimmte Totalvariation von der Funktion % durch Z µ n X |d%(λ)| := sup %(+) (µ) := |%(∆0j )| −∞

= sup

n X

Z(µ) j=1

|%(aj ) − %(aj−1 )| ,

(I.10.4)

−∞ < µ ≤ +∞ .

Z(µ) j=1

Nach Konstruktion ist die Funktion 0 ≤ %(+) (µ) ≤ M, µ ∈ R schwach monoton steigend und erf¨ ullt die asymptotische Bedingung lim %(+) (µ) = 0 . µ→−∞

§10 Cauchy-Stieltjes-Integrale und die Stieltjes-Umkehrformel

81

2.) F¨ ur alle −∞ < µ < ν < +∞ erkl¨ aren wir die bestimmte Totalvariation der Funktion % durch Z

ν

|d%(λ)| := sup

n X

|%(aj ) − %(aj−1 )| mit sup u ¨ber alle Zerle-

Z(µ,ν) j=1

µ

(I.10.5)

gungen Z(µ, ν) : µ < a0 < a1 . . . < an−1 < an ≤ ν, n := n(Z) ∈ N. Leicht zeigen wir die Additivit¨ at der Totalvariation Z ν Z µ Z ν |d%(λ)| = |d%(λ)| + |d%(λ)| f¨ ur alle − ∞ < µ < ν < +∞. −∞

−∞

µ

(I.10.6) Weiter ersehen sofort die BV-Absch¨ atzung: Z ν |d%(λ)| f¨ ur alle − ∞ < µ < ν < +∞ , |%(ν) − %(µ)| ≤

wobei

µ

(I.10.7)

Gleichheit genau dann eintritt, falls % : (µ, ν] schwach monoton ist. Der Additivit¨at der Totalvariation (I.10.6) entnehmen wir Z ν (+) lim % (ν) = lim |d%(λ)| = %(+) (µ) f¨ ur alle ν→µ, ν>µ

ν→µ, ν>µ

µ ∈ R.

−∞

Somit ist die Funktion %(+) : [−∞, +∞) → [0, M ] rechtsseitig stetig. 3.) Zus¨atzlich betrachten wir die rechtsseitig stetige Funktion Z µ (−) % (µ) := |d%(λ)| − %(µ) = %(+) (µ) − %(µ) , µ ∈ R .

(I.10.8)

−∞

Dann haben wir die Identit¨ at %(µ) = %(+) (µ) − %(−) (µ) , µ ∈ R sofort. Die Additivit¨at der Totalvariation (I.10.6) und die BV-Absch¨atzung (I.10.7) liefern die folgende Ungleichung Z ν   |d%(λ)| − %(ν) − %(µ) %(−) (ν) − %(−) (µ) = µ

Z

(I.10.9)

ν

|d%(λ)| − |%(ν) − %(µ)| ≥ 0 ,



−∞ < µ < ν < +∞ .

µ

Somit ist die Funktion %(−) schwach monoton steigend und gen¨ ugt der asymptotischen Bedingung %(−) (−∞) = 0 . Wegen der Identit¨at (I.10.8) erhalten wir 0 ≤ %(−) (µ) ≤ 2M, ∀ µ ∈ R . Also ist %(+) ∈ BV0+ (R; M ) und %(−) ∈ BV0+ (R; 2M ) erf¨ ullt. 4.) Verfahren wir ebenso mit dem Imagin¨ arteil σ der Funktion τ , so haben wir die behauptete Zerlegung gefunden. q.e.d.

82

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

d -Funktionen) Proposition I.10.1. (Regularit¨ at von BV d (R, C) besitzt h¨ Die Funktion τ ∈ BV ochstens abz¨ ahlbar viele Unstetigkeitsstellen, und wir f¨ uhren die Menge der Stetigkeitspunkte von τ wie folgt ein: n o R0 (τ ) := λ ∈ R : τ ist stetig im Punkt λ . (I.10.10) F¨ ur alle Punkte λ der Sprungmenge R00 (τ ) := R \ R0 (τ ) besitzt die Funktion τ einen komplexen Sprung der Gr¨ oße δτ (λ) := τ (λ) − τ (λ−) h   i = %(+) (λ) − %(+) (λ−) − %(−) (λ) − %(−) (λ−) h   i +i σ (+) (λ) − σ (+) (λ−) − σ (−) (λ) − σ (−) (λ−) ∈ C \ {0} .

(I.10.11)

Beweis: Man kombiniere das Theorem I.10.1 mit der Proposition I.9.2. q.e.d. F¨ ur alle Punkte z ∈ C0 := C \ R verwenden wir das Riemann-Stieltjes1 , λ ∈ R in Integral aus der Definition I.9.4 f¨ ur die Funktion ψ(λ) := λ−z der Regularit¨atsklasse C00 (R, C) u ¨ber schwach monoton steigende Funktionen % ∈ BV0+ (R, M ) beschr¨ ankter Variation M ∈ [0, +∞) und formulieren d (R, C) in der DarstelDefinition I.10.1. Sei eine Funktion τ = % + iσ ∈ BV lung h i h i τ (λ) = %(λ) + iσ(λ) = %(+) (λ) − %(−) (λ) + i σ (+) (λ) − σ (−) (λ) , λ ∈ R aus Theorem I.10.1 gegeben. Dann nennen wir Z +∞ Z +∞ Z +∞ d τ (λ) d %(+) (λ) d %(−) (λ) Fτ (z) := := − λ−z λ−z −∞ λ − z −∞ −∞ Z +∞ Z +∞ (+) (−) d σ (λ) d σ (λ) +i −i , z ∈ C0 λ−z λ−z −∞ −∞

(I.10.12)

das Cauchy-Stieltjes-Integral von der komplexen Funktion τ . Es zerf¨allt das Cauchy-Stieltjes-Integral (I.10.12) u ¨ber komplexe Funktionen τ in die folgenden Cauchy-Stieltjes-Integrale u ¨ber die monotonen Funktionen %(±) und σ (±) : Fτ (z) = F%(+) (z) − F%(−) (z) + iFσ(+) (z) − iFσ(−) (z) ,

z ∈ C0 .

(I.10.13)

Darum gen¨ ugt es, Cauchy-Stieltjes-Integrale u ¨ber Funktionen der Klasse BV0+ (R; M ) gem¨ aß der Definition I.9.4 mit einer geeigneten Schranke M ∈ [0, +∞) an die Totalvariation zu betrachten. F¨ ur die Teilklasse der Treppenfunktionen k¨onnen wir das Cauchy-Stieltjes-Integral explizit angeben.

§10 Cauchy-Stieltjes-Integrale und die Stieltjes-Umkehrformel

83

Definition I.10.2. Wir nennen eine Funktion % = %(λ) : R → [0, M ] in der Klasse BV0+ (R; M ) mit M ∈ [0, +∞) einfach, wenn es Zahlen −∞ < λ1 < . . . < λN < +∞ und die zugeh¨ orige Menge R0 (%) := R \ {λ1 , . . . , λN } mit einem N ∈ N0 so gibt, dass die Eigenschaften d %(λ) = 0 f¨ ur alle λ ∈ R0 (%) dλ richtig sind, und die folgenden positiven Spr¨ unge existieren: % ∈ C 1 (R0 (%), R)

mit

δ%(λj ) := %(λj ) − %(λj −) > 0

f¨ ur

j = 1, . . . , N .

Wir erkl¨ aren die Menge der einfachen Funktionen beschr¨ ankter Totalvariation M ∈ [0, +∞) durch n o + g 0 (R; M ) := % ∈ BV + (R; M ) : % ist einfach . BV 0 Bemerkung: Die einfachen Funktionen sind konstant auf den Intervallen außerhalb der Sprungstellen und dort rechtsseitig stetig. F¨ ur eine einfache Funktion + g %∗ ∈ BV 0 (R; M ) berechnen wir sofort das Cauchy-Stieltjes-Integral +∞

Z F%∗ (z) =

−∞

N

N

d %∗ (λ) X δ%∗ (λj ) X −δ%∗ (λj ) = = , λ−z λj − z z − λj j=1 j=1

z ∈ C0 (I.10.14)

mit den Spr¨ ungen δ%∗ (λj ) := %∗ (λj ) − %∗ (λj −) > 0 f¨ ur j = 1, . . . , N . Dieses Integral stellt eine Polfunktion im Sinne von Definition I.10.3 mit der Wachstumsschranke M dar. Definition I.10.3. Die holomorphe Funktion F (z) :=

N X j=1

δj , z − λj

z ∈ C0

mit den Polstellen −∞ < λ1 < . . . < λN < +∞ erster Ordnung und den N X zugeh¨ origen negativen Residuen δ1 , . . . , δN ∈ (−∞, 0) , welche |δj | ≤ M j=1

erf¨ ullen, nennen wir eine einfache Polfunktion mit der Wachstumsschranke M ∈ [0, +∞) ; dabei ist N ∈ N0 gew¨ ahlt worden. Bemerkung: F¨ ur eine einfache Polfunktion F mit der Wachstumsschranke M ermitteln wir sofort die Absch¨ atzung |F (z)| ≤

N X j=1

N

|δj | 1 X M ≤ , |δj | ≤ |λj − z| |Im z| j=1 |Im z|

z ∈ C0 .

(I.10.15)

Somit geh¨ort F und folglich auch F%∗ aus (I.10.14) zur Klasse HW (C0 ; M ) in der Definition I.10.4.

84

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Definition I.10.4. Zu einer Schranke M ∈ [0, +∞) erkl¨ aren wir mit n HW (C0 ; M ) := F (z) : C0 → C F ist holomorph in C0 o M und erf¨ ullt |F (z)| ≤ f¨ ur alle z ∈ C0 |Im z| die Menge holomorpher Funktionen auf C0 beschr¨ ankten Wachstums M bei Ann¨ aherung an die reelle Achse. Weiter erkl¨ aren wir durch [ HW (C0 ; M ) HW (C0 ) := M ∈[0,+∞)

den linearen Raum holomorpher Funktionen auf C0 unter einer Wachstumsbeschr¨ ankung bei Ann¨ aherung an die reelle Achse.

Theorem I.10.2. Sei % ∈ BV0+ (R; M ) eine Funktion beschr¨ ankter Variation M ∈ [0, +∞) und seien µ, ν ∈ R0 (%) mit −∞ < µ < ν < +∞ zwei Stetigkeitspunkte von %. Dann stellt das Cauchy-Stieltjes-Integral Z +∞ d %(λ) , z ∈ C0 (I.10.16) F (z) := λ − z −∞ eine holomorphe Funktion der Klasse HW (C0 ; M ) dar. Es kann F unter der Wachstumsschranke M durch einfache Polfunktionen {Fk }k=1,2,... gem¨ aß der Definition I.10.3, f¨ ur welche µ und ν nicht als Pole auftreten, in jeder kompakten Teilmenge von C0 gleichm¨ aßig approximiert werden. Dabei werden die Funktionen Fk durch die Formeln (I.10.20) und (I.10.18) sowie (I.10.14) erzeugt. Beweis: 1.) F¨ ur alle n ∈ N w¨ ahlen wir die ¨ aquidistante Zerlegung des Intervalls h

µ−

 1 ν−µ 1 ν−µ n n − 2 (ν − µ), µ − + 2 (ν − µ) 2 2n 2 2n

mit der Schrittweite (n)

λj

:= µ −

ν−µ durch dieTeilungspunkte 2n

1 ν−µ ν−µ +j n , 2 2n 2

j = −22n , −22n + 1, . . . , 0, . . . , 22n − 1, 22n .

Diese Teilungspunkte sind von ν und µ verschieden, und wir w¨ahlen zus¨atzlich (n) den Punkt λ22n +1 := +∞ . 2.) Zu den Grenzen −∞ < a < b ≤ +∞ erkl¨aren wir die charakteristische Funktion des Intervalls [a, b) ⊂ R durch

§10 Cauchy-Stieltjes-Integrale und die Stieltjes-Umkehrformel

  0 , X[a,b) (λ) := 1 ,  0 ,

−∞ ≤ λ < a a≤λ 0 und zu den Parametern −∞ < µ < ν < +∞ betrachten wir die geradlinigen, orientierten Wege n o Γ± (µ, ν; ) := z = ζ± (x) := x ± i ∈ C0 : µ ≤ x ≤ ν . Dann erf¨ ullen ihre Wegintegrale die folgende Grenzwertaussage Z n 1 Z o 1 lim Fτ (z)dz − Fτ (z)dz →0+ 2πi Γ+ (µ,ν;) 2πi Γ− (µ,ν;) = τ (ν) − τ (µ)

f¨ ur alle

0

µ, ν ∈ R (τ )

mit

(I.10.22)

µ µ . (I.10.35) Beim Grenz¨ ubergang µ → −∞ erhalten wir τ (ν) = 0, ∀ ν ∈ R0 (τ ) , und es folgt τ (ν) = 0, ∀ ν ∈ R wegen der rechtsseitigen Stetigkeit der Funktion %. Somit haben wir die Injektivit¨ at der Abbildung Fb gezeigt. q.e.d. τ (ν) − τ (µ) = 0

f¨ ur alle Stetigkeitspunkte

Definition I.10.6. Wir nennen den Vektorraum-Isomorphismus aus (I.10.34) die Cauchy-Stieltjes-Transformation.

§11 Approximation der Spektralschar selbstadjungierter Operatoren

89

§11 Approximation der Spektralschar selbstadjungierter Operatoren Wir schr¨anken nun unsere Betrachtungen auf separable Hilbertr¨aume ein und zeigen das folgende Theorem I.11.1. Im separablen Hilbertraum H sei auf dem dichten Definitionsbereich DHn ⊂ H ein Hermitescher Operator o H : DH → H mit dem Graphen GH := (f, g) ∈ H2 : f ∈ DH , g = Hf gegeben. Dann gibt es f¨ ur n = 1, 2, . . . einen n-dimensionalen Hermiteschen Operator Hn : H → H mit dem n-dimensionalen Teilraum Mn ⊂ DH wie in Definition I.5.2, so dass folgende Aussagen richtig sind: i) Es gilt Mn ⊂ Mn+1 f¨ ur alle n ∈ N . ii) Zum n-dimensionalen Hermiteschen Operator Hn gibt es eine Spektralschar {En (λ) : λ ∈ R} gem¨ aß den Formeln (I.5.23) – (I.5.27), so dass Z

+∞

Hn f =

λ dEn (λ)f ,

f ∈H

f¨ ur alle

n∈N

(I.11.1)

−∞

erf¨ ullt ist. iii) Erkl¨ aren wir die Teilmenge M :=

∞ [

Mn ⊂ DH , so liegt der Teilraum

n=1

n o GM := (f, Hf ) ∈ H × H : f ∈ M = ∞ n [

(f, g) ∈ H × H : f ∈ Mn , g = Hn f

o

(I.11.2)

n=1

dicht im Graphen GH . iv) Weiter haben wir die starke Konvergenz lim Hn f = Hf f¨ ur alle f ∈ M . n→∞

Beweis: 1.) Da der Hilbertraum H separabel ist, gibt es eine Folge linear unabh¨angiger Elemente {gn }n=1,2,... ⊂ WH±iE , welche dicht in den folgenden Wertebereichen liegt: o n WH±iE := (H ± iE)(DH ) = g ∈ H : g = Hf ± iEf, f ∈ DH . (I.11.3) Die linearen Abbildungen H ± iE : DH → WH±iE sind injektiv, da nach Theorem I.4.2 der Kern dieses Operators nur aus dem Nullelement besteht. Folglich gibt es einen n-dimensionalen linearen Teilraum Mn ⊂ DH mit der Eigenschaft (H ± iE) Mn = [g1 , . . . , gn ] . (I.11.4) Hierbei bezeichnet [g1 , . . . , gn ] ⊂ WH±iE den C-linearen Teilraum, welcher von den Elementen g1 , . . . , gn aufgespannt wird, und (H ± iE) Mn den

90

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Bildraum von Mn unter der C-linearen Abbildung H ± iE. Offenbar ist die behauptete Eigenschaft i) erf¨ ullt. 2.) Wir verwenden die Projektoren En : H → H gem¨aß der Formel (I.5.22) auf die abgeschlossenen linearen Teilr¨ aume Mn f¨ ur alle n ∈ N. Wir erhalten mit Hn := En ◦ H ◦ En : H → H f¨ ur n = 1, 2, 3, . . . (I.11.5) n-dimensionale Hermitesche Operatoren im Sinne von Definition I.5.2 zu den linearen Teilr¨aumen Mn . Gem¨ aß den Formeln (I.5.23) – (I.5.27) k¨onnen wir u ¨ber die Hauptachsentransformation im Komplexen die Spektraldarstellungen in der Behauptung ii) mit den entsprechenden Spektralscharen {En (λ)}λ∈R aus (I.5.27) gewinnen. 3.) F¨ ur n = 1, 2, . . . betrachten wir die Abbildungen (Hn ± iEn ) : H → H

mit

(Hn ± iEn ) Mn = [g1 , . . . , gn ]

(I.11.6)

sowie die Graphen Gn := {(f, g) ∈ H2 : f ∈ Mn , g = Hn f } .

(I.11.7)

¨ ¨ Die Uberlegungen im Beweis zu Theorem I.4.4 liefern die folgende Aquivalenz: (Hn ± iEn )Mn ↑ WH±iE

(n → ∞)

⇐⇒

G n ↑ GH

(n → ∞) . (I.11.8)

Da die linke Seite in (I.11.8) wegen (I.11.4) wahr ist, so liegt GM =

∞ [

Gn

n=1

dicht in GH , und die Aussage iii) ist bewiesen. 4.) Schließlich ermitteln wir die Konvergenzaussage lim Hn f = lim (En ◦ H ◦ En ) f = H f

n→∞

n→∞

f¨ ur alle

f ∈M

unter Benutzung von iii), woraus die Aussage iv) folgt.

(I.11.9) q.e.d.

Wir betrachten nun selbstadjungierte Operatoren im Theorem I.11.2. Im separablen Hilbertraum H sei auf dem dichten Definitionsbereich DH ⊂ H ein selbstadjungierter Operator H : DH → H mit der Resolvente Rz f := (H − zE)−1 f , f ∈ H , z ∈ C \ R gegeben. Dann erf¨ ullen auf der imagin¨ aren Ebene C0 := C\R die Resolventen Rz(n) f := (Hn − zE)−1 f ,

f ∈ H,

z ∈ C0

der approximierenden Hermiteschen Operatoren Hn : H → H (n ∈ N) aus obigem Theorem I.11.1 die starke Konvergenzaussage lim Rz(n) f = Rz f

n→∞

f¨ ur alle

f ∈H

und

z ∈ C0 .

(I.11.10)

§11 Approximation der Spektralschar selbstadjungierter Operatoren

91

(n)

Diese impliziert gem¨ aß Rz f * Rz f (n → ∞) f¨ ur alle f ∈ H die schwache Konvergenz, was der folgenden Aussage entspricht:     = g , Rz f f¨ ur alle f, g ∈ H und z ∈ C0 . lim g , Rz(n) f n→∞

H

H

(I.11.11) Beweis: 1.) Da der Operator H : DH → H selbstadjungiert ist, so existieren nach dem Theorem I.4.6 die Resolventen Rz := (H − zE)−1 : H → H f¨ ur alle z ∈ C0 als beschr¨ ankte lineare Operatoren. Weiter haben wir wegen dem Theorem I.5.1 die Resolventenabsch¨ atzung kRz k ≤

1 , |Im z|

z ∈ C0 .

(I.11.12)

F¨ ur die Resolventen Rz(n) := (Hn − zE)−1 : H → H ,

z ∈ C0 ,

n = 1, 2, . . .

der approximierenden Hermiteschen Operatoren H (n) ermitteln wir aus der unteren Identit¨at in (I.5.30) sofort Absch¨ atzung kRz(n) f k ≤

1 kf k , ∀ f ∈ H |Im z|

und f¨ ur alle

z ∈ C0 , n ∈ N .

Hieraus folgen die Ungleichungen: kRz(n) k ≤

1 , |Im z|

z ∈ C0

f¨ ur alle

n ∈ N.

(I.11.13)

2.) Wir berechnen f¨ ur alle z ∈ C0 und n ∈ N die folgende Operatoridentit¨at: (n)

Rz

− Rz = (Hn − zE)−1 − (H − zE)−1

= (Hn − zE)−1 ◦ (H − zE) ◦ (H − zE)−1

(I.11.14)

−(Hn − zE)−1 ◦ (Hn − zE) ◦ (H − zE)−1 = (Hn − zE)−1 ◦ (H − Hn ) ◦ (H − zE)−1 . 3.) Wegen der Aussage iii) im Theorem I.11.1 liegt f¨ ur alle z ∈ C0 der Teilraum [H − zE](M) ⊂ [H − zE](DH ) = H dicht im Hilbertraum, welches die wesentliche Selbstadjungiertheit der Einschr¨ankung unseres Operators H : M → H auf diesen Teilraum bedeutet. F¨ ur ein beliebiges fˆ ∈ [H − zE](M) betrachten wir das Element (H − zE)−1 fˆ =: gˆ ∈ M .

92

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Mit Hilfe der Identit¨ at (I.11.14) und den Ungleichungen (I.11.13) sch¨atzen wir folgendermaßen ab: kRz(n) fˆ − Rz fˆk = k(Rz(n) − Rz ) ◦ (H − zE)ˆ gk = k(Hn − zE)−1 ◦ (H − Hn ) gˆk ≤

1 kH gˆ − Hn gˆk . |Im z|

Zusammen mit der Aussage iv) aus dem Theorem I.11.1 entnehmen dieser Ungleichung die Konvergenzaussage lim kRz(n) fˆ − Rz fˆk = 0

n→∞

fˆ ∈ [H − zE](M) .

f¨ ur alle

(I.11.15)

4.) Zu vorgegebenem ε > 0 w¨ ahlen wir f¨ ur ein beliebiges Element f ∈ H ein fˆ ∈ [H − zE](M)

mit

kf − fˆk ≤ ε .

Weiter w¨ahlen wir gem¨ aß (I.11.15) ein nε ∈ N so groß, dass kRz(n) fˆ − Rz fˆk ≤ ε

f¨ ur alle

n ≥ nε

erf¨ ullt ist. Mit Hilfe von (I.11.12) und (I.11.13) sch¨atzen wir f¨ ur alle n ≥ nε ab: kRz(n) f − Rz f k ≤ kRz(n) f − Rz(n) fˆk + kRz(n) fˆ − Rz fˆk + kRz fˆ − Rz f k (I.11.16)

≤ kRz(n) k · kf − fˆk + ε + kRz k · kfˆ − f k  2  1 1 · kf − fˆk + ε + · kfˆ − f k ≤ + 1 · ε. ≤ |z| |z| |z|

Da ε > 0 beliebig gew¨ ahlt wurde, ist damit die Konvergenzaussage (I.11.10) vollst¨andig bewiesen. q.e.d. Mit Hilfe von Theorem I.9.3 erhalten wir nun eine Integraldarstellung f¨ ur die Resolvente eines selbstadjungierten Operators im Theorem I.11.3. Im separablen Hilbertraum H sei auf dem dichten Definitionsbereich DH ⊂ H ein selbstadjungierter Operator H : DH → H mit der Resolvente Rz f := (H − zE)−1 f, z ∈ C0 , f ∈ H gegeben. Dann gibt es f¨ ur d (R, C) mit der Supremumalle f, g ∈ H eine Funktion τg,f = τ (λ; g, f ) ∈ BV schranke sup |τg,f (λ)| = sup |τ (λ; g, f )| ≤ kf k · kgk , so dass die Resolvente λ∈R

die Darstellung   g , Rz f

λ∈R

Z H

+∞

= −∞

d τ (λ; g, f ) = Fb (τg,f )|z λ−z

besitzt. Insbesondere geh¨ ort die holomorphe Funktion

z ∈ C0

, 

g , Rz f

(I.11.17)



d (C0 ) aus der Definition I.10.5 an. Cauchy-Stieltjes-Raum HW

H

, z ∈ C0 dem

§11 Approximation der Spektralschar selbstadjungierter Operatoren

93

Beweis: Gem¨aß Theorem I.11.1 approximieren wir den selbstadjungierten Operator H durch n-dimensionale Hermitesche Operatoren Hn f¨ ur n = (n) −1 1, 2, . . .. Deren Resolventen Rz f := (Hn − zE) f, f ∈ H , n = 1, 2, . . . in der Darstellung Z +∞     1 d g , En (λ)f , z ∈ C0 , f, g ∈ H (I.11.18) g , Rz(n) f = H H −∞ λ − z erlauben nach Theorem I.9.3 die Auswahl einer Teilfolge, so dass Z +∞   d τ (λ; g, f ) , z ∈ C0 = lim g , Rz(nk ) f k→∞ λ − z H −∞

(I.11.19)

richtig ist. Dabei besteht die Grenzfunktion h i h i (+) (−) (+) (−) τ (λ; g, f ) := %g,f ;∞ (λ) − %g,f ;∞ (λ) + i σg,f ;∞ (λ) − σg,f ;∞ (λ) , λ ∈ R (I.11.20) aus den vier schwach monoton wachsenden Funktionen in (I.9.34)  1    1 (+) (−) %g,f ;∞ ∈ BV0+ R; kg + f k2 , %g,f ;∞ ∈ BV0+ R; kg − f k2 , 4 4   (I.11.21)  1  1 (−) (+) + + 2 σg,f ;∞ ∈ BV0 R; kg − if k , σg,f ;∞ ∈ BV0 R; kg + if k2 . 4 4 d (R, C); ferner entnehAus (I.11.20) und (I.11.21) folgt τg,f = τ (. ; g, f ) ∈ BV men wir dem Theorem I.9.3 die angegebene Supremumschranke. Verkn¨ upfen wir die Grenzwertaussagen (I.11.11) aus dem Theorem I.11.2 und (I.11.19) von oben, so erhalten wir       g , Rz f = lim g , Rz(n) f = = lim g , Rz(nk ) f n→∞ k→∞ H H H Z +∞ d τ (λ; g, f ) = Fb (τg,f )|z , z ∈ C0 f¨ ur alle f, g ∈ H . λ−z −∞ Damit ist unser Theorem vollst¨ andig bewiesen.

q.e.d.

Wir wollen nun eine Spektralschar E(λ) zu selbstadjungierten Operatoren H in separablen Hilbertr¨ aumen H konstruieren. Hierbei verwenden wir die schwachen Grenzwerte aus der Bemerkung ii) zur Definition I.6.1. Proposition I.11.1. Es gibt eine Schar von Hermiteschen Operatoren E(λ) : H → H mit kE(λ)k ≤ 1 und ] lim E(λ + ) = E(λ) f¨ ur alle λ ∈ R , →0+

d (R, C) aus Theorem I.11.3 die so dass die Funktion τg,f (λ) = τ (λ; g, f ) ∈ BV folgende Darstellung besitzt:   τ (λ; g, f ) = g , E(λ)f f¨ ur alle f, g ∈ H . (I.11.22) H

Weiter haben wir ^ lim E(λ) = 0 =: E(−∞) als asymptotische Eigenschaft. λ→−∞

94

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Beweis: 1.) F¨ ur die Adjungierte der Resolvente verwenden wir Theorem I.5.6, und wir erhalten mit der Darstellung (I.11.17) die folgende Gleichung:   Z Fb τ (λ; g, f ) = Z

+∞

= −∞

+∞

     dτ (λ; g, f )  = g , Rz f = Rz f, g = f , Rz g λ−z H H H −∞ Z +∞   d τ (λ; f, g) dτ (λ; f, g) = = Fb τ (λ; f, g) , z ∈ C0 , ∀ f, g ∈ H. λ−z λ−z −∞

Da die Cauchy-Stieltjes-Transformation Fb nach Theorem I.10.4 injektiv ist, so folgt die Identit¨ at τ (λ; g, f ) = τ (λ; f, g)

f¨ ur alle

f, g ∈ H

und

λ ∈ R.

(I.11.23)

2.) Wiederum mit obiger Darstellung (I.11.17) der Resolvente zeigen wir f¨ ur alle f, g, h ∈ H sowie α, β ∈ C und f¨ ur alle Punkte z ∈ C0 die folgende Identit¨at:    Z +∞ d τ (λ; αg + βh, f )  = αg + βh, Rz f Fb τ (λ; αg + βh, f ) = λ−z H −∞ Z Z +∞ +∞     dτ (λ; g, f ) dτ (λ; h, f ) = α g , Rz f + β h , Rz f =α +β λ − z λ−z H H −∞ −∞ Z +∞   d ( α τ (λ; g, f ) + β τ (λ; h, f ) ) = Fb α τ (λ; g, f ) + β τ (λ; h, f ) . = λ−z −∞ Da die Cauchy-Stieltjes-Transformation Fb nach Theorem I.10.4 injektiv ist, so folgt die Gleichung τ (λ; αg + βh, f ) = ατ (λ; g, f ) + βτ (λ; h, f ) (I.11.24) f¨ ur alle

f, g, h ∈ H ,

α, β ∈ C ,

λ ∈ R.

3.) F¨ ur jedes feste λ ∈ R ist somit die Funktion τ (λ; . , .) wegen (I.11.24) antilinear in der zweiten Komponente und wegen (I.11.23) Hermitesch bez¨ uglich der beiden letzten Komponenten, woraus insbesondere die Linearit¨at in der dritten Komponente folgt. Wegen der Supremumschranke haben wir die Absch¨atzung |τ (λ; g, f )| ≤ kf k · kgk f¨ ur alle

f, g ∈ H, λ ∈ R .

(I.11.25)

Folglich stellt τ (λ; . , .) f¨ ur alle λ ∈ R eine Hermitesche Sesquilinearform mit der Schranke 1 dar. Die Darstellungss¨ atze aus Theorem 4.19 und 4.20 in [S5] Chap. 8 oder den S¨ atzen 9 und 10 in [S3] Kap. VIII § 4 f¨ ur Sesquilinearformen liefern die Existenz eines Hermiteschen Operators E(λ) : H → H mit der Schranke kE(λ)k ≤ 1, so dass die Identit¨ at (I.11.22) erf¨ ullt ist.

§11 Approximation der Spektralschar selbstadjungierter Operatoren

95

d (R, C) liefert die Darstellungsformel (I.11.22) f¨ 4.) Wegen τg,f ∈ BV ur alle λ ∈ R die rechtsseitige Stetigkeit   = lim τ (λ + ; g, f ) = lim g , E(λ + )f →0+ →0+ H   τ (λ; g, f ) = g , E(λ)f f¨ ur alle f, g ∈ H . H

Schließlich haben wir die asymptotische Aussage   = lim τ (λ; g, f ) = 0 lim g , E(λ)f λ→−∞

H

λ→−∞

f¨ ur alle

f, g ∈ H .

Somit sind alle Aussagen gezeigt. q.e.d. Zum Nachweis, dass die Operatoren {E(λ) : λ ∈ R} eine Spektralschar im Sinne von Definition I.6.1 bilden, ben¨ otigen wir nun unbestimmte RiemannStieltjes-Integrale, f¨ ur welche wir zentrale Eigenschaften in den nachfolgenden Propositionen I.11.2 und I.11.3 ermitteln. Definition I.11.1. Wir nennen Z Z µ ψ(λ)d τ (λ) = Ψ (µ) :=

+∞

ψ(λ)d τ|µ (λ) ,

µ∈R

−∞

−∞

( mit der Hilfsfunktion

τ|µ (λ) :=

τ (λ), −∞ < λ < µ

(I.11.26)

τ (µ), µ ≤ λ < +∞

das unbestimmte Riemann-Stieltjes-Integral der Funktion ψ ∈ C00 (R, C) u ¨ber d (R, C) . Weiter setzen wir Ψ (−∞) := 0 fest. die Belegungsfunktion τ ∈ BV

Proposition I.11.2. (Regularit¨ at des unbestimmten R.-S.-Integrals) d (R, C) der Totalvariation Seien die Belegungsfunktion τ ∈ BV Z

+∞

|dτ (λ)| ∈ [0, +∞)

M := −∞

und die Funktion ψ ∈ C00 (R, C) gegeben mit dem unbestimmten RiemannStieltjes-Integral Ψ (µ), µ ∈ R ∪ {−∞} aus der Definition I.11.1. Dann geh¨ ort d (R, C) wieder zum Repr¨ diese Funktion gem¨ aß Ψ ∈ BV asentantenraum, und es gelten die folgenden Absch¨ atzungen: Z +∞ |dΨ (µ)| ≤ 6M · sup |ψ(λ)| , sup |Ψ (λ)| ≤ 6M · sup |ψ(λ)|. (I.11.27) −∞

λ∈R

λ∈R

λ∈R

96

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Beweis: 1.) Mit dem Theorem I.10.1 zerlegen wir die Belegungsfunktion τ in die schwach monoton steigenden Belegungsfunktionen %(+) , σ (+) ∈ BV0+ (R; M ) und %(−) , σ (−) ∈ BV0+ (R; 2M ) . Damit zerf¨allt das unbestimmte Integral u ¨ber τ in vier unbestimmte Integrale: Z +∞ ψ(λ)d τ|µ (λ) Ψ (µ) = −∞

Z

+∞

= −∞

Z

+∞

+i −∞

=: Ψ

(1)

(+) ψ(λ)d %|µ (λ)

+∞

Z −

−∞

Z

(+)

ψ(λ)d σ|µ (λ) − i

(µ) − Ψ

(2)

(µ) + iΨ

(3)

(−)

ψ(λ)d %|µ (λ)

+∞

(I.11.28)

(−)

ψ(λ)d σ|µ (λ)

−∞

(µ) − iΨ (4) (µ) ,

µ ∈ R.

2.) Zur Belegungsfunktion % ∈ BV0+ (R; M ) untersuchen wir das unbestimmte Integral Z µ

Ψ (‘) (µ) :=

µ ∈ R ∪ {−∞} .

ψ(λ)d %(λ) , −∞

F¨ ur beliebige −∞ ≤ µ < ν < +∞ betrachten wir nun eine ausgezeichnete Folge von Zerlegungen im Intervall (µ, ν] der Form (k)

(k)

(k)

(k)

Z (k) (µ, ν) : µ < a0 < a1 . . . < an(k) −1 < an(k) = ν mit

n(k) := n(Z (k) (µ, ν)) ∈ N (k)

f¨ ur (k)

Dabei erf¨ ullen die L¨ angen |∆j | := aj (k)

∆j

(k)

(I.11.29)

k = 1, 2, 3, . . . .

(k)

− aj−1 der Teilintervalle

(k)

:= (aj−1 , aj ] f¨ ur j = 1, . . . , n(k) die Feinheitsbedingung n o (k) max |∆j | : j = 1, . . . , n(k) → 0 f¨ ur k → ∞ , (k)

und es gilt die Aussch¨ opfungsbedingung lim a0 = µ . k→∞

Wie in der Definition I.9.3 mit der Formel (I.9.17) bilden wir zu den beliebigen (k) (k) (k) (k) ur j = 1, . . . n(k) die Zwischenwerten Λ(k) = {λ1 , . . . , λn(k) } mit λj ∈ ∆j f¨ Riemann-Stieltjes-Summen R(%, ψ, Z (k) (µ, ν), Λ(k) )

f¨ ur

k = 1, 2, . . . .

Dann erkl¨aren wir gem¨ aß der Proposition I.9.3 das Riemann-Stieltjes-Integral Z ν ψ(λ)d %(λ) := lim R(%, ψ, Z (k) (µ, ν), Λ(k) ) ∈ C . (I.11.30) µ

k→∞

u ¨ber das halboffene Intervall (µ, ν]. Durch Absch¨atzung der Riemann-StieltjesSummen (I.9.17) ersehen wir die folgende Ungleichung:

§11 Approximation der Spektralschar selbstadjungierter Operatoren

Z

ν µ

  ψ(λ)d %(λ) ≤ %(ν) − %(µ+) · sup |ψ(λ)|

(I.11.31)

µ 0

f¨ ur

j = 1, . . . , N (k) .

Damit berechnen wir Z

+∞

γ(λ) · ψ(λ)d%k (λ) = −∞

(k) N X

(k)

(k)

(k)

γ(λj ) · ψ(λj ) · δ%k (λj ) .

(I.11.42)

j=1

Wegen der Formeln (I.11.37) und (I.11.38) erf¨ ullen die unbestimmten Integrale Z +∞ Z µ (‘) Ψk (µ) := ψ(λ)d %k|µ (λ) = ψ(λ)d%k (λ) , µ ∈ R −∞

−∞

f¨ ur alle k ∈ N die Identit¨ at Z

+∞ −∞

(‘) γ(µ)dΨk (µ)

=

(k) N X

(k)

(‘)

(k)

γ(λj )δΨk (λj )

j=1

=

(k) N X

j=1

(k) (k) (k) γ(λj )ψ(λj )δ%k (λj ) .

(I.11.43)

100

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Der Vergleich von (I.11.42) und (I.11.43) liefert die Aussage Z

+∞

+∞

Z γ(λ) · ψ(λ)d%k (λ) =

−∞

−∞

(‘)

γ(µ) d Ψk (µ)

f¨ ur alle

k ∈ N . (I.11.44)

3.) Mit dem Hellyschen Konvergenzsatz aus Theorem I.9.2 k¨onnen wir auf der linken Seite von (I.11.44) sofort zur Grenze k → ∞ u ¨bergehen. Nach der (‘) Formel (I.11.36) konvergiert die Folge {Ψk }k=1,2,... gegen die Funktion Ψ (‘) (µ) :=

Z

+∞

Z

µ

ψ(λ)d %|µ (λ) = −∞

ψ(λ)d%(λ) ,

µ∈R

−∞

unter der gemeinsamen Schranke (I.11.39) an die Totalvariation. Darum k¨ onnen wir auch auf der rechten Seite von (I.11.44) mit dem Hellyschen Konvergenzsatz zur Grenze k → ∞ u ¨bergehen. Wir erhalten insgesamt die Aussage Z +∞ Z +∞ γ(µ) d Ψ (‘) (λ) f¨ ur alle % ∈ BV0+ (R; M ) . γ(λ) · ψ(λ)d%(λ) = −∞

−∞

Mit obigen Vorbemerkungen ist die Identit¨ at (I.11.41) gezeigt.

q.e.d.

Wir k¨onnen in den nachfolgenden Propositionen I.11.4 und I.11.5 den Nachweis erbringen, dass die Operatoren {E(λ) : λ ∈ R} aus der Proposition I.11.1 eine Spektralschar bilden. Proposition I.11.4. Die Schar der Operatoren {E(λ) : H → H, λ ∈ R} aus der Proposition I.11.1 besitzt die folgende Eigenschaft: ( E(λ) falls − ∞ < λ < µ < +∞ E(λ) ◦ E(µ) = . (I.11.45) E(µ) falls − ∞ < µ ≤ λ < +∞ Insbesondere stellt E(λ) einen Projektor f¨ ur alle λ ∈ R dar. Beweis: 1.) Wir ziehen die Resolventenformeln (I.5.10) aus dem Theorem I.5.3 heran und erhalten Rz 1 − Rz 2 = Rz 1 ◦ Rz 2 z 1 − z2

f¨ ur alle

z1 , z 2 ∈ C 0

mit

z1 6 = z2 .

Hieraus ermitteln wir mit Hilfe von Theorem I.5.6 die Aussage 

g,

    R z 1 − Rz 2  f¨ ur alle f, g ∈ H. f = g , R z 1 ◦ Rz 2 f = Rz1 g, Rz2 f z1 − z2 H H H

Mit der Darstellung (I.11.17) der Resolvente im Theorem I.11.3 folgt f¨ ur die Operatoren {E(λ)}λ∈R in (I.11.22) von Proposition I.11.1 die Identit¨at:

§11 Approximation der Spektralschar selbstadjungierter Operatoren



Z

+∞ −∞



1  d g , E(λ)f 1 − λ − z1 λ − z2 z1 − z2



 H

Z

+∞

d Rz1 g, E(λ)f

=

λ − z2

−∞

Dann erhalten wir die folgende Aussage:     Z +∞ d g , E(λ)f Z +∞ d Rz g, E(µ)f 1 H H = µ − z2 −∞ (λ − z1 )(λ − z2 ) −∞ f¨ ur alle

z1 , z 2 ∈ C 0

mit

z1 6 = z2

und alle

101

 H

.

(I.11.46)

f, g ∈ H .

Dabei haben wir auf der rechten Seite einen Parameterwechsel λ → µ vorgenommen. 2.) F¨ ur festes z1 ∈ C0 betrachten wir die Funktion ψz1 (λ) :=

1 ,λ∈R λ − z1

aus der Klasse

Zur Belegungsfunktion (I.11.22)   τg,f (λ) = g , E(λ)f , λ ∈ R H

C00 (R, C) .

in der Klasse

d (R, C) BV

betrachten wir das unbestimmte Riemann-Stieltjes-Integral   Z µ d g , E(λ)f H , µ ∈ R. Ψz1 (µ) := λ − z1 −∞

(I.11.47)

Nach Proposition I.11.3 geh¨ ort die Funktion Ψz1 (µ), µ ∈ R der Regularit¨atsd (R, C) an. Auf der linken Seite von (I.11.46) setzen wir u klasse BV ¨ber die Identit¨at (I.11.41) aus Proposition I.11.3 die Funktion (I.11.47) ein und erhalten   Z +∞ d Rz g, E(µ)f Z +∞ 1 d Ψz1 (µ) H = (I.11.48) µ − z2 µ − z2 −∞ −∞ f¨ ur alle

z1 , z 2 ∈ C 0

mit

z1 6 = z2

und alle

f, g ∈ H .

Die Injektivit¨at der Cauchy-Stieltjes-Transformation gem¨aß dem Theorem I.10.4 liefert   f¨ ur alle µ ∈ R und z1 ∈ C0 . (I.11.49) Ψz1 (µ) = Rz1 g, E(µ)f H

3.) Nun verwenden wir f¨ ur alle µ ∈ R die Hilfsfunktion    , −∞ < λ < µ  g , E(λ)f H τg,f |µ (λ) :=     g , E(µ)f , µ ≤ λ < +∞ H

,

(I.11.50)

102

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

welche durch die konstante Fortsetzung ab dem Parameter µ entsteht. Dann ermitteln wir aus (I.11.47), (I.11.50) und (I.11.49) die Identit¨at Z

+∞ −∞

    d τg,f |µ (λ) = Ψz1 (µ) = Rz1 g, E(µ)f = E(µ)f, Rz1 g λ − z1 H H Z

+∞

  d E(µ)f , E(λ)g

= −∞



Z

+∞

H

λ − z1 d E(λ)g, E(µ)f

= −∞

Z

+∞

  d E(µ)f , E(λ)g

=

H

λ − z1

−∞

 H

f¨ ur alle

λ − z1

µ∈R

und

z1 ∈ C 0 .

(I.11.51) Dabei verwenden wir zu Beginn der zweiten Zeile die Darstellung (I.11.17) mit der Belegungsfunktion (I.11.22). Wegen der Injektivit¨at der Cauchy-StieltjesTransformation liefert die Identit¨ at (I.11.51) die folgende Aussage:     τg,f |µ (λ) = E(λ)g, E(µ)f = g , E(λ) ◦ E(µ)f , ∀ λ, µ ∈ R; ∀ f, g ∈ H. H

H

Kombinieren wir diese Aussage mit der Setzung (I.11.50), so erhalten wir die obige Behauptung. q.e.d. Schließlich zeigen wir Proposition I.11.5. Die Schar der Operatoren {E(λ) : H → H, λ ∈ R} aus der Proposition I.11.1 besitzt die folgende asymptotische Eigenschaft: E(+∞) := ^ lim E(λ) = E

beziehungsweise

λ→+∞

(I.11.52) (λ → +∞)

E(λ)f * Ef = f

f ∈ H.

f¨ ur alle

Beweis: Zu beliebigem f ∈ H betrachten wir g := [f − E(+∞)f ] . Mit Hilfe der Proposition I.11.4 berechnen wir E(λ)g = E(λ)f − E(λ) ◦ E(+∞)f = E(λ)f − E(λ)f = 0

f¨ ur alle

λ ∈ R.

Somit erhalten wir die Aussage 

h , Rz [f − E(+∞)f ]

Z

 H

+∞

  d h , E(λ)[f − E(+∞)f ]

= −∞

λ−z z ∈ C0

H

=0

h ∈ H. (I.11.53) Damit folgt Rz [f −E(+∞)f ] = 0 , und die Injektivit¨at der linearen Abbildung Rz : H → H liefert f¨ ur alle

und alle

§11 Approximation der Spektralschar selbstadjungierter Operatoren

Ef = f = E(+∞)f

f¨ ur alle

103

f ∈H

beziehungsweise E(+∞) = E. q.e.d. Wir fassen unsere Ergebnisse zusammen zu dem Theorem I.11.4. (Spektralschar selbstadjungierter Operatoren) Im separablen Hilbertraum H sei auf dem dichten Definitionsbereich DH ⊂ H ein selbstadjungierter Operator H : DH → H mit der Resolvente Rz f := (H − zE)−1 f ,

f ∈ H,

z ∈ C0 := C \ R

gegeben. Dann gibt es genau eine Spektralschar {E(λ) : λ ∈ R}, so dass die Resolvente die Darstellung Z +∞ d E(λ) , z ∈ C0 (I.11.54) Rz = −∞ λ − z besitzt. Beweis: 1.) Existenz: Auf der Grundlage einer Approximation in den obigen Theoremen I.11.1 – I.11.3 haben wir mit der Proposition I.11.1 die Operatorenschar {E(λ) : λ ∈ R} konstruiert. In den Propositionen I.11.1, I.11.4, I.11.5 ist diese Familie als Spektralschar erkannt worden. Mit den Identit¨aten (I.11.17) und (I.11.22) erhalten wir die Darstellung (I.11.54). 2.) Eindeutigkeit: Seien die beiden Spektralscharen {E (1) (λ) : λ ∈ R} und {E (2) (λ) : λ ∈ R} zum selbstadjungierten Operator H gegeben. Dann liefert die Resolventendarstellung (I.11.54) die Operatoridentit¨at Z +∞ Z +∞ d E (2) (λ) d E (1) (λ) = Rz = , z ∈ C0 . (I.11.55) λ − z λ − z −∞ −∞ Hieraus ermitteln wir komponentenweise die Identit¨at     Z +∞ d g , E (2) (λ)f Z +∞ d g , E (1) (λ)f H H = , z ∈ C0 , ∀ f, g ∈ H. λ−z λ−z −∞ −∞ Die Injektivit¨at der Cauchy-Stieltjes-Transformation im Theorem I.10.4 liefert     g , E (1) (λ)f = g , E (2) (λ)f f¨ ur alle λ ∈ R und f, g ∈ H . H

H

Somit folgen die Gleichungen E (1) (λ) = E (2) (λ)

f¨ ur alle

λ∈R

und damit E (1) = E (2) . Also ist die Spektralschar {E(λ) : λ ∈ R} eindeutig bestimmt. q.e.d.

104

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

§12 Der Spektralsatz selbstadjungierter Operatoren und ihr Spektrum Wir formulieren nun das zentrale Ergebnis unserer Abhandlung im Theorem I.12.1. (Spektralsatz f¨ ur selbstadjungierte Operatoren) Im separablen Hilbertraum H sei auf dem dichten Definitionsbereich DH ⊂ H ein selbstadjungierter Operator H : DH → H mit {E(λ) : λ ∈ R} als Spektralschar Z gem¨ aß Theorem I.11.4 gegeben. Nun betrachten wir den Spektraloperator +∞

Sϕb =

λ d E(λ) zur Funktion ϕ(λ) b := λ, λ ∈ R aus dem Theorem I.8.3

−∞

mit dem Definitionsbereich D(E(.), ϕ) b aus der Definition I.8.5. Dann besitzen diese Operatoren den gleichen Definitionsbereich Z +∞ n   o DH = D(E(.), ϕ) b = f ∈ H: λ2 d f , E(λ)f < +∞ (I.12.1) H

−∞

und erf¨ ullen die Operatoridentit¨ at Z +∞ λ d E(λ) f Hf =

f¨ ur alle

f ∈ DH .

(I.12.2)

−∞

Beweis: Wir verwenden Theorem I.11.4 mit der Spektralschar {E(λ) : λ ∈ R}, welche die Resolventendarstellung (I.11.54) besitzt. Mit Hilfe der Additionsregel aus Proposition I.7.2, der Orthogonalit¨ atsregel aus Proposition I.7.3, der Produktregel aus Proposition I.7.4 und der Integrationsregel aus Proposition I.7.1 f¨ ur die Spektralschar berechnen wir die folgende Identit¨at (I.12.3), indem wir bei diesen Hilfss¨ atzen noch die Bemerkung zur Definition I.7.6 beachten: Z

+k

  −1  Z = (λ − z) d E(λ) ◦ H − zE

−k

=

+k

 (λ − z) d E(λ) ◦ Rz

−k

Z

+k

 Z (λ − z) d E(λ) ◦

−k

+∞ −∞

= E(k−) − E(−k) =: Pk

d E(λ)  = λ−z

+k

Z

d E(λ) −k

z ∈ C0 := C \ R

k ∈ N. (I.12.3) ¨ Ahnlich wie im Beweis von Theorem I.8.3 erhalten wir f¨ ur alle z ∈ C0 im Grenz¨ ubergang k → ∞ die folgende Identit¨ at: Z   −1    −1  +∞ (λ−z) d E(λ) ◦ H−zE = E . (I.12.4) Sϕb−zE ◦ H−zE = f¨ ur alle

und

−∞

Hieraus ermitteln wir f¨ ur die Definitionsbereiche mit beliebigem z ∈ C0 die folgende Inklusion DSϕb = DSϕb −zE ⊃ DH−zE = DH .

(I.12.5)

§12 Der Spektralsatz selbstadjungierter Operatoren und ihr Spektrum

Aus (I.12.4) und (I.12.5) folgt     Sϕb − zE f = H − zE f

f¨ ur alle

f ∈ DH

und

z ∈ C0 .

105

(I.12.6)

Somit ersehen wir Sϕb f = H f

f¨ ur alle

f ∈ DH .

(I.12.7)

F¨ ur die unbeschr¨ ankten Operatoren erhalten wir H ⊂ Sϕb mit dem selbstadjungierten Operator H und dem Hermiteschen Operator Sϕb. Die Bemerkung iii) zur Definition I.4.1 liefert H = Sϕb und insbesondere folgt DH = DSϕb . Damit sind die Identit¨ aten (I.12.1) sowie (I.12.2) gezeigt, und der Spektralsatz ist vollst¨andig bewiesen. q.e.d. Zu einem selbstadjungierten Operator H : DH → H betrachten wir die nach Theorem I.5.5 offene Resolventenmenge C\R ⊂ %(H) ⊂ C aus Definition I.5.1 und das abgeschlossene Spektrum σ(H) := C\%(H) ⊂ R als ihr Komplement. Nach dem Toeplitz-Kriterium in Theorem I.5.2 geh¨ort der Punkt z ∈ R zur Resolventenmenge %(H) genau dann, wenn k(H − zE)f k ≥ c

f¨ ur alle

f ∈ DH

mit

kf k = 1

f¨ ur ein

c>0 (I.12.8)

erf¨ ullt ist. Durch Negation dieser Aussage (I.12.8) erhalten wir die Proposition I.12.1. Der Punkt λ0 ∈ R geh¨ ort zum Spektrum σ(H) genau dann, wenn die folgende Bedingung erf¨ ullt ist: Es gibt eine Folge

fk ∈ DH

der folgenden Eigenschaft:

mit

kfk k = 1

(k ∈ N)

lim k(H − λ0 E)fk k = 0.

(I.12.9)

k→∞

Bemerkung: Falls λ0 ∈ σ(H) einen Eigenwert darstellt, d. h. es existiert ein f0 ∈ H

mit

H f 0 = λ0 f 0

und

kf0 k = 1 ,

so wird das Approximationsproblem (I.12.9) durch ein Variationsproblem in H gel¨ost. Es kann jedoch auch der Fall eintreten, dass wir dieses Variationsproblem in H nicht l¨ osen k¨ onnen, aber die Approximationsfolge (I.12.9) zum Spektralwert λ0 ∈ σ(H) existiert. Wir sprechen dann von einem Spektralwert aus dem wesentlichen Spektrum des Operators H. Physikalisch werden die Eigenfunktionen als gebundene Zust¨ ande des Systems interpretiert, w¨ahrend die wesentlichen Spektralwerte den sogenannten Streuzust¨ anden entsprechen; diese f¨ uhren u ber den Hilbertraum H hinaus. Hierzu verweisen wir auf das ¨ Kapitel V im Skriptum zur Quantenmechanik [B] von H. J. Borchers.

106

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

Definition I.12.1. Zu den Grenzen −∞ ≤ a < b ≤ +∞ betrachten wir das halboffene, rechts abgeschlossene Intervall Θ0 := (a, b] ⊂ R und den Projektor Z b Z dE(λ) = dE(λ) = E(b) − E(a) : H → H E(Θ0 ) := a

Θ0

gem¨ aß der Proposition I.7.1 sowie den linearen Spektralraum n o n   o M(Θ0 ) := f ∈ H : E(Θ0 )f = f = f ∈ H : E(Θ0 ) − E f = 0 .

Theorem I.12.2. (Spektrum selbstadjungierter Operatoren) F¨ ur selbstadjungierte Operatoren H : DH → H auf dem dichten Definitionsbereich DH im separablen Hilbertraum H gilt: i) Die reelle Zahl λ0 geh¨ ort genau dann zum Spektrum σ(H), wenn f¨ ur jedes ◦

halboffene, rechts abgeschlossene Intervall Θ0 = (a, b] mit λ0 ∈ (a, b) =Θ0 die Aussage dim M(Θ0 ) > 0 erf¨ ullt ist. ii) Die reelle Zahl λ0 geh¨ ort genau der Resolventenmenge %(H) an, wenn die lokalisierte Spektralschar {E(λ) : λ ∈ (λ0 − , λ0 + ]} f¨ ur ein hinreichend kleines  > 0 konstant ist. iii) Die reelle Zahl λ0 ist genau dann ein Eigenwert des Operators H, wenn die folgende Bedingung erf¨ ullt ist: E(λ0 ) 6= E(λ0 −) := ] lim E(λ0 − ) . →0+

Beweis: Zu beliebigen Punkten λ0 ∈ R und  > 0 betrachten wir die halboffenen, rechts abgeschlossenen Intervalle Θ := (λ0 − , λ0 + ] mit den zugeh¨origen Projektoren E(Θ ) = E(λ0 + ) − E(λ0 − ) . Die nachfolgenden Implikationen (I.12.10) und (I.12.11) sehen wir u ¨ber das Theorem I.12.1 durch Berechnung mit den Propositionen I.7.2, I.7.3, I.7.5 einschließlich der Bemerkung zur Definition I.7.6 leicht ein:   dim M(Θ ) = 0 =⇒ E(λ0 + ) − E(λ0 − ) f = 0, ∀f ∈ H =⇒ E(λ0 + ) = E(λ0 − ) =⇒ (H − λ0 E)f =

Z

λ0 −

=⇒ k(H − λ0 E)f k =

+∞

Z +

−∞ 2

F¨ ur alle

Z

Z

gilt:

(λ − λ0 )dE(λ) f

λ0 +

λ0 −

Z

+∞

+ −∞

≥ 2



f ∈ DH

(I.12.10) 

2

2

(λ − λ0 ) d kE(λ)f k

λ0 +

+∞

dkE(λ)f k2 = 2 kf k2

f¨ ur alle

f ∈ DH

−∞

=⇒ k(H − λ0 E)f k ≥ 

f¨ ur alle

f ∈ DH

mit

kf k = 1 .

§12 Der Spektralsatz selbstadjungierter Operatoren und ihr Spektrum

107

dim M(Θ ) > 0 =⇒ Es gibt ein f ∈ M(Θ ) mit E(Θ )f = f 6= 0 Z λ0 + =⇒ (H − λ0 E)f = (λ − λ0 )dE(λ)f λ0 −

=⇒ k(H − λ0 E)f k2 =

λ0 +

Z

(λ − λ0 )2 d kE(λ)f k2

(I.12.11)

λ0 −

≤ 2

Z

λ0 +

dkE(λ)f k2 = 2 kf k2 λ0 −

=⇒ k(H − λ0 E)f k ≤ 

f¨ ur ein

f ∈ M(Θ )

mit

kf k = 1 .

i) =⇒“: Wenn die reelle Zahl λ0 zum Spektrum σ(H) geh¨ort, so ist die Eigen” schaft (I.12.9) erf¨ ullt. Wegen der Implikation (I.12.10) ist damit dim M(Θ ) > 0

f¨ ur alle

>0 ◦

richtig. F¨ ur jedes halboffene, rechts abgeschlossene Intervall Θ0 mit λ0 ∈Θ0 folgt die Aussage dim M(Θ0 ) > 0 unmittelbar. ◦

i) ⇐=“: Jedes halboffene, rechts abgeschlossene Intervall Θ0 mit λ0 ∈Θ0 ” erf¨ ulle dim M(Θ0 ) > 0. Dann folgt dim M(Θ ) > 0 f¨ ur alle  > 0, und die Implikation (I.12.11) liefert uns eine Folge gem¨aß (I.12.9). Somit geh¨ort λ0 zum Spektrum σ(H), und die Aussage i) ist vollst¨andig gezeigt. ii) =⇒“: Sei λ0 ∈ %(H) gelegen. W¨ are die Spektralschar E(λ) in diesem Punkt ” λ0 nicht lokal konstant, so folgt dim E(Θ ) > 0 f¨ ur alle  > 0. Die Implikation (I.12.11) liefert uns eine Folge, wie sie in (I.12.9) beschrieben wurde. Damit geh¨ort λ0 zum Spektrum σ(H) – im Widerspruch zur Annahme. ii) ⇐=“: Die lokalisierte Spektralschar {E(λ) : λ ∈ (λ0 − , λ0 + ]} sei f¨ ur ” ein hinreichend kleines  > 0 konstant. Somit folgt dim M(Θ ) = 0 f¨ ur ein hinreichend kleines  > 0, und die Implikation (I.12.10) liefert k(H − λ0 E)f k ≥ 

f¨ ur alle

f ∈ DH

mit

kf k = 1 .

Folglich ist die Eigenschaft (I.12.8) f¨ ur z0 = λ0 mit c =  richtig, und der Punkt λ0 geh¨ort zu %(H) . Damit ist die Aussage ii) vollst¨andig gezeigt. iii) =⇒“: Sei λ0 ∈ R Eigenwert des Operators H, so gibt es ein f0 ∈ DH mit ” Z +∞ Hf0 = λ d E(λ) f0 = λ0 f0 und kf0 k = 1 . −∞

Es folgt 2

Z

+∞

(λ − λ0 )2 d kE(λ)f0 k2

0 = k(H − λ0 E)f0 k = −∞

108

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

und somit kE(λ)f0 k = const

f¨ ur alle

λ ∈ (−∞, λ0 ) ∪ (λ0 , +∞).

Damit erhalten wir die Aussage Z +∞   0 6= f 0 = λ d E(λ) f0 = E(λ0 ) − E(λ0 −) f0 , −∞

woraus E(λ0 ) = 6 E(λ0 −) resultiert. ullt ist, so gibt es ein iii) ⇐=“: Wenn die Bedingung 6 E(λ0 −) erf¨   E(λ0 ) = ” f0 ∈ H mit E(λ0 ) − E(λ0 −) f0 = f0 und kf0 k = 1 . F¨ ur alle  > 0 ist somit E(Θ )f0 = f0 richtig, und die Implikation (I.12.11) liefert k(H − λ0 E)f0 k ≤ 

f¨ ur alle

 > 0.

Somit folgt Hf0 = λ0 f0 mit f0 ∈ DH und kf0 k = 1 . Daher ist λ0 ein Eigenwert des Operators H, und auch die Aussage iii) ist vollst¨andig gezeigt. q.e.d. Theorem I.12.3. Zum halboffenen, rechts abgeschlossenen Intervall Θ0 := (a, b] ⊂ R mit den Grenzen −∞ ≤ a < b ≤ +∞ betrachten wir den Spektralraum M(Θ0 ) der endlichen Dimension n := dim M(Θ0 ) ∈ N . Dann gibt es f¨ ur k = 1, . . . , n orthonormierte Eigenelemente fk ∈ M(Θ0 ) von H zu den Eigenwerten λk ∈ Θ0 , welche die Eigenschaften   = δk l f¨ ur k, l = 1, . . . , n (I.12.12) Hfk = λk fk sowie fk , f l H

besitzen und den Raum M(Θ0 ) aufspannen. Beweis: Wegen H(M(Θ0 )) ⊂ M(Θ0 ) und dim M(Θ0 ) < +∞ gibt es mit den Methoden der Linearen Algebra Eigenelemente f1 , . . . , fn ∈ M(Θ0 ) , welche die Eigenschaften (I.12.12) besitzen und den Raum M(Θ0 ) aufspannen. Hier empfehlen wir wiederum das Skriptum von H. Grauert [G] Lineare Algebra und Analytische Geometrie II. Darin wird die Diagonalisierung Hermitescher Matrizen im Satz 10 von Kap. 3 § 4 behandelt. Somit folgt Z b   λk = fk , Hfk = λ dkE(λ)fk k2 ∈ (a, b] = Θ0 f¨ ur k = 1, . . . , n , H

a

und alle Aussagen sind gezeigt.

q.e.d.

Definition I.12.2. Der Punkt λ0 ∈ R geh¨ ort zum H¨ aufungsspektrum oder  gleichwertig zum essentiellen Spektrum in Zeichen λ0 ∈ σess (H) , wenn f¨ ur jedes halboffene, rechts abgeschlossene Intervall Θ0 := (a, b] ⊂ R mit −∞ ≤ a < λ0 < b ≤ +∞ der Spektralraum gem¨ aß dim M(Θ0 ) = +∞ unendlichdimensional ist.

§12 Der Spektralsatz selbstadjungierter Operatoren und ihr Spektrum

109

Bemerkung: Der Punkt λ0 ∈ R geh¨ ort insbesondere dann zum H¨aufungsspektrum σess (H), wenn es eine Folge von Eigenwerten {λk }k∈N ⊂ σ(H)\{λ0 } mit der Eigenschaft λk → λ0 (k → ∞) gibt. Proposition I.12.2. Der Punkt λ0 ∈ R geh¨ ort genau dann zum H¨ aufungsspektrum σess (H), wenn es eine Folge {fk }k=1,2,... ⊂ DH gibt, so dass k(H − λ0 E)fk k → 0 (k → ∞), kfk k = 1 (k ∈ N), fk * 0 (k → ∞) (I.12.13) erf¨ ullt ist. Beweis: =⇒“: Sei λ0 ∈ σess (H) gegeben, so betrachten wir f¨ ur k = 1, 2, . . .  ” 1 1i . die halboffenen, rechts abgeschlossenen Intervalle Θ k1 := λ0 − , λ0 + k k ullen dim M(Θ k1 ) = ∞ f¨ ur alle Die zugeh¨origen Spektralr¨ aume M(Θ k1 ) erf¨ k ∈ N. Nach obigem Theorem I.12.3 und der Implikation (I.12.11) gibt es eine ur k = 1, 2, . . ., welche die Absch¨atzung orthonormierte Folge fk ∈ M(Θ k1 ) f¨ 1 k(H − λ0 )fk k ≤ → 0 (k → ∞) erf¨ ullt. Damit haben wir eine Folge {fk }k∈N k mit den gesuchten Eigenschaften gefunden. ⇐= “: Es sei {fk }k=1,2,... ⊂ DH eine Folge mit den Eigenschaften (I.12.13) . ” Wir erhalten f¨ ur alle k ∈ N die Identit¨ aten Z Z Z +∞  λ0 +  λ0 − (H − λ0 E)fk = (λ − λ0 )dE(λ) fk . + + −∞

λ0 −

λ0 +

Dann sch¨atzen wir mit Hilfe der Propositionen I.7.2, I.7.3, I.7.4, I.7.5 ab: k(H − λ0 E)fk k2 = Z

λ0 −

λ0 +

Z

+

+ λ0 −

−∞



Z

λ0 −

Z

≥

λ0 −

Z

Z

(λ − λ0 )2 d kE(λ)fk k2



(λ − λ0 )2 dkE(λ)fk k2

λ0 +

Z

+∞

+ −∞

=

+∞

+ 2



λ0 +

−∞

2

+∞

Z

(I.12.14) 

2

dkE(λ)fk k

λ0 +

+∞

dkE(λ)fk k2 − kE(Θ )fk k2



−∞

  = 2 1 − kE(Θ )fk k2 . W¨ are nun f¨ ur ein  > 0 die Eigenschaft dim M(Θ ) < ∞ erf¨ ullt, so besitzt der Projektor E(Θ ) : H → H ein endlich-dimensionales Bild, und dieser ist somit vollstetig. Wir verwenden nun das Theorem 6.8 in Chap. 8 von [S5] oder den Satz 4 in [S3] Kap. VIII § 6. Aus der Eigenschaft

110

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

fk * 0 (k → ∞)

folgt

E(Θ )fk → 0 (k → ∞) ,

und die Absch¨atzung (I.12.14) liefert   2 k(H −λ0 E)fk k2 ≥ 2 1−kE(Θ )fk k2 ≥ 2

f¨ ur alle

k ≥ k0 () . (I.12.15)

Diese Aussage steht im Widerspruch zu der Eigenschaft k(H − λ0 E)fk k → 0

(k → ∞) ,

und es folgt dim M(Θ ) = ∞

f¨ ur alle

 > 0.

Somit geh¨ort der Punkt λ0 zum H¨ aufungsspektrum σess (H), und unsere Proposition ist vollst¨ andig bewiesen. q.e.d. Definition I.12.3. Es geh¨ ort λ0 = −∞ oder λ0 = +∞ zum H¨ aufungsspektrum σess (H), wenn f¨ ur alle c ∈ R der Spektralraum M((−∞, c]) beziehungsweise M((c, +∞]) unendlich-dimensional ist. Bemerkung: Die Aussage ±∞ ∈ σess (H) ist insbesondere erf¨ ullt, falls es eine Folge von Eigenwerten {λk }k∈N ⊂ σ(H) mit lim λk = ±∞ gibt. k→∞

Definition I.12.4. Der Hermitesche Operator H ist mit der Konstante c− ∈ R nach unten halbbeschr¨ ankt, falls die folgende Ungleichung erf¨ ullt ist:     f¨ ur alle f ∈ DH . (I.12.16) ≥ c− f, f f, Hf H

H

Wir nennen den Hermiteschen Operator H mit einer Konstante c+ ∈ R nach oben halbbeschr¨ ankt, falls die folgende Ungleichung gilt:     f¨ ur alle f ∈ DH . (I.12.17) ≤ c+ f, f f, Hf H

H

Insofern der Operator nach unten durch c− und oben durch c+ halbbeschr¨ ankt ist, so stellt H einen beschr¨ ankten Operator mit c0 := max{|c− |, |c+ |} ∈ [0, +∞) als Schranke dar. Bemerkung: Die uneigentlichen Elemente −∞ und +∞ geh¨oren nicht zum wesentlichen Spektrum σess (H), falls der Operator H nach unten beziehungsweise nach oben halbbeschr¨ ankt ist. Definition I.12.5. Wir nennen den Hermiteschen Operator H nichtnegativ (in Zeichen H ≥ 0 ), falls dieser mit der Konstante c− = 0 nach unten halbbeschr¨ ankt ist. Der Hermitesche Operator H heißt positiv (in Zeichen H > 0) , falls dieser mit einer Konstante c− > 0 nach unten halbbeschr¨ ankt ist.

§12 Der Spektralsatz selbstadjungierter Operatoren und ihr Spektrum

111

Beispiel I.12.1. Der Schr¨ odingeroperator (I.4.6) aus dem Beispiel I.4.1 Hq f (x) := −∆f (x) + q(x)f (x) ,

x ∈ Rn

,

f ∈ D Hq

mit dem Potential q ∈ L1loc (Rn ) von (I.4.5) ist auf dem dichten Teilraum DHq := C0∞ (Rn ) ⊂ H := L2 (Rn ) erkl¨art. Besitzt das Potential q = q(x), x ∈ Rn das wesentliche Infimum Γ (q) := ess inf {q(x) : x ∈ Rn }

∈ R,

so erhalten wir die Absch¨ atzung q(x) ≥ Γ (q)

f.¨ u.

im

Rn .

Hiermit sch¨atzen wir wie folgt ab: Z     = Hq f, f − ∆f (x) + q(x)f (x) f (x) dx H Rn Z Z  2  ∇f (x) · ∇f (x) + q(x)f (x)f (x) dx ≥ q(x) f (x) dx = n R Rn Z 2   f¨ ur alle f ∈ DHq . ≥ Γ (q) f (x) dx = Γ (q) f , f Rn

H

Somit ist der Schr¨ odingeroperator Hq mit der Konstante Γ (q) nach unten halbbeschr¨ankt. Theorem I.12.4. (Charakterisierung vollstetiger Operatoren) Ein selbstadjungierter Operator H : DH → H ist genau dann vollstetig, wenn das H¨ aufungsspektrum σess (H) nur aus dem Punkt λ0 = 0 besteht. Beweis: =⇒ “: Sei H : H → H vollstetig, so ist dieser Operator beschr¨ankt. ” Genauer gibt es eine Konstante c0 ∈ [0, +∞), so dass die Ungleichung kHf k ≤ c0 kf k f¨ ur alle

f ∈H

richtig ist. Weiter ist H gem¨ aß (I.12.16) mit c− := −c0 nach unten und gem¨ass (I.12.17) mit c+ := +c0 nach oben halbbeschr¨ankt. Die zugeh¨orige Spektralschar erf¨ ullt ( 0 , −∞ ≤ λ < −c0 E(λ) = . (I.12.18) E , +c0 ≤ λ ≤ +∞ Theorem I.12.2 ii) liefert die Inklusion (−∞, c0 ) ∪ (+c0 , +∞) ⊂ %(H) , welche die Aussagen σ(H) ⊂ [−c0 , +c0 ] und σess (H) ⊂ [−c0 , +c0 ] f¨ ur das Spektrum beziehungsweise das H¨ aufungsspektrum impliziert. Sei nun λ0 ∈ σess (H) ⊂ [−c0 , +c0 ] beliebig gew¨ahlt. Dann gibt es nach Proposition I.12.2 eine Folge {fk }k=1,2,... ⊂ DH mit k(H − λ0 E)fk k →

112

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

0 (k → ∞) und kfk k = 1 (k ∈ N) sowie fk * 0 (k → ∞) . Wir setzen gk := Hfk − λ0 fk (k ∈ N) mit lim gk = 0 und sch¨atzen λ0 fk = Hfk − gk k→∞

wie folgt ab: |λ0 | = kλ0 fk k = kHfk − gk k ≤ kHfk k + kgk k f¨ ur alle

k ∈ N.

(I.12.19)

Die Vollstetigkeit von H liefert wegen dem Theorem 6.8 in Chap. 8 von [S5] oder dem Satz 4 in [S3] Kap. VIII § 6 die Grenzwertaussage lim Hfk = 0 . k→∞

Wir erhalten aus (I.12.19) beim Grenz¨ ubergang k → ∞ die Aussage λ0 = 0. W¨ urde λ0 = 0 nicht im H¨ aufungsspektrum σess (H) liegen, so w¨are die Aussage dim M((−c0 , +c0 ]) < ∞ erf¨ ullt. Diese steht im Widerspruch zu den Identit¨ aten M((−c0 , +c0 ]) = H und dim H = ∞. Also ist σess (H) = {0} richtig. ⇐= “: Es sei der Operator H : DH → H selbstadjungiert mit dem H¨aufungs” spektrum σess (H) = {0}. Da ±∞ ∈ / σess (H) richtig ist, so gibt es eine Konstante c0 ∈ [0, +∞), f¨ ur welche die Ungleichung (I.12.16) mit c− := −c0 nach unten und die Ungleichung I.12.17 mit c+ := +c0 nach oben erf¨ ullt sind. Wir erhalten die Spektraldarstellung Z +c0 Hf = λd E(λ)f , f ∈ H . (I.12.20) −c0

Nun erkl¨aren wir die Projektoren i h  1 i h  1  + E − − E(−c0 ) Pk := E(c0 ) − E k k

f¨ ur

k = k0 , k0 + 1, . . .

Wegen σess (H) = {0} ist dim Pk H < ∞ f¨ ur alle k ∈ N erf¨ ullt. Weiter ermitteln wir die Identit¨aten  Z − k1 Z +c0  + Pk ◦ H f = H ◦ Pk f = λd E(λ)f und 1 +k −c0 (I.12.21) Z + k1 λd E(λ)f f¨ ur alle f ∈ H . (H − H ◦ Pk ) f = 1 −k

Somit folgt die Ungleichung k(H − H ◦ Pk ) f k2 ≤

1 kf k2 k2

f¨ ur alle

f ∈ H,

und damit ergibt sich kH − H ◦ Pk k ≤

1 k

f¨ ur alle

k ≥ k0 .

(I.12.22)

Die Operatoren H ◦ Pk mit endlich-dimensionalem Bild sind vollstetig und approximieren den Operator H gem¨ aß (I.12.22) in der Operatornorm. Die Proposition 6.18 in Chap. 8 von [S5] oder der Hilfssatz 4 in [S3] Kap. VIII § 6 liefert die Vollstetigkeit des Operators H. q.e.d.

§12 Der Spektralsatz selbstadjungierter Operatoren und ihr Spektrum

113

Theorem I.12.5. (Invarianz des H¨ aufungsspektrums) Seien die selbstadjungierten Operatoren Hj : D → H auf dem gemeinsamen Definitionsbereich D gegeben mit den H¨ aufungsspektren σess (Hj ) ⊂ R f¨ ur j = 1, 2. Weiter existiere ein vollstetiger Hermitescher Operator H : H → H, so dass H1 f = H2 f + Hf, f ∈ D richtig ist. Dann stimmen die H¨ aufungsspektren gem¨ aß σess (H1 ) = σess (H2 ) u ¨berein. ¨ Beweis: F¨ ur λ0 ∈ R ermitteln wir mit Proposition I.12.2 die Aquivalenzen λ0 ∈ σess (H2 )

⇐⇒

k(H2 − λ0 E)fk k → 0 , ⇐⇒

Es gibt eine Folge fk * 0

Es gibt eine Folge

k(H2 + H − λ0 E)fk k → 0 , ⇐⇒

(k → ∞)

fk * 0

Es gibt eine Folge

k(H1 − λ0 E)fk k → 0 ,

fk * 0

⇐⇒

{fk }k=1,2,... ⊂ D und

kfk k = 1 (k ∈ N)

{fk }k=1,2,... ⊂ D (k → ∞)

und

und

mit

kfk k = 1 (k ∈ N)

{fk }k=1,2,... ⊂ D

(k → ∞)

mit

mit

kfk k = 1 (k ∈ N)

λ0 ∈ σess (H1 ) ,

wobei wir die Vollstetigkeit des Operators H verwendet haben. Das uneigentliche Element λ0 = ±∞ geh¨ ort zum H¨aufungsspektrum σess (H2 ) genau dann wenn dieser Punkt λ0 in σess (H1 ) liegt, da der Operator H beschr¨ankt ist. Damit haben wir alles gezeigt. q.e.d. Definition I.12.6. Der selbstadjungierte Operator H : DH → H besitzt ein diskretes Spektrum, wenn f¨ ur jedes beschr¨ ankte, halboffene, rechts abgeschlossene Intervall Θ0 := (a, b] ⊂ R mit den Grenzen −∞ < a < b < +∞ der zugeh¨ orige Spektralraum M(Θ0 ) gem¨ aß dim M(Θ0 ) < ∞ endlich-dimensional ist. Bemerkung: Der Operator H besitzt genau dann ein diskretes Spektrum, wenn die Inklusion σess (H) ⊂ {−∞, +∞} richtig ist. In diesem Falle gibt es nach dem Theorem I.12.3 abz¨ ahlbar viele Eigenwerte {λk }k∈N ⊂ R der Form |λ1 | ≤ |λ2 | ≤ |λ3 | ≤ . . . und |λk | → ∞ (k → ∞) mit einem zugeh¨origen vollst¨andig orthonormierten System von Eigenfunktionen {fk }k∈N ⊂ H, die H fk = λk fk , kfk k = 1 (k ∈ N) erf¨ ullen. Definition I.12.7. Zu einem nichtnegativen, selbstadjungierten Operator H : DH → H erkl¨ aren wir das Energiefunktional     = Hf, f EH : DH → R verm¨ oge EH (f ) := f, Hf H

H

Z

(I.12.23)

+∞ 2

λkd E(λ)f k ∈ [0, +∞)

= −∞

f¨ ur alle

f ∈ DH

114

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

unter Verwendung seiner Spektralschar {E(λ) : λ ∈ R} aus Theorem I.12.1.

Proposition I.12.3. (Rellichsches Auswahlkriterium) Der nichtnegative, selbstadjungierte Operator H : DH → H besitzt genau dann ein diskretes Spektrum, wenn jede Folge fk ∈ DH mit kfk k = 1 (k ∈ N), deren Energie gem¨ aß sup EH (fk ) < +∞ (I.12.24) k∈N

nach oben beschr¨ ankt bleibt, die Auswahl einer stark konvergenten Teilfolge erlaubt. Beweis: =⇒“: Der Operator H besitze ein diskretes Spektrum. Dann be” trachten wir Folgen {fk }k∈N ⊂ DH mit kfk k = 1 (k ∈ N) und (I.12.24). W¨ urden wir nun aus {fk }k∈N keine stark konvergente Teilfolge ausw¨ahlen k¨ onnen, so d¨ urfen f¨ ur jedes 0 < b < +∞ unendlich viele Glieder dieser Folge nicht in den Spektralraum M(Θb ) zum Intervall Θb := (0, b] fallen. Anderenfalls k¨onnten wir aus {fk }k∈N wegen dim M(Θb ) < ∞ eine stark konvergente Teilfolge ausw¨ahlen. Somit gibt es eine Teilfolge   {fkl }l∈N ⊂ {fk }k∈N mit lim fkl , Hfkl = +∞ . l→∞

H

Dieses steht im Widerspruch zu (I.12.24), und wir k¨onnen somit aus {fk }k∈N eine stark konvergente Teilfolge ausw¨ ahlen. ⇐=“: Wenn H kein diskretes Spektrum besitzen w¨ urde, so existiert ein be” schr¨anktes, halboffenes, nach oben abgeschlossenes Intervall Θ0 := (a, b] mit den endlichen Grenzen 0 ≤ a < b < +∞, so dass der zugeh¨orige Spektralraum dim M(Θ0 ) = ∞ erf¨ ullt. Nach dem Theorem I.12.3 gibt es ein orthonormier  tes System {fk }k∈N ⊂ M(Θ0 ), welches fk , fl = δk l (k, l ∈ N) gen¨ ugt. Mit H Hilfe des Spektralsatzes sch¨ atzen wir nun wie folgt ab: Z b   λ dkE(λ)fk k2 ≤ bkE(Θ0 )fk k2 = b f¨ ur alle k ∈ N . fk , Hfk = H

a

Somit erf¨ ullt die Folge {fk }k∈N die Bedingung (I.12.24) und erlaubt die Auswahl einer stark konvergenten Teilfolge. Dieses ist aber unm¨oglich, und das Spektrum von H ist notwendig diskret. q.e.d. Wir wenden nun unsere Ergebnisse auf die stabilen elliptischen Differentialoperatoren in beschr¨ ankten Gebieten mit Nullrandwerten aus § 2 und § 3 an. Theorem I.12.6. (Spektralsatz f¨ ur elliptische Differentialoperatoren) Auf dem beschr¨ ankten Gebiet Ω ⊂ Rn (n ≥ 3) seien die Voraussetzungen (I.2.8) sowie (I.2.9) in Definition I.2.1 an die Koeffizienten und die Stabilit¨ atsbedingung (I.2.11) f¨ ur den schwachen elliptischen Differentialoperator

§12 Der Spektralsatz selbstadjungierter Operatoren und ihr Spektrum n X

Lf (x) := −

  Dej aij (x)D ei f (x) + c(x)f (x)

f.¨ u. in

Ω,

115

f ∈ H1 (Ω)

i,j=1

auf seinem dichten Definitionsbereich H1 (Ω) := W01,2 (Ω) im Hilbertraum H(Ω) := L2 (Ω) erf¨ ullt. Dann gelten die folgenden Aussagen: i) Es gibt es eine eindeutig bestimmte Spektralschar EL (λ) = E(λ; L) , so dass die Spektraldarstellung Z +∞ λ d E(λ; L) f Lf =

−∞ < λ < +∞ ,

f¨ ur alle

f ∈ H1 (Ω)

(I.12.25)

−∞

richtig ist. ii) Im Spezialfall c(x) ≥ 0 f.¨ u. in Ω besitzt der elliptische Operator L ein diskretes Spektrum. iii) Im Sonderfall c(x) = 0 f.¨ u. in Ω f¨ ur den elliptischen Operator L kann die Spektraldarstellung (I.12.25) mittels direkter Variationsmethoden gem¨ aß der Darstellung (I.3.31) aus dem Theorem I.3.4 gewonnen werden. Beweis: 1.) Wir wenden den Spektralsatz aus Theorem I.12.1 auf den Operator L an, welcher nach dem Theorem I.2.2 eine selbstadjungierte Fortsetzung des klassischen eliptischen Operators L aus (I.2.1) in Divergenzform unter Nullrandbedingungen darstellt. Damit erhalten wir die Spektraldarstellung (I.12.25). 2.) Wir betrachten im Spezialfall M2 = 0 die Energieabsch¨atzung   EL (f ) = f, Lf H(Ω)



= f, − Z



= Ω

1 ≥ M0

n X



  Dej aij (x)D ei f (x) + c(x)f (x)

i,j=1 n X

H(Ω)

 aij (x)D ei f (x)D ej f (x) + c(x)|f (x)|2 dx

(I.12.26)

i,j=1 n X

Z Ω

 |Dei f (x)|2 dx

f¨ ur alle

f ∈ H1 (Ω) .

i=1

Eine Folge fk ∈ H1 (Ω), k = 1, 2, . . . mit kfk kH(Ω) = 1 (k ∈ N) und beschr¨ankter Energie sup EL (fk ) < +∞ besitzt nach der Ungleichung (I.12.26) k∈N

ein gleichm¨aßig beschr¨ anktes Dirichletsches Integral. Nach dem Rellichschen Auswahlsatz (siehe [S5] Chap. 10, Theorem 2.3 oder [S3], Kap. X, § 2, Satz 3) gibt es eine Teilfolge {fkl }l=1,2,... , welche im Hilbertraum H(Ω) stark konvergiert. Gem¨aß Proposition I.12.3 besitzt dann der Operator L ein diskretes Spektrum.

116

I Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren

cγ von Definition I.3.2 mit 3.) Wir betrachten den Subdifferentialoperator L der Gewichtsfunktion γ(x) = 1, ∀ x ∈ Ω und der Konstante M2 = 0. Dann k¨ onnen wir mit dem Beweis von Theorem I.3.4 gem¨aß der Darstellung (I.3.31) c1 die Spektraldarstellung (I.12.25) zeigen. f¨ ur L = L q.e.d.

II Spektraldarstellungen fu ¨ r Differential- und Integraloperatoren

In diesem Kapitel werden wir Anwendungen des Spektralsatzes selbstadjungierter Operatoren vorstellen. Zun¨ achst zeigen wir mit Hilfe der CayleyTransformation den Spektralsatz f¨ ur unit¨ are Operatoren. Dann behandeln wir die grundlegende Friedrichs-Fortsetzung f¨ ur halbbeschr¨ankte Hermitesche Operatoren im Hilbertraum. Weiter untersuchen wir das Spektrum von Laplace-Beltrami-Operatoren und vom Schwarz’schen Operator f¨ ur Minimalfl¨ achen. Die schwierige Frage nach der Selbstadjungiertheit von Schr¨odingeroperatoren steht im Zentrum dieses Kapitels. Schließlich betrachten wir beschr¨ankte und unbeschr¨ ankte, selbstadjungierte Integraloperatoren. Als Anhang stellen wir den Beweis des Spektralsatzes f¨ ur kompakte Hermitesche Operatoren im Hilbertraum dar.

§1 Die Cayley-Transformierten abgeschlossener Hermitescher Operatoren ¨ Nun kn¨ upfen wir an die Uberlegungen von § I.4 an und verwenden die gleichen Bezeichnungen. Wir gehen aus von einem abgeschlossenen Hermiteschen Operator H : DH → H, dessen adjungierter Operator H ∗ : DH ∗ → H nach der Bemerkung ii) zur Definition I.4.1 die Eigenschaft H ⊂ H ∗ besitzt. Nach dem Theorem I.4.4 sind die Wertebereiche WH±iE ⊂ H der Abbildungen ⊥ H ± iE : DH → H abgeschlossen. Dessen Orthogonalr¨aume WH±iE aus der Definition I.4.3 k¨onnen wir mittels Theorem I.4.1 wie folgt bestimmen n o ⊥ WH±iE = NH ∗ ∓iE = g ∈ DH ∗ : H ∗ g = ±ig . (II.1.1) Diese stellen die Defektr¨ aume mit den Defektindizes ⊥ δ± (H) := dim WH±iE = dim NH ∗ ∓iE

dar. Nach dem Theorem I.4.5 gilt die orthogonale Zerlegung © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 F. Sauvigny, Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren im Hilbertraum und elliptischer Differentialoperatoren, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58069-1_2

(II.1.2)

118

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren ⊥ ⊥ DH ∗ = WH−iE ⊕ DH ⊕ WH+iE

(II.1.3)

f¨ ur den Definitionsbereich DH ∗ des adjungierten Operators H ∗ . Definition II.1.1. Zum abgeschlossenen Hermiteschen Operator H : DH → H erkl¨ aren wir mit VH± := (H ∓ iE) ◦ (H ± iE)−1 : WH±iE → WH∓iE g = VH± f = (H ∓ iE) ◦ (H ± iE)−1 f

,

verm¨ oge (II.1.4)

f ∈ WH±iE

seine Cayley-Transformierten. Wir unterscheiden in diesem Abschnitt zwischen isometrischen Operatoren gem¨aß der Definition 5.1 in [S5] Chap. 8 oder der Definition 1 in [S3] Kap. VIII § 5, unter denen das innere Produkt im Hilbertraum H invariant bleibt und diese somit injektiv sind, sowie den unit¨ aren Operatoren gem¨aß der Definition 5.3 in [S5] Chap. 8 oder der Definition 2 in [S3] Kap. VIII § 5, welche isometrisch sind und den Bildbereich H besitzen. Theorem II.1.1. Es gelten die folgenden Aussagen: i) Die Cayley-Transformierten VH± abgeschlossener Hermitescher Operatoren H : DH → H stellen isometrische Operatoren dar und erf¨ ullen die Umkehrrelationen VH∓ ◦ VH± f = f

f¨ ur alle

f ∈ WH±iE .

(II.1.5)

VH±

Somit bildet jeweils eine isometrische Transformation von WH±iE auf WH∓iE dar mit der Inversen VH∓ . Ferner stellt 1 keinen Eigenwert der Operatoren VH± dar, sie besitzen also keinen Fixpunkt. ii) Falls der Operator H : DH → H selbstadjungiert ist, so stellen seine Cayley-Transformierten VH± : H → H unit¨ are Operatoren auf dem Hilbertraum H, welche nicht den Eigenwert 1 besitzen, mit den jeweiligen adjungierten Operatoren VH∓ : H → H dar. Beweis: 1.) Aus der Hermiteschen Eigenschaft von H berechnen wir die Identit¨ aten     Hg ±iEg, Hg 0 ±iEg 0 = Hg ∓iEg, Hg 0 ∓iEg 0 , ∀ g, g 0 ∈ DH . (II.1.6) H

H

In I.(II.1.6) setzen wir g = (H ∓ iE)−1 f

und

g 0 = (H ∓ iE)−1 f 0





mit

f, f 0 ∈ WH∓iE

ein und erhalten



VH∓ f , VH∓ f 0

H

=

(H ± iE) ◦ (H ∓ iE)−1 f , (H ± iE) ◦ (H ∓ iE)−1 f 0   f¨ ur alle f, f 0 ∈ WH∓iE . = f , f0 H

 H

(II.1.7)

§1 Die Cayley-Transformierten abgeschlossener Hermitescher Operatoren

119

Die Identit¨at (II.1.7) liefert die Isometrie der Operatoren VH∓ . Die Umkehrrelationen (II.1.5) erhalten wir aus den Gleichungen (II.1.4). 2.) W¨are f± ∈ WH±iE eine L¨ osung der Operatorgleichung VH± f± = 1 · f± . Wir w¨ahlen nun ein g± ∈ DH mit der Eigenschaft f± := Hg± ± iEg± = (H ± iE)g± ∈ WH±iE . Dann ist die folgende Identit¨ at erf¨ ullt: (H ±iE)g± = f± = VH± f± = (H ∓iE)◦(H ±iE)−1 ◦(H ±iE)g± = (H ∓iE)g± . Somit folgt 0 = (±iE − ∓iE)g± = ±2iEg±

und

g± = 0

sowie

f± = 0 .

Also tritt der Eigenwert 1 bei den Operatoren VH± nicht auf, und sie besitzen folglich auch keinen Fixpunkt. 3.) Nach der Identit¨ at (II.1.3) ist der Operator H genau dann selbstadjungiert, wenn die Defektindizes gem¨ aß δ+ (H) = 0 = δ− (H) verschwinden. Dann ⊥ = {0} sowie WH±iE = H , und die Cayley-Transformierten folgt WH±iE VH± : H → H operieren auf dem gesamten Hilbertraum. Sie stellen dort isometrische Operatoren dar, welche injektiv und auch surjektiv sind. Folglich besitzen diese beschr¨ ankten linearen Operatoren die Schranke 1 in der Operatornorm; obige Umkehrrelationen (II.1.5) zeigen, dass die Operatoren VH± zu den Operatoren VH∓ adjungiert sind. Somit sind die Operatoren VH± : H → H unit¨ar, sie besitzen nach 2.) allerdings 1 nicht als Eigenwert. q.e.d. Theorem II.1.2. Seien A± ⊂ H abgeschlossene Teilr¨ aume des Hilbertraums H und V± : A± → A∓ isometrische Operatoren mit den Umkehrrelationen V∓ ◦ V± f = f

f¨ ur alle

f ∈ A± ,

(II.1.8)

so dass der lineare Raum (E − V+ )(A+ ) in H dicht liegt. Dann stellt H := i(E + V+ ) ◦ (E − V+ )−1 : DH → H

(II.1.9)

einen abgeschlossenen Hermiteschen Operator auf seinem Definitionsbereich DH := (E − V+ )(A+ ) dar, und seine Cayley-Transformierten stimmen mit diesen Operatoren gem¨ aß VH± = V± (II.1.10) u ¨berein. Beweis: 1.) Zun¨ achst zeigen wir, dass die Abbildung (E − V+ ) : A+ → H injektiv ist. Hierzu sei ein Element g ∈ A+ mit (E − V+ )g = 0 beliebig gew¨ahlt. Es ist der Operator V+ isometrisch, und wir berechnen

120

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

       − g , V+ h = g, h = g , h − V+ h g , (E − V+ )h H H H H       = V+ g, V+ h − g , V+ h = V+ g − g, V+ h (II.1.11) H H H     = − (E − V+ )g, V+ h = − 0 , V+ h = 0 f¨ ur alle h ∈ A+ . 

H

H

Da (E − V+ )(A+ ) in H dicht liegt und A+ abgeschlossen ist, so erhalten wir g = 0 aus der Relation (II.1.11). Somit ist die Abbildung (E−V+ ) : A+ → DH bijektiv, und der inverse Operator (E − V+ )−1 : DH → A+ existiert. 2.) Nun k¨onnen wir die Abbildung (II.1.9) durch die Formeln f = g − V+ g = (E − V+ )g (II.1.12) Hf = i(g + V+ g) = i(E + V+ )g, f ∈ DH gewinnen. Mit Hilfe der Isometrie von V+ zeigen wir, dass der Operator H Hermitesch ist. Hierzu betrachten wir beliebige f, f 0 ∈ DH mit den gem¨aß (II.1.12) zugeh¨origen Elementen g, g 0 ∈ A+ und berechnen     n    o Hf, f 0 = i(g + V+ g), g 0 − V+ g 0 = −i V+ g, g 0 − g, V+ g 0 H



f, Hf 0



H



H

= g − V+ g, i(g 0 + V+ g 0 )



H

n

H



= i − V+ g, g 0



H



H

+ g, V+ g 0

Hieraus folgt der Hermitesche Charakter von H mit     f¨ ur alle f, f 0 ∈ DH . = f, Hf 0 Hf, f 0 H

H

 o H

.

(II.1.13)

3.) F¨ ur alle f ∈ DH mit den zugeh¨ origen g ∈ A+ gem¨aß den Formeln (II.1.12) erhalten wir (H + iE)f = Hf + if = 2ig, (II.1.14) (H − iE)f = Hf − if = 2iV+ g = V+ (2ig). Hieraus ermitteln wir V+ (2ig) = (H − iE)f = (H − iE) ◦ (H + iE)−1 (2ig) = VH+ (2ig)

f¨ ur alle

g ∈ A+

beziehungsweise

V+ = VH+ .

Weiter gilt VH− = (VH+ )−1 = (V+ )−1 = V− , und alles ist gezeigt.

(II.1.15) q.e.d.

Theorem II.1.3. In der Klasse der abgeschlossenen Hermiteschen Operatoren stellt H2 eine echte Erweiterung des Operators H1 genau dann dar, wenn (2) f¨ ur dessen Cayley-Transformierte der Operator V+ = VH+2 eine echte isome(1)

trische Erweiterung von V+ = VH+1 bildet.

§1 Die Cayley-Transformierten abgeschlossener Hermitescher Operatoren

121

Beweis: 1.) Seien nun Hj : DHj → H f¨ ur j = 1, 2 abgeschlossene Hermitesche Operatoren, so dass H2 eine echte Erweiterung von H1 im Sinne von H1 ⊂ H2 und H1 6= H2 darstellt. Dann stellt H2 ±iE eine echte Erweiterung von H1 ±iE dar. Folglich gen¨ ugen die Cayley-Transformierten VH±j := (Hj ∓ iE) ◦ (Hj ± iE)−1

f¨ ur

j = 1, 2

den Bedingungen VH±1 ⊂ VH±2 sowie VH±1 = 6 VH±2 . Also stellt VH±2 eine echte isometrische Erweiterung des isometrischen Operators VH±1 dar. (j)

(j)

(j)

2.) Sind nun V± : A± → A∓ mit den Umkehrrelationen (II.1.8) f¨ ur j = 1, 2 (2) isometrische Operatoren, so dass V+ eine echte isometrische Erweiterung (2) (1) (1) (2) (1) ugen die von V+ darstelle gem¨ aß V+ ⊂ V+ und V+ = 6 V+ . Dann gen¨ (j) (j) Definitionsbereiche DHj := (E − V+ )(A+ ) von den abgeschlossenen Hermiteschen Operatoren Hj aus obigem Theorem II.1.2 f¨ ur j = 1, 2 der Inklusion DH1 ⊂ DH2 . Weiter gilt wegen (II.1.9) f¨ ur alle f ∈ DH1 die folgende Identit¨at (1)

(1)

(2)

(2)

H1 f := i(E + V+ ) ◦ (E − V+ )−1 f = i(E + V+ ) ◦ (E − V+ )−1 f =: H2 f . Somit stellt H2 eine echte Erweiterung des abgeschlossenen Hermiteschen Operators H1 dar. q.e.d. Sei H : DH → H ein abgeschlossener Hermitescher Operator mit der isometrischen Cayley-Transformierten V := VH+ : WH+iE → WH−iE . Wir w¨ahlen nun in WH+iE ein vollst¨ andig orthonormiertes System   fk ∈ WH+iE (k ∈ N) mit fk , f l = δk l (k, l ∈ N) . (II.1.16) H

Dann bildet im abgeschlossenen Teilraum WH−iE die Folge gk := V fk ∈ WH−iE

(k ∈ N)

(II.1.17)

ein vollst¨andig orthonormiertes System. Jetzt setzen wir N := min{δ+ (H) , δ− (H)} ∈ N0 := N ∪ {0} als Minimum der Defektindizes. Dann w¨ ahlen wir orthonormierte Elemente   ⊥ = δk l (k, l = 1, . . . , N ) (II.1.18) fˆl ∈ WH+iE , l = 1, . . . , N mit fˆk , fˆl H

⊥ und orthonormierte Elemente im Orthogonalraum WH+iE   ⊥ gˆl ∈ WH−iE , l = 1, . . . , N mit gˆk , gˆl = δkl (k, l = 1, . . . , N ) (II.1.19) H

⊥ im Orthogonalraum WH−iE . Wir erkl¨ aren jetzt die linearen Teilr¨aume

122

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

A+ := WH+iE ⊕[fˆ1 ]⊕. . .⊕[fˆN ] und A− := WH−iE ⊕[ˆ g1 ]⊕. . .⊕[ˆ gN ]. (II.1.20) Dabei bezeichnet [f ] := {g ∈ H : g = cf, c ∈ C} den C-linearen Raum, welcher vom Element f aufgespannt wird. Nun setzen wir den unit¨ aren Operator V : WH+iE → WH−iE fort zum unit¨aren Operator Vˆ : A+ → A− mit der folgenden Vorschrift Vˆ fk = gk

(k ∈ N)

und

Vˆ fˆk = gˆk

(k = 1, . . . , N )

(II.1.21)

zwischen den obigen vollst¨ andigen Orthonormalsystemen in A+ und A− . Falls N > 0 erf¨ ullt ist, so erhalten wir eine echte isometrische Fortsetzung V ⊂ Vˆ mit V 6= Vˆ . Diese Fortsetzung h¨ angt offensichtlich von den gew¨ahlten Orthonormalsystemen {fˆl : l = 1, . . . , N } sowie {ˆ gl : l = 1, . . . , N } ab. Somit ist die Fortsetzung bis auf eine N -dimensionale unit¨are Tranformation bestimmt. Mit Theorem II.1.2 gehen wir zum abgeschlossenen Hermiteschen Operator ˆ := i(E + Vˆ ) ◦ (E − Vˆ )−1 : D ˆ → H H H

mit

DHˆ := (E − Vˆ )(A+ ) (II.1.22)

ˆ eine echte Erweiterung als Definitionsbereich u ¨ber. Dann erhalten wir in H des Operators H, welche maximal ist im folgenden Sinne: ˆ ⊃ H eines abgeschlossenen HermiDefinition II.1.2. Eine Erweiterung H teschen Operators H : DH → H nennen wir eine maximale Fortsetzung des b ⊃H ˆ die Gleichheit H b =H ˆ erf¨ Operators H, wenn jede Erweiterung H ullt. Wir erhalten schließlich den folgenden Theorem II.1.4. (Maximale Fortsetzung Hermitescher Operatoren) Ein abgeschlossener Hermitescher Operator H : DH → H besitzt genau dann echte abgeschlossene Hermitesche Erweiterungen, wenn beide Defektindizes δ± (H) nicht verschwinden. Der Operator H besitzt eine selbstadjungierte Fortˆ genau dann, wenn die Defektindizes gem¨ setzung H aß δ+ (H) = δ− (H) u ¨bereinstimmen. Falls δ+ (H) 6= δ− (H) gilt, so besitzt der Operator H eine maxiˆ welche nicht selbstadjungiert ist. male Fortsetzung H, Beweis: 1.) Wenn δ+ (H) = δ− (H) gilt, so ist A+ = H = A− erf¨ ullt. Die ˆ : H → H besitzt die Defektindizes Fortsetzung H ˆ = δ+ (H) − N = 0 = δ− (H) − N = δ− (H) ˆ , δ+ (H) und sie ist somit selbstadjungiert. 2.) Wenn δ+ (H) 6= δ− (H) gilt, sei ohne Einschr¨ankung δ+ (H) < δ− (H) erf¨ ullt. Dann liefert die obige Fortsetzung ˆ = δ+ (H) − N = 0 < δ− (H) − N = δ− (H) ˆ . δ+ (H) Dieses stellt eine maximale Fortsetzung des Operators H dar, aber eine selbstadjungierte Fortsetzung ist unm¨ oglich. q.e.d.

§1 Die Cayley-Transformierten abgeschlossener Hermitescher Operatoren

123

Beispiel II.1.1. (Nicht selbstadjungiert fortsetzbarer, abgeschlossener Hermitescher Operator) Wir w¨ahlen ein vollst¨ andig orthonormiertes System von Elementen {fk ∈ H : k ∈ N} im Hilbertraum H und betrachten den Shiftoperator V:H→H V (f ) :=

∞ X

ck fk+1

verm¨ oge ∞ X f¨ ur alle f = ck fk ∈ H .

k=1

(II.1.23)

k=1

Offenbar stimmt der Bildraum V (H) mit dem abgeschlossenen Teilraum n   o A := g ∈ H : f1 , g =0 H

u ullt ¨berein, und sein orthogonales Komplement erf¨ V (H)⊥ = [f1 ] = A⊥ . Ferner erkl¨aren wir den Operator V ‘: H → H verm¨ oge ∞ ∞ X X dk+1 fk f¨ ur alle g = V ‘ (g) := dk f k ∈ H k=1

(II.1.24)

k=1

mit der Eigenschaft V ‘ ◦ V = E. Leicht ermitteln wir die Identit¨at 

f¨ ur alle

V f, g f=

 H

∞ X

=

∞ X

  ck · dk+1 = f, V ‘ g

k=1

c k fk ∈ H

und

H

H

(II.1.25) dk fk ∈ H.

k=1

k=1

Somit liefert (II.1.25) die Identit¨ at     = f ,V ‘ ◦ V g V f ,V g

g=

∞ X

H

  = f ,E g

H

f¨ ur alle

  = f,g

H

(II.1.26)

f, g ∈ H .

Somit ist der Operator V : H → H isometrisch; aber V ist aber weder surjektiv noch unit¨ar. Wir ben¨ otigen die folgende Zwischenbehauptung: Die Abbildung (E − V ) : H → H ist injektiv, und ihr Wertebereich (E − V )(H) liegt dicht in H. Beweis: 1.) Zun¨achst folgern wir aus 0 = (E − V )f =

∞ X k=1

(ck+1 − ck )fk+1 + c1 f1

f¨ ur

f=

∞ X k=1

ck fk ∈ H (II.1.27)

124

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

die Identit¨aten c1 = 0 sowie ck+1 = ck f¨ ur alle k ∈ N. Also ergibt sich f = 0, und die lineare Abbildung E − V ist injektiv. 2.) Um die Dichtheit (E − V )(H) = H zu zeigen, weisen wir die Identit¨at h

(E − V )(H)

i⊥

= {0}

f¨ ur den Orthogonalraum des Bildes nach. Sei also g=

∞ X

h i⊥ dk fk ∈ (E − V )(H)

k=1

beliebig gew¨ahlt. Dann liefert die Identit¨ at (II.1.25) die folgende Aussage:       0 = (E − V )f, g = f, g − V f, g H H H       ‘ ‘ = f, g − V g − f, V g = f, g (II.1.28) H H H ∞  X  = f, (dk − dk+1 )fk f¨ ur alle f ∈ H . H

k=1

Dann folgt

∞ X

(dk − dk+1 )fk = 0 und somit dk+1 = dk , ∀k ∈ N beziehungs-

k=1

weise dk = d f¨ ur alle k ∈ N mit einer Konstante d ∈ C. Da nun die Bedingung 

g, g

 H

=

∞ X k=1

dk fk ,

∞ X l=1

dl f l

 H

=

∞ X k=1

|dk |2 =

∞ X

|d|2 < +∞

(II.1.29)

k=1

erf¨ ullt ist, so muss dk = d = 0 f¨ ur alle k ∈ N richtig sein. Somit ist g = 0 gezeigt worden, und die Zwischenbehauptung vollst¨andig bewiesen. q.e.d. Mit dem Hermiteschen Operator H := i(E +V )◦(E −V )−1 gem¨aß dem Theorem II.1.2 erhalten wir einen abgeschlossenen Operator mit den Defektindizes δ+ (H) = 0 und δ− (H) = 1 aus Theorem II.1.3. Dieser Operator ist gem¨ass Theorem II.1.4 maximal fortgesetzt, besitzt aber keine selbstadjungierte Erweiterung.

§2 Der Spektralsatz f¨ ur unit¨ are Operatoren

125

§2 Der Spektralsatz fu are Operatoren ¨ r unit¨ Wir nutzen jetzt die Cayley-Transformation aus der Definition II.1.1, um f¨ ur unit¨are Operatoren mit einem Spektrum, welches den punktierten Einheitskreis n o S 1 \ {1} := z ∈ C : |z| = 1, z 6= 1 (II.2.1) einfach u ¨berlagert, eine Spektraldarstellung herzuleiten. Theorem II.2.1. (Spektralsatz unit¨ arer Operatoren ohne Fixpunkt) Im separablen Hilbertraum H sei mit V : H → H ein unit¨ arer Operator gegeben, welcher 1 nicht als Eigenwert besitzt bzw. dessen Nullraum NE−V := {f ∈ H : (E − V )f = 0} die Bedingung NE−V = {0} erf¨ ullt. Dann gibt es eine Spektralschar {E(λ) : λ ∈ R} gem¨ aß der Definition I.6.1, so dass die Operatoridentit¨ at Z +∞ λ−i d E(λ) f f¨ ur alle f ∈ H (II.2.2) Vf= −∞ λ + i erf¨ ullt ist. Dabei stellt G : R → S 1 \ {1}

mit

G(λ) :=

λ−i , λ+i

λ∈R

(II.2.3)

eine topologische Abbildung von der reellen Achse auf den punktierten Einheitskreis dar. Beweis: 1.) Wir berechnen f¨ ur den Operator V : H → H zun¨achst den Orthogonalraum h i⊥ (E − V )(H) n   = g ∈ H : g , (E − V )f n



= g ∈ H: g , f n





= g ∈ H : V g, V f

H

= 0, ∀f ∈ H



H

= g,V f





H

 H

= g,V f

n   = g ∈ H : (E − V )g , V f

H

n

o

, ∀f ∈ H

 H

o

, ∀f ∈ H

= 0, ∀f ∈ H

= g ∈ H : (E − V )g = 0

o

(II.2.4)

o

o

= NE−V = {0} . Hierbei benutzen wir die Voraussetzung, dass der Operator V unit¨ar ist und den Eigenwert 1 nicht besitzt. Wegen (II.2.4) liegt der lineare Raum (E − V )(H) im Hilbertraum H dicht.

126

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

2.) Wir k¨onnen nun das Theorem II.1.2 in der Situation A+ = H = A− sowie V+ = V, V− = V ∗ anwenden. Folglich bildet H := i(E + V ) ◦ (E − V )−1 : DH → H

mit dem (II.2.5)

in H dichten Definitionsbereich DH := (E − V )(H) einen abgeschlossenen Hermiteschen Operator, und gem¨aß VH+ = V stimmt seine Cayley-Transformierte mit dem Operator V u ¨berein. Da V maximal auf H fortgesetzt ist in der Klasse der isometrischen Operatoren und seine Defektindizes verschwinden, so ist dieses auch f¨ ur den Operator H in der Klasse der Hermiteschen Operatoren nach Theorem II.1.3 und Theorem II.1.4 der Fall. Also ist der Operator H : DH → H selbstadjungiert. 3.) Wir wenden nun den Spektralsatz aus Theorem I.12.1 f¨ ur selbstadjungierte Operatoren an. Dann erhalten wir eine Spektralschar {E(λ), λ ∈ R} gem¨aß der Definition I.6.1, so dass die folgende Darstellung Z +∞ Hf = λ d E(λ) f f¨ ur alle f ∈ DH (II.2.6) −∞

richtig ist. Zusammen mit der Definition II.1.1 folgt Z +∞ λ−i d E(λ)f, f ∈ DH . V f = VH+ f = (H − iE) ◦ (H + iE)−1 f = −∞ λ + i (II.2.7) 4.) Wir betrachten schließlich die M¨ obiustransformation G: C → C

definiert durch

G(α) :=

α−i , α = λ + iβ ∈ C \ {−i} (II.2.8) α+i

und berechnen die Bildpunkte G(0) = −1 ∈ S 1 , G(∞) = +1 ∈ S 1 , G(1) =

1−i ∈ S 1 \ {1} . 1+i

(II.2.9)

M¨ obiustransformationen bilden Kreise und Geraden in Kreise und Geraden ab, wobei in der erweiterten komplexen Ebene C die Geraden als Kreise u ¨ber den unendlich fernen Punkt ∞ anzusehen sind. Die Identit¨aten (II.2.9) liefern G : R → S 1 \ {1} somit als topologische Abbildung. q.e.d. Bemerkung: Man kann gleichwertig zum Theorem I.12.1 den Spektralsatz auch f¨ ur unit¨are Operatoren ohne Fixpunkt beweisen und hieraus den Spektralsatz f¨ ur die unbeschr¨ ankten selbstadjungierten Operatoren herleiten. Dieser Weg wird beschritten in den Kapiteln VIII und IX der interessanten Einf¨ uhrung in die Funktionalanalysis [HS] von F. Hirzebruch und W. Scharlau. Allerdings

§2 Der Spektralsatz f¨ ur unit¨ are Operatoren

127

sind die gew¨ohnlichen und partiellen Differentialoperatoren in der Geometrie und der Physik oft unbeschr¨ ankt und u ¨blicherweise Hermitesch. Somit ¨ erscheint uns der Ubergang zu unit¨ aren Operatoren nicht sehr hilfreich. Wir wollen nun eine Spektraldarstellung f¨ ur beliebige unit¨are Operatoren herleiten, deren jeweiliges Spektrum den Einheitskreis S 1 := {w ∈ C : |w| = 1} ¨ unendlich u ¨berlagert. Hierzu verwenden wir die universelle Uberlagerungsfl¨ ache U aus § 5 in Kapitel III des Lehrbuchs [S1] u ¨ber Analysis als zusammenh¨angenden topologischen Raum. Hierin wird jeder Punkt U 3 w = w(R, Φ) eindeutig durch universelle Polarkoordinaten charakterisiert, n¨amlich den Radius 0 < R < +∞ und den universellen Winkel −∞ < Φ < +∞. Wir k¨ onnen jedem Punkt w = w(R, Φ) den konjugierten Punkt w = w(R, −Φ) ∈ U zuordnen. Je zwei Punkte w1 , w2 ∈ U sind durch das ∗-Produkt w1 ∗w2 ∈ U miteinander verkn¨ upft. In U besitzen die einzelnen Bl¨ atter Uk die Winkel −π < ϕ ≤ +π, und die Schlitze Sk stellen die stetige Begrenzung von Uk zum maximalen Winkel ϕ = +π f¨ ur alle k ∈ Z dar. Der Punkt (1, 0) ∈ U0 repr¨asentiert das neutrale Element bez¨ uglich der Multiplikation ∗ auf U. Wir f¨ uhren nun f¨ ur R = 1 auf U den universellen Einheitskreis n   o S1 := w = (w, k) = exp(iϕ), k ∈ C×Z : −π < ϕ ≤ +π, k ∈ Z (II.2.10) ein. Die gelifteten Einheitskreise n  o S 1 ∩ Uk = exp(iϕ), k ∈ C × Z : − π < ϕ ≤ +π auf den Bl¨attern Uk mit den Sprungpunkten (−1, k) ∈ S1 ∩ Sk und k ∈ Z ¨ werden durch die offenen Mengen in der Uberlagerungsfl¨ ache U miteinander verheftet. Diese konstituieren den zusammenh¨ angenden universellen Einheitskreis wie folgt: o [n S1 = S 1 ∩ Uk . (II.2.11) k∈Z

Insbesondere gilt im universellen Einheitskreis die folgende Identit¨at w ∗ w = (1, 0)

f¨ ur alle

w ∈ S1 .

(II.2.12)

Nun schr¨anken wir die universelle Projektionsabbildung σ : U → C \ {0} auf den universellen Einheitskreis ein und erhalten die Einheitsprojektion o [n P : S1 → S 1 verm¨ oge S1 ∩ Uk 3 (w, k) 7→ P(w, k) := w ∈ S 1 . k∈Z

(II.2.13)

128

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Dann betrachten wir die geliftete Exponentialfunktion aus Definition 2 in [S1] Kap. III § 6 auf der imagin¨ aren Achse, und wir erhalten Exp : i R → S1 ist eine topologische Abbildung   Exp(iλ) := exp(iλ), [[λ]] , λ ∈ R mit der Z-Funktion [[λ]] = k, falls

− π + 2πk < λ ≤ +π + 2πk

(II.2.14)

gilt mit eindeutigem k ∈ Z .

¨ Schließlich verwenden wir die universelle Logarithmusfunktion auf der Uberlagerungsfl¨ache U als Umkehrfunktion der gelifteten Exponentialfunktion. Speziell auf dem universellen Einheitskreis erhalten wir Log : S1 → i R ist eine topologische Abbildung     Log exp(iϕ), k := (ϕ + 2πk) i f¨ ur exp(iϕ), k ∈ S1 ∩ Uk

(II.2.15)

mit eindeutigem Winkel − π < ϕ ≤ +π sowie dem Index k ∈ Z . Auf dem universellen Einheitskreis haben wir die nat¨ urliche Anordnung w1 ≤ w2

⇐⇒

−iLog w1 ≤ −iLog w2

f¨ ur

w1 , w2 ∈ S 1

und die nat¨ urliche Distanz kw1 − w2 kS1 := |Log w1 − Log w2 |

f¨ ur

w1 , w2 ∈ S 1 .

Auf dem universellen Einheitskreis S1 erkl¨ aren wir die eigentliche Konvergenz {wl }l=1,2,... ⊂ S1 erf¨ ullt lim wl = w0 ∈ S1 ⇐⇒ kwl − w0 kS1 → 0 (l → ∞) l→∞

sowie die uneigentliche Konvergenz wl = (wl , kl ) ∈ S1 (l = 1, 2, . . .) erf¨ ullt lim wl = ±∞ ⇐⇒ lim kl = ±∞ . l→∞

l→∞

Analog zur Definition I.6.1 erkl¨ aren wir Definition II.2.1. Sei die Schar der Projektoren E(w) : H → H, w ∈ S1 mit den abgeschlossenen Projektionsr¨ aumen M(w) := {E(w)f : f ∈ H} gegeben. Es gelte die Monotoniebedingung E(w1 ) ◦ E(w2 ) = E(w1 ) = E(w2 ) ◦ E(w1 ) f¨ ur alle

w1 , w2 ∈ S 1

(II.2.16) mit

w1 ≤ w2 ,

und die Stetigkeit von oben gem¨ aß der schwachen Konvergenz sei erf¨ ullt: ^ lim

w→w0 , w>w0

E(w) = E(w0 )

f¨ ur alle

w0 ∈ S 1

beziehungsweise

E(w)f * E(w0 )f (w → w0 , w > w0 ) f¨ ur alle w0 ∈ S1 , ∀ f ∈ H.

(II.2.17)

§2 Der Spektralsatz f¨ ur unit¨ are Operatoren

129

Schließlich gelten die asymptotischen Bedingungen ^ lim E(w) = 0 =: E(−∞)

beziehungsweise

w→−∞

(II.2.18)

E(w)f * 0 =: E(−∞)f

(w → −∞)

f¨ ur alle

f ∈H

sowie ^ lim E(w) = E =: E(+∞)

λ→+∞

beziehungsweise (II.2.19)

E(w)f * f = E f

(w → +∞)

f¨ ur alle

f ∈ H.

Dann nennen wir {E(w) : w ∈ S1 } eine universelle Spektralschar. Innerhalb der Klasse der stetigen Funktionen vom universellen Einheitskreis in sich F = F(w) : S1 → S1 ∈ C 0 (S1 , S1 ) k¨ onnen wir folgendermaßen eine Multiplikation definieren: F ∗ G ∈ C 0 (S1 , S1 ) verm¨ oge [F ∗ G](w) := F(w) ∗ G(w), w ∈ S1 f¨ ur alle Funktionen

F, G ∈ C 0 (S1 , S1 ) .

(II.2.20)

Durch Konjugation ist jede Funktion F ∈ C 0 (S1 , S1 ) durch F ∈ C 0 (S1 , S1 ) invertierbar. Genauer erhalten wir F ∗ F(w) = F(w) ∗ F(w) = (1, 0), w ∈ S1

F ∈ C 0 (S1 , S1 ) (II.2.21) wegen der Identit¨ at (II.2.12). Weiter ist die Multiplikation mit der Einheitsprojektion wie folgt vertr¨ aglich: P ◦ (F ∗ G) = (P ◦ F) · (P ◦ G)

f¨ ur alle

f¨ ur alle

F, G ∈ C 0 (S1 , S1 ) .

(II.2.22)

Die Kombination von (II.2.21) und (II.2.22) liefert die Identit¨at [P ◦ F ] · [P ◦ F ](w) = 1, w ∈ S1

f¨ ur alle

F ∈ C 0 (S1 , S1 ) .

(II.2.23)

Wir wollen nun ein Riemann-Stieltjes-Integral f¨ ur universelle Spektralscharen definieren. Zu einer Zerlegung von S1 gem¨ aß Z : −∞ = z0 < z1 < z2 < . . . < zn−1 < zn = +∞, n = n(Z) ∈ N (II.2.24) w¨ ahlen wir die Zwischenwerte wj ∈ S1 mit der Eigenschaft Λ : z0 < w1 < z1 < w2 < z2 < . . . < zn−1 < wn < zn , welche wir zum Vektor Λ := {wj }j=1,...,n(Z) zusammenfassen.

(II.2.25)

130

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Definition II.2.2. Bei gegebener universeller Spektralschar {E(w) : w ∈ S1 } erkl¨ aren wir f¨ ur beliebige Zerlegungen Z von S1 und entsprechenden Zwischenwerten Λ die universelle Riemann-Stieltjes-Operatorsumme n(Z)

X

R(E(.), F, Z, Λ) :=

  P ◦ F(wj ) · E(zj ) − E(zj−1 ) .

(II.2.26)

j=1

zu den Funktionen F ∈ C 0 (S1 , S1 ).

Definition II.2.3. Wir betrachten eine Folge von Zerlegungen der universellen Kreislinie S1 gem¨ aß (k)

(k)

(k)

(k)

= +∞ Z(k) : −∞ = z0 < z1 < z2 < . . . < zn−1 < zn(k) k

(II.2.27)

mit nk = n(Z (k) ) ∈ N f¨ ur k = 1, 2, 3, . . . . Weiter erf¨ ullen die L¨ angen (k)

(k)

(k)

− zj−1 kS1

f¨ ur

j = 2, . . . , n(k) − 1

die Feinheitsbedingung n o (k) max δj : j = 2, . . . , n(k) − 1



0

δj

:= kzj

f¨ ur

k → ∞.

(II.2.28)

Schließlich fordern wir die asymptotische Bedingung (k)

lim z1 = −∞

und

k→∞

(k) lim z (k) k→∞ n −1

= +∞ .

(II.2.29)

Dann nennen wir {Z(k) }k=1,2,... eine ausgezeichnete Zerlegungsfolge von S1 . Ebenso wie das Theorem I.6.4 zeigt man das Theorem II.2.2. Sei eine Funktion F ∈ C 0 (S1 , S1 ) gegeben. Dann konvergiert f¨ ur jede ausgezeichnete Zerlegungsfolge Z(k) , k = 1, 2, . . . von S1 mit (k) den entsprechenden Zwischenwerten Λ(k) := {wj }j=1,...,n(k) die Folge der Operatoren R(E(.), F, Z

(k)



(k)

) :=

(k) n X

  (k) (k) (k) P ◦ F(wj ) E(zj ) − E(zj−1 ) , k = 1, 2, . . .

j=1

(II.2.30) gegen den beschr¨ ankten linearen Operator Z P ◦ F(w)d E(w) lim R(E(.), F, Z(k) , Λ(k) ) =: k→∞

in der Operatornorm.

S1

(II.2.31)

§2 Der Spektralsatz f¨ ur unit¨ are Operatoren

131

Definition II.2.4. Das in der Formel (II.2.31) von Theorem II.2.2 auftretende Integral sprechen wir als universelles Riemann-Stieltjes-Integral der Funktion F ∈ C 0 (S1 , S1 ) u ¨ber die Spektralschar {E(w) : w ∈ S1 } an.

Beispiel II.2.1. F¨ ur ein festes Element w0 ∈ S1 betrachten wir die Funktion F0 (w) := w0 , w ∈ S1 . Dann erhalten wir als universelles Riemann-StieltjesIntegral Z P ◦ F0 (w)d E(w) = exp(iϕ) · E

(II.2.32)

S1

eine Drehung um den Winkel ϕ, welcher dem Argument von P(w0 ) ∈ S 1 entspricht.

Proposition II.2.1. F¨ ur beliebige Funktionen F, G ∈ C 0 (S1 , S1 ) gilt folgende Operatoridentit¨ at Z i Z i hZ h   P ◦ F(w)dE(w) = P ◦ G(w)dE(w) ◦ P ◦ G ∗ F (w)dE(w). S1

S1

S1

Beweis: Hierzu gehen wir wie im Beweis zu Theorem I.6.5 ii) auf die RiemannStieltjes-Summen (II.2.26) zur¨ uck und studieren den Grenz¨ ubergang f¨ ur eine ausgezeichnete Zerlegungsfolge. q.e.d. Proposition II.2.2. F¨ ur beliebige Funktionen F ∈ C 0 (S1 , S1 ) haben wir i   hZ i  h Z P ◦ F(w)dE(w) f = g, P ◦ F(w)dE(w) g, f H

S1

Z



P ◦ F(w) d g , E(w)f

= S1

H

S1

 H

f¨ ur alle

f, g ∈ H .

Beweis: Wie im Beweis von Theorem I.6.6 verwenden wir die RiemannStieltjes-Summen (II.2.26) und gehen f¨ ur eine ausgezeichnete Zerlegungsfolge in S1 zur Grenze u q.e.d. ¨ber. Theorem II.2.3. F¨ ur beliebige Funktionen F ∈ C 0 (S1 , S1 ) ist der Operator Z P ◦ F(w)dE(w) W (F, E) := S1

auf dem Hilbertraum H isometrisch. Beweis: Mit Hilfe von Proposition II.2.1 und II.2.2 zeigen wir

132

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

h Z

i

P ◦ F(w)dE(w) g ,

hZ

S1



= g,

S1

hZ

i hZ P ◦ F(w)dE(w) ◦ S1



= g,

hZ

i  P ◦ F(w)dE(w) f

S1

i  P ◦ F ∗ F (w) dE(w) f S1



= g , Ef









 H

= g, f

 H

H

i  P ◦ F(w)dE(w) f

H

= g,

hZ

i  1 dE(w) f S1

f¨ ur alle

H

H

f, g ∈ H .

Somit ist der Operator W (F, E) : H → H isometrisch.

q.e.d.

Beispiel II.2.2. F¨ ur die Identit¨ atsfunktion F1 (w) := w, w ∈ S1 erhalten wir als universelles Riemann-Stieltjes-Integral Z Z P(w) d E(w) (II.2.33) P ◦ F1 (w) d E(w) = W (F1 , E) = S1

S1

einen unit¨aren Operator W (F1 , E) : H → H auf dem Hilbertraum H .

Definition II.2.5. Ein Operator U geh¨ ort zur unit¨ aren Gruppe U (H) genau dann, wenn es es eine stetige Schar {U (s) : 0 ≤ s ≤ 1} unit¨ arer Operatoren auf dem Hilbertraum H mit U (0) = E und U (1) = U gibt. Dabei k¨ onnen wir in der Klasse der unit¨ aren Operatoren die Operatorennorm verwenden. e ∈ U (H) verkn¨ e ∈ U (H) , Bemerkung: Zwei Operatoren U, U upfen wir zu U ◦ U e da die stetige Schar unit¨ arer Operatoren {U (s) ◦ U (s) : 0 ≤ s ≤ 1} gem¨aß e (0) = E und U (1) ◦ U e (1) = U ◦ U e den Operator U ◦ U e mit dem U (0) ◦ U Identit¨atsoperator E verbindet. Der Operator E bildet das neutrale Element dieser Gruppe. Mit dem Operator U ∗ erhalten wir zu U ∈ U (H) das inverse Element, welches durch unit¨ are Operatoren stetig mit E durch den Weg {U ∗ (s) : 0 ≤ s ≤ 1} verbunden werden kann – und somit in U (H) liegt. Proposition II.2.3. (Liftung unit¨ arer Operatoren) Zum unit¨ aren Operator U ∈ U (H) im Hilbertraum H gibt es einen selbstadjungierten Operator H : DH → H auf einem dichten Teilraum DH ⊂ H, so dass die folgende Darstellung U f = exp(iH)f = g¨ ultig ist.

∞ hX i 1 (iH)j f, f ∈ DH j! j=0

§2 Der Spektralsatz f¨ ur unit¨ are Operatoren

133

Beweis: 1.) Da U ∈ U (H) erf¨ ullt ist, so gibt es eine Schar unit¨arer Operatoren {U (s) : 0 ≤ s ≤ 1} gem¨ aß der Definition II.2.5. 2.) Wir nehmen nun an, dass wir f¨ ur den Parameter s0 ∈ [0, 1] mit dem unit¨aren Operator U0 := U (s0 ) bereits einen selbstadjungierten Operator H0 : D0 → H mit U0 = exp(iH0 ) gefunden haben. Wir w¨ahlen nun ε0 > 0 so klein, dass kU (s) − U0 k < 1

f¨ ur alle

0≤s≤1

mit

|s − s0 | < ε

(II.2.34)

erf¨ ullt ist. Mit Hilfe der komplexen Logarithmusreihe (siehe Satz 3 in § 6 von [S1] Kapitel III) erkl¨ aren wir nun die Operatoren H(s) durch iH(s) − iH0 =

∞ l+1 X (−1)l −l−1  U (s) − U0 U0 l+1

(II.2.35)

l=0

f¨ ur alle

0≤s≤1

mit

|s − s0 | < ε .

Die angegebene Reihe ist wegen (II.2.34) konvergent, und alle Operatoren H(s), s0 − 0 < s < s0 + 0 sind selbstadjungiert. Die obige Konstruktion liefert sofort die Identit¨ at U (s) = exp(iH(s))

f¨ ur alle

0≤s≤1

mit

|s − s0 | < ε .

(II.2.36)

3.) Wir betrachten die folgende Menge n Σ := s ∈ [0, 1] Es existiert ein selbstadjungierter Operator H(s) o mit der Eigenschaft U (s) = exp(iH(s)) . (II.2.37) Offenbar ist s = 0 ∈ Σ wegen exp(i0) = E erf¨ ullt, und folglich ist die Menge ¨ Σ nicht leer. Nach obigen Uberlegungen ist weiterhin die Menge Σ offen, und man zeigt deren Abgeschlossenheit. Somit ist Σ = [0, 1] richtig, und zu U = U (1) gibt es ein H = H(1) mit U = U (1) = exp(iH(1)) = exp(iH) . q.e.d. Theorem II.2.4. (Spektralsatz f¨ ur unit¨ are Operatoren) F¨ ur jeden unit¨ aren Operator U ∈ U (H) gibt es eine universelle Spektralschar {E(w) : w ∈ S1 } gem¨ aß der Definition II.2.1, so dass die Spektraldarstellung "Z # "Z # Uf =

P◦F1 (w) d E(w) f = S1

P(w) d E(w) f ,

f ∈ H (II.2.38)

S1

richtig ist. Beweis: 1.) Zum unit¨ aren Operator U ∈ U (H) haben wir nach Proposition II.2.3 einen selbstadjungierten Operator H : DH → H auf dem dichten Definitionsbereich DH ⊂ H, so dass die Exponentialdarstellung

134

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

U f = exp(i H) f = lim

k→∞

k i hX 1 (i H)j f = lim Hk f , k→∞ j! j=0

f ∈ DH (II.2.39)

mit den approximativen Operatoren Hk f :=

k i hX 1 (i H)j f , j! j=0

f ∈ DH

(k = 1, 2, . . .)

(II.2.40)

richtig ist. 2.) Nach dem Theorem I.12.1 gibt es eine Spektralschar {E(λ) : λ ∈ R}, so dass die Spektraldarstellung i h Z +∞ λ d E(λ) f f¨ ur alle f ∈ DH (II.2.41) Hf = −∞

gilt. Die Kombination von (II.2.40) und (II.2.41) liefert +∞

Z Hk f =

−∞

k hX 1 j ji i λ d E(λ)f , j! j=0

f ∈ DH

(k = 1, 2, . . .)

(II.2.42)

Mit dem Lebesgueschen Konvergenzsatz vollziehen wir den Grenz¨ ubergang U f = lim Hk f = lim k→∞

=

hZ

k→∞

+∞

Z

−∞

+∞

i

exp(iλ) d E(λ) f

k hX  1 j ji i λ d E(λ) f j! j=0

f¨ ur alle

(II.2.43)

f ∈ DH .

−∞

3.) Wir setzen als universelle Spektralschar E(w) := E(−iLogw) ,

w ∈ S1

(II.2.44)

und erhalten aus (II.2.43) die Darstellung Uf =

hZ

+∞

   i P Exp(iλ) d E Exp(iλ) f

−∞

=

hZ

(II.2.45) i

P(w) d E(w) f

f¨ ur alle

f ∈ DH .

S1

Da die Operatoren in (II.2.45) beschr¨ ankt sind, so liefert diese Identit¨at die gew¨ unschte Spektraldarstellung (II.2.38) f¨ ur unit¨are Operatoren. q.e.d.

§3 Die zeitabh¨ angige Schr¨ odingergleichung

135

§3 Die zeitabh¨ angige Schr¨ odingergleichung Mit den Methoden aus § 2 beweisen wir das zentrale Theorem II.3.1. (Die zeitabh¨ angige Schr¨ odingergleichung) Sei der selbstadjungierte Operator H : DH → H auf dem dichten Definitionsbereich DH im separablen Hilbertraum H mit der zugeh¨ origen Spektralschar {E(λ) : λ ∈ R} gem¨ aß dem Theorem I.11.4 gegeben. Dann liefert die Schar unit¨ arer Operatoren Z +∞ exp(iλ t) d E(λ) : H → H f¨ ur alle 0 ≤ t < +∞ (II.3.1) U (t) := −∞

eine L¨ osung des Anfangswertproblems d U (t)f = i H ◦ U (t)f , dt

f ∈ U (t)∗ (DH ) ,

0 ≤ t < +∞

und

(II.3.2)

U (0) = E

f¨ ur die zeitabh¨ angige Schr¨ odingergleichung. Dabei wird die Ableitung mittels schwacher Konvergenz im Hilbertraum H wie folgt gebildet: U (t + s) − U (t) d ^ U (t + s) , 0 ≤ t ≤ 1. := lim ds s s→0, t+s∈[0,1] s=0 Wir k¨ onnen diese Schar {U (t) : H → H, 0 ≤ t < +∞} unit¨ arer Operatoren auf den gegebenen Hilbertraum H fortsetzen. Beweis: 1.) Wir betrachten f¨ ur beliebiges 0 ≤ t < +∞ den unit¨aren Operator k hX i 1 (itH)j f = lim Hk (t)f, f ∈ DH k→∞ k→∞ j! j=0

U (t)f := exp(itH)f = lim

(II.3.3) mit den approximativen Operatoren Hk (t)f :=

k i hX 1 (i t H)j f , j! j=0

f ∈ DH

(k = 1, 2, . . .) .

Nach dem Theorem I.12.1 gilt die Spektraldarstellung i h Z +∞ λ d E(λ) f f¨ ur alle f ∈ DH . Hf =

(II.3.4)

(II.3.5)

−∞

Die Kombination von (II.3.4) und (II.3.5) liefert Z

+∞

Hk (t)f = −∞

k hX 1 j j ji i t λ dE(λ)f, f ∈ DH j! j=0

(k = 1, 2, . . .) .

(II.3.6)

136

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Mit dem Lebesgueschen Konvergenzsatz vollziehen wir den Grenz¨ ubergang U (t)f = lim Hk (t)f = lim k→∞

=

Z

k→∞

+∞

hZ

+∞ −∞

i

exp(iλ t) d E(λ) f

k hX  1 j j ji i t λ d E(λ) f j! j=0

f¨ ur alle

(II.3.7)

f ∈ DH .

−∞

2.) Den Identit¨aten (II.3.5) und (II.3.7) entnehmen wir h i hZ i H ◦ U (t) f = i

+∞ −∞

=i

hZ

+∞

hZ

+∞ −∞

−∞

Z

+∞ −∞

i exp(iλ t) d E(λ) f

−∞

i

λ exp(iλ t) d E(λ) f =

dh = dt

+∞

i hZ λ d E(λ) ◦

i d exp(iλ t) d E(λ) f dt

i d exp(iλt)dE(λ) f = U (t)f , dt

(II.3.8)

f ∈ U (t)∗ (DH ).

Damit ist die zeitabh¨ angige Schr¨ odingergleichung in (II.3.2) f¨ ur U (t), t ≥ 0 gezeigt. Offensichtlich ist wegen Z +∞ U (0) = exp(iλ 0) d E(λ) = E (II.3.9) −∞

auch die Anfangsbedingung in (II.3.2) erf¨ ullt. 3.) Da der Teilraum U (t)∗ (DH ) ⊂ H f¨ ur jedes 0 ≤ t < +∞ dicht liegt und die Operatorenschar {U (t) : 0 ≤ t < +∞} unit¨ar sowie beschr¨ankt ist, so k¨ onnen wir diese auf den ganzen Hilbertraum fortsetzen. q.e.d. Bemerkungen zur modernen Physik: In der Quantenmechnik (siehe etwa das h¨ ochst inspirierende Skriptum von H.J. Borchers [B]) betrachtet man Zust¨ ande als Elemente ψ im Hilbertraum und Observable als Operatoren A auf diesem Hilbertraum. W¨ahrend im Bild von Heisenberg die Zust¨ ande fest und die Observablen zeitabh¨angig sind, so werden im Bild von Schr¨ odinger die Zust¨ ande als zeitabh¨angig angesehen. Die Zeitentwicklung wird in der Quantenmechanik durch die unit¨ar a¨quivalente Operatorenschar d := U (t) ◦ A(t) ◦ U (−t) , A(t)

t∈R

(II.3.10)

mit den unit¨aren Transformationen (II.3.1) beschrieben. Die Differentiation von (II.3.10) mittels der Schr¨ odingergleichung (II.3.2) liefert

§3 Die zeitabh¨ angige Schr¨ odingergleichung

137

d d d A(t) = U (t) ◦ A(t) ◦ U (−t) + U 0 (t) ◦ A(t) ◦ U (−t) dt dt −U (t) ◦ A(t) ◦ U 0 (−t) = U (t) ◦

= U (t) ◦

=

d A(t) ◦ U (−t) + iH ◦ U (t) ◦ A(t) ◦ U (−t) dt −iU (t) ◦ A(t) ◦ H ◦ U (−t)

(II.3.11)

d A(t) ◦ U (−t) + iH ◦ U (t) ◦ A(t) ◦ U (−t) dt −iU (t) ◦ A(t) ◦ U (−t) ◦ H   d\ d − A(t) d ◦H . A(t) + i H ◦ A(t) dt

Somit folgt die Differentialgleichung h i d\ d d d , t∈R A(t) = A(t) + i H ; A(t) dt dt h i mit dem Kommutator A; B := A ◦ B − B ◦ A dieser Operatoren. (II.3.12) Mit einem Element f ∈ H machen wir den Ansatz ψ(t) := U (t) ◦ f = exp(iλ t) f ,

t≥0

f¨ ur einen Wert

λ ∈ R.

(II.3.13)

Dann verwandelt sich die zeitabh¨ angige Schr¨ odingergleichung aus (II.3.2) in die station¨ are Schr¨ odingergleichung:

H f = λf .

(II.3.14)

In der Ortsraumdarstellung der Quantenmechanik wird der Impulsvektor durch den Operator P :=

h ∇ i

mit der physikalischen Konstante

h>0

(II.3.15)

gegeben. Der Hamiltonoperator wird dann beschrieben durch 2

h 1 2 P + V (x) = − ∆ + V (x) , H := 2m 2m

x ∈ Rn .

(II.3.16)

Dabei bezeichnet m > 0 die Masse des Teilchens und V (x) : Rn → R das Potential von dem Feld, in welchem sich das Teilchen bewegt. Wir werden so gef¨ uhrt auf den Schr¨ odingeroperator aus dem Beispiel I.4.1. Damit m¨ ussen wir die Frage nach der Selbstadjungiertheit des Schr¨odingeroperators beantworten, um dessen Spektraldarstellung zu ermitteln. Wir erhalten schließlich u ¨ber das Theorem II.3.1 eine L¨ osung der zeitabh¨ angigen Schr¨odingergleichung.

138

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Wir wollen nun genauer den diskreten Eigenraum eines selbstadjungierten Operators H fixieren, um dann im Theorem II.3.2 die Wirkung der zugeh¨origen Schar unit¨arer Operatoren {U (t)}t≥0 aus (II.3.1) innerhalb dieses Raumes zu beschreiben. Definition II.3.1. Sei der selbstadjungierte Operator H : DH → H auf dem dichten Definitionsbereich DH im separablen Hilbertraum H mit der zugeh¨ origen Spektralschar {E(λ) : λ ∈ R} gem¨ aß Theorem I.11.4 gegeben. Wie in dem Theorem I.12.2 iii) besitze H die eventuell mehrfachen Eigenwerte λm ∈ R f¨ ur m = 1, 2, . . . , m0 mit m0 ∈ N oder m0 = ∞ . Genauer haben wir die Anordnung |λm | ≤ |λm+1 | (m = 1, 2, . . . , m0 − 1) f¨ ur die Eigenwerte und die Bedingungen fm ∈ H sowie

mit



H fm = λm fm (m = 1, 2, . . . , m0 )  fm , f n = δmn (m, n = 1, 2, . . . , m0 )

(II.3.17)

H

f¨ ur die zugeh¨ origen Eigenelemente. Dann erkl¨ aren wir den diskreten Definitionsbereich des Operators H durch n0 n X ‘ DH := f ∈ DH f = cn fn

mit

n=1

und

n0 ∈ N,

cn ∈ C (n = 1, 2, . . . , n0 ) o so dass n0 ≤ m0 gilt .

(II.3.18)

‘ bezeichnen wir den diskreten Eigenraum des Mit dem Abschluss Hdis := DH Operators H . Mit denjenigen selbstadjungierten Operatoren, welche Hdis = H erf¨ ullen, erhalten wir Operatoren mit einem diskreten Spektrum.

Bemerkung: Mit den vollstetigen Hermiteschen Operatoren (siehe [S5] Chap. 8, Theorem 7.3 oder den Satz 2 in [S3] Kap. VIII § 7) haben wir beschr¨ankte lineare Operatoren mit einem diskreten Spektrum. Mit dem Sturm-LiouvilleOperator (siehe [S5] Chap. 8, Theorem 8.3 oder [S3] Kap. VIII § 8, Satz 3) und dem Laplaceoperator (siehe [S5] Chap. 8, Theorem 9.7 oder [S3] Kap. VIII § 9, Satz 1) haben wir unbeschr¨ ankte Differentialoperatoren zur Verf¨ ugung, welche ein diskretes Spektrum besitzen. Wir werden im § II.8 selbstadjungierte Operatoren kennenlernen, die auch ein kontinuierliches Spektrum besitzen. Definition II.3.2. Sei der selbstadjungierte Operator H : DH → H auf dem dichten Definitionsbereich DH im separablen Hilbertraum H mit dem diskreten Eigenraum Hdis gem¨ aß der Definition II.3.1 gegeben. Dann erkl¨ aren wir mit Hcon := Hdis⊥ den kontinuierlichen Eigenraum des Operators H. Offenbar haben wir die orthogonale Zerlegung Hdis ⊕ Hcon = H des Hilbertraums.

§3 Die zeitabh¨ angige Schr¨ odingergleichung

139

Theorem II.3.2. (Unit¨ are Transformation im diskreten Eigenraum) Sei der selbstadjungierte Operator H : DH → H wie in Definition II.3.1 mit ‘ dem diskreten Definitionsbereich DH und dem diskreten Eigenraum Hdis gegeben. Dann liefert die Schar unit¨ arer Operatoren Z +∞ U (t) := exp(iλ t) d E(λ) : Hdis → Hdis (II.3.19) −∞ f¨ ur alle

0 ≤ t < +∞

die eindeutig bestimmte L¨ osung des Anfangswertproblems d U (t)f = i H ◦ U (t)f, f ∈ Hdis , 0 ≤ t < +∞ dt

und

U (0) = E

(II.3.20)

f¨ ur die zeitabh¨ angige Schr¨ odingergleichung. Hier haben wir die Darstellung U (t)f =

n0 X

cn exp(iλn t) fn ,

f=

n0 X

‘ c n fn ∈ D H .

(II.3.21)

n=1

n=1

auf dem diskreten Definitionsbereich (II.3.18) des Operators H, welche durch den Integraloperator (II.3.19) auf den diskreten Eigenraum Hdis fortgesetzt wird. Beweis: 1.) Wie im ersten Teil des Beweises zu Theorem II.3.1 betrachten wir f¨ ur beliebiges 0 ≤ t < +∞ den unit¨ aren Operator U (t)f := exp(itH)f = lim Hk (t)f , k→∞

‘ f ∈ DH

(II.3.22)

mit den approximativen Operatoren Hk (t)f :=

k hX i 1 (i t H)j f , j! j=0

‘ f ∈ DH

(k = 1, 2, . . .) .

(II.3.23)

Dann berechnen wir Hk (t) n0 X

cn

n=1

=

n0 k i X   hX 1 (i t H)j cn fn cn fn = j! n=1 n=1 j=0

n0 X

n0 k k hX i X i hX 1 1 cn (i t H)j fn = (i t)j (H j fn ) j! j! n=1 j=0 j=0 n0 X n=1

cn

k hX i 1 (i t λn )j fn j! j=0

f¨ ur

k = 1, 2, . . . .

Die Kombination von (II.3.22) und (II.3.24) liefert

(II.3.24)

140

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

U (t)f = lim Hk (t)f = k→∞

=

n0 X

n0 X

cn

n=1

cn exp(i t λn ) fn

∞ i hX 1 (i t λn )j fn j! j=0

f¨ ur alle

f=

n0 X

cn fn ∈

‘ DH

(II.3.25) .

n=1

n=1

‘ ‘ Somit folgt U (t) : DH → DH f¨ ur alle 0 ≤ t < +∞. Da der diskrete Definiti‘ onsbereich DH dicht im diskreten Eigenraum Hdis liegt, so erhalten wir im Integraloperator (II.3.19) die eindeutige Fortsetzung U (t) : Hdis → Hdis f¨ ur 0 ≤ t < +∞ auf den diskreten Eigenraum.

2.) Seien U (t), t ≥ 0 und V (t), t ≥ 0 zwei L¨ osungen des Anfangswertproblems (II.3.20). Dann l¨ost deren Differenz das homogene Anfangswertproblem i h i dh U (t) − V (t) = iH ◦ U (t) − V (t) : Hdis → H dt h i f¨ ur alle 0 ≤ t < +∞ und U (0) − V (0) = 0 .

(II.3.26)

Auf dem diskreten Eigenraum bilden nun die Eigenelemente (II.3.17) ein vollst¨andig orthonormiertes System. F¨ ur beliebige m, n ∈ {1, 2, . . . , m0 } betrachten wir die Hilfsfunktionen  h i  (II.3.27) ωm,n (t) := fm , U (t) − V (t) fn , 0 ≤ t < +∞ . H

Diese besitzen die folgenden Eigenschaften:  i  dh d ωm,n (s) = fm , U (t) − V (t) fn dt dt H  h i   h i  = fm , i H ◦ U (t) − V (t) fn = i H fm , U (t) − V (t) fn H

= i λm ωm,n (s) und

ωm,n (0) = 0

f¨ ur alle

f¨ ur alle

H

(II.3.28)

0 ≤ t < +∞

m, n ∈ {1, 2, . . . , m0 } .

Nun liefert die Theorie gew¨ ohnlicher Differentialgleichungen (siehe [S1] Kap. VI § 5) die Identit¨ aten ωm,n (t) = 0 ,

t ∈ [0, +∞)

f¨ ur alle

m, n ∈ {1, 2, . . . , m0 } .

(II.3.29)

Diese Aussage ergibt U (t)f = V (t)f ,

f ∈ Hdis

f¨ ur alle

t ∈ [0, +∞) .

Damit ist die Eindeutigkeit des Anfangswertproblems f¨ ur die zeitabh¨angige Schr¨odingergleichung auf dem diskreten Eigenraum Hdis gezeigt. q.e.d.

§3 Die zeitabh¨ angige Schr¨ odingergleichung

141

Bemerkungen: i) F¨ ur ein Eigenelement fn ∈ H zum Eigenwert λn ∈ R des Operators H stellt U (t)fn = exp(iλn t) fn , 0 ≤ t < +∞ (II.3.30) eine Bewegung auf dem Orbit n g ∈ H g = cfn

mit

c∈C

und

|c| = 1

o

der konstanten Geschwindigkeit λn mit Anfangswert U (0)fn = fn dar. ii) Physikalisch repr¨ asentiert das Eigenelement fn ∈ H einen gebundenen Zustand des Teilchens konstanter Energie λn ∈ R, welches sich mit konstanter Geschwindigkeit auf dem Orbit bewegt. Insbesondere wird der Eigenraum periodisch in sich u uhrt. ¨berf¨ iii) Hier reduziert sich die zeitabh¨ angige Schr¨ odingergleichung auf d U (t)fn = i λn exp(iλn t) fn = i exp(iλn t) H fn dt   = i H exp(iλn t) fn = iH ◦ U (t) fn , 0 ≤ t < +∞.

(II.3.31)

iv) Die zeitabh¨angige Schr¨ odingergleichung erscheint im diskreten Definitionsbereich in der folgenden Form: n0 n0  X X d cn iλn exp(iλn t)fn = iH cn exp(iλn t)fn U (t)f = dt n=1 n=1 n0 X ‘ = i H ◦ U (t) f f¨ ur alle f = c n fn ∈ D H .

(II.3.32)

n=1

Wie im § I.3 bezeichnen wir mit He := {f ∈ H : kf k = 1} die Einheitssph¨are im Hilbertraum. Ohne im Hilbertraum H u ugen, ¨ber Eigenelemente zu verf¨ erkl¨aren wir das kontinuierliche Spektrum eines selbstadjungierten Operators. Definition II.3.3. Sei der selbstadjungierte Operator H : DH → H auf dem dichten Definitionsbereich DH im separablen Hilbertraum H mit dem diskreten Eigenraum Hdis gem¨ aß Definition II.3.1 und dem kontinuierlichen Eigenraum Hcon gem¨ aß Definition II.3.2 gegeben. Dann erkl¨ aren wir das kontinuierliche Spektrum des Operators H durch n o σcon (H) := λ0 ∈ R k(H − λ0 E)f k = 0 inf f ∈He ∩ Hcon

= λ 0 ∈ R n

Z

2

o

(λ − λ0 ) d E(λ) f = 0 .

inf

f ∈He ∩ Hcon

(II.3.33)

+∞ −∞

Dabei haben wir die Spektraldarstellung aus Theorem I.12.1 mit der Spektralschar {E(λ) : λ ∈ R} aus Theorem I.11.4 verwendet.

142

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Theorem II.3.3. (Der kontinuierliche Eigenraum) Sei der selbstadjungierte Operator H : DH → H mit dem kontinuierlichen Eigenraum Hcon gegeben. i) Dann bildet die Operatorenschar Z +∞ exp(iλ t) d E(λ) : Hcon → Hcon U (t) :=

(II.3.34)

−∞

0 ≤ t < +∞

f¨ ur alle

eine unit¨ are Transformation des kontinuierlichen Eigenraums auf sich. ii) Falls das kontinuierliche Spektrum σcon (H) = [λ− , λ+ ] mit den Werten −∞ ≤ λ− < λ+ ≤ +∞ erf¨ ullt, so gen¨ ugt f¨ ur beliebige f ∈ Hcon ∩ He die Energie w¨ ahrend der Bewegung {U (t) f }t≥0 im kontinuierlichen Eigenraum der folgenden Absch¨ atzung:   ≤ λ+ f¨ ur alle 0 ≤ t < +∞ . (II.3.35) λ− ≤ U (t) f, H ◦ U (t) f H

‘ ⊥ Beweis: 1.) Wir berechnen f¨ ur alle f ∈ Hcon = {DH } die Identit¨at     ‘ = 0 , ∀g ∈ DH , 0 ≤ t < +∞ . (II.3.36) = f , U (−t)g U (t)f, g H

H

Hierbei benutzen wir die Darstellung (II.3.21) im Theorem II.3.2. Mit der Aussage (II.3.36) folgt ‘ ⊥ ⊥ U (t)f ∈ {DH } = Hdis = Hcon

f¨ ur alle

f ∈ Hcon .

(II.3.37)

Somit ist die Behauptung i) gezeigt. 2.) Wir ermitteln die Energie wie folgt:  Z λ+    ∈ [λ− , λ+ ] = g, λ d E(λ) g g,H g H

λ−

H

f¨ ur alle

g ∈ Hcon ∩ He .

Kombinieren wir diese Inklusion mit der obigen Aussage i), so erhalten wir die Absch¨atzung (II.3.35) . q.e.d. Bemerkung: F¨ ur den diskreten Eigenwert λn ist die Energie auf dem Orbit (II.3.30) konstant gem¨ aß i  h   = = exp(iλn t)fn , H exp(iλn t)fn U (t)fn , H ◦ U (t)fn H H     exp(iλn t)fn , exp(iλn t)Hfn = fn , Hfn ) = λn , 0 ≤ t < +∞ . H

H

Dagegen ist die Energie f¨ ur einen Streuzustand {U (t) f }t≥0 , f ∈ Hcon im kontinuierlichen Eigenraum gem¨ aß (II.3.35) nach oben und unten kontrolliert, aber die Energie ist im Allgemeinen zeitlich ver¨anderlich. Somit wird w¨ahrend der Bewegung Energie ausgestrahlt oder absorbiert, und diese Bewegung im kontinuierlichen Eigenraum ist im Allgemeinen auch nicht periodisch.

§4 Die Friedrichs-Fortsetzung halbbeschr¨ ankter Hermitescher Operatoren

143

§4 Die Friedrichs-Fortsetzung halbbeschr¨ ankter Hermitescher Operatoren Wir gehen von einem halbbeschr¨ ankten Hermiteschen Operator H : DH → H gem¨aß der Definition I.12.4 aus und nutzen die Bemerkung i) im Anschluss an die Definition I.4.1. Danach sind die Hermiteschen Operatoren invariant bez¨ uglich der Gruppe der reellen linearen Transformationen R 3 λ → αλ + β ∈ R

mit den Parametern

α ∈ R \ {0}

und

β ∈ R.

Diese Gruppe wird erzeugt von der Untergruppe der Reflektionen R 3 λ → −λ ∈ R , der Untergruppe der Dilatationen R 3 λ → αλ ∈ R

mit

α > 0,

und der Untergruppe der Translationen R3λ→λ+β ∈R

mit

β ∈ R.

Mit diesen Transformationen bilden wir unseren Operator H mit seinem Spektrum ¨aquivalent um. Schritt 1: Durch eventuelle Anwendung einer Spiegelung k¨onnen wir ohne Einschr¨ankung annehmen, dass der Operator H nach unten halbbeschr¨ankt ist. Also existiert eine Konstante c− ∈ R, so dass die Ungleichung     f¨ ur alle f ∈ DH (II.4.1) ≥ c− f, f f, Hf H

H

erf¨ ullt ist. Die Existenz einer reellen Konstante gem¨aß (II.4.1) ist f¨ ur Hermitesche Operatoren H = 6 0 ¨ aquivalent zur Existenz vom Spektralinfimum   n  o   f, Hf   H Λ(H) := inf f, Hf f ∈ DH mit f, f =1 = inf f ∈DH \{0} H H f, f H

innerhalb der reellen Zahlen R. Hierbei erscheint auf der rechten Seite der allgemeine Rayleigh-Quotient. Genau dann wenn Λ(H) > 0 ausf¨allt, ist der Hermitesche Operator H : DH → H im Sinne von Definition I.12.5 positiv. Definition II.4.1. Den Hermiteschen Operator H nennen wir einen Courantoperator, falls Λ(H) = 1 gilt.

144

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Bemerkungen: i) R. Courant und seine Sch¨ uler haben wesentlich zur Spektraltheorie beigetragen. Courant hat den Ansatz von Rayleigh f¨ ur den kleinsten Eigenwert von Differentialoperatoren mit den direkten Variationsmethoden zur mathematischen Reife gef¨ uhrt und konnte somit das diskrete Spektrum behandeln (siehe [CH] Kapitel VI). Seinen Sch¨ ulern K.O. Friedrichs und F. Rellich ist der Ausbau der abstrakten Operatorentheorie zu verdanken. Aus diesen Gr¨ unden wollen wir in obiger Definition II.4.1 von Courantoperatoren sprechen. ii) F¨ ur die Courantoperatoren H werden wir in diesem Abschnitt eine selbstadjungierte Fortsetzung konstruieren, welche man K.O. Friedrichs verdankt. iii) Die positiven Hermiteschen Operatoren werden wir im Schritt 2 und die nach unten halbbeschr¨ ankten Hermiteschen Operatoren im Schritt 3 in Courantoperatoren transformieren. Schritt 2: Sei H : DH → H ein positiver Hermitescher Operator mit dem 1 ∈ Spektralinfimum Λ(H) > 0 . Dann w¨ ahlen wir den Parameter α := Λ(H) (0, +∞) und gehen zum Operator H := α · H : DH → H u ¨ber. Leicht berechnen wir     f, α · Hf f, Hf   H =α·   H = 1 , (II.4.2) Λ(H ) = inf inf f ∈DH \{0} f ∈D \{0} H f, f f, f H

H

weshalb H einen Courantoperator darstellt. Die Dilatation ver¨andert den Operator H nicht wesentlich, und das Spektrum von H wird nur um den Faktor α verzerrt. Dieses sehen wir im nachfolgenden Beispiel II.4.1. Sei Ω ⊂ Rn ein beschr¨ anktes Gebiet, f¨ ur welches wir nach Proposition 9.1 in Chap. 8 von [S5] oder Hilfssatz 1 von [S3] Kap. VIII § 9 den Gaußschen Integralsatz unter Nullrandbedingungen zur Verf¨ ugung haben. Wir w¨ ahlen als Definitionsbereich Z n o DΩ := f : Ω → R ∈ C 2 (Ω) ∩ C 0 (Ω) f |∂Ω = 0 und |∆f (x)|dx < +∞ Ω

im reellen Hilbertraum L2 (Ω). Dann erkl¨ aren wir f¨ ur alle Funktionen f ∈ DΩ den Laplaceoperator auf dem Gebiet Ω durch Hf (x) := ∆f (x) =

n X ∂2f (x) , ∂xj 2 j=1

x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Ω .

Das Spektralinfimum ermitteln wir mit der o.a. Version des Gaußschen Integralsatzes als

§4 Die Friedrichs-Fortsetzung halbbeschr¨ ankter Hermitescher Operatoren

R Λ(Ω) =

inf

f ∈DΩ \{0}

R |∇f (x)|2 dx [f (x) · ∆f (x)]dx Ω R RΩ = inf . f ∈DΩ \{0} |f (x)|2 dx |f (x)|2 dx Ω Ω

145

(II.4.3)

Dieses stellt das Variationsproblem f¨ ur den kleinsten Eigenwert des Laplaceoperators auf dem Gebiet Ω dar. In der Klasse der beschr¨ankten Gebiete im Rn h¨angt der kleinste Eigenwert Λ(Ω) streng monoton fallend von Ω ab: F¨ ur

Ω1 ⊂ Ω2

mit

Ω 1 6= Ω 2

gilt

Λ(Ω1 ) > Λ(Ω2 ) > 0 .

(II.4.4)

Wie im Schritt 2 beschrieben, gehen wir nun zum Courantoperator u ¨ber: n

HΩ f (x) :=

1 X ∂2f 1 ∆f (x) = (x) , x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Ω. Λ(Ω) Λ(Ω) j=1 ∂xj 2 (II.4.5)

Schritt 3: Sei H : DH → H ein nach unten halbbeschr¨ankter Hermitescher Operator mit dem Spektralinfimum Λ(H) ∈ R. Mit dem reellen Parameter β := 1 − Λ(H) ∈ R gehen wir zum Operator H + βE : DH → H u ¨ber und berechnen   f, (H + βE)f H   Λ(H + βE) = inf f ∈DH \{0} f, f H       f, Hf + β f, f f, Hf H H    H +β = inf = inf (II.4.6) f ∈DH \{0} f ∈DH \{0} f, f f, f H H   h i h i f, Hf   H + 1 − Λ(H) = Λ(H) + 1 − Λ(H) = 1 . = inf f ∈DH \{0} f, f H

Deshalb stellt H + βE einen Courantoperator dar. Durch die Translation ist der Operator H +βE wesentlich ver¨ andert, aber sein Spektrum ensteht einfach durch eine Verschiebung um die Gr¨ oße β. Dieses sehen wir im nachfolgenden Beispiel II.4.2. Wir betrachten den Schr¨ odingeroperator aus dem Beispiel I.12.1 Hq f (x) := −∆f (x) + q(x)f (x) , x ∈ Rn (II.4.7) f¨ ur alle f ∈ DHq = C0∞ (Rn ) ⊂ H := L2 (Rn ) mit dem nach unten beschr¨ ankten Potential q ∈ L1loc (Rn )

und

Γ (q) := ess inf {q(x) : x ∈ Rn } > −∞ .

(II.4.8)

Dieser Operator Hq ist Hermitesch und folgendermaßen nach unten halbbeschr¨ankt:

146

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

(f , Hq f )H ≥ Γ (q) (f, f )H

f¨ ur alle

f ∈ D Hq .

(II.4.9)

Diese Absch¨atzung entnehmen wir dem Beispiel I.12.1. Hieraus ermitteln wir f¨ ur das Spektralinfimum die Ungleichung   f, Hq f   H = Λ(q) := inf f ∈DHq \{0} f, f H (II.4.10)  R  2 2 |∇f (x)| + |f (x)| q(x) dx Rn R inf ≥ Γ (q) . f ∈DH \{0} |f (x)|2 dx Rn Anders als das Variationsproblem (II.4.3) ist das Variationsproblem (II.4.10) nicht so intensiv studiert worden. Wie im Schritt 3 erhalten wir nun den entsprechenden Courantoperator   H[q] f (x) := Hq + [1 − Λ(q)]E f (x)   (II.4.11) = −∆f (x) + 1 + [q(x) − Λ(q)] f (x) , x ∈ Rn f¨ ur alle

f ∈ D Hq .

Wir gehen nun von einem beliebigen Courantoperator H : DH → H aus. Dann bildet       f¨ ur alle f, g ∈ DH (II.4.12) = Hf, g := f, Hg f, g H

H

H

ein Hermitesches Skalarprodukt. Wie im Pr¨ a-Hilbertraum u ¨blich, weisen wir die Cauchy-Schwarz-Friedrichs-Ungleichung   r  r  f, f g, g · f¨ ur alle f, g ∈ DH (II.4.13) f, g ≤ H

H

H

auf  dem  dichten Teilraum DH nach. Somit stellt DH mit dem Skalarprodukt ., . einen Pr¨ a-Hilbertraum dar, den wir abstrakt zu einem Hilbertraum H

erg¨anzen k¨onnen (siehe das Theorem 3.8 in Chap. 8 von [S5] oder den Satz 2 in [S3] Kap. VIII § 3). Wir wollen zeigen, dass diese Vervollst¨andigung innerhalb des vorgegebenen Hilbertraums H m¨ oglich ist und somit eine Einbettung in H darstellt. Zun¨achst erkl¨aren wir die Energienorm r r   = f, Hf Hf, f kf kH := H

H

f¨ ur alle

f ∈ DH .

(II.4.14)

Da H einen Courantoperator darstellt, steht uns beim Vergleich mit der Norm k.k im Hilbertraum H die zentrale Energieungleichung

§4 Die Friedrichs-Fortsetzung halbbeschr¨ ankter Hermitescher Operatoren

kf k ≤ kf kH

f¨ ur alle

f ∈ DH

147

(II.4.15)

zur Verf¨ ugung. Definition II.4.2. Wir erkl¨ aren den Friedrichs-Definitionsbereich n D[H] := f ∈ H Es existiert eine Folge {fk }k∈N ⊂ DH o (II.4.16) mit kfk − fl kH → 0 (k, l → ∞) und kf − fk k → 0 (k → ∞) . Bemerkung: Ein Element in D[H] wird also repr¨asentiert durch Cauchyfolgen in der Energienorm, welche in der Hilbertraumnorm dieses Element approximieren. K.O. Friedrichs hat diese R¨ aume geschaffen, noch bevor sich der Begriff des Sobolevraums entwickelte. Eine beliebige Folge {fk }k∈N ⊂ DH mit der Eigenschaft lim kfk kH = 0 bek→∞

sitzt wegen (II.4.15) die Konvergenzeigenschaft lim kfk k = 0. F¨ ur Cauchyk→∞

folgen in der Energienorm erhalten wir eine Umkehrung dieser Implikation. Proposition II.4.1. Sei {fk }k∈N ⊂ DH eine Cauchyfolge in der Energienorm gem¨ aß lim kfk − fl kH = 0 . Falls dann lim kfk k = 0 gilt, so folgt k,l→∞

k→∞

lim kfk kH = 0 .

k→∞

Beweis: Wegen

lim kfk − fl kH = 0 gibt es zu vorgegebenem  > 0 einen

k,l→∞

Index N () ∈ N, so dass  kfk − fl kH ≤ √ 2

f¨ ur alle

k, l ≥ N ()

(II.4.17)

richtig ist. Somit folgt die Ungleichung   kfk k2H − 2Re fk , Hfl + kfl k2H H         + fl , Hfl − fl , Hfk − fk , Hfl = fk , Hfk (II.4.18) H H H H   1 = fk − fl , Hfk − Hfl = kfk − fl k2H ≤ · 2 , ∀ k, l ≥ N () . 2 H Wegen lim kfk k = 0 gibt es zu jedem l ≥ N () einen Index N (, l) ∈ N mit k→∞

N (, l) ≥ N (), so dass die folgende Absch¨ atzung gilt:   1 2 Re fk , Hfl ≤ 2kfk k · kHfl k ≤ · 2 2 H

f¨ ur alle

k ≥ N (, l) . (II.4.19)

Die Kombination von (II.4.18) und (II.4.19) ergibt f¨ ur alle l ≥ N () und f¨ ur alle k ≥ N (, l) ≥ N () die folgende Absch¨ atzung:

148

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

  1 2 ·  + 2 · Re fk , Hfl ≤ 2 . (II.4.20) 2 H ≤  f¨ ur alle l ≥ N () erhalten wir lim kfl kH = 0 , wie es oben

kfl k2H ≤ kfk k2H + kfl k2H ≤ Wegen kfl kH

l→∞

behauptet wurde.

q.e.d.

Definition II.4.3. F¨ ur f, g ∈ D[H] setzen wir das Friedrichs-Skalarprodukt     . = lim fk , Hgk (f, g)H := lim Hfk , gk k→∞

k→∞

H

H

Dabei sind {fk }k∈N und {gk }k∈N aus DH Cauchyfolgen in der Energienorm gem¨ aß kfk − fl kH → 0 (k, l → ∞) und kgk − gl kH → 0 (k, l → ∞) mit der Konvergenzeigenschaft kfk − f k → 0 (k → ∞) und kgk − gk → 0 (k → ∞) . Proposition II.4.2. Das Friedrichs-Skalarprodukt in Definition II.4.3 ist unabh¨ angig von der Auswahl der Teilfolgen. Beweis: 1.) Wir betrachten mit {fk }k∈N sowie {gk }k∈N Folgen gem¨ass Definition II.4.3, und {fk0 }k∈N sowie {gk0 }k∈N seien weitere Folgen in diesem Sinne. Letztere Folgen sind in DH gelegen mit den Eigenschaften kfk0 − fl0 kH → 0 (k, l → ∞)

sowie

kgk0 − gl0 kH → 0 (k, l → ∞)

kfk0 − f k → 0 (k → ∞)

sowie

kgk0 − gk → 0 (k → ∞) .

und Wir erhalten kfk0 − fk k → 0 (k → ∞) sowie k(fk0 − fk ) − (fl0 − fl )kH ≤ kfk0 − fl0 kH + kfl − fk kH → 0 (k, l → ∞) und kgk0 − gk k → 0 (k → ∞) sowie k(gk0 − gk ) − (gl0 − gl )kH ≤ kgk0 − gl0 kH + kgl − gk kH → 0 (k, l → ∞) . Proposition II.4.1 liefert kfk0 − fk kH → 0

und

kgk0 − gk kH → 0

f¨ ur

k → ∞.

2.) Wir sch¨atzen mit der Cauchy-Schwarz-Friedrichs-Ungleichung wie folgt ab:     − Hfk0 , gk0 Hfk , gk H H     = H(fk − fk0 ), gk − Hfk0 , gk0 − gk H H (II.4.21)     0 0 0 ≤ H(fk − fk ), gk + Hfk , gk − gk ≤ kfk −

H 0 kfk kH

fk0 kH

Es folgt lim

k→∞



H

kgk0

− gk kH → 0 (k → ∞) . · · kgk kH +    Hfk , gk = lim Hfk0 , gk0 , und die Unabh¨angigkeit des H

k→∞

H

Friedrichs-Skalarprodukts von der Auswahl der Teilfolge ist gezeigt.

q.e.d.

§4 Die Friedrichs-Fortsetzung halbbeschr¨ ankter Hermitescher Operatoren

149

Proposition II.4.3. Es stellt D[H] einen Hilbertraum mit dem Skalarprodukt (. , .)H dar, in welchem der Definitionsbereich DH des Courantoperators H dicht liegt bez¨ uglich der Energienorm k.kH . Beweis: 1.) Sei f ∈ D[H] beliebig gew¨ ahlt, so gibt es eine Folge {fk }k∈N ⊂ DH mit kfk − fl kH → 0 (k, l → ∞) und kfk − f k → 0 (k → ∞) . Zu vorgegebenem  > 0 gibt es ein N () ∈ N, so dass kfk − fl kH ≤ 

k, l ≥ N ()

f¨ ur alle

(II.4.22)

erf¨ ullt ist. Mittels Proposition II.4.1 vollziehen wir den Grenz¨ ubergang l → ∞ in der Ungleichung (II.4.22), und wir erhalten kfk − f kH ≤ 

k ≥ N ().

f¨ ur alle

(II.4.23)

Somit gibt es zu jedem  > 0 ein g := fN () ∈ DH mit kf − g kH ≤ . Es liegt also DH in D[H] dicht bez¨ uglich der Energienorm. 2.) Wir brauchen nur die Vollst¨ andigkeit des linearen Raums D[H] zu zeigen. Sei also {fk }k∈N ⊂ D[H] eine Folge mit kfk − fl kH → 0 f¨ ur k, l → ∞ . Nach Teil 1.) unseres Beweises gibt es zu jedem k ∈ N ein Element gk ∈ DH mit 1 kfk − gk kH ≤ . Somit folgt k kgk − gl k ≤ kgk − gl kH ≤ kgk − fk kH + kfk − fl kH + kfl − gl kH ≤

(II.4.24)

1 1 + kfk − fl kH + k l



0

f¨ ur

k, l → ∞ .

Die Vollst¨andigkeit von H liefert ein Grenzelement f ∈H

kgk − f k → 0

mit

(k → ∞) .

(II.4.25)

Mittels Proposition II.4.1 folgen aus (II.4.24) und (II.4.25) die Aussagen f ∈ D[H] und kfk − f kH ≤ kfk − gk kH + kgk − f kH ≤

1 + kgk − f kH → 0 k

Damit ist auch die Vollst¨ andigkeit von D[H] gezeigt.

(k → ∞) . q.e.d.

Definition II.4.4. F¨ ur den Courantoperator H erkl¨ aren wir auf dem angegebenen Definitionsbereich DA seine Friedrichs-Fortsetzung Af := H ∗ f

,

mit der Eigenschaft H ⊂ A ⊂ H ∗ .

f ∈ DA := D[H] ∩ DH ∗

(II.4.26)

150

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Proposition II.4.4. Der Operator A ist in DA Hermitesch. Beweis: 1.) Nach der Bemerkung ii) zur Definition I.4.1 ist f¨ ur den Hermiteschen Operator H die Inklusion H ⊂ H ∗ und insbesondere DH ⊂ DH ∗ erf¨ ullt. Da DH ⊂ H dicht gelegen ist, und weil nach der Proposition II.4.3 die Inklusionen DH ⊂ D[H] ∩ DH ∗ = DA ⊂ H erf¨ ullt sind, so liegt auch DA dicht in H. 2.) Wir zeigen nun den Hermiteschen Charakter des Operators A : DA → H . Seien also f, g ∈ DA beliebig gew¨ ahlt, so gibt es wegen DA ⊂ D[H] Folgen in (II.4.27) und (II.4.28) mit den angegebenen Eigenschaften: {fk }k∈N ⊂ DH , kfk − fl kH → 0 (k, l → ∞), kfk − f k → 0 (k → ∞); (II.4.27) {gk }k∈N ⊂ DH , kgk − gl kH → 0 (k, l → ∞), kgk − gk → 0 (k → ∞). (II.4.28) Unter Ber¨ ucksichtigung von Definition II.4.3 und Definition II.4.4 berechnen wir       = lim f, Hgl Af, g = lim Af, gl l→∞

H

= lim

k,l→∞

= lim

k→∞





H

fk , Hgl

Hfk , g

 H

 H

= lim

l→∞



k,l→∞

= lim



k→∞

fk , Ag

H

Hfk , gl

 H



(II.4.29)

H

  = f, Ag

f¨ ur alle f, g ∈ DA . Somit ist der Operator A Hermitesch.

H

q.e.d.

Proposition II.4.5. Die Friedrichs-Fortsetzung A besitzt eine in H erkl¨ arte Reziproke A−1 mit der Schranke kA−1 k ≤ 1. Beweis: 1.) Sei g ∈ H beliebig gew¨ ahlt, so betrachten wir das lineare Funktional   f¨ ur alle f ∈ D[H] . (II.4.30) Lg (f ) := g, f H

Wegen der Energieungleichung (II.4.15) erhalten wir die Absch¨atzung   |Lg (f )| = g, f ≤ kgk · kf k ≤ kgk · kf kH f¨ ur alle f ∈ D[H] . (II.4.31) H

Folglich stellt Lg ein beschr¨ anktes lineares Funktional auf dem Hilbertraum D[H] mit dem inneren Produkt (., .)H und der Schranke kLg k ≤ kgk in der Operatorennorm dar. Nach dem Darstellungssatz von Fr´echet und Riesz (siehe Satz 1 in [S3] Kap. VIII § 4 ) gibt es genau ein gˆ ∈ D[H], so dass Lg (f ) = (ˆ g , f )H richtig ist.

f¨ ur alle

f ∈ D[H]

(II.4.32)

§4 Die Friedrichs-Fortsetzung halbbeschr¨ ankter Hermitescher Operatoren

151

2.) Wegen DH ⊂ D[H] liefern (II.4.30) und (II.4.32) die Identit¨at       g, f = Lg (f ) = (ˆ g , f )H = gˆ, Hf = H ∗ gˆ, f , ∀ f ∈ DH . (II.4.33) H

H

H



Wir haben gˆ ∈ DH ∗ sowie H gˆ = g und gˆ ∈ DH ∗ ∩ D[H] = DA sowie Aˆ g = g. Also existiert auf H die Reziproke A−1 : H → H. Mittels (II.4.15) und Definition II.4.3 ersehen wir         kˆ g k2 = gˆ, gˆ ≤ gˆ, H gˆ = H ∗ gˆ, gˆ = g, gˆ ≤ kgk · kˆ g k. (II.4.34) H

H

H

H

Somit folgt kA−1 gk = kˆ g k ≤ kgk f¨ ur alle

g ∈ H.

(II.4.35)

Wir erhalten die Schranke kA−1 k ≤ 1 in der Operatorennorm, wie es oben behauptet wurde. q.e.d. Wir fassen unsere Ergebnisse zusammen im Theorem II.4.1. (K.O. Friedrichs) Die Friedrichs-Fortsetzung A aus Definition II.4.4 stellt eine selbstadjungierte Fortsetzung des Courantoperators H : DH → H aus Definition II.4.1 dar, und es gilt   Af, g = (f, g)H f¨ ur alle f, g ∈ DH . (II.4.36) H

Somit besitzt dieser Operator die Spektraldarstellung Z +∞ λ dE(λ) A=

(II.4.37)

1

gem¨ aß dem Theorem I.12.1, und das Hermitesche Skalarprodukt erscheint in der folgenden Normalform: Z +∞     = (f, g)H = Af, g f¨ ur alle f, g ∈ D[H]. (II.4.38) λ d E(λ)f, g H

1

H

Beweis: 1.) Nach Proposition II.4.4 ist der Operator A : D[A] → H Hermitesch. Der Punkt z = 0 geh¨ ort wegen Proposition II.4.5 zur Resolventenmenge %(A). Da die Resolventenmenge nach dem Theorem I.5.5 offen ist, so geh¨oren auch die Punkte ±iε zu %(A) f¨ ur ein hinreichend kleines ε > 0. Folglich ist die Abbildung A ± iεE : DA → H surjektiv, und es gilt 

 ε−1 · A ± iE (DA ) = H .

(II.4.39)

Somit ist nach dem Theorem I.4.6 der Operator ε−1 · A selbstadjungiert, ebenso wie die Friedrichs-Fortsetzung A.

152

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

2.) Wir zeigen nun, dass die Spektralschar die Bedingung E(λ) = 0

f¨ ur alle

− ∞ < λ < +1

erf¨ ullt. Hierzu ermitteln wir aus Λ(H) = 1 zun¨ achst   ≤ kf k · kAf k f¨ ur alle f ∈ DA kf k2 ≤ f, Af H

(II.4.40)

(II.4.41)

und somit kf k ≤ kAf k, ∀f ∈ DA . Jetzt betrachten wir die Absch¨atzung   k(A − λE)f k2 = kAf k2 − 2λ f, Af + λ2 kf k2  2 ≥ kAf k2 − 2λkf k · kAf k + λ2 kf k2 = kAf k − λkf k (II.4.42)  2 ≥ kf k − λkf k = (1 − λ)2 kf k2 , ∀ f ∈ DA , 0 < λ < +1 . Ferner ersehen wir leicht die folgende Ungleichung:   k(A − λE)f k2 = kAf k2 − 2λ f, Af + λ2 kf k2 ≥ kAf k2 ≥ kf k2 f¨ ur alle

f ∈ DA ,

(II.4.43)

−∞ < λ ≤ 0 .

Nach dem Toeplitz-Kriterium in Theorem I.5.2 geh¨oren wegen (II.4.42) alle Punkte aus dem Intervall (0, +1) zur Resolventenmenge %(A). Gem¨aß (II.4.43) gilt mit den gleichen Argumenten auch die Inklusion (−∞, 0] ⊂ %(A) . Nach dem Theorem I.12.2 ii) ist damit die Spektralschar E(.) im Intervall (−∞, +1) konstant. Wegen E(−∞) = 0 folgt die Aussage (II.4.40). Hieraus ermitteln wir die Spektraldarstellung (II.4.37) mit Hilfe von Theorem I.12.1 sowie die Normalform (II.4.38) . q.e.d. Theorem II.4.2. Der Courantoperator aus dem Beispiel II.4.1 HΩ f (x) :=

1 ∆f (x), x ∈ Ω , Λ(Ω)

f ∈ DΩ

(II.4.44)

besitzt mit der Friedrichs-Fortsetzung AΩ aus der Definition II.4.4 eine selbstadjungierte Fortsetzung auf einen Hilbertraum, in welchem DΩ dicht liegt. ∗ Weiter haben wir die Inklusion HΩ ⊂ AΩ ⊂ HΩ und die Spektraldarstellung +∞

Z

λ dEΩ (λ)

AΩ =

(II.4.45)

1

mit einer Spektralschar {EΩ (λ) : 1 ≤ λ < +∞}. Beweis: Man wende das Theorem II.4.1 auf den Operator (II.4.44) aus dem Beispiel II.4.1 an. q.e.d.

§4 Die Friedrichs-Fortsetzung halbbeschr¨ ankter Hermitescher Operatoren

153

Bemerkungen: i) Die Friedrichs-Fortsetzung ben¨ otigt hier nicht die Theorie der Sobolevr¨aume, sondern diese konstruiert durch einen Abschlussprozess denjenigen Funktionenraum, welcher dem Operator HΩ angemessen ist. ii) Mit der Spektraldarstelllung (II.4.45) haben wir noch keine Auskunft dar¨ uber, ob die Eigenwerte diskret sind oder auch nicht, und wo sie sich h¨aufen. In diesem Zusammenhang empfehlen wir, mit der Proposition I.12.3 das Rellichsche Auswahlkriterium zu verwenden. iii) Im Theorem I.3.4 des § I.3 haben wir mit den direkten Variationsmethoden im Sobolevraum das Eigenwertproblem f¨ ur gleichm¨aßig elliptische Differentialoperatoren auf beschr¨ ankten Gebieten behandelt. Dabei erhalten wir simultan, dass solche Operatoren ein diskretes Spektrum besitzen.

154

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

§5 Der Vergleich von Rellichoperatoren mit ihren Spektren Beginnen wir mit der grundlegenden Definition II.5.1. Seien Hj : DHj → H f¨ ur j = 1, 2 zwei Courantoperatoren, so nennen wir H1 kleiner oder gleich H2 beziehungsweise H1 ≤ H2 , falls i) die Inklusion DH2 ⊂ DH1 f¨ ur ihre Definitionsbereiche und  ii) die Ungleichung f, H1 f ≤ f, H2 f f¨ ur alle f ∈ DH2 H

H

erf¨ ullt ist. Bemerkung: Stellen Aj die Friedrichs-Fortsetzungen aus Definition II.4.4 von den Operatoren Hj f¨ ur j = 1, 2 dar, so k¨ onnen wir gleichwertig zur Ungleichung H1 ≤ H2 die Relation A1 ≤ A2 u ufen. Die Friedrichs¨berpr¨ Skalarprodukte (. , .)Hj (j = 1, 2) aus der Definition II.4.3 sind n¨amlich stetig in Bezug auf die Konvergenz in der Energienorm. Definition II.5.2. Einen Courantoperator B : DB → H nennen wir Rellichoperator, falls dieser selbstadjungiert ist. Bemerkung: F. Rellich (1906-1955) hat die St¨ orungstheorie selbstadjungierter Operatoren im Hilbertraum begr¨ undet und mit seinen Sch¨ ulern H.O. Cordes, E. Heinz, G. Hellwig, K. J¨ orgens, J. Moser, F. Stummel sowie E. Wienholtz die Spektraltheorie weiterentwickelt als auch durch interessante Vorlesungen weitergegeben. Die vorliegende Abhandlung basiert auf der Vorlesung [H2] von E. Heinz, welcher das Werk von F. Rellich an der Universit¨at G¨ottingen weitergef¨ uhrt hat. Darum m¨ ochten wir in der Definition II.5.2 von Rellichoperatoren sprechen. Proposition II.5.1. Ein Rellichoperator B besitzt die Spektraldarstellung Z +∞ Z +∞ λ dE(λ) (II.5.1) λ dE(λ) = B= −∞

1

mit einer Spektralschar, welche E(λ) = 0, ∀ λ ∈ (−∞, 1) erf¨ ullt. Beweis: Der Operator B ist selbstadjungiert und besitzt nach Theorem I.12.1 die Spektraldarstellung Z +∞

λ dE(λ) .

B= −∞

Da B ein Courantoperator ist, erf¨ ullt das Infimum   = 1. inf f , Bf f ∈DB : kf k=1

H

(II.5.2)

§5 Der Vergleich von Rellichoperatoren mit ihren Spektren

Hieraus folgt die Ungleichung   ≤ kf k · kBf k f¨ ur alle kf k2 ≤ f, Bf H

f ∈ DB .

155

(II.5.3)

¨ Nun liefern die Uberlegungen im Teil 2.) des Beweises zum Theorem II.4.1 E(λ) = 0 ,

∀ λ ∈ (−∞, 1)

(II.5.4)

f¨ ur die Spektralschar. Damit haben wir die Darstellung (II.5.1) gezeigt. q.e.d. Definition II.5.3. Stellt ein Rellichoperator gem¨ aß B ⊃ H eine Fortsetzung eines Courantoperators H dar, so sprechen wir von einer selbstadjungierten Fortsetzung B des Operators H. Bemerkung: Zu einem Courantoperator H ist seine Friedrichs-Fortsetzung A ⊃ H eindeutig bestimmt, welche wir im Theorem II.4.1 des § II.4 konstruiert haben. Dieser Operator A stellt insbesondere eine selbstadjungierte Fortsetzung A ⊃ H dar. Die selbstadjungierten Fortsetzungen B ⊃ A sind aber im Allgemeinen nicht eindeutig bestimmt, und wir werden im Theorem II.5.1 die Friedrichs-Fortsetzung A innerhalb aller selbstadjungierten Fortsetzungen B von dem Courantoperator H charakterisieren. Wir wollen nun die Quadratwurzel aus Rellichoperatoren ziehen, um damit die kleiner-gleich-Relation zwischen solchen Operatoren zu u ufen. Gehen ¨berpr¨ wir also von einem Rellichoperator B in der Spektraldarstellung gem¨aß der Proposition II.5.1 aus: Z +∞ λdE(λ)f , f ∈ DB mit Bf = 1 (II.5.5) Z +∞ o n λ2 dkE(λ)f k2 < +∞ . DB := f ∈ H : 1

√ Wir erkl¨aren nun die Quadratwurzel B aus dem Operator B durch Z +∞ √ √ Bf := λ dE(λ)f , f ∈ D√B mit 1 (II.5.6) Z +∞ n o D√B := f ∈ H : λ dkE(λ)f k2 < +∞ . 1



Es stellt B : D√B → H einen selbstadjungierten Spektraloperator auf dem Definitionsbereich D√B (siehe Def. I.8.5 und Def. I.8.6) im Hilbertraum H dar, welcher insbesondere abgeschlossen ist. Es gilt die Inklusion D√B ⊃ DB wegen

156

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren +∞

Z

λdkE(λ)f k2 ≤

+∞

Z

λ2 dkE(λ)f k2 < +∞

f¨ ur alle

f ∈ DB ,

1

1

(II.5.7) √ und der Operator B : DB : → H ist wesentlich selbstadjungiert; hierzu verweisen wir auf das Theorem I.4.8 . Weiter berechnen wir die folgende Identit¨at Z +∞ √ Z +∞ √ √ √ B ◦ Bf = λ dE(λ) ◦ λ dE(λ)f 1 1 (II.5.8) Z +∞ = λ dE(λ)f = Bf f¨ ur alle f ∈ DB . 1

Proposition II.5.2. Sei H : DH → H Courantoperator mit √der FriedrichsFortsetzung A aus Definition II.4.4 und der Quadratwurzel A aus Formel (II.5.6). Dann erf¨ ullt das Friedrichs-Skalarprodukt (., .)H aus Definition II.4.3 die folgende Identit¨ at √ √  (II.5.9) A f, A g f¨ ur alle f, g ∈ D[H] = D√A . (f, g)H = H

Beweis: 1.) Im Friedrichs-Definitionsbereich w¨ ahlen wir ein Element f ∈ D[H] aus. Dann existiert eine Folge {fk }k∈N ⊂ DH mit kfk − fl kH → 0 (k, l → ∞) und kf − fk k → 0 (k → ∞) . Somit erhalten wir √ √ √ k A fk − A fl k2 = k A (fk − fl )k2  √ √ A (fk − fl ), A (fk − fl ) = H     (II.5.10) √ √ = fk − fl , A ◦ A (fk − fl ) = fk − fl , A(fk − fl ) H H   2 = fk − fl , H(fk − fl ) = kfk − fl kH → 0 (k, l → ∞) . H



Der Operator A : D√A → H ist selbstadjungiert und damit abgeschlossen, und es folgt f ∈ D√A sowie √ √ A f = lim A fk . k→∞

Insbesondere haben wir die Inklusion D[H] ⊂ D√A bewiesen. 2.) Approximieren wir f, g ∈ D[H] wie im Teil 1.), so erhalten wir √  √ √ √  (f, g)H = lim (fk , gk )H = lim A fk , A gk = A f, A g . k→∞

k→∞

H

H

3.) Es bleibt noch die Inklusion D√A ⊂ D[H] nachzuweisen: Der Operator √ A : DA → H ist wesentlich selbstadjungiert. Somit liegt DA dicht in D√A bzgl. der Graphennorm. Also gibt es zu jedem f ∈ D√A eine Folge

§5 Der Vergleich von Rellichoperatoren mit ihren Spektren

{fk }k∈N ⊂ DA mit



A fk →



157

A f (k → ∞) und fk → f (k → ∞) . (II.5.11)

Weiter gibt es zu jedem fk ∈ DA ⊂ D[H] eine Folge {gk,l }l∈N ⊂ DH mit kgk,l −fk k → 0

(l → ∞)

und

kgk,l −gk,m kH → 0

Wir beachten die Identit¨ aten √ k A (gk,l − gk,m )k = kgk,l − gk,m kH

(l, m → ∞) . (II.5.12)

(l, m ∈ N)

und erhalten aus (II.5.12) f¨ ur m → ∞ die Aussage √ k A (gk,l − fk )k → 0 (l → ∞) . Somit gibt es eine Folge {fk0 }k∈N ⊂ DH mit kfk0 − fk k ≤

1 k

und

√ 1 k A (fk0 − fk )k ≤ k

f¨ ur alle

k ∈ N.

(II.5.13)

Die Dreicksungleichung liefert kfk0 − f k ≤ kfk0 − fk k + kfk − f k ≤ und

1 + kfk − f k → 0 k

(k → ∞) (II.5.14)

√ kfk0 − fl0 kH = k A (fk0 − fl0 )k ≤ √ √ √ k A (fk0 − fk )k + k A (fk − fl )k + k A (fl − fl0 )k √

(II.5.15)



1 1 + k A fk − A fl )k + → 0 (k, l → ∞) . k l Somit folgt f ∈ D[H], und die Inklusion D√A ⊂ D[H] ist gezeigt. ≤

q.e.d. Der Proposition II.5.2 entnehmen wir sofort Proposition II.5.3. Die Courantoperatoren Hj : DHj → H f¨ ur j = 1, 2 mit p Aj erf¨ ullen ihren Friedrichs-Fortsetzungen Aj und deren Quadratwurzeln die Ungleichung H1 ≤ H2 genau dann, wenn i) die Inklusion D[A ur ihre Definitionsbereiche sowie p2 ] ⊂ D[A1 ]p f¨ ii) die Absch¨ atzung k A1 f k ≤ k A2 f k f¨ ur alle f ∈ D[A2 ] gelten.

Theorem II.5.1. (Maximalit¨ at der Friedrichs-Fortsetzung) Seien die Courantoperatoren H1 ≤ H2 gegeben, w¨ ahrend A die FriedrichsFortsetzung von H2 bezeichne. Dann erf¨ ullt jede selbstadjungierte Fortsetzung B von H1 die Ungleichung B ≤ A.

158

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

aß der Proposition II.4.2 beliebig Beweis: 1.) Sei f ∈ D[H2 ] = D√A gem¨ gew¨ahlt. Dann gibt es eine Folge {fk }k∈N ⊂ DH2 , kfk − f k → 0 (k → ∞), kfk − fl kH2 → 0 (k, l → ∞). (II.5.16) Wegen H2 ≥ H1 folgt 0 = lim kfk − fl kH2 k→∞

= lim



≥ lim



= lim



k,l→∞

k,l→∞

fk − fl , H2 (fk − fl )



fk − fl , H1 (fk − fl )



k,l→∞

= lim

√

k,l→∞

fk − fl , B(fk − fl ) √

B (fk − fl ),

H

H



(II.5.17)

H

B (fk − fl )

 H

√ = lim k B (fk − fl )k2 k,l→∞

√ √ = lim k B fk − B fl k2 . k,l→∞

Hierbei ziehen wir aus dem √ selbstadjungierten Operator B wie in (II.5.5) und (II.5.6) die Quadratwurzel B. Wir u ufen die Inklusion D√B ⊃ D√A ¨berpr¨ √ und beachten die Abgeschlossenheit des Operators B : D√B → H . 2.) Zu f ∈ D√A w¨ ahlen wir eine Folge {fk }k∈N wie in (II.5.16) und sch¨atzen mittels (II.5.17) folgendermaßen ab: √  √ √ √ B fk , B fk k B f k2 = lim k B fk k2 = lim k→∞

= lim

k→∞



fk , Bfk

= lim





k→∞

H

k→∞

= lim

k→∞

fk , Afk

 H



fk , H1 fk

= lim

√

k→∞

√ √ = lim k A fk k2 = k A f k2 , k→∞

H

 H

≤ lim

k→∞



fk , H2 fk

√ A fk ,

A fk

 H

(II.5.18)

 H

∀ f ∈ D √A .

Wir erhalten aus (II.5.18) die Ungleichung     √ √ f, Bf = k B f k2 ≤ k A f k2 = f, Af , ∀ f ∈ D√A = D[H2 ] H

H

(II.5.19) und somit B ≤ A wie oben behauptet. q.e.d.

§5 Der Vergleich von Rellichoperatoren mit ihren Spektren

159

Wir wollen nun die Spektren von angeordneten Rellichoperatoren miteinander vergleichen. Hierzu ben¨ otigen wir die Proposition II.5.4. Seien die Rellichoperatoren Bj mit B1 ≤ B2 und den zugeh¨ origen Spektralscharen Ej (λ), λ ∈ [1, +∞) f¨ ur j = 1, 2 gegeben. Gem¨ aß der Definition I.12.1 betrachten wir f¨ ur j = 1, 2 die Spektralr¨ aume   n o Mj (λ) = Mj (−∞, λ] := f ∈ H f = Ej (λ)f (II.5.20) h n i o = f ∈ H E − Ej (λ) f = 0 , 1 ≤ λ < +∞ . Dann gilt dim M2 (λ) ≤ dim M1 (λ) f¨ ur alle 1 ≤ λ < +∞ . Beweis: 1.) Sei ein λ ∈ (1, +∞) mit dim M1 (λ) < +∞ gegeben. W¨are nun dim M2 (λ) > dim M1 (λ) erf¨ ullt, so gibt es ein Element g ∈ M2 (λ) mit kgk = 1 und g ⊥ M1 (λ). Insbesondere ist g = E2 (λ)g ∈ DB2 ⊂ D√B2 erf¨ ullt, und die Ungleichung B1 ≤ B2 impliziert D√B2 ⊂ D√B1 . Damit erhalten wir g ∈ D√B1 . 2.) Wir betrachten nun den Projektor +∞

Z E − E1 (λ) =

d E1 (µ) λ

auf den Orthogonalraum M1 (λ)⊥ . Wegen g ⊥ M1 (λ) berechnen wir Z +∞ Z +∞       g, B1 g = µ d g, E1 (µ)g = µ d g, E1 (µ)g . (II.5.21) H

H

1

H

λ λ

Z

d E2 (µ) auf den Raum

Weiter betrachten wir den Projektor E2 (λ) = M2 (λ) und ermitteln Z +∞     µ d g, E2 (µ)g g, B2 g = H

1

1 λ

Z H

=

  µ d g, E2 (µ)g

1

H

(II.5.22)

wegen g ∈ M2 (λ). 3.) Aus (II.5.21) und (II.5.22) folgt f¨ ur das Element g ∈ D√B2 ⊂ D√B1 die Ungleichung Z λ     µ d g, E2 (µ)g ≤λ g, B2 g = H H 1 (II.5.23) Z +∞     µ d g, E1 (µ)g = g, B1 g < λ

H

H

Dieses steht im Widerspruch zu B1 ≤ B2 , und die Behauptung ist damit gezeigt. q.e.d.

160

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Theorem II.5.2. (Vergleichssatz von F. Rellich) Die Rellichoperatoren B1 ≤ B2 seien gegeben, und 1 ≤ bj ≤ +∞ bezeichne den kleinsten H¨ aufungspunkt des Spektrums von Bj f¨ ur j = 1, 2. Dann gelten die folgenden Aussagen: i) Die Absch¨ atzung b1 ≤ b2 ist richtig. ii) Falls b1 = b2 = +∞ erf¨ ullt ist, und das Spektrum von B1 aus unendlich (1) (1) (1) (1) vielen Eigenwerten 1 ≤ λ1 ≤ λ2 ≤ λ3 ≤ . . . mit λk → b1 (k → ∞) besteht, so besteht das Spektrum von B2 ebenfalls aus unendlich vielen (2) (2) (2) (2) Eigenwerten 1 ≤ λ1 ≤ λ2 ≤ λ3 ≤ . . . mit λk → b2 (k → ∞) sowie (1) (2) λk ≤ λk f¨ ur alle k ∈ N . Beweis: 1.) W¨are b1 > b2 erf¨ ullt, so setzen wir  := dim M2 (λ) ≤ dim M1 (λ)

f¨ ur alle

b 1 − b2 > 0 . Wir beachten 2

1 ≤ λ < +∞

(II.5.24)

gem¨aß der Proposition II.5.4. Somit ergibt sich mit +∞ = dim M2 (b2 + ) ≤ dim M1 (b2 + ) = dim M1 (b1 − ) < +∞ ein Widerspruch, und es folgt b1 ≤ b2 . Hiermit haben wir die Aussage i) bewiesen. 2.) Sei das Spektrum von B1 diskret wie oben, so ist hierzu das Rellichsche Auswahlkriterium aus Proposition I.12.3 f¨ ur jedes 1 < b < b1 √ = b2 = +∞ ¨aquivalent: Jede Folge {fk }k∈N ⊂ D√B1 mit kfk k = 1 und k B1 fk k ≤ b (k ∈ N) erlaubt die Auswahl einer konvergenten Teilfolge {fkl }l∈N ⊂ {fk }k∈N mit fkl → f (l → ∞) in H. √ Gehen wir von einer Folge {fk }k∈N ⊂ D√B2 mit kfk k = 1 und k B2 fk k ≤ b f¨ ur alle k ∈ N aus, so erhalten wir die Ungleichung p p k B1 fk k ≤ k B2 fk k ≤ b (k ∈ N) wegen B1 ≤ B2 . (II.5.25) Nach dem Rellichschen Auswahlkriterium f¨ ur B1 k¨onnen wir zu einer Teilfolge {fkl }l∈N ⊂ {fk }k∈N mit fkl → f (l → ∞) in H u ¨bergehen bei jeder Schranke 1 < b < b1 = b2 = +∞. Somit besitzt auch der Operator B2 ein diskretes Spektrum. (1)

(1)

(2)

(2)

ur ur alle k ∈ N zeigen. W¨are λk > λk f¨ 3.) Wir wollen nun λk ≤ λk f¨ (2) (2) ein k ∈ N erf¨ ullt, so folgt dim M1 (λk ) < k und dim M2 (λk ) ≥ k . Damit erhalten wir in der Absch¨ atzung (2)

(2)

dim M1 (λk ) < k ≤ dim M2 (λk )

(II.5.26)

einen Widerspruch zur Aussage (II.5.24). Damit ist auch die Behauptung ii) gezeigt. q.e.d.

§5 Der Vergleich von Rellichoperatoren mit ihren Spektren

161

Wurzeln, Potenzen und die Inverse eines Rellichoperators: ¨ Ahnlich wie in (II.5.6) die Quadratwurzel, so wollen wir nun die m-te Wurzel aus den Rellichoperatoren ziehen zu beliebigem m ∈ N. Gehen wir also aus von einem Rellichoperator B in der Spektraldarstellung Z +∞ λdE(λ)f , f ∈ DB mit Bf = 1 (II.5.27) Z +∞ o n 2 2 λ dkE(λ)f k < +∞ . DB := f ∈ H : 1

√ Wir erkl¨aren die m-te Wurzel m B aus dem Operator B durch Z +∞ √ √ m m Bf := λ d E(λ)f , f ∈ D m√B

(II.5.28)

auf ihrem Definitionsbereich Z +∞ o n 2 D m√B := f ∈ H : λ m d kE(λ)f k2 < +∞



(II.5.29)

Wir haben n¨amlich die Ungleichung Z +∞ Z +∞ 2 λ m dkE(λ)f k2 ≤ λ2 dkE(λ)f k2 < +∞

f¨ ur alle

1

DB .

1

1

f ∈ DB

1



m

B einen Spektraloperator dar und erf¨ ullt Z +∞ √  √ m √ √ m m m m f = B ◦ ... ◦ B f = B λdE(λ) ◦ . . . 1 (II.5.30) Z +∞ Z +∞ √ m λdE(λ) f = λdE(λ)f = Bf , ∀ f ∈ DB . ◦

zur Verf¨ ugung. Offenbar stellt

1

1

Bilden wir die n-te Potenz B n des Rellichoperators B aus (II.5.27) zu beliebigem n ∈ N, so erhalten wir den Spektraloperator Z +∞ B n f := λn dE(λ)f , f ∈ DB n (II.5.31) 1

auf seinem Definitionsbereich Z +∞ o n λ2n dkE(λ)f k2 < +∞ DB n := f ∈ H :



DB .

(II.5.32)

1

Bilden wir die Reziproke B −1 eines Rellichoperators B aus (II.5.27), so erhalten wir den zu B inversen Operator

162

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

B −1 f :=

+∞

Z 1

1 dE(λ)f λ

,

f ∈ DB −1 = H

(II.5.33)

auf dem ganzen Hilbertraum. Bemerkung: Gelingt es direkt einen Courantoperator H zu invertieren, so kann man dann H −1 als beschr¨ ankten Operator auf den ganzen Hilbertraum fortsetzen. Dieser Weg wird in Chap. VIII des Lehrbuchs [S5] beschritten, wo der Sturm-Liouville-Operator und der Laplaceoperator unter geeigneten Randbedingungen mit Hilfe einer Greenschen Funktion invertiert werden. Man wird dann auf das Studium regul¨ arer und schwach singul¨arer Integralgleichungen gef¨ uhrt. Auf diesen Prozess der Inversenbildung kann man jedoch bei der Friedrichs-Fortsetzung verzichten.

§6 Positive Laplace-Beltrami-Operatoren auf beliebigen Gebieten

163

§6 Positive Laplace-Beltrami-Operatoren auf beliebigen Gebieten Wir w¨ahlen ein Gebiet Ω ⊂ Rn der beliebigen Raumdimension n ∈ N und schreiben darauf die Riemannsche Metrik der Klasse C 1 (Ω) ds2 =

n X

gij (x)dxi dxj

,

x∈Ω

i,j=1

mit der symmetrischen Koeffizientenmatrix gij = gij (x) = gji (x) ∈ C 1 (Ω)

f¨ ur

i, j = 1, . . . , n

unter der Elliptizitit¨ atsbedingung n X

gij (x)ξi ξj > 0

f¨ ur alle

ξ = (ξ1 , . . . , ξn ) ∈ Rn \ {0} ,

x∈Ω

i,j=1

mit dem Quadrat des Oberfl¨ achenelements   g(x) := det gij (x)

> 0,

x∈Ω

i,j=1,...,n

vor. Deren inverse Metrik dr2 =

n X

g ij (x)dxi dxj

,

x∈Ω

i,j=1

besitzt die inverse Koeffizientenmatrix g ij = g ij (x) = g ji (x) ,

x∈Ω

f¨ ur

i, j = 1, . . . , n ,

welche positiv-definit sowie symmetrisch ist und die Umkehrrelationen n X

g ij (x) · gjk (x) = δik

,

x∈Ω,

i, k = 1, . . . , n

j=1

erf¨ ullt. Definition II.6.1. F¨ ur ψ(x) ∈ C 2 (Ω) erkl¨ aren wir den Laplace-BeltramiOperator n n  X X ∂ p 1 g ij (x)ψxj , g(x) ∆ψ(x) := p g(x) i=1 ∂xi j=1

x∈Ω,

(II.6.1)

welcher der Riemannschen Metrik ds2 assoziiert ist. F¨ ur zwei Funktionen ψ(x) und χ(x) der Klasse C 1 (Ω) erkl¨ aren wir den Beltrami-Operator erster Ordnung gem¨ aß

164

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

∇(ψ, χ) :=

n X

g ij (x)ψxi (x)χxj (x) ,

x∈Ω,

(II.6.2)

i,j=1

welcher zu der Riemannschen Metrik ds2 geh¨ ort. Bemerkung: Diese Differentialoperatoren werden in Section 8 von Chap. 1 des Lehrbuchs [S4] oder in [S2] Kap. I § 8 eingef¨ uhrt, und dort wird auch ihre Parameterinvarianz nachgewiesen. Das Gebiet Ω k¨onnte unbeschr¨ankt sein oder der Differentialoperator ∆ auf dem Rand ∂Ω singul¨ar werden. Definition II.6.2. Es heißt (II.6.1) ein exakt positiver Laplace-BeltramiOperator, wenn eine Spektralfunktion ψ = ψ(x) ∈ C 2 (Ω) mit ψ(x) 6= 0 f¨ ur alle x ∈ Ω als nullstellenfreie L¨ osung der Eigenwertgleichung n n  X X ∂ p 1 g ij (x)ψxj (x) = Λψ(x), x ∈ Ω g(x) − ∆ψ(x) := − p g(x) i=1 ∂xi j=1 (II.6.3) zur positiven Spektralkonstante Λ ∈ (0, +∞) existiert.

Die Vorlesungen u achen [N] von J.C.C. Nitsche enthalten im Ab¨ber Minimalfl¨ schnitt 6 des Kapitel II ein Resultat, welches der folgenden Proposition II.6.1 verwandt ist. Dieses erscheint bereits bei H.A. Schwarz f¨ ur seine Stabilit¨atsuntersuchungen von Minimalfl¨ achen mit Hilfe von Eigenwertproblemen partieller Differentialoperatoren. Proposition II.6.1. (J.C.C. Nitsche) Sei der exakt positive Laplace-Beltrami-Operator aus der Definition II.6.2 mit der Spektralfunktion ψ und der Spektralkonstante Λ gegeben. Dann gilt f¨ ur alle at Testfunktionen χ = χ(x) ∈ C01 (Ω) die folgende Identit¨  p  χ χ  p ∇(χ, χ) − Λχ2 (x) , g(x) = ψ 2 (x) ∇ g(x) ψ ψ x x (II.6.4) n n X X χ2 (x)  ∂ p , x∈Ω. g(x) g ij (x)ψxj (x) · + ∂xi ψ(x) j=1 i=1 Weiter erf¨ ullt der Riemannsche Rayleighquotient die Absch¨ atzung R p g(x) dx ∇(χ, χ) Ω x p ≥ Λ f¨ ur alle χ = χ(x) ∈ C01 (Ω) \ {0} . (II.6.5) R 2 (x) χ g(x) dx Ω

§6 Positive Laplace-Beltrami-Operatoren auf beliebigen Gebieten

165

Beweis: 1.) Unter Ber¨ ucksichtigung von (II.6.2) berechnen wir f¨ ur alle x ∈ Ω die nachfolgende Identit¨ at ∇ =

n χ χ  χ χ  X · g ij (x) , = ψ ψ x i,j=1 ψ xi ψ xj x

n X

g ij (x)

i,j=1 n X



xi

ψ



χ · ψxj  χ · ψx i   χ x j · − 2 ψ ψ ψ2 x

n 1 χ2 (x) X ij ij = 2 g (x)χxi · χxj (x) + 4 g (x)ψxi · ψxj (x) ψ (x) i,j=1 ψ (x) i,j=1 n  χ(x) X ij  g (x) χ · ψ + ψ χ (x) x x x x i j i j ψ 3 (x) i,j=1 1 χ2 (x) 2 χ(x) = 2 ∇(χ, χ) + 4 ∇(ψ, ψ) − 3 ∇(χ, ψ) . ψ (x) ψ (x) ψ (x) x x x



Dann erhalten wir f¨ ur alle x ∈ Ω die folgende Identit¨at ψ 2 (x) ∇

 χ χ  2 χ(x) χ2 (x) , ∇(ψ, ψ) − ∇(χ, ψ) . = ∇(χ, χ) + 2 ψ ψ x ψ (x) ψ(x) x x x (II.6.6)

2.) Mit Hilfe der Eigenwertgleichung (II.6.3) ermitteln wir

166

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren n n  χ χ  p X X χ2 (x)  ∂ p g(x) + g(x) g ij (x)ψxj (x) · , ψ ψ x ∂xi ψ(x) i=1 j=1  χ χ  p p χ2 (x) , = ψ 2 (x) ∇ g(x) − Λψ(x) g(x) · ψ ψ x ψ(x) n n p X h χ2 (x) i  X g(x) g ij (x)ψxj · + ψ(x) xi j=1 i=1  χ χ  p p g(x) − Λχ2 (x) g(x) , = ψ 2 (x) ∇ ψ ψ x n  2χ · χ (x) χ2 · ψ (x)  p X xi xi − + g ij (x)ψxj · g(x) 2 (x) ψ(x) ψ i,j=1  χ χ  p p g(x) − Λχ2 (x) g(x) , = ψ 2 (x) ∇ ψ ψ x n p 2χ(x) X ij + g (x)ψxj χxi (x) g(x) ψ(x) i,j=1 n p χ2 (x) X ij − 2 g (x)ψxj ψxi (x) g(x) ψ (x) i,j=1  χ χ  p p = ψ 2 (x) ∇ , g(x) − Λχ2 (x) g(x) ψ ψ x p p χ2 (x) 2χ(x) g(x) − 2 g(x) ∇(ψ, χ) ∇(ψ, ψ) + ψ(x) ψ (x) x x p p = −Λχ2 (x) g(x) + ∇(χ, χ) g(x) , x ∈ Ω ,

ψ 2 (x) ∇

x

indem wir in der letzten Gleichung die Identit¨at (II.6.6) verwenden. Damit haben wir die behauptete Identit¨ at (II.6.4) gezeigt. 3.) Wir integrieren nun diese Identit¨ at (II.6.4) u ¨ber das Gebiet Ω und erhalten die folgende Ungleichung Z Z  p  χ χ  p 2 ψ 2 (x) ∇ , g(x) dx = g(x) dx ≥ 0 ∇(χ, χ) − Λχ (x) ψ ψ x x Ω Ω f¨ ur alle Testfunktionen χ ∈ C01 (Ω). Hieraus folgt die Absch¨atzung (II.6.5) . q.e.d. Wohlbekannt ist die nachfolgende Proposition II.6.2. (Symmetrie des Laplace-Beltrami-Operators) ugen der Beliebige Funktionen φ = φ(x) und χ = χ(x) der Klasse C02 (Ω) gen¨ folgenden Identit¨ at: Z Z p  p φ(x) · − ∆χ(x) g(x) dx = g(x) dx ∇(φ, χ) Ω

x



=

Z  Ω

(II.6.7) 

p − ∆φ(x) · χ(x) g(x) dx .

§6 Positive Laplace-Beltrami-Operatoren auf beliebigen Gebieten

167

Beweis: F¨ ur alle x ∈ Ω gilt −φ(x) · ∆χ(x) −φ(x) · −

n n  X X ∂ p g(x) g ij (x)χxj (x) = ∂xi i=1 j=1

n n  X X ∂ p g(x) g ij (x)χxj (x) · φ(x) ∂xi j=1 i=1

+ −

p g(x) =

n X i,j=1 n X

n X ∂ p g(x) ∂xi i=1

g ij (x)χxj (x) · φxi (x)

p

(II.6.8)

g(x) =

p  g ij (x)χxj (x) · φ(x) + ∇(φ, χ) g(x) . x

j=1

Die Integration von (II.6.8) liefert die obere Identit¨at von (II.6.7), w¨ahrend das Vertauschen von φ und χ mit der Symmetrie des Beltrami-Operators die untere Identit¨at von (II.6.7) ergibt. q.e.d. 0 0 Wir betrachten nun den Pr¨ a-Hilbertraum H := C0 (Ω), welchen wir mit dem folgenden Skalarprodukt ausstatten: Z   p φ(x) · χ(x) g(x) dx , φ, χ ∈ C00 (Ω) . φ, χ := (II.6.9) H



0 Dann k¨onnen wir H abstrakt zum Hilbertraum H vervollst¨ und setzen r  φ, φ , f ∈ H (II.6.10) kφkH := H

f¨ ur dessen Norm. Durch die Indizierung mit < ds2 > deuten wir an, dass die obigen R¨aume und Gr¨ oßen nur vom Oberfl¨ achenelement g(x) der Riemannschen Metrik ds2 abh¨ angen. Die Indizierung mit ds2 deutet im Folgenden an, dass diese R¨aume und Gr¨ oßen von allen Koeffizienten der Metrik abh¨angen. Wir w¨ahlen als Definitionsbereich DHds2 := C02 (Ω) , welcher im Hilbertraum H dicht liegt, und erkl¨ aren den Laplace-Beltrami-Operator Hds2 : DHds2 → H

verm¨ oge

Hds2 φ(x) := −∆φ(x) =

n n  X 1 X ∂ p g ij (x)φxj (x) , g(x) −p g(x) i=1 ∂xi j=1

f¨ ur alle Elemente

x∈Ω

φ ∈ C02 (Ω) = DHds2 .

(II.6.11)

168

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Der Operator Hds2 ist nach Proposition II.6.2 auf DHds2 Hermitesch. Wenn der Laplace-Beltrami-Operator ∆ im Sinne von Definition II.6.2 exakt positiv mit der Spektralkonstante Λ > 0 ist, so sch¨ atzen wir das Spektralinfimum mittels (II.6.5) und (II.6.7) wie folgt ab:   ) ( φ, H 2 φ ds H   Λ(Hds2 ) := inf φ ∈ DHds2 \ {0} φ, φ H

p −φ(x) · ∆φ(x) g(x) dx p = inf R φ∈C02 (Ω)\{0} φ2 (x) g(x) dx Ω p R g(x) dx ∇(φ, φ) Ω x p = inf ≥ Λ. R φ∈C02 (Ω)\{0} φ2 (x) g(x) dx Ω R



(II.6.12)

Somit ist der Operator Hds2 im Sinne von Definition I.12.4 und Definition ¨ I.12.5 positiv, und durch Ubergang zum Operator b ds2 := H

1 Hds2 Λ(Hds2 )

(II.6.13)

b ds2 ) = 1 erreichen. Dann ist H b ds2 ein Courantoperator im k¨ onnen wir Λ(H Sinne von Definition II.4.1. Wir erkl¨aren die Riemannsche Energienorm r  b ds2 φ kφkds2 := φ, H h

= Λ(Hds2 ) h

= Λ(Hds2 )

i− 12 r

i− 12  Z Ω

f¨ ur alle

H

φ, Hds2 φ

 H

(II.6.14)

p  21 g(x) dx ∇(φ, φ) x

φ ∈ DHds2 .

Definition II.6.3. Unter dem Riemann-Friedrichs-Definitionsbereich verstehen wir den linearen Teilraum n D[ds2 ] := f ∈ H Es existiert eine Folge {φk }k∈N ⊂ DHds2 mit

o

kφk − φl kds2 → 0 (k, l → ∞) und f − φk → 0 (k → ∞) . H

(II.6.15) b ds2 auf Gem¨aß der Definition II.4.4 erkl¨ aren wir f¨ ur den Courantoperator H dem u. a. Definitionsbereich DAb 2 seine Riemann-Friedrichs-Fortsetzung ds

§6 Positive Laplace-Beltrami-Operatoren auf beliebigen Gebieten

bds2 f := H b ∗ 2f A ds

,

:= D[ds2 ] ∩ DHb ∗

f ∈ DAb

ds2

169

(II.6.16)

ds2

b ∗ 2 von H b ds2 , welche u ¨ber den adjungierten Operator H ds b ∗2 bds2 ⊂ H b ds2 ⊂ A H ds bds2 eine selbstaderf¨ ullt. Nach dem Theorem II.4.1 von K.O. Friedrichs stellt A b ds2 : DH 2 → H dar und besitzt jungierte Fortsetzung des Courantoperators H ds die Spektraldarstellung Z +∞ bds2 = bds2 (λ) A λ dE (II.6.17) 1

bds2 (λ), 1 ≤ λ < +∞ nach dem Theorem I.12.1. mit der Spektralschar E Insgesamt erhalten wir das Theorem II.6.1. (Spektraldarst. des Laplace-Beltrami-Operators) Es sei der Operator Hds2 aus (II.6.11) mit dem im Sinne von Definition II.6.2 exakt positiven Laplace-Beltrami-Operator ∆ gegeben. Dann existiert f¨ ur Hds2 eine selbstadjungierte Fortsetzung Ads2 : DAb 2 → H, welche die Spektraldards stellung Z +∞

Ads2 =

λ dEds2 (λ)

(II.6.18)

Λ(Hds2 )

mit der Spektralschar

n

Eds2 (λ) : Λ(Hds2 ) ≤ λ < +∞

o

besitzt.

b ds2 besitzt die Beweis: Der Laplace-Beltrami-Operator Hds2 = Λ(Hds2 ) · H bds2 auf den Definitionsbeselbstadjungierte Fortsetzung Ads2 := Λ(Hds2 ) · A reich DAb 2 . Weiter entnehmen wir (II.6.17) die Spektraldarstellung (II.6.18) ds mit der Spektralschar bds2 Eds2 (λ) := E



 λ Λ(Hds2 )

,

Λ(Hds2 ) ≤ λ < +∞ .

(II.6.19)

Hierbei verwenden wir die Invarianz der Friedrichs-Fortsetzung wie auch der Spektraldarstellung unter Dilatationen. q.e.d. Bemerkungen: i) Es w¨are interessant zu untersuchen, wie das Spektrum f¨ ur spezielle LaplaceBeltrami-Operatoren aussehen kann. F¨ ur welche Operatoren k¨onnte ein kontinuierliches Spektrum auftreten? ii) Ist speziell Ω ⊂ Rn eine beschr¨ ankte, konvexe Menge und die Riemannsche Metrik ds2 auf Ω gleichm¨ aßig elliptisch, so k¨onnen wir das diskrete

170

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Spektrum des Laplace-Beltrami-Operators ∆ auch mit den direkten Variationsmethoden aus dem Minimierungsproblem Z p g(x) dx → Min ∇(φ, φ) x Ω Z (II.6.20) p φ2 (x) g(x) dx = 1 φ ∈ W01,2 (Ω) mit Ω

auf dem Sobolevraum W01,2 (Ω) erhalten. Hierzu verweisen wir auf unsere Ausf¨ uhrungen im § I.3 . iii) In diesem Zusammenhang bemerken wir, dass die R¨aume W01,2 (Ω) von S.L. Sobolev eingef¨ uhrt wurden, nachdem K.O. Friedrichs in der Spektraltheorie bereits 1934/35 die hier verwendete Fortsetzung als abstrakte Vervollst¨andigung konstruiert hatte. Die Friedrichs-Fortsetzung erscheint uns f¨ ur singul¨are Laplace-Beltrami-Operatoren auf beliebigen Gebieten als unverzichtbar.

§7 Der Operator von H.A. Schwarz f¨ ur Minimalfl¨ achen

171

§7 Der Operator von H.A. Schwarz fu achen ¨ r Minimalfl¨ H.A. Schwarz hat in seinen Gesammelten Mathematischen Abhandlungen [Sw] bereits Eigenwertprobleme f¨ ur partielle Differentialoperatoren zum Studium der Stabilit¨at von Minimalfl¨ achen betrachtet. Dieses geschah mehr als 30 Jahre bevor solche Probleme f¨ ur die Quantenmechanik in den 1920er Jahren eine zentrale Bedeutung erlangten! Es ist das große Verdienst von J. C. C. Nitsche, diese Unterschungen u ¨ber die zweite Variation des Fl¨acheninhalts in seinen Vorlesungen u achen [N] weiterentwickelt zu haben. Neben seiner ¨ber Minimalfl¨ Monographie empfehlen wir unseren Lesern hier ein Studium des Buches von U. Dierkes, S.Hildebrandt und F. Sauvigny [DHS] u achen. ¨ber Minmalfl¨ Wir betrachten auf der offenen Einheitskreisscheibe n o Ω1 := w = (u, v) ∈ R2 = C u2 + v 2 < 1 parametrische Minimalfl¨ achen. Hierunter verstehen wir Funktionen   X = X(u, v) = x(u, v), y(u, v), z(u, v) , (u, v) ∈ Ω1 der Klasse X ∈ C 2 (Ω1 ) ∩ C 0 (Ω1 ) ∆X(u, v) = 0 ,

, welche die Differentialgleichung

(u, v) ∈ Ω1

W (u, v) := |Xu |2 = |Xv |2 ,

(II.7.1)

und die Konformit¨atsrelationen X u · Xv = 0

in

Ω1

erf¨ ullen .

Falls die parametrische Minimalfl¨ ache X nicht-konstant ist, so kann das Oberfl¨ achenelement W (u, v) h¨ ochstens in isolierten Punkten verschwinden, und wir erkl¨aren das punktierte Gebiet o n Ω10 := w = (u, v) ∈ Ω1 W (u, v) > 0 . Die parametrische Minimalfl¨ ache X besitzt   ds2 := W (u, v) du2 + dv 2 , (u, v) ∈ Ω10 als erste Fundamentalform mit der Gaußschen Kr¨ ummung

K(u, v) ≤ 0

(II.7.2)

f¨ ur alle (u, v) ∈ Ω10 .

Als sph¨ arisches Bild der parametrischen Minimalf¨ ache betrachten wir die 1 Xu (u, v) ∧ Xv (u, v), (u, v) ∈ Ω10 W (u, v) N ∈ C 2 (Ω10 , S 2 ) , welche die Differentialgleichung

Funktion N = N (u, v) := der Klasse

∆N = 2Nu ∧ Nv

in

Ω10

W · K = |Nu |2 = |Nv |2 ,

und die Konformit¨atsrelationen N u · Nv = 0

in

Ω10

erf¨ ullt .

(II.7.3)

172

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Falls die parametrische Minimalfl¨ ache X nicht-eben und somit die sph¨arische Funktion N (u, v) nicht-konstant ist, so kann das sph¨ arische Oberfl¨ achenelement ω(u, v) := |Nu ∧ Nv (u, v)| , (u, v) ∈ Ω10 h¨ ochstens in isolierten Punkten verschwinden, und wir erkl¨aren das Gebiet o n Ω1 00 := w = (u, v) ∈ Ω10 ω(u, v) > 0 . Somit besitzt die parametrische Minimalfl¨ ache X die isotherme Metrik     dr2 := W (u, v) · K(u, v) du2 + dv 2 = ω(u, v) du2 + dv 2 , (u, v) ∈ Ω1 00 (II.7.4) als dritte Fundamentalform. Wir k¨onnen nun die Normale bis einschließlich ihrer zweiten Ableitungen H¨ older-stetig in die singul¨ aren Punkte (u, v) ∈ Ω1 mit W (u, v) = 0 fortsetzen. Wir fordern weiter, dass die Minimalfl¨ache X von einer regul¨aren, reell-analytischen Jordankurve Γ ⊂ R3 im folgenden Sinne berandet wird: X bildet die Kreislinie ∂Ω1 topologisch auf die Jordankurve Γ ab. (II.7.5) Nach einem Satz von H. Lewy k¨ onnen wir dann die Minimalfl¨ache u ¨ber die Jordankurve Γ hinaus als Minimalfl¨ ache fortsetzen. Somit besitzt das Oberfl¨achenelement W (u, v) h¨ ochstens isolierte Nullstellen auf ∂Ω1 , und wir k¨ onnen die Normale wir oben differenzierbar in diese Punkte fortsetzen. Wir sprechen von einer verzweigungspunktfreien Minimalfl¨ ache X, falls das Oberullt. F¨ ur den Koeffizienten der fl¨ achenelement W (u, v) > 0, ∀(u, v) ∈ Ω1 erf¨ dritten Fundamentalform ω(u, v) erreichen wir die folgende Regularit¨at: ω(u, v) = W (u, v) · K(u, v) ∈ C α (Ω1 )

mit

0 < α < 1.

(II.7.6)

00

F¨ ur eine beliebige Testfunktion ϕ ∈ C0∞ (Ω1 ) betrachten wir eine Normalvariation der Minimalfl¨ ache X mit der Funktionenschar Y (u, v; ) := X(u, v) +  ϕ(u, v) N (u, v) ,

(u, v) ∈ Ω1 .

(II.7.7)

F¨ ur ihren Fl¨acheninhalt Z Z |Yu ∧ Yv (u, v; )| du dv

F (ε) :=

(II.7.8)

Ω1

ermittelt man die erste und zweite Variation von F wie folgt: d F (ε) =0 und d =0 Z Z (II.7.9) n o d2 2 2 F (ε) = |∇ϕ(u, v)| + 2W K(u, v)|ϕ(u, v)| dudv . d2 =0 Ω1

§7 Der Operator von H.A. Schwarz f¨ ur Minimalfl¨ achen

173

Um nun zu entscheiden, ob die Minimalfl¨ ache X dem Fl¨acheninhalt ein lokales Minimum erteilt, werden wir – wie schon H.A. Schwarz – gef¨ uhrt auf das folgende Eigenwertproblem zu den Eigenwerten λ > 0 : φ ∈ C 2 (Ω1 ) ∩ C 0 (Ω1 ) \ {0} (II.7.10) −∆φ(u, v) + 2λW · K(u, v)φ(u, v) = 0 in Ω1 ,

φ = 0 auf ∂Ω1 .

Beispiel II.7.1. Falls in (II.7.10) f¨ ur eine verzweigungspunktfreie Minimale < 1 auftritt, so erf¨ fl¨ ache X der Eigenwert 0 < λ ullt die zugeh¨orige Normald2 e F (ε) < 0 f¨ ur ihren variation Ye (u, v; ) nach (II.7.9) die Ungleichung d2 =0 Fl¨acheninhalt. Somit stellt dann diese Minimalfl¨ache X kein lokales Minmum des Fl¨acheninhaltes dar. Falls f¨ ur jeden Eigenwert λ von (II.7.10) einer verzweigungspunktfreien Minimalfl¨ache X die Absch¨ atzung λ ≥ λ1 mit einer Konstante λ1 > 1 richtig ist, so kann man mittels Feldeinbettung den lokalen Minimumcharakter von X nachweisen. Hierzu verweisen wir auf den Abschnitt 5.6 in [DHS], wo ein Beweis von J.C.C. Nitsche’s Eindeutigkeitssatz f¨ ur das Plateausche Problem gegeben wird. Ein entsprechendes Kriterium werden wir im Theorem II.7.2 kennenlernen. Definition II.7.1. Auf der Einheitskreisscheibe Ω1 betrachten wir die parametrische Minimalfl¨ ache X aus (II.7.1) mit der ersten Fundamentalform (II.7.2) und ihrem sph¨ arisches Bild N aus (II.7.3) mit der dritten Fundamentalform (II.7.4) sowie (II.7.6). Auf dem dichten Funktionenraum DX := 00 aren wir den Schwarzschen Operator C02 (Ω1 ) ⊂ L2 (Ω1 ) erkl¨ ! 1 ∂2 ∂2 SX ϕ := ϕ(u, v) , ϕ ∈ DX . (II.7.11) + W (u, v) · K(u, v) ∂u2 ∂v 2 Wir verwenden nun das gewichtete Skalarprodukt Z Z (ϕ, ψ)H(Ω 00 ,ω) = ϕ(u, v)ψ(u, v)ω(u, v) dudv , 1

ϕ, ψ ∈ DX

(II.7.12)

Ω1

mit der Gewichtsfunktion ω aus (II.7.6). Der zugeh¨orige Pr¨a-Hilbertraum besitzt die folgende Norm sZ Z kϕkH(Ω 00 ,ω) = 1

|ϕ(u, v)|2 ω(u, v) dudv

f¨ ur alle

ϕ ∈ DX . (II.7.13)

Ω1 00

Wir schließen diesen Pr¨ a-Hilbertraum abstrakt zum Hilbertraum H(Ω1 , ω) ab, wobei das Skalarprodukt aus (II.7.12) fortgesetzt wird. Da die Gewichtsfunktion ω nicht im Sinne von Definition I.3.2 zul¨assig zu sein braucht, so ist

174

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

die Norm (II.7.13) im Allgemeinen nicht zur L2 (Ω1 )-Norm ¨aquivalent. Folg00 lich stimmen die R¨ aume H(Ω1 , ω) nicht notwendig mit dem Raum L2 (Ω1 ) u ¨berein. Weiter verwenden wir die Dirichlet-Norm sZ Z kϕkH1 (Ω 00 ) := 0

1

|∇ϕ(u, v)|2 dudv ,

ϕ ∈ DX .

(II.7.14)

Ω1

Der Abschluss des Raumes DX in der Dirichlet-Norm (II.7.14) ergibt den wohlbekannten Sobolevraum W01,2 (Ω1 ). Die singul¨aren Punkte liegen n¨amlich isoliert in Ω1 , und die Kapazit¨ at jedes einzelnen Punktes verschwindet. Definition II.7.2. Wir erkl¨ aren den Schwarz-Friedrichs-Definitionsbereich als n 00 D[SX ] := ϕ ∈ H(Ω1 , ω) Es existiert eine Folge {ϕk }k∈N ⊂ DX mit o kϕk − ϕl kH1 (Ω 00 ) → 0 (k, l → ∞) und kϕ − ϕk kH(Ω 00 ,ω) → 0 (k → ∞) . 0 1 1 (II.7.15) Theorem II.7.1. (Spektraldarstellung des Schwarzschen Operators) 00 Der Schwarzsche Operator SX : DX → H(Ω1 , ω) aus (II.7.11) ist auf dem 00 2 ur SX dichten Teilraum DX := C0 (Ω1 ) Hermitesch und positiv. Es existiert f¨ 00 eine selbstadjungierte Fortsetzung AX : DAX → H(Ω1 , ω) auf dem Definitiaus (II.7.20). Dieser Operator besitzt die Spektraldaronsbereich DAX = DA d X stellung Z +∞

AX =

λ dEX (λ)

(II.7.16)

0

mit der Spektralschar

n

EX (λ) : 0 < λ < +∞

o

und einem diskreten Spektrum.

Beweis: 1.) Der Schwarzsche Operator SX aus Definition II.7.1 stellt den Laplace-Beltrami-Operator aus Definition II.6.1 zur isothermen Metrik   00 dr2 = ω(u, v) du2 + dv 2 , (u, v) ∈ Ω1 00

auf dem punktierten Gebiet Ω1 ⊂ Ω1 dar. Somit ist der Operator SX nach der Proposition II.6.2 auf dem dichten Definitionsbereich DX Hermitesch. 2.) Wir sch¨atzen das Spektralinfimum mit der Gewichtsfunktion ω aus (II.7.6) wie folgt ab:

§7 Der Operator von H.A. Schwarz f¨ ur Minimalfl¨ achen



) ( ϕ, S ϕ X 00 H(Ω1 ,ω)   Λ(SX ) := inf ϕ ∈ DX \ {0} ϕ, ϕ 00 H(Ω1 ,ω) RR |∇ϕ(u, v)|2 dudv R R Ω1 = inf00 |ϕ(u, v)|2 ω(u, v) dudv ϕ∈C02 (Ω1 )\{0} Ω1 RR |∇ϕ(u, v)|2 dudv 1 R RΩ1 · inf00 ≥ sup(u,v)∈Ω1 ω(u, v) ϕ∈C02 (Ω1 )\{0} |ϕ(u, v)|2 dudv Ω1 ≥

175



(II.7.17)

Λ(Ω1 ) =: Λ(Ω1 , ω) ∈ (0, +∞) . sup(u,v)∈Ω1 ω(u, v)

Dabei tritt die Konstante Λ(Ω1 ) ∈ (0, +∞) bereits in der Formel (II.4.3) auf. Somit ist der Operator SX im Sinne von Definition I.12.4 und I.12.5 positiv. ¨ 3.) Durch den Ubergang zum Operator Sc X :=

1 SX Λ(SX )

(II.7.18)

c k¨ onnen wir Λ(Sc X ) = 1 erreichen. Dann ist SX ein Courantoperator im Sinne von Definition II.4.1. Wir erkl¨ aren die Schwarzsche Energienorm r h i− 12 r   = Λ(S ) ϕ, Sc ϕ ϕ, S ϕ kϕkX := X X X 00 00 H(Ω1 ,ω) H(Ω1 ,ω) (II.7.19) h i− 12  Z Z  21 = Λ(SX ) |∇ϕ(u, v)|2 dudv f¨ ur alle ϕ ∈ DX . Ω1

Diese Norm (II.7.19) ist offenbar zur Dirichlet-Norm (II.7.14) ¨aquivalent. Bilden wir den Friedrichs-Definitionsbereich gem¨ aß der Definition II.4.2, so erhalten wir den Schwarz-Friedrichs-Definitionsbereich D[SX ] in Definition II.7.2. 4.) Gem¨aß der Definition II.4.4 erkl¨ aren wir f¨ ur den Courantoperator Sc X auf dem u. a. Definitionsbereich DA seine Schwarz-Friedrichs-Fortsetzung d X ∗

d c A X f := SX f

,

f ∈ DA := D[SX ] ∩ DScX ∗ d X

u ¨ber den adjungierten Operator Sc X



(II.7.20)

von Sc X , welche die Inklusionen

d c Sc X ⊂ AX ⊂ S X



d erf¨ ullt. Nach dem Theorem II.4.1 von K.O. Friedrichs stellt A X eine selbst00 c adjungierte Fortsetzung des Courantoperators SX : DX → H(Ω1 , ω) dar. Ferd ner besitzt der Operator A X nach Theorem I.12.1 die Spektraldarstellung Z +∞ d d AX = λ dE (II.7.21) X (λ) 1

176

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

d mit der Spektralschar E X (λ), 1 ≤ λ < +∞. 5.) Der Schwarzsche Operator SX = Λ(SX ) · Sc X besitzt die selbstadjungierd te Fortsetzung AX := Λ(SX ) · AX auf den Definitionsbereich DAX = DA . d X Weiter entnehmen wir (II.7.21) die Spektraldarstellung (II.7.16) mit der Spektralschar  λ  d , Λ(SX ) ≤ λ < +∞ . (II.7.22) EX (λ) := E X Λ(SX ) Hierbei verwenden wir die Invarianz der Friedrichs-Fortsetzung wie auch der Spektraldarstellung unter Dilatationen. 6.) Schließlich zeigen wir, dass der Operator AX ein diskretes Spektrum besitzt. Wir betrachten das Energiefunktional     = A f, f EX (f ) := f, AX f X 00 00 H(Ω1 ,ω) H(Ω1 ,ω) Z +∞ Z Z (II.7.23) |D f (u, v)|2 dudv = λkd EX (λ)f k2 = Ω1

0

f¨ ur alle

f ∈ DAX ⊂ W01,2 (Ω1 ) . 00

ur k = 1, 2, . . . Sei nun eine Folge fk ∈ H(Ω1 , ω) mit kfk kH(Ω 00 ,ω) = 1 f¨ 1 gegeben, deren Energie gem¨ aß sup EX (fk ) < +∞

(II.7.24)

k∈N

nach oben beschr¨ ankt bleibt. Nach dem Rellichschen Auswahlsatz (siehe das Theorem 2.3 in [S5] Chap. 10 oder den Satz 3 in [S4], Kap. X, § 2) k¨onnen wir zu einer in L2 (Ω1 ) stark konvergente Teilfolge {fkl }l=1,2,... u ¨bergehen. Wegen der Ungleichung sZ Z r  |f (u, v)|2 ω(u, v) dudv f, f = kf kH(Ω 00 ,ω) = 00 H(Ω1 ,ω)

1

sZ Z ≤

sup (u,v)∈Ω1

=

sup (u,v)∈Ω1

Ω1

(II.7.25)

|f (u, v)|2 dudv

ω(u, v) · Ω1

ω(u, v) · kf kL2 (Ω1 )

f¨ ur alle

f ∈ DAX ⊂ W01,2 (Ω1 ) 00

konvergiert die Folge {fkl }l=1,2,... auch stark im Hilbertraum H(Ω1 , ω). Nach dem Rellichschen Auswahlkriterium in Proposition I.12.3 besitzt dann der Operator AX ein diskretes Spektrum. q.e.d.

§7 Der Operator von H.A. Schwarz f¨ ur Minimalfl¨ achen

177

Bemerkungen: i) Wenn die Minimalfl¨ ache X von einem Polygon Γ ⊂ R3 berandet wird, so erf¨ ullt der Koeffizient in der dritten Fundamentalform die Regularit¨atsbedingung ω(u, v) = W (u, v) · K(u, v) ∈ C α (Ω1 ) ∩ L1 (Ω1 )

mit

0 < α < 1. (II.7.26) Es k¨onnte jedoch ω(u, v) in Punkten der Kreislinie ∂Ω1 singul¨ar werden, welche den Eckpunkten auf dem Polygon Γ entsprechen, und somit der singul¨are Fall sup ω(u, v) = +∞ (u,v)∈Ω1

auftreten. Durch die asymptotischen Entwicklungen von E. Heinz kann man die Regularit¨ at in den Eckpunkten des Polygons genauer studieren. Wir verweisen hier auf die Arbeit [H4] u achen im R3 mit ¨ber Minimalfl¨ polygonalem Rand. ii) In seinen Untersuchungen zur Shiffmanschen Funktion hat E. Heinz (siehe [H4] § 3) eine selbstadjungierte Erweiterung f¨ ur den singul¨ aren Schwarzschen Operator SX φ := −∆φ + 2W (u, v)K(u, v)φ ,

φ ∈ C 2 (Ω1 ) ∩ C 0 (Ω1 ) φ=0

auf

∂Ω1

(II.7.27)

mittels der St¨orungstheorie konstruiert; hier verweisen wir auf das Theorem I.4.9. Man kann auch das tiefliegende Theorem II.9.3 anwenden, um die wesentliche Selbstadjungiertheit des singul¨aren Schwarzschen Operators (II.7.27) zu zeigen. iii) Mit den direkten Variationsmethoden wird in der Arbeit [S6] das Spektrum des verallgemeinerten Schwarzschen Operators f¨ ur polygonal berandete parametrische Minimalfl¨ achen im Rp der Dimension p ≥ 3 untersucht. Dabei reduziert sich im Fall p = 3 dieser Operator auf den Schwarzschen Operator (II.7.11). So kann man mit dem Morse-Index das lokale Verhalten 2-dimensionaler Minimalfl¨ achen im Rp klassifizieren. Definition II.7.3. Auf der Einheitssph¨ are S 2 := {Y ∈ R3 : |Y | = 1} im R3 2 betrachten wir zum Nordpol Z ∈ S die obere, offene Hemisph¨ are n o S + (Z) := Y ∈ S 2 : Y · Z > 0 . (II.7.28)

Proposition II.7.1. Es sei X : Ω1 → R3 eine parametrische Minimalfl¨ ache (II.7.1), deren sph¨ arisches Bild N : Ω1 → S 2 aus (II.7.3) in einer Hemisph¨ are S + (Z) mit einem geeigneten Nordpol Z ∈ S 2 wie folgt enthalten sei:

178

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

N (Ω1 ) ⊂ S + (Z) .

(II.7.29)

Dann gilt die Absch¨ atzung Λ(SX ) ≥ 2 f¨ ur das Spektralinfimum des Schwarzschen Operators SX von dieser Minimalfl¨ ache X. Beweis: Wir betrachten mit Hilfe von (II.7.29) die positive Hilfsfunktion 00

ψ(u, v) := N (u, v)·Z, (u, v) ∈ Ω1

mit

00

ψ(u, v) > 0, ∀(u, v) ∈ Ω1 . (II.7.30)

F¨ ur die Normale ermitteln wir die Differentialgleichung ∆N (u, v) = 2Nu ∧ Nv = −2ω(u, v)N (u, v) Bilden wir zur isothermen Metrik   dr2 = ω(u, v) du2 + dv 2 ,

in

00

Ω1 .

(II.7.31)

00

(u, v) ∈ Ω1

den Laplace-Beltrami-Operator ∆ der Definition II.6.1, so erhalten wir aus (II.7.31) f¨ ur die Funktion ψ aus (II.7.30) die Eigenwertgleichung − ∆ψ(u, v) = 2ψ(u, v) ,

00

(u, v) ∈ Ω1 .

(II.7.32)

Nun ist der Laplace-Beltrami-Operator ∆ exakt positiv im Sinne von Definition II.6.2 mit Λ = 2 als Spektralkonstante, und die Proposition II.6.1 liefert die folgende Absch¨ atzung RR |∇χ(u, v)|2 dudv 00 R R Ω1 ≥ 2 f¨ ur alle χ = χ(u, v) ∈ C01 (Ω1 ) \ {0}. 2 |χ(u, v)| ω(u, v) dudv Ω1 (II.7.33) Somit folgt Λ(SX ) ≥ 2 wie oben behauptet. q.e.d. Mit Monotoniebetrachtungen f¨ ur den kleinsten Eigenwert und mit Symmetrisierungsargumenten entwickelt man aus der Proposition II.7.1 das folgende Theorem II.7.2. (J.L. Barbosa, M. do Carmo) Sei X : Ω1 → R3 eine parametrische, verzweigungspunktfreie Minimalfl¨ ache, deren sph¨ arisches Bild in einem Gebiet G ⊂ S 2 der Sph¨ are von einem Fl¨ achenatzung inhalt |G| < 2π gem¨ aß N (Ω1 ) ⊂ G enthalten sei. Dann gilt die Absch¨ Λ(SX ) > 2 f¨ ur das Spektralinfimum des Schwarzschen Operators SX dieser Minimalfl¨ ache X. Beweis: Wir verweisen auf Section 5.4 im Lehrbuch [DHS] von U. Dierkes, S. Hildebrandt und F. Sauvigny sowie auf die Arbeit [BC] von J.L. Barbosa und M. do Carmo. q.e.d.

§8 Spektraltheorie von Schr¨ odingeroperatoren mit halbbeschr¨ anktem Potential

179

§8 Spektraltheorie von Schr¨ odingeroperatoren mit halbbeschr¨ anktem Potential Der Schr¨odingeroperator Hq aus dem Beispiel I.4.1 stellt einen Differentialoperator auf dem ganzen Rn der Dimension n ∈ N dar. Die Lebesguer¨aume Lp (Ω) zum Exponenten 1 ≤ p < +∞ sind bei beschr¨anktem Gebiet Ω separabel, und die Testfunktionen C0∞ (Ω) liegen in Lp (Ω) dicht. Bei beschr¨ankten ur Gebieten Ω weisen Lebesguer¨ aume die Monotonie Lp1 (Ω) ⊂ Lp2 (Ω) f¨ 1 ≤ p2 ≤ p1 < +∞ auf (siehe hierzu Theorem 7.14 und Theorem 7.10 in [S4] Chap. 2 oder Satz 7 und Satz 5 in [S2] Kap. II § 7 ). Da diese Situation f¨ ur unbeschr¨ankte Gebiete Ω vollst¨ andig ungekl¨ art ist, so wollen wir nun genauer den Hilbertraum L2 (Rn ) definieren. Definition II.8.1. F¨ ur alle k ∈oN0 betrachten wir die offenen Kugelschalen n Ωk := x ∈ Rn : k < |x| < k + 1 vom Innenradius k und vom Außenradius k + 1. Dann erkl¨ aren wir den Post-Hilbertraum n H(Rn ) := f : Rn → R f ist messbar und ihre Einschr¨ ankung (II.8.1) o auf Ωk erf¨ ullt f |Ωk ∈ L2 (Ωk ) f¨ ur alle k ∈ N0 . Im Raum H(Rn ) definieren wir das innere Produkt ∞ Z   X [f (x) · g(x)] dx := f,g H(Rn )

k=0

Ωk

(II.8.2)

Z [f (x) · g(x)] dx

= lim

k→∞

∈ R = {−∞} ∪ R ∪ {+∞}

|x|≤k

f¨ ur alle f, g ∈ H(Rn ) , mit denen die angegebene Reihe eigentlich oder uneigentlich konvergiert und der angegebene Integralgrenzwert existiert. In dem Raum  n o  L2 (Rn ) := f ∈ H(Rn ) f , f < +∞ (II.8.3) H(Rn )

erhalten wir den Hilbertraum der quadratintegrablen Funktionen auf dem Rn mit der Norm r  kf kL2 (Rn ) := f,f ∈ R , f ∈ L2 (Rn ) . (II.8.4) n H(R )

Definition II.8.2. Sei die Folge fl ∈ H(Rn ) f¨ ur l = 1, 2, . . . und das Grenzelement f ∈ H(Rn ) gegeben. Dann konvergiert diese Folge schwach in H(Rn ) gegen f , wenn die Relation     = f , g f¨ ur alle g ∈ C0∞ (Rn ) (II.8.5) lim fl , g n n l→∞

H(R )

H(R )

erf¨ ullt ist. Wir schreiben dann fl * f (l → ∞) wie u ¨blich.

180

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Proposition II.8.1. Der Post-Hilbertraum H(Rn ) ist separabel im folgenden ur l = 1, 2, . . ., Sinne: Es gibt eine Folge von Testfunktionen ϕl (x) ∈ C0∞ (Rn ) f¨ so dass f¨ ur jedes f ∈ H(Rn ) eine Teilfolge {ϕlm (x)}m=1,2,... ⊂ {ϕl (x)}l=1,2,... mit der Eigenschaft ϕlm * f (m → ∞) existiert. Weiter ist der Hilbertraum L2 (Rn ) im u ¨blichen Sinne separabel. Beweis: 1.) Der Post-Hilbertraum ist wie folgt als direkte Summe konstruiert: H(Rn ) = L2 (Ω0 ) ⊕ L2 (Ω1 ) ⊕ L2 (Ω2 ) ⊕ L2 (Ω3 ) ⊕ . . .

(II.8.6)

Nach dem Theorem 7.14 in Chap. 2 von [S4] oder dem Satz 7 in [S2] Kap. II § 7 gibt es f¨ ur jedes k ∈ N0 eine Folge (k)

{ϕlk (x)}lk =1,2,... ⊂ C0∞ (Ωk ) , welche im Hilbertraum L2 (Ωk ) dicht liegt. 2.) Wir betrachten nun die abz¨ ahlbare Familie von Testfunktionen (0)

(1)

(m)

ϕl0 ,l1 ,...,lm := ϕl0 (x) · ϕl1 (x) · . . . · ϕlm (x) ∈ C0∞ (Rn ) f¨ ur

m = 1, 2, . . .

und

(II.8.7)

l0 , l1 , . . . = 1, 2, 3, . . .

Da nach Definition II.8.2 die schwache Konvergenz nur auf jedem Kompaktum kontrolliert wird, so k¨ onnen wir zu jeder Funktion f ∈ H(Rn ) eine Teilfolge von (II.8.7) finden, welche schwach gegen f konvergiert. ¨ 3.) Uber die Darstellung (II.8.7) zusammen mit der Charakterisierung (II.8.3) zeigt man auch die Separabilit¨ at vom Hilbertraum L2 (Rn ). q.e.d. Wir betrachten nun wesentlich beschr¨ ankte Funktionen im Rn mit dem Raum n L∞ (Rn ) := f : Rn → R f ist messbar, und es gilt (II.8.8) o −∞ < ess inf{f (x) : x ∈ Rn } ≤ ess sup{f (x) : x ∈ Rn } < +∞ . Offenbar ist L∞ (Rn ) ⊂ H(Rn ) erf¨ ullt, und wir vereinbaren die sinnvolle Definition II.8.3. Die Elemente f ∈ L2 (Rn ) nennen wir gebundene Elemente. Das Element f ∈ L∞ (Rn ) heißt ein ungebundenes Element, falls als inneres Produkt   f,f = +∞ n H(R )

erscheint, und f somit nicht im Hilbertraum L2 (Rn ) liegt. Wir wenden uns nun den Schr¨ odingeroperatoren aus dem Beispiel II.4.2 zu und betrachten die Hermiteschen Operatoren

§8 Spektraltheorie von Schr¨ odingeroperatoren mit halbbeschr¨ anktem Potential

Hq f (x) := −∆f (x)+q(x)f (x) ,

x ∈ Rn

,

181

f ∈ DHq := C0∞ (Rn ) . (II.8.9)

Dabei sei das lokal integrable Potential q = q(x) ∈ L1loc (Rn ) nach unten wesentlich beschr¨ ankt durch die Konstante Γ (q) := ess inf{q(x) : x ∈ Rn } > −∞ .

(II.8.10)

Wir zeigen nun das Theorem II.8.1. (Spektraldarstellung des Schr¨ odingeroperators) Sei beim Schr¨ odingeroperator Hq aus (II.8.9) das Potential q ∈ L1loc (Rn ) nach unten durch eine Konstante Γ (q) ∈ R gem¨ aß (II.8.10) beschr¨ ankt. Dann besitzt Hq eine selbstadjungierte Friedrichs-Fortsetzung Aq ⊃ Hq auf den Definitionsbereich DAq gem¨ aß (II.8.15) und die Spektraldarstellung Z

+∞

λ d Eq (λ)

Aq =

(II.8.11)

Λ(q)

mit einer Spektralschar {Eq (λ) : Λ(q) ≤ λ < +∞}, wobei die Konstante Λ(q) in (II.4.10) erkl¨ art wurde. Beweis: 1.) Wir betrachten im Beispiel II.4.2 mit −∞ < Γ (q) ≤ Λ(q) < +∞ aus (II.4.10) den Courantoperator   H[q] f (x) = −∆f (x) + 1 + [q(x) − Λ(q)] f (x), x ∈ Rn ; ∀f ∈ DHq . (II.8.12) Zum Operator H[q] erkl¨ aren wir den Schr¨ odinger-Friedrichs-Definitionsbereich n D[H[q] ] := f ∈ L2 (Rn ) Es existiert eine Folge {fk }k∈N ⊂ DHq mit o kfk − fl kH[q] → 0 (k, l → ∞) und kf − fk kH(Rn ) → 0 (k → ∞) . (II.8.13) Hierin verwenden wir die Schr¨ odingersche Energienorm sZ    Z 2 2 |f (x)|2 dx |∇f (x)| + q(x)|f (x)| dx + 1 − Λ(q) kf kH[q] = Rn

Rn

f¨ ur alle

f ∈ D Hq . (II.8.14)

2.) Auf dem in (II.8.15) angegebenen Definitionsbereich DAq erkl¨aren wir die Schr¨odinger-Friedrichs-Fortsetzung ∗ f A[q] f := H[q]

,

∗ f ∈ DAq := D[H[q] ] ∩ DH[q]

(II.8.15)

∗ . Das Theorem II.4.1 von K. Friedrichs mit der Eigenschaft H[q] ⊂ A[q] ⊂ H[q] zusammen mit dem Spektralsatz I.12.1 f¨ ur selbstadjungierte Operatoren liefert die Spektraldarstellung

182

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren +∞

Z A[q] =

λ dE[q] (λ)

(II.8.16)

1

mit der Spektralschar {E[q] (λ) : 1 ≤ λ < +∞}. 3.) F¨ ur den Operator Hq erhalten wir aus der Identit¨at (II.8.16) die Darstellung Z +∞   λ + Λ(q) − 1 dE[q] (λ) . (II.8.17) Aq = 1

Mit der Substitution µ = λ + Λ(q) − 1 ,

1 ≤ λ < +∞

(II.8.18)

Λ(q) ≤ µ < +∞

(II.8.19)

und der Spektralschar   Eq (µ) := E[q] µ + 1 − Λ(q) ,

erhalten wir aus (II.8.17) die folgende Darstellung Z Aq = Z =

+∞

1 +∞



 λ + Λ(q) − 1 dE[q] (λ) 



Z

µ dE[q] µ + 1 − Λ(q) = Λ(q)

(II.8.20)

+∞

µ dEq (µ) . Λ(q)

Somit haben wir die gesuchte Spektraldarstellung (II.8.11) gefunden. q.e.d. Bemerkungen: i) Der Schr¨odingeroperator besitzt in der Quantenmechanik eine zentrale Bedeutung (siehe Kapitel IV und V im Skriptum von H.J. Borchers [B]). H¨aufig sind die Potentiale nach unten unbeschr¨ankt, und somit ist die Frage nach selbstadjungierten Fortsetzungen dieser Operatoren intensiv in der Spektraltheorie behandelt worden. ii) Ein erstes Ergebnis in diesem Zusammenhang verdankt man E. Wienholtz [W], der bei den Potentialen q = q(x) ∈ C 0 (Rn ) unter der Bedingung q(x) ≥ −q0 − q1 · |x|2

f¨ ur alle

x ∈ Rn

(II.8.21)

f¨ ur gewisse Zahlen q0 , q1 ∈ [0, +∞) die wesentliche Selbstadjungiertheit des zugeh¨origen Schr¨ odingeroperators gezeigt hat. Wir werden am Ende des § II.9 ein ¨ ahnliches Resultat zur wesentlichen Selbstadjungiertheit von Schr¨odingeroperatoren mit einem nach unten unbeschr¨ankten Potential pr¨asentieren. iii) Insbesondere das Ergebnis von E. Wienholtz wird im interessanten Lehrbuch von G. Hellwig Differentialoperatoren der mathematischen Physik

§8 Spektraltheorie von Schr¨ odingeroperatoren mit halbbeschr¨ anktem Potential

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[He] dargestellt im Satz 6 des Kapitel IV, Abschnitt 3.4. Schr¨odingeroperatoren mit stetigen Potentialen außerhalb isolierter Punkte, die gewisse Singularit¨aten zulassen, werden in [He] Kapitel IV, Abschnitt 4.1 behandelt; deren selbstadjungierte Fortsetzbarkeit hat zuerst F. Stummel [St] untersucht. iv) Die Spektraltheorie von gew¨ ohnlichen sowie partiellen Differentialoperatoren wurde von G. Hellwig und seinen Sch¨ ulern H.W. Rhode, J. Walter, U.W. Schmincke, R. W¨ ust und H. Kalf intensiv studiert und wesentlich bereichert; man siehe hierzu insbesondere die Literaturangaben in [He] und [K]. Auch meine Interessen an der Spektraltheorie verdanke ich wesentlich der Assistentenzeit am Institut f¨ ur Mathematik der Rheinisch-Westf¨alischen Technischen Hochschule Aachen. v) Schon F. Rellich hat die Frage nach einer selbstadjungierten Fortsetzung von Schr¨odingeroperatoren als St¨ orungsproblem betrachtet. Diese Untersuchungen wurden von T. Kato weitergef¨ uhrt und sind in seinem wohlbekannten Lehrbuch Perturbations of Linear Operators [K] weitergef¨ uhrt. Mit Schr¨odingeroperatoren befassen sich dort inbesondere Chap. V, § 5 sowie Chap. VI, § 4; hierbei liegen die Potentiale in geeigneten Lebesguer¨aumen. vi) Eine neuere Darstellung der St¨ orungstheorie selbstadjungierter Operatoren im Hilbertraum, einschließlich der Schr¨odingeroperatoren, wird in Chap. 8 des interessanten Lehrbuchs [Sm] von K. Schm¨ udgen gegeben. Wir kommen in unserem Lehrbuch mit elementaren funktionalanalytischen Methoden aus und verbleiben n¨ aher an der Theorie partieller Differentialgleichungen. Beispiel II.8.1. Eindimensionaler Schr¨ odingeroperator mit Stufenpotential: Zu N ∈ N betrachten wir die Zerlegung der rellen Achse durch die Punkte − ∞ = p0 < p1 < p2 < . . . < pN −2 < pN −1 < pN = +∞

(II.8.22)

und w¨ahlen die reellen Zahlen q1 , q2 , . . . , qN −1 , qN .

(II.8.23)

Dann erkl¨aren wir das Stufenpotential

q(x) :=

         

q1

p0 < x < p 1

q2 .. .

p1 < x < p 2

        

qN −1 qN

. pN −2 < x < pN −1 pN −1 < x < pN

Zum Parameter λ ∈ R betrachten wir f¨ ur den Schr¨odingeroperator

(II.8.24)

184

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Hq := −

d2 + q(x) , dx2

x∈R

die Eigenwertgleichung Hq f (x) = −

d2 f (x) + q(x)f (x) = λ f (x) , dx2

x∈R

(II.8.25)

beziehungsweise −

  d2 f (x) + q(x) − λ f (x) = 0 , dx2

x ∈ R.

(II.8.26)

Wir erhalten als L¨ osungen dieser gew¨ ohnlichen Differentialgleichung zweiter Ordnung auf den entsprechenden Intervallen die Funktionen  p    p fj (x) := aj exp x qj − λ + bj exp − x qj − λ , x ∈ (pj−1 , pj ) f¨ ur diejenigen j = 1, . . . , N mit λ 6= qj

sowie

(II.8.27)

fj (x) := αj x + βj , x ∈ (pj−1 , pj ) f¨ ur j = 1, . . . , N mit λ = qj . Die Konstanten a1 , . . . , aN und b1 , . . . , bN beziehungsweise α1 , . . . , αN und ¨ β1 , . . . , βN sind nun so zu w¨ ahlen, dass die Ubergangsbedingungen 0 fj (pj −) = fj+1 (pj +) und fj0 (pj −) = fj+1 (pj +) f¨ ur j = 1, . . . , N − 1 (II.8.28) erf¨ ullt sind. Dieses f¨ uhrt auf lineare Gleichungssysteme f¨ ur die Koeffizienten a1 , . . . , aN und b1 , . . . , bN beziehungsweise α1 , . . . , αN und β1 , . . . , βN . Dann bestimmen wir die Parameter λ ∈ R so, dass die L¨osungen (II.8.27) gebundene oder ungebundene Eigenelemente der Schr¨ odingergleichung darstellen.

Von der Interpretation der Streuung freier und gebundener Teilchen an einem Potential in der Quantenmechanik (siehe im Kapitel V des Skriptums von H.J. Borchers [B] den § 1) gewinnt man die folgende Definition II.8.4. Das Potential q ∈ L1loc (Rn ) nennen wir begrenzend, wenn das folgende wesentliche Infimum existiert %(r) := ess inf {q(x) : r < |x| < +∞} ∈ (0, +∞) f¨ ur alle 0 ≤ r < +∞ (II.8.29) unter der asymptotischen Bedingung lim %(r) = +∞ .

r→+∞

(II.8.30)

Mit dem Rellichschen Auswahlkriterium aus der Proposition I.12.3 zeigen wir

§8 Spektraltheorie von Schr¨ odingeroperatoren mit halbbeschr¨ anktem Potential

185

Theorem II.8.2. Sei der Schr¨ odingeroperator Hq aus (II.8.9) gegeben, desaß der Definition II.8.4 begrenzend sei. Dann sen Potential q ∈ L1loc (Rn ) gem¨ besitzt seine selbstadjungierte Friedrichs-Fortsetzung Aq ⊃ Hq aus dem Theorem II.8.1 ein diskretes Spektrum mit den Eigenwerten 0 ≤ λ 1 ≤ λ 2 ≤ λ3 ≤ . . .

und

λk → +∞

(k → ∞) .

(II.8.31)

¨ Beweis: 1.) Uber die Setzungen (II.8.1) und (II.8.2) betrachten wir eine Folge   fk ∈ H(Rn ) mit fk , f k = 1 f¨ ur k = 1, 2, . . . (II.8.32) n H(R )

unter der Energiebeschr¨ ankung   Cq := sup Aq fk , fk k∈N

H(Rn )

< +∞ .

(II.8.33)

Um mittels Proposition I.12.3 den diskreten Charakter des Spektrums zu zeigen, haben wir aus obiger Folge eine Teilfolge {fkl }l∈N ⊂ {fk }k∈N auszuw¨ahlen, welche in der k . kH(Rn ) -Norm wie folgt konvergiert:   f k l − f km , f kl − f km → 0 (l, m → ∞) . n H(R )

2.) Hierzu verwenden wir die Folge von Hilfsfunktionen χj = χj (x) : Rn → [0, 1] ∈ W 1,∞ (Rn ) ∩ C00 (Rn ) ,

j = 1, 2, 3, . . .

erkl¨art durch  1 f¨ ur x ∈ Rn mit 0 ≤ |x| ≤ j   ur x ∈ Rn mit j < |x| < j + 1 χj (x) := j + 1 − |x| f¨   0 f¨ ur x ∈ Rn mit j + 1 ≤ |x| < +∞

,

(II.8.34)

(II.8.35)

mit den folgenden Eigenschaften: |χj (x)| ≤ 1, ∀ x ∈ Rn

|Dχj (x)| ≤ 1 f.¨ u. im Rn (j = 1, 2, . . .) . (II.8.36) Weiter definieren wir die Hilfsfunktionen und

ωj (x) := 1 − χj (x) : Rn → [0, 1] ∈ W 1,∞ (Rn ) ∩ C 0 (Rn ), j = 1, 2, . . . (II.8.37) mit den Eigenschaften |ωj (x)| ≤ 1, ∀ x ∈ Rn

und

|Dωj (x)| ≤ 1 f.¨ u. im Rn (j = 1, 2, . . .) , (II.8.38)

welche gem¨aß 1 = ωj (x) + χj (x) ,

x ∈ Rn ,

j = 1, 2, . . .

(II.8.39)

186

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

eine Zerlegung der Eins liefern. 3.) Zu festem j ∈ N betrachten wir nun im Post-Hilbertraum H(Rn ) die Folgen gk j (x) := fk (x)χj (x), x ∈ Rn

hk j (x) := fk (x)ωj (x), x ∈ Rn (II.8.40) f¨ ur k = 1, 2, . . . mit der folgenden Eigenschaft: und

fk (x) = gk j (x) + hk j (x) , x ∈ Rn (k = 1, 2, . . .) . (II.8.41) n o F¨ ur das Gebiet Θj := x ∈ Rn : |x| < j + 1 liegt die Folge {gk j }k=1,2,... im Sobolevraum W01,2 (Θj ), und es gilt wegen (II.8.32) und (II.8.33) die Ungleichung   = Dgk j , Dgk j n H(R )

 

Dfk · χj + fk · Dχj , Dfk · χj + fk · Dχj

Dfk · χj , Dfk · χj





+ Dfk · χj , fk · Dχj

H(Rn )

 H(Rn )

  + fk · Dχj , fk · Dχj





H(Rn )

  ≤ 2 Dfk · χj , Dfk · χj

+ fk · Dχj , Dfk · χj

≤ 2Cq + 2

H(Rn )

+ 2 fk · Dχj , fk · Dχj

f¨ ur alle

(II.8.42)





H(Rn )

=

H(Rn )

 H(Rn )

k ∈ N.

4.) Weiter entnehmen wir (II.8.29) und (II.8.33) die Absch¨atzungen       Cq ≥ qfk , fk qf ω , f ω h , h ≥ ≥ %(j) k j k j k j k j n n H(R )

H(Rn )

H(R )

(II.8.43) beziehungsweise   hk j , h k j

H(Rn )



Cq %(j)

f¨ ur alle

k, j ∈ N .

(II.8.44)

Die Eigenschaft (II.8.30) liefert lim %(j) = +∞ , und wir erhalten j→∞

lim

j→∞



hk j , h k j

 H(Rn )

=0

gleichm¨ aßig f¨ ur alle

k ∈ N.

(II.8.45)

5.) F¨ ur jedes feste j ∈ N k¨ onnen wir wegen der Absch¨atzung (II.8.42) aus der Folge {gk j }k=1,2,... mit dem Rellichschen Auswahlsatz im Sobolevraum W01,2 (Θj ) eine stark konvergente Teilfolge im Hilbertraum L2 (Θj ) ausw¨ahlen. Man siehe hierzu das Theorem 2.3 in [S5] Chap. 10 oder den Satz 3 in [S3]

§8 Spektraltheorie von Schr¨ odingeroperatoren mit halbbeschr¨ anktem Potential

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Kap. X § 2. Beachten wir ferner die Zerlegung (II.8.41) und die asymptotische Eigenschaft (II.8.45), so k¨ onnen wir auf der rechten Seite von (II.8.41) ¨ durch Ubergang zur Diagonalfolge eine im Hilbertraum L2 (Rn ) stark konvergente Teilfolge ausw¨ ahlen. Somit k¨ onnen wir von der Folge {fk }k=1,2,... zu einer stark konvergenten Teilfolge u ¨bergehen. Also besitzt die selbstadjungierte Fortsetzung des Schr¨ odingeroperators Aq ein diskretes Spektrum. q.e.d.

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II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

§9 Die wesentliche Selbstadjungiertheit von Schr¨ odingeroperatoren Besitzt ein Schr¨odingeroperator ein Potential, welches nach unten unbeschr¨ankt ist, so kommt eine Friedrichs-Fortsetzung f¨ ur diesen nicht mehr in ¨ Frage. Somit bleibt uns nur die M¨ oglichkeit, f¨ ur solche Operatoren die Ubereinstimmung ihrer beiden Defektindizes zu pr¨ ufen. Mit der Regularit¨atstheorie elliptischer Differentialgleichungen untersuchen wir zun¨achst die Defektr¨aume von Schr¨odingeroperatoren, um dann gewisse Teilklassen als wesentlich selbstadjungiert zu erkennen. Beim Vorliegen dieser Eigenschaft k¨onnen wir solche Operatoren abschließen zu einem selbstadjungierten Operator, um dann eine Spektraldarstellung f¨ ur sie zu gewinnen. Wir wollen hier Schr¨odingeroperatoren auf beliebigen Gebieten Ω ⊂ Rn betrachten, wobei sowohl Ω = Rn , Ω = Rn \ {0} als auch Ω = Ω1 := {x ∈ Rn : |x| < 1} f¨ ur n = 1, 2, 3, . . . von Interesse sind; als Gebiet Ω k¨ onnten wir auch den punktierten Euklidischen Raum Ω := Rn \ {x(1) , . . . , x(N ) } mit den N ∈ N Punkten {x(j) }j=1,...,N des Rn w¨ahlen. Definition II.9.1. Wir nennen eine Funktion q = q(x) : Ω → R im Gebiet Ω ⊂ Rn H¨ older-stetig, wenn es f¨ ur jede kompakt enthaltene, offene Menge Θ ⊂⊂ Ω gewisse Konstanten H = H(Θ) ∈ (0, +∞) und α = α(Θ) ∈ (0, 1] gibt mit der folgenden Eigenschaft: |q(x) − q(e x)| ≤ H(Θ) · |x − x e|α(Θ)

f¨ ur alle Punkte

x, x e ∈ Θ.

(II.9.1)

Definition II.9.2. Auf dem Gebiet Ω ⊂ Rn mit der H¨ older-stetigen Funktion q = q(x) : Ω → R betrachten wir den Schr¨ odingeroperator HΩ,q f (x) := −∆f (x) + q(x) f (x), x ∈ Ω ; f ∈ DHΩ,q := C02 (Ω) .

(II.9.2)

Wir betrachten im Theorem II.9.2 Schr¨ odingeroperatoren HΩ,q mit dem Potential q(x) = −ω(x), x ∈ Ω ; dabei erzeugt die Funktion ω : Ω → (0, +∞) eine stabile isotherme Metrik im folgenden Sinne: Definition II.9.3. Auf dem beliebigen Gebiet Ω ⊂ Rn mit n ∈ N erkl¨ aren wir die isotherme Metrik   ds2 := ω(x1 , . . . , xn ) dx21 + . . . + dx2n , x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Ω (II.9.3) mit der H¨ older-stetigen Gewichtsfunktion ω(x) : Ω → (0, +∞) . Wir nennen diese Metrik ds2 stabil auf Ω, wenn es ein γ > 0 gibt, so dass Z Z |∇χ(x)|2 dx ≥ γ χ2 (x)ω(x)dx f¨ ur alle χ = χ(x) ∈ C01 (Ω) (II.9.4) Ω



gilt. Wir nennen ω eine Stabilit¨ atsfunktion mit der Stabilit¨ atskonstante γ .

§9 Die wesentliche Selbstadjungiertheit von Schr¨ odingeroperatoren

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Bemerkungen: i) Die Stabilit¨atsfunktion ω kann am Rand des Gebiets Ω ⊂ Rn singul¨ar werden, insbesondere in den isolierten Punkten {x(j) }j=1,...,N des entsprechend punktierten Euklidischen Raumes. ii) Die isotherme Metrik   ds2 := ω(x1 , . . . , xn ) dx21 + . . . + dx2n , x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Ω ist genau dann stabil, wenn die mit dem positiven Faktor a > 0 multiplizierte Metrik   f2 := a · ω(x1 , . . . , xn ) dx2 + . . . + dx2 , x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Ω ds 1 n stabil ist. iii) Nun gebe es eine Spektralfunktion ψ als nullstellenfreie L¨osung der Eigenwertgleichung ψ = ψ(x) ∈ C 2 (Ω); −∆ψ(x) = γω(x)ψ(x), ψ(x) 6= 0, ∀x ∈ Ω

(II.9.5)

zu einer Spektralkonstante γ > 0 . Dann wird der Laplace-Beltrami-Operator aus (II.6.1) von der isothermen Metrik (II.9.3) ∆ψ(x) :=

n 1 X ∂ ψx (x) , ω(x) i=1 ∂xi i

x∈Ω

im Sinne von Definition II.6.2 exakt positiv. Nach Proposition II.6.1 ist folglich die Ungleichung (II.9.4) mit der Stabilit¨atskonstante γ > 0 erf¨ ullt, und die isotherme Metrik (II.9.3) ist somit stabil. iv) Seien die stabilen Metriken ds2j = ωj (x) |dx|2 , x ∈ Ω mit den Stabilit¨atsfunktionen ωj : Ω → (0, +∞) und den Stabilit¨atskonstanten γj > 0 im Sinne der Ungleichung Z Z 2 |∇χ(x)| dx ≥ γj χ2 (x)ωj (x)dx , ∀ χ = χ(x) ∈ C01 (Ω) Ω



f¨ ur j = 1, . . . , N gegeben. Weiter seien die Zahlen aj > 0 f¨ ur j = 1, . . . , N N X aj = 1 gew¨ahlt. Dann gen¨ ugt die unter der Konvexit¨ atsbedingung j=1

Funktion ω(x) :=

N X

aj ωj (x), x ∈ Ω mit der u.a. Konstante γ > 0 der

j=1

folgenden Ungleichung:

190

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Z

2

|∇χ(x)| dx = Ω



N X

Z

N Z X j=1

χ2 (x)aj ωj (x)dx ≥

γj Ω

j=1

Z

Z N X γ χ2 (x)aj ωj (x)dx j=1

χ2 (x)



aj |∇χ(x)|2 dx Ω

N X





(II.9.6)

Z  aj ωj (x) dx = γ χ2 (x)ω(x) dx Ω

j=1

f¨ ur alle

χ = χ(x) ∈

C01 (Ω) .

Somit ist die konvex kombinierte Metrik ds2 = ω(x) |dx|2 , x ∈ Ω stabil auf der Menge Ω mit der Stabilit¨ atskonstante γ := min{γ1 , . . . , γN } > 0 . Offenbar stellt auf dem ganzen Raum die Euklidische Metrik   ds2 := 1 · dx21 + . . . + dx2n , x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Rn keine stabile isotherme Metrik dar. Es kann n¨ amlich keine positive Stabilit¨atskonstante γ f¨ ur die Ungleichung (II.9.4) gefunden werden. Wir haben jedoch das folgende interessante Resultat im Beispiel II.9.1. (Stabile singul¨ are isotherme Metrik) F¨ ur die Raumdimensionen n ≥ 3 ist die isotherme Metrik   1 2 2 x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Rn \{0} (II.9.7) dx +. . .+dx ds2 := 2 1 n , x1 + . . . + x2n im Sinne von Definition II.9.3 stabil. Hierzu betrachten wir die Hilfsfunktion  α2  ψ(x) := x21 + . . . + x2n = rα , x ∈ Rn \ {0} mit r := |x| (II.9.8) 1  2 2 2 = x1 + . . . + xn und dem Exponenten 2 − n < α < 0. Mit dem Laplaceoperator in Polarkoordinaten aus Section 8 in [S5] Chap. 1 berechnen wir  n−1 ∂  α ∂2 r − −∆ ψ(x) = − ∂ r2 r ∂r = −α(α − 1) rα−2 − α(n − 1) rα−2 = −α(α + n − 2) rα−2 = −α(α + n − 2) ω(x) ψ(x) ,

(II.9.9)

x ∈ Rn \ {0} .

Dabei ist die Stabilit¨ atsfunktion ω(x) := r−2 = |x|−2 =

1 , x21 + . . . x2n

x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Rn \ {0} (II.9.10)

§9 Die wesentliche Selbstadjungiertheit von Schr¨ odingeroperatoren

191

eingef¨ uhrt worden. Mit der Stabilit¨ atskonstante γ := −α(α + n − 2) > 0

(II.9.11)

erhalten wir aus der Differentialgleichung (II.9.9) mit Hilfe der Bemerkung iii) zur Definition II.9.3, dass die Stabilit¨ atsfunktion (II.9.10) die Ungleichung (II.9.4) erf¨ ullt. Folglich stellt (II.9.7) eine stabile isotherme Metrik dar. Wir gehen aus von einer stabilen isothermen Metrik (II.9.3) in Definition II.9.3 mit der Stabilit¨atsfunktion ω. Neben dem komplexen Hilbertraum H(Ω) := L2 (Ω, C) mit dem inneren Produkt Z   f (x) · g(x) dx f¨ ur alle f, g ∈ H(Ω) (II.9.12) := f, g H(Ω)



betrachten wir den reellen gewichteten Hilbertraum H(Ω, ω) als abstrakte Vervollst¨andigung des Pr¨ a-Hilbertraums C00 (Ω) mit dem gewichteten Skalarprodukt Z   f (x) · g(x) ω(x) dx f¨ ur alle f, g ∈ C00 (Ω) . (II.9.13) f, g := H(Ω,ω)



Weiter erkl¨aren wir das Energieskalarprodukt Z   ∇φ(x) · ∇χ(x) dx f¨ ur alle φ, χ 1 := H (Ω)

φ, χ ∈ C01 (Ω) .

(II.9.14)



Da die Metrik ds2 auf Ω stabil ist mit der Stabilit¨atskonstante γ > 0, so erhalten wir aus (II.9.4) die gewichtete Energieungleichung r r   √ √ kφkH1 (Ω) = φ, φ 1 ≥ γ φ, φ = γ kφkH(Ω,ω) H (Ω) H(Ω,ω) (II.9.15) f¨ ur alle

φ ∈ C01 (Ω) .

Somit stellt jede Cauchyfolge in der H1 (Ω)-Norm auch eine Cauchyfolge in der H(Ω, ω)-Norm dar. Die abstrakte Vervollst¨andigung des Pr¨a-Hilbertraums uglich des Energieskalarprodukts (II.9.14) liefert den Energieraum C01 (Ω) bez¨ H1 (Ω) ⊂ H(Ω, ω) . Wir ben¨otigen nun einen Regularit¨ atssatz f¨ ur Schr¨odingeroperatoren mit komplexem Potential, welchen wir bei verschwindendem Potential H. Weyl und bei C 1 -Potentialen E. Wienholtz verdanken. Der Beweis im Rahmen der klassischen Funktionenr¨ aume wurde in der Monographie [He] Kapitel IV, Abschnitt 3.5 f¨ ur beliebige Raumdimensionen n ∈ N erbracht. Wir wollen hier mit Methoden der Regularit¨ atstheorie elliptischer Differentialgleichungen in Sobolevr¨aumen (siehe [GT] Chap. 8 und [S3] Kap. X) diese tiefliegende Aussage beweisen, wir beschr¨ anken uns jedoch auf die Raumdimensionen n = 1, 2, 3 . Da es sich um eine schwache komplexe Schr¨ odingergleichung handelt, so zerfallen Real- und Imagin¨ arteil dieser L¨ osung in ein schwaches, lineares Differentialgleichungssystem (II.9.16) weiter unten.

192

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Theorem II.9.1. (Regularit¨ atssatz von H. Weyl und E. Wienholtz) Zum reellen H¨ older-stetigen Potential q = q(x) : Ω → R in einem beliebigen Gebiet Ω ⊂ Rn der Dimensionen n = 1, 2, 3 stelle das Element g = g(x) = ξ(x) + iη(x) ∈ H(Ω, C)

mit

ξ, η ∈ L2 (Ω)

eine L¨ osung der schwachen Schr¨ odingergleichung wie folgt dar: Z  h i  − ∆φ(x) + q(x) ∓ i φ(x) g(x) dx 0 = Ω

Z 

=

h i  − ∆φ(x) · ξ(x) + q(x) · ξ(x) ± η(x) φ(x) dx (II.9.16)



+i

Z 

h

i



− ∆φ(x) · η(x) + q(x) · η(x) ∓ ξ(x) φ(x) dx



f¨ ur alle reellwertigen Funktionen

φ ∈ C02 (Ω) .

Dann folgt g = g(x) = ξ(x) + iη(x) ∈ C 2 (Ω) f¨ ur diese Funktion. Beweis: 1.) Wir w¨ ahlen eine beliebige offene Menge Θ ⊂⊂ Ω, f¨ ur welche wir die positive Distanz ε0 (Θ) := dist (Θ , Rn \ Ω) ∈ (0, +∞]

(II.9.17)

erkl¨aren. Bezeichnen wir mit ej := (δ1j , . . . , δnj ) ∈ Rn die Einheitsvektoren f¨ ur j = 1, . . . , n , so bilden wir f¨ ur einen Punkt x ∈ Θ und einen Parameter εj ∈ R

mit

0 < |εj | < ε0 (Θ)

(II.9.18)

den Differenzenquotienten in Richtung ej durch 4j,εj g(x) :=

g(x + εj ej ) − g(x) . εj

(II.9.19)

Nach dem Satz 5 aus [S3] Kap. X § 1 liegt das Element g ∈ H(Ω) = L2 (Ω, C) genau dann im Sobolevraum W 1,2 (Ω, C), wenn es eine Konstante C ∈ [0, +∞) so gibt, dass die Parameter (II.9.18) folgende Ungleichung k4j,εj gkL2 (Θ,C) ≤ C ,

∀j ∈ {1, . . . , n}

(II.9.20)

f¨ ur alle offenen Mengen Θ ⊂⊂ Ω erf¨ ullen. 2.) F¨ ur die Funktion g ∈ L2 (Ω, C) und die reelle Testfunktion ϕ ∈ C01 (Ω), deren Tr¨ager gem¨ aß supp(ϕ) ⊂ Θ in der kompakten Menge Θ ⊂ Ω mit der Distanz ε0 (Θ) > 0 aus (II.9.17) enthalten ist, berechnen wir die folgende Produktformel f¨ ur den Differenzenquotienten:

§9 Die wesentliche Selbstadjungiertheit von Schr¨ odingeroperatoren



193



4j,εj ϕ(x)g(x) =   o 1 n ϕ(x + εj ej ) − ϕ(x) g(x + εj ej ) + ϕ(x) g(x + εj ej ) − g(x) εj     1 ϕ(y) − ϕ(y − εj ej ) g(y) + ϕ(x)4j,εj g(x) = εj y=x+εj ej n o = g(y)4j,−εj ϕ(y) + ϕ(x)4j,εj g(x) , x ∈ Θ y=x+εj ej

εj ∈ R

f¨ ur alle

0 < |εj | < ε0 (Θ)

mit

j = 1, . . . , n . (II.9.21) Indem wir (II.9.21) integrieren, erhalten wir mit der Transformationsformel f¨ ur mehrfache Integrale die folgende Produktregel f¨ ur den Differenzenquotienten: Z n Z o 0= g(y)4j,−εj ϕ(y) dx + ϕ(x)4j,εj g(x) dx y=x+εj ej



Z n

=



Z

o

ϕ(x)4j,εj g(x) dx

g(y)4j,−εj ϕ(y) dy + Ω



=

Z n

und

(II.9.22)

Z

o

g(x)4j,−εj ϕ(x) dx +

ϕ(x)4j,εj g(x) dx Ω



f¨ ur alle ϕ ∈ C01 (Θ), εj ∈ R mit 0 < |εj | < ε0 (Θ) und j = 1, . . . , n. 3.) F¨ ur eine beliebige Testfunktion φ ∈ C02 (Θ) und einen Index j ∈ {1, . . . n} wenden wir die Produktregel (II.9.22) auf die Funktion ϕ := φxj ∈ C01 (Θ) an. Dann erhalten wir die Formel Z Z n o φxj (x)4j,εj g(x) dx g(x)4j,−εj φxj (x) dx + 0= Ω Ω (II.9.23) 2 f¨ ur alle φ ∈ C0 (Θ), εj ∈ R mit 0 < |εj | < ε0 (Θ) und j = 1, . . . , n. Die Addition der Formeln (II.9.23) von j = 1, . . . , n liefert Z n

g(x)

n X



=0

o

4j,−εj φxj (x) dx +

Z nX n Ω

j=1

f¨ ur alle

φ∈

C02 (Θ)

und

o φxj (x) · 4j,εj g(x) dx

j=1

εj ∈ R

mit

0 < |εj | < ε0 (Θ) . (II.9.24)

4.) Wegen der Eigenschaft (II.9.20) gibt es f¨ ur jedes j ∈ {1, . . . , n} eine Folge (k)

{εj }k=1,2,... ⊂ R \ {0}

mit

(k)

lim εj

k→∞

= 0,

welche die folgende schwache Konvergenzeigenschaft besitzt:

(II.9.25)

194

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

4j,ε(k) g(x) = 4j,ε(k) ξ(x) + i4j,ε(k) η(x)

erf¨ ullt

j

j

j

(k → ∞)

4j,ε(k) ξ(x) * Dej ξ(x)

und

(II.9.26)

j

(k → ∞)

4j,ε(k) η(x) * Dej η(x)

f¨ ur

k = 1, . . . , n .

j

Dabei bezeichnet Dej die schwache Ableitung im Sobolevraum W 1,2 (Ω) in Richtung ej mit Dej g = Dej ξ + iDej η f¨ ur j = 1, . . . , n . Setzen wir diese Nullfolgen in (II.9.24) ein, so erhalten wir Z nX Z n n n o o X 4j,−ε(k) φxj (x) dx g(x) φxj (x)4j,ε(k) g(x) dx = − Ω

j

j=1



φ∈

f¨ ur alle

C02 (Θ)

j=1

und

j

k = 1, 2, . . . . (II.9.27)

5.) Der Grenz¨ ubergang k → ∞ in (II.9.27) liefert die folgende Identit¨at Z nX Z n n o o g(x)∆φ(x) dx φxj (x)Dej g(x) dx = − Ω Ω (II.9.28) Z  j=1 h i  2 = g(x) ± i − q(x) φ(x) dx f¨ ur alle φ ∈ C0 (Θ) , Ω

wenn wir die schwache komplexe Schr¨ odingergleichung (II.9.16) benutzen. Der ¨ Ubergang zum Real-und Imagin¨ arteil in (II.9.28) liefert das schwache, lineare, elliptische Differentialgleichungssystem Z nX Z nX n n o o φxj (x)Dej η(x) dx φxj (x)Dej ξ(x) dx + i Ω



j=1

=

Z 

h

j=1

i

 g(x) ± i − q(x) φ(x) dx



=

Z 

Z    − q(x)η(x) ± ξ(x) φ(x) dx − q(x)ξ(x) ∓ η(x) φ(x) dx + i Ω



f¨ ur alle

φ ∈ C02 (Θ) . (II.9.29)

F¨ uhren wir nun den schwachen Gradienten Dg := (De1 g, . . . , Den g) ein, so liefert (II.9.29) das schwache, elliptische Differentialgleichungssystem Z  Z n  o − q(x)ξ(x) ∓ η(x) φ(x) dx ∇φ(x) · Dξ(x) dx = Ω



Z n

o

∇φ(x) · Dη(x) dx =

Z 

 − q(x)η(x) ± ξ(x) φ(x) dx





f¨ ur alle

φ ∈ C02 (Θ) .

(II.9.30)

§9 Die wesentliche Selbstadjungiertheit von Schr¨ odingeroperatoren

195

6.) Zu einem Element Φ ∈ W01,2 (Θ) w¨ ahlen wir nun eine Folge {φ(k) }k=1,2,... ⊂ C02 (Θ)

k∇φ(k) − DΦkL2 (Θ,Rn ) → 0 (k → ∞) , (II.9.31) und wir erhalten sofort die Konvergenz mit

kφ(k) − ΦkL2 (Θ) → 0

(k → ∞) .

(II.9.32)

Setzen wir nun diese Folge in (II.9.30) ein, so erhalten wir f¨ ur k = 1, 2, . . . Z n Z o   ∇φ(k) (x) · Dξ(x) dx = − q(x)ξ(x) ∓ η(x) φ(k) (x) dx Ω



Z n

o

∇φ(k) (x) · Dη(x) dx =

Z 

(II.9.33)  − q(x)η(x) ± ξ(x) φ(k) (x) dx .





Mit Hilfe von (II.9.31) und (II.9.32) vollziehen wir nun in (II.9.33) den Grenz¨ ubergang und erhalten Z  Z n  o − q(x)ξ(x) ∓ η(x) Φ(x) dx DΦ(x) · Dξ(x) dx = Ω



Z n

o

DΦ(x) · Dη(x) dx =



Z 

 − q(x)η(x) ± ξ(x) Φ(x) dx

(II.9.34)



f¨ ur alle Funktionen

Φ ∈ W01,2 (Θ) .

7.) Die Koeffizientenfunktionen auf der rechten Seite vom System (II.9.34) liegen im H¨olderraum gem¨ aß q = q(x) ∈ C α (Θ) mit einem H¨older-Exponenten α = α(Θ) ∈ (0, 1) . Nun entkoppeln wir das lineare System (II.9.34) zu den beiden folgenden schwachen, inhomogenen, elliptischen Differentialgleichungen, welche auf ihrer rechten Seite die L¨ osung der anderen Gleichung besitzen: Z n

Z o ∓η(x)Φ(x) dx DΦ(x) · Dξ(x) + q(x)ξ(x)Φ(x) dx = Ω



Z n

o

Z

DΦ(x) · Dη(x) + q(x)η(x) dx =



±ξ(x)Φ(x) dx

(II.9.35)



f¨ ur alle Funktionen

Φ∈

W01,2 (Θ) , 4

Da die rechten Seiten der Differentialgleichungen ξ, η ∈ L2 (Ω) = L 2 (Ω) und die Raumdimensionen 4 > n erf¨ ullen, so k¨onnen wir mit dem Theorem 8.22 aus [GT] lokal auf die H¨ older-Stetigkeit der Funktionen ξ, η schließen. Dieses urspr¨ unglich von E. de Georgi und J. Nash stammende Resultat wird in [GT] Chap. 8 mit der Moserschen Iterationsmethode bewiesen. Diese haben wir auch in unserem Lehrbuch [S5] Chap. 10 im Spezialfall dargestellt. Wir k¨onnen nun mit der Schaudertheorie (siehe etwa [S5] Chap. 9, Sec. 6)

196

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

die L¨osung lokal rekonstruieren, zumal die schwache Differentialgleichung auf hinreichend kleinen Gebieten eine eindeutig bestimmte L¨osung besitzt. Somit erreichen wir schließlich ξ, η ∈ C 2 (Ω) , wie es oben behauptet wurde. q.e.d. Mit diesem Regularit¨ atssatz beweisen wir nun das Theorem II.9.2. (Spektraldarstellg stabiler Schr¨ odingeroperatoren) Wir betrachten auf dem Gebiet Ω ⊂ Rn der Raumdimension n ∈ {1, 2, 3} mit der stabilen isothermen Metrik   ds2 = ω(x) dx21 + . . . + dx2n , x ∈ Ω den Schr¨ odingeroperator HΩ,q f (x) := −∆f (x) + q(x) f (x), x ∈ Ω ;

f ∈ DHΩ,q := C02 (Ω) (II.9.36)

mit dem Potential q(x) = −ω(x), x ∈ Ω . Weiter erkl¨ aren wir zu HΩ,q die stetige Fortsetzung H Ω,q : H1 (Ω) → H1 (Ω)∗ vom Energieraum H1 (Ω) auf seinen Dualraum H1 (Ω)∗ verm¨ oge   H Ω,q f := lim HΩ,q φk = lim − ∇ · ∇φk + q(x)φk ∈ H1 (Ω)∗ , k→∞

k→∞

wobei eine Folge

{φk }k∈N ⊂ C02 (Ω)

mit

(II.9.37)

kφk − φl kH1 (Ω) → 0 (k, l → ∞) und kφk − f kH(Ω,ω) → 0 (k → ∞) f¨ ur ein

f ∈ H1 (Ω)

beliebig gew¨ ahlt sei.

Behauptung: Dann stellt H Ω,q ⊃ HΩ,q eine selbstadjungierte Fortsetzung des Operators HΩ,q dar, welche die Spektraldarstellung Z

+∞

λ d EΩ,q (λ)

H Ω,q = −∞

mit der Spektralschar {EΩ,q (λ) : − ∞ < λ < +∞} besitzt. Beweis: 1.) Durch partielle Integration ermitteln wir die folgende Identit¨at: Z   − ∆φ(x) + q(x)φ(x) χ(x)dx Z Ω  ∇φ(x) · ∇χ(x) + q(x)φ(x)χ(x) dx = (II.9.38) Ω Z   = φ(x) − ∆χ(x) + q(x)χ(x) dx f¨ ur alle φ, χ ∈ DHΩ,q . Ω

Nun w¨ahlen wir zu beliebigen Elementen f, g ∈ H1 (Ω) eine Folge {φk }k∈N ⊂ C02 (Ω) mit kφk − φl kH1 (Ω) → 0 (k, l → ∞) und kφk − f kH(Ω,ω) → 0 (k → ∞)

§9 Die wesentliche Selbstadjungiertheit von Schr¨ odingeroperatoren

197

sowie eine Folge {χl }l∈N ⊂ C02 (Ω) mit kχk − χl kH1 (Ω) → 0 (k, l → ∞) und kχl − gkH(Ω,ω) → 0 (l → ∞). Setzen wir diese Testfunktionen in (II.9.38) ein, so erhalten wir Z   − ∆φk (x) + q(x)φk (x) χl (x)dx Z Ω   = ∇φk (x) · ∇χl (x) + q(x)φk (x)χl (x) dx (II.9.39) Ω Z   φk (x) − ∆χl (x) + q(x)χl (x) dx f¨ ur alle k, l ∈ N . Ω

Der Grenz¨ ubergang k, l → ∞ in (II.9.39) liefert die Identit¨at Z  Z    Df (x) · Dg(x) + q(x)f (x)g(x) dx H Ω,q f (x) g(x)dx = Ω ΩZ (II.9.40)   f (x) H Ω,q g(x) dx f¨ ur alle Elemente f, g ∈ H1 (Ω) . Ω

In (II.9.40) bezeichnet D den schwachen Gradienten im Sobolevraum H1 (Ω) . Da der Operator H Ω,q : H1 (Ω) → H1 (Ω)∗ reell ist und die Identit¨at (II.9.40) erf¨ ullt, so stellt dieser einen Hermiteschen Operator im komplexen Hilbertraum H(Ω) gem¨ aß der Definition I.4.1 dar. 2.) Wir bestimmen jetzt im Hilbertraum H(Ω) = L2 (Ω, C) die Orthogoh i⊥ nalr¨aume (HΩ,q ±iE)(DHΩ,q ) bez¨ uglich dem Skalarprodukt (II.9.12). Wir ¨ betrachten die folgenden Aquivalenzen f¨ ur ein beliebiges Element g ∈ H(Ω) : h i⊥ g ∈ (HΩ,q ± iE)(DHΩ,q ) 

(HΩ,q ± iE)φ, g

Z n

 H(Ω)

=0

f¨ ur alle

⇐⇒ φ ∈ DHΩ,q

⇐⇒

(II.9.41)

 o − ∆φ(x) + q(x)φ(x) ∓ iφ(x) · g(x) dx = 0, ∀ φ ∈ DHΩ,q .



Dabei beachten wir, dass die Funktionen φ ∈ DHΩ,q := C02 (Ω) reellwertig sind. Nach dem Theorem II.9.1 geh¨ ort das Element g ∈ H(Ω) = L2 (Ω, C) 2 zur Regularit¨atsklasse C (Ω, C) und besitzt die Zerlegung g(x) = ξ(x) + iη(x) ,

x∈Ω

mit

ξ, η ∈ C 2 (Ω) .

Die zweimalige partielle Integration liefert Z n Z n  o o − ∆φ(x) · g(x) dx = ∇φ(x) · ∇g(x) dx Ω

=



Z n Ω

φ(x) ·



− ∆g(x)

o

dx

f¨ ur alle

(II.9.42) φ ∈ DHΩ,q .

198

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Setzen wir Gleichung (II.9.42) in die Identit¨ at (II.9.41) ein, so erhalten wir Z n  o φ(x) · − ∆g(x) + q(x)g(x) ∓ ig(x) dx = 0 , ∀ φ ∈ DHΩ,q . (II.9.43) Ω

Somit folgen f¨ ur den Abschluss H Ω,q des Schr¨odingeroperators HΩ,q punktweise die Eigenwertgleichungen H Ω,q g(x) = −∆g(x) + q(x)g(x) = ±i g(x) ,

x∈Ω

(II.9.44)

zu den Eigenwerten ±i. 3.) Da der Operator H Ω,q : H1 (Ω) → H1 (Ω)∗ im Hilbertraum H(Ω) Hermitesch ist, so besitzt dieser nur reelle Eigenwerte gem¨aß dem Theorem I.4.2. Folglich ist g = 0 in (II.9.44) richtig, und der Orthogonalraum ist wegen h

(HΩ,q ± iE)(DHΩ,q )

i⊥

= {0}

trivial. Somit verschwinden die Defektindizes, und nach Theorem I.4.7 ist der Operator HΩ,q : DHΩ,q → H wesentlich selbstadjungiert. Folglich stellt der Operator H Ω,q : H1 (Ω) → H1 (Ω)∗ eine selbstadjungierte Fortsetzung dar. Das Theorem I.12.1 liefert die oben angegebenene Spektraldarstellung. q.e.d. Wir erhalten nun das folgende Theorem II.9.3. (Spektraldarst. singul¨ arer Schr¨ odingeroperatoren) Wir betrachten im punktierten Euklidischen Raum Ω := R3 \{x(1) , . . . , x(N ) } mit den N ∈ N Punkten {x(j) }j=1,...,N des R3 und den Gewichtsfaktoren aj > 0 f¨ ur j = 1, . . . , N den singul¨ aren Schr¨ odingeroperator Ha1 ,...,aN f (x) := −∆f (x) −

N X j=1

f¨ ur alle

aj |x − x(j) |2

f ∈ DHa1 ,...,aN :=

! f (x) ,

x∈Ω

(II.9.45)

C02 (Ω) .

Dann besitzt Ha1 ,...,aN eine selbstadjungierte Fortsetzung auf den Energieraum und erlaubt eine Spektraldarstellung. Beweis: Wegen dem Beispiel II.9.1 ist f¨ ur j = 1, . . . , N die Metrik ds2j = ωj (x)|dx|2 , x ∈ R3 \ {x(j) } mit

ωj (x) :=

1 , x ∈ R3 \ {x(j) } |x − x(j) |2

stabil. Nach den Bemerkungen ii) und iv) zur Definition II.9.3 erzeugen dann alle Funktionen

§9 Die wesentliche Selbstadjungiertheit von Schr¨ odingeroperatoren

ω(x) =

N X j=1

aj , |x − x(j) |2

x∈Ω

mit

199

a1 , . . . , aN ∈ (0, +∞)

eine stabile Metrik auf dem punktierten Euklidischen Raum. Nun ist das Theorem II.9.2 auf den singul¨ aren Schr¨ odingeroperator (II.9.45) anwendbar, und die obigen Behauptungen sind vollst¨ andig gezeigt. q.e.d. Wir notieren schließlich das Theorem II.9.4. (Kriterium von E. Wienholtz) Gegeben sei ein Schr¨ odingeroperator Hq f (x) := −∆f (x) + q(x)f (x), x ∈ Rn , f ∈ DHq := C02 (Rn )

(II.9.46)

mit dem stetigen Potential q = q(x) ∈ C 0 (Rn ), welches der Absch¨ atzung q(x) ≥ −q0 − q1 · |x|2

f¨ ur alle

x ∈ Rn

(II.9.47)

f¨ ur gewisse Zahlen q0 , q1 ∈ [0, +∞) gen¨ ugt. Behauptung: Dann ist der Operator Hq auf dem Definitionsbereich n o D := f ∈ C 2 (Rn ) ∩ L2 (Rn ) : Hf ∈ L2 (Rn ) (II.9.48) wesentlich selbstadjungiert. Beweisskizze: Wir gehen parallel zum Beweis von obigem Theorem II.9.2 vor und verwenden den Regularit¨ atssatz von H. Weyl und E. Wienholtz aus dem Theorem II.9.1. Tiefliegend ist der Nachweis der Symmetrie des Schr¨odingeroperators Hq , wo wir auf den Satz 2 im Kapitel II, Abschnitt 3.3 von G. Hellwig: Differentialoperatoren der mathematischen Physik [He] verweisen. Somit erhalten wir die wesentliche Selbstadjungiertheit des Operators Hq . q.e.d. Bemerkungen: i) Den schwierigen Nachweis der Symmetrie der Schr¨odingeroperatoren aus dem Theorem II.9.4 verdanken wir B. Hellwig. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich dankbar an das Kolloquium im Institut f¨ ur Mathematik der RWTH Aachen von 1978 bis 1983, an welchem sich neben Herrn Professor Dr. G¨ unter Hellwig auch Frau Dr.rer.nat.habil. Birgitta Hellwig mit ihrem f¨ordernden Interesse beteiligte. Hier wurden die Grundlagen f¨ ur mein Interesse an der Spektraltheorie gelegt. ii) Um den Schr¨odingeroperator auf dem Rn zu studieren, wendet T.Kato [K] auf den Laplaceoperator die Fourier-Transformation an (siehe hierzu auch [Sm] Chap. 8). In der Quantenmechanik entspricht dieses Vorgehen ¨ dem Ubergang vom Orts- in den Impulsraum. Die in [K] Chap. V § 5 sowie Chap. VI § 4 auftretenden Potentiale erfassen jedoch das WienholtzKriterium nicht. An dieser Stelle denke ich gerne an den beeindruckenden Besuch von Professor Dr. T. Kato im Institut f¨ ur Mathematik der RWTH Aachen Anfang der 1980er Jahre zur¨ uck.

200

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

§10 Spektraltheorie der Integraloperatoren Zun¨achst erkl¨aren wir f¨ ur unsere Integraloperatoren zul¨assige Kernfunktionen, welche global im Rn definiert und lokal quadratisch integrierbar sind. n o Definition II.10.1. Wir betrachten offene Kugeln Θk := x ∈ Rn : |x| < k vom Radius k ∈ N. Dann nennen wir die messbare Funktion K = K(x, y) : Rn × Rn → C eine zul¨ assige Kernfunktion, falls die lokale Quadratintegrabilit¨ at K|Θk ×Θl ∈ L2 (Θk × Θl , C)

f¨ ur alle

k, l ∈ N

(II.10.1)

erf¨ ullt ist. Wir nennen die zul¨ assige Kernfunktion K Hermitesch, wenn die folgende Bedingung g¨ ultig ist: K(x, y) = K(y, x)

f¨ ur fast alle

(x, y) ∈ Rn × Rn .

(II.10.2)

Definition II.10.2. Zum zul¨ assigen Integralkern K = K(x, y) erkl¨ aren wir f¨ ur fast alle x ∈ Rn den Integraloperator Z h i Kh|x := lim K(x, y)h(y) dy f¨ ur alle h ∈ C00 (Rn , C) . (II.10.3) k→∞

Θk

Definition II.10.3. Zum zul¨ assigen Integralkern K = K(x, y) f¨ uhren wir mit dem adjungierten Integralkern K ∗ = K ∗ (x, y) aus der Definition II.10.6 nun den Produktkern wie folgt ein: Z h i ∗ K(z, x)K(x, y) dx , (z, y) ∈ Rn × Rn f.¨ u. K ◦ K(z, y) := lim m→∞

Θm

(II.10.4)

Definition II.10.4. Wir erkl¨ aren den Post-Hilbertraum n H(Rn , C) := f : Rn → C f ist messbar und ihre Einschr¨ ankung o (II.10.5) auf Θk erf¨ ullt f |Θk ∈ L2 (Θk , C) f¨ ur alle k ∈ N . Hierin definieren wir das innere Produkt Z   f,g := lim n H(R ,C)

k→∞

h

i f (x) g(x) dx

(II.10.6)

Θk

f¨ ur alle f, g ∈ H(Rn , C) , mit welchen der Grenzwert (II.10.6) existiert.

§10 Spektraltheorie der Integraloperatoren

Definition II.10.5. Im Raum  n  L2 (Rn , C) := h ∈ H(Rn , C) h , h

H(Rn ,C)

< +∞

o

201

(II.10.7)

erhalten wir den Hilbertraum der quadratintegrablen, komplexwertigen Funktionen auf dem Rn mit der Norm r  h, h 2 n ∈ [0, +∞) , h ∈ L2 (Rn , C) . (II.10.8) khkL2 (Rn ,C) := L (R ,C)

¨ Wir u den Beweis von ¨berlassen unseren Lesern als Ubungsaufgabe Proposition II.10.1. Es gilt die folgende Aussage: Z Z   Kh, Kh = lim h(z) K ∗ ◦ K(z, y) h(y)dzdy ∈ [0, +∞] n k,l→∞

H(R ,C)

f¨ ur alle

Θk

Θl

n

h ∈ H(R , C) .

Definition II.10.6. Zum zul¨ assigen Integralkern K = K(x, y) erkl¨ aren wir den adjungierten Integralkern K ∗ = K ∗ (x, y) := K(y, x), (x, y) ∈ Rn × Rn . Damit definieren wir fast u ¨berall im Rn den Integraloperator Z h i ∗ K ∗ (x, y)f (y) dy f¨ ur alle f ∈ H(Rn , C) , K f |x := lim k→∞

(II.10.9)

Θk

welcher gem¨ aß der Vorschrift K∗ : H(Rn , C) → H(Rn , C) abbildet. Wir zeigen nun, dass K∗ den adjungierten Operator zum Integraloperator K gem¨aß der Definition I.1.6 darstellt, indem wir den adjungierten Graphen GK∗ wie folgt bestimmen: n GK∗ = (f, g) ∈ H(Rn , C) × H(Rn , C) : o (f, −K h)H(Rn ,C) + (g, h)H(Rn ,C) = 0, ∀h ∈ C00 (Rn , C) = n

(f, g) ∈ H(Rn , C)2 : (K∗ f, h)H(Rn ,C) = (g, h)H(Rn ,C) , ∀h ∈ C00 (Rn , C)

o

n o = (f, K∗ f ) f ∈ H(Rn , C) . (II.10.10) Wir zeigen nun das allgemeine

202

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Theorem II.10.1. (Spektralsatz f¨ ur Integraloperatoren) Im Hilbertraum L2 (Rn , C) ist auf dem dichten Definitionsbereich C00 (Rn , C) ⊂ L2 (Rn , C) der Integraloperator K aus der Definition II.10.2 zur zul¨ assigen, Hermiteschen Kernfunktion K = K(x, y) aus der Definition II.10.1 selbstadjungiert. Dieser Operator besitzt eine Spektralschar {E[K] (λ) : λ ∈ R}, mit welcher die Operatoridentit¨ at Z +∞ Kh = λ d E[K] (λ) h f¨ ur alle h ∈ C00 (Rn , C) (II.10.11) −∞

erf¨ ullt ist. Beweis: Wegen der Identit¨ at (II.10.10) erhalten wir mit dem Operator K∗ : H(Rn , C) → H(Rn , C) aus der Definition II.10.6 den adjungierten Operator zum Operator K : C00 (Rn , C) → L2 (Rn , C) ⊂ H(Rn , C) aus der Definition II.10.2. Da jetzt der Integralkern K = K(x, y) Hermitesch ist, so haben wir fast u ¨berall im Rn die Identit¨at Z h i ∗ K ∗ (x, y)f (y) dy K f |x = lim k→∞

Z

h

= lim

k→∞

i

Θk

K(x, y)f (y) dy = Kf |x

(II.10.12) f¨ ur alle

f∈

C00 (Rn , C) .

Θk

Auf dem dichten Teilraum C00 (Rn , C) ⊂ L2 (Rn , C) stimmt der Operator K mit seinem adjungierten Operator K∗ wegen (II.10.12) u ¨berein, und somit ist K gem¨aß der Definition I.1.7 selbstadjungiert. Nun k¨onnen wir den Spektralsatz f¨ ur selbstadjungierte Operatoren aus dem Theorem I.12.1 anwenden, und wir erhalten die Darstellung (II.10.11) mit der angegebenen Spektralschar. q.e.d. Beispiel II.10.1. Wir w¨ ahlen als Kernfunktion das Newtonpotential im Rn f¨ ur n ≥ 3 und erhalten den selbstadjungierten Integraloperator Z h(y) dy f¨ ur alle h ∈ C00 (Rn ) , (II.10.13) K0 h|x := n−2 Rn |x − y| welchen wir Newtonoperator nennen. Der adjungierte Operator K∗0 : H(Rn , C) → H(Rn , C) besitzt eine Spektralzerlegung gem¨ aß dem Theorem II.10.1. Dabei geh¨oren die Spektralwerte λ ∈ σ(K0 ) ⊂ R zu Funktionen im Post-Hilbertraum H(Rn , C),

§10 Spektraltheorie der Integraloperatoren

203

welche allgemein nicht mehr quadratintegrabel sind. Mittels Hilfssatz 5 in [S3] Kap. VIII § 9 erhalten wir so Eigenfunktionen des Laplaceoperators im PostHilbertraum H(Rn , C) . Genauer l¨ osen die Funktionen   Ψ (x; µ) = exp iµ (x1 + . . . + xn ) , x ∈ Rn f¨ ur alle µ ∈ R (II.10.14) die Eigenwertgleichung − ∆ Ψ (x; µ) = µ2 Ψ (x; µ) ,

x ∈ Rn .

(II.10.15)

Somit erhalten wir σ(K0 ) = [0, +∞) als kontinuierliches Spektrum. Die Eigenfunktionen (II.9.14) kommen bei der Fouriertransformation (siehe [S3] Kap. VIII § 5) zum Einsatz.

Definition II.10.7. Wir nennen den Integraloperator K aus der Definition II.10.2 zum zul¨ assigen Integralkern K = K(x, y) einen Hilbert-SchmidtOperator, falls die globale Quadratintegrabilit¨ at Z Z Z 2 2 K(x, y) dxdy := lim K(x, y) dxdy < +∞ (II.10.16) k,l→∞

Rn ×Rn

Θk

Θl

erf¨ ullt ist.

Proposition II.10.2. Die Hilbert-Schmidt-Operatoren K aus der Definition II.10.7 stellen beschr¨ ankte und vollstetige Operatoren K : L2 (Rn , C) → 2 n L (R , C) auf dem separablen Hilbertraum L2 (Rn , C) dar. Beweis: 1.) Wir zeigen, dass der Operator K im Sinne von Definition II.11.3 im Hilbertraum L2 (Rn , C) eine endliche Quadratnorm besitzt. Hierzu w¨ahlen wir dort zwei vollst¨ andige, orthonormierte Systeme – kurz v.o.n.S. – mit ϕ = {ϕj (x)}j=1,2,... ,

ψ = {ψj (x)}j=1,2,...

und weisen nach, dass die Quadratnorm von K die Absch¨atzung v uX 2  u ∞  N (K; ϕ, ψ) := t Kϕj , ψk 2 n < +∞ j,k=1

L (R ,C)

erf¨ ullt. 2.) Behauptung: Der Hilbert-Schmidt-Operator K besitzt die Quadratnorm v Z u u |K(x, y)|2 dx dy < +∞. (II.10.17) N (K) = t Rn ×Rn

204

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

Wenn n¨amlich {ϕj (x)}j=1,2,... ein v.o.n.S. in L2 (Rn ) bildet, so setzen wir Z ψj (x) = K(x, y)ϕj (y) dy = Kϕj (x) f.¨ u. im Rn f¨ ur j = 1, 2, . . . Rn

Dann berechnen wir ∞ X

|ψj (x)|2 =

j=1

∞ Z 2 X K(x, y)ϕj (y) dy j=1 Rn

∞   X = K(x, ·), ϕj j=1

L2 (Rn ,C)

2 Z = |K(x, y)|2 dy.

(II.10.18)

Rn

Der Satz von Fubini liefert Z X Z ∞ |K(x, y)|2 dxdy = |ψj (x)|2 dx Rn ×Rn

=

∞ Z X

|ψj (x)|2 dx =

j=1Rn

∞ X

Rn j=1

(II.10.19)

kKϕj k2L2 (Rn ,C) = N (K)2 .

j=1

3.) F¨ ur die Operatorennorm k · k von K im Hilbertraum L2 (Rn , C) gilt nach dem Theorem II.11.3 die folgende Absch¨ atzung: v uX u∞ kKk ≤ N (K; ϕ, ψ) = t kKϕj k2 . (II.10.20) j=1

Also stellt der Integraloperator K aus der Definition II.10.7 einen beschr¨ankten, linearen Operator auf dem dichten Teilraum C00 (Rn , C) dar. Dieser Operator kann eindeutig auf den Hilbertraum L2 (Rn , C) fortgesetzt werden, und dort liefert K nach dem Theorem II.11.3 einen vollstetigen Operator. q.e.d. Mit dem Spektralsatz selbstadjungierter Operatoren zeigen wir jetzt f¨ ur Hilbert-Schmidt-Operatoren eine Aussage u ¨ber ihr Spektrum, welche wir im n¨ achsten Abschnitt unabh¨ angig mittels direkter Variationsmethoden erhalten. Theorem II.10.2. (Spektrum der Hilbert-Schmidt-Operatoren) Der Hilbert-Schmidt-Operator K : L2 (Rn , C) → L2 (Rn , C) aus Definition II.10.7 mit einer Hermiteschen Kernfunktion K = K(x, y) ist selbstadjungiert. Es besitzt K eine Spektralschar {E[K] (λ) : λ ∈ R}, mit welcher die Operatoridentit¨ at Z +∞ λ d E[K] (λ) h f¨ ur alle h ∈ C00 (Rn , C) (II.10.21) Kh = −∞

§10 Spektraltheorie der Integraloperatoren

205

erf¨ ullt ist, und dessen H¨ aufungsspektrum σess = {0} genau aus dem Nullpunkt besteht. Beweis: Nach dem Theorem II.10.1 ist der Operator K selbstadjungiert, und wir erhalten von dem Theorem I.12.1 eine Darstellung (II.10.21) mit Hilfe der Spektralschar. Gem¨ aß der Proposition II.10.2 ist der Operator beschr¨ankt und vollstetig auf den Hilbertraum L2 (Rn , C) fortsetzbar. Das Theorem I.12.4 liefert dann die Aussage σess = {0} f¨ ur sein H¨aufungsspektrum. q.e.d. Bemerkung: Ein intensives Studium vollstetiger Integraloperatoren u ¨ber beschr¨ankten Gebieten wird im Kapitel VIII des Lehrbuchs [S3] durchgef¨ uhrt. Mittels schwach singul¨ arer Integraloperatoren, welche durch die Greenschen Funktionen von Differentialoperatoren erzeugt werden, sind auch klassische Regularit¨atsaussagen u ¨ber die Eigenfunktionen dieser Operatoren m¨oglich. Hierzu verweisen wir insbesondere auf § 9: Das Weylsche Eigenwertproblem f¨ ur den Laplaceoperator im Kapitel VIII des Lehrbuchs [S3] .

206

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

§11 Der Spektralsatz fu ¨ r kompakte Operatoren Wir wollen nun den Spektralsatz f¨ ur vollstetige Hermitesche Operatoren im Hilbertraum mit den direkten Variationsmethoden beweisen, wo man hier auch von kompakten Operatoren spricht. Die angegebene Methode kann die Diagonalisierung Hermitescher Matrizen im Cn bewirken, welche im § I.5 den Ausgangspunkt f¨ ur unseren Spektralsatz selbstadjungierter Operatoren bildet. Wir beginnen mit der Definition II.11.1. Eine Teilmenge Σ ⊂ H des Hilbertraums H ist pr¨ akompakt, wenn jede Folge {yk }k=1,2,... ⊂ Σ eine stark konvergente Teilfolge {ykl }l=1,2,... ⊂ {yk }k enth¨ alt, das heißt lim kykl − ykm kH = 0 .

l,m→∞

Definition II.11.2. Ein linearer Operator A : H → H heißt vollstetig bzw. kompakt, wenn die Menge n o Σ := y = Ax : x ∈ H mit kxkH ≤ 1 ⊂ H pr¨ akompakt ist. Dieses bedeutet, dass jede Folge {xk }k=1,2,... ⊂ H mit der Eigenschaft kxk kH ≤ 1, ∀ k ∈ N eine Teilfolge {xkl }l=1,2,... enth¨ alt, f¨ ur welche die Bildfolge {Axkl }l=1,2,... ⊂ H stark konvergiert. Bemerkungen: i) Ein vollstetiger linearer Operator A : H → H ist beschr¨ankt und besitzt die Operatornorm kAk ∈ [0, +∞). ii) Der lineare Operator A : H → H im Hilbertraum H ist genau dann vollstetig, wenn f¨ ur jede in H schwach konvergente Folge xk * x (k → ∞) die Aussage Axk → Ax (k → ∞) in H folgt. Also ist A genau dann vollstetig, wenn jede schwach konvergente Folge in H in eine stark konvergente Folge in H u uhrt wird. ¨berf¨ Hierzu verweisen wir unsere Leser auf das Theorem 6.8 in [S5] Chap. 8 oder auf den Satz 4 in [S3] Kap. VIII § 6. iii) Sei A : H → H ein vollstetiger Hermitescher Operator auf dem Hilbertraum H. Dann ist die assoziierte Bilinearform α(x, y) := (Ax, y)H = (x, Ay)H ,

(x, y) ∈ H × H

(II.11.1)

stetig bzgl. schwacher Konvergenz, das heißt xk * x und yk * y (k → ∞) in H =⇒ α(xk , yk ) → α(x, y) (k → ∞). (II.11.2) Dieses folgt aus Bemerkung ii) und der Tatsache, dass Skalarprodukte konvergieren, insofern in der einen Komponente schwache und der anderen starke Konvergenz vorliegt.

§11 Der Spektralsatz f¨ ur kompakte Operatoren

207

Theorem II.11.1. Sei A : H → H ein vollstetiger Hermitescher Operator auf dem Hilbertraum H. Dann gibt es ein ϕ ∈ H mit kϕkH = 1 und ein λ ∈ R mit |λ| = kAk, so dass Aϕ = λϕ gilt. Somit ist +kAk oder −kAk Eigenwert des Operators A. Weiter haben wir die folgende Absch¨ atzung: |(x, Ax)H | ≤ |λ|(x, x)H

f¨ ur alle

x ∈ H.

(II.11.3)

Beweis: 1.) Zun¨achst zeigen wir kAk =

|(Ax, x)H |.

sup

(II.11.4)

x∈H, kxkH =1

Der Absch¨atzung |(Ax, x)H | ≤ kAxkH kxkH ≤ kAk kxk2H = kAk, ∀ x ∈ H mit kxkH = 1 (II.11.5) entnehmen wir sofort sup

|(Ax, x)H | ≤ kAk.

(II.11.6)

x∈H, kxkH =1

Um die umgekehrte Ungleichung zu beweisen, w¨ahlen wir ein beliebiges a ∈ [0, +∞) mit der Eigenschaft |(Ax, x)H | ≤ akxk2H , ∀ x ∈ H.

(II.11.7)

F¨ ur beliebige f, g ∈ H berechnen wir n o (A(f +g), f +g)H −(A(f −g), f −g)H = 2 (Af, g)H +(Ag, f )H = 4 Re(Af, g)H und damit 4| Re(Af, g)H | ≤ |(A(f + g), f + g)H | + |(A(f − g), f − g)H | o o n n ≤ a kf + gk2H + kf − gk2H = 2a kf k2H + kgk2H . Wir ersetzen nun s kykH x, f= kxkH

s g=e



kxkH y kykH

mit geeignetem ϕ ∈ [0, 2π),

so dass die Ungleichungen   kykH kxkH 4|(Ax, y)H | ≤ 2a kxk2H + kyk2H = 4akxkH kykH kxkH kykH

(II.11.8)

(II.11.9)

(II.11.10)

beziehungsweise |(Ax, y)H | ≤ akxkH kykH

f¨ ur alle

x, y ∈ H

(II.11.11)

208

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

folgen. Speziell f¨ ur y = Ax ergibt sich kAxk2H ≤ akxkH kAxkH

bzw.

kAxkH ≤ akxkH

f¨ ur alle

x∈H (II.11.12)

und somit kAk ≤ a. Wir erhalten schließlich n o sup |(Ax, x)H | = inf a ≥ 0 : |(Ax, x)H | ≤ akxk2H , ∀ x ∈ H ≥ kAk. x∈H, kxkH =1

2.) Wir betrachten nun das Variationsproblem kAk =

|(Ax, x)H | = sup |(Ax, x)H | kxk2H x∈H, kxkH =1 x∈H\{0} sup

(II.11.13)

und nehmen ohne Einschr¨ ankung A 6= 0 an. Sei {xk }k=1,2,... ⊂ H eine Folge mit der Eigenschaft kxk kH = 1, ∀ k ∈ N

und

|(Axk , xk )H | → kAk (k → ∞) .

Dann gibt es eine Teilfolge {x0k }k=1,2,... ⊂ {xk }k=1,2,... und ein x ∈ H mit kxkH ≤ 1, so dass x0k * x (k → ∞)

und

(Ax0k , x0k )H → λ ∈ {−kAk, kAk}

(II.11.14)

richtig ist. Da die Bilinearform α(x, y) = (Ax, y) schwach stetig ist, so folgt 0= 6 λ = lim (Ax0k , x0k )H = (Ax, x)H , k→∞

also x = 6 0. Die Unterhalbstetigkeit der Norm unter schwacher Konvergenz liefert kxkH ≤ 1. W¨ are nun kxkH < 1 richtig, so erhalten wir |λ| |(Ax, x)H | > = kAk 2 kxkH 1

(II.11.15)

im Widerspruch zu (II.11.13). Also erhalten wir die Aussage kxkH = 1. 3.) Wir nehmen nun ohne Einschr¨ ankung λ = +kAk an. Weiter sei x ∈ H mit kxkH = 1 die in Teil 2.) gefundene L¨ osung des Variationsproblems (II.11.4). Wir haben also die Identit¨ at (Ax, x)H = λkxk2H . F¨ ur ein beliebiges y ∈ H gibt es dann ein ε0 = ε0 (y) > 0, so dass f¨ ur alle ε ∈ (−ε0 , ε0 ) die folgenden Ungleichungen gelten: (A(x + εy), x + εy)H ≤ λ(x + εy, x + εy)H beziehungsweise

(II.11.16)

§11 Der Spektralsatz f¨ ur kompakte Operatoren

o

n

209

o

n

(Ax, x)H + ε (Ax, y)H + (Ay, x)H ≤ λkxk2H + ελ (x, y)H + (y, x)H + o(ε). Hieraus folgt ε Re(Ax − λx, y)H ≤ o(ε),

(II.11.17)

und weiter Re(Ax − λx, y)H ≤ o(1)

y ∈ H.

f¨ ur alle

Somit muss Re(Ax − λx, y)H = 0

f¨ ur alle

y∈H

(II.11.18)

erf¨ ullt sein, und wir erhalten Ax = λx .

q.e.d.

Theorem II.11.2. (Spektralsatz von F. Rellich) Sei ein vollstetiger Hermitescher Operator A : H → H auf dem Hilbertraum H mit A 6= 0 vorgelegt. Dann gibt es ein endliches oder abz¨ ahlbar unendliches System von orthonormierten Elementen {ϕj }j=1,2,... in H, so dass gilt: i) Die ϕj sind Eigenelemente zu den Eigenwerten λj ∈ R mit kAk = |λ1 | ≥ |λ2 | ≥ |λ3 | ≥ . . . > 0, das heißt Aϕj = λj ϕj ,

j = 1, 2, . . .

Falls {ϕj }j unendlich ist, so haben wir das asymptotische Verhalten lim λj = 0.

j→∞

ii) F¨ ur alle x ∈ H gelten die Darstellungen X λj (ϕj , x)H ϕj und (x, Ax)H = Ax =

X

λj |(ϕj , x)H |2 .

j=1,2,...

j=1,2,...

Falls das System {ϕj }j=1,...,N endlich ist, so reduzieren sich die Reihen auf endliche Summen. Beweis: Wegen kAk > 0 gibt es nach dem Theorem II.11.1 ein Element ϕ1 ∈ H mit kϕ1 kH = 1, f¨ ur welches Aϕ1 = λ1 ϕ1

mit

λ1 ∈ {−kAk, +kAk}

gilt sowie |(Ax, x)H | ≤ |λ1 |(x, x)H

f¨ ur alle

x ∈ H.

Wir nehmen nun an, wir haben bereits m ≥ 1 orthonormierte Eigenelemente ϕ1 , . . . , ϕm mit den zugeh¨ origen Eigenwerten λ1 , . . . , λm ∈ R gefunden, und diese erf¨ ullen die Eigenschaft I). Wir betrachten dann den vollstetigen Hermiteschen Operator Bm x = Ax −

m X j=1

λj (ϕj , x)H ϕj .

210

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

1.Fall: Es gilt Bm = 0. Dann haben wir die Darstellung Ax =

m X

λj (ϕj , x)H ϕj .

j=1

2.Fall: Es gilt Bm 6= 0. Nach dem Theorem II.11.1 gibt es ein Element ϕ ∈ H mit kϕkH = 1, so dass Bm ϕ = λϕ und folglich Aϕ −

m X

λj (ϕj , ϕ)H ϕj = λϕ

j=1

mit |λ| = kBm k > 0 erf¨ ullt ist. Multiplikation mit ϕk , k ∈ {1, . . . , m}, von links liefert λ(ϕk , ϕ)H = (ϕk , Aϕ)H − λk (ϕk , ϕ)H = (Aϕk , ϕ)H − λk (ϕk , ϕ)H = λk (ϕk , ϕ)H − λk (ϕk , ϕ)H = 0,

k = 1, . . . m.

Somit ist auch das System {ϕ1 , . . . , ϕm , ϕ} orthonormiert, und wir setzen ϕm+1 := ϕ sowie λm+1 := λ 6= 0. Da nach Konstruktion die Absch¨atzung |(x, Bm x)H | ≤ |λm |(x, x)H

f¨ ur alle

x∈H

erf¨ ullt ist, erhalten wir f¨ ur x = ϕm+1 |λm | ≥ |(ϕm+1 , Bm ϕm+1 )H | = |(ϕm+1 , λm+1 ϕm+1 )H | = |λm+1 |. Wir nehmen nun an, dass unser oben beschriebenes Verfahren nicht abbricht. Da {ϕj }j orthonormiert ist, gilt ϕj * 0 (j → ∞), und die Vollstetigkeit von A liefert |λj | = kAϕj kH → 0 (j → ∞) . Schließlich erhalten wir wegen kBm k = |λm+1 | die Aussage m

X

λj (ϕj , ·)H ϕj = |λm+1 | → 0 (m → ∞) −

A

(II.11.19)

j=1

und somit Ax =

∞ X

λj (ϕj , x)H ϕj ,

x ∈ H.

j=1

Also sind alle y = Ax mit x ∈ H in der Form y =

∞ X

(ϕj , y)H ϕj darstellbar,

j=1

d.h. das System {ϕj }j=1,2,... ist im Bildraum A(H) vollst¨andig. q.e.d. Wir wollen zum Abschluss ein wichtiges Kriterium f¨ ur die Vollstetigkeit linearer Operatoren angeben. Hierzu ben¨ otigen wir die

§11 Der Spektralsatz f¨ ur kompakte Operatoren

211

Definition II.11.3. Ein linearer Operator A : H → H besitzt eine endliche Quadratnorm, wenn ein Paar ϕ = {ϕj }j=1,2,... ,

ψ = {ψj }j=1,2,...

von v.o.n.S. im separablen Hilbertraum H die Absch¨ atzung v uX u ∞ |(Aϕj , ψk )H |2 < +∞ N (A; ϕ, ψ) := t j,k=1

erf¨ ullt. Dabei ist N (A; ϕ, ψ) unabh¨ angig vom gew¨ ahlten Paar der v.o.n.S., und wir setzen N (A) := N (A; ϕ, ψ). Bemerkung: Wir verweisen hier auf den Hilfssatz 2 in [S3] Kap. VIII § 6 . Theorem II.11.3. Auf dem separablen Hilbertraum H sei A : H → H ein linearer Operator mit endlicher Quadratnorm N (A) < +∞. Dann gilt f¨ ur die Operatornorm kAk ≤ N (A) , und A : H → H ist vollstetig. Beweis: 1.) Wie in Definition II.11.3 w¨ ahlen wir v.o.n.S. ϕ und ψ im separablen Hilbertraum H. Dann ermitteln wir N (A)2 = N (A; ϕ, ψ)2 = =

∞ X ∞ X j=1

Mit f =

∞ X

∞ X j,k=1

|(Aϕj , ψk )H |

2



=

|(Aϕj , ψk )H |2 ∞ X

(II.11.20) kAϕj k2H .

j=1

k=1

cj ϕj ∈ H folgen die Identit¨ aten

j=1

Af =

∞ X

cj Aϕj

und

kAf kH ≤

∞ X

|cj |kAϕj kH .

j=1

j=1

Wir erhalten dann v v uX uX u∞ u∞ |cj |2 t kAϕj k2H = N (A; ϕ, ψ) kf kH , kAf kH ≤ t j=1

∀f ∈ H

j=1

(II.11.21) und somit kAk ≤ N (A; ϕ, ψ) . 2.) Sei die Folge fk * f = 0 (k → ∞) schwach konvergent. Ist dann {ϕj }j=1,2,... ein v.o.n.S. in H, so haben wir die Darstellung

212

II Spektraldarstellungen f¨ ur Differential- und Integraloperatoren

fk = ∞ X

∞ X

cjk ϕj

lim cjk = 0

mit

k→∞

j=1

f¨ ur

j = 1, 2, . . .

und (II.11.22)

|cjk |2 ≤ M 2

f¨ ur

k = 1, 2, . . .

mit einem

M ∈ (0, +∞).

j=1

Wegen der Stetigkeit des Operators A : H → H gem¨aß 1.) erhalten wir Afk =

∞ X

cjk Aϕj

j=1

und somit N ∞

X

X



kAfk kH ≤ cjk Aϕj + cjk Aϕj H

j=1

j=N +1

H

v v uX u X ∞ N

X

u u ∞

|cjk |2 t kAϕj k2H . ≤ cjk Aϕj + t j=1

H

j=1

j=N +1

Mit Hilfe von (II.11.22) erhalten wir v u X N

X

u ∞

kAfk kH ≤ cjk Aϕj + M t kAϕj k2H , H

j=1

(II.11.23)

k = 1, 2, . . .

(II.11.24)

j=N +1

Wir w¨ahlen zu vorgegebenem ε > 0 ein N = N (ε) ∈ N so groß, dass v u X u ∞ kAϕj k2H ≤ ε (II.11.25) Mt j=N +1

ausf¨allt. Wegen (II.11.22) k¨ onnen wir dann ein k0 = k0 (ε) ∈ N so w¨ahlen, dass (ε)

NX

cjk Aϕj ≤ ε f¨ ur alle k ≥ k0 (II.11.26)

j=1

H

erf¨ ullt ist. Insgesamt erhalten wir kAfk kH ≤ 2ε

f¨ ur alle

k ≥ k0

zu gegebenem ε > 0 und schließlich Afk → 0 (k → ∞) . Somit ist der Operator A vollstetig. q.e.d.

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

Zun¨achst zeigen wir die Herglotz’sche Integralformel, welche einen Beweis des Spektralsatzes f¨ ur selbstadjungierte Operatoren auf nicht notwendig separablen Hilbertr¨aumen erlaubt. Dann geben wir eine Einf¨ uhrung in die St¨orungstheorie selbstadjungierter Operatoren. Wir beweisen die stetige und die analytische Abh¨angigkeit der Spektralschar von dem St¨orungsparameter durch Untersuchung der Resolvente. Dieses Resultat verdanken wir E. Heinz.

§1 Die Integralformel von Herglotz und ihre Folgerungen Zun¨achst verwenden wir die Bereiche Ωr := {w = u + iv ∈ C : |w| < r} f¨ ur ¨ alle 0 < r ≤ 1 und gr¨ unden unsere Uberlegungen auf die Proposition III.1.1. (Schwarzsche Integralformel) Sei die Funktion f = f (w) : Ω1 → C holomorph, so gilt f¨ ur alle 0 < r < 1 die folgende Integraldarstellung Z 2π iϕ re + w 1 Re f (reiϕ ) dϕ , w ∈ Ωr . (III.1.1) f (w) = i Im f (0) + 2π 0 reiϕ − w Beweis: Auf der Einheitskreisscheibe Ω1 betrachten wir die reellen Randwerte φr (z) := Re f (rz) ,

z ∈ ∂Ω1 .

Nach dem Theorem 2.2 aus [S5] Chap. 9 stellt das Schwarzsche Integral Z 2π iϕ Z 2π iϕ 1 e +z 1 e +z iϕ Fr (z) := φ (e )dϕ = Ref (reiϕ )dϕ, z ∈ Ω1 r iϕ 2π 0 e − z 2π 0 eiϕ − z eine holomorphe Funktion in Ω1 dar mit den Randwerten Re Fr (z) = Re f (rz) ,

z ∈ ∂Ω1 ,

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 F. Sauvigny, Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren im Hilbertraum und elliptischer Differentialoperatoren, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58069-1_3

214

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

welche stetig auf Ω1 angenommen werden. Dann ist die Funktion Z 2π iϕ w e + r w 1 Re f (reiϕ ) dϕ Gr (w) := Fr ( ) := r 2π 0 eiϕ − wr Z 2π iϕ 1 re + w = Re f (reiϕ ) dϕ , w ∈ Ωr 2π 0 reiϕ − w holomorph in Ωr und besitzt die Randwerte w = Re f (w) , Re Gr (w) = Re Fr r

w ∈ ∂Ωr .

Nach dem Maximumprinzip f¨ ur harmonische Funktionen stimmen die Realteile von Gr (w) und f (w) in der Kreisscheibe Ωr u ¨berein. Mit Hilfe der Cauchy-Riemann-Gleichungen stellt man weiter fest, dass die Imagin¨arteile bis auf eine Konstante identisch sind. Also folgt die Identit¨at Z 2π iϕ 1 re + w f (w) = icr + Re f (reiϕ ) dϕ , w ∈ Ωr 2π 0 reiϕ − w ¨ mit einer Konstante cr ∈ R . Uberpr¨ ufen wir diese Identit¨at im Punkt w = 0, so erhalten wir die behauptete Identit¨ at (III.1.1). q.e.d. Proposition III.1.2. Sei die Funktion f = f (w) : Ω1 → C holomorph mit der Eigenschaft Ref (w) ≥ 0, ∀ w ∈ Ω1 . Dann gibt es eine monoton nichtfallende Funktion γ = γ(ϕ) : [0, 2π] → R mit γ(0) = 0 und γ(2π) = Re f (0), deren Einschr¨ ankung auf das Intervall [0, 2π) rechtsseitig stetig ist, so dass die folgende Integraldarstellung gilt: Z 2π− iϕ e +w dγ(ϕ) f (w) = iImf (0) + eiϕ − w 0+ (III.1.2) h i1+w + γ(2π) − γ(2π−) , w ∈ Ω1 . 1−w Beweis: 1.) Wir w¨ ahlen eine monoton steigende Folge {rn }n=1,2,... ⊂ (0, 1)

mit

lim rn = 1 .

n→∞

Wegen Proposition III.1.1 ist f¨ ur ein hinreichend großes n0 (w) ∈ N die Aussage Z 2π 1 rn eiϕ + w f (w) = i Imf (0) + Ref (rn eiϕ )dϕ 2π 0 rn eiϕ − w (III.1.3) f¨ ur alle

w ∈ Ω1

mit

n ≥ n0 (w)

richtig. Wir f¨ uhren die folgenden monoton nichtfallenden, reellanalytischen Funktionen ein:

§1 Die Integralformel von Herglotz und ihre Folgerungen

γn (ϕ) :=

1 2π

215

ϕ

Z

Re f (rn eit ) dt ,

0 ≤ ϕ ≤ 2π ,

n ∈ N.

(III.1.4)

0

Diese besitzen die Eigenschaften γn (0) = 0

und

1 γn (2π) = 2π



Z

Ref (rn eit )dt = Re f (0), n ∈ N (III.1.5) 0

wegen der Mittelwerteigenschaft harmonischer Funktionen. Damit liefern (III.1.3) und (III.1.4) die Aussage Z 2π rn eiϕ + w f (w) = i Im f (0) + dγn (ϕ) , w ∈ Ω1 , n ≥ n0 (w) . rn eiϕ − w 0 (III.1.6) 2.) Mit dem Hellyschen Auswahlsatz auf dem Intervall [0, 2π] k¨onnen wir u ¨bergehen zu einer Teilfolge {γnk }k=1,2,... ⊂ {γn }n=1,2,... mit lim γnk (ϕ) = γ(ϕ), ∀ ϕ ∈ [0, 2π] . (III.1.7) k→∞

Die Grenzfunktion γ = γ(t) : [0, 2π] → R ist monoton nichtfallend und erf¨ ullt γ(0) = 0 sowie γ(2π) = Re f (0) wegen (III.1.5). Ferner ist ihre Einschr¨ankung γ : [0, 2π) → [0 , Re f (0)] rechtsseitig stetig. Wir ben¨otigen nun den Hellyschen Konvergenzsatz f¨ ur das kompakte Intervall [0, 2π]. Wegen (III.1.6) und (III.1.7) erhalten wir f¨ ur alle w ∈ Ω1 die Aussage Z 2π rnk eiϕ + w dγnk (ϕ) f (w) = i Im f (0) + lim k→∞ 0 rnk eiϕ − w Z 2π iϕ e +w dγ(ϕ) = i Im f (0) + eiϕ − w 0 Z 2π− iϕ h i1 + w e +w dγ(ϕ) + γ(2π) − γ(2π−) . = i Im f (0) + iϕ e −w 1−w 0+ Damit ist unser Hilfssatz vollst¨ andig gezeigt. q.e.d. Nun verwenden wir den Definitionsbereich C+ := {z = x + iy ∈ C : y > 0} ⊂ C0 := C \ R und zeigen das zentrale Theorem III.1.1. (Die Integralformel von Herglotz) Sei die Funktion g = g(z) : C+ → C holomorph mit der Eigenschaft Im g(z) ≥ 0, ∀z ∈ C+ . Dann gibt es eine Funktion % = %(t) ∈ BV0+ (R; Im g(i)) und reelle Zahlen a ∈ R und b ∈ [0 , Im g(i)], so dass die Darstellung Z +∞ 1 + tz g(z) = a + bz + d %(t) , z ∈ C+ (III.1.8) −∞ t − z erf¨ ullt ist.

216

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

Beweis: 1.) Wir betrachten die gebrochen-lineare Transformation w = l(z) :=

z−i , z+i

und berechnen ihre Funktionswerte 1−i l(0) = −1 , l(1) = = −i , 1+i

z∈C

l(∞) = 1 ,

l(i) = 0 .

(III.1.9)

Somit liefert die positiv-orientierte Abbildung w = l(t) =

t−i , t+i

t∈R

einen C 1 -Diffeomorphismus von R auf die punktierte Einheitskreislinie ∂Ω1 \ {1} = {eiϕ : 0 < ϕ < 2π} . Es gibt also einen positiv-orientierten C 1 -Diffeomorphismus φ : R → (0, 2π)

verm¨ oge

ϕ = φ(t) ,

t ∈ R,

so dass

t−i , t∈R t+i richtig ist. Weiter haben wir die Transformation eiφ(t) = l(t) =

z−i , z+i

Ω1 3 w = l(z) =

(III.1.10)

z ∈ C+

der oberen Halbebene C+ in die Einheitskreisscheibe. Nun berechnen wir l(t) + l(z) = l(t) − l(z) =

t−i t+i t−i t+i

+ −

z−i z+i z−i z+i

(t − i)(z + i) + (z − i)(t + i) (t − i)(z + i) − (z − i)(t + i) (III.1.11)

(tz + it − iz + 1) + (tz + iz − it + 1) = (tz + it − iz + 1) − (tz + iz − it + 1) =

2tz + 2 1 + tz = , 2it − 2iz i(t − z)

t ∈ R,

z ∈ C+ .

2.) Wir ermitteln die Umkehrabbildung l−1 der M¨obiustransformation l : z−i ⇐⇒ w(z + i) = z − i z+i wz + iw = z − i ⇐⇒ (w − 1)z = −i(1 + w)

w = l(z) ⇐⇒ ⇐⇒

⇐⇒

z = −i

w=

w+1 w+1 =i =: l−1 (w) , w−1 1−w

w ∈ Ω1 .

§1 Die Integralformel von Herglotz und ihre Folgerungen

Dann betrachten wir die Funktion    w + 1 = −ig l−1 (w) , f (w) := −i g i 1−w

w ∈ Ω1

217

(III.1.12)

mit den Eigenschaften Re f (w) ≥ 0 ,



w ∈ Ω1

und

  f (0) = −ig l−1 (0) = −ig(i) .

Auf die Funktion (III.1.12) wenden wir die Proposition III.1.2 an und erhalten   −i g l−1 (w) = f (w) 2π−

h i1+w eiϕ + w dγ(ϕ) + γ(2π) − γ(2π−) eiϕ − w 1−w 0+ (III.1.13) Z 2π− iϕ h i e +w dγ(ϕ) − i γ(2π) − γ(2π−) l−1 (w) = −i Re g(i) + eiϕ − w 0+ Z

= i Im f (0) +

f¨ ur alle

w ∈ Ω1 .

Setzen wir in (III.1.13) die Gr¨ oße w = l(z) ein, so erhalten wir mittels (III.1.10) und (III.1.11) die Identit¨ at Z 2π− iϕ h i e + l(z) dγ(ϕ) + γ(2π) − γ(2π−) z g(z) = Re g(i) + i iϕ e − l(z) 0+ Z +∞ iφ(t) h i e + l(z) d [γ ◦ φ](t) + γ(2π) − γ(2π−) z = Re g(i) + i iφ(t) − l(z) −∞ e Z +∞ h i l(t) + l(z) = Re g(i) + i d [γ ◦ φ](t) + γ(2π) − γ(2π−) z −∞ l(t) − l(z) Z +∞ h i 1 + tz d [γ ◦ φ](t) + γ(2π) − γ(2π−) z , z ∈ C+ . = Re g(i) + −∞ t − z (III.1.14) Nun ergibt sich mit h i a := Re g(i) ∈ R , b := γ(2π) − γ(2π−) ∈ [ 0 , Im g(i) ] und Z +∞ (III.1.15) %(t) := [γ ◦ φ](t) , t ∈ R mit |d%(t)| ≤ Im g(i) −∞

aus der Identit¨at (III.1.14) die gesuchte Darstellung (III.1.8) . q.e.d. Proposition III.1.3. Sei die Funktion h : C+ → C mit Im h(z) ≥ 0, ∀z ∈ C+ holomorph unter der Wachstumsbedingung

218

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

|h(z)| ≤

M , Im z

z ∈ C+

mit der Schranke

M ∈ [0, +∞) .

Dann gibt es eine Funktion σ = σ(t) ∈ BV0+ (R; M ), so dass die Darstellung Z +∞ 1 h(z) = d σ(t) , z ∈ C+ (III.1.16) −∞ t − z richtig ist. Beweis: 1.) Mit Hilfe der Darstellung im Theorem III.1.1 berechnen wir Z +∞ 1 + tz d %(t) h(z) = a + bz + −∞ t − z Z +∞ 1 + t[t − (t − z)] (III.1.17) d %(t) = a + bz + t−z −∞ Z +∞   1 + t2 = a + bz + − t d %(t) , z ∈ C+ . t−z −∞ Weiter ermitteln wir aus der Wachstumsbedingung die Absch¨atzung M ≥ |h(iy)| · Im[iy] ≥ y · Im h(iy) +∞

Z

h

= y · Im a + iby +

 1 + t2

−∞

= b y 2 + y · Im

hZ

+∞ −∞

= b y 2 + y · Im

+∞

hZ

−∞

= b y2 +

Z

+∞ 2 −∞

t − iy

 i − t d %(t)

i 1 + t2 d %(t) t − iy

(III.1.18)

i (1 + t2 )(t + iy) d %(t) t2 + y 2

2

t y + y2 d %(t) , t2 + y 2

Somit folgen b = 0 und die Ungleichung Z +∞ y2 (1 + t2 ) d %(t) ≤ M , 2 2 −∞ t + y

0 < y < +∞ .

0 < y < +∞ .

(III.1.19)

2.) Mit dem Konvergenzsatz von Fatou ermitteln wir aus (III.1.19) die folgende Absch¨atzung: Z +∞ h Z +∞ i y2 2 2 (1 + t ) d %(t) lim inf 2 (1 + t ) d %(t) = y→+∞ t + y 2 −∞ −∞ (III.1.20) i h Z +∞ y 2 (1 + t2 ) d %(t) ≤ M . ≤ lim inf 2 2 y→+∞ −∞ t + y

§1 Die Integralformel von Herglotz und ihre Folgerungen

219

Wir betrachten nun das unbestimmte Riemann-Stieltjes-Integral λ

Z

(1 + t2 ) d %(t) ,

σ(λ) :=

λ ∈ R.

(III.1.21)

−∞

Diese Funktion ist schwach monoton steigend in R, und es gilt 0 ≤ σ(λ) ≤ M ,

∀λ ∈ R.

Offenbar ist σ ∈ BV0+ (R; M ) f¨ ur diese Funktion erf¨ ullt. 3.) Aus (III.1.17) erhalten wir die Darstellung +∞

Z h(z) = a −

Z

−∞

−∞ +∞

Z

+∞

t d %(t) +

=a−

Z

+∞

t d %(t) + −∞

Z

−∞ +∞

=A+ −∞

1 d σ(t) t−z

1 d σ(t) , t−z Z

1 + t2 d %(t) t−z (III.1.22)

z ∈ C+

+∞

mit der Konstante A := a −

t d %(t) . −∞

4.) Aus der Wachstumsbedingung ermitteln wir die Ungleichung M ≥ |h(iy)| · Im[iy] = y · |h(iy)| Z = y · A + Z ≥ |A y| −

+∞ −∞ +∞

−∞

Z

Z +∞ 1 y d σ(t) = A y + d σ(t) t − iy t − iy −∞ Z +∞ y y d σ(t) ≥ |A y| − d σ(t) t − iy t − iy −∞

(III.1.23)

+∞

d σ(t) ≥ |A y| − M ,

≥ |A y| −

0 < y < +∞ .

−∞

Aus dieser Ungleichung folgt, dass A = 0 gelten muss. Dann ist mit (III.1.22) die gew¨ unschte Darstellung (III.1.16) bewiesen. q.e.d. Sei der Operator H : DH → H selbstadjungiert im dichten Teilraum DH des Hilbertraums H, welcher nicht notwendig separabel ist. F¨ ur die Resolvente Rz := (H − zE)−1 ,

z ∈ C0 := C \ R

schr¨anken wir die zugeh¨ orige Sesquilinearform auf die Diagonale ein, und wir erhalten eine holomorphe Funktion mit

220

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

  , F (z) := f , Rz f H

z ∈ C0

f¨ ur ein beliebiges

Wir beachten die Absch¨ atzung   |F (z)| = f, Rz f ≤ kf kH ·kRz f kH ≤ H

f ∈ H.

1 ·kf k2H , |Im z|

(III.1.24)

z ∈ C0 . (III.1.25)

Wir berechnen mit Hilfe von Theorem I.5.3 die Identit¨at # "    1  Im F (z) = − f, Rz f f, Rz f 2i H H  i   i  h   h   1 1 = − Rz f, f = − f , Rz f f, Rz f f, Rz f 2i 2i H H H H     1 1 = f, (Rz − Rz )f f, (z − z)Rz ◦ Rz f = 2i 2i H H   = Im z kRz f k2H ≥ 0 , ∀ z ∈ C+ . = Im z f, Rz ◦ Rz f H

(III.1.26) Nach obiger Proposition III.1.3 gibt es wegen (III.1.25) und (III.1.26) eine Funktion σ = σ(λ; f ) ∈ BV0+ (R; kf k2H ) gem¨aß der Definition I.9.1, so dass Folgendes gilt: Z +∞   d σ(λ; f ) f , Rz f = , z ∈ C0 f¨ ur beliebige λ−z H −∞

f ∈ H . (III.1.27)

Diese Identit¨at ist zun¨ achst in C+ erf¨ ullt, und sie wird durch Spiegelung in die untere Halbebene fortgesetzt. Wir betrachten nun die folgende Symmetrisierung der Sesquilinearform      1 h − f − g, Rz (f − g) f + g, Rz (f + g) = g , Rz f 4 H H H   i   − i f − ig, Rz (f − ig) , ∀f, g ∈ H . +i f + ig, Rz (f + ig) H

H

(III.1.28) Mit der Belegungsfunktion τ (λ; g, f ) := i 1h σ(λ; f + g) − σ(λ; f − g) + iσ(λ; f + ig) − iσ(λ; f − ig) , λ ∈ R 4 (III.1.29) d der Klasse BV (R, C) erhalten wir dann die Darstellung Z +∞   d τ (λ; g, f ) , z ∈ C0 f¨ ur alle f, g ∈ H . (III.1.30) g , Rz f = λ−z H −∞

§1 Die Integralformel von Herglotz und ihre Folgerungen

221

Die Totalvariation von τ sch¨ atzen wir wie folgt ab: Z +∞ |d τ (λ; g, f )| ≤ −∞ i h 1 kf + gk2H + kf − gk2H + kf + igk2H + kf − igk2H 4 = kf k2H + kgk2H f¨ ur alle f, g ∈ H . Hieraus ermitteln wir sofort die Ungleichung Z +∞ |d τ (λ; g, f )| ≤ 2 · kf kH · kgkH

f¨ ur alle

f, g ∈ H .

−∞

Bemerkungen zum Spektralsatz selbstadjungierter Operatoren: Ohne die Theoreme I.11.1 und I.11.2 zu benutzen, welche auf separable Hilbertr¨aume beschr¨ ankt sind, k¨ onnen wir jetzt das Theorem I.11.3 f¨ ur beliebige Hilbertr¨aume zeigen. Somit haben wir mit den Argumenten in § I.11 einen vollst¨andigen Weg zum Spektralsatz f¨ ur selbstadjungierte Operatoren aus dem Theorem I.12.1 f¨ ur beliebige Hilbertr¨ aume zur Verf¨ ugung. Also ist der Spektralsatz f¨ ur selbstadjungierte Operatoren in separablen und inseparablen Hilbertr¨aumen mit unserer Abhandlung bewiesen. Wir wollen uns nun die Frage stellen, welche Funktionen die Ordnung zwischen selbstadjungierten Operatoren erhalten. Die Antwort hierzu beruht auf der Proposition III.1.4. (Integralformel von L¨ owner) In dem Schlitzgebiet C∗ := C \ (−∞, 0] sei die Funktion h = h(z) : C∗ → C holomorph und besitze die Eigenschaften Im h(z) ≥ 0, ∀z ∈ C+ und Im h(x) = 0, ∀ x ∈ (0, +∞) . Weiter sei ihre Einschr¨ ankung h stetig fortsetzbar zur Funk(0,+∞)

tion h : [0, +∞) → [0, +∞) . Dann gibt es eine Funktion ρ = ρ(t) ∈ BV0+ (R; Im h(i))

mit

ρ(t) = 0, ∀t ∈ (−∞, 0)

und reelle Zahlen a ∈ R und b ∈ [0, Im h(i)] , so dass die Darstellung Z

+∞

h(z) = a + bz + 0+

tz − 1 d ρ(t) , t+z

z ∈ C∗

(III.1.31)

erf¨ ullt ist. Beweis: 1.) Wir verwenden die Integralformel (III.1.8) von Herglotz und erhalten f¨ ur alle z = x + iy ∈ C+ die Darstellung

222

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

Z

+∞

1 + tx + ity d %(t) t − x − iy

h(z) = h(x + iy) = a + bx + iby + −∞

Z

+∞

= a + bx + iby + −∞

Z

+∞

= a + bx + iby + −∞

Z

+∞

= a + bx + iby + −∞

(1 + tx + ity)(t − x + iy) d %(t) (t − x)2 + y 2 [(1 + tx)(t − x) − ty 2 ] + i[y + txy + t2 y − txy] d %(t) (t − x)2 + y 2 [(1 + tx)(t − x) − ty 2 ] + i[y + t2 y] d %(t) . (t − x)2 + y 2

Hieraus ermitteln wir f¨ ur beliebige Stetigkeitspunkte 0 < c < d < +∞ von % d

Z

+∞

Z

(1 + t2 )

Im h(x + iy) dx = b(d − c)y + −∞

c

d

hZ

i y dx d %(t) . (t − x)2 + y 2 (III.1.32)

c

2.) Im Falle c < t < d berechnen wir mit Hilfe der Transformationen x , y

ξ=

dξ =

dx y

und

η=

t −ξ, y

dη = −dξ

den Grenzwert des inneren Integrals auf der rechten Seite von (III.1.32) f¨ ur y → 0+ wie folgt: d

Z c

y dx = lim y→0+ (t − x)2 + y 2

Z

d y

lim

y→0+

1

= lim

y→0+

1 + ( yt − ξ)2

c y

Z

t−c y

= lim

y→0+

t−d y

dξ = lim

1 dη = 1 + η2

y→0+

Z

+∞ −∞

d

Z c

h

1 dx ( yt − xy )2 + 1 y t−d y

Z −

t−c y

i 1 dη 1 + η2

(III.1.33)

1 dη = 2π . 1 + η2

Im Falle t ∈ (−∞, c) ∪ (d, +∞) berechnen wir mit δ := min{|t − c|, |t − d|} > 0 den folgenden Limes superior: d

Z 0 ≤ lim sup y→0+

c

y dx ≤ lim sup (t − x)2 + y 2 y→0+

d

Z c

y dx = 0 . δ2 + y2

3.) Aus (III.1.32), (III.1.33) und (III.1.34) ersehen wir die Identit¨at

(III.1.34)

§1 Die Integralformel von Herglotz und ihre Folgerungen d

Z

Im h(x + iy) dx

0 = lim

y→0+

+∞

Z

(1 + t2 )

= lim

y→0+

−∞

223

c d

hZ c

i y dx d %(t) 2 2 (t − x) + y

d

Z

(1 + t2 ) d %(t) f¨ ur alle Stetigkeitspunkte 0 < c < d < +∞.

= 2π c

Somit folgt %(t) = const , ∀ t ∈ (0, +∞) , und die Herglotz’sche Integralformel (III.1.8) liefert Z 0 1 + tz 1 + tz d %(t) = a + bz + d %(t) h(z) = a + bz + t − z −∞ t − z −∞ Z 0− h i1 1 + tz d %(t) − %(0) − %(0−) , z ∈ C+ . = a + bz + z −∞ t − z Z

+∞

Beobachten wir in der Darstellung Z 0− h i 1 1 + tλ h(λ) = a + bλ + d %(t) − %(0) − %(0−) · , λ −∞ t − λ den Grenz¨ ubergang λ → 0+, so erhalten wir h i %(0) − %(0−) = 0 .

(III.1.35)

λ ∈ (0, +∞)

(III.1.36)

4.) Wir setzen nun \ + %(0+) , ρ(t) := −%(−t)

t ∈ R,

wobei .c . . die rechtsseitig stetige Fortsetzung der Funktion −%(−t), t ∈ R bezeichne. Offenbar ist hier ρ(t) = 0, ∀t ∈ (−∞, 0) erf¨ ullt. Dann ermitteln wir aus (III.1.35) und (III.1.36) mit Hilfe der Spiegelung s = −t, t ∈ (0, +∞) die Identit¨at

224

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung 0−

Z h(z) = a + bz +

−∞ 0+

Z = a + bz +

+∞

= a + bz + 0+

Z

+∞

= a + bz + 0+

Z

+∞

= a + bz + 0+

Z

+∞

= a + bz + 0+

1 − tz d %(−t) −t − z

+∞

Z

1 + sz d %(s) s−z

1 − tz d %(−t) t+z

tz − 1 d [−%(−t)] t+z

tz − 1 \ + %(0+)] d [−%(−t) t+z

tz − 1 d ρ(t) t+z

f¨ ur alle

z ∈ C+ .

Durch Spiegelung an der reellen Achse und Fortsetzung auf das Intervall (0, +∞) erhalten wir die behauptete Darstellungsformel. q.e.d. ¨ In Anlehnung an die Uberlegungen von § II.5 vereinbaren wir die Definition III.1.1. Seien auf den dichten Definitionsbereichen DA ⊂ H sowie DB ⊂ H die selbstadjungierten Operatoren A : DA → H sowie B : DB → H erkl¨ art und gem¨ aß A ≥ 0 und B ≥ 0 nichtnegativ. Nun ¨ber √ definieren wir u √ den Spektralsatz ihre positiven Quadratwurzeln A und B . Wenn dann die Bedingungen √ √ D√B ⊂ D√A und k Af kH ≤ k Bf kH , ∀ f ∈ D√B (III.1.37) erf¨ ullt sind, so schreiben wir A ≤ B . Theorem III.1.2. (Monotone Transf. selbstadjungierter Operatoren) Im Schlitzgebiet C∗ := C \ (−∞, 0] sei die Funktion h = h(z) : C∗ → C holomorph und besitze die Eigenschaften Im h(z) ≥ 0, ∀z ∈ C+

und

Im h(x) = 0, ∀ x ∈ (0, +∞) .

Es sei die Funktion h(x) : [0, +∞) → [0, +∞) auf der nichtnegativen reellen Achse stetig. Dann folgt aus der Beziehung 0 ≤ A ≤ B f¨ ur selbstadjungierte Operatoren gem¨ aß der Definition III.1.1 die Ungleichung 0 ≤ h(A) ≤ h(B) , wobei wir R +∞ R +∞ die Operatoren h(A) = 0 h(λ)dEA (λ) und h(B) = 0 h(λ)dEB (λ) u ¨ber ihre Spektralscharen {EA (λ) : 0 ≤ λ < +∞} und {EB (λ) : 0 ≤ λ < +∞} mit R +∞ ihren Definitionsbereichen Dh(A) = {f ∈ H : 0 h(λ)2 kdEA (λ)f k2H < +∞} R +∞ aren. und Dh(B) = {f ∈ H : 0 h(λ)2 kdEB (λ)f k2H < +∞} erkl¨

§1 Die Integralformel von Herglotz und ihre Folgerungen

225

Bemerkungen: F¨ ur Hermitesche Matrizen hat K .Loewner [Lo] entsprechende Monotonieaussagen entdeckt, w¨ ahrend E. Heinz im Satz 2 von [H3] § 1 die obige Verallgemeinerung auf selbstadjungierte Operatoren gelungen ist. Dort wird eine Approximation durch positive Operatoren durchgef¨ uhrt, auf welche wir wegen der genaueren Kontrolle der Belegungsfunktion in der Proposition III.1.4 hier verzichten k¨ onnen. Beispiel III.1.1. Die Funktion h(x) := xα , x ∈ (0, +∞) kann f¨ ur alle reellen α ≥ 0 stetig auf [0, +∞) zur reellen Funktion h(x) : [0, +∞) → [0, +∞) und holomorph auf C∗ zur Funktion h(z) := exp [α logC∗ (z)] ,

z ∈ C∗

fortgesetzt werden. Dabei schr¨ anken wir die Logarithmusfunktion auf der uni¨ versellen Uberlagerungsfl¨ ache auf das Blatt C∗ zur holomorphen Funktion logC∗ : C∗ → C \ {0} ein. Wir empfehlen hier das Studium von §§ 5, 6, 7 in Kap. III unseres Lehrbuchs zur Analysis [S1]. Wenn wir 0 ≤ α ≤ 1 voraussetzen, so folgt die Eigenschaft Im h(z) ≥ 0, ∀ z ∈ C+ . F¨ ur zwei selbstadjungierte Operatoren 0 ≤ A ≤ B gem¨ aß Definition III.1.1 liefert das Theorem III.1.2 die Ungleichung 0 ≤ Aα ≤ B α f¨ ur alle Exponenten 0 ≤ α ≤ 1 . Beweis von Theorem III.1.2: 1.) Aus 0 ≤ A ≤ B folgt 0 < Somit folgt   1 (A + tE) 2 f, g

tE ≤ A + tE ≤ B + tE f¨ ur alle t ∈ (0, +∞).

H

  1 = f , (A + tE) 2 g

1

≤ f (A + tE) 2 g H

f¨ ur alle

H

H

1

≤ f (B + tE) 2 g H

(III.1.38) H

f ∈ D√A+tE , g ∈ D√B+tE ⊂ D√A+tE . 1

1

Setzen wir nun f = (A + tE)− 2 ϕ und g = (B + tE)− 2 ψ mit zul¨assigen ϕ, ψ ∈ H in (III.1.38) ein, so erhalten wir     1 1 (B + tE)− 2 ϕ, ψ = ϕ , (B + tE)− 2 ψ H H (III.1.39)

1

≤ (A + tE)− 2 ϕ ψ f¨ ur alle zul¨ assigen ϕ, ψ ∈ H . H

H

−1

1 1

1 \{0} Jetzt setzen wir ψ = (B+tE)− 2 ϕ (B+tE)− 2 ϕ mit ϕ ∈ D (A+tE)− 2 H in (III.1.39) ein und ersehen



1 1



(B + tE)− 2 ϕ ≤ (A + tE)− 2 ϕ , ∀ ϕ ∈ D −1 . −1 ⊂ D 2 2 H

H

(A+tE)

(B+tE)

226

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

Somit erhalten wir 1

1

(B + tE)− 2 ≤ (A + tE)− 2

f¨ ur alle

0 < t < +∞ .

(III.1.40)

2.) F¨ ur die vorgegebenene Funktion h = h(z) verwenden wir Proposition III.1.4 mit den Zahlen a ∈ R sowie b ∈ [0, +∞) und der Belegungsfunktion ρ = ρ(t) ∈ BV0+ (R; N ) mit ρ(t) = 0, ∀t ∈ (−∞, 0) und einem N ∈ [0, +∞) . Weiter betrachten wir zu einem nichtnegativen selbstadjungierten Operator 0 ≤ A : DA → H die zugeh¨ orige Spektralschar {E(λ) : 0 ≤ λ < +∞} und ihre assoziierte Belegungsfunktion   ur beliebige f ∈ D√h(A) ; σf (λ) := f , E(λ)f , 0 ≤ λ < +∞ f¨ H

diese ist monoton nichtfallend und besitzt kf k2H als beschr¨ankte Variation. Die Kernfunktion H(t, λ) :=

λt − 1 , λ+t

(t, λ) ∈ (0, +∞) × [0, +∞)

ist bez¨ uglich des von den Belegungsfunktionen ρ(t), 0 < t < +∞ und σf (λ), 0 ≤ λ < +∞ erzeugten Produktmaßes integrierbar: Z

+∞

+∞

Z

H(t, λ) d ρ(t) d σf (λ) 0+

0

existiert

∀f ∈ D√h(A) .

(III.1.41)

Somit sind hier die S¨ atze von Fubini und Tonelli zur Vertauschung der Reihenfolge in der Integration g¨ ultig. Zusammen mit dem Theorem I.11.4 berechnen wir nun das uneigentliche Integral

§1 Die Integralformel von Herglotz und ihre Folgerungen

Z

+∞

h

0+

Z

227

  i t(f, f )H − (t2 + 1) f , (A + tE)−1 f d ρ(t) H √ +a(f, f )H + bk A f k2H +∞

=

h

0+

  i t(f, f )H − (t2 + 1) f , R−t f d ρ(t) H √ +a(f, f )H + bk A f k2H +∞

Z

+∞

h Z t f,

=

d E(λ)f

 H

0

0+

Z

+∞

d E(λ)  i −(t2 + 1) f , f d ρ(t) λ+t H 0

2

Z +∞ √   Z +∞

λ d E(λ) f d E(λ)f + b +a f , 

H

0

+∞

H

0

+∞

λt − 1 dρ(t) d E(λ)f λ+t H 0 0+ Z +∞     Z +∞ λ d E(λ) f d f , E(λ)f +b f, +a Z

=

 Z f,



H

0 +∞

hZ

+∞

hZ

0

(III.1.42) H

+∞

 i λt − 1  = d f, E(λ)f dρ(t) λ+t H 0 0+ Z +∞ Z +∞     b λ d f , E(λ) f a d f , E(λ)f + + Z

H

0

0

H

0 +∞ h Z

H

+∞

i   λt − 1 dρ(t) d f, E(λ)f = λ+t H 0+ 0 Z +∞ Z +∞     b λ d f , E(λ) f a d f , E(λ)f + + Z

0

H

+∞

i   λt − 1 dρ(t) + a + bλ d f , E(λ)f λ+t H 0+ 0 Z +∞

2

p  

h(λ) d f , E(λ)f = h(A) f , f ∈ D√h(A) . = Z

=

0

H

H

3.) Nun ermitteln wir mit Hilfe von (III.1.42) und (III.1.40) die Absch¨atzung

228

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

2

p

h(A) f

H

+∞

Z =

h

0+

+∞

Z ≤

  i t(f, f )H − (t2 + 1) f , (A + tE)−1 f d ρ(t) H √ +a(f, f )H + bk A f k2H (III.1.43)

h



2

t(f, f )H − (t + 1) f , (B + tE)

−1

f

0+

 i H

d ρ(t)



+a(f, f )H + bk B f k2H

p

2

= h(B) f

f¨ ur alle

H

f ∈ D√h(B) .

Somit folgt h(A) ≤ h(B) . q.e.d. F¨ ur einen beliebigen selbstadjungierten Operator T : DT → H auf dem dichten Definitionsbereich DT ⊂ H haben wir gem¨ aß dem Theorem I.12.1 mit der Spektralschar {E(λ) : λ ∈ R} die Spektraldarstellung Tf =

Z

+∞



λ dE(λ) f =

Z

−∞

0

λ dE(λ) + −∞

Z

n

+∞

 λ dE(λ) f

0



|λ|2 d g , E(λ)g

f ∈ DT = g ∈ H :

+∞

Z

−∞

(III.1.44)



o

H

< +∞ .

Dann haben wir f¨ ur den Operator |T | die Spektraldarstellung |T |f =

Z

0 −∞

=

Z

+∞



λ d|E|(λ) f = −∞

+∞

 Z −λ dE(λ) f +

 λ dE(λ) f

0 +∞

Z

(III.1.45) 

λ d|E|(λ) f ,

f ∈ D|T | = DT

0

mit der Spektralschar  , −∞ < λ < 0 0 . |E|(λ) :=  [E(λ)\ − E(−λ)] , 0 ≤ λ < +∞

(III.1.46)

Somit stellt |T | : DT → H einen selbstadjungierten Operator mit |T | ≥ 0 dar; hierzu benutze man den Beweis von Theorem I.8.3 . In dem § 2 und dem § 3 ben¨ otigen wir das folgende tiefliegende Resultat, welches wir E. Heinz verdanken (siehe den Satz 4 in [H3] § 1).

§1 Die Integralformel von Herglotz und ihre Folgerungen

229

Theorem III.1.3. Es sei T : DT → H ein selbstadjungierter Operator auf dem Hilbertraum H und H : DT → H ein Hermitescher Operator in DT mit der Eigenschaft kH f kH ≤ kT f kH Dann gilt f¨ ur alle   Hf, g

H

f¨ ur alle

f ∈ DT .

(III.1.47)

α ∈ [0, 1] die folgende Ungleichung



α 1−α g , f, g ∈ DT . ≤ |T | f · |T | H

(III.1.48)

H

Beweis: Wir betrachten f¨ ur n = 1, 2, . . . die beschr¨ankten Hermiteschen Operatoren Hn := |E|(n) ◦ H ◦ |E|(n) : H → H . (III.1.49) Diese sind selbstadjungiert und erf¨ ullen wegen (III.1.49) und (III.1.47) die folgende Ungleichung







f¨ ur alle f ∈ DT .

|Hn |f = Hn f ≤ kT f kH = |T |f H

H

H

Dann folgt nach dem obigen Beispiel III.1.1 die Ungleichung





ur alle f ∈ D|T |α ⊃ DT , α ∈ [0, 1], n ∈ N .

|Hn |α f ≤ |T |α f f¨ H

H

Damit erhalten wir 







Hn f, g ≤ |Hn |α f |Hn |1−α g H

f¨ ur alle





≤ |T |α f |T |1−α g

H

H

f, g ∈ DT ,

α ∈ [0, 1] ,

H

H

n ∈ N. (III.1.50)

Der Grenz¨ ubergang   Hf, g

n → ∞ in (III.1.50)   = lim Hn f, g

H

n→∞

f¨ ur alle die behauptete Ungleichung.

liefert mit



α 1−α g ≤ |T | f |T |

H

f, g ∈ DT

H

und

H

α ∈ [0, 1] q.e.d.

230

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

§2 Einfu orungstheorie selbstadjungierter ¨ hrung in die St¨ Operatoren Die St¨orungstheorie befasst sich mit der grundlegenden Frage, wie sich das Spektrum und die damit verbundenen Objekte bei Ver¨anderung des Operators verhalten. Die mathematische St¨ orungstheorie wurde von F. Rellich begr¨ undet, und von seinem Sch¨ uler E. Heinz im Rahmen seiner Dissertation [H3] u orung der Spektralzerlegung vollendet. Zur St¨orungstheorie ¨ber die St¨ empfehlen wir das umfassende Grundlehrenbuch von T. Kato [K], welches die Resultate von F. Rellich und E. Heinz in allgemeinem Rahmen darstellt. Wir wollen uns hier wie in der Arbeit [H3] auf die Frage konzentrieren, wie sich die Spektralschar eines selbstadjungierten Operators bei stetiger und analytischer St¨orung verh¨alt. Schon im § I.4 haben wir ein St¨ orungsresultat im Theorem I.4.9 kennen gelernt (siehe in der Abhandlung [H3] § 3 den Satz 2). Danach bleiben wir in der Klasse der selbstadjungierten Operatoren, wenn wir einen selbstadjungierten Operator T im Sinne von Definition I.4.4 durch einen Hermiteschen Operator H mittels Addition T + H zul¨ assig st¨ oren. Wir gehen aus von einem selbstadjungierten Operator T : DT → H auf dem dichten Definitionsbereich DT ⊂ H und der Schar Hermitescher Operatoren H(κ) : DT → H f¨ ur alle κ ∈ R mit |κ| < κ0 , welche die Ungleichung   ≤ a (T f, T f )H + b (f, f )H f¨ ur alle f ∈ DT (III.2.1) H(κ)f, H(κ)f H

mit gewissen Konstanten 0 ≤ a < 1 und 0 ≤ b < +∞ und einem hinreichend kleinen κ0 > 0 erf¨ ullen. Dann stellen die Operatoren   A(κ) := T + H(κ) : DT → H , κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) (III.2.2) zul¨assige St¨orungen des selbstadjungierten Operators T dar, welche f¨ ur alle κ nach dem Theorem I.4.9 selbstadjungiert sind. Nach dem Theorem I.12.1 besitzt jeder Operator A(κ) eine Spektralschar E(. ; κ) = E(λ; κ), λ ∈ R, |κ| < κ0 so dass die Spektraldarstellung   Z +∞ λ d E(λ; κ) f , A(κ)f =

mit

E(λ) := E(λ; 0), λ ∈ R , (III.2.3)

f ∈ DT ,

κ ∈ (−κ0 , +κ0 )

(III.2.4)

−∞

richtig ist. Wir wollen nun die Abh¨ angigkeit der Spektralschar von dem St¨orungsparameter κ untersuchen, wenn wir entsprechende Voraussetzungen an die Operatorenschar {A(κ)}κ∈(−κ0 ,+κ0 ) stellen. Da in den Eigenwerten des Operators T die Spektralschar {E(λ)}λ∈R eine Unstetigkeit besitzt, so kann die stetige Abh¨angigkeit der Spektralschar vom Parameter κ nur in den Punkten außerhalb des diskreten Spektrums von T g¨ ultig sein. Genauer haben wir das folgende

§2 Einf¨ uhrung in die St¨ orungstheorie selbstadjungierter Operatoren

231

Theorem III.2.1. (Stetige St¨ orung der Spektralschar) Falls die punktweise Konvergenz lim H(κ)f = 0

κ→0

f¨ ur alle

f ∈ DT

richtig ist, und λ0 ∈ R keinen diskreten Eigenwert des Operators T darstellt, so folgt die schwache Stetigkeit ] lim E(λ0 ; κ)g = E(λ0 ; 0)g = E(λ0 )g κ→0

f¨ ur alle

g ∈ H.

Beweis: 1.) Wir betrachten zu den Operatoren [T + H(κ)] ihre Resolventen  −1 R(z; κ) := [T + H(κ)] − zE , z ∈ C0 := C \ R, κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) (III.2.5) und verwenden das Theorem I.11.4 wie folgt: Z +∞ d E(λ; κ) = R(z; κ) , z ∈ C0 , κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) . λ − z −∞

(III.2.6)

Mit dem Parameterintegral Fτ (z) aus dem Theorem I.10.3 zur Funktion   , λ ∈ R ; ∀f, g ∈ H (III.2.7) τf,g;κ (λ) := f , E(λ; κ)g H

beschr¨ankter Variation erhalten wir komponentenweise die Funktion   Z +∞ d f , E(λ; κ)g   H Fτf,g;κ (z) = = f , R(z; κ)g (III.2.8) λ−z H −∞ f¨ ur alle

z ∈ C0 ,

κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) ;

∀ f, g ∈ H .

2.) Zu hinreichend kleinem  > 0 und zu den Parametern −∞ < µ < ν < +∞ betrachten wir die geradlinigen, orientierten Wege n o Γ± (µ, ν; ) := z = ζ± (x) := x ± i ∈ C0 : µ < x ≤ ν . Wir wenden nun f¨ ur jede Komponente (III.2.8) die Stieltjes-Umkehrformel im Theorem I.10.3 an, und wir erhalten die folgende Grenzwertaussage τf,g;κ (ν) − τf,g;κ (µ) = lim

→0+

Z o n 1 Z 1 Fτf,g;κ (z)dz − Fτf,g;κ (z)dz 2πi Γ+ (µ,ν;) 2πi Γ− (µ,ν;)   n 1 Z (III.2.9) f, R(z; κ)g dz = lim →0+ 2πi Γ (µ,ν;) H + Z   o 1 − f, R(z; κ)g dz 2πi Γ− (µ,ν;) H

f¨ ur alle Stetigkeitspunkte µ < ν der Spektralschar E(λ; κ), λ ∈ R .

232

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

Der Grenz¨ ubergang µ → −∞ in (III.2.9) liefert f¨ ur alle f, g ∈ H die Identit¨at   = τf,g;κ (ν) f , E(ν; κ)g H

  n 1 Z f, R(z; κ)g dz = lim →0+, µ→−∞ 2πi Γ (µ,ν;) H + Z   o 1 f, R(z; κ)g dz − 2πi Γ− (µ,ν;) H

(III.2.10)

f¨ ur alle Stetigkeitspunkte ν der Spektralschar E(λ; κ), λ ∈ R . 3.) Wir bezeichnen die Resolvente des ungest¨ orten Operators T mit R(z) := R(z; 0) = [T − zE]−1 ,

z ∈ C0 .

(III.2.11)

In allen Punkten λ0 ∈ R, welche keinen diskreten Eigenwert des Operators T darstellen und somit die Spektralschar E(.) = E(λ; 0) = E(λ), λ ∈ R dort stetig ist, berechnen wir aus (III.2.10) und (III.2.11) f¨ ur κ → 0 die folgende Identit¨at   lim f , E(λ0 ; κ)g = κ→0

H

n 1 Z   lim lim f, R(z; κ)g dz κ→0 →0+, µ→−∞ 2πi Γ (µ,λ ;) H + 0 Z   o 1 − f, R(z; κ)g dz 2πi Γ− (µ,λ0 ;) H   n 1 Z f, R(z; κ)g dz = lim lim →0+, µ→−∞ κ→0 2πi Γ (µ,λ ;) H + 0 Z   o 1 − f, R(z; κ)g dz 2πi Γ− (µ,λ0 ;) H   n 1 Z f, R(z; 0)g dz = lim →0+, µ→−∞ 2πi Γ (µ,λ ;) H + 0 Z o   1 f, R(z; 0)g dz − 2πi Γ− (µ,λ0 ;) H     f¨ ur alle f, g ∈ H . = f , E(λ0 )g = f , E(λ0 ; 0)g H

(III.2.12)

H

Somit ist die Spektralschar in Abh¨ angigkeit vom St¨orungsparameter κ schwach stetig in denjenigen Punkten, welche keinen diskreten Eigenwert von T darstellen. q.e.d. Bemerkung: In [H3] § 3 wird zum Theorem III.2.1, welches man F. Rellich und E. Heinz verdankt, ein anderer Beweis gegeben.

§2 Einf¨ uhrung in die St¨ orungstheorie selbstadjungierter Operatoren

233

Definition III.2.1. In dem Punkt λ0 ∈ R besitzt der selbstadjungierte Operator T eine L¨ ucke im Spektrum der Gr¨ oße d0 > 0 , wenn σ(T ) ∩ (λ0 − d0 , λ0 + d0 ) = ∅ ausf¨ allt und somit kein λ ∈ (λ0 − d0 , λ0 + d0 ) einen Punkt vom Spektrum σ(T ) des Operators T darstellt. Bemerkungen: Der selbstadjungierte Operator T habe nun im Punkt λ0 = 0 eine L¨ ucke der Gr¨ oße d0 > 0 im Spektrum. Mit Hilfe des Spektralsatzes aus dem Theorem I.12.1 haben wir dann neben der Spektraldarstellung f¨ ur T in    Z +∞  Z −d0 λ dE(λ) f , f ∈ DT λ dE(λ) f + Tf = −∞

+d0

auch die Darstellung f¨ ur |T | in  Z −d0   Z +∞  |T |f = −λ dE(λ) f + λ dE(λ) f , −∞ +d0 Z +∞ n o   f ∈ D|T | := h ∈ H : < +∞ = DT |λ|2 d h , E(λ)h H

−∞

mit Hilfe von Definition I.8.5 . Wie im Beweis von Theorem I.8.3 zeigen wir, dass der Operator |T | : D|T | → H selbstadjungiert ist. Weiter betrachten wir mit    Z +∞  Z −d0 λ2 dE(λ) f = |T |2 f , λ2 dE(λ) f + T 2f = −∞

+d0

Z

n

+∞



|λ|4 d h , E(λ)h

f ∈ D|T |2 = h ∈ H : −∞

 H

o < +∞ ⊂ DT .

die Operatoren T 2 = |T |2 . Zu den Exponenten 0 < α ≤ +1 erkl¨aren wir die unbeschr¨ankten Operatoren   Z −d0   Z +∞ λα dE(λ) f |T |α f = (−λ)α dE(λ) f + −∞

+d0

Z

n

+∞



|λ|2α d h , E(λ)h

f ∈ D|T |α = h ∈ H :



−∞

mit ihren inversen Operatoren  Z −d0  Z |T |−α f = (−λ)−α dE(λ) f + −∞

unter der Operatorschranke

+∞

H

o < +∞ ⊃ DT

 λ−α dE(λ) f ,

(III.2.13)

f ∈H

+d0



−α

|T | f

H

≤ d−α 0 kf kH ,

∀f ∈ H.

234

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

Dabei stellt nat¨ urlich  Z −d0  Z 0 |T | f = 1 dE(λ) f + −∞

+∞

 1 dE(λ) f = E f ,

f ∈H

+d0

den Einheitsoperator auf dem Hilbertraum dar. ¨ Wir ben¨otigen in den nachfolgenden Uberlegungen die Eigenschaft, dass f¨ ur alle Exponenten α ∈ [0, 1] der lineare Teilraum |T |α (DT ) ⊂ H dicht in dem angegebenen Hilbertraum liegt. Diese Aussage ist f¨ ur α = 0 offensichtlich, und daher m¨ ussen wir nur die Operatoren |T |α mit 0 < α ≤ 1 betrachten. Da der von uns betrachtete Hilbertraum H separabel und der Operator |T | : DT → H selbstadjungiert ist, so gibt es eine Folge {fm }m=1,2,... ⊂ DT , so dass die Bildfolge {(fm , |T |fm )}m=1,2,... ⊂ H × H dicht im Graphen G|T | dieses Operators liegt. Somit gibt es zu jedem g ∈ H eine Teilfolge {fg mn }n=1,2,... ⊂ {fm }m=1,2,... ⊂ DT

mit

lim |T | fg mn = g .

n→∞

Betrachten wir nun die Bildfolge {(fm , |T |α fm )}m=1,2,... ⊂ H × H unter dem Operator |T |α : D|T |α → H , so liegt sie dicht im Graphen G|T |α dieses Operators. Die Konvergenz der Elemente von G|T | impliziert n¨amlich die Konvergenz der Elemente von G|T |α , wie die folgende Absch¨atzung lehrt:   |T |α (fm − fn ) , |T |α (fm − fn ) H   −2α 2α 2α = d0 (fm − fn ) , d0 |T | (fm − fn ) H (III.2.14)   −2 2α 2 ≤ d0 (fm − fn ), d0 |T | (fm − fn ) H   2(α−1) |T |(fm − fn ), |T |(fm − fn ) , m, n ∈ N . = d0 H

Somit gibt es zu jedem h ∈ H eine Teilfolge {fd mn }n=1,2,... ⊂ {fm }m=1,2,... ⊂ DT

mit

lim |T |α fd mn = h .

n→∞

Folglich liegen |T |α (DT ) ⊂ H f¨ ur alle α ∈ [0, 1] dicht im Hilbertraum.

§2 Einf¨ uhrung in die St¨ orungstheorie selbstadjungierter Operatoren

235

Bemerkungen zur St¨ orung der Spektralschar: Wir w¨ahlen eine Schar Hermitescher Operatoren {H(κ)}κ∈(−κ0 ,+κ0 ) gem¨aß (III.2.1) und ermitteln   H(κ)f, H(κ)f ≤ a (T f, T f )H + b (f, f )H = a (T f, T f )H H

 hZ +b f,

+∞

i  dE(λ) f

−∞

Z

Z H

−d0

= a(T f, T f )H + b

+∞

= a(T f, T f )H + b

  1d f, E(λ)f

−∞

  1d f, E(λ)f +b H

−∞ −d0

Z

+∞

  1d f, E(λ)f

+d0

H

H

+∞     b λd f, E(λ)f + −λd f, E(λ)f d0 +d0 H H −∞ Z −d0 Z +∞     b b λ2 d f, E(λ)f + 2 λ2 d f, E(λ)f ≤ a(T f, T f )H + 2 d0 −∞ d0 +d0 H H   h i b b = a(T f, T f )H + 2 f, |T |2 f = a + 2 (T f, T f )H d0 d0 H h  b i = a + 2 |T |f, |T |f f¨ ur alle f ∈ DT und κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) . d0 H

≤ a(T f, T f )H +

b d0

Z

Z

Somit folgt die Absch¨ atzung s

b

ur alle f ∈ DT , κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) . (III.2.15) kH(κ)f kH ≤ a + 2 |T |f f¨ d0 H Wir wenden nun das Theorem III.1.3 an und erhalten die folgende Ungleichung s     b H(κ)f, g ≤ a + 2 · |T |α f, |T |1−α g (III.2.16) d0 H H f¨ ur alle f, g ∈ DT , κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) , α ∈ [0, 1] . Setzen wir die Elemente f = |T |−α ϕ

mit

ϕ ∈ |T |α (DT )

und g = |T |α−1 ψ

mit

ψ ∈ |T |1−α (DT )

in (III.2.16) ein, so erhalten wir die Absch¨ atzung     |T |α−1 ◦ H(κ) ◦ |T |−α ϕ , ψ = H(κ) ◦ |T |−α ϕ , |T |α−1 ψ H H s   b ≤ a + 2 · ϕ, ψ , ϕ ∈ |T |α (DT ), ψ ∈ |T |1−α (DT ) d0 H f¨ ur alle

κ ∈ (−κ0 , +κ0 )

und

α ∈ [0, 1] . (III.2.17)

236

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

Wir erkl¨aren nun den Operator \ H(κ, α)ϕ := |T |α−1 ◦ H(κ) ◦ |T |−α ϕ ,

ϕ ∈ |T |α (DT )

(III.2.18)

\ und folgern aus (III.2.17) mit ψ = H(κ, α)ϕ die Ungleichungen s

  b

\ 2 \ α)ϕ

H(κ, α)ϕ ≤ a + 2 · ϕ , H(κ, d0 H H s



b

\ ≤ a + 2 · ϕ · H(κ, α)ϕ , ϕ ∈ |T |α (DT ) d0 H H f¨ ur alle

κ ∈ (−κ0 , +κ0 )

und

α ∈ [0, 1]

sowie

\

H(κ, α)ϕ f¨ ur alle

s H



a+

b



ϕ

, d20 H

κ ∈ (−κ0 , +κ0 )

und

ϕ ∈ |T |α (DT )

(III.2.19)

α ∈ [0, 1] .

\ Der Operator H(κ, α) ist also ein beschr¨ ankter linearer Operator auf dem dichten Teilraum |T |α (DT ) im Hilbertraum H. Somit ist dieser Operator auf den gesamten Hilbertraum H mit der in (III.2.19) angegebenen Schranke fortsetzbar. Weiter erkl¨aren wir den beschr¨ ankten linearen Operator T[ (α)ϕ := |T |α−1 ◦ T ◦ |T |−α ϕ ,

ϕ ∈ |T |α (DT )

(III.2.20)

mit der Schranke 1, welchen wir auf den Hilbertraum H fortsetzen k¨onnen. Unter der Bedingung b (III.2.21) a+ 2 0, so dass folgende Reziproke als beschr¨ankte lineare Operatoren existieren: h i−1 \ = T[ (α) + H(κ, α) − z|T |−1 h

|T |α−1 ◦ T ◦ |T |−α + |T |α−1 ◦ H(κ) ◦ |T |−α − z|T |α−1 ◦ E ◦ |T |−α

i−1

i−1 h   = |T |α−1 ◦ T + H(κ) − zE ◦ |T |−α  −1 ◦ |T |1−α = |T |α ◦ R(z; κ) ◦ |T |1−α = |T |α ◦ T + H(κ) − zE mit

|z − λ0 | < ρ0

und

κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) ,

α ∈ [0, 1] . (III.2.22)

§2 Einf¨ uhrung in die St¨ orungstheorie selbstadjungierter Operatoren

237

Weiter k¨onnen wir ein 0 < ρ1 ≤ ρ0 finden, so dass die Konvergenz der Reihe B(z; κ, α) :=

∞ h X

T[ (α) − z|T |−1

−1

\ ◦ H(κ, α)

ij

,

z ∈ C0

j=1

mit

|z − λ0 | < ρ1

und

κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) ,

(III.2.23)

α ∈ [0, 1]

in der Operatornorm zu einem beschr¨ ankten Operator garantiert wird. Wir sch¨atzen n¨amlich die Reihe im Nullpunkt B(0; κ, α) :=

∞ h X

T[ (α)

−1

ij \ ◦ H(κ, α) , κ ∈ (−κ0 , +κ0 ), α ∈ [0, 1] (III.2.24)

j=1

mit Hilfe von (III.2.19) und (III.2.21) wie folgt in der Operatornorm ab: ∞ ∞

j X

X

[ −1

\ ≤ T (α) ◦ H(κ, α) κ, α) ≤

B(0;

j=1

j=1

q

b a+ 2 d0

)j (III.2.25)

b d20

a+ q = 1− a+

(s

b d20

∈ [0, +∞), ∀ κ ∈ (−κ0 , +κ0 ), α ∈ [0, 1] .

Da alle Operatoren in der Reihe (III.2.23) beschr¨ankt sind, so h¨angt diese Reihe stetig vom Parameter z bez¨ uglich der Operatornorm ab. Somit erhalten wir die folgende Aussage: Zu jedem

δ0 > 0 gibt es ein ρ2 > 0 , so dass q

a + db2

q 0 + δ0 f¨ ur alle z ∈ C0

B(z; κ, α) ≤ b 1 − a + d2

(III.2.26)

0

mit |z − λ0 | < ρ2 und κ ∈ (−κ0 , +κ0 ), α ∈ [0, 1] gilt. Wir entwickeln nun den Ausdruck in der obersten Zeile von (III.2.22) in eine von Neumann-Reihe:

238

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

h

\ T[ (α) + H(κ, α) − z|T |−1 

= h

=

i−1

=

h

 i−1 \ T[ (α) − z|T |−1 + H(κ, α)

 h  −1 i \ T[ (α) − z|T |−1 ◦ E + T[ (α) − z|T |−1 ◦ H(κ, α)

!−1

−1 −1 i−1   \ (α) − z|T |−1 (α) − z|T |−1 ◦ H(κ, α) ◦ T[ E + T[

E +

∞ h X

T[ (α) − z|T |−1

−1

\ ◦ H(κ, α)

ij

!

 −1 (α) − z|T |−1 ◦ T[

j=1

  = E + B(z; κ, α) ◦ |T |α ◦ R(z) ◦ |T |1−α f¨ ur alle z ∈ C0 mit |z − λ0 | < ρ1 und κ ∈ (−κ0 , +κ0 ), α ∈ [0, 1] . (III.2.27) Dabei haben wir in der letzten Zeile die konvergente Reihe (III.2.23) eingesetzt und die Identit¨at (III.2.22) im Spezialfall κ = 0 benutzt. Der Vergleich der Identit¨aten (III.2.22) und (III.2.27) liefert   |T |α ◦ R(z; κ) ◦ |T |1−α = E + B(z; κ, α) ◦ |T |α ◦ R(z) ◦ |T |1−α (III.2.28) f¨ ur alle z ∈ C0 mit |z − λ0 | < ρ1 und κ ∈ (−κ0 , +κ0 ), α ∈ [0, 1] . Somit erhalten wir die Identit¨ at   |T |α ◦ R(z; κ) − R(z) ◦ |T |1−α = B(z; κ, α) ◦ |T |α ◦ R(z) ◦ |T |1−α

(III.2.29)

f¨ ur alle z ∈ C0 mit |z − λ0 | < ρ1 und κ ∈ (−κ0 , +κ0 ), α ∈ [0, 1] .

Wir notieren nun das Theorem III.2.2. ( Spektrall¨ ucke f¨ ur die gest¨ orte Spektralschar) Seien der selbstadjungierte Operator T : DT → H auf dem dichten Definitionsbereich DT ⊂ H mit der L¨ ucke λ0 = 0 der Gr¨ oße d0 ∈ (0, +∞) im Spektrum gegeben. Weiter seien die Hermiteschen Operatoren H(κ) : DT ⊂ H unter der Schranke (III.2.1) mit den Konstanten 0 ≤ a < 1 und 0 ≤ b < +∞ und der Bedingung (III.2.21) gegeben. Dann gibt es ein 0 < d2 ≤ d0 , so dass die Operatoren T + H(κ) : DT → H im Punkt λ0 = 0 f¨ ur alle κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) eine L¨ ucke mindestens von der Gr¨ oße d2 in ihren Spektren besitzen. Beweis: Speziell f¨ ur α = 0 erhalten wir aus der Identit¨at (III.2.29) die Aussage   R(z; κ) − R(z) ◦ |T | = B(z; κ, 0) ◦ R(z) ◦ |T | f¨ ur alle z ∈ C0 mit |z − λ0 | < ρ1 und κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) .

§2 Einf¨ uhrung in die St¨ orungstheorie selbstadjungierter Operatoren

239

Somit folgt R(z; κ) − R(z) = B(z; κ, 0) ◦ R(z) |z − λ0 | < ρ1

mit

und

f¨ ur alle

z ∈ C0

(III.2.30)

κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) .

Dann w¨ahlen wir zu vorgegebenem δ1 > 0 ein ρ3 > 0, so dass kR(z)k = k[T − zE]−1 k ≤

1 + δ1 f¨ ur alle z ∈ C mit |z − λ0 | < ρ3 (III.2.31) d0

erf¨ ullt ist. Setzen wir d2 := min{ρ0 , ρ1 , ρ2 , ρ3 } > 0 , so sind die Aussagen (III.2.26), (III.2.31) und (III.2.30) g¨ ultig. Also existiert die Resolvente R(z; κ) f¨ ur alle z ∈ R mit |z − λ0 | < d2 und κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) . Somit besitzen die Spektren von T + H(κ) um den Punkt λ0 = 0 eine L¨ ucke mindestens der Gr¨oße d2 > 0. q.e.d. Wir betrachten nun die Resolventen der Operatorenschar [T + H(κ)] auf der imagin¨aren Achse in Abh¨ angigkeit vom Parameter κ ∈ (−κ0 , +κ0 ). Mit den nachfolgenden Propositionen wollen wir die St¨orung der Spektralschar im Punkt λ0 = 0 genauer untersuchen. Wir beginnen mit der Proposition III.2.1. Die Resolventen erf¨ ullen unter den Voraussetzungen von Theorem III.2.2 auf der imgin¨ aren Achse  −1 R(iy; κ) := [T + H(κ)] − iyE ,

y∈R

f¨ ur alle κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) die folgende Absch¨ atzung " kR(iy; κ)k ≤

1



#− 2 q 2 1 2 2 , d0 − ad0 + b + y =p 2 d1 + y 2

wobei wir die Gr¨ oße d1 := d0 −

y ∈ R , (III.2.32)

q uhrt haben. ad20 + b > 0 eingef¨

Beweis: Mittels (III.2.15) zeigen wir unter der Bedingung (III.2.21) das Folgende:

240

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung



[T + H(κ)]f

H





≥ T f − H(κ)f H

s ≥

1−

a+

b d20

s ≥ d0

1−



= d0 − f¨ ur alle

f ∈ DT ,

a+

q

!

b d20

H





T f !





f



ad20 + b f

y ∈ R,

H

(III.2.33)

H

H

κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) .

Da alle Operatoren [T + H(κ)] : DT → H Hermitesch sind, so ermitteln wir aus (III.2.33) die folgende Absch¨ atzung:

2

[T + H(κ)]f − iyEf H



= [T + H(κ)]f − iyf, [T + H(κ)]f − iyf 

= [T + H(κ)]f, [T + H(κ)]f



 H



H

+ iy f, [T + H(κ)]f



−iy [T + H(κ)]f, f

 H

 H

+ y 2 (f, f )H

(III.2.34)

  = [T + H(κ)]f, [T + H(κ)]f + y 2 (f, f )H H



h

q i 2 2 i 2 h



d0 − ad20 + b + y 2 f = d21 + y 2 f H

f¨ ur alle

H

f ∈ DT , y ∈ R, κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) .

Somit folgt die Resolventenabsch¨ atzung (III.2.32) .

q.e.d.

Proposition III.2.2. (Darstellung der Spektralschar) Unter den Voraussetzungen von Theorem III.2.2 besitze die Operatorenschar [T + H(κ)] : DT → H die Spektralschar E(.; κ) = E(λ; κ), λ ∈ R f¨ ur alle κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) . Dann gilt die folgende Darstellungsformel: Z 1 η R(iy; κ) dy . E − 2 E(λ0 ; κ) = lim η→+∞ π −η Beweis: Wir beachten das obige Theorem III.2.2 und berechnen mit Hilfe von Theorem I.12.1 f¨ ur alle κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) die Identit¨at

§2 Einf¨ uhrung in die St¨ orungstheorie selbstadjungierter Operatoren

241

R(iy; κ) + R(−iy; κ) =  −1  −1 [T + H(κ)] − iyE + [T + H(κ)] + iyE Z

−d2

1 dE(λ; κ) + λ − iy

Z

1 dE(λ; κ) + λ + iy

Z

2λ dE(λ; κ) + 2 λ + y2

Z

= −∞

Z

−d2

+ −∞

Z

−d2

= −∞

+∞ +d2 +∞

+d2

1 dE(λ; κ) λ − iy 1 dE(λ; κ) λ + iy

+∞ +d2

(III.2.35)

λ2

2λ dE(λ; κ) + y2

f¨ ur beliebige y ∈ (0, +∞) . Dann integrieren wir (III.2.35) u ur beliebiges η > 0 ¨ber das Intervall [η −1 , η] f¨ mit der Substitution t = −y, t ∈ [−η, −η −1 ] und dt = −dy wie folgt: −η −1

hZ

Z

η

R(iy; κ) dy

η −1

−η η

Z

i

+

−η −1

Z R(iy; κ) dy +

=

R(iy; κ) dy

η −1

−η

η

Z

Z

−η

R(iy; κ) dy −

= Z

η −1 η

Z

R(it; κ) dt −η −1 η

R(−iy; κ) dy

R(iy; κ) dy +

=

η −1

η −1

Z

−d2

Z

η

 2λ dy dE(λ; κ) 2 2 η −1 λ + y −∞ Z +∞  Z η  2λ + dy dE(λ; κ) 2 2 η −1 λ + y +d2 ! Z −d2 Z η λ 2 |λ| y dE(λ; κ) = y 2 d |λ| η −1 1 + [ |λ| ] −∞ ! Z +∞ Z η λ 2 |λ| y + dE(λ; κ) . y 2 d |λ| +d2 η −1 1 + [ |λ| ] =

Verwenden wir nun die Substitution t = aus (III.2.36) die Identit¨ at

(III.2.36)

y dy mit dt = , so erhalten wir |λ| |λ|

242

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung −η −1

hZ

+

−d2

=− −∞

Z

+∞

+ +d2

i

R(iy; κ) dy

η −1

−η

Z

η

Z

η|λ|−1

! 2 d t dE(λ; κ) 2 (η|λ|)−1 1 + t ! Z η|λ|−1 2 d t dE(λ; κ) . 2 (η|λ|)−1 1 + t Z

(III.2.37)

Somit folgt f¨ ur alle κ ∈ (−κ0 , κ0 ) die Formel lim

hZ

η→+∞

η

i hZ R(iy; κ) dy = lim η→+∞

−η

−η −1

Z

η

i

+

R(iy; κ) dy

η −1

−η

η|λ|−1

! 2 d t dE(λ; κ) lim =− η→+∞ (η|λ|)−1 1 + t2 −∞ ! Z η|λ|−1 Z +∞ 2 lim + d t dE(λ; κ) η→+∞ (η|λ|)−1 1 + t2 +d2 Z +∞ Z −d2 dE(λ; κ) = π E − 2πE(λ0 ; κ) . dE(λ; κ) + π = −π Z

−d2

Z

−∞

(III.2.38)

+d2

Damit ist die Darstellungsformel f¨ ur die Spektralschar gezeigt. q.e.d. Unter Beachtung von (III.2.22) f¨ ur κ = 0 betrachten wir die Reihe (III.2.23) auf der gesamten imagin¨ aren Achse: B(iy; κ, α) := 

T[ (α) − iy|T |−1

−1



∞ h X

T[ (α) − iy|T |−1

j=1 ∞ X

\ H(κ, α) ◦

h

−1

\ α) ◦ H(κ,

T[ (α) − iy|T |−1

−1

ij

=

\ ◦ H(κ, α)

ij−1

j=1

= |T |α ◦ R(iy) ◦ |T |1−α ◦ C(iy; κ, α) , C(iy; κ, α) :=

∞ X

\ H(κ, α) ◦

h

y∈R

T[ (α) − iy|T |−1

−1

mit der Reihe

\ ◦ H(κ, α)

ij−1

,y∈R

j=1

f¨ ur alle

κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) ,

α ∈ [0, 1] . (III.2.39)

Mit der Absch¨atzung (III.2.25) und den Argumenten im Beweis von Proposition III.2.1 ersehen wir unter der Bedingung (III.2.21) die folgende Ungleichung

§2 Einf¨ uhrung in die St¨ orungstheorie selbstadjungierter Operatoren

243

q a + db2 q 0 , y ∈ R, ∀ κ ∈ (−κ0 , +κ0 ), α ∈ [0, 1] . kC(iy; κ, α)k ≤ 1 − a + db2 0

(III.2.40) Die fr¨ uher hergeleitete Identit¨ at (III.2.29) ist nun auf der gesamten imagin¨aren Achse g¨ ultig. Setzen wir hierin (III.2.39) ein, so folgt   |T |α ◦ R(iy; κ) − R(iy) ◦ |T |1−α = |T |α ◦ R(iy) ◦ |T |1−α ◦ C(iy; κ, α) ◦ |T |α ◦ R(iy) ◦ |T |1−α y∈R

f¨ ur alle

und

κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) ,

α ∈ [0, 1]

und schließlich R(iy; κ) − R(iy) = R(iy) ◦ |T |1−α ◦ C(iy; κ, α) ◦ |T |α ◦ R(iy) (III.2.41) y∈R

f¨ ur alle

κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) ,

und

α ∈ [0, 1] .

1

F¨ ur die Schar unbeschr¨ ankter Operatoren |T | 2 ◦ R(iy), y ∈ R und die Ad1 jungierten zu R(iy) ◦ |T | 2 , y ∈ R aus obiger Identit¨at (III.2.41) zeigen wir Proposition III.2.3. Es gilt die Identit¨ at Z

2 1 +η

12

lim

|T | ◦ R(±iy)f dy = kf k2H η→+∞ π −η H

f¨ ur alle

f ∈ DT . (III.2.42)

Beweis: Mit dem Spektralsatz f¨ ur den selbstadjungierten Operator T stellen wir die folgenden unbeschr¨ ankten Operatoren dar: Z +∞ p |λ| 1 2 |T | ◦ R(±iy) ◦ f = dE(λ) f , f ∈ DT , ∀ y ∈ R. (III.2.43) −∞ λ ∓ iy Somit folgt f¨ ur alle f, g ∈ DT die Identit¨ at   1 1 |T | 2 ◦ R(±iy)f, |T | 2 ◦ R(±iy)g Z

+∞ −∞

=

p Z +∞ p  |λ| |λ| dE(λ) f, dE(λ) g λ ∓ iy H −∞ λ ∓ iy 

Z

−∞ +∞

= −∞

λ2

(III.2.44)

+∞

= f, Z

H

|λ| + y2

 |λ| dE(λ) g λ2 + y 2 H   d f, E(λ)g , y ∈ R. H

244

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

Integration u ¨ber die Variable y mit der Substitution t =

y |λ|

liefert

Z

2 1 +η

21

lim

|T | ◦ R(±iy)f dy = η→+∞ π −η H Z +η Z +∞   1 |λ| = lim d f, E(λ)f dy 2 2 η→+∞ π −η H −∞ λ + y Z Z +∞ h i   1 +η |λ| dy d f, E(λ)f lim = η→+∞ π −η λ2 + y 2 H −∞ Z +∞ h Z +η  1 y i  1 = lim d f, E(λ)f y 2 d η→+∞ π −η 1 + [ |λ| H −∞ |λ| ] −1 Z Z +∞ h i   1 1 +η|λ| dt d f, E(λ)f lim = η→+∞ π −η|λ|−1 1 + t2 H −∞ Z +∞     = = kf k2H , ∀ f ∈ DT . = f, f d f, E(λ)f −∞

H

(III.2.45)

H

Hierbei haben wir benutzt, dass der Punkt λ0 = 0 nicht zum Spektrum geh¨ort und somit E(λ) nahe λ0 konstant ist. Die Identit¨at (III.2.45) ergibt schließlich die obige Behauptung. q.e.d. In der Monographie von T. Kato [K] Chap. VI § 5 Theorem 5.12 hat das folgende Resultat von E. Heinz (vergleiche den Satz 2 in [H3] § 3) eine zentrale Bedeutung. Wir geben hier f¨ ur diese Aussage einen alternativen Beweis. Theorem III.2.3. ( Gleichm¨ aßige St¨ orung der Spektralschar) Seien der selbstadjungierte Operator T : DT → H auf dem dichten Definitionsbereich DT ⊂ H mit der L¨ ucke λ0 = 0 der Gr¨ oße d0 ∈ (0, +∞) im Spektrum gegeben. Weiter seien die Hermiteschen Operatoren H(κ) : DT ⊂ H unter der Schranke (III.2.1) mit den Konstanten 0 ≤ a < 1 und 0 ≤ b < +∞ und der Bedingung (III.2.21) gegeben. Bezeichnen {E(λ), λ ∈ R} und {E(λ; κ), λ ∈ R} die Spektralscharen von T beziehungsweise T + H(κ) f¨ ur κ ∈ (−κ0 , +κ0 ), so haben wir die folgende Absch¨ atzung der gest¨ orten Spektralschar p ad20 + b p kE(λ0 ; κ) − E(λ0 )k ≤ (III.2.46) 2d0 − 2 ad20 + b in der Operatorennorm. Beweis: Wir verwenden die Proposition III.2.2 im Spezialfall κ = 0 und erhalten Z 1 η R(iy) dy . (III.2.47) E − 2 E(λ0 ) = lim η→+∞ π −η

§2 Einf¨ uhrung in die St¨ orungstheorie selbstadjungierter Operatoren

245

Wegen dem Theorem III.2.2 k¨ onnen wir die Darstellungsformel aus der Proposition III.2.2 f¨ ur alle κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) anwenden. Subtrahieren wir diese f¨ ur beliebiges κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) von (III.2.47), so ergibt sich die Darstellung Z η h i 1 (R(iy) − R(iy; κ) dy = E(λ0 ; κ) − E(λ0 ) = lim η→+∞ 2π −η (III.2.48) Z η h i 1 1 1 2 2 R(iy) ◦ |T | ◦ C(iy; κ, α) ◦ |T | ◦ R(iy) dy , − lim η→+∞ 2π −η wenn wir noch die Identit¨ at (III.2.41) f¨ ur α = 21 verwenden. Wir gehen nun zu den Komponenten wie folgt u ¨ber:  h i  f , E(λ0 ; κ) − E(λ0 ) g = H

1 η→+∞ 2π

Z

η

− lim



1

1

f, R(iy) ◦ |T | 2 ◦ C(iy; κ, α) ◦ |T | 2 ◦ R(iy)g



−η

1 − lim η→+∞ 2π

Z

η



1

1

|T | 2 ◦ R(−iy)f, C(iy; κ, α) ◦ |T | 2 ◦ R(iy)g

H



−η

f¨ ur alle

dy =

H

dy

f, g ∈ H .

Mit Hilfe der Ungleichung (III.2.40) sch¨ atzen wir nun wie folgt ab:  h i  f , E(λ0 ; κ) − E(λ0 ) g ≤ H

lim

η→+∞

1 2π

Z

η −η

Z

 1  1 |T | 2 ◦ R(−iy)f, C(iy; κ, α) ◦ |T | 2 ◦ R(iy)g dy H

η

1 1 1 k|T | 2 ◦ R(−iy)f kH · kC(iy; κ, α)k · k|T | 2 ◦ R(iy)gkH dy η→+∞ 2π −η p Z 1 1 ad20 + b 1 η p ≤ lim k|T | 2 ◦ R(−iy)f kH k|T | 2 ◦ R(iy)gkH dy 2d0 − 2 ad20 + b η→+∞ π −η s p Z ad20 + b 1 η 1 p ≤ lim k|T | 2 ◦ R(−iy)f k2H dy 2 η→+∞ π −η 2d0 − 2 ad0 + b s Z 1 η 1 k|T | 2 ◦ R(iy)gk2H dy lim · η→+∞ π −η p ad20 + b p = · kf kH · kgkH f¨ ur alle f, g ∈ H und κ ∈ (−κ0 , +κ0 ) . 2d0 − 2 ad20 + b (III.2.49)

≤ lim

Dabei haben wir die Grenzwerte mittels Proposition III.2.3 ausgewertet. Aus der Ungleichung (III.2.49) ersehen wir die Absch¨atzung (III.2.46) . q.e.d.

246

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

§3 Ein analytischer St¨ orungssatz fu ¨ r die Spektralschar ¨ Wir setzen nun unsere Uberlegungen aus § 2 fort und spezialisieren diese auf analytische St¨ orungen selbstadjungierter Operatoren, deren Koeffizienten wohlbestimmten Absch¨ atzungen gen¨ ugen. Genauer betrachten wir die St¨orungen aus der Definition III.3.1. Zu einem selbstadjungierten Operator T : DT → H auf dem dichten Definitionsbereich DT ⊂ H betrachten wir eine Folge Hermitescher Operatoren Hk : DT → H (k = 1, 2, . . .) , welche die Ungleichungen kHk f kH ≤ c q k kT f kH

f¨ ur alle

f ∈ DT

(III.3.1)

f¨ ur alle k ∈ N mit gewissen Konstanten 0 ≤ c < +∞ und 0 < q < +∞ erf¨ ullen. Dann stellt der Operator H(κ) :=

∞ X

κk Hk = κH1 + κ2 H2 + κ3 H3 + . . .

(III.3.2)

k=1

eine analytische (c, q)-St¨ orung des Operators T dar. Mit der Schar   A(κ) := T + H(κ) : DT → H , κ ∈ (−κ1 , +κ1 ) (III.3.3) erhalten wir eine analytisch gest¨ orte Operatorenschar, wobei wir die Gr¨ oße κ1 := q −1 (1 + c)−1 > 0 erkl¨ art haben. Wir wollen nun die Spektralschar in eine Reihe nach dem St¨orungsparameter entwickeln an denjenigen Punkten, welche eine L¨ ucke im Spektrum aufweisen. Hierzu ben¨otigen wir die zentrale Proposition III.3.1. (Resolventenentwicklung nach E. Heinz) Der selbstadjungierte Operator T : DT → H besitze im Punkt λ0 = 0 eine L¨ ucke mindestens der Gr¨ oße d3 > 0 in seinem Spektrum, so dass auf der gesamten imagin¨ aren Achse seine Resolvente R(iy) := [T − iyE]−1 ,

y∈R

existiert. F¨ ur eine analytische (c, q)-St¨ orung von T gem¨ aß der Definition III.3.1 ist die Operatorschar (III.3.3) selbstadjungiert, und wir k¨ onnen auf der imagin¨ aren Achse ihre Resolventen h

R(iy; κ) := T +H(κ)−iyE

i−1

" = T+

∞ X

#−1 k

κ Hk −iyE

,

y ∈ R (III.3.4)

k=1

betrachten. Die dieser Resolventenst¨ orung zugeh¨ orige Sesquilinearform k¨ onnen wir in der folgenden Form entwickeln:

§3 Ein analytischer St¨ orungssatz f¨ ur die Spektralschar

 ∞  X

f , [R(iy; κ) − R(iy)]g

 H

=

|T |1−α ◦ R(−iy)f , Cl (iy, α) ◦ |T |α ◦ R(iy)g



l=1

f¨ ur alle

f, g ∈ H ,

y ∈ R,

247

κ ∈ (−κ1 , +κ1 ) ,

H

(III.3.5)

κl

α ∈ [0, 1] .

Dabei sind die beschr¨ ankten linearen Operatoren Cl (iy, α) : H → H

(l = 1, 2, . . .)

mit den Schranken (III.3.6)

kCl (iy, α)k ≤ cq l (1 + c)l−1

f¨ ur alle

y ∈ R,

α ∈ [0, 1]

gegeben. Beweis: 1.) Aus (III.3.1) und (III.3.2) ermitteln wir die Ungleichung ∞

X

kH(κ)f kH = κk H k f

≤ =c

∞ X



|κ|k Hk f

k=1 ∞ X

H

k=1 ∞ X



f¨ ur alle



c |κ|k q k T f

k=1



|κ|k q k T f

k=1

H

H

H

(III.3.7)

c|κ|q

=

T f 1 − |κ|q H

f ∈ DT .

Aus |κ| < κ1 = q −1 (1 + c)−1 folgt |κ|q + c|κ|q < 1 und c|κ|q < 1 − |κ|q sowie c|κ|q < 1. 1 − |κ|q

(III.3.8)

Dann stellen die Operatoren (III.3.3) wegen (III.3.7) und (III.3.8) zul¨assige St¨orungen des selbstadjungierten Operators T dar, welche f¨ ur alle κ ∈ (−κ1 , +κ1 ) nach dem Theorem I.4.9 selbstadjungiert sind. 2.) Nun gehen wir aus von der Absch¨ atzung (III.3.1) und erhalten



kHk f kH ≤ c q k |T |f f¨ ur alle f ∈ DT , k = 1, 2, . . . .

(III.3.9)

Wir wenden das Theorem III.1.3 an und ermitteln die Ungleichung     , f, g ∈ DT Hk f, g ≤ c q k · |T |α f, |T |1−α g

(III.3.10)

H

H

f¨ ur alle

H

α ∈ [0, 1]

und

k = 1, 2, . . . .

Setzen wir f = |T |−α ϕ, ϕ ∈ |T |α (DT ) und g = |T |α−1 ψ, ψ ∈ |T |1−α (DT ) in (III.3.10) ein, so erhalten wir die Absch¨ atzung

248

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

    |T |α−1 ◦ Hk ◦ |T |−α ϕ , ψ = Hk ◦ |T |−α ϕ , |T |α−1 ψ H



≤ c qk · ϕ , ψ

 H

ϕ ∈ |T |α (DT ), ψ ∈ |T |1−α (DT )

,

α ∈ [0, 1]

f¨ ur alle

H

und

(III.3.11)

k = 1, 2, . . . .

Wir erkl¨aren f¨ ur k = 1, 2, . . . und α ∈ [0, 1] die Operatoren α−1 \ H ◦ Hk ◦ |T |−α ϕ , k (α)ϕ := |T |

ϕ ∈ |T |α (DT ) .

(III.3.12)

\ Dann folgern wir aus (III.3.11) mit ψ = H k (α)ϕ die Ungleichungen

 

\ 2 \

Hk (α)ϕ ≤ c q k · ϕ , H k (α)ϕ H



\ ≤ c q k · ϕ · H k (α)ϕ , H

f¨ ur alle

ϕ ∈ |T |α (DT )

H

α ∈ [0, 1]

H

und

k = 1, 2, . . .

sowie

\

Hk (α)ϕ

H



≤ c q k ϕ

und

H

α ∈ [0, 1] ,

f¨ ur alle

ϕ ∈ |T |α (DT ) (III.3.13)

k = 1, 2, . . . .

Da der Teilraum |T |α (DT ) ⊂ H dicht liegt, so stellen die Funktionen \ H ankte lineare Operak (α) (k = 1, 2, . . .) nach eindeutiger Fortsetzung beschr¨ toren auf dem Hilbertraum H mit den Operatorschranken (III.3.13) dar. 3.) Die Operatorschar aus (III.2.18) wird nun mit Hilfe von (III.3.2) in eine konvergente Potenzreihe entwickelt: \ H(κ, α)ϕ := |T |α−1 ◦ H(κ) ◦ |T |−α ϕ = |T |α−1 ◦

∞ X

∞  X  \ κk Hk ◦ |T |−α ϕ = κk H k (α) ϕ ,

k=1

f¨ ur alle

ϕ∈H

(III.3.14)

k=1

κ ∈ (−κ1 , +κ1 )

und

α ∈ [0, 1] .

Wir haben n¨amlich wegen (III.3.14), (III.3.13) und (III.3.8) die folgende Absch¨atzung ∞ ∞



\ X k \ X k \ X k k κ Hk (α) ≤ |κ| c q

H(κ, α) =

κ Hk (α) ≤ k=1

cq|κ| < 1 = 1 − q|κ|

k=1

f¨ ur alle

κ ∈ (−κ1 , +κ1 )

k=1

und

α ∈ [0, 1] .

(III.3.15)

§3 Ein analytischer St¨ orungssatz f¨ ur die Spektralschar

249

Aus (III.2.41) ersehen wir f¨ ur die Resolventen die Darstellung R(iy; κ) − R(iy) = R(iy) ◦ |T |1−α ◦ C(iy; κ, α) ◦ |T |α ◦ R(iy) (III.3.16) y∈R

f¨ ur alle

κ ∈ (−κ1 , +κ1 ) ,

und

α ∈ [0, 1]

mit der Reihe aus (III.2.39) in der Form C(iy; κ, α) :=

∞ X

\ H(κ, α) ◦

h

y ∈ R,

κ ∈ (−κ1 , +κ1 ) ,

T[ (α) − iy|T |−1

−1

\ ◦ H(κ, α)

ij−1

j=1

f¨ ur alle

(III.3.17)

α ∈ [0, 1] .

Wegen (III.3.15) konvergiert diese Reihe und besitzt die folgende Majorante kC(iy; κ, α)k ≤ ∞ X

h ij−1 \ \ kH(κ, α)k · kT[ (α) − iy|T |−1 k−1 · kH(κ, α)k

j=1 ∞ X



\ kH(κ, α)kj ≤

j=1

=

∞ h X c|κ|q cq|κ| ij = 1 − q|κ| 1 − (1 + c)|κ|q j=1

(1 + c)|κ|q c c · = · 1 + c 1 − (1 + c)|κ|q 1+c =c·

∞ X

∞ X

(III.3.18)

(1 + c)l |κ|l q l

l=1

(1 + c)l−1 |κ|l q l

l=1

f¨ ur alle

y ∈ R,

κ ∈ (−κ1 , +κ1 ) ,

α ∈ [0, 1] .

4.) Nun setzen wir die Reihe (III.3.14) in die Reihe (III.3.17) ein und ordnen nach den Potenzen des St¨ orungsparameters κ ∈ (−κ1 , +κ1 ) wie folgt um: C(iy; κ, α) :=

∞ X

\ H(κ, α) ◦

h

T[ (α) − iy|T |−1

−1

\ ◦ H(κ, α)

ij−1

j=1

=

∞ X

∞ h ∞ −1  X  X ij−1 \ \ κk H ◦ T[ (α) − iy|T |−1 κk H k (α) ◦ k (α)

k=1 ∞ X

=

j=1

Cl (iy, α) κl

k=1

f¨ ur alle y ∈ R, κ ∈ (−κ1 , +κ1 ), α ∈ [0, 1] .

l=1

(III.3.19) Dabei stellen Cl (iy, α) : H → H beschr¨ ankte lineare Operatoren dar, und ein Vergleich der Reihen (III.3.18) und (III.3.19) liefert die Absch¨atzung kCl (iy, α)k ≤ c (1 + c)l−1 q l , ∀ y ∈ R, α ∈ [0, 1], l = 1, 2, . . . .

(III.3.20)

250

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

5.) Wir setzen nun die Reihe (III.3.19) in (III.3.16) ein, und wir erhalten nach Skalarmultiplikation mit f /g von links/rechts die folgende Identit¨at:   f , [R(iy; κ) − R(iy)]g H   1−α = f , R(iy) ◦ |T | ◦ C(iy; κ, α) ◦ |T |α ◦ R(iy)g H   1−α α = |T | ◦ R(−iy)f , C(iy; κ, α) ◦ |T | ◦ R(iy)g H



= |T | =

1−α

∞ X

◦ R(−iy)f ,

∞ X

Cl (iy, α) κ

l



α

◦ |T | ◦ R(iy)g

l=1



|T |1−α ◦ R(−iy)f , Cl (iy, α) ◦ |T |α ◦ R(iy)g

l=1

f¨ ur alle

f, g ∈ H ,

y ∈ R,

κ ∈ (−κ1 , +κ1 ) ,

 H

(III.3.21)

 H

κl

α ∈ [0, 1] .

Da der Operator T im Punkt λ0 = 0 eine L¨ ucke im seinem Spektrum besitzt, so sehen wir leicht die Inklusionen DT = D|T | ⊂ D|T |α

f¨ ur alle

α ∈ [0, 1]

(III.3.22)

f¨ ur ihre entsprechenden Definitionsbereiche ein. Somit ist der Operator |T |α ◦ R(iy) = |T |α ◦ [T − iy]−1 : H → H

f¨ ur alle

y ∈ R,

α ∈ [0, 1]

wohldefiniert. Mit der Identit¨ at (III.3.21) und den Schranken (III.3.20) haben wir den Hilfssatz vollst¨ andig gezeigt. q.e.d. Bemerkung: Wir folgen beim Beweis der Proposition III.3.1 den Ideen im Hilfssatz 2 von [H3] § 2 . Theorem III.3.1. (Spektralinfimum gest¨ orter selbstadj. Operatoren) Sei T : DT → H ein selbstadjungierter Operator im dichten Definitionsbereich DT ⊂ H mit der Eigenschaft T ≥ d3 E und d3 ∈ (0, +∞) , dessen Spektrum im Punkt λ0 = 0 folglich eine L¨ ucke der Gr¨ oße d3 besitzt. F¨ ur eine analytische (c, q)-St¨ orung von T gem¨ aß der Definition III.3.1 erf¨ ullt dann die Operatorenschar A(κ), κ ∈ (−κ1 , +κ1 ) aus (III.3.3) die Ungleichung A(κ) ≥ d4 (κ) E mit 1 − (1 + c)q|κ| > 0. (III.3.23) d4 (κ) := d3 · 1 − q|κ| Somit weisen die Operatoren A(κ) im Punkt λ0 eine L¨ ucke in ihren Spektren mindestens von der Gr¨ oße d4 (κ) auf. Beweis: Wegen T ≥ 0 ergibt sich aus der Ungleichung (III.3.10) f¨ ur α = 1 und g = f die Absch¨ atzung     , f ∈ DT f¨ ur k = 1, 2, . . . . (III.3.24) Hk f, f ≤ c q k · T f, f H

H

§3 Ein analytischer St¨ orungssatz f¨ ur die Spektralschar

251

Damit folgt f¨ ur die Operatorenschar A(κ), κ ∈ (−κ1 , +κ1 ) die Absch¨atzung   A(κ)f, f H

∞ X



= [T +

κk Hk ]f, f



k=1



= T f, f 

≥ T f, f

 H

 H

+

∞  X

Hk f, f

k=1

H

 H

κk

∞  X  Hk f, f κk − H

k=1

∞     X ≥ T f, f − Hk f, f |κ|k H

H

k=1

    − T f, f ≥ T f, f H



= T f, f

=





H

∞ X H

− T f, f

(III.3.25)

c q k |κ|k

k=1

 H

cq|κ| 1 − q|κ|

 1 − (1 + c)q|κ|  T f, f 1 − q|κ| H

≥ d3 ·

 1 − (1 + c)q|κ|  f,f 1 − q|κ| H

= d4 (κ) kf k2H

f¨ ur alle

f ∈ DT .

Dabei ist wegen (III.3.8) die Ungleichung d4 (κ) = d3 ·

h 1 − (1 + c)q|κ| cq|κ| i = d3 · 1 − > 0 1 − q|κ| 1 − q|κ|

(III.3.26)

richtig. Somit folgt die behauptete Absch¨ atzung A(κ) ≥ d4 (κ) E ,

κ ∈ (−κ1 , +κ1 ) .

Insbesondere entnehmen wir (III.3.25) die Aussage, dass die Operatoren A(κ) im Punkte λ0 eine L¨ ucke der Gr¨ oße (III.3.23) besitzen. q.e.d.

252

III St¨ orungstheorie der Spektralzerlegung

Das folgende Resultat von E. Heinz (siehe den Satz 3 in [H3] § 2) wird von T. Kato [K] Chap. VII § 5 Thm. 5.4 in einem allgemeinen Rahmen dargestellt. Theorem III.3.2. (Analytische St¨ orung der Spektralschar) Sei T : DT → H ein selbstadjungierter Operator im dichten Definitionsbereich DT ⊂ H mit der Spektralschar {E(λ), λ ∈ R} , dessen Spektrum im Punkt λ0 = 0 eine L¨ ucke der Gr¨ oße d3 ∈ (0, +∞) besitzt. F¨ ur eine analytische (c, q)St¨ orung von T gem¨ aß der Definition III.3.1 weist dann die Operatorenschar A(κ), κ ∈ (−κ1 , +κ1 ) aus (III.3.3) im Punkt λ0 eine L¨ ucke positiver Gr¨ oße in ihren Spektren auf. Weiter besitzt die Spektralschar λ∈R

E(. ; κ) = E(λ; κ) = EA(κ) (λ) ,

(III.3.27)

des Operators A(κ) die folgende Potenzreihenentwicklung: E(λ0 ; κ) = E(λ0 ) + κE1 (λ0 ) + κ2 E2 (λ0 ) + . . . ,

κ ∈ (−κ1 , +κ1 ) . (III.3.28) Dabei sind die beschr¨ ankten Hermiteschen Operatoren von der Form El (λ0 ) : H → H kEl (λ0 )k ≤

unter der Operatorschranke

1 c (1 + c)l−1 q l 2

(III.3.29) f¨ ur

l = 1, 2, . . . .

Beweis: 1.) Zun¨achst wenden wir die Proposition III.2.2 an und erhalten f¨ ur die Resolventen die Darstellung Z −1 η [R(iy; κ) − R(iy)]dy, κ ∈ (−κ1 , +κ1 ). E(λ0 ; κ) − E(λ0 ) = lim η→+∞ 2π −η Wir gehen u origen Sesquilinearform, welche wir gem¨aß der Pro¨ber zur zugeh¨ position III.3.1 im Spezialfall α = 12 mit  1 Cl (iy) := Cl iy, , l = 1, 2, . . . 2 nach dem Parameter κ entwickeln:   f , [E(λ0 ; κ) − E(λ0 )]g H

−1 η→+∞ 2π

η

Z

= lim −1 η→+∞ 2π

Z

η

= lim =

∞ h X l=1

∞  hX

−η

−1 η→+∞ 2π

l=1 Z η

lim



f , [R(iy; κ) − R(iy)]g



−η 1

H

dy

1

|T | 2 ◦ R(−iy)f , Cl (iy) ◦ |T | 2 ◦ R(iy)g



1

1

|T | 2 ◦ R(−iy)f, Cl (iy) ◦ |T | 2 ◦ R(iy)g

−η

f¨ ur alle

f, g ∈ H

und

 H

 H

i κl dy

i dy κl

κ ∈ (−κ1 , +κ1 ) . (III.3.30)

§3 Ein analytischer St¨ orungssatz f¨ ur die Spektralschar

253

2.) Wir sch¨atzen nun die in (III.3.30) auftretenden Sesquilinearformen mit Hilfe von (III.3.6) wie folgt ab: Z  1 −1 η  1 |T | 2 ◦ R(−iy)f, Cl (iy) ◦ |T | 2 ◦ R(iy)g dy lim η→+∞ 2π −η H Z η   1 1 1 ≤ lim |T | 2 ◦ R(−iy)f, Cl (iy) ◦ |T | 2 ◦ R(iy)g dy η→+∞ 2π −η H Z η 1 1 1 ≤ lim k|T | 2 ◦ R(−iy)f kH · kCl (iy)k · k|T | 2 ◦ R(iy)gkH dy η→+∞ 2π −η Z 1 1 1 η c l l−1 k|T | 2 ◦ R(−iy)f kH k|T | 2 ◦ R(iy)gkH dy lim ≤ q (1 + c) η→+∞ π −η 2 s Z c l 1 η 1 l−1 ≤ q (1 + c) k|T | 2 ◦ R(−iy)f k2H dy lim η→+∞ π −η 2 s Z 1 η 1 k|T | 2 ◦ R(iy)gk2H dy lim · η→+∞ π −η c = q l (1 + c)l−1 · kf kH · kgkH f¨ ur alle f, g ∈ H und l = 1, 2, . . . . 2 (III.3.31) Dabei haben wir die Grenzwerte mittels Proposition III.2.3 ausgewertet. 3.) Nach dem Darstellungssatz f¨ ur Sesquilinearformen (siehe den Satz 9 in [S3] Kap. VIII § 4) gibt es beschr¨ ankte lineare Operatoren El (λ0 ) : H → H

mit der Schranke

kEl (λ0 )k ≤

c l q (1 + c)l−1 , (III.3.32) 2

so dass Z  1 −1 η  1 |T | 2 ◦ R(−iy)f, Cl (iy) ◦ |T | 2 ◦ R(iy)g dy η→+∞ 2π −η H   f¨ ur alle f, g ∈ H und l = 1, 2, . . . = f , El (λ0 )g lim

(III.3.33)

H

erf¨ ullt ist. Den Identit¨ aten (III.3.30) und (III.3.33) entnehmen wir die Darstellung E(λ0 ; κ) − E(λ0 ) = κE1 (λ0 ) + κ2 E2 (λ0 ) + . . . ,

κ ∈ (−κ1 , +κ1 ) (III.3.34) mit den beschr¨ankten Operatoren (III.3.32). Da auf der linken Seite in (III.3.34) der Operator Hermitesch ist, so u ¨bertr¨agt sich diese Eigenschaft auf die Operatoren (III.3.32) als Koeffizienten der angegebenen Potenzreihe. Damit sind alle behaupteten Aussagen gezeigt. q.e.d.

Literaturverzeichnis

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Sachverzeichnis

Auswahlsatz von E. Helly

71

Cauchy-Stieltjes-Raum 88 Cayley-Transformierte 118 Defektindizes 27 Definitionsbereich des nichtnegativen Spektraloperators 64 des Spektraloperators 65 Friedrichs- 147 Riemann-Friedrichs- 168 Schwarz-Friedrichs- 174 Friedrichs -Fortsetzung 149 -Skalarprodukt 148 Funktion beschr¨ ankter Variation Funktionenklasse BV (R, C) 43 C00 (R, C) 69 Funktionenraum C 0 (R, C) 44 C 0 (R, R) 51 d (R, C) 78 BV C 0 (R, R) 60 Gebundene Teilchen

43

u ¨ber die Iteration von R.-S.-Integralen 99 u arer Operatoren ¨ber die Liftung unit¨ 132 u at unbestimmter ¨ber die Regularit¨ R.-S.-Integrale 95 von J.C.C. Nitsche 164 Integralformel von Herglotz 215 von L¨ owner 221 Integralkern adjungierter 200 Hermitescher 200 zul¨ assiger 200 Kalf, H. 183 Konvergenzsatz von E. Helly 74 Kriterium Auswahl- von F. Rellich 114 von E. Wienholtz zur wesentlichen Selbstadjungiertheit 199 von Toeplitz 36 zur Vollstetigkeit 211 Menge der Stetigkeitspunkte R0 (%) pr¨ akompakte 206

71

184

Hauptachsentransformation im Komplexen 38 Hellwig, B. 199 Hilfssatz

Operator n-dimensionaler Hermitescher abgeschlossener 2 abschließbarer 2 adjungierter 4

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 F. Sauvigny, Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren im Hilbertraum und elliptischer Differentialoperatoren, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58069-1

38

258

Sachverzeichnis

adjungierter Integral- 201 Approximations- 63 assoziierter 27 Charakterisierung vollstetiger -en 111 Courant- 143 Definitionsbereich eines 1 Dreh- 3 elliptischer 8 Fortsetzung eines 1 Hermitescher 25 Hilbert-Schmidt- 203 Integral- 200 mit endlicher Quadratnorm 211 Monotone Transformation selbstadjungierter -en 224 nach oben halbbeschr¨ ankter 110 nach unten halbbeschr¨ ankter 110 nicht selbstadjungiert fortsetzbarer, abgeschlossener Hermitescher 123 nichtnegativer 110 positiver 110 Rellich- 154 Schwarzscher . . . 173 selbstadjungierter 5 singul¨ arer Schwarzscher . . . 177 Spektral- 51 vollstetiger oder kompakter 206 Wertebereich eines 1 wesentlich selbstadjungierter 5 Operatorsumme Riemann-Stieltjes- 45 Riemann-Stieltjes-, universelle 130 Post-Hilbertraum

179, 200

Quantenmechanik 182, 184, 199

105, 136, 137, 171,

Regularit¨ at -ssatz von H. Weyl und E. Wienholtz 192 d -Funktionen 82 von BV Resolvente 35 -nabsch¨ atzung 35 -nformeln 36 -nmenge 35 Rhode, H.W. 183

Satz u ¨ber das Spektrum selbstadjungierter Operatoren 106 u ¨ber den kontinuierlichen Eigenraum 142 u aufungsspek¨ber die Invarianz des H¨ trums 113 u at der Friedrichs¨ber die Maximalit¨ Fortsetzung 157 u ¨ber die Spektralschar 103 u ¨ber die maximale Fortsetzung Hermitescher Operatoren 122 von J.L. Barbosa und M. do Carmo 178 von K.O. Friedrichs 151 zur St¨ orung selbstadjungierter Operatoren 31 Schmincke, U.W. 183 Schr¨ odingergleichung station¨ are 137 zeitabh¨ angige 135 Schr¨ odingeroperator 25 Eindimensionaler . . . mit Stufenpotential 183 Friedrichs-Fortsetzung des halbbeschr¨ ankten -s 181 halbbeschr¨ ankter 145 mit begrenzendem Potential 185 Spektraltheorie von -en 179 Wesentliche Selbstadjungiertheit von -en 188 Spektral -infimum gest¨ orter selbstadjungierter Operatoren 250 -operator 65 -raum 106 -schar 41 Approximation der -schar 89 formaler -operator 60 nichtnegativer -operator 60 Stieltjes-Integral u ¨ber die -schar 47, 131 universelle -schar 128 Spektraldarstellung des Laplace-Beltrami-Operators 169 des Schr¨ odingeroperators 181 des Schwarzschen Operators 174 singul¨ arer Schr¨ odingeroperatoren 198

Sachverzeichnis stabiler Schr¨ odingeroperatoren 196 Spektralsatz 104 cγ 21 f¨ ur L f¨ ur elliptische Differentialoperatoren 114 f¨ ur Integraloperatoren 202 f¨ ur unit¨ are Operatoren 133 unit¨ arer Operatoren ohne Fixpunkt 125 von F. Rellich 209 Spektrum der Hilbert-Schmidt-Operatoren 204 diskretes 113 endliches H¨ aufungs- 108 L¨ ucke im diskreten . . . 233 unendliches H¨ aufungs- 110 St¨ orung

259

Analytische . . . der Spektralschar nach E. Heinz 252 Gleichm¨ aßige . . . der Spektralschar 244 Stetige . . . des Spektralschar 231 wesentlich selbstadjungierter Operatoren 31 Stabile isotherme Metrik 188 Stieltjes-Umkehrformel 86 Streuzustand 142 Totalvariation 43 bestimmte 81 unbestimmte 80 Vergleichssatz von F. Rellich von Neumann-Reihe 37 W¨ ust, R. 183 Walter, J. 183

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