Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen

Dieses Buch stellt alle Arten radioaktiver Abfälle und Rückstände gemäß der Klassifikation der IAEA vor, wie z.B. hochradioaktive Abfälle, Rückstände aus der Uranerzaufbereitung der SDAG Wismut, die Abfälle der Asse etc. Mit radiotoxischem Material assoziieren die meisten Menschen Gefahr für sich und die Umwelt, welche Abwehrmaßnahmen konkret getroffen werden wissen sie aber nicht.So wurden Multi-Barrieren- Endlagersysteme entwickelt, welche die eingelagerten Radionuklide zurückhalten und/oder Wegsamkeiten minimieren, so dass eine Ausbreitung in die Biosphäre massiv erschwert wird und auftretende Expositionen in den Zulässigkeitsgrenzen bleiben. Inventarangaben und ein Radiotoxizitätsindex im Buch erlauben dem Leser die Langzeitsicherheit nationaler und internationaler Endlagerbauwerke abzuschätzen und die jeweiligen Gefahrenlagen und die daraus resultierende technische und soziale Umweltüberwachung nachzuvollziehen. Wie ist ein Langzeitsicherheitsnachweis aufgebaut, welchen Einfluss hat der Nachweiszeitraum.Nachfolgende Generationen müssen Gefahrenzustände aus bestehenden Endlagerbauwerken abwehren können. Auf welche Erfahrungen und Ergebnisse der heutigen Generation dabei zurückgegriffen werden kann, ist in diesem Buch dargelegt.


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Michael Lersow

Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen Langzeitstabile, langzeitsichere Verwahrung in Geotechnischen Umweltbauwerken – Sachstand, Diskussion und Ausblick

Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen

Michael Lersow

Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen Langzeitstabile, langzeitsichere Verwahrung in Geotechnischen Umweltbauwerken – Sachstand, Diskussion und Ausblick

Michael Lersow Breitenbrunn/Erzgeb., Deutschland

ISBN 978-3-662-57821-6 https://doi.org/10.1007/978-3-662-57822-3

ISBN 978-3-662-57822-3 (eBook)

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Inhaltsverzeichnis

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Radioaktivität in Abfällen und Rückständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Klassifizierung der Rückstände und radioaktiven Abfälle . . . . . . . . . 2.2 Beschreibung der Rückstände und radioaktiven Abfallarten . . . . . . . 2.3 Zeitliche Veränderung der Radioaktivität in Abfällen und Rückständen 2.4 Entstehung von radioaktiven Abfällen und Rückständen . . . . . . . . . 2.4.1 Entstehung bei der Gewinnung von Energie aus Kernbrennstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Entstehung durch Isotopenproduktion und Anwendung der Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Bergbauliche oder industrielle Prozesse, die zu Rückständen mit natürlich vorkommenden Radionukliden („NORM“) führen 2.4.4 Radioaktive Abfälle und Rückstände aus der Entwicklung, Herstellung und Aussonderung von Kernwaffen und radioaktiver Munition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände . . . . 3.1 Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Voraussetzungen für den Endlagerstandort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Ortung des Standortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Standortsuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Multibarrierenkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Multibarrierenkonzept zur langzeitsicheren, langzeitstabilen Verwahrung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität und für nicht überwachungsbedürftige Abfälle . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

3.4.2 Multibarrierenkonzept für Geotechnische Umweltbauwerke zur langzeitsicheren, langzeitstabilen Verwahrung von Uran-Aufbereitungsrückständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Multibarrierenkonzept für Geotechnische Umweltbauwerke zur langzeitsicheren, langzeitstabilen Verwahrung von radioaktiven Abfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Grundbegriffe der Langzeitsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Krisenmanagement/Notfallplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Vorhandene Gefahrenquellen und präventive, optimierte Sicherheitsvorkehrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.1 Uran-Rückstandsspeicher (Tailings ponds) . . . . . . . . . . . . . . 3.7.2 Schäden von Einzelpersonen bei direktem Kontakt und Strahleneinwirkung – Strahlenschutz . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.3 Endlagerung radioaktiver Abfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8 Ausbreitungsmöglichkeiten von Radionukliden aus Geotechnischen Umweltbauwerken (Endlagerbauwerken) . . . . . . . 3.8.1 Radionuklidausbreitung auf Deponien gemäß KrWG und DepV . 3.8.2 Radionuklidausbreitung bei Uran-Tailings ponds . . . . . . . . . . 3.8.3 Radionuklidausbreitung beim Ablegen von wärmeentwickelnden, hochradioaktiven Abfällen in tiefen geologischen Formationen . . 3.9 Monitoring – Nachweise der Funktion und Wirksamkeit der Geotechnischen Umweltbauwerke zur dauerhaften Isolation radioaktiver Abfälle und Rückstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Entsorgung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW) . . 4.1 Freigegebene Reststoffe, entlassene und nicht überwachungsbedürftige Rückstände . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Radiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Zweckgerichtete Freigabe von radioaktiven Abfällen und Entlassung von Rückständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Beispiele von nicht überwachungsbedürftigen Rückständen zur Deponierung gemäß DepV und AVV . . . . . . . . . . . . . 4.3 Deponierung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität . . . . . . 4.3.1 Multibarrierenkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus 5.1 Herkunft der radioaktiven Rückstände und Rückstandsspeicher, grundsätzliche Anforderungen an deren Stilllegung . . . . . . . . . . . . 5.2 Stilllegung/Langzeitsichere Verwahrung von radioaktiven Rückständen des Uranbergbaus in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Eigenschaften und Radiotoxizität der Uran-Tailings, insbesondere der SDAG Wismut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM) . . . . . . . 5.4.1 Grundsätze der Verwahrungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Langzeitsichere und langzeitstabile Verwahrung von Tailings ponds aus der Erzaufbereitung . . . . . . . . . . . . . 5.4.3 Multibarrierenkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Definition von Langzeitsicherheit und Langzeitstabilität . . . . . . . . . 5.5.1 Mechanische Materialparameter, Zustandsgrößen . . . . . . . . . 5.5.2 Langzeitsicherheit und Langzeitstabilität der multifunktionalen Abdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3 Langzeitsicherheit und Langzeitstabilität der Basisabdichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.4 Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Betrachtung außergewöhnlicher Ereignisse – Worst Cases . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6.1 Internationale Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6.2 Beschreibung der derzeitigen Situation bei der langzeitsicheren Verwahrung von LAW, MAW in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 6.3 Anforderungen und Umsetzung einer langzeitsicheren Verwahrung . . . 179 6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit . . 180 6.4.1 Schachtanlage Konrad/Endlager Konrad . . . . . . . . . . . . . . . . 180 6.4.2 Endlager für Radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM) . . . . . . . 185 6.4.3 Schachtanlage Asse II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 6.5 Vergleichende Betrachtungen zum Radionuklidinventar der Schachtanlage Asse II und des ERAM mit den Tailings ponds der Wismut GmbH . . . . 225 6.5.1 Vergleich der Aktivitätsinventare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 6.5.2 Vergleich der Langzeitsicherheitskonzepte des ERA Morsleben mit Rückstandsspeichern aus der Uranerzaufbereitung . . . . . . . 229 6.6 Zusammenfassung des Konzepts einer langzeitsicheren Verwahrung von LAW und MAW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

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Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität . . . . . 7.1 In Deutschland zu entsorgende hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Vergleichende Betrachtungen zu abgelegten Radionuklidinventaren in Endlagerbauwerken in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Stand der langzeitsicheren und langzeitstabilen Entsorgung von HAW in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Internationale Projekte (Lösungen) zur langzeitsicheren Entsorgung von HAW (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1 Endlagerprojekte in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2 Ausgewählte Endlagerprojekte in Europa . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Zeitliche Veränderung der Radioaktivität in Abfällen . . . . . . . . . . . 7.5.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.2 Gezielte Veränderung der Radioaktivität durch Transmutation . 7.6 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.7 Verantwortung und Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke . . . . . . . . . . . . . 8.1 Aufgabe und Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Langzeitsichere und langzeitstabile Verwahrung der Uran-Tailings ponds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Langzeitsichere und langzeitstabile Verwahrung radioaktiver Abfälle in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1 Derzeit gültige Anforderungen an die Endlagerung . . . . . . . . 8.3.2 Zentrale Sicherheitsanforderungen an ein zu entwickelndes Endlagersystem in Deutschland . . . . . . . . . 8.4 Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Deutschland . . . . . . . . . . 8.4.1 Endlagerung radioaktiver Abfälle mit geringer Wärmeentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.2 Endlager für wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle . . . . . . . 8.4.3 Anforderungen an die langzeitsichere und langzeitstabile Verwahrung und mögliche Suchgebiete für Endlagerstandorte für HAW in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Elemente eines Langzeitsicherheitsnachweises . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.1 Analyse des Endlagersystems (Systemanalyse) . . . . . . . . . . . 8.5.2 Szenarienentwicklung – Szenarienanalyse . . . . . . . . . . . . . . 8.5.3 Szenarien der Endlagerentwicklung in der Nachverschlussphase

. 239 . 239 . 245 . 251 . . . . . . . . .

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Langzeitsicherheitsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.1 Modellgebiet A gemäß Abb. 8.14 – Versagen (Teilversagen) des Verschlusssystems . . . . 8.6.2 Modellgebiet B gemäß Abb. 8.14 – Herausbildung eines Radionuklid-Quellterms im ewG 8.6.3 Modellgebiet C gemäß Abb. 8.14 – Stofftransportmodellierung für den Fernbereich . . . . 8.6.4 Modellgebiet D gemäß Abb. 8.14 – Ermittlung möglicher Strahlenexpositionen aufgrund des Eintretens von A, radiologische Auswirkungen in der Biosphäre, anerkannte Expositionsmodelle . . . 8.7 Umweltüberwachung und Beweissicherung . . . . . . . . . . . 8.8 Safety Case . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.9 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Umwelt-Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Endlagerprogramm und Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Monitoring in verschiedenen Phasen der Endlagerung . . . . . . . . . 9.2.1 Monitoring des unverschlossenen Endlagers . . . . . . . . . . 9.2.2 Monitoring des verschlossenen Endlagers . . . . . . . . . . . . 9.2.3 Monitoring bei oberflächennaher Endlagerung . . . . . . . . . 9.2.4 Zentrale Datenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Langzeit-Monitoring von Uran-Tailings ponds und im Deponiebau . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427

Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443

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Einleitung

Meist zur Produktion von Elektrizität sind weltweit 449 Kernkraftwerke mit einer netzgebundenen Leistung von 392,116 GWe in 30 Ländern in Betrieb [7]. Es werden alte Anlagen außer Betrieb genommen, aber auch neue geplant und gebaut, siehe [6]. Deutschland, als führende Industrienation, betrieb vor dem Ausstiegsbeschluss im Jahre 2011 17 Kernkraftwerke mit einer netzgebundenen Leistung von 20,490 GWe, die ca. 23 % des produzierten elektrischen Stromes erzeugten. Im Jahr 2017 waren noch acht Kernkraftwerke am Netz [8]. Als eines der ersten entwickelten Industrieländer steigt Deutschland bis 2022, unter dem Eindruck der Ereignisse in Fukushima, aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie aus. Der Ausstieg aus der Kernenergieerzeugung und die angestrebte Energiewende hin zu den erneuerbaren Energien veränderten die Energiepolitik der Bundesrepublik entscheidend. Andere Industrieländer wie Österreich und Australien nutzen die Kernenergie nie. Die Schweiz hat gerade (2017) den langfristigen Ausstieg per Volksentscheid beschlossen und Italien nach Fukushima den Ausstieg bereits vollzogen. Andere Länder wie Frankreich, China, USA, Russland, Südkorea, Finnland, Schweden und Großbritannien setzen weiter auf die Kernenergie. In Deutschland wurde neben dem Vorwurf gegen die Kernenergienutzung, dass diese eine nicht beherrschbare Hochrisikotechnologie sei, immer auch die fehlende Möglichkeit einer langzeitsicheren Endlagerung sowohl für die abgebrannten Brennelemente als auch der hochaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung hervorgebracht. Obwohl die Entwicklungen, insbesondere in Finnland, Schweden und Frankreich, Lösungsmöglichkeiten zeigen, bleibt es auch in Deutschland vordringlich, diese technische Lücke im Kernbrennstoffkreislauf mit dem Bau von unterschiedlichen Geotechnischen Umweltbauwerken zur Endlagerung aller Arten von radioaktivem Abfall umfassend zu schließen. Mit dem Ausstieg Deutschlands aus der Elektroenergieerzeugung aus Kernenergie können die angefallenen und die noch anfallenden radioaktiven und nuklearen Reststoffe und © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 M. Lersow, Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57822-3_1

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Einleitung

Abfälle nun eindeutig bilanziert werden, was für die Errichtung von Endlagerbauwerken eine wesentliche Randbedingung ist. Für Länder, die auch in Zukunft insbesondere Elektroenergie aus Kernbrennstoff erzeugen wollen, ergibt sich ebenfalls die Notwendigkeit, Endlager für hochradioaktive Abfälle (HAW – High Active Waste) zu planen und zu errichten, die jeweils für das zu erwartende Volumenaufkommen und zugeordnete Inventar dimensioniert werden. Aus dem jährlichen Einlagerungsvolumen und dem zu erwartenden Volumenaufkommen ergibt sich die Betriebsphase des Endlagers. Danach erfolgt die Stilllegungsphase. Für das genehmigte finnische Endlager Okiluoto für wärmeerzeugende HAW ist eine Betriebsphase bis ca. 2112 vorgesehen. Das Endlager Okiluoto soll ab 2120 verschlossen werden, siehe Kap. 7. Daraus wird klar, dass Finnland bei weiterer Nutzung der Kernenergie ab ca. 2112 ein weiteres Endlager für wärmeerzeugende HAW benötigen wird, siehe [6]. Die Planung, der Bau, die Stilllegung und der Verschluss von Endlagerbauwerken ist eine generationenübergreifende Aufgabenstellung, sodass zu erwarten ist, dass die gegenwärtige „Generation“ von Endlagern von den nachfolgenden Generationen, dem wissenschaftlichtechnischen Fortschritt folgend, weiter optimiert wird. In diesem Buch wird der Frage nachgegangen, welche Arten an radioaktiven und nuklearen Abfällen und Rückständen entstanden sind und weiter entstehen. Wie können diese langzeitsicher entsorgt werden? Welche Geotechnischen Umweltbauwerke sind bereits vorhanden oder müssen entwickelt und gebaut werden? Die Begrifflichkeit „langzeitsicher“ ist technisch-wissenschaftlich, aber auch gesetzlich-juristisch und letztlich politisch zu untersetzen. In diesem Zusammenhang ist das verbleibende Restrisiko klar darzustellen. Die Beantwortung dieser Fragestellungen aus einer zunächst komplexen naturwissenschaftlichen Aufgabenstellung führt nicht eindeutig zu einer allgemeinen, standortunabhängigen Lösung, sondern zwingt letztendlich zu einer Bewertung vorgelegter Lösungsvorschläge. Diese müssen alle dem Ziel untergeordnet sein, eine Endlagerung für radioaktive Abfälle und Rückständen so zu gestalten, dass schädliche Auswirkungen des Abfalls auf Menschen und Umwelt langfristig verhindert werden. Übertritte und Ausbreitung von Radionukliden aus dem Inventar des Endlagers in der Biosphäre können nur in gesellschaftlich akzeptierten Grenzen toleriert werden. Damit kann sich aber die Lösung dieser Aufgabenstellung nicht der politischen Einflussnahme entziehen. Der Prozess kann in drei Mitwirkungsebenen unterteilt werden:  der Ausführende, der die Aufgabenstellung erarbeitet und wissenschaftlich-technisch umsetzt,  der Betreiber, der das Geotechnische Umweltbauwerk zur Genehmigung einreicht, bestimmungsgemäß betreibt und später auch stilllegt,  der Genehmiger, die entsprechende Genehmigungs- und Zulassungsbehörde und möglicherweise auch Gerichte, die bei anfallenden juristischen Verfahren letztlich Entscheidungen zu treffen haben. Die Einbeziehung der Öffentlichkeit dabei ist ein absolutes Muss!

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Einleitung

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Der bestimmungsgemäße Betrieb eines Endlagers in all den notwendigen Betriebsphasen ist die unabdingbare Voraussetzung für einen störungsfreien Ablauf und damit auch für die gesellschaftliche Akzeptanz, die auf Vertrauen und Verlässlichkeit beruht. Was man unter einem bestimmungsgemäßen Betrieb versteht, wird allgemein in der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Störfall-Verordnung (StörfallVwV) vom 20. September 1993 unter 2.2 definiert: Bestimmungsgemäßer Betrieb ist der zulässige Betrieb, für den eine Anlage nach ihrem technischen Zweck bestimmt, ausgelegt und geeignet ist. Betriebszustände, die der erteilten Genehmigung, vollziehbaren nachträglichen Anordnungen oder Rechtsvorschriften nicht entsprechen, gehören nicht zum bestimmungsgemäßen Betrieb.

Neben dem allgemeinen Gefahrenpotenzial der Stoffe, die in ein Endlager eingebracht werden, liegt der Fokus auf der sicheren Verwahrung der radioaktiven Stoffe. Als Radioaktivität bezeichnet man die Eigenschaft von bestimmten Nukliden (Radionuklide), sich ohne äußere Einwirkung in ein neues Nuklid (oder mehrere neue Nuklide) umzuwandeln. Bei der Umwandlung von Radionukliden wird die Energie in Form von Strahlung freigesetzt. Die Radioaktivität ist also ein wertfreies physikalisches Phänomen. Seit der Entdeckung der Radioaktivität durch Antoine Henri Becquerel im Jahre 1896 beeinflusst dieses Phänomen direkt die menschliche Gesellschaft. Die Nutzung gerade der künstlich erzeugten Radioaktivität ist politisch stark abhängig von der Lösung folgender Fragen: Welche Arten von radioaktiven Materialien fallen wo und wie an? Welche Verwendung und Verwertung haben diese? Welche Rückstände, Reststoffe und radioaktive Abfälle fallen an und wie können diese letztendlich sicher entsorgt werden? Die im Buch beschriebenen Geotechnischen Umweltbauwerke (Endlagerbauwerke) richten sich nach der Art und den Eigenschaften des radioaktiven Materials, das langzeitsicher, langzeitstabil darin abgelegt werden soll. Die radioaktiven Abfälle resultieren aus technischen Prozessen, in denen ionisierende Strahlung oder kerntechnische Eigenschaften des eingesetzten Materials genutzt werden, aber auch aus Rückständen von Gewinnungs- und Aufbereitungsprozessen. Verwiesen wird auf die ICRP1 -Veröffentlichung 103 [5] und auf die darauf aufbauende europäische Richtlinie 2013/59/Euratom2 [4]. Die Nutzung der Radioaktivität setzt zunächst die Gewinnung und Aufbereitung von entsprechendem geologischem Rohmaterial voraus. Durch Anreicherung der natürlichen Radionuklide und nachfolgende Kernreaktionen werden radioaktive Stoffe erzeugt, die für den Einsatz in den verschiedenen technischen und medizinischen Prozessen geeignet sind, so z. B. bei der Herstellung von nuklearmedizinischen Präparaten und Brennelementen für den Einsatz im Kernreaktor zur Energieerzeugung. Doch stets entstehen in dieser Prozesskette radioaktive Reststoffe und Abfälle, siehe Abb. 1.1. 1

ICRP – International Commission on Radiation Protection (Internationale Strahlenschutzkommission). 2 Euratom – Europäische Atomgemeinschaft (atomvertragliche Verknüpfung der 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union).

4

1

Einleitung

Abb. 1.1 Entstehung von radioaktiven Abfällen und Rückständen [6] Tab. 1.1 Nach Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen. (Strahlenschutzverordnung – StrlSchV) Radiotoxizität

Radionuklide

Sehr hoch

Sr-90, Y-90, Po-210, Ra-226, Pu-239

Hoch Mittel Niedrig

Cs-134, Cs-137, U-233 P-32, J-131, Ba-140 H-3, Unat

Freigrenzen (Bq), StrlSchV Anlage III, Tabelle 1 1,0 E+04; 1,0 E+04; 1,0 E+04; 1,0 E+04; 1,0 E+04 1,0 E+04; 1,0 E+04; 1,0 E+04 1,0 E+05; 1,0 E+06; 1,0 E+05 1,0 E+09

Physikalisch-chemisch wird die Art des radioaktiven Materials beschrieben durch dessen Radioaktivität. Die Radioaktivität wird durch die Strahlungsart, die Halbwertszeit und die Energie der Strahlung charakterisiert. Das Wissen um diese physikalischen Größen ist eine wichtige Voraussetzung für eine Endlagerung. Die Radiotoxizität eines Radionuklids ist eine Größe, die das Gefährdungspotenzial eines Radionuklides beschreibt. Die Radiotoxizität ist umso größer, je geringer dessen Freigrenze ist, siehe Strahlenschutzverordnung (StrlSchV), Anlage III, Tabelle 1 Spalten 2, 3. Die Freigrenze bestimmt nicht allein über der Radiotoxizität eines Radionuklids, sondern es muss auch dessen biologische Wirkung einbezogen werden, siehe Tab. 1.1. Gemäß [4, 5] ist radioaktives Material demnach jedes Material, das radioaktive Stoffe im Sinne dieser Richtlinie enthält, das heißt in einem Maße radioaktiv ist, dass diese Radioaktivität nicht außer Acht gelassen werden kann. Danach richtet sich, ob das endzulagernde Material gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) und Deponieverordnung (DepV) auf einer Deponie als Material mit außer Acht zu lassender Radioaktivität abgelegt werden kann oder dieses in einer Anlage nach Atomgesetz (AtG) abgelegt werden muss. Für Material mit nicht außer Acht zu lassender Radioaktivität bildet das Atomgesetz die gesetzliche Grundlage. Nach § 9b des Atomgesetzes bedürfen z. B. die Errichtung, der Betrieb und die Stilllegung der in § 9a Abs. 3 genannten Anlagen des Bundes sowie die wesentliche Veränderung solcher Anlagen oder ihres Betriebes der Planfeststellung mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung. In den Fällen, in denen der Standort durch Bundesgesetz festgelegt wurde, tritt an die Stelle der Planfeststellung eine Genehmigung. Diese erteilt die Bundesanstalt für kerntechnische Entsorgungssicherheit auf Antrag des Betreibers.

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Planfeststellungsverfahren mit einer integrierten Umweltverträglichkeitsprüfung kommen bei der Errichtung von Deponien gemäß KrWG ebenfalls zur Anwendung. Davon abweichend werden Rückstände aus der Uranerzaufbereitung3 behandelt. Dies herauszuarbeiten und in Zusammenhang zur Zielsetzung einer langzeitsicheren, langzeitstabilen Endlagerung zu stellen, ist hier als Aufgabe gestellt. Vorgestellt werden also Geotechnische Umweltbauwerke für den bestimmungsgemäßen Betrieb als Deponie, als eingekapselte Uran-Tailings ponds sowie als Endlagerbauwerke für radioaktive Abfälle. Es wird versucht im Zusammenhang darzustellen, nach welchem umweltrelevanten Anforderungsraster die notwendigen standortbezogenen Umweltbauwerke entwickelt werden müssen. Es wird auf den derzeitigen Stand der Wissenschaft und Technik eingegangen und diskutiert, welche Lösungsmöglichkeiten aufgrund der derzeit laufenden Forschungsprogramme, aber auch der Gesetzeslage zu erwarten bzw. wo Wissenslücken zu schließen sind. Gegenwärtiger Kenntnisstand und damit wissenschaftlich-technischer Konsens ist es, die Umweltbauwerke im bestimmungsgemäßen Betrieb mit einem Multibarrierensystem auszustatten. Weltweit werden als Endlagerstandort für hochradioaktive Abfälle tiefe geologische Formationen favorisiert. Es ist Aufgabe der Standortabwägung, das Multibarrierensystem auf die das Endlagerbauwerk aufnehmende geologische Formation zu entwickeln und abzustimmen. In Deutschland ist es bisher nicht gelungen, die Vorgaben, Vorschriften und Standards für die Errichtung von Anlagen zur langzeitsicheren Verwahrung von radioaktiven Abfällen und Rückständen in einem verbindlichen Regelwerk zusammenzufassen. Das ist aber gerade für solche Anlagen mit einem derart hohen und langfristen Gefährdungspotenzial für die Biossphäre dringend erforderlich. Ein technisch-wissenschaftliches Regelwerk sollte auf allgemeinen und in sich konsistenten Kriterien beruhen, die sich aus Anforderungen an eine langzeitsichere Verwahrung der verschiedenen Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen ableiten lassen und die dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik angepasst sind. Das Regelwerk sollte von hoher Objektivität geprägt sein. Die folgenden Darlegungen sollen auch einen Beitrag hierzu leisten. Deutschland steht damit auch in der Pflicht, internationale Erfahrungen und daraus folgende Empfehlungen für ein Endlagerkonzept für hochradioaktive Abfälle zu analysieren und nutzbar zu machen. Nachdem in einigen Ländern wie Finnland und Schweden die Entscheidungen für die Errichtung von Endlagern auf der Grundlage genehmigter Lang3

Die Konzentration auf die Rückstandsspeicher aus der Uranerzaufbereitung ist insofern bedeutend, als hier erhebliche Konzentrationen von Radioaktivität und Toxizität in den Hohlformen abgelegt sind. Die Konzentration auf die sechs großen Uran-Tailings ponds der SDAG, die den Aufbereitungsanlagen Crossen (Sachsen) und Seelingstädt (Thüringen) zugeordnet waren, konzentrieren die langzeitsichere, langzeitstabile Verwahrung der überwachungspflichtigen Rückstände hinreichend. Genau genommen gehören auch die großen Haldensysteme, Tagebaue, Untertagebergbau, die Aufbereitungsanlagen etc. natürlich zu den Rückständen, besser zu den Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus in Sachsen und Thüringen.

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zeitsicherheitsnachweise und rechtskräftiger Beschlüsse gefallen sind, ist es nun möglich, die Diskussion über ein Endlagerkonzept zielgerichteter zu führen. Die Ausführungen hier beschreiben nicht nur Konzeptgrundlagen, sondern geben auch lösungsorientierte Anregungen. So werden die Radionuklidvektoren der Inventare von Endlagerstandorten für hochradioaktive Abfälle (Brennelemente, verglaste hochradioaktive Abfälle) verglichen. Diese weisen viele Ähnlichkeiten auf. Die Radiotoxizität, ausgewiesen mit einem dimensionslosen Radiotoxizitätsindex Ai/Fi (Ai – Aktivität der Radionuklidmenge, Fi – Freigrenze des Radionuklids) aller hier aufgeführten Endlagerstandorte beträgt ca. 1 E+16, unabhängig vom Wirtsgesteinstyp. Das legt den Schluss nahe, dass ein standortspezifischer Langzeitsicherheitsnachweis immer ein auf den Wirtsgesteinstyp abgestimmtes Multibarrierensystem verlangt. Die Barrieren müssen gut aufeinander abgestimmt werden, sodass sich deren mechanische, hydraulische und chemische Wirkungen optimal ergänzen und letztlich die hydrochemische Mobilität der Radionuklide in den Abfallmatrizen sehr stark herabgesetzt wird bis hin zur Immobilisierung. Einige internationale Abfallbehälterentwicklungen können durchaus auch für ein deutsches Endlagerkonzept für wärmeentwickelnde HAW in Betracht gezogen werden von, siehe Kap. 7. Die Darlegungen hier gehen auf die Lagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen in Deutschland umfänglich ein. Anhand der dimensionslosen Radiotoxizitätsindizes der jeweiligen Inventare in den jeweiligen Geotechnischen Umweltbauwerken wird dem Leser ein fundierter Überblick über das Maß der Ungleichbehandlung in den Sicherheitsanforderungen gegeben, womit die notwendige Transparenz hergestellt wird, siehe auch [3]. Um das Ziel einer „bestmöglichen Endlagerung“ zu erreichen, wurde das Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz – StandAG) vom 23. Juli 2013 und dessen Fortentwicklung vom 23. März 2017 in Kraft gesetzt. Damit wurde eine wichtige Voraussetzung für den „Weg zum Endlager“ geschaffen. Der Gesetzgeber hat 2016 in Deutschland dazu auch eine Neuordnung der Organisationsstruktur im Bereich der Endlagerung radioaktiver Abfälle in Kraft gesetzt, die die beschriebenen Mitwirkungsebenen zwar besser verzahnen, aber dennoch unabhängig voneinander agieren lassen soll, siehe [9]. Mit der Neuordnung der Organisationsstruktur im Bereich der Endlagerung radioaktiver Abfälle wurde gesetzlich ein pluralistisch zusammengesetztes Nationales Begleitgremium (NBG) zur gemeinwohlorientierten Begleitung eingesetzt, das auch die Aufgabe hat, die Umsetzung der Öffentlichkeitsbeteiligung zu gewährleisten. Allerdings muss unterstellt werden, dass die Organisationsstruktur im Bereich der Endlagerung weiter optimiert werden sollte, um die Mitwirkungsebenen einerseits klar gegeneinander abzugrenzen und andererseits aus den verschiedenen Aufgabenlösungsmöglichkeiten das bestmögliche Endlagersystem für Deutschland entwickeln zu können. Auf diesem Weg zum Endlager ist eine Unmenge von geologischen, hydrogeologischen, geochemischen, geotechnischen und technischen Fragestellungen abzuarbeiten. Auch die sozialen, politischen und juristischen Probleme sollen dabei nicht vergessen

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werden. Es ist davon auszugehen, dass das StandAG weitere Fortschreibungen auf dem Weg zu einem Endlager für hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle verlangt und erfahren wird. So ist auch z. B. die Teilfrage zu beantworten, welche unabhängigen Monitoring-Möglichkeiten zur Verfügung stehen müssen, um die Sicherheit der Verwahrung der radioaktiven Stoffe in den unterschiedlichen Phasen der Endlagerung, von Errichtung bis zum Verschluss und darüber hinaus, nachweisen zu können und eventuelle sicherheitsrelevante Veränderungen frühzeitig zu erkennen und damit handlungsfähig zu sein. Während in früheren Endlagerkonzeptionen für hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle nach dem Prinzip geplant wurde, das Endlager nach dem Betrieb so schnell wie möglich stillzulegen und zu versiegeln [10], wird heute die Notwendigkeit der rechtzeitigen Installation eines anforderungsgerechten Monitoring-Konzepts intensiv diskutiert. Dieses sollte Bestandteil im Genehmigungsverfahren sein. Ein Nachteil der Endlagerung in tiefen geologischen Formationen ist, dass – gemessen an der Langlebigkeit der Abfälle – eine Beobachtung der im Endlager ablaufenden Prozesse, wie z. B. der geochemischen Wechselwirkungen, nur eingeschränkt möglich ist. Die in der Sensitivitätsanalyse ermittelten Eingabewerte in einen Langzeitsicherheitsnachweis, auf die das Ergebnis am empfindlichsten reagiert, und die beigeschlossene Unsicherheitsanalyse sind nur Hilfsmittel, um den Lösungsbereich einzugrenzen. Sie können Fehleinschätzungen nicht vollständig ausschließen. Und nachhaltige Störungen werden auch erst in sehr großem Abstand nach Störungseintritt erkennbar. Auch eine falsche Standortentscheidung wäre dann nicht mehr korrigierbar, und Reparaturmaßnahmen im Endlager selbst wären praktisch nicht mehr möglich. Die Vorkehrungen für Reversibilität, Wiederauffindbarkeit, Bergbarkeit und Rückholbarkeit sind immens, und es ist nicht sicher, dass diese über den sehr langen Zeitraum vorgehalten bleiben. Die Reversibilität der im Endlagerbauwerk abgelegten hochradioaktiven Abfälle soll gemäß [2] über 500 Jahre gewährleistet sein. Bei der Entscheidung für eine Endlagerung in tiefen geologischen Schichten ergeben sich hohe Anforderungen an das Verfahren zur Standortauswahl, an den Eignungsnachweis für das Endlager und insbesondere auch an das Verfahren für die Erstellung des Langzeitsicherheitsnachweises. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wesentliche Grundlagen für den Langzeitsicherheitsnachweis und die erreichbare Prognosesicherheit bereits mit der Standortfestlegung gelegt werden. Die Verfahren müssen daher methodisch richtig und in sich schlüssig sein, die rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in angemessener Weise und verbindlich erfüllen sowie für fachlich Außenstehende nachvollziehbar sein. Dazu gehört auch die Vermittlung der wissenschaftlich-technischen Grundlagen und des internationalen Standes von Wissenschaft und Technik, wie hier dargelegt. Es erschien angeraten, beim bestimmungsgemäßen Betrieb hier die Sicherheit des Personals nicht auszuklammern. Diese ist nicht nur in der Einlagerungs- und Verschlussphase von Endlagerbauwerken von Bedeutung, sondern auch bei Szenarien der Rückholung, Bergung, Auskofferung etc. und verdient schon deshalb hohe Aufmerksamkeit, siehe Kap. 2 und 6.

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Mit diesen Fragestellungen verbunden sind auch Fragen der Einbindung von Zwischenlagern und die Einrichtung von Übergangslagern auf der Grundlage eines Beteiligungsverfahrens und welche Aufgaben und Funktionen diese in einer Endlagerkonzeption übernehmen könnten, siehe Kap. 7. Ein Regelwerk muss auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen berücksichtigen. Damit sind mehr oder weniger große Abweichungen vom rein wissenschaftlich-technischen Ideal zu erwarten, woraus sich die Notwendigkeit ableitet, dass das Regelwerk von Zeit zu Zeit fortgeschrieben werden sollte. Aufgrund des langfristen Gefährdungspotenzials für die Biosphäre hat diese Aufgabenstellung nicht nur eine technisch-wissenschaftliche Dimension. Obwohl sich hier hauptsächlich der technisch-wissenschaftlichen Dimension dieser Aufgabe gewidmet wird, kann man nicht vollständig die Tatsache ausblenden, dass auch die Durchsetzung eines „bestmöglichen“ Endlagerkonzeptes, insbesondere für hochradioaktive Abfälle, eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz verlangt, die eine glaubwürdige Vertrauens- und Verständigungsarbeit der zuständigen Gremien und Organisationen erfordert, siehe auch [1]. Einige wenige Bemerkungen dazu sind auch in diesem Beitrag enthalten, während ethisch-moralische Aspekte dieser Aufgabenstellung hier keine Rolle spielen durften. Bewusst wird auch, dass der Nachweis der Sicherheit in der Phase nach Verschluss des Endlagers nicht im streng wissenschaftlichen Sinn geführt werden kann, da sich die potenziellen Konsequenzen aus der Implementierung des Endlagers einer messtechnischen Überprüfung oder Verifizierung, aufgrund des langen Betrachtungszeitraumes (Nachweiszeitraum) von 1 Mio. Jahren, entziehen. Bis zur langzeitsicheren, langzeitstabilen Stilllegung erfordert dies nicht nur einen kontinuierlichen Optimierungsprozess mit periodischen Sicherheitsüberprüfungen, sondern es wird darauf hingewiesen, dass Möglichkeiten existieren, den Betrachtungszeitraum zu verkleinern bzw. zu splitten, indem der Langzeitsicherheitsnachweis entlang von Zeitfenstern mit unterschiedlichen Unsicherheiten in der Eintrittswahrscheinlichkeit von Ereignissen und Risiken in den Auswirkungen geführt wird, ohne dass die Sicherheitsanforderungen reduziert werden müssen. Hauptziel des Buches ist es, die technisch-wissenschaftliche Dimension der Errichtung von Umweltbauwerken zur Endlagerung jeglicher radioaktiver und nuklearer Abfälle darzustellen und eine breite gesellschaftliche Öffentlichkeit für diese Aufgabe zu interessieren. Dies ist besonders wichtig, da die Entwicklung, der Bau, der Betrieb und die Schließung der entsprechenden Endlager eine generationsübergreifende Aufgabe ist. Der Autor ist insbesondere dem Springer Verlag und den Herren Prof. Dr. rer. nat. Bruno Thomauske, ehemaliger Direktor am Forschungszentrum Jülich (Kap. 2, 3 und 8), Prof. Dr. rer. nat. habil. Gert Bernhard, ehemaliger Direktor des Instituts für Ressourcenökologie (Radiochemie) des HZDR (Gesamtanlage des Buches sowie Kap. 9 und 10) und Prof. Dr. rer. nat. habil. Broder J. Merkel, ehemaliger Direktor des Institutes für Geologie der TU Bergakademie Freiberg (Kap. 4 und 5), dankbar für die Ermutigung, diese Arbeit anzugehen, und für die anregende, fördernde und kritische Diskussion zum Sachverhalt. Dank sagen möchte ich auch der SKB AB (Schweden), Posiva Oy (Finnland), dem US Department of Energy (DOE), der Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) und

Literatur

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der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie für die Bereitstellung von Grafiken und Datenmaterial, mit denen komplexe Zusammenhänge übersichtlicher dargelegt werden konnten.

Literatur 1. Abschlussbericht der Kommission Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe „Verantwortung für die Zukunft“, Deutscher Bundestag (2016) 2. Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz – StandAG) vom 23. Juli 2013 und dessen Fortentwicklung vom 23. März 2017 3. Lersow, M.; Gellermann, R. (2015) Langzeitstabile, langzeitsichere Verwahrung von Rückständen und radioaktiven Abfällen – Sachstand und Beitrag zur Diskussion um Lagerung (Endlagerung); Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin  geotechnik 38 (2015), Heft 3, S. 173–192 4. Richtlinie 2013/59/Euratom des Rates vom 5. Dezember 2013: zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung und zur Aufhebung der Richtlinien 89/618/Euratom, 90/641/Euratom, 6/29/Euratom, 97/43/Euratom und 2003/122/Euratom 5. Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) von 2007; ICRPVeröffentlichung 103, verabschiedet im März 2007; Veröffentlichungen der Internationalen Strahlenschutzkommission; Deutsche Ausgabe herausgegeben vom Bundesamt für Strahlenschutz 6. Lersow, M.: Energy Source Uranium – Resources, Production and Adequacy; Glueckauf Mining Reporter; Verlag der Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH, Shamrockring 1, 44623 Herne; 153(3) p. 178–194; 6/2017 7. World Nuclear Power Reactors & Uranium Requirements; http://www.world-nuclear.org; March 2017, letzter Aufruf 28.08.2018 8. Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e. V. (AGEB), Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW) 9. Gesetz zur Neuordnung der Organisationsstruktur im Bereich der Endlagerung, vom 26. Juli 2016, Bundesgesetzblatt Jahrgang 2016 Teil I Nr. 37; S. 1843 ff 10. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle, Stand 30. September 2010

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Radioaktivität in Abfällen und Rückständen

Derzeit fokussiert sich die öffentliche Diskussion im Zusammenhang mit der Entsorgung radioaktiver Stoffe vor allem auf die Standortsuche für ein Endlager für wärmeentwickelnde radioaktive (hochradioaktive) Abfälle. Um die notwendige Diskussion technischnaturwissenschaftlicher Aspekte bei der langzeitstabilen, langzeitsicheren Verwahrung von Abfällen, die radioaktive Stoffe enthalten, von einer soliden Basis aus zu beginnen, ist es notwendig, die Ausgangsparameter wissenschaftlich abgestimmt und gesellschaftlich akzeptiert klar zu definieren. Konsens ist u. a. zu den folgenden Fragen zu erreichen:       

welche radioaktiven Stoffe (Quantität, Qualität) müssen entsorgt werden, wo und wie sind diese angefallen, welche grundsätzlichen Gefahrenpotenziale für die Biosphäre sind damit verbunden, welche technischen Lösungen der Lagerung sind grundsätzlich möglich, Auswahlkriterien für Standort (Wirtsformation), Definition des Safety Case, Erstellung der Kriterien und Verwendung von Daten (Datenbanken), Modellen und Programmen für die Langzeitsicherheitsanalyse,  auf welcher gesetzlichen Grundlage, die auch zukünftig von Bestand sein muss, findet die Verwahrung bzw. Lagerung (Endlagerung) statt,  welche Parameter müssen eingehalten werden,  wie erfolgt der Nachweis der Einhaltung der Parameter über große Zeiträume.

2.1

Klassifizierung der Rückstände und radioaktiven Abfälle

Eine erste Schwierigkeit bei dieser Beschreibung resultiert schon aus dem Sachverhalt, dass, obwohl Radioaktivität als ein wertfreies physikalisches Phänomen gilt, Radionuklide natürlichen Ursprungs in den gesetzlichen Rahmenbedingungen grundsätzlich anders © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 M. Lersow, Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57822-3_2

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Radioaktivität in Abfällen und Rückständen

Tab. 2.1 Auftreten von Radionukliden Natürlich vorkommende Radionuklide K-40, im natürlichen Isotopengemisch Knat mit 0,0117 % enthalten, HWZ = 1,277 E+09 a Radionuklide der natürlichen Zerfallsreihen (z. B. im natürlichen Isotopengemisch Unat vorkommende U-235 und U-238) C-14, kosmogenes Radionuklid, HWZ = 5730 ˙ 40 a

Künstliche Radionuklide Künstliche Radionuklide sind solche, die durch vom Menschen herbeigeführte Kernreaktionen entstehen Aktivierungsprodukte: durch Neutronenstrahlung in einem Kernreaktor radioaktiv gewordene Nuklide außerhalb des Brennstoffs, z. B. in den Brennstabhüllrohren, im Kühlmittel etc. Spaltprodukte: durch Kernspaltung entstehende Nuklide

bewertet werden als die technisch erzeugten oder zur Erzeugung von Kernenergie genutzten Radionuklide (Tab. 2.1). Während die auf der ICRP1 -Veröffentlichung Nr. 60 basierende Richtlinie 96/29/Euratom [1] ein getrenntes regulatorisches Regime für natürlich vorkommende Radionuklide und radioaktive Stoffe, deren ionisierende Strahlung oder kerntechnische Eigenschaften genutzt werden, vorsah, beabsichtigt die neue, auf der ICRP-Veröffentlichung 103 [3] aufbauende europäische Richtlinie 2013/59/Euratom [2], diese konzeptionelle Trennung so weit wie möglich aufzuheben. Zentraler Begriff des Strahlenschutzes, der in seinem Kern unverändert bleibt, ist der „radioaktive Stoff“ (radioactive substance). Dieser Begriff beschreibt einen Stoff, dessen Aktivität aufgrund der Aktivitätskonzentration unter Strahlenschutzgesichtspunkten nicht außer Acht gelassen werden kann. Um dies zu verdeutlichen, werden die Definitionen aus der Richtlinie 96/29/Euratom und der Richtlinie 2013/59/Euratom verglichen. 96/29/Euratom: „Radioaktiver Stoff: jeder Stoff, der ein Radionuklid oder mehrere Radionuklide enthält und dessen Aktivität oder Konzentration im Zusammenhang mit dem Strahlenschutz nicht außer Acht gelassen werden kann.“ und 2013/59/Euratom: „Radioaktiver Stoff: jeder Stoff, der ein oder mehrere Radionuklide enthält, deren Aktivität oder Aktivitätskonzentration unter Strahlenschutzgesichtspunkten nicht außer Acht gelassen werden kann.“ Da radioaktive Stoffe in der Realität in der Regel im Gemisch mit anderen chemischen Stoffen vorkommen, wird in der Richtlinie 2013/59/Euratom der Begriff des radioaktiven Materials eingeführt. Dieses ist demnach jedes Material, das radioaktive Stoffe im Sinne der Richtlinie enthält, das heißt in einem Maße radioaktiv ist, dass diese Radioaktivität nicht außer Acht gelassen werden kann. Die Eigenschaft „radioaktiv“ wird durch diese Definitionen an eine rechtliche Bewertung („nicht außer Acht gelassen werden kann“) geknüpft und damit von der naturwissenschaftlichen Eigenschaft der Radioaktivität losgelöst. Abfallstoffe, das heißt Stoffe, deren sich ein Besitzer entledigen will oder entledigen 1

ICRP – International Commission on Radiation Protection (Internationale Strahlenschutzkommission).

2.1 Klassifizierung der Rückstände und radioaktiven Abfälle

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muss (vgl. EU-Abfall-RL2 ), die stets Radionuklide im physikalischen Sinne enthalten, sind keine radioaktiven Stoffe, soweit sie nicht aufgrund ihrer besonderen radiologischen Eigenschaften oder der Menge auf Basis einer rechtlichen Bewertung als radioaktiv deklariert werden. Diese Stoffe werden in Kap. 3 mit Bezug auf das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) und die Deponieverordnung (DepV) behandelt. Erhebliche Mengen davon fallen beim Rückbau der KKW an. Vor diesem Hintergrund erfolgt hier umfassend die Darstellung der Entsorgung all der Abfälle, die aufgrund ihrer Radioaktivität strahlenschutzrechtlich überwacht werden. Dabei sind in dem derzeit (2016) in Deutschland geltenden System des Strahlenschutzes zwei Kategorien von Abfällen zu unterscheiden:  Radioaktive Abfälle sind radioaktive Stoffe im Sinne des § 2 Abs. 1 des Atomgesetzes (AtG), die nach § 9a AtG geordnet beseitigt werden müssen. Sie stammen (in der Regel) aus einem strahlenschutzrechtlich oder atomrechtlich genehmigten Umgang, bei dem die Radioaktivität bzw. die davon ausgehende Strahlung zielgerichtet genutzt wurden und die im Teil 2 der Strahlenschutzverordnung geregelt sind.  Rückstände sind Materialien, die in den in Anlage XII Teil A Strahlenschutzverordnung genannten industriellen und bergbaulichen Prozessen anfallen und deren Verwertung oder Beseitigung im Teil 3 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) geregelt wird. Diese Materialien sind dabei Stoffe, die natürlich vorkommende Radionuklide enthalten oder mit solchen Stoffen kontaminiert sind. Radioaktive Abfälle (teilweise auch Rückstände) werden umgangssprachlich häufig Atommüll genannt. Letztlich sind es radioaktive Stoffe, die nach derzeitigem Stand der Technik nicht mehr genutzt werden können oder aufgrund politischer Vorgaben nicht mehr genutzt werden dürfen. Im Unterschied zum konventionellen Abfallrecht (KrWG), in dem der Begriff des Reststoffes konsequent durch den Abfallbegriff ersetzt wurde, enthält das Atomgesetz (AtG) im § 9a auch weiterhin diesen Begriff. In einer strahlenschutzrechtlich oder atomrechtlich genehmigten Anlage anfallende radioaktive Reststoffe können danach schadlos verwertet werden oder sind als radioaktive Abfälle geordnet zu beseitigen (direkte Endlagerung). Damit bezieht sich der Begriff der „radioaktiven Abfälle“ im eigentlichen Sinne nur auf radioaktive Materialien, die unter einer strahlenschutzrechtlichen Überwachung in speziellen Umweltbauwerken (z. B. Endlager) im bestimmungsgemäßen Betrieb endgelagert werden müssen. In Hinblick auf die langzeitsichere Verwahrung von Abfällen, die aufgrund ihrer Radioaktivität staatlich überwacht werden, sind vier Herkunftsbereiche zu unterscheiden: 1. die technische Anwendung von radioaktiven Stoffen in Medizin, Industrie und Forschung, die zu radioaktiv kontaminierten Reststoffen führt, die nicht weiter verwendet werden können, 2

EU-Abfall-Richtlinie.

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Radioaktivität in Abfällen und Rückständen

2. die Nutzung der Kernenergie3 für die Energieerzeugung (im Ausland z. T. auch die Entwicklung und Herstellung von Kernwaffen), a. deren Betrieb (z. B. bei der Anlagenwartung) zu radioaktiv kontaminierten Reststoffen führt, die nicht wieder verwendet werden können, b. deren Rückbau nach dem Ausstieg Deutschlands aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie zu einer erhöhten Menge an radioaktiv kontaminierten Abfällen führt, 3. bergbauliche oder industrielle Prozesse, die zu Rückständen mit natürlich vorkommenden Radionukliden („NORM“)4 führen, wobei durch die Richtlinie 2013/59/Euratom 4. der Bergbau zur Uran-(Thorium-)gewinnung und die Verarbeitung der gewonnenen Erze als besonderer Teil der Kernenergienutzung eine Sonderrolle erhält. Klassifizierung gemäß IAEA (2009) [10], GRS (2004) [12] (Abb. 2.1): EW

(Exempt Waste) (Abfälle, die durch behördliche Kontrolle aus dem Brennstoffkreislauf entlassen und nicht als Abfall deklariert werden, z. B. Abbruchmassen beim Rückbau von KKW zur schadlosen Wiederverwertung als Baumaterial), VLLW Very Low Level Waste (Radioaktive Abfälle sehr geringer Aktivität), LLW Low Level Waste (Radioaktive Abfälle geringer Aktivität; Low Active Waste – LAW), ILW Intermediate Level Waste (Radioaktive Abfälle mit mittlerer Aktivität; Medium Active Waste – MAW). Als Aktivitätsbereich wird von der IAEA (1010 –1015 ) Bq/m3 genannt, HLW High Level Waste (Radioaktive Abfälle mit hoher Aktivität; High Active Waste – HAW). Als Aktivitätsbegrenzung ist hier von der IAEA > 1014 Bq/m3 vorgegeben, HGW Heat Generating Waste (Wärmeerzeugender Abfall), Active Waste with Negligible Heat Generation (T  3 K) (Radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung) – in Deutschland vorgenommene Klassifizierung (NHGW). Diese vier Bereiche zeichnen sich durch (sehr) unterschiedliche gesetzliche Rahmenbedingungen aus, und der momentane Stand der verschiedenen langzeitsicheren Verwahrungsmethoden (Endlagerungen) für diese Abfälle ist deshalb in hohem Maße verschieden (Tab. 2.2). Betrachtet man die bereits praxiserprobten Konzepte z. B. der Verwahrung von Grubenbauen und Halden aus Bergematerial des Uranerzbergbaus oder von Tailings 3

Es scheint nach dem neuesten Stand der Entwicklung in Europa nicht sicher, dass nicht auch in Deutschland HAW aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie zukünftig anfallen werden. Nicht anders sind politische Bemühungen zu werten, die Verankerung des Atomausstiegs im Grundgesetz erreichen zu wollen. 4 NORM steht für Naturally Occurring Radioactive Material; wenn die radioaktiven Stoffe durch technologische Prozesse angereichert wurden, spricht man von TENORM (Technologically Enhanced Natural Occurring Radioactive Material).

Abb. 2.1 Klassifizierung der radioaktiven Abfälle und Rückstände (zum Vergleich: Der m3 „Einheitsboden“, mit einer „Einheitsdichte“ von 1,6 t/m3 mit den Radionukliden U-238 – spez. Aktivität 0,04 Bq/g; U-235 – 0,05 Bq/g und Th-232 – 0,04 Bq/g enthält 1,5712 E+6 Bq)

2.1 Klassifizierung der Rückstände und radioaktiven Abfälle 15

Kap. 4

Im Buch behandelt

Kap. 4

Z. B. Rotschlamm/ Schlämme aus der Erdöl-/Erdgasgewinnung

Z. B. Betonabbruch bei Rückbau von KKW

Beispiel

Kap. 6

Betrieb und Abbruch der KKW sowie aus Medizin, Industrie und Forschung

LAW (LLW) und MAW (ILW) als NHGW In Anlagen gem. AtG § 9a

Kap. 5

Gem. BBergG und strahlenschutzrechtlicher Genehmigungsantrag nach VOAS und HaldAO Z. B. Uran-Tailings aus der Uranerzaufbereitung

Kap. 7

Kernbrennstäbe und Abfälle aus der Wiederaufarbeitung

In Anlagen gem. AtG § 9a

ÜberwachungsHAW (HLW) und bedürftige Rückstände MAW als HGW

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Z. B. Festes/flüssiges Material aus dem Kontrollbereich eines KKW mit Freigabe nach § 29 StrlSchV Kap. 4

Nicht überwachungsbedürftige Rückstände Gem. KrWG/DepV und StrlSchV auf Deponien der DK II und III

EW (aus dem VLLW Brennstoffkreislauf entlassen) Entsorgung Zur schadlosen Ver- Gem. KrWG/DepV wertung freigegeben und StrlSchV auf Deponien der DK II und III

Abfallart

Tab. 2.2 Entsorgung (Verwertung) von radioaktiven Abfällen und Rückständen gemäß Classification of radioactive waste – General Safety guide [10]; Zuordnung zu den Geotechnischen Umweltbauwerken in Kap. 4 bis 7

16 Radioaktivität in Abfällen und Rückständen

2.2 Beschreibung der Rückstände und radioaktiven Abfallarten

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ponds aus der Uranerzaufbereitung, aber auch die bisherigen Anlagen zur Endlagerung schwach und mittelradioaktiver Abfälle (in Deutschland das Endlager für Radioaktive Abfälle Morsleben, ERAM, und das planfestgestellte, aber noch nicht in Betrieb befindliche Endlager Schacht Konrad), siehe Kap. 6, so zeigt sich, dass man bei der Lösung des Entsorgungsproblems radioaktiver Stoffe auf ein breites Feld von technischen Möglichkeiten zurückgreifen kann, die aber auf den jeweiligen Standort und den zu entsorgenden Abfall zugeschnitten werden müssen. In Abb. 2.1 ist die in Deutschland derzeit etablierte Einteilung radioaktiver Abfälle und Rückstände und die Klassifikation radioaktiver Abfälle nach IAEA in einem Schema dargestellt.

2.2 Beschreibung der Rückstände und radioaktiven Abfallarten In allen vier der vorgenannten Herkunftsbereiche gibt es Teilmengen an Abfällen, die aufgrund des geringen radioaktiven Gefährdungspotenzials eine strahlenschutzrechtliche Überwachung nicht erfordern, und solche, die besondere Anforderungen an die Entsorgung stellen. Die Strahlenschutzkommission (SSK) hat eine Reihe von Empfehlungen zur Freigabe geringfügig radioaktiver Stoffe ausgesprochen, die in einer Gesamtempfehlung [7] zusammengefasst worden sind. Diese Empfehlungen basieren auf dem De minimis-Konzept5 der IAEA [8], welches für die Bevölkerung eine Dosisbegrenzung von einigen 10 µSv im Kalenderjahr für Stoffe vorsieht, die keiner Überwachung mehr unterliegen. Diese werden als Stoffe mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW) bezeichnet und unterliegen dem konventionellen Abfallrecht (KrWG)6 . Daraus ergaben sich bestimmte Anforderungen an weiterbetriebene und zukünftige Deponien (DepV) und Entsorgungsanlagen sowie die damit verbundenen Arbeitsabläufe, die Einfluss auf die Dosisberechnung haben (insbesondere Bodenabdichtung, Abdeckung, Vorbehandlung der Abfälle). Die Strahlenschutzkommission wurde vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)7 mit der Erarbeitung einer Empfehlung zur Ermittlung der Freigabewerte zur Beseitigung beauftragt. Neben den bereits genannten anzupassenden Randbedingungen wurde auch die zu unterstellende Größe (Jahreskapazität) der Entsorgungsanlagen neu bewertet. Außerdem wurde bei der jährlich angenommenen Masse freigegebener Abfälle, die einer einzelnen Entsorgungsanlage zugeführt werden, berücksichtigt, dass in Zukunft verstärkt Rückbauvorhaben mit großen Abfallströmen relevant werden können und durch die Modellierung abgedeckt sein sollen.

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De minimis-Konzept definiert eine Dosis, bei der mögliche Risiken so gering sind, dass sie außerhalb eines Regulierungsbedarfs liegen. 6 KrWG – Kreislaufwirtschaftsgesetz, DepV – Deponieverordnung. 7 Das BMU wurde mehrfach nach Aufgabenverlagerung umbenannt. Die Bezeichnung BMU subsummiert dies.

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Radioaktivität in Abfällen und Rückständen

Erzeuger großer Mengen an Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW):  Aluminiumindustrie: Rotschlämme,  Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke – Kraftwerksaschen, Rauchgasreinigungsrückstände, Wirbelschichtaschen,  Müllverbrennungsaschen: Rückstände,  Kläranlagen: Klärschlämme,  Öl- und Gasindustrie: Schlämme, Ölrückstände,  Rückbau von KKW: insbesondere Abbruchmaterial. Als Jahresmenge von Abfällen mit geringfügiger Radioaktivität in ganz Deutschland werden derzeit ca. 10.000 m3 prognostiziert, mit steigender Tendenz in den nächsten Jahren. Die schwachradioaktiven Abfälle (LAW) und mittelradioaktiven Abfälle (MAW) stammen außer aus kerntechnischen Anlagen auch aus Forschungseinrichtungen und industriellen oder medizinischen Anwendungen radioaktiver Stoffe. Typische Radionuklide in den Inventaren8 sind H-3, C-14, Co-60, Ni-63, Sr-90, Cs-137, Ra-226, aber auch Aktinide (Uran, Plutonium, Americium). Im Laufe des Genehmigungsverfahrens für die Umrüstung der Schachtanlage Konrad zum Endlager für LAW und MAW war ausschlaggebend, dass man die Zerfallswärme der abzulagernden radioaktiven Materialien und deren Einwirkung auf das Wirtsgestein in den Ablagerungsbereichen mit in die Betrachtung einbezog. Genehmigt wurde die Errichtung eines Endlagers für radioaktive Abfälle mit dem Kriterium, dass die durch die Zerfallswärme verursachte Temperaturerhöhung des Wirtsgesteins im Mittel T  3 K nicht überschritten werden darf. Genehmigt wurde letztendlich ein Radionuklidvektor [5], der die Einhaltung dieses Kriteriums garantiert, siehe Kap. 6 und 7. Zu den HAW zählen in erster Linie Brennelemente aus deutschen Kernkraftwerken sowie Abfälle aus der Wiederaufbereitung von Brennelementen aus deutschen Kernkraftwerken. Typische Radionuklide in den Inventaren sind C-14, Cl-36, Sr-90, Cs-137, I-129, Nb-94, Pu-238, Pu-239, Pu-240, Pu-241, Am-241, U-234, U-238. Bei der Endlagerung von HAW spielt neben der Aktivität die Zerfallswärme der Radionuklide wesentliche Rolle, siehe Tab. 2.3. Das Spektrum der Zerfallswärme wird mit (2–20) kW/m3 beschrieben. Man spricht von wärmeerzeugendem HAW, wenn deren Wärmeproduktion dazu führt, dass diese einen signifikanten Einfluss auf das Wirtsgestein bzw. die Ausgestaltung des Endlagers nimmt, siehe Kap. 7. Die Abfälle werden als HGW9 bezeichnet. Die Einwirkungen auf das Wirtsgestein sind erheblich und können ein bestimmendes Kriterium für die Standortwahl sein, siehe auch [9]. Abgeschwächt werden kann dies, wenn die Einlagerung Maßnahmen vorsieht, die der Wärmekonzentration entgegenwirken. Dazu gehören die Positionierung der Behälter bzw. die Anzahl der Behälter je Einlagerungskammer etc. 8 Als Endlagerinventar bezeichnet man ein genaues Bestandsverzeichnis aller Radionuklide mit weiteren kennzeichnenden, endlagerrelevanten Angaben. 9 HGW – Heat Generating Waste.

2.2 Beschreibung der Rückstände und radioaktiven Abfallarten

19

Tab. 2.3 Radionuklide von BE, die die thermische Leistung im Abklingzeitraum bis 20.000 Jahre wesentlich bestimmen Isotop Kurzlebig Sr-90 Cs-137 Minore Actiniden Am-241 Am-243 Cf-249 Cf-250 Cf-251 Cf-252 Cu-242 Cu-243 Cu-244 Cu-245 Cu-246 Cu-247 Cu-248 Np-237

T1/2 in a

Q in keV

Zerfall

28,90 30,23

2826 1176

“ “”

433 7,39 E+03 351 13,08 900 2,645 162,8 d 29,1 a 18,1 a 8,50 E+03 4,76 E+03 1,56 E+07 3,48 E+05 2,14 E+06

5486 5438 6295 6128 6176 6217 6216 6169 5902 5623 5475 5353 5162 4959

’ ’ ’ ’ ’ ’ ’ ’ ’ ’ ’ ’ ’ ’

Die thermische Leistung der abgebrannten Brennelemente (BE) sowie der verglasten Abfälle wird in den ersten 200 Jahren im Wesentlichen von den kurzlebigen Spaltprodukten Strontium-90 und Caesium-137 bestimmt, siehe Tab. 2.3. Im Zeitraum bis 100.000 Jahren tragen dann vor allem die minoren Aktiniden zur thermischen Leistung bei. Die aus U-238 umgewandelten radioaktiven Nuklide werden als Transurane (minore Aktiniden) bezeichnet. Die wichtigsten Isotope der minoren Aktiniden in abgebranntem Kernbrennstoff sind Neptunium-237, Americium-241, Americium243, Curium-242 bis -248 und Californium-249 bis -252. Zu berücksichtigende Rückstände nach Anlage XII Teil A StrlSchV entstehen bei vielen industriellen Prozessen:  bei der Erdöl und Erdgas: Gewinnung als Schlämme und Ablagerungen,  bei der Verarbeitung von Rohphosphat (Phosphorit) als Stäube, Schlacken,  bei der Gewinnung und Aufbereitung von Bauxit, Columbit, Pyrochlor, Mikrolyth, Euxenit, Kupferschiefer-, Zinn-, Seltenmetall- und Uranerz als Nebengestein, Schlämme, Sande, Schlacken und Stäube,  bei der Rauchgasreinigung bei der Primärverhüttung von Eisenerze, Nichteisenerze als Stäube und Schlämme,  als Filteraschen in Braunkohlen- und Steinkohlenkraftwerken,  etc.

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2

Radioaktivität in Abfällen und Rückständen

Die größten Mengen an Rückständen sind jedoch aus der Uranerzgewinnung und -aufbereitung der SDAG Wismut in Thüringen und Sachsen zwischen 1946 und 1991 entstanden, siehe Kap. 5 und [4].

2.3

Zeitliche Veränderung der Radioaktivität in Abfällen und Rückständen

Meist wandeln sich radioaktive Atomkerne (Radionuklide) durch Aussenden von ’-Teilchen (He-Kernen), Elektronen (“ -Teilchen), Positronen (“+ -Teilchen) oder Elektroneneinfang in andere Atomkerne um. Die Zahl der Kernumwandlungen pro Zeiteinheit ist die Aktivität, ihre Maßeinheit im SI-System das Becquerel (Bq). Ein Becquerel entspricht einer Kernumwandlung in einer Sekunde (1 Bq = 1 Zerfall/s). Durch den radioaktiven Zerfall nimmt die Aktivität von Radionukliden ab. Neben der Höhe der Aktivität bzw. Aktivitätskonzentration ist die Halbwertszeit des radioaktiven Zerfalls eine wesentliche Beurteilungsgröße für radioaktive Materialien. Die Halbwertszeit eines Radionuklids ist die Zeit, nach der die Hälfte des Materials zerfallen ist. Die in Rückständen oder radioaktiven Abfällen vorkommenden Radionuklide haben extrem unterschiedliche Halbwertszeiten – von weniger als einer Stunde bis hin zu Millionen von Jahren. Eine Endlagerrelevante Auswahl ist in Tab. 2.4 zusammengestellt. In vielen Reststoffen, die in der Nuklearmedizin oder in Laboratorien anfallen, nimmt aufgrund der kurzen Halbwertszeit ihrer Radionuklide die radiologische Relevanz schnell ab, und die Radioaktivität verliert nach einer gewissen Zeit ihre ökologische Relevanz. Für die Frage der langzeitstabilen und langzeitsicheren Lagerung radioaktiver Abfälle

Tab. 2.4 Einteilung von Radionukliden nach ihren Halbwertszeiten Bereiche von Halbwertszeiten (HWZ) Unter 1 a 1 a bis 100 a

100 a bis 10.000 a

10.000 a bis 1 Mio. a

Über 1 Mio. a

Radionuklid (Umwandlungsart) I-125(“), I-131(“)

Bemerkungen Nuklearmedizin

Rn-222(’), Po-210(’) H-3(“); Co-60(“); Sr-90(“); Cs-137(“) Ra-228(“); Pb-210(“) C-14(“); Ra-226(’) Pu-240(’); Am-241(’) Am-243 (’) Cl-36(“); Kr-81(“) Tc-99(“); Th-230(’) Pu-239(’); Pu-242(’) K-40(“); Cs-135(“) I-129(“); U-235(’) U-238(’); Th-232(’) Pu-244 (’)

Natürl. Zerfallsreihe

2.3 Zeitliche Veränderung der Radioaktivität in Abfällen und Rückständen

21

sind daher nur Radionuklide relevant, die eine so lange Halbwertszeit aufweisen, dass eine langfristige technische Abklinglagerung notwendig ist. Solche Abfälle werden im Weiteren betrachtet, und es wird berücksichtigt, ob die Zerfallsenergie zu einer für die Endlagerung relevanten Wärmeerzeugung führen kann. Eine wichtige Rolle bei der Gewinnung von Energie aus der Kernspaltung spielen Nuklide, die in den natürlichen Zerfallsreihen vorkommen. Eine Zerfallsreihe ist die Zuordnung der im natürlichen Uran und Thorium vorkommenden Radionuklide zu einzelnen Folgen radioaktiver Zerfallsprodukte. Die vier Zerfallsreihen sind in Abb. 2.2 zusammengestellt. Die Neptunium-Reihe ist heute nicht mehr zu beobachten. Sie wird deshalb auch als „prähistorische“ Reihe bezeichnet, da das bei der Entstehung der Erde vorhandene Np237 (siehe Halbwertszeit) schon gänzlich zerfallen ist. Auf künstlichem Wege ist sie wieder relevant, weil Radionuklide wie Pu-241, Np-237 und U-237 in Kernreaktoren erbrütet werden. Die Nuklide der Zerfallsreihen sind auch bei der Verwahrung von Rückständen und radioaktiven Abfällen zu berücksichtigen. Das allgemeine Zerfallsgesetz beschreibt, wie sich die Zahl der noch nicht zerfallenen Atomkerne (Aktivität A0 ) einer radioaktiven Substanz im Laufe der Zeit verringert (Aktivität A): A.t/ D A0  2

t 1=2

T

D A0  et

(2.1)

t Zeit, in der die Aktivität einer radioaktiven Substanz von A0 zu A(t) abgenommen hat, œ Zerfallskonstante der radioaktiven Substanz gemessen in 1/s. Betrachtet man 1 kg U-235 mit einer HWZ T1/2 = 703,8 Mio. a und einer Aktivität A0 = 80,0 MBq aus abgebrannten Brennelementen für sich allein, so hätte sich die Aktivität nach 10.000 Jahren auf A(10.000 a) = 79,9992 MBq verringert. U-235 ist ein sehr langlebiges Radionuklid. Erst nach 703,8 Mio. Jahren hat sich die Aktivität auf 40 MBq reduziert. Das Abklingverhalten eines Isotopengemisches in radioaktivem Abfall verhält sich nicht in dieser idealen Weise. Das liegt daran, dass, obwohl nach Erlöschen der Kettenreaktion im Reaktor keine Energie mehr durch die kontrollierte Kernspaltung freigesetzt wird und weiterhin ein spontaner Zerfall des Urans und der Spaltprodukte in den Brennstäben des Reaktorkerns stattfindet. Dabei wird Energie freigesetzt. Diese freigesetzte Energie bezeichnet man als Nachzerfallswärme. Da bei jeder Kernspaltung radioaktive Spaltprodukte entstehen, siehe auch Zerfallsreihen in Abb. 2.2, verändert sich im Laufe des Brennstoffabbrands allmählich die Zusammensetzung des radioaktiven Inventars in den Brennstäben und damit im radioaktiven Abfall. Während das Uran-235 durch die Kernspaltungen abnimmt, vermehrt sich die Menge der radioaktiven Spaltprodukte. Das Abklingverhalten und die Entwicklung des Radioaktivitätsinventars von abgebrannten Brennelementen sind in Abb. 2.3 dargelegt.

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Abb. 2.2 Radioaktive Zerfallsreihen dargestellt als Massenzahlen der Atomkerne der in der Spalte links angezeigten chemischen Elemente. Künstliche Radionuklide (gelb), natürlich vorkommende Radionuklide (grün) und stabile Endprodukte (grau). Senkrecht verlaufende Übergänge: ’-Strahler, diagonale Übergänge “-Strahler. Dargestellt sind nur solche Ketten, bei denen die Anfangsglieder Halbwertszeiten von mehr als einem Jahr aufweisen

22 Radioaktivität in Abfällen und Rückständen

2.3 Zeitliche Veränderung der Radioaktivität in Abfällen und Rückständen

23

Abb. 2.3 Radioaktivitätsinventar (Bq) von abgebrannten Brennelementen in Abhängigkeit von der Zerfallszeit (Prinzip – doppelt logarithmisch). (Siehe auch [11])

Bei Abfällen mit geringer Wärmeentwicklung und bei Rückständen (z. B. Rückständen aus der Uranerzaufbereitung) unterliegen die Zerfallsprozesse zwar den gleichen physikalischen Phänomenen, die sich daraus ergebenden Gefahrenpotenziale sind aber andere. Das Mutternuklid U-238 der gleichnamigen Zerfallsreihe hat eine Halbwertszeit (HWZ) von 4,468 Mrd. Jahren. Aus dem Zerfall entsteht Ra-226 und daraus das Radonisotop Rn222, ein Edelgas mit einer HWZ von 3,8235 d. Wegen der großen HWZ des Mutternuklids U-238 wird permanent Rn-222 produziert. Die geringe HWZ des Ra-222 ist also nicht die bestimmende Größe in diesem Zerfallsprozess, sondern die von U-238. Radon-222 zerfällt der Reihe nach in die in Abb. 2.2 eingetragenen Nuklide. Dabei handelt es sich um den vereinfachten letzten Teil der Uran-238-Reihe. Wenn Rn-222 in großen Konzentrationen über die Atemluft in die Lunge gelangt, dann lagern sich dort die nach dem Zerfall entstehenden stabilen Nuklide Pb-206 ab, die ursächlich für Lungenkarzinome sind. Innerhalb der Thorium-232-Zerfallsreihe entsteht Rn-220. Das Mutternuklid Th-232 hat eine HWZ von 14,050 Mrd. Jahren. Aus dem Rn-220 entsteht das stabile Nuklid Pb-208 (vereinfachter letzter Teil der Thorium-232-Reihe), das in der Lunge ebenfalls Karzinome verursachen kann. Es ist zu erkennen, dass in den ehemaligen Bergbaugebieten der SDAG Wismut ein Schwerpunkt darauf liegt, Radonexhalationen weitestgehend auszuschließen bzw. nur in den gesellschaftlich akzeptierten Grenzen zuzulassen.

2

Abb. 2.4 Allgemeines Zerfallsgesetz für eine radioaktive Substanz

24 Radioaktivität in Abfällen und Rückständen

2.4 Entstehung von radioaktiven Abfällen und Rückständen

25

2.4 Entstehung von radioaktiven Abfällen und Rückständen Die Entstehung von radioaktiven Abfällen und Rückständen und die dabei anfallenden Mengen sind für das Gesamtverständnis der Aufgabenstellung von Bedeutung. Zwar wird in den einzelnen Kapiteln jeweils bezogen auf die Abfallart darauf eingegangen, wie in Abb. 1.1 oder hier in Abb. 2.1, aber dennoch sollte eine zusammenfassende Darstellung nicht fehlen. In Hinblick auf die langzeitsichere Verwahrung von radioaktiven Abfällen und Rückständen kann man auf drei sehr unterschiedliche Entstehungsbereiche verweisen.

2.4.1

Entstehung bei der Gewinnung von Energie aus Kernbrennstoffen

Die nachfolgenden Teilprozesse werden als Versorgung bezeichnet, siehe Abb. 2.5. Zunächst muss der Kernbrennstoff hergestellt werden. Dies geschieht zumeist aus Uran- bzw. Thoriumerzen10 . Üblicherweise wird sich auf die Uranerze konzentriert. Nach dem Abbau von Uranerzen wird das uranhaltige Material vom übrigen Gestein getrennt, gebrochen und zermahlen. Danach wird das Uran in einer chemischen Aufbereitung aus dem Gesteinsverbund herausgelöst und gereinigt. Es entsteht ein gelbes Pulver, das zu etwa 90 % aus einer Uran-Sauerstoff-Verbindung wie Triuranoktoxid (U3 O8 ) besteht, hinzukommen Ammonium- oder Magnesiumdiuranat. Wegen des gelben Aussehens wird dies „Yellow Cake“ genannt. Die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA) überwacht die Gewinnung von Uran und Thorium und gibt im „Red book“ die jährlich produzierte Menge U3 O8 an. So betrug die produzierte Menge U3 O8 im Jahre 2016 weltweit 73.148 t gegenüber 71.343 t im Jahre 2015, siehe [6]. In diesem Teilprozess fallen bei der Gewinnung und Aufbereitung der Erze Rückstände (tailings) an. Die Rückstände aus der nass-chemischen Aufbereitung werden zumeist in Tailings ponds abgelegt. Die langzeitsichere Verwahrung von Uran-Tailings ponds ist in Kap. 5 beschrieben. Danach erfolgt die Herstellung des Kernbrennstoffs durch Anreicherung und Fertigung von Brennelementen, die dann im Reaktor abgebrannt werden. Dies geschieht in folgender Weise: Natururan und Yellow Cake bestehen hauptsächlich aus schwer spaltbarem U238 und nur zu 0,7 % aus U-235. Das ist zu wenig für das Aufrechterhalten einer Kettenreaktion in Leichtwasserreaktoren. Das Natururan muss daher angereichert werden, das heißt, der Anteil von U-235 muss erhöht werden, bis er 4–5 % U-235 enthält. Dieser Teil wird weiterverwendet. Vor der Anreicherung muss der Yellow Cake jedoch in eine für die weitere Verarbeitung geeignete Form gebracht werden. Dieser Schritt heißt Konversion. Das Uranoxid wird in Uranhexafluorid (UF6 ), eine weiße, salzähnliche Verbindung, umgewandelt. 10 In der Erdkruste kommt Thorium mit einer Häufigkeit von 7–13 mg pro kg vor; damit ist es doppelt bis dreimal so häufig wie Uran.

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2

Radioaktivität in Abfällen und Rückständen

Abb. 2.5 Radioaktive Abfälle und Rückstände im Versorgungs- und Entsorgungsprozess von KKW, ohne Rückbau

Nach dem Anreicherungsprozess bleibt in den Anreicherungsanlagen abgereichertes Uran übrig (tails oder depleted uranium genannt). Es enthält nur noch wenig Uran-235 und wird deponiert. Abgereichertes Uran ist aber kein Abfall, sondern potenzieller Kernbrennstoff zur Anreicherung und/oder zur Verwendung in schnellen Brütern. Das angereicherte Uran wird zur Brennelementfabrik transportiert, und nach mehreren Verarbeitungsschritten werden daraus Brennstäbe produziert, die je nach Reaktortyp zu unterschiedlich großen Brennelementen gebündelt werden. Die Anlagen zur Anreicherung

2.4 Entstehung von radioaktiven Abfällen und Rückständen

27

und zur Brennelementeherstellung stehen unter Kontrolle der Atomaufsichtsbehörde des jeweiligen Landes und in der Regel der IAEA. Die nachfolgenden Teilprozesse werden als Entsorgung bezeichnet, siehe Abb. 2.5. Zur Entsorgung gehören zunächst alle Rückstände aus der Gewinnung und Aufbereitung des Uranerzes, wie oben dargestellt. Die Entsorgung wird in Kap. 5 beschrieben. Durch die Kernspaltungsreaktion in den Brennelementen des Reaktors wird das Uran235 auf weniger als 0,5 % abgereichert. Die ausgedienten Brennelemente sind hochradioaktiv und strahlen eine hohe Wärmemenge ab. Sie werden im Abklingbecken des Kernkraftwerks eingelagert, bis sie auf Transporttemperatur abgekühlt sind. Danach werden sie mit Castoren ins Zwischenlager des jeweiligen Kernkraftwerkes verbracht. Dort verbleiben sie nach derzeitiger Entsorgungsphilosophie bis zur Inbetriebnahme des Endlagers für hochradioaktive, wärmeerzeugende Abfälle. Ein ausgedientes Brennelement besteht nur zu rund 4 % aus radioaktivem Abfall. Die übrigen 96 % sind grundsätzlich weiterhin als Kernbrennstoff nutzbar. In Wiederaufarbeitungsanlagen werden die wiederverwertbaren Kernbrennstoffe vom radioaktiven Abfall getrennt. Sie stehen damit erneut für die Stromerzeugung zur Verfügung. Das rezyklierte U-235 und das in den ausgedienten Brennelementen entstandene Plutoniumdioxid können zusammen mit frischem Urandioxid als sogenannter Mischoxid-(MOX-)Brennstoff erneut in den bestehenden Kernkraftwerken eingesetzt werden. Die bei der Wiederaufarbeitung zurückbleibenden hochradioaktiven Abfälle werden in Glas eingeschmolzen (Kokillen), in Stahlbehälter verpackt und in Castoren in ein Zwischenlager verbracht. Die Gesamtmenge der angefallenen und nicht wiederverwertbaren radioaktiven Abfälle wird jedoch bei der Wiederaufarbeitung eher vergrößert. Die Wiederaufarbeitungstechnologie ist seit 2005 in Deutschland gesetzlich untersagt. Während des Betriebes eines Kernkraftwerkes fallen aber nicht nur hochradioaktive, wärmerzeugende Abfälle an, sondern eine erhebliche Menge an schwach- und mittelaktiven Abfällen, die nicht aus dem Reaktorteil stammen, wie Leitungsmaterial, Wässer und Verbrauchsmaterial. Diese werden auch gesammelt und in den Landessammelstellen bzw. in Zwischenlagern am Standort bis zur Fertigstellung des Endlagers Schacht Konrad aufbewahrt. Durch den Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergieerzeugung müssen die abgeschalteten Kernkraftwerke stillgelegt und rückgebaut werden. Neben dem Rückbau des Reaktorkerns fallen auch eine Menge an Abfällen an, die entweder schwach- oder mittelradioaktiv oder Abfälle mit Radioaktivität sind (Mengen nicht überwachungsbedürftiger Abfälle), die gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) und Deponieverordnung (DepV) entsorgt werden können. Eine mengenmäßige Erfassung ist in Kap. 4, Abb. 4.1, vorgelegt. Der überwiegende Teil der anfallenden Abfälle kann auf Deponien der Deponieklasse II und III entsorgt werden. Die aus der Kernenergiegewinnung zu erwartenden radioaktiven Abfälle sind in Abb. 2.5 und 2.6 zusammengestellt.

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Radioaktivität in Abfällen und Rückständen

Abb. 2.6 Schema radioaktiver Abfälle und Rückstände im Versorgungs- und Entsorgungsprozess von KKW

2.4.2

Entstehung durch Isotopenproduktion und Anwendung der Produkte

Es gibt zwischenzeitlich eine große Anwendungsbreite von Verfahren, in denen radioaktive Isotope zum Einsatz kommen. Isotope kommen in der Natur im Allgemeinen überall in gleichen Mischungsverhältnissen vor, und es ist nun die Aufgabe, mit geeigneten Verfahren die Isotope abzusondern oder anzureichern, sodass diese genutzt werden können. Die mengenmäßig bei Weitem wichtigste Isotopentrennung ist die Urananreicherung, die

2.4 Entstehung von radioaktiven Abfällen und Rückständen

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Erhöhung des Gehalts an U-235, zur Herstellung des Kernbrennstoffs für Kernkraftwerke wie in Abschn. 2.4.1 beschrieben. Die Basis der Isotopenproduktion sind die Forschungsreaktoren und installierten Beschleuniger. Vor allem in der Nuklearmedizin, aber auch bei technischen Verfahren und in der Forschung werden radioaktive Isotope benötigt. Diese Anwendung führt auch zu radioaktiv kontaminierten Reststoffen, die nicht weiter verwendet werden können und zur Endlagerung kommen müssen. Die dabei entstehenden Mengen radioaktiv kontaminierter Reststoffe sind jedoch klein im Verhältnis zu denen aus den Versorgungs- und Entsorgungsprozessen von Kernkraftwerken. Bei den meisten radioaktiv kontaminierten Reststoffen handelt es sich um schwach- und mittelradioaktive Abfälle, die zunächst in den Landessammelstellen oder in geeigneten Zwischenlagern erfasst werden. In Forschungsreaktoren fallen auch hochradioaktive, wärmeerzeugende Abfälle an, die den gleichen Kriterien unterliegen wie die in Kap. 7 beschriebenen. Die Wirtschaftlichkeit eines Trennverfahrens ist u. a. von den Eigenschaften des Elements, dem gewünschten Anreicherungsgrad, der benötigten Menge und dem spezifischen Energieverbrauch abhängig. Geringe Mengen verschiedener Isotope lassen sich sehr exakt mithilfe von Massenspektrometern (Massenspektrografen) trennen. Gasdiffusions- und Gaszentrifugenverfahren werden heute in großem Maßstab für die Urananreicherung eingesetzt. In der jüngeren Vergangenheit wurden dynamische Trennverfahren entwickelt, wie die Laserisotopentrennung und das Kernspinverfahren. Von der Laserisotopentrennung erwartet man Trennfaktoren von 15 bis 20 bei einem niedrigen spezifischen Energieverbrauch; ihre Entwicklung wird daher vor allem in den USA sehr stark vorangetrieben. Die Isotopenproduktion unterliegt der gleichen Überwachung wie die oben beschriebene Urananreicherung, der Umgang mit den Isotopenpräparaten, Sonden, Strahlungsquellen etc. sowie deren Entsorgung wird bis zur Einlagerung in ein geeignetes Endlager staatlich überwacht.

2.4.3 Bergbauliche oder industrielle Prozesse, die zu Rückständen mit natürlich vorkommenden Radionukliden („NORM“) führen Ebenfalls unter Abschn. 2.4.1 wurde die Gewinnung und Aufbereitung von Uran- und Thoriumerzen beschrieben, die zu überwachungspflichtigen radioaktiven Rückständen führen. Es existiert aber eine ganze Reihe von industriellen Prozessen, in denen Reststoffe mit natürlich vorkommenden Radionukliden entstehen. In vielen Fällen sind diese Reststoffe nicht überwachungspflichtig und können auf Deponien, zumeist der Deponieklasse II und III, gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz und Deponieverordnung entsorgt werden. Zu diesen industriellen Prozessen gehören die Aluminiumproduktion, hier entsteht der sogenannte Rotschlamm, und Braunkohlen- und Steinkohlenkraftwerke, hier

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2

Radioaktivität in Abfällen und Rückständen

fallen große Mengen Filteraschen an. Die Freigabe radioaktiver Stoffe (§ 29 StrlSchV) kann in Deutschland uneingeschränkt oder eingeschränkt für einen bestimmten Entsorgungsweg erfolgen (z. B. die Wiederverwertung von Gebäuden oder die Beseitigung auf Abfalldeponien). Nach der Freigabe unterliegen die freigegebenen Materialien keiner weiteren Strahlenschutzüberwachung mehr und sind Abfälle im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG), siehe Kap. 3. Ein Überblick dazu ist auch in Abb. 2.1 gegeben. Die Gewinnung und Aufbereitung von Seltenen Erden sowie die Phosphatherstellung sind zwei weitere industrielle Prozesse, bei denen erhebliche Mengen an überwachungspflichtigen radioaktiven Rückständen (tailings) entstehen. Die größten Vorkommen von Seltenen Erden befinden sich in China in der Inneren Mongolei sowie in Australien (Western Australia), auf Grönland und in Kanada. China ist der mit weitem Abstand größte Produzent von Seltenen Erden, derzeit ca. 100.000 t pro Jahr. Aus Phosphorlagerstätten wurde auch Uran im Nebenprozess gewonnen. Die Produktionskosten und der Uranpreis machen diesen Nebenprozess allerdings unwirtschaftlich [6]. In China, Marokko, den USA, Jordanien und Südafrika konzentrieren sich mehr als 80 % der derzeit als wirtschaftlich abbaubar geltenden Vorkommen an Phosphatmineralien. Die weltweiten Reserven werden auf 71 Mrd. Tonnen geschätzt. Eine weitere Phosphorquelle ist Vogelkot, Guano. Guano entsteht aus den pastösen Exkrementen von Seevögeln. Ein weiterer Bereich ist die Erdöl- und Erdgasförderung, bei der jährlich Millionen Tonnen radioaktiver Rückstände als Bohr- und Förderschlämme anfallen. Diese radioaktiven Rückstände entstehen bei der Förderung an die Erdoberfläche gepumpter Schlämme und Abwässer. Sie werden als TENORM – Technologically Enhanced Natural Occurring Radioactive Material – Substanzen bezeichnet und enthalten, u. a. das hoch toxische und langlebige Ra-226 sowie Po-210. Die spezifische Aktivität der Abfälle beträgt zwischen 0,1 und 15.000 Becquerel (Bq) pro Gramm. In Deutschland, wo etwa 1000 bis 2000 t Trockenmasse im Jahr anfallen, werden die überwachungsbedürftigen Rückstände gemäß StrlSchV §§ 97–102 mit Anlage XII und Anlage XII Teil A (Schlämme und Ablagerungen aus der Gewinnung von Erdöl und Erdgas) erfasst. Dabei sind die vorgegebenen Regeln bei der Entsorgung einzuhalten. Die Bestimmung der spezifischen Aktivität der Schlämme geschieht im Labor und dient zum Einordnen von radioaktiven Stoffen bezüglich der Überwachung durch die Behörden, der Entsorgung und des Transportes. Hierzu sind die in den Rückständen vorhandenen langlebigen Radionuklide und deren spezifische Aktivität in der Deklarationsanalyse so auszuweisen, dass die Nuklidzusammensetzung der U-238- und der Th-232-Zerfallsreihe hinreichend zuverlässig angegeben werden kann. Dazu sind in der Regel die Radionuklide Pb-210, Ra-226, Ra-228 und Th228 zu bestimmen. Auf die Bestimmung von U-238 und Th-232 kann bei Rückständen der Explorations- und Produktions-Industrie (E&P-Industrie) verzichtet werden, da diese Nuklide in den Ablagerungen und Schlämmen nicht angereichert sind. Die Entsorgung hat sich an die Kriterien für die Entlassung überwachungsbedürftiger Rückstände und den

Literatur

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Transport von Schlämmen in vorgeschriebenen Stahl-IBC (Intermediate Bulk Container) mit „Innenverpackung“ (z. B. Kunststofffässer) zu halten. Als vereinfachte Nachweisführung bei Entlassung der Rückstände aus der strahlenschutzrechtlichen Überwachung ist die Einhaltung der Richtdosis von 1 mSv/a zugelassen. Der Verwertungs- oder Beseitigungsweg radioaktiver Rückstände wird in einem zugelassenen Abfallbetriebsplan des Explorations- und Produktionsunternehmens festgeschrieben, siehe Kap. 4. Aus der E&P-Industrie fällt eine erhebliche Menge an radioaktiven Quellen (z. B. aus Logging-Maßnahmen) an. Für die Beförderung radioaktiver Quellen finden sowohl strahlenschutz- als auch gefahrgutrechtliche Normen Anwendung. Es gelten die Bestimmungen der Strahlenschutzverordnung, des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter und z. B. der Gefahrgutverordnung Straße/Eisenbahn. Die Beförderung radioaktiver Stoffe ist nach StrlSchV grundsätzlich genehmigungspflichtig. Nur radioaktive Quellen geringer Aktivität sind davon befreit. Genehmigungsinhaber ist in der Regel der Betreiber der radioaktiven Quellen, meist die Logging-Firma.

2.4.4

Radioaktive Abfälle und Rückstände aus der Entwicklung, Herstellung und Aussonderung von Kernwaffen und radioaktiver Munition

Diese Art der Abfälle fallen in Deutschland nicht an, weil Deutschland keine Kernwaffen besitzt. Ein Endlager für die radioaktiven Abfälle aus der militärischen Anwendung der Kernenergie ist in Kap. 7, WIPP – USA, beschrieben. Ein Sachverhalt soll hier dennoch erwähnt werden. Zum einen wird beim Betrieb von Kernkraftwerken mit Uran Plutonium239 erbrütet. Das für den Bau einer Bombe taugliche Pu-239 wird mit rein chemischen Mitteln aus dem Abbrand eines Kernkraftwerks gewonnen, siehe Abb. 2.7. Der Betrieb von Kernkraftwerken erhöht auf diese Weise das Risiko der Weiterverbreitung von Kernwaffen. Um dieses zu minimieren, wurden verschiedene internationale Verträge geschlossen. Der wichtigste dieser Verträge ist der Atomwaffensperrvertrag. In den Kernwaffen produzierenden Ländern wie Russland, USA, Indien werden Kernreaktoren nur zu diesem Zweck betrieben. Aus der nuklearen Kette wird auch abgereichertes Uran zur Munitionsherstellung benutzt. Die Projektile der Uranmunition oder DU-Munition (depleted uranium) enthalten abgereichertes Uran. Das abgereicherte Uran enthält einen geringeren Anteil der spaltbaren Uranisotope U-234 und U-235 als Natururan und besteht damit größtenteils aus dem nicht zur Kettenreaktion fähigen Isotop U-238. Wegen der hohen Dichte des abgereicherten Urans besitzen die Geschosse große durchschlagende Wirkung (panzerbrechende Munition). Diese Munition ist schon des Öfteren bei kriegerischen Auseinandersetzungen verwandt worden. Weltweit wird die Forderung nach einem Verbot der Uranmunition erhoben.

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Radioaktivität in Abfällen und Rückständen

Abb. 2.7 Aus der nuklearen Kette entnommenes Material zur Herstellung von Kernwaffen und Uranmunition

Literatur 1. RICHTLINIE 96/29/Euratom des Rates vom 13. Mai 1996: zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen (EURATOM-Grundnormen) 2. RICHTLINIE 2013/59/Euratom des Rates vom 5. Dezember 2013: zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung und zur Aufhebung der Richtlinien 89/618/Euratom, 90/641/Euratom, 6/29/Euratom, 97/43/Euratom und 2003/122/Euratom 3. Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) von 2007; ICRPVeröffentlichung 103, verabschiedet im März 2007; Veröffentlichungen der Internationalen Strahlenschutzkommission; Deutsche Ausgabe herausgegeben vom Bundesamt für Strahlenschutz 4. Status and Results of the WISMUT Environmental Remediation Project; Presentation at the Second Joint Convention Review Meeting; Vienna, May 17th, 2006

Literatur

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5. Brennecke, P.; Steyer, St.: Endlager Konrad – Bilanzierungsvorschrift für Radionuklide/ Radionuklidgruppen und nichtradioaktive schädliche Stoffe; BfS; SE-IB-33/09-REV-1; Stand: 07. Dezember 2010 6. Lersow, M.: Energy Source Uranium – Resources, Production and Adequacy; Glueckauf Mining Reporter; Verlag der Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH, Shamrockring 1, 44623 Herne; 153(3) p. 178–194; 6/2017 7. Empfehlung der Strahlenschutzkommission: „Freigabe von Materialien, Gebäuden und Bodenflächen mit geringfügiger Radioaktivität aus anzeige- oder genehmigungs-pflichtigem Umgang“; Verabschiedet in der 151. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 12. Februar 1998; Berichte der Strahlenschutzkommission, Heft 11 8. International Atomic Energy Agency (IAEA): Principles for the Exemption of Radiation Sources and Practices from Regulatory Control. IAEA safety standards, 23 Seiten, Safety Series No. 89, ISBN 9201238886: Vienna, 1988. 9. TIMODAZ – Thermal Impact on the Damaged Zone Around a Radioactive Waste Disposal in Clay Host Rocks, (Contract Number: FI6W-CT-2006-036449), Date of issue of this report: 10/12/08 10. Classification of radioactive waste – General Safety guide – No. GSG-1, IAEA, Vienna 2009 11. Partitionierung und Transmutation, acatech STUDIE, Forschung – Entwicklung – Gesellschaftliche Implikationen; Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung (ZIRIUS) der Universität Stuttgart, Herausgeber: Prof. Dr. Dr. hc Ortwin Renn, acatech – DEUTSCHE AKADEMIE DER TECHNIKWISSENSCHAFTEN, 2014 12. Rübel A., Müller-Lyda, I., Storck, R.: Die Klassifizierung radioaktiver Abfälle hinsichtlich der Endlagerung; Gesellschaft für Anlagen und Reaktorsicherheit (GRS) mbH; GRS – 203, ISBN 2-931995-70-4; Köln, Dezember 2004

Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

3.1 Aufgabe Die Aufgabe und gleichzeitig das Ziel der Endlagerung überwachungspflichtigen radioaktiven Materials in einem Geotechnischen Umweltbauwerk1 ist es, den Übertritt sowie die Ausbreitung von Radionukliden aus dem Inventar des Endlagers in der Biosphäre dauerhaft zu verhindern. Das heißt, das Geotechnische Umweltbauwerk und die Einlagerung des radioaktiven Materials müssen so erfolgen, dass dieses Ziel mit hoher Sicherheit erreicht wird. International sind Grenzwerte für die Freisetzung von radiotoxischen Nukliden in die Biosphäre, siehe [2] und [3], festgelegt, die aber national umgesetzt werden müssen. Geotechnische Umweltbauwerke, die radioaktive Abfälle zur Endlagerung aufnehmen sollen, durchlaufen verschiedene Phasen, die alle über ihre Langzeitsicherheit mitbestimmen:  die Phase der Planung und Errichtung eines Endlagers, in der für derartige Abfälle die nach dem Atomgesetz erforderliche Schadensvorsorge nach Stand von Wissenschaft und Technik erfolgen muss,  die Betriebsphase (mit einer ausgewiesenen Betriebssicherheit und einer Betriebserlaubnis), in der die radioaktiven Abfälle angenommen und in den Einlagerungsbereichen dauerhaft abgelegt werden, 1

Ein Geotechnisches Umweltbauwerk ist dadurch gekennzeichnet, dass es mit geotechnischen Methoden und Verfahren in der Umwelt errichtet wurde. Die Umwelt als solche ist sowohl Randbedingung als auch Teil des Bauwerkes. Ein Geotechnisches Umweltbauwerk wird mit dem Ziel errichtet, sowohl der Umwelt zu dienen als auch diese vor existierenden schädlichen Einflüssen nachhaltig zu schützen. Da ein Geotechnisches Umweltbauwerk nicht ohne schonende Eingriffe in die Umwelt errichtet werden kann, muss der Nachweis vorliegen, dass das Ziel, zu dienen und zu schützen, einen schonenden Eingriff rechtfertigt. Ein Endlager muss dieser Beschreibung gerecht werden. Die radioaktiven Abfälle und Rückstände als solche sind nicht Teil des Geotechnischen Umweltbauwerkes, sondern zunächst Teil der Umwelt.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 M. Lersow, Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57822-3_3

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Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

 die Nachbetriebsphase (Stilllegungsphase), in der das Geotechnische Umweltbauwerk stillgelegt, verschlossen und überwacht wird, sowie  die Nachverschlussphase, für die das Geotechnische Umweltbauwerk langzeitsicher ausgelegt wird. Dieser Prozess muss bis zum endgültigen Verschluss des Endlagers eine Optimierung derart gestatten, dass das Ziel mit höchstmöglicher Sicherheit erreicht wird, eingeschlossen einer möglicherweise notwendig werdenden Bergung des Inventars. Das Geotechnische Umweltbauwerk wird als Multibarrierensystem errichtet. Es besteht aus den geologischen, den technischen sowie den geotechnischen Barrieren, die insgesamt den einschlusswirksamen (Gebirgs-)Bereich bilden und die in ihrem Zusammenwirken die Isolation der Abfälle für den Isolationszeitraum darin sicherstellen sollen. Für hochradioaktive Abfälle (HAW) müssen die Barrieren nach derzeitigen Vorgaben in Deutschland in der Lage sein, einen Isolationszeitraum in der Größenordnung von einer Million Jahren zu gewährleisten. Dass ein derart langer Betrachtungszeitraum (Nachweiszeitraum) nicht zu mehr Sicherheit führt, scheint aus der Diskussion unstreitig zu sein. So scheint es sinnvoller, den gesamten Betrachtungszeitraum in Zeitabschnitte mit verschieden großen Versagenswahrscheinlichkeiten einzuteilen, da die Versagenswahrscheinlichkeit über einen Betrachtungszeitraumes von 1 Mio. Jahre sich nicht konstant verhält. Dieser Ansatz soll zur Diskussion gestellt werden. Die Erreichung des Zieles und die Gewährleistung der Einhaltung der Schutzkriterien setzen sowohl eine dauerhafte Überwachung der Umgebung des Endlagerstandortes als auch ein Krisenmanagement im Falle von Grenzwertüberschreitungen (Störfallszenarien) voraus. Das Kap. 8 widmet sich fast ausschließlich der Langzeitsicherheit von Endlagern für radioaktive Abfälle, mit dem Schwerpunkt auf wärmeentwickelnde HAW. Die Langzeitsicherheit für die Endlagerung von Rückständen aus der Uranerzaufbereitung wird in Kap. 5 behandelt. Um die Systematik nicht zu verletzten, wurde eine Zusammenfassung davon auch ins Kap. 8 übernommen. In Kap. 5 wird am Beispiel der Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut gezeigt, dass ein Langzeitsicherheitsnachweis für diese Rückstände nicht gelingen kann, da eine Basisabdichtung fehlt. Um dennoch den Anforderungen zu genügen, müssen permanent Radionuklide, die im schädigenden Ausmaß aus dem Inventar über den Wasserpfad in die Biosphäre übertreten, aufgefangen werden. Sowohl das Auffangen der kontaminierten Wässer als auch deren Reinigung sind in Kap. 5 detailliert beschrieben. So wird erreicht, dass die Endlagerung der Uran-Tailings in den verwahrten Tailings ponds als langzeitsicher eingeschätzt wird und genehmigt wurde, siehe auch [30]. Anspruch der Darlegungen hier ist nicht, einen Algorithmus für die Erbringung eines Langzeitsicherheitsnachweises für einen Genehmigungsantrag einer Endlagerung von radioaktiven Abfällen und Rückständen vorzustellen. Ziel ist es, die grundlegenden Anforderungen und Zusammenhänge für einen Langzeitsicherheitsnachweis aufzuzeigen, sodass die Dimension der Aufgabenstellung deutlich wird, die bis zur Genehmigung eines

3.2 Anforderungen

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Endlagersystems für radiotoxische Abfälle und Rückstände abzuarbeiten ist. Grundvoraussetzung für eine Genehmigung ist, dass nachgewiesen ist, dass das Endlagersystem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dauerhaft den Übertritt und die Ausbreitung von Radionukliden in die Biosphäre aus dem Inventar des Endlagers, bei Zugrundelegung verschiedener wahrscheinlicher und weniger wahrscheinlicher Szenarien, verhindert wird, dass die Einhaltung der Schutzkriterien durch eine dauerhafte Überwachung der Umgebung des Endlagerstandortes gesichert und dass ein Krisenmanagement im Falle von Grenzwertüberschreitungen (Störfall/Unfall) installiert ist und dauerhaft funktionsfähig gehalten wird. Nur so kann eine Genehmigung für die Errichtung eines Geotechnischen Umweltbauwerkes als Endlagerbauwerk erreicht werden. Die Darlegungen können auch einige Anregungen zur Ausgestaltung eines Langzeitsicherheitsnachweises für ein zukünftiges Endlager für HAW in Deutschland geben.

3.2 Anforderungen Die nationalen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen legen die wesentlichen Rahmenbedingungen für die Endlagerung radioaktiver Abfälle fest. Dazu gehören u. a. das Atomgesetz (AtG), die Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) sowie das Bundesberggesetz (BBergG) mit der zugehörigen Bundesbergverordnung (ABBergV). Dazu sind die einschlägigen internationalen Empfehlungen der ICRP, der IAEA sowie der OECD-NEA zu berücksichtigen, insbesondere soweit sie Ergänzungen oder Konkretisierungen zu den nationalen Regelungen enthalten. Die Darstellung hier kann sich für die vorhandenen bzw. in Errichtung befindlichen Endlager nur an den gültigen Rechtsmaßstäben und mitgeltenden Dokumenten in Deutschland orientieren und soll für das zu entwickelnde Endlagerkonzept für hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle neben den gegenwärtigen gesetzlichen Vorgaben auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber widerspiegeln, die eine Sicherheitsphilosophie maßgeblich bestimmen. Dies sind:  Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle, Stand 30. September 2010 [4],  Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz – StandAG) vom 23. Juli 2013 [5], im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und anderer Gesetze vom 23. März 2017,  Abschlussbericht der Kommission Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe „Verantwortung für die Zukunft“ [6],  Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung und den Betrieb des Bergwerkes Konrad in Salzgitter als Anlage zur Endlagerung fester oder verfestigter radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung vom 22. Mai 2002 [7],

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Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

 Endlager Morsleben (ERAM) – betriebliche radioaktive Abfälle [8],  Stilllegung der Industriellen Absetzanlagen (IAA) der SDAG Wismut – BBergG, VOAS, HaldAO, StrlSchV, AtG etc. [9]. In den nachfolgenden Abschnitten wird aufgezeigt, dass es sich in den jeweiligen Nachweisgebieten um Einzelnachweise für die verschiedenen Geotechnischen Umweltbauwerke handelt, die eine hohe Standortabhängigkeit aufweisen. Gemeinsamkeiten in den Grundanforderungen an die Langzeitsicherheit der Geotechnischen Umweltbauwerke werden herausgestellt und die Unterschiede in der Anforderungsstruktur aufgezeigt. Dass sich diese nicht mit dem jeweiligen radiotoxischen Inventar begründen lassen zeigt allerdings, dass ein einheitliches Anforderungskonzept für alle Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen in Deutschland nicht angestrebt wurde mit der Folge, dass sich ein sehr diffuses Bild durch die unterschiedlichen Sicherheitsstandards und Auslegungen der Geotechnischen Umweltbauwerke ergibt, siehe Kap. 5, 6 und 7.

3.3 Voraussetzungen für den Endlagerstandort 3.3.1 Ortung des Standortes Wie der Name schon zum Ausdruck bringt, werden die Abfälle und Rückstände an geeigneten, vorbereiteten Standorten endgültig und dauerhaft gelagert. Es ist nicht Absicht, diese wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen. Als geeignete Standorte zur Lagerung radioaktiver Abfälle gelten in Abhängigkeit von der Abfallkategorie trockene Standorte mit genügend großem Abstand des Abfalls zu Grundwasserleitern und zu Fließgewässern sowie Standorte mit geringer Porosität und Permeabilität (Durchlässigkeit) der unmittelbaren Umgebung des Abfalls (Trockenlagerkonzept). Allerdings müssen bis zur Standortfestlegung umfangreiche Untersuchungen stattfinden, ehe ein Standort in die engere Wahl kommen kann, siehe [5]. Je größer die einzulagernde Aktivität bzw. die Radiotoxizität, die Wärmeproduktion und das Volumen des Inventars sind, desto umfänglicher fallen die Standortuntersuchungen aus. Die Einrichtung des Standortes für die Ablagerung umfasst über Tage: das Anlegen von Hohlformen wie Gräben (trenches), Gruben, Absperrungen von Tälern, Tagebaue etc. und das Einbringen einer Basisabdichtung sowie Vorbereitung der Ablagefläche, unter Tage: das Auffahren von Schächten, Kavernen, Kammern, Stollen und Strecken etc. und deren Ausbau im trockenen, standfesten und dichten Gebirge. Bei der Kategorie „Radioaktive Abfälle mit sehr geringer Aktivität“ (VLLW) handelt es sich dabei um übertägige Deponiestandorte, zumeist der Deponieklassen (DK) II und III (gem. DepV), siehe Kap. 4.

3.3 Voraussetzungen für den Endlagerstandort

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Bei der Kategorie „Rückstände aus dem Uranerzbergbau“ handelt es sich dabei größtenteils um Halden und übertägige Rückstandsspeicher (Tailings ponds), siehe Kap. 5. Bei der Kategorie „LAW und MAW mit geringer Wärmeentwicklung“, siehe Kap. 6, sind sehr verschiedene Lösungen bekannt, wie:  Endlagerung an der Oberfläche, Beispiele: – in der Slowakischen Republik (Mochovce) in zwei doppelreihigen Betonboxen [10], – amerikanische Oberflächenendlager für Abfälle aus der zivilen Nutzung, in Gräben (trenches), z. B. Savannah River Site; Aiken, South Carolina [11],  Endlagerung oberflächennah in Kavernen, Beispiele: – Hostím (tschechisch: Úložištˇe Hostím) Srbsko, Mittelböhmen, Tschechische Republik; Kaverne (Kalkstein), ebenerdiger Zugang, stillgelegt/versiegelt [25], – Himdalen 25 km östlich von Oslo, Norwegen; Kaverne (Basalt), ebenerdiger Zugang, in Betrieb [15],  Endlagerung in tiefen geologischen Formationen, Beispiele: – Endlager für Radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM), Morsleben/Sachsen-Anhalt, Deutschland; geologische Formation Salz, in Stilllegung, siehe Kap. 6, – Endlager Schacht Konrad, Salzgitter, Niedersachsen, Deutschland, geologische Formation Eisenerz, in Vorbereitung, siehe Kap. 6. Bei der Kategorie „Wärmeentwickelnde HAW“ überwiegen Endlagerbergwerke mit ganz unterschiedlichen Standortlösungen, in Abhängigkeit von der gesetzlichen und gesellschaftlichen Situation in den jeweiligen Ländern. Man kann dies mit standort- und länderspezifischen Lösungen umschreiben, siehe Kap. 7.

3.3.2 Standortsuche a) Geotechnisches Umweltbauwerk (nach Deponieverordnung) für die langzeitsichere, langzeitstabile Verwahrung von nichtüberwachungsbedürftigen Abfällen und Rückständen Die Anforderungen an den Standort sind in der Deponieverordnung (DepV) Anlage 1 beschrieben. Darin heißt es einleitend: „Die Eignung des Standortes für eine Deponie ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass das Wohl der Allgemeinheit nach § 15 Absatz 2 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes durch die Deponie nicht beeinträchtigt wird.“ Das Generalschutzziel ist das Wohl der Allgemeinheit. Dieses Schutzziel kann aber durch übergeordnete Interessen und damit durch übergeordnete Gesetze bestimmt werden. So kann sich aus einer strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung (z. B. Regionalplanung) gemäß dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG), siehe auch EGRichtlinie (85/337/EWG), und/oder aus den Nachnutzungsbedingungen des Bundesberggesetzes ergeben, dass der Standort als Deponiestandort ausgeschlossen wird. In der DepV Anlage 1 ist aufgeführt, welche Parameter des Standortes grundsätzlich zu berücksichti-

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gen sind, dazu gehören die geologischen und hydrogeologischen Bedingungen des Gebietes, Anforderungen an den Untergrund wie Durchlässigkeit und Tragfähigkeit sowie der erwartete freie Grundwasserspiegel zur Unterkante des Basisabdichtungssystems etc. b) Geotechnisches Umweltbauwerk (Tailings pond) für die langzeitsichere, langzeitstabile Verwahrung von Uran-Aufbereitungsrückständen Die Standortsuche wird zunächst dadurch bestimmt, dass die Aufbereitungsrückstände in der Nähe des Aufbereitungsstandortes abgelegt werden sollen, da der Transport ansonsten nicht effektiv und sicher gestaltet werden kann. Geeignete Hohlformen bilden aufgelassene Tagebaue und Geländeeinschnitte, die mit einem Dammbauwerk abgeriegelt werden. Ideal sind Standorte mit einer geologischen Barriere, insbesondere in der Basis (Tagebausohle). Wenn diese nicht vorhanden sind, sollte eine geotechnische Barriere (Geokunststoffdichtungen, Tondichtungen (Bentonite) etc.) eingebracht werden, um die Isolation der radioaktiven Rückstände auch zu erreichen, insbesondere als Grundwasserschutz vor austretendem hochkontaminierten Porenwasser. c) Geotechnisches Umweltbauwerk für die langzeitsichere, langzeitstabile Verwahrung von radioaktiven Abfällen Die Einrichtung eines Geotechnischen Umweltbauwerks (Endlagerbauwerk) beginnt mit der Suche nach einem geeigneten Standort. Dieser bestimmt die geologische (natürliche) Barriere. Es bieten sich mehrere Möglichkeiten an, die alle das Prinzip des Konzentrierens und Isolierens der Endlagerung radiotoxischer Abfälle ohne die Intention einer Rückholung für sich garantieren: Errichtung eines Endlagers in einem Endlagerbergwerk /EBW/ in tiefen geologischen Schichten, siehe [4], Ablegung des radioaktiven Abfalls in tiefen Bohrlöchern /TBL/, siehe [12], Endlagerung in Kavernen oder Bunkern /KuB/(oberflächennah), siehe [13] etc. Die verschiedenen Endlagerformen müssen dem Schema gemäß Abb. 3.2 entsprechen. In Deutschland werden drei geeignete Formationen von Wirtsgesteinen angetroffen: Tongestein, Salzgestein und Kristallingesteine (magmatische Formationen, z. B. Granite), siehe [14]. Diese weisen unterschiedliche Isolationspotenziale über die Betrachtungszeit aus. Das Geotechnische Umweltbauwerk (Endlager), insbesondere für wärmeentwickelnde, hochradioaktive Abfälle, muss sich dauerhaft durch Integrität, Zuverlässigkeit und Robustheit auszeichnen. Diese Anforderungen sind untrennbar miteinander verbunden. So versteht man unter der Robustheit die Unempfindlichkeit der Sicherheitsfunktionen eines Endlagersystems und seiner Barrieren gegenüber inneren und äußeren Einflüssen und Störungen sowie die Unempfindlichkeit der Ergebnisse der Sicherheitsanalyse gegenüber Abweichungen von den zugrunde gelegten Annahmen, siehe [4]. Den Erhalt der Eigenschaften des Einschlussvermögens des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs eines Endlagers bezeichnet man mit Integrität. Damit wird bereits mit der Standortwahl (einschließlich der Wahl des Wirtsgesteins) entschieden, wie ein Endlagersystem, bestehend aus den Standortgegebenheiten und den technischen und geotechnischen Komponenten des Endlagers, entwickelt und die geforderte Sicherheit gewährleistet werden kann und

3.3 Voraussetzungen für den Endlagerstandort

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welche spezifische Sicherheitsfunktionen dessen Komponenten und Teilsysteme zu erfüllen haben. Die unterschiedlichen Wirtsgesteine besitzen unterschiedliche Isolations(Rückhalte-) und Integritätseigenschaften sowohl bezogen auf den Nachweiszeitraum als auch bezogen auf die Temperatur, insbesondere gegenüber wärmeentwickelnden Abfällen, siehe [14]. Allerdings können Nachteile ggf. durch technische und/oder geotechnische Barrieren ausgeglichen werden. Wenn man unter alternativen Endlagerstandorten auswählen kann, kommt eine vergleichende Bewertung zur Anwendung. Zunächst ist es dabei notwendig, vor der Standortauswahl ein Zielsystem zu entwickeln, das die Gesamtheit aller Ziele für ein Endlagersystem umfasst. Bei der Standortauswahl als ein Bestandteil der Endlagerauswahl werden nur einige der formulierten Zielstellungen abgefragt. Mit der Standortauswahl allein kann demzufolge das Ziel der „bestmöglichen“ Sicherheit eines Endlagersystems nicht erreicht werden. Das Zielsystem ist also der Wertemaßstab, um im Vergleich zweier genehmigungsfähiger Endlagersysteme letztendlich ein im Hinblick auf den Radionuklideinschluss zu bevorzugendes Endlagersystem transparent auswählen zu können. Der Zustand der Sicherheit ist (im technischen Sinne) dann gegeben, wenn die vorgegebenen Schutzziele mit dem zur Anwendung kommenden Geotechnischen Umweltbauwerk (Endlagersystem) mit hoher Sicherheit gemäß einem Langzeitsicherheitsnachweis eingehalten werden können. „Bestsicher“ ist zunächst keine Kategorie in diesem Nachweis. Die Attribute „bestsicher“ und „bestmöglich“ sind zur Beschreibung der Sicherheit eines komplexen Endlagersystems wenig geeignet. Eine ausgewiesene Langzeitsicherheit muss zudem nicht zwangsläufig eine Genehmigung des Endlagers nach sich ziehen, wenn z. B. eine Akzeptanz in der Region nicht erreichbar ist. In [5] StandAG Teil B ist zu § 1 (Zweck des Gesetzes) vermerkt: Das Standortauswahlverfahren soll selbsthinterfragend und lernend ausgestaltet sein. Zentral für einen erfolgreich lernenden und letztlich zu einer Endlagerung mit bestmöglicher Sicherheit führenden Gesamtprozess ist der Anspruch an alle am Standortauswahlprozess beteiligten Personen und Institutionen, sich entlang des gesamten Prozesswegs der Endlagerung immer wieder selbst und gegenseitig zu hinterfragen und sich systematisch und fortlaufend in der selbstkritischen Analyse des erreichten Standes zu üben.

Damit ist eine Definition vorgegeben, mit der man das Standortauswahlverfahren starten kann. Da das Standortauswahlverfahren in Deutschland über einen sehr langen Zeitraum verlaufen wird und dessen zeitliches Ende realistisch derzeit nicht abgeschätzt werden kann, sollte die Passage: „. . . immer wieder selbst und gegenseitig zu hinterfragen und sich systematisch und fortlaufend in der selbstkritischen Analyse des erreichten Standes zu üben“ auch auf dieses Gesetz und damit auch auf die Definition „bestsicher“ und „bestmöglich“ bezogen werden. Die Errichtung eines Geotechnischen Umweltbauwerkes erfolgt bestimmungsgemäß und nach den Kriterien der Fußnote 1. Daran hat sich auch das Standortsuchverfahren zu orientieren.

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Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

Standort und Geotechnisches Umweltbauwerk für radioaktive Abfälle und Rückstände sollten nur dann in einer aufnehmenden Gemeinde (Kommune) angelegt und errichtet werden, wenn die Gebietskörperschaft (Gemeinderat, Landkreis) diesem Vorhaben zustimmt. Um die Entscheidung qualifiziert treffen zu können, ist, wo möglich, wissenschaftlich exakt und ansonsten glaubhaft durch den Betreiber auszuweisen, dass das Ziel erreicht wird, dass das radiotoxische Inventar im Betrachtungszeitraum (Nachweiszeitraum) langzeitsicher, langzeitstabil gegenüber der Biosphäre isoliert bleibt und Übertritte von Radioaktivität nur in den gesellschaftlich akzeptierten Grenzen erfolgen können. Der Nachweis sollte auch mit einer Langzeit-Umweltüberwachung belegt werden. Diese trägt dazu bei, das Vertrauen in die Sicherheit der Technik und deren Lebensdauer sowie in die prognostizierte Endlagerentwicklung wesentlich zu erhöhen. Sie ist ein wichtiges Mittel der Kommunikation. Die Isolation der radioaktiven Abfälle und Rückstände setzt voraus, dass diese so gekapselt werden, dass einerseits beim Umgang mit dem Abfall das Personal und die Umgebung (z. B. durch Transporte) keine Schäden erleiden und andererseits aus dem Endlager radiotoxische Stoffe nicht oder nur innerhalb der gesellschaftlich akzeptierten Grenzen in die Biosphäre übertreten können. Dafür wird das Endlager mit einem Multibarrierensystem ausgestattet.

3.4 Multibarrierenkonzept Unabhängig von der Quantität und Qualität der zu lagernden radioaktiven Abfälle ist es vorteilhaft, durch ein Multibarrierensystem den Austritt von Radioaktivität zu verhindern. Ein solches System kann aus aufeinander abgestimmten technischen, geotechnischen und geologischen Barrieren bestehen.

3.4.1 Multibarrierenkonzept zur langzeitsicheren, langzeitstabilen Verwahrung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität und für nicht überwachungsbedürftige Abfälle Die Ablagerung von Abfällen mit Radioaktivität und von nicht überwachungsbedürftigen Rückständen erfolgt gemäß Abfallschlüssel nach Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis (Abfallverzeichnis-Verordnung – AVV) auf übertägigen Deponien der DK II oder III. Nach der Deponieverordnung (DepV) sind vier Deponieklassen (DK) zu unterscheiden, siehe Tab. 3.1. In der Deponieverordnung sind im Anhang 1 die Anforderungen an den Standort, die geologische Barriere, Basis- und Oberflächenabdichtungssysteme von Deponien der Klasse 0, I, II und III beschrieben. Neben den drei in der DepV beschriebenen Barrieren können

3.4 Multibarrierenkonzept

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Tab. 3.1 Deponieklassen gemäß Deponieverordnung Deponieklasse Anordnung Typischer Abfall

DK 0 Übertägige Ablagerung Unbelasteter Boden – Inertabfälle

DK I Übertägige Ablagerung Bauschutt, Boden, Schlacken (mineralische Abfälle) – Siedlungsabfälle/ Gewerbeabfälle

DK II Übertägige Ablagerung Gewerbeabfälle

DK III Übertägige Ablagerung Sonderabfälle

DK IV Untertägige Ablagerung Sonderabfälle

noch drei weitere Barrieren ein allgemeines Multibarrierenkonzept eines standortspezifischen Deponieprojektes optional ergänzen:  eine mögliche Abfallvorbehandlung, diese muss mit Genehmigungsantrag vorgelegt werden,  Maßnahmen zur Beschaffenheit des Deponiekörpers, auch diese sind genehmigungspflichtig und  Nachsorge- und Reparaturmaßnahmen, diese werden von der Genehmigungsbehörde ggf. vorgeschrieben. Weitere Ausführungen dazu siehe Kap. 4.  Barriere Standort: Bei der Wahl des Standortes ist Folgendes insbesondere zu berücksichtigen: – geologische und hydrogeologische Bedingungen des Gebietes, – besonders geschützte oder schützenswerte Flächen, – ausreichender Schutzabstand zu sensiblen Gebieten, – Gefahr von Erdbeben, Überschwemmungen und anderen Naturereignissen, – Ableitbarkeit gesammelten Sickerwassers im freien Gefälle.  Barriere Basisabdichtung: Bei der Wahl des Standortes ist auf das Vorhandensein einer geologischen Barriere im Untergrund zu achten: – Bei Vorhandensein einer geologischen Barriere ist darauf zu achten, dass ein permanent zu gewährleistender Abstand der Oberkante der geologischen Barriere vom höchsten zu erwartenden freien Grundwasserspiegel von mindestens 1 m garantiert ist. – Für die Verbesserung der geologischen Barriere und technische Maßnahmen als Ersatz für die geologische Barriere sowie das Abdichtungssystem dürfen Materialien, Komponenten oder Systeme nur eingesetzt werden, wenn sie dem Stand der Technik entsprechen und wenn dies der zuständigen Behörde nachgewiesen worden ist. Zum Einsatz kommende Materialien sind Geokunststoffe, Polymere etc. – Aufbau der geologischen Barriere und des Basisabdichtungssystems nach Deponieklassen, siehe Kap. 4.

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Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

 Barriere Oberflächenabdichtung: In der Stilllegungsphase hat der Betreiber einer Deponie der Klasse 0, I, II oder III unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen zur Errichtung des Oberflächenabdichtungssystems durchzuführen. Das Oberflächenabdichtungssystem besteht aus folgenden Komponenten: mineralische Abdichtungskomponente, Schutzlage/Schutzschicht, Entwässerungsschicht, Rekultivierungsschicht, technische Funktionsschicht. Zum Aufbau der Oberflächenabdichtungssysteme nach Deponieklassen siehe Kap. 4.

3.4.2 Multibarrierenkonzept für Geotechnische Umweltbauwerke zur langzeitsicheren, langzeitstabilen Verwahrung von UranAufbereitungsrückständen Die Uran-Tailings werden zunächst aus der Aufbereitungsanlage in den zur Verfügung stehenden Hohlraum, das Sedimentationsbecken, über ein Rohrleitungssystem eingespült. Das Tailings Storage Management (TSM) ist die Kette von: Anfall der UranTailings ! Transport durch Rohrleitungssystem (Pipe Transportation) ! Ablegen in der vorbereiteten Hohlform ! Betriebsphase des Uran-Tailings pond. Die wichtigsten Funktionselemente, das Multibarrierensystem eines Geotechnischen Umweltbauwerkes zur sicheren, langzeitstabilen in situ Verwahrung von Rückständen aus der Uranerzaufbereitung (siehe Abb. 3.1) besteht aus  Absperrbauwerk (Tailings-Damm),  Oberflächenabdeckung der Tailings (geotechnisch),

Abb. 3.1 Prinzip der von Uran-Tailings ausgehenden Gefahren

3.4 Multibarrierenkonzept

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 Basisabdeckung (geologisch und/oder geotechnisch2 ),  Wassermanagementsystem (Fassung der anfallenden Oberflächenwässer, Förderbrunnen zur Grundwasserabsenkung, Wasseraufbereitungsanlage, Grundwasserbrunnen und Grundwassermessstellen, Datenerfassung, -auswertung und Interventionsplan),  Langzeitumweltmonitoringsystem. Diese Kette, die die Betriebsphase des Uran-Rückstandsspeichers (Tailings pond) beschreibt, wird in den nachfolgenden Beschreibungen nicht erfasst, da für die Uran-Tailings ponds in Deutschland (SDAG Wismut) darauf kein Einfluss mehr besteht. Das standortspezifische Geotechnische Umweltbauwerk hat die Anforderungen an eine sichere, langzeitstabile in situ Verwahrung von Rückständen aus der Uranerzaufbereitung zu gewährleisten. Die Anforderungen sind       

Erhöhung und Gewährleistung der Stabilität, Schutz gegen Infiltration der Oberflächenabdeckung, Strahlenschutz, Emissionsschutz, Grundwasserschutz, Erosionsschutz, Revegetation und Langzeitumweltüberwachung.

3.4.3 Multibarrierenkonzept für Geotechnische Umweltbauwerke zur langzeitsicheren, langzeitstabilen Verwahrung von radioaktiven Abfällen Das Endlagersystem, siehe Abb. 3.2, ergibt sich aus den detaillierten Anforderungen an eine sichere, langzeitstabile Verwahrung und aus dessen Schutzfunktion. Damit soll garantiert werden, dass die radiotoxischen Abfälle in einem einschlusswirksamen Bereich (ewG) dauerhaft verbleiben und aus diesem Bereich dauerhaft keine bzw. nur geringfügige Stoffmengen, innerhalb der gesellschaftlich akzeptierten Freigrenzen, austreten können. Mensch und Umwelt bleiben so vor den Folgen der ionisierenden Strahlung und deren toxischen Wirkungen dauerhaft geschützt. Bei Einlagerungen in tiefen geologischen Formationen ist der einschlusswirksame Gebirgsbereich (ewG), nach der Definition der BMUSicherheitsanforderungen, siehe [16], der Teil des Endlagersystems im Wirtsgestein, der im Zusammenwirken mit den technischen Verschlüssen (Endlagerbehälter, Schachtverschlüsse, Kammerabschlussbauwerke, Dammbauwerke, Versatz etc.) den Einschluss der Abfälle sicherstellt. Unter Wirtsgestein versteht man die geologische Formation, in die der einschlusswirksame Gebirgsbereich platziert wird. Das Wirtsgestein ist somit Teil des Multibarrierensystems des Endlagers. 2

Geotechnisch kann auch mineralisch sein, d. h. eine Tondichtung.

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Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

Abb. 3.2 Prinzip des Endlagersystems in tiefen geologischen Formationen. (Siehe auch [17])

3.5 Grundbegriffe der Langzeitsicherheit Die Aufgabe bzw. das Ziel der Endlagerung von überwachungspflichtigem radioaktivem Material in einem Geotechnischem Umweltbauwerk ist, das eingelagerte Material für den erforderlichen Zeitraum von den Stoffkreisläufen der Biosphäre zu trennen. Das heißt, das Geotechnische Umweltbauwerk und die Einlagerung des radioaktiven Materials müssen so ausgestattet und angeordnet sein, dass dieses Ziel auch mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht wird. Geotechnische Umweltbauwerke, die radioaktive Abfälle zur Endlagerung aufnehmen, besitzen eine Betriebsphase (mit einer ausgewiesenen Betriebssicherheit und einer Betriebserlaubnis), in der die radioaktiven Abfälle angenommen und in den Einlagerungsbereichen dauerhaft abgelegt werden, eine Stilllegungsphase, in der das Geotechnische Umweltbauwerk stillgelegt und verschlossen wird, sowie eine Nachverschlussphase (Nachbetriebsphase), für die das Geotechnische Umweltbauwerk langzeitsicher ausgelegt wird. Kap. 8 widmet sich der Langzeitsicherheit. a. Radioaktive Aufbereitungsrückstände (Tailings) z. B. aus der Uranerzaufbereitung (uranium mill tailings) werden überwiegend in Tailings ponds abgesetzt. Die Betriebsphase erstreckt sich über die Zeit des Absetzens der Uran-Tailings im pond. Danach erfolgt die Nachbetriebsphase (Stilllegungsphase), in der die Uran-Tailings eingekapselt werden. Insbesondere in der Betriebsphase gehen erhebliche Gefahren von Uran-Tailings aus, siehe Abb. 3.1. Die Strahlenexpositionen in der Umgebung von Uran-Tailings ponds, hier beispielsweise der SDAG Wismut, erfordern erhebliche Sicherheitsmaßnahmen. Bei dem eingesetzten Personal handelt es sich um strahlenexponierte Personen, die mit Personendosimetern auszustatten sind und einer ständigen arbeitsmedizinischen Überwachung unterliegen, siehe Abschn. 3.7.2.

3.5 Grundbegriffe der Langzeitsicherheit

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Die Stilllegungsphase endet mit der endgültigen Verwahrung der Tailings ponds und dem Rückbau der Tagesanlagen. Daran schließt sich die Nachbetriebsphase an, in der von den verwahrten Uran-Tailings keine oder nur gesellschaftlich akzeptierte Gefahren für die Stoffkreisläufe der Biosphäre ausgehen dürfen. Den erforderlichen Zeitraum für die Nachverschlussphase bestimmt letztendlich das zuständige Bergamt, nämlich durch die Festlegung, wann die Bergbehörde das Geotechnische Umweltbauwerk aus der Bergaufsicht entlässt. Weiter siehe Abschn. 3.6. Die Nachverschlussphase wird von einem umfangreichen, anforderungsgerechten Langzeit-Monitoring begleitet, das an die jeweilige Situation angepasst werden kann und mit einem Notfallplan verbunden sein sollte. b. Sowohl die radioaktiven Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung als auch die wärmeentwickelnden Abfälle werden (sollen) in Deutschland in einem Endlagerbergwerk langzeitsicher abgelegt (werden), siehe Abb. 3.2. Für die Betriebsphase muss eine Betriebsgenehmigung vorliegen, die auch die Annahmebedingungen und die Schutzkriterien für das Personal umfasst. In der Betriebsphase werden also die radioaktiven Abfälle angenommen und in die vorbereiteten Einlagerungsbereiche bzw. Einlagerungsfelder in vorgeschriebener Weise verbracht. Die Anlieferung erfolgt in Abfallbehältern, mit vorgeschriebener Abschirmung und bei HGW mit einem großen Isolationsvermögen bei hoher Standzeit. Die Abfallbehälter für HGW sind als technische Barriere ausgebildet und damit Teil des Multibarrierensystems. Auch hier handelt es sich bei dem eingesetzten Personal um strahlenexponierte Personen, die mit Personendosimetern auszustatten sind und die einer ständigen arbeitsmedizinischen Überwachung unterliegen, siehe Abschn. 3.7.2. Bei bestimmungsgemäßem Betrieb sind allerdings die vom radioaktiven Abfall ausgehenden Gefahren um ein Vielfaches geringer als bei den Uran-Tailings, durch den Umgang mit radioaktivem Material. Daran schließt sich die Stilllegungsphase an, in der die Einlagerungsfelder und -bereiche mit Versatz- bzw. Isolationsmaterial versetzt werden bzw. das Endlagerbergwerk in erforderlicher Weise verfüllt und durch Geotechnische Bauwerke abgeschlossen wird, sodass das eingelagerte radioaktive Material dauerhaft isoliert wird. Die Stilllegungsphase endet mit dem endgültigen Verschluss der Schächte und dem Rückbau der übertägigen Anlagen. Der erforderliche Zeitraum für die Nachbetriebsphase wird durch die Genehmigung bestimmt. Die Geotechnischen Umweltbauwerke bestehen aus den geologischen (natürlichen), den technischen sowie den geotechnischen Barrieren, die nach Art des radioaktiven Materials unterschiedlich sind, aber vergleichbare Funktionen erfüllen. In ihrem Zusammenwirken sollen diese die Isolation des radioaktiven Materials für den Isolationszeitraum sicherstellen. Ein solches Multibarrierensystem besteht aus verschiedenen Systemkomponenten, die jeweils ihren spezifischen Anteil an der Isolation der Abfälle haben. Kein Element des Multibarrierensystems ist absolut und für immer undurchlässig. Es kommt darauf an, dass die Barrieren so aufeinander abgestimmt werden, dass sich deren mecha-

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Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

Abb. 3.3 Allgemeines Schema der zeitlichen Wirkung verschiedener Barrieren im Endlagersystem, im Nachweiszeitraum 1 Mio. Jahre (nicht maßstäblich)

nische, hydraulische, chemische Wirkungen optimal ergänzen und diese z. B. die hydrochemische Mobilität der Radionuklide in den Abfallmatrizen sehr stark herabsetzen bis zur Immobilisierung, damit insgesamt ein Isolationsvermögen entsteht. Bei wärmeentwickelnden HAW übernimmt diese Funktion für eine möglichst lange Zeit der einschlusswirksame (Gebirgs-)Bereich (ewG), bevor Radionuklide freigesetzt werden und auf einem Ausbreitungspfad in die Biosphäre gelangen können. Ob überhaupt und in welcher Menge und Konzentration dies geschieht und welche radiologischen Wirkungen möglicherweise in der Biosphäre zu erwarten sind, ist Aufgabe der Sicherheitsanalyse und des Langzeitsicherheitsnachweises. Für hochradioaktive Abfälle (HAW) müssen die Barrieren (Abfallmatrizen, die Abfallbehälter, die Kammer- und Schachtverschlussbauwerke, der einschlusswirksame Gebirgsbereich (ewG) und die den ewG umgebenden oder überlagernden (geologischen) Schichten), siehe Abb. 3.3, nach derzeitigen Vorgaben in Deutschland in der Lage sein, einen Isolationszeitraum in der Größenordnung von 1 Mio. Jahre zu gewährleisten. Für das allgemeine Verständnis ist es wichtig, dass es sich bei den oben aufgeführten Barrieren um passive Sicherheitsbarrieren handelt. Gemessen an der Geschichte der Menschheit sind 1 Mio. Jahre ein sehr langer Zeitraum. Über die Dauer des Nachweis- oder Betrachtungszeitraums bei der Endlagerung von HGW-HAW gibt es international divergierende Auffassungen. Dies ist u. a. auch dadurch begründet, dass die mit der Endlagerung in Zusammenhang stehenden Risiken, auch mit sehr langen Betrachtungszeiten, nicht vollständig beseitigt werden können. Dieses verbleibende Restrisiko mit den Teilrisiken wird international unterschiedlich bewertet, sodass sich daraus auch unterschiedliche Betrachtungszeiträume (Nachweiszeiträume) ableiten, die wiederum Einfluss auf den Langzeitsicherheitsnachweis haben. Letztendlich

3.5 Grundbegriffe der Langzeitsicherheit

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entscheidet die nationale Genehmigungsbehörde über den Antrag zur Errichtung eines Endlagerbauwerkes. Die Betrachtung der Langzeitsicherheitsnachweise für Geotechnische Umweltbauwerke (Endlagerbauwerke) für die einzelnen Arten radioaktiven Materials soll natürlich nicht verschleiern, dass erhebliche Unterschiede in den Gefährdungspotenzialen bestehen, allerdings auch in den Sicherheitsvorkehrungen. Unter einem Langzeitsicherheitsnachweis wird der Nachweis der dauerhaft sicheren, stabilen Isolation von radioaktiven Abfällen und Rückständen in einem Geotechnischen Umweltbauwerk verstanden. Dabei ist die Robustheit, Integrität und Zuverlässigkeit des Endlagersystems über den Betrachtungszeitraum nachzuweisen, siehe Kap. 8.  Bei Deponiebauwerken gemäß Verordnung über Deponien und Langzeitlager (DepV) werden Langzeitsicherheitsnachweise im Allgemeinen nicht geführt. Die Abfälle werden zwischen der Oberflächen- und der Basisabdichtung eingeschlossen. Bei Einlagerungen in Hohlformen gehören die Dämme (Böschungen) mit zum Dichtungssystem. Die Abfallbehörde entscheidet auf Antrag des Betreibers darüber, ob der Deponiestandort aus der (Grundwasser-)Überwachung entlassen wird. Der Standort bleibt aber als Altablagerung im Bodenkataster auf unbegrenzte Zeit registriert. Die Errichtung der Deponie setzt im Regelfall für DK (Deponieklasse) II und III ein Planfeststellungsverfahren nach Bundes-Immissionsschutzgesetz (BimSchG) mit Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) voraus, siehe Kap. 4. – Uran-Rückstandsspeicher (Uran-Tailings ponds) unterliegen dem Bundesberggesetz-BBergG. Die langzeitsichere, langzeitstabile Verwahrung eines Tailings ponds

Abb. 3.4 Prinzip des Conceptual Site Model (CSM)

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Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

erfolgt weltweit auf der Grundlage eines Standortsanierungskonzeptes (Conceptual Site Model, CSM) [18] und [19], siehe Abb. 3.4. Die langzeitsichere, stabile Verwahrung der Uran-Tailing ponds erfolgt in Deutschland nach einem vom zuständigen Bergamt zugelassenen Abschlussbetriebsplan. Dieser Abschlussbetriebsplan basiert auf einem Conceptual Site Model (CSM). Standortbezogen wird die Abkapselung der radioaktiven Rückstände durch die folgenden Funktionselemente garantiert: Uran-Tailings-Abdeckung (Multifunctional Cover System), die Dammbauwerke und eine geologische und/oder geotechnische Basisabdichtung. Die zur Anwendung kommende Verwahrtechnologie ist, da standortspezifisch, immer ein Unikat. Daher müssen das Optimierungskriterium und die Langzeitsicherheitsuntersuchungen und -nachweise jeder Verwahrungstechnologie sich immer an der Erreichung der standortspezifischen Zielsetzungen orientieren. Allerdings haben diese auch objektiven Kriterien zu folgen [20]. Weltweit anerkannt ist, dass der Langzeitsicherheitsnachweis hinsichtlich der mechanischen, hydromechanischen, chemischen und radiologischen Sicherheit für die standortspezifischen Umweltbauwerke für einen Zeit von 1000 Jahren zu führen ist (in Ausnahmen für nur 200 Jahre). Dieser Zeitraum wird auch hier als Betrachtungszeitraum (Nachweiszeitraum) bezeichnet. Ein Betrachtungszeitraum von 1000 Jahren ist aber wissenschaftlich nicht belegt. Für den Strahlenschutz sind Grenzwerte einzuhalten: – in den USA eine Radonexhalationsrate von RER  20 pCi m2 s1 , – in Deutschland eine Strahlenexposition von ODL  0,3 µSv/h. Die zur Anwendung kommenden Geotechnischen Umweltbauwerke müssen insbesondere verhindern, dass radio-toxische Kontaminationsübergänge ins Grundwasser stattfinden. Für die einzelnen Stoffe sind Grenzwerte festgeschrieben, in den USA im US Code of Federal Regulations (CFR) [21], in Deutschland durch die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission [22].  Errichtung, Betrieb und Verwahrung müssen vom zuständigen Bergamt in separaten Verfahren zugelassen werden. Beim Nachweis, dass alle relevanten Umweltdaten nach Verwahrung sich innerhalb der vorgegebenen Grenzwerte bewegen, kann auf Antrag des Betreibers der Standort des Uran-Rückstandsspeichers (Tailings pond) vom zuständigen Bergamt aus der Bergaufsicht entlassen werden. Die Akte mit der Abschlussdokumentation des Standorts mit allen relevanten Daten verbleibt aber dauerhaft im Kataster des zuständigen Bergamts. Dies bietet auch einen gewissen Schutz gegen menschliche Eingriffe von außen (bewusst und/oder unbewusst) in das Endlager (Human Intrusion Szenario).  Auch für die Endlagerung hochradioaktiver, wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle ist zunächst ein Standortauswahlverfahren durchzuführen. Bei der Standortauswahl werden Langzeitsicherheitsanalysen für verschiedene Standorte mit ggf. verschiedenen Wirtsgesteinen und damit auch mit verschiedenen, auf das jeweilige Wirtsgestein ab-

3.5 Grundbegriffe der Langzeitsicherheit

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gestimmten, technischen und geotechnischen Barrieren verglichen. Dies setzt zunächst die Entwicklung von Vergleichsgrößen, Methoden und Werkzeugen sowie Zielstellungen, möglicherweise mit Wichtungen von Ergebnissen einzelner Betrachtungen dazu, voraus, um den Vergleich von Langzeitsicherheitsanalysen zu unterschiedlichen Endlagersystemen in unterschiedlichen Wirtsgesteinstypen führen zu können. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, wissenschaftlich-technische Grundlagen für einen sicherheitsgerichteten, methodisch systematischen und transparenten Vergleich zwischen bereits für sich als sicher ausgewiesenen Standorten zu erarbeiten und damit einen relativ besten, genehmigungsfähigen Endlagerstandort für HGW-HAW vorzuschlagen, für den parallel auch Akzeptanz angestrebt werden sollte. Bei dem genehmigungsfähigen Endlagermodell handelt es sich also auch um ein Conceptual Site Model (CSM). Um die möglichen Arten der Endlagerung in verschiedenen Wirtsgesteinsarten (Endlagerbergwerk /tiefe Bohrungen/Kavernen etc.) gegeneinander abwägen zu können, müssen die sicherheitsrelevanten Funktionselemente zusammengestellt werden, die für den Sicherheitsnachweis in Betracht kommen. Gemäß [4] sind dies folgende:  Barrieren (natürliche, technische oder geotechnische): Abfallmatrizen, Abfallbehälter, Kammer- und Schachtverschlussbauwerke, der einschlusswirksame (Gebirgs-)bereich (ewG) und die diesen umgebenden oder überlagernden (geologischen) Schichten.  Bergungsmöglichkeit radioaktiver Abfälle: Während der Betriebszeit des Endlagers muss die Rückholbarkeit der radioaktiven Abfälle möglich sein. Im Notfall müssen die Behälter auch 500 Jahre nach Verschluss des Endlagers geborgen werden können.  Deckgebirge: die den einschlusswirksamen Gebirgsbereich überlagernden geologischen Schichten.  Einschluss: Radioaktive Abfälle sind in einem definierten (Gebirgs-)bereich so eingeschlossen, dass sie im Wesentlichen am Einlagerungsort verbleiben und allenfalls geringe Stoffmengen diesen (Gebirgs-)bereich verlassen.  Einschlusswirksamer (Gebirgs-)bereich: Teil des Endlagersystems, der im Zusammenwirken mit den technischen Verschlüssen (Schachtverschlüsse, Kammerabschlussbauwerke, Dammbauwerke, Versatz, . . . ) den Einschluss der Abfälle sicherstellt – die Integrität dieses (Gebirgs-)bereichs muss über den Nachweiszeitraum von 1 Mio. Jahre sichergestellt sein.  Endlagerbauwerk: bestehend aus unterschiedlichen Komponenten wie Schächten, Strecken, Kammern mit den darin eingelagerten Abfallgebinden, Versatz- und Dichtelementen.  Endlagersystem (Geotechnisches Umweltbauwerk): bestehend aus dem Endlagerbergwerk, dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich und den umgebenden oder überlagernden geologischen Schichten bis zur Erdoberfläche, soweit sie sicherheitstechnisch bedeutsam sind.

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Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

Im Falle einer geologischen Tiefenlagerung erhöht eine ausreichende Größe des Wirtsgesteins (Mächtigkeit, Ausdehnung) die Wahrscheinlichkeit, dass hinreichend große, ungestörte Bereiche gefunden werden, die die an den einschlusswirksamen Gebirgsbereich gestellten Anforderungen erfüllen und in die die Abfälle eingelagert werden können. Auch sind gleichförmige Gesteinsformationen und vergleichsweise einfache geologische Verhältnisse zuverlässiger charakterisierbar und ihre Eigenschaften besser prognostizierbar. Nach derzeitiger Philosophie ist eine ausreichende Tiefenlage erforderlich, da die geologische Stabilität, insbesondere gegenüber Veränderungen der Umwelt an der Erdoberfläche, generell mit der Tiefenlage zunimmt, die Störungen allerdings auch. Diese Parameter sind nur einige wenige, die bei den verschiedenen Wirtsgesteinsarten (Tongestein, Salzgestein und Kristallingesteine) sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Auf das jeweilige Wirtsgestein abgestimmt wurden verschiedene Abfallbehälter- und Abfallmatrizen entwickelt, die individuelle Nachteile von Wirtsgesteine ausgleichen können. Das Gegenargument, dass geologische Formationen über sehr lange Zeiträume ihre Beständigkeit nachgewiesen haben und technisches oder technogenes Material eben nicht, vergisst, dass die technischen und technogenen Materialien die Chance auch noch nicht hatten, den Nachweis zu erbringen, Alterung von geologischem Material bisher aber auch noch nicht über so lange Zeiträume untersucht wurde. Da die Erde nicht zum Zwecke eines Endlagers geschaffen wurde und sich somit dafür nicht im Idealzustand befindet, gilt es aus Sicht des Autors durchaus nicht als ausgemacht, dass nur geologische Tiefenlager infrage kommen. Das heißt, ein ingenieurstechnischer Aufbau des Endlagers einschließlich seiner überlagernden Schichten könnte grundsätzlich geeignet sein. Dies wäre allerdings zukünftig noch nachzuweisen, und vielleicht ergreifen nachfolgende Generationen ganz andere Handlungsoptionen und kommen zu anderen Entscheidungen. Die Chance dazu müssen wir den zukünftigen Generationen lassen. Aus derzeitiger Sicht kann als Verfahrensvorschlag gelten, dass auch ein ingenieurstechnischer, geotechnischer Aufbau des Endlagers einschließlich seiner überlagernden Schichten grundsätzlich geeignet sein könnte. Zu diesem Zweck erfolgt der Langzeitsicherheitsnachweis, in den alle Barrieren und damit Materialien, natürliche, geotechnische und technische, einbezogen sind. Wenn die Zeitdauer der Bergbarkeit bei 500 Jahren in Deutschland belassen und die internationale Kooperation in der Forschung und Auslegung von Endlagern verstärkt wird, werden nachfolgende Generationen von der Endlagerentwicklung der derzeitigen Generation profitieren können. Mit einem Langzeitsicherheitsnachweis bei der Endlagerung von wärmeentwickelnden HAW3 wird wissenschaftlich dargelegt, ob von dem Endlager während der nächsten 1 Mio. Jahre radiologische Auswirkungen auf die Biosphäre ausgehen können und in welchem Maße. Dazu werden die denkbaren zukünftigen Zustände, Ereignisse und Prozesse wie beispielsweise die thermische Beeinflussung des Wirtsgesteins, Subrosion, Gasbildung, menschliche Eingriffe von außen (Human Intrusion Szenarios) oder die Ausbildung einer Eiszeit zu Szenarien kombiniert. In numerischen Simulationen werden Konsequen3

HGW-HAW.

3.6 Krisenmanagement/Notfallplan

53

zen dieser Szenarien ermittelt, um nachzuweisen, ob oder wie das Eindringen von Fluiden aus dem Deck- und Nebengebirge in den ewG möglich und wann und wie ggf. das Austreten von Fluiden und Gasen aus dem ewG zu erwarten ist bzw. wie wahrscheinlich diese Zustände sind. Die numerischen Lösungen werden ergänzt durch Naturbeobachtungen bzw. natürliche Analoga und durch Sicherheitsindikatoren als Instrumente zur Vertrauensbildung und Glaubhaftigkeit der Ergebnisse, da über einen derart langen Zeitraum das Verhalten des Endlagers und seiner Elemente nicht sicher prognostiziert werden kann. Ein wichtiges Element des Langzeitsicherheitsnachweises für ein Endlager für radioaktive Abfälle ist also die Langzeitsicherheitsanalyse. In ihr wird das zukünftige Verhalten des Endlagers untersucht und die mögliche zukünftige Strahlenexposition am Standort des Endlagers ermittelt. Die Endlagerung muss sicherstellen, dass Freisetzungen radioaktiver Stoffe aus dem Endlager langfristig die aus der natürlichen Strahlenexposition resultierenden Risiken nur unwesentlich erhöhen. Für weniger wahrscheinliche Entwicklungen in der Nachverschlussphase ist nachzuweisen, dass die durch Freisetzung von Radionukliden, die aus den eingelagerten radioaktiven Abfällen stammen, verursachte zusätzliche effektive Dosis für die dadurch betroffenen Menschen 0,1 Millisievert pro Jahr nicht überschreitet. Dem Autor ist bewusst, dass der Nachweis der Sicherheit in der Nachverschlussphase des Endlagers nicht im streng wissenschaftlichen Sinne geführt werden kann, da sich die potenziellen Konsequenzen aus der Implementierung des Endlagers einer messtechnischen Überprüfung oder Verifizierung aufgrund des langen Betrachtungszeitraumes (Nachweiszeitraum) entziehen und insofern eine Prognose darstellen. Die Erreichung des Zieles, die Einhaltung der Schutzziele zu gewähren, setzt sowohl eine dauerhafte Überwachung des Endlagerstandortes und seiner Umgebung als auch ein Krisenmanagement im Falle von Überschreitungen von Eingreifrichtwerten voraus, siehe Kap. 8 und Abschn. 3.9.

3.6 Krisenmanagement/Notfallplan Bei der Endlagerung, insbesondere von überwachungspflichtigem radioaktivem Material, können Zustände eintreten, die so nicht prognostiziert waren und zu erheblichen, irreparablen Schäden in der Biosphäre führen können, z. B. Austritte großer Mengen Radioaktivität aus dem Endlager bei Verlust der Integrität. Um eine solche Krisensituation aufzulösen, bedarf es eines Krisenmanagements und eines Notfallplans. Zum Krisenmanagement bei der Endlagerung von HGW-HAW4 gehören die Terme Reversibilität/ Rückholbarkeit/Bergbarkeit, die Teil des Sicherheitskonzeptes sind.

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Für radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung gilt Ähnliches.

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Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

Der Begriff der Reversibilität (reversibility) ist in [23] wie folgt definiert: The more general concept of reversibility denotes the possibility of reversing one or a series of steps in the planning or development of the disposal facility. This implies the review and, if necessary, re-evaluation of earlier decisions, as well as availability of the means (technical, financial, etc.) to reverse a step.5

Die Übertragung ins Deutsche beschreibt Reversibilität (Umkehrbarkeit) als die Möglichkeit, Entscheidungen, die während des Standortauswahlverfahrens und während des Baus eines Endlagers getroffen worden sind, nochmals zu revidieren und neu zu überdenken. Umkehr ist dabei die konkrete Handlung, eine Entscheidung zu revidieren und in eine frühere Phase des Standortauswahlverfahrens zurückzuspringen. Während in früheren Endlagerkonzeptionen nach dem Prinzip geplant wurde, das Endlager nach dem Betrieb so schnell wie möglich stillzulegen und zu versiegeln, und dies damit begründet wurde, den nachfolgenden Generationen das Problem der Endlagerung radioaktiver Abfälle nicht aufbürden zu dürfen, hat die jetzt in Gang gekommene Diskussion verinnerlicht, dass die mit der hier zu lösenden Aufgabe verknüpfte „sogenannte Generationengerechtigkeit“ aus folgenden Gründen nicht gefährdet ist: a. Die nachfolgenden Generationen werden aufgrund der Langlebigkeit der Radionuklide mit Endlagern für radioaktive Abfälle konfrontiert werden, ob sie wollen oder nicht. Dabei muss den Folgegenerationen auch, zumindest vom Prinzip her, die Möglichkeit gegeben werden, eingreifen, ihre Ideen einbringen, Entscheidungen revidieren und möglicherweise umkehren (Auflösung des Endlagers, Bergung des Inventars) zu können. b. Das Prinzip der schnellen Stilllegung nimmt den nachfolgenden Generationen die Möglichkeit, Entscheidungen vorhergehender Generationen revidieren und neue Technologien und Verfahren installieren zu können. c. Häufig übersehen wird, dass auch nachfolgende Generationen Endlager für radioaktive Abfälle werden errichten müssen, weil in vielen Ländern die friedliche Nutzung der Kernenergie auf lange Sicht erhalten werden wird. Da kann es von Nutzen sein, auf Ergebnisse und Erkenntnisse bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle zurückgreifen zu können und diese mit eigenen Erkenntnissen so zu verschneiden, dass damit das Sicherheitsniveau, die Robustheit und Integrität der Endlager auch über sehr lange Zeiträume mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgewiesen werden können. d. Überhaupt keine Veranlassung besteht, bei der Endlagerung von wärmeentwickelnden HAW zu großer Eile zu drängen, weil die Zwischenlagerkapazitäten, zumindest 5

Übersetzung von Lersow ins Deutsche: Der allgemeinere Begriff der Reversibilität bezeichnet die Möglichkeit, eine oder mehrere Schritte bei der Planung oder Entwicklung der Entsorgungsanlage umzukehren. Dies beinhaltet die Überprüfung und ggf. Neubewertung früherer Entscheidungen sowie die Verfügbarkeit der Mittel (technisch, finanziell etc.), um einen Schritt rückgängig zu machen.

3.6 Krisenmanagement/Notfallplan

55

in Deutschland, ausreichend vorhanden sind; allerdings werden bislang die Betriebsgenehmigungen nur für eine Zeitdauer von 40 Jahren erteilt. Es könnte Teil einer deutschen Endlagerkonzeption werden, Pilotlager zu konzipieren und zu errichten, in die die wärmeentwickelnden HAW übernommen und von dort dann in ein Endlager überführt werden, siehe Kap. 7. International scheint diese Idee aufgenommen zu werden. e. Die wichtigste Fragestellung für die nachfolgenden Generationen ist, ob sie für die radioaktiven Abfälle der heutigen Generation finanziell aufkommen müssen. Unter anderem dieser Fragestellung widmet sich Kap. 7. Ob die gesetzlich fixierte Fondseinlage von ca. 24 Mrd. C ausreichend sein wird, um die zu finanzierenden Aufgaben abzudecken [24], hängt auch davon ab, wie es in Deutschland gelingt, ein Endlagerkonzept für HGW-HAW zu entwickeln und effektiv umzusetzen. Anwendung findet das Prinzip der Reversibilität (Umkehrbarkeit) bei radioaktiven Rückständen, insbesondere bei Uran-Aufbereitungsrückständen. In Conceptional Site Models (CSM) werden sogenannte branching points (Verzweigungspunkte) eingeführt, an denen das Modell nochmals überprüft und entschieden wird, welcher Weg zukünftig eingeschlagen werden soll oder ob möglicherweise nochmals ein Rücksprung im Verfahren um einen oder mehrere Schritte erfolgt, siehe Benchmarks in Abb. 3.4 und Abschlussbetriebsplan – Sanierungsziele und Nebenbestimmungen. CSM werden international bei der langzeitsicheren Verwahrung von Uran-Rückstandsspeichern angewandt, in den USA aber auch für schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Es wäre deshalb nur konsequent, wenn CSM auch im Prozess der Entwicklung eines für wärmeentwickelnde HAW Anwendung finden würden, siehe Conceptual Site Model for Disposal of Depleted Uranium at the Clive6 Facility [19]. Insbesondere bei der Optimierung eines Endlagerkonzeptes von der Planung bis zum Verschluss eines Endlagers könnten CSM Bedeutung erlangen. Dies trifft sowohl für die Formulierung der Optimierungsziele als auch für deren Erreichung zu. Optimierungsziele sind      

Strahlenschutz in der Betriebsphase, Langzeitsicherheit, Betriebssicherheit des Endlagers, Zuverlässigkeit und Qualität des langfristigen Einschlusses der Abfälle, Sicherheitsmanagement, technische und finanzielle Realisierbarkeit.

Mit der Reversibilität eng verbunden sind die Begriffe Rückholung und Bergung. Es handelt sich hierbei um geplante Möglichkeiten, während der Betriebsphase (Rückholung) eines Endlagers und in der nachfolgen Nachbetriebsphase/Offenhaltung (Bergung), 6

Clive ist eines der drei lizenzierten, kommerziell betriebenen Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in den USA. Diese Endlager befinden sich in Barnwell (South Carolina), Richland (Washington) und Clive (Utah).

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Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

in Deutschland derzeit veranschlagt mit 500 Jahren, die Endlagerbehälter wieder an die Oberfläche zu holen, siehe [4]: „Maßnahmen, die zur Sicherstellung der Möglichkeiten zur Rückholung oder Bergung getroffen werden, dürfen die passiven Sicherheitsbarrieren und damit die Langzeitsicherheit nicht beeinträchtigen.“ Mit Rückholung und Bergung gehen aber immer erhöhte Gefahren der Strahlenbelastung für das Personal einher. Dies sollte bei der Planung von Rückholbarkeit und Bergung bedacht werden, ebenso die gerätetechnische Ausstattung bis hin zum Einsatz von Robotern und die Lagerungsmöglichkeiten des Bergematerials in solchen Prozessen. Von diesen Betrachtungen ausgenommen werden bisher die Betriebsphase des Endlagers und das Abfallmanagement vom Entstehungsort bis zur Einlagerung in ein Endlager. Die Kette: Entstehungsort ! Zwischenlager ! Konditionierungsanlage ! Transport ! Annahme im Endlager sollte aus Sicht des Autors aber Bestandteil einer Endlagerkonzeption sein.

3.7 Vorhandene Gefahrenquellen und präventive, optimierte Sicherheitsvorkehrungen Nachfolgend sollen die Gefahren auf die Biosphäre, Einzelpersonen und Personengruppen, die von radioaktiven Abfällen und Rückständen ausgehen und die während der gesamten Lebensdauer der sie aufnehmenden Geotechnischen Umweltbauwerke existent bleiben, zusammengestellt und die Maßnahmen herausgestellt werden, die diese Gefahren nicht eintreten lassen und/oder auf eine nicht schädigende Größe begrenzen. Die Kette: Entstehungsort ! Zwischenlager ! Konditionierungsanlage ! Transport ! Annahme im Endlager ist in die Betrachtungen einbezogen. Dabei ist wichtig, dass in der Betriebsphase und Stilllegungsphase von den radioaktiven Abfällen der Uran-Rückstandsspeicher Gefahren ausgehen, die sich anders darstellen als die, die in der Nachverschlussphase von den eingekapselten radioaktiven Rückständen oder von einem verschlossenen Endlager erwartet werden können, siehe Abb. 3.1. Die grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen sind in [1] definiert und zusammengestellt und in nationales Recht umgesetzt. Daran haben sich auch die nachfolgenden Darlegungen zu orientieren.

3.7.1 Uran-Rückstandsspeicher (Tailings ponds) Uran-Rückstandsspeicher, Inventare, Langzeitsicherheit etc. sind in Kap. 5 eingehender beschrieben. Zur Darstellung der von Rückstandsspeichern ausgehenden Gefahren ist zunächst wichtig, die Gefahrenquellen zu kennen. So werden bei der Aufbereitung von Erzen enorme Mengen Erze zerkleinert, gemahlen und dann einem chemischen und/oder mechanischen Trennungsverfahren unterworfen. Die Prozessrückstände werden z. B. in übertägige Rückstandsspeicher als Suspension eingespült und gespeichert, siehe Abb. 5.4.

3.7 Vorhandene Gefahrenquellen und präventive, optimierte Sicherheitsvorkehrungen

57

Daraus ergibt sich, dass die festen Bestandteile der in den Speicher eingespülten Suspension sedimentieren und so eine wassergesättigte Feststoffschicht entsteht, deren Mächtigkeit im Laufe der Zeit anwächst. Sedimentationsbecken wären eine mögliche Beschreibung für diese Art der Speicherung von Aufbereitungs-Tailings. Allerdings bildet sich je nach Klimazone oberhalb der wassergesättigten Feststoffschicht eine Flüssigkeitsschicht aus Prozesswasser und zusitzendem Oberflächenwasser. Der Rückstandsspeicher wird allgemein als „Teich“ (pond) wahrgenommen, woraus sich auch die Bezeichnung Tailings pond – Rückstandsteich – abgeleitet hat. Wasser oder Flüssigkeit ist aber zunächst ein guter Schutz gegen austretende Radioaktivität. Verwiesen wird hier auf kanadische Uran-Tailings ponds, die meistens mit einer Klarwasserlamelle bedeckt werden. Dieser Schutz kann in der Betriebsphase der UranTailings ponds allerdings erheblich „durchlöchert“ werden, insbesondere durch Verdunstung. Dies führt zur Freilegung, insbesondere der Strände (Tailings beach). Radonausdunstungen, Verwehungen von radioaktivem Staub und Gammastrahlung führen zu erheblichen Strahlenbelastungen im Umfeld von Uran-Tailings ponds, so auch bei den hier beschriebenen der SDAG Wismut, siehe Abb. 3.1. Die von Uran-Tailings ponds, insbesondere der SDAG Wismut, ausgehende schädigende Wirkung kann folgendermaßen beschrieben werden: Staub haftet sich an Kleidung an, wird eingeatmet, gelangt ins Grundwasser, in die Böden und wird mit dem Wind in der Umgebung verteilt und dort abgelagert, sodass sich daraus auch die Möglichkeit ergibt, dass Radiotoxizität in die Nahrungskette gelangt, siehe Abb. 3.10 und 9.8, mit den bekannten Folgen. Geschädigt wurde auch das Personal der SDAG Wismut, wie aus der Statistik der anerkannten Krebsfälle bei der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie (RCI)7 zu entnehmen ist. Die Schädigung der Bevölkerung ist nicht gemessen worden, ließe sich aber aus dem Krebsregister in den Regionen Sachsens und Thüringens ermitteln. Mit der deutschen Wiedervereinigung und dem Beginn der Sanierung der Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut waren die Strahlenbelastungen nicht gleich verschwunden. Es folgte ein langwieriger Sanierungsprozess der sogenannten Wismut-Region in Sachsen und Thüringen, der bis heute andauert, weiter siehe Kap. 5.

3.7.2

Schäden von Einzelpersonen bei direktem Kontakt und Strahleneinwirkung – Strahlenschutz

Die radioaktive Kontamination von Stoffen wird als Aktivität eines Radionuklids pro Masse (spezifische Aktivität, Einheit Bq/kg) oder als Aktivität pro Volumen (Aktivitätskonzentration, Einheit Bq/l oder Bq/m3 ) angegeben. In einigen Fällen ist es auch sinnvoll, die Aktivität auf die Fläche zu beziehen, wie z. B. bei der Ablagerung von Radionukliden auf dem Erdboden. Um Aussagen über die mögliche gesundheitliche Gefährdung 7

In die Berufsgenossenschaft RCI ist die Bergbau-Berufs-Genossenschaft (BBG) aufgegangen.

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3

Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

des Menschen machen zu können, muss die gemessene Aktivität (pro Masse oder Volumen) eines radioaktiven Stoffes in eine Dosis (Organdosis oder effektive Dosis, Einheit Sv) umgerechnet werden. In der Strahlenschutzverordnung und in der Röntgenverordnung sind Dosisgrenzwerte für beruflich strahlenexponierte Personen und für die allgemeine Bevölkerung festgelegt. Generell muss jede Anwendung ionisierender Strahlung gerechtfertigt sein, und die Strahlenbelastung muss auch unterhalb der Grenzwerte so gering wie möglich gehalten werden. Für die hier zu besprechende Endlagerung von radioaktiven Abfällen müssen sowohl die beruflich strahlenexponierten Personen – in den Phasen des Betriebes, der Verwahrung und möglicherweise der Bergung/Rückholung – als auch die allgemeine Bevölkerung in der Nachverschlussphase betrachtet werden. Nachfolgend einige Angaben zu den Dosisgrenzwerten für beruflich strahlenexponierte Personen gemäß Strahlenschutzverordnung §§ 54–56: Personen, die einer beruflichen Strahlenexposition durch Tätigkeiten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ausgesetzt sind, sind zum Zwecke der Kontrolle und arbeitsmedizinischen Vorsorge folgenden Kategorien gemäß § 54 zugeordnet: 1. Beruflich strahlenexponierte Personen der Kategorie A sind Personen, die einer beruflichen Strahlenexposition ausgesetzt sind, die im Kalenderjahr zu einer effektiven Dosis von mehr als 6 Millisievert oder einer höheren Organdosis als 45 Millisievert für die Augenlinse oder einer höheren Organdosis als 150 Millisievert für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße oder Knöchel führen kann. 2. Beruflich strahlenexponierte Personen der Kategorie B sind Personen, die einer beruflichen Strahlenexposition ausgesetzt sind, die im Kalenderjahr zu einer effektiven Dosis von mehr als 1 Millisievert oder einer höheren Organdosis als 15 Millisievert für die Augenlinse oder einer höheren Organdosis als 50 Millisievert für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße oder Knöchel führen kann, ohne in die Kategorie A zu fallen. Die effektive Dosis für beruflich strahlenexponierte Personen nach § 55 der Strahlenschutzverordnung darf im Kalenderjahr 20 Millisievert nicht übersteigen. Im Einzelfall kann die zuständige Behörde für ein einzelnes Jahr 50 Millisievert zulassen, für fünf aufeinanderfolgende Jahre dürfen jedoch 100 Millisievert nicht überschritten werden. Nach § 56 der Strahlenschutzverordnung darf die Berufslebensdosis 400 Millisievert nicht übersteigen. Nachfolgend einige Angaben zu den Dosisgrenzwerten zum Schutz von Einzelpersonen der Bevölkerung gemäß Strahlenschutzverordnung §§ 46–47: Nach § 46 Strahlenschutzverordnung beträgt der Grenzwert für die effektive Dosis zum Schutz von Einzelpersonen der Bevölkerung 1 Millisievert im Kalenderjahr. Dieser Wert bezieht sich auf alle Strahlenbelastungen durch kerntechnische und sonstige Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung sowie den Umgang mit radioaktiven Stoffen. Das

3.7 Vorhandene Gefahrenquellen und präventive, optimierte Sicherheitsvorkehrungen

59

heißt, der Grenzwert gilt für die Summe der Strahlenexpositionen aus Direktstrahlung und der Strahlenexpositionen aus Ableitungen von kerntechnischen Anlagen. Nach § 47 Strahlenschutzverordnung darf dabei die Strahlenbelastung aus einer einzelnen Anlage über die Belastungspfade Abwasser und Abluft jeweils den Wert von 0,3 Millisievert pro Jahr nicht überschreiten. Bei radioaktiven Stoffen, die von außen auf den Menschen einwirken (äußere Strahlenexposition), sind für die Höhe der Dosis neben der Art des Radionuklids und seiner Aktivität auch die Verteilung in der Umwelt (z. B. im Boden, in Baustoffen) sowie die Aufenthaltsorte und -zeiten des Menschen maßgebend. Wenn radioaktive Stoffe in den menschlichen Körper gelangen (innere Strahlenexposition), wird die Höhe der Dosis8 bestimmt durch    

die Art des Radionuklids, die aufgenommene Aktivität, den Aufnahmepfad (mit der Atemluft oder mit Lebensmitteln) und die chemische Form des Radionuklids.

Die Aufnahme radioaktiven Materials, hier radioaktiver Abfall oder Rückstände, durch Kontaminationen geschieht im schlimmsten Fall durch Inkorporation. Im medizinischen Sinne ist Inkorporation die willentliche oder unbeabsichtigte Aufnahme von Stoffen. Als Formen der Inkorporation können auftreten  Ingestion, radioaktives Material wird durch den Mund aufgenommen, meist in fester oder flüssiger Form,  Aspiration, das Eindringen von radioaktivem Material in den Atemtrakt,  Inhalation, das Einatmen von radioaktivem Material,  transdermale Aufnahme radioaktiven Materials über die Haut oder Schleimhaut. Für die mögliche gesundheitliche Gefährdung des Menschen ist nicht nur die Art des Radionuklids und seine Aktivität wichtig, sondern auch, ob das Radionuklid von außen auf den Menschen wirkt oder in den menschlichen Körper gelangt. So ist z. B. ein ’-Strahler außerhalb des Körpers völlig ungefährlich, da er bereits durch wenige Zentimeter Luft vollständig abgeschirmt wird, unabhängig davon, wie hoch seine Aktivität ist. Wird jedoch dieser ’-Strahler aufgewirbelt und gelangt eine größere Menge (höhere Aktivität) mit der Atemluft in den menschlichen Körper, kann dies zu gesundheitlichen Schäden führen. Dosisgrenzwerte stellen sich nicht als Trennlinie zwischen gefährlicher und ungefährlicher Strahlenexposition dar. Die Überschreitung eines Grenzwertes bedeutet vielmehr, dass die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten gesundheitlicher Folgen (insbesondere von 8

Die Wirkung von Strahlung auf den Körper wird durch die Dosis bestimmt. Maßeinheit der Dosis ist das Sievert (Sv). Unterscheidung in Äquivalent- bzw. Organdosis und effektive Dosis (beschreibt das Gesamtrisiko).

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3

Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

Krebserkrankungen) über einem als annehmbar festgelegten Wert liegt. Die Grenzwerte sind in der Strahlenschutzverordnung und in der Röntgenverordnung festgelegt. Aus der Sicht der Medizin wird Folgendes dargestellt: Übersteigt die Strahlenbelastung ein Sievert (das 300-Fache der natürlichen Strahlung im Jahr), kommt es zu Symptomen wie Hautrötungen, Haarausfall und Verbrennungen sowie zur akuten Strahlenkrankheit. Dabei wird das blutbildende System im Knochenmark geschädigt. Bei höheren Dosen (über 10 Sv) werden der Magen-Darm-Trakt (Gastrointestinal-) und die Herz-KreislaufOrgane angegriffen. Das Risiko für Krebs wird erhöht. Freigesetztes radioaktives Jod, wie z. B. Jod-131 oder Jod-133, kann eingeatmet oder geschluckt werden, es reichert sich besonders bei Kindern und jungen Erwachsenen in der Schilddrüse an und erhöht dort das Risiko für Krebs. Bei Radonexhalation von Rn-2229 kann dieses über die Atemwege in die Lunge gelangen. Dort lagern sich die stabilen, aber toxischen Zerfallsprodukte (Blei, Quecksilber) ab und können zu Lungenkarzinomen führen [27]. Strahlenschäden im oben beschriebenen Maße sind insbesondere zu erwarten, wenn Personen hoch- und mittelradioaktiven Abfällen (HAW und MAW) direkt ausgesetzt werden. Bei Brennelementen reicht schon eine relativ geringe Einwirkungszeit, um Strahlenschäden zu erzeugen. In Extremfällen kann dies auch nach relativ kurzer Zeit zum Tod führen. Drei Hinweise zu den nachfolgenden Darlegungen:  Radioaktive Abfälle und Rückstände fallen in verschiedenen technologischen Abläufen oder aus Stoffströmen an, sie sind Gefahrgüter, vor denen die Biosphäre zuverlässig geschützt werden muss, nicht nur der Mensch. Der Schutz muss in allen Phasen dieser Prozesse gewährleistet sein: am Ort der Entstehung und im technologischen Prozess, bei der Konditionierung und Verpackung, beim Transport der radioaktiven Abfälle und Rückstände, beim Handling der Uran-Tailings oder im Zwischenlager und beim Uran-Tailings-Management des Rückstandsspeichers oder in den Einlagerungsbereichen des Endlagers. Der Schutz des Personals und der Bevölkerung hat im Betrieb oberste Priorität. Bei dauerhafter Ablage in einem Endlager muss verhindert werden, dass Radioaktivität oberhalb der gesellschaftlich akzeptierten Grenzen in die Biosphäre gelangt. Dieser Schutz wird sehr unterschiedlich gewährleistet.  Bei den radioaktiven Rückständen, insbesondere aus der Uranerzaufbereitung (UranTailings), kann sich in der Betriebs- und Stilllegungsphase radioaktives Material direkt ausbreiten und in den Stoffkreislauf gelangen, da die Uran-Tailings nicht abgedeckt sind und lediglich die sich ausbildende Wasserlamelle eine (geringe) Schutzfunktion bildet, siehe Abb. 3.1. Für die allgemeine Bevölkerung bestand bei den Uran-Tai9

Radon kommt auch in der Natur vor und ist Teil der Umweltradioaktivität. Es wird von natürlichen Radionukliden in den Böden, Gesteinen und der Luft emittiert, und zwar vermehrt in Gebieten mit hohem Uran- und Thoriumgehalt (U-238, U-235 und Th-232) sowie Gehalten am Kaliumisotop K-40 in Böden und Gesteinen. Dies sind hauptsächlich die Mittelgebirge aus Granitgestein, in Deutschland vor allem der Bayerische Wald, das Fichtelgebirge, der Schwarzwald und das Erzgebirge. Die Dosisleistung der Strahlung dort beträgt bis zu 1,3 mSv/a.

3.7 Vorhandene Gefahrenquellen und präventive, optimierte Sicherheitsvorkehrungen

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lings ponds der SDAG Wismut ein Zugangsverbot, allerdings war auch dieser Schutz schwach und insbesondere für Tiere unwirksam, siehe Abb. 5.4.  Radioaktive Abfälle und Rückstände fallen vielfältig an, man wird sie auch zukünftig nicht vermeiden können. Dabei darf einerseits die davon ausgehende Gefahr nicht verkannt, unterschätzt oder gar heruntergespielt werden, andererseits sollte es aber auch keine Überhöhung der Art geben, dass letztendlich der Eindruck entsteht oder vermittelt wird, eine langzeitsichere und langzeitstabile Endlagerung sei nicht möglich oder der Gesamtprozess unbeherrschbar. Verantwortlich für den Strahlenschutz des Betreibers der verschiedenen Anlagen ist der Strahlenschutzverantwortliche. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass die Schutzmaßnahmen, die drei „As“, im Umgang mit radioaktiven Stoffen im gesamten Sicherheitsbereich (Kontrollbereich) umgesetzt werden:  Aufenthaltsdauer (nur so lange wie nötig),  Abstand (Intensität der Strahlung nimmt mit dem Quadrat des Abstandes ab),  Abschirmung. Dazu gehören Expositionsüberwachung, das Tragen von Schutzkleidung, Ein- und Austrittsschleusen sowie das Tragen von Personendosimetern (amtlich zugelassenen Dosimetern) und deren Auslesung und vorgeschriebene Auswertung (in der Regel monatlich).10 Obwohl die rechtlichen Rahmenbedingungen für die verschiedenen Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen sehr unterschiedlich sind, ist es zur Veranschaulichung der Problemstellungen durchaus nützlich, diese mit in den vorgenannten Abfallkategorien vorhandenen radioaktiven Inventaren zu vergleichen. Ein solcher Vergleich stößt allerdings auf Schwierigkeiten, da in den Abfallkategorien sehr unterschiedliche Radionuklide dominieren, siehe Kap. 5, 6 und 7. Da die physikalische Größe „Aktivität“ zwar gut messbar, aber in Hinblick auf die potenziell damit verbundenen Gefährdungen wenig aussagekräftig ist, werden zum Vergleich von Inventaren unterschiedliche Kenngrößen eingeführt. So können z. B. die rechnerischen Dosen ermittelt werden, die aus einem vollständigen Verzehr der Abfälle („Ingestion“) resultieren. Die so erhaltenen Dosen sind völlig fiktiv und können durch Umrechnung auf „Krebstote“ manipulativ missbraucht werden.11 Daher wird hier ein anderer Indikator verwendet. Indem die Aktivitätsinventare Ai für jedes Radionuklid i auf die Freigrenze der Gesamtaktivität FGi des jeweiligen Radionuklids laut StrlSchV (Anlage III Tabelle 1 Spalte 2) bezogen werden, ergibt sich eine dimensionslose Verhältniszahl Ai/Fi. Die Summe dieser Verhältniszahlen über alle Radionuklide ergibt einen dimensionslosen Aktivitätsindex, der geeignet ist, das Gesamtinventar von Aktivitätsinventaren mit unterschiedlicher Zusammensetzung zu charakterisieren. Die 10

Von der gemessenen Dosis wird der Dosisanteil der natürlichen Umgebungsstrahlung abgezogen. Eine effektive Methode, allerdings kein absoluter Schutz, ist die lückenlose medizinische Überwachung des Personals und ein komplexes Umwelt-Monitoring. 11

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3

Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

Tab. 3.2 Ausgewählte Radionuklide und deren Radiotoxizität Radionuklid

Spezifische Aktivität Ai* in Bq/kg

I-131 Pu-239 Th-232 U-234 U-235 U-238

4,60 E+18 2,30 E+15 4,06 E+06 2,30 E+11 8,00 E+07 1,20 E+07

Freigrenze Fi* in Bq/kg StrlSchV (Anlage III Tabelle 1 Spalte 2) 1 E+05 1 E+04 1 E+03 1 E+04 1 E+04 1 E+04

Radiotoxizität HWZ Ai*/Fi* [–] in a

4,60 E+13 2,30 E+11 4,06 E+03 2,30 E+07 8,00 E+03 1,20 E+03

8,0 Tage 2,4 E+04 1,4 E+10 2,5 E+05 7,0 E+08 4,4 E+09

radiologische Gefährlichkeit (Radiotoxizität) von Einzelnukliden ist dabei über die jeweilige Freigrenze der Einzelnuklide orientierend berücksichtigt, siehe Tab. 3.2. Wie Tab. 3.2 zeigt, ist das Radionuklid Jod-131 sehr bedeutsam mit einer HWZ von nur acht Tagen. Es besitzt die höchste Toxizität der in Tab. 3.2 aufgeführten Radionuklide.

3.7.3 Endlagerung radioaktiver Abfälle Abschirmung, Transport und Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle Die Entsorgung des radioaktiven Abfalls ist durch verschiedene aufeinanderfolgende Prozessschritte wie Sammlung, Sortierung, Erfassung, Konditionierung, Verpackung, Zwischenlagerung und Abgabe an das Bundesendlager charakterisiert. Die deklarierten LAWund MAW-Abfälle werden zunächst in einem Zwischenlager oder einer Landessammelstelle in zugelassenen, zwischenlagergerechten Transportbehältern angeliefert und erfasst, siehe auch [30]. Die jeweilige Landessammelstelle und das Zwischenlager versehen dabei die zugelassenen Transportbehälter mit einer entsprechenden Abschirmung, die einen gefahrlosen Transport und gefahrloses Handling zulassen, siehe Abb. 3.5. Bei Anlieferung in die Zwischenlager12 werden die Abfälle erfasst und inventarisiert, siehe Abb. 3.6. Von dort könnte dann die Abgabe an das Bundesendlager erfolgen. Allerdings müssten die Abfälle zuvor noch in endlagerechte Abfallgebinde umverpackt werden. Gebinde bestehen aus der Abfallmatrix und dem Behälter. Bei den wärmeentwickelnden radioaktiven Abfällen (Brennstäbe) ist zu beachten, dass diese nach der Nutzung im Reaktor zunächst in ein Nasslager (Abklingbecken) verbracht werden. Wie bereits dargelegt, verbleiben sie darin so lange, bis deren Wärmeentwicklung so weit abgeklungen ist, dass ein Transport mit luftgekühlten Castoren ins Zwischenlager zulässig ist, siehe Abb. 3.7. Eine Zwischenlagerung ist, nach derzeitiger Auslegung, eine Lagerung von konditionierten oder teilkonditionierten Abfällen zur Bereitstellung für die

12

Die Anlieferung erfolgt zwischenlagergerecht.

3.7 Vorhandene Gefahrenquellen und präventive, optimierte Sicherheitsvorkehrungen

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Abb. 3.5 Verpackung: 200 l-Stahlblechfass, auf dem Prüfstand zur Aktivitätsmessung. (Quelle: www.vgb.org/abfallmanagement.html) Abb. 3.6 Prognose: Herkunft der einzulagernden Abfallmengen in Schacht Konrad. (Nach [28])

Endlagerung. In ein Bundeslager können diese aber auch erst dann übernommen werden, wenn diese zuvor in endlagergerecht konditioniert wurden. Es bestehen große Unterschiede zwischen Abfallbehältern für die Zwischenlagerung, die lediglich die Funktion der Abschirmung, des Einschlusses der radioaktiven Stoffe im Behälter sowie der Ableitung der Wärme aus dem Behälter über den gesamten Zeitraum

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Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

Abb. 3.7 Wärmeleistung bestrahlter Kernbrennstoffe nach Entnahme aus dem Reaktor. (Nach Angaben von [29])

der Zwischenlagerung zu erfüllen haben, und der Endlagerung, bei denen den Abfallbehältern in der Nachverschlussphase des Endlagers zudem eine Rückhaltefunktion (bzw. Isolationsfunktion)13 zukommt und die damit eine wichtige geotechnische Barriere in der Endlagerkonzeption darstellen. Als Konditionierung bezeichnet man die Herstellung von Abfallgebinden durch Behandlung und/oder Verpackung von radioaktivem Abfall. Eine Abfallbehandlung für die Endlagerung ist die Verarbeitung von radioaktiven Abfällen zu Abfallprodukten, die die folgenden Teilschritte umfassen kann: Pressen, Trocknen, Zementieren. Für die festgelegten Abfallproduktgruppen sind die zulässigen Aktivitätsgrenzwerte einzuhalten, um die Anforderungen aus dem Betrieb des Endlagers und auch die Unterkritikalität zu gewährleisten.

Abfallgebinde – Abfallmatrix und Behälter als geotechnische Barriere Die Anforderungen an die Abfallprodukte und an ihre chemisch-/physikalische Form der Abfallmatrix ergeben sich aus deren Verhalten im bestimmungsgemäßen Betrieb von 13

Trifft nur bei Endlagern für HGW-HAW zu.

3.7 Vorhandene Gefahrenquellen und präventive, optimierte Sicherheitsvorkehrungen

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Zwischen- und Endlagern, bei den zu unterstellenden Störfällen und bei der Endlagerung wärmeentwickelnder HAW. Die Abfallmatrix übernimmt daneben auch, wie das Zwischenlagergebäude und der Abfallbehälter, Funktionen zur Rückhaltung von Nukliden. Besondere Aufmerksamkeit muss den Abfallbehältern für die Endlagerung von wärmeerzeugenden HAW entgegengebracht werden, da nur bei diesen Abfällen den Abfallbehältern eine Funktion als technische Barriere zugewiesen wird. Die verglasten Wiederaufarbeitungsabfälle und die abgebrannten Brennelemente machen den größten Teil der in Deutschland vorkommenden wärmeentwickelnden Abfälle aus. Bei der Verglasung der bei der Wiederaufarbeitung bestrahlter Brennelemente extrahierten radioaktiven Stoffe werden diese mit einer Glassubstanz zu HLW-Glas14 verschmolzen. Die Glasmatrix ist relativ homogen und enthält nur wenige Phasenausscheidungen, vor allem von Edelmetallen. Die Korrosionsneigung der Verglasung ist für die Langzeitsicherheitsbetrachtungen im Endlager zu berücksichtigen. Es muss also unterschieden werden zwischen konditionierten radioaktiven Abfällen für die Zwischenlagerung oder für die Endlagerung. Für die Endlagerung ist Voraussetzung, dass die Abfallmatrix die Kriterien der Langzeitstabilität erfüllt. Daneben müssen natürlich die Abfallbehälter alle Anforderungen der Betriebssicherheit, insbesondere des Strahlenschutzes und des Transportes erfüllen und damit die Arbeitssicherheit beim Umgang mit dem Gefahrgutbehälter für das Personal garantieren. Ein Konditionierungsverfahren für HAW hat auch zu berücksichtigen, dass eine Begrenzung der Aktivität im Abfallprodukt bzw. in der Verpackung gemäß den Anlieferungsbedingungen an ein Endlager eingehalten werden muss. Diese Aktivitätsbegrenzung bestimmt das Maß der potenziellen Freisetzung von radioaktiven Stoffen aus dem Abfallgebinde. Daneben ist die Unterkritikalität zu gewährleisten. Darunter versteht man, dass eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion nicht entstehen kann. Eine möglichst lang andauernde Rückhaltung der Radionuklide in der Abfallmatrix und im Abfallbehälter wird sich allgemein sicherheitstechnisch günstig auswirken. So kann man festhalten: Die Abfallgebinde stellen für die Endlagerung von wärmeentwickelnden HAW eine technische Barriere dar, weil der Beitrag der Abfallmatrix und der Abfallbehälter zur Isolation der Radionuklide darin besteht, die Freisetzung der Radionuklide aus der Abfallmatrix und aus dem Abfallbehälter in den einschlusswirksamen Gebirgsbereich zu begrenzen oder möglichst gar nicht zu zulassen. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Endlagerbehälter für wärmeentwickelnde HAW auch auf das Wirtsgestein abgestimmt werden müssen. So werden für Salzgestein andere Endlagerbehälter zu entwickeln sein als für Granite, da untertägige Hohlräume (Einlagerungsfelder) im Salzgestein konvergieren. Die Behälter, die die Abfallmatrix umschließt, können in der Nachverschlussphase dadurch zerstört werden, wobei das Salzgestein die radioaktiven Abfälle dann vollständig umschließt. Hohlräume (Einlagerungsfelder) im Granit bleiben stabil. Da in Granit 14 High Level Waste (HLW); für die Glasmatrix werden Borsilikat- und Phosphatgläser in Betracht gezogen. Bei dem Glas der deutschen Abfälle, dem sogenannten Cogema-Glas, handelt es sich um ein Borsilikatglas mit einem Siliziumoxidanteil von etwa 50 %.

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Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

Abb. 3.8 Für die Endlagerung von HGW-HAW im kristallinen Wirtsgestein (Granite) entwickelte technische Barriere. (Quelle: © SKB AB [31])

Wasserzutritte in der Nachverschlussphase wahrscheinlich sind, werden die Behälter mit Bentonit (Ton) umgeben, wodurch eine hohe Dichtheit und ein geringes Korrosionsvermögen und somit ein hohes Immobilisierungsvermögen (Rückhaltevermögen) erreicht wird, siehe Abb. 3.8. Tongestein hat wiederum ein davon verschiedenes Langzeitverhalten. Der einschlusswirksame Gebirgsbereich (ewG) stellt im Zusammenwirken mit den technischen Verschlüssen die Isolation der Abfälle sicher. In Deutschland gibt es derzeit neben den Anforderungen aus der Rückholbarkeit und Bergbarkeit weder regulatorische Bestimmungen noch sonstige Vorgaben für Anforderungen an das Langzeitverhalten der Abfallbehälter und der Abfallmatrix wärmeentwickelnder Abfälle. Diese sind aber notwendig, sollte aus der Endlagerkonzeption eine Sicherheitsfunktion für eine Zeitphase des Betrachtungszeitraumes für die Abfallmatrix und Behälter als Komponente des Endlagersystems zugewiesen werden, siehe auch Abb. 3.3. International hat sich gerade auf dem Gebiet der Behälterentwicklung Gravierendes getan, siehe auch Kap. 7 und 8.

3.8 Ausbreitungsmöglichkeiten von Radionukliden

3.8

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Ausbreitungsmöglichkeiten von Radionukliden aus Geotechnischen Umweltbauwerken (Endlagerbauwerken)

Die Ausbreitung von Radionukliden aus jeglichen Endlagerbauwerken ist dominierend nur über Wasser als Transportmedium möglich. Doch auch eine Freisetzung über die Gasphase (z. B. Radonfreisetzung) muss mitbetrachtet werden. Tritt Wasser mit endgelagerten Abfällen in Kontakt, kann es zu den unterschiedlichsten Wechselwirkungsprozessen in Abhängigkeit vom konkreten geochemischen Milieu kommen. Dieses bestimmt wesentlich das Ausmaß von Freisetzung und Rückhaltung der Radionuklide. Bei der Gesamtbeurteilung der möglichen Freisetzungswege müssen auch die eingebrachten anderen Stoffe und die als technische und geotechnische Barriere verwendeten Materialien berücksichtigt werden. Neben den hydrogeologischen Verhältnissen bestimmt die chemische Bindungsform des Radionuklids (Speziation) wesentlich die Ausbreitung. Durch die unterschiedlichsten Reaktionen des Radionuklids, wie Redoxreaktionen, Hydrolyse, Komplexierung15 , Sorption, Desorption, Remineralisation oder Kolloidbildung, verändert sich dessen Speziation entlang des Migrationsweges. Die Kenntnis der thermodynamischen Daten für die relevanten Bindungsformen der entsprechenden Radionuklide bei möglichen Szenarien in den unterschiedlichen Umweltbauwerken ist eine Voraussetzung letztlich für die Beurteilung ihrer Langzeitsicherheit. Die Auffindung des ungeladenen Calziumuranylcarbonatkomplexes sowohl in Sickerwässern des Uranerzbergbaus, in Porenwässern von Tonen wie auch in salzhaltigen Wässern z. B. war ein Meilenstein für die sachgerechte Beschreibung der Umweltchemie des Urans und Ausgangspunkt, seine Komplexierung in umweltrelevanten Wässern neu zu betrachten, siehe [37]. Die Erstellung notwendiger Datenbanken mit validierten Daten wie z. B. die „Thermodynamische Referenz-Databasis THEREDA (www.thereda.de)“ oder die „Sorption Databank RES3 T (www.hzdr.de/res3t)“ sollen hier beispielhaft aufgeführt werden. Dem Nuklidtransport durch die Geosphäre kommt eine entscheidende Bedeutung zu, ist doch das geologische Medium die letzte Barriere zur Biosphäre, siehe Abb. 3.9. Bei den durchzuführenden Risikoanalysen für Endlager wird die Nuklidwanderung in der Geosphäre durch Transportmodelle berechnet. Die Entwicklung und Weiterentwicklung von Transportmodellen und den entsprechenden Programmen, die sowohl die hydrogeologischen, geochemischen und biologischen Parameter umfassend widerspiegeln, ist eine unabdingbare Forderung. Für kritische Migrationswege wird bisher die Konzentrationserniedrigung längs des Migrationsweges bestimmt, soweit dies möglich ist. Im Wesentlichen betrifft dies die plausible Annahme des Zusammenhangs zwischen den Nuklidkonzentrationen in der flüssigen und festen Phase und dem instantanen Gleichgewicht. Im ersten Schritt wird eine lineare Beziehung unterstellt.

15 Komplexierung: Umhüllung von Ionen mit anderen neutralen oder polaren Stoffen unter Ausbildung von Komplexen.

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3

Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

Von wesentlichem Einfluss für jede spezielle Aufgabe sind dabei der vorgegebene Quellterm und die Randbedingungen, unter denen der Radionuklidtransport erfolgen soll. Eine wichtige Randbedingung ist, ob die Geosphäre als geschichteter, poröser geologischer Körper modelliert werden kann oder ob der Nuklidtransport in geologischen Risssystemen (kristallines Wirtsgestein) erfolgt, die wesentlich schwieriger zu erfassen sind. Dies betrifft auch die Transportgleichung, in die der radioaktive Zerfall mit Berücksichtigung von Zerfallsketten eingebaut wird. Hinzu kommt der Einfluss anderer wichtiger geologischer Parameter wie etwa Porosität oder Grundwassergeschwindigkeit. Eine weitere Beobachtung ist, dass durch Diffusion/Dispersionsprozesse Radionuklide auch in Schichten gelangen können, in denen sie bei eindimensionaler Betrachtung nicht erwartet werden. Der dabei auch zu beobachtende transversale Diffusions-/Dispersionsprozess bedeutet, dass sich die Radionuklide senkrecht zur Strömungsrichtung eines Grundwasserleiters bewegen, hin zum nächst höheren. Der transversale Diffusions-/Dispersionsprozess kann also einen zusätzlichen Risikofaktor darstellen, insbesondere dann, wenn sich dadurch der Migrationsweg verkürzt und/oder die Fließgeschwindigkeit des „neuen“ Grundwasserleiters wesentlich höher ist als der ursprüngliche. Bei kleiner Dispersivität macht sich ein Verdünnungseffekt erst in einer gewissen Entfernung vom Lager bemerkbar, bei großen Dispersivitätswerten ist dieser Effekt bereits am Lagerort selbst vorhanden. Für ein Beispiel mit einem dreimal kleineren transversalen als longitudinalen Dispersivitätswert betrug die Ausdehnung der „Nuklidwolke“ senkrecht zur Grundwasserströmung bereits nach einer Entfernung von 1 km vom Endlager mehrere hundert Meter, siehe [36]. In heterogenen Schichtstrukturen kann diese transversale Ausdehnung der „Nuklidwolke“ durch praktisch wasserundurchlässige Schichten oder durch Medien mit sehr kleiner transversaler Dispersion beschränkt werden; die Diffusion in solchen Schichten beträgt nur wenige Meter. Bei der Wahl eines Endlagerstandortes ist deshalb nicht nur das Wirtsgestein und der einschlusswirksame Gebirgsbereich genau zu untersuchen, auch die angrenzenden geologischen Formationen sind auf ihren geologischen Aufbau und ihre chemischen Eigenschaften zu überprüfen. Der besondere Schutz vor Austrag von radiotoxischen Kontaminanten, insbesondere ins Grundwasser, ist bei allen Geotechnischen Umweltbauwerken vorgesehen. Da Radioaktivität aus dem Endlagerbauwerk in die Biosphäre austreten kann, schließt sich an die Untersuchung des Nuklidtransports durch die Geosphäre bei der Untersuchung des Langzeitverhaltens eines Endlagersystems immer eine Expositionsanalyse in der Biosphäre an. So muss die Endlagerung sicherstellen, dass Freisetzungen radioaktiver Stoffe aus dem Endlager langfristig die aus der natürlichen Strahlenexposition resultierenden Risiken nur unwesentlich erhöhen. Für weniger wahrscheinliche Entwicklungen in der Nachverschlussphase ist nachzuweisen, dass die durch Freisetzung von Radionukliden, die aus den eingelagerten radioaktiven Abfällen stammen, verursachte zusätzliche effektive Dosis für die dadurch betroffenen Menschen 0,1 Millisievert pro Jahr nicht überschreitet, siehe Kap. 8.

3.8 Ausbreitungsmöglichkeiten von Radionukliden

69

3.8.1 Radionuklidausbreitung auf Deponien gemäß KrWG und DepV Das Ablegen von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW) auf Deponien gemäß KrWG erfolgt im Regelfall trocken, allerdings nicht immer. Während der Betriebsphase der Deponie können Oberflächenwässer, z. B. Niederschläge, ungehindert in den Deponiekörper eindringen. Im Regelfall sind für diese Abfälle Deponien der DK II und III vorgesehen. Für die DK II und III sind Basisabdichtungen einzubauen oder geologische Barrieren zu nutzen. Als Basisabdichtung eignen sich natürliche (geologische) und geotechnische Basisabdichtungen. Die Basisabdichtung enthält auch eine Sickerwassererfassung, der eine Sickerwasserreinigung nachgeordnet ist. Im Fall der DK III muss die geologische Barriere mindestens 5 m sein und zusätzlich mit einem Dichtungskontrollsystem versehen sein, mit dem Leckagen erfasst werden. Bei der Wahl einer mineralischen Basisabdichtung muss das mineralische Abdichtungsmaterial in einem kombinierten Basisabdichtungssystem so gewählt werden, dass u. a. nachstehende Bedingungen erfüllt sind, siehe auch Kap. 4:     

Dichtigkeit (Durchlässigkeit): kf  5  1010 m/s, geringe Rissanfälligkeit, Widerstandsfähigkeit gegen hydraulische Einwirkungen (Suffosion und Erosion), ausreichendes Verformungsvermögen, Beständigkeit gegenüber chemischen und biologischen Einwirkungen sowie Witterungseinflüssen und alterungsbedingten nachteiligen Materialveränderungen.

Bei Vorhandensein einer geologischen Barriere sind diese Kriterien übertragbar. Bezogen auf die geologischen und hydrogeologischen Bedingungen des Standortes muss ein permanent zu gewährleistender Abstand der Oberkante der geologischen Barriere bzw. der geotechnischen Barriere (wie Geo-Kunststoffdichtungsbahnen: Mischung aus Ton und Polyethylen (PEHD)) vom höchsten zu erwartenden freien Grundwasserspiegel von mindestens 1 m vorhanden sein. Zum Kontroll- und Wartungssystem gehört ebenso eine Umweltüberwachung, bei der auch die chemisch-physikalische Zusammensetzung des Grundwassers im An- und Abstrom zur Deponie bezogen auf die zugelassenen Grenzwerte überwacht wird.

3.8.2 Radionuklidausbreitung bei Uran-Tailings ponds Bei Uran-Tailings, die z. B. in Hohlformen von aufgelassenen Tagebauen abgesetzt werden, sind als wichtige Barriere die Oberflächen- und die Basisabdichtung vorzusehen. Auch hier werden die kontaminierten Wässer, Oberflächen-, Sicker- und Porenwässer gefasst und einer Wasseraufbereitungsanlage zugeführt, gereinigt und von dort in die Vorflut abgeschlagen. Bezogen auf die Uran-Tailings ponds der SDAG ist festzustellen, dass der Uran-Tailings-Körper (Sedimentkörper) auch in der Nachverschlussphase fast

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3

Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

vollständig wassergesättigt verblieben und damit ein fast ungehindertes Austreten der radiotoxischen Porenwässer über die Sohle des Tailings pond und über den sohlennahen Dammbereich (Basis) möglich ist. Um eine ungehinderte Ausbreitung über den Grundwasserpfad zu verhindern und Kontaminationsaustritte in den Grenzen der Gestattung zu halten, sind erhebliche Aufwendungen über einen extrem langen Zeitraum vorzuhalten. Für diesen Fall lässt sich der Quellterm formulieren und die Stofftransportmodellierung vornehmen [18]. Im Umfeld der Tailings ponds der SDAG Wismut muss ein komplexes Langzeit-Monitoring zur Standortüberwachung installiert und unterhalten werden, siehe [26]. Die Entwicklung und Fortschreibung von Standortmodellen zur Beschreibung des Stofftransportes und der Ausbreitung von Kontaminationsfahnen sollte Bestandteil der Standortüberwachung sein und in das System der Wasserfassung und Aufbereitung integriert werden, siehe Kap. 5.

3.8.3 Radionuklidausbreitung beim Ablegen von wärmeentwickelnden, hochradioaktiven Abfällen in tiefen geologischen Formationen Die radioaktiven Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung und die wärmeentwickelnden, hochradioaktiven Abfälle werden in Endlagergebinden trocken in den Einlagerungsfeldern nach einem Einlagerungsschema abgelegt. Teil der Endlagerkonzeption ist, dass die Endlagerbereiche so lange wie möglich weitestgehend trocken bleiben. Das Barrierensystem soll dafür sorgen, dass mit wässrigen Lösungen keine oder nur in allenfalls geringfügigen Mengen radioaktive Stoffe (Radiotoxizität) aus dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich (ewG) austreten können. Bei der Endlagerung wärmeentwickelnder Abfälle im Steinsalz ist ein Kontakt der Abfallgebinde mit der Lösung und somit eine Mobilisierung der Schadstoffe nur bei einem unterstellten Lösungszutrittsszenario möglich. Das Sicherheitskonzept sieht vor, dass für diesen Fall ein derartiger Kontakt so lange wie möglich verhindert wird. In den Sicherheitskonzepten für Endlager in den übrigen Wirtsgesteinen muss dagegen berücksichtigt werden, dass die Abfälle auch bei ungestörter Entwicklung in Kontakt mit der natürlichen Gebirgsfeuchte kommen. Durch die Wahl des Behältermaterials können die Korrosionsgeschwindigkeit und somit die Standzeit des Behälters beeinflusst werden. Dabei muss die chemische Zusammensetzung der anstehenden Lösung berücksichtigt werden. Je nachdem, welches Gewicht im Sicherheitskonzept auf die Barrierenwirkung der Endlagerbehälter gelegt wird, können auch langzeitig-korrosionsbeständige Materialien gewählt werden. Durch äußere und innere Ummantelung der Abfallbehälter mit Bentonit wird ein Wasserzutritt zur Abfallmatrix erheblich erschwert und durch geringe Korrosionsraten auf lange Zeit verzögert, siehe Abb. 3.8. Behälterlebensdauern von einigen 105 Jahren scheinen erreichbar. Durch Radiolyse kann innerhalb und außerhalb der eingelagerten Abfallgebinde Gasbildung stattfinden. Die bisherigen Untersuchungen ergeben, dass die interne Gasbildung nur für MAW-Gebinde wegen ihres höheren Wassergehalts und der Zersetzung vorhande-

3.8 Ausbreitungsmöglichkeiten von Radionukliden

71

ner Organika nennenswert sein kann und dass die Radiolyse außerhalb der Gebinde nach einem Behälterausfall durch Strahlung aus dem Behälter oder durch ausgetretene Radionuklide verursacht werden kann. Damit kann die Radiolyse für die Korrosion der Behälter und der Abfallmatrix von entscheidender Bedeutung sein. Das Ausmaß der Gasbildung hängt von den vorhandenen Mengen an reagierenden Stoffen und insbesondere der Verfügbarkeit von Wasser ab. Die Gase können die Wirksamkeit von Barrieren beeinträchtigen, das chemische Milieu und damit die Mobilität von Radionukliden beeinflussen und als treibende Kraft für die Ausbreitung von Radionukliden und wässrigen Lösungen wirken. Aufgrund der großen Abschirmung durch große Überdeckungen bei tiefen geologischen Schichten, sehr großen Wanddicken von Kavernen und Bunkern oder Wassertiefen bei Nasslagern etc. kann radioaktive Strahlung aus dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich nicht in die Biosphäre gelangen. Die Gefahr geht also von der Freisetzung von Radionukliden aus der Abfallmatrix und dem Abfallbehälter in den einschlusswirksamen Gebirgsbereich aus und definiert damit, mit welcher Wahrscheinlichkeit Radionuklide über Wegsamkeiten aus dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich in die Biosphäre gelangen können, siehe Abb. 3.9. Zu einer derartigen Freisetzung von radioaktiven Stoffen kann es nur kommen, wenn die

Abb. 3.9 Austrittspfad von Radionukliden in die Biosphäre und radiologische Konsequenzen. (Siehe auch [17])

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3

Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

Radionuklide aus den Abfällen mobilisiert und in einem geeigneten Transportmedium (Lösungs- oder Gasphase) bis in die Biosphäre transportiert werden [32]. Durch Zugabe von Immobilisaten ins Fixierungsmittel kann der Freisetzungsschutz der Gebinde erhöht werden. Ein Antrieb für die Ausbildung von Strömungsprozessen sind die Gasbildungsraten durch insbesondere Korrosionsprozesse oder in geringerem Umfang durch Radiolyse. Bisherige Erkenntnisse gestatten die Aussage, dass die Wasserstoffbildungsraten durch Korrosion von Behältern von außen vom jeweiligen chemischen Milieu abhängig sind. Durch Einflussnahme auf das chemische Milieu im ewG lassen sich somit diese Gasbildungsraten niedrig halten. Im Salzgestein ist die Gebirgskonvergenz, die das Grubengebäude zusammendrückt, ein wesentlicher Antrieb für die Ausbildung von Strömungsprozessen. Die Entwicklung von Abfallgebinden, die auf das im Endlagerhorizont anstehende Wirtsgestein und die Langzeitsicherheit des Endlagers angepasst werden, stellt ein wichtiges Forschungsziel dar, siehe auch [33]. Wasser als Transportmedium spielt eine überragende Rolle auch zur Beantwortung der Fragestellung, wie es gelingen kann, dass Radionuklide gegen die Schwerkraft aus dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich in die Biosphäre gelangen können. Um zu berechnen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass die freigesetzten Radionuklide den Weg über die Wegsamkeiten überhaupt finden, müssen die dafür verantwortlichen radiologischen, chemischen und hydraulischen Prozesse in die Betrachtung einbezogen werden. Möglicherweise gestattet das Milieu der Wässer keinen Transport, weil sie praktisch eine vollkommene Immobilisierung bewirken. Komplexe Untersuchungen oder gar Ergebnisse dazu gibt es bisher kaum. Nachgewiesen ist aber, dass nur ein Bruchteil der Radionuklide des Inventars sich mobilisieren lässt und von diesem Bruchteil ein weiterer Teil immobilisiert wird. Die Quelltermbildung lässt sich nicht genau bestimmen und liegt irgendwo zwischen vollständiger Immobilisierung und 100 %iger Mobilisierung. Zwei Faktoren, die die Eintrittswahrscheinlichkeit negativ beeinflussen, sind  die Wahl extrem trockene einschlusswirksame Gebirgsbereiche und  die Entwicklung langzeitstabiler Abfallmatrizen und Behälter mit Standzeiten > 105 a, siehe Abb. 3.3, wobei die Trockenheit des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs wiederum direkt die Standzeit von Abfallmatrix und Behälter beeinflusst. Die Herausbildung von Wegsamkeiten, zusätzlich zu den in den geologischen Formationen vorhandenen, wird durch die Wärmeentwicklung der HAW beeinflusst und ist damit eine weitere Wirkung. Diese lässt sich aber mindern durch    

lange Abkühlzeiten im Nasslager, Verweildauer in Übergangslagern, Ausbildung der Einlagerungsbereiche und Anordnung der Gebinde darin, Wärmeschutz (Kühlung) zwischen Wandung der Einlagerungsbereiche und Gebinde.

3.9 Monitoring – Nachweise der Funktion und Wirksamkeit

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Beim Wirtsgestein Steinsalz ist zu beachten, dass sich dieses bei Druck plastisch verhält, sodass das Auftreten von zusammenhängenden Klüften und Spalten weitgehend verhindert wird. Falls doch Risse entstehen, so „heilen“ diese schnell wieder aus. Bis zu einem gewissen Grade kann Wärme diesen Prozess begünstigen. Eine Freisetzung von Radionukliden in die Biosphäre mit einer erheblichen Gefahr für Einzelpersonen und Personengruppen kann auch durch eine unbeabsichtigte Öffnung des einschlusswirksamen Gebirgsbereich von außen hervorgerufen werden, z. B. durch Teufen einer Erkundungsbohrung. Um die Eintrittswahrscheinlichkeit eines solchen Ereignissens so weit abzusenken, dass dieses unwahrscheinlich wird, sollten Endlager in nicht höffige Bereiche (Formationen), aus derzeitiger Sicht, gelegt werden. Damit scheidet nach Auffassung des Autors jede Art bekannter Lagerstätten für einen Endlagerstandort aus und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass Erkundungsbohrungen, welcher Art auch immer, in den einschlusswirksamen Gebirgsbereich oder ins Deckgebirge geteuft werden. Damit sind die wesentlichen Sicherheitsparameter (Barrierekriterien) einer Endlagerkonzeption aufgeführt:  trockener einschlusswirksamer Gebirgsbereich,  langzeitstabile Abfallmatrix und Behälter mit Standzeiten > 105 a,  Suchkriterium für einen Endlagerstandort in nicht höffigen Bereichen (Formationen). Dass eine Endlagerkonzeption für radiotoxische Abfälle und Rückstände dauerhaft verhindern muss, dass radiotoxische Kontaminanten in die Biossphäre gelangen bzw. nur innerhalb der gesellschaftlich akzeptierten Grenzen, beruft sich auf die Tatsache, dass nach Zerfall der Radionuklide stabile Kerne verbleiben. Im Endlager liegen dann beachtliche Mengen toxischer Stoffe vor, wie z. B. Blei, Quecksilber, Cadmium, Arsen etc. Einige dieser Stoffe besitzen dauerhafte Beständigkeit, wodurch der Sicherheitsanspruch „dauerhaft“ begründet ist.

3.9 Monitoring – Nachweise der Funktion und Wirksamkeit der Geotechnischen Umweltbauwerke zur dauerhaften Isolation radioaktiver Abfälle und Rückstände Um ein Endlagerprogramm für radioaktive Abfälle und Rückstände zu entwickeln und umzusetzen, ist es also wichtig, dass neben ingenieurtechnischer Kompetenz und einer fundierten Sicherheitsstrategie auch das Verständnis dafür wächst, dass soziale Aspekte wie Akzeptanz, Mitwirkung und Vertrauen in den Regionen, in der Gesellschaft und auch vonseiten von Interessengruppen gleichberechtigt hinzugezogen werden sollten. Monitoring, insbesondere Langzeit-Monitoring, gilt als Schlüssel dafür, wenn ingenieurtechnische Kompetenz und eine konsistente Sicherheitsstrategie auf der einen Seite und soziale, ethische Fragen auf der anderen Seite zusammengeführt werden sollen. Über das Monitoring kann ein wichtiges Instrument für öffentliche Kommunikation in Anspruch genom-

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Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

men werden, das einerseits die technische Sicherheitsstrategie, die Sicherheit der Technik und deren Lebensdauer belegt, andererseits in der Öffentlichkeit um Verständnis über Abläufe im Betrieb und später in der Stilllegungsphase wirbt und zur Vertrauensbildung in die prognostizierte Endlagerentwicklung in der Nachbetriebsphase beiträgt. Das Monitoring in einem Endlagerkonzept reagiert auf die Aufgabe, bestimmte Schutzziele bezüglich der Strahlenbelastung von Mensch und Natur sicherzustellen„ aber auch darauf, dass verbindliche Sicherheitsbestimmungen, siehe [4] „Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle“, eingehalten werden. In der Betriebs- und Stilllegungsphase gehört dazu auch die Überwachung des Personals als strahlenexponierte Personen, siehe auch Abschn. 3.7.2. Wird festgestellt, dass von diesen Zielen abgewichen wird, so kann dies je nach Stand des Verfahrens unterschiedliche Folgen haben. Die Phase, in der sich das Endlager befindet, ist dabei eine entscheidende Größe. Ist das Endlager noch nicht in Betrieb, so können Entscheidungen rückgängig gemacht werden, die zu der potenziell unsicheren Situation führten. Dazu gehört auch die Aufgabe des gewählten Standortes bzw. der Abbruch des Auswahlverfahrens. In den Phasen des Betriebs, der Stilllegung oder nach Verschluss des Endlagers wird die Reversibilität der Entscheidungen immer aufwendiger und damit schwieriger. Technisches und soziales Monitoring sollten deshalb in spezifischer Weise ineinandergreifen und problemlösende Entscheidungen vorbereiten. Voraussetzung ist jedoch, dass das Monitoring den beobachtenden Instanzen Daten zur Verfügung stellt, die es erlauben, Sicherheit zu überprüfen und Bewertungsverfahren in Governance-Prozesse [34] einzubinden, an denen der kleine Kreis von der Regierung beauftragter, formal zuständiger Ämter, Institutionen etc. sowie Aufsichtsbehörden und Akteure, die die öffentliche Kontrolle gewährleisten oder begleiten, beteiligt sind. Im Mittelpunkt der Darlegungen hier steht das technische Monitoring. So sollte der gesamte Prozess der Endlagerung von radioaktiven Abfällen und Rückständen begleitet sein von einem umfänglichen Monitoring-Programm. Dieses sollte Bestandteil des Genehmigungsverfahrens sein und gliedert sich in die drei Teilbereiche  Überwachung des Endlagers,  Überwachung der Umwelt,  gesundheitliche Überwachung von Personen und Personengruppen. Hinsichtlich der Lebensphasen eines Endlagers wird das Monitoring-Programm weiter spezifiziert:  Errichtungsphase – Überwachung der Einhaltung von Forderungen aus dem Planfeststellungsbeschluss, Qualitätsanforderungen an die Bauwerke, Ausführung, Strahlenschutznormen.  Betriebsphase – das Monitoring-Programm soll während der gesamten Betriebszeit alle sicherheitsrelevanten Parameter des Endlagers (Wärmeentwicklung, -ausbreitung, Spannungszustände im Endlager, Konvergenzraten, Senkungstrichter über Tage, Ge-

3.9 Monitoring – Nachweise der Funktion und Wirksamkeit

75

schwindigkeit der Maschinen, Wasserstoffkonzentration, Leistung der hochwirksamen Filter, Luft des Belüftungssystems etc.) kontrollieren. Eingeschlossen darin muss sein die Überwachung der äußeren (möglicherweise auch der inneren) Strahlenexposition des Personals. Zusätzlich zur Überwachung im engeren Sinne werden Parameter kontrolliert, die mittel- und langfristig die Entwicklung des Endlagers beeinflussen können: Temperatur der Umgebungsluft, Erweiterung der Anlage (Zusammentreffen der Stollen), Haltbarkeit des Betons, Korrosion des Stahls etc. Während der Betriebsphase sollte der gesamte ewG, eingeschlossen die Barrieren, anforderungsgerecht instrumentiert und für ein inneres Langzeitmonitoring vorbereitet werden. Die Instrumente sind so zu programmieren und energetisch auszustatten, dass sie die zugewiesenen Aufgaben wartungsfrei oder wartungsarm erfüllen können. Wird während der Betriebsphase ein Pilotprojekt betrieben, wird dieses mit einem umfangreichen Messprogramm ausgestattet, dessen Ergebnisse sowohl der Optimierung des Endlagerkonzeptes als auch mittel- und langfristig der Entwicklung des Endlagers dienen. Das Pilotprojekt kann in das Endlager integriert werden. Wird ein Untertagelabor betrieben, kann dies mit einem ähnlichen Messprogramm ausgestattet werden wie ein Pilotprojekt. Es kann auch die gleichen Funktionen erfüllen wie das Pilotprojekt, vorausgesetzt, es wird auch über die Betriebsphase betrieben. Ausgenommen ist die Eingliederung in das Endlager.  Stilllegungsphase – muss mit einem umfänglichen stilllegungsbegleitenden (sanierungsbegleitenden) Monitoring ausgestattet sein, sodass alle im Planfeststellungsbeschluss aufgeführten Parameter erfasst und deren Einhaltung kontrolliert wird, damit ein bestimmungsgemäßes Geotechnisches Umweltbauwerk errichtet wird, das die eingelagerten (abgelegten) radioaktiven Abfallstoffe für den erforderlichen Zeitraum von den Stoffkreisläufen der Biosphäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit trennt.  Nachverschlussphase – in dieser Phase wird die Funktion, die Einhaltung der Zielstellung durch ein inneres und äußeres Langzeit-Monitoring, überwacht. Für das äußere Monitoring wird ein Observatorium eingerichtet, das Luft, Boden und Wasser über umfangreiche Messnetze großräumig erfasst, auswertet und die relevanten Daten archiviert. Dazu gehört auch eine Überwachung der Flora und Fauna, der landwirtschaftlichen Erzeugung im Beobachtungsraum sowie eine Überwachung der physikalisch-chemischen und biologischen Bodengüte. Das Observatorium soll nach bester geltender Praxis arbeiten (best practice). Während der Nachverschlussphase erfolgt auch eine gesundheitliche Überwachung der allgemeinen Bevölkerung in der Region, eingeschlossen ein Netz zur Überwachung der Ortdosisleistungen und der Hintergrundstrahlung. Die Überwachung der allgemeinen Bevölkerung sollte bereits in der Betriebsphase beginnen. Über die Dauer des Langzeit-Monitorings gibt es international erheblich divergierende Auffassungen. Das oben beschriebene Monitoring-Konzept ist ausgewogen und auch umsetzbar. Mit den derzeit vorliegenden und den aufgezeigten Entwicklungsmöglichkeiten

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3

Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

Abb. 3.10 Monitoring-Konzept der dauerhaften Verwahrung der Uran-Rückstandsspeicher der SDAG Wismut. (Quelle: [35])

sollten hinsichtlich Instrumentierung (einschließlich der energetischen Versorgung) und des Datenmanagements kaum Grenzen vorliegen. Hinsichtlich der Dauer des Langzeit-Monitorings gibt es sowohl im Bereich des KrWG und DepV, betrifft VLLW, als auch im Bereich des BBergG, betrifft Uran-Rückstandsspeicher, klare Regelungen. Das Langzeit-Monitoring ist so lange zu betreiben, bis die Deponie aus der Überwachung der Umweltbehörde bzw. der Uran-Rückstandsspeicher aus der Bergaufsicht entlassen wird. Dies könnte als „Hüte-Prinzip“ bezeichnet werden.16 Auch existiert eine Umsetzung des oben beschriebenen Monitoring-Konzepts bereits, siehe Abb. 3.10. Dieses ist bei der Verwahrung der Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut umgesetzt. Gegliedert ist es in Sanierungsüberwachung, Basis-Monitoring und Langzeit-Monitoring. Darin integriert ist der Strahlenschutz, der sich in betrieblichen Strahlenschutz (beruflich strahlenexponierte Personen) und in den Strahlenschutz für die allgemeine Bevölkerung gliedert und behördlich überwacht wird. Die oben aufgeführten Teilbereiche (Überwachung des Endlagers, Überwachung der Umwelt, gesundheitliche Überwachung von Personen und Personengruppen) sind vollständig abgebildet, siehe auch Kap. 8. Im Folgenden werden die derzeitigen Lösungen bzw. Lösungsmöglichkeiten zur Entsorgung der in Kap. 2, Abb. 2.1 gezeigten Kategorien von radioaktiven Abfällen und 16

Eine zeitlich praktisch unbegrenzte Dauerlagerung der Abfälle ist unter der Bezeichnung „Hüten“ oder „Hüte-Prinzip“ bekannt.

Literatur

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Rückständen dargestellt und diskutiert. Dabei wird insbesondere auf die nötige Langzeitstabilität und -sicherheit der Verwahrung und die daraus resultierenden Anforderungen an die Geotechnischen Umweltbauwerke eingegangen. Für die Beurteilung des Isolationspotenzials bei hochaktiven, wärmeerzeugenden Abfällen spielt der maximal zulässige Wärmeeintrag, der von einem Geotechnischen Umweltbauwerk (Endlager) im bestimmungsgemäßen Betrieb ohne sicherheitstechnische Auswirkung angenommen und abgeleitet werden kann, eine wichtige Rolle, um ein relativ am besten geeignetes Geotechnisches Umweltbauwerk zu entwickeln. Die geologische Formation ist dafür nicht allein ausschlaggebend. Genehmigungen für Endlagerstandorte sind weltweit bisher schon in verschiedenen Wirtsgesteinsformationen durch nationale Genehmigungsbehörden erteilt worden.

Literatur 1. RICHTLINIE 96/29/Euratom des Rates vom 13. Mai 1996: zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen (Euratom-Grundnormen) 2. RICHTLINIE 2013/59/ Euratom des Rates vom 5. Dezember 2013: zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung und zur Aufhebung der Richtlinien 89/618/Euratom, 90/641/Euratom, 6/29/Euratom, 97/43/Euratom und 2003/122/Euratom 3. Die Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) von 2007; ICRPVeröffentlichung 103, verabschiedet im März 2007; Veröffentlichungen der Internationalen Strahlenschutzkommission; Deutsche Ausgabe herausgegeben vom Bundesamt für Strahlenschutz 4. Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle, Stand 30. September 2010, BMU (2010) 5. Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz – StandAG); vom 23. Juli 2013 6. Abschlussbericht der Kommission Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe „Verantwortung für die Zukunft“, Deutscher Bundestag (2016) 7. Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung und den Betrieb des Bergwerkes Konrad in Salzgitter als Anlage zur Endlagerung fester oder verfestigter radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung vom 22. Mai 2002; Niedersächsisches Umweltministerium (2002) 8. Endlager Morsleben (ERAM) – Betriebliche radioaktive Abfälle, Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), 2009 9. Stilllegung der Industriellen Absetzanlagen (IAA) der SDAG Wismut – BBergG, VOAS, HaldAO, StrlSchV, AtG etc. 10. Antonia Wenisch, Wolfgang Neumann, Gabriele Mraz, Oda Becker: Entsorgungsstrategie Slowakische Republik; Fachstellungnahme zur Strategischen Umweltprüfung; Umweltbundesamt der Republik Österreich, Wien 2008 11. http://www.srs.gov/general/about/history1.htm, letzter Zugang 29.08.2018 12. Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle und ausgedienter Brennelemente in bis zu 5000 m tiefen vertikalen Bohrlöchern von über Tage, Deutsche Arbeitsgemeinschaft Endlagerforschung, Juni 2015

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3

Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände

13. US Environmental Protection Agency EPA US Environmental Protection Waste Isolation Pilot Plant (WIPP), Withdrawal Act; Amended September 23, 1996. 14. Konzeptionelle und Sicherheitstechnische Fragen der Endlagerung radioaktive Abfälle, Wirtsgesteine im Vergleich Bundesamt für Strahlenschutz, Salzgitter 04.11.2005 15. Bergström, U. et. al.: International perspective on repositories for low level waste, SKB International AB; ISSN 1402-3091, SKB R-11-16; December 2011 16. B. Baltes et. al.: Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Formationen – Entwurf der GRS; GRS – A – 3358; Januar 2007 17. Verantwortung für die Zukunft Ein faires und transparentes Verfahren für die Auswahl eines nationalen Endlagerstandortes, Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe gemäß § 3 Standortauswahlgesetz, K-Drs. 268, Mai 2016 18. T. Metschies: Conceptual Site Modelling, Hydraulic and Water Balance Modelling as basis for the development of a remediation concept; Wismut GmbH; Chemnitz, 04.12.2012 19. Conceptual Site Model for disposal of depleted Uranium at the clive facility; Neptune And Company, Inc.; NAC-0018_R1; Los Alamos, 05. June 2014 20. The long term stabilization of uranium mill tailings; Final report of a co-ordinated research project 2000–2004; IAEA-TECDOC-1403; VIENNA, 2004 21. US ENVIRONMENTAL PROTECTION AGENCY, Code of Federal Regulations Title 40: Protection of the Environment (1996ff.) 22. SSK 98: Empfehlung der Strahlenschutzkommission: „Freigabe von Materialien, Gebäuden und Bodenflächen mit geringfügiger Radioaktivität aus anzeige- oder genehmigungs-pflichtigem Umgang“; Verabschiedet in der 151. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 12. Februar 1998; Berichte der Strahlenschutzkommission, Heft 11 23. The Safety Case and Safety Assessment for the Disposal of Radioactive Waste for protecting people and the environment; No. SSG-23 Specific Safety Guide; International Atomic Energy Agency (IAEA), Vienna, 2012 24. Abschlussbericht der KFK: Verantwortung und Sicherheit – Ein neuer Entsorgungskonsens Abschlussbericht der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergie-ausstiegs (KFK); Berlin, 27.04.2016 25. National Report under the Joint Convention on the Safety of Spent Fuel Management and on the Safety of Radioactive Waste Management, September 2005, S. 32 26. SSK 92: Band 23: Strahlenschutzgrundsätze für die Verwahrung, Nutzung oder Freigabe von kontaminierten Materialien, Gebäuden, Flächen oder Halden aus dem Uranerzbergbau; 30.12.1992 27. Radioaktivität, Röntgenstrahlen und Gesundheit; Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz; München; Oktober 2006 28. Prognose des Anfalls konditionierter Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung bis zum Jahr 2060 (kumuliert), (Stand September 2014); http://www.endlager-konrad.de/Konrad/ DE/themen/abfaelle/entstehung/entstehung_node.html, letzter Zugang 29.08.2018 29. Peiffer, F. (GRS), et. al.: Abfallspezifikation und Mengengerüst Basis Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke (September 2010), Bericht zum Arbeitspaket 3, Vorläufige Sicherheitsanalyse für den Standort Gorleben, GRS – 274 ISBN 978-3-939355-50-2; Juli 2011 30. Sicherheitsanforderungen an die längerfristige Zwischenlagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle; Empfehlung der RSK; Fassung vom 05.12.2002 31. Long-term safety for the final repository for spent nuclear fuel at Forsmark. Main report of the SR-Site project, Volume I, Svensk Kärnbränslehantering AB, March 2011 32. Buhmann, D., Mönig, J., Wolf, J.: Untersuchung zur Ermittlung und Bewertung von Freisetzungsszenarien, GRS-233, Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mbH: Köln 2008; pp. 115

Literatur

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33. Freiersleben, H.: „Endlagerung von radioaktiven Abfall in Deutschland“, TU Dresden, Dez. 2011, verfügbar im Internet unter: https://iktp.tu-Dresden.de/IKTP/Seminare/IS2011/ Endlagerung-IKTP-Sem-01-12-2011.pdf, letzter Zugang 29.08.2018 34. Brunnengräber, Achim [Hrsg.]: Problemfalle Endlager: Gesellschaftliche Herausforderungen im Umgang mit Atommüll; Nomos; Berlin 2016 35. M. Lersow (2006), P. Schmidt; The Wismut Remediation Project, Proceedings of First International Seminar on Mine Closure, Sept. 2006, Perth, Australia, p. 181–190 36. U. Schmocker: Der Einfluss der transversalen Diffusion/Dispersion auf die Migration von Radionukliden in porösen Medien – Untersuchung analytisch lösbarer Probleme für geologische Schichtstrukturen; NAGRA Technischer Bericht 80-06, Juli 1980 37. Bernhard, G.; Geipel, G.; Brendler, V.; Nitsche, H.: Speciation of uranium in seepage waters from a mine tailing pile studied by time-resolved laser-induced fluorescence spectroscopy (TRLFS); Radiochimica Acta 74(1996), 87–91

4

Entsorgung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW)

4.1

Freigegebene Reststoffe, entlassene und nicht überwachungsbedürftige Rückstände

4.1.1 Herkunft Wie in Kap. 2 beschrieben, ist die Einstufung eines Stoffes als radioaktiv an die rechtliche Bewertung der Radioaktivität gebunden. Dabei gibt es zwei Basiskonzepte:  ohne Freigabe – institutionelle Überwachung der Abfälle ist notwendig,  mit Freigabe – das Konzept der Freigabe wurde von der IAEA [1] entwickelt und international etabliert. Eine Zusammenfassung nach deutschem Recht enthält [2]. Radioaktive Reststoffe aus Kernenergie, Medizin, Forschung oder Industrie werden in der Regel zunächst daraufhin überprüft, ob sie als radioaktive Stoffe weiterhin überwacht werden müssen oder ob sie nur sehr gering radioaktiv sind, welche Halbwertszeiten und Strahlungsarten sie haben und ob sie ggf. aus einer institutionellen Überwachung freigegeben werden können. Solche freigegebenen Reststoffe sind im Sinne des deutschen Atomrechts im Bereich der natürlichen Hintergrundradioaktivität (AtG). Zumeist handelt es sich dabei um Bauschutt, Metallschrott und sonstige feste und flüssige Stoffe aus dem Rückbau von Kernkraftwerken und Forschungsreinrichtungen, aus Industrieanlagen oder der Medizin, siehe auch Abb. 4.1.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 M. Lersow, Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57822-3_4

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4

Abb. 4.1 Mengenbilanz eines Referenz-KKW (Druckwasserreaktor) des Kontrollbereiches (Abschätzung). (Quelle: nach Angaben von VGB PowerTech 2011)

82 Entsorgung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW)

4.1 Freigegebene Reststoffe, entlassene und nicht überwachungsbedürftige Rückstände

4.1.2

83

Gesetzliche Grundlagen1

§ 2 (2) AtG regelt, dass die Aktivität oder spezifische Aktivität eines Stoffes im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 außer Acht gelassen werden kann, wenn dieser nach einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung 1. festgelegte Freigrenzen unterschreitet, 2. festgelegte Freigabewerte unterschreitet und der Stoff freigegeben worden ist – soweit es sich um einen im Rahmen einer genehmigungspflichtigen Tätigkeit nach diesem Gesetz oder nach einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung anfallenden Stoff handelt –, 3. nicht der Überwachung nach diesem Gesetz oder einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung unterliegt – soweit es sich um einen Stoff natürlichen Ursprungs handelt, der nicht aufgrund seiner Radioaktivität als Kernbrennstoff oder zur Erzeugung von Kernbrennstoff genutzt wird. Die Freigabe radioaktiver Stoffe (§ 29 StrlSchV) oder die Entlassung radioaktiver Stoffe (§ 98 StrlSchV) kann in Deutschland uneingeschränkt oder eingeschränkt für einen bestimmten Entsorgungsweg erfolgen (z. B. die Wiederverwertung von Gebäuden oder die Beseitigung auf Abfalldeponien). Nach der Freigabe oder Entlassung unterliegen die freigegebenen Materialien keiner weiteren Strahlenschutzüberwachung mehr und sind Abfälle im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG).

4.1.3 Radiologische Grundlagen Die Bedingungen für die Freigabe basieren auf Empfehlungen der Internationalen Atomenergie-Behörde [1] bzw. EU-Richtlinien und sind national im Atomgesetz und der Strahlenschutzverordnung festgelegt [2]. Das radiologische Kriterium für Geringfügigkeit ist in § 29 Abs. 1 StrlSchV in Übereinstimmung mit den Bestimmungen gemäß Richtlinie 96/29 Euratom (1F–18) je Freigabeoption auf den Bereich von 10 µSv effektive Dosis pro Jahr für Einzelpersonen der Bevölkerung (unter Einschluss der Beschäftigten auf der Deponie bzw. Entsorgungsanlage) festgelegt. Für Rückstände gilt als radiologisches Kriterium nach § 98 StrlSchV eine effektive Dosis von 1 mSv pro Jahr für Einzelpersonen der Bevölkerung. Durch den Ausstieg Deutschlands aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie zur Energiegewinnung hat diese Regelung für den Rückbau stillgelegter Atomkraftwerke eine erhebliche Bedeutung. Es werden jährlich große Mengen nicht überwachungsbedürftiger Abfälle anfallen, siehe Abb. 4.1, die auf übertägigen Deponien beseitigt werden 1

Das deutsche Strahlenschutzrecht wird derzeit überarbeitet. Grundlage dafür ist die Richtlinie 2013/59/ Euratom.

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4

Entsorgung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW)

sollen. Schon jetzt ist absehbar, dass dafür nicht genügend Deponieraum zur Verfügung steht.2 Es ist also zu prüfen, wo und in welcher Größenordnung neuer Deponieraum für diese Abfälle benötigt wird, auch um Mülltransporte weitgehend zu vermeiden.

4.2 Zweckgerichtete Freigabe von radioaktiven Abfällen und Entlassung von Rückständen Radioaktive Abfälle und überwachungsbedürftige Rückstände unterliegen unterschiedlichen Regelungen. a) Entlassung von Rückständen aus der strahlenschutzrechtlichen Überwachung Voraussetzung für eine Entlassung von Rückständen aus der strahlenschutzrechtlichen Überwachung ist, dass bei der vorgesehenen Verwertung oder Beseitigung eine effektive Dosis von 1 Millisievert pro Jahr (mSv/a) für Einzelpersonen der Bevölkerung nicht überschritten wird. Aufgrund der verschiedenen Herkunft der Rückstände können folgende rechtlich unterschiedliche Abfallströme für die Deponierung auf konventionellen Deponien entstehen:  Rückstände aus Arbeiten, für die ein sicherer Entsorgungs- oder Verwertungsweg besteht und die bei Einhaltung der Überwachungsgrenzen ohne weitere Kontrollen entsorgt oder verwertet werden können. Liegt die spezifische Aktivität für jedes Radionuklid einer der Nuklidketten unter 0,2 Bq/g, bleibt die jeweilige Nuklidkette unberücksichtigt. Der allgemeine Überwachungsgrenzwert für die Verwertung und Beseitigung (obertägige Deponierung) beträgt 1 Bq/g. Die Überwachungsgrenzen liegen in Abhängigkeit vom Entsorgungs- oder Verwertungsweg etwa zwischen 0,2 und 5 Bq/g3 .  Im Sinne des § 97 StrlSchV für überwachungsbedürftige Rückstände, die nach § 98 StrlSchV auf Antrag im Einzelfall aus der Überwachung entlassen und dann deponiert oder verwertet werden können.  Überwachungsbedürftige Rückstände, die nach § 98 StrlSchV nicht entlassen werden, für die aber eine Entsorgung angewiesen wird (gemäß § 99 StrlSchV). Die StrlSchV beinhaltet dazu Näheres im Teil 3 Kapitel 3 Regelungen zum Schutz der Bevölkerung bei natürlich vorkommenden radioaktiven Stoffen (§§ 97–102). Die Regelungen dieses Kapitels der StrlSchV gelten für Rückstände, die in Anlage XII Teil A StrlSchV (Liste der zu berücksichtigenden Rückstände) aufgeführt sind, wenn für mindestens ein Radionuklid der Nuklidketten U-238 oder Th-232 die spezifische Aktivität über 2

So geht der Betreiber EnBW im Falle des Rückbaus von Philippsburg I und II von 15.000–20.000t eingeschränkt freigemessener Abfälle aus, die auf Deponien des Kreises Karlsruhe verbracht werden sollen. 3 Grenzwert bei der untertägigen Entsorgung.

4.2 Zweckgerichtete Freigabe von radioaktiven Abfällen

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0,2 Bq/g liegt. Die Rückstände sind überwachungsbedürftig, wenn die Überwachungsgrenzen nach Anlage XII StrlSchV Teil B überschritten sind. Darüber hinaus kann die Behörde nach § 102 StrlSchV auch für weitere Materialien mit natürlicher Radioaktivität Maßnahmen anordnen, sofern dies aus radiologischen Gründen erforderlich ist. Rückstände, für die ein Überwachungsbedarf nicht gegeben ist, können auf bestimmten, in der StrlSchV genannten Wegen verwertet oder auf Deponien, die der Deponieverordnung (DepV) und dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) unterliegen, beseitigt werden. Zu solchen Rückständen können z. B. Rotschlamm, Kupferschieferschlacke, aber auch Phosphorgipse, Schlämme aus deren Aufbereitung, Stäube und Schlacken aus der Verarbeitung von Rohphosphat (Phosphorit) sowie Schlämme und Ablagerungen aus der Erdöl- und Erdgasgewinnung gehören. Eine Verwertung oder Beseitigung überwachungsbedürftiger Rückstände ist nur nach einer Entlassung aus der Überwachung zulässig. Diese kann bei der für den Erzeuger der Rückstände jeweils zuständigen Strahlenschutzbehörde beantragt werden. Voraussetzung für eine Entlassung ist, dass bei der vorgesehenen Verwertung oder Beseitigung für Einzelpersonen der Bevölkerung eine effektive Dosis von 1 mSv/a nicht überschritten wird. Der Nachweis ist mit einem radiologischen Gutachten zu erbringen. Die Grundsätze für die Ermittlung der Strahlenexposition für einen solchen Nachweis sind in Anlage XII Teil D StrlSchV enthalten. Unter bestimmten Voraussetzungen ist ein vereinfachter Nachweis nach Anlage XII Teil C StrlSchV möglich. Die Menge und die spezifische Aktivität von Rückständen, die pro Jahr und Deponie beseitigt werden dürfen, sind nach Anlage XII Teil C StrlSchV begrenzt. Werden mehr als 2000 t im Jahr verwertet oder deponiert, dann besteht nach § 100 StrlSchV eine Bilanzpflicht. Die Deponierung erfolgt dabei auf einer abfallrechtlich zulässigen Deponie. In den meisten Fällen sind das Deponien der Deponieklassen II oder III, siehe § 6 DepV. b) Abfälle mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW) § 29 StrlSchV regelt detailliert das Freigabeverfahren und die Maßstäbe zur Beurteilung, welche Stoffe unter welchen radiologischen Randbedingungen bei der Berücksichtigung verschiedener Weiterverwendungszwecke als schadlos einzustufen sind. In der DIN 25457, DIN ISO 11929 sind die Randbedingungen für die Messtechnik und die Messung festgelegt. Darüber hinaus gibt es Empfehlungen (SSK) und Leitfäden (BMU, ESK, Aufsichtsbehörden einzelner Bundesländer) zur Spezifizierung der Anwendung. Bei den Reststoffen und Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW) sind zwei wesentliche Kategorien zu unterscheiden:  Abfälle mit einer zweckgerichteten Freigabe: Dies sind Abfälle, die überwiegend auf Deponien eingelagert werden können.  Wertstoffe und konventionelle Reststoffe: Diese Stoffe können größtenteils wieder in den konventionellen Wertstoffkreislauf überführt werden. Der überwiegende Anteil der Rückbaumassen der stillgelegten KKW wird dazu gehören.

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4

Entsorgung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW)

Bei der zweckgerichteten Freigabe von radioaktiven Abfällen zur Beseitigung auf Deponien, die der Deponieverordnung (DepV) und dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) unterliegen, dürfen – je nach Größe der Deponie – pro Jahr und Deponie nur Aktivitätsmengen abgelegt werden, die einer Maximalmenge entsprechen, die nach Anlage III StrlSchV für die Beseitigung von 1000 t freigegebener Abfälle zulässig ist. Die Deponierung kann dabei auf abfallrechtlich zulässigen Deponien der Klassen DK I bis DK IV erfolgen, also z. B. bei Bauschutt auch Bauschuttdeponien (DK I-Deponien) einbeziehen. Häufig werden allerdings Deponien höherer Deponieklassen (DK II oder DK III) bevorzugt, siehe § 6 DepV in Zusammenhang mit AVV 20014 [3] und auf dieser Grundlage abgeschlossenen Entsorgungsverträgen.

4.2.1

Beispiele von nicht überwachungsbedürftigen Rückständen zur Deponierung gemäß DepV und AVV

In [4] sind Ergebnisse radiologischer Untersuchungen von Rotschlamm und Kraftwerksaschen als Grundlage für Handlungshinweise gemäß Leitfaden vorgelegt, siehe Tab. 4.1 und 4.2. In beiden Tabellen sind Beispiele für nicht überwachungsbedürftige Rückstände zusammengestellt, die auf Deponien der DK II und III entsorgt werden können. Die unterschiedlichen spezifischen Aktivitäten im Rotschlamm ergeben sich aus der großen Schwankungsbreite in der Aktivität in den verschiedenen Bauxit-Lagerstätten. In der AVV 2001 sind die Abfallschlüssel für  Rotschlamm-Gruppe 01 03 mit Abfallschlüssel 01 03 09 (Rotschlamm aus der Aluminiumoxidherstellung – mit Ausnahme von Rotschlamm, der unter 01 03 07* fällt – Rückstände5 aus der Erzaufbereitung (Tailings)), mit Hinweis auf Nr. Pkt. Anh. 5 DepV,  verschiedene Abfälle aus Kraftwerken und Abfallverbrennungsanlagen (außer Kategorie 196 ) der Gruppe 10 017 enthalten. Im KrWG Teil 6 sind sowohl die Nachweispflichten, Annahmebedingungen und Überwachungen sowohl für Betreiber der Deponien als auch für die Behörden festgelegt. 4

AVV: Abfallverzeichnis-Verordnung: Verordnung über das europäische Abfallverzeichnis, Bezeichnung von Abfällen und Einstufung von Abfällen nach ihrer Gefährlichkeit. 5 AVV § 3 Gefährlichkeit von Abfällen. (1) Die Abfallarten im Abfallverzeichnis, deren Abfallschlüssel mit einem Sternchen (*) versehen sind, sind gefährlich im Sinne des § 48 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. 6 Kategorie 19: Abfälle aus Abfallbehandlungsanlagen, öffentlichen Abwasserbehandlungsanlagen sowie der Aufbereitung von Wasser für den menschlichen Gebrauch und Wasser für industrielle Zwecke. 7 Mit einem Sternchen (*) versehene Abfallarten im Abfallverzeichnis, sind gefährliche Abfälle im Sinne des § 48 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und darin nicht aufgeführt.

4.3 Deponierung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität

87

Tab. 4.1 Spezifische Aktivitäten des Rotschlammes (Messungen: IAF GmbH/Dresden), Nuklide der Uran- und Thorium-Reihe ausgenommen K-40. (Siehe Kap. 2, aus [4]) Rückstand Rotschlamm Rotschlamm Rotschlamm Rotschlamm Rotschlamm Rotschlamm HWZ in a

Probe/Herkunft Spezifische Aktivität [Bq/g] Standort 1 Standort 1 Standort 1 Standort 2 Standort 2 Standort 2

U-238 0,210 0,210 0,210 0,300 0,270 0,320 4,468  109

Ra-226 0,220 0,230 0,250 0,315 0,330 0,370 1,602

Pb-210 0,150 0,150 0,150 0,250 0,265 0,320 22,3

Ra-228 0,430 0,510 0,450 0,285 0,290 0,275 5,7

Th-228 0,450 0,500 0,450 0,286 0,285 0,285 1,9131

K-40 0,072 0,023 0,051 < 0,020 < 0,030 < 0,040 1,277  109

Tab. 4.2 Untersuchungsergebnisse von Halden mit Verbrennungsrückständen aus Kraftwerken in Niedersachsen gemäß [5], (SK – Steinkohle) Herkunft HKW Herrenhausen KW Emden KW Emden KW Wilhelmshaven KW Wilhelmshaven

Art und Herkunft der Kohle Flugasche Granulat Flugasche Flugasche Flugasche

SK (USA) SK (Australien)

Ra-226 in Bq/kg

Pb-210 in Bq/kg

298 363 127 232 264

15 44 1980 26 44

Aus Tab. 4.1 lässt sich ableiten, dass sich bei einer Dauer der Betriebsphase einer Deponie im bestimmungsgemäßen Betrieb von 30 Jahren und jährlicher Annahme von 500 t Rotschlamm der beiden Standorte im Deponiekörper eine Aktivität nur aus dieser Abfallkategorie von 25 Gigabequerel8 (nicht gleichmäßig) ansammeln würde und die Deponie damit stillgelegt werden müsste. Die HWZ von U-238 beträgt 4,468 Mrd. Jahre.

4.3

Deponierung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität

Wie unter Abschn. 4.1 dargelegt, sind nicht überwachungsbedürftige Rückstände, Rückstände oder sonstige überwachte Materialien, die aus der Überwachung entlassen worden sind, und freigegebene Reststoffe aus genehmigtem Umgang mit radioaktiven Stoffen, keine radioaktiven Stoffe im rechtlichen Sinne. Sie sind aber weiterhin physikalisch in einem gewissen Maße radioaktiv. Um sie von radioaktiven Abfällen, die im rechtlichen Sinne radioaktive Stoffe sind, zu unterscheiden, benutzen wir für solche Stoffe, im rechtlichen Sinne nicht radioaktive Abfälle, den Term „Abfälle und Produkte mit Radioaktivität“. 8

Zum Vergleich: Der m3 „Einheitsboden“, mit einer „Einheitsdichte“ von 1,6 t/m3 mit den Radionukliden U-238 – spez. Aktivität 0,04 Bq/g; U-235 – 0,05 Bq/g und Th-232 – 0,04 Bq/g enthält 1,5712 E + 6 Bq.

88

4

Entsorgung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW)

Die Zielstellung für eine sichere, langzeitstabile Verwahrung von Abfällen mit Radioaktivität wird so definiert, dass diese so abgelegt und abgekapselt werden, dass ein Übertritt von radiotoxischen Kontaminanten auf dem Luft-, Wasser- und Bodenpfad in die Biosphäre weitestgehend vermieden bzw. in den jeweils gesetzlich formulierten Grenzen gehalten wird. Die Anforderungen an die Umsetzung dieser Zielstellung orientieren sich ausschließlich an Konzepten des konventionellen Deponiebaus. Es wird dabei implizit davon ausgegangen, dass diese radioaktiven Stoffe, bezogen auf die Gesamtmenge aller Abfälle, nur eine untergeordnete Rolle im Deponiekonzept spielen. Weiterhin kann behördlich eine selektive Ablagerung im Genehmigungsbescheid vorgeschrieben werden, siehe Barrieren 2 und 3 im Abschn. „Multibarrierenkonzept“. Die weiteren Darlegungen werden zeigen, dass, obwohl sich die abzulagernden Materialien und die gesetzlichen Grundlagen wesentlich unterscheiden und es große Gemeinsamkeiten hinsichtlich des Aufbaus der geotechnischen Umweltbauwerke von  Deponien gemäß DepV und  Rückstandsspeicher, insbesondere aus der Uranerzaufbereitung (Uran-Tailings ponds) gemäß BBergG, siehe Kap. 5, bestehen. Nachweise und Verwahrungs-(Sicherheits-)konzeptionen, auf der Grundlage der jeweils geltenden Gesetze, werden gegenübergestellt und die Unterschiede und Anforderungen deutlich herausgestellt. Auf der Basis der (Radio-)Toxizitäten der jeweiligen Inventare soll dem Leser ein fundierter Überblick über das Maß der Ungleichbehandlung in den Sicherheitsanforderungen an die jeweiligen Geotechnischen Umweltbauwerke im bestimmungsgemäßen Betrieb gegeben werden. Aus diesem Grunde wird das Multibarrierenkonzept gemäß DepV hier umfänglich ausgebreitet.

4.3.1 Multibarrierenkonzept Eine Deponie dient der langfristigen Lagerung von Abfällen, siehe § 6 DepV in Zusammenhang mit [3]. Seit dem Inkrafttreten der Deponieverordnung liegt eine allgemein gültige Definition der verschiedenen Phasen einer Deponie vor (§ 2 DepV). Demnach ist zwischen  der Ablagerungs-,  der Stilllegungs- und  der Nachsorgephase zu unterscheiden. Um die Belastungen für die Umwelt zu begrenzen, arbeiten Deponien mit dem Multibarrierenkonzept. Es besagt, dass mehrere Sicherheitskonzepte (in diesem Fall Barrieren) unabhängig voneinander vorhanden sein müssen, um Schäden auch noch dann zu verhindern, wenn eine Barriere versagt, siehe Abb. 4.2.

4.3 Deponierung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität

89

Abb. 4.2 Multibarrierenkonzept der Deponieklassen II und III gemäß DepV

1. Barriere Standortauswahl (der Standort muss durch seine Geologie und Hydrogeologie geeignet sein, etwa durch Vorhandensein wasserundurchlässiger Schichten). 2. Barriere Abfallvorbehandlung (Abtrennung besonders gefährlicher Anteile und deren chemisch-physikalische Vorbehandlung, Verbrennung z. B. in speziellen Anlagen). 3. Barriere Beschaffenheit des Deponiekörpers. So laufen Im Deponiekörper chemische, biologische und physikalische Prozesse ab. Deshalb muss der Deponiekörper so aufgebaut werden, dass er mechanisch stabil ist und keine Gasemissionen nach außen dringen. Möglicherweise wird das Deponiegas aufgefangen und verarbeitet oder ein aktives Entgasungssystem vorgesehen. Das Eindringen von Wasser soll verhindert werden, damit nicht zu viel Sickerwasser gebildet wird. 4. Barriere Deponiebasisabdichtung und Sickerwasserbehandlung (sie sollen verhindern, dass verunreinigte Sickerwässer ins Grundwasser und andere Gewässer eindringen können). 5. Barriere Oberflächenabdichtung (soll das Eindringen von Regenwasser minimieren). 6. Barriere Nachsorge und Reparatur (die Deponie muss, auch wenn sie fertig verfüllt ist, noch überwacht werden. Alle Systeme müssen so aufgebaut sein, dass sie repariert werden können, etwa die Rohre der Sickerwassererfassung. Es müssen weiterhin Messun-

90

4

Entsorgung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW)

gen durchgeführt werden (Gasemission, Wasseranalyse in den gesetzten Pegeln), um das Langzeitverhalten der Deponie beurteilen zu können). Obwohl die DepV eine Klassifizierung der verschiedenen Deponien im Zusammenhang mit der AVV 2001 vorgibt, wird mit dem Planfeststellungsbeschluss auf der Grundlage einer Umweltverträglichkeitsprüfung des Standortes eine standortspezifische Lösung genehmigt, siehe Barriere 1.

Beschreibung einzelner Barrieren 1. Barriere Die Standortfestlegung soll nach objektiven, allgemeingültigen Kriterien erfolgen. Nach der Standortfestlegung bzw. der Auswahl eines Deponierungsstandorts wird dort ein Geotechnisches Umweltbauwerk nach einem Standortkonzept mit standortspezifischen Sanierungszielen errichtet, sodass eine sichere, langzeitstabile Verwahrung der mit Radioaktivität kontaminierten Rückstände und Abfälle, bei Einhaltung der Überwachungsgrenzen, erreicht und langzeitig garantiert wird. Freigegebene Abfälle aus genehmigtem Umgang und insbesondere entlassene Rückstände, die als gefährliche Abfälle eingestuft werden, müssen häufig auf Deponien der Klasse DK III entsorgt werden. Mit rechtsverbindlichem Planfeststellungsbeschluss ist die übertägige Deponie auf der Grundlage der DepV, des KrWG, des BImSchG etc. zu errichten, zu betreiben, zu überwachen und zu dokumentieren, stillzulegen und Nachsorge zu betreiben. 4. Barriere Das in Hinblick auf Umweltbewertungen und Langzeitfolgen zu beachtende Hauptproblem bei übertägigen Deponien der Deponieklasse DK III ist die Abdichtung gegen Grundwasser. Die DepV schreibt vor, wie der Schutz des Grundwassers aufgebaut sein soll, siehe Tab. 4.3 und Abb. 4.3. Für Deponien DK III sollten Standorte gefunden werden, an denen eine geeignete geologische Barriere als natürlicher Schutzwall gegen Kontaminationsübergänge ins Grundwasser existiert, siehe Barriere 1. Der Gesetzgeber lässt aber auch den Einbau einer technischen Basisabdichtung zu, siehe Tab. 4.3 und Abb. 4.3. In der DepV Anhang 1 sind

Tab. 4.3 Regelaufbau der geologischen Barriere und des Basisabdichtungssystems gemäß DepV Nr. 1 2 3 4 5

System-Komponente Geologische Barriereab Mineralische Dichtungsschicht – mindestens 2-lagigb Kunststoffdichtungsbahn d  2,5 mm Schutzlage Mineralische Entwässerungsschichtc

DK III kf  1 × 109 m/s; d  5,0 m d  0,50 m; kf  5 × 1010 m/s Erforderlich Erforderlich d  0,5 m; kf  1 × 103 m/s

a Nachbesserungsmöglichkeiten wenn die geologische Barriere aufgrund ihrer natürlichen Beschaffenheit die Anforderungen nicht erfüllt b Der Durchlässigkeitsbeiwert k ist bei einem Druckgradienten i = 30 (Laborwert) einzuhalten c Die zuständige Behörde kann auf Antrag des Deponiebetreibers Abweichungen zulassen

4.3 Deponierung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität

91

Abb. 4.3 Basisabdichtung, Deponieklasse III – Kombinationsdichtung gemäß DepV, siehe Tab. 4.3

die Anforderungen an den Standort, die geologische Barriere sowie Basis- und Oberflächenabdichtungssysteme von Deponien der Klasse 0, I, II und III aufgeführt. Bei der Wahl des Standortes ist insbesondere Folgendes zu berücksichtigen: 1. Geologische und hydrogeologische Bedingungen des Gebietes einschließlich eines permanent zu gewährleistenden Abstandes der Oberkante der geologischen Barriere vom höchsten zu erwartenden freien Grundwasserspiegel von mindestens 1 m. 2. Der Untergrund der Deponie und der im weiteren Umfeld soll aufgrund seiner geringen Durchlässigkeit, seiner Mächtigkeit und Homogenität sowie seines Schadstoffrückhaltevermögens eine Schadstoffausbreitung aus der Deponie maßgeblich behindern können (Wirkung als geologische Barriere), sodass eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers oder sonstige nachteilige Veränderung seiner Beschaffenheit nicht zu befürchten ist. Besondere Anforderungen an die Basisabdichtungen aus radiologischer Sicht hat der Gesetzgeber für die übertägigen Deponien, insbesondere der DK III nicht vorgesehen. Die Deponiesohle sollte als Wanne ausgebildet werden, siehe auch Setzungsmulde. Bei Hochdeponien stellt sich die Setzungsmulde durch das Einsinken des Deponiekörpers in die Basis ein. Der Nachweis, dass der geforderte Abstand zum oberen Grundwasserleiter eingehalten wird, muss im Planfeststellungsantrag erbracht werden. Weiterhin wird hier auf verpflichtende Überwachung des Grundwassers durch den Betreiber der Deponie und mögliche Expositionsnachweise verwiesen. Der Betreiber hat eine Permanentüberwachung sowohl für die Sickerwässer als auch für das Grundwasser zu betreiben und den Behörden zugänglich zu machen, siehe Abb. 4.3.

92

4

Entsorgung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW)

5. Barriere Um ein Auswaschen von Kontaminaten durch eindringendes Regenwasser (Durchtränken des Deponiekörpers), zu verhindern, wird nach jedem aufgefüllten Deponieabschnitt die Abfallkrone abgedeckt und mit einer Oberflächendichtung versehen, siehe Tab. 4.4 und Abb. 4.4, und zwar so lange, bis der gesamte Deponiekörper abgedeckt ist. Man spricht von einer „trockenen“ Verwahrung des Deponiekörpers. Der Aufbau ist in Abb. 4.4 dargestellt. Um eine trockene Verwahrung des Deponiekörpers zu erreichen und zu gewährleisten, werden standortgerechte Sicker- und Oberflächenwasserfassungs- und -behandlungseinrichtungen vorgesehen bzw. vorgeschrieben. Sind Verbundsysteme aus Kapillarsperre, Dichtungsbahnen und Geotextilien für die Oberflächenabdichtung dieser Deponien zu-

Tab. 4.4 Regelaufbau des Oberflächenabdichtungssystems DK III gemäß DepV Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8

System-Komponente Ausgleichsschicht Gasdränschicht Mineralische Abdichtung Kunststoffdichtungsbahn Schutzlage Entwässerungsschichta Rekultivierungsschicht, d  1 m Bewuchs

DK III d  0,5 m Ggf. erforderlich d  0,50 m; kf  5 × 1010 m/s d  2,5 mm Erforderlich d  0,3 m; kf  1 × 103 m/s Erforderlich Erforderlich

a

Die zuständige Behörde kann auf Antrag des Deponiebetreibers Abweichungen von Mindestdicke, Durchlässigkeitsbeiwert und Gefälle der Entwässerungsschicht unter bestimmten Voraussetzungen zulassen

Abb. 4.4 Oberflächenabdichtung für Deponie DK III gemäß DepV, siehe Tab. 4.4

4.3 Deponierung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität

93

gelassen, sind Wasserfassungen für beide Etagen (Dichtungsbahn und Kapillarschicht) zu installieren und funktionstüchtig zu halten, da mit Auftreten einer Leckage Wasser innerhalb der Kapillarschicht – also unterhalb der Dichtungsbahn – geführt wird. Die Bemessung und Konstruktion des gesamten Systems hat sich nach den Bedingungen zu richten, welche für das Funktionieren der Kapillarsperre einzuhalten sind. Der in Tab. 4.4 und Abb. 4.4 aufgezeigte Aufbau eines Oberflächenabdichtungssystems kann als multifunktionales Abdecksystem (multi-functional cover system) bezeichnet werden und steht in direktem Vergleich zu den Uran-Tailings ponds, siehe Kap. 5. Auf die Nachweisverfahren wie Stabilität des Böschungssystems, Grundbruchverhalten des Deponieuntergrundes, Setzungsverhalten der Deponieaufstandsfläche unter Einwirkung des Deponiekörpers, beanspruchungsgerechte Gestaltung der Barrieren, hydrologische Verhältnisse, Abstand der Basisabdichtung zum höchsten freien Grundwasserspiegel, Stofftransportmodellierung für mögliche Kontaminationsausbreitungen, Setzung, Konsolidierung des Deponiekörpers und deren Einfluss auf die aufzubringende Oberflächendichtung etc. soll hier nicht näher eingegangen werden. Bei Deponien, insbesondere der Deponieklasse III, die vor dem Inkrafttreten der DepV und des KrWG errichtet wurden, ist in den allermeisten Fällen auf eine aufgabengerechte Basisabdichtung verzichtet worden. Diese lässt sich auch nicht nachträglich mehr installieren. Für besonders gravierende Fälle ergab sich nur die Möglichkeit, die Deponie auszuräumen und das Material auf anderen, zugelassenen Standorten wieder einzubauen. Stilllegung und Nachsorge, siehe 6. Barriere, gehören heute zu den Hauptaufgaben der Deponiebetreiber. Dabei sind gesetzliche Regelungen zu beachten. Dies sind  Stilllegungsanzeige § 40 (1) KrWG,  Antrag auf endgültige Stelllegung der Deponie oder eines Deponieabschnittes § 10 (2) DepV,  Feststellung der endgültigen Stilllegung der Deponie oder eines Deponieabschnittes § 40 (3) KrWG,  Feststellung des Abschlusses der Nachsorge § 11 (2) DepV und § 40 (5) KrWG auf Antrag. Insbesondere die Feststellung des Abschlusses der Nachsorge auf Antrag ist im Sinne der Endlagerung von „Abfällen mit Radioaktivität“ von Bedeutung. Den Zeitraum von der endgültigen Stilllegung einer Deponie bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die zuständige Behörde nach § 36 Abs. 5 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes den Abschluss der Nachsorgephase für die Deponien feststellt, insbesondere für Deponien mit „Abfällen mit Radioaktivität“, kann verantwortungsvoll nicht vorausgesagt werden. Über den Zeitpunkt für das Ende der erforderlichen Nachsorge der jeweiligen Deponie entscheidet die zuständige Behörde allein nach Faktenlage. Nach geltendem Recht besteht eine Nachsorgenotwendigkeit auf unbestimmte Zeit. Es muss darauf bestanden werden, dass bekannt gemacht wird, wo Abfälle und welche Abfälle aus längst vergangenen Zeiten aufbewahrt werden. Die Führung eines Bodenkatasters macht es möglich. Dies hat für

94

4

Entsorgung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW)

Deponien, insbesondere der Deponieklasse III, die vor dem Inkrafttreten der DepV und des KrWG errichtet wurden, eine besondere Bedeutung. Zum Schutze des Grundwassers bei fehlender Basisabdichtung wurden dort oftmals Brunnengalerien angeordnet und installiert, die den Grundwasserspiegel künstlich absenken und so den Deponiefuß trocken halten. Das Betreiben dieser Pumpengalerien ist dauerhaft zu gewährleisten. Obwohl damit ein erheblicher finanzieller Aufwand für die Betreiber verbunden ist, ist insbesondere das Eindringen von Grundwasser in den Deponiekörper zu verhindern und so vor massiven Kontaminationseintrag zu schützen.

4.4 Ausblick Ein Langzeitsicherheitsnachweis im Sinne einer Endlagerung von radioaktiven Abfällen ist bei einer Deponie gemäß DepV und KrWG in Deutschland (außer bei Langzeitlagern und Deponieklasse DK IV im Steinsalz) nicht vorgesehen. Das Sicherheitskonzept von Abfalldeponien geht davon aus, dass die Sicherheit in der Betriebsphase (sowohl für das Personal als auch die Bevölkerung in der Umgebung) durch technische und organisatorische Maßnahmen gewährleistet werden kann. Für die Nachbetriebsphase ist durch ein Monitoring (insbesondere Grundwasser-Monitoring) nachzuweisen, dass keine Einträge in das Grundwasser stattfinden, die zu signifikanten Kontaminationen des Grundwassers führen. Kann dieses Ziel durch hinreichend lange Messreihen durch den Betreiber belegt werden, kann die zuständige Behörde die (Alt-)Deponie aus der (Grundwasser-)Überwachung auf Antrag des Betreibers entlassen. Der Standort bleibt aber als Altablagerung im Bodenkataster auf unbegrenzte Zeit registriert. Folgende wichtige Sicherheitsaspekte sind rechtlich weitgehend definiert:  Standortanforderungen,  Anforderungen an die technischen Barrieren. Folgende wichtige Sicherheitsaspekte sind bisher rechtlich nicht konkret definiert:  Kriterien zur Ableitung von Annahmewerten (Eluatwerte und andere Kriterien nach DepV),  Auslöseschwellen für Grundwasserkontaminationen im Zusammenhang mit der Umweltüberwachung (siehe unten). In Hinblick auf die Ablagerung von Abfällen mit Radioaktivität ist zunächst festzustellen, dass für den Deponiearbeiter nur die Dauer des Umgangs mit dem Abfall relevant ist. Er kommt nur für den kurzen Zeitraum der Anlieferung und Einlagerung mit den Abfällen und Rückständen mit Radioaktivität in Kontakt. Bei Deponien gemäß DepV werden Personal und Personen der anliegenden Bevölkerung gleich behandelt. Der Grenzwert

4.4 Ausblick

95

(maximal zulässige Dosis) für die jährliche Strahlenexposition einer Person der Normalbevölkerung aus Tätigkeiten nach § 2 der Strahlenschutzverordnung beträgt 1 mSv/a. Dauerhaft als relevanter Expositionspfad wird der Wasserpfad betrachtet, über den Radionuklide zu einem Haus- oder Wirtschaftsbrunnen transportiert werden können, Langlebigkeit der Radionuklide unterstellt, siehe Tab. 4.1. Die langfristige Sicherheit einer Ablagerung von Abfällen mit Radioaktivität auf einer Deponie ist aber bisher nur sehr unterschiedlich geklärt. Für die Freigabe von Abfällen wird mit konservativ ausgelegten radioökologischen Modellen und unter Vernachlässigung aller geotechnischer Barrieren die Dosis ermittelt, die nach Stilllegung der Deponie durch Nutzung von Grundwasser im Abstrom entstehen kann. Die Freigabewerte nach Anlage III Tabelle 1 StrlSchV stellen sicher, dass diese Dosis kleiner als 10 µSv/a ist. Die einzige Annahme, die diesem Nachweis zugrunde liegt, ist der dauerhafte Bestand der Ablagerung von Abfällen am Ort und ihrer Lage zu einem (fiktiven) Grundwasserleiter. Im Falle von Rückständen liegt, sowohl bei den Überwachungsgrenzen (Anlage XII Teil B StrlSchV) als auch bei den Schwellenwerten für einen vereinfachten Nachweis zum Schutz der Bevölkerung und bei der Deponierung entlassener Rückstände aus der Überwachung (Anlage XII Teil C StrlSchV) ein ähnlicher Modellansatz zugrunde, siehe [7] und [8]. Da die Anwendbarkeit dieser Regelungen aber in vielen Fällen nicht ausreicht, müssen in der Praxis Nachweise auf der Grundlage einer Einzelfallbetrachtung geführt werden. Hier müssen Annahmen getroffen und Modellparameter gewählt werden, für die bisher keine methodischen Rahmenbedingungen festgelegt sind. Daraus ergeben sich zwei Fragen: 1. Welche Dosen sind bei der Verwahrung von Abfällen mit Radioaktivität, die aus überwachungsbedürftigen Rückständen mit spezifischen Aktivitäten von mehr als 50 Bq/g stammen, auf übertägigen Deponien der Klasse DK III über Zeiträume von über 1000 Jahren zu erwarten, und unter welchen Voraussetzungen können ggf. die Zielwerte für eine Langzeitsicherheit von 1 mSv/a effektiver Dosis nicht eingehalten werden? 2. Welche Konsequenzen hat eine unwissentliche Besiedlung einer solchen Deponie in der Zukunft? Nach dem Ausstieg der Bundesrepublik Deutschland aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie zur Energiegewinnung und dem damit verbundenen Rückbau stillgelegter Kernkraftwerke wird das Problem der Langzeitsicherheit stillgelegter übertägiger Deponien für Abfälle mit Radioaktivität eine nicht zu unterschätzende Bedeutung gewinnen. Dies zeigt die stark angewachsene Zahl von Bürgerprotesten gegen Deponiestandorte, die für solche Entsorgungen genutzt werden sollen. Vor diesem Hintergrund sind Antworten auf die oben gestellten Fragen nötig, insbesondere die zur Feststellung des Abschlusses der Nachsorge auf Antrag im Zusammenhang mit der Führung eines Bodenkatasters. Es scheint angeraten, sich mit dem Langzeitverhalten von Deponiestandorten nach KrWG und DepV wissenschaftlich auseinanderzusetzen, um vertrauensbildend auf die Bürgerschaft zu wirken. Insbesondere sollte

96

4

Entsorgung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW)

 ein Mülltourismus innerhalb Deutschlands vermieden und geeignete Entsorgungsstandorte in der Nähe des Entstehungsortes gesucht und  soweit als möglich die Entsorgung vermieden und Wertstoffe sowie konventionelle Reststoffe wieder in den konventionellen Wertstoffkreislauf überführt werden. Erste Untersuchungsergebnisse sind vorgelegt worden [6]. Darin sollte geklärt werden, wie sich Deponien langfristig verhalten und ob z. B. Stoffe mit Radioaktivität langfristig über das Sicker- oder Grundwasser in die Umwelt gelangen könnten [5]. Die Optimierung der Deponieabdichtungssysteme vermindert das Risiko von unzulässigen Kontaminationsaustritten, siehe [9]. Auch die Bedeutung menschlicher Eingriffe in eine bereits seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten geschlossene Deponie wurde untersucht. Um die Strahlungsdosis betroffener Personen für verschiedene Szenarien und Zeiträume zu berechnen, wurden dabei langzeitsicherheitsanalytische Modelle und Rechenprogramme aus dem Bereich der Endlagerung radioaktiver Abfälle eingesetzt.

Literatur 1. IAEA; Principles for the exemption of radiation sources and practices from regulatory control, Safety Series 89, Wien 1988/ISBN 92-0-123888-6 2. Fachverband für Strahlenschutz (FS) e.V.; Leitfaden für die praktische Umsetzung des § 29 StrlSchV (Freigabeleitfaden); Arbeitskreis Entsorgung Ausgabe 3 Stand: 8. Dezember 2005; FS-05-138-AKE 3. Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis (Abfallverzeichnis-Verordnung – AVV), 10.12. 2001, zuletzt geändert 4.3.2016 4. Abschlussbericht zum Vorhaben StSch 4416 „Methodische Weiterentwicklung des Leitfadens zur radiologischen Untersuchung und Bewertung bergbaulicher Altlasten und Erweiterung des Anwendungsbereichs“; Teil B: Erweiterung des Anwendungsbereichs auf NORM-Rückstände; Bericht I: Vorkommen und Entstehung von radiologisch relevanten Bodenkontaminationen aus bergbaulichen und industriellen Prozessen (StSch 4416 Leitfaden NORM-Rückstände, Teil B, Komm.-Nr. 5.18.001.3.1), Auftraggeber: Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vertreten durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS); 222 Seiten, 2 Anlagen, 06.10.2006 5. J. Schmitz, H. Klein: Untersuchung bergmännischer und industrieller Rückstandshalden in Niedersachsen auf eine mögliche Freisetzung radioaktiver Elemente. KfK Karlsruhe September 1985 6. A. Artmann et. al.: Anwendung und Weiterentwicklung von Modellen für Endlagersicherheitsanalysen auf die Freigabe radioaktiver Stoffe zur Deponierung – Abschlussbericht; Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) gGmbH; Köln, Aug. 2014 7. SSK: Ermittlung der Strahlenexposition; Empfehlung der Strahlenschutzkommission; Verabschiedet in der 263. Sitzung der SSK am 12. September 2013 8. AKNAT Positionen des Arbeitskreises „Natürliche Radioaktivität“ (AKNAT) des Fachverbandes Strahlenschutz zur Richtlinie 2013/59/EURATOM vom 05.12.2013 9. Optimierung von Deponieabdichtungssystemen (Hrsg.: H. August, U. Holzlöhner, T. Meggyes), Springer Verlag, Berlin, 1998, ISBN 978-3-642-72062

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Radioaktive Rückstände sind Materialien, die in industriellen und bergbaulichen Prozessen anfallen, und die in der StrlSchV in Anlage XII Teil A genannt werden, sowie Materialien, die die in der StrlSchV in Anlage XII Teil A genannten Voraussetzungen erfüllen. Deren Verwertung oder Beseitigung wird im Teil 3 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) geregelt. Diese Materialien sind dabei Stoffe, die natürlich vorkommende Radionuklide enthalten oder mit solchen Stoffen kontaminiert sind. Bergbauliche oder industrielle Prozesse führen in vielen Fällen zu Rückständen mit natürlich vorkommenden Radionukliden („NORM“), wobei durch die Richtlinie 2013/59/Euratom [44] der Bergbau zur Uran-(Thorium-)Gewinnung und die Verarbeitung der gewonnenen Erze als besonderer Teil der Kernenergienutzung eine Sonderrolle erhält, siehe Kap. 2. Dabei sind die Rückstände in überwachungsbedürftige und nicht überwachungsbedürftige Rückstände zu unterteilen. Hier werden nachfolgend nur die überwachungsbedürftigen Rückstände behandelt, für die nicht überwachungsbedürftigen Rückstände wird auf Kap. 4 verwiesen. Weiterführende Ausführungen wie zur Klassifizierung, zum Auftreten, zu Verwahrungsmethoden etc. finden sich in Kap. 2 und 3.

5.1

Herkunft der radioaktiven Rückstände und Rückstandsspeicher1 , grundsätzliche Anforderungen an deren Stilllegung

Eine Zusammenstellung zur Herkunft und Klassifizierung radioaktiver Rückstände ist in Kap. 2 enthalten. Die weitaus größten Mengen an überwachungsbedürftigen, radioaktiven Rückständen in Deutschland stammen aus der gewaltigen Uranerzgewinnung und -aufbereitung der SDAG Wismut in Thüringen und Sachsen zwischen 1946 und 1991 [43]:

1

Speicher für die Rückstände aus der Uranerzaufbereitung wurden von der SDAG Wismut als Industrielle Absetz-Anlagen (IAA) bezeichnet.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 M. Lersow, Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57822-3_5

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5

98

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

 231.400 t produziertes Uran („Yellow Cake“) bis 1991,  37 km2 Wismut-Bergbauregion in den Bergbaurevieren Sachsens und Thüringens,  311 Mio. m3 Bergehalden – 0,2 . . . 2 Bq/g (Ra-226), Inventar: 20.000 t Uran,  30,6 Mio. m3 /a Bergbauwässer – 25 t/a Uran in Vorfluter eingeleitet,  5,7 km2 Industrielle Absetzanlagen (Tailings ponds), 178 Mio. m3 Aufbereitungsrückstände, Inventar: 1800 TBq (Ra-226), 16.000 t Uran,  1,6 km2 Tagebaufläche, 84 Mio. m3 Hohlform,  5 Untertagegruben, 1,53 Mio. m3 Grubenbaue, Stollen und Strecken mit 1470 km Länge.

Bei den überwachungsbedürftigen radioaktiven Rückständen des ehemaligen Uranerzbergbaus in den neuen, aber in geringem Ausmaß auch in den alten Bundesländern, handelt es sich überwiegend sowohl um Halden des früheren Uranerzbergbaus als auch um die Absetzanlagen (Tailings ponds) der früheren Uranerzaufbereitung (uranium mill tailings). Um das ganze Ausmaß der Uranerzgewinnung in Sachsen und Thüringen zu verdeutlichen, einige Zahlen zur Lagerstätte Schneeberg-Oberschlema: Aus der Lagerstätte wurden 73.105 t Uran gewonnen. Bei einem durchschnittlichen Urangehalt von 0,4 % entsprach diese Menge Uran 18,25 Mio. t vererztem Haufwerk, das der Aufbereitung zugeführt wurde. Das Erz wurde zunächst untertägig vorsortiert und in Kisten verpackt zutage gefördert. 1965 ging am Schacht 3712 die Radiometrische Aufbereitungsfabrik (RAF) in Betrieb, welche Stufenerz (0,1 bis 1 % Urangehalt) und Fabrikerz (0,01 bis 0,1 % Urangehalt) vorsortierte. Das „taube“ Material mit Urangehalten < 0,01 % kam auf die Halde. Das Material ist aber nicht taub, es handelt sich um radioaktive Rückstände gemäß StrlSchV. So entstand eine riesige Haldenlandschaft mit 28 Halden aus radioaktiven Rückständen um die Schächte der Lagerstätte Schneeberg-Oberschlema. Deren Böschungswinkel entsprach dem natürlichen Reibungswinkel des Haldenmaterials zwischen ca. 34° und 36°. Allein die beiden Halden am Schacht 371 fassen ein Volumen von 13 Mio. m3 . Die Halde 371/I hat ein Volumen von 9,3 Mio. m3 und Halde 371/II ein Volumen von 3,7 Mio. m3 . Beide Halden befinden sich derzeit in der Endphase ihrer Sanierung, siehe Abb. 5.1 und 5.3, siehe auch [32] und [43]. In dieser Region wurden die meisten Halden im Sanierungsprogramm der bundeseigenen Wismut GmbH abgeflacht und mit einem Regelquerschnitt von 1 m abgedeckt, sodass der Austritt von Strahlung und des gasförmigen, radioaktiven Zerfallsprodukts Radon in die Biosphäre weitestgehend verhindert und die Revegetation begünstigt wird. Strahlen2

Die SDAG Wismut bezeichnete alle Bestandteile des Bergbau- und Aufbereitungsbetriebes als Objekte mit einer Nummer, z. B. Schacht 371; dieser war der Hauptförderschacht der Lagerstätte. Dies war Teil der Verschleierung der Tätigkeit der SDAG Wismut.

5.1 Herkunft der radioaktiven Rückstände und Rückstandsspeicher

99

Abb. 5.1 a Haldenprofilierung und Abdeckung, b Regelquerschnitt Haldenabdeckung der Region Schlema/Aue nach Angaben Wismut GmbH, c Haldensanierung in situ Schacht 371, Abflachung, Profilierung und Aufbringung der Abdeckung, August 2009

100

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

exposition und Infiltration werden dadurch minimiert. Neben einem Wegesystem wurden die Halden begrünt. Die rekultivierte und sanierte Haldenlandschaft passt sich heute gut in die Erzgebirgslandschaft ein. Austretende Wässer (Sickerwässer) und Oberflächenwässer werden langfristig aufgefangen und einer Wasseraufbereitungsanlage zugeführt. Dort werden die Wässer gereinigt, sodass diese in den Freigrenzen in die Vorflut, die Zwickauer Mulde, abgeführt werden können. Die entstehenden radioaktiven und toxischen Rückstände der Wasseraufbereitung werden stabilisiert, in bags konditioniert und an einem genehmigten Einbauort, meist einer umliegenden Halde, eingebaut und sicher verwahrt. Über die Haldenaufstandsfläche können allerdings auch kontaminierte Wässer in das Grundwasser gelangen, das permanent überwacht werden muss. Die weitaus größte Menge kontaminierter Wässer fällt allerdings als Flutungswässer aus den gefluteten Gruben und Schächten an, die ebenfalls einer Aufbereitungsanlage zugeführt und gereinigt werden. Das Ende des Prozesses ist nicht absehbar. Der radiologische Ausgangszustand in den Uranerzbergbaurevieren Sachsens und Thüringens ist in Abb. 5.2 für das Jahr 1992 dargestellt, siehe auch [58]. In den meisten Bereichen des Bergbaus und der Aufbereitung der Sowjetisch-Deutschen AG Wismut wurde dieser zulässige Grenzwert von 1 Millisievert im Kalenderjahr (§ 46 Strahlenschutzverordnung) überschritten und es bestand dringender Handlungsbedarf nach der Wiedervereinigung Deutschlands zur Sanierung dieser Flächen auch unter radiologischen Gesichtspunkten, siehe [48]. Die Sanierung der 1992 ausgewiesenen Flächen ist zwischenzeitlich weit voran geschritten, aber nicht abgeschlossen, siehe Abb. 5.3. Nachfolgend werden die Rückstände aus der Uranerzaufbereitung aus den zentralen Aufbereitungsanlagen der SDAG Wismut Crossen und Seelingstädt, siehe Abb. 5.6, betrachtet, die langwierigste Aufgabenstellung für die Sanierung der Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus in Sachsen und in Thüringen. Auf das bei den großen Bergehalden auftretende Problem der Radonexhalationen beispielsweise wird hier nicht eingegangen. Die allgemeinen Aussagen beeinträchtigt dies aber nicht, sondern führt zur Fokussierung aufs Thema.

Abb. 5.2 Verteilung der Ortsdosisleistungen in den Uranerzbergbaurevieren Sachsens und Thüringens, Stand 1992. (Nach Angaben Wismut GmbH)

5.1 Herkunft der radioaktiven Rückstände und Rückstandsspeicher

101

Abb. 5.3 a Haldenlandschaft der Lagerstätte Schneeberg-Oberschlema, 1967 (Quelle: © Wismut GmbH); b Landschaft nach erfolgter Sanierung

Bei den Standorten der Tailings ponds des ehemaligen Uranerzbergbaus in Sachsen und Thüringen ist zu beachten, dass diese zunächst danach ausgewählt wurden, dass dort die Rückstände aus dem Aufbereitungsprozess wirtschaftlich vertretbar und hinreichend sicher abgelagert werden konnten. Diese Standorte mussten in der Nähe der Aufbereitungsanlagen3 liegen, wobei diese teilweise in der Nähe der Abbaustandorte errichtet 3

Die SAG Wismut interessierte dieser Zusammenhang zunächst nicht. Es wurde Raubbau an der Natur betrieben. Erst in den späteren Jahren (SDAG Wismut) wurde die Aufbereitung an zwei Standorten konzentriert (Crossen und Seelingstädt).

102

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

wurden, sodass in einigen Standorten eine Konzentrierung von Abbau (Bergwerk), Aufbereitung und Ablagerung der Rückstände (Tailings) aus der Uranerzaufbereitung auf nur wenigen Quadratkilometern anzutreffen ist. Führt man einen internationalen Vergleich zu den gewählten Standorten, so fällt ins Gewicht, dass die Uranerzgewinnung und -aufbereitung in Sachsen und Thüringen in einer sehr dicht besiedelten, historischen europäischen Kulturlandschaft stattfand, teilweise in unmittelbarer Nähe zur Trinkwassergewinnung. Dies führte zu immensen Umweltschäden in den betroffenen Regionen. So liegt die Bevölkerungsdichte in der Region Schlema/Alberoda (Sachsen) bei ca. 250 Einwohnern/Quadratkilometer. In vergleichbaren Urangewinnungs- und -aufbereitungsregionen, wie beispielsweise in South Australia, Utah (USA) oder im Athabasca Basin (Northern Saskatchewan und Alberta/Kanada) liegt die Bevölkerungsdichte teilweise unter einem Einwohner pro Quadratkilometer. Dies muss sich auch auf die Verwahrungstechnologie für die überwachungsbedürftigen Rückstände niederschlagen. Die Ablagerung von Rückständen aus der Aufbereitung von Erzen in übertägigen Speicheranlagen, insbesondere in Rückstandsteichen (in-pond tailings storages, tailings ponds), wird in vielen Bergbauländern mit verschiedenen Klimazonen praktiziert. Insbesondere für Gold-, Kupfer-, Zink-, Blei- und Uranerze werden Tailings ponds angelegt, die erhebliche Abmessungen annehmen, siehe Abb. 5.4. Es ist die am häufigsten verwandte Ablagerungsmethode für Rückstände aus der Erzaufbereitung. Allerdings haben

Abb. 5.4 Absetzen von Aufbereitungsrückständen in eine Absetzanlage der SDAG Wismut, 1963. (Quelle: ©Wismut GmbH)

5.1 Herkunft der radioaktiven Rückstände und Rückstandsspeicher

103

Abb. 5.5 Paste Tailings. (Quelle: Mark T. Biesinger/WesTech Engineering, Inc. [55]).

sich in den letzten zwei Jahrzehnten auch die Eindickung der Aufbereitungsrückstände und deren übertägige und untertägige Ablagerung durchgesetzt. Dies geschieht vorrangig durch Entwässerung und Zugabe von Bindemitteln. Die Aufbereitungsrückstände werden dabei pumpfähig eingedickt (Paste Tailings) und z. B. in vorbereitete untertägige Hohlräume gepumpt. Zum Abschluss dieser Arbeiten werden die Ablagerungskammern mit Absperrbauwerken gegen die Umgebung zuverlässig gesichert. Die Beifügung von erprobten Immobilisierungsreagenzien bereits bei der Herstellung der „Paste Tailings“ [18] soll hier nicht unerwähnt bleiben, siehe Abb. 5.5. Bei den Paste Tailings, die übertägig in Hohlformen abgelegt werden, kann es zu keiner Versickerung der Porenwässer und des Freiwassers kommen, sodass die Tailings-Dämme nicht destabilisiert werden (Herausbildung einer Sickerlinie). Allgemein wird für die Ablagerung von Rückständen aus der Erzaufbereitung im einfachsten Fall ein Tal mit einem Damm abgeriegelt. Steht kein Tal zur Verfügung, wird in der Regel ein ringförmiger Damm geschüttet. Hierdurch ergibt sich die Hohlform des Rückstandsspeichers. Im Gegensatz zum Bau einer Talsperre mit einem Erddamm wird der Damm bei Rückstandsspeichern aus nicht für die Aufbereitung geeignetem Tailings-Material geschüttet. Solche Dämme werden damit nicht lagenweise verdichtet und enthalten auch keinen Tonkern, wie dies bei Erddämmen häufig gemacht wird. Für die Aufbereitungsrückstände der Wismut SDAG wurden zumeist aufgelassene Sand- oder Kiestagebaue verwendet, die man dafür gestaltete, herrichtete und mit einem geeigneten Dammbauwerk (tailings embankment) umgrenzte, sodass die geplante Hohlform entstand, siehe Abb. 5.9 und 5.4. Basisabdichtungen zum Schutz gegen Sickerwasseraustritte, so wie dies heute in vielen Ländern von Genehmigungsbehörden verlangt wird, wurden nicht eingebaut, siehe [41].

104

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Weiße Elster

Elbe

Mulde

Dresden

Sachsen-Anhalt

Chemnitz

Gera 1

Sachsen 3

2

Zwickau Uranerzaufbereitungsanlage (Uranium processing plant)

Thüringen

Uranerzbergbau (Uranium mine site)

E

IRG

ER

TSCHECHIEN Bayern

EB ZG

Industrielle Absetzanlage (IAA) (Tailings storage facility [TSF]) 1 2 3

Helmsdorf und Dänkritz Culmitzsch A und B Trünzig A und B

Abb. 5.6 Verteilung der Tailings ponds der SDAG Wismut. (Nach Angaben der Wismut GmbH)

So wurden von der SDAG Wismut als Einspülbecken für die Aufbereitungsrückstände aus der Aufbereitungsanlage in Seelingstädt bei Ronneburg die beiden ausgeerzten Uranerz-Tagebaue Katzendorf (Trünzig) und Culmitzsch genutzt, die als die Tailings ponds „Trünzig“ und „Culmitzsch“ hier aufgeführt sind, siehe Abb. 5.6. Der Uranabbau der Culmitzscher Lagerstätte erfolgte zwischen 1951 und 1967 im Tagebau. Diese Lagerstätte gehörte zum sogenannten „Sandstein-Typ“4 . Neben der oxidischen Uranmineralisation trat auch eine sulfidische, nicht abbauwürdige Vererzung von Zink, Blei, Kupfer, Eisen, Arsen, Kobalt, Nickel und Antimon in dieser Lagerstätte auf. Die Bestandteile dieser Vererzung gehören heute zu den Inventaren der Tailings ponds Trünzig und Culmitzsch und lassen sich in den aufgefangenen Wässern nachweisen [2]. Aufbereitungsrückstände aus der Aufbereitungsanlage Crossen bei Zwickau wurden in den Sand-/Kiestagebau Dänkritz abgesetzt, hier als Tailings pond „Dänkritz I“55 bezeichnet. Ein weiterer Standort zur Aufbereitungsanlage Crossen wurde im Oberrothenbach-Tal als valley impoundment angelegt. Es ist der flächenmäßig größte Tailings pond der SDAG Wismut, Helmsdorf, [5].

4

Sandsteine sind Grundwasserleiter; damit ist ein ausgeerzter Tagebau in einem Sandstein ein guter Standort für eine Absetzanlage. 5 In der Nähe existiert noch ein weiterer kleinerer Rückstandsspeicher, Dänkritz II, der allerdings nicht unter das Wismut-Gesetz fällt.

5.2 Stilllegung/Langzeitsichere Verwahrung von radioaktiven Rückständen

105

5.2 Stilllegung/Langzeitsichere Verwahrung von radioaktiven Rückständen des Uranbergbaus in Deutschland Wenn ein Rückstandsspeicher voll ist, wird entschieden, ob die abgelagerten Tailings nochmals aufbereitet werden (Sekundärlagerstätte)6 oder ob der Tailings pond langzeitsicher verwahrt7 wird. Für die Einstellung des Betriebes ist in Deutschland gemäß § 53 BBergG ein Abschlussbetriebsplan vom Betreiber vorzulegen, der vom zuständigen Bergamt zugelassen werden kann. Gleichzeitig hat der Bergbautreibende (Betreiber) seiner Wiedernutzbarmachungsverpflichtung gemäß § 66 BBergG nachzukommen; diese Verpflichtung hat erheblichen Einfluss auf die Stilllegung/Langzeitsichere Verwahrung der Tailings ponds der SDAG Wismut. Der Uranerzbergbau in Sachsen und Thüringen endete mit der deutschen Wiedervereinigung abrupt, weil dieser in diesem alten und dichtbesiedelten europäischen Kulturraum längst unwirtschaftlich und ökologisch unverantwortlich war und der eine Hauptaktionär der Sowjetisch-Deutschen Aktien-Gesellschaft (SDAG), die Sowjetunion, nicht willens und in der Lage war, die dafür notwendigen finanziellen Aufwendungen aufzubringen und zu tragen. Die Bundesrepublik Deutschland übernahm den 50 %igen Gesellschaftsanteil der Sowjetunion und trat damit in alle Verpflichtungen nach dem Bundesberggesetz ein. Mit dem Wismut-Gesetz, das am 18. Dezember 1991 in Kraft trat, wurde sowohl der Rahmen der Verpflichtungen abgesteckt als auch das Bergbauunternehmen Wismut GmbH gegründet, das diese Verpflichtungen seitdem umsetzt. Zur Finanzierung dieser Verpflichtungen hat der Bundesgesetzgeber zunächst 13 Mrd. DM eingeplant, die er zwischenzeitlich auf 7,1 Mrd. C aufstockte, siehe [56]. Anfang der 1990er-Jahre gab es in Deutschland hinsichtlich der Verwahrung von Tailings ponds aus der Uranerzaufbereitung wenig Erfahrung. Als 1991 auf der Grundlage des Wismut-Gesetzes mit den Sanierungsarbeiten der enormen Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaues in Sachsen und Thüringen begonnen wurde, konnten diese Arbeiten nur entsprechend zugelassener Abschlussbetriebspläne nach BBergG erfolgen. Sie schreiben ein Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfungen für die Verwahrung der Tailings ponds vor. Aufgrund der Konzentrationswirkung des BBergG war für die Zulassung der Abschlussbetriebspläne zumindest auch das Wassergesetz, die Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) und das Atomgesetz (AtG) heranzuziehen. Die zuständigen Bergämter als Aufsichts- und Genehmigungsbehörden hatten zwar Erfahrungen mit dem Betrieb der Tailings ponds der SDAG Wismut, allerdings nicht mit deren dauerhafter Stilllegung und dem dafür anzuwendenden Gesetzeswerk der Bundesrepublik Deutschland. So war zu prüfen, welche Gesetze der DDR aufgabenbezogen fortgelten sollten. Gemäß Artikel 3 des Einigungsvertrages vom 6. September 1990 gelten bei der Sanierung der

6

Dies ist bei Uranerzen unüblich, allerdings bei Gold-Tailings die Regel. Die SDAG Wismut hat für die stillgelegten Tailings ponds aus der Zeit 1945–1963 oft keine Verwahrung durchgeführt.

7

106

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Hinterlassenschaften der SDAG Wismut die folgenden Gesetze der vergangenen DDR fort [6]:  Verordnung über die Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz vom 11. Oktober 1984 nebst Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz (VOAS),  Anordnung zur Gewährleistung des Strahlenschutzes bei Halden und industriellen Absetzanlagen und bei der Verwendung darin abgelagerter Materialien vom 17. November 1980 (HaldAO). Aufgrund geringer Kenntnisse bei der Verwahrung von Tailings ponds aus der Uranerzaufbereitung musste so vorrangig auf internationale Erfahrungen zurückgegriffen werden. Ein Umstand kam hier allerdings erleichternd entgegen. In den USA wurde in den 1980erund 1990er-Jahren wegen des rapiden Uranpreisverfalls auch eine große Anzahl von Urangewinnungs- und -aufbereitungsstandorten aufgegeben, die ebenfalls verwahrt werden mussten, siehe [7]. Da mit der Aufgabe in vielen Fällen auch die bergbautreibenden Unternehmen verschwanden, sah sich die amerikanische Regierung gezwungen, für die sichere und langzeitstabile Verwahrung das UMTRA-Programm (US Uranium Mill Tailings Remediation Action Program) zu starten. Neben der Bereitstellung finanzieller Mittel wurden im UMTRA-Programm erhebliche, verallgemeinerbare Erkenntnisse zur sicheren, langzeitstabilen Verwahrung von Tailings ponds aus der Uranerzaufbereitung gewonnen, die so in das Sanierungsprogramm der Tailings ponds der SDAG Wismut einflossen, siehe [8]. Ein weiterer Beteiligter ist die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA). Sie nimmt nicht nur eine Aufsichtsfunktion wahr, sondern bietet auch Anleitung und Fortbildungen in allen Fragen zum Umgang mit radiotoxischen Stoffen an, also auch mit den Aufbereitungsrückständen der Uranerze der SDAG Wismut. Die IAEA ist dabei nicht nur bemüht, bewährte Technologien (best practice) aus den verschiedenen Mitgliedsländern zu erfassen und bereitzustellen, sondern finanziert auch Forschungen zu brisanten Fragestellungen. Mit Reports und insbesondere mit „The Joint Convention on the Safety of Spent Fuel Management and on the Safety of Radioactive Waste Management“ hat sie ein Rechtsinstrument geschaffen, um direkt Problemen beim Umgang mit radioaktiven Abfällen und Rückständen auf globaler Ebene zu begegnen [3]. Für die Absperrbauwerke (tailing dams) hat die ICOLD (International Commission on Large Dams) eine Reihe von Vorschriften formuliert, die bei der dauerhaften Stilllegung der Tailing ponds der SDAG Wismut zu berücksichtigen und umzusetzen waren. Für die Auswahl der Verwahrungstechnologie für Tailings ponds von Uranerzaufbereitungsrückständen ist entscheidend, dass im Ergebnis ein Geotechnisches Umweltbauwerk entsteht, durch das die Gefahren am Standort, die von den radioaktiven und toxischen Aufbereitungsrückständen für Mensch und Umwelt ausgehen, bleibend beseitigt werden und dass sich das Umweltbauwerk der Standortumgebung harmonisch anpasst. Die standortspezifischen Randbedingungen und Faktoren haben auf die Auswahl der Verwahrungstechnologie, auf das zu errichtende Geotechnische Umweltbauwerk und damit auf

5.2 Stilllegung/Langzeitsichere Verwahrung von radioaktiven Rückständen

107

das Erreichen des Sanierungsziels einer sicheren, langzeitstabilen Verwahrung der Tailings ponds aus der Uranerzaufbereitung ausschlaggebenden Einfluss, siehe [42]. Die Verwahrung eines Tailings ponds erfolgt weltweit auf der Grundlage eines Standortsanierungskonzeptes (Conceptual Site Model (CSM)), siehe Kap. 3. In Deutschland entspricht das einem Abschlussbetriebsplan. Der Abschlussbetriebsplan gemäß bergrechtlichem Zulassungsantrag nach § 54 BBergG ist also ein standortspezifisches Sanierungskonzept. Ein zugelassener Abschlussbetriebsplan für die Stilllegung und langzeitsichere Verwahrung von Tailings ponds der SDAG Wismut kann gemäß § 53 BBergG ergänzt und abgeändert werden. Die Abschlussbetriebspläne werden so der Stilllegung praktisch nachgeführt. Die zur Anwendung kommende Verwahrungstechnologie ist deshalb genau genommen immer ein Unikat. Daher muss sich das Optimierungskriterium jeder Verwahrungstechnologie immer an der Erreichung der standortspezifischen Zielsetzungen orientieren. Die Langzeitsicherheitsuntersuchungen und -nachweise müssen auch standortspezifischen Zielsetzungen folgen, allerdings haben sich diese an objektiven Kriterien zu orientieren [3]. Die dadurch entstehenden Geotechnischen Umweltbauwerke können als Bezug genutzt werden, an denen moderne Anforderungen an eine langzeitsichere Verwahrung radioaktiver Stoffe gespiegelt und bewertet werden können, siehe [1]. Dies trifft auch auf ein zu installierendes Monitoring-System, eingeschlossen Langzeit-Monitoring und Umgebungsüberwachung, zu, was bei der Endlagerplanung weitestgehend ausgeblendet wurde, siehe Kap. 9. Die nachfolgenden Betrachtungen orientieren sich an dem allgemeinen Schutzkriterium für die langzeitsichere und – stabile Verwahrung der hinterlassenen Rückstandsspeicher für die Aufbereitungsrückstände der SDAG Wismut, das dauerhaft verhindert wird, dass radio-toxische Kontaminanten in die Biossphäre gelangen können und wenn, dann nur innerhalb der gesellschaftlich akzeptierten Grenzen, siehe auch [25]. Der Begriff dauerhaft hat hier zunächst eine zeitliche Begrenzung, die sich aus der Bergaufsicht ergibt. Wann ein Tailings pond aus der Bergaufsicht entlassen wird, entscheidet das zuständige Bergamt. Nach derzeitigen Kenntnissen ist davon auszugehen, dass die Tailings ponds der SDAG Wismut dauerhaft unter Bergaufsicht verbleiben. Dabei ist nach Gesetzeslage garantiert, dass das Risswerk und die Betriebschronik nach der Unterlagen-Bergverordnung, § 67 BBergG, im zuständigen Bergamt verbleiben und damit dauerhaft öffentlich zugänglich sind. Die in den jeweiligen Geotechnischen Umweltbauwerken umgesetzte Verwahrungskonzeption soll nachfolgend an der Endlagerkonzeption für niedrig- und mittelradioaktive Abfälle in Deutschland und deren Sicherheitsphilosophie gespiegelt werden. Als Basis dafür werden dabei die in den jeweiligen Geotechnischen Umweltbauwerken langzeitsicher und langzeitstabil abgelegten Inventare und deren Radiotoxizität gegenübergestellt. Es ist Anliegen des Autors, Erfahrungen bei der langzeitsicheren, langzeitstabilen Lagerung der verschiedenen Arten von radiotoxischen Stoffen übertragbar zu machen und Gemeinsamkeiten in den Sicherheitsphilosophien herauszustellen. So wird deutlich, dass die Verwahrungskonzeption von Uran-Tailings der SDAG Wismut Ähnlichkeiten mit dem

108

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Multibarrierenkonzept für Deponien gemäß DepV und KrWG, auf denen auch VLLW eingelagert werden können, aufweist. Allerdings fehlt eine wesentliche Barriere, die Basisabdichtung. Aufgrund der fehlenden Basisabdichtung in den Tailings ponds der SDAG Wismut muss allen für deren Verwahrung Verantwortlichen bewusst sein, dass das allgemeine Schutzkriterium, zumindest solange mit Porenwasseraustritten aus dem TailingsKörper in die Umgebung gerechnet werden muss, nur dann erfüllt wird, wenn die austretenden Wässer gefangen und aufbereitet werden können. Die Zeitdauer hängt dabei davon ab, wie lange hoch kontaminierte Porenwässer in die Umgebung übertreten können. International gesehen ist das Problem fehlender Basisabdichtungen nicht untypisch. Dort, wo es zu gravierenden Austritten von radioaktiven Wässern kommt, bleibt meistens nur die Umlagerung oder die großräumige Absenkung des Grundwasserspiegels in der Umgebung des Uran-Tailings pond. Bei der Umlagerung eines Tailings pond wird zunächst der aufnehmende Rückstandsspeicher nach den Regeln der Technik vorbereitet und natürlich mit einer Basisabdichtung, möglicherweise auch mit einem Dichtungskern im Dammkörper, versehen. Als prominentes Beispiel kann der Uran-Tailings pond Moab im US-Bundesstaat Utah in unmittelbarer Nähe des Colorado betrachtet werden. Er war der ehemals größten UranLagerstätte der USA zugeordnet und wurde 1984 geschlossen und abgedeckt. Danach wurden ehebliche Austritte von Sickerwässern zum Colorado festgestellt, die drohten den Fluss, der auch als Lebensader bezeichnet wird, dauerhaft zu verseuchen. Nachdem der Uran-Tailings pond Moab dem US-Department of Energy als abandoned mine site (Bergbau ohne Rechtsnachfolger) zufiel, wurde er dem UMTRA-Programm unterstellt und eine Umlagerung der 10,8 Mio. Tonnen radioaktiver Rückstände, meistens per Bahn, in die 30 Meilen vom Colorado entfernt liegende Hohlform Crescent Junction, Utah, beschlossen, siehe Abb. 5.7. Die Umlagerung erfolgt meistens per Bahn und soll 2028 abgeschlossen sein. Für die Umlagerung und Renaturierung des Uran-Tailings pond Moab, eingeschlossen die Dekontamination des umgebenden Erdkörpers, dieser relativ

Abb. 5.7 a Uran-Tailings pond Moab unmittelbar am Colorado, b Ausschnitt aus dem Transportplan. (Quelle: [46], public domain)

5.3 Eigenschaften und Radiotoxizität der Uran-Tailings, insbesondere der SDAG Wismut

109

geringen Menge an Uran-Tailings (gemessen an den Tailings ponds der SDAG Wismut), werden derzeit ca. 750 Mio. US-Dollar veranschlagt, siehe [36, 46]. Wenn die Tailings pond weitab von der Zivilisation liegen und das Grundwasser bereits auf natürliche Weise hochgradig kontaminiert, wie in Western Australia (Kalgoorlie Goldfields), wird neben der Abdeckung wenig Nachsorge betrieben. Gold-Tailings werden zumeist ein- bis zweimal aufbereitet, eher diese verwahrt werden. Die mit einer Wasserlamelle (oder mit einer mineralischen Abdeckung) versehenen Uran-Tailings ponds in Kanada, siehe Abb. 5.12, müssen ähnlich beobachtet werden wie in Deutschland. Die Aufsicht hat die Canadian Natural Resources. Neben der radiologischen Kontamination der Wässer enthalten die uranerzhaltigen Rückstände Sulfid-Mineral-Pyrit, das in Schwefelsäure oxidieren kann, wenn Sauerstoff zutritt. Die saure Entwässerung stellt deshalb in Kanada ein erhebliches Umweltproblem aus den Uranrückständen dar, da die Tailings ponds dort oftmals unmittelbar an große Oberflächengewässer angrenzen. Die Säure mobilisiert Metalle wie Radium, Kupfer, Zink, Nickel und Blei, und es muss verhindert werden, dass die Kontaminationen insbesondere in die großen Oberflächengewässer gelangen. So werden auch in Kanada die Wässer gefangen, aufbereitet und gereinigt abgegeben. Beispiele sind der Elliot Lake (Rio Algom’s Stanleigh mine) im Algoma District in Ontario, Kanada, und der McCabe Lake in Halifax, Nova Scotia, Kanada, wo es zu erheblichen Kontaminationsübertritten aus Tailings ponds gekommen ist, siehe [47].

5.3

Eigenschaften und Radiotoxizität der Uran-Tailings, insbesondere der SDAG Wismut

Die Uran-Tailings werden in der Regel in Tailings ponds als Suspension (sogenannter Schlamm – slurry), bestehend aus den radioaktiven und nicht-radioaktiven Bestandteilen des Ausgangserzes, Chemikalien, organischen Stoffen und Prozesswasser eingespült (discharge), siehe Abb. 5.4. Die Art der Absetzung der Tailings im Speicher hat Einfluss auf die sich dort herausbildenden Bereiche, die sich durch ihre Fraktion, Konsistenz und mineralische Zusammensetzung unterscheiden. Die Mächtigkeit der Ablagerung und das radiotoxische Inventar können erhebliche Dimensionen annehmen, siehe Tab. 5.8. Prinzipieller Aufbau und ausgehende Gefahren von Uran-Tailings sind in Abb. 5.9 dargestellt. Eigenschaften der Tailings aus der Uranerzaufbereitung, insbesondere der SDAG Wismut Tailings setzen sich je nach Aufbereitungsverfahren aus festen Bestandteilen und Prozesswasser aus der Erzaufbereitung zusammen. Die festen Bestandteile sind feinkörnige Sedimente (typische Kornfraktionen zwischen 0,001 und 0,6 mm) des gemahlenen Erzes und Minerale, siehe [13]. Das Ziel der Zerkleinerung ist es, das Uranerz zu brechen, um die Erzmineralen von Gangmineralen zu befreien.

110

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Die Uranerz-Aufbereitungsrückstände der SDAG Wismut in den hier beschriebenen Tailings ponds stammen aus einem nasschemischen Aufbereitungsverfahren, der Flotation. In der Flotation sind die unterschiedlichen Oberflächeneigenschaften der Minerale zu berücksichtigen. Für deren Trennung muss das Erz in mehreren Stufen, zuletzt in Kugelmühlen unter Wasserzugabe auf Mehlfeinheit zerkleinert werden. Gibt man der so entstandenen Suspension bzw. „Trübe“ geeignete Reagenzien auf, kann die Oberfläche bestimmter Minerale in diesem System entweder aktiviert oder passiviert werden. Die aktivierten Erzminerale werden hierbei wasserabstoßend (hydrophob), während die übrigen wasserbenetzbar (hydrophil) bleiben und als Rückstände z. B. in übertägige Rückstandsspeicher als Suspension eingespült und gespeichert werden, siehe Abb. 5.4. Somit wird deutlich, dass sich die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Tailings einer nasschemischen Aufbereitung aus verschiedenen Einzeleigenschaften ergeben – den Eigenschaften der verbleibenden Minerale, den Eigenschaften der zugesetzten chemischen Reagenzien, den Eigenschaften von Reaktionsprodukten etc. Die Tailings aus der nasschemischen Aufbereitung setzen sich also aus festen Bestandteilen und Prozesswasser zusammen. Die festen Bestandteile sind feinkörnige Sedimente (Kornfraktion siehe oben) des gemahlenen Erzes und Minerale, welche sich mit der Laugung der Erze bilden. Die Rückstände aus der Erzaufbereitung sind gekennzeichnet durch eine hohe Chemotoxizität und/oder Radioaktivität. Die Rückstandsspeicher sind zumeist für einen mehrere Jahrzehnte dauernden Aufbereitungsprozess ausgelegt. Daraus ergibt sich, dass die festen Bestandteile der in den Speicher eingespülten Suspension sedimentieren und so eine wassergesättigte Feststoffschicht entsteht, deren Mächtigkeit im Laufe der Zeit anwächst. Diese beträgt beim in Abb. 5.4 dargestellten Tailings pond Culmitzsch A ca. 72 m. Die bekanntesten Auslaugungsprozesse für Uranerze verwenden entweder eine saure Laugung mit Schwefel- oder Salpetersaure, bei der das Uran als Uranylsalz herausgelöst wird, oder eine alkalische Laugung mit Soda-Hydrogenkarbonat-Lösung, bei der das Uran als anionischer Karbonatkomplex in Lösung geht. Da im Laugungsprozess überwiegend nur das Uran entzogen wurde, enthalten die Tailings noch alle weiteren radioaktiven und nicht-radioaktiven Bestandteile des Ausgangserzes, so z. B. Arsen, Thorium, Radium, Barium, Kupfer, Molybdän, Blei, Selen, Zink. Diese liegen infolge des Aufbereitungsprozesses in einer wesentlich leichter verfügbaren Form in den Porenzwischenräumen der feinkörnigen Schlammmatrix vor. Die Uran-Tailings enthalten im Durchschnitt noch 85 % der radioaktiven Ausgangsaktivität, u. a. hervorgerufen durch die im Substrat verbleibenden Nuklide Th-230 und Ra-226. Zudem enthalten die Tailings noch 5–10 % Uran des ursprünglichen Gehalts [4, 52]. Rückstandsspeicher (Tailings ponds) des Uranbergbaus in Deutschland, Radiotoxizität der Inventare Die Hinterlassenschaften des Uranbergbaus in Sachsen und Thüringen enthalten große Mengen an radioaktiv belasteten Materialien, siehe Tab. 5.1 und 5.3 Die langzeitsichere,

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM)

111

Tab. 5.1 Tailings ponds der SDAG Wismut, Ablagerungsmengengerüst. (Auszug [1]) Standort/ Spezifikation Oberfläche (ha) Volumen (Mio. m3 ) Masse Feststoff (Mio. t) Max. Ablagerungshöhe (m)

Culmitzsch A Culmitzsch B Trünzig A Trünzig B Helmsdorf Dänkritz I 159 61

76 24

67 11

48 6

205 45

19 5

64

27

13

6

49

7

72

63

30

28

48

23

langzeitstabile Verwahrung dieser Hinterlassenschaften erfolgt nach geotechnischen Anforderungen, daneben aber auch nach Kriterien des Strahlenschutzes (StrlSchV, HaldAO, VOAS). Das bedeutet, dass Ablagerungen geschaffen werden, die, sofern sie aktuell anfallen würden, als überwachungsbedürftige Rückstände einzustufen wären. Die Mengengerüste der radiologisch bedeutendsten Ablagerungen der SDAG Wismut sind die Tailings ponds der Tab. 5.1.

5.4 5.4.1

Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM) Grundsätze der Verwahrungsplanung

Zunächst richtet sich die Verwahrungsplanung von Uran-Tailings ponds nach den am Standort angetroffenen Bedingungen und den allgemeinen, anerkannten länderspezifischen Regeln nach Stand der Technik, BBergG und mitgeltende Gesetze und Verordnungen, sowie den internationalen Vorgaben, Direktive 96/29 Euratom sowie der IAEA, Joint Convention Safety of Spent Fuel Management and on the Safety of Radioactive Waste Management sowie Safety Report Series etc. Grundannahmen der Verwahrungsplanung Die jeweilige Verwahrungsplanung basiert auf Grundannahmen, die unabhängig vom Standort variiert werden.  Die Konzeption der notwendigen Verwahrungsmaßnahmen (Abschlussbetriebsplan) für die Errichtung des langzeitstabilen Geotechnischen Umweltbauwerks zur sicheren Verwahrung von Rückstandsspeichern aus der Erzaufbereitung, insbesondere der Uranerzaufbereitung, wird auf der Grundlage eines risikoorientierten Bewertungsansatzes getroffen (Beachtung von bauwerksrelevanten Eigenschaften von Tailings und Dammbaumaterialien).  Das langzeitstabile Geotechnische Umweltbauwerk besteht aus einem Multibarrierensystem mit den Elementen Dammbauwerk, Abdeckung des Tailings-Körpers und Ba-

112

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

sisabdichtung. Es wird durch ein Wasserfassungssystem und eine Wasserbehandlungsanlage zur Fassung und Aufbereitung der kontaminierten Grund-, Sicker- und Oberflächenwässer ergänzt, sodass die behandelten Wässer in den Freigrenzen an die Vorflut abgegeben werden können. Die Abdeckung des Tailings-Körpers wird als multifunktionale Mehrfachbarriere ausgebildet.  Die konkreten Anforderungen an das langzeitstabile Geotechnische Umweltbauwerk werden jeweils standort- und objektspezifisch festgelegt. Dabei werden im Rahmen der vorgeschriebenen Optimierung (z. B. nach AtG) und unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte solche Verwahrungsmaßnahmen zur Anwendung gebracht, deren Wirksamkeit mit möglichst geringer Wahrscheinlichkeit durch Naturereignisse und/oder Erosionsprozesse beeinträchtigt werden können.  Die Langzeitstandsicherheit für das Geotechnische Umweltbauwerk zur sicheren Verwahrung von Rückstandsspeichern aus der Erzaufbereitung, insbesondere der Uranerzaufbereitung, wird für einen Zeitraum von tlang  1000 a ausgewiesen. Besondere Anforderungen ergeben sich aus den einschlägigen gesetzlichen Immissionskonzentrationen, den Dosisrichtwerten, aus den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften und Standards hinsichtlich des Umgangs und der Abwendung der Ausbreitung von radioaktiven und toxischen Stoffen und aus Optimierungsgesichtspunkten (standort- und objektspezifisch).  Das langzeitstabile Geotechnische Umweltbauwerk soll unabhängig von den standort- und objektspezifischen Abweichungen den folgenden Zielstellungen folgen: – langzeitstabile Verwahrung radioaktiver und toxischer Rückstände – geomechanisch/geohydraulisch langzeitstabil, – geochemisch langzeitstabil, – Landschaftskompatibel, – Reduzierung der – Mensch und Umwelt schädigenden Emissionen (in die Umwelt eingehende Immissionen), sodass die Immissionskonzentrationen im gesetzlichen Toleranzbereich verbleiben (Luft-, Wasser- und Bodenpfad), – radioaktiven Strahlung über Luft-, Wasser- und Bodenpfad (Radonexhalation, der Ortsdosisleistung etc.), – Infiltrierung von Oberflächenwasser, Sicherung gegen Starkniederschläge, – Vermeidung der – Verbreitung Mensch und Umwelt schädigender, insbesondere toxischer Emissionen über Stäube, – Verbreitung von Radioaktivität über Stäube, – Sauerstoffdiffusion, um insbesondere die Aciditätsbildung zu beschränken, – Schutz des Grundwassers und der Vorfluter, insbesondere durch Verhinderung des Austrittes von toxischen und/oder radioaktiven Kontaminanten über den Boden- und Wasserpfad, – notwendige Restriktionen für die Nachnutzung.

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM)

113

Abb. 5.8 Prinzipbild eines Uran-Tailings pond mit ausgehenden Gefahren. (Quelle: [12])

Standortspezifische Arten der Verwahrung von Tailings ponds der Uranerzaufbereitung Von den Tailings ponds gehen sowohl in der Betriebsphase als auch nach der Stilllegung erhebliche Gefahren für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit aus, die gemindert und beseitigt werden müssen, insbesondere von Uran-Tailings ponds, siehe Abb. 5.8. Insbesondere richtet sich die Art der Verwahrung nach den Standortbedingungen, die sich vor allem aus den klimatischen Bedingungen und den am Standort vorgefundenen Möglichkeiten ableiten. Weltweit kommen die folgenden Verwahrungsarten von Uran-Tailings ponds zur Anwendung, siehe Tab. 5.2:  trockene in situ Verwahrung, Abdeckung (Umschließung, Einkapselung) des Rückstandsspeichers zumeist mit mineralischen, inerten Materialschichten,  nasse in situ Verwahrung, Abdeckung der Rückstandsspeicher mit einer Reinwasserlamelle [14],  Umlagerung des Tailings-Körpers, UMTRA-Projekt: Atlas Mine in Moab (Utah, USA) – ca. 14,68 Mio. t Uranaufbereitungsrückstände auf ca. 53 ha [36], siehe Abb. 5.7, 8

Die umzulagernde Masse beträgt nur 10,8 Mio. t (Verlust durch Entwässerung vor Ort).

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5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Tab. 5.2 Gegenüberstellung von Verwahrungsstrategien von Tailings ponds aus der Erzaufbereitung Verwahrungsstrategien Rückführung der Rückstände in untertägige Grubenfelder

Vor- und Nachteile Soll diese Art der Rückstandsablagerung keine Quelle permanenter Grundwasserverunreinigung sein, muss die Ablagerung der Rückstände oberhalb des Grundwasserspiegels erfolgen bzw. dieser abgesenkt gehalten werden. Bei der untertägigen Ablagerung kann darauf verzichtet werden. Häufig werden die Rückstände bei (vor) der Ablagerung stabilisiert. Bei innovativer Gewinnungs- und Aufbereitungstechnologie wird diese Art der Ablagerung häufig angewandt. Rückverfüllung der Die Rückführung von Aufbereitungsrückständen in Tagebaurestlöcher, Rückstände in Tage- insbesondere von Uranerzaufbereitungsrückständen, ist nicht unübbaue lich. Das Verunreinigungspotenzial für das Grundwasser hängt von der Ablagerungstechnologie ab. Insbesondere sollte das Redox-Potenzial vollständig eingeschränkt sein und eine Basisabdichtung vorgesehen werden. Abdeckung der Rück- Weltweit werden große Mengen von Uranerzaufbereitungsrückständen standsspeicher mit in Rückstandsspeichern abgelagert und mit einer Klarwasserlamelle abeiner Klarwasserlagedeckt. Diese Art der Ablagerung ist nicht als Langzeitspeicher von melle Rückständen mit langlebigen radioaktiven Bestandteilen geeignet (z. B. von Thorium-230 beträgt die Halbwertszeit 80.000 Jahre; von Radium226 beträgt die Halbwertszeit 1620 Jahre). Häufig fällt ein Teil der Abdeckung der Rückstände trocken und lässt Radongas und radioaktiven Staub entweichen. Wenn die Rückstände nicht abgezogen und gereinigt werden, sind diese Ablagerungen Quellen einer dauerhaften Grundwasserverschmutzung. Sie stellen eine ernsthafte Gefahr bei Erdbeben wegen der Gefahr der Verflüssigung der Schlämme dar. Die Gefahr des unkontrollierten Überlaufens der Dämme ist erheblich. Trockene in situ Ver- Diese Art der Ablagerung birgt eine Gefahr der dauerhaften Grundwaswahrung serverschmutzung, insbesondere bei fehlender Basisabdichtung, wenn die austretenden Porenwässer nicht permanent gefangen und aufbereitet werden. Sie verlangt ein permanentes Grundwasser-Monitoring. Eine ernste Gefahr besteht bei Erdbeben.

 Untertagedeponierung, Rückführung der Rückstände in untertägige Grubenfelder, siehe Abb. 5.8; [37],  Herstellung von pastösen Tailings, siehe Abb. 5.4 und Ablegung in übertägigen Hohlformen oder in untertägigen Hohlräumen. Die Herstellung von pastösen Tailings haben als vorrangiges Ziel, die Stabilität des Geotechnischen Umweltbauwerkes zu erhöhen (Verlust der Dammstabilität wird sehr unwahrscheinlich, insbesondere in seismisch sensiblen Gebieten), und es erschließen sich größere Speichermöglichkeiten, z. B. untertägige Ablage, siehe Abb. 5.8. In den USA und so auch in Deutschland hat sich die trockene in situ Verwahrung durchgesetzt. Innovative Bergwerksbetriebe belassen heute den überwiegenden Teil der

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM)

115

Abb. 5.9 Verwahrungsmethoden der Uran-Tailings ponds standortabhängig, auch zu klimatischen Bedingungen

bergbaulichen Abfälle untertage. Die Rückverfüllung der übertägig anfallenden Rückstände nimmt in ihrer Bedeutung zu. Viele Rückstandsspeicher werden schon während des Gewinnungs- und Aufbereitungsprozesses auf die Schließung vorbereitet. Insbesondere die Dämme werden in dieser Zeit profiliert, gesichert und bepflanzt. Deshalb wird heute sichergestellt, dass die Verwahrung der Rückstandsspeicher integraler Bestandteil der Projektplanung ist. Die Verwahrung selbst hat die Langzeitstabilität, die physikalische, chemische und biologische Stabilität aller Strukturen zu garantieren [38, 39, 40]. Funktionen der Abdeckung sind  Strahlenschutz, Begrenzung auf natürliche Hintergrundbelastung (Stabilisierung des Rückstandskörpers (statisch und dynamisch)),  Begrenzung der Versickerung und des Austrittes von Tailings-Wasser,  Begrenzung der thermischen Beanspruchung (Förderung der Vegetation),  Landschaftsbauwerk, Anpassung an natürliche Umgebung,  Hinderung am Zugang zum Rückstandskörper. Die Abdeckung der Rückstandsspeicher mit einer Klarwasserlamelle und die trockene in situ Verwahrung sind im Abschn. „Abdeckung (Einkapselung) der Tailings aus der Uranerzaufbereitung“ näher beschrieben.

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5.4.2

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Langzeitsichere und langzeitstabile Verwahrung von Tailings ponds aus der Erzaufbereitung

Die in eine vorbereitete Hohlform eingespülten Rückstände aus einer Erzaufbereitung sedimentieren mit der Zeit. Es bildet sich ein Spülstrand, bestehend aus grobkörnigem Material, und zur Mitte des Spülteiches (Tailings pond) setzen sich die feinkörnigen Bestandteile ab. Der Tailings-Körper ist wassergesättigt. Es bildet sich oberhalb der wassergesättigten Feststoffschicht eine Flüssigkeitsschicht aus Prozesswasser und zusitzendem Oberflächenwasser. Diese Wasserlamelle, auch Freiwasser genannt, gibt dem Rückstandsspeicher den Namen Spülteich oder Tailings pond. Das sogenannte Freiwasser (pond water) ist hochgradig kontaminiert, bildet aber einen Strahlenschutz, da Wasser das Austreten radioaktiver Strahlung verhindert. Allerdings verdunstet Wasser, wodurch radiotoxische Kontaminanten in die Atmosphäre übergehen. Dies geschieht während der gesamten Betriebsphase des Tailings pond und in der Nachbetriebsphase, solange die Freiwasserlamelle vorhanden ist. Bei fehlender Basisabdichtung können kontaminierte Porenwässer über die Sohle des Tailings pond und über den sohlennahen Dammbereich (Dammfuß) in das umgebende Gebirge und von dort ins Grundwasser übertreten. Insbesondere das Freiwasser durchfeuchtet den Damm der Hohlform, woraus sich eine Sickerlinie herausbildet. Darunter versteht man die Grenze zwischen trockenem und feuchtem Material des Dammbauwerkes des Tailings pond. Die Sickerlinie sollte im Idealfall im Dammfußbereich an der Luftseite des Dammes austreten, da einerseits so möglicherweise austretende Wässer mit einer Sickerwasserfassung aufgefangen werden können, andererseits eine im oberen Dammbereich austretende Sickerlinie zu einer hohen Stabilitätsgefahr bis hin zum Dammbruch führt. Bei inhomogenem Dammaufbau spielt die Durchlässigkeit des Dammes und seiner unterschiedlichen Bereiche eine große Rolle. Tailings-Dämme sollten so gestaltet werden, dass diese an der Wasserseite dichter (undurchlässiger) als im übrigen Teil sind, sodass die Sickerlinie im dichteren Bereich nach unten gezogen wird und dann nicht mehr an der Luftseite austreten kann, was die Standsicherheit solcher Dammkonstruktionen erheblich vergrößert. Deswegen werden Staudämme an der Wasserseite abgedichtet und an der Luftseite durch durchlässigere Filterschichten entwässert. Bei den Dammkonstruktionen der SDAG Wismut waren solche Schutzmaßnahmen nicht vorhanden und mussten erst im Abschlussbetriebsplanverfahren angeordnet werden, so dies möglich war, siehe Abb. 5.11. Bei Paste Tailings spielt diese Problemstellung keine Rolle. Anforderungen und notwendige Sanierungsleistungen zur Gestaltung des Geotechnischen Umweltbauwerkes Die Anforderungen an das Geotechnische Umweltbauwerk unterteilen sich in primäre, weitestgehend standortunabhängige Anforderungen, wobei die Risiken als solche standortspezifisch sind, und sekundäre, standortabhängige Anforderungen mit standortspezifischen Parametern.

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM)

117

Primäre Anforderungen zur Erreichung folgender Schutzziele a. Beseitigung der Gefährdungspotenziale  der radiologischen und chemisch-toxischen Risiken (Luft, Wasser, Boden),  der geotechnischen/konventionellen Risiken,  der Belastung des Grund- und Oberflächenwassers und b. Minimierung der mit den Tailings ponds potenziell verbundenen stofflichen Risiken durch  die Verringerung der Freisetzungs- und Ausbreitungsraten (Abdeckung, Einkapselung),  die Behandlung freigesetzter Schadstoffe (Wasserbehandlung). Sekundäre Anforderungen a. Einpassung des Geotechnischen Umweltbauwerkes in die Umgebung, b. ausreichende Verfügbarkeit anforderungsgerechten Materials zur Errichtung des Geotechnischen Umweltbauwerkes, c. sozioökologische Akzeptanz des Geotechnischen Umweltbauwerkes. Diese Anforderungen sind weltweit gültig. Das konkrete Verwahrungsbauwerk wird in jedem Fall eine standortspezifische Lösung sein, das alle Nachweise zur sicheren, langzeitstabilen Beseitigung der Gefährdungspotenziale, der Unterschreitung der vorgegebenen Grenzwerte für radioaktive und toxische Schadstoffe und für die sozioökologische Akzeptanz zu erfüllen hat, welches durch ein begleitendes Monitoring über die Standzeit des Verwahrungsbauwerk zu belegen ist. Dies wird in einem Standortsanierungskonzept für den jeweiligen Tailings pond zusammengefasst und muss vom zuständigen Bergamt zugelassen sein. Das Standortsanierungskonzept wird auch die Restriktionen enthalten, die bei einer möglichen Nachnutzung der sanierten Areale einzuhalten sind. Möglicherweise ist eine Nachnutzung zu untersagen („Human Intrusion Szenarios“9 ). Erfolgskontrolle, Monitoring und Dokumentation (Abschlussdokumentation) sind Vorgaben, die die Zuverlässigkeit des Verwahrungsbauwerkes sowie die Gewährleistung der Schutzfunktionen über dessen Standzeit garantieren und die möglicherweise notwendig werdende Nachsorgeleistungen rechtzeitig anzeigen. Der Zeitpunkt der Entlassung des Standortes aus der Aufsicht ist Bestandteil der Langzeitsicherheit für das Geotechnische Umweltbauwerk. Die Akte (Abschlussdokumentation) des Altbergbaustandorts mit allen relevanten Daten verbleibt aber im Kataster des zuständigen Bergamts.

9

Insbesondere in schwach besiedelten Regionen der USA wurde versucht, durch entsprechende Elemente am Bauwerk Informationen über das Gefahrenpotenzial auch für Zeiträume zu hinterlassen, für die administrative Maßnahmen nicht mehr wirksam sind. Damit soll insbesondere ein ungewolltes menschliches Eindringen in die Tailings („Human Intrusion Scenario“) vermieden werden.

118

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Nachweise und Zielgrößen des Multibarrierenkonzepts Die Auslegung des Standortkonzepts zur langzeitsicheren, langzeitstabilen und standortspezifischen Verwahrung von Uran-Tailings ponds erfolgt auf der Grundlage von Einzelnachweisen (ENW) und der Vorgabe von Zielgrößen und Zielstellungen für die Gewährleistung der Einhaltung von gesellschaftlich verantwortbaren Normen und zur Risikominimierung.  Einzelnachweise zur Auslegung des Multibarrierenkonzepts (ENW): – Nachweis der Langzeitstandsicherheit des Dammbauwerkes (ENW1), – Nachweis der Langzeitstabilität der multifunktionalen Abdeckung (ENW2), – Nachweis der Langzeitstabilität der Basisabdichtung (ENW3), – Nachweis des Schutzes des Grundwassers und der Vorfluter (run off protection) (ENW4).  Mit dem Multibarrierenkonzept soll erreicht werden, die Reduzierung der – Umgebungsstrahlung, – Radonexhalation, – Infiltrierung von Oberflächenwasser. Ziel ist die Sicherung gegen Starkniederschläge (storm water) sowie die Auswaschung radioaktiver und chemisch-toxischer Stoffe.  Das Multibarrierenkonzept dient der Vermeidung – der Verbreitung von Radioaktivität über Staubbildung, – einer Sauerstoffdiffusion zur Beschränkung der Aciditätsbildung.  Damit das Multibarrierenkonzept das radiotoxische Material dauerhaft isoliert, gelten Restriktionen für die Nachnutzung zum besonderen Schutz des Grundwassers und der Vorfluter. Zur Erreichung der übergeordneten Zielsetzungen hat sich das Standortsanierungskonzept (CSM) an den standortspezifischen Faktoren (Bedingungen) zu orientieren. Diese sind  klimatische Bedingungen am Standort,  geomechanische/geochemische Verhältnisse und Umweltrisiken am Ablagerungsstandort,  ausreichende Verfügbarkeit anforderungsgerechten Materials (sowohl gewachsenes als auch geeignetes Bergematerial),  Umsetzungsmöglichkeiten einer geeigneten Verwahrungsstrategie,  sozioökologische Akzeptanz und  Kosten.

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM)

119

5.4.3 Multibarrierenkonzept Allgemeiner Aufbau Das Geotechnische Umweltbauwerk zur Gewährleistung einer langzeitsicheren und stabilen Verwahrung von Tailings ponds muss in der Regel aus folgenden Hauptelementen bestehen, siehe Abb. 5.11:    

Dammbauwerk, Abdeckung (Einkapselung), Basisabdichtung als geologische Barriere oder/und als geotechnische Barriere, Wasserfassung und Wasseraufbereitung sowie Überleitung der gereinigten Wässer (bei Einhaltung von Ableitwerten der Schadstoffkonzentrationen) in die Vorflut,  Begrünung und Vegetation,  Monitoring-System und Langzeitumweltüberwachung mit Datenmanagement. Für die Stilllegung/langzeitsichere Verwahrung der Tailings ponds der SDAG Wismut liegt ein Vergleich zum Deponiebau nahe, siehe Kap. 4. Da es sich bei den Aufbereitungsrückständen aus der Uranerzaufbereitung um überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände handelt, tritt an die Stelle der DepV und des KrWG das Bundesberggesetz (BBergG), die StrlSchV und das AtG. Das BBergG entfaltet bei der Stilllegung/langzeitsicheren Verwahrung von radioaktiven Rückständen eine Konzentrationswirkung, das heißt, es sind die Ämter zu beteiligen, die für die jeweiligen Schutzgüter die behördliche Verantwortung tragen (Wasser, Strahlenschutz etc.). Das für die Verwahrung von Tailings ponds aus der Uranerzaufbereitung vorzulegende Standortsanierungskonzept (CSM) ist kein statisches Konzept und muss eine Anzahl von festgelegten Schnittstellen besitzen, an denen das Konzept dem Sanierungsfortschritt nachjustiert werden kann. Ein zugelassener Abschlussbetriebsplan für die Stilllegung/langzeitsichere Verwahrung von Tailings ponds der SDAG Wismut kann gemäß § 53 BBergG ergänzt und abgeändert werden. Die Abschlussbetriebspläne werden so der Stilllegung praktisch nachgeführt. Somit erfüllen die Abschlussbetriebspläne gemäß BBergG auch das Schnittstellenkonzept des CSM. Wann ein Tailings pond aus der Bergaufsicht entlassen wird, entscheidet das zuständige Bergamt. Dauerhaft beschreibt hier den Zeitraum unbegrenzt bzw. eine zeitliche Begrenzung auf Antrag und möglicherweise Entlassungsbescheid durch das zuständige Bergamt. Nach derzeitigen Kenntnissen ist davon auszugehen, dass die Tailings ponds der SDAG Wismut dauerhaft unter Bergaufsicht verbleiben. Dabei ist nach Gesetzeslage garantiert, dass das Risswerk und die Betriebschronik nach der Unterlagen-Bergverordnung, § 67 BBergG, im zuständigen Bergamt verbleiben und damit dauerhaft öffentlich zugänglich sind. Auch dies ist ein erheblicher Unterschied zur DepV und zum KrWG. Mit der Zulassung der Errichtung eines Tailings pond für Rückstände aus der Uranerzaufbereitung muss die Genehmigungsbehörde, hier das zuständige Bergamt, bereits im

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5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Blick haben, dass dieser nach Ende der Betriebsphase stillzulegen ist. Man hat also die folgenden Phasen zu unterscheiden:    

Errichtungsphase, Betriebs-(Ablagerungs-)Phase, dauerhafte Stilllegungsphase und Nachsorgephase.

Um die Belastungen, die von Tailings ponds aus der Uranerzaufbereitung für die Umwelt ausgehen, zu begrenzen, werden die Geotechnischen Umweltbauwerke nach einem Multibarrierenkonzept ausgelegt. Es besagt, dass mehrere Sicherheitskonzepte (in diesem Fall Barrieren) unabhängig voneinander vorhanden sein müssen, um Schäden auch dann verhindern zu können, wenn eine Barriere in der Funktion zeitlich eingeschränkt ist bzw. Nachbesserungen notwendig werden, die die Funktion der Barriere wieder herstellen. Dies setzt voraus, dass alle vorgesehenen Barrieren auch installiert sind. Eine Barriere muss bereits vor Eintritt in die Betriebsphase installiert sein (Basisabdichtung), und zwar als    

geologische Barriere, geotechnogene Barriere (z. B. eingebrachte Ton- und/oder Betonitbarriere), geosynthetische Barriere oder Kombinationsdichtungssysteme.

Diese lassen sich auf die standortspezifischen Bedingungen ergänzend aufeinander abstimmen. Basisabdichtungen wurden bei den Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut nicht eingebaut. Dies ist ein schwerwiegender Mangel. Mit der Betriebsphase wird auch entschieden, ob die Tailings vorbehandelt werden, z. B. mit Eindickern oder Zugabe von Bariumchlorid, um Radium auszufällen. Es entstehen dann sogenannte Paste Tailings (entwässert und eingedickt), die die Sicherheit der Ablagerung, insbesondere aufgrund der geringen Fließfähigkeit erheblich erhöhen [18].

Allgemeine Beschreibung der einzelnen Barrieren Barriere 1: Standortauswahl mit geologischer Barriere Allgemein muss der Standort durch seine Geologie und Hydrogeologie geeignet sein, etwa durch Vorhandensein wasserundurchlässiger Schichten zur Aufnahme und Isolation großer Mengen an Uran-Tailings. Der Standort entscheidet auch über die Art des Dammbauwerks. Die Standorte und Auswahlkriterien der Tailings ponds der SDAG Wismut sind unter Abschn. 5.1 beschrieben. Sie erfüllen diese Barriereanforderung nicht umfänglich, siehe auch Abb. 5.10. Die Dammbauwerke ergeben sich aus der bereitgestellten Hohlform und

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM)

121

N W

BuS

O S

BuS

BuS

Zwirtzschen

BuS

UranTailings Ponds Culmitzsch

OLORF

OL

OPhd

ORF

CuS

OGF

CuS-URF

OGF

OL - OR F

OL-ORF

OPhd

OPhd

5625

ORF

CuS

CuS

Kleinkundorf

OGF OPhd

CuS OPhs

UranTailings Ponds Trünzig OPhs

OGF

CuS

OPhq

OPhq 0

Schichtgrenze

4514

CuS URF

1000 m

Störungen

OPhd

Tertiär Buntsandstein Zechstein Obere Letten Obere Rote Folge Obere Graue Folge (1. Uranerzhorizont) Culmitzscher Sandstein Untere Rote Folge Ordovizium Phycoden-Folge Phycodenschiefer Magnetitquarzit Phycoden-Dachschiefer Uran-Tailings Ponds

Abb. 5.10 Tailings ponds Trünzig und Culmitzsch, geologische Schichtenfolge im Ronneburger Horst [15]

werden im Verwahrungskonzept der Wismut GmbH profiliert, stabilisiert, abgedeckt und mit Bewuchs versehen. Die Dammbauwerke sind sowohl Teil der Oberflächenabdichtung als auch der Basisabdichtung, da über den Dammfuß eine Versickerung in das angrenzende Gebirge erfolgen kann. Barriere 2: Tailings-Behandlung vor Ablagerung Die Uran-Tailings der SDAG Wismut wurden als Suspension in die gewählten Hohlformen abgesetzt, siehe Abb. 5.4. Als Tailings-Vorbehandlung können Entwässerung und Eindickung gelten. Barriere 3: Beschaffenheit des Tailings-Körpers Die Beschaffenheit des Tailings-Körpers wird in den Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut einerseits durch die Absetzung der Uran-Tailings in die bereitgestellten Hohlformen, siehe Abb. 5.4, andererseits durch den Abzug der Freiwasserlamelle und durch eine partielle Entwässerung mittels Wick-drains bestimmt. Durch eine multifunktionale Abdeckung soll verhindert werden, dass es zu einer Mobilisierung von Radionukliden im TailingsKörper kommt. Barriere 4: Einbau einer Basisabdichtung in die bereitgestellte Hohlform Die Basisabdichtung kann als geologische Barriere und/oder als geotechnische Barriere ausgebildet sein. Mit der Basisabdichtung soll verhindert werden, dass verunreinigte Sickerwässer über die Aufstandsfläche des Tailings-Körpers ins Grundwasser eindringen können und in die Vorflut gelangen. Regeln für die Aufbau- und Querschnittsfestlegungen existieren dazu in Deutschland nicht. Man kann aber die Eignungsbeurteilungen von Abdichtungen gemäß DepV zugrunde legen und auf den Standort zuschneiden, sodass diese

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5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

genehmigungsfähig sind, siehe Tab. 5.8. Je nach Erfordernis kann diese durch eine (dauerhafte) Grundwasserabsenkung, durch Sickerwasserfassung und Wasserbehandlungsanlage ergänzt werden. Barriere 5: Oberflächenabdichtung (multifunktionale Abdeckung) Die Oberflächenabdichtung soll einerseits Zutritte von Oberflächenwässern und Sauerstoff zum Tailings-Körper und andererseits Übertritte von radioaktiven Kontaminanten aus dem Tailings-Körper in die Biosphäre verhindern. Regeln für die Aufbau- und Querschnittsfestlegungen existieren dazu in Deutschland nicht. Man kann aber auch hier eine standortbezogene Lösung auf der Grundlage der Eignungsbeurteilungen von Abdichtungen gemäß DepV entwickeln, siehe Tab. 5.8. Die Oberflächenabdichtungen von Uran-Tailings ponds werden international als multifunktionales Mehrschichtensystem (multi-functional cover system) ausgeführt. Zur Oberflächenabdichtung der Tailings ponds gehören ein Wasserfassungssystem und eine Wasserbehandlungsanlage. Die gefassten Oberflächenwässer werden einer WBA zugeführt. Die Radonexhalationsrate bzw. die Ortsdosisleistung wird im Umfeld der Uran-Tailings ponds permanent überwacht, um mögliche Radonexhalationen festzustellen und anforderungsgerecht beseitigen bzw. reduzieren zu können. Die Oberflächenabdichtungen der Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut sind als multifunktionale mineralische Abdeckung ausgebildet, eingeschlossen das Dammbauwerk. Dieses muss eine genügend große Stabilität aufweisen, um den Tailings-Körper stabil zu fassen. Unter besonderer Beobachtung steht die Sickerlinie, aber auch die Verhinderung von Zutritten (Infiltration) von Oberflächenwasser und Sauerstoff zum TailingsKörper und von Radonexhalationen. Der Grund liegt darin, dass neben der radiologischen Kontamination der Wässer die uranerzhaltigen Rückstände das Sulfid-Mineral-Pyrit enthalten, das in Schwefelsäure oxidieren kann, wenn Sauerstoff zutritt. Die Säure mobilisiert Metalle wie Radium, Kupfer, Zink, Nickel und Blei. Daneben muss natürlich die Mobilisierung von Radionukliden aus dem Tailings-Körper verhindert oder zumindest weitestgehend eingeschränkt werden. Barriere 6: Nachsorge und Reparatur Das Geotechnische Umweltbauwerk zur langzeitsicheren und stabilen Verwahrung insbesondere von Rückständen aus der Uranerzaufbereitung muss in allen Phasen umfänglichst überwacht werden. Alle Systeme sollten so aufgebaut sein, dass sie repariert, ergänzt oder ausgetauscht werden können. Die Festlegung von Alarmwerten soll großvolumige Kontaminationsaustritte verhindern. So sollte ein Messnetz für Grund- und Oberflächenwasser mit entsprechenden Alarmwerten eingerichtet werden sowie Exhalationsmessungen und eine Permanentüberwachung der Ortsdosisleistungen. Die anfallenden Datenmengen werden mit entsprechenden Routinen gesammelt, ausgewertet, der Aufsichtsbehörde zur Verfügung gestellt und archiviert. Aus der Überwachung leiten sich möglicherweise Auflagen ab, die der Betreiber umzusetzen hat.

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM)

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Abb. 5.11 Uran-Tailings pond Trünzig, Abdeckungsdetails im Sanierungsfortschritt. (Quelle: [12])

Abb. 5.12 Abdeckung der Uran-Tailings mit einer Klarwasserlamelle, Quirke Tailings Facility at Elliot Lake, Ontario/Canada. (Quelle: [14])

Abdeckung (Einkapselung) der Tailings Zwei verschiedene geeignete Methoden der Abdeckung (Einkapselung) der Tailings aus der Uranerzaufbereitung sind standortspezifisch entwickelt worden, siehe Abb. 5.11 und 5.12. Abdeckung der Rückstandsspeicher mit einer Klarwasserlamelle Die Abdeckung der Tailings mit einer Klarwasserlamelle hat sich als besonders geeignete Methode unter den klimatischen, geografischen und geomorphologischen Bedingungen

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Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Kanadas erwiesen. Sie stellt besondere Anforderungen an das Dammbauwerk [14]. Kontaminationsaustritte über die Klarwasserlamelle sind kaum möglich, weshalb sie einen besonders guten Strahlenschutz und Schutz gegen Radonexhalationen darstellt. Trockene in situ Verwahrung Die trockene in situ Verwahrung und deren Spezifizierung, die trockene in situ Verwahrung mit partieller Entwässerung, hat sich als besonders geeignete Methode unter den zentraleuropäischen Bedingungen herausgestellt und kommt bei der Verwahrung der Wismut-Tailings ponds zur Anwendung. Die Hauptgründe für die Auswahl dieser Methode:  standortspezifische Sanierungslösungen, nachhaltig, langzeitstabil10 ,  unter den Bedingungen (klimatische Bedingungen (temperate climate zone), Besiedelungsdichte etc.) Zentraleuropas am geeignetsten (vergleichbare Bedingungen liegen z. B. in großen Teilen der USA und Nordkanadas vor),  Langzeitkosten und die mit dieser Verwahrungslösung verbundenen Risiken11 werden am geringsten im Vergleich anderen möglichen Verwahrungstechnologien eingeschätzt. Als Vorteile können herausgestellt werden:  geringe Umweltbelastungen durch diese Verwahrungslösung (radioaktives und toxisches Material verbleibt am Ort),  geringe Belastung für Personal und Bevölkerung,  geringstes Restrisiko über die Standzeit des Geotechnischen Umweltbauwerkes. Das Dammbauwerk wird bereits mit dem Bau des Rückstandsspeichers errichtet. Bei der Verwahrung der Tailings ponds werden die Dammbauwerke langzeitstabil mit folgenden Teilleistungen „aufgearbeitet“: Profilierung, Stabilisierung (Stützanschüttung), Errichtung von Wasserfassungsanlagen, Abdeckung, Begrünung und Bepflanzung. Besondere Beachtung finden die Sickerlinie, die im Zusammenhang mit der installierten Sickerwasserfassung steht, und die Verhinderung der Infiltration (Sauerstoffdiffusion). Da die trockene in situ Verwahrung mit partieller Entwässerung der Tailings aus der Uranaufbereitung mehrere Funktionen zu erfüllen hat, werden multifunktionale Abdeckungen (multi-functional cover systems) für den jeweiligen Standort entwickelt, siehe Abb. 5.13. Die multifunktionalen Abdeckungen für Tailings aus der Uranerzaufbereitung haben am Standort die unten beschriebenen Anforderungen zu erfüllen, die durch Einzelnachweise zu belegen sind. 10 11

Der Nachweis muss allerdings noch erbracht werden, da die Erfahrungszeiten noch zu kurz sind. Nach derzeitigem Kenntnisstand.

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM)

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Abb. 5.13 Multifunktionale Abdeckung, Regelaufbau gemäß US-Umweltbehörde (EPA). (Quelle: [3])

Einzelnachweise der Langzeitstabilität einer multifunktionalen Abdeckung (ENW2)     

Langzeitstabilität, geomechanisch/geochemisch, gegen innere und äußere Erosion, Schutz gegen Infiltration (Sauerstoffdiffusion), Strahlenschutz (Radonexhalation, ”-Strahlung), Emissionsschutz (gegen radioaktives und toxisches Material), Rekultivierungsschicht für Begrünung und Erstbepflanzung etc.

Der in Abb. 5.13 vorgeschlagene Regelaufbau der US-Umweltbehörde (EPA-Environmental Protection Agency) einer multifunktionalen Abdeckung setzt sowohl auf die Vorteile von mineralischem Material als auch auf die der Geokunststoffe (geosynthetics). Die Langzeitstabilität und Langzeitsicherheit einer multifunktionalen Abdeckung wird insbesondere durch das Alterungsverhalten der verwandten Funktionselemente bestimmt. Ein

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Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

(teilweises) Versagen von Elementen darf dabei nicht zwangsweise zum Gesamtversagen des Abdeckungssystems führen. Multifunktional sind auch die einzelnen Funktionselemente. Insbesondere die verwandten Geokunststoffe fungieren auch als Radonstopper. Sie eignen sich außerdem besonders gut als Träger von Messelementen zur Detektion von Kontaminationsausbreitungen, siehe [33]. Der Einsatz von Geokunstoffen wird auch häufig dadurch begründet, dass damit eine größere Schutzwirkung gegen Infiltration und damit gegen die Mobilisierung von Radionukliden aus dem Tailings-Körper erreicht wird. Einen letzten Nachweis gibt es dafür nicht. Dennoch muss der Infiltration eine hohe Bedeutung für die Langzeitsicherheit zugeordnet werden. Da die uranerzhaltigen Rückstände Sulfid-Mineral Pyrit enthalten, das bei Sauerstoffzutritt in Schwefelsäure oxidieren kann, wird sich dann ein pH-Wert unter 5 einstellen. Es kommt darauf an, ein mobilitätsförderndes Milieu im Tailings-Körper nicht entstehen zu lassen bzw. diesem entgegenzuwirken. Uran ist ein lithophiles Element und besitzt eine hohe Affinität zu Sauerstoff. Die wichtigsten Minerale des vierwertigen Urans sind Uraninit (idiomorphes UO2 bis U3 O8 ), Pechblende (kolomorphes UO2 bis U3 O8 ), Coffinit (USiO4 ) und Thorianit ((Th,U)O2 ). Die Minerale des sechswertigen Urans sind im Wesentlichen die Uranglimmer (z. B. aus der Gruppe der Phosphate: Uranocircit, Torbernit, Autunit). Unter oxidierenden Bedingungen ist das sechswertige Uran die mobilste Form des Urans, vierwertiges Uran ist in Wasser unter „normalen“ pH/Eh-Bedingungen12 nahezu unlöslich. Bei der Verhinderung der Infiltration geht es darum, den Einfluss von Eh-Wert und pH-Wert auf die Stabilität von Mineralen, gelösten Spezies und Gasen in komplexen Reaktionsgemischen so zu halten, dass die Bildung von sechswertigem Uran (U6+ ) aus vierwertigem Uran (U4+ ) weitestgehend verhindert wird. Der Einfluss der Temperatur ist hierbei nicht berücksichtigt. Eine weitere Möglichkeit, einer Mobilisierung entgegenzuwirken, besteht darin, in die Einkapselung des Tailings-Körpers Immobilisate einzubringen. So ist bekannt, dass für Transport- und Sorptionsprozesse besonders die nullwertigen Komplexe zu beachten sind. Sie gehen nur geringe Wechselwirkungen ein und werden daher kaum retardiert [50]. Wirkungsvolle geochemische Barrieren für den Urantransport in wässriger Lösung stellen FeMn-Hydroxide, SiO2 -Al-Hydrolysate, Tonminerale sowie organisches Material (Produkt der Bodenbildung) dar. Hierbei kommt es zur Reduktion von U6+ zu U4+ und einem damit verbundenen Mobilitätsverlust, siehe Abb. 5.14. Insbesondere in organischem Material kommt es aber durch chemische Vorgänge wie Ionenaustausch, Reduktion oder Komplexbildung zu einer Urananreicherung. Hier soll lediglich auf Ton- oder Betonit-Barrieren und die rückhaltende Wirkung der Bepflanzung der Abdeckung verwiesen werden. Eine regelmäßige Beprobung der Pflanzen gibt Aufschluss über Radonzutritte zum Wurzelwerk und damit über die Radonexhalationsgefahr. Weitergehende Ausführungen dazu sind in [51] enthalten. 12

Der Eh-Wert bezeichnet das gegen eine Normalwasserstoffelektrode gemessene Redoxpotenzial.

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM)

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Abb. 5.14 Natürlicher Urankreislauf. (Nach Boyle [49])

Die allgemeinen Zusammenhänge der Reduktion (Mobilisierung durch Oxydation) von U6+ zu U4+ sind im natürlichen Urankreislauf nach Boyle [49] zusammengefasst. Verfahrensschritte zur Herstellung einer langzeitstabilen, sicheren Abdeckung der Uran-Tailings ponds in Deutschland Die vorrangig in Kanada und den USA in den 1990er-Jahren entwickelte trockene in situ Verwahrung mit partieller Entwässerung erfolgt nach den folgenden Arbeitsschritten, siehe Abb. 5.11 und 5.15: 1. Abpumpen des Frei- und Porenwassers, Dekontamination in einer Aufbereitungsanlage; durch die Entwässerung und durch Austrocknung steigt die Scherfestigkeit im Bereich der Feinschlamm-Tailings (fine grain tailings) und der Fein-Tailings mit sehr geringen Scherfestigkeiten (3 bis 5) kN/m2 . 2. Schaffung einer Arbeitsplattform bestehend aus verschiedenen Lagen Geokunststoffen, Einbringen von Vertikaldräns im vorgegebenen Raster zur weiteren Entwässerung der Tailings, nachfolgender lagenweiser Auftrag einer Zwischenabdeckung (Verhinderung der Staubausbreitung, Konsolidierung der überdeckten Tailings). 3. Konturierung und Profilierung des Dammbauwerkes (Langzeitstandsicherheit), Stützanschüttung, Erstellung einer stabilen Oberflächenkontur zur Ableitung des Oberflächenwassers und Sicherung gegen Erosion, Auffangen des Oberflächenwassers, Endabdeckung.

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Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Abb. 5.15 Arbeitsschritte zum Aufbringen einer multifunktionalen Abdeckung. (Quelle: [12])

4. Konturierung und Profilierung einer stabilen Oberfläche, Vorsehen von Möglichkeiten des Fangens und der Ableitung von Oberflächenwässern, Abdeckung (Einkapselung) der Tailings, Endabdeckung, Verhinderung der Radonexhalation (Radondiffusion), der ”-Strahlung, der Infiltration (Sauerstoffdiffusion) und des Schadstoffaustrags aus dem Tailings-Körper, 5. Begrünung, Erstbepflanzung, Verwendung regional-typischer, flachwurzelnder Pflanzen, Angleichung an die Umgebung, siehe auch [29], 6. Fassung der Oberflächen- und Sickerwässer, Aufbereitung, Abgabe an die Vorflut, Umwelt-Monitoring (Monitoring-System) über die Standzeit des Geotechnischen Umweltbauwerkes. Eine multifunktionale Abdeckung gemäß Abb. 5.13 hat sich bei der Verwahrung der Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut nicht durchsetzen können. Vom Betreiber, der bundeseigenen Wismut GmbH, wurde durchgängig auf mineralische Funktionselemente gesetzt. Es handelt sich damit um einen technogenen Lockergesteinskörper, bei dem Alterung nicht ausgeschlossen ist. Dennoch sollte dies kein Nachteil sein, zumal große Abdeckmächtigkeiten gewählt wurden [9]. Beim Aufbau der Arbeitsplattform, die den Einsatz von Baugeräten ermöglichen soll, kamen Geokunststoffe zum Einsatz. Darauf wurde eine Zwischenabdeckung aufgebracht, die überwiegend aus Haldenmaterial des jeweiligen Standortes besteht. Diese hat zwei Funktionen zu erfüllen: als Auflastschüttung zur Konsolidierung des Tailings-Körpers und zur Minderung von Kontaminationsausbreitung. Eine Funktion als Radonbarriere kann dieser Schicht nicht zugewiesen werden. Die nächste Schicht besteht aus gemischtkörnigem, mineralischem Material und wird im Zusammenhang mit der Dammprofilierung aufgebracht. Der Abschluss soll mit dem

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM)

129

Aufbringen einer Endabdeckung aus standorttypischen Böden sowie einer anschließenden Begrünung der Oberfläche erfolgen. Aus den obenstehenden Arbeitsschritten, siehe Abb. 5.15 und in Anlehnung an [16], kann die folgende Regelabdeckung der Uran-Tailings der SDAG Wismut abgeleitet werden, wovon am jeweiligen Standort im Detail abgewichen wird. Am Standort Helmsdorf ist noch eine subaquatische Vorkonsolidierung zur Stabilisierung eingelagerter Feinschlamm-Tailings ausgeführt worden, die in der Darstellung von Abb. 5.16 fehlt, weil sie aus Sicht des Autors keinen nennenswerten oder wesentlichen Beitrag zur langzeitsicheren, langzeitstabilen Verwahrung der Uran-Tailings ponds leis-

Schichtenfolge

Material/Funktion

Bewuchs

Luftseite

Permeabilität kf[m/s] nach [16]

Rekultivierungs- und Speicherschicht (standorttypischen Böden)

10–5

Konturierungsabdeckung Suffusion, Drainage, Dichtung (gemischkörniges, mineralisches Material)

10–3 – >10–10

Zwischenabdeckung Konsolidierung, direkte Abdeckung des Tailingskörpers (überwiegend Haldenmaterial des Standortes)

10–5 – 10–8

Arbeitsplattform (Geokunststoffe)

Entwässerungsdochte [wick-drains]

Uran-Tailings Uran-Tailings

Hochform - Grundkörper

Abb. 5.16 Regelabdeckung der Uran-Tailings der SDAG Wismut. (Nach [16])

10–6 – 10–9

130

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

tet. Die durchgeführte Vorkonsolidierung steht zudem in keinem Verhältnis zur Länge des Überwachungszeitraums, der aufgrund austretender Porenwässer wegen fehlender Basisabdichtung zu erwarten ist. Durch die Einbringung von Vertikaldrains (Regelfall von 5 bis zu 25 m) wurde eine teilweise Entwässerung der oberflächennahen Bereiche des TailingsKörpers vorgenommen, die allerdings nur zu dessen geringer Entwässerung geführt hat, siehe Abb. 5.15. Eine Beschreibung des gewachsenen Liegenden ist in Abb. 5.10 gegeben. Zur Langzeitsicherheit und Langzeitstabilität der multifunktionalen Abdeckung ist eine Darstellung zum Einzelnachweis (ENW2) in Abschn. 5.5.2 zusammengestellt. Obwohl die Wismut GmbH als Betreiber ein Staatsunternehmen ist, ist eine permanente Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Errichtung der Geotechnischen Umweltbauwerke zur langzeitsicheren Verwahrung der mit einem hohen Potenzial an Schadstoffen ausgestatteten Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut nicht vorgesehen. Stattdessen wird auf die staatliche Aufsicht des zuständigen Bergamtes, das als Träger öffentlicher Belange diese vertreten soll, verwiesen. Dies steht im Gegensatz zur geforderten Transparenz bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle, siehe insbesondere Kap. 7 und 8.

Basisabdichtung von Hohlformen für die Ablagerung von Tailings aus der Uranerzaufbereitung International werden oftmals für die Ablagerung von Rückständen aus der Uranerzaufbereitung aufgelassene Tagebaurestlöcher mit einer Tonbarriere unter der Tagebausohle (geologische Barriere (Basisabdichtung)) als Rückstandsspeicher ausgebaut. Falls ein Standort ohne geologische Barriere gewählt wird, erfordern die Zulassungskriterien den Einbau einer geotechnischen Barriere. Als Elemente einer geotechnischen Barriere können geosynthetische Dichtungsmatten, Ton- und/oder Betonitdichtungen in Kombination mit anderen Geokunststofffunktionselementen Anwendung finden, siehe Abb. 5.17. Auch Asphaltbeton in verschiedenen Ausbildungen ist in einer geotechnischen Basisabdichtung bereits angewandt worden. Welcher Aufbau gewählt wird, hängt von den Standortbedingungen ab. Letztendlich muss der Aufbau von der Aufsichtsbehörde genehmigungsfähig sein. Allgemeiner Aufbau Die Basisabdichtung hat die Aufgabe, einen Kontaminationsübergang in den Untergrund und/oder Grundwasserleiter zu verhindern. Wasser ist das entscheidende Transportmittel für Kontaminanten und steht im geologischen Untergrund in Form von Boden-, Sicker-, Poren- und Grundwasser zur Verfügung. Insbesondere bei geklüfteten geologischen Grundkörpern können sich die Sickerwässer dort schnell ausbreiten. Die Kontaminationen gelangen so direkt oder indirekt ins Grundwasser und von dort in die Vorflut [19]. Dies stellt eine erhebliche Gefahr für die Biosphäre dar. Der Mensch ist dadurch nicht nur über das Trinkwasser, sondern auch über die Nahrungskette gefährdet. Den höchsten Grad der Gefährdung bildet der direkte Kontakt, insbesondere mit radioaktiven Kontaminanten. Wenn die Basisabdichtung fehlt, kann ein Langzeitsicherheitsnachweis für das

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM)

131

Abb. 5.17 Basisabdichtung, geotechnische Barriere [17]

Geotechnische Umweltbauwerk nicht erbracht werden, da über die Sohle und den Dammfußbereich (hier als Basis bezeichnet) des Tailings pond unkontrolliert Kontaminationen in die Umgebung übertreten. Das Geotechnische Umweltbauwerk wird in diesem Fall in der begründeten Zuversicht errichtet, dass über ein Langzeit-Monitoring austretende Kontaminationsfahnen so rechtzeitig erkannt werden, dass die erforderlichen Nachsorgeleistungen vorgenommen und der geforderte Sicherheitszustand hergestellt werden kann. Das Langzeit-Monitoring ist damit Teil des Geotechnischen Umweltbauwerkes und der Sicherheitskonzeption, die in Deutschland durch das zuständige Bergamt (mit Auflagen) zu genehmigen sind. Das Langzeit-Monitoring muss daher permanent und dauerhaft auf den Ist-Zustand des Geotechnischen Umweltbauwerkes nachgeführt werden. Das System muss dauerhaft unter der Aufsicht des zuständigen Bergamtes verbleiben. Die Sicherheitsabschätzungen (S) müssen damit der Datenlage nachgeführt werden, woraus sich S = S(t) ergibt. Konzept des dauerhaften Schutzes des Grundwassers an Standorten von Uran-Tailings ponds in Deutschland Die sechs großen Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut gehören nicht nur zu den größten der Welt, sondern sie liegen auch in einer sehr dicht besiedelten Kulturlandschaft Europas und teilweise in einer Mittelgebirgslandschaft. Es besteht deshalb eine hohe Verantwortung, diese dauerhaft sicher zu verwahren und dies auch zuverlässig der Öffent-

132

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

lichkeit zu versichern. Der Wasserpfad, insbesondere über die Tailings-Aufstandsfläche, ist der kritische Pfad, der die Langzeitsicherheit des Geotechnischen Umweltbauwerks zur Verwahrung der Rückstände aus der Uranerzaufbereitung der SDAG Wismut bestimmt. Dies soll hier näher untersucht werden. Die Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut sind entweder in ausgeerzten, aufgelassenen Tagebauen (Trünzig und Culmitzsch), in Sand-/Kiestagebaue (Dänkritz I) oder als valley impoundment (Helmsdorf) angelegt. Eine Basisabdichtung ist in den bereitgestellten Hohlformen nicht eingebaut worden. Deshalb muss einer möglichen Kontaminationsausbreitung sowohl im Untergrund (Lockergesteinskörper) als auch möglichen Grundwasserkontaminationen im Verwahrungsprozess und bei der Langzeitsicherheit besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Anpassung des Abschlussbetriebsplanes gemäß BBergG für die Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut hinsichtlich der Anordnung von Oberflächenwasser-(Porenwasser-)Messstellen, GWMS, Brunnen, Drainageleitungen etc. ist wesentlicher Bestandteil einer zu garantierenden dauerhaften Sicherheit, hier des Oberflächenwasser-, Grundwasser- und Bodenschutzes. Die Verhinderung von Kontaminationsübertritten aus den Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut in das Grundwasser bzw. in die Oberflächenwässer ist aber praktisch nicht möglich. Damit muss permanent und dauerhaft nachgewiesen werden, dass die aus der Basis des Tailings-Körpers austretenden kontaminierten Sickerwässer (Porenwasser) aufgefangen und in eine Wasseraufbereitungsanlage geleitet werden, sodass diese dann nach Reinigung in den Freigrenzen in die Vorflut abgeschlagen werden können. Die umfangreiche Wasserfassung besteht weitestgehend aus Abwehrbrunnen und Tiefdrainagen. Beispielhaft sollen hierfür die Bedingungen in der Kontakt- und Übergangszone (Tailings-Aufstandsfläche) geologischer Grundkörper der in der Culmitzschaue angelegten Uran-Tailings ponds Trünzig und Culmitzsch, siehe Abb. 5.10, näher beschrieben werden. Zunächst ist für eine allgemeine Bewertung der Nachweis der Konsistenz der verwandten Datensätze zwingend notwendig. Diese werden an dem dazu vorliegenden internationalen Schrifttum gespiegelt. Die Culmitzschaue, in der die Uran-Tailings ponds Trünzig und Culmitzsch angelegt sind, durchqueren der Lerchen- und der Pöltzschbach. Über die Weiße Elster, die hier als Hauptvorflut bezeichnet werden kann, und die Pleiße werden die bergbaubürtigen Wässer aus dem Ronneburger Revier und damit auch aus der Culmitzschaue transportiert, siehe Abb. 5.18. In die Tailings ponds A von Trünzig und Culmitzsch wurden Tailings aus der Uranerzlaugung mit Schwefelsäure (H2 SO4 ) und in die Tailings ponds B Tailings aus der Uranerzlaugung mit Soda (Na2 CO3 ) eingespült. Die Laugungsmittel finden sich als wesentliche Bestandteile in den jeweiligen Tailings-Wässern wieder, siehe Tab. 5.3. Für die nachfolgenden Betrachtungen ist die Konsistenz der diesen Betrachtungen zugrunde liegenden Datensätze von hoher Bedeutung. Dazu wird Tab. 5.6 aufgearbeitet und mit den Angaben von [21] verglichen. Der entwässerbare Anteil des Porenwassers in Tab. 5.3 ist nach [21] und [54] auf 50 % begrenzt. Man kann aber in Abhängigkeit des hydraulischen Gefälles zeigen, dass auch höhere Entwässerungsgrade möglich sind. Für die hier zu treffende Aussage ist dies je-

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM)

133

Abb. 5.18 Kontaminationsausbreitungen über den Wasserpfad aus den Uran-Tailings ponds Trünzig und Culmitzsch – Untersuchungsgebiet; E-xxx Messstellen des Sondermessnetzes „Wismut“ – beispielhaft, nicht maßstäblich [11, 20, 57]

doch ohne Belang. Aber selbst wenn sämtliche Porenwässer über die Basisfläche (Sohle und angrenzende Bereiche des Dammfußes) ausgetreten sein sollten, verbleibt der wesentliche Teil der Kontaminationen noch im Feststoff-Tailings-Körper, und dieser muss vor zutretenden Wässern geschützt werden, um nicht mobilisiert zu werden, siehe oben. Diese Aufgabe kommt der Oberflächenabdichtung zu. Der Hauptgrundwasserleiter in der Culmitzschaue ist der klüftige Poren-Grundwasserleiter Culmitzscher Sandstein, tieferliegend der Kluftgrundwasserleiter (Ordovizium). Die Mächtigkeit der GWL kann 20–30 m erreichen. Sie werden voneinander durch gering durchlässige bis wasserstauende Ton- und Schluffsteinkomplexe getrennt. Die Wässer sind gespannt bis ungespannt. In ungestörten Bereichen wurde diese Grundwasserstockwerksgliederung nachgewiesen. Unterschiedliche hydraulische Potenziale belegen, dass die verschiedenen grundwasserführenden Horizonte hydraulisch nicht miteinander in Verbindung stehen. In tektonischen Störungszonen wurde dagegen die direkte hydraulische Verbindung nachgewiesen. So können Kontaminationen auch in den tieferliegenden Kluftgrundwasserleiter (Ordovizium) gelangen, was die Wasserfassung zusätzlich erschwert. Der Culmitzscher Sandstein wird in der Zechsteinbrücke vom Lerchenbach angeschnitten, siehe Abb. 5.10 und 5.19. So kann der Fuß des Tailings-Körpers der Tailings ponds Trünzig und Culmitzsch teilweise im Grundwasser stehen. Der Abstand des Hauptgrund-

c

b

Angaben in Klammern nach [21] Schulze et al. (1993); [20] gibt für abgelagerte Uran-Tailings eine durchschnittliche Dichte von 2,20 t/m3 an; [58] Große Anfrage Deutscher Bundestag; Drucksache 12/3309; 24.09.92

Helmsdorf 205 45 49 2,20 22,73 (N. A.) 11,37 (–) 0,51 (–) 2,0 . . . 30,0 . . . 2000 Mo 20–70 -‰-‰-

Trünzig B 48 6 6 2,20 (2,00) 3,27 (3,20) 1,64 (1,00) 0,55 (0,50) 1,0 . . . 20,0 k. A. Ni 25–500 Cr 30–580

10,0 . . . 85,0 k. A.

0,36 (–)

Dänkritz I 19 5 7 2,20 1,82 (N. A.) 0,91 (–)

5

a

Tailingsbestandteile/Standorte Culmitzsch A Culmitzsch B Trünzig A Oberfläche Tailings pond (ha) 159 76 67 Gesamtvolumen (Mio. m3 ) 61 24 11 Masse Feststoff (Mio. t) 64 27 13 Dichte (t/m3 )a 2,20b (1,94) 2,20 (2,64) 2,20 (2,00) Porenvolumen (Mio. m3 )a 31,91 (28,40) 11,73 (13,40) 5,91 (6,50) Entwässerbarer Anteil 50 % des 15,96 (13,40) 5,87 (6,70) 2,96 (2,5) ges. Porenwassers (Mio. m3 )a Porosität (–)a 0,52 (0,47) 0,49 (0,57) 0,51 (0,49) Radioaktive Kontaminanten im Porenwasser Unat (mg/l) 0,3 . . . 3,9 1,0 . . . 16,5 1,0 . . . 19,0 Ra-226 (mBq/l) . . . 5000 . . . 2300 . . . 630 Schwermetallgehalte im Porenwasser (ppm) Pb Zn Cu Co 60–800 250–800 250–300 15–40 As Bi V Cd 68–168 5–30 200–800 10–30 Aufgefangene Sickerwässerc – 9 g/l SO4 ; 1,25 g/l Chloride (Culmitzsch) – 6 g/l SO4 ; 1,6 g/l Chloride (Trünzig) – – 5,6 g/l SO4 ; 1,2 g/l Chloride (Helmsdorf) –

Tab. 5.3 Tailings ponds der SDAG Wismut (Porenwasser). (In Anlehnung an [1] Angaben in Klammern nach [21], [20] durchschnittliche Dichte für Uran-Tailings 2,20 t/m3 )

134 Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM) Uran-Tailings Ponds Culmitzsch

135 Uran-Tailings Ponds Trünzig

NO NW

Pond A (acidische Laugung)

SO

Pond A (acidische Laugung) 75

B1

Vernässungsgebiet „Culmitzschaue“

acidische Tailings

acidische Tailings

100 200 300

karbonatische Tailings

ORF OGF

CuS Sickerwasser

oTS (Zersatzzone) kritische Reichweite Periode: Quartär Tertiär

BuS

Zechstein

OGF

ORF

CuS

Ordovizium

oTS

Aulehm/Bachschotter Buntsandstein (fehlt in Culmitzschaue) Obere Rote Folge Obere Graue Folge Culmitzscher Sandstein Tonschiefer (obere Zersatzzone)

Pond B (alkalische Laugung)

Le rc he nb ac h

SW

Hau

pt-G

WL

GW

oTS

Tailings Ponds Multifunktionale Abdeckung Freiwasser Böschung der Hohlform/ Dammmaterial Uran-Tailings Ponds

L

ht reu nic sget ab t s ß ma

Abb. 5.19 Geologische und hydrologische Situation im Zusammenhang mit Sickerwasseraustritten aus den Tailings ponds Culmitzsch und Trünzig in die Culmitzschaue. (Nach [22])

wasserleiters zu den Tailings-Aufstandsflächen liegt bei –0 m (bei den tiefer liegenden Grundwasserleitern liegt der Abstand zwischen 0 und +10 m [22]), siehe Abb. 5.19. Besonders im Hochwasserfall kommt es deshalb zu erheblichen Kontaminationsausträgen aus den Tailings ponds, die dann nicht alle aufgefangen werden können. Die Gefährdung für das Umfeld erhöht sich kurzzeitig erheblich. In den umfangreichen Untersuchungen dazu wird dies folgendermaßen formuliert [54]: Dabei trennt die wasserdurchlässige Obere Rote Folge vom Culmitzscher Sandstein. Ansonsten wurde sie als oberster Erzhorizont vollständig abgebaut. Der dabei im Tagebau Trünzig freigelegte Culmitzscher Sandstein bildet die Basis der Tailings, die ab 1960 in diesen eingefüllt wurden. Damit besteht ein direkter Kontakt zwischen den schadstoffbelasteten Beckenwässern und dem Hauptgrundwasserleiter des Untersuchungsgebietes. Das Einfallen des CuS in Richtung auf den Lerchenbach begünstigt dabei das Abfließen (linksseitigen) von Beckenwässern in den Vorfluter (Abb. 5.10 und 5.19).

Kontaminationsausträge stammen auch aus der nicht abbauwürdigen Vererzung von Zink, Blei, Kupfer, Eisen, Arsen, Kobalt, Nickel der Culmitzscher Lagerstätte, siehe Tab. 5.3, sowie aus dem Culmitzscher Sandstein selbst. Hier werden allerdings nur die radioaktiven Kontaminaten Uran und Radium betrachtet. In der Culmitzschaue werden Sicker- und Grundwässer durch Brunnen sowie Drainageleitungen gefasst und der WBA Seelingstädt zugeführt. Die WBA Seelingstädt hat

136

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

derzeit eine Behandlungskapazität bergbaubürtiger Wässer von bis zu 330 m3 /h, was einer jährlichen effektiven Behandlungsmenge von etwa 2,3 Mio. m3 entspricht. Ihre Betriebsdauer wird über 20 Jahre betragen, siehe Angaben der Wismut GmbH. Aus der Klüftigkeit des geologischen Grundkörpers ergibt sich eine Vielzahl von Wasserwegsamkeiten und damit Fließwegen für Sickerwässer (Porenwässer) aus den UranTailings ponds Trünzig und Culmitzsch und daraus resultierenden Kontaminationsausbreitungen (Kontaminationsfahnen (contamination plums)). In [11] wird die Situation folgendermaßen beschrieben: Die Betrachtungen zur Wasserbilanz zeigen, dass jährlich zwischen 2 und 3 Mio. m3 Wasser im Bereich der Culmitzschaue der Vorflut zutreten. Um den diffusen Zustrom in die Vorflut wirksam zu begrenzen und damit die Belastungssituation insbesondere in Perioden geringer Durchflüsse in der Culmitzsch13 deutlich zu reduzieren, müsste Grundwasser in einer vergleichbaren Größenordnung gefasst werden.

Der Sickerwasseranfall führt zu steigenden Grundwasserständen und zu geringen bis negativen Flurabständen, sodass immer wieder Vernässungsflächen in der Culmitzschaue beobachtet werden können. Da ein Langzeitsicherheitsnachweis für die Basisabdichtungen der Tailings ponds der SDAG Wismut nicht gelingen kann, hat man für jeden Standort von Uran-Tailings ponds die Methode des Funktionsnachweises gewählt. Sein Prinzip basiert darauf, dass ein stabil funktionierendes System, hier Wasserfassung und -reinigung, aufgebaut wird, das sowohl die selbstüberwachten als auch die fremdüberwachten Umweltauflagen erfüllt. Zulassung und Überwachung obliegt dem zuständigen Bergamt mit Zustimmung der Wasserbehörde. Eine zeitliche Begrenzung existiert nicht. Im Falle der Tailings ponds wurde nach Stilllegung der Uranerzaufbereitung zunächst mit der Konzipierung des Wasserfassungssystems begonnen, das für die Fassung sowohl der Oberflächen-, Sicker- und Grundwässer für den gesamten Standort geplant wurde. Die gefassten Wässer wurden zunächst wieder in die Tailings ponds gepumpt. Parallel wurden das Umwelt-Monitoring und die Wasseraufbereitung geplant und errichtet. Nachdem das System eingefahren und zugelassen war, konnte mit den Verfahrensschritten zur langzeitstabilen, sicheren Verwahrung der Uran-Tailings ponds, gemäß Abschn. „Abdeckung (Einkapselung) der Tailings“, begonnen werden. Eingefahren und zugelassen heißt, das System garantiert die Einhaltung der Umweltstandards, das zuständige Bergamt erlässt notwendige Auflagen, um das System so auszurichten, dass die Umweltstandards über die Betriebsdauer des Systems eingehalten werden können. Es ist dem Betreiber der Tailings ponds auferlegt, das System ständig auf die anstehenden Verhältnisse anzupassen und nachzubessern bzw. bei Verschleiß und/oder bei Erkenntnisgewinn ganze Baugruppen auszutauschen. Die dauerhafte Sicherheit des Systems, hier der nicht vorhandenen Basisabdichtung, wird also durch eine permanente Überwachung 13

Hier wurde die alte Bezeichnung für den Pöltzschbach (Lerchenbach) gewählt. Die Culmitzsch oder Culmitzschbach ist heute kein geografischer Begriff mehr.

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM)

137

und Anpassung auf die sich einstellenden Verhältnisse garantiert und ausgewiesen. Da ein zugelassener Abschlussbetriebsplan ergänzt und abgeändert werden kann, ist so die Nachführung der Verwahrung der Tailings ponds auch gesetzlich abgesichert und damit auch die Zeitdauer „für dauerhaft“, denn diese bestimmt einzig und allein das zuständige Bergamt, siehe auch CSM, Abschn. 3.5. Für die weitere Betrachtung ist es wichtig, hier zunächst zwischen Sickerwässern und Porenwässern zu unterscheiden. Unter Sickerwasser versteht man ein unter dem Einfluss der Schwerkraft sich in den Bodenporen (Grobporen) vertikal abwärts bewegendes (versickerndes) Bodenwasser. In der Culmitzschaue fallen Sickerwässer aus den Tailings ponds (zusammengesetzt aus Frei- und Porenwasser) und aus den Böschungen (insbesondere aus den in die Dammböschungen integrierten Halden) an. In dem Untersuchungsgebiet befinden sich drei Haldenkomplexe: im Bereich der Tailings ponds Culmitzsch die Waldhalde (NE) und die Lokhalde (NW) und im Bereich der Tailings ponds Trünzig die Nordhalde (SW), siehe Abb. 5.26. Deren Aufstandsflächen sind ebenfalls unabgedichtet. Da einerseits das Freiwasser aus den Tailings ponds weitestgehend abgezogen ist und die Oberflächendichtungen aufgebracht werden, andererseits auch die Dammböschungen zum Großteil profiliert und abgedeckt sind, setzen sich die Sickerwässer meist aus Porenwasser aus dem Tailings-Körper und Sickerwasser über die Haldenaufstandsflächen zusammen. Da das Porenwasser aus den Tailings-Körpern in der Culmitzschaue überwiegt, werden oftmals Porenwasser und Sickerwasser gleichgesetzt. Dies führt allerdings zu einer erheblichen Unterschätzung der Kontaminationsfrachten. Bei einem wassergesättigten porösen Medium ist der gesamte Porenraum mit Flüssigkeit gefüllt. Das Porenwasser entspricht dem Porenvolumen. Da die Uran-Talings ponds Trünzig und Culmitzsch ohne wirksame Abdichtmaßnahmen der Basis- und Flankenbereiche des Dammbauwerkes angelegt sind, sitzen die Tailings-Körper direkt auf der Sohle der Tagebaurestlöcher auf. Die Sickerwässer, hier gespeist aus dem Porenwasser der Tailings ponds, treten direkt in den geologischen Grund-

Abb. 5.20 Massenbilanzbetrachtung beim Übergang von kontaminiertem Sickerwasser ins GW (Prinzip)

138

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Abb. 5.21 Modell des Überganges von kontaminiertem Sickerwasser ins GW. (Nach [23])

körper oder ins Oberflächenwasser über, siehe Abb. 5.20 und 5.21. Nachfolgend soll aufgezeigt werden, in welcher Zeitdauer das System der Wasserfassung und -aufbereitung aufgrund fehlender Basisabdichtung betrieben werden sollte. Der Abtransport der Kontaminationen über die Fließgewässer Weiße Elster und Pleiße, die Sedimentationsbelastungen, Verdünnung und pflanzliche und tierische Schadstoffaufnahmen etc. bleiben hier völlig unbeachtet. Dies muss aber Gegenstand eines Langzeitsicherheitsnachweises sein. Zunächst gilt die Bilanzgleichung Gl. 5.1 für den Sickerwasserübergang ins Grundwasser bzw. Oberflächenwasser bezüglich von Brunnen und Bilanzmessstellen: QAb D QAn C QSW

(5.1)

QSW Menge Sickerwasser, QAb abströmendes GW, QAn anströmendes GW mit Q kf A I maq ba c

Volumenstrom (Q D kf  A  I) des Anstroms, Abstroms bzw. Sickerwassers, Durchlässigkeitsbeiwert, Anstromquerschnitt (A D ba  maq ), hydraulischer Gradient, kontaminierte Aquifermächtigkeit, kontaminierte Abstrombreite, Konzentration eines Stoffes im Anstrom, Abstrom bzw. Sickerwasser.

Für die von den Uran-Tailings ponds ausgehenden oder zu erwartenden Schadstoffeinträge, als flächenhafte Austritte aus der Tailings-Aufstandsfläche als Sickerwasser (hier

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM)

139

Tab. 5.4 Einhaltung der Umweltqualitätsnorm (UQN) im Jahresdurchschnitt (JD) und Prognose bis 2027 in der Culmitzschaue – Auszug, Messstellen siehe Abb. 5.18 Parameter UQN

Tl U-unfiltriert SO4 a

Geltung Lerchenbach/Pöltzschbach Messstelle E-382/ Ergebnis 2012 0,2 µg/l JD 0,2 µg/l 20 µg/la JD 131 µg/l 450 mg/l JD 2460 mg/l

Lerchenbach/Pöltzschbach Bilanzmessstellen E-319 und E-369/ Prognose 2027 0,5 µg/l 300 µg/l 3000 mg/l

Gewässerspezifische Vorschlag der Länder Sachsen und Thüringen, keine UQN

resultierend aus dem Porenwasser) in das Grundwasser bzw. Oberflächenwasser, unter Berücksichtigung von Konzentrationen und Frachten, kann dieser Übergang gemäß Gl. 5.2 beschrieben werden, siehe Abb. 5.21 und [24]: cmix D cSW 

1 1C

1mvGW lmix vSW

C cGW 

1 1C

lmix vSW 1mvGW

(5.2)

  für cmix  cmix cSWSätt: . cmix   cmix cSWSätt: cSW cGW vGW vSW lmix 1m

Konzentration in der Einmischungszone [g/l], Konzentration in der Einmischzone bei gesättigtem Sickerwasser, Konzentration im Sickerwasser [g/l], Konzentration im Grundwasser [g/l], Grundwasserfließgeschwindigkeit [m/s], Sickerwasserrate [m/s], Ausdehnung der Einmischzone in Fließrichtung, oberste Schicht (1 m) des vorbeiströmenden GW (Einmischungsschicht).

In [11] wird die abströmende Menge Grundwasser mit (2–3) Mio. m3 /a bilanziert. In Tab. 5.4, nach [11], kann die Tendenz aufgezeigt werden. Tab. 5.4 zeigt, dass sich die Schadstoffeinträge ins Grundwasser bzw. Oberflächenwasser und damit die Schadstoffausträge aus den Uran-Tailings ponds in der Culmitzschaue bis 2027 nicht verringern, siehe auch logarithmischer Zeitgang in den Messstellen E-335 und E-394 in Abb. 5.22. Einige wesentliche Überschreitungen der Umweltqualitätsnorm werden wohl hingenommen werden müssen, obwohl sich die Umweltqualität insgesamt am Standort nachhaltig verbessert hat. Abb. 5.22 zeigt die Urankonzentrationsentwicklung an der Bilanzmessstellen E-335 und E-394 (Wasserfassung Culmitzschaue) der gefassten bergbaubürtigen Wässer im Abstrom des Tailings ponds von 2004 bis 2017. Dies kann auf die gesamte Wasserfassung in der Culmitzschaue übertragen werden, in der die Urankonzentrationsentwicklung zumindest bis 2027 sich nicht verringern wird.

5

Abb. 5.22 Uran-Konzentrationsentwicklung an den Bilanzmessstellen E-335 und E-394 – Wasserfassung Culmitzschaue im Abstrom der Tailings ponds Culmitzsch und Trünzig, Messdaten TLUG. (Siehe auch [11] und Abb. 5.18)

140 Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM)

141

Tab. 5.5 Ermittelte Erschöpfungszeiten aus dem entwässerbaren Porenwasser gemäß Tab. 5.3 Tailings pond/Porenwasseraustritte über Basis Porenwasseranteila ges. in 106 m3 Entwässerbarer Anteila 50 % des ges. Porenwassers in 106 m3 Jährliche Porenwasserspende in m3 Erschöpfungszeit in a a

Culmitzsch A

Culmitzsch B

Trünzig A

Trünzig B

31,91 (28,40) 15,96 (13,40)

11,73 (13,40) 5,87 (6,70)

5,91 (6,50) 2,96 (2,5)

3,27 (3,20) 1,64 (1,00)

~ 23.850 ~ 670

~ 11.400 ~ 515

~ 10.050 ~ 300

~ 7200 ~ 230

Entwässerbarer Anteil und Angaben in Klammern nach [21] Schulze et al. (1993)

So gibt [21] ein jährliches Sickerwasservolumen (hauptsächlich durch Porenwasseraustritt) von 40 l/m2 in der Culmitzschaue an. Aus Nach- und Rückrechnungen mit Gl. 5.2, aus Angaben von [2, 11] sowie den Angaben der Wismut GmbH zu den Wasserbehandlungsanlagen kann ein Mittelwert über die Zeitdauer des Porenwasseraustritts über die Tailings-Aufstandsfläche von ca. 15 l/m2  a ermittelt werden. Der Wert ist sehr pessimistisch. Daraus wiederum lassen sich die folgenden Erschöpfungszeiten des anrechenbaren Porenwassers für die Tailings ponds Culmitzsch und Trünzig bestimmen. Als Geringfügigkeitsschwellwert für Uran hatte die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser 2011 als Richtwert 10 µg/l ausgegeben. In ehemaligen Uranbergbaugebieten von Sachsen und Thüringen wurden gewässerspezifische Qualitätsnormen mit den Wasserbehörden abgestimmt, die im Allgemeinen zwischen 10 µg/l und 20 µg/l liegen. Jetzt hat das Umweltbundesamt für Uran (U-238) in Oberflächengewässern einen Vorschlag für eine Umweltqualitätsnorm (UQN) mit einem Zielwert von 3 µg/L [53] unterbreitet. Alle Vorgaben werden in der Culmitzschaue und in einigen Fließgewässern erheblich überschritten, siehe Tab. 5.4, Abb. 5.22 und [11]. Die in Tab. 5.5 angegebenen Erschöpfungszeiten für die Porenwasseraustritte über die Basis der Uran-Tailings ponds in der Culmitzschaue sind unter den folgenden Grundannahmen zu erwarten:  Entwässerbarer Anteil beträgt 50 % des gesamten Porenwassers; neuere Berechnungen weisen einen Anteil von bis zu 75 % aus.  Mittelwert des Porenwasseraustritts über die Tailings-Aufstandsfläche von ca. 15 l/m2  a bleibt über den gesamten Betrachtungszeitraum konstant; die leichten Konzentrationsabweichungen gegenüber [21] in den Bilanzmessstellen, siehe Tab. 5.4, können hervorgerufen werden einerseits durch geringere Grundwasserneubildungsraten in den vergangenen Jahren, andererseits durch größere Mengen von Porenwasseraustritten über die Basis. Es ist offensichtlich, dass die in Tab. 5.5 angegebenen Erschöpfungszeiten eher länger als kürzer zu erwarten sind. Die Erschöpfungszeiten in Tab. 5.5 sind daher sehr optimistisch.

142

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Um die Angaben in Tab. 5.5 zu verifizieren, wurde mit der Angabe des derzeitigen jährlichen Sickerwasservolumens von 40 l/m2 eine jährliche Sickerwasserspende von mindestens ca. 150.000 m3 mit einer mittleren Urankonzentration14 im austretenden Porenwasser über die Tailings-Aufstandsflächen von 4,0 mg/l ermittelt. Geht man von einem jährlichen Gesamtvolumen von 2 Mio. m3 der Vorflut zusitzender bergbaubürtiger Wässer aus, kann man mit Gl. 5.2 daraus eine Urankonzentration von 320 µg/l ermitteln. Dieser Wert ist gut kompatibel mit der Angabe aus [11] in Tab. 5.4 (Prognose für 2027). Neben dem geochemischen Konzentrationsgefälle trägt auch der enorme hydraulische Sickerwassergradient im Bereich der Tailings ponds Culmitzsch und Trünzig dazu bei, dass das Sickerwasserangebot und die Schadstoffkonzentration auf dem derzeit vorliegenden Niveau verbleiben werden. Es ist deshalb sehr unwahrscheinlich, dass noch in diesem Jahrhundert die Wasserfassung und -aufbereitung (Wasserbehandlungsanlage (WBA) Seelingstädt) für die Culmitzschaue aufgegeben werden kann. Vielmehr ist es realistisch, dass diese einen noch längeren Zeitraum und damit auch das Umwelt-Monitoring in Betrieb bleiben müssen. Die Betriebsdauer der derzeit im Einsatz befindlichen WBA Seelingstädt von 20 Jahren wird jedenfalls weit überschritten werden, sodass einige Ersatzinvestitionen am Standort eingeplant werden sollten, die nachfolgende Generationen zu tragen haben. Die Aufgabe der Wasserfassung und -aufbereitung kann man mit den Angaben aus Tab. 5.5 damit durchaus als Ewigkeitsaufgabe bezeichnen, jedenfalls widersprechen diese den offiziellen Prognosen erheblich. Wenn das gesamte entwässerbare Porenwasservolumen aus den Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut ausgetreten sein sollte, ist aber der überwiegende Teil des Schadstoffinventars noch im Geotechnischen Umweltbauwerk verblieben (siehe Tab. 5.6) und muss dauerhaft gegen Austritte in die Biosphäre gesichert werden. Damit ist deutlich, dass auch nach der Erschöpfungszeit des entwässerbaren Porenwasservolumens die Sicherheit des Geotechnischen Umweltbauwerkes erhalten bleiben muss. Dies betrifft insbesondere die multifunktionale Abdeckung des Tailings-Körpers, die verhindern soll, dass Oberflächenwässer infiltrieren und die Radionuklide des Tailings-Körpers mobilisieren. Erfahrungen zum Langzeitverhalten der oben beschriebenen Abdeckungssysteme liegen bisher nicht vor. Es ist angeraten, eine Versagenswahrscheinlich für das Abdeckungssystem zu definieren und dieses mit Verbesserung der Datenlage permanent zu kontrollieren. Dazu gehört auch die flächenhafte Überwachung der Radonexhalationen. Welche Maßnahmen darüber hinaus getroffen werden müssen, sollte das Langzeit-Umwelt-Monitoring liefern. Als Schwachstellen bleiben die Basis, die Flankenbereiche des Dammbauwerks der Uran-Tailings ponds und die Culmitzscher Lagerstätte, in der der Culmitzscher Sandstein (Erzhorizonte OGF und UGF), siehe Abb. 5.19, noch erhebliche Mengen Uran enthält, bestehen. So lag der durchschnittliche Urangehalt im Fördererz zwischen 0,059 und 0,068 %. Wilde [54] gibt diesen durchschnittlich mit 660 ppm an. 1991 hat die SDAG Wismut für die verbliebene Culmitzscher Uranlagerstätte noch Ressour14 Die gewichtete mittlere Uran-Konzentration Unat im Porenwasser der Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut in der Culmitzschaue in Tab. 5.3 beträgt 4,98 mg/l.

Standorte Radionuklidinventare normiert auf die Freigrenzen U-238+ U-234 Th-230 Ra-226++ U-235+ Pa-231 Ac-227+ Ra-223+ Summe

1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+03 1,00 E+03 1,00 E+05

FGi [Bq] 1,22 E+14 1,22 E+14 7,90 E+14 7,90 E+14 5,56 E+12 3,60 E+13 3,60 E+13 3,60 E+13 1,94 E+15

1,22 E+10 1,22 E+10 7,90 E+10 7,90 E+10 5,56 E+08 3,60 E+10 3,60 E+10 3,60 E+08 2,55 E+11

Culmitzsch A Ai [Bq] Ai/FGi 5,60 E+09 5,60 E+09 2,40 E+10 2,40 E+10 2,55 E+08 1,09 E+10 1,09 E+10 1,09 E+08 8,15 E+10

Culmitzsch B Ai/FGi 3,80 E+09 3,80 E+09 1,30 E+10 1,30 E+10 1,73 E+08 5,93 E+09 5,93 E+09 5,93 E+07 4,57 E+10

Trünzig A Ai/FGi 1,80 E+09 1,80 E+09 5,00 E+09 5,00 E+09 8,21 E+07 2,28 E+09 2,28 E+09 2,28 E+07 1,83 E+10

Trünzig B Ai/FGi

1,27 E+10 1,27 E+10 5,50 E+10 5,50 E+10 5,79 E+08 2,51 E+10 2,51 E+10 2,51 E+08 1,86 E+11

Helmsdorf Ai/FGi

2,50 E+09 2,50 E+09 4,00 E+09 4,00 E+09 1,14 E+08 1,82 E+09 1,82 E+09 1,82 E+07 1,68 E+10

Dänkritz I Ai/FGi

Tab. 5.6 Tailings ponds der SDAG Wismut und Radionuklidinventare (Auszug) [1]. Die Th-232-Reihe spielt in Hinblick auf die radioaktiven Inventare keine Rolle

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM) 143

144

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

cen von 3350 t Uran ausgewiesen, siehe auch Erfassung und Bewertung von Lagerstätten in Thüringen – Landesbergamt, wovon ein Teil lösbar ist. Damit wird durch zutretende Wässer aus den verbliebenen Erzhorizonten permanent Uran ausgetragen und abtransportiert. Auch aus diesem Grunde ist mittelfristig nicht mit einem wesentlichen Rückgang der Uranbelastung in den aufgefangenen Wässern zu rechnen. Zum Vergleich: Der beschriebene Uran-Tailings pond Moab/Utah, USA gehörte ebenfalls zu einer sandsteingebundenen tabularen Uranlagerstätte, „Atlas Mill Uranium deposit“. Zur Mobilisierung von Schadstoffaustritten aus dem teilentwässerten Tailings-Körper wird ebenfalls ein Transportmedium benötigt, nämlich Wasser oder Gas. Beides steht vom Prinzip her zur Verfügung; allerdings wird dazu auch eine Mobilisierungsenergie benötigt. Eine Mobilisierungsmöglichkeit, die auch mit der entsprechenden Energie ausgestattet ist, ist das anströmende Grundwasser, insbesondere, wenn der Fuß des Tailings-Körpers im Wasser steht. Für die Untersuchung der Ausbreitung von Kontaminationen, insbesondere über die Basis, werden im allgemeinen Stofftransportmodelle verwandt. Unabhängige Bewertungen lassen sich nach [26] Programme wie HELP und BOWAHLD 2D sowie das 3-DGrundwassermodell SPRING erbringen. Dabei wird oftmals ausgeklammert, dass der Tailings-Körper erhebliche Verformungen der Basis (Tailings-Aufstandsfläche) und im Flankenbereich der Hohlform erzeugt. Solange die Tailings wassergesättigt sind und unter Auftrieb stehen, kann dieser Umstand unberücksichtigt bleiben. Wenn das gesamte Porenwasser ausgetreten ist, wirkt der gesamte Feststoff-Tailings-Körper einschließlich Abdeckung auf die Tailings-Aufstandsfläche. Es kann sich eine Setzungsmulde bilden, deren maximale Senkung bei den vorliegenden Mächtigkeiten der Tailings-Körper mehrere Meter betragen kann. Mit dem FEM-Programm FEMPLER © [27] wurden die Setzungen unter einer auf 30 m aufgebauten und abgedeckten Hochmülldeponie berechnet, siehe Abb. 5.23. Die weitestgehend trockenen Uran-Tailings ponds der Wismut GmbH verhalten sich dann ähnlich. Würde sich die Basis der Tailings ponds Trünzig und Culmitzsch ebenfalls um mehrere Meter senken, würde der gesamte Fuß des jeweiligen Tailings-Körpers im Wasser stehen. Da ein Schadstofftransport aus dem Tailings-Körper ins Grundwasser so sehr wahrscheinlich wird, ist eine Prognose darüber angeraten. Neben der Untersuchung mit Stofftransportmodellen sind Tracer-Versuche mit aktiv eingebrachten Tracern und Umwelt-Tracern (z. B. Isotope und FCKW (fluorierte/chlorierte Kohlenwasserstoffe)) hier sehr geeignet, die Fließwege zu ermitteln. Durch die Verformung der Basis und der Flankenbereiche sind auch Schwächezonen zu erwarten, über die verstärkt Schadstoffe ins Grundwasser übertreten können. Zu vernachlässigen ist hierbei die Kapillarwirkung, die diesen Prozess noch verstärken würde. Die Beispiele hier aus der Culmitzschaue sind auch auf andere Verdachtsflächen des Umweltkatasters der Wismut GmbH übertragbar und daher verallgemeinerbar. Der Verdienst von Wilde [54] ist, die Transportmechanismen von Uran in bergbaulich gestörten Landschaften unterschiedlicher Klimate aufzuzeigen. Damit hat er einen Beitrag zur standortgerechten langzeitsicheren Verwahrung von radioaktiven Rückständen, insbesondere von Uran-Tailings geleistet. Hier hat man sich allerdings zu einer Umlagerung entschlossen.

Abb. 5.23 Setzungsverlauf unter der Basis der Hochmülldeponie als Vergleichsbasis [27]

5.4 Standortsanierungskonzept – Conceptual Site Model (CSM) 145

146

5.5

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Definition von Langzeitsicherheit und Langzeitstabilität

Das Geotechnische Umweltbauwerk muss so ausgelegt sein, dass die Rückstände aus der Erzaufbereitung darin sicher eingeschlossen und so abgekapselt werden, dass ein Übertritt von toxischen und/oder radioaktiven Kontaminanten auf dem Luft-, Wasser- und Bodenpfad in die Biosphäre vermieden wird bzw. nur innerhalb akzeptabler Freisetzungsraten erfolgen kann. Das Bauwerk muss dabei so robust angelegt sein, dass es auch bei veränderten Umweltbedingungen seine Funktionen erfüllt. Der Nachweis zerfällt in zwei Teile, die allerdings voneinander nicht zu trennen sind: in den Nachweis der mechanischen Stabilität des Geotechnischen Umweltbauwerkes und in den Nachweis der Dichtheit der Barrieren, sodass kein Austrag von radioaktiv-toxischen Kontaminanten in die Umgebung erfolgen kann (Ausschluss des Schadstofftransportes (gasförmig und/oder flüssig) durch die Barrieren). Obwohl sicher ist, dass ein Langzeitsicherheitsnachweis nach dem oben formulierten Grundsatz für die Uran-Tailings der SDAG Wismut wegen der fehlenden Basisabdichtung nicht vorgelegt werden kann, sollen nachfolgend die Grundzüge dieses Nachweises dargelegt werden. Dies ist auch dadurch begründet, dass die zuständigen Bergämter die Verwahrungskonzeptionen für die Uran-Tailings der SDAG Wismut, mit Auflagen, zugelassen haben. Dies lässt sich auch mit der Errichtung von leistungsfähigen Wasserfassungs- und -aufbereitungssystemen sowie einem begleitenden, permanenten, dauerhaften Monitoring (Sondermessnetz für Grund- und Oberflächenwasser) begründen – allerdings mit den Einschränkungen möglicher, nicht gänzlich vermeidbarer (kurzzeitiger) Grenzwertüberschreitungen und als Ewigkeitsaufgabe. Unterschiede zur Endlagerung von radioaktiven Abfällen mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung In den oben formulierten Anforderungen unterscheidet sich das Geotechnische Umweltbauwerk nicht von der Endlagerung von radioaktiven Abfällen mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung. Während in Deutschland aber für die langzeitsichere Verwahrung von Rückstandsspeichern aus der Uranerzaufbereitung auf der Grundlage der Gesetzeslage die trockene in situ Verwahrung genehmigt worden ist, ist nach dem deutschen Entsorgungskonzept für die radioaktiven Abfällen mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung die trockene Endlagerung isoliert und in tiefen geologischen Formationen vorgeschrieben. Allerdings wären Endlagerbauwerke für diese radioaktiven Abfälle mit unvollständigem Barrierensystem nicht genehmigungsfähig, siehe Kap. 7. Diese gravierenden Unterschiede in den Anforderungen an Geotechnische Umweltbauwerke lassen sich mit den jeweiligen radioaktiven Inventaren nicht begründen. Ohnehin wird die Gefährdungslage, die sich aus dem Umgang mit Rückständen aus der Uranerzaufbereitung ergibt, für die Öffentlichkeit nicht adäquat dargestellt. Ein Blick in die Statistik der zuständigen Berufsgenossenschaft RCI15 würde deutlich machen, welche hohen radiologischen Risiken erwartet werden kön15

BG Rohstoffe und Chemische Industrie.

5.5 Definition von Langzeitsicherheit und Langzeitstabilität

147

nen.16 Siehe auch Tab. 5.6, in der die Radiotoxizität über den dimensionslosen Quotienten Ai/Fi der im Inventar der Tailings-Körper der einzelnen Tailings ponds enthaltenen Radionuklide und die Gesamtradiotoxizität dargestellt sind. Derzeit wird Schacht Konrad in Salzgitter-Bleckenstedt zu einem Endlager für radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung ausgebaut, siehe Kap. 6. Die radioaktiven Abfälle werden dann in einer Teufe von ca. 1300 m gelagert werden können. Die Auslegung erfolgte für eine Betrachtungszeit von 106 Jahren. Dieser extrem lange Betrachtungszeitraum hat zunächst als Konsequenz, dass die heutige Generation die Ergebnisse nicht prüfen kann und nachfolgende Generationen diese zu „ertragen“ haben. Da alle Aussagen zu dieser Auslegung nur sehr vage begründet werden können und damit eine hohe Unsicherheit verbunden ist, wird deutlich, dass aus der Vorgabe dieser vermeintlich hohen Sicherheit sich eine weitverbreitete Unsicherheit ableitet. Diese Risiken werden im Genehmigungsverfahren nach BBergG nicht vermutet. Warum eigentlich? Was für alle Geotechnischen Umweltbauwerke zur langzeitsicheren Lagerung von radioaktiven Abfällen und Rückständen gleichermaßen gilt, ist die Tatsache, dass diese als Multibarrierensystem, bestehend aus geologischen und geotechnischen Barrieren, aufgebaut sind. Für Tailings muss der Langzeitsicherheitsnachweis die Dämme und ihre Teilböschungen, aber auch die Abdeckung umfassen. Für die Dämme und ihre Teilböschungen können diese Nachweise gemäß DIN 19700 Teil 10 + 15, DIN 4084, ICOLD-Bulletins und mitgeltende Vorschriften (Strahlenschutz, VOAS, HaldAO) geführt werden. Folgende Einzelnachweise sind für die Erbringung eines Langzeitsicherheitsnachweises nötig:  Statischer Langzeitstandsicherheitsnachweis (BISHOP, JANBU, Nachweis für 1000 a),  Dynamischer Langzeitstandsicherheitsnachweis bei Betriebserdbeben (OBE, Nachweis für 500 a),  Dynamischer Langzeitstandsicherheitsnachweis bei Sicherheitserdbeben (MCE, Nachweis für 2500 a17 ),  Hydraulische Sicherheit, 1000 a: – Hydraulischer Grundbruch, – Sicherheit gegen innere Erosion18 (erosion channel), 16

Die gewerblichen Berufsgenossenschaften sind die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für die Unternehmen der deutschen Privatwirtschaft und deren Beschäftigte. 17 MCE-Maximum Credible Earthquake; 10.000-jährliches Ereignis (Wiederkehrperiode), siehe ICOLD Bulletin 82. In der neueren Fassung der DIN 19700 (neu) ist für das Sicherheitserdbeben (Bemessungserdbeben) ein Wiederkehrzeitraum von 2475 a festgeschrieben. 18 Radonwegsamkeiten in der Abdeckung des Tailings-Körpers oder Schwächezonen werden auch durch Erosionsvorgänge hervorgerufen. Deshalb sind die Sicherheiten gegen innere und äußere Erosion auch Nachweise für die Strahlenschutzfunktion der Abdeckung. Gleichzeitig können Schwächezonen, die sich aufgrund innerer und/oder äußerer Erosionsvorgänge bilden, natürlich auch Ursache dafür sein, dass die Dammstabilität so weit reduziert wird, dass dessen Versagen eintritt oder sehr wahrscheinlich wird.

148

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

 Langzeitsicherheit gegen äußere Erosion, ist im Langzeitstandsicherheitsnachweise erfasst,  Vermeidung des Stofftransportes durch die Barrieren (Oberflächenabdichtung, Basisabdichtung, Dammbauwerk) in die Biosphäre (Sicherheitskonzepte).

5.5.1

Mechanische Materialparameter, Zustandsgrößen

Die Zustandsgrößen Si , mit denen der bodenmechanische Zustand sowohl des Dammbauwerkes als auch einer multifunktionalen Abdeckung hinreichend genau beschrieben werden kann, lassen sich mit dem nachfolgend dargestellten funktionalen Zusammenhang nach [28] definieren: (5.3) Si D S.x; y; z; t; ¦; ‚/ x, y, z t ¦ ™

Ortskoordinaten, Zeit, Zustandsparameter, Korrelationsparameter.

Das Materialverhalten einer multifunktionalen Abdeckung unter verschiedenen Einwirkungen kann so durch eine funktionale Verknüpfung [28] der verschiedenen Messgrößen in der Form F .P©; ©; ¢; T; S/ D 0 (5.4) F (. . . ) funktionale Beziehung zwischen den Messgrößen, © Verformung, ©P Verformungsgeschwindigkeit, ¢ Spannung, T absolute Temperatur, S Zustandsparameter beschrieben werden. Für die am Ort x, y, z ermittelte Zustandsgröße Si scheint es sinnvoll, die folgende Abhängigkeit vorzugeben: 0 / (5.5) Si D f.w; e0 ; ¢1;t w Wassergehalt, e0 Ausgangsporenzahl (spannungsfrei), ¢10 wirksame größte Hauptspannung.

5.5 Definition von Langzeitsicherheit und Langzeitstabilität

5.5.2

149

Langzeitsicherheit und Langzeitstabilität der multifunktionalen Abdeckung

 Die Teilaspekte der Aufgabe einer multi-funktionalen Abdeckung bei der sicheren, langzeitstabilen Verwahrung des radioaktiven und toxischen Materials sind zusammenfassend:Reduzierung von radioaktiver Strahlung und der Radonexhalation in die Freigrenzen,  Vermeidung der Infiltrierung von Oberflächenwässer und Sicherung gegen Starkniederschläge (storm water),  Vermeidung von Sauerstoffdiffusion zur Beschränkung der Aciditätsbildung,  Vermeidung des Austritts von kontaminierten Wässern,  Möglichkeit der Wasserfassung und -abführung,  Renaturierung, Erstbepflanzung, Begrünung. Der Nachweis und die Erfolgskontrolle der Langzeitstabilität einer multifunktionalen Abdeckung sollten erstreckt werden auf    

innere und äußere Erosion (langzeitstabil: geomechanisch/geochemisch), Alterung (Ausbildung von Wegsamkeiten, Rissbildung, Funktionsverlust), Strahlenschutz-, Emissionsschutzkontrolle (hydrologisch, Gas- und Mineraltransport), Konsolidation und Setzungen (Ausbildung von Wegsamkeiten, Rissbildung, Funktionsverlust),  Bewuchs und Schadstoffaufnahme. Auch hier besteht erheblicher Forschungsbedarf, insbesondere über den Einfluss der Alterung des Materials auf die Langzeitstabilität und darauf, welche Größen die Alterung verschiedener Materialien einer Abdeckung (mineralische Stoffe, Geokunststoffe etc.) bestimmen bzw. sie dominieren, siehe [14].

Strahlenschutzfunktion19 der multifunktionalen Abdeckung Die Strahlenschutzfunktion einer Abdeckung ergibt sich aus der Unterbrechung oder Reduzierung von Ausbreitungspfaden (Luftpfad/air path, Wasserpfad/water path, aber auch Verschleppung von Feststoffen/pathway of minerals). Verliert die Abdeckung ihre in der Auslegung vorgesehene Schutzfunktion, dann ist die Funktion des Bauwerkes insgesamt gestört. Dabei kann die Strahlenschutzfunktion über einzuhaltende Schwellenwerte oder auch Grenzwerte ausgewiesen werden. Während man in den USA (EPA), wie bereits aufgeführt, einen einzuhaltenden Grenzwert für die Radonemissionsrate 19

Die Strahlenschutzziele in den USA (Radonemissionsrate) und in der Bundesrepublik Deutschland (äußere Strahlenexposition) sind durch zwei unterschiedliche Größen definiert. Die Grenzwerte sind ähnlich stringent, beruhen aber auf den jeweils landesspezifischen Erfahrungen. Ohne Annahmen können diese nicht ineinander umgerechnet werden.

150

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

 20 pCi m2 s1 = 0,74 Bq m2 s1 vorschreibt, hat sich bei der Wismut GmbH unter Bezug auf frühere SSK-Empfehlungen [59] eine Begrenzung der äußeren Strahlenexposition (Bodenstrahlung) von  0,15 µSv/h durchgesetzt. Ein Vorschlag, den Nachweis zur Langzeitstabilität der multifunktionalen Abdeckung für einen Zeitraum von 1000 Jahren zu führen, stammt aus den UMTRA-Programmen. Er ist mit einer ausreichenden Anzahl von Untersuchungen gestützt. In den Vorschriften der US EPA (EPA: 40 CFR 192) und der US Nuclear Regulatory Commission (NRC: 10 CFR40) ist dieser Zeitraum verbindlich festgelegt, allerdings mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass in begründeten Ausnahmefällen der Mindestzeitraum für den Langzeitsicherheitsnachweis auf 200 Jahre reduziert werden kann. Der wesentliche Unterschied in den Zulassungsvorschriften in Deutschland und den USA besteht aber darin, dass die Uranium mill tailings bei der US Nuclear Regulatory Commission geführt werden und damit unterliegen die Uranium mill tailings ponds den gleichen Genehmigungsbedingungen wie die Endlager für radioaktive Abfälle. Die USA folgen damit den Regeln der ICRP. In Deutschland ist mit der Zuordnung zum BBergG eine Sondersituation, abweichend von den Regeln der ICRP, geschaffen worden, die sich nachträglich nicht mehr auflösen lässt. Der Nachweis für die multifunktionale Abdeckung der Wismut-Tailings ponds ist für 1000 Jahre geführt, behördlich zugelassen und von der IAEA gestützt. Er schließt auch Nachweise zur Rückhaltung des langlebigen ’-Strahlers Ra-226, des Hauptlieferanten für Radon, Rn-222, ein (Th-232 kann hier vernachlässigt werden). Die Inventare an Ra-226 in den Tailings ponds der Wismut sind in Tab. 5.3 und 5.6 aufgeführt. Zur Langzeitsicherheit der Verwahrung eines Tailings ponds für Rückstände aus der Uranerzaufbereitung gehört auch immer ein Langzeit-Monitoring mit Umweltüberwachung, da das Geotechnische Umweltbauwerk nicht wartungsfrei errichtet wird und Vorkehrungen getroffen werden müssen, um unzulässige Übertritte von Kontaminanten im Betrachtungszeitraum auszuschließen, sodass das primäre Schutzziel die Richtschnur bleibt. Über welchen Zeitraum ein Langzeit-Monitoring zu betreiben ist, ist derzeit nicht verbindlich definiert, wird aber mit Sanierungsabschluss der Wismut GmbH zu entscheiden sein. Die Installation eines Langzeit-Monitorings mit integrierter Umweltüberwachung sollte auch beim Endlagerbau Eingang finden, siehe Kap. 9. Für Trünzig, Pond A, ist der Anteil des Isotops Ra-226 mit 1,3  1014 Bq = 130 TBq angegeben. Außerdem sind bis 630 mBq/l im Porenwasser ermittelt worden, siehe auch Tab. 5.3 und 5.6. Die gelöste Aktivität ist in der Angabe der Gesamtaktivität nicht berücksichtigt wegen der geringen Größenordnung und auch weil Sickerwasser Ra-226 über die Aufstandsfläche des Tailings-Körpers aus dem Inventar ausgetragen wird, siehe Abschn. 5.4.3. Die Sickerwässer werden aufgefangen und einer Wasserbehandlungsanlage zugeführt, dort gereinigt und in den behördlich zugelassenen Freigrenzen an die Vorflut abgegeben. Ein Teil davon fließt unkontrolliert in die Umgebung ab. Der Stofftransport, hier der radiotoxischen Kontaminanten, muss mit Stofftransportmodellen und mit dem begleitenden Umwelt-Monitoring ständig nachbewertet werden [26]. Radiumausträge

5.5 Definition von Langzeitsicherheit und Langzeitstabilität

151

durch Sickerwasserdrainage reduzieren das Ra-226-Inventar im Tailings-Körper nicht entscheidend, denn Ra-226 wird durch den Zerfall des U-238 (HWZ von 4,468  109 ) im Tailings-Körper permanent nachproduziert. Dem wirkt die immobilisierende Wirkung einer Sekundärmineralisation der Tailings (mineral crustal formation) [30] entgegen. In diesem dynamischen Prozess bildet sich letztendlich ein säkulares Gleichgewicht, bei dem die Menge des zur Verfügung stehenden Ra-226 konstant bleibt und so auch die Radonbildung und damit die Radonexhalationsursache. Es ist nicht damit zu rechnen, dass nach 1000 Jahren die Aktivität des Hauptradonbildners im Inventar sich wesentlich reduziert hat. Allerdings kann dies auch nicht mit Radonaustritten gleichgesetzt werden.

Konsolidation und Setzungsverhalten der multifunktionalen Abdeckung Die Setzungen aus der Konsolidation der Schlammablagerungen in den Tailings ponds sind erheblich und müssen permanent verfolgt werden. Sie sind auch nach Aufbringen der multifunktionalen Abdeckung nicht abgeklungen. Besonders beachtenswert dabei ist, dass sich entwickelnde Wegsamkeiten (z. B. für Radon), die auch durch das unterschiedliche Setzungsverhalten der Schichten der Abdeckung hervorgerufen werden können, derzeit nicht exakt nachweisen lassen. Die ständige Setzungsüberwachung gehört zum begleitenden Umwelt-Monitoring und ist unverzichtbar. Bei steigenden Radonexhalationsraten muss eine entsprechende Ausbildung von Wegsamkeiten allerdings vermutet werden. Eine Nachsorge gestaltet sich deshalb schwierig. Hier besteht erheblicher Forschungsbedarf. Eine Lösung könnte darin bestehen, in die Abdeckung geeignete Sensoren einzubauen, um so bessere Informationen über diese Vorgänge zu erhalten, siehe [33]. Bei der Modellierung boden- und felsmechanischer Aufgabenstellungen mithilfe der FEM sind grundsätzlich zwei Nichtlinearitäten zu beachten: die geometrische Nichtlinearität (wird verbunden insbesondere mit der Untersuchung großer Verformungen) und die physikalische Nichtlinearität (wird verbunden mit der Modellierung des Materialverhaltens). Die vorliegenden Konzepte zur Langzeitstabilität multifunktionaler Abdeckungen gehen aber von kleinen Verformungen, also geometrischer Linearität, aus. Damit gilt das Prinzip der linearen Superposition. Die einzeln ermittelten Setzungsanteile können so zusammengefasst werden: (5.6) sg D se C sl C sgw sg se sl sgw

Gesamtsetzung, Eigensetzung des Tailings-Körpers, Lastsetzung des Tailings-Körpers, Setzungsanteil aus der Entwässerung (des Wiederanstieg des Grundwassers) des Tailings-Körpers.

Tailings-Körper Bei Zugrundelegung physikalischer Nichtlinearität in boden- und felsmechanischen Aufgabenstellungen ist es unerlässlich, auch Inhomogenität und Anisotropie hinsichtlich der

152

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Materialeigenschaften des Tailings-Körpers zu bewerten. Gut geeignet dafür ist die Korrelationsanalyse, die lineare Zusammenhänge zwischen verschiedenen Einflussgrößen, variablen oder Parametern aufdeckt. Dabei wird das statistische Verhalten der Zustandsgrößen, Gl. 5.3, mithilfe der ermittelten Korrelationskoeffizienten des beprobten TailingsKörpers dargestellt. Dazu wird der Tailings-Körper mit einem Beprobungsraster überzogen und an den Knotenpunkten werden tiefenabhängige Zustandsgrößen zum Zeitpunkt t ermittelt. Gemäß Gl. 5.3 mit Gl. 5.5 kann man dann aus den Versuchsergebnissen der Zustandsgröße Si in den verschiedenen Niveauebenen das Verteilungsgebirge der Zustandsebene ermitteln, siehe Abb. 5.24. Anomalien können mit statistischen Methoden zwar nicht erfasst, jedoch mit geophysikalischen Methoden detektiert werden, siehe Lersow M. [31]. Werden Zustandsgrößen über eine längere Zeit oder ausreichend dicht entlang eines längeren Profils gemessen, kann ein Trend in den Daten ermittelt werden, der für Langzeitsicherheitsanalysen von hoher Bedeutung ist. Ein häufig zum Einsatz gebrachter Feldversuch ist die Drucksondierung (Cone Penetration Test – CPT), die in Deutschland nach DIN 4094 standardisiert ist. Allerdings ist das Verfahren auf das jeweilige Versuchsfeld zu kalibrieren. Als Kalibrierungsbeziehung eignet sich die empirische Beziehung (nicht dimensionsrein) zur Ermittlung eines Steifemoduls: (5.7) Es D a  q c C b Es Steifemodul in (MN/m2 ), qc Drucksondierung-Spitzendruck in (MPa). Tab. 5.7 zeigt Ergebnisse von Regressionsanalysen von Cone Penetration Tests eines Deponiestandortes. Die statistische Analyse der Feldversuche ist in Abb. 5.24 zusammengefasst. Das Verfahren kann auf die Untersuchung von Tailings-Körpern übertragen werden. Obwohl die oben stehende Zusammenstellung physikalischer Phänomene zunächst sehr übersichtlich erscheint, wird es aufgrund der komplexen physikalischen und chemischen Eigenschaften sowie der Konsistenz der Tailings dennoch schwierig, diese in einem komplexen geotechnischen Modell adäquat abzubilden. Ein Monitoring über Zeiträume, über die Prognosen (Trends) zum Langzeitverhalten der Tailings-Körper hinreichend genau abgestützt werden können, ist bisher nicht bekannt geworden. So müssen die Ergebnisse aus eindimensionalen Konsolidationsmodellen oder die mit FEM-Modellen ermittelten Verformungen sehr kritisch hinsichtlich ihrer Aussagekraft bewertet werden, insbesondere wenn die oben dargestellten Phänomene darin nicht berücksichtigt sind. Die Notwendigkeit, das Setzungsverhalten einer multifunktionalen Abdeckung langfristig in situ zu überwachen, wird somit deutlich. Aus umfänglichen Messreihen zur Ermittlung der ortsabhängigen Verformungen könnten wiederum die in der Setzungsprognose eingesetzten Modelle validiert werden.

Abb. 5.24 a 3-D-Visualisierung des Spitzendruckes qC aus Regressionsanalyse, Tiefe 5 m, b 3-D-Visualisierung des Spitzendruckes qC aus Regressionsanalyse, Tiefe 30 m. (Siehe [12])

5.5 Definition von Langzeitsicherheit und Langzeitstabilität 153

CPT-Nr. a/MN/m2 b/MN/m3 Korrelationskoeffizienten

2–13 1,01129 0,265345 0,955095

24 2,17634 0,161439 0,689819

24a 7,87406 0,590386 0,849254

2–6 0,223683 0,244968 0,885242

2–9 3,43668 0,175812 0,949680

29a 0,959411 0,213584 0,932856

31a 2,21298 0,122971 0,765281

35 2,70202 0,230851 0,706560

5

Tab. 5.7 Ergebnisse von Regressionsanalysen von CPTs eines Deponiestandorts [12]

154 Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

5.5 Definition von Langzeitsicherheit und Langzeitstabilität

155

1-D-Kosolidation: Konstitutives Modell unter Berücksichtigung nichtlinearer finiter Verformungen in den Lagrange-Koordinaten (a, t), nach Schiffman (1980) [60]:   .1 C e0 /k.e/ @ @ @ 1 @e ˙ f.e/ D @a ”w .1 C e/av .e/ @a @a 1 C e0 @t mit: f.e/ D  e0 e k ”w ”s



”s ”w

1



d de

h

k.e/ 1Ce

(5.8)

i

Ausgangsporenzahl, Porenzahl, Durchlässigkeit, Wasserdichte, Feststoffdichte.

Auf die Konsolidation des Tailings-Körpers und die damit verbundenen erheblichen Verformungen, die durch verschiedene Maßnahmen bei der Verwahrung, wie beschrieben, beschleunigt bzw. durch Auflastschüttungen (Zwischenabdeckung) und Entwässerung20 des Tailings-Körpers (Vertikaldrains) vorweggenommen werden, soll hier nicht weiter eingegangen werden. Zur Ermittlung von k(e) in Gl. 5.8 werden meist Oedometerversuche verwendet. Dabei kann gezeigt werden, dass für die jeweiligen Tailings ponds standortspezifische Ergebnisse ermittelt werden, die erhebliche Unterschiede aufweisen. Eine Verallgemeinerung kann hier nicht angeboten werden. Mögliche Auswirkungen des Setzungsverhaltens der Tailings-Körper auf die Abdeckung und damit auf das Langzeitverhalten des Geotechnischen Umweltbauwerkes sind hier qualitativ dargestellt, siehe auch Abb. 5.26.

5.5.3

Langzeitsicherheit und Langzeitstabilität der Basisabdichtung

Basisabdichtungen müssen in Deutschland nach dem Stand der Technik eingebaut bzw. bei geologischen Barrieren ausgewählt werden. Für den Deponiebau sind diese in einem bundeseinheitlichen Qualitätsstandard und in einer darauf basierenden Eignungsbeurteilung dahingehend beschrieben [45], welche Anforderungen beim Einbau der eignungsgeprüften sonstigen Baustoffe, Abdichtungskomponenten und Abdichtungssysteme erfüllt werden müssen, damit sie im eingebauten Zustand dem Stand der Technik entsprechen. Auf diese Leistungsfähigkeitskriterien und Nachweise zur Eignungsbeurteilung könnte auch bei den Uran-Tailings ponds zurückgegriffen werden. Diese gelten für alle Abdichtungen (Tab. 5.8). 20 Die radioaktiven Wässer aus der Entwässerung des Tailings-Körpers werden aufgefangen und in einer Wasseraufbereitungsanlage so dekontaminiert, dass sie in die Vorflut abgegeben werden können.

156

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Tab. 5.8 Leistungsfähigkeit und Nachweise der Eignungsbeurteilung von Abdichtungen aus mineralischen Bestandteilen [45] Kriterien/Einwirkungen Dicke

Leistungsfähigkeit Mindestens 0,50 m

Dichtigkeit

k-Wert – Bestimmung nach DIN 18 130

Mechanische Widerstandsfähigkeit

Dauerhaft standsicher bei Böschungsneigung 1 : 3 Verformbar bis Krümmungsradius 200 m ohne Erhöhung der Durchlässigkeit Hydraulisch widerstandsfähig (erosions- und suffosionsbeständig) Langzeitbeständigkeit: ( 1000 Jahre) Dauerbeständigkeit der die Standsicherheit beeinflussenden Komponenten

Beständigkeit

Herstellbarkeit

Sonstige Kriterien (Hinweis: Erfüllung ist nicht in jedem Fall möglich und erforderlich, ggf. ergänzende Maßnahmen und Elemente notwendig z. B. temporärer Frostschutz)

a

Beständig gegen aggressives Sickerwasser in Abhängigkeit des pH-Wertes Die Errichtung muss unter Baustellenbedingungen mit Sicherheit erbringbar und reproduzierbar sein Systemverträglich

Nachweisea Im Rahmen der Bauausführung Durchlässigkeitsbeiwert k: k  5 × 1010 m/s bei einem Druckgradienten von i = 30 Scherkastenversuch Biegezugversuch

Körnungslinien

In Anlehnung an DepV gemäß einschlägiger GDAEmpfehlungen für eine standortspezifische Lösung

Probefeld

Probefeld Scherversuche

Frostsicher bis zur ausreichen- Frost-/Tauwechsel, den Überschüttung Schutzmaßnahmen Umweltverträglich

Einhaltung rechtlicher Vorgaben; beim Einsatz von Deponieersatzbaustoffen könnte auf Vorgaben gemäß Teil 3 DepV zurückgegriffen werden

Welche Nachweise erforderlich sind, wird in nachfolgenden Punkten erklärt

Da eine Basisabdichtung in den bereitgestellten Hohlformen für das Ablegen der UranTailings aus der Erzaufbereitung der SDAG Wismut nicht eingebaut wurden, müssen der möglichen Kontaminationsausbreitung im Untergrund (Lockergesteinskörper) und im Grundwasser sowohl im Verwahrungsprozess als auch bei der Langzeitsicherheit entsprechende Gegenmaßnahmen angeordnet werden. Einem Nachweis der Langzeitsicherheit

5.5 Definition von Langzeitsicherheit und Langzeitstabilität

157

und Langzeitstabilität entspricht dies nicht. Über welchen Zeitraum diese Gegenmaßnahmen zu wirken haben, ist nichts hinterlegt. Es muss davon ausgegangen werden, dass dies dauerhaft geschehen muss, siehe auch Tab. 5.5. Gegenmaßnahmen bei Austrägen aus dem Tailings-Körper/Stofftransportmodelle Aus dem Tailings-Körper migrieren aber Kontaminanten in den Untergrund, möglicherweise auch in den Grundwasserleiter, wenn die Basis durchdrungen werden kann. Einerseits kommt es durch die Gestaltung des Geotechnischen Bauwerks darauf an, eine Kontaminationsausbreitung zu verhindern, andererseits müssen Prognosen gestellt werden, zu welchen Kontaminationsausbreitungen es kommen kann und welche Gegenmaßnahmen getroffen werden können. Neben einem entsprechenden Grundwasser-Monitoring, dem Anlegen von Brunnen- und Grundwassermessstellengalerien sowie von Förderbrunnen, um Grundwasser abzupumpen und zur Wasserreinigungsanlage zu fördern bzw. wenn notwendig großräumige Grundwasserabsenkungen vornehmen zu können, werden Stofftransportmodelle als Prognosetools eingesetzt. Stofftransportmodelle werden in 2-D- und 3-D-Varianten eingesetzt, um auf der Basis eines hydraulischen Modells die Verteilung gelöster (Schad-)Stoffe zu simulieren. Dazu werden die Prozesse der Konvektion, Diffusion, Dispersion, Sorption, chemischen Reaktion und des Abbaus je nach Problemkomplexität und Datenlage berücksichtigt. Mit Stofftransportmodellen können sowohl historische Schadstoffausbreitungsvorgänge als auch mögliche Sanierungsszenarien einschließlich des Nachweises des natürlichen Schadstoffrückhaltes (Monitored Natural Attenuation – MNA) simuliert werden. Für die numerische Simulation von Stofftransportvorgängen in Grundwasserleitern steht eine ganze Reihe von Modellsystemen zur Verfügung. In Verbindung mit Pre- und Postprocessing-Moduln lassen sich damit der Stofftransport, die ablaufenden hydrogeochemischen Prozesse, die Entwicklung der Stoffkonzentrationen im Grundwasser etc. visualisieren und auf die ermittelten Messergebnisse abgleichen. Hierzu wird auf Kap. 6, 7 und 8 verwiesen. Dieser Abgleich ist zwingend notwendig, denn professionelle Programmsysteme müssen auf den jeweiligen Standort weiterentwickelt werden, sodass damit die Standortbedingungen adäquat abgebildet werden können. Das vorstehend aufgezeigte Monitoring liefert dafür die Basisdaten. Auf dieser Basis werden Standortmodelle entwickelt, die dann wertvolle Ergebnisse für die langzeitsichere Verwahrung von Tailings ponds liefern. Der Schadstofftransport über die ungesicherte Basis der Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut und das dagegen errichtete System der Wasserfassung, -aufbereitung und das begleitende Monitoring werden nachfolgend beschrieben. Replik Durch die fehlende Basisabdichtung bei den Uran-Tailings der SDAG Wismut kann eine Langzeitsicherheit für die verwahrten Tailings ponds nicht ausgewiesen werden, da die Einzelnachweise (ENW3 und 4) nicht geführt werden können. Es kann gezeigt werden, dass permanent und über lange Zeiträume Porenwasser über die Basis ins

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5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Grundwasser gelangen kann und somit in einem extrem langen Zeitraum gefangen und aufbereitet werden muss, um die öffentliche Sicherheit zu garantieren. Dies geschieht derzeit umfänglich im erforderlichen Maße. Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass noch in diesem Jahrhundert Wasserfassung und -aufbereitung stillgelegt werden können, weil die Konzentrationen in der Wasserfassung mit radiotoxischen Elementen dies nicht erlauben wird. Ein umfängliches Monitoring-System, insbesondere das Sondermessnetz für Grund- und Oberflächenwasser, mit einer entsprechenden Meldeordnung der Wismut GmbH ist über diesen Zeitraum unverzichtbar und Teil der Langzeitsicherheit der verwahrten Uran-Tailings. Auch nach Austritt des Porenwassers über die Basis aus dem Tailings-Körper bleibt der überwiegende Teil des radiotoxischen Inventars darin enthalten. Nach der Erschöpfung des Porenwassers soll mit einer langzeitsicheren Oberflächenabdichtung verhindert werden, dass dieses Inventar mobilisiert wird. Eine Mobilisierungsgefahr stellt das anströmende Grundwasser dar. Es muss verhindert werden, dass der Fuß des Tailings-Körpers „nass“ wird. Durch eine sich ausbildende Setzungsmulde durch den nunmehr „trockenen“ Tailings-Körper kann der Abstand zum oberen, freien Grundwasserspiegel möglicherweise so gering werden, dass Grundwasser in den Tailings-Körper eindringt. Dies muss beobachtet und vermieden werden. Im Extremfall könnte eine Grundwasserabsenkung Schaden abwenden. Der Langzeitsicherheitsnachweis für die multifunktionale Oberflächenabdichtung sollte dies ausschließen.

5.5.4

Monitoring

Umwelt-Monitoring – Teil der Verwahrung von Tailings ponds der Uranerzaufbereitung Zum Langzeit-Monitoring sollen in diesem Kapitel nur einige wenige Vorschläge unterbreitet werden. Die Aufgabe der Umgebungsüberwachung, des sogenannten UmweltMonitorings, siehe Abb. 5.25, ist es, die Einwirkungen der einzelnen Objekte selbst sowie der daran ausgeführten Sanierungsmaßnahmen auf die Schutzgüter Boden, Luft und Wasser zu messen. Dies trifft nicht nur auf den Zeitraum vor und nach der Sanierung, sondern auch während der Sanierungstätigkeit zu. Hierbei wird zwischen Basis- und Sanierungs-Monitoring unterschieden. Im Basis-Monitoring werden die zur Erfolgskontrolle nötigen Überwachungsaufgaben zusammengefasst, die unabhängig von der Sanierungstätigkeit regelmäßig an festen Messpunkten und nach definierten Methoden durchgeführt werden. Des Weiteren werden die Auswürfe und Ableitungen von Einzelobjekten gemessen. Das Basis-Monitoring ist als Grundlage für die Langzeitüberwachung vorgesehen, das heißt, durch Fortführung bzw. Weiterentwicklung dieses Programms wird die Umgebungssituation nach Abschluss der Sanierung zur Beurteilung der Sanierungsergebnisse überwacht. Das Langzeit-Monitoring baut also auf dem Basis-Monitoring auf. Aus den jeweiligen Ergebnissen in Verbindung mit den Entwicklungsprognosen wird dann das notwendige

5.5 Definition von Langzeitsicherheit und Langzeitstabilität

159

Abb. 5.25 Umwelt-Monitoring

Netz an Messpunkten für das Langzeit-Monitoring aufgebaut. Zu gegebener Zeit sollte dieses Messnetz aber einer Revision unterworfen und der Entwicklung von Wissenschaft und Technik angepasst werden. Das Sanierungs-Monitoring (begleitendes Monitoring) begleitet die Durchführung der Sanierungsmaßnahmen als Ergänzung zum Basis-Monitoring. Charakteristisch für das Sanierungs-Monitoring ist seine zeitliche Befristung. Das Sanierungs-Monitoring schließt auch die radiologische Überwachung der Arbeitnehmer ein. Die Wismut GmbH hat seit 1991 Ergebnisse der Umgebungsüberwachung in Form von Umweltberichten der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben (Abb. 5.25). Langzeit-Monitoring – Teil der Sicherheitsprognose des Geotechnischen Umweltbauwerkes und des run off protection (ENW 4) Das Langzeit-Monitoring zu den Standsicherheitsnachweisen wird einerseits bestimmt durch das unter Abschn. 5.4.2 beschriebene Raster der Einzelnachweise, andererseits durch die zugrunde gelegten Zustandsgrößen für das Dammbauwerk und die multifunktionale Abdeckung gemäß Gl. 5.4, 5.5, 5.6 und 5.7. Es sind also einerseits die Zeitintervalle zu definieren, in denen Probenahme und Versuchsdurchführung zu erfolgen haben, andererseits sind die Versuche festzulegen, mit denen die Bestimmung von Parametern vorgenommen werden sollen. So werden üblicherweise die Scherfestigkeitsparameter aus direkten Scherversuchen (Rahmenscherversuche) und aus Triaxialversuchen (CU) gemäß DIN 18137 ermittelt. Aus Druck-Setzungs-Versuchen (Ödometer) nach DIN 18135 können die Verformungsparameter ermittelt werden. Die Durchführung der Versuche erfolgt unter Berücksichtigung der Entnahmeteufe der Probe bzw. der in situ vorhandenen Überlage-

160

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Abb. 5.26 Visualisierung der Setzungen der Tailings-Oberfläche [Becken Culmitzsch A und B] relativ zur Tailings-Mächtigkeit zum Zeitpunkt der Messung [32]

5.5 Definition von Langzeitsicherheit und Langzeitstabilität

161

rungsspannung für die zu erwartenden Spannungsbereiche. Eine immer wiederkehrende Schwierigkeit besteht darin, die im Labor ermittelten Werte auf die jeweils anzuwendende Ingenieuraufgabe zu übertragen. Der Tailings-Körper konsolidiert mit Aufbringen der multifunktionalen Abdeckung weiter. Der Tailings-Körper und die Abdeckung bilden dabei ein gekoppeltes System. Sind die Setzungsunterschiede zwischen benachbarten Teilen des Tailings-Körpers sehr groß (großer Setzungsgradient), überträgt sich dies auch auf die Abdeckung. Die Schichten der multifunktionalen Abdeckung können gegeneinander versetzt werden bzw. an den Schichtgrenzen findet eine Durchdringung statt, sodass dadurch das Barrierensystem verletzt wird und sich daraus z. B. Radonwegsamkeiten entwickeln können. Der Einbau von geosynthetischen Trennschichten kann dagegen einen guten Schutz darstellen, siehe Abb. 5.27 (geosynthetics barrier protection liner). Über die gemessenen Radonexhalationsraten bzw. über die Ortsdosisleistungen wird die Wirksamkeit und damit die Funktionalität der Radonbarriere der multifunktionalen Abdeckung belegt. Die an der Oberfläche der Abdeckung gemessenen, ortsabhängigen Setzungen sind die Summe der Setzung des Tailings-Körpers und der Abdeckung. Dem Boltzmann-Axiom der Gl. 5.6 folgend ergibt sich: (5.9) sg D stail C sabd sg an der Oberfläche gemessene Gesamtsetzung, stail Setzung des Tailings-Körpers, sabd Setzung des Abdeckkörpers. Um die Auswirkungen der Konsolidation auf die Abdeckung zu minimieren, werden umfangreiche Prognoseberechnungen und ein begleitendes Monitoring zur Validierung notwendig, um daraus auch Vorgaben für die Dimensionierung der Abdeckung abzuleiten (siehe Abb. 5.13). Auflastschüttungen und auch Teilbereiche der Zwischenabdeckung übernehmen dabei die Funktion von Probefeldern. Folgende Aufgaben sind erkennbar, die dem Ziel dienen, die Barrierewirkung der multifunktionalen Abdeckung für die festgelegte Standzeit des Geotechnischen Umweltbauwerkes zu garantieren und nachzuweisen. Diese besitzen keinen Anspruch auf Vollständigkeit:  Maßnahmen zur Vergleichmäßigung der Setzungen der Oberfläche des Tailings-Körpers,  Ermittlung einer zuverlässigen Prognose für das Langzeitverhalten der Setzung des Tailings-Körpers,  Installation eines Systems, mit dem die Setzungen der Abdeckung zuverlässig über große Zeiträume ermittelt werden können, mit entsprechenden Auswertungsroutinen,  Installation eines Netzes an radiologischen Messpunkten zur Ermittlung z. B. der Radonexhalationsraten, Ortsdosisleistungen etc., mit entsprechenden Auswertungsroutinen und Korrelationen zum Verformungsverhalten der Oberfläche der Abdeckung,  Detektierung möglicherweise auftretender Radonwegsamkeiten z. B. durch geeignete Tracer-Versuche in Verbindung mit radiologischen Messungen.

162

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

Abb. 5.27 Prinzip einer multifunktionalen Geomatte. (© [33])

Es scheint angeraten, in Bereichen erhöhter Versagenswahrscheinlichkeit, z. B. des Dammbauwerkes, ein Frühwarnsystem zu installieren, das durchaus mit Elementen oben stehender Aufgaben gekoppelt werden könnte. Damit wird es möglich sein, Schwächezonen und Gleitflächen etc. zu identifizieren und so Hinweise auf notwendige Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu erhalten bzw. tiefergehende Untersuchungen einzuleiten. Besonders schützenswert sind Bereiche in der Nähe von Wohngebieten, landwirtschaftlicher und tierischer Produktion, Übergänge zu Vorflutern etc. Insbesondere in Zonen mit erhöhter seismischer Aktivität sowie erhöhter Anzahl und Dauer von Starkregenfällen ist die Installation eines Frühwarnsystems angeraten. Einige Anregungen existieren bereits, die zu

5.6 Betrachtung außergewöhnlicher Ereignisse – Worst Cases

163

einer Lösung beitragen können. Glötzl und Lersow sehen eine Möglichkeit darin, die in Matten integrierten Polymere Optical Fiber (POF) [34] und eine Spannungsmessstation [35] in geeigneter Weise zu verbinden. In die Überwachung ist auch die radiologische Überwachung des Standortes eingeschlossen. Dazu gehört die Überwachung der Funktionalität der multifunktionalen Abdeckung, um Mobilisierungen von Radionukliden im Tailings-Körper weitestgehend auszuschließen. Die Abdeckung eines Tailings pond hat verschiedene Schutzfunktionen. Sie muss langfristig sicherstellen, dass Austritte von Schadstoffen in die Umgebungsluft (air path) und in das Grund- und Oberflächenwasser (water path) auf ein akzeptables Maß begrenzt bleiben und die im Bauwerk eingeschlossenen Minerale nicht freigelegt werden (pathway of minerals). Verliert die Abdeckung nur eine dieser Schutzfunktionen, dann ist die Funktion des Bauwerkes insgesamt gestört. Zum Nachweis von chemischen und biologischen Stoffen, insbesondere von toxischen und radioaktiven Kontaminanten ist in [33] eine Verfahrensentwicklung offengelegt (siehe Abb. 5.27). Bei der Wismut GmbH hat sich zur Bewertung der Abschirmwirkung gegenüber eingeschlossenen radioaktiven Mineralen eine Ortsdosisleistung ODL  0,15 µSv/h für die Strahlenexposition an der Oberfläche der Abdeckung durchgesetzt.

5.6

Betrachtung außergewöhnlicher Ereignisse – Worst Cases

Es können auch bei den Geotechnischen Umweltbauwerken zur langzeitsicheren Verwahrung der Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut nicht planbare Ereignisse eintreten, die die Funktionsfähigkeit des Bauwerkes sehr stark herabsetzen, sodass radiotoxische Schadstoffe in erheblichem Umfang in die Biosphäre gelangen können. Dazu zählen 1. 2. 3. 4.

Erdbeben bisher nicht gekannten Ausmaßes, Flugzeugabstürze, terroristische Eingriffe (Sprengungen, Bomben etc.), Eingriffe von außen (Bohrungen, Schürfe etc.), sogenannte „Human Intrusion Szenarios“ 5. etc. Besonders die Punkte 3 und 4 können für die Geotechnischen Umweltbauwerke gefährlich werden, weshalb diese besonders geschützt werden müssen. Eine Sicherheit besonders zu den „Human Intrusion Szenarios“ ergibt sich aus dem Bergrecht. Die Akte (Abschlussdokumentation) des Altbergbaustandorts (hier Uran-Tailings ponds) mit allen relevanten Daten verbleibt dauerhaft im Kataster des zuständigen Bergamtes, sodass erwartet werden kann, dass menschliche Eingriffe in das Geotechnische Umweltbauwerk über einen langen Zeitraum ausgeschlossen werden können.

164

5

Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

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Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus

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167

56. Wismut Wismut Bergbausanierung – Landschaften gestalten und erhalten; Herausgeber Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi); Öffentlichkeitsarbeit; 11019 Berlin, Juli 2015 57. Lersow, M.: Verwahrung von Wismut Tailing Ponds und Dekontamination der Frei-, Poren- und Sickerwässer; 57. BHT – Deutsch-Polnisches Bergbau-Forum; Freiberg, 23.06.2006 58. Große Anfrage Deutscher Bundestag; Drucksache 12/3309; 24.09.92 59. Empfehlungen und Stellungnahmen der Strahlenschutzkommission 1990/1991; Band 24; ISBN 3-437-11519-7; Bonn, 1993 60. Schiffman, R. L. (1980): “Technical note: Finite and infinitesimal strain consolidation”, Journal of Geotechnical Engineering 106(GT2 , 26), 203–207.

6

Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

6.1

Internationale Entwicklung

Nach vorliegender Klassifikation, siehe Kap. 2, werden schwach radioaktive Abfälle (Low Active Waste – LAW) durch eine Aktivität A* < 1 E+11 Bq/m3 und einer mittleren Zerfallswärme Qmittel Š 200 W/m3 und mittelradioaktive Abfälle (Medium Active Waste – MAW) durch eine Aktivität A* = (1 E+10 bis 1 E+15) Bq/m3 und Zerfallswärme Q < 2 kW/m3 gekennzeichnet. Daneben soll die Wärmeentwicklung bei Einlagerung des Inventars in untertägigen Hohlräumen vernachlässigbar sein, sodass nur eine geringe Erwärmung des umgebenden Gebirges zu erwarten ist. In Deutschland entfallen auf die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle rund 90 % des Volumens radioaktiver Abfälle. Sie stammen aus dem Betrieb und der Stilllegung von Kernkraftwerken, aus der Forschung und Industrie sowie aus der Medizin, siehe Kap. 4, Abb. 4.1. Es handelt sich beispielsweise um kontaminierte Anlagenteile, Werkzeuge oder Laborgeräte, Schutzkleidung aus Kernkraftwerken, verbrauchte Filter, Strahlenquellen aus der Medizin und anderen technischen Anwendungen oder radioaktive Chemikalien und möglicherweise überwachungsbedürftige Rückstände aus Industrieprozessen. Für diese Abfälle prognostiziert das Bundesumweltministerium (BMU1 ) bis zum Jahr 2080 ein Volumen von etwas über 300.000 m3 . Ein mögliches künftiges Abfallvolumen aus der Rückholung und Konditionierung von Abfällen aus Asse II ist darin nicht enthalten, siehe Abschn. „Beschreibung des Standortes der Schachtanlage Asse II und des eingelagerten Inventars“ Abschn. 6.4.3. Schwach- und mittelradioaktive Abfälle, LAW und MAW oder durch die Begrenzung der Wärmeentwicklung (Negligible Heat-Generating Waste – NHGW), werden weltweit überwiegend oberflächennah, d. h. wenige Meter unter der Geländeoberfläche, abgelegt.

1

Die Bezeichnung BMU wird durchgängig beibehalten, obwohl es durch Aufgabenerweiterung auch die Bezeichnung BMUB gibt.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 M. Lersow, Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57822-3_6

169

170

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Tab. 6.1 Nuklidinventar im Endlager Olkiluoto. (Nach [38]) Gesamtaktivität ’-Aktivität Bestimmende Nuklide Bis 102 /104 /106 Jahre Abfallvolumen

[Bq] [Bq]

Spez. Gesamtaktivität Spez. ’-Aktivität

[Bq/g] [Bq/g]

[m3 ]

4,2 E+14 1,6 E+10 Cs-137, Ni-63

Ni-59

Ni-59

8500 Davon: 4960 für LAW und 3472 für MAW 24.700 1

Im weltweiten Vergleich haben sich nur einige Länder wie Deutschland entschieden, auch schwach- und mittelradioaktive Abfälle in geologischen Tieflagern zu entsorgen. Im Allgemeinen ist bei diesen radioaktiven Abfällen keine Rückholbarkeit beabsichtigt. Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle sind in einigen Ländern bereits seit vielen Jahren in Betrieb. Internationaler Überblick Ein zu deutschen Standorten vergleichbares Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle ist in Olkiluoto/Finnland eingerichtet. Das Endlager Olkiluoto ist dem Kernkraftwerk gleichen Namens zugeordnet und liegt auf der Halbinsel Olkiluoto an der Westküste Finnlands, siehe Kap. 7. Nach ersten Standortuntersuchungen 1980 begannen die Bauarbeiten dort im Jahr 1988. Bereits im Mai 1992 wurden die ersten Abfälle eingelagert. Die Betriebsgenehmigung ist bis Ende 2051 gültig. Das Endlager besteht aus zwei getrennten Hohlräumen in 60–100 m Tiefe im Kristallingestein für eine getrennte Endlagerung, einem Silo für trockene LAW aus der Instandhaltung der KKW und einem Silo für bituminierten MAW. Jeder dieser Hohlräume ist 34 m hoch und hat einen Durchmesser von 24 m. Die Lagerkapazität kann insgesamt 60.000 m3 betragen. Davon sind ca. 9500 m3 bisher konkret ausgewiesen. Die Abfälle werden in Form von Betonquadern eingelagert, von denen jeder 16 Fässer enthält. Für ein Abfallvolumen von 8500 m3 ist in [38] folgendes Inventar angegeben, siehe Tab. 6.1. Rechnet man die Aktivität aus Tab. 6.1 auf 300.000 m3 hoch, dies ist das Einlagerungsvolumen des zukünftigen deutschen Endlagers Schacht Konrad, würde eine Gesamtaktivität von 1,48 E+16 Bq erreicht. Das Endlager Centre de l’Aube für LAW-SL und MAW-SL, SL steht für short-lived (kurzlebige Radionuklide) liegt in Zentralfrankreich zwischen den Departements Aube und Haute-Marne in der Nähe der Stadt Soulaines-Dhuys, siehe Kap. 7. Dort werden seit 1992 LAW-SL und MAW-SL oberflächennah auf einer Betonplattform abgelegt. Die Abfallfässer und Betongebinde werden in sechs Schichten gestapelt. Die Betonplattform wird durch kleine Kanäle entwässert. Ist das Lager voll, wird es wasserundurchlässig verschlossen und mit Erde überdeckt. Es soll während 300 Jahren überwacht bleiben. Danach soll die Radioaktivität des Inventars auf den Stand der natürlichen Strahlung abgeklungen

6.1 Internationale Entwicklung

171

sein, siehe Abb. 6.1. Die Überwachung in der Nachverschlussphase ist derzeit eine Besonderheit, allerdings bei oberflächennahen Endlagern zu empfehlen. Das Endlager hat ein Fassungsvermögen von 1 Mio. m3 und ist mit einer eigenen Kompaktierungsanlage versehen. Der Betrieb war ursprünglich, bei einer jährlichen Anlieferungsmenge von 30.000 m3 , bis 2040 geplant. Die tatsächlich angelieferten Mengen liegen jedoch deutlich unter den 30.000 m3 pro Jahr, sodass inzwischen mit einer Betriebszeit von 60 Jahren gerechnet wird, siehe [39]. Der Betrieb im Endlager Centre de l’Aube läuft im Wesentlichen automatisiert und computerüberwacht ab. Für ein Abfallvolumen von 1 Mio. m3 ist in [39] folgendes Inventar angegeben, siehe Tab. 6.2. Rechnet man die Aktivität aus Tab. 6.2 auf 300.000 m3 herunter, dies ist das Einlagerungsvolumen des zukünftigen deutschen Endlagers Schacht Konrad, würde eine Gesamtaktivität von 1,95 E+17 Bq erreicht. In ariden Klimazonen ist eine oberflächennahe Lagerung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen durchgängige Praxis. Als ein typisches Beispiel der Ablagerung in Gräben oder Mulden (trenches) kann das Endlager Test Site ungefähr 105 km nordwestlich von Las Vegas im US-Bundesstaat Nevada gezeigt werden, siehe Abb. 6.2. Dort werden die Behälter in mehreren Schichten auf einer vorbereiteten, meist betonierten Fläche gestapelt, oftmals mit einer Abdeckung versiegelt (zumeist aus Beton) und dann mit Erde

Abb. 6.1 Zeitverlauf des Nuklidinventars des Endlagers Centre de l’Aube. (Quelle: [39]) Tab. 6.2 Nuklidinventar im Endlager Centre de l’Aube. (Nach [39]) Genehmigte Gesamtaktivität A-Aktivität Bestimmende Nuklide LAW-SL und MAW-SL Genehmigtes Abfallvolumen

[Bq] [Bq]

[m3 ]

6,5 E+17 7,5 E+14 Co-60, Cs-137, Cs-135, Ni-63, Tc-99, Sm-151, Pd-107, mAg-108, I-129, Cl-36 1,0 E+06

172

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Abb. 6.2 Einlagerungsbereich Endlager Test Site, Nevada, USA. (Quelle: US-Department of Energy)

abgedeckt. Es können aber auch standortspezifische Abdichtsysteme entwickelt werden. Dazu gehört auch der Einsatz von Geosynthetics. Eine ähnliche Art der Ablagerung hat die Wismut GmbH für Behandlungsrückstände (Immobilisate) aus ihren Wasseraufbereitungsanlagen entwickelt, siehe Abb. 6.3. Es ist ein außerhalb des Atomrechts genehmigtes Verfahren und damit ein Beispiel für die oberflächennahe Endlagerung von überwachungsbedürftigen Rückständen in Deutschland. Zur Dekontamination bergbaubürtiger Wässer und damit zur Gewährleistung der Schutzziele für die in Anspruch genommenen Vorfluter und das Grundwasser betreibt die Wismut GmbH an sechs Standorten (s. Abb. 5.6) im Abstrom ihrer Betriebsstandorte Wasserbehandlungsanlagen, siehe Tab. 6.3. Dazu wurden und werden jeweils standortangepasste Verfahrensführungen an den Wasserbehandlungsanlagen zur Erreichung der genehmigten Ablaufwerte in die jeweilige Vorflut entwickelt und installiert. So wurde bisher der Anlage zur Aufbereitung der Flutungswässer (AAF) der Grube Königstein eine separate Uranabtrennung mittels Ionenaustausch/Fällung vorangestellt. Das hieraus anfallende Urankonzentrat wurde vermarktet. Im Jahr 2014 fielen hier beispielsweise prozessbedingt 37,6 t Uran an [40]. Bei Umstellung der AAF ohne separate Uranabtrennung wird die Konzentration von Uran in den Behandlungsrückständen erheblich ansteigen und zu einer beträchtlichen Erhöhung der spezifischen Aktivität A* in den Behandlungsrückständen führen. Generell kann festgestellt werden, dass sich die spezifischen Aktivitäten in den Immobilisaten der Wasserbehandlungsanlagen der Wismut GmbH (ausgenommen Königstein) zukünftig kaum verringern werden. Dies liegt einerseits an der gleichbleibend hohen Fracht an Radioaktivität in den anfallenden bergbaubürtigen Wässern und andererseits an den verbesserten Abscheidungsmethoden, insbesondere für Uran und Ra-226 in

6.1 Internationale Entwicklung

173

Abb. 6.3 a Modifiziertes Schema Kalk-Walhallakalk Wasserbehandlungsprozess (WBA) [51] b zwischengelagerte Big Bags, c WBA Ronneburg. (Quelle Abb. 6.3b, c: © Wismut GmbH)

den Wasserbehandlungsanlagen. In Abb. 6.3 ist das Schema einer Wasserbehandlung mit Kalkfällung dargestellt, so wie es auch bei der WBA Ronneburg realisiert ist, siehe auch [42] und [44]. Für die Verbringung der Rückstände aus Tab. 6.3 wurden diese anfänglich in 1 m3 fassende Big Bags gefüllt und dann zum Einlagerungsort verbracht. Als Einlagerungsorte radioaktiv kontaminierter Materialien sind Sonderbereiche, meist auf Halden und Tailings ponds, vorgesehen und genehmigt, die im Rahmen der Sanierung profiliert und abgedeckt werden.

Ra-226, As, Fe

U, Ra-226, As, Fe, Mn 1,43 571 Bereich des Tailings pond Helmsdorf

U, Ra-226, As

1910

200 m3 /h 0,97

U, Mn, As, Ni, Cd und weitere Schwermetalle 0,0133 4300 Bereich Aufschüttkörper Tgb. Lichtenberg

19.140

Kalkfällung mit teilweiser Schlammrückführung (HDSVerfahrena ) 850 m3 /h 6,11

0,67 393 Bereich der Tailings ponds Culmitzsch

U, Ra-226, Schwermetalle

1600

330 m3 /h 2,18

Modifiziertes Kalkfällungsverfahren

14,50 4730 Halde Schüsselgrund – Leupoldishain

U, Ra-226, Fe, Mn, Ni Schwermetalle

920

Ionenaustausch/Kalkfällung mit teilweiser Schlammrückführung (HDS-Verfahrena ) 650 m3 /h 3,50

Flutungswasser Grube Königstein, anfallende Oberflächen- und Halden-Sickerwässer

Frei-, Sicker- und Porenwässer der Tailings ponds Culmitzsch und Trünzig

Frei-, Sicker- und Porenwässer der Tailings ponds Helmsdorf und Dänkritz I Modifiziertes Kalkfällungsverfahren

Flutungswasser Ronneburger Grubenreviere und anfallende Oberflächenwässer

WBA Seelingstädt AAF Königsteinb

WBA Helmsdorf WBA Ronneburg

b

HDS – High Density Sludge wird umgebaut ohne Uranabtrennung c Angaben aus [40], Bezugszeitraum 2010–2014. Der Umbau der AAF Königstein, wird dort zu einer größeren Menge an Immobilisatrückständen pro Jahr führen d bis 2014 passiv-biologische Anlage, danach wieder stillgelegte und umgebaute WBA

a

140

1720

7,02 156 Grube Pöhla/ Becken Halde 371/1

60 m3 /h 0,11

1150 m3 /h 6,62

Behandlungskapazität Mittlerer Wasserdurchsatz 2010–2014 [Mio. m3 /a] Menge Rückstände/ Jahr [m3 /a]c Abgetrennte Hauptkontaminanten

1,53 2190 Becken Halde 371/1

Modifiziertes Chemisch/ Kalkfällungsver- physikalische fahren Fällung

Behandlungstechnologie

Unat [mg/l] Ra-226 [mBq/l] Einlagerungsort

WBA Schlema- WBA Pöhlad Alberoda Flutungswasser Wasser geflutete Grube Schlema- Grube Pöhla Alberoda und Sickerwasser der Halde 371/I

Wasserbehandlungsanlage Art und Herkunft der zu behandelnden Wässer

Tab. 6.3 Wasserbehandlungsanlagen der Wismut GmbH, Stand Juni 2017, nach Angaben der Wismut GmbH – www.wismut.de; aus [40] und nach Jahresberichten des Sächsischen Landesamts für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie und des Thüringer Landesamts für Umwelt und Geologie

174 6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

6.1 Internationale Entwicklung

175

Tab. 6.4 Beispiele für die Lagerung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen weltweit/Stand: 2017 Land Belgien

Standort Typ Mol-Dessel, Provinz Ant- Oberflächennah werpen Dänemark Offen Oberirdisches Zwischenlager TL – Steinsalz Deutschland Morsleben, SachsenAnhalt

Staus In Betrieb Ein auf 100 Jahre ausgelegtes Endlager wird geprüft Geschlossen, Genehmigungsverfahren Stilllegung

Konrad, Niedersachsen

TL – Eisenerz

Genehmigt, Errichtung (Umrüstung)a

Finnland

Asse II, Niedersachsen Loviisa, Uusimaa

TL – Steinsalz Kaverne (Granit)

Geschlossen, Offenhaltung In Betrieb (seit 1997) In Betrieb (seit 1992)

Frankreich

Olkiluoto; Gemeinde Kaverne (Granit) Eurajoki, Satakunta La Manche bei La Hague Oberflächennah L’Aube bei SoulainesDhuys Centre de l’Aube Drigg in der Nähe von Sellafield Dounreay/Schottland (Grafschaft Caithness) Rokkasho Muri, Präfektur Aomori Kircadine, Ontario SFR nahe dem KKW Forsmark Oskarshamn

Oberflächennah

In Betrieb

Oberflächennah Oberflächennah

In Betrieb bis 2080 In Betrieb

Oberflächennah

Geschlossen, soll ausgeräumt werden In Betrieb

In Kalkstein Oberflächennah/ Kaverne (Granit) Oberflächennah

Genehmigungsphase In Betrieb

Ringhals

Oberflächennah

In Betrieb

Studsvik Offen Entscheidung bis 2050/2060 EL Cabril Nähe Cordoba Beispielhaft:

Oberflächennah In Tonstein

In Betrieb Standortauswahl im Gange

Oberflächennah

In Betrieb, Abfälle rückholbar

Großbritannien

Japan Kanada Schweden

Schweiz Spanien USA

Oberflächennah

Geschlossen

In Betrieb

Barnwell, South Carolina Oberflächennah

In Betrieb

Richland, Washington

Oberflächennah

In Betrieb

Clive, Utah

Oberflächennah

In Betrieb

Andrews County, Texas

Oberflächennah

In Betrieb

Abfall in 120 Orten in 39 Bundesstaaten a

kein Endlager, als kerntechnische Anlage nach AtG § 9a eingestuft

176

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Dafür wurde z. B. der Einlagerungsort Halde 371/1 in Schlema-Alberoda als Becken mit Verwahrabschnitten ausgebildet, die gegeneinander getrennt sind. In Kap. 5, Abb. 5.1b, sind die Verwahrungsabschnitte in der Halde 371/1 deutlich zu erkennen. Seit 2006 wird aus den Behandlungsrückständen der Wasseraufbereitungsanlagen ein schüttfähiges Produkt mit Zement vermengt und so schwer wasserlöslich hergestellt, zum vorbereiteten Einlagerungsort verbracht, dort verdichtet und zunächst mit Sand abgedeckt, siehe Abb. 6.3. Danach enthalten die Behandlungsrückstände aus den Wasserbehandlungsanlagen die in Tab. 6.3 ausgewiesenen Hauptkontaminanten. Die sehr geringe Urankonzentration aus der Wasserbehandlungsanlage Ronneburg ist auffällig. Kritisch erscheinen dagegen die spezifischen Aktivitätswerte in den Behandlungsrückständen der AAF Königstein. Radioaktivitätsfrachten der Tab. 6.3 unterstellt und unter Berücksichtigung der Tochternuklide von U-238, U-234, Th-230 kann eine Aktivitätskonzentration von A* > 3000 Bq/g angegeben werden. Bei Umstellung der AAF Königstein ohne separate Uranabtrennung werden die zu verbringenden Behandlungsrückstände Aktivitätskonzentrationen von A* > 4000 Bq/g aufweisen. Dies sollte kritisch gesehen werden. Da die Flutungswässer noch über einen sehr langen Zeitraum behandelt werden müssen, ist davon auszugehen, dass die Gesamtmenge der auf der Schüsselhalde zu verbringenden Behandlungsrückstände > 300.000 m3 betragen wird und damit das Einlagerungsvolumen für schwach- und mittelradioaktive Abfälle des Endlagers Schacht Konrad übersteigt. Märten, H. [44] hat dazu folgendes angemerkt: „Die Besonderheit der Königsteiner Anlage . . . besteht vor allem in der vorherigen Abtrennung von Uran aus dem Flutungswasser mittels Ionenaustausch und der nachfolgenden Aufbereitung zu einem verwertbaren Produkt (anstelle der aus Gründen des Umweltschutzes bedenklichen Verbringung des Urans in einem Fällschlamm auf die Halde am Standort).“ Eine offene Lagerung von radioaktivem Material unter freiem Himmel ist in Westeuropa in keinem Staat zugelassen. Auch die offene Lagerung von Behältern mit radioaktivem Material unter freiem Himmel ist wegen der unter Wetterbedingungen und Sonneneinstrahlung stärkeren Korrosion der Abfallbehälter problematisch. In Mitteleuropa ist die andauernde offene Lagerung von Behältern mit radioaktivem Material in keinem Land politisch erwünscht oder legal zulässig. In Tab. 6.4 sind einige Beispiele von Endlagern für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in verschiedenen Ländern zusammengestellt. Dabei wird die Verschiedenartigkeit der Endlagerkonzepte in den einzelnen Ländern deutlich.

6.2 Beschreibung der derzeitigen Situation bei der langzeitsicheren Verwahrung von LAW, MAW in Deutschland In der Bundesrepublik Deutschland existieren zwei Standorte, in denen niedrig- und mittelaktive (LAW und MAW) Abfälle in geologisch tiefen Schichten abgelegt sind: zum einem das Endlager für Radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM) in Sachsen-Anhalt und

6.2 Beschreibung der derzeitigen Situation

177

zum anderen die Schachtanlage Asse II bei Remlingen in Niedersachsen. Diese beiden Standorte stammen noch aus der Zeit der deutschen Teilung. Mit dem Gesetz zur Neuordnung der Organisationsstruktur im Bereich der Endlagerung [41] hat der Bund 2016 die Zuständigkeiten im Bereich der Endlagerung von radioaktiven Abfällen neu gestaltet. So ist eine Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) mit Sitz in Peine/Niedersachsen gegründet worden [41]. Diese übernimmt die Aufgaben der Asse-GmbH, der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH (DBE) sowie die Betreiberaufgaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS). Das Gesetz sieht weiterhin vor, die staatlichen Aufgaben der Aufsicht und Genehmigung im Bereich der Kerntechnik, der Zwischenlagerung, der Standortauswahl und der Endlagerüberwachung mehrheitlich in einer Behörde zu bündeln – dem Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE). Damit wurde das BfE zur zentralen und vom Endlagerbetreiber unabhängigen atomrechtlichen Zulassungs- und Aufsichtsbehörde. Die Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bleiben weiterhin atomrechtliche Genehmigungsbehörde und für die Bergaufsicht der Projekte Schachtanlage Asse II, Endlager Konrad und ERAM zuständig. Die Zuständigkeit der Länder endet für das Endlager Konrad mit der Inbetriebnahme und beim Endlager Morsleben mit dem Abschluss des laufenden Planfeststellungsverfahrens zur Stilllegung. Das BfS konzentriert sich danach auf die staatlichen Aufgaben des Strahlenschutzes oder der Messnetze für Radioaktivität in der Umwelt. Dies ist bei der nachfolgenden Darstellung zu beachten, in der es darauf ankam, die Abläufe geschichtlich exakt darzustellen, die aber mit der heutigen Organisationsstruktur der Endlagerung von radioaktiven Abfälle nicht mehr übereinstimmt.2 Allerdings muss die neue Organisationsstruktur ihre Leistungsfähigkeit erst noch nachweisen. Eine Orientierung an internationalen Abläufen ist ständige Aufgabe. Beim Endlager für Radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM) handelt es sich um ein ehemaliges Kali- und Steinsalzbergwerk, das vom Staatlichen Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz (SAAS), der für kerntechnische Sicherheit und den Strahlenschutz zuständigen staatlichen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde der DDR, als Endlager genehmigt worden war. Es ist aus dem Bergwerk der ehemaligen Burbach-Kali AG, mit den Schächten Bartensleben und Marie, hervorgegangen. Mit dem Einigungsvertrag ist das ERA Morsleben auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Die Eigentümerfunktion nimmt die BGE wahr. Es hat die Ausführung aller notwendigen Leistungen wie Offenhaltung und entsprechende Sicherungsmaßnahmen für die Grubensicherheit und den Strahlenschutz an die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE)mbH übertragen. Derzeit läuft das Planfeststellungsverfahren beim Umweltministerium des Landes Sachsen-Anhalt (MLU) nach § 9b Atomgesetz (AtG) für die geordnete Schließung der kerntechnischen Anlage ERAM [2]. 2

Schwierig gestalten sich die Literaturangaben: Es ist bei Literatur, die vom BfS erstellt wurden, jeweils das BfS als Autor gekennzeichnet, auch wenn das BfE zwischenzeitlich die Aufgaben und damit auch den bibliothekarischen Nachlass des BfS übernommen hat.

178

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Bei der Schachtanlage Asse II handelt es sich um ein Bergwerk der ehemaligen Kali- und Steinsalzgewinnung. Nach dem Ende des Gewinnungsbergbaus erwarb die Bundesrepublik Deutschland das Bergwerk im Jahr 1965. Offiziell wurde die Schachtanlage Asse II zunächst als „Forschungsbergwerk“ betrieben. Nach 1971 bis 1978 erfolgten dann die Einlagerung von niedrig bis mittel aktiven Abfällen und der Betrieb der Anlage, behördlich genehmigt nach Bergrecht und 1. Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) [1]. Die Einlagerung erfolgte im Auftrag des Bundes in 13 ehemaligen Salzabbaukammern des Bergwerks. Eingelagert wurden insgesamt ca. 47.000 m3 schwach- und mittelradioaktiver Abfall auf verschiedenen Sohlen in Kammern (zwischen 511 und 750 m). Für die Einlagerung zuständig war die Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung (GSF), heute Helmholtz-Zentrum München (HMGU). Mit der Übernahme der Betreiberverantwortung am 01.01.2009 durch das BfS musste der Betrieb der Schachtanlage Asse II den Anforderungen des Atomrechts angepasst werden. Die Schachtanlage Asse ist zwar inzwischen als Anlage nach § 9a AtG eingestuft, sie ist aber kein Endlager. Wann und wie die Endverwahrung der radioaktiven Abfälle erfolgt, ist derzeit offen. Die Asse GmbH hält derzeit die Grube offen und führt Sicherungsmaßnahmen zu ihrer Stabilisierung und zur bergbaulichen Gefahrenabwehr durch [1]. Die Eigentümerfunktion nimmt das BGE wahr. Das Inventar und die Radionuklidzusammensetzung (Radionuklidvektor) in den beiden Anlagen ist hinreichend genau dokumentiert. Schacht Konrad ist ein stillgelegtes Eisenerzbergwerk in Salzgitter/Bleckenstedt und wird derzeit zum Endlager für radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung umgerüstet. Es wurde als bestmöglicher Standort für die Entsorgung und späterhin langzeitsicheren Verwahrung von radioaktiven Abfällen mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung ausgewählt [4]. Das Bergwerk wird gemäß Planfeststellungsbeschluss vom 22. Mai 2002, der mit Urteil vom 26. März 2007 in letzter Instanz bestätigt wurde, zum Endlager für schwach bis mittel aktive Abfälle umgerüstet, sodass eine atomrechtliche Anlage für die Einlagerung von maximal 303.000 m3 „radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung“ entsteht. Die Einlagerung soll in Teufen zwischen 800–1300 m erfolgen. Im Gegensatz zum ERAM und zur Schachtanlage Asse II wird Schacht Konrad nach einem Endlagerkonzept ausgebaut; Betrieb, Stilllegung und Endverwahrung sind in den Planfeststellungsunterlagen zusammengestellt [3]. Während des bestimmungsgemäßen Betriebes und in der Stilllegungsphase erfolgt eine Optimierung des Verfahrens. Dabei werden auch neuere Erkenntnisse der Endlagerforschung einfließen. In den Anforderungen an endzulagernde radioaktive Abfälle für das Endlager Konrad sind die maximal einlagerbaren Aktivitäten von zehn relevanten Radionukliden und zwei Radionuklidgruppen am Ende der Betriebsphase des Endlagers Konrad angegeben, siehe [6].

6.3 Anforderungen und Umsetzung einer langzeitsicheren Verwahrung

6.3

179

Anforderungen und Umsetzung einer langzeitsicheren Verwahrung

Der Langzeitsicherheitsnachweis hat auch bei den Endlagern für radioaktive Abfälle mit geringer Wärmeentwicklung das Ziel, den Übertritt und die Ausbreitung von Radionukliden aus dem Inventar des Endlagers in der Biosphäre dauerhaft zu verhindern. Allerdings ist es aufgrund der oben beschriebenen Sachlage nicht sinnvoll, hier ein Langzeitsicherheitsnachweis für die Endlagerung der radioaktiven Abfälle aufzuzeigen, es wird stattdessen auf die vorliegenden Nachweise verwiesen und diese werden gewertet. Begründung:  Die Standortauswahl und damit auch die Art der Endlagerung sind getroffen, es handelt sich jeweils um die Lagerung in tiefen geologischen Formationen.  Über die Dauer der Zugänglichkeit zu den Einlagerungsbereichen wurden entweder keine Angaben in den jeweiligen Planfeststellungsunterlagen getätigt oder sie erübrigen sich. Reversibilität/Rückholbarkeit/Bergbarkeit spielt in den Endlagerkonzepten vom ERAM bzw. der Schachtanlage Konrad keine oder nur eine untergeordnete Rolle.  Die Ausweisung einer Versagenswahrscheinlichkeit liegt für keinen Endlagerstandort vor. Es kamen nur deterministische Verfahren zum Ansatz.  Die Einstufung der Gebinde als technische Barriere im Multibarrierenkonzept eines Endlagers kam nicht zum Ansatz. Der Beitrag der Abfallmatrix und der Behälter zur Isolation der Radionuklide und damit der Begrenzung der Freisetzung der Radionuklide aus der Abfallmatrix und aus dem Behälter in den einschlusswirksamen Gebirgsbereich wurde in den Endlagerkonzepten nicht umgesetzt, siehe [5]. Ein durchgängiges Konzept für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle ist nicht separat ausgewiesen worden. In den einzureichenden Planfeststellungsunterlagen manifestiert sich dies aus einer Reihe von Einzelforderungen, die teilweise innerhalb des Verwaltungsverfahrens noch eine Präzisierung erfuhren bzw. mit Nebenbestimmungen belegt wurden. Eine Begründung mag darin liegen, dass Deutschland nicht das Prinzip des EinEndlagerstandortes verfolgt hat. Es wird deshalb hier auf das unter Abschn. 8.3 vorgestellte Konzept der Ermittlung einer Langzeitsicherheit für HAW verwiesen, das in großen Teilen auch auf die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle übertragbar ist und sich in den jeweiligen Planfeststellungsunterlagen widerspiegelt bzw. bei der Verwahrung der in der Schachtanlage Asse einlagernden Abfälle möglicherweise Anwendung finden wird. Ein Vorteil für das unter Abschn. 8.3 aufgezeigte Verfahren kann allerdings erkannt werden: Die Endlagerstandorte für schwach- und mittelradioaktive Abfälle befinden sich in unterschiedlichen Wirtsgesteinen: das ERAM im Steinsalz, einem duktilen Wirtsgestein und die Schachtanlage Konrad in einem Eisenerz-Horizont (Korallenoolith – sedimentäre oolithische Eisenerze vom Minette-Typ), siehe Abb. 6.4b, sodass mit verschiedenen Wirtsgesteinen Erfahrungen gewonnen werden konnten.

180

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/ Langzeitsicherheit 6.4.1 Schachtanlage Konrad/Endlager Konrad Wie bereits erwähnt, ist Schacht Konrad ein stillgelegtes Eisenerzbergwerk in Salzgitter/ Bleckenstedt (Abb. 6.4a). Es wurde als bestmöglicher Standort für die Entsorgung und späterhin langzeitsicheren Verwahrung von radioaktiven Abfällen mit vernachlässigba-

Abb. 6.4 a Schacht Konrad 1 in der Umrüstung b Geologischer Schnitt im Bereich der Schachtanlage Konrad, Mächtigkeit der Eisenerzlagerstätte von 4–18 m mit einer ca. 400 m mächtigen Tonbarriere. (Quelle: BfS 2014)

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

181

rer Wärmeentwicklung3 ausgewählt. Bei der Auswahl des Schachtes Konrad als Standort für ein Endlager für schwach- und mittelradioaktive Stoffe hat es das Auswahlkriterium „bestmöglicher Standort“ nicht gegeben. Dieser Terminus hat auch keine Relevanz für den Langzeitsicherheitsnachweis, denn dieser hat lediglich zu belegen, ob ein Endlagerstandort langzeitsicher ist oder nicht. Im Falle des Standortes Konrad hat es jedenfalls ein Auswahlverfahren gegeben, wenn auch nicht für ganz Deutschland und noch lange nicht perfekt. Ausschlaggebend für die Auswahl von Schacht Konrad waren die äußerst günstigen hydrologischen Verhältnisse im Gifhorner Trog, siehe Abb. 6.5. Aus fachtechnischer Beurteilung handelt es sich also beim Standort Salzgitter/Bleckenstedt um einen hinreichend geeigneten Standort für eine atomrechtliche Anlage zur Aufnahme von radioaktiven Abfällen und für deren langzeitsichere Verwahrung als Endziel. Die Schachtanlage Konrad wird jetzt gemäß Planfeststellungsbeschluss zum Endlager für die Einlagerung von maximal 303.000 m3 „radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung“ umgerüstet, sodass eine atomrechtliche Anlage zur Aufnahme dieser radioaktiven Abfälle dann vorliegt. Dem Planfeststellungsantrag lag eine geowissenschaftliche Langzeitsicherheitsprognose über einen Betrachtungszeitraum von mindestens 100.000 Jahren bei. Diese Langzeitsicherheitsprognose integrierte die Prognose der Beanspruchungen der Schachtverfüllungen, der Strecken- und Schachtverschlüsse sowie die Wechselwirkungen zwischen Gebirge, Verfüllmaterial und möglicherweise anstehender Lösungen und Gase. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zum Endlager Schacht Konrad wurde darin festgestellt, dass die Schachtanlage Konrad für die Umrüstung auf ein Endlager für radioaktive Abfälle mit geringer Wärmeentwicklung geeignet ist, insbesondere weil  die gebirgsmechanischen Verhältnisse im Bereich der Kammern und des gesamten Grubengebäudes keine Verwerfungen erwarten lassen und keinen Gasdruckaufbau zulassen,  die Eigenschaften der geologischen Formationen als Barrieren gegen die Ausbreitung der Radionuklide (Durchlässigkeit, Sorptionsverhalten) dienen,  eine langfristige seismische Stabilität des Standortes prognostiziert werden kann,  weil die Schachtanlage außergewöhnlich trocken ist. Die Standortcharakterisierung zeichnet aus, dass die über den Einlagerungsfeldern liegenden Deckschichten aus Tonsteinen außergewöhnlich gute, effektive natürliche Barrieren gegen Übertritte von Radioaktivität in die Biosphäre bilden, siehe Abb. 6.4 [50]. beschreibt die Standortsituation wie folgt:

3

Die durch die Zerfallswärme verursachte Temperaturerhöhung des Wirtsgesteins darf im Mittel T  3 K nicht überschreiten.

Abb. 6.5 Darstellung der modellierten Ausbreitungspfade im Modellgebiet Schacht Konrad. (Quelle: BfS 2016)

182 6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

183

Das Eisenerzvorkommen tritt nirgends bis an die Erdoberfläche und wird großflächig von einer bis zu 400 Meter dicken Schicht aus tonigen Gesteinen der Unterkreide überdeckt. Darüber liegen mehrere hundert Meter mächtige Kalksteine der Oberkreide. Die Tonsteine bilden eine wirksame natürliche (geologische) Barriere zum Grundwasser und damit zur Biosphäre.

In der Hydrologie des Standortes sind für die Tiefenwasserbewegung im Umfeld der Schachtanlage Konrad die in etwa 2000 m Tiefe vorhandenen, gut wasserleitenden, triassischen Sand- und Kalksteinformationen (Keupersandstein, Oberer Muschelkalk) bestimmend. Diese stehen im Süden der Schachtanlage auf topografisch erhöhtem Niveau im Salzgitter Höhenzug über Tage an, siehe Abb. 6.5. Für den Langzeitsicherheitsnachweis wurden in den Modellrechnungen Süßwasserbedingungen angenommen. Unter dieser Randbedingung, einer die in situ Verhältnisse nicht abbildenden Bedingung, wird so ein erhöhtes hydraulisches Potenzial ausgewiesen, das zu einer geringen, insgesamt nordwärts gerichteten Wasserbewegung auch innerhalb des Korallenooliths führt. Die Berechnungen zur Langzeitsicherheitsanalyse zeigten, dass selbst bei dieser tendenziellen Überschätzung der Durchlässigkeit der Gesteine die vom Grubengebäude ausgehenden Wasserpfade frühestens nach ca. 300.000 a die Biosphäre erreichen können und so langlebige Radionuklide aus dem einzulagernden Inventar, siehe Tab. 6.5, auf diesem Wasserpfad nur eine potenzielle Strahlenexposition der Bevölkerung hervorrufen können, die langfristig weit unterhalb der Schwankungsbreite der natürlichen Strahlenexposition von

Tab. 6.5 Maximale Einlagerungs-Aktivitäten(-Radiotoxizitäten) relevanter Radionuklide und Radionuklidgruppen am Ende der Betriebsphase des Endlagers Konrad. (Quelle: [6]) Radionuklid/Radionuklidgruppe H-3 (“ ) C-14 (“ ) I-129 (“ , ”) Ra-226 (’) Th-232 (’) U-235 (’) U-236 (’) U-238 (’) Pu-239 (’) Pu-241 (“ ) Gesamt ’-Strahler Gesamt “/”-Strahler Gesamt-Summe a b c

Halbwertzeit [a] 12,3 5700 1,60 E+07 1600 1,40 E+10 7,00 E+08 2,30 E+07 4,40 E+09 24.000 14,4

Freigrenze FGi [Bq] 1,00 E+09 1,00 E+07 1,00 E+05 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+05





Aktivität Ai [Bq] 6,0 E+17 4,0 E+14 7,0 E+11 4,0 E+12 5,0 E+11 2,0 E+11 1,0 E+12 1,9 E+12 2,0 E+15 2,0 E+17 1,5 E+17a 5,0 E+18 5,15 E+18

Radiotoxizität Ai/FGi [–] 6,00 E+08 4,00 E+07 7,00 E+05 4,00 E+08 5,00 E+07 2,00 E+07 1,00 E+08 1,90 E+08 2,00 E+11 2,00 E+12 2,20 E+12b 6,41 E+08c 2,20 E+12

Radionuklide aus der Th-232 Zerfallsreihe und der U-238 Zerfallsreihe in Summe eingerechnet Summe der Radiotoxizitäten der ’-Strahler ohne Radionuklidgruppen Summe der Radiotoxizitäten der “/”-Strahler ohne Radionuklidgruppen

184

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

 0,3 mSv/a verbleiben wird. Das System von natürlichen und geotechnischen Barrieren stellt also sicher, dass eine unzulässige Belastung die Biosphäre ausgehend vom Endlager Schacht Konrad langfristig ausgeschlossen werden kann. Die Langzeitsicherheit konnte so nachgewiesen werden und führte zur Planfeststellung des Endlagers Schachtanlage Konrad, siehe [3]. Für die Erlangung des rechtsgültigen Planfeststellungsbeschlusses zur Errichtung des Endlagers Schacht Konrad war die Formulierung des sogenannten 3 K-Kriteriums ausschlaggebend. Dieses bedeutet die Begrenzung der thermischen Beeinflussung des Wirtsgesteins auf 3 K am Stoß (Seitenwand des Grubenbaues). Daraus ergibt sich, dass nur radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung dort eingelagert werden dürfen, und damit ist der Radionuklidvektor des zukünftigen Inventars weitestgehend beschrieben. Die maximal einlagerbaren Aktivitäten, bestehend aus zehn relevanten Radionukliden und zwei Radionuklidgruppen, sind in der Tab. 6.5 zusammengestellt. Da diese Radionuklide und Radionuklidgruppen denen in der gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis entsprechen, würde deren Nichteinhaltung auch zu einer Verletzung der gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis führen, siehe [6, 43].  Radionuklide H-3, C-14, I-129, Ra-226, Th-232, U-235, U-236, U-238, Pu-239 und Pu-241 und  Radionuklidgruppen Gesamt-’-Strahler und Gesamt-“/”-Strahler, siehe Tab. 6.5 Die Bilanzierung der Aktivitätswerte der Radionuklide und Radionuklidgruppen, Gesamt-’-Strahler und Gesamt-“/”-Strahler ist mit dem Planfeststellungsbeschluss für das Endlager Konrad festgeschrieben. Die Abweichungen in den Aktivitätsangaben in Tab. 6.5 zwischen den Summenwerten (Gesamt-’-Strahler und Gesamt-“/”-Strahler) und den Einzelwerten kommen dadurch zustande, dass die Radionuklide aus der Th-232-Zerfallsreihe und der U-238-Zerfallsreihe in Gesamt-’-Strahler und Gesamt-“/”-Strahler eingegangen sind, siehe Kap. 2, Abb. 2.2. Der Einfluss auf den Radiotoxizitätsindex (Tab. 6.5, rechte Spalte) ist gering. Der Vergleich zur kerntechnischen Anlage Asse II zeigt, dass die Aktivitätsindizes in der gleichen Größenordnung liegen, siehe Tab. 7.6. Gemäß den Annahmebedingungen sollen die konditionierten Gebinde, siehe [5], in Einlagerungskammern geordnet abgelegt werden, dabei bilden mehrere Einlagerungskammern ein Einlagerungsfeld. Die Einlagerungsfelder werden im Bereich der EisenArmerzlagerstätte liegen, die teilweise ausgeerzt ist, siehe Abb. 6.4. Für das Auffahren von Einlagerungsfeldern (theoretisch bis zu neun Stück) stehen sechs Hauptsohlen in 800, 850, 1000, 1100, 1200 und 1300 m zur Verfügung. Der Schacht Konrad besteht aus zwei Schachtanlagen, Konrad I (ca. 1232 m tief) und Konrad II (ca. 999 m tief). Unter Tage werden weiterhin die Infrastruktur, Transportstrecken und ein spezielles Bewetterungssystem für den Einlagerungsbetrieb angelegt und die beiden Schächte saniert und umgerüstet. Parallel wird die übertägige Infrastruktur wie der Bau von Straßen und

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

185

Gleisanbindung sowie der Anlagen zum Umschlag und zur Prüfung der einzulagernden Abfallgebinde vorangebracht. Da das Endlager Schacht Konrad aber bisher nicht fertiggestellt und damit ohne radioaktiven Abfall ist, soll auf die Wechselwirkung zwischen eingelagertem radioaktivem Abfall und dem Endlagerbauwerk hier nicht eingegangen werden. Aus fachtechnischer Beurteilung handelt es sich beim Standort Salzgitter/Bleckenstedt um einen hinreichend geeigneten Standort für eine atomrechtliche Anlage zur Aufnahme von radioaktiven Abfällen und für deren langzeitsichere Verwahrung als Endziel. Der Fertigstellungstermin wurde ständig verlängert. Mit einer Fertigstellung ist gegen 2030 zu rechnen. Damit hätte die Umrüstung ca. 22 Jahre gedauert und lässt Rückschlüsse für die Errichtung eines Endlagers für Wärme entwickelnde HAW zu, siehe Kap. 7. Eine Optimierung des Endlagers bis zur Stilllegung ist außerdem notwendig. Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BGE) oder das von ihm beauftragte Unternehmen wird die radioaktiven Abfälle gegen Gebühr annehmen. Bei entsprechender Kostenkalkulation könnte das Endlager Schacht Konrad kostendeckend arbeiten.

6.4.2

Endlager für Radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM)

Beschreibung des Standortes des ERAM und des eingelagerten Inventars Das Endlager für Radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM) ist aus dem Bergwerk der ehemaligen Burbach-Kali AG, mit den Schächten Bartensleben und Marie, hervorgegangen, siehe Abb. 6.6. „Im Oberen Allertal erstreckt sich eine Salzlagerstätte von 40–50 km Länge und durchschnittlich 2 km Breite, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts erschlossen wurde. Etwa 70 Jahre lang wurden hier Kalisalze und Steinsalz gefördert. Das entstandene Grubengebäude ist 5,6 km lang und maximal 1,7 km breit. Der Schacht Bartensleben wurde bis 522 m geteuft und die Grube in vier Hauptfördersohlen angelegt. Der Abbau erfolgte im Kammmerbau-Verfahren ohne Versatz. Dabei entstanden Hohlräume mit einer Länge bis zu 120 m und einer Breite bzw. Höhe bis zu 40 m. Die bis 1998 für die Endlagerung genutzten Kammern befinden sich im peripheren Bereich des Bergwerks, siehe Bild VI-7. Der Schacht Marie dient ausschließlich als 2. Ausgang und Wetterschacht“ [45]. Eingelagert wurden insgesamt 36.754 m3 radioaktive Abfälle und 6621 umschlossene Strahlenquellen auf verschiedenen Sohlen und in verschiedenen Grubenfeldern. Durch die Aktivitätsbeschränkung ist die Gesamtaktivität des ERAM relativ gering. Das ERAM stand ab 1971 in der ehemaligen DDR für die Endlagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle zur Verfügung. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands diente es mit Unterbrechungen bis zum September 1998 der Aufnahme dieser Abfälle aus Deutschland. Es wurden Abfälle aus dem Bereich der Kernkraftwerke sowie aus den Bereichen Forschung, Industrie und Medizin eingelagert.

186

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Abb. 6.6 Luftbild ERA Morsleben. (Quelle: [8])

Tab. 6.6 ERAM: Radionuklidvektoren relevanter Radionuklide [7, 28] Radionuklid

HWZ in a

Am-241 432,6 Am-243 7365 Pu-239 2,41  104 Pu-240 6563 Pu-242 3,73  105 Ra-226 1600 C-14 5730 Ca-41 1,03  105 Co-60 5,27 Cs-134 2,07 Cs-135 2,0  106 Cs-137 30,17 Ni-59 7,5  104 Ni-63 100,1 Pu-241 14,35 Ra-228 5,75 Sr-90 28,7 Am-242m 141 Eingelagertes Volumen Insgesamt: 36.754 m3

Aktivität in Bq, eingelagert bis 01.07.1991 1,5  E+11 6,4  E+05 6,2  E+10 5,8  E+10 1,1  E+06 2,3  E+10 3,0  E+12 1,8  E+07 6,4  E+13 9,1  E+12 1,5  E+08 6,4  E+13 6,1  E+10 9,8  E+12 1,6  E+12 1,6  E+12 4,6  E+12 5,4  E+06

Aktivität in Bq Bezugsdatum: 30.06.2005 2,2  E+11 9,5  E+07 6,8  E+10 6,6  E+10 1,2  E+08 3,9  E+11 3,4  E+12 7,3  E+07 2,5  E+14 8,3  E+10 3,7  E+08 1,4  E+14 1,8  E+11 1,8  E+13 1,4  E+12 8,2  E+11 5,9  E+12 1,2  E+08

Aktivität in Bq Bezugsdatum: 31.12.2013 2,3  E+11 9,5  E+07 6,9  E+10 6,6  E+10 9,9  E+07 2,3  E+10 3,2  E+12 7,3  E+07 5,4  E+12 9,4  E+09 3,7  E+08 6,3  E+13 1,8  E+11 1,4  E+13 9,0  E+11 3,6  E+08 4,8  E+12 2,3  E+08

1,58 E+14

4,21  E+14

9,19  E+13

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

187

Tab. 6.7 Zusammenstellung der Gesamtaktivität Ai und der Werte des Aktivitätsindikators Ai/FGi (FG – Freigrenze nach Anlage II Tabelle 1 Sp. 2 StrlSchV) für die radiologisch wichtigsten Radionuklide im Inventar des Endlagers Morsleben. (Quellen [7, 9, 28]) Radionuklid C-14 Co-60 Ni-63 Sr-90 Cs-137 Ra-226 U-234 U-238 Pu-238 Pu-239 Pu-240 Pu-241 Am-241 Cm-244 Summe

HWZ

FGi

[a] 5700 5,3 100 28,5 30,2 1600 250.000 4,40 E+09 87,7 24.000 6600 14,4 432,6 18,1

[Bq] 1,0 E+07 1,0 E+05 1,0 E+08 1,0 E+04 1,0 E+04 1,0 E+04 1,0 E+04 1,0 E+04 1,0 E+04 1,0 E+04 1,0 E+03 1,0 E+05 1,0 E+04 1,0 E+04

ERAM (30.06.2005) Ai Ai/FGi

ERAM (31.12.2013) Ai Ai/FGi

[Bq] 3,4 E+12 2,5 E+14 1,8 E+13 5,9 E+12 1,4 E+14 3,9 E+11 1,1 E+09 4,3 E+08 k. A. 6,8 E+10 6,6 E+10 k. A. 2,2 E+11 6,6 E+09 4,18 E+14

[Bq] 3,20 E+12 5,40 E+12 1,40 E+13 4,80 E+12 6,30 E+13 2,30 E+10 1,10 E+09 4,30 E+08 7,80 E+10 6,90 E+10 6,60 E+10 9,00 E+11 2,30 E+11 4,80 E+09 9,19 E+13

– 3,4 E+05 2,5 E+09 1,8 E+05 5,9 E+08 1,4 E+10 3,9 E+07 1,1 E+05 4,3 E+04 0,00 6,8 E+06 6,6 E+07 0,00 2,2 E+07 6,6 E+05 1,72 E+10

– 3,20 E+05 5,40 E+07 1,40 E+05 4,80 E+08 6,30 E+09 2,30 E+06 1,10 E+05 4,30 E+04 7,80 E+08 6,90 E+06 6,60 E+07 9,00 E+06 2,30 E+07 4,80 E+05 7,72 E+09

Nach einer Neubewertung verzichtete das BfS 2001 unwiderruflich auf eine weitere Einlagerung in Morsleben, da sie sicherheitstechnisch nicht mehr vertretbar war. Durch die Aktivitätsbeschränkung ist die Gesamtaktivität des ERAM relativ gering. Der in Tab. 6.6 zusammengefasste Radionuklidvektor beinhaltet nur die den größten Beitrag zur endgelagerten Gesamtaktivität liefernden Radionuklide:  ’-Strahler: Am-241, Pu-239, Pu-240, Ra-226,  “/”-Strahler: Cs-137, Co-60, Ni-63, Sr-90, C-14. Die gemäß [7] insgesamt eingelagerte Aktivität betrug ca. 4,21 × 1014 Bq, die Aktivität der ’-Strahler betrug ca. 8,0 × 1011 Bq (Stichtag: 30.06.2005) [7]. Da viele der eingelagerten Radionuklide mit hoher Radiotoxizität Halbwertszeiten von weniger als 100 Jahren haben, nimmt das radiologische Gefahrenpotenzial in überschaubaren Zeiträumen signifikant ab, siehe Tab. 6.7. In weniger als neun Jahren hat die Gesamtaktivität um ca. 3,3 1014 Bq abgenommen. Die Einlagerungsbereiche, verteilt im Grubengebäude, sind in Abb. 6.7 ausgewiesen, siehe auch [8]. Für die Stilllegung des ERAM hat das BfS4 im September 2005 die Auslegungsunterlagen wie den Plan zur Stilllegung des ERAM und die Unterlagen zur Umweltverträg4

Eigentümerfunktion ist auf die BGE übergegangen.

188

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Abb. 6.7 Übersicht über die Einlagerungsbereiche im ERAM. (Quelle: [8])

lichkeitsprüfung beim Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie (MLU) des Landes Sachsen-Anhalt eingereicht. Seitdem läuft das Planfeststellungsverfahren. Wie aus Abb. 6.8 ersichtlich, erreicht das Wirtsgestein, die Salze zwischen der Salzbasis und dem Hutgestein, maximale Mächtigkeiten zwischen 400 und 600 m, der Salzspiegel liegt in einer mittleren Tiefe von ca. 140 m. Die minimale Überdeckung des Salzkörpers beträgt ca. 150 m [10]. Das vorhandene Isolationspotenzial ist hoch genug, um zusammen mit den vorgesehenen Stilllegungsmaßnahmen eine langzeitsichere Verwahrung des eingelagerten Inventars sicherzustellen. Stabilisierungsmaßnahmen Als altes Gewinnungsbergwerk weist das Grubengebäude einen hohen Durchbauungsgrad auf, vor allem im Zentralteil des Bergwerks waren durch die Salzgewinnung viele Hohlräume geschaffen worden. Durch die lange Standzeit dieser Hohlräume beeinflussten erste Schädigungsprozesse die Stützfunktion des umliegenden Gebirges, siehe Abb. 6.8. Insgesamt wurden 27 Kammern des Zentralteils in einer Teufe von 370 bis 500 m zwischenzeitlich verfüllt, siehe Abb. 6.7. Dazu müssen Zugänge mit Dammbauwerken verschlossen werden. Zur Verfüllung wird hydraulisch abbindender Salzbeton genutzt. Durch diese Stabilisierungsmaßnahmen wird ein Versagen der Festen und der Schweben, die Schichten zwischen zwei übereinanderliegenden Abbaukammern, verhindert. Mit den eigentlichen Verschlussmaßnahmen kann aber erst nach Vorliegen des Planfeststellungsbeschlusses begonnen werden.

Abb. 6.8 Schematischer Schnitt durch die verfüllten und verschlossenen Grubenhohlräume des ERA Morsleben. (Quelle: [8] und [18])

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit 189

190

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Sicherheitsbarrieren Im Falle der Endlagerung radioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Schichten werden international in den bereits existierenden Endlagerprojekten Multibarrierenkonzepte umgesetzt bzw. verfolgt, siehe Kap. 8. Im Falle des ERA Morsleben ist dies ebenfalls so vorgesehen. Das Langzeitsicherheitskonzept hat die Gesamtheit der verschiedenen Barrieren zu berücksichtigen, wobei zwischen der Sicherheit der Teilsysteme (Einzelkomponenten) und der des Geotechnischen Umweltbauwerkes (Endlager) zu unterscheiden ist. Diese müssen aufeinander abgestimmt sein. Innerhalb der Sicherheitsbarrieren kommt dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich (ewG) besondere Bedeutung zu. Der ewG ist der Teil des Endlagers, der im Zusammenwirken mit den technischen Verschlüssen (Schachtverschlüsse, Kammerabschlussbauwerke, Dammbauwerke, Versatz) den Einschluss der Abfälle sicherstellt und für den auf Grundlage geotechnischer Kenntnisse eine Aussage über die langfristige Beständigkeit (Integrität) des Endlagers möglich ist. Die Einzelkomponenten des Systems sind folgende:  Technische Barrieren (Abfallprodukt, Abfallverpackung – Gebinde). Im Falle des ERAM sind die Abfallbehälter nicht als technische Barriere ausgebildet.  Geotechnische Barrieren (Versatz, Abdichtungsbauwerke – verfüllte und verschlossene Grubenhohlräume des ERA Morsleben), siehe Abb. 6.8.  Der ewG stellt den Einschluss der Abfälle sicher. Für diesen ist auf Grundlage geotechnischer Kenntnisse eine Aussage über die langfristige Beständigkeit (Integrität) möglich. Im Falle des ERAM ist ein ewG nicht ausgebildet worden. Schon wegen des hohen Durchbauungsgrades ist dieser im Sinne der Kriterien eingeschränkt wirksam.  Geologische Barrieren (Wirtsgestein, Nebengebirge/Deckgebirge – Standortbedingungen, für die eine Quantifizierung der Langzeiteigenschaften nicht möglich ist). Im Falle des ERAM besteht die geologische Barriere aus Steinsalz. Das Nebengebirge/Deckgebirge ist insbesondere gekennzeichnet durch das Hutgestein. Die minimale Überdeckung des Salzkörpers beträgt ca. 150 m. Im Falle des ERAM ist die Wirksamkeit des Einschlusses auch durch die in der Allertal-Struktur vorliegenden Gesteinsfolgen und ihre barrierewirksamen Eigenschaften sowie insbesondere durch die frühere Nutzung der Anlage zum Salzabbau eingeschränkt, siehe Abb. 6.8.  Die geologische Barriere am Standort weist unterschiedliche Wirkprinzipien hinsichtlich rückhaltender und verzögernder Wirkungen auf (Sicherheitsfunktionen): – Retardation (Verzögerung), – Retention (Rückhaltung – Isolation), – Protektion (Schutz – mechanischer, chemischer), – Dispersion (Verdünnung). In Abb. 6.9 ist ein Profilschnitt im Bereich des ERA Morsleben dargestellt. Er zeigt, dass das Deckgebirge nicht homogen aufgebaut, sondern von einigen Diskontinuitäten durchzogen ist. Der Standort Morsleben kann nicht als der bestmögliche für ein Endlager bezeichnet werden. Unter dem Begriff Barriere werden in einem Endlagerkonzept die

Abb. 6.9 Schematischer geologischer SE-NW-Schnitt durch die Salzstruktur Allertal im Bereich der Grube Bartensleben. (Quelle: [8])

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit 191

192

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Abb. 6.10 Verschlusssäule der Schächte Bartensleben und Marie, Stilllegung des ERAM. (Nach Angaben aus [8])

geologischen Gegebenheiten oder/und technischen bzw. geotechnischen Maßnahmen zur Behinderung oder Verhinderung der Freisetzung von Kontaminanten aus den Abfällen in die Biosphäre verstanden [20]. Mit der Stilllegung erfolgt die Einbringung der Schachtverschlüsse Bartensleben und Marie, die die Schachtröhren gegen die Biosphäre abdichtet, siehe Abb. 6.10. Die Schachtverschlüsse stellen ebenfalls geotechnische Barrieren dar. Das Langzeitsicherheitskonzept für das ERA Morsleben basiert auf den Wirkungen der errichteten technischen und geotechnischen Barrieren und auf der Summe der rückhaltenden und verzögernden Wirkungen der geologischen Barriere (Wirkung aller geologischen Schichten der geologischen Barriere) unter den standortspezifischen Randbedingungen (u. a. ehemaliges Kali- und Steinsalzbergwerk, Grube Bartensleben und Marie). Ein einschlusswirksamer Bereich (ewG) kann im ERAM, trotz aller vorgenommenen und vorzunehmenden technischen bzw. geotechnischen Maßnahmen, nicht ausgebildet werden.

Beispielhafte Darlegungen zum Langzeitsicherheitsnachweis – die Nachverschlussphase des ERAM Ein Langzeitsicherheitsnachweis wäre auch hier in Analogie zu Kap. 8 zu führen. Allerdings sind erhebliche Einschränkungen zu gewähren, weil die Einlagerung in einem ehemaligen Kali- und Steinsalzbergwerk vorgenommen wurde und die Genehmigung nach DDR-Recht erfolgt ist. Die meisten in Kap. 8 aufgeführten zentralen Sicherheitsanforderungen für ein zu entwickelndes Endlagersystem in Deutschland können nicht im Nachgang eingeführt werden, weil

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

   

193

es sich beim ERAM um ein altes Gewinnungsbergwerk handelt, das Grubengebäude einen hohen Durchbauungsgrad aufweist, die Hohlräume bereits Schädigungsprozesse aufwiesen, die Stützfunktion des umliegenden Gebirges bereits beeinträchtigt war.

Derzeit werden fortwährende Stabilisierungsmaßnahmen durchgeführt. Mit den eigentlichen Verschlussmaßnahmen kann erst nach Vorliegen des Planfeststellungsbeschlusses begonnen werden. Die zentrale Sicherheitsanforderung: „Für einen angenommenen Betrachtungszeitraum (Nachweiszeitraum) muss gezeigt werden, dass allenfalls sehr geringe Schadstoffmengen aus dem Endlager freigesetzt werden können.“ ist Grundvoraussetzung dafür, dass die Integrität des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs nachgewiesen wird und das vom Endlager ausgehende Risiko bewertet und dargestellt werden kann. Als Nachweis- bzw. Betrachtungszeitraum können für das ERAM wesentlich weniger als 1 Mio. Jahre angesetzt werden, da gezeigt werden kann, dass die Aktivität des eingelagerten Inventars nach 10.000 Jahren auf ca. A10.000 = 8 E+11 Bequerel und nach 100.000 Jahren auf ca. A100.000 = 5 E+08 Bequerel abgefallen sein wird. Die nachfolgenden Ausführungen zum Langzeitverhalten am Beispiel des ERA Morsleben können auch beispielhaft auf Kap. 8 übertragen werden, weil sie für das Wirtsgestein Steinsalz so allgemein gelten. „Im Oberen Allertal erstreckt sich eine Salzlagerstätte von 40–50 km Länge und durchschnittlich 2 km Breite, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts erschlossen wurde. Etwa 70 Jahre lang wurden hier Kalisalze und Steinsalz gefördert. Das entstandene Grubengebäude ist 5,6 km lang und maximal 1,7 km breit. Der Schacht Bartensleben wurde bis 522 m geteuft und die Grube in vier Hauptfördersohlen angelegt. Der Abbau erfolgte im Kammmerbau-Verfahren ohne Versatz. Dabei entstanden Hohlräume mit einer Länge bis zu 120 m und einer Breite bzw. Höhe bis zu 40 m. Die bis 1998 für die Endlagerung genutzten Kammern befinden sich im peripheren Bereich des Bergwerks, siehe Bild VI-7. Der Schacht Marie dient ausschließlich als 2. Ausgang und Wetterschacht.“ [45]. Im Langzeitsicherheitsnachweis muss gezeigt werden, dass der für den Betrieb von kerntechnischen Anlagen in § 47 der StrlSchV genannte Wert von 0,3 mSv/a für die effektive Dosis einer Einzelperson der Bevölkerung durch die Ableitung radioaktiver Stoffe in die Umgebung auch in der Zeit nach dem Verschluss des ERA Morsleben nicht überschritten wird. In den Sicherheitskriterien wird die Endlagerung der radioaktiven Abfälle als eine wartungsfreie und zeitlich unbefristete Beseitigung dieser Abfälle definiert. „Daher wird die Stilllegung des ERA Morsleben so durchgeführt, dass nach Beendigung aller Stilllegungsmaßnahmen kein Kontroll- und Überwachungsprogramm erforderlich ist.“, siehe [8]. Im § 55 Abs. 1 Nr. 5 BBergG wird gefordert, dass für den Schutz der Tagesoberfläche ausreichend Sorge getragen wird, sodass es langfristig insbesondere nicht zu Senkungen an der Tagesoberfläche kommen darf, die unzulässige Auswirkungen auf die Schutzgüter haben können. Ein Langzeitsicherheitsnachweis, hier für ein Endlagerbergwerk im salinaren Gebirge, besteht aus den folgenden Komponenten:

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6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

a. Standsicherheit des in Teilen verfüllten und verschlossenen Grubengebäudes, des Einflusses der Konvergenz des anstehenden salinaren Gebirges und dem Einfluss, insbesondere der Konvergenz, auf die Verformungen (Senkungen und möglicherweise Hebungen) der Geländeoberfläche. Als Kriterium ist festgeschrieben: Mögliche Senkungen an der Erdoberfläche als Folge der Konvergenz der Resthohlräume in dem ehemaligen Bergwerk sind zu begrenzen. b. Nachweis, dass nach Stilllegung Radionuklide aufgrund nicht vollständig auszuschließender Transportvorgänge in die Biosphäre gelangen, die zu Individualdosen führen, die die Werte des § 47 StrlSchV nicht überschreiten (eine unzulässige Strahlenbelastung oder Kontamination von Personen, Sachgütern oder der Umwelt ausgeschlossen oder auf ein Mindestmaß beschränkt ist). Als Grenzwert ist  0,3 mSv/a als effektive Dosis einer Einzelperson aus der Bevölkerung vorgeschrieben. Beispielhafter Nachweis der Robustheit und Integrität des Endlagerbauwerkes (ENW 2) und der einzelner Barrieren des Multibarrierensystems (ENW 3) Dieser Nachweis soll hier beispielhaft nachgebildet werden, da das vorgestellte Verfahren auch auf andere Endlagerbauwerke im Wirtsgestein Steinsalz übertragen werden kann. Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben. Gemäß a) erfolgt die Prognose der Beanspruchungen der Schachtverfüllungen, der Strecken- und Schachtverschlüsse sowie die Wechselwirkungen zwischen Gebirge, Verfüllmaterial und möglicherweise anstehender Lösungen und Gase mit geomechanischen und strömungsmechanischen Modellrechnungen. Die ermittelten Beanspruchungszustände werden mit den vorgegebenen Sicherheitskriterien, den zulässigen Spannungs- und Verzerrungszuständen, den Abständen zu den Grenz- und Versagenszuständen verglichen und bewertet, sodass eine mit an Sicherheit grenzende Zulässigkeit des Stilllegungsverfahrens, zunächst aus Sicht der Vorhabensträgerin, dargelegt ist.  Die zeitlichen Änderungen der Zustandsgrößen wurden in die Betrachtungen einbezogen. Dazu gehört, dass eine Parametervariation in der prognostizierten Bandbreite in den Berechnungen berücksichtigt ist, unter der Voraussetzung der Gleichzeitigkeit von Zuständen.5  Als Baustoff für die Versatzmaßnahmen wird nach Angaben der Vorhabensträgerin vorrangig Salzbeton verwendet, bestehend aus Bindemittel (Zement), Betonzusätzen (Gesteinsmehl, Steinkohlenflugaschen oder Ähnliches), Zuschlagsstoffen (Salzgrus, Quarzsand oder Ähnliches), Anmachflüssigkeit (Wasser, Salzlösungen oder Ähnliches), siehe [8].  Die auftretenden Beanspruchungen können zu Wegsamkeiten führen, die, auch durch geeignete Gegenmaßnahmen, vermieden werden sollten.  Als Baustoff für die Verschlussbauwerke (Dammbauwerke) wird nach Angaben der Vorhabensträgerin ein Magnesiabeton verwendet, der aus folgenden Basismaterialien 5

Es ist z. B. ausgeschlossen, dass der Zustand der Erweichung (äußerst niedriger Steifemodul) und der der Inkompressibilität (Poisson-Zahl  = 0) gleichzeitig eintreten.

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

195

hergestellt wird: Bindemittel (Magnesiumoxid), Zuschlagstoffe (Quarzsand, Anhydritmehl), Betonzusätze (Mikrosilika), Fließmittel, Anmachflüssigkeit (Magnesiumchloridlösung). Der Magnesiabeton besitzt zwar eine immobilisierende Wirkung, hat aber auch eine Korrosionsneigung, siehe [8]. An geotechnischen Untersuchungen und Bewertungen sind durchzuführen und der Genehmigungsbehörde vorzulegen:  Zuverlässigkeit und Vertrauensbereiche der Zustandsgrößen und deren zeitliche Änderungen,  die mit geomechanischen Modellrechnungen ermittelten, zeitlich nicht konstanten Beanspruchungszustände gemäß den vorgegebenen Sicherheitskriterien, die zulässigen Spannungs- und Verzerrungszustände, die Abstände zu den Grenz- und Versagenszuständen sowie die Vergleiche und Bewertungen dazu,  die mit strömungsmechanischen Modellrechnungen ermittelten, zeitlich nicht konstanten Strömungsfelder, ob und wie Fluide zu den eingelagerten Abfallbehältern vordringen können und ob und wie eine Ausbreitung der aus dem Endlagerbauwerk möglicherweise ausgetretenen Radionuklide verläuft und welche Menge Radioaktivität dadurch in die Biosphäre gelangen könnte. Damit ist das Stilllegungsverfahren zu begründen, sodass mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit die vorgegebenen Schutzziele erreicht werden können. Dies geschieht auf der Grundlage der unter Abschn. 8.4 und Abb. 8.8 beschriebenen Sensitivitätsanalyse und probabilistischen Analyse. Mit der Sensitivitätsanalyse werden die Zuverlässigkeit und Vertrauensbereiche der Zustandsgrößen sowie die Randbedingungen analysiert, die in ein Berechnungsverfahren eingespeist werden, und ermittelt, welche Ergebnisse bei festgelegten Eingabewerten zu erwarten sind. Dazu wird in der Sensitivitätsanalyse die Abhängigkeit des Ergebnisses von der Veränderung der Eingabewerte ermittelt. Daraus ergeben sich jene Eingabewerte, auf die das Ergebnis am empfindlichsten reagiert. Mit der Sensitivitäts- und Unsicherheitsanalyse werden die Eingabewerte und Randbedingungen präzisiert, das Vertrauen in sie erhöht und damit die Aussagen der Berechnungen verifiziert. Möglicherweise sind auch verbale Einschätzungen hilfreich. Bei der Ausweisung der Langzeitsicherheit für das Endlagerbergwerk ERAM geht es letztendlich darum, den möglichen Lösungsraum aufzuzeigen sowie den Einfluss der Unsicherheiten einzuschätzen, sodass die Genehmigungsbehörde überzeugt wird, den Planfeststellungsbeschluss zu erteilen. Hierbei wird auf Abschn. 8.3 verwiesen. Der Standsicherheitsnachweis erstreckt sich auf:  das zu verschließende Grubengebäude,  die Strecken- und Schachtverschlüsse des ERAM unter Berücksichtigung des Einflusses der Konvergenz des anstehenden salinaren Gebirges und der Resthohlräume und daraus resultierende Folgen auf:

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Abb. 6.11 Mechanisches Verhalten von Salz aus Laborversuchen. (Quelle: [46–48])

196

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

197

– die Umschließung der Abfallbehälter, – die Standsicherheit und – mögliche Senkungen an der Erdoberfläche. Hierbei muss man auf die Gesetze der Salzmechanik zurückgreifen. So ist das mechanische Verhalten von Steinsalz wie bei allen polykristallinen Festkörpern abhängig von den Kristalleigenschaften und vom Korngrenzenverhalten. In welchem Umfang das mechanische Verhalten mehr durch Prozesse im Korninneren oder durch Interaktion zwischen den Körnern bestimmt wird, ist stark von der wirkenden Spannung, der Temperatur und der Korngröße abhängig. Charakteristisch für Salzgesteine ist ihre Fähigkeit zu kriechen, d. h. sich unter Belastung signifikant zeitabhängig plastisch zu verformen. Die plastischen und aus dem Kriechen resultierenden viskosen Deformationsanteile lassen sich versuchstechnisch nicht eindeutig trennen. Sie werden deshalb zur visko-plastischen Deformation zusammengefasst. Um gesicherte Kenntnisse über das zeitabhängige inelastische Verformungsverhalten aus den wirkenden Spannungen und der Temperatur zu erhalten, erfordert dies eine erhebliche Anzahl verschiedener Laborversuche und Untersuchungen an einfachen Untertagestrukturen des Standortes, da eine Verritzung des Gebirges (geologische Barriere) weitestgehend ausgeschlossen werden muss. Die Ergebnisse und damit auch das dadurch beschriebene Verhalten des Salztyps sind also immer standortspezifisch [11]. Für das ERAM liegen umfängliche Untersuchungen vor. Diese sind in [8] berücksichtigt. Im Kavernen-Salzbergbau z. B. kommt es hauptsächlich auf die Vorhersage des Konvergenz- und Tragverhaltens hoch belasteter Tragelemente unter Berücksichtigung fortschreitender, aus der Abbauentwicklung resultierender Lastumlagerungen im Betriebszeitraum von einigen Jahren bzw. wenigen Jahrzehnten an. Hierfür waren Stoffmodelle erforderlich, die im transienten Bereich zuverlässige Prognosen und Aussagen zur zeitlichen Entwicklung der Standsicherheit ermöglichen. Bei der Verwahrung von radioaktiven Abfällen unter Tage (wie hier beim ERAM bzw. bei der Planung von Endlagern) sind dagegen Prognosen über Zeiträume von mehreren Jahrtausenden6 erforderlich, wozu Stoffmodelle, mit denen sich stationäres Kriechen beschreiben lässt, benötigt werden. Allerdings ist damit zunächst nur der unverritzte (ungeschädigte) Gebirgskörper gemeint, die geologische Barriere. Dieser kann jedoch wie bei einem Gewinnungsbergwerk (ERAM) und/oder durch Laugenzutritte geschädigt werden und damit bezüglich der Tragfähigkeit und damit der Ausbildung von Wegsamkeiten ein völlig geändertes mechanisches Verhalten zeigen. Fragen zur Dichtheit der salinaren Barriere oder auch zur Standsicherheit eines Tragelementes lassen sich also nicht schlüssig beantworten, ohne neben dem wirkenden Spannungszustand auch den Deformations- und Schädigungszustand zu kennen, siehe ERAM. Auf die Möglichkeit der Verheilung vorhandener Rissstrukturen, siehe Abb. 6.11, soll hier hingewiesen werden.

6

Hier derzeit 1 Mio. Jahre.

198

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Zur Komplexität der Aufgabenstellung gehört auch die Modellierung der geotechnischen Barrieren, hier des Versatzes (Salzgrusversatz) und verschiedener Konstruktionen von Dammbauwerken. Die Stoffmodelle für den Versatz unterscheiden sich erheblich von denen des Gebirgskörpers. Ausgehend von den vorhandenen Modellansätzen erfolgte deshalb eine kontinuierliche Weiterentwicklung bis hin zu den heutigen komplexen Stoffmodellen. Im Verlauf dieser Weiterentwicklung spiegelt sich das gewachsene Verständnis der Verformungsphänomene und -mechanismen wider, siehe Abb. 6.11. Die benötigten Materialkennwerte werden aus Laborversuchen und aus der Nachrechnung (Benchmark-Rechnungen) von spannungsgesteuerten Kriechversuchen und verformungsgesteuerten Festigkeitsversuchen aus dem Labor sowie aus einfachen Untertagestrukturen gewonnen, siehe Abb. 6.12 und 6.13. Sie gelten zunächst für einen speziellen Salztyp. Die folgenden, von den meisten Stoffgesetzen bei einem Salztyp mit einem einheitlichen Kennwertsatz beschriebenen Phänomene sind in diesen Vergleich einbezogen worden, siehe Anforderungen an die geologische Barriere, Steinsalz:

Abb. 6.12 Spannungsgesteuerter Kriechversuch. (Quelle: [46–48])

Abb. 6.13 Verhalten der deviatorischen Kriechdehnung ©dev über der Zeit: primäre Kriechphase (1), sekundäres, stationäres Kriechen (2), tertiäre Kriechphase (3), abschließendes Versagen durch Bruch

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

199

       

transientes Kriechen nach Spannungserhöhungen und -reduktionen, stationäres Kriechen, Entwicklung der volumetrische Verformung (Auflockerung/Dilatanz), Entwicklung von Schädigung, Bruch und Kriechbruch, Nachbruchverhalten und Restfestigkeit, Einfluss verschiedener Differenzspannungen (Auflasten), Einfluss des Manteldrucks (in Laborversuchen)/der minimalen Hauptspannung (unter Tage),  Einfluss von Feuchtigkeit auf die Verformung. Die funktionalen Anforderungen an Steinsalz und an das Versatzmaterial, so wie diese in [12] und [13] hergeleitet und beschrieben wurden, werden wie folgt zusammengefasst, siehe auch [14]:  mechanisch die natürliche geologische Barriere stabilisieren,  die Zerfallswärme von den wärmeentwickelnden Abfällen in das Wirtsgestein ableiten (spielt beim ERAM keine Rolle),  das Hohlraumvolumen in Grubenräumen reduzieren,  eine hohe Anfangsdichte haben und firstbündig einbaubar sein,  langfristig eine Dichtfunktion wie das Wirtsgestein übernehmen. Die theoretischen Grundlagen zur Beschreibung des mechanischen Verhaltens werden in [15, 29] beschrieben. Der Ansatzpunkt für das in diesem Kapitel enthaltene Materialverhalten ist die additive Zerlegung der Rate des Verzerrungstensors, siehe Gl. 6.1: O ¢0 ; ˜/ D ©P .T; ¢O ; ¢0 ; ˜/ C ©P ©P.T; ¢; el

vpl

.T; ¢O ; ¢0 ; ˜/ C ©P .T/ th

(6.1)

©P(T,O¢ , ¢ 0 , ˜) Rate des totalen Verzerrungstensors, ©P el .T; ¢O ; ¢0 ; ˜/ Rate des elastischen Anteils des Verzerrungstensors, ©P vpl .T; ¢O ; ¢0 ; ˜/ Rate des viskoplastischen Anteils des Verzerrungstensors, ©P .T/ th ¢O

Rate des thermischen Anteils des Verzerrungstensors; T: Temperatur, von Mises-Vergleichsspannung; ¢ 0 : mittlere Spannung; ˜: Porosität.

Mit dem allgemeinen Zusammenhang nach Gl. 6.1 kann die Verzerrungsrate der jeweiligen Barriere (Gebirgskörper, Versatz, Dammbauwerk) unter den jeweiligen Standortbedingungen ermittelt werden, der auch für Steinsalz, Carnallitit wie im ERAM Gültigkeit besitzt. Derzeit existiert noch keine physikalisch begründete Modellierung des Kriechens von Steinsalz, die wissenschaftlich abgesichert und weltweit akzeptiert wäre. Dennoch hat sich schon früh ein phänomenologisches Modell als sehr erfolgreich herausgestellt, das

200

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

als Norton-Modell sehr weite Verbreitung findet. Um diesen Ansatz auf die jeweiligen vorgefundenen Bedingungen zu spezifizieren, erfordert dies erhebliche Anpassungen, um ein material- und standortspezifisches Stoffmodell zu entwickeln, das aus einer Vielzahl verschiedenster Versuche und Nachrechnungen (Benchmark-Rechnungen) zur Ermittlung der benötigten Materialkennwerte unter den vorliegenden Randbedingungen und der bestehenden Zeitabhängigkeit abgeleitet wird. Der Norton-Ansatz erweist sich dabei als eingeschränkt, da er offensichtlich ungeeignet ist, um einen sehr großen Temperatur- und Spannungsbereich korrekt zu erfassen. Für die Standortbedingungen des ERAM (Steinsalz, Carnallitit) wurde eine große Anzahl von triaxialen Versuchen bei höherem hydrostatischem Druck und höheren Temperaturen gefahren. Zur Anpassung an die experimentellen Daten wurde ein doppelter Norton-Ansatz verwendet, siehe auch [16]. Mit dem von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) als Potenzansatz für stationäres Kriechen mit Versetzungsklettern als bestimmendem Verformungsmechanismus propagierten Modell, siehe Zusammenhang Gl. 6.2, werden die Verhältnisse des ERAM adäquat beschrieben:       ¢eff ns Q1 Q2 C AS;2  exp  ©P cr D AS;1  exp RT RT ¢0 ©cr AS,i Q1 Q2 nS ¢0 ¢ eff Q nS R R

(6.2)

Kriechrate, Vorfaktor im Potenzansatz, kJ = 42 mol , kJ = 113 mol , = 5, = 1,0 MPa p Effektivspannung, siehe Abb. 6.11 und 6.12, hier ¢ eff = 3  ¢, Aktivierungsenergie, Spannungsexponent im Potenzansatz, allgemeine Gaskonstante, kJ 7 . = 8314,4621 molK

Aus dem Kriechverhalten Gl. 6.2 kann man die Konvergenz eines mit Salzgrus gefüllten Hohlraumes im Steinsalz ermitteln. Der in den Hohlraum eingeblasene Salzgrus besitzt zunächst eine Anfangsporosität nD

Vp V

mit n  Porosität;

Vp Porenvolumen, V Gesamtvolumen (z. B. des Versatzes). 7 Die Unsicherheit beträgt 9,1  107 und ist in probabilistischen Langstandsicherheitsnachweisen zu berücksichtigen.

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

201

Diese wird im Regelfall mit n0 > 0,4 angesetzt. Im Laufe der Zeit verkleinert sie sich und nimmt innerhalb des Hohlraumes ab. Durch die Konvergenz des Steinsalzes (Hohlraumes) wird der Salzgrus letztendlich so kompaktiert, dass seine Porosität mit dem des umgebenden Gebirges übereinstimmt und die in den Einlagerungsbereichen abgelegten Abfallbehälter völlig von Steinsalz umgeben sind. Die Erfassung der relativen zeitlichen P die als zeitliÄnderung des Hohlraumvolumens erfolgt mithilfe der Konvergenzrate K, che Veränderung des Hohlraumvolumens über die Differenzialgleichung Gl. 6.3 erfolgen kann: d P  V.t/ V.t/ D K (6.3) dt mit K-Konvergenz: K.t/ D V0 V.t/ V0 Neben der allgemeinen Beschreibung des Konvergenzverhaltens von Steinsalz muss hier auf zwei Abhängigkeiten der Konvergenzrate hingewiesen werden:  Die Konvergenzrate hängt von der Hohlraumgeometrie ab. Daher benötigen die Konvergenzansätze bei der Anwendung auf Strecken und Kammern unterschiedliche Parameterwerte. Für die einzelnen Einlagerungsbereiche des ERAM, siehe Abb. 6.7, waren diese zu ermitteln.  Bereits geringe Feuchtegehalte von ca. 0,4 Gew.-% [17] können die Stützwirkung des Versatzes drastisch vermindern. Dies erfolgt auch mit besonderem Hinweis auf die Schachtanlage Asse II, siehe Abschn. 6.4.3. Der Einfluss der Temperatur auf die Konvergenzrate ist durch Gl. 6.2 berücksichtigt.

Kosten Die Kosten für den Gesamtprozess trägt der Bund. Die Einnahmen für Einlagerungen nach der Wiedervereinigung bis 1998 können gegengerechnet werden. Die Kosten für die geordnete Schließung der atomrechtlichen Anlage auf der Grundlage des noch ausstehenden Planfeststellungsbeschlusses können sich nach seriösen Schätzungen auf bis zu 3,0 Mrd. C summieren.

6.4.3 Schachtanlage Asse II Beschreibung des Standortes der Schachtanlage Asse II und des eingelagerten Inventars Die Schachtanlage Asse II, siehe Abb. 6.14, in der Gemeinde Remlingen-Semmenstedt im Landkreis Wolfenbüttel in Niedersachsen ist ein rund 100 Jahre altes Kali- und Salzbergwerk an der Südspitze des Asse-Höhenzuges. Das Bergwerk wurde im Zechsteinsalz der Leine- (Na3) und Staßfurtserie (Na2) in einem etwa 8 km langen Sattel aufgefahren, der von NW nach SE streicht. Der Vertikalschnitt in Abb. 6.15 in der streichenden Bergwerksmitte zeigt, dass die Südflanke mit einem Winkel von ca. 70° wesentlich stärker einfällt als

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6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Abb. 6.14 Schachtanlage Asse II, Maschinenhaus und Förderturm

die Nordflanke. Das Steinsalzbaufeld an der Südflanke wurde in unmittelbarer Nähe zum südlichen Deckgebirge aufgefahren. Auf den oberen Sohlen besitzt die Steinsalzbarriere zum Deckgebirge nur minimale Mächtigkeiten von etwa 10 m. Das vom Grubengebäude unmittelbar beeinflusste Deckgebirge besteht aus den triassischen Gesteinen Buntsandstein und Muschelkalk, dessen tektonische Störungen gleichfalls in Abb. 6.15 zu erkennen sind. Der Salzspiegel liegt ca. 300 m unter der Geländeoberfläche. An diesem werden leicht lösliche Minerale gelöst (Subrosion), zurück bleiben unlösliche und schwer lösliche Bestandteile und Umwandlungsprodukte wie beispielsweise Ton und Gips. Diese bilden das Hutgestein, siehe auch [52]. Zu beurteilen sind hier nicht die politischen und oftmals mit tendenziösen „wissenschaftlichen“ Aussagen und Darlegungen über den Zustand der Schachtanlage Asse befeuerten Auseinandersetzungen, sondern der Standort und dessen Voraussetzungen für eine langzeitsichere, langzeitstabile Verwahrung der eingelagerten LAW- und MAW-Abfälle. Bezüglich des Langzeitsicherheitsnachweises wird auf Kap. 8 verwiesen. Ergänzende Aussagen zur Salzmechanik können dem Abschn. 8.3 zum ERA Morsleben entnommen werden. Die Schachtanlage Asse ist als Anlage nach § 9a AtG eingestuft, sie ist aber kein Endlager. Die Kosten für den Gesamtprozess trägt der Bund. Diese können sich nach seriösen Schätzungen auf bis zu 6 Mrd. C summieren. Welche konkreten Kosten letztendlich ausgewiesen werden, hängt von der späteren Option der Endlagerung ab. Geomechanische Situation Die Auffahrung des Abbaufeldes an der Südflanke, siehe Abb. 6.15, erfolgte auf 13 Sohlen mit insgesamt 131 Abbaukammern. Meist sind auf einer Sohle in streichender Richtung neun Abbaue nebeneinander angeordnet. Ein Standardabbau ist 60 m lang (streichend),

203

Schacht 4 Schacht 2

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

Süden Tiefbohr Reml. 8

Norden

g Ro st en

Keu p

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ein 511-m-Sohle

e) Lein ze ( lsäl itte itm ydr ine) z (Le Anh nsal Stei eres

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Mitt lere r Mu sche lkalk

Hutgestein ein dst an nts Bu er ter Un

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Verkürztes Deckgebirge

750-m-Sohle

Ka lifl

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975-m-Sohle

Älteres Steinsalz (Staßfurt)

Abb. 6.15 Vertikaler Querschnitt Asse II in streichender Bergwerksmitte mit den Baufeldern an der Südflanke, im Sattelkern und an der Nordflanke. (Quelle: [25])

204

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

40 m breit (querschlägig) und 15 m hoch. Zwischen den Abbauen existieren, mit Ausnahme des 20 m breiten Pfeilers zwischen den Abbaureihen 4 und 5, ausschließlich 12 m breite Pfeiler. Die Schwebenmächtigkeiten8 zwischen den Abbauen in vertikaler Richtung betragen oberhalb der 700-m-Sohle etwa 6 m, zwischen der 700- und 725-m-Sohle ca. 8,5 m und zwischen der 725- und 750-m-Sohle etwa 14 m. Das Baufeld weist in streichender Richtung eine Abmessung von ca. 650 m und in vertikaler Richtung von 275 m auf, siehe Abb. 6.18. Die Abbaufelder im Steinsalz und Carnallitit sind, für die jetzt vorgesehenen Betriebszeiten einer kerntechnischen Anlage nach § 9a, weil ohne zusätzliche Stützmaßnahmen (Versatz) nicht standsicher dimensioniert [21]. Derartige Tragsysteme werden als nachgiebig bezeichnet. Sie reagieren mit Kriechverformungen, dilatanter Entfestigung sowie lokalen Bruchprozessen auf die eingetragene Gebirgsspannung, siehe Gln. 6.1, 6.2 und 6.3. Von diesen Prozessen werden zunächst die Pfeiler- und Schwebenkonturen erfasst, und die nicht mehr aufnehmbaren Spannungen müssen von den besser gestützten Kernzonen aufgenommen werden (höhere minimale Druckeinspannung). Wenn infolge Entfestigung und lokaler Risse auch die Pfeiler- und Schwebenkerne an Tragfähigkeit verlieren, erfolgt ein weiterer Lastabtrag auf benachbarte Pfeiler und schließlich auf die Baufeldränder. Dieses geomechanische Verhalten (Tragsysteme) kann man bei vielen im Evaporitgestein aufgefahrenen Grubenfeldern antreffen. Die über Jahrzehnte andauernden Spannungsumlagerungsprozesse sind sehr komplex. Mit umfangreichen in situ Messungen, die seit den 1980er-Jahren in der Schachtanlage Asse II installiert sind, werden die Spannungsumlagerungsprozesse nachgewiesen. Damit konnte gezeigt werden, dass es infolge der aus dem Bergwerk umverlagerten Spannungen zu Festigkeitsüberschreitungen mit nachfolgenden Rückwirkungen auf die Südflanke kommt, siehe Abb. 6.16. Die oberen Sohlen der Südflanke weisen einen zu geringen Abstand zum südlichen, gering festen und stark geklüfteten Deckgebirge auf und bilden damit die Gefahr der Herausbildung von Wegsamkeiten. Insbesondere im Bereich des horizontalen Verschiebungsmaximums der Südflanke sind die meisten Schweben vollständig durchgebrochen (es existieren nur noch äußere Schwebenringe), siehe Abb. 6.17, und die Pfeiler sind von einer Vielzahl von Rissen durchzogen. Aufgrund von Modellrechnungen u. a. des Instituts für Gebirgsmechanik GmbH [21] befindet sich das Tragsystem der Südflanke in einem Grenzzustand der dilatanten Entfestigung mit Überzugswirkungen auf das unmittelbare Deckgebirge, die auch dort zu lokalen Bruchprozessen führen. Die Modellrechnungen können allerdings ein umfassendes und abgestimmtes System von in situ Messungen, Begehungen und Laboruntersuchungen nicht ersetzen. Dies zeigen auch die vielen, aus solchen Modellrechnungen abgeleiteten Katastrophenszenarien, die alle nicht eingetreten sind.

8 Schwebe ist die bergmännische Bezeichnung für das verbliebene Gestein zwischen übereinander liegenden Grubenhohlräumen.

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit Schacht 2

205

Schacht 4 Südflanke

trag tein Las

N

Nordflanke

Baufeld im älteren Steinsalz (Zentralteil) Baufeld an der Südflanke der Asse im jüngeren Steinsalz Carnallitit-Baufeld (Nordflanke)

Tiefenaufschluss

Kaverne

Tiefenaufschluss

Abb. 6.16 Lage der Abbaufelder im Grubengebäude der Schachtanlage Asse II. (Quelle: [21])

Der ablaufende Entfestigungsprozess der Tragelemente im Baufeld an der Südflanke erforderte aus gebirgsmechanischer Sicht eine vollständige Verfüllung aller noch offenen Abbaue. Dieser Prozess ist in großen Teilen abgeschlossen und wird permanent ergänzt. Aufgrund der aus geologischer Sicht sehr geringen Zeiträume, bezogen auf den eingebrachten Versatz, konnten sich noch keine signifikanten Versatzdrücke aufbauen. Um etwas nachzuhelfen, sollten alle Firste nachverfüllt werden, da sich aufgrund der relativ hohen Porosität und der eintretenden Setzung des Versatzes wegen des Eigengewichtes relativ große Firstspalte einstellten. Auch die Firstspaltverfüllung ist größtenteils vollzogen und wird permanent ergänzt, wenn notwendig. Eine unmittelbare Wirkung kann allerdings nicht erwartet werden, siehe Gln. 6.1, 6.2 und 6.3. Allerdings kann dadurch noch keine Lastaufnahme des Versatzes erreicht werden. Die Stützwirkung ist mittels der degressiven

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6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Abb. 6.17 Reste einer gebrochenen Schwebe, Abbaureihe 7, Südflanke, Aufnahme 2003. (Quelle [21])

Tendenz der Pfeilerstauchungsraten sowie der abnehmenden mikroseismischen Aktivität im Grubengebäude nachweisbar. Es ist vom Betreiber der Schachtanlage Asse II seit 2009 eine ganze Reihe von Maßnahmen (Vorsorgemaßnahmen) zur Stabilisierung des Grubengebäudes und zum Schutz der Einlagerungskammern durch Resthohlraumverfüllung und Bau von Abdichtungsbauwerken eingeleitet worden, die die geomechanische und hydrologische Situation spürbar unmittelbar und nachhaltig verbessern. Von einer unmittelbaren Gefahr aus der geomechanischen Situation kann derzeit nicht ausgegangen werden, sodass damit die Zeit eingeräumt wird, die für die Entwicklung der besten Verwahrungstechnologie zur endgültigen Entsorgungslösung für die in der Schachtanlage Asse II eingelagerten radioaktiven Abfälle benötigt wird. Seit 1988 tritt Grundwasser aus dem Deck- bzw. Nebengebirge in die Grube zu. Der größte Teil der Zutrittswässer wird aufgefangen. Ein Teil davon wird im sogenannten Laugenmanagement zwischengelagert und nach Freimessung aus der Schachtanlage gefördert und in die Grube Mariaglück verbracht. Die gefasste Salzlösung hat sich seit 1988 stufenweise erhöht und liegt nach Angaben von [22] derzeit bei ca. 80 m3 pro Woche. Aufgrund vorhandener Deckgebirgsverschiebungen, lokaler Bruchprozesse, des geringen Deckgebirgsabstandes der oberen Sohlen der Südflanke, des gering festen und stark geklüfteten Deckgebirges und der großen Anzahl von Wegsamkeiten ist eine verlässliche Prognose über die Menge und Rate der zutretenden Grundwässer derzeit nicht möglich. Dies erstaunt deshalb, weil eine Reihe von Methoden (Tracer) bekannt sind, diese aufzuspüren. Ein Teil der Zutrittswässer findet seinen Weg in tiefere Bereiche des Bergwerks, durchnässt Einlagerungskammern und tritt als kontaminierte Lauge auf der 750 m-Sohle aus. Kontaminierte Salzlösungen stehen in der Sohle der zweiten südlichen Richtstrecke auf der 750-m-Sohle und u. a. seit 1988 in einem Sumpf vor Kammer 12.

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

207

Unter Zugrundelegung einer nur noch begrenzten Resttragfähigkeit im mittleren Bereich der Südflanke sowie einer Zuflusssteigerung von Grundwässern haben Modellrechnungen ein Absaufen der Schachtlage als wahrscheinliche Entwicklung ausgewiesen. Es soll aber darauf hingewiesen werden, dass belastbare Aussagen dazu dennoch nicht vorliegen und deshalb diese These ohne Präzisierung der Datenlage als Szenario mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit eingestuft werden sollte, solange die Betreibung der Anlage nach den genehmigten Kriterien weiter so verläuft, wie geplant. Sollte es notwendig werden, könnten über Förderbohrlöcher der Grube zusitzende Wässer gefördert und ggf. über eine Wasserreinigungsanlage in die Vorflut abgeschlagen werden. Dazu müssten die Förderbohrlöcher an geeigneter Stelle allerdings erst niedergebracht werden. 2007 hatte das IfS in einer Modellrechnung (Prognose ohne jegliche Eingriffe) „gezeigt“, dass infolge der seit Jahrzehnten andauernden Entfestigungs- und Bruchprozesse ab 2014 ein zunehmender Tragfähigkeitsverlust eintritt. Ganz davon abgesehen, dass es sich um Modellrechnungen handelt, die solche detaillierten Zeitangaben nicht zulassen, sind die nachfolgenden Reaktionen aus dieser Aussage typisch für die vergangenen fast 50 Jahre Schachtanlage Asse II. Belegt ist nur, dass es zur Erhöhung der Deckgebirgsverschiebungsraten kommen kann. Allerdings hatte das IfS diese Aussage selbst eingeschränkt, Zitat: „Unmittelbar nach diesem Jahr ist aber kein Zusammenbruch des Abbaufeldes abzuleiten, sondern die Rechnung belegt unter der Zielstellung eines degressiven Verformungsprozesses die gegenwärtig begrenzte Prognosefähigkeit“ [21]. Die Jahreszahl 2014 war erstmal im Umlauf und führte zu hektischem Treiben. Das BfS legte dieser Aussage geschuldet bereits am 28.02.2010 eine Notfallplanung vor. Darin wird der Notfall als auslegungsüberschreitendes Ereignis oder als auslegungsüberschreitender Ereignisablauf definiert, bei dem der derzeitige Offenhaltungs- oder der zukünftige Stilllegungsbetrieb nicht mehr fortgeführt werden kann und Notfallmaßnahmen zur Sicherung des Bergwerks und der eingelagerten Abfälle ergriffen werden müssen. Der Notfall war also plötzlich „greifbar“. Mit Abstand betrachtet hat dieser Vorgang dennoch etwas Positives. Nach hier vertretener Ansicht hat die Vorsorge- und Notfallplanung des BfS für die Schachtanlage Asse II, mit dann jedoch ohne Eile erreichtem Fortschritt und verbunden mit Maßnahmen zur Transparenz, wesentlich zur Beruhigung der Situation in der Bürgerschaft beigetragen. Das BfS definiert die Notfallplanung als die Gesamtheit aller Planungen im Hinblick auf Notfälle mit dem Ziel  der Begrenzung auslegungsüberschreitender Ereignisse, d. h. Verringerung der Eintrittswahrscheinlichkeit,  der Verbesserung der Auslegung der Schachtanlage Asse II, d. h. Verringerung der Eintrittswahrscheinlichkeit, und  der Minimierung der Konsequenzen auslegungsüberschreitender Ereignisse innerhalb und außerhalb der Anlage. Siehe BfS [49]: „Evaluierung der Faktenerhebung und der Vorgehensweise zur Rückholung“; Stand: 27. April 2016.

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6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Die Notfallplanung war eine starke Botschaft an die verunsicherte Bürgerschaft und ist verbunden mit der umgesetzten Planung der Notfallmaßnahmen wie die Sicherung der Baustoff- und Medienversorgung, Bereitstellung der erforderlichen Materialressourcen zur Baustoffproduktion und Verfüllung, z. B. die Anlieferung von MgCl2 -reicher Lösung für die Gegenflutung, und ein ausreichend starkes Pumpensystem, um im Störungsfall das Wasser aus dem Grubengebäude verbringen zu können. Eine Notfallbereitschaft, das heißt die Fähigkeit zur sofortigen Umsetzung der Notfallmaßnahmen, sollte nach ursprünglicher Planung des BfS im Jahr 2016 hergestellt werden; derzeit wird das Jahr 2024 angenommen. Geohydrologische Situation Die Struktur der Asse ist vom regionalen hydraulischen System durch tiefe Muldenstrukturen getrennt. Zum einen nimmt die Durchlässigkeit der regionalen Grundwasserleiter mit der Tiefe deutlich ab. Des Weiteren weist das Grundwasser eine mit der Tiefe zunehmende Salzmineralisation auf und ist in den Mulden somit deutlich schwerer als oberflächennahes Grundwasser mit geringer Mineralisation. Beide Effekte behindern den regionalen Grundwasserfluss, sodass der Einfluss des regionalen hydrologischen Systems auf die lokalen Bedingungen der Asse sehr gering ist. Das Grundwasser bewegt sich entlang von diskreten Wegsamkeiten mit Eigenschaften von Kluftwasserleitern. Die lokalen Bedingungen stellen eine ausgeprägte Wechselfolge von Grundwasserleitern und -geringleitern dar. Bedeutsame grundwasserleitende Horizonte im unmittelbaren Umfeld der Schachtanlage befinden sich im verstürzten Deckgebirge und im Muschelkalk. Aufgrund von Verkarstung kann auch der Rötanhydrit im Bereich des Salzspiegels als potenzieller Grundwasserleiter angesehen werden. Wichtige lokale Grundwassergeringleiter sind in den tonig-mergeligen Schichten der pelitischen Rötserien 2–4 in der Südflanke und die gering durchlässigen Schichten des Unteren und Mittleren Buntsandstein in der Nordflanke, siehe Abb. 6.15. Störungen und gebirgsmechanische Beanspruchung erhöhen die integrale Durchlässigkeit des Grundwassergeringleiters. Aufgrund der geomechanischen Deformationen in der Südflanke ist von einem durch Scherbeanspruchung stark beanspruchten Gebirgsbereich auszugehen (Scherdeformationsbereich), der von der Salzflanke bis zum Unteren Muschelkalk reicht. In diesem Gebirgsbereich kann die integrale Durchlässigkeit – trotz der tonigen Schichten – deutlich erhöht sein, sodass Wegsamkeiten zwischen der Salzflanke und dem Muschelkalk bestehen, siehe Abb. 6.15. Die Durchlässigkeit der Wegsamkeiten nimmt mit der Tiefe deutlich ab. Das Grundwasser weist mit zunehmender Tiefe einen steigenden Salzgehalt auf. In der Südflanke des Sattels gelangen Wässer in den Muschelkalk und bewegen sich vorwiegend strukturparallel. Entlang des Scherdeformationsbereiches oder von Störzonen können Salzlösungen die geringleitenden überlagernden pelitischen Rötserien durchdringen und bis zur Salzflanke gelangen. Aus dem verstürzten Deckgebirge und Hutgestein fließt Grundwasser zu und gelangt bis zum Salzspiegel. Die Fließwege am Salzspiegel stehen in hydraulischem

Schacht 4 Schacht 2

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

Süden Tiefbohr Reml. 8

209

Norden

ualg ebirg e

Süßwasser

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Süßwasser

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Hutgestein

De Sch for er be matiorei ch ns-

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Salzwasser

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750-m-Sohle

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Zutrittsbereich gesättigte NaCl-Lösung

975-m-Sohle

Abb. 6.18 Repräsentativer Schnitt durch den Asse-Salzsattel in querschlägiger Richtung mit Störungszonen und Modellvorstellung bei den Salzlösungszutritten [23]

210

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Kontakt mit dem Rötanhydrit, über den die Salzlösung an der Südflanke des Salzsattels bis zum Scherdeformationsbereich vordringen kann, siehe Abb. 6.15. Zusammenfassend lässt sich feststellen: Das Grundwasser bewegt sich im Bereich der Asse überwiegend nicht in die Tiefe, sondern oberflächennah und parallel zum Asse-Höhenzug. Wasser dringt vermutlich über den Grundwasserleiter „verstürztes Deckgebirge“, Gipshut und den „Rötanhydrit“ in das Bergwerk ein. Das Bergwerk selbst ist praktisch eine tiefe Austrittsstelle. Es ist aber auch möglich, dass Wasser durch den Unteren Muschelkalk in den Rötanhydrit fließt, weil in dieser Schicht, die das Wasser eigentlich staut, einzelne Stellen gebrochen sind, siehe Abb. 6.18. Weiter siehe [21], [25] und [26]. Zusammenfassung zur Standortbeschreibung  Untersuchungen haben gezeigt: Grundwasser kann im Scheitel bis zum Salzspiegel und in der Südflanke bis zur Salzflanke vordringen. Unter anderem können über Störungen grundwasserleitende Schichten im Muschelkalk mit der Flanke des Salzsattels hydraulisch verbunden werden.  Der Salzgehalt des Grundwassers steigt mit der Tiefe h, im Tiefenbereich der Schachtanlage Asse II steht NaCl-reiche Salzlösung an.  Im Bereich der Schachtanlage Asse II hat sich in tektonisch vor- und gebirgsmechanisch überprägten Gebirgsbereichen die Durchlässigkeit erhöht.  Derzeit kann Radioaktivität gegen die vorliegende Grundwasserströmung nicht ins Gebirge austreten. Gefahr für Mensch und Umwelt besteht dann, wenn das Bergwerk unkontrolliert volllaufen sollte. Solange die Betreibung der Anlage nach den genehmigten Kriterien weiter so verläuft wie geplant (Vorsorgemaßnahmen), ist dieses Szenario unwahrscheinlich.  Unkontrolliertes Volllaufen führt nicht zwangsläufig zur Mobilisierung radioaktiver Stoffe; welcher Quellterm in diesem Falle entstehen kann und welchen Austrittspfad dieser möglicherweise nehmen wird, ist derzeit reine Spekulation, da belastbare Untersuchungen dazu fehlen. Abgelegtes radiotoxisches Inventar in der Schachtanlage Asse II Im Zeitraum zwischen dem 07. April 1967 und dem 31. Dezember 1978 wurden insgesamt 125.787 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall (LAW und MAW) auf verschiedenen Sohlen in Kammern eingelagert, siehe Abb. 6.19. Dies entspricht einem Volumen von ca. 47.000 m3 . Die radioaktiven Abfälle befinden sich in Steinsalzkammern im Sattelkern im Teufenniveau 750 und 725 m sowie an der Südflanke im Teufenniveau 750 und 511 m. Insgesamt existieren 13 Einlagerungskammern – eine Einlagerungskammer 8 auf der 511 m-Sohle, eine Einlagerungskammer 7 auf der 725 m-Sohle und elf Einlagerungskammern auf der 750 m-Sohle. 1293 der eingelagerten Gebinde sind als mittelradioaktiver Abfall (MAW) in 200 Liter-Fässern deklariert, die restlichen Gebinde beinhalten schwachradioaktiven Abfall (LAW). Gemäß Eingangsdeklaration betrug die Gesamtaktivität der eingelagert

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

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Abfälle 2,11 E+05 Ci bzw. 7,81 E+15 Bq. Auf die mittelradioaktiven Abfälle (MAW) entfielen davon 1,36 E+05 Ci (5,03 E+15 Bq), die schwachradioaktiven Gebinde (LAW) und verlorenen Betonabschirmungen wurden mit 7,52 E+04 Ci (2,78 E+15 Bq) Gesamtaktivität deklariert. Die in Tab. 6.8 aufgeführte Gesamtaktivität des Inventars ist größer. Dies ist auf Nachbildung zurückzuführen. Weiter siehe [25, 26].

Abb. 6.19 MAW-Fasskegel, Einlagerung auf der 511 m-Sohle (Einlagerungskammer 8). (Quelle: [22]) Tab. 6.8 Radionuklidvektor zu den Stichtagen in der Schachtanlage Asse II. (Nach [24] und [28])

Nuklid C-14 Co-60 Ni-63 Sr-90 Cs-137 Ra-226 U-234 U-238 Pu-238 Pu-239 Pu-240 Pu-241 Am-241 Cm-244 Summe ’ Summe “/” Summe

HWZ [a] 5700 5,3 100 28,5 30,2 1600 250.000 4,40 E+09 87,7 24.000 6600 14,4 432,6 18,1

Asse II (01.01.1980) Ai [Bq] 3,86 E+12 2,66 E+15 8,82 E+14 5,67 E+15 9,45 E+14 2,02 E+11 1,33 E+12 1,26 E+12 4,38 E+13 1,92 E+13 2,23 E+13 3,21 E+15 2,69 E+13 4,56 E+12 1,20 E+14 1,34 E+16 1,35 E+16

Asse II (01.01.2003) Ai [Bq] 3,85 E+12 1,29 E+14 7,52 E+14 3,25 E+14 5,56 E+14 2,00 E+11 1,33 E+12 1,26 E+12 3,65 E+13 1,92 E+13 2,22 E+13 1,05 E+15 9,58 E+13 1,89 E+12 1,78 E+14 2,82 E+15 2,99 E+15

Asse II (01.01.2005) Ai [Bq] 3,82 E+12 0,99 E+14 7,40 E+14 3,10 E+14 5,30 E+14 2,00 E+11 1,33 E+12 1,26 E+12 3,63 E+13 1,90 E+13 2,20 E+13 9,69 E+14 9,94 E+13 1,75 E+12 1,81 E+14 2,65 E+15 2,83 E+15

Asse II (31.12.2013) Ai [Bq] 2,60 E+12 1,10 E+13 2,60 E+14 2,00 E+14 3,60 E+14 2,00 E+11 1,40 E+12 1,30 E+12 9,20 E+12 4,50 E+13 5,10 E+13 1,30 E+15 2,40 E+14 8,00 E+11 3,49 E+14 2,13 E+15 2,48 E+15

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6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Abb. 6.20 Abklingkurve des Inventars der Asse gemäß Tab. 6.8

Zum Stichtag 01.01.1980 betrug nach Angaben von [24] die Gesamtradioaktivität der in der Schachtanlage Asse abgelegten radioaktiven Abfälle 8,35 E+15 Bq “/”-Strahler und 0,12 E+15 Bq ’-Strahler. Zum Stichtag 01.01.2003 war dieses Inventar auf 2,84 E+15 Bq “/”-Strahler abgeklungen, durch Nachbildung war allerdings das Inventar der ’-Strahler auf 0,18 E+15 Bq angewachsen. Die höchsten Aktivitäten wurden zum Stichtag 01.01.2003 für Pu-241 (1,05 E+15 Bq), Ni-63 (0,75 E+15 Bq), Cs-137 (0,56 E+15 Bq) und Sr-90 (0,32 E+15 Bq) ausgewiesen, siehe Tab. 6.8. Das in [24] aufgeführte Inventar enthielt 11,6 kg Plutonium, 102 Tonnen Uran, 87 Tonnen Thorium und ca. 5,5 g Radium226, siehe Abklingkurve Abb. 6.20. Dieses radioaktive Inventar muss isoliert werden. Derzeit kann Radioaktivität gegen die vorliegende Grundwasserströmung nicht aus den Einlagerungskammern (Grubenraum) der Schachtanlage Asse II ins Gebirge austreten. Es ist davon auszugehen, dass nach einem Betrachtungszeitraum von 10.000 Jahren noch eine Aktivität von ca. 3,0 E+13 vorliegt.

Standortkonzept der Langzeitsicherheit der Schachtanlage Asse II 2007 legte das Helmholtz Zentrum München (HMGU), eine 100 %ige Tochter des Bundes, als damaliger Betreiber ein Schließungskonzept für die Schachtanlage Asse II vor, mit dem die endgültige Schließung beantragt wurde. Das Schließungskonzept war politisch umstritten; die Entscheidung stand aber unter einem gewissen Zeitdruck, da die geomechanische Stabilität des Grubengebäudes nur auf wenige Jahre gesichert schien. Aus heutiger Sicht war diese Vorgehensweise völlig indiskutabel. Zunächst hatte das HMGU drei „Konzepte“ in Betracht genommen:

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

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1. Verschluss des Bergwerks ohne Einleitung eines Schutzfluids, 2. Verschluss des Bergwerks mit Einleitung eines Schutzfluids, 3. Rückholung der radioaktiven Abfälle. Das HMGU kam in seinem Schließungskonzept zum Ergebnis, dass „lediglich mit der Einleitung eines Schutzfluids der sichere Abschluss der radioaktiven Abfälle von der Biosphäre gewährleistet werden kann“, [23]. Das HMGU behauptete darin, dass das Schließungskonzept die grundlegenden Anforderungen des Standes von Wissenschaft und Technik erfüllt und alternativlos sei. Die Schließung der Anlage sollte schnellstmöglich durchgeführt werden, da nur eine begrenzte Resttragfähigkeit der Südflanke gegeben sei. Das Schließungskonzept des HMGU formulierte die grundlegenden Anforderungen für die Schließung der Anlage folgendermaßen:  hinreichende und schnellstmögliche Stützung des Tragsystems,  Schutz des Carnallitits vor Lösungen aus dem Deckgebirge und  gesicherte Randbedingungen für Langzeitprognosen. Ein Langzeitsicherheitsnachweis war dem Schließungskonzept des HMGU nicht beigelegt, dafür die Hypothese, dass ein langzeitiger Schutz des Carnallitits durch das Einleiten einer Salzlösung erreicht werden kann, diese mit Carnallitits nahezu im chemischen Gleichgewicht steht und dass der hydrostatische Druck (Gleichgewicht) des Schutzfluids im Grubengebäude zugleich eine hinreichende Stützung des Gesamtsystems bewirkt. Der fehlende Langzeitsicherheitsnachweis und eine vorliegende Sicherheitsüberprüfung der Schachtanlage, dass auslegungsüberschreitende Lösungszutritte in das Grubengebäude zu erwarten sind, führten dazu, dass begründete Zweifel auftraten, dass das Schutzziel, sowohl in der Begrenzung der äußeren Dosisleistung als auch durch Verhinderung großräumiger Kontamination des Grundwasserkörpers, mit dem vorgelegten Schließungskonzept erreichbar ist. Dazu wurde dem HMGU vorgeworfen und späterhin amtlich bestätigt, die Aufsichtsbehörden unzureichend über radioaktiv kontaminierte Salzlaugen und deren nicht genehmigte Verbringung informiert zu haben. Am 1. Januar 2009 übernahm das BfS die Betreiberfunktion der Schachtanlage Asse II und verwarf das Schließungskonzept des HMGU. Das BfS vergab seinerseits Aufträge für die Ausarbeitung von Schließungsoptionen für die Asse. Es wurden drei Schließungsoptionen ausgearbeitet und vorgestellt:  Option Umlagerung der Abfälle in tiefere Schichten der Asse Die radioaktiven Abfälle werden im Bergwerk in tiefere, neu aufzufahrende Hohlräume verbracht. Dazu werden die Fässer entnommen und für den Transport sicher verpackt. Anschließend werden die Hohlräume langzeitsicher verschlossen.  Option Rückholung Die unter Tage endlagergerecht verpackten radioaktiven Abfälle werden aus der Asse II geholt und in ein vorbereitetes und genehmigtes Endlager verbracht. Die langzeitsichere Verschließung des Endlagers ist Teil der Genehmigung.

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6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

 Option Vollverfüllung der Schachtanlage Die radioaktiven Abfälle bleiben am derzeitigen Ort. Die Schachtanlage wird vollverfüllt und gesichert und soll abschließend langzeitsicher verschlossen werden. Nach Vorlage und Vorstellung der Schließungsoptionen hat das BfS diese in einem Optionenvergleich geprüft [25] und ist darin zur Aussage gekommen, dass nur für die Option „Rückholung“ ein Langzeitsicherheitsnachweis gelingt. Diese wurde als Vorzugsoption eingeschätzt. Damit hat das BfS genau genommen drei Standortkonzepte für die Asse vorgelegt, siehe Abb. 6.22. Der Deutsche Bundestag beschäftigte sich mit der Schachtanlage Asse und dem Optionenvergleich unter der weiteren Aufrechterhaltung eines möglichen Spontanversagens des Grubengebäudes und kommt zur Einschätzung, dass die Option Rückholung alternativlos sei. Er erließ ein Gesetz zur Beschleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälle und der Stilllegung der Schachtanlage Asse II, das am 24. April 2013 in Kraft trat. Darin ist die Asse als kerntechnische Anlage nach AtG § 9a eingestuft. Das Gesetz ändert den § 57b AtG „Betrieb und Stilllegung der Schachtanlage Asse II“, worin in Absatz 2 formuliert ist: Die Schachtanlage ist unverzüglich stillzulegen. Für den Weiterbetrieb, einschließlich einer Rückholung radioaktiver Abfälle und hiermit im Zusammenhang stehender Maßnahmen, bis zur Stilllegung bedarf es keiner Planfeststellung nach § 9b. Die Stilllegung soll vorzugsweise nach Rückholung der radioaktiven Abfälle erfolgen. Die Rückholung ist abzubrechen, wenn deren Durchführung für die Bevölkerung und die Beschäftigten aus radiologischen oder sonstigen sicherheitsrelevanten Gründen nicht vertretbar ist.

Damit hat der Deutsche Bundestag die Option „Rückholung und schnellstmögliche Stilllegung“ festgeschrieben. Interessant ist, dass für die Rückholung kein Planfeststellungsverfahren notwendig sein soll und Ausnahmen bei Strahlenschutzvorschriften vorgesehen sind, mit der Begründung des Zeitdruckes! Zeitdruck wird es keinen geben, allerdings die unbedingte Notwendigkeit zur umfassenden Transparenz. Durch die nunmehr eingeleiteten umfänglichen Vorsorgemaßnahmen, verbunden mit einem Notfallplan und einer wesentlich erweiterten Öffentlichkeitsbeteiligung scheint aber etwas Realismus ins Verfahren zu kommen. So stellt das BMU fest, dass es vor 2030 zu keiner Rückholung kommen wird. Zwischenzeitlich ist auch festgelegt, dass für die radioaktiven Abfälle der Asse das Endlager Schacht Konrad nicht zur Verfügung steht, auch das zu errichtende Endlager für HAW als möglicher Aufnahmestandort wird ausgeschlossen. Damit ist auch das Jahr 2030 für die Rückholung völlig unrealistisch. Es sei denn, man würde eine Übergangslagerung präferieren, indem man auf die in Kap. 7 vorgeschlagenen Übergangslager zurückgreift. Dies beinhaltet allerdings einen Transport des radioaktiven Abfalls. Umfangreiche Transporte sollten in Endlagerprojekten nicht vorgesehen oder minimiert werden. Die Rückholung birgt auf jeden Fall ein hohes radiologisches Risiko für das Betreiberpersonal und möglicherweise auch für die Bevölkerung im Umfeld der Schachtanlage Asse II.

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

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Dazu liegen zwischenzeitlich gutachterliche Stellungnahmen zur Bewertung des Optionenvergleiches vor, so von der ESK [26] und der Arbeitsgruppe „Optionenvergleich“ [27]. Diese kommen zu folgenden Aussagen (Auszug):  Der Optionenvergleich beruht auf einem teilweise ungenügenden Kenntnisstand.  Fehlen belastbarer Grundlagen, aufgrund derer eine Beurteilung der radiologischen und chemotoxischen Konsequenzen eines unbeherrschbaren Grundwasserzutritts (Umweltauswirkungen bei unbeherrschbarem Lösungszutritt) erfolgen kann.  Bei der Option Rückholung gibt es zurzeit keine Endlagermöglichkeit. Es gibt lediglich das Prinzip Hoffnung, dass in Deutschland eine geeignete Möglichkeit der Endlagerung gefunden werden kann.  Der für die Optionen jeweils angenommene Zeitbedarf erscheint aus Sicht der AGO wenig belastbar.  Vorläufige Langzeitsicherheitseinschätzungen gehen lediglich davon aus, dass der Langzeitsicherheitsnachweis für Konrad durch die zusätzlichen Asse-Abfälle nicht relevant beeinträchtigt wird; die Einlagerung in Schacht Konrad ist zwischenzeitlich aber verworfen, eine Alternative nicht aufgezeigt.  Sicherheit in der Betriebsphase hat Priorität.  Bei der Option Rückholung wurden die Expositionen der Beschäftigten nicht berücksichtigt. Zitat [26]: Auch wenn die bei einer Rückholung der Abfälle aus der Schachtanlage Asse II auftretenden Strahlenexpositionen des Personals und der Bevölkerung derzeit nicht belastbar abgeschätzt werden können, weist die ESK darauf hin, dass zur Vermeidung von konservativ ermittelten hypothetischen Dosen in der Zukunft bei einem Verbleib der Abfälle in der Schachtanlage Asse II bei einer Rückholung der Abfälle für das Betriebspersonal reale Strahlenexpositionen in erheblichem Umfang in den nächsten Jahrzehnten in Kauf genommen werden müssten. Auch für Personen in der Umgebung der Anlage würde eine zusätzliche reale Strahlenexposition durch Direktstrahlung und höhere Emissionen resultieren.

Als Ergebnis dieser Einschätzungen nimmt das BfS nunmehr eine Faktenerhebung vor, siehe Abb. 6.21, die 2012 gestartet wurde und bei der drei Bohrungen der 750 m-Sohle in die Kammer 7, siehe Abb. 6.15, gebracht wurden, mit dem folgenden Ergebnis:  Keine Explosionsgefahr durch entstandene Gase.  Radioaktivitätswerte sowohl in Kammer 7 als auch in deren Umgebung entsprechen dem bisherigen Kenntnisstand.  Es konnte die genaue Lage des Verschlussbauwerks, der Kammerdecke und Wände bestimmt werden.  Die Faktenerhebung in der bisherigen Form beansprucht zu viel Zeit.

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6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Abb. 6.21 Faktenerhebung, Bohransatzpunkt mit Preventer

Weiterhin wurden bei der Umweltüberwachung keine Radioaktivitätsaustritte aus dem Inventar der Asse nachgewiesen. Im Umkreis der Schachtanlage Asse im Landkreis Wolfenbüttel gibt es keine erhöhten radioaktiven Belastungen. Das geht aus einem Zwischenbericht hervor, den die Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) Nord-West und die Bezirksstelle Braunschweig der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vorgelegt haben. Die Umweltüberwachung und die permanente Offenlegung der ermittelten Daten sind ein wesentliches Projekt der Öffentlichkeitsbeteiligung und damit zwingend.

Szenarien und Ausblick Wann und wie die Verwahrung der radioaktiven Abfälle erfolgt, ist aus hiesiger Sicht derzeit offen. Klar scheint aber, dass das vorliegende Datenmaterial zum Inventar nicht mehr angezweifelt wird und auf dieser Grundlage konzeptionell gearbeitet werden kann. Die Asse GmbH9 hält derzeit die Grube offen und führt Sicherungsmaßnahmen zu ihrer Stabilität und zur bergbaulichen Gefahrenabwehr durch. Permanente Überwachung, Vorsorgemaßnahmen und Notfallplan schließen aus hiesiger Sicht ein Spontanversagen und eine Verschlechterung des gebirgsmechanischen und hydrologischen Zustandes aus. Dies wird auch dadurch begründet, dass im Umfeld der Schachtanlage zwei weitere Schächte existieren, Asse I (das Bergwerk musste im Juli 1906 wegen Wassereinbruch aufgegeben werden) und Asse III (der Schacht wurde von 1911 bis 1921 gebohrt, die Arbeiten für die Nutzung 1924 eingestellt). Beide Schächte sind schon seit Jahrzehnten „abgesoffen“, also mit Wasser vollgelaufen. Sie befinden sich in einem stabilen, hydrostatischen 9

Die Asse GmbH ist nunmehr in die BGE übergegangen, ebenfalls die DBE GmbH. Die Endlageraufgaben des BfS hat die BfE übernommen, siehe [41].

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

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Spannungszustand. Konvergenz wird unter solchen Bedingungen nicht wirksam und die Wahrscheinlichkeit, dass eine unverantwortbare Erhöhung der vorliegenden Gefahrensituation eintritt, ist sehr gering, ebenso wie ein mechanisches Spontanversagen. Ausgehend von [22] kann die folgende Zustandsbeschreibung der Schachtanlage Asse II gegeben werden:  Der Optionenvergleich von 2010 entbehrt seiner Grundlagen.  Ein Absaufen der Schachtanlage Asse II ist die wahrscheinliche Entwicklung und sollte als Worst-Case-Szenario bei einer Bewertung unterstellt werden.  Beim Eintritt eines unbeherrschbaren Lösungszutritts, der einen Rückzug aus der Schachtanlage zur Folge hat, wird das Einleiten (Gegenfluten) von MgCl2 -reicher Lösung und optional die pneumatische Druckbeaufschlagung des Grubengebäudes während der Gegenflutung des Grubengebäudes vorgeschlagen.  Die vorgelegte Abschätzung der potenziellen Strahlenexposition in der Umgebung der Schachtanlage Asse II ist grob fehlerhaft, mit fachlichen Fehlern durchsetzt und zu konservativ, siehe [30].  Der Zutritt unbeherrschbarer Lösungszutritte entspricht dem Szenario „Auslegungsüberschreitende Zutrittsraten der Deckgebirgslösung“, siehe Kap. 8, während der Betriebsphase. Es muss eine robuste Abschätzung der potenziellen Strahlenexposition in der Betriebs- und Nachbetriebsphase erfolgen. Eine Modellierung des Deckgebirges ist dazu nicht vorgenommen worden. Die vorgeschlagenen Ausbreitungspfade sind spekulativ.  Eine robuste Abschätzung der realen Expositionen der Arbeiter und der realen und potenziellen Expositionen der Bevölkerung bei der Rückholung ist auf der Grundlage des derzeitigen Kenntnisstandes nicht möglich. Eine solche Abschätzung fehlt auch in der vorgelegten Option Rückholung, sie ist aber fundamental für deren Bewertung.  Es wird ein iteratives Verfahren zur Modellierung der radiologischen Konsequenzen eines möglichen Absaufens der Schachtanlage Asse II in den verschiedenen Optionen empfohlen. Folgt man der Einschätzung von [22], dann müssen alle bisher existierenden Standortmodelle neu und auf der sich aus dem Faktencheck ergebenden Datenlage bewertet werden. Es kann festgestellt werden, dass man bei einer sorgsamen Abwägung der Optionen für den Umgang mit den in der Asse eingelagerten radioaktiven Abfällen, siehe Tab. 6.8, auf der Grundlage belastbaren Datenmaterials, der zur Verfügung stehenden Technologien, der Belastung des Betriebspersonals und möglicherweise der ausgehenden Gefahren für die Umwelt eine den Bedingungen entsprechende, beste Lösung finden kann. Zur extremen Eile besteht kein Anlass, auch wenn die Integrität des Grubengebäudes eingeschränkt ist. Trotz der Einschätzung, dass auch die Rückholoption ihrer Grundlagen entbehrt, werden die Überlegungen hierzu von der Asse GmbH weiter vorangetrieben und Tatsachen geschaffen.

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6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Da derzeit kein Endlagerstandort für die Abfälle aus der Schachtanlage Asse II existiert und auch noch nicht abzusehen ist, wo und wann dieser gefunden werden kann, hat man sich mit der Problematik der nach über Tage zu befördernden radioaktiven Abfälle befasst. Ein Planungsauftrag für die untertägigen Aufgaben ist 2015 erteilt worden. Beim Umgang mit den nach über Tage transportierten radioaktiven Abfällen ist das Problem einer Zwischenlagerung andiskutiert. Ein Zwischenlager am Standort mit Konditionierungsanlage wird behördlicherseits favorisiert, von der betroffenen Bevölkerung aber nicht. Die Diskussion wird geführt, ohne dass eine robuste Abschätzung der realen Expositionen der Arbeiter und der realen und potenziellen Expositionen der Bevölkerung vorliegt. Eine solche Abschätzung muss jedoch als Grundlage vorgelegt werden. Es wird empfohlen, diese Diskussion mit der Übergangslagerung für HAW-HGW zu verbinden. Dies schafft Transparenz und nimmt den Verdacht einer einseitigen Festlegung. Zur Rückholung und zum Transport, einschließlich der gesamten Versorgung mit Frischluft (Wetterführung) und des Materialtransports, wird ein separater Bergungsschacht benötigt. Dazu wurden bereits von über Tage eine Erkundungsbohrung und von unter Tage Bohrungen getrieben, zur möglichen Anbindung verschiedener Sohlen an den Bergungsschacht. Es wird empfohlen, die Bohrungen in die Notfallplanung derart einzubinden, dass diese auch als Förderbohrungen für den Notfall eines Wassereinbruches ausbaubar sind. Über diese Förderbohrungen hätte man auch im Falle von unbeherrschbaren Lösungszutritten die Möglichkeit des Einleitens (Gegenfluten) von MgCl2 -reicher Lösung, optional der pneumatischen Druckbeaufschlagung des Grubengebäudes. Werden die Bohrungen gekernt, dann kann mit den gewonnenen Daten eine Deckgebirgsmodellierung nachgeholt werden. Es ist eine umfängliche Umgebungsüberwachung (Messnetz) eingerichtet, die folgende Regelbeprobungen umfasst: Gamma-Ortsdosisleistung (ODL), Gamma-Ortsdosis, Aerosolaktivität, Bodenproben, Grasproben und Wasserproben. In Jahresberichten stellen die Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) Nord-West und die Bezirksstelle Braunschweig der Landwirtschaftskammer Niedersachsen die Ergebnisse zusätzlicher Umgebungsüberwachung vor. Die Ergebnisse im Bereich der Schachtanlage Asse II bestätigen, dass ein Aktivitätsbeitrag nicht erkennbar bzw. nachweisbar ist. Zusammen mit dem Faktencheck verbessert sich die Datenlage zusehends, sodass dies eine robuste Abschätzung der radiologischen Konsequenzen eines Szenarios von auslegungsüberschreitenden Zutrittsraten der Deckgebirgslösung möglich machen kann. Die Option der Rückholung muss weiter untersetzt werden. So sind die Konsequenzen einer Rückholung, insbesondere der radiologischen, für das Personal und die Bevölkerung bisher nicht ausreichend herausgestellt. Die Machbarkeit dieser Option wird dadurch, neben dem Endlagerstandort und den Kosten, entscheidend bestimmt. Die derzeitigen „Perspektiven“ für die Schachtanlage Asse II sind in Abb. 6.22, ergänzt durch eine nicht zeitlich begrenzte Offenhaltung mit Förderbohrungen und Wasseraufbereitung, zusammengestellt.

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

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Abb. 6.22 Schachtanlage Asse II, derzeit bekannte Standortkonzepte, siehe auch [22]

Aus hiesiger Sicht sollte auch die Gelegenheit genutzt werden, so viel wie möglich Datenmaterial zu gewinnen, das der Endlagerung in Deutschland insgesamt zur Verfügung gestellt werden kann. Das Anlegen einer umfassenden Datenbank, in der alle verfügbaren, evaluierten und verifizierten Daten z. B. zur Endlagerung im Wirtsgestein Steinsalz (Carnallitit) zusammengestellt und auch der Öffentlichkeit zur Nutzung angeboten werden (barrierefrei), steht seit Langem aus. Dazu gehört auch, wenn möglich, eine Einlagerungskammer zu öffnen und den Zustand der Gebinde zu untersuchen. Um belastbare Daten zu gewinnen, sollte die Schachtanlage Asse II für die gesamte Zeit des Offenhaltungsbetriebes und möglicherweise darüber hinaus so instrumentiert werden, dass belastbare Daten über das Verhalten des Endlagers nach der Stilllegung gesammelt und damit wissenschaftlich ausgewertet werden können. Neben konventioneller Messtechnik eignet sich insbesondere die Sensortechnik für solche Aufgabenstellung. So könnten z. B. ausgewählte Abfallbehälter mit Sensortechnik versehen werden. Solange die Schachtanlage Asse nicht verschlossen ist, können die Daten jederzeit abgegriffen, analysiert und verwertet werden, siehe auch [19]. Da ein Szenario „Auslegungsüberschreitende Zutrittsraten der Deckgebirgslösung“ für die Schachtanlage Asse II nicht auszuschließen ist, besteht besonderer Forschungsbedarf

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6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

zum Lösungstransport im Grubengebäude. In Kap. 8 sind der Lösungstransport im Grubengebäude und der Radionuklidtransport in die Biosphäre und dessen Konsequenzen für einen Langzeitsicherheitsnachweis behandelt. Eine Untersuchung dieses Standortproblems ist aber bisher für die Schachtanlage Asse II fast vollständig unterblieben, eingeschlossen die dafür notwendige Parametergewinnung. Die Beschreibung des Lösungstransports im Grubengebäude erfordert auch eine Beschreibung des sich wahrscheinlich einstellenden geochemischen Milieus in den Einlagerungsbereichen und im Grubengebäude allgemein unter Berücksichtigung der Löslichkeitsgrenzen, Retardierung und Sorption. In [30] ist eine Neuberechnung zu den Auswirkungen eines auslegungsüberschreitenden Lösungszutritts in der Schachtanlage Asse II nach Vorliegen des Flutungskonzeptes des HZMU vorgenommen worden. Wegen der hohen Fehlerhaftigkeit und der unrealistischen Szenarienbeschreibung wurde sich in [22] bereits damit auseinandergesetzt. Hier sei angemerkt, dass mit einem Auspressen von Lösung aus dem Grubengebäude über einen langen Zeitraum nicht zu rechnen ist, weshalb dieses Szenario derzeit keinen Vorrang hat. Das Szenario auslegungsüberschreitender Zutrittsraten der Deckgebirgslösung und die dazu notwendigen Handlungsanweisungen werden nachfolgend beispielhaft zusammengestellt, siehe auch Abschn. 8.5.2.

Szenario „Auslegungsüberschreitende Zutrittsraten der Deckgebirgslösung“ Herausbildung eines Radionuklid-Quellterms im Grubengebäude In Kap. 8 wird allgemein herausgearbeitet, wie die in der Lösung gelösten Radionuklide im Grubengebäude durch drei unterschiedliche Effekte transportiert werden können. Diese sind der Lösungstransport durch Druckgradienten, die Austauschvorgänge, die Dispersion und Diffusion. Außerdem findet ein diffuser Radionuklidtransport statt, der durch vorhandene Konzentrationsgradienten der Radionuklide angetrieben wird, siehe Gln. 6.4, 6.5 und 6.6: Diffusiver Radionuklidstrom JD : JD D D.T/  A  ®  rc

(6.4)

Konvektiver Lösungstransport, Lösungsaustauschstrom: QT;C D

g  k  “ 2 T g  k 2 pC HB  H B 8 L 8 L

Advektiver Lösungsfluss: QD

kA rp 

(6.5)

(6.6)

Um diesen Lösungstransport für die Schachtanlage Asse II realistisch beschreiben zu können, müssen die folgenden Parameter ermittelt werden:

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

c rc k µ  “ D ˆ

221

Stoffmengenkonzentration in mol  m3 ; Konzentrationsgradient der Radionuklide, Permeabilität des Versatzes, dynamische Viskosität der Lösung, kinematische Viskosität, thermischer Ausdehnungskoeffizient des Versatzes, Diffusionskoeffizient bei der Temperatur T in der Lösung, Porosität Permeabilität des Versatzes.

Der gesamte Radionuklidtransport ergibt sich durch Superposition aller Teilprozesse: Transport durch erzwungene Lösungsbewegung, konvektive Austauschprozesse und Diffusion, Gln. 6.4, 6.5 und 6.6. Diese Prozesse sind sehr verschieden voneinander, sodass eine analytische Behandlung der Überlagerung nicht möglich ist. Umfangreiche Versuche dazu finden sich in [31]. Auf eine Sensitivitätsanalyse und Unsicherheitsbetrachtungen kann aber auch hier nicht verzichtet werden. Um den Lösungstransport realistisch beschreiben zu können, sind folgende Untersuchungen durchzuführen:     

Freisetzung von Radionukliden aus dem Abfallbehälter, Rückhaltung von Radionukliden im Grubengebäude, Sorption und Retardation, Löslichkeitsgrenzen der Lösung, Umlösung von Abdichtungsbauwerken, zur Gasbildung aufgrund eingelagerter biologischer Reststoffe, Maßnahmen zur Begrenzung der Gasbildung, Möglichkeiten des Entfernens gasbildender Stoffe (Metall, Holz, Kunststoffe).

Stofftransportmodellierung für das Deckgebirge Für die Transportmodellierung im Deckgebirge ist eine hinreichend genaue Beschreibung der Grundwasserströmung Voraussetzung. Eine Deckgebirgskartierung liegt derzeit nicht vor und muss noch angefertigt werden. Der aus dem Grubengebäude ins Deckgebirge übertretende Radionuklidstrom bildet die Grundlage der Betrachtung. Die Modellierung auf der Grundlage der in Kap. 8 genannten Gl. 8.21 bis 8.23 kann als hinreichend gesichert angesehen werden. Die Grundwasserströmung wird dabei als laminar angenommen. Für die Modellierung werden die Fluidmasse lokal (das heißt innerhalb eines Volumenelements) und für das gesamte Modellgebiet bilanziert, Gl. 8.21. Bei dichtegetriebenen Strömungen werden zusätzlich noch simultan die Masse des gelösten Salzes, Gl. 8.22, und/oder die Wärmemenge bilanziert. Im Falle einer nicht dichtegetriebenen Strömung entfällt Gl. 8.22, siehe Abschn. 8.5.2. Die Struktur und die Eigenschaften des Deckgebirges müssen dabei ausführlich beschrieben sein. Neben der Verdünnung des Radionuklidstromes spielen die Sorptionseigenschaften des durchströmten Deckgebirges eine wesentliche Rolle, um einen Radionuklidtransport in die Biosphäre robust beurteilen zu können.

222

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Abb. 6.23 2013 ermittelte Strahlenexposition nach AVV. (Siehe [22])

Mögliche radiologische Auswirkungen in der Biosphäre Zur Ermittlung von radiologischen Auswirkungen eines unkontrollierbaren Lösungszutritts in der Biosphäre ist zum einen der Transfer der Radionuklide innerhalb der Biosphäre zu modellieren. Zum anderen ist eine Person oder eine Personengruppe mit ihren Lebensgewohnheiten zu definieren, für welche die Auswirkungen ermittelt werden sollen. Als erste Arbeiten dazu kann auf [32] verwiesen werden. Dabei handelt es sich um sehr wesentliche Forschungsleistungen für die Bewertung der verschiedenen Standortmodelle. Diese setzen allerdings robuste Bewertungen der Radionuklidströme in den Modellgebieten voraus. Es soll hier aber auf eine andere Bewertung hingewiesen werden, die im Zusammenhang mit der Bewertung möglicher Strahlenexpositionen im Umfeld von Endlagerbauwerken zu betrachten sind. Dies betrifft die in Abb. 6.23 dargestellte Strahlenexposition von Referenzpersonen der allgemeinen Bevölkerung. Diese wird in Zusammenhang gebracht mit Zahlen aus dem Epidemiologischen Krebsregister Niedersachsen (EKN). Danach wurden in der Gesamtgemeinde Asse für die Jahre 2002 bis 2009 circa zehn zusätzliche Fälle von Leukämie und circa acht zusätzliche Fälle von Schilddrüsenkrebs beobachtet. Allein die Bewertung „circa“ spricht für sich. Obwohl es sich um Modellrechnungen handelt und dazu keinerlei statistische Belege existieren, wird hier ein Zusammenhang zur Schachtanlage praktisch direkt hergestellt. Die Ableitungen von radioaktiven Stoffen mit der Fortluft aus der Schachtanlage Asse II und das Umgebungs-Monitoring führen zu keinerlei messbaren Konzentrationen in der Umwelt. Selbst mit einer extrem konservativen Modellierung der potenziellen Strahlenexpositionen

6.4 Standortbeschreibungen/Einlagerungsbedingungen/Langzeitsicherheit

223

der Bevölkerung in der Umgebung der Schachtanlage Asse II werden vernachlässigbare Jahresdosen ausgewiesen, die unterhalb der natürlichen Radioaktivität der Region liegen. Natürlich muss es eine umfängliche Beobachtung und Bewertung der radiologischen Situation im Umfeld der Schachtanlage Asse II geben; Anlass zur Sorge kann aber derzeit nicht ausgewiesen werden. Es ist auch Aufgabe dieser Darlegungen hier, mit den radiologischen Konsequenzen einer Endlagerung radioaktiven Materials sorgsam umzugehen. Deshalb soll ein Zusammenhang zu den Rückständen aus der Uranerzgewinnung und -aufbereitung in Sachsen und Thüringen hergestellt und auf die Ungleichbehandlung ähnlicher Gefahrenlagen bei gleichen gesetzlichen Vorschriften hingewiesen werden. Auf dem Gebiet von Sachsen und Thüringen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst als Reparationsbetrieb durch die SAG Wismut, danach als SDAG Wismut, Uranerze im großen Umfang in den Regionen Aue und Königstein in Sachsen und Ronneburg in Thüringen abgebaut. Die SDAG Wismut war zur Zeit des Bestehens der größte Uranproduzent der Welt, die DDR als Land rangierte auf Platz 3 der Uran-produzierenden Länder und nimmt in der heutigen Rangliste noch den 5. Platz ein, eigentlich uneinholbar. Während der gesamten Betriebszeit wurden etwa 230.000 Tonnen Uranerz gefördert. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat die Strahlenexpositionen in der Wismut Uranbergarbeiter-Kohortenstudie [33] und der beruflich radonbelasteten Bergarbeiter der SDAG Wismut wissenschaftlich ausgewertet und analysiert. Grundlage war eine stratifizierte Zufallsstichprobe aller Beschäftigten mit vorhandenen Lohn- und Gehaltsunterlagen aus dem Register der SDAG Wismut, aus der für alle Kohortenmitglieder Informationen zu persönlichen Daten und zu den Arbeitsanamnesen über die Zentrale Betreuungsstelle Wismut (ZeBWis) der DGUV extrahiert wurden, die dann Grundlage der wissenschaftlichen Auswertung werden konnten. Es stand eine Kohorte mit ca. 59.000 Mitgliedern zur Verfügung. Mitgeltende Unterlagen waren Einwohnermeldeämter und Gesundheitsämter oder das ehemalige Pathologiearchiv der SDAG Wismut. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in den Anfangsjahren der SAG Wismut praktisch jeglicher Strahlen- und Arbeitsschutz fehlte und die Radon- und Quarzfeinstaubexpositionen sehr hoch waren. Die Arbeitsbedingungen verbesserten sich ab 1954 mit der Gründung der SDAG Wismut allmählich und erreichten etwa 1971 internationale Standards. Bis 1990 wurden von der Sozialversicherung Wismut 5492 Lungenkrebserkrankungen und 14.531 Silikoseerkrankungen ehemaliger Wismut-Beschäftigter als Berufskrankheit anerkannt, nach der Wiedervereinigung Deutschlands kamen im Zeitraum von 1991 bis 2011 weitere 3696 Lungenkrebsfälle und 2720 Silikosefälle bei der Gesetzlichen Unfallversicherung hinzu, siehe [34]. In Abb. 6.24 ist die kumulative Exposition exponierter Kohortenmitglieder zusammengestellt. Aus den zugrunde liegenden Zahlen kann abgelesen werden, dass die kumulative Exposition zwischen 1989 und 1991 leicht zugenommen hat (ca. 2,2 mSv/a). Im Dezember 1991 wurde die bundeseigene Sanierungsgesellschaft Wismut GmbH gegründet, die die Hinterlassenschaften der SDAG Wismut so zu beseitigen hat, dass eine Gefährdung der betroffenen Bevölkerung weitestgehend ausgeschlossen ist. Die bei der Gesetzlichen Unfallversicherung zwischen 1991 und 2011

224

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Abb. 6.24 Mittlere jährliche kumulative Exposition gegenüber Radonfolgeprodukten (RnFP) in WLM* , externe Gammastrahlung in mSv und langlebige Radionuklide (LRN) in kBq h/m3 . * Das „Working Level Month“ (WLM) ist eine historische, speziell im Uranbergbau verwendete Einheit. Ein WLM entspricht einer Exposition von 1,3 × 103 Megaelektronenvolt potenzieller Alpha-Energie pro Liter Luft über einen Zeitraum von einem Arbeitsmonat (170 h). (Quelle [34])

registrierten 6416 registrierten Lungenkrebs- und Silikosefälle auf die Arbeit bei der Wismut GmbH zurückzuführen, ist unzulässig und irreführend. Was allerdings festgestellt werden muss, ist, dass insbesondere in den ersten Jahren der Wismut GmbH ein erhöhtes Krebsrisiko für exponierte Personen bestand, was bis 2017 aber stark abgenommen hat. In Abb. 6.25a und b ist der Sanierungserfolg dokumentiert. Insbesondere die Verwahrung der Tailings ponds der SDAG Wismut muss auf der Basis eines Hüteprinzips wegen der fehlenden Basisabdichtungen erfolgen. Eine umfangreiche Langzeitumweltüberwachung sichert, dass austretende Kontaminanten und der Radionuklidfluss über den Wasserpfand aufgefangen und einer Wasseraufbereitung zugeleitet und letztlich in die Vorflut abgeschlagen wird, siehe auch Bild Abb. 5.25. Als Richtwert bei der Strahlenexposition für sanierte Flächen hat sich bei der Wismut GmbH eine Gamma-Dosis-Rate ODL < 0,15µSv/h durchgesetzt.10 Die hier zu ziehende Schlussfolgerung ist, dass ein Vergleich der radioaktiven Inventare der Tailings ponds der SDAG Wismut und der Ablagerungsstandorte für radioaktive Abfälle in einer Anlage gemäß § 9a AtG auch eine reale Risikobewertung der Standorte untereinander ermöglicht und insbesondere die Darstellungen für die Schachtanlage Asse II relativiert.

10

0,15 µSv/h entsprechen ca. 1,31 mSv/a.

6.5 Vergleichende Betrachtungen zum Radionuklidinventar der Schachtanlage Asse II

225

Abb. 6.25 a Entwicklung der Radioaktivität in ausgetretenen Wässern an den Wassermessstellen, b Gamma-Dosis-Raten auf einer sanierten Fläche vor und nach der Sanierung. (Quelle: Second Joint Convention 2006/Lersow, M.)

6.5

6.5.1

Vergleichende Betrachtungen zum Radionuklidinventar der Schachtanlage Asse II und des ERAM mit den Tailings ponds der Wismut GmbH Vergleich der Aktivitätsinventare

In Tab. 6.9 sind einige Parameter zum radioaktiven Inventar der Wismut-Tailings ponds zusammengestellt. In allen diesen Anlagen spielt die Th-232-Zerfallsreihe für die radio-

226

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Tab. 6.9 Radionuklidvektor des Wismut-Sanierungsprojektes „Tailings Ponds“ (das Inventar des Porenwassers ist hier vernachlässigt). (Siehe auch [35]) Tailings Impoundment Unat in solids (t) Unat in solids (TBq) Ra-226 in solids (TBq) Ra-226 im Porenwasser (mBq/l) Unat im Porenwasser (mg/l) P (TBq) in solids

Culmitzsch A Culmitzsch B Trünzig A Trünzig B Helmsdorf

Dänkritz I

4800

2200

1500

700

5000

1000

122

56

38

18

127

25

790

240

130

50

550

40

. . . 5000

. . . 2300

. . . 630

N. A.

500 . . . 2000 N. A.

0,3 . . . 3,9

1,0 . . . 16,5

1 . . . 19

1 . . . 20

2 . . . 30

10 . . . 85

912

296

168

68

677

65

logischen Betrachtungen keine Rolle. Das vollständige Radionuklidinventar ergibt sich, wenn die Tochternuklide der U-238- und U-235-Zerfallsreihe mit berücksichtigt werden. Dadurch wird das physikalische Aktivitätsinventar um etwa den Faktor 10 größer als die radionuklidbezogenen Inventare. Die Tailings ponds der SADG Wismut werden langzeitsicher, langzeitstabil verwahrt. Die wesentliche Barriere bildet eine multifunktionale Oberflächenabdeckung, weiter siehe Kap. 5. Vernachlässigt in der Aufstellung der Tab. 6.9 ist die im Porenwasser des TailingsKörpers enthaltene Radioaktivität. Deren Anteil an der Gesamtaktivität ist gering. Die Gefahr geht davon aus, dass das Porenwasser über die Basis der Tailings ponds austritt. Die Auswirkungen einer fehlenden Basisabdichtung sind in Kap. 5 umfänglich diskutiert. Das physikalische Aktivitätsinventar der Tailings ponds der SDAG Wismut ist in Tab. 6.10 zusammengestellt, hier bezogen auf die Freigrenzen (FGi) gemäß Tabelle 1, Anlage III StrlSchV. Für die in der Bundesrepublik Deutschland existierenden Anlagen gemäß § 9a AtG, in denen niedrig und mittel aktive (LAW und MAW) Abfälle in geologisch tiefen Schichten abgelegt sind, sind die Inventare zum jeweiligen Stichtag bezogen auf die FGi in Tab. 6.11 zusammengestellt, zum einen für das Endlager für Radioaktive Abfälle Morsleben – ERAM in Sachsen-Anhalt und zum anderen für die Schachtanlage Asse II bei Remlingen in Niedersachsen. Das Inventar und die Radionuklidzusammensetzung (Radionuklidvektor) in den beiden Anlagen nach § 9a AtG sind hinreichend genau dokumentiert [28]. Das Aktivitätspotenzial des ERAM ist deutlich geringer als das der Schachtanlage Asse II. Streicht man die Nuklide mit HWZ kleiner 100 Jahren, ist der die Radiotoxizität

a

(’) (’) (’) (’) (’) (’) (“ ) (’)

4,468 E+09 245.500 7,538 E+04 1602 7,038 E+08 3,276 E+04 21,773 11,435 d

HWZ [a] 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+03 1,00 E+03 1,00 E+05

FGi [Bq] 1,22 E+10 1,22 E+10 7,90 E+10 7,90 E+10 5,56 E+08 3,60 E+10 3,60 E+10 3,60 E+08 2,55 E+11

Ai/FGi

Culmitzsch A 5,60 E+09 5,60 E+09 2,40 E+10 2,40 E+10 2,55 E+08 1,09 E+10 1,09 E+10 1,09 E+08 8,15 E+10

Ai/FGi

Culmitzsch B 3,80 E+09 3,80 E+09 1,30 E+10 1,30 E+10 1,73 E+08 5,93 E+09 5,93 E+09 5,93 E+07 4,57 E+10

Ai/FGi

Trünzig A 1,80 E+09 1,80 E+09 5,00 E+09 5,00 E+09 8,21 E+07 2,28 E+09 2,28 E+09 2,28 E+07 1,83 E+10

Ai/FGi

Trünzig B

1,27 E+10 1,27 E+10 5,50 E+10 5,50 E+10 5,79 E+08 2,51 E+10 2,51 E+10 2,51 E+08 1,86 E+11

Ai/FGi

Helmsdorf

„+“, „++“ oder „sec“ sind Mutternuklide im Gleichgewicht mit den in Tabelle 2, Anlage 3 StrlSchV angegebenen Tochternukliden

U-238+ U-234 Th-230 Ra-226++ U-235+ Pa-231 Ac-227+ Ra-223+ Summe

Tailings Pond/Nuklida

Tab. 6.10 Radionuklidinventare der Wismut-Tailings ponds, normiert auf die Freigrenzen (FGi) [36]

2,50 E+09 2,50 E+09 4,00 E+09 4,00 E+09 1,14 E+08 1,82 E+09 1,82 E+09 1,82 E+07 1,68 E+10

Ai/FGi

Dänkritz I

6.5 Vergleichende Betrachtungen zum Radionuklidinventar der Schachtanlage Asse II 227

228

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Tab. 6.11 Zusammenstellung der Gesamtaktivität Ai und der Werte des Aktivitätsindikators Ai/FGi (FG – Freigrenze nach Anlage II Tabelle 1 Sp. 2 StrlSchV) für die radiologisch wichtigsten Radionuklide im Inventar der Schachtanlage Asse II und im ERA Morsleben. (Quelle: [28]) Nuklid C-14 (“ ) Co-60 (“ ) Ni-63 (“ ) Sr-90 (“ ) Cs-137 (“ ) Ra-226 (’) U-234 (’) U-238 (’) Pu-238 (’) Pu-239 (’) Pu-240 (’) Pu-241 (“ ) Am-241 (’) Cm-244 (’) Summe ’ Summe “/” Summe

HWZ [a] 5730 5,271 100,1 28,79 30,17 1602 245.500 4,468 E+09 87,74 24.110 6563 14,35 432,2 18,10

FGi [Bq] 1,00 E+07 1,00 E+05 1,00 E+08 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+03 1,00 E+05 1,00 E+04 1,00 E+04

Asse II (31.12.2013) Ai [Bq] Ai/FGi [–] 2,6 E+12 2,6 E+05 1,1 E+13 1,1 E+08 2,6 E+14 2,6 E+06 2,0 E+14 2,0 E+10 3,6 E+14 3,6 E+10 2,0 E+11 2,0 E+07 1,4 E+12 1,4 E+08 1,3 E+12 1,3 E+08 9,2 E+12 9,2 E+08 4,5 E+13 4,5 E+09 5,1 E+13 5,1 E+10 1,3 E+15 1,3 E+10 2,4 E+14 4,4 E+09 8,0 E+11 8,0 E+07 3,49 E+14 6,12 E+10 2,13 E+15 6,91 E+10 2,48 E+15 1,30 E+11

ERAM (31.12.2013) Ai [Bq] Ai/FGi [–] 3,20 E+12 3,20 E+05 5,40 E+12 5,40 E+07 1,40 E+13 1,40 E+05 4,80 E+12 4,80 E+08 6,30 E+13 6,30 E+09 2,30 E+10 2,30 E+06 1,10 E+09 1,10 E+05 4,30 E+08 4,30 E+04 7,80 E+10 7,80 E+08 6,90 E+10 6,90 E+06 6,60 E+10 6,60 E+07 9,00 E+11 9,00 E+06 2,30 E+11 2,30 E+07 4,80 E+09 4,80 E+05 4,72 E+11 8,88 E+08 9,13 E+13 6,84 E+09 9,18 E+13 7,72 E+09

bestimmende Quotient Ai/FGi des Aktivitätsinventars des ERAM auf ca. 1,0 E+08 abgesunken. In Anbetracht der sehr unterschiedlichen Radionuklidzusammensetzung ist das radioaktive Inventar des ERAM und der Schachtanlage Asse II nicht unmittelbar mit dem von Wismut-Tailings ponds zu vergleichen. Um die Aktivitätsinventare der Tailings ponds und der Anlagen nach § 9a AtG vergleichen zu können, sind die Aktivitätsinventare für jedes Radionuklid auf die Freigrenze der Gesamtaktivität laut StrlSchV (Anlage III Tabelle 1 Spalte 2) bezogen worden. Die Summe dieser Verhältniszahlen über alle Radionuklide ergibt einen dimensionslosen Aktivitätsindex, der die Radiotoxizität des Gesamtinventars charakterisiert, da die radiologische Gefährlichkeit von Einzelnukliden über die jeweilige Freigrenze orientierend berücksichtigt ist. Die Ergebnisse einer solchen Auswertung sind in Tab. 6.10 und 6.11 zusammengestellt. Dabei wurde berücksichtigt, dass sich Unat hinsichtlich der Aktivitäten wie folgt zusammensetzt: 238U/234U = 1,0, 235U/238U = 0,046. Außerdem gilt für die Tochternuklide des Urans, dass 230Th/226Ra ca. 1 ist und 231 Pa und 227Ac ca. 0,046 der 230ThAktivität besitzen. Tab. 6.10 und 6.11 machen deutlich, dass die nach diesem einfachen radiologischen Indikator bewerteten Inventare der Wismut-Tailings und die der Asse vergleichbar sind. Unterschiede gibt es aber in der Mobilität der Radionuklide. Die Mobilität der Radionuklide des Inventars der Tailings ponds ist wesentlich höher als die in Endla-

6.5 Vergleichende Betrachtungen zum Radionuklidinventar der Schachtanlage Asse II

229

gern für radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung. Außerdem bildet das im jeweiligen Tailings-Körper enthaltene Porenwasser ein Transportmedium, was in kerntechnischen Anlagen gemäß § 9 AtG von den eingelagerten Radionukliden weitestgehend ferngehalten wird. Ohne Transportmedium (Wasser, Luft) können Radionuklide nicht aus der Einkapselung in die Biosphäre gelangen. Dies trifft auch für den FeststoffTailings-Körper zu, der durch eine multifunktionale Oberflächenabdichtung insbesondere vor Sickerwässern geschützt wird, siehe Kap. 5. Für Langzeitaussagen ist außerdem wichtig, dass sich die Aktivität von Uran-Tailings in einem Zeitraum von 1000 Jahren kaum verändert (das Radionuklid Th-230 hat eine Halbwertszeit von ca. 80.000 Jahren), der Aktivitätsindex des Asse-Inventars aber in 100 Jahre nur noch ca. 4,4 E+10 und in 1000 Jahren ca. 2,4 E+10 ausmachen wird. Die unterschiedlichen Anforderungen an die Geotechnischen Umweltbauwerke (Endlagerbauwerke zur langzeitsicheren Verwahrung von radioaktiven Abfällen und von Rückständen aus der Uranerzaufbereitung) in Deutschland lassen sich aus den Aktivitätsinventaren nicht begründen.

6.5.2

Vergleich der Langzeitsicherheitskonzepte des ERA Morsleben mit Rückstandsspeichern aus der Uranerzaufbereitung

Zusammenfassung des Langzeitsicherheitskonzepts von Tailings ponds aus der Uranerzaufbereitung Das Konzept für die langzeitsichere, langzeitstabile Verwahrung der Tailings ponds der SDAG Wismut ist umfänglich in Kap. 5 dargelegt und wird hier nur zusammenfassend zur Gegenüberstellung aufgeführt. Grundlage ist ein Multibarrierenkonzept, das aus den folgenden Hauptelementen besteht: Dammbauwerk, Abdeckung (Einkapselung), Basisabdichtung als geologische Barriere oder/und als technische Barriere, Wasserfassung und Wasseraufbereitung sowie Überleitung der gereinigten Wässer (bei Einhaltung von Ableitwerten der Schadstoffkonzentrationen) in die Vorflut, Begrünung und Vegetation, Monitoring-System (Multibarrierensystem mit Langzeit-Monitoring). Sowohl die Dammbauwerke als auch die multifunktionalen Abdeckungen sind als technogene Lockergesteinskörper aufgebaut, deren Klassifizierung ist über den gesamten Lockergesteinskörper möglich. Dennoch sind die Materialparameter der Funktionselemente (mineralische, geosynthetische etc.) der technogenen Lockergesteinskörper Zustandsgrößen und damit zeitabhängig. Auch ist eine Alterung im Betrachtungszeitraum nicht auszuschließen. Die Geotechnischen Umweltbauwerke der Tailings ponds der SDAG Wismut müssen durch die fehlende Basisabdichtung nach dem Hüteprinzip betrieben werden. Die Ausbreitung der radioaktiven und toxischen Kontaminanten kann über den Boden-, den Wasser- und den Luftpfad in die Biosphäre eintreten (Gas-, Luft- und feste Phase des Lockergesteinskörpers). Eine Ausbreitung über den Wasserpfad wird kontrolliert aufge-

230

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

fangen und der Wasseraufbereitung zugeführt, gereinigt und bei Einhaltung von wasserrechtlichen Freigrenzen in die Vorflut abgegeben. Die Wasseraufbereitung ist Teil des Sicherheitssystems bei der langzeitsicheren Verwahrung von Tailings ponds aus der Uranerzaufbereitung. Für die Überwachung des Wasserpfades gehört neben einem entsprechenden Grundwasser-Monitoring das Anlegen von Brunnen- und Grundwassermessstellengalerien, mit Förderbrunnen, um Grundwasser heben zu können. Um unkontrollierte Kontaminationsübertritte aus dem Tailings-Körper zu verhindern, kann so der Grundwasserspiegel, bezogen auf die hydrologischen Verhältnisse am Standort, im Bereich des Tailings Pond mittels Förderbrunnen abgesenkt werden, um einen definierten Sicherheitsabstand zwischen Tailings-Körper und höchstem Grundwasserspiegel herzustellen und um Kontaminationsübertritte in den Grundwasserkörper zu verhindern oder/und zu begrenzen. Zum Sicherheitssystem gehört auch die Überwachung der Exhalationsraten, siehe [37], bei der Schwächezonen detektiert werden müssen. Dazu können Tracer-Versuche durchgeführt werden. In [19] ist der Einsatz von Sensormatten vorgeschlagen und dazu ein Verfahren offengelegt worden. Der Nachweis zur Langzeitstabilität der multifunktionalen Abdeckung eines Tailings pond sollte für einen Betrachtungszeitraum von 1000 Jahren geführt werden. Als Beurteilungswert für die Strahlenexposition hat sich bei der Wismut GmbH eine ODL  0,15 µSv/h durchgesetzt.11 Um nachträgliche menschliche Eingriffe in die Einkapslung („Human Intrusion Szenarios“) zu verhindern, muss das Areal gesichert werden. Eine Nachsanierung und Nachsorge ist jederzeit möglich und Bestanteil der Langzeitsicherheit. Schadstellen werden insbesondere aufgrund steigender Radonexhalationsraten angezeigt. Das Szenario „Flugzeugabsturz“ ist nicht betrachtet und dürfte hier auch beherrschbar sein, weil nur ein geringer Teil der Gesamtfläche dabei in Mitleidenschaft gezogen wird und damit nur mit geringen Spontanaustritten an Radioaktivität zu rechnen ist. Die Akte (Abschlussdokumentation) des Altbergbaustandorts mit allen relevanten Daten verbleibt am Kataster des zuständigen Bergamts. Der Zeitpunkt der Entlassung des Standortes aus der Aufsicht ist Bestandteil der Langzeitsicherheit für das Geotechnische Umweltbauwerk und wird vom zuständigen Bergamt auf Antrag genehmigt oder verwehrt. Die Parameter der Geotechnischen Umweltbauwerke zur langzeitsicheren, langzeitstabilen Verwahrung der Tailings ponds der SDAG Wismut sind in Tab. 6.12 zusammengefasst.

11 0,15 µSv/h entsprechen ca. 1,31 mSv/a, wenn eine Person sich permanent an einer Stelle aufhalten würde, dies ist vollständig unrealistisch, weswegen diese Umrechnung so nicht vorgenommen werden sollte.

Aufbau

Konturierung, 1,94 E+15 Bq Profilierung; Stützanschüttung, erosionssichere Endabdeckung Revegetationsschicht, Bepflanzung, Instrumentierung Bestandteil der Einkapslung

Aufbau

Arbeitsplattform, Zwischenabdeckung, Konturierungsschicht, erosionssichere Endabdeckung Revegetationsschicht, Instrumentierung Bestandteil der Einkapslung

Natürliche und/oder technische Barriere: keine

Basisabdichtung

Aktivitätsinventar

Höhe ca. 72 m; 159 ha; 61 Mio. m3

Gesamtschichtdicke > 6 m

Nachweise

Dammbauwerk: mechanische Stabilität/außergewöhnliche Ereignisse – Erdbeben Beurteilungswert Multifunktionale für die Strahlen- Abdeckung exposition  0,15 µSv/h Innere und äußere Erosion – Konsolidation

AktivitätsAblagerung Nachweiszeitinventar raum Tailings pond Culmitzsch A Ai/FGi = Hohlform: 1000 a 2,55 E+11 ehemaliger UranerzTagebau

Multifunktionale Dammbauwerk/ Abdeckung Hohlform

Bodenproben; Grundwassermessstellennetz; Exhalationsrate (Anreicherungsbox), [37] Tracerversuche (SF6) Total: ODL

Langzeitüberwachung

Boden-, Wasser- und Luftpfad

Radionuklid transport

Technische und biologische Wasseraufbereitungsanlagen

Reinigung der Wässer

Sickerwasserfassungen, Förderbohrlöcher

Auffangen kontaminierter Wässer

Tab. 6.12 Parameter der Geotechnischen Umweltbauwerke zur langzeitsicheren, langzeitstabilen Verwahrung der Tailings ponds der SDAG Wismut

6.5 Vergleichende Betrachtungen zum Radionuklidinventar der Schachtanlage Asse II 231

232

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

6.6 Zusammenfassung des Konzepts einer langzeitsicheren Verwahrung von LAW und MAW Die langzeitsichere Lagerung radioaktiver Abfälle ist in diesem Kapitel umfänglich behandelt worden. In Tab. 6.9 sind die wesentlichen Parameter der Geotechnischen Umweltbauwerke, als Anlagen nach § 9 a AtG zur langzeitsicheren Verwahrung von LAW und MAW in Deutschland nach derzeitigem Stand, zusammengestellt. Ein Vergleich von Tab. 6.12 und 6.13 zeigt, dass die wesentlichen Unterschiede bei Verwahrung von UranTailings ponds der SDAG Wismut und LAW und MAW in Deutschland, bei gleich geltenden Gesetzen und Verordnungen, bestehen bleiben. Dies spiegelt sich auch in der Risikobewertung und Einschätzung der ausgehenden Gefährdungen wider. Das derzeitige Stilllegungsszenario für Endlager für überwachungspflichtige radioaktive Abfälle in Deutschland sieht vor, dass „nach Beendigung aller Stilllegungsmaßnahmen kein Kontroll- und Überwachungsprogramm erforderlich ist“, während bei den Uran-Tailings ponds mit dem Hüteprinzip die Langzeitsicherheit garantiert werden soll. Mit der Vorgabe eines extrem langen Betrachtungszeitraums für die Langzeitsicherheit der Endlagerung überwachungspflichtiger radioaktiver Abfälle soll der Eindruck einer hohen Sicherheit vermittelt werden. Die Langzeitsicherheit ist aber vom vorgegebenen Betrachtungszeitraum unabhängig und hängt einzig und allein von den Parametern des Geotechnischen Umweltbauwerkes als Anlage nach § 9 a AtG ab. Der „geologische“ Betrachtungszeitraum für die Langzeitsicherheit eines Endlagers stößt an wissenschaftliche Grenzen, sofern er Zustandsgrößen des Geotechnischen Umweltbauwerkes einbeziehen muss. Da diese Zustandsgrößen zeitabhängig sind, ist eine Extrapolation der Messergebnisse aus Zeitreihen von wenigen Jahrzehnten auf mehr als 100.000 Jahre grundsätzlich nicht zulässig. Eine Wirkung wird durch solche Betrachtungsweise allerdings erzielt: Sie schürt Ängste und Unsicherheiten mit der Nebenwirkung, dass eine langzeitsichere Verwahrung dieser Abfälle nicht beherrschbar sei. Die Erfahrungen zeigen etwas anderes und werben für gesellschaftliche Akzeptanz im sachgerechten, verantwortungsvollen Umgang mit der erzeugten und nunmehr langzeitsicher zu verwahrenden Radioaktivität. Eine schnelle Stilllegung ist ohnehin nicht angeraten. Ein alsbaldiger Verschluss einer Anlage nach dem Prinzip „Augen zu und durch!“ trägt auch die Botschaft, die wollen die radioaktiven Abfälle so schnell wie möglich los werden und das Problem auf die nachfolgenden Generationen verlagern. Diesen sollte die Möglichkeit des Eingriffs gewährt werden, denn betroffen sind sie aufgrund der Langlebigkeit von den radioaktiven Abfällen ohnehin.

Ehemalige Gewinnungsbergwerke; Morsleben in SachsenAnhalt Remlingen in Niedersachsen

Gebinde, zumeist 200 l-Fässer; Gebinde nicht als technische Barriere ausgebildet

Einlagerungs- Anlieferungsbereiche format

Aktivitätsinventar ERAM und der SA Asse II Ai/FGi = ERAM 6,95 E+09 Asse II 1,30 E+11 In tiefen geologischen Formationen: ERAM: Steinsalz Asse: Steinsalz, jeweils in Einlagerungskammern

Ablagerung

1.000.000 a

Nachweiszeitraum

Radionuklidtransport

Integrität des Wasser- und EndlagerbauLuftpfad werks/Langzeitsicherheitsnachweis: Verhinderung des Übertritts von Radionukliden in die Biosphäre

Nachweise

ERAM: keine SA Asse: Option der geordneten Bergung und Verbringung des Inventars an einen genehmigungsfähigen Endlagerstandort

Reversibilität

Tab. 6.13 Parameter der Geotechnischen Umweltbauwerke als Anlagen nach § 9 a AtG zur langzeitsicheren Verwahrung von LAW und MAW in Deutschland nach derzeitigem Stand

6.6 Zusammenfassung des Konzepts einer langzeitsicheren Verwahrung 233

Einlagerungskammern

ERAM: Versatz der Einlagerungskammern, möglicherweise Einbringen von Sorelbeton, Optimierung während der Betriebsphase bis zur Ausreichung des Planfeststellungsbeschlusses Asse II: 3 Optionen: Rückholung; Verbringung auf tiefere Sohlen, Verwahrung vor Ort; Siehe Beschreibung Optionen. Derzeit Sicherung der Grubenbaue, Faktenerhebung, Notfallplanung

Multibarrierensystem

Dammbauwerke und Verschlussbauwerke

Tab. 6.13 (Fortsetzung)

ERAM 9,18 E+13 Bq Asse II 2,48 E+15 Bq

Aktivitätsinventar

ERAM: Keine wesentlichen bekannt Asse II: Eingeschränkte Integrität, unkontrollierte Wasserzutritte möglich

Defekte/ Gebinde

Beurteilungswert für die Strahlenexposition  0,3 mSv/a ERAM: Expositionsnachweis niedrigere Expositionen SA Asse II: liegt derzeit kein belastbarer Expositionsnachweis vor Störfall: Auslegungsüberschreitender Lösungszutritt In der SA Asse II ist eine Notfallplanung aktiv mit dem Szenario: Aufgabe des Bergwerks

Störfall

Langzeitmonitoring

Ermittlung des Nicht vorgeseTransfers von hen Radionukliden innerhalb der Biosphäre und Zuordnung zu einer Person oder einer Personengruppe mit ihren Lebensgewohnheiten. Beprobung von Ausbreitungsmedien Total: ODL

Umgebungsüberwachung

234 6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

Literatur

235

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236

6 Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität

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7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

7.1

In Deutschland zu entsorgende hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle

In diesem Kapitel wird neben radioaktiven Inventaren auf die vorhandenen Endlagerlösungen für hochradioaktive Abfälle eingegangen, ausgehend von der Beschreibung der Situation in Deutschland. Mit der Wahl des Endlagerstandorts kommt der Endlagerkonzeption und dem Zusammenwirken der geologischen, geotechnischen und technischen Barrieren die Aufgabe zu, die Langzeitsicherheit dauerhaft unter den verschiedenen Szenarien zu gewährleisten. Auch auf die besondere Bedeutung von Umwelt- und Gesundheits-Monitoring wird verwiesen und im Zusammenhang diskutiert. Die detaillierte Beschreibung der Langzeitsicherheit und des Monitorings sind jedoch den Kap. 8 und 9 vorbehalten.x Die Entsorgung von radioaktiven Abfällen wird weltweit als ein bedeutendes wirtschaftliches und umweltpolitisches Thema gesehen, aber dennoch kann nicht einmal die Internationale Atomenergiebehörde IAEA genau sagen, wo welche Menge an radioaktiven Abfällen lagert. Die von der IAEA geführte Liste von Endlagern enthält nahezu alle weltweit im Bau und Betrieb befindlichen sowie stillgelegten und verschlossenen Endlager für schwach-, mittel-, und hochradioaktive Abfälle. Und diese ist beträchtlich. Die Vollständigkeit der Liste kann aber aktuell auch nicht gewährleistet werden, da die Meldung eines Endlagers an die IAEA auf freiwilliger Basis erfolgt, und nicht alle Länder haben Reporte über ihre Anlagen eingereicht. Nach Angaben der World Nuclear Association (WNA) entstehen weltweit Jahr für Jahr 12.000 t hochradioaktiver Abfälle. Dazu zählen in Deutschland in erster Linie Brennelemente aus deutschen Kernkraftwerken sowie Abfälle aus der Wiederaufbereitung von Brennelementen aus deutschen Kernkraftwerken, konditioniert in Frankreich und England (z. B. Verglasung der hochaktiven Spaltproduktlösungen). International stammen noch die hochradioaktiven Abfälle aus der militärischen Verwendung der Kernenergie. In Kap. 2 zeigt Abb. 2.1 in der dort dargestellten Klassifizierung, dass hochradioaktive Abfälle (High Active Waste – HAW) eine Zerfallswärme von (2–20) kW/m3 entwickeln © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 M. Lersow, Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57822-3_7

239

240

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

und durch eine spezifische Radioaktivität von > 1,0 E+14 Bq/m3 gekennzeichnet sind, siehe [37] und [10]. International und für die Endlagerung wesentlich ist die Unterscheidung weiter in SL – short lived (kurzlebig), ML – medium lived (mittellebig) und LL – long lived (langlebig). In Deutschland ist man, wegen des definierten Ausstieges aus Gewinnung von Elektroenergie durch Kernspaltung, in der Lage, die Menge HAW hinreichend genau anzugeben. Das BMU schreibt regelmäßig die Mengenbilanzen endzulagernder radioaktiver Abfälle im Nationalen Entsorgungsprogramm fort. Eine Zusammenfassung sämtlicher vorhandener Erkenntnisse und der Ergebnisse der bisherigen Erkundung sowie alle radiologisch relevanten Daten sind in der „Vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben“ (VSG) [8] zusammengestellt. VSG dient als eine Planungsgrundlage für die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle – Heat Generating Waste (HGW). So verteilen sich die darin ausgewiesenen radioaktiven Abfälle von ca. 29.030 m3 im Jahr 2075 wie folgt:1  Gesamtaktivität von ca. 6,2  1019 Bq: – ausgediente Brennelemente aus Leistungsreaktoren (ca. 5,3  1019 Bq), – verglaste hochradioaktive Spaltprodukte und Feed-Klärschlämme (verglaste Abfälle (CSD-V)) aus der Wiederaufarbeitung (ca. 9,0  1018 Bq).  Die Gesamtaktivität an ’-Strahlern im Jahre 2075 beträgt ca. 6,4  1018 Bq, davon – ausgediente Brennelemente aus Leistungsreaktoren (ca. 6,2  1018 Bq), – HAW-Kokillen (CSD-V) (ca. 2,0  1017 Bq). Die Brennelemente sind je nach Reaktortyp unterschiedlich aufgebaut und bestehen aus einzelnen Brennstäben. Ein Brennstab ist ein langer Stab mit einer stabilen metallischen Hülle (Röhre), die einen Kernbrennstoff umgibt. Typischerweise besteht der Kernbrennstoff aus vielen gesinterten Tabletten (Pellets), die angereichertes Urandioxid enthalten, evtl. zusätzlich auch Plutoniumdioxid (MOX-Brennelement = Mischoxidbrennelement). Die Pellets werden in die Brennstäbe eingebracht. Eine Schraubenfeder drückt von oben auf die Pellets und hält sie in einer Säule fest zusammen. Am Ende werden die Brennstäbe mit einer Endkappe verschlossen. In der Regel wird eine Anzahl von Brennstäben zu einem Brennelement zusammengebaut. Ein Brennstab gilt als abgebrannt, wenn dieser nicht mehr wirkungsvoll zur Energieerzeugung genutzt werden kann. Dann sollte er ausgetauscht werden. Der verbleibende Anteil an spaltbarem Uran-235 in abgebrannten Brennelementen beträgt durchschnittlich etwa 0,8–0,9 % und ist damit nicht viel größer als bei Natururan, wie es bergmännisch gewonnen wird (0,71 % U-235). Das bergmännisch gewonnene Uran (Uranerz) wird zunächst zu „Yellow Cake“ aufbereitet, siehe Kap. 5. Das Uran besitzt darin nur eine technische Reinheit und liegt in seiner natürlichen Isotopenzusammensetzung vor (etwa 99,3 % U-238 und zu 0,7 % U-235). Um 1

Hierin nicht berücksichtigt sind die Tails-Mengen aus der Anreicherungsanlage Gronau, da nicht abgeschätzt werden kann, wie viel abgereichertes Uran aus der Anlage tatsächlich nicht weiter verwertet oder zur weiteren Verwertung verkauft werden kann.

7.1 In Deutschland zu entsorgende hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle

241

das Uran im Reaktor einsetzen zu können, muss der Anteil von U-235 von 0,7 % auf 3– 5 % erhöht werden, bei wesentlich höherer Reinheit. Eine Steigerung des Abbrandes auf weniger als 0,5 % U-235 ist heute möglich und führt zu weniger wärmeerzeugendem HAW. In der Vergangenheit wurden abgebrannte Brennelemente häufig zur Wiederaufarbeitung nach Frankreich (WAA La Hague) und England (WAA Sellafield) gebracht. Transporte in Wiederaufarbeitungsanlagen (WAA) sind in Deutschland aber per Gesetz seit dem 1. Juli 2005 nicht mehr zulässig. Seitdem wird ausschließlich die direkte Endlagerung verfolgt. Außerdem sind die bis 2005 angefallenen Abfälle aus der Wiederaufbereitung zu entsorgen. In Tab. 7.1 sind Daten abgebrannter Brennelemente zusammengestellt, wie sie in Kritikalitätsrechnungen verwendet werden. Das Nuklidinventar abgebrannter Brennstäbe, siehe Tab. 7.1, das letztendlich endgelagert werden soll, hängt also ab von  dem Reaktortyp,  der Ausgangsanreicherung von U-235 bzw. Pufiss und  dem Abbrand. Die abgebrannten Brennelemente werden nach derzeitiger Technologie in ein Zwischenlager mit Castorbehältern verbracht. Dies kann aber erst dann geschehen, wenn sie auf eine Temperatur abgekühlt sind, die einen Transport in Castorbehältern möglich macht. Dazu verbleiben sie während der Abklingzeit im Abklingbecken des Reaktors. Abklingzeit bezeichnet in der Kerntechnik den Zeitraum, in dem gebrauchte Brennelemente im Abklingbecken verweilen müssen, um danach so wenig Wärme zu erzeugen, dass diese mit dem Castor transportiert werden dürfen. Das Abklingen ist hier nicht durch eine Halbwertszeit beschreibbar, da es sich um ein Gemisch vieler verschiedener Radionuklide handelt, siehe Kap. 2. Alle Zwischenlager2 in Deutschland sind als Trockenlager konzipiert, in die mit bestrahlten Brennelementen oder verglasten hochradioaktiven Abfällen beladene Transportund Lagerbehälter eingelagert werden. Es gibt in Deutschland zwölf Standortzwischenlager an den Kernkraftwerksstandorten und vier standortferne Zwischenlager (Ahaus, Gorleben, Jülich und Rubenow). Die Anzahl der Stellplätze in den Zwischenlagern in Deutschland ist ausreichend, um alle anfallenden HAW bis 2075 aufzunehmen. Kritisch kann es allerdings durch die auf 40 Jahre festgelegte Betriebsgenehmigung für die Zwischenlager werden, die bei allen Zwischenlagern etwa 2050 ausläuft. Zwischenlager sollten Bestandteil einer Endlagerkonzeption sein. Das Spektrum der Zerfallswärme von HAW wird mit 2–20 kW/m3 , siehe Kap. 2, angegeben. Die Wärmeentwicklung radioaktiver Abfälle, siehe Tab. 7.3, ist für die Endlagerung (ewG) relevant, weil die Wärmeeinwirkung auf das Wirtsgestein zu Veränderungen führt. Diese treten durch die wärmebedingte Ausdehnung des Gesteins und die dadurch 2

Die amtliche Bezeichnung lautet: „Zwischenlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und bestrahlte Brennelemente“.

a

Anreicherung % U-235 bzw. % Pufiss 3,6 % U-235 4,4 % U-235 55

Abbrand GWd/t SM 40 100

Abklingzeit/ Jahre 100 0,67

Gew.-% U-235 0,78 0,65

Gew.-% Pufiss 0,58

Gew.-% Putotal 0,95 0,137 1,14 0,137

Bezeichnung: du – DWR – Brennstoff (Urandioxid); 40 – Abbrand in GWd/t SM; a1e2 – Abklingzeit, hier 1  102 a

du55a1e2

du40a1e2

Brennelementa

97,19

Gew.-% U-238 97,53

1,0

Gew.-% sonstige 0,74

7

Tab. 7.1 Charakteristische Daten der für Kritikalitätsrechnungen verwendeter Nuklidinventare, aus [10], Abbrand: in Gigawatt-Tagen pro Tonne Schwermetall (GWd/t SM), Pufiss  (Pu-239 + Pu-241), Putotal  (Pu-238 + Pu-239 + Pu-240 + Pu-241 + Pu-242 + Am-241)

242 Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

7.1 In Deutschland zu entsorgende hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle

243

Tab. 7.2 Wärmeleistung für bestrahlten Kernbrennstoff in Abhängigkeit von der Abklingzeit. (Nach [8]) Wärmeleistung [W/tSM] Reaktortyp/Brennelementetyp Zeit nach Entladung DWR/UO2 DWR/MOX Abbrand Abbrand 55 GWd/tSM 55 GWd/tSM 0 2,80 E+06 2,80 E+06 5 3,40 E+03 7,10 E+03 10 2,20 E+03 5,50 E+03 15 1,80 E+03 5,00 E+03 20 1,70 E+03 4,60 E+03 30 1,40 E+03 3,90 E+03 40 1,20 E+03 3,50 E+03 50 9,80 E+02 3,10 E+03 60 8,40 E+02 2,80 E+03 70 7,30 E+02 2,60 E+03 80 6,40 E+02 2,40 E+03 90 5,70 E+02 2,20 E+03 100 5,10 E+02 2,10 E+03

SWR/UO2 Abbrand 50 GWd/tSM 2,00 E+06 2,90 E+03 1,90 E+03 1,60 E+03 1,40 E+03 1,20 E+03 9,90 E+02 8,30 E+02 7,10 E+02 6,10 E+02 5,40 E+02 4,70 E+02 4,20 E+02

SWR/MOX Abbrand 50 GWd/tSM 2,00 E+06 5,70 E+03 4,40 E+03 3,90 E+03 3,60 E+03 3,00 E+03 2,60 E+03 2,30 E+03 2,10 E+03 1,90 E+03 1,80 E+03 1,60 E+03 1,50 E+03

entstehenden Spannungen auf. Beim Abkühlen erfolgt der umgekehrte Vorgang, der Rückgang erfolgt aber langsamer als der Spannungsaufbau bei der Erwärmung. Eine Folge kann sein, dass durch Spannungsaufbau und -abbau Risse entstehen und sich ggf. neue Wegsamkeiten bilden, siehe [13]. Diese können auch entstehen, wenn es aufgrund der Wärmeeinwirkung zu temperaturbedingten Änderungen der Gesteinseigenschaften oder zu Mineralumwandlungen kommt, siehe [4]. Durch die Wärmentwicklung endgelagerter HAW darf aber das Isolationsvermögen der geologischen Barrieren eines Endlagersystems, wie durch die thermisch induzierten Spannungen oder durch Veränderungen der Barriereeigenschaften, nicht herabgesetzt werden. Um solche Nachteile zu vermeiden, muss die Wärmeeinwirkung der Abfallgebinde auf das Wirtsgestein und die insgesamt in das Endlager eingebrachte Wärmelast begrenzt werden. Dazu gehört auch eine Begrenzung der Kontakttemperatur bezogen auf das Wirtsgestein im Endlager. In [3] wird für das Wirtsgestein Steinsalz eine Begrenzung der Kontakttemperatur auf 200 °C empfohlen. Für die Wirtsgesteine Tonstein und Granit sind niedrigere Kontakttemperaturen (jeweils 100 °C) einzuhalten, da diese Wärme schlechter leiten als Steinsalz und Änderungen der Eigenschaften schon bei niedrigeren Temperaturen erfolgen. Die Einhaltung dieser Temperaturgrenzen kann durch ein entsprechendes Einlagerungskonzept erreicht werden. Einflussgrößen sind vor allem die Abklingzeiten der Brennelemente und HAW-Glasabfälle, die räumlichen und zeitlichen Einlagerungsmuster sowie die Anordnung der Bohrlöcher bzw. der Einlagerungskammern und deren Abstände untereinander, siehe Tab. 7.2 und Abb. 7.1.

244

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Abb. 7.1 Wärmeleistung des Brennstoffs für verschiedene Brennelementtypen und Abbrand in Abhängigkeit von der Abklingzeit. (Gemäß Tab. 7.2 und [8]) Tab. 7.3 a Spaltprodukte von Brennelementen [2], b Spaltprodukte von Brennelementen [2] Spaltprodukte mittlerer Lebensdauer (0,3 % des Inventars) SpaltT1/2 in a Q in keV Zerfall produkt durch Eu-155 4,76 252 “” Kr-85 10,76 687 “” Cd-113m 14,10 316 “ Sr-90 28,90 2826 “ Cs-137 30,23 1176 “” Sn-121m 43,90 390 “” Sm-151 90,00 77 “ Tab. 7.3a Q – freigesetzte Energie

Spaltprodukte langer Lebensdauer (0,1 % des Inventars) SpaltT1/2 in 106 a Q in keV produkt Tc-99 0,211 294 Sn-126 0,230 4050 Se-79 0,327 151 Zr-93 1,53 91 Cs-135 2,3 269 Pd-107 6,5 33 I-129 15,7 194 Tab. 7.3b Q – freigesetzte Energie

Zerfall durch “ “” “ “” “ “ “”

Mögliche Folgen der Wärmeentwicklung auf das Isolationsvermögen der geologischen Barrieren, die erheblich größeren Schutzmaßnahmen zur Reduzierung der wärmeinduzierten Belastung des Gebirges und die mögliche Beeinträchtigung der Barrierefunktion gering durchlässiger Wirtsgesteinskörper durch Gasdruckaufbau, haben nicht nur Auswirkungen auf die Standortauswahl. Mit der Festlegung von Temperaturgrenzen für Kontakttemperaturen der Wirtsgesteine entsteht auch ein Einfluss auf die Auslegung des Endlagers, wie Barrieren und die Dimensionen von Einlagerungskammern.

7.2 Vergleichende Betrachtungen zu Radionuklidinventaren in Endlagerbauwerken

245

Im Radionuklidvektor abgebrannter Brennstäbe existieren Alphastrahlen emittierende Nuklide mit zum Teil sehr langen Halbwertszeiten (Np-237, Pu-238, Pu-239, Pu-240, Cm-243 und Cm-244). Diese sind in Tab. 7.1 unter sonstige erfasst. Bei der direkten Endlagerung und für den Nachweis der Sicherheit der Lagerung über sehr lange Zeiträume, gesetzlich verankert über 1 Mio. Jahre, spielen die Radionuklide mit einer langen Halbwertszeit eine bedeutende Rolle. Im Hinblick auf die Langzeitsicherheit eines Endlagers ist neben der Radiotoxizität auch die Mobilität der Radionuklide von besonderer Bedeutung. Der Anteil der Spaltprodukte im Inventar (bei 4 % U-235-Anreicherung bei Beladung und einem Abbrand 45 GWd/t SM) ist in Tab. 7.3a und b zusammengefasst und gibt einen Hinweis auf die Wärmefreisetzung.

7.2 Vergleichende Betrachtungen zu abgelegten Radionuklidinventaren in Endlagerbauwerken in Deutschland Das Aktivitätsinventar unterscheidet sich von dem der zuvor beschriebenen Inventare der Asse und des ERAM nicht nur durch die wesentlich höhere Aktivität, sondern auch durch die völlig andere Zusammensetzung und Wärmeentwicklung, die sich aus dem Zerfallsprozess der beteiligten Nuklide ergibt. So ist z. B. ein Nachweis der Unterkritikalität erforderlich, mit dem zu zeigen ist, dass „sich selbst erhaltende Kettenreaktionen sowohl bei wahrscheinlichen wie auch bei weniger wahrscheinlichen Entwicklungen ausgeschlossen sind.“ [14]. Neben den beiden Standorten Asse und ERAM, in denen niedrig und mittel aktive (LAW und MAW) Abfälle in geologisch tiefen Schichten abgelegt sind, wird die Schachtanlage Konrad derzeit zu einem Endlager für radioaktive Abfälle mit geringer Wärmeentwicklung umgerüstet, siehe Kap. 6. Daneben existieren große Anlagen mit Rückständen der ehemaligen Uranerzaufbereitung, in denen ebenfalls Materialien nach Strahlenschutzgesichtspunkten verwahrt werden. Für die Zukunft besteht die Aufgabe, auch für die in der Schachtanlage Asse abgelegten LAW und MAW sowie für die HAW aus der Kernkraftnutzung langzeitsichere Verwahrmöglichkeiten zu finden. Obwohl die rechtlichen Rahmenbedingungen für diese Fälle sehr unterschiedlich sind, ist es zur Veranschaulichung der Problemstellungen durchaus nützlich, diese mit in den vorgenannten Abfallkategorien vorhandenen radioaktiven Inventare zu vergleichen. Ein solcher Vergleich stößt allerdings auf Schwierigkeiten, da in den Abfallkategorien sehr unterschiedliche Radionuklide dominieren. Da die physikalische Größe Aktivität zwar gut messbar ist, aber wenig aussagekräftig in Hinblick auf die potenziell damit verbundenen Gefährdungen, werden zum Vergleich von Inventaren unterschiedliche Kenngröße konstruiert. So können z. B. die rechnerischen Dosen ermittelt werden, die aus einem vollständigen Verzehr der Abfälle („Ingestion“) resultieren. Die so erhaltenen Dosen sind völlig fiktiv und können durch Umrechnung auf „Krebstote“ manipulativ missbraucht werden. Daher wird hier ein anderer Indikator benutzt. Indem die Aktivitätsinventare Ai

246

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

für jedes Radionuklid i auf die Freigrenze der Gesamtaktivität (FGi) des jeweiligen Radionuklids laut StrlSchV (Anlage III Tabelle 1 Spalte 2) bezogen werden, ergibt sich eine dimensionslose Verhältniszahl. Die Summe dieser Verhältniszahlen über alle Radionuklide ergibt einen dimensionslosen Aktivitätsindex, der geeignet ist, das Gesamtinventar von Aktivitätsinventaren mit unterschiedlicher Zusammensetzung zu charakterisieren. Die radiologische Gefährlichkeit von Einzelnukliden ist dabei über die jeweilige Freigrenze der Einzelnuklide orientierend berücksichtigt. Für die Beurteilung der Radioaktivität in Hinblick auf die Langzeitsicherheit bei der Endlagerung wäre darüber hinaus eine Wichtung nach hydrochemischer Mobilität sinnvoll. Bei der Freisetzung von Radionukliden spielen die Prozesse Behälterkorrosion, Zersetzung der Abfallmatrix, in Lösung Gehen der Schadstoffe, Sorption und radioaktiver Zerfall eine Rolle. Dabei verhalten sich die Radionuklide gemäß ihrer chemischen Eigenschaften unterschiedlich mobil. Alle Freisetzungsprozesse können nur in wässrigen Systemen ablaufen, siehe Kap. 8. Da es für eine Wichtung nach hydrochemischer Mobilität aber keine verbindlichen Datensätze gibt, sind Indikatoren, die hydrochemische Effekte berücksichtigen, derzeit subjektiv beeinflusst und daher für generelle Vergleiche wenig geeignet. Somit bleibt die sich aus der hydrochemischen Mobilität der einzelnen Radionuklide ergebende Mobilität der Inventare unberücksichtigt. Mit der Mobilität allein lässt sich die Ausbreitung von Radionukliden in die Biosphäre auch nicht beschreiben. Dazu gehören neben dem Isolationsvermögens des ewG auch die Wegsamkeiten im Deck- und Nebengebirge etc. In Tab. 7.4 sind Daten von abgebrannten Brennelementen von Druck- und Siedewasserreaktoren (DWR + SWR) und Abfällen aus der Wiederaufarbeitung (CSD-V und CSDC) zum Ende der Betriebsphase (hier unterstellt 2075) eines Endlagers nach [9] ausgewertet und eine Berechnung von Aktivitätsindikatoren zur Wichtung der Radioaktivität in Hinblick auf die Langzeitsicherheit eines Endlagers vorgenommen. Der Zeitpunkt 2075 stellt bei einer angenommenen Inbetriebnahme des Endlagers im Jahr 2035 und einer Betriebszeit von 40 Jahren den frühestmöglichen Zeitpunkt für den Abschluss der Einlagerung aller wärmeentwickelnden radioaktiven Abfälle in einem Endlager in Deutschland dar. Die in [9] aufgeführten Angaben zu den Inventaren der abgebrannten DWR- und SWR-Brennelemente basieren auf Abbränden von 55 bzw. 50 GWd/tSM (Gigawatttage pro Tonne Schwermetall). Die Angaben zu den Inventaren der Abfälle aus der Wiederaufarbeitung basieren auf Abbrand- und Aktivierungsrechnungen für einen Abbrand von 33 GWd/tSM (Uranoxidbrennstoff mit einer Anreicherung von 3,5 % im Uran-235) sowie unterstellten Abtrennfaktoren für Uran von 0,998 und für Plutonium von 0,994 innerhalb des Wiederaufarbeitungsprozesses. Neuere Untersuchungen zu gemessenen Inventaren an verglasten Abfällen aus der Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) in La Hague zeigen [9], dass die realen mit den berechneten Inventaren nicht immer übereinstimmen. Insbesondere für die leicht flüchtigen Elemente wie Jod und Chlor liegen die realen Werte erheblich niedriger.

7.2 Vergleichende Betrachtungen zu Radionuklidinventaren in Endlagerbauwerken

247

Tab. 7.4 Halbwertszeiten, Freigrenzen (FGi), Aktivitätsinventare Ai (Bq) und Indikatoren Ai/FGi (-) von abgebrannten Brennelementen und Abfällen aus der Wiederaufarbeitung zum Ende der Betriebsphase des deutschen Endlagers (hier unterstellt 2075). (Nach [9]) ISOTOP

T1/2 [a]

C-14 Cl-36 Se-79 Sr-90 Tc-99 I-129 Cs-135 Cs-137 U-232 U-234 U-238 Np-237 Pu-238 Pu-239 Pu-240 Pu-241 Pu-242 Am-241 Am-242m Am-243 Cm-244 Cm-245 Cm-246 Summe

5,73 E+03 3,00 E+05 6,50 E+04 2,91 E+01 2,13 E+05 1,57 E+07 2,30 E+06 3,00 E+01 7,20 E+01 2,45 E+05 4,47 E+09 2,14 E+06 8,78 E+01 2,41 E+04 6,54 E+03 1,44 E+01 3,87 E+05 4,33 E+02 1,52 E+02 7,39 E+03 1,81 E+01 8,51 E+03 4,73 E+03

DWR+SWR [Bq] 3,15 E+14 9,07 E+12 2,53 E+13 8,47 E+18 7,74 E+15 1,65 E+13 2,66 E+14 1,44 E+19 1,82 E+13 8,04 E+14 1,12 E+14 2,39 E+14 2,12 E+18 1,65 E+17 3,72 E+17 4,70 E+18 2,32 E+15 3,05 E+18 9,80 E+15 2,96 E+16 5,63 E+17 1,18 E+15 2,11 E+14 3,39 E+19

CSD-V/C [Bq] 1,22 E+14 3,92 E+12 8,53 E+12 1,87 E+18 2,64 E+15 4,97 E+12 8,21 E+13 2,89 E+18 7,96 E+09 9,30 E+11 9,11 E+10 6,30 E+13 1,97 E+15 4,10 E+14 1,21 E+15 2,84 E+15 2,14 E+12 1,54 E+17 8,31 E+14 2,76 E+15 1,16 E+16 2,41 E+13 3,41 E+12 4,94 E+18

SUMME [Bq] 4,38 E+14 1,30 E+13 3,38 E+13 1,03 E+19 1,04 E+16 2,14 E+13 3,48 E+14 1,73 E+19 1,82 E+13 8,05 E+14 1,12 E+14 3,02 E+14 2,12 E+18 1,66 E+17 3,73 E+17 4,70 E+18 2,33 E+15 3,20 E+18 1,06 E+16 3,24 E+16 5,74 E+17 1,20 E+15 2,14 E+14 3,88 E+19

Freigrenze FGi (Bq) 1,00 E+07 1,00 E+06 1,00 E+07 1,00 E+04 1,00 E+07 1,00 E+05 1,00 E+07 1,00 E+04 1,00 E+03 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+03 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+03 1,00 E+05 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+03 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+03

Summe Ai/FGi 4,37 E+07 1,30 E+07 3,38 E+06 1,03 E+15 1,04 E+09 2,15 E+08 3,48 E+07 1,73 E+15 1,82 E+10 8,05 E+10 1,12 E+10 3,02 E+11 2,12 E+14 1,65 E+13 3,73 E+14 4,70 E+13 2,32 E+11 3,20 E+14 1,06 E+12 3,24 E+13 5,75 E+13 1,20 E+11 2,14 E+11 3,82 E+15

In Tab. 7.4 aufgeführt sind die Daten von den 20 Radionukliden mit den höchsten Werten des Aktivitätsindikators. Tab. 7.4 zeigt, dass die höchsten Werte des Aktivitätsindikators in allen hier betrachteten Aktivitätsinventaren vom Cs-137 und Sr-90 stammen. Beide Radionuklide zerfallen aber aufgrund ihrer Halbwertszeit von ca. 30 Jahren relativ schnell und sind für Langzeitbetrachtungen weniger wichtig. Von den langlebigen Radionukliden finden sich Pu-239, Pu-240 und Am-241 unter den wichtigsten zehn Radionukliden der LAW/MAW und der HAW. Streicht man auch bei den HAW die Radionuklide, die weniger als 100 Jahre Halbwertszeit besitzen, aus der Betrachtung heraus, dann verbleiben noch 11 % des Aktivitätsinventars der Brennelemente und 3 % des Aktivitätsinventars der Wiederausarbeitungsrückstände, die aber 22 % des Aktivitätsindikators bei den Brennstäben und 4 % des Aktivitätsindikators bei den Wiederaufarbeitungsrückständen besitzen. Der dann für Langzeitbetrachtungen relevante Aktivitätsindex in Tab. 7.4 reduziert sich auf 7,44 E+14.

248

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Tab. 7.5 Maximale Einlagerungsaktivitäten(-Radiotoxizitäten) relevanter Radionuklide und Radionuklidgruppen am Ende der Betriebsphase des Endlagers Konrad. (Quelle: [42]) Radionuklid/Radionuklidgruppe H-3 C-14 I-129 Ra-226 Th-232 U-235 U-236 U-238 Pu-239 Pu-241 Gesamt ’-Strahler Gesamt “/”-Strahler Summe

Halbwertszeit [a] 12,3 5700 1,60 E+07 1600 1,40 E+10 7,00 E+08 2,30 E+07 4,40 E+09 24.000 14,4

FGi [Bq] 1,00 E+09 1,00 E+07 1,00 E+05 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+05





Aktivität [Bq] 6,0 E+17 4,0 E+14 7,0 E+11 4,0 E+12 5,0 E+11 2,0 E+11 1,0 E+12 1,9 E+12 2,0 E+15 2,0 E+17 1,5 E+17 5,0 E+18 5,15 E+18

Radiotoxizität [–] 6,00 E+08 4,00 E+07 7,00 E+05 4,00 E+08 5,00 E+07 2,00 E+07 1,00 E+08 1,90 E+08 2,00 E+11 2,00 E+12 2,20 E+12 6,41 E+08 2,20 E+12

Die nachfolgenden Betrachtungen sollen zeigen, dass sich aufgrund der Radiotoxizität der verschiedenen Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen einerseits sehr unterschiedliche Anforderungen an die Geotechnischen Umweltbauwerke (Endlagerbauwerke) ableiten, andererseits sich die hier vorgestellten standortspezifischen Entsorgungslösungen nicht mit den dort abgelagerten radioaktiven Inventaren begründen lassen. Für die Schachtanlage Konrad können die maximalen Einlagerungsaktivitäten zum Vergleich herangezogen werden, siehe Tab. 7.5. Streicht man auch hier die für Langzeitsicherheit des Endlagers nicht relevanten Nuklide H-3 und Pu-241 aus der Betrachtung, verändert sich der Aktivitätsindex von Schacht Konrad auf 2,01 E+11. Die Bilanzierung der Aktivitätswerte Radionuklide und Radionuklidgruppen, Gesamt’-Strahler und Gesamt-“/”-Strahler ist mit dem Planfeststellungsbeschluss für das Endlager Konrad festgeschrieben. Die Abweichungen in den Aktivitätsangaben in Tab. 7.5, siehe auch Kap. 6, zwischen den Summenwerten (Gesamt-’-Strahler und Gesamt-“/”Strahler) und den Einzelwerten kommen dadurch zustande, dass die Radionuklide aus der Th-232-Zerfallsreihe und der U-238-Zerfallsreihe in Gesamt-’-Strahler und Gesamt-“/”Strahler eingegangen sind, siehe Kap. 2, Abb. 2.2. Der Einfluss auf den Radiotoxizitätsindex (Tab. 7.5, rechte Spalte) ist gering. Der Vergleich zur kerntechnischen Anlage Asse II zeigt, dass die Aktivitätsindizes in der gleichen Größenordnung liegen, siehe Tab. 7.6. In Tab. 7.6 sind Aktivitätsindikatoren für die Asse und das ERAM auf der Basis der veröffentlichten Angaben zu den Radionuklidinventaren der Asse [6] und ERAM [5] dargestellt. Die Daten zeigen, dass in der Schachtanlage Asse II ein insgesamt höheres Radionuklidinventar eingelagert wurde als im genehmigten Endlager Morsleben. Bezogen auf den hier errechneten Aktivitätsindex ist das Inventar der Asse mit 1,50 E+11 um

7.2 Vergleichende Betrachtungen zu Radionuklidinventaren in Endlagerbauwerken

249

Tab. 7.6 Zusammenstellung der Gesamtaktivität Ai und der Werte des Aktivitätsindikators Ai/FGi (FG – Freigrenze nach Anlage II Tabelle 1 Spalte 2 StrlSchV) für die radiologisch wichtigsten Radionuklide im Inventar der Schachtanlage Asse II und im ERA Morsleben. (Quellen: [5] und [6]) Nuklid C-14 Co-60 Ni-63 Sr-90 Cs-137 Ra-226 U-234 U-238 Pu-238 Pu-239 Pu-240 Pu-241 Am-241 Cm-244 Summe ’ Summe “/” Summe

HWZ [a] 5700 5,3 100 28,5 30,2 1600 250.000 4,40 E+09 87,7 24.000 6600 14,4 432,6 18,1

FGi [Bq] 1,00 E+07 1,00 E+05 1,00 E+08 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+03 1,00 E+05 1,00 E+04 1,00 E+04

Asse II (31.12.2013) Ai [Bq] Ai/FGi [–] 2,60 E+12 2,60 E+05 1,10 E+13 1,10 E+08 2,60 E+14 2,60 E+06 2,00 E+14 2,00 E+10 3,60 E+14 3,60 E+10 2,00 E+11 2,00 E+07 1,40 E+12 1,40 E+08 1,30 E+12 1,30 E+08 9,20 E+12 9,20 E+08 4,50 E+13 4,50 E+09 5,10 E+13 5,10 E+10 1,30 E+15 1,30 E+10 2,40 E+14 2,40 E+10 8,00 E+11 8,00 E+07 3,49 E+14 8,08 E+10 2,13 E+15 6,91 E+10 2,48 E+15 1,50 E+11

ERAM (31.12.2013) Ai [Bq] Ai/FGi [–] 3,20 E+12 3,20 E+05 5,40 E+12 5,40 E+07 1,40 E+13 1,40 E+05 4,80 E+12 4,80 E+08 6,30 E+13 6,30 E+09 2,30 E+10 2,30 E+06 1,10 E+09 1,10 E+05 4,30 E+08 4,30 E+04 7,80 E+10 7,80 E+08 6,90 E+10 6,90 E+06 6,60 E+10 6,60 E+07 9,00 E+11 9,00 E+06 2,30 E+11 2,30 E+07 4,80 E+09 4,80 E+05 4,72 E+11 8,88 E+08 9,13 E+13 6,84 E+09 9,18 E+13 7,72 E+09

fast das Zwanzigfache größer als das des ERAM (7,72 E+09). Streicht man die Radionuklide aus den Bilanzen heraus, die weniger als 100 Jahre Halbwertszeit haben (siehe Spalte HWZ (T1/2 ) in Tab. 7.6) und die nach 1000 Jahren nur einen unwesentlichen Beitrag zum Inventar leisten, dann reduziert sich der für Langzeitbetrachtungen relevante Aktivitätsindex des Inventars in der Asse auf 7,98 E+10 und der für das ERAM auf 9,87 E+07. Eine Berechnung von Aktivitätsindikatoren mit dem o. g. Ansatz für die Inventare der Wismut Tailings ponds (s. Kap. 5, Tab. 5.6) enthält Tab. 7.7. Um aus den Daten der Tab. 5.6 einen normierten Aktivitätsindex abzuleiten, wurde berücksichtigt, dass sich Unat hinsichtlich der Aktivitäten wie folgt zusammensetzt: 238U/234U = 1,0, 235U/238U = 0,046. Außerdem gilt für die Tochternuklide des Urans, dass 230Th/226Ra ca. 1 ist und 231 Pa und 227Ac ca. 0,046 der 230Th-Aktivität besitzen (siehe auch [7]). Mit diesen Angaben ergeben sich die normierten Radionuklidinventare in Tab. 7.7. Diese Tabelle macht deutlich, dass die nach diesem einfachen radiologischen Indikator bewerteten Inventare der Wismut-Tailings ponds und die der Asse vergleichbar sind. Unterschiede gibt es aber in der Mobilität der Radionuklide. Die hydrochemische Mobilität der Radionuklide des Inventars der Tailings ponds ist wesentlich höher als die in Endlagern für radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung, siehe Kap. 5. Die Mobilität ist nicht der einzige Faktor, der die Ausbreitung von Radionukliden in die Biosphäre beschreibt, sondern dazu gehören weiterhin das Isolationsvermögens und sich ausbildende Wegsamkeiten im Geotechnischen Umweltbauwerk.

250

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Tab. 7.7 Radionuklidinventare von Wismut Tailings ponds, normiert auf die Freigrenzen (FGi) [7] Tailings pond

FGi [Bq]

U-238+ U-234 Th-230 Ra-226++ U-235+ Pa-231 Ac-227+ Ra-223+ Summe

1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+03 1,00 E+03 1,00 E+05

Culmitzsch A Ai/FGi 1,22 E+10 1,22 E+10 7,90 E+10 7,90 E+10 5,56 E+08 3,60 E+10 3,60 E+10 3,60 E+08 2,55 E+11

Culmitzsch B Ai/FGi 5,60 E+09 5,60 E+09 2,40 E+10 2,40 E+10 2,55 E+08 1,09 E+10 1,09 E+10 1,09 E+08 8,15 E+10

Trünzig A Trünzig B Helmsdorf Dänkritz I Ai/FGi 3,80 E+09 3,80 E+09 1,30 E+10 1,30 E+10 1,73 E+08 5,93 E+09 5,93 E+09 5,93 E+07 4,57 E+10

Ai/FGi 1,80 E+09 1,80 E+09 5,00 E+09 5,00 E+09 8,21 E+07 2,28 E+09 2,28 E+09 2,28 E+07 1,83 E+10

Ai/FGi 1,27 E+10 1,27 E+10 5,50 E+10 5,50 E+10 5,79 E+08 2,51 E+10 2,51 E+10 2,51 E+08 1,86 E+11

Ai/FGi 2,50 E+09 2,50 E+09 4,00 E+09 4,00 E+09 1,14 E+08 1,82 E+09 1,82 E+09 1,82 E+07 1,68 E+10

Tab. 7.8 Langzeitsicher zu verwahrende Aktivitätsinventare und zugehörige Radiotoxizität, gemessen als Aktivitätsindikator für verschiedene Inventare von radioaktiven Abfällen bzw. Rückständen Anlage HAW (Tab. 7.4) Konrad (Tab. 7.5) Asse II (Tab. 7.6) ERAM (Tab. 7.6) Culmitzsch A (Tab. 5.6)

Stichtag

Aktivität (Bq) Prognose 2075 3,88 E+19 Prognose 2080 5,15 E+18 31.12.2013 2,48 E+15 31.12.2013 9,18 E+13 (ca. 31.12.2000) 1,94 E+15

Aktivitätsindikator (Radiotoxizität) 3,82 E+15 2,20 E+12 1,50 E+11 7,72 E+09 2,55 E+11

Aktivitätsindikator je MBq 3,82 E+09 2,20 E+06 1,50 E+05 7,72 E+03 2,55 E+05

Für Langzeitaussagen ist außerdem wichtig, dass die Aktivität von Tailings in einem Zeitraum von 1000 Jahren sich kaum verändert (das Radionuklid Th-230 hat eine Halbwertzeit von 80.000 Jahren). In Kap. 5 wurde weiterhin dargelegt, dass selbst bei Austritt des gesamten Porenwassers aus dem Tailings-Körper dies kaum Auswirkungen auf dessen Radiotoxizität hat. Damit wird deutlich, dass sich die vorliegenden standortspezifischen Entsorgungslösungen nicht mit dem jeweils dort abgelagerten radioaktiven Inventar begründen lassen. Eine Zusammenstellung der Aktivitätsinventare aller hier betrachteter Abfälle bzw. Rückstände enthält Tab. 7.8. In dieser Tabelle wurde zusätzlich noch der Aktivitätsindikator je 1 Mio. Bq (MBq) des jeweiligen Radionuklidgemisches angegeben. Entscheidender Unterschied zwischen den Inventaren von LAW/MAW und HAW ist allerdings die Radioaktivität und Radiotoxizität je Volumeneinheit (siehe Tab. 7.9). Nur bei hoher Konzentration der Aktivität in einem kleinen Volumen führt die Strahlungsenergie der radioaktiven Zerfälle bei den HAW zu einer signifikanten Temperaturerhöhung. Das Gefährdungspotenzial wird herausgestellt, wenn man den Vergleich zur natürlichen Radioaktivität eines Bodens zieht.

7.3 Stand der langzeitsicheren und langzeitstabilen Entsorgung von HAW in Deutschland 251 Tab. 7.9 Vergleich von volumenbezogenen Aktivitäten und Aktivitätsindikatoren für verschiedene Inventare von radioaktiven Abfällen bzw. Rückständen Volumen (m3 ) HAW (2075) 29.000 Konrad (2080) 300.000 Asse (2013) 47.000

Aktivität pro Volumen (Bq/m3 ) 1,34 E+15 1,71 E+13 5,28 E+10

Aktivitätsindikator pro m3 1,32 E+11 6,67 E+06 3,19 E+06

ERAM (2013) ca. 40.000 2,30 E+09

1,93 E+05

IAA Culmitzsch A (ca. 2000) Boden/ Erdkruste

3,18 E+07

4,18 E+03

1,57 E+06

134

7.3

6,1 E+07

Bemerkungen Volumen nach [8] Volumen nach [1] Volumenangabe = Gebindebruttovolumen 36.753 m3 feste und verfestigte Abfälle sowie 6621 umschlossene Strahlenquellen Volumen nach [7]

Annahme: U-238sec = Th-232 = 40 Bq/kg; Dichte 1,6 t/m3

Stand der langzeitsicheren und langzeitstabilen Entsorgung von HAW in Deutschland

Lange Zeit galt in Deutschland die vorherrschende Meinung hinsichtlich der Standortsuche für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle, dass diese in tiefen geologischen Schichten verwahrt werden sollten und sich als Wirtsgestein besonders gut Salzstöcke eignen würden, obwohl diese eine hohe Wasserlöslichkeit und ein geringes Sorptionsvermögen aufweisen. Unter Sorption versteht man das Rückhaltevermögen, hier von Radionukliden. Insbesondere besitzt Ton eine hohe Sorptionseigenschaft, Radionuklide an das umgebende Gestein zu binden und so eine Freisetzung zu verzögern und abzumildern. Die für die Endlagerung von HAW hervorstechenden Eigenschaften von Salzstöcken sind folgende:  Salzstöcke können einen sehr homogenen Aufbau aufweisen, besitzen eine äußerst geringe Porosität und entfalten dadurch eine sehr gute Barrierewirkung,  Salzstöcke besitzen eine hohe spezifische Wärmeleitfähigkeit,  Durch die Konvergenz aufgefahrener Einlagerungsbereiche werden die eingelagerten Gebinde im Laufe der Zeit vollständig im Salzstock eingeschlossen, was als zusätzliches Sicherungselement bewertet wird. Endlagerrelevante Eigenschaften potenzieller Wirtsgesteine siehe Tab. 7.14, Abschn. 7.6. Der Autor sieht die Heraushebung des Wirtsgesteins Salinar kritisch, weil diese Gebiete gegenüber versehentlichen oder absichtlichen menschlichen Eingriffen in ein Endlager besonders gefährdet sind, siehe Kap. 8, FEP – Features, Events, Processes. Salzstöcke stellen in Deutschland potenzielle höffige Gebiete dar, in denen menschliche Aktivitäten

252

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

wie Bohrungen, Bergbau oder andere untertägige Vorgänge wie Solen von Kavernen über lange Betrachtungszeiträume nicht auszuschließen sind, siehe [15]. Da Salzgestein für Fluide nahezu impermeabel ist, können sich unterhalb von Salzgesteinsschichten oder Salzstrukturen Kohlenwasserstoffe (Erdöl, Erdgas) ansammeln, sogenannte Erdöl- und Erdgasfallen. Damit sind auch Erdöl- und Erdgaslagerstätten mit diesem Wirtsgestein verbunden. Eine Abwägung der Eignung verschiedener Wirtsgesteine zur Aufnahme eines Endlagers und damit eine gezielte Standortauswahl hat in Deutschland bisher nicht stattgefunden und soll jetzt gemäß [11] ergebnisoffen nachgeholt werden. Aus hiesiger Sicht sind für die Standortauswahl die drei Wirtsgesteinstypen nach derzeitigem Kenntnisstand prinzipiell geeignet, sodass auf dieser Grundlage die Standortauswahl nicht primär ausschlaggebend ist, sondern die Endlagerkonzeption als Ganzes und darin die Abstimmung von natürlichen (geologischen) und geotechnischen-technischen Barrieren. Bei der Standortsuche sollen auch Tonstein und Granite untersucht werden. Um das Sorptionsverhalten der Einlagerungsbereiche zu verbessern, können Bentonite zur Anwendung kommen. Bentonit ist ein durch mineralogische Umwandlung von zumeist vulkanischen Aschen gebildeter Tonstein. Die quellfähige Mischung aus verschiedenen Tonmineralen, Quarz, Glimmer und Feldspat kann als geotechnische Barriere in einem Endlager im Tonstein oder Granit gezielt zur Anwendung gebracht werden. Um ein Endlager für die Bundesrepublik Deutschland zu entwickeln, wurde 1973 ein Standortsuchverfahren in Gang gesetzt, das heute stark kritisiert wird, weil es zu einer Standortwahl, Salzstock Gorleben, kam, die nachweislich nicht die bestmögliche ist und nach heutigen Kriterien sicher nicht in die engere Wahl im Standortauswahlverfahren käme, legt man lediglich das aufnehmende Wirtsgestein als Bewertungsmaßstab zugrunde. Bei der Entscheidung für den Standort Gorleben für ein Erkundungsbergwerk wurden im niedersächsischen Wirtschaftsministerium zunächst neben den drei ursprünglichen Standorten Wahn, Lutterloh und Lichtenhorst3 sowie Gorleben 19 Salzstöcke in Niedersachsen ermittelt, über denen ein 3 mal 4 km großes siedlungsfreies Gelände vorhanden war und wo keine konkurrierende Nutzung vorlag. Als Erkundungsstandort wurde von der niedersächsischen Landesregierung am 22. Februar 1977 entschieden, den Salzstock Gorleben als vorläufigen Standort für eine mögliche Anlage zur Entsorgung der bundesdeutschen Kernkraftwerke zu wählen, siehe [18]. Dass dafür nicht nur fachliche Gründe ausschlaggebend waren, ist heute bekannt. Für die in Gang gesetzte Standorteignungsprüfung war dies wenig hilfreich. Das Erkundungsbergwerk Gorleben ist heute über zwei Schächte erschlossen. Diese sind im Zentrum des rund 14 km langen und 4 km breiten Salzstocks Gorleben mit einer Tiefe von 933 bzw. 840 m geteuft. Vorhabensträgerin ist das Bundesamt für Strahlenschutz. Das Erkundungsbergwerk wird von der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH (DBE) im Auftrag des Bundesamts für Strahlenschutz

3

Wahn, Lutterloh und Lichtenhorst sind Salzstöcke in Niedersachsen.

7.3 Stand der langzeitsicheren und langzeitstabilen Entsorgung von HAW in Deutschland 253

Abb. 7.2 Vereinfachter Profilschnitt des Salzstocks Gorleben. (Quelle: © BGR Hannover; Bornemann 1991)

(BfS) betrieben, siehe [17]. Das Bergwerk Gorleben diente der Erkundung des Salzstocks, siehe Abb. 7.2, auf seine Eignung als mögliches Endlager für hochradioaktive Abfälle. Danach wurde das weltweit umfangreichste Erkundungsprogramm in Gang gesetzt. Von April 1979 bis in das Jahr 1983 hinein wurden insgesamt 477 km seismische Profile zur Bestimmung des Schichtenaufbaus und der Tektonik aufgenommen sowie 322 Pegelbohrungen (ca. 80 m tief) als Grundwassermessstellen, 44 Salzspiegelbohrungen (ca. 260 m tief), vier Tiefbohrungen (ca. 2000 m tief) und zwei Schachtvorbohrungen (knapp 1000 m tief) abgeteuft. Nach Vorliegen des Zwischenberichts (1983) der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) über die bisherigen Ergebnisse der Standorterkundung und zur Schachtabteufung, erteilte die Bundesregierung die Zustimmung zum Beginn der Abteufarbeiten von Schächten und damit auch die Zustimmung zum Beginn von untertägigen Erkundungsarbeiten. Dazu wurden „Sicherheitskriterien für die Endlagerung radioaktiver Abfälle in einem Bergwerk“ veröffentlicht. 1986 begannen die Abteufarbeiten des Schachts Gorleben 1 und damit auch die untertägigen Erkundungsarbeiten. Die Endteufe von 933 m wurde 1997 erreicht. Der Beginn der Abteufarbeiten des Schachts Gorleben 2 war 1989 und 1995 wurde die Endteufe von 840 m erreicht. Der Durchschlag zwischen den Schächten 1 und 2 erfolgte 1986, siehe Abb. 7.3. Die Erkundungsarbeiten wurden durch ständige Protestaktionen und Demonstrationen begleitet, deren Ursache auch in einer völlig inakzeptablen strategischen Ausrichtung des

254

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Tagesanlagen Schacht 1

Schacht 2

500 m

Deckgebirge

Salzstock

1000 m Erkundungssohle in 840 m

1500 m

Einlagerungssohle in 870 m

Abb. 7.3 Erkundungsbergwerk Gorleben (Prinzip). (Quelle: [43])

Endlagervorhabens der Vorhabenträgerin und der Aufsichtsbehörde zu suchen ist. Fehlende Transparenz, fehlende Konfliktlösungsstrategien und Mitwirkungsmöglichkeiten, fehlende vertrauensbildende Maßnahmen und mangelnde Kritik- und Kommunikationsfähigkeit der beteiligten Behörden sowie der fehlende Anreiz für die aufnehmende Gemeinde, an der Lösung der nationalen Aufgabenstellung auch angemessen zu partizipieren. So wurde zunächst am 1. Oktober 2000 von der damaligen Bundesregierung ein zehnjähriges Erkundungsmoratorium verordnet, das im Oktober 2010 endete. Die Erkundungsarbeiten wurden nur für eine kurze Zeit wieder aufgenommen, jedoch am 07. November 2012 bis Stand 2018 unterbrochen. Das Endlagervorhaben kann als gescheitert betrachtet werden.

7.3 Stand der langzeitsicheren und langzeitstabilen Entsorgung von HAW in Deutschland 255

So ist bis heute nur ein kleiner Teil des Salzstocks, der Erkundungsbereich 1, untersucht. Neben dem historisch-politischen Makel der Standortauswahl kann auch die geringe Erkundungstiefe eine abschließende Standortauswahl derzeit nicht begründen, allerdings auch nicht ablehnen. Hinzukommt die Erweiterung des Suchgebietes durch den Beitritt der ehemaligen DDR. Das Standortauswahlgesetz [11] hat die bergmännische Erkundung des Salzstocks Gorleben im Juli 2013 beendet und festgelegt, dass der Salzstock wie jeder andere Standort in Deutschland in ein neues Standortauswahlverfahren einbezogen wird. Die bisherigen Untersuchungen zum Standort Gorleben sind in [12] zur weiteren Verwendung zusammengefasst. In der VSG sind zusammengefasst:  die Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle des BMU vom September 2010,  die verfügbaren Daten aus den bisherigen Untersuchungen für den Standort Gorleben, das heißt die geowissenschaftliche Standortbeschreibung und die Langzeitprognose,  alle für ein Endlager für wärmeentwickelnde Abfälle erwarteten relevanten Abfälle in Deutschland. Auf dieser Grundlage wurde in der VSG ein Sicherheits- und Nachweiskonzept erarbeitet und für die Standortsuche zur Verfügung gestellt, das die Prüfung enthält, ob die in der VSG entwickelten Endlagerkonzepte am Standort Gorleben oder einem vergleichbaren Standort aus heutiger Sicht geeignet sind, die Sicherheitsanforderungen des BMU zu erfüllen. Im Sicherheits- und Nachweiskonzept ist darstellt, wie durch Ausnutzung der Standortgeologie und weiterer technischer Maßnahmen (geotechnische Barrieren) eine langfristig sichere Endlagerung für 1 Mio. Jahre gewährleistet werden kann. Allerdings sind die geotechnischen Barrieren einschließlich der Behälter auf das Wirtsgestein Salinar abgestimmt. Dabei wird der Nachweis einer sogenannten „Nullemission“ (vollständiger Einschluss) angestrebt. Dieser Zustand soll dann gegeben sein, wenn im Betrachtungszeitraum kein durchgängiger Lösungspfad von den Abfällen an die Biosphäre zu erwarten ist. Es werden allenfalls sehr geringfügige Freisetzungen von Radionukliden, die einen Bruchteil der natürlichen Strahlenbelastung ausmachen, darin akzeptiert. Eine Standortsuche ist nun [11], unter Einbeziehung des Standortes Gorleben, ergebnisoffen gestartet. Das Erkundungsbergwerk Gorleben wird in den Offenhaltungsbetrieb überführt und ist so lange offen zu halten, bis dieser Standort nicht im Standortauswahlverfahren ausgeschlossen wird. Die bisher für das Erkundungsbergwerk Gorleben angefallenen Kosten von ca. 1,7 Mrd. C wurden komplett von den Energieversorgungsunternehmen getragen, bei denen hochradioaktive Abfälle angefallen sind. Geregelt ist dies eindeutig im AtG in Verbindung mit der Endlagervorausleistungsverordnung (EndlagerVlV). Die Kostenfrage bei der Entsorgung ist so geklärt, dass entsprechend dem Verursacherprinzip die Abfallerzeuger die Kosten tragen. Die Verantwortung, Endlager nach Stand von Wissenschaft und Technik zu bauen, liegt beim Bund.

256

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Gemäß dem Gesetz zur Neuordnung der Organisationsstruktur im Bereich der Endlagerung [38] wurde das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE), mit Sitz in Berlin, gegründet. Es nimmt Regulierungs-, Genehmigungs- und Aufsichtsaufgaben im Bereich Endlagerung und Zwischenlagerung wahr sowie für den Umgang und Transport von radioaktiven Abfällen. Das BfE ist Verfahrensführerin im Standortauswahlverfahren für ein Endlager für radioaktive Abfälle und überwacht den Vollzug des Verfahrens. Laut § 9a Absatz 3 des Atomgesetzes ist es Aufgabe der Bundesrepublik Deutschland, Endlager für radioaktive Abfälle zu errichten. Diese Aufgabe und die damit zusammenhängenden hoheitlichen Befugnisse hat der Bund der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mbH mit Sitz in Peine/Niedersachsen übertragen. Der Bund nimmt weiterhin die Aufsicht wahr. Die BGE übernimmt laut Atomgesetz die Aufgaben der Asse-GmbH, der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH (DBE) sowie die Betreiberaufgaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), also auch den Offenhaltungsbetrieb des Erkundungsbergwerks Gorleben. Sie ist Vorhabenträgerin für die operativen Aufgaben der Standortsuche. Mit dem Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung [37] wurde die Finanzierung der Entsorgung neu geregelt und hierzu ein öffentlichrechtlicher Fonds eingerichtet, siehe Abschn. 7.7, der im Wesentlichen von den Energieversorgungsunternehmen gespeist wird. Danach bleiben die Energieversorgungsunternehmen für die Stilllegung und den Rückbau der Kernkraftwerke sowie die Verpackung des radioaktiven Abfalls verantwortlich. Die Bundesrepublik Deutschland übernimmt die Verantwortung für die Zwischen- und Endlagerung der hochradioaktiven Abfälle aus deutschen Kernkraftwerken. Gemäß § 21 AtG wird die Standortsuche und damit zusammenhängende Fragestellungen im Umlageverfahren von den Energieversorgungsunternehmen getragen, die Verantwortung liegt beim Bund, siehe oben. Der sichere, verantwortungsvolle und umweltverträgliche Rückbau einschließlich Stilllegung von Kernkraftwerken und anderen kerntechnischen Anlagen ist in Deutschland kein Neuland. Die Energieversorgungsunternehmen eingeschlossen die Energiewerke Nord GmbH besitzen entsprechendes Know-how und haben verschiedene Technologien entwickelt. Dennoch sind Stilllegung und Rückbau jedes einzelnen Kernkraftwerks ein technisch und organisatorisch anspruchsvolles Großprojekt und für den Atomausstieg eine Mammutaufgabe. Von den Kernkraftwerken, die mit der 13. Novelle des Atomgesetzes im Jahr 2011 die Berechtigung zum Leistungsbetrieb verloren haben, erhielten fünf Anlagen ihre Stilllegungs- und Abbaugenehmigung: Isar 1, Neckarwestheim 1, Philippsburg 1, Biblis A und B. Größere kommerzielle Kernkraftwerke an den Standorten Stade, Obrigheim, Mülheim-Kärlich und Greifswald befinden sich im Rückbau, am Standort Würgassen ist der kerntechnische Rückbau bereits abgeschlossen. Im Gegensatz dazu steht die Errichtung eines Endlagerbauwerkes für HAW-HGT. So wird verständlich, dass der Fokus auf der dauerhaft sicheren Entsorgung der hochradioaktiven, wärmeerzeugenden Abfälle liegt. Standortsuche, Langzeitsicherheitsnachweis etc. sind in Kap. 8 beschrieben.

7.4 Internationale Projekte zur Entsorgung von HAW

257

7.4 Internationale Projekte (Lösungen) zur langzeitsicheren Entsorgung von HAW (Auswahl) Weltweite Endlageraktivitäten (inklusive Planung und Forschung) finden derzeit in fast 40 Ländern statt. Eine Zusammenstellung findet sich u. a. in [19]. Im „Worldwide Review Geologic Challenges in Radioactive Waste Isolation“-Prozess findet ein internationaler Austausch zu Endlageraktivitäten statt. Die Internationale Atomenergie Behörde (IAEA) hat mit dem „Joint Convention on the Safety of Spent Fuel Management and on the Safety of Radioactive Waste Management“ ein Rechtsinstrument für den Umgang mit Kernbrennstoffen und radioaktiven Abfällen geschaffen, das bis 03.07.2017 von 76 Ländern und der Euratom ratifiziert wurde. Deutschland arbeitet dabei aktiv mit. Allerdings lassen sich Ergebnisse von anderen Endlagerstandorten nur bedingt übertragen, weil jede Lösung ein Unikat ist und die angetroffenen geologischen Bedingungen sehr unterschiedlich ausfallen. Bei oberflächennahen Lösungen, bei denen die technischen und geotechnischen Barrieren dominant sind, ist die Möglichkeit der Übernahme von ganzen Strukturen nicht ausgeschlossen. Insbesondere bei der Gebindeherstellung und bei der Anwendung von Immobilisaten lassen sich Lösungen, nach in situ Tests, weitestgehend in Deutschland übernehmen. Ein internationaler Vergleich zielt genau darauf ab, die Strukturen zu identifizieren, die sich auf die Verhältnisse in Deutschland projizieren und auch hier anwenden ließen. Eine besonders enge Kooperation gibt es bei der Gestaltung der Langzeitsicherheitsanalyse. Dabei wird auf der „NEA-FEP-Database“ für die Langzeitsicherheitsanalysen, siehe Kap. 8, des Standortes eine FEP-Liste generiert, sodass sich die Wahrscheinlichkeit, dass relevante FEP unberücksichtigt bleiben, sehr verringert. In der VSG ist für das Wirtsgestein Salz und den Standort Gorleben eine spezifizierte FEP-Liste erstellt worden, siehe [21]. Nachfolgend sollen einige internationale Endlagerstandorte, die einen Vergleich mit den Endlageraktivitäten in Deutschland gestatten, näher vorgestellt werden.

7.4.1

Endlagerprojekte in den USA

In den USA wurden zwei voneinander unabhängige Standortsuchverfahren durchgeführt: eines für HAW aus dem militärischen Bereich, das Waste Isolation Pilot Plant (WIPP) in New Mexico, und seit 1982 mit gesetzlichem Auftrag eines für einen geeigneten Endlagerstandort mit einer Kapazität von 70.000 t wärmeentwickelnder Abfälle aus ziviler Nutzung, insbesondere aus Atomkraftwerken, derzeit Yucca Mountain in Nevada, siehe Abb. 7.4. Waste Isolation Pilot Plant (WIPP) Die US Atomic Energy Commission (AEC), der Vorgänger des US Department of Energy (DOE), hat bereits 1955 die National Academy of Sciences (NAS) beauftragt zu prü-

258

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Abb. 7.4 Endlager für HAW in den USA. (Nach Angaben von [19])

fen, welche Gesteine sich zur Endlagerung von radioaktiven Stoffen aus der militärischen Nutzung der Kernenergie eignen. Die NAS empfahl die Endlagerung in Salzformationen, woraufhin schon 1957 ein landesweites Screening zur Auffindung von potenziell für die Endlagerung radioaktiver Abfälle geeigneten Steinsalzlagerstätten durchgeführt wurde. Nach dem politischen Scheitern und Sicherheitsbedenken für ein Endlager in einem stillgelegten Salzbergwerk und detaillierten Untersuchungen von vier Standorten in New Mexico durch den US Geological Survey legte das DOE 1974 die in der Chihuahua-Wüste gelegene Salzformation im Südosten von New Mexico, ca. 40 km östlich von Carlsbad, als Standort für das Endlager (Waste Isolation Plant, WIPP) fest, siehe Abb. 7.5. 1979 wurde die Betriebsgenehmigung zur in situ Erforschung der Wirtsgesteinseigenschaften und zur Entwicklung von Einlagerungsmethoden an WIPP-Site erteilt. Das WIPP ging bereits 1999 in Betrieb und befindet sich heute noch in der Pilotphase. Da sich das Vorgehen für die Errichtung von militärischen Anlagen von dem für zivile Einrichtungen in Bezug auf die Vorgehensweise, die Transparenz und die Einbeziehung der Öffentlichkeit unterscheidet, nimmt die WIPP eine Sonderstellung bei der Standortfestlegung ein. Als das damit weltweit erste in Betrieb genommene Endlager auch für hochradioaktive Abfälle ist es nicht für wärmeentwickelnden hochradioaktiven Abfall, sondern für Transurane (starke ’-Strahler) aus der Forschung sowie aus der Produktion von Atomwaffen bestimmt. Die USA definieren Transuranabfälle als solche, die Radionuklide mit Kernladungszahlen > 92, Halbwertszeiten länger als 20 Jahren und spezifische Aktivitäten von mehr als 3700 Bq/g enthalten. Sie werden in sogenannte Contact-Handled-Abfälle (CH) mit einer zulässigen Dosisleistung an der Behälteroberfläche bis zu 2 mSv/h und in Remote-Handled-Abfälle (RH) mit einer Dosisleistung zwischen 2 mSv/h und 10 Sv/h un-

7.4 Internationale Projekte zur Entsorgung von HAW

259

Abb. 7.5 Lage des Salzstocks im Delaware Basin in der Salado Formation. (Quelle: [20])

terteilt. Die RH-Abfälle belegen nur einen Anteil von 4 % der Lagerkapazität des WIPP. Eingelagert werden sollen insgesamt ca. 300 Mio GBq, die Aktivität entfällt jedoch nicht nur auf Transurane. Die WIPP ist allein zum Zweck der Endlagerung eingerichtet worden. Der Endlagerbereich umfasst 0,5 km2 und besteht aus acht Feldern mit jeweils sieben Kammern. Die genehmigte Einlagerungskapazität beträgt ca. 180.000 m3 , siehe Abb. 7.6. Die Einlagerungskammern befinden sich in rund 650 m Tiefe unter der Geländeoberfläche in einer ungestörten, geschichteten, insgesamt 600 m mächtigen Steinsalzformation des Perms. Die Lage und der Salzstock sind in [20] näher beschrieben, siehe auch Abb. 7.6. Die Transuranabfälle stammen aus neun mit militärischen Aufgaben befassten US-Anlagen. Nach derzeitiger Planung soll das Endlager, wenn dieses vollständig belegt ist und nach einhundertjähriger Abklingzeit, unter Kontrolle des US-Energieministeriums versiegelt werden, voraussichtlich ab 2133. Dazu soll eine großflächige Anlage auf der Oberfläche über dem Endlager errichtet werden. Der Entwurf sieht 32 Monolithe vor, die ein Quadrat bilden, in dessen Innerem 3 km lange Erdwälle 16 weitere Monolithe einschließen. Auf diesen steht in Englisch, Spanisch, Russisch, Französisch, Chinesisch, Arabisch und Navajo: „Hier liegt gefährlicher radioaktiver Abfall. Auf keinen Fall graben oder bohren“. Im

260

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Abb. 7.6 Waste Isolation Plant (WIPP), Endlagerquerschnitt. (Quelle: US Nuclear Regolatory Commission (NRC); US Department of Energy (DOE) [44])

Zentrum sind detailliertere Informationen zusammen mit gezeichneten Illustrationen vorgesehen, einmal über der Erde, einmal in einer unterirdischen Kammer. Das Warnsystem soll erst später installiert werden. Daher ist völlig unklar, ob diese Planungen umgesetzt werden. Zentrales Endlager der USA – Yucca Mountain Parallel zu den Arbeiten am WIPP wurde Mitte der 1970er-Jahre ein Standortsuchverfahren für hochradioaktive Abfälle aus der zivilen Nutzung der Kernkraft gestartet. Aufgrund breiter Kritik am Auswahlverfahren und der mangelnden Transparenz des Auswahlprozesses für WIPP wurde 1982 das Department of Energy (DOE) mit gesetzlichem Auftrag veranlasst, allgemeine Richtlinien für die Standortwahl für ein Endlager mit einer Kapazität von 70.000 t wärmeentwickelnder Abfälle zu entwickeln. 1983 wählte das DOE neun Standorte in sechs Bundesstaaten für Voruntersuchungen aus. 1985 wurden nach Abschluss der Voruntersuchungen drei Standorte für weitere eingehende wissenschaftliche Untersuchungen bestimmt: Hanford in Bundesstaat Washington, Deaf Smith County

7.4 Internationale Projekte zur Entsorgung von HAW

261

Abb. 7.7 Querschnitt des geplanten Endlagers für HAW (wärmeerzeugend) Yucca Mountain/Nevada. (Quelle: US Department of Energy (DOE) [45])

in Texas und Yucca Mountain in Nevada. 1987 änderte der Kongress den Nuclear Waste Policy Act und gab dem DOE den Auftrag, sich auf den potenziellen Standort Yucca Mountain zu konzentrieren. Der für das Endlager vorgesehene Gebirgszug (Yucca Mountain) besteht aus vulkanischem Schmelz-Tuffstein. Die Einlagerungsbereiche liegen etwa auf halber Strecke zwischen der Spitze des Yucca Mountain und dem 300 m tiefen Grundwasserspiegel. siehe Abb. 7.7. Zur Isolation sollen drei spezielle Abfallgebindearten in Abhängigkeit von der Art des Abfalls als technische Barrieren eingesetzt werden, die automatisiert über zwei Zugangsstollen (Nord- und Südportal) in die Einlagerungsbereiche gefahren werden, siehe Abb. 7.7. Die Abfallgebinde sollen in horizontalen Strecken, die eine Gesamtlänge von 35 Meilen haben, abgelegt werden. Die Endlager soll dann 300 Jahre lang aktiv überwacht werden. Etwa fünf Meilen der Einlagerungsstrecken wurden bisher für experimentelle Zwecke gebohrt. Im Jahre 2004 wurde gerichtlich die Auflage erteilt, den Sicherheitsnachweis statt für 10.000 Jahre für 1 Mio. Jahre zu führen. Das Endlagerkonzept sieht die rückholbare Einlagerung der Endlagerbehälter aus den horizontalen Strecken eines Bergwerkes in etwa 200–425 m unter Geländeoberfläche vor. Danach reichte das DOE im Juni 2008 den Bauantrag für Yucca Mountain bei der zuständigen Genehmigungsbehörde NRC (Nuclear Regulatory Commission) ein. Der Genehmigungsantrag beschränkte sich auf die gesetz-

262

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Abb. 7.8 Arten der Abfallgebinde, abhängig von der Art des Abfalls. (Quelle: US Department of Energy (DOE) [45])

lich vorgegebenen 70.000 t, das mögliche Fassungsvolumen von Yucca Mountain wird auf mindestens 130.000 t veranschlagt. Die Inbetriebnahme des Endlagers war zunächst für das Jahr 2020 geplant. Die wesentlichsten Argumente für den Standort Yucca Mountain waren die geringe Jahresniederschlagsmenge (ca. 20 mm, wovon 95 % an der Erdoberfläche abfließen oder verdunsten) und der sehr tiefe Grundwasserspiegel ca. 300 m unterhalb der Erdoberfläche sowie die geschlossene Beckenstruktur, das heißt, das geplante Endlager hat keinen Einfluss auf Grundwassereinzugsgebiete benachbarter Regionen. Weitere wichtige Gründe für die Auswahl von Yucca Mountain waren Besitz und Vornutzung des Geländes (Nevada Test Site) durch den Staat sowie die schwache politische Position des Bundesstaates Nevada. Allerdings hatte man übersehen, dass zwar alle US-Bundesstaaten – mit Ausnahme von Nevada – für ein Endlager in Yucca Mountain sind, aber für den Indianerstamm der Westlichen Shoshonen, die dort leben, das Gebiet heilig ist. Die Eignung von Yucca Mountain war von Anfang an nicht unumstritten. Dazu gehören Zweifel an der Eignung von Schmelz-Tuffstein (Ignimbrit) als geologische Barriere, Bedenken hinsichtlich der Unausgewogenheit des Auswahlverfahrens und die Bevorzugung von freiwilligen Commitments von Gemeinden sowie die Nichtberücksichtigung von Szenarien, insbesondere mögliche zukünftige Klimaänderungen (feuchtes Klima anstatt Wüs-

7.4 Internationale Projekte zur Entsorgung von HAW

263

tenklima), Erdbeben und Vulkanausbrüche als mögliche Gefahren für das Endlager in der Nachbetriebsphase. Durch Einwände der US-Regierung wurde im März 2009 das Budget für Yucca Mountain deutlich gekürzt. Die US-Regierung wies die NRC an, den Bauantrag abzulehnen. Mangels Budgetmitteln ruhte das Genehmigungsverfahren ab September 2011. Im Januar 2010 beauftragte Präsident Obama eine aus Politikern und Fachleuten besetzte Kommission („Blue Ribbon Commission on America’s Nuclear Future“), Vorschläge für eine neue Entsorgungsstrategie zu machen [23]. Diese empfahl in ihrem Abschlussbericht vom Januar 2012 die Errichtung eines zentralen Zwischenlagers für gebrauchte Brennelemente, die Schaffung einer selbstständigen Behörde für die Endlagerung gebrauchter Brennelemente und sonstiger hochradioaktiver Abfälle, die Beibehaltung der Zielsetzung der Endlagerung in einem geologischen Tiefenlager und eine Weiterführung der Debatte über eine Wiederaufarbeitung gebrauchter Brennelemente [22]. Yucca Mountain war weiterhin in der engeren Auswahl als potenzieller Standort. 2013 stellte ein Bundesgericht fest, dass die Nuclear Regulatory Commission verpflichtet sei, die technische Evaluation fertigzustellen, auch wenn die Regierung das Verfahren nicht fortsetzen wolle. Im Januar 2015 legte die Nuclear Regulatory Commission den fünfteiligen Bericht vor und kam zu dem Schluss, dass aus technischer Sicht ein Endlager in Yucca Mountain nach den Entwurfsplänen geeignet ist. Inzwischen hat der 45. Präsident 120 Mio. US-Dollar in seinen Haushaltsplan 2018 aufgenommen, um das Genehmigungsverfahren für Yucca Mountain, das 1987 vom Kongress als Endlager für Atommüll in Kraftwerken ausgewiesen wurde, wieder aufzunehmen. Die Arbeiten gehen weiter (Stand September 2017).

7.4.2

Ausgewählte Endlagerprojekte in Europa

Dieser Abschnitt gibt eine kurze Übersicht über den Stand der Planung sowie den Bau und Betrieb von Endlagern in ausgewählten europäischen Ländern, die sich alle an den Vorgaben der IAEA, der Euratom oder der OECD-NEA gebunden fühlen, deren nationale gesetzliche Umsetzung aber durchaus beträchtliche Unterschiede aufweisen, siehe auch Tab. 7.10, woraus aber Schlussfolgerungen für das deutsche Entsorgungskonzept gezogen werden könnten. In Europa gibt es gegenwärtig 15 Endlagerstandorte, siehe auch Tab. 7.10. Davon sind  einige fest vereinbart (Finnland, Schweden),  in einigen Ländern Standortregionen ausgewählt (Schweiz, Russland),  in einigen Ländern weder Standorte noch Regionen ausgewählt (Großbritannien). Nachfolgend sollen einige Standorte näher dargestellt werden.

Bure



Bure (Lothringen)



b

Wiederaufarbeitung bis Mitte 2005 zugelassen Direkte Endlagerung seit 1994 zugelassen c Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra)

Granit

Olkiluoto



Tongestein

Steinsalz, Ton oder Granit

Ergebnisoffen mit Gorleben

Underground Research Laboratory (URL) Hades bei Mol Ursprünglich Asse II, aufgelöst, (Einlagerung und Forschung nicht abgeschlossen) Onkalo

Die Verantwortung für die Durchführung der Entsorgung liegt bei den Abfallproduzenten

Siehe nähere Beschreibung (P&T der langlebigen Radionuklide)

Siehe nähere Beschreibung

Siehe nähere Beschreibung

Geologische Bemerkung Formation (Boom-)Ton Standort für schwach-, mittel- und hochradioaktive Abfälle

Kandidaten für Endlagerstandorte Mol (2035 – MAW 2050 – HAW)

Untertagelabors

7

a

Wieder- Dir. End- Programmbeschreibung aufarb. lager Belgien X Untersuchung Tonformation in Boom mit HADES auf Eignung für alle Arten von radioaktiven Abfällen Deutsch- Xa Xb Untersuchung Standort land Gorleben seit 1979. 2013 ergebnisoffene Standortsuche nach (StandAG). Gorleben bleibt Kandidat Finnland X Standort durch Parlament gebilligt. Genehmigungsverfahren seit Ende 2012. Baubeginn für 2015, Betrieb ab 2022 geplant FrankX Referenzkonzept ist georeich logisches Tieflager mit Rückholbarkeit. Seit 2015 Genehmigungsverfahren, ab 2025 Betrieb geplant GroßX 2006 Grundsatzentscheidung britannien für geologische Tieflagerung für hoch- und mittelradioaktive Abfälle. Suche nach interessierten Gemeinden für Endlagerstandort

Land

Tab. 7.10 Länderbezogene Endlagerprojekte HAW (wärmeerzeugende radioaktive Abfälle). (OECD-NEA – Stand Juli 2015)

264 Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

X

Spanien



Grimsel (Kanton Bern/Granit) Mont Terri (Kanton Jura/ Ton)

Stripa (bis 1992) HRL Äspö

b

Wiederaufarbeitung bis Mitte 2005 zugelassen Direkte Endlagerung seit 1994 zugelassen c Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra)

a

Technische Machbarkeit eines Endlagers von Regierung 2006 bestätigt. Nagrac hatte in einer ersten Etappe insgesamt sechs Standorte identifiziert Prüfung möglicher geologischer Formationen abgeschlossen. Mittelfristig nur Verfolgung der Aktivitäten des Auslands

X

Schweiz

X

Standort Östhammar bei Forsmark 2009 entschieden. Genehmigungsverfahren seit 2011. Baubeginn für 2020, Betrieb ab 2030 erwartet

Wieder- Dir. End- Programmbeschreibung Untertagelabors aufarb. lager X Standortentscheidung für 2025 Schelesnogorsk geplant. Untertagelabor in (nahe Krasnojarsk) Granit geplant

Schweden X

Russland

Land

Tab. 7.10 (Fortsetzung)

Vorschlag der Nagra 2 Standortregionen: Jura Ost und Zürich Nordost –

Kandidaten für Endlagerstandorte Auswahlverfahrens Endlagerstandort in unmittelbarer Nähe von bereits bestehenden kerntechnischen Anlagen Standort Forsmark

Granit, Ton (Salz)

Granit Opalinuston

Granit

Für schwach- und mittelradioaktive Abfälle seit 1992 oberirdisches Endlager in EL Cabril

Siehe nähere Beschreibung Betreiber der Kernkraftwerke für die Entsorgung verantwortlich Aufbau einer regionalen Partizipation

Geologische Bemerkung Formation Granit Deutsch-Russische wissenschaftlichtechnische Zusammenarbeit (Rosatom – BGR)

7.4 Internationale Projekte zur Entsorgung von HAW 265

Lac du Bonnet, Manitoba (2010 geschlossen) Yucca Mountain (Nevada)

Mitzunami (auf Honshu) Horonobe (auf Hokkaido)

Untertagelabors

b

Wiederaufarbeitung bis Mitte 2005 zugelassen Direkte Endlagerung seit 1994 zugelassen c Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra)

a

USA

Wieder- Dir. End- Programmbeschreibung aufarb. lager X Zwei Untertagelabors in Betrieb; Standortfindung in drei Phasen, Bewerbung, Auswahl zur Erkundung von Standorten; bislang keine Bewerbungen X Konzeptdemonstration im Whiteshell URL in Lac du Bonnet, Manitoba X Von Präsident und Kongress 2002 beschlossene Standortentscheidung für Yucca Mountain; Abfälle aus (ziviler Nutzung der KE) wurde 2009 aufgehoben. Neue Standortsuche geplant Offen



Kandidaten für Endlagerstandorte –

Offen (SchmelzTuffstein – Ingeberit)

Granit

Geologische Formation Granit Sedimentgestein

Siehe nähere Beschreibung (WIPP und Yucca Mountain)

Abgebrannte Brennstäbe lagern an den KKW-Standorten

Bemerkung

7

Kanada

Japan

Land

Tab. 7.10 (Fortsetzung)

266 Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

7.4 Internationale Projekte zur Entsorgung von HAW

267

Abb. 7.9 Schnitt durch das geplante Endlager Cigéo in der Gemarkung Bure. (Quelle: [25; public domain])

Auswahl genehmigter europäischer Endlagerstandorte für HAW Bure in Lothringen, Frankreich Bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren gab es mehrere Versuche der französischen Regierung, potenziell geeignete Standorte für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle in Tongestein, Schiefer, Steinsalz und Kristallingestein zu untersuchen. Am Anfang der Standortsuche in den 1980er-Jahren waren zunächst vier Departements im Gespräch gewesen. Es sollten drei Möglichkeiten der Endlagerung getestet werden: die oberirdische und unterirdische Lagerung sowie die „chemische Transmutation“. Zudem sollten zwei Laborbergwerke eingerichtet werden. Vor allem im Südwesten Frankreichs regte sich jedoch Widerstand, weil Winzer um den Ruf ihrer Anbaugebiete fürchteten. 1990 stoppte die Regierung die Standortsuche und beauftragte eine parlamentarische Kommission unter Leitung des Abgeordneten Christian Bataille, einen Vorschlag für das weitere Vorgehen zu erarbeiten. Daraus resultierte ein einstimmig verabschiedetes Gesetz vom Dezember 1991, mit dem die Entscheidung über das zukünftige Endlagerkonzept auf 2006 verschoben und ein darauf ausgerichtetes Forschungsprogramm definiert wurde. Nach der Verabschiedung des „Entsorgungs-Gesetzes“ wurden Kommunen gesucht, die sich grundsätzlich mit der Einrichtung eines Untertagelabors einverstanden erklärten. Insgesamt haben sich 30 Kommunen gefunden, die zur Aufnahme eines solchen Labors bereit waren. Die 1979 gegründete und seit 1991 unabhängige öffentliche Entsorgungsgesellschaft ANDRA (Agence nationale pour la gestion de déchets radioactifs) wählte nach Voruntersuchungen daraus drei Standorte aus, zwei davon in Ton, einen in Granit. Über

268

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

einen Standort in einer Granitformation kam es aufgrund von regionalen Widerständen zu keiner Entscheidung. Die Forschung der ANDRA zu Granitformationen ist daher eher von allgemeiner Natur. Im Dezember 1998 genehmigte die Regierung der ANDRA die Errichtung eines Untertagelabors in einer 150 Mio. Jahre alten Tonformation bei Bure (an der Grenze zwischen den Departements Meuse und Haute-Marne gelegen). Unter anderem führten die Forschungsarbeiten in Bure zu einer ersten Machbarkeitsund Sicherheitsstudie der ANDRA („Dossier 2005 Argile“). Zwischen September und Dezember 2005 wurde eine durch die Umweltbehörde ASN initiierte öffentliche Debatte zur Endlagerung geführt, ein Bericht hierzu wurde Anfang 2006 veröffentlicht. Daraufhin wurde im Juni 2006 ein entsprechendes Endlagerplanungsgesetz verabschiedet. Dieses regelt die weitere Forschung in Bure zur Standortsuche und zum Endlagerkonzept. Da sicherzustellen ist, dass der endgültige Endlagerstandort geologische Parameter aufweisen muss, die sich mit denen von Bure vergleichen lassen, wurde zunächst ein mögliches Gebiet für einen Endlagerstandort in der Größe von 250 km2 in der Region Bure ausgewiesen. Dieses wurde später von der ANDRA auf ein 30 km2 großes Gebiet eingegrenzt. Am 06.08.2015 monierte der französische Verfassungsrat (vergleichbar mit dem deutschen Bundesverfassungsgericht) diesen Artikel nicht wegen inhaltlicher Bedenken, sondern weil er nicht verfassungsgemäß verabschiedet wurde. Im Juli 2016 beschloss das französische Parlament dann, das Endlager am Standort Bure in Tongestein einzurichten, und behob damit den vom französischen Verfassungsrat monierten Mangel. Die komplexe und langwierige Konsultations- und Bewilligungsphase für ein Endlager in Bure läuft noch immer. Die ANDRA plant jetzt, den Genehmigungsantrag für den Bau des Endlagers in 2017 zu stellen. 2017 sollte das Genehmigungsverfahren eingeleitet werden. Im Jahr 2020 soll mit dem Bau der Anlage begonnen werden und um 2025 mit einer Pilotphase der Einlagerungen [25]. Sie sieht vor, 5% des Inventars in einem Pilotlager zu platzieren und während 50 Jahren zu überwachen. Erst wenn dieser Testlauf erfolgreich absolviert sein wird, ist die Lagerung von 95 % der Abfälle, die in Zwischenlagern auf ihre Endlagerung warten, vorgesehen [26]. Es wird derzeit mit Kosten von ca. 30 Mrd. C gerechnet. Mit dem Bau des Untertagelabors (UTL) wurde im November 1999 begonnen. Das UTL besteht aus zwei Tagesschächten, einer Versuchsstrecke in 445 m Teufe sowie einem Streckensystem mit weiteren Versuchsstrecken in 490 m Teufe, siehe Abb. 7.9. Dort wird in ca. 490 m Tiefe die Möglichkeit einer reversiblen oder irreversiblen Endlagerung radioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Formationen untersucht. Dazu gehören die Untersuchung der spezifischen Eigenschaften des Tonsteins und die Erprobung der Einlagerungskonzepte. Geplant ist die Einlagerung von HAW und mittelaktiven Abfällen mit langen Halbwertszeiten (MAW-LL) [26]:  etwa 10.000 m3 HAW (d. h. etwa 60.000 Behälter),  etwa 73.500 m3 langlebige mittelaktive Abfälle (d. h. etwa 180.000 Behälter). Radioaktivitätsbetrachtungen zu den in Cigéo endzulagernden Abfällen siehe Tab. 7.11.

7.4 Internationale Projekte zur Entsorgung von HAW

269

Das Abfallmanagement sieht vor, dass auch die Transmutation Bestandteil des Endlagerkonzeptes werden soll. Bereits 1982 untersuchte Frankreich die Partitionierung und Transmutation (P&T) gezielt unter der Prämisse einer Entsorgungsalternative, siehe Kap. 2. Der französische Castaing Report von 1982 kommt zum Ergebnis, dass parallel zur Endlagerung auch die Abtrennung und Konditionierung von Plutonium und minoren Aktiniden für eine Zwischenlagerung und möglicherweise Zerstörung durch Neutronenbestrahlung interessant sei [27] NEA (2002). Frankreich besitzt für die Anwendung von P&T (siehe Abschn. 7.5.2) alle Voraussetzungen, weil der in den Leichtwasserreaktoren verwendete MOX-Brennstoff dort hergestellt wird. MOX-Brennstoffe4 für P&T-Szenarien stellen eine Weiterentwicklung der bisherigen MOX-Brennstoffe dar, da neben Plutonium die minoren Aktinide dem Brennstoff beigemischt werden müssen [28]. P&T ist Bestandteil des Waste Management in der Bure-Konzeption, siehe Abb. 7.11. Das geologische Tiefenlager Bure wird im Wirtsgestein Ton aufgefahren. Als Muttergestein sind Tone aus der Oberen Jurazeit (Callovo-Oxfordien, ca. 160–150 Mio. Jahre), in einer Tiefe von 400 bis 550 m vorgesehen. Diese Tonformation weist eine Mächtigkeit von etwa 130 m auf; sie ist tektonisch praktisch ungestört und zeigt einzig ein schwaches Gefälle gegen Nordwesten in Richtung des Zentrums des Pariser Beckens, siehe Abb. 7.10. Umfangreiche Auswertungen zum „Opalinus Clay“ sind in [41] zu finden. Mit dem Gesetz zum Wirtschaftswachstum („Loi Macron“) wurde am 9. Juli 2015 ein die Endlagerung französischer hochradioaktiver Abfälle betreffender Artikel verabschiedet. Im Gesetz ist in einem entsprechenden Passus festgelegt, dass vor der Einlagerung der Abfälle während einer Pilotphase die Sicherheit des Endlagers geprüft werden soll. Als Betrachtungszeitraum sind 100.000 Jahre vorgeschrieben. Weiterhin sollen die Abfälle rückholbar gelagert werden, sodass zukünftige Generationen – sollte sich eine alternative Lösung für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle finden – den Vorgang der Einlage-

Tab. 7.11 Schätzung der Radioaktivität (Bezug Ende 2020) der im Endlager Cigéo abzulegenden HAW und MAW-LL. (Nach [26]) Abfallart

BETA-GAMMA SHORT LIFE HAW 1,53 E+18 6,4 E+19 a MAW-LL 1,34 E+16 5,6 E+18 Summe 1,5434 E+18 6,96 E+19 Radioaktivität der Abfälle zum 31. Dezember 2004 HAW 3,9 E+18 1,25 E+20 MAW-LL 2,66 E+16 3,39 E+18 Summe 3,9266 E+18 1,2839 E+20 Schätzung der Radioaktivität bis Ende 2020 a 4

ALPHA

BETA-GAMMA LONG LIFE 2,17 E+17 3,08 E+17 5,25 E+17 4,24 E+17 4,48 E+17 8,72 E+17

Long Life

MOX ist die Abkürzung für Mischoxid und bezeichnet einen Stoff, der aus den Oxiden Urandioxid (UO2 ) und Plutoniumdioxid (PuO2 ) zusammengesetzt ist.

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Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Abb. 7.10 Geologischer Schnitt im Endlagerbereich Cigéo/Bure. (Quelle: ANDRA 2016)

Abb. 7.11 Waste Management in der Bure-Konzeption. (Quelle: ANDRA 2016)

rung am Endlagerstandort rückgängig machen können. Weiterhin ist darin vorgesehen, die Entwicklung des Endlagers für mindestens 100 Jahre zu überwachen. Nach Ablauf der Überwachungszeit (> 100 Jahre) soll der endgültige Verschluss des Endlagers erfolgen. Der gegenwärtige Stand der Arbeiten ist folgender: Die ANDRA hat mit der Einrichtung eines Forschungs-/Erkundungsbergwerks in der Callovo Oxford Tonformation angefangen. Die Schächte sind weitgehend abgeteuft, und mit der Erstellung der untertägigen Einrichtungen wurde begonnen. Im Bereich hochradioaktiver Abfälle sieht das Konzept ausschließlich die Einlagerung der Abfälle von wiederaufbereiteten Brennelementen vor. Die verglasten Wiederaufbereitungsabfälle werden in Primärbehälter aus rostfreiem Stahl gegossen und mit einem Deckel wasserdicht verschweißt. Danach werden sie in Endlagerbehälter aus nicht legiertem Stahl verpackt, die vor einem Kontakt mit Wasser schützen sollen und eine höhere Wärmeabgabe erzielen können. Die Endlagerbehälter

7.4 Internationale Projekte zur Entsorgung von HAW

271

sollen die Abfälle für den Zeitraum von etwa 1000 Jahren sichern, in denen die Aktivität der kurz- und mittellebigen Radionuklide dominierend ist. Das französische Endlagerkonzept sieht horizontale bzw. vertikale Bohrungen in die Tonformation für mehrere Behälter mit verglasten hochradioaktiven Abfällen vor. Die Behälter sind 1,60 m lang, haben einen Durchmesser von 0,6 m und eine Wandstärke von 55 mm; wegen der Rückholoption sind sie mit Keramikgleitern ausgestattet. Die 40 m langen und mit einem Durchmesser von 0,7 m horizontalen Bohrungen werden mit Tonpuffermaterial ausgekleidet und mit Edelstahlauskleidungen (linern) versehen. Im Falle der vertikalen Bohrungen ist keine Auskleidung geplant. Im hinteren Einlagerungsabschnitt sind die Bohrlöcher vollständig mit einem dichten Rohr ausgekleidet. Der vordere Bohrlochkopf wird nach Ende der Betriebsphase mit einem Metallpfropfen und einem Bentonit-Betonstopfen verschlossen. Zwar ist in Frankreich die Wiederaufarbeitung abgebrannter Kernbrennstoffe vorgesehen, das Endlagerkonzept beinhaltet aber auch die Einlagerung abgebrannter Brennelemente in Stahlbehältern entweder unterhalb der Fahrbahn der Einlagerungsstrecke oder in horizontale, mit Auskleidungen versehenen Bohrlöchern. Eine endgültige Festlegung ist bisher noch nicht getroffen. Wie für verglaste hochradioaktive Abfälle sollen diese Strecken mit tonbasierten Versatzstoffen verschlossen werden. Um die Wärmeabfuhr von den Abfallprodukten zu verbessern, kann den tonbasierten Versatzstoffen Graphit beigemischt werden. Durch Zugabe von Quarzsand lässt sich das Quellvermögen tonbasierter Versatzstoffe steuern, um die Druckbelastung auf die Barrieren infolge der Quellvorgänge des Tons zu optimieren. Die Wärmeleistung der Abfälle und die Abstände der Lagerbehälter werden so gewählt, dass die Temperaturen im Tongestein maximal 100 °C betragen. Die Festlegung auf diese Temperatur wird damit begründet, dass im Falle höherer Temperaturen interlamellares Wasser freigesetzt wird und sich damit die Quellfähigkeit der Tone wesentlich verschlechtert. Der Abstand der Einlagerungszellen soll, je nach Wärmeleistung der Gebinde, zwischen 8,5 und 13,5 m betragen, alle Angaben nach [25]. Teil des ANDRA-Konzeptes und damit auch des für 2017 geplanten Zulassungsantrags ist es, für das Cigéo-Tiefenlager ein umfassendes Monitoring einzurichten, das aus Überwachung des Endlagers, Überwachung der Umwelt und gesundheitlicher Überwachung besteht, siehe Kap. 2, 8 und 9. Überwachung des Endlagers: Mit der Einrichtung des Cigéo-Tiefenlagers soll ein Überwachungsprogramm für die Anlage eingerichtet werden, das während der gesamten Betriebszeit alle sicherheitsrelevanten Parameter des Endlagers (Geschwindigkeit der Maschinen, Wasserstoffkonzentration, Leistung der hochwirksamen Filter, Luft des Belüftungssystems etc.) kontrolliert. Zusätzlich zur Überwachung im engeren Sinne werden Parameter kontrolliert, die mittel- und langfristig die Entwicklung des Endlagers beeinflussen können: Temperatur der Umgebungsluft, Erweiterung der Anlage (Zusammentreffen der Stollen), Haltbarkeit des Betons, Korrosion des Stahls etc. So erfolgt in gesonderten Räumen eine Einzelüberwachung von Kontrollbehältern, die einen einfachen Zugriff auf jeden Kontrollbehälter und dessen regelmäßige Begut-

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Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

achtung zulässt. Im ersten Bauabschnitt des Cigéo-Tiefenlagers werden repräsentative Kontrollbauwerke der verschiedenen Lagerbestandteile (Einkapselung, Kammern etc.) erstellt, die nur der Beobachtung und Überwachung dienen. Diese Kontrollbauwerke werden umfänglich instrumentiert, um deren Verhalten und Entwicklung im Laufe der Zeit in allen Einzelheiten verfolgen zu können. Das bedeutet, dass zehntausende Sensoren in das Cigéo-Tiefenlager eingebaut werden. Die vorgesehenen Untersuchungsmethoden verwenden erprobte Sensoren, die bereits in der Atomindustrie und in der Bautechnik zur Anwendung kommen und zu denen umfangreiche Erfahrungswerte vorliegen (seit mehreren Jahrzehnten Einsatz in Kernkraftwerken, Staudämmen etc.), wie auch innovative Mittel, die derzeit im Rahmen von R&D-Programmen5 entwickelt werden. Die Kammern für MAW (SMA-Kammern), siehe [37], werden im Laufe der Betriebszeit des Cigéo-Tiefenlagers eingerichtet. Die ersten Kammern werden zwecks detaillierter Beobachtung umfänglich mit Instrumenten ausgestattet. Darüber hinaus schlägt die ANDRA vor, eine der Kontrollkammern bereits einige Jahre nach Einlagerung der Abfallbehälter zu schließen, um anschließend die Beobachtungen in einer geschlossenen Konfiguration fortzusetzten und aus diesen Beobachtungen Schlussfolgerungen für die eigentliche Stilllegung des Endlagers zu ziehen. Es ist eine umfangreiche Umweltüberwachung mit einer Gesundheitsüberwachung vorgesehen, die in Kap. 9 eingeflossen ist und worauf hier verwiesen werden soll, siehe [25]. Forsmark, Schweden In Schweden sind, wie in Finnland, die Betreiber der Kernkraftwerke für die Entsorgung und Endlagerung verantwortlich. Sie haben hierfür die gemeinsame Gesellschaft SKB (Svensk Kärnbränslehantering AB) gegründet, die zugleich für Transporte und Zwischenlagerung zuständig ist. Mit der Suche nach einem Endlagerstandort hat Svensk Kärnbränslehantering AB (SKB) bereits 1977 begonnen. In diesem Jahr nahm SKB auch die Forschungsarbeiten für ein Endlagerkonzept auf und richtete im ehemaligen Eisenerzbergwerk Stripa ein Labor für Einlagerungstechnik ein. Später verlagerten sich die Forschungsarbeiten auf das bei Oskarshamn in einer Tiefe von 460 m gelegene Hard Rock Laboratory Äspö, das von 1990 bis 1995 errichtet wurde. Nachdem Gemeinden und lokale Bevölkerung zu Beginn nicht in den Prozess einbezogen worden waren, lehnten viele Gemeinden die Errichtung eines Endlagers auf ihrem Gebiet zunächst ab. Der Einladung, sich als Standort hierfür zu bewerben, sind dann aber schließlich doch mehrere Kommunen gefolgt. Für schwach- und mittelradioaktive Abfälle der ursprünglich zwölf, jetzt noch zehn Kernkraftwerke betreibt SKB nahe beim Kernkraftwerk Forsmark seit 1988 ein oberflächennahes Endlager etwa 50 m unter der Ostsee. Gebrauchte Brennelemente werden seit 1985 im zentralen Zwischenlager Centralt mellanlager för använt kärnbränsle (CLAB) nahe beim Kernkraftwerk Oskarshamn aufbewahrt. 5

Research and Development.

7.4 Internationale Projekte zur Entsorgung von HAW

273

1983 veröffentlichte die SKB in dem Bericht „KBS-3“ ihr Konzept einer Einkapselung gebrauchter Brennelemente, mit dem die natürlichen, durch die Gesteinsformation gegebenen Barrieren durch zusätzliche ingenieurtechnische Barrieren ergänzt werden sollen. Von 1993 bis 2000 führte SKB für acht verschiedene Standorte Machbarkeitsstudien durch. Die Grundvoraussetzung für einen potenziellen Standort ist die Zustimmung der ansässigen Bevölkerung. Aus diesem Grund ist das Standortauswahlverfahren durch den engen Dialog zwischen dem Betreiber SKB und den Anwohnern der Kommunen bzw. der Provinzialregierung selbst geprägt. Zwei der Standorte (Storuman und Malä) schieden aufgrund von ablehnenden Gemeindereferenden in 1995 bzw. 1997 aus. Von den übrigen sechs (Östhammar, Nyköping, Tierp, Oskarshamn, Hultsfred und Älvkarleby) erschienen fünf als geeignet. Von diesen zog SKB die Standorte Östhammar (bei Forsmark), Oskarshamn und Tierp in die engere Wahl, auch weil Östhammar und Oskarshamn bereits weitestgehend über die notwendige Infrastruktur – in beiden Kommunen stehen auch Kernkraftwerke – verfügen. Die Gemeinderäte von Östhammar und Oskarshamn genehmigten die Durchführung von Erkundungsbohrungen. Tierp lehnte mit einer knappen Mehrheit ab (25 zu 23 Stimmen) und schied damit aus. Die Erkundungsbohrungen begannen 2002. Im Juni 2009 entschied sich SKB für den Standort Forsmark, weil dort das Gestein eine höhere Wärmeleitfähigkeit als in Oskarshamn aufweist. Dadurch ist eine bessere Abführung der Nachzerfallswärme gegeben, woraus sowohl eine geringere Flächenausdehnung des Endlagergebäudes als auch geringere Kosten resultieren. Die Gemeinde Oskarshamn hat aufgrund der Ablehnung „ihres“ Endlagerstandorts eine finanzielle Entschädigung erhalten. Im März 2011 wurde von SKB der Antrag zu Errichtung eines Endlagers am Standort Forsmark bei den schwedischen Aufsichtsbehörden eingereicht. Mit dem Beginn des Pilotbetriebs wird bis 2020 gerechnet. Die Errichtung einer Brennelementekonditionierungsanlage wurde 2006 auch für den Standort Oskarshamn geplant (Baugesuch 2006). Dort werden die Brennelemente wegen der Langerbedingungen in Kupferbehälter umgepackt (5 m lang, ca. 27 t schwer). Das Endlager Forsmark für HAW (wärmeerzeugend) soll nach Angaben von SKB in 2030 betriebsbereit sein. Der Transport des konditionierten radioaktiven Abfalls soll vorwiegend zur See mit ausschließlich dafür entwickeltem „Spezialized Cargo ship“ (SKB-eigen) und zwischen SKB-eigenen Häfen durchgeführt werden, siehe Abb. 7.12. Sowohl durch das Endlagerkonzept für HAW als auch durch die Transportwege wird die Ostsee in Anspruch genommen. Es wurde eine länderübergreifende UVP eingeleitet, weil so die Ostsee als Untersuchungsgebiet festzustellen war:  Im Rahmen der länderübergreifenden Beteiligung haben die deutschen Behörden gegenüber Schweden Stellung genommen.  Die deutsche Öffentlichkeit hatte die Möglichkeit, bis zum 15. April 2016 Stellungnahmen an die schwedische Behörde abzugeben.

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Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Abb. 7.12 Transport des konditionierten radioaktiven Abfalls zwischen Konditionierungsanlagen und Endlager. (Quelle: © SKB AB)

SKB hat auch bereits den Langzeitsicherheitsnachweis bei der Genehmigungsbehörde eingereicht. An dessen Prüfung wurden auch die IAEA und die OECD-NEA beteiligt. Im schwedischen Endlagerkonzept werden ausschließlich ausgediente Brennelemente (BE) berücksichtigt; eine Wiederaufarbeitung ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Die Gesamtmenge an ausgedienten Brennelementen von den PWR- und BWR-Kernkraftwerken wird bei einer angenommenen Betriebszeit von 40 Jahren auf 9300 tSM, entsprechend 45.000 ausgediente Brennelemente, abgeschätzt [29]. Im Referenzszenario, bei dem ein Betriebsbeginn 2045 unterstellt wird, wird ein zu isolierendes Volumen von 19.600 m3 (12.000 t) abgebrannter Brennelemente dargestellt, das in 6000 Kupferbehältern verkapselt werden soll. In Tab. 7.12 sind 13 Radionuklide aus den abgebrannten BE, die von Bedeutung hinsichtlich Zerfallsleistung, Radiotoxizität sind, aufgeführt. Deren Gesamtaktivität Ai beträgt 5,3 E+19 Bq, davon 1,4 E+19 ’-Strahler. Darauf ist das Langzeitrisiko im Langzeitsicherheitsnachweis abgebildet [29]. Für das schwedische Referenzendlagerkonzept KBS-3V (vertikale Einlagerung von einzelnen Endlagerbehältern in vertikale Bohrlöcher von der Sohle einer Einlagerungsstrecke aus) wurde die Variante mit einem Kupferbehälter mit einer Wandstärke von 50 mm ausgewählt. In einem BE-Endlagerbehälter können entweder vier PWR-BE oder zwölf BWR-BE eingelagert werden. Die Temperatur an der Oberfläche der Behälter soll

T1/2 [a]

4,33 E+02 5,73 E+03 3,00 E+05 3,00 E+01 1,57 E+07 2,03 E+04 8,78 E+01 2,41 E+04 6,54 E+03 1,44 E+01 2,91 E+01 2,45 E+05 4,47 E+09

ISOTOP

Am-241 C-14 Cl-36 Cs-137 I-129 Nb-94 Pu-238 Pu-239 Pu-240 Pu-241 Sr-90 U-234 U-238 Summe Summe ’-emitter

6,6 E+17 2,2 E+14 1,0 E+12 9,3 E+18 5,6 E+12 2,0 E+13 5,3 E+17 5,6 E+16 1,0 E+17 4,0 E+18 6,2 E+18 2,2 E+14 5,4 E+13

BWR I

1,1 E+17 3,7 E+13 1,9 E+11 1,2 E+18 9,8 E+11 3,4 E+12 1,0 E+17 8,0 E+15 1,7 E+16 3,7 E+17 7,6 E+17 3,7 E+13 7,8 E+12

BWR II

3,9 E+17 1,5 E+14 7,3 E+11 6,9 E+18 3,8 E+12 1,3 E+13 4,4 E+17 3,1 E+16 6,6 E+16 3,2 E+18 4,4 E+18 1,2 E+14 3,0 E+13

BWR III

1,2 E+17 2,6 E+13 1,1 E+11 9,3 E+17 6,7 E+11 2,3 E+12 6,9 E+16 8,8 E+15 1,7 E+16 4,5 E+17 6,0 E+17 3,0 E+13 6,5 E+12

BWRMox 3,3 E+17 7,3 E+13 3,4 E+11 4,2 E+18 2,6 E+12 6,1 E+14 2,5 E+17 2,6 E+16 4,2 E+16 1,9 E+18 2,8 E+18 1,3 E+14 2,2 E+13

PWR I

1,5 E+16 3,3 E+12 1,7 E+10 1,3 E+17 1,2 E+11 2,6 E+13 1,3 E+16 9,6 E+14 1,9 E+15 3,5 E+16 8,0 E+16 5,5 E+12 8,0 E+11

PWR II

1,5 E+17 3,6 E+13 1,8 E+11 2,1 E+18 1,4 E+12 2,8 E+14 1,7 E+17 1,1 E+16 2,1 E+15 1,0 E+18 1,3 E+18 5,4 E+13 8,8 E+12

PWR III

1,2 E+16 2,2 E+12 9,6 E+09 1,3 E+17 7,5 E+10 1,9 E+13 8,0 E+15 8,5 E+14 1,6 E+15 7,2 E+16 8,2 E+16 3,4 E+12 6,3 E+11

PWRMOX

Total in all type canisters 1,8 E+18 5,5 E+14 2,6 E+12 2,5 E+19 1,5 E+13 9,8 E+14 1,6 E+18 1,4 E+17 2,7 E+17 1,1 E+19 1,6 E+19 6,1 E+14 1,3 E+14

1,78 E+18 5,45 E+14 2,57 E+12 2,48 E+19 1,52 E+13 9,55 E+14 1,57 E+18 1,42 E+17 2,46 E+17 1,10 E+19 1,61 E+19 5,97 E+14 1,30 E+14 5,56 E+19 3,74 E+18

Aktivität Ai (Bq)

Tab. 7.12 Gesamtinventare (Bq) aus 13 Radionukliden, die von Bedeutung sind für die Zerfallsleistung, die Radiotoxizität und für das zu berechnende Langzeitrisiko aus dem Referenzszenario, bezogen auf die BE aus den Kernkraftwerken und so für alle Behälter (6000) zum Zeitpunkt der Verkapselung (vorletzte Spalte) im Vergleich zum Gesamtinventar im Jahr 2045 berechnet (letzte Spalte) [29]

7.4 Internationale Projekte zur Entsorgung von HAW 275

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Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Abb. 7.13 KBS-3-Konzept des Endlagers Forsmark/Schweden, Querschnitt. (Quelle: © SKB AB)

Abb. 7.14 KBS-3-Konzept der Sicherheitsbarrieren (safety barriers). (Quelle: © SKB AB)

im Endlager 100 °C nicht überschreiten, siehe [31], um die geotechnische Barriere aus Bentonit nicht zu beeinträchtigen, siehe Abb. 7.13 und 7.14. Kristallingesteine bieten eine hohe mechanische Standfestigkeit, die die Abfallgebinde während der Nachbetriebsphase schützt. Gleichzeitig sind die Gesteine aber häufig von wasserführenden Klüften durchzogen, sodass die Rückhaltefunktionen für die radioakti-

7.4 Internationale Projekte zur Entsorgung von HAW

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Abb. 7.15 Prinzip der geologischen Barriere, P = precipitation, E = evapotranspiration, R = runoff. (Quelle: [30], © SKB AB)

ven Inventare von technischen und geotechnischen Barrieren zu gewährleisten sind, siehe Abb. 7.13, 7.14 und 7.15. Wesentliche Elemente des Sicherheitskonzeptes im Kristallingestein sind daher ein korrosionsresistenter Endlagerbehälter mit Standzeiten von wenigstens 100.000 Jahren sowie ein Bentonitpuffer als Ummantelung, um den Lösungszutritt zum Behälter zu vermeiden oder zu verzögern, siehe Abb. 7.14. Weitere Einzelheiten dazu sind in Kap. 8 behandelt. Neben diesen beiden Maßnahmen sehen die Verfüll- und Verschlusskonzepte eine Verfüllung der Einlagerungsstrecken mit Bentonit bzw. einem Bentonit/Gesteinsbruch-Gemisch sowie den Abschluss der Einlagerungsstrecken mit einem Verschlussbauwerk zu den Verbindungsstrecken hin vor. Ähnliche Versuche sind auch in [36] beschrieben. Für die Verfüllung des restlichen Grubengebäudes und der Schächte wurden bisher nur Grobkonzepte entwickelt. Im Prinzip sollen die für die Einlagerungsstrecken entwickelten Verfüll- und Verschlussmaßnahmen auch hier eingesetzt werden. Für die Verfüllung und den Verschluss der Einlagerungsbohrlöcher und -strecken wurde ein Nachweiskonzept für die Barrierenfunktion entwickelt. Dieses Konzept basiert auf Sicherheitsfunktionen, Kriterien für die Einhaltung der Sicherheitsfunktionen und Methoden für den Nachweis, siehe Abb. 7.16. In dem bereits eingereichten Langzeitsicherheitsnachweis für Forsmark war es für die Genehmigung erforderlich, Nachweise zu Einlagerungsmethode und Standortauswahl sowie zu allen relevanten Sicherheitsfaktoren zu führen. Dabei ist für einen Zeitraum bis zu 1000 Jahren eine detaillierte Darstellung aller relevanten Aspekte und Einflussfaktoren und bis zu 100.000 Jahren eine reduzierte Darstellung erforderlich; im Weiteren wird der Zeitraum bis zu 1 Mio. Jahre betrachtet. Als Normalentwicklung wird darin unterstellt, dass alle Behälter und geotechnischen Barrieren entsprechend ihrer Auslegung funktionieren. Behälter- und Barrierendefekte werden als Alternativszenarien betrachtet. Entsprechend ihrer Bedeutung für das Sicherheitskonzept bilden die Behälter und das Verfüllmaterial die Schwerpunkte der Forschungsprogramme. Es wurde eine Reihe von

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Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Abb. 7.16 KBS-Konzept Einlagerungsschema Forsmark/Schweden. (Quelle: [29])

Bentonittypen auf ihre Stabilität in den jeweils standortspezifischen hydrochemischen Milieus untersucht und das Sicherheitskonzept optimiert. Außerdem wurden (werden) die Herstellung von Bentonitformelementen sowie der Transport und die Einbringung dieser Elemente in in situ Versuchen erprobt; weiterhin sind Zemente mit möglichst niedrigem pH-Wert, die für Widerlager von Barrieren, zur Abdichtung von Störungen und Rissen durch Injektionen sowie als Puffer beim Supercontainerkonzept benötigt werden, getestet und entwickelt worden. Auch in Schweden wird das Prinzip verfolgt, dass die Sicherheit des Endlagers von der Planung bis zum Verschluss des Endlagers einem kontinuierlichen Optimierungsprozess mit periodischen Sicherheitsüberprüfungen unterworfen werden muss. Die Gesamtkosten für das Konzept gibt SKB mit 136 Mrd. Schwedischen Kronen (SEK)6 an. Von diesen seien 39 Mrd. bereits investiert, 56 Mrd. befinden sich in einem für die Finanzierung der Endlagerung angelegten, staatlich verwalteten Fonds, und für weitere 41 Mrd. haben die Kernkraftwerksbetreiber gegenüber dem Fonds Sicherheiten gestellt. Auf die Endlagerung der verbrauchten Brennelemente werden Kosten in Höhe von rund 37 Mrd. Schwedischen Kronen entfallen.

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Derzeit entspricht 1 SEK 0,10 C, Gesamtkosten entsprechen ca. 14 Mrd. C.

7.4 Internationale Projekte zur Entsorgung von HAW

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Olkiluoto/Finnland Wie in Schweden liegt auch in Finnland die Verantwortung für Standortauswahl und Durchführung der Endlagerung ausschließlich in der Hand haftbarer Privatfirmen. Der Staat wird hier nur in seiner Aufsichtsfunktion tätig, die er durch die Strahlenschutzbehörde und das Ministerium für Arbeit und Wirtschaft ausübt. Zur operativen Realisierung eines zentralen Endlagers für abgebrannte Brennelemente wurde das private Unternehmen Posiva Oy gegründet, an dem die Kernkraftwerksbetreiber – Fortum Oyj 40 % und Teollisuuden Voima Oyj (TVO) 60 % – zusammen 100 % der Anteile halten. Das finnische Kernenergiegesetz sieht hinsichtlich der Einrichtung eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle ein gestuftes Vorgehen vor. Die erste Entscheidung ist die politische Festlegung des Staatsrates, ein Endlager für radioaktive Abfälle in Finnland zu errichten. Für die anschließende Standortfindung legt das finnische Kernenergiegesetz die Einbindung der betroffenen Kommunen, regionalen und überregionalen Verwaltungen und Organisationen fest. Nach Vorlage der jeweiligen Stellungnahmen ist dann eine öffentliche Anhörung zu organisieren. Die abschließende Standortentscheidung des Staatsrates muss vom Parlament ratifiziert werden. Die endgültige Baugenehmigung sowie die Betriebserlaubnis werden wieder vom Staatsrat erteilt. Aufgrund eines Regierungsbeschlusses hat Posiva Oy bereits von 1986 bis 1992 erste Standorte für ein potenzielles Endlager untersucht. Die Erkundungen betrafen die geologischen Eigenschaften des kristallinen Wirtsgesteins der potenziellen Standorte sowie deren Umweltfaktoren. Von diesen potenziellen Standorten wurden in den Jahren 1993 bis 2000 vier sowohl übertägig als auch mit verschiedenen Bohrungen detailliert untersucht, darunter die beiden Kernkraftwerksstandorte Loviisa und Olkiluoto, bei denen sich auch die bestehenden Zwischenlager befinden. Nachdem sich alle vier Standorte grundsätzlich als geeignet erwiesen hatten, wählte Posiva Oy zur Minimierung der erforderlichen Transporte Olkiluoto aus. Der Transportlogistik kommt innerhalb des Abfallmanagements eine hohe Bedeutung zu, weil die Transporte wesentlicher Teil der öffentlichen Wahrnehmung der Endlagerung ist. Die Regierung billigte die Standortwahl im Dezember 2000 und legte eine maximale Kapazität von 4000 t verbrauchtem Kernbrennstoff fest. Das Parlament ratifizierte diese Regierungsentscheidung im Mai 2001 mit 159:3 Stimmen nahezu einstimmig. Durch den Bau eines weiteren Reaktorblocks am Standort Olkiluoto wurde eine Vergrößerung des Lagervolumens auf insgesamt 5400 Behälter in die Antragsunterlagen aufgenommen. Die Entscheidung für Olkiluoto wurde vom örtlichen Gemeinderat mit großer Mehrheit unterstützt. Dabei besitzt der Gemeinderat der aufnehmenden Gemeinde einen Rechtsanspruch auf die Einlegung eines Vetos gegen eine Standortentscheidung. Der Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für das Endlager wurde von Posiva Oy am 28.12.2012 bei der finnischen Regierung eingereicht. Die finnische nukleare Sicherheitsbehörde STUK (Säteilyturvakeskus) bestätigte dem finnischen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit gegenüber im Februar 2015 die Sicherheit des eingereichten Endlagerkonzepts. Im Rahmen der Stellungnahme wurden die eingereichten Dokumente auf die

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Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Abb. 7.17 Prinzipdarstellung eines Endlagers für HAW, Olkiluoto. (Quelle: Posiva Oy bearbeitet)

Konformität mit dem finnischen Kernenergiegesetz überprüft. Im November 2015 wurde die Baugenehmigung für das Endlager Olkiluoto erteilt. Die Errichtung der notwendigen Infrastruktur (Schächte und Rampe) für ein Untertagelabor am Standort (ONKALO) wurde im Jahr 2014 erfolgreich abgeschlossen. Nach einer Stellungnahme des finnischen Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit und der Anhörung weiterer Interessenvertreter wird die finnische Regierung entscheiden, ob der Antrag auf Betriebsgenehmigung im Jahr 2020 gewährt wird. Die Aufnahme des Endlagerbetriebs ist für 2022 geplant. Damit wäre Olkiluoto das weltweit erste Endlager für HAW aus ziviler Nutzung der Kernenergie. Nach den aktuellen Planungen soll das Endlager bis 2112 betrieben werden und im Jahr 2120 langzeitsicher verschlossen sein. Das finnische Endlagerkonzept im Granit wurde in enger Kooperation mit dem schwedischen Unternehmen für die Entsorgung von Kernbrennstoffen Svensk Kärnbränslehantering AB (SKB) entwickelt. So ähneln sich nicht nur die Behälter- und Einlagerungskonzepte der beiden Länder stark, auch wird das Endlager Olkiluoto nach dem SKB-Konzept errichtet, betrieben und verschlossen werden, siehe Abb. 7.17. Das Untertagelabor ONKALO ist direkt ins Endlager integriert, als Pilotanlage im Projekt. Während des Ausbaus des Endlagers sollen dort geologische, geophysikalische, gesteinsmechanische und geochemische Untersuchungen zur Eignung des Gesteins durchgeführt und die Einlagerungstechniken vor Beginn der Einlagerung unter realen Bedingungen getestet werden.

7.4 Internationale Projekte zur Entsorgung von HAW

281

Tab. 7.13 Das Referenzinventar der potentiell sicherheitsrelevanten Radionuklide in 9000 Tonnen Uran (tU) 30 Jahre nach der Entnahme aus dem Reaktor. (Nach [30]) Radionuklid

HWZ in a

ISOTOP Am-241 C-14 Cl-36 Cs-137 I-129 Nb-94 Pu-238 Pu-239 Pu-240 Pu-241 Sr-90 U-234 U-238 Summe Summe ’-emitter

T1/2 [a] 4,33 E+02 5,73 E+03 3,00 E+05 3,00 E+01 1,57 E+07 2,03 E+04 8,78 E+01 2,41 E+04 6,54 E+03 1,44 E+01 2,91 E+01 2,45 E+05 4,47 E+09

Gesamtinventar Ai in Bq Nach 30 Jahren Abkühlzeit Total inventory at 30 years cooling time: Ai [Bq] 1,74 E+18 1,45 E+15 2,37 E+13 3,11 E+19 1,72 E+13 6,77 E+15 2,38 E+18 1,28 E+17 2,81 E+17 1,58 E+19 2,01 E+19 4,98 E+14 1,05 E+14 7,15 E+19 9,06 E+18

Posiva Oy, siehe [46], hat mit dem Baugenehmigungsantrag auch den Langzeitsicherheitsnachweis bei der Genehmigungsbehörde eingereicht, und dieser ist mit der Baugenehmigung bestätigt worden, allerdings mit einer Fortschreibungsverpflichtung. An dessen Prüfung wurden auch die IAEA und die OECD-NEA beteiligt. Es ist aufgegeben, in den Langzeitsicherheitsnachweis sowohl aus dem Bau als auch dem Betrieb gewonnene Erkenntnisse ständig einfließen zu lassen. Auch in Finnland wird das Prinzip verfolgt, dass die Sicherheit des Endlagers von der Planung bis zum Verschluss des Endlagers einem kontinuierlichen Optimierungsprozess mit periodischen Sicherheitsüberprüfungen unterworfen werden muss. Im finnischen Endlagerkonzept werden ausschließlich ausgediente Brennelemente (BE) berücksichtigt. Die maximale abzulagernde Menge an HAW wird mit 9000 tU angegeben, die in 4500 Gebinden konditioniert werden sollen, siehe [32]. Im genehmigten Endlagerlayout ist Platz für 5400 Behälter. In Tab. 7.13 sind die Gesamtaktivitäten der 13 Radionuklide, die hinsichtlich Zerfallsleistung und Radiotoxizität von Bedeutung sind, aus dem Referenzinventar gemäß [32], bezogen auf eine Abklingzeit von 30 Jahren, ermittelt. Die Gesamtaktivität Ai beträgt 7,15 E+19 Bq, davon 2,03 E+19 ’-Strahler. Darauf ist das Langzeitrisiko im Langzeitsicherheitsnachweis abgebildet [34]. Auch im finnischen Endlagerkonzept soll die Temperatur an der Oberfläche der Behälter im Endlager 100 °C nicht überschreiten, siehe [31], um die geotechnische Barriere aus Bentonit nicht zu beeinträchtigen. Darauf ist die gesamte Einlagerungstechnologie ausgerichtet, siehe Abb. 7.17.

282

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Abb. 7.18 Vertikale und horizontale Behälter, Einlagerung und die vorgesehenen geotechnischen Barrieren im Langzeitsicherheitskonzept von Olkiluoto. (Quelle: © SKB AB)

Abb. 7.19 Geologischer W-O-Schnitt mit Kennzeichnung des Endlagerbereiches. (Nach [33] POSIVA 2016-016)

Das Endlager Olkiluoto wird in der Granitformation „Äspödiorit“ errichtet. Diese ist 1,8 Mrd. Jahre alt und gehört damit zu den ältesten geologischen Formationen in Europa. Allerdings wird sie auch von wasserführenden Klüften durchzogen, sodass die Rückhaltefunktionen für das radioaktive Inventar von technischen und geotechnischen Barrieren zu gewährleisten ist, siehe Abb. 7.18. Nach Angaben von Posiva Oy werden in Olkiluoto im bereits vorhandenen Endlager (LAW/MAW) nur rund 40 l Wasser pro Minute, was 2,4 m3 pro Stunde oder 58 m3 am Tag entspricht, gemessen. Insofern wird im Endlagerbereich von Olkiluoto eine relativ dichte Granitformation angetroffen, siehe Abb. 7.19. Das gesamte Endlager besteht aus einem System von Transport- und Einlagerungsstrecken, das über eine Rampe von der Erdoberfläche zugänglich ist. Darüber hinaus sind drei Schächte vorgesehen: ein Schacht für den Behältertransport, ein Schacht für Per-

7.4 Internationale Projekte zur Entsorgung von HAW

283

sonentransport und ein Wetterschacht [32]. Die für die Einlagerung mit 25 m Abstand aufgefahrenen Strecken werden sich parallel zu den horizontalen Hauptspannungen im Gebirge orientieren, welche im Endlagerlevel von NW-SE und von E-W verlaufen. Die Strecken werden 400–450 m unter der Geländeoberfläche verlaufen und sollen eine maximale Länge von 350 m besitzen. Die Bohrungen, in denen die Behälter versenkt werden, sollen 1750 mm betragen. Die Gesamtlänge der Einlagerungsstrecken soll ca. 41 km betragen, siehe Abb. 7.17. Das Langzeitsicherheitskonzept besteht aus zwei Teilen, die im Safety Case zusammengefasst sind:  Nuklidfreisetzung und -ausbreitung bis zum Austritt in die Biosphäre. Als Referenzdosis wird 0,1 mSv/a vorgeschrieben. Finnland folgt damit dem Vorschlag des ICRP.  Lösungszutrittsszenario, Verhinderung der Mobilisierung der Schadstoffe. Die Rückholbarkeit ist grundsätzlich nur während der Einlagerungsphase gewährleistet, wobei dies einen Rückbau des Bentonits und die Entwicklung geeigneter Bergungstechnik erfordern würde. Nach Abschluss der Einlagerungsphase, die voraussichtlich etwa 100 Jahre dauern wird, soll das Endlager dann so verschlossen werden, dass eine unbefugte Rückholung möglichst unmöglich gemacht wird. Eine autorisierte Rückholung der eingelagerten Abfälle nach erfolgtem Verschluss ist im aktuellen Konzept nicht mehr vorgesehen. Im sogenannten Eiszeitszenario ist das Vordringen von Permafrost bis in eine Tiefe von 800 m unterstellt, das die Sicherheit des Endlagers gefährden würde. Die Firma Posiva Oy schlägt für diesen Fall eine Verlagerung der Container vor. Die Kosten für die Endlagerung werden, ausgehend von den in Finnland derzeit genehmigten Reaktorblöcken, auf etwa 6 Mrd. C geschätzt; davon entfallen rund 3,5 Mrd. auf das Endlager Olkiluoto für hochradioaktive Abfälle. Die übrigen 2,5 Mrd. C verteilen sich auf die Endlagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle sowie auf den Rückbau der Kernkraftwerke. Diese Kosten bilden die Grundlage für die Berechnung der Umlage, die auch in Finnland als Zuschlag auf Atomstrom erhoben wird und dem finnischen Entsorgungsfonds jährlich 67 Mio. C zuführt. Das Gesetz verlangt, dass im Fonds zum Jahresende immer genug Mittel verfügbar sein müssen, um die Gesamtkosten ab diesem Zeitpunkt zu tragen. Derzeit sind im Fonds etwa 2 Mrd. C eingelegt. Betriebsaufwendungen der Betreibergesellschaft werden direkt von deren Gesellschaftern und nicht aus dem Fonds getragen.

284

7.5 7.5.1

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Zeitliche Veränderung der Radioaktivität in Abfällen Grundlagen

Für den Betrachtungszeitraum bei der Ermittlung der Langzeitsicherheit spielen die langlebigen Radionuklide mit hoher Radiotoxizität die bestimmende Rolle. Deshalb kommt dem Abklingverhalten von radioaktiven Abfällen und dessen Beeinflussbarkeit eine hohe Bedeutung zu. Nachfolgend sollen einige Ausführungen zu diesem Thema vorgelegt werden. Bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände handelt es sich um Abfallgemische, auch als Nuklidgemische bezeichnet. Die Zusammensetzung hängt natürlich in starkem Maße davon ab, in welcher Zusammenstellung die Abfälle gemäß Abb. 7.20 vorliegen bzw. zur Endlagerung vorbereitet (konditioniert) werden. Nuklidgemische sind in Tab. 7.1 und 7.3a aufgeführt, die für die jeweilige Art typisch sind. Die radioaktiven Atomkerne (Radionuklide) zerfallen unter Aussendung von Strahlung (’-, “-, ”- und Neutronenstrahlen). Sie wandeln sich in andere Atomkerne um, die teils wieder radioaktiv sind. Früher oder später entstehen jedoch stabile Isotope, die nicht weiter strahlen. Die Halbwertszeit eines Isotops ist die Zeit, nach der die Hälfte des Materials zerfallen ist. Die in radioaktiven Abfällen vorkommenden Isotope haben extrem unterschiedliche Halbwertszeiten – von weniger als einer Stunde bis hin zu Millionen von Jahren. Abfallgemische weisen eine andere (natürliche) Abnahme der Radioaktivität auf als einzelne Radionuklide (Abklingzeiten von Nuklidgemischen). Das in den Brennelementen in Uranoxidpastillen enthaltene Gemisch von U-235 und U-238 reagiert bei Beschuss beispielsweise folgendermaßen: U-235 kann sich spalten. U-238 kann sich nicht spalten, kann sich aber umwandeln in spaltbare Elemente. Auf diese Weise entstehen in den bestrahlten Brennelementen im Reaktor weitere Gemische aus unterschiedlichen strahlenden Nukliden. Die kleineren und häufig stark radioaktiven Nuklide werden Spaltprodukte genannt. Die aus U-238 umgewandelten radioaktiven Nuklide werden als Transurane (minore Actinoide: Neptunium, Americium und Curium – die Isotope Np-237, Am-241, Am243 und Cm-245) bezeichnet, siehe Tab. 7.4. Dies ist die Basis für die Betrachtung des radioaktiven Inventars in den Abfällen und damit der physikalischen Eigenschaften der Nuklidgemische, in diesem Fall von hochradioaktivem Abfall (HAW). Spaltprodukte sind in der Regel sehr viel kurzlebiger als Transurane. Die Bruchstücke, die z. B. beim Spaltprozess des U-235 entstehen, sind mehrheitlich kurz- oder sehr kurzlebig und wandeln sich vielfach über weitere radioaktive kurzlebige Spaltprodukte in stabile nicht radioaktive Nuklide um. Dabei entsteht sehr viel Zerfallswärme, die ihrerseits im Reaktor zur Erhitzung von Wasser und über Turbinen zur Stromerzeugung genutzt wird, danach aber dazu führt, dass die abgebrannten Brennelemente während Jahren und Jahrzehnten in nassen Lagerbecken (Wasserbecken, Nasslager) abgekühlt werden müssen, wobei das Wasser sowohl die Wärme abführt als auch einen wesentlichen Teil der Strahlung abschirmt, siehe Abb. 7.1. Erst wenn die Wärmeentwicklung deutlich nachgelassen hat, werden die Brennelemente transportfähig. Sie können dann in speziellen

7.5 Zeitliche Veränderung der Radioaktivität in Abfällen

285

Toxizitätsindex (-)

10

11

Sr-90

10

10

Cs-137

10

9

Y-90 Eu-154

10

8

Spaltprodukte total

10

7

10

6

I-129

10

5

H-3 Tc-99

10

4

Nb-93m Cs-135

10

3

Zr-93

10

0

10

1

10

2

10

3

10

4

10

5

10

6

Alter der Abfälle (Jahre)

Abb. 7.20 Spaltprodukte und Zerfallseigenschaften gemessen am Toxizitätsindex: Sr = Strontium, Cs = Caesium, Y = Yttrium, Eu = Europium, I = Iod, H-3 = Tritium, Tc = Technetium, Zr = Zirkon, Nb = Niobium, nach [48] und Tab. 7.3a und b

286

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

luftgekühlten Behältern (Castoren) in ein Zwischenlager gebracht werden. Eine nennenswerte Wärmeentwicklung tritt allerdings nur bei hochradioaktiven Abfällen auf, siehe Abb. 7.20. Bei der Atomspaltung entstehen auch Spaltprodukte mit „mittleren“ und solche mit „langen“ Halbwertszeiten. In der „mittleren“ Gruppe sind zwei Elemente bestimmend: Cs137 und Sr-90 (und das Tochterprodukt Yt-90). Beide Elemente haben Halbwertszeiten von rund 30 Jahren: Nach 300 Jahren sind also noch ein Promille, nach 600 Jahren ein Millionstel und nach rund 100 Jahren weniger als ein Milliardstel des originalen Ausgangsnuklids vorhanden. Daneben gibt es aber sieben langlebige Spaltprodukte, etwa Technetium oder Ma-99 (Halbwertszeit 211.000 Jahre) und I-129 (Halbwertszeit 15,7 Mio. Jahre). Tc99 entstammt einer Zerfallskette um Y-99, siehe Tab. 7.1 und 7.3a. Abb. 7.21 veranschaulicht den (natürlichen) Zerfallsverlauf der Spaltprodukte anhand des sogenannten Toxizitätsindexes von hochaktivem verfestigtem Abfall aus der Wiederaufarbeitung von Brennelementen von Druckwasserreaktoren mit einem Abbrand von 33.000 MWd/t (Megawatt-Tag/Tonne).

Toxizitätsindex (-)

10

8

Cm-Isotope

10

7

Am-Isotope Aktiniden total Pu-Isotope

10

6

10

5

Pu-Isotope

10

4

U-Isotope

10

3

10

0

10

1

10

2

10

3

10

4

10

5

10

6

Alter der Abfälle (Jahre)

Abb. 7.21 Transurane und Zerfallseigenschaften gemessen am Toxizitätsindex: Cm = Curium, Am = Americium, Pu = Plutonium, Np = Neptunium, U = Uran, nach [48]

7.5 Zeitliche Veränderung der Radioaktivität in Abfällen

287

Der Toxizitätsindex wird als Verhältnis zwischen Wassermenge und Abfallvolumen definiert, das erforderlich ist, um radioaktive Stoffe so zu verdünnen, dass die Strahlenschutzstandards erfüllt werden können. Es ist also eine empirische Größe, die entsprechend den Erkenntnissen der Radiotoxikologie angepasst wird oder werden muss. Die Aktivitäten der radioaktiven Spaltprodukte nehmen in den ersten rund 1000 Jahren um einen Faktor 1 E06 ab. Danach dominieren die langlebigen Spaltprodukte. Siehe auch [10].

7.5.2

Gezielte Veränderung der Radioaktivität durch Transmutation

Zwischenzeitlich vorliegende Forschungsergebnisse und Umsetzungen müssen ernstgenommen und in ein Endlagerkonzept einfließen, dazu gehört auch die kerntechnische Behandlung radioaktiven Abfalls (nukleare Transmutation bestehend aus Partitionierung und Transmutation; P&T) Hier einige wenige Anmerkungen dazu. P&T bezeichnen technische Verfahren zur Behandlung abgebrannter Brennelemente aus Kernkraftwerken (blaue Kurve Abb. 7.22), die auf die Abtrennung von Stoffgruppen zielen (Partitionierung) und auf die anschließende Umwandlung der Aktinidenelemente Plutonium (Pu), Neptunium (Np), Americium (Am) und Curium (Cm) durch Bestrahlung (Transmutation). Radioaktive Isotope mit hoher Halbwertszeit (langer Lebensdauer; Tansurane) werden durch die Bestrahlung mit Neutronen in Radionuklide umgewandelt, die entweder stabil sind oder aber wesentlich kürzere Halbwertszeiten aufweisen. In Abb. 7.22 ist die zeitliche Entwicklung eines Radiotoxizitätsindikators (gemessen in der Dosiseinheit Sievert, Sv) dargestellt. Durch P&T kann die Abnahme der Radiotoxizität von Aktiniden (hier: Plutonium, Uran, rote Kurve in Abb. 7.22) deutlich schneller ablaufen (grüne Kurve in Abb. 7.22). Damit verkürzt sich die Zeit, in der die Radiotoxizität von HAW auf ein Niveau abfällt, das dem von natürlichem Uran(erz) entspricht, und zwar von ca. 16.000 Jahre auf nur noch 330 Jahre. Damit wird auch die Wärmefreisetzung des HAW deutlich schneller auf ein Niveau reduziert, mit dem die Wärmefreisetzung durch Zerfallswärme im Endlager weitgehend vermieden werden kann. Hiermit können umfängliche Maßnahmen zur Reduzierung der wärmeinduzierten Belastung des Gebirges entfallen, ohne dass dadurch der Sicherheitsstandard abgesenkt wird. Es könnte somit auf einen Langzeitsicherheitsnachweis zurückgegriffen werden, wie er für radioaktive Abfälle mit geringer Wärmeentwicklung zum Ansatz gebracht und genehmigt wurde. Mit dem im Folgenden vorgestellten modularen Endlagerkonzept wird der Sicherheitsstandard des Endlagers erheblich erhöht werden. Technische Analysen zeigen, dass die Verringerung des Aufkommens wärmeentwickelnder Abfälle die Reduktion der thermischen Leistung und der Gesamtaktivität infolge einer nachfolgenden Durchführung von P&T für ein deutsches Endlagerszenario signifikant sein kann; dabei bewegt sich deren Reduktion im Minimum um zwischen ein und zwei Größenordnungen, bei der Radiotoxizität noch signifikanter, siehe [9]. Natürlich werden mit der Transmutation die radioaktiven Rückstände nicht beseitigt und müssen ebenfalls einer Endlagerung, allerdings mit einem erheblich veränderten Ra-

288

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

109

108

107

106

105

104

103

102 10

100

1.000

10.000

100.000

1.000.000

Abb. 7.22 Transmutation, Verlauf der Radiotoxizität. (Nach Angaben von [47])

dionuklidvektor und reduzierter Radiotoxizität der HAW, zugeführt werden. So verbleiben als mobile und langlebige Radionuklide u. a. C-14, Cl-36, Cs-135 und I-129, für die ein Langzeitsicherheitsnachweis zu führen ist. Der Sicherheitsgewinn durch den schnelleren Abbau von radiotoxikologisch besonders relevanten Radionukliden der Aktiniden ist aber ein insgesamt wichtiger Aspekt in Hinblick auf die Langzeitsicherheit. Es laufen dazu derzeit Forschungsprogramme im großen Umfang, u. a. in Frankreich, die eine Anwendung der Transmutation in einem Endlagerkonzept erwarten lassen. Erste Einschätzungen der Vor- und Nachteile von P&T bei verschiedenen Reaktorkonfigurationen in Abhängigkeit von den vorgegebenen spezifischen Zielen sind in der acatech-Studie zusammengestellt [9]. Um die verschiedenen Handlungsoptionen für die Bundesregierung in der Frage des künftigen Umgangs mit P&T abzuschätzen und zu bewerten, wurden insgesamt vier technische Szenarien entwickelt. Diese Szenarien wurden auf der Grundlage eines breiten Methodenmixes auf ihre sozialen, ökologischen, rechtlichen und ökonomischen Implikationen hin untersucht.

7.6 Schlussfolgerungen

289

Obwohl die Studie zahlreiche noch zu lösende Fragen thematisiert, kann aus heutiger Sicht nicht mit der Anwendung von P&T in einem deutschen Endlagerkonzept gerechnet werden. Drei Tatsachen sprechen allerdings dagegen:  Für P&T werden aus heutiger Sicht Leichtwasserreaktoren mit speziell dafür entwickeltem Oxidbrennstoff eingesetzt. Aktuelle Szenarien gehen davon aus, dass die bestehenden Leichtwasserreaktoren nach und nach durch Reaktoren der dritten Generation vom Typ EPR7 ersetzt werden, bis ab 2050 sukzessive schnelle Reaktoren der vierten Generation eingeführt werden, siehe [40].  Es steht derzeit keine anwendungsbereite Technologie zur Verfügung. Geplant ist die ADS-Technologie8 und die Produktion von Transmutationsbrennstoff aus den radioaktiven Abfällen aus Leichtwasserreaktoren im Jahre 2050, siehe [39].  Seit dem 1. Juli 2005 ist per Gesetz die Wiederaufarbeitung von Brennstäben aus Deutschland komplett untersagt. Damit dürfte nach derzeitiger Gesetzeslage auch ein P&T-Verbot gelten.  Das P&T-Verfahren dauert sehr lange, mehrere Jahrzehnte für die in Deutschland angefallenen HAW, sodass sich, auch finanziell, nur die Integration in ein Kernenergiegewinnungsverfahren aus derzeitiger Sicht lohnen würde. Bis zur endgültigen Entscheidungsfindung zur finalen Entsorgung von HAW und unter Anbetracht der zu erwartenden Weiterentwicklung der Technologie sollte die P&T-Technik in ein modulares Konzept der Endlagerung einbezogen werden. P&T werden dann auf KW gesetzt, wenn sich das Verfahren nicht im Endlagerkonzept eignet.

7.6 Schlussfolgerungen Die Errichtung von Endlagern für hochradioaktive (wärmeerzeugende) Abfälle ist, wie an einigen Beispielen gezeigt wurde, kein unlösbares Problem. Einige Länder haben dabei bereits große Fortschritte gemacht. Drei von ihnen, nämlich Finnland, Schweden und Frankreich, sind dem Ziel sehr nahe. Deutschland hat aus politischen Gründen mit der Standortsuche für ein Endlager von vorn begonnen. Nach fast 50 Jahren Endlagerforschung für (wärmeerzeugende) HAW steht Deutschland fast wieder bei „null“. Gibt der sogenannte Neustart Anlass zur Hoffnung? Man wird abwarten müssen. Ein Konzept, wie man zu einer langzeitsicheren, langzeitstabilen Endlagerung kommen will, ist nicht zu erkennen. Hier sollen die Elemente von internationalen Entsorgungslösungen zusammengestellt werden, ohne die ein Endlagerkonzept kaum eine Chance auf Verwirklichung hat. Für alle vorgestellten Endlagerprojekte gilt, dass diese sowohl in der Zeit der Errichtung als auch bis zu ihrer Stilllegung optimiert werden. Dies gilt als anerkanntes Grundprinzip der Endlagergestaltung. 7 8

EPR – European Pressurized Water Reactor. Accelerator-driven Systems (ADS) and Fast Reactors [27].

290

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Das Ziel, das sowohl das Standortauswahlgesetzes (StandAG) vorgibt und auch die mit dem StandAG begründete Endlagerkommission formuliert hat, lautet: „. . . den Standort für eine Anlage zur Endlagerung nach § 9a Absatz 3 Satz 1 des Atomgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland zu finden, der die bestmögliche Sicherheit für einen Zeitraum von einer Million Jahren gewährleistet“. Es gibt jedoch weltweit kein Auswahlverfahren, das auf eine „bestmögliche Sicherheit“ abgezielt hätte. Dies trifft auch auf die hier vorgestellten erfolgreichen Lösungsansätze zu. Es existiert ebenfalls in der gesamten wissenschaftlichen Literatur keine allgemein akzeptierte Definition dieses Begriffs. Die „bestmögliche Sicherheit“ ist für das zu erreichende Ziel, dass „. . . eine Endlagerkonzeption für radio-toxische Abfälle und Rückstände dauerhaft verhindern muss, dass radiotoxische Kontaminanten in die Biosphäre gelangen können und wenn, dann nur innerhalb der gesellschaftlich akzeptierten Grenzen.“ ohne Belang. Es zeigt sich vielmehr, dass zunächst die organisatorisch-technischen Aspekte herausgefiltert werden müssen, ohne die eine Endlagerkonzeption und eine dauerhaft sichere Verwahrungslösung nicht gefunden werden kann. Das permanent stehende Kriterium ist die Genehmigungsfähigkeit des Endlagersystems und bestmöglich kommt darin nicht vor. Im Anschluss an die Tätigkeit der Endlagerkommission gemäß StandAG [35] und mit dem Gesetz zur Neuordnung der Organisationsstruktur im Bereich der Endlagerung [38] hat der Bund 2016 die Zuständigkeiten im Bereich der Endlagerung neu gestaltet. Das Gesetz sieht vor, die staatlichen Aufgaben der Aufsicht und Genehmigung im Bereich der Kerntechnik, der Zwischenlagerung, der Standortauswahl und der Endlagerüberwachung mehrheitlich in einer Behörde zu bündeln – dem Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE). Damit wurde das BfE zur zentralen und vom Endlagerbetreiber unabhängigen atomrechtlichen Zulassungs- und Aufsichtsbehörde. Als Vorhabenträger für die operativen Aufgaben der Standortsuche, der Errichtung und des Betriebs der Endlager sowie der Schachtanlage Asse II und des Erkundungsbergwerks Gorleben ist eine Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mbH gegründet worden [38]. Diese übernimmt die Aufgaben der Asse-GmbH, der DBE mbH sowie die Betreiberaufgaben des BfS. Das BfS konzentriert sich demnach auf die staatlichen Aufgaben des Strahlenschutzes oder der Messnetze für Radioaktivität in der Umwelt. Die Auswahl der hier getroffenen internationalen Endlagerprojekte ist nicht zufällig. Entweder die Endlagerprojekte sind fertiggestellt (WIPP) oder sie sind im Bau bzw. der Endlagerstandort ist bestimmt, das Verwaltungsverfahren ist angelaufen. Auch Yucca Mountain in den USA ist wieder in diesen Stand versetzt. Den erfolgreich verlaufenden europäischen Projekten ist eines gemeinsam: Es hat ein Standortauswahlverfahren gegeben, das offen und transparent war und bei dem die Bevölkerung der aufnehmenden Gemeinde nicht nur die letzte Entscheidung hatte, sondern auch die Aussicht auf einen angemessenen Nachteilsausgleich. Wer für die Bürgerschaft eines Landes die Verpflichtung zur langzeitsicheren Entsorgung von HAW auf dem Gemeindeterritorium übernimmt, der sollte auch mit einer hohen finanziellen Honorierung aus dem Finanzierungfonds rechnen dürfen. Dies war in Finnland und in Schweden genauso organisiert. Einzig in den USA (Yucca Mountain) ist es bisher so gelaufen wie in Deutschland, intransparent und

7.6 Schlussfolgerungen

291

ohne öffentliche, regionale Beteiligung. Letztendlich mussten Gerichte entscheiden. Es ist durchgängig belegbar, dass eine positive Stimmung zur friedlichen Nutzung der Kernenergie nicht ausschlaggebend für die Akzeptanz von Endlagerprojekten ist, sondern die Feststellung, dass mögliche negative Auswirkungen der Endlagerung von HAW regional sind und kaum überregional feststellbar sein werden und somit die letzte Entscheidung über die Zustimmung zu einem Endlager im Territorium einer Gemeinde auch bei der Gemeinde selbst liegen sollte. Die meisten Länder, die sich intensiv um einen Endlagerstandort für HAW bemühen, betreiben Kernkraftwerksanlagen. Alle diese Länder haben vor der Entscheidung zur Suche nach einem geeigneten Endlagerstandort sich die Frage vorgelegt, ob nicht dafür insbesondere Standorte geeignet sind, an denen Kernkraftanlagen betrieben werden oder an denen Kernkraftanlagen betrieben wurden. Alle diese Länder haben die Fragestellung mit Ja beantwortet. Sie hatten dafür zwei starke Argumente: Die vorhandene Infrastruktur, die Zwischenlager eingeschlossen, konnte in die Endlagerkonzeption eingebunden werden und dass ein Endlagerstandort mehrere Aufgabenstellungen bündelt, nämlich die der Konditionierung der radioaktiven Abfälle (Verkapselung) und die der Transportlogistik (Abfallmanagement) zwischen Konditionierungsanlagen und Endlagerstandort. Diese sind zu optimieren und müssen wesentlicher Teil der Akzeptanz durch die Bürgerschaft werden. Die in Schweden offerierte Lösung des Schiffstransportes zwischen der Konditionierungsanlage in Oskarshamn und dem Endlager in Forsmark, siehe Abb. 7.12, ist originell, originell ist auch die Lösung, die Gebinde direkt von der Konditionierungsanlage untertägig in das Endlager zu transportieren. Bei den meisten internationalen Endlagerprojekten werden die abgebrannten Kernbrennstoffe nicht direkt aus dem Zwischenlager in die Konditionierungsanlage verbracht. Es werden Übergangslager errichtet. In Deutschland erfüllen die Zwischenlager die Forderungen eines Übergangslagers nicht. Aufgrund der Länge des Verfahrens werden die Betriebsgenehmigungen für die Zwischenlager auslaufen, sodass die aufgeworfene Fragestellung von hoher Relevanz ist: Wo und wie viele Übergangslager9 sollten errichtet werden, und sollte die Kraftwerkshülle von Kernkraftwerken genutzt werden können etc.

9

Im Nationalen Entsorgungsplan der Bundesregierung ist ein Eingangslager vorgesehen, in das die HAW aus den Zwischenlagern, insbesondere wegen der auslaufenden Betriebsgenehmigungen, überführt werden sollen. Die hier aufgeworfenen Zusammenhänge und abgeleiteten Fragestellungen spielen darin keine Rolle. So wird im Abschlussbericht der Endlagerkommission Seite 248 festgestellt: „Zeitlich muss die Auslagerung aus den Zwischenlagern mit der entsprechend dem Endlagerkonzept erforderlichen Konditionierung am Endlagerstandort abgestimmt sein. Unsicher ist, ob und in welcher Größe es das im Nationalen Entsorgungsplan vorgesehene Eingangslager geben wird. Wenn dieses Lager errichtet wird bevor das Endlager eine rechtskräftige Genehmigung hat entsteht der Eindruck einer Vorentscheidung, der Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens auslösen kann. Wenn ein großes Eingangslager errichtet wird, könnte dies in der Diskussion vor Ort zudem als die größere Belastung im Vergleich zum Endlager wahrgenommen werden . . . “ Diese Feststellung ruft natürlich auch die Frage hervor, hätte man von der Endlagerkommission nicht dazu detaillierte Zuarbeit erwarten können?

292

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Welche zeitliche Relevanz haben diese Fragestellungen? Die Bundesregierung hat erklärt, dass die Standortsuche spätestens 2031 abgeschlossen sein soll, und die Endlagerkommission erklärt im Abschlussbericht dazu: „Nach Auffassung der Kommission könnte die Einlagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe am gesuchten Standort mit bestmöglicher Sicherheit im Jahr 2050 beginnen . . . “, um dann im zweiten Halbsatz die Generalversicherung einzufügen: „. . . falls es nicht zu unvorhergesehenen Verzögerungen kommt.“, siehe [35, S. 104]. Für den Einlagerungsbetrieb sind 20–30 Jahre prognostiziert. Angesichts der Tatsache, dass schon Fehler in der Formulierung der Auswahlkriterien für einen Endlagerstandort zu erheblichen Zeitverzögerungen durch Akzeptanzversagen der Bürgerschaft führen können, erscheinen dem Autor die angegebenen Termine wenig realistisch, begründet durch nach gegenwärtigen Erfahrungen plausible Zeitbedarfe für Genehmigungsverfahren, für Öffentlichkeitsbeteiligung, für Abstimmung- und Abwägungsprozesse, für Rechtsschutzverfahren, für Nacherhebung von Daten und die Erkundung von infrage kommenden Standortregionen. Dies zugrunde gelegt, kommt man explorativ zu deutlich anderen Zeiträumen. Die Inbetriebnahme (Beginn der Einlagerung der Abfälle) könnte erst für das nächste Jahrhundert erwartet werden, ein Verschluss erst weit in das nächste Jahrhundert hinein. Zum Vergleich: Die geplante Bauzeit (Umrüstung) für das Endlager Schacht Konrad wird sich am Ende mehr als verdreifacht, die Kosten sich vervierfacht haben. Alle hier vorgestellten internationalen Endlagerprojekte ist zu eigen, dass sie in Ländern errichtet werden, die die Energieerzeugung aus Kernbrennstoffen in ihr Energiekonzept langfristig integriert haben und wo die Produktion abgebrannter Kernbrennstoffe bis auf unabsehbare Zeit fortdauern wird. Es ist wahrscheinlich, dass neben den nunmehr genehmigten Endlagern für HAW weitere folgen müssen. In Finnland soll Oklituoto ca. 100 Jahre in Betrieb bleiben. Endlager Oklituoto ist also groß ausgelegt in Bezug auf die jährlich anfallende Menge HAW in Finnland. Frankreich hat entschieden, weitestgehend nur aus der Wiederaufbereitung stammendes radioaktives Material im Endlager Cigéo (Bure) einzulagern, direkte Einlagerung ist die Ausnahme, dementsprechend gering ist die Wärmeentwicklung und die relative Radiotoxizität des Inventars. Zudem plant Frankreich für die Zukunft die Anwendung des P&T-Verfahrens. Das Gemeinsame ist deshalb, dass diese Länder Platz zur Zwischenlagerung der neu anfallenden HAW benötigen. In dieser Lage ist Deutschland nach 2050 aber nicht, weil dann aus den Kernkraftwerken keine neuen HAW mehr anfallen. Die Zwischenlagerkapazität ist nach veröffentlichten Angaben des BMU sehr ausreichend. Weiterhin schreibt Paragraf 6 (5) des AtG vor: Die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen in kerntechnischen Anlagen nach Absatz 3 in Verbindung mit Absatz 1 soll 40 Jahre ab Beginn der ersten Einlagerung eines Behälters nicht überschreiten. Eine Verlängerung von Genehmigungen nach Satz 1 darf nur aus unabweisbaren Gründen und nach der vorherigen Befassung des Deutschen Bundestages erfolgen.

Ob nicht vorhandene Endlagerungskapazitäten als unabweisbare Gründe gelten, ist frühestens 2042 vom Deutschen Bundestag zu entscheiden, wenn die Betriebsgenehmi-

7.6 Schlussfolgerungen

293

gung des Zwischenlagers am Standort Emsland ausläuft, und spätestens 2048, wenn die Betriebsgenehmigung am Standort Unterweser endet. Vorher laufen allerdings die Betriebsgenehmigungen der dezentralen Zwischenlager aus, die erste 2032 (Ahaus), die letzte 2039 (Rubenow). Damit hat sich also die nachfolgende Generation auseinanderzusetzen. Fakt ist, dass die Kapazität für ein deutsches Endlager ziemlich genau kalkulierbar ist und es nach derzeitigem Stand sehr wahrscheinlich ist, dass Deutschland keinen weiteren Bedarf an der Endlagerung von HAW mehr haben wird. Besteht deshalb Grund zur Eile bei der Findung und Errichtung von Endlagerungskapazitäten von HAW? Aus Sicht des Autors nicht. Wonach in Deutschland Bedarf besteht, und zwar erheblicher, ist eine ausgewogene Endlagerkonzeption, die alle vorhandenen Potenzen hebt, die das geforderte Maß an Sicherheit bietet, um das Ziel der dauerhaften, vollständigen Isolation des eingelagerten radioaktiven Inventars gegenüber der Biosphäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erreichen, die Akzeptanz erwarten kann und die auch die anfallenden Kosten im Blick behält. Zu den Potenzen gehören auch die der Kernkraftwerksbetreiber. Sie und ihr qualifiziertes Personal können erhebliches Know-how in den Prozess einspeisen und sollten auch die Möglichkeiten erhalten, sich aus dem öffentlichrechtlichen Fonds Geld für erbrachte Leistungen zu verdienen, wie in anderen Ländern auch. Woran liegt es nun, dass ein Teil der Community so auf Eile drängt? Nun, weil nach deren Meinung ein Inbetriebnahmezeitpunkt, der nach 2050 liegt, das Ziel verfehlt, „die Entsorgungsfrage nicht auf zukünftige Generationen zu verschieben“. Dies hört sich zunächst fürsorglich an, ist aber eine Worthülse. Die Entsorgung der in dieser Generation anfallenden radioaktiven Abfälle wird per se viele, viele nachfolgende Generationen betreffen. Ein Betreff ist bereits oben formuliert: die Betriebsgenehmigungen für Zwischenlager, möglicherweise die für Übergangslager, Konditionierungsanlagen, P&T u. a. Wir müssen also vielmehr dafür sorgen, dass nachfolgenden Generationen durch die Entsorgung von radioaktiven Abfällen dieser Generation keine Schäden entstehen, auch keine finanziellen. Sicherheit muss in allen Phasen der Endlagerung von (wärmeerzeugenden) HAW oberste Priorität haben. Dies betrifft das Umfeld des Endlagers, für das ein Langzeitsicherheitsnachweis zu führen ist, dies betrifft aber auch und besonders das Betriebspersonal in allen Bereichen (Zwischenlager, Konditionierung, Transport, Annahme, Einlagerung und Verschluss). So ist eine auch schnelle Stilllegung der Endlager nach derzeitigem Verständnis nicht angeraten. Ein alsbaldiger Verschluss der Anlage nach dem Prinzip „Augen zu und durch!“ impliziert die Botschaft, dass die Absicht besteht, die radioaktiven Abfälle so schnell wie möglich loszuwerden und das Problem auf die nachfolgenden Generationen zu verlagern. Falls es diesen gelingt, bessere Verfahren zur Endlagerung von HAW zu entwickeln, dann müssen sie diese einsetzen können, z. B. den Regelbetrieb Nukleare Transmutation. Dies gelingt am ehesten, wenn ein freier Zugang, eine permanente Überwachung und Informationsgewinnung von den isolierten HAW über einen Zeitraum von mindestens 500 Jahren ermöglicht wird. Interessant ist hier, dass das französische Endlagerkonzept diese Überlegung enthält, allerdings unter dem Aspekt der Rückholbarkeit. Diese ist darin auch nach Verschluss des Endlagers nachfolgenden Generationen mög-

294

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

lich, die das damit entstehende Risiko zu kalkulieren haben. Dies werden sie auch, denn möglicherweise betreiben diese Generationen auch Kernkraftwerke und haben ebenso das Problem der Endlagerung von HAW. Das heißt doch, dass nachfolgende Generationen von den Endlagern profitieren können, indem sie die vorliegenden Endlagerkonzeptionen mit ihren eigenen Ansätzen verschneiden und neue, bessere Endlagerlösungen präsentieren. Bei den internationalen Endlagerprojekten fällt auf, dass in diese ausnahmslos Untertagelabors10 und/oder Pilotanlagen integriert sind. Untertagelabors und/oder Pilotanlagen sind unverzichtbar in den Genehmigungsverfahren der jeweiligen Länder. Nur Deutschland hat darauf bisher fast vollständig verzichtet, sieht man von einigen wenigen durchgeführten Versuchen im damaligen „Forschungsbergwerk“ Asse ab. Dort wurde zwischen 1983 und 1985 an vier Versuchsstellen, mit elektrischen Erhitzern und Kobalt-60-Quellen, die Auswirkungen von hochaktivem Abfall auf das umgebende Salz simuliert. Die Kobalt-60-Quellen gehören heute zum Asse-Inventar, siehe Tab. 7.4. Ansonsten ist wenig Brauchbares übrig geblieben, stattdessen hat man mit der Einrichtung des „Forschungsbergwerkes“ Asse erreicht, die Akzeptanz für die Endlagerung drastisch zu senken. Mit der Bestimmung des Endlagerstandortes muss deshalb zwingend die Einrichtung eines Untertagelabors und/oder einer Pilotanlage beantragt werden. Diese Beantragung muss Bestandteil der Standortgenehmigung werden. Dort können dann geologische, geophysikalische, gesteinsmechanische und geochemische Untersuchungen zur Eignung des Gesteins durchgeführt und die Einlagerungstechniken vor Beginn der Einlagerung unter realen Bedingungen getestet werden. Eine Pilotanlage kann späterhin ins Endlager integriert werden. Mit der Einrichtung von Übergangslagern wird diese Vorgehensweise hier vorgeschlagen und verbunden mit einem zwingend einzurichtenden Langzeit-Monitoring zur Informationsgewinnung über das Verhalten von isoliertem HAW, der Standsicherheit von Gebinden und deren Interaktion mit der Umgebung und deren Einschlusswirksamkeit etc. Von der barrierefreien Rückholbarkeit von Gebinden über einen Zeitraum von 500 Jahren sollte man auch aus diesem Grunde nicht abrücken. In Ländern wie Frankreich, Schweden und Finnland wäre die Einhaltung eines so langen „Übergangs“-Zeitraumes einfacher zu realisieren, weil die friedliche Nutzung der Kernenergie über einen sehr langen Zeitraum fortbestehen wird und damit auch der Anfall von HAW. Ein Beitrag, für zukünftige Generationen die Endlagerung von HAW zu optimieren, wäre dies allemal. Dazu gehört auch die Wirksamkeit von technischen und geotechnischen Barrieren und deren Integration in eine Endlagerkonzeption. Die vorgestellten internationalen Endlagerkonzepte decken eine Palette von möglichen Wirtsgesteinen ab. Der Autor sieht die Standortauswahl und damit die Festlegung auf ein Wirtsgestein nicht als zentrale Frage in einem naturwissenschaftlich fundierten Endlagerkonzept. Für ihn ist diese Fragestellung lediglich die Festlegung auf Randbedingungen, unter denen eine Endlagerkonzeption entwickelt wird. Die Lösung des Akzeptanzproblems ist bei der Standortauswahl von höchster Bedeutung. Es scheint deshalb sinnvoll 10 Untertagelabor kann auch oberflächennah bedeuten, je nach Konfiguration des Endlagers, z. B. mit einer horizontalen Zufahrt.

7.6 Schlussfolgerungen

295

anfangs zu fragen, ob nicht Gemeinden bereit wären, wie in Schweden und Finnland auch, sich als Einlagerungsstandort anzubieten! Dass dazu zunächst die Förderungsbedingungen und Konditionen so festgelegt werden müssen, dass eine Gemeinde auch langzeitig überdurchschnittliche Vorteile daraus ziehen kann, ein Endlager in ihrer Gemarkung zu errichten, versteht sich von selbst. Geologische Formationen, die für einen Endlagerstandort geeignet scheinen, sollen sich dadurch auszeichnen, dass sie ein hohes Isolationsvermögen aufweisen und das Entstehen eines Transportmilieus weitestgehend verhindern, das den Transport von Radionukliden aus den ewG in die Biosphäre erst ermöglicht. Dies sind Wasser oder wässrige Lösungen. Dabei hat die Konsistenz, die Beschaffenheit der wässrigen Lösungen ebenfalls Einfluss auf den Transportmechanismus. Es existieren mehrere Bewertungsmatrizen, die die endlagerelevanten Eigenschaften der potenziellen Wirtsgesteine gegenüberstellen, siehe Tab. 7.14. Das Ergebnis kann nur sein, dass es kein perfektes Wirtsgestein gibt, das eine ausreichende, dauerhafte Sicherheit unter den verschiedenen zu berücksichtigen Szenarien gewährleistet. Ein Endlagerkonzept hat immer ein Multibarrierensystem so zu integrieren, dass die Schwächen des Wirtsgesteins nicht zum Tragen kommen. Wirtsgesteine sind ja nicht aus geologischen Prozessen entstanden, um Endlagern zu dienen. Sie sind da, so wie sie da sind. In nationale Endlagerkonzeptionen können auch nur die Wirtsgesteine einfließen, die in den Ländergrenzen anstehen. In Skandinavien sind das die Granitformation

Tab. 7.14 Bewertungsmatrix der endlagerrelevanten Eigenschaften von Wirtsgesteinen. (Nach [24])

Endlagerrelevante Eigenschaften von Wirtsgesteinen

Temperaturleitfähigkeit

Salinar Ton/Tonstein (z. B. Steinsalz) Hoch Gering

Kristallingestein (z. B. Granite) Mittel

Permeabilität

Praktisch undurchlässig

Sehr gering bis Sehr gering gering (ungeklüftet) bis durchlässig (geklüftet)

Festigkeit

Mittel

Hoch

Deformationsverhalten

Viskos (Kriechen) Eigenstabilität

Gering bis mittel Plastisch bis spröde Ausbau notwendig Anisotrop

Anisotrop

Lösungsverhalten

Lithostatisch isotrop Hoch

Sehr gering

Sehr gering

Sorptionsverhalten

Sehr gering

Sehr hoch

Mittel bis hoch

Gering

Hoch

Hohlraumstabilität

Eigenspannungszustand

Temperaturbelastbarkeit Hoch günstige Eigenschaft

ungünstige Eigenschaft

Spröde Hoch (ungeklüftet) bis gering (stark geklüftet)

Eigenschaft medium

296

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

„Äspödiorit“ und in Deutschland vorrangig die gewaltigen Salzstöcke in Norddeutschland und Granitformationen in Südostdeutschland. In beiden geologischen Formationen gibt es große höffige Bereiche, aus denen Rohstoffe gewonnen werden können. Dies über 1 Mio. Jahre verhindern zu wollen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Als Vorteile von Wirtsgesteinen wird oftmals das Alter der geologischen Formation herausgestellt. Die Granite des Baltischen Schildes (Finnland, Schweden) sind zwischen 1 bis 2,8 Ga alt (1 Ga entspricht 1000 Mrd. Jahre). Im Bereich der Endlagerstandorte Forsmark und Olkiluoto ca. 2 Ga. Die mächtigen Salzstöcke im Norddeutschen Becken haben ein Alter von ca. 250 Mio. Jahren. Technische Materialien oder geotechnogene, geotechnische Konstruktionen sind natürlich wesentlich jünger. Was aber viel wesentlicher ist, es bestand bisher nicht die Zeit, ihre Langzeiteigenschaften mit Versuchen zu belegen. Dies allein ist jedoch noch kein Mangel. Es geht also darum, entsprechend lange Versuchsreihen zu starten, die diese Langzeiteigenschaften sicher belegen und die eine Extrapolation auf Zeiträume von > 100.000 Jahren gestatten. Insbesondere auch aus diesem Grunde ist die Einrichtung eines Untertagelabors und/oder einer Pilotanlage unverzichtbar. Bei einem Multibarrierensystem einer Endlagerkonzeption werden die einzelnen Barrieren so aufeinander abgestimmt, dass die Isolation des radioaktiven Abfalls dauerhaft gewährleistet bleibt. Die technischen und geotechnischen Barrieren gleichen die Unvollkommenheit der geologischen Barriere aus. Nur auf die Eigenschaften der technischen und geotechnischen Barrieren hat der Mensch Einfluss, diese kann er gestalten und entwickeln. Insbesondere bei der Behälterentwicklung und der Auswahl lang und effektiv wirkender Immobilisate gibt es in Deutschland erheblichen Forschungsbedarf. Die mit Bentonitpuffern versehenen, doppelt ummantelten Kupferbehälter der SKB wären sicher auch auf deutsche Verhältnisse übertragbar, zumindest geben die schwedischen und finnischen Forschungen dazu die Richtung an. Ein Vergleich der Radionuklidvektoren, der für die Endlagerung vorgesehenen HAW in Deutschland, Schweden und Finnland zeigt, dass die Radionuklidvektoren als solche nicht bestimmend für die Auswahl des Wirtsgestein für das aufzunehmende Endlager sind, siehe Tab. 7.15. Dazu mussten die verschiedenen Bezugszeiten in Tab. 7.4, 7.12 und 7.13 neutralisiert werden. Dies geschah durch das Herausnehmen der Radionuklide mit einer Halbwertszeit < 1000 Jahre. Die Auswahl aus anstehenden Wirtsgesteinen wird vorrangig bestimmt durch das Isolationsvermögen der geologische Formationen (Durchlässigkeit, Sorptionsverhalten), in der der ewG ausgebaut ist, und durch die dauerhafte Verhinderung der Entstehung eines Transportmilieus sowie der Entwicklung von Transportmechanismen, sodass Radionuklide in schädigendem Maße aus dem ewG in die Biosphäre austreten können (Störfallszenario Lösungszutritt in den ewG). Allerdings muss hier der Fakt erwähnt werden, dass bei Korrosion der Gebindematrix ein gleichzeitiger, spontaner Austritt aller Radionuklide aus dem Gebinde nicht zu erwarten ist. Radionuklide werden mit der Korrosion zwar aus dem Abfallprodukt herausgelöst, können aber in die neuen Festphasen eingebaut und dadurch immobilisiert werden. Das Ausmaß von Freisetzung und Rückhaltung wird durch das geochemische Milieu bestimmt, da Radionuklide einer Vielzahl von Prozessen unterworfen

4,33 E+02 5,73 E+03 3,00 E+05 2,91 E+01 3,00 E+01 1,57 E+07 8,78 E+01 2,41 E+04 6,54 E+03 1,44 E+01 2,45 E+05 4,47 E+09

Am-241a C-14 Cl-36 Sr-90a Cs-137a I-129 Pu-238a Pu-239 Pu-240 Pu-241a U-234 U-238 Summe Summe ’-emitter

Freigrenze FGi (Bq) 1,00 E+04 1,00 E+07 1,00 E+06 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+05 1,00 E+04 1,00 E+04 1,00 E+03 1,00 E+05 1,00 E+04 1,00 E+04

Deutschland (Standort offen) SUMME Summe [Bq] Ai/FGi 3,20 E+18 3,20 E+14 4,38 E+14 4,37 E+07 1,30 E+13 1,30 E+07 1,03 E+19 1,03 E+15 1,73 E+19 1,73 E+15 2,14 E+13 2,15 E+08 2,12 E+18 2,12 E+14 1,66 E+17 1,65 E+13 3,73 E+17 3,73 E+14 4,70 E+18 4,70 E+13 8,05 E+14 8,05 E+10 1,12 E+14 1,12 E+10 3,82 E+19 3,73 E+15 5,86 E+18 9,22 E+14

Schweden (Forsmark) SUMME [Bq] 1,7 E+18 5,2 E+14 2,3 E+12 2,3 E+19 1,4 E+13 1,3 E+18 1,4 E+17 2,5 E+17 1,1 E+19 1,6 E+19 6,0 E+14 1,3 E+14 5,34 E+19 1,31 E+19 Summe Ai/FGi 1,7 E+14 5,2 E+07 2,3 E+06 2,3 E+11 1,4 E+09 1,3 E+13 1,4 E+13 2,5 E+13 1,1 E+16 1,6 E+14 6,0 E+10 1,3 E+10 1,14 E+16 1,12 E+16

Finnland (Olkiluoto) SUMME [Bq] 1,74 E+18 1,45 E+15 2,37 E+13 3,11 E+19 1,72 E+13 2,38 E+18 1,28 E+17 2,81 E+17 1,58 E+19 2,01 E+19 4,98 E+14 1,05 E+14 7,15 E+19 1,79 E+19

Summe Ai/FGi 1,74 E+14 1,75 E+08 2,37 E+07 3,11 E+15 1,72 E+09 2,38 E+13 1,28 E+13 2,81 E+13 1,58 E+16 2,01 E+14 4,98 E+10 1,05 E+10 1,93 E+16 1,60 E+16

Radiotoxizität ermittelt auf der Grundlage der Freigrenzen der deutschen StrlSchV, Anlage III Tabelle 1 In Deutschland war Wiederaufarbeitung von Brennelementen bis 2005 erlaubt. Dies wirkt sich mindernd auf die Aktivität und Radiotoxizität aus. Die Endlagerbemessung in Finnland geht von einem Einlagerungszeitraum von ca. 100 Jahren aus, gemessen ab 2022. In diesem Zeitraum wächst die Menge der zu verwahrenden Abfälle erheblich auf, so dass die langzeitsicher, langzeitstabil zu verwahrenden Radiotoxizitäten in Forsmark und Olkiluoto fast gleich sind. a Die verschiedenen Einlagerungs- bzw. Bezugszeitpunkte werden durch das Herausstreichen von Radionukliden mit einer HWZ < 1000 Jahre neutralisiert

T1/2 [a]

ISOTOP

Bezugsgrößen

Tab. 7.15 Vergleich der Radionuklidvektoren der für die Endlagerung vorgesehenen HAW in Deutschland, Schweden und Finnland

7.6 Schlussfolgerungen 297

T1/2 [a]

5,2 E+14 2,3 E+12 1,3 E+18 2,5 E+17 1,1 E+19 6,0 E+14 1,3 E+14 1,26 E+19 1,13 E+19

4,38 E+14 1,30 E+13 2,14 E+13 1,66 E+17 3,73 E+17 8,05 E+14 1,12 E+14 5,40 E+17 5,40 E+17

4,37 E+07 1,30 E+07 2,15 E+08 1,65 E+13 3,73 E+14 8,05 E+10 1,12 E+10 3,90 E+14 3,90 E+14

Schweden (Forsmark) SUMME [Bq]

Deutschland (Standort offen) SUMME Summe [Bq] Ai/FGi 5,2 E+07 2,3 E+06 1,3 E+13 2,5 E+13 1,1 E+16 6,0 E+10 1,3 E+10 1,10 E+16 1,10 E+16

Summe Ai/FGi

1,45 E+15 2,37 E+13 2,38 E+18 2,81 E+17 1,58 E+19 4,98 E+14 1,05 E+14 1,85 E+19 1,61 E+19

Finnland (Olkiluoto) SUMME [Bq]

1,75 E+08 2,37 E+07 2,38 E+13 2,81 E+13 1,58 E+16 4,98 E+10 1,05 E+10 1,59 E+16 1,58 E+16

Summe Ai/FGi 7

Radiotoxizität ermittelt auf der Grundlage der Freigrenzen der deutschen StrlSchV, Anlage III Tabelle 1 In Deutschland war Wiederaufarbeitung von Brennelementen bis 2005 erlaubt. Dies wirkt sich mindernd auf die Aktivität und Radiotoxizität aus. Die Endlagerbemessung in Finnland geht von einem Einlagerungszeitraum von ca. 100 Jahren aus, gemessen ab 2022. In diesem Zeitraum wächst die Menge der zu verwahrenden Abfälle erheblich auf, so dass die langzeitsicher, langzeitstabil zu verwahrenden Radiotoxizitäten in Forsmark und Olkiluoto fast gleich sind. a Die verschiedenen Einlagerungs- bzw. Bezugszeitpunkte werden durch das Herausstreichen von Radionukliden mit einer HWZ < 1000 Jahre neutralisiert

Freigrenze FGi (Bq) Radionuklide mit HWZ > 1000 Jahre C-14 5,73 E+03 1,00 E+07 Cl-36 3,00 E+05 1,00 E+06 I-129 1,57 E+07 1,00 E+05 Pu-239 2,41 E+04 1,00 E+04 Pu-240 6,54 E+03 1,00 E+03 U-234 2,45 E+05 1,00 E+04 U-238 4,47 E+09 1,00 E+04 Summe Summe ’-emitter

ISOTOP

Bezugsgrößen

Tab. 7.15 (Fortsetzung)

298 Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

7.6 Schlussfolgerungen

299

sein können. Wie sich der Quellterm entwickeln wird, ist eines der großen Geheimnisse, das wir mit einer Reihe von Annahmen zu entschlüsseln versuchen. Welchen Pfad die wässrigen Lösungen letztendlich einschlagen, unterliegt ebenfalls einer Reihe von Annahmen, bis ein Stofftransportmodell über mögliche Ausbreitung von Radionukliden im ewG und letztendlich über die möglicherweise Freisetzung ins Deckgebirge Auskunft geben kann. Zwischen 100 % Immobilisierung und 100 % Mobilisierung ist jede Annahme möglich, sicher ist allenfalls, dass nur ein Teil der Radionuklide mobilisierbar ist und davon wiederum ein Teil durch die oben beschriebenen Prozesse immobilisiert wird. Einen großen Raum bei der Diskussion um die Endlagerung wärmeerzeugender radioaktiver Abfälle nahm der Einfluss von hohen Temperaturen auf das Wirtsgestein, insbesondere im ewG, ein. Dabei ging es um die Fragestellungen zu temperaturbedingten Änderungen der Gesteinseigenschaften, thermisch induzierten Spannungen, die zur Bildung von Wasserwegsamkeiten führen können, zur Bildung einer Sekundärpermeabilität unter Temperatureinfluss und zur Migration von Fluideinschlüssen im Salz unter Temperaturerhöhung etc. Neben den Wirtsgesteinseigenschaften Temperaturbelastbarkeit, Temperaturleitfähigkeit und dem Temperatureinfluss auf die technischen und geotechnischen Barrieren, die zur Festlegung von Auslegungstemperaturen für die einzelnen Wirtsgesteine geführt haben, kann der Temperatureinwirkung auf das Wirtsgestein durch die Einlagerungsbedingungen, das Isolations- und Versatzmaterial sowie die Integration von P&T in eine Endlagerkonzeption entgegengewirkt werden, sodass die Entwicklung von Grenztemperaturen oder gar deren Überschreitung völlig ausgeschlossen wird. In den finnischen, schwedischen und französischen Konzepten ist (wird) dies umgesetzt, der Erkenntnis folgend, dass der Mensch die Temperatureigenschaften der Wirtsgesteine nicht verändern kann. Zwei Szenarien haben in den betrachteten Endlagerkonzeptionen besondere Bedeutung erlangt:  Human Intrusion-Szenario und  Szenario möglicher zukünftiger Klimaänderungen (feuchtes Klima anstatt Wüstenklima, Eiszeit etc.). Das Human Intrusion Szenario, das gewollte oder ungewollte Eindringen zukünftiger Generationen in den Endlagerbereich, ist nicht zu trennen von der Erkenntnis, dass bergbauliche Aktivitäten in allen Zeiten in Europa stattfanden, siehe [15]. Während dieses Problem in Deutschland nicht mit der nötigen Strenge diskutiert wird, nimmt dieses Szenario in den Endlagerkonzeptionen der USA (Kanada) einen bedeutenden Platz ein. So soll nach seiner Stilllegung das WIPP in den USA mit einer großflächigen Anlage auf der Oberfläche über dem Endlager geschützt werden, mit etwa 50 Monolithen, 3 km langen Erdwällen und einer umfänglichen Kennzeichnung, weiter siehe Abschn. 7.4.1. Dies zeigt auch die unterschiedlichen gesellschaftlichen Entwicklungen (Traditionen) in den USA und in Deutschland. Während es in den USA relativ einfach ist, eine Abbaulizenz (General Mining Act – rights of mining claims) zu erhalten, stellt das Bundesberggesetz doch

300

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

höhere Hürden. Außerdem ist bei den Deutschen die Goldgräbermentalität nicht ganz so ausgeprägt. Dafür sind in Deutschland die Bergbaukataster exzellent geführt, ein Grund, weshalb die Abschlussdokumentation auch im Kataster des jeweiligen Bergamtes bleiben sollte. In Finnland und in Schweden sind die Standorte so ausgewählt, dass dort keine nennenswerte Vererzung nachgewiesen ist. Das Human Intrusion-Szenario verlangt eine langzeitige Überwachung aller Aktivitäten im Endlagerbereich. Ein „Hüte“-Konzept ist damit nicht auszuschließen. Beim Langzeitsicherheitsnachweis für das Endlager Yucca Mountain hatte man dem Szenario „Klimawandel“ nur geringe Beachtung geschenkt. Für die Standortauswahl im vulkanischen Schmelz-Tuffstein des Yucca-Gebirges in Nevada waren die geringe Jahresniederschlagsmenge, der fast komplette oberirdische Abfluss verbunden mit den Verdunstungsraten, der sehr tiefe Grundwasserspiegel sowie die geschlossene Beckenstruktur, die keinen Einfluss auf Grundwassereinzugsgebiete benachbarter Regionen zulässt, ausschlaggebend. Die Formation des Schmelz-Tuffsteins ist extrem trocken, Lösungszutritte in den ewG unter den herrschenden Bedingungen praktisch unmöglich. Dazu war im Bauantrag für Yucca Mountain ein ausgeklügeltes Behälter- und Transportsystem integriert, siehe Abb. 7.8. Bei der Überprüfung des Endlagerkonzeptes von Yucca Mountain führte die Nichtberücksichtigung von Szenarien, insbesondere mögliche zukünftige Klimaänderungen (feuchtes Klima anstatt Wüstenklima), Erdbeben und Vulkanausbrüche als mögliche Gefahren für das Endlager dazu, dass die zuständigen Genehmigungsbehörde NRC (Nuclear Regulatory Commission) den Bauantrag für Yucca Mountain ablehnte. Zwischenzeitlich ist in den USA ein neues Standortauswahlverfahren ergebnisoffen mit Yucca Mountain aufgerufen und wie in Deutschland jetzt nachvollzogen worden, und der Kongress hat die Mittel wieder freigegeben. Auch in den schwedischen und finnischen Endlagerkonzepten war das Szenario „Klimawandel“, hier Ausbildung einer Eiszeit, als Teil des Langzeitsicherheitsnachweises und als Gegenstand des Genehmigungsverfahrens behandelt worden. Der Betrachtungszeitraum ist darin geteilt in bis 100.000 Jahre und darüber hinaus. Im Zeitraum bis 100.000 Jahren ist das Auftreten einer Eiszeit unwahrscheinlich, siehe Abschn. 8.5.1 und Abb. 8.9, im Zeitraum über 100.000 Jahren wahrscheinlich. Unter Zugrundelegung einer Vereisungstiefe von 800 m wurde das Szenario „Umlagerung der Abfälle“ als Teil des Safety Case und zur Genehmigung des Projektes entwickelt. Eine weitere Ableitung daraus könnte sein, für das Ablegen der HAW gleich tiefere Sohlen vorzusehen bzw. die Vereisung der wässrigen Lösungen und deren Einfluss auf den Transportmechanismus näher zu untersuchen. In der letzten Kaltzeit, der Weichselkaltzeit, gab es ca. 50.000 Jahre eine Abweichung von 4 K und weniger, 40.000 Jahre von 6 K und weniger und 10.000 Jahre von 8 K und weniger von der 500.000 Jahre-Durchschnittstemperatur. Antworten auf Fragestellungen wie: bei welchen Temperaturen kommt es zu einer Vereisung des Endlagerhorizonts und wann taut dieser wieder auf, und ab wann ist damit zu rechnen, dass ein Transportmechanismus aus- und wieder einsetzt, sind noch offen. Dabei spielt die Zusammensetzung der wässerigen Lösungen eine entscheidende Rolle. So hat eine gesättigte Kochsalzlösung einen Gefrierpunkt von 21 °C. Bentonitpuffer können

7.6 Schlussfolgerungen

301

so ausgelegt werden, dass sie den Gefrierpunkt des Gesamtsystems herabsetzen, sodass möglicherweise eine Vereisung abgewendet werden kann. In den schwedischen und finnischen Endlagern werden Bentonit-Behälterummantelungen eingesetzt, siehe Abb. 7.13 und 7.14. Eine Reihe von Bentonittypen wurde auf ihre Stabilität in den jeweils standortspezifischen hydrochemischen Milieus untersucht. Außerdem werden die Herstellung von Bentonitformelementen sowie der Transport und die Einbringung dieser Elemente bei in situ Versuchen erprobt. Zement, der für Widerlager von Barrieren, zur Abdichtung von Störungen und Rissen durch Injektionen sowie als Puffer beim Supercontainerkonzept benötigt wird, soll einen möglichst niedrigen pH-Wert haben. Da das Untertagelabor ONKALO direkt ins Endlager integriert ist, können die Versuche auch in der Bauphase dazu fortgeführt werden. Der Betrachtungszeitraum für den Langzeitsicherheitsnachweis spielt eine große Rolle hinsichtlich der Prognostizierbarkeit von Entwicklungen bei den lange zu betrachtenden Zeiträumen. Da ist einerseits die eingeschränkte Prognostizierbarkeit geologischer Entwicklungen, siehe Klimawandel, andererseits die Standzeit von Isolationssystemen und möglicherweise in Gang gesetzte Transportmechanismen und deren Verlauf. Häufig sind diese mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit belegt, die auch noch orts- und zeitabhängig ist. Um die Sicherheit und Glaubwürdigkeit der Aussagen zu erhöhen, bedient man sich numerischer Lösungen und ergänzt diese durch Naturbeobachtungen bzw. natürliche Analoga. Die Risikoeinschätzung, die ausgewiesene Langzeitsicherheit für einen Betrachtungszeitraum von 106 a ist dennoch nicht quantifizierbar und mit erheblicher Unsicherheit behaftet. Es wird zumindest angeregt, von einer kleineren Betrachtungszeit von z. B. 10.000 Jahren auszugehen, für den man Eintrittswahrscheinlichkeiten von Prozessen und Ereignissen quantifizieren kann. Von der so ermittelten Langzeitsicherheit ausgehend ist es möglich, dann eine Extrapolation auf längere Betrachtungszeiträume vorzunehmen. Den so ermittelten Langzeitsicherheiten werden dann Unsicherheiten zugeordnet, die gleichbedeutend damit sind, mit welcher Zuverlässigkeit der Langzeitsicherheitsnachweis erfolgte. Über ein Langzeit-Monitoring und dessen Dauer gibt es international erheblich divergierende Auffassungen. Hier soll dringlich auf die Einarbeitung eines MonitoringKonzeptes in die Genehmigungsunterlagen hingewiesen werden, auch als Vertrauen bildendes Element der Endlagerkonzeption. Das französische Endlagerkonzept Cigéo hat einige Anregungen gegeben. Als Basis wird hier bezogen auf die Lebensphasen eines Endlagers die folgende Struktur vorgeschlagen:  Errichtungsphase – Überwachung der Einhaltung der Forderungen aus dem Planfeststellungsbeschlusses, Qualitätsanforderungen an die Bauwerke, Ausführung, Strahlenschutznormen.  Betriebsphase – das Monitoring-Programm soll während der gesamten Betriebszeit alle sicherheitsrelevanten Parameter des Endlagers (Geschwindigkeit der Maschinen, Wasserstoffkonzentration, Leistung der hochwirksamen Filter, Luft des Belüftungssystems etc.) kontrollieren. Eingeschlossen darin muss die Überwachung der äußeren (möglicherweise auch der inneren) Strahlenexposition des Personals sein.

302

7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Zusätzlich zur Überwachung im engeren Sinne werden Parameter kontrolliert, die mittel- und langfristig die Entwicklung des Endlagers beeinflussen können: Temperatur der Umgebungsluft, Erweiterung der Anlage (Zusammentreffen der Stollen), Haltbarkeit des Betons, Korrosion des Stahls etc. Während der Betriebsphase sollte der gesamte ewG, eingeschlossen die Barrieren, umfänglich für ein inneres LangzeitMonitoring instrumentiert, programmiert und energetisch ausgestattet werden. Wird während der Betriebsphase ein Pilotprojekt betrieben, wird dies mit einem umfangreichen Messprogramm ausgestattet, dessen Ergebnisse sowohl der Optimierung des Endlagerkonzeptes als auch mittel- und langfristig der Entwicklung des Endlagers dienen. Das Pilotprojekt kann in das Endlager integriert werden. Wird ein Untertagelabor betrieben, kann dies mit einem ähnlichen Messprogramm ausgestattet werden wie ein Pilotprojekt. Es kann auch die gleichen Funktionen erfüllen wie das Pilotprojekt, vorausgesetzt, es wird auch über die Betriebsphase betrieben. Ausgenommen ist die Eingliederung in das Endlager.  Stilllegungsphase – in dieser Phase werden die Funktion und die Einhaltung der Zielstellung durch ein inneres und äußeres Langzeit-Monitoring überwacht. Für das äußere Monitoring wird ein Observatorium eingerichtet, das Luft, Boden und Wasser über umfangreiche Messnetze großräumig erfasst, auswertet und die relevanten Daten archiviert. Dazu gehört auch eine Überwachung der Flora und Fauna, der landwirtschaftlichen Erzeugung im Beobachtungsraum sowie eine Überwachung der physikalisch-chemischen und biologischen Bodengüte. Das Observatorium soll nach bester geltender Praxis arbeiten (best practice). Während der Stilllegungsphase erfolgt auch eine gesundheitliche Überwachung der allgemeinen Bevölkerung in der Region, eingeschlossen ein Netz zur Überwachung der Ortdosisleistungen und der Hintergrundstrahlung. Die Überwachung der allgemeinen Bevölkerung sollte bereits in der Betriebsphase beginnen. Der Autor hält ein ausgewogenes Endlager- und Standort-Monitoring für entwickelbar und auch umsetzbar. Mit den derzeit vorliegenden und den aufgezeigten Entwicklungsmöglichkeiten sollten hinsichtlich Instrumentierung (einschließlich der energetischen Versorgung) und des Datenmanagements kaum Grenzen vorliegen, weiter wird auf Kap. 9 verwiesen.

7.7 Verantwortung und Kosten Die Stilllegung kerntechnischer Anlagen liegt in der Verantwortung der Anlagenbetreiber. Die kernkraftwerksbetreibenden Energieversorgungsunternehmen wie auch die Ablieferungspflichtigen der öffentlichen Hand und private Betreiber sonstiger kerntechnischer Anlagen sind als Abfallverursacher verpflichtet, sämtliche Kosten der Stilllegung (inklusive des Rückbaus) ihrer kerntechnischen Anlagen und Einrichtungen sowie der Entsorgung des radioaktiven Abfalls zu tragen.

7.7 Verantwortung und Kosten

303

Gemäß § 6 Endlagervorausleistungsverordnung, siehe [16], verteilt sich der notwendige Aufwand für ein Endlager für (hochradioaktive) insbesondere wärmeentwickelnde Abfälle derzeit wie folgt (Stand: 31.12.2012):  zu 96,5, % von Kernkraftwerken,  zu 0,7 % von der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe,  zu 2,8 % von sonstigen kerntechnischen Anlagen (Industrie, Medizin und Forschung). Die Bundesregierung hat dazu mit Kabinettsbeschluss vom 14. Oktober 2015 eine Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KFK) eingesetzt. Diese sollte im Auftrag der Bundesregierung prüfen und Handlungsempfehlungen erarbeiten, wie die Sicherstellung der Finanzierung von Stilllegung und Rückbau der Kernkraftwerke sowie Entsorgung der radioaktiven Abfälle so ausgestaltet werden kann, dass die verantwortlichen Unternehmen auch langfristig wirtschaftlich in der Lage sind, ihre Verpflichtungen aus dem Atombereich zu erfüllen. Ihnen muss dabei Rechtsund Planungssicherheit eingeräumt werden. Zunächst schätzte die KFK die Kosten für die Entsorgung in Preisen von 2014 auf 47,5 Mrd. C. Im Ergebnis hat die KFK dann die folgende Empfehlung vorgelegt und am 27. April 2016 an ihren Auftraggeber übergeben, siehe [17]: Der Staat solle die Zwischen- und Endlagerung übernehmen und die Betreiber von Kernkraftwerken die Mittel zur Sicherung in einen öffentlich-rechtlichen Fonds übertragen. Das Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung hat zwischenzeitlich Rechtskraft erlangt [37], wonach die Kernkraftwerksbetreiber 17,4 Mrd. C an den öffentlich-rechtlichen Fonds übertragen. Gegen Zahlung eines Risikozuschlags von rund 35 % können die Unternehmen auch ihre Verpflichtung für etwaige Nachschüsse für Kosten- und Zinsrisiken an den Fonds beenden. Diesen Risikozuschlag sollen die Kernkraftwerksbetreiber bis Ende 2022 an den Fonds entrichten. Darin nicht enthalten sind die Kosten für Stilllegung und Rückbau der Kernkraftwerke sowie die Verpackung des radioaktiven Abfalls. Diese bleiben Aufgabe der Unternehmen. Zwei Gesetze, das Nachhaftungsgesetz und das Transparenzgesetz, sollen für mehr Sicherheit bei den finanziellen Rücklagen der Betreiber für diese Aufgaben sorgen. Zunächst soll diese Fondsausstattung, immerhin von ca. 24 Mrd. C, in den internationalen Vergleich gestellt werden. Als Bezugsgröße wird die abgelegte Menge an Radioaktivität gewählt, siehe Tab. 7.16. Die daraus folgende Aussage ist: Die in Deutschland für die Endlagerung von HAW aufzuwendenden finanziellen Mittel übersteigen die dafür in vergleichbaren Ländern in Europa angesetzten Mittel, ohne dass daraus gefolgert werden kann, dass ein in Deutschland einzurichtendes Endlager auch um ein Vielfaches sicherer sein wird als in den Ländern des Vergleichs, siehe Abb. 7.23. Diese Aussage ist auch unabhängig davon, ob in den Ländern des Vergleichs noch Kostenkorrekturen vorgenommen werden.

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Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

Tab. 7.16 Geplante Endlagerkosten, eingeschlossen Forschung, Errichtung und Betrieb Aktivität/TBq Kosten/Mrd. Euro Untertagelabor Euro/TBq a

???/Germany 540.000 25,0 ??? 46,30

Cigéo/France 3.930.000 16,5 Bure 4,20

Forsmark/Sweden 12.600.000a 11,0 (14,0) Äspö 0,87 (1,11)

Olkiluoto/Finland 18.500.000a 6,5 (3,5) ONKALO 0,35 (0,19)

Kosten für Betrieb nicht enthalten; Forschung und ULAB-Olkiluoto anteilig 3 Mrd. Euro

Abb. 7.23 Vergleich der Endlagerkosten

Ein weiterer Unterschied ist offensichtlich: Diese Länder werden ein Endlager für HAW eingerichtet haben, lange bevor in Deutschland mit dem Bau des Endlagers begonnen werden wird. Damit wird die Kostenentwicklung in den einzelnen Ländern unterschiedliche Auswirkungen haben. Es muss darauf verwiesen werden, dass in diesem Vorgehen dennoch ein akzeptabler Ansatz vorgelegt wurde, allerdings muss man auch auf die erheblichen Unsicherheiten in der Bewertung der Kosten verweisen. Diese sind  ein über derart lange Zeiträume zu erwartender erheblicher Preisanstieg,  zu erwartende allgemeine Preisveränderungen aufgrund veränderter gesellschaftlicher Bedingungen,  mögliche unerwartete Kosten bei der Planung und Errichtung eines Endlagers für HAW. Erfahrungen liegen einerseits mit den Standorten ERA Morsleben, Schacht Konrad und der Schachtanlage Asse II vor, bei denen es bereits erhebliche Kostenaufwüchse gegeben hat, andererseits kann auf einen allgemeinen durchschnittlichen Preisanstieg im Zeitraum von 1950 bis 2015 von ca. 487 % in der Bundesrepublik Deutschland verwiesen werden, siehe Abb. 7.24. Allerdings könnten diese Kostenaufwüchse teilweise über

Literatur

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Abb. 7.24 Inflationsraten 1990–2015. (Quelle: nach Angaben von [48])

die Fondszinsen wieder ausgeglichen werden, nach eigenen Kalkulationen bei einer jährlichen Fondsverzinsung von 6,5 % sogar vollständig. Nicht eingerechnet in diese Aufzählung sind die bereits verausgabten 1,7 Mrd. C für das Erkundungsbergwerk Gorleben. Ein möglicher Rückbau des Erkundungsbergwerks Gorleben, die jährlichen Offenhaltungskosten und die in diesem Zusammenhang zu verteilenden Kosten im Umlageverfahren sind im § 21 AtG geregelt. Dieser Kostenvergleich kann nur eine grobe Aussage liefern und ist natürlich nicht vollständig. Er zeigt aber auch, dass die Errichtung eines Endlagerbauwerkes nicht nur eine technische Dimension hat, sondern auch eine nicht zu vernachlässigende kaufmännische.

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306

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Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

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7

Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität

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Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

8.1 Aufgabe und Ziel In den vorangegangenen Kapiteln wurden verschiedene Geotechnische Umweltbauwerke vorgestellt, die definierte radioaktive Inventare dauerhaft sicher aufnehmen oder aufnehmen sollen, und welchen Nachweis es dazu gibt, dies glaubhaft zu belegen und auf dessen Grundlage die Geotechnischen Umweltbauwerke zugelassen und genehmigt werden. Für Tailings ponds ist das allgemeine Verfahren für einen Langzeitsicherheitsnachweis in Kap. 5 vorgestellt worden, aber insbesondere für die Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen soll dies hier nachgeholt werden. Ein verbindliches Verfahren wurde in Deutschland bisher nicht vorgelegt, ist vielleicht auch nicht wünschenswert, weil der Langzeitsicherheitsnachweis standortabhängig geführt werden muss, damit das Endlagerbauwerk für hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle auch genehmigungsfähig wird. Der Rahmen für den Langzeitsicherheitsnachweis sollte allerdings verbindlich formuliert werden. Nachfolgend soll dieser auf der Grundlage der derzeit vorliegenden Erkenntnisse vorgestellt werden. Die Aufgabe bzw. das Ziel der Endlagerung überwachungspflichtigen radioaktiven Materials in einem Geotechnischem Umweltbauwerk1 ist, den Übertritt sowie die Ausbreitung von Radionukliden aus dem Inventar des Endlagers in der Biosphäre dauerhaft

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Ein Geotechnisches Umweltbauwerk, auch Endlagerbauwerk, ist dadurch gekennzeichnet, dass es mit geotechnischen Methoden und Verfahren in der Umwelt errichtet wurde. Die Umwelt als solche ist sowohl Randbedingung als auch Teil des Bauwerkes. Ein Geotechnisches Umweltbauwerk wird mit dem Ziel errichtet sowohl der Umwelt zu dienen als auch diese vor existierenden schädlichen Einflüssen nachhaltig zu schützen. Da ein Geotechnisches Umweltbauwerk nicht ohne schonende Eingriffe in die Umwelt errichtet werden kann, muss der Nachweis vorliegen, dass das Ziel: dienen und schützen, einen schonenden Eingriff rechtfertigt. Ein Endlager muss dieser Beschreibung gerecht werden. Die radioaktiven Abfälle und Rückstände als solche sind nicht Teil des Geotechnischen Umweltbauwerkes, sondern zunächst Teil der Umwelt.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 M. Lersow, Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57822-3_8

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8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

zu verhindern. Das heißt, das Geotechnische Umweltbauwerk und die Einlagerung des radioaktiven Materials müssen so erfolgen, dass dieses Ziel mit hoher Sicherheit erreicht wird. Geotechnische Umweltbauwerke, die radioaktive Abfälle zur Endlagerung aufnehmen sollen, durchlaufen verschiedene Phasen, die alle über die Langzeitsicherheit des geotechnischen Umweltbauwerkes mit bestimmen:  Die Phase der Planung und Errichtung eines Endlagers,  die Betriebsphase, in der die radioaktiven Abfälle angenommen und dauerhaft abgelegt werden,  die Nachbetriebsphase (Stilllegungsphase), in der das Geotechnische Umweltbauwerk stillgelegt, verschlossen und überwacht wird, sowie  die Nachverschlussphase. Dieser Prozess muss bis zum endgültigen Verschluss des Endlagers optimiert werden, eingeschlossen einer möglicherweise notwendig werdenden Bergung des Inventars. Das Geotechnische Umweltbauwerk wird als Multibarrierensystem errichtet. Ein solches Multibarrierensystem besteht aus verschiedenen Systemkomponenten, die jeweils ihren spezifischen Anteil an der Isolation der Abfälle haben. Kein Element des Multibarrierensystem s ist absolut und für immer undurchlässig. Es kommt also darauf an, die Barrieren so zusammenzustellen wenn erforderlich, dass insgesamt ein Isolationsvermögen des einschlusswirksamen (Gebirgs-)Bereichs (ewG) für eine möglichst lange Zeit erreicht wird. Für hochradioaktive Abfälle (HAW) müssen die Barrieren nach derzeitigen Vorgaben in Deutschland in der Lage sein, einen Isolationszeitraum in der Größenordnung von einer Million Jahren zu gewährleisten. Die Erreichung des Zieles, die Gewährleistung der Einhaltung der Schutzkriterien, setzt sowohl eine dauerhafte Überwachung der Umgebung des Endlagerstandortes als auch ein Krisenmanagement im Falle von Grenzwertüberschreitungen (Störfallszenarien) voraus. In den USA gehören die Uranium mill tailings zur US Nuclear Regulatory Commission und damit unterliegen die Uranium mill tailings ponds den gleichen Genehmigungsbedingungen wie die Endlager für radioaktive Abfälle, siehe [33]. Die USA folgen damit den Regeln der ICRP. In Deutschland ist mit der Zuordnung zum BBergG eine Sondersituation, abweichend von den Regeln der ICRP, geschaffen worden, die sich nachträglich nicht mehr auflösen lässt. Das Kap. 8 widmet sich fast ausschließlich der Langzeitsicherheit von Endlagern für radioaktive Abfälle. Die Langzeitsicherheit für die Endlagerung von Rückständen aus der Uranerzaufbereitung wurde in Kap. 5 behandelt. Es wurde dabei aufgezeigt, dass nicht die Inventare, das Gefährdungspotenzial und damit Sicherheitskriterien ausschlaggebend für die ungleiche Bewertung der aufnehmenden Geotechnischen Umweltbauwerke sind, sondern einzig die zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften und Richtlinien, die zwar

8.2 Langzeitsichere und -stabile Verwahrung der Uran-Tailings ponds

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für alle Arten von radioaktivem Material gleich sind, aber unterschiedlich interpretiert werden. Den sich dadurch einstellenden Gefährdungslagen für die Biosphäre wird dieses Vorgehen nicht gerecht, auch weil diese Aufgaben in Deutschland als öffentliche Aufgaben wahrgenommen werden. Dies trifft sowohl auf die Endlagerung radioaktiver Abfälle als auch auf die langzeitsichere, langzeitstabile Verwahrung der Rückstände aus der Uranerzaufbereitung in Sachsen und Thüringen zu. In Kap. 5 wurde am Beispiel der Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut gezeigt, dass ein Langzeitsicherheitsnachweis für diese Rückstände nicht gelingen kann, da eine Basisabdichtung fehlt und permanent Radionuklide in schädigendem Ausmaß aus dem Inventar über den Wasserpfad in die Biosphäre übertreten und aufgefangen werden müssen. Sowohl das Auffangen der kontaminierten Wässer als auch deren Reinigung ist in Kap. 5 detailliert beschrieben, sodass in Abschn. 8.2 lediglich das Konzept für einen Langzeitsicherheitsnachweis der Geotechnischen Umweltbauwerke zur Verwahrung der Uran-Tailings ponds zusammengefasst wird, um die Systematik dieses Kapitels nicht zu verletzen. Die hier aufgezeigten Darlegungen beanspruchen nicht, einen Algorithmus für die Erbringung eines Langzeitsicherheitsnachweises für einen Genehmigungsantrag einer Endlagerung von radioaktiven Abfällen und Rückständen vorzustellen. Ziel ist es, die grundlegenden Anforderungen und Zusammenhänge für einen Langzeitsicherheitsnachweis aufzuzeigen, sodass die Dimension der Aufgabenstellung deutlich wird, die die Genehmigung eines Endlagersystems für radiotoxische Abfälle und Rückstände bedeutet. Grundvoraussetzung für eine Genehmigung ist nachzuweisen, dass das Endlagersystem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dauerhaft den Übertritt und die Ausbreitung von Radionukliden in die Biosphäre aus dem Inventar des Endlagers, bei Zugrundelegung verschiedener wahrscheinlicher und weniger wahrscheinlicher Szenarien, verhindern wird, dass die Einhaltung der Schutzkriterien durch eine dauerhafte Überwachung der Umgebung des Endlagerstandortes gesichert und dass ein Krisenmanagement im Falle von Grenzwertüberschreitungen (Störfall/Unfall) installiert ist und dauerhaft funktionsfähig gehalten wird. Die Darlegungen können auch einige Anregungen zur Ausgestaltung eines Langzeitsicherheitsnachweises für ein zukünftiges Endlager für wärmeerzeugende HAW in Deutschland geben.

8.2 Langzeitsichere und langzeitstabile Verwahrung der Uran-Tailings ponds Die Darstellungen hier zur Langzeitsicherheit von Uran-Tailings ponds sind lediglich eine Zusammenfassung der Erläuterungen in Kap. 5. Deshalb wird in diesem Abschnitt auch auf Erklärungen und Darstellungen von Zusammenhängen verzichtet. Die Industriellen Absetzanlagen (IAA – Uran-Tailings ponds) der SDAG Wismut sind an Standorten eingerichtet worden, ohne eine spätere langzeitsichere, langzeitstabile Auf-

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8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

bewahrung2,3 im Blick zu haben. Die Standortauswahl und die Errichtung der Speicher für die Rückstände aus der Uranerzaufbereitung sind vorgefundene, standortspezifische Bedingungen. Es handelt sich jeweils um standortspezifische Nachweise. Die Hauptelemente der Tailings ponds aus der Uranerzaufbereitung, siehe Kap. 5, sind: Dammbauwerk, Abdeckung (Einkapselung), Basisabdichtung als geologische Barriere oder/und als geotechnische Barriere, Wasserfassung und Wasseraufbereitung sowie die Überleitung der gereinigten Wässer (bei Einhaltung von Ableitwerten der Schadstoffkonzentrationen) in die Vorflut, Begrünung und Vegetation, Monitoring-System, gekennzeichnet als ein Multibarrierensystem mit Langzeit-Monitoring. Sowohl die Dammbauwerke als auch die multifunktionalen Abdeckungen der UranTailings ponds der SDAG Wismut sind als technogene Lockergesteinskörper aufgebaut. Die einzelnen Schichten des gesamten Lockergesteinskörpers sind verschieden aufgebaut, aber jeweils mit klassifiziertem Material. Dennoch sind die Materialparameter der Funktionselemente (mineralische, geosynthetische etc.) der technogenen Lockergesteinskörper Zustandsgrößen und damit zeitabhängig. So ist eine Alterung der mineralischen Schichten im Betrachtungszeitraum nicht auszuschließen. Dies muss in den Nachweis der Langzeitsicherheit für das Geotechnische Umweltbauwerk einfließen, z. B. über den Nachweis der Auslegung gegen innere und äußere Erosion, die auch für Radonexhalation besondere Bedeutung besitzen – aber nicht nur dafür. Der Langzeitsicherheitsnachweis des Geotechnischen Umweltbauwerkes für die Verwahrung der radioaktiven Rückstände umfasst die folgenden Einzelnachweise, die zu einem Ausweis der Versagenswahrscheinlichkeit zusammengefasst werden sollten, siehe auch Kap. 5. Nachweis der dauerhaften Funktionalität des Multibarrierenkonzeptes Hinweis 1: Der Nachweis der Langzeitstabilität der multifunktionalen Abdeckung eines Tailings ponds sollte für einen Betrachtungszeitraum4 von 1000 Jahren geführt werden. Als ein Beurteilungswert für die Strahlenexposition hat sich bei der Wismut GmbH eine ODL  0,15 µSv/h durchgesetzt, siehe [62] und Kap. 5. Der Nachweis beinhaltet folgende Kriterien:

2

Diesen Widerspruch könnte man auflösen, indem man den Uran-Tailings pond ausräumt und die Uran-Tailings umlagert. Dies ist allerdings aufgrund der Größenordnung und der damit verbundenen Gefahren für die Umwelt (Personal) abwegig. Die in situ Verwahrung der Uran-Tailings ist bei allen Unwegsamkeiten hier eine „gute“ Lösung. 3 Moab uranium mill tailings pile ist wohl das bekannteste Umlagerungsprojekt und Teil des UMTRA-Programms. Moab liegt im Bundesstaat Utah. Der Grund der Umlagerung ist die unmittelbare Nähe zum Colorado-River. Kontaminationsübertritte in den Colorado waren sonst nicht zu verhindern, da ein Grundwasserleiter Anschluss an den Colorado hat. Die Umlagerung (10,8 t) erfolgt in Spezialcontainern in Zügen über eine Strecke von 30 Meilen an einen vorbereiteten Standort, Crescent Junction, Utah. Das Einlagerungskonzept ist vom US Department of Energy (DOE) erarbeitet und veranlasst. Die Aufsicht liegt bei der US Environmental Protection Agency (EPA). 4 Begründung siehe Kap. 4.

8.2 Langzeitsichere und -stabile Verwahrung der Uran-Tailings ponds

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 Ausweisung und Überwachung der Langzeitstabilität der Dammbauwerke,  Ausweisung und Überwachung der Langzeitstabilität der Oberflächenabdichtung (multifunktionale Abdeckung),  dauerhafte Abkapselung der Uran-Tailings gegen Übertritte von radiotoxischen Kontaminanten in die Biosphäre und gegen Radonexhalation5: Bewertung der Abschirmwirkung gegenüber eingeschlossenen radioaktiven Mineralen, Begrenzung der äußeren Strahlenexposition (Bodenstrahlung) auf  0,15 µSv/h. Hinweis 2: Die Schichten der multifunktionalen Abdeckung können sich im Laufe der Zeit gegeneinander versetzen bzw. an den Schichtgrenzen kann eine Durchdringung stattfinden, sodass dadurch das Barrierensystem verletzt werden kann und sich dann z. B. Radonwegsamkeiten entwickeln können. Eine Nachsorge wird dann notwendig. Dafür ist ein Nachweis der Stabilität gegenüber innerer Erosion zu erbringen. Nachweis der Langzeitstabilität der Basisabdichtung Hinweis 3: Bei allen Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut fehlt eine Basisabdichtung. Diese kann nicht nachinstalliert werden. Mögliche Kontaminationsübertritte ins Grundwasser müssen deshalb frühzeitig erkannt und unkontrollierte Austritte, insbesondere ins Grundwasser, verhindert bzw. begrenzt werden. Um Kontaminationsübertritte aus dem Tailings-Körper zu verhindern bzw. zu begrenzen, kann der Grundwasserspiegel, bezogen auf die hydrologischen Verhältnisse am Standort, im Bereich des Tailings ponds mittels Förderbrunnen abgesenkt werden, um einen definierten Sicherheitsabstand zwischen Tailings-Körper und dem höchsten Grundwasserspiegel herzustellen und um Kontaminationsübertritte in den Grundwasserkörper zu verhindern oder/und zu begrenzen. Bei diffusen Aus- und Zutritten der Sickerwässer ist das Anlegen von Förderbrunnen problematisch. Stofftransportmodelle müssen ständig auf die Standortbedingungen nachjustiert werden. Dazu dienen die Ergebnisse aus dem Langzeit-Monitoring, als Stützstellen zur Verifizierung. Es werden daraus sogenannte Standortmodelle entwickelt, mit denen eine hohe Prognosesicherheit erreicht werden kann:  Dauerhaftes Fangen der kontaminierten Wässer, insbesondere der Grund- und Sickerwässer und Überführung in eine Wasseraufbereitungsanlage.  Nachweis des dauerhaften Schutzes des Grundwassers und der Vorfluter (run off protection).  Dauerhafte Reinigung und Abgabe der Wässer in die Vorflut in den Freigrenzen.  Langzeit-Monitoring bestehend aus Expositionsüberwachung, Kontrolle der Zusammensetzung der aufgefangenen und aufbereiteten Wässer, Überwachung der Radonexhalationen und der Funktionalität des Multibarrierensystems.  Nachsorge und Ersatzinvestitionen, insbesondere der Wasserfassung und -aufbereitung.  In der Dokumentation (Abschlussdokumentation) sind Vorgaben, die die Zuverlässigkeit des Verwahrungsbauwerkes, die Gewährleistung der Schutzfunktionen über dessen 5

US EPA Norm: Radonemissionsrate  20 pCi m2 s1 = 0,74 Bq m2 s1 .

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8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Standzeit garantieren und die möglicherweise notwendig werdende Nachsorgeleistungen rechtzeitig anzeigen, aufzunehmen. Der Zeitpunkt der Entlassung des Standortes aus der Bergaufsicht ist Bestandteil der Langzeitsicherheit für das Geotechnische Umweltbauwerk. Die Entlassung des Geotechnischen Umweltbauwerkes muss vom Betreiber beim zuständigen Bergamt beantragt werden. Aufgrund der fehlenden Basisabdichtung muss von einer „Ewigkeitsaufgabe“ ausgegangen werden.  Die Zeitdauer und den Überwachungszeitraum bestimmt so das zuständige Bergamt, indem der Antrag des Betreibers der Anlage auf Entlassung aus der Bergaufsicht angenommen oder abgelehnt wird. Aufgrund der fehlenden Basisabdichtung muss von einer dauerhaften Bergaufsicht ausgegangen werden.  Die Akte (Abschlussdokumentation) wird im Kataster des Bergamtes geführt und verbleibt dort dauerhaft. Das dauerhafte Fangen der Sickerwässer, die Wasserreinigung, das Langzeit-Monitoring, eingeschlossen die Prognosetools zur möglichen Kontaminationsausbreitung und deren Begrenzung, sowie die Sicherung des Areals sind Bestandteil der Langzeitsicherheitssystems und de facto Ersatz für die fehlende Basisabdichtung. Nicht planbare, außergewöhnliche Ereignisse (worst cases), die die Funktionsfähigkeit des jeweiligen Geotechnischen Umweltbauwerkes sehr stark herabsetzen, sodass radiotoxische Schadstoffe in erheblichem Umfang in die Biosphäre gelangen können, sind      

Erdbeben bisher nicht gekannten Ausmaßes, Flugzeugabstürze, Bombenabwürfe (Sprengungen), terroristische Anschläge, tektonische Ereignisse, Klimawandel, extreme Witterungsereignisse, Eingriffe von außen, terrestrische Eingriffe (Human Intrusion Szenarios (Bohrungen, Schürfe etc.)), außerterrestrische Eingriffe (Impaktereignisse (Meteoriteneinschläge)), siehe [16],  etc.

In einem Standortsanierungskonzept für Uran-Tailings ponds sind auch die Restriktionen des zuständigen Bergamtes enthalten, die bei einer möglichen Nachnutzung der sanierten Areale einzuhalten sind. Möglicherweise wird eine Nachnutzung zu untersagen sein, siehe „Human Intrusion Szenarios“6 . Das bei der langzeitsicheren und langzeitstabilen Verwahrung der Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut verfolgte Konzept wird von der Kommission Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe [3] als „Hüte“-Konzept bezeichnet und abgelehnt. Begründet wird dies 6

Insbesondere in schwach besiedelten Regionen der USA wurde versucht, durch entsprechende Elemente am Bauwerk Informationen über das Gefahrenpotenzial auch für Zeiträume zu hinterlassen, für die administrative Maßnahmen nicht mehr wirksam sind. Damit soll insbesondere ein ungewolltes menschliches Eindringen in die Tailings vermieden werden.

8.3 Langzeitsichere und langzeitstabile Verwahrung radioaktiver Abfälle in Deutschland

315

dadurch, dass die Überwachung, hier der verwahrten Uran-Tailings ponds, über Generationen weitergegeben werden muss. Dies muss schon allein aus der Tatsache heraus geschehen, dass Eingriffe von außen (Bohrungen, Schürfe etc.) in die Abdeckung und/oder das Dammbauwerk verhindert werden müssen. Das „Hüte“-Konzept wird hier als unkritisch gesehen, auch weil die Kataster der Bergämter zu den am besten gepflegten Datensammlungen im bundesdeutschen Verwaltungssystem zählen und weil „hüten – Langzeitumweltüberwachung“ Bestandteil jeder Endlagerkonzeption sein sollte. Die Langzeitumweltüberwachung ist Bestandteil der langzeitsicheren und langzeitstabilen Verwahrung der Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut und folgt demnach einem „Hüte“-Konzept. Hier wird dieses Konzept allerdings als Konzept des dauerhaften, permanent der Datenlage nachgeführten Funktionsnachweises bezeichnet. Dazu gehört auch das Worst-Case-Szenario, bei dem das Geotechnische Umweltbauwerk seine Funktion (bzw. in Teilen) verliert und ungehindert radiotoxische Kontaminanten in die Umgebung (Luft, Grundwasser, Boden) gelangen, sodass die Begrenzung der äußeren Strahlenexposition nicht mehr gegeben ist (Störfallszenario). Die Zeitdauer, in der die Grenzwerte der äußeren Strahlenexposition überschritten werden, muss nachhaltig vermieden werden. Weiter siehe Kap. 5.

8.3

Langzeitsichere und langzeitstabile Verwahrung radioaktiver Abfälle in Deutschland

8.3.1 Derzeit gültige Anforderungen an die Endlagerung Die nationalen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen legen die wesentlichen Rahmenbedingungen für die Endlagerung radioaktiver Abfälle fest. Dazu gehören unter anderem das Atomgesetz (AtG), die Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) sowie das Bundesberggesetz (BBergG) mit der zugehörigen Bundesbergverordnung (ABBergV). Dazu sind die einschlägigen internationalen Empfehlungen der ICRP, der IAEA sowie der OECD-NEA zu berücksichtigen, insbesondere soweit sie Ergänzungen oder Konkretisierungen zu den nationalen Regelungen enthalten. Die Darstellung hier kann sich für die vorhandenen bzw. in Errichtung befindlichen Endlager nur an den gültigen Rechtsmaßstäben und mitgeltenden Dokumenten in Deutschland orientieren und soll für das zu entwickelnde Endlagerkonzept für Wärme erzeugende HAW neben den gegenwärtigen gesetzlichen Vorgaben auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber widerspiegeln, die eine Sicherheitsphilosophie maßgeblich bestimmen. Dies sind: [1], Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle, Stand 30. September 2010, BMU (2010), siehe auch [8]; [2], Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz – StandAG); vom 23. Juli 2013 im

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8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Zusammenhang mit dem „Gesetz zur Fortentwicklung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und anderer Gesetze“ vom 23. März 2017 [3], Abschlussbericht der Kommission Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe „Verantwortung für die Zukunft“, Deutscher Bundestag (2016); [4], Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung und den Betrieb des Bergwerkes Konrad in Salzgitter als Anlage zur Endlagerung fester oder verfestigter radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung vom 22. Mai 2002; Niedersächsisches Umweltministerium (2002); [5], Endlager Morsleben (ERAM) – betriebliche radioaktive Abfälle, Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), 2009; [6], Stilllegung der Industriellen Absetzanlagen (IAA) der SDAG Wismut – BBergG, VOAS, HaldAO, StrlSchV, AtG etc. In den nachfolgenden Kapiteln soll gezeigt werden, dass es sich in den jeweiligen Nachweisgebieten um Einzelnachweise für die verschiedenen Geotechnischen Umweltbauwerke handelt, die eine hohe Standortabhängigkeit aufweisen. Gemeinsamkeiten in den Grundanforderungen an die Langzeitsicherheit der Geotechnischen Umweltbauwerke werden herausgestellt und die Unterschiede in der Anforderungsstruktur aufgezeigt. Dass sich diese nicht mit dem jeweiligen radio-toxischen Inventar begründen lassen zeigt allerdings, dass ein einheitliches Anforderungskonzept für alle Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen in Deutschland nicht angestrebt wurde mit der Folge, dass sich ein sehr diffuses Bild durch die unterschiedlichen Sicherheitsstandards und Auslegungen der Geotechnischen Umweltbauwerke für radioaktive Abfälle und Rückstände ergibt, siehe auch Kap. 5, 6 und 7.

8.3.2 Zentrale Sicherheitsanforderungen an ein zu entwickelndes Endlagersystem in Deutschland Gemäß [1] sind derzeit folgende zentrale Sicherheitsanforderungen an ein zu entwickelndes Endlagersystem zu stellen:  Für 1 Mio. Jahre muss gezeigt werden, dass allenfalls sehr geringe Schadstoffmengen aus dem Endlager freigesetzt werden können. Hierzu muss die Integrität des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs nachgewiesen und das vom Endlager ausgehende Risiko bewertet und dargestellt werden.  Die Sicherheit des Endlagers muss von der Planung bis zum Verschluss des Endlagers einem kontinuierlichen Optimierungsprozess mit periodischen Sicherheitsüberprüfungen unterworfen werden.

8.4 Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Deutschland

317

 Es muss ein Multibarrierensystem realisiert werden, das den im kerntechnischen Bereich üblichen Prinzipien der Redundanz (doppelte Sicherheitssysteme) und Diversität (unabhängige Wirkmechanismen) folgt.  Es muss ein Kontroll- und Beweissicherungsprogramm auch nach Stilllegung des Endlagers durchgeführt werden.  Während der Betriebszeit des Endlagers muss die Rückholbarkeit der radioaktiven Abfälle möglich sein Die Behälter müssen darüber hinaus bis 500 Jahre nach Verschluss des Endlagers geborgen werden können. Bis auf die Tatsache, dass  der Betrachtungszeitraum (Nachweiszeitraum) derzeit von der oben stehenden Forderung international abweichend diskutiert wird, ohne die Sicherheitsforderung als solche infrage zu stellen und  ein Kontroll- und Beweissicherungsprogramm ein Langzeit-Umwelt-Monitoring enthalten muss, was damit einem „Hüte“-Konzept nahekommt, das gemäß der derzeitigen Sicherheitsphilosophie aber abgelehnt wird, kann diesen Anforderungen hier voll umfänglich zugestimmt werden. Sowohl zum Betrachtungszeitraum als auch zum „Hüte“-Konzept wird eine Bewertung nachfolgend dargelegt, weiter siehe auch [8].

8.4 Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Deutschland 8.4.1 Endlagerung radioaktiver Abfälle mit geringer Wärmeentwicklung In Deutschland gibt es zwei genehmigte Endlagerstandorte für radioaktive Abfälle mit geringer Wärmeentwicklung: das Endlager für Radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM) und Schacht Konrad in Salzgitter/Bleckenstedt. Das ERAM wurde aus zehn betrachteten Salzbergwerken vom Vorgänger des Staatlichen Amts für Atomsicherheit und Strahlenschutz (SAAS) der ehemaligen DDR ausgewählt und zu einer kerntechnischen Anlage umgebaut. Die Inbetriebnahme-Genehmigung durch das SAAS wurde 1978/79 erteilt, obwohl bereits vorher Einlagerungen von schwach- bis mittelradioaktiven Abfällen im Rahmen eines Probebetriebes erfolgt waren. Derzeit ist es das einzige Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in der Bundesrepublik Deutschland, das auf Grundlage einer atomrechtlichen Genehmigung betrieben wurde. Der Betreiber im Auftrage des Bundes ist die BGE. Sie bereitet derzeit die Stilllegung des ERAM vor. Das heißt, das BfS hat die Planfeststellungsunterlagen erarbeitet und beim Umweltministerium des Landes Sachsen-Anhalt (MLU) den Antrag gemäß § 9 b des Atomgesetzes auf Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens zur

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8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Stilllegung gestellt. Darin enthalten ist der Nachweis der Langzeitsicherheit des Geotechnischen Umweltbauwerkes. Die BGE führt das Verfahren weiter. Als Vorhabenträger für die operativen Aufgaben der Standortsuche, der Errichtung und des Betriebs der Endlager sowie der Schachtanlage Asse II ist eine Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mbH gegründet worden. Diese übernimmt die Aufgaben der AsseGmbH, der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH (DBE) sowie die Betreiberaufgaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), also auch den Offenhaltungsbetrieb des Erkundungsbergwerks Gorleben. Die BGE hat das Verfahren vom BfS übernommen, weiter siehe Kap. 6. Die Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bleiben weiterhin atomrechtliche Genehmigungsbehörde und für die Bergaufsicht der Projekte Schachtanlage Asse II, Endlager Konrad und ERAM zuständig. Die Zuständigkeit der Länder endet für das Endlager Konrad mit der Inbetriebnahme und beim Endlager Morsleben mit dem Abschluss des laufenden Planfeststellungsverfahrens zur Stilllegung. Der Langzeitsicherheitsnachweis hat auch bei den Endlagern für radioaktive Abfälle mit geringer Wärmeentwicklung das Ziel, den Übertritt, d. h. die Ausbreitung von Radionukliden aus dem Inventar des Endlagers in der Biosphäre, dauerhaft zu verhindern. Allerdings ist es aufgrund der oben beschriebenen Sachlage nicht zweckmäßig, hier einen Langzeitsicherheitsnachweis für die Endlagerung der radioaktiven Abfälle allgemein aufzuzeigen. Es wird stattdessen auf die vorliegenden Nachweise verwiesen und diese gewertet. Begründung:  Die Standortauswahl und damit auch die Art der Endlagerung sind getroffen, es handelt sich jeweils um die Lagerung in tiefen geologischen Formationen.  Über die Dauer der Zugänglichkeit zu den Einlagerungsbereichen wurden entweder keine Angaben in den jeweiligen Planfeststellungsunterlagen getätigt oder sie erübrigen sich. Reversibilität/Rückholbarkeit/Bergbarkeit spielt in den Endlagerkonzepten vom ERAM bzw. der Schachtanlage Konrad keine Rolle.  Die Ausweisung einer Versagenswahrscheinlichkeit liegt für keinen Endlagerstandort vor. Es kamen nur deterministische Verfahren zum Ansatz.  Die Einstufung der Gebinde als technische Barriere im Multibarrierenkonzept eines Endlagers kam nicht zum Ansatz. Der Beitrag der Abfallmatrix und der Behälter zur Isolation der Radionuklide und damit der Begrenzung der Freisetzung der Radionuklide aus der Abfallmatrix und aus dem Behälter in den einschlusswirksamen Gebirgsbereich wurde in den Endlagerkonzepten nicht umgesetzt, siehe [24]. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zum Endlager Schacht Konrad wurde u. a. festgestellt, dass – die Schachtanlage Konrad für die Umrüstung zu einem Endlager für radioaktive Abfälle mit geringer Wärmeentwicklung geeignet ist, insbesondere weil – die gebirgsmechanischen Verhältnisse im Bereich der Kammern und des gesamten Grubengebäudes keine Verwerfungen erwarten lassen und keinen Gasdruckaufbau zulassen,

8.4 Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Deutschland

319

– die Eigenschaften der geologischen Formationen als Barrieren gegen die Ausbreitung der Radionuklide (Durchlässigkeit, Sorptionsverhalten) dienen, – eine langfristige seismische Stabilität des Standortes prognostiziert werden kann, – die Schachtanlage außergewöhnlich trocken ist etc. Die Berechnungen zur Langzeitsicherheitsanalyse für das Endlager Schacht Konrad zeigten, dass die vom Grubengebäude ausgehenden Wasserpfade frühestens nach ca. 300.000 a die Biosphäre erreichen können und so langlebige Radionuklide aus dem einzulagernden Inventar auf diesem Wasserpfad eine potenzielle Strahlenexposition der Bevölkerung hervorrufen können, die langfristig weit unterhalb der Schwankungsbreite der natürlichen Strahlenexposition von  0,3 mSv/a verbleiben wird. Das System von natürlichen und geotechnischen Barrieren stellt also sicher, dass eine unzulässige Belastung die Biosphäre ausgehend vom Endlager Schacht Konrad langfristig ausgeschlossen werden kann, siehe Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB; 1982), Antrag auf Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens [68]. In das Endlager Konrad dürfen lediglich vernachlässigbar wärmeentwickelnde Abfälle eingelagert werden. Unter vernachlässigbar wärmeentwickelnd wird verstanden, dass das sogenannte 3 K-Kriterium eingehalten wird. Dieses bedeutet die Begrenzung der thermischen Beeinflussung des Wirtsgesteins auf 3 K am Stoß (Seitenwand des Grubenbaues). Daraus ergibt sich, dass damit der Radionuklidvektor des zukünftigen Inventars – soweit es die Wärmeentwicklung betrifft – weitestgehend beschrieben ist. Ein durchgängiges Konzept für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle ist nicht separat ausgewiesen worden. Eine Begründung mag darin liegen, dass Deutschland nicht das Prinzip des Ein-Endlagerstandortes verfolgt hat. Es wird deshalb hier auf das vorgestellte Konzept der Ermittlung einer Langzeitsicherheit für HAW verwiesen, das in großen Teilen auch auf die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle übertragbar ist und sich in den jeweiligen Planfeststellungsunterlagen widerspiegelt bzw. bei der Verwahrung der in der Schachtanlage Asse einlagernden Abfälle Anwendung finden wird. Ein Vorteil für das aufgezeigte Verfahren kann allerdings erkannt werden: Die Endlagerstandorte für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Deutschland befinden sich in unterschiedlichen Wirtsgesteinen: ERAM im Steinsalz, einem duktilen Wirtsgestein, Schachtanlage Konrad in einem Eisenerz-Horizont (Korallenoolith, Geologischer Schnitt siehe Kap. 6, Abb. 6.4), sodass mit verschiedenen Wirtsgesteinen Erfahrungen gewonnen wurden. Trotz dieser Einwände hier werden in Kap. 6 einige standortspezifische Einzelnachweise beschrieben, so wie sie an den Standorten vorgelegt wurden und die allgemein von Interesse sind.

8.4.2 Endlager für wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle Um ein Endlager für die Bundesrepublik Deutschland zu schaffen, wurde 1973 von der damaligen Bundesregierung ein Standortsuchverfahren in Gang gesetzt, siehe Kap. 7. An-

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8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

gesichts bereits vorhandener Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Salzbergbau und aus Forschungsarbeiten in der Schachtanlage Asse lag der Schwerpunkt der Untersuchungen im Bereich der Evaporitgesteine (Steinsalz). Für Salz sprach insbesondere die hohe Wärmeleitfähigkeit und Duktilität des Gesteins. Da die Steinsalzvorkommen der Bundesrepublik in ihren damaligen Grenzen hauptsächlich auf dem Landesgebiet Niedersachsen lagen, führte die Niedersächsische Landesregierung parallel zur Suche der Bundesregierung ein eigenes Auswahlverfahren durch, das die von der Bundesregierung verabschiedeten Auswahlkriterien berücksichtigte. Im Februar 1977 benannte die damalige niedersächsische Landesregierung schließlich den Salzstock Gorleben als einzigen Standort für ein Endlager und ein Entsorgungszentrum. Dass dafür nicht nur Sicherheitsargumente, geowissenschaftliche Kriterien und ethische Einwände ausschlaggebend waren, ist hinlänglich belegt. Das Standortauswahlgesetz [2] hat die Erkundung des Salzstocks Gorleben im Juli 2013 beendet und festgelegt, dass der Salzstock wie jeder andere Standort in Deutschland in ein neues Standortauswahlverfahren einbezogen wird. Die bisherigen Untersuchungen zum Standort Gorleben sind in [32] zur weiteren Verwendung zusammengefasst. Die Standortsuche soll nun ergebnisoffen erfolgen.

8.4.3 Anforderungen an die langzeitsichere und langzeitstabile Verwahrung und mögliche Suchgebiete für Endlagerstandorte für HAW in Deutschland Der Langzeitsicherheitsnachweis ist immer standortbezogen zu führen, dies ist länderunabhängig. Für die weitere Diskussion werden dennoch die in Deutschland vorgefundenen Bedingungen zugrunde gelegt.

Standortauswahlverfahren Standortsuche In Deutschland Gemäß § 3 des StandAG wurde zur Vorbereitung des neuerlichen Standortauswahlverfahrens eine „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ gebildet, die einen Bericht zu erarbeiten hatte, der umfassend auf sämtliche entscheidungserheblichen Fragestellungen eingehen sollte. Dabei hat die Kommission das StandAG einer Prüfung zu unterziehen und dem Bundestag und Bundesrat entsprechende Handlungsempfehlungen zu unterbreiten, § 4 StandAG, und zwar 1. zur Beurteilung und Entscheidung der Frage, ob anstelle einer unverzüglichen Endlagerung hochradioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Formationen andere Möglichkeiten für eine geordnete Entsorgung dieser Abfälle wissenschaftlich untersucht und bis zum Abschluss der Untersuchungen die Abfälle in oberirdischen Zwischenlagern aufbewahrt werden sollen,

8.4 Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Deutschland

321

2. als Entscheidungsgrundlagen (allgemeine Sicherheitsanforderungen an die Lagerung, geowissenschaftliche, wasserwirtschaftliche und raumplanerische Ausschlusskriterien und Mindestanforderungen im Hinblick auf die Eignung geologischer Formationen für die Endlagerung sowie wirtsgesteinsspezifische Ausschluss- und Auswahlkriterien für die möglichen Wirtsgesteine Salz, Ton und Kristallin sowie wirtsgesteinsunabhängige Abwägungskriterien und die Methodik für die durchzuführenden vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen), weiter siehe [22], 3. als Kriterien einer möglichen Fehlerkorrektur (Anforderungen an die Konzeption der Lagerung insbesondere zu den Fragen der Rückholung, Bergung und Wiederauffindbarkeit der radioaktiven Abfälle sowie der Frage von Rücksprüngen im Standortauswahlverfahren), 4. als Anforderungen an die Organisation und das Verfahren des Auswahlprozesses und für die Prüfung von Alternativen, 5. als Anforderungen an die Beteiligung und Information der Öffentlichkeit und zur Sicherstellung der Transparenz sowie Erörterung gesellschaftspolitischer und technischwissenschaftlicher Fragen und Empfehlungen zum Umgang mit bisher getroffenen Entscheidungen und Festlegungen in der Endlagerfrage sowie Analyse internationaler Erfahrungen und daraus folgender Empfehlungen für ein Lagerkonzept. Der Abschlussbericht [3] der Kommission Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe liegt zwischenzeitlich vor. Auffallend ist dabei, dass die Kommission die grundsätzlichen Anforderungen an den Endlagerstandort, die sich u. a. aus [1] ergeben, nicht einer komplexen kritischen Wertung unterzogen hat, siehe Kap. 7. Dabei stellen diese die Grundmatrix für die Langzeitsicherheit und damit für einen bestmöglichen Endlagerstandort dar:    

ein oder mehrere Endlagerstandorte, 500 Jahre Rückholbarkeit nach Verschluss des Bauwerkes, Betrachtungszeitraum (Nachweiszeitraum) 1 Mio. a, Stellung der geotechnischen Barrieren, Behälter, Gebinde im Langzeitsicherheitskonzept,  tiefe geologische Formationen oder oberflächennahe Lagerung,  Schaffung von Übergangslagern,  Führung des Langzeitsicherheitsnachweises. Es können Zweifel entstehen, dass sich aus den Handlungsanweisungen der Kommission ein ergebnisoffenes Auswahlverfahren für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle ableiten lässt. Dazu wurden zu viele Felder für die Standortsuche und für das Endlagerkonzept bereits ausgeschlossen, ohne dass hierzu eine fundierte wissenschaftliche Analyse stattgefunden hat. So wurden wesentliche und abgestimmte Kriterien, siehe [1], [7] und [17], ausgeblendet und verwässert. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die neue Organisationsstruktur im Bereich des Strahlenschutzes und der Endlagerung sich dieser

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8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Aufgabe stellt. Genährt wird diese Hoffnung dadurch, dass die Kommission gemäß § 3 StandAG auf dem Prozessweg hin zu einem Endlager auf Reversibilität und Rückholbarkeit setzt. Neuordnung der Organisationsstruktur im Bereich des Strahlenschutzes und der Endlagerung Gemäß StandAG § 7 ist ein Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) zu gründen, in dem die staatlichen Aufgaben der Aufsicht und Genehmigung im Bereich der Kerntechnik, der Zwischenlagerung, der Standortauswahl und der Endlagerüberwachung mehrheitlich gebündelt wird. Die Dienst-, Rechts- und Fachaufsicht über das BfE übt das BMUB aus. Gemäß § 9a Absatz 3 Satz 2 des Atomgesetzes hat der Vorhabenträger die Aufgabe, das Standortauswahlverfahren umzusetzen. Dazu ist 2016 das Gesetz zur Neuordnung der Organisationsstruktur im Bereich des Strahlenschutzes und der Endlagerung [68] in Kraft getreten. Als Vorhabenträgerin für die operativen Aufgaben der Standortsuche, der Errichtung und des Betriebs der Endlager sowie der Schachtanlage Asse II dient eine Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mbH. Der grundlegende Widerspruch, dass Antragstellung, Genehmigung, Bauausführung und -überwachung, Freigabe, Betrieb und Stilllegung mit Nachsorge in Deutschland bei der öffentlichen Hand gebündelt sind, bleibt erhalten. Internationale Standortsuche Für die Standortsuche, die Planung, den Betrieb und die Stilllegung von Endlagern für radioaktive Abfälle sind die Empfehlungen der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) und der Nuklearenergie-Agentur (NEA) der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) von grundlegender Bedeutung. Aus diesen Arbeiten resultieren zentrale Elemente für die Realisierung eines Endlagers auf hohem Sicherheitsniveau auch in Deutschland. Finnland z. B. hat sich von Anfang an für direkte Endlagerung entschieden. Ende 2012 wurde für das finnische Endlager Onkalo für HAW bei der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde die Baugenehmigung beantragt, und die finnische nukleare Sicherheitsbehörde STUK (Säteilyturvakeskus) gab im Januar 2015 eine positive Sicherheitsbewertung im Genehmigungsverfahren ab. Die finnische Regierung hat am 12. November 2015 die Genehmigung für den Bau des Endlagers erteilt. Der Antrag auf Betriebsgenehmigung soll im Jahr 2020 eingereicht werden. Die Einlagerung in 400–700 m Tiefe soll ab den 2020erJahren in einer Granitformation (kristallin) erfolgen, weiter siehe Kap. 7, siehe Abb. 8.1. In Finnland liegt die Verantwortung für Standortauswahl und Durchführung der Endlagerung ausschließlich in der Hand haftbarer Privatfirmen. Der Staat wird hier nur in seiner Genehmigungs- und Aufsichtsfunktion tätig, die er durch die Strahlenschutzbehörde und das Ministerium für Arbeit und Wirtschaft ausübt. Zur operativen Realisierung eines zentralen Endlagers für abgebrannte Brennelemente wurde das private Unternehmen Posiva Oy gegründet (s. Kap. 7).

8.4 Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Deutschland

323

Abb. 8.1 Versuchsstrecke im Wirtsgestein Granit, Untertagelabor Onkalo/Finnland. (Quelle: Posiva Oy), siehe auch [69]

Die nachfolgenden Darlegungen zur Langzeitsicherheit folgen den Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle aus [1], [7] und [17], sie können als Unterstützung zur Lösung der vorstehend formulierten Aufgabenstellung dienen.

Grundstruktur der Eignungsnachweise für ein Endlagersystem Der Eignungsnachweis für ein Endlagersystem in Deutschland hat sich an der primären Zielstellung, der vollkommenen Isolation des eingelagerten Inventars durch wirksame Abdichtung des Einlagerungsbereichs gegen Wasserzutritt, zu orientieren. Dafür gilt es, ein Geotechnisches Umweltbauwerk zu entwickeln und zu optimieren, das als Multibarrierensystem konzipiert wird. Ein solches Multibarrierensystem besteht aus verschiedenen Systemkomponenten, die jeweils ihren spezifischen Anteil an der Isolation der Abfälle haben. Es ist davon auszugehen, dass kein Element des Multibarrierensystems absolut und für immer undurchlässig ist. Es kommt also darauf an, die Barrieren so zusammenzustellen, aufeinander abzustimmen und mit Immobilisierung auszustatten, dass insgesamt ein Isolationsvermögen des einschlusswirksamen (Gebirgs-)Bereichs (ewG) für eine möglichst lange Zeit erreicht wird. Für hochradioaktive Abfälle (HAW) müssen die Barrieren nach derzeitigen Vorgaben in der Lage sein, einen Isolationszeitraum in der Größenordnung von 1 Mio. Jahren zu gewährleisten.

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8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Umsetzung der primären Zielstellung: Es gilt also, ein Endlagersystem, bestehend aus dem Endlagerbergwerk, dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich und aus den umgebenden oder überlagernden geologischen Schichten bis zur Erdoberfläche und der Biosphäre, mit einem Multibarrierensystem zu entwickeln, bei dem die einzelnen Barrieren so zusammengestellt, aufeinander abgestimmt und mit Immobilisierung ausgestattet sind, dass insgesamt ein Isolationsvermögen des einschlusswirksamen (Gebirgs-)Bereichs (ewG) für den gesamten Zeitraum und für eine möglichst lange Zeit erreicht wird, in Deutschland derzeit für 1 Mio. Jahre. Es gilt also den Nachweis der Langzeitsicherheit für das Endlagersystem mit dem Endlagerbauwerk und die einzelnen Barrieren, natürliche (geologische), geotechnische und technische, zu führen, siehe Abb. 8.5. Der Nachweis der Langzeitsicherheit für das Endlagersystem beruht also auf den Einzelnachweisen. Folgt man dem derzeitig favorisierten Vorschlag, dass insbesondere wärmeentwickelnde HAW in tiefen geologischen Formationen endzulagern sind, dann wird in einem Horizont einer geeigneten Wirtsgesteinsformation ein Endlagerbergwerk aufgefahren. Es gilt also, zunächst einen geeigneten Standort zu finden, der sich dadurch auszeichnet, dass hier eine bekannte und geeignete Wirtsgesteinsformation angetroffen wird. International werden zur Endlagerung von radioaktiven Abfällen, insbesondere von wärmeentwickelnden HAW drei Wirtsgesteinsformationen in Betracht gezogen: Salz (Salinar), Ton (Tonstein) und kristalline Gesteine (Granite). Diese Gesteinsformationen werden alle in Deutschland angetroffen, während Skandinavien beispielsweise nur auf kristalline Gesteinsformationen zurückgreifen kann. In ariden Zonen wie in den USA (Nevada), wo Lösungszutritte zu den Einlagerungsbereichen in erheblichem Umfang nicht erwartet werden, kann man auch auf abweichende Formationen zugreifen, siehe Yucca Mountain, Kap. 7, die sich allerdings dann das Szenario des Klimawandels vorhalten lassen müssen. Jede dieser Gesteinsarten hat ihre spezifischen Vor- und Nachteile im Hinblick auf die primäre Zielstellung und damit auf ihre Eignung als Wirtsgestein für die Einlagerung von wärmeentwickelnden, radioaktiven Abfällen. Grundsätzlich ist eine sichere Endlagerung in allen diesen Wirtsgesteinen möglich, vorausgesetzt, dass das Endlagerkonzept an die infrage kommenden geologischen Formationen angepasst wird. Aus Sicht des Autors müssen wenigstens zwei Endlagerkonzepte in zwei verschiedenen Wirtsgesteinsformationen miteinander verglichen werden, wenn man herausfinden will, ob das eine Endlagerkonzept besser ist als das andere. Damit wird deutlich, dass eine isoliert durchgeführte Standortauswahl immer den Makel besitzen wird, dass Argumente gefunden werden, diesen abzulehnen, ohne dass die generelle Eignung dieses Standortes widerlegt werden kann, weil die Vermutung geäußert werden wird, dass ein Endlagerkonzept in einer entsprechenden (anderen) Wirtsgesteinsformation gefunden werden kann, das besser geeignet wäre. Die folgenden Einzelnachweise im Langzeitsicherheitsnachweis werden nachfolgend näher beschrieben: Auswahl von geeigneten Endlagerstandorten (ENW 1)7 , wenigstens zwei in verschiedenen Wirtsgesteinen, die dann in das Endauswahlverfahren eingespeist werden, zu 7

EWN – Einzelnachweis.

8.4 Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Deutschland

325

dem auch die Zustimmung der jeweiligen aufnehmenden Gemeinden erreicht werden sollte: Für die Vorauswahl von geeigneten Endlagerstandorten in wenigstens zwei verschiedenen Wirtsgesteinen sollte ein mehrstufiges Auswahlwahlverfahren mit verschiedenen grundsätzlichen und vergleichsspezifischen Kriterien zur Anwendung kommen, die allerdings bisher in Deutschland noch nicht formuliert worden sind. Bei der Endlagerung in tiefen geologischen Formationen müssen Hohlräume, ähnlich wie in einem Bergwerk, gebirgsschonend aufgefahren werden, einerseits um die entsprechenden Gesteinsuntersuchungen vornehmen zu können (geomechanische, geohydraulische, geothermische, geochemische etc. Parameter, wasserführende, isolierende Schichten, Mächtigkeit der Wirtsgesteinsformationen, Deck- und Nebengebirge, Lage der Grundwasserleiter, Klüftigkeit etc.) – als Untertagelabor –, andererseits zur Herstellung der Einlagerungsbereiche, Strecken, Kammern, Förderschächte sowie der Kammerabschluss- und Dammbauwerke etc. Das Bergwerk wird also so ausgerüstet und mit verschiedenen Barrieren ausgestattet, dass es der primären Zielstellung gerecht werden kann. Ein derartiges Bergwerk wird als Endlagerbergwerk bezeichnet und muss sich durch Robustheit und ein hohes Maß an Integrität auszeichnen. Stabilität und Gebrauchstauglichkeit des Endlagerbauwerkes sowie die Integrität der geologischen Barriere sind Voraussetzungen für die Gewährleistung des bestimmungsgemäßen Betriebs und Beleg für den dauerhaften Einschluss der Abfälle in der Nachverschlussphase. Nachweis der Robustheit und Integrität des Endlagerbauwerkes (ENW2): Ein Endlagersystem wird als Multibarrierensystem konzipiert, das aus verschiedenen Systemkomponenten besteht, die jeweils ihren zeitabhängigen, spezifischen Anteil an der Isolation und der Ausbreitungsverhinderung des radioaktiven Inventars besitzen. Für die einzelnen Barrieren, natürliche (geologische), geotechnische und technische Barrieren, die zudem auf das ausgewählte Wirtsgestein abgestimmt sein müssen, ist der Nachweis der Integrität und der Robustheit zu führen. So müssen Endlagerabfallbehälter, die im Steinsalz zum Einsatz kommen, eine größere Robustheit gegenüber einwirkendem Gebirgsdruck aufweisen als die im kristallinen Gestein, weil Steinsalz konvergiert und damit die Abfallbehälter in der Nachverschlussphase vollständig vom Steinsalz umschlossen werden. Für Steinsalz entwickelte Endlagerbehälter eigenen sich nicht generell für kristallines Wirtsgestein und umgekehrt. Nachweis der Integrität und der Robustheit der einzelnen Barrieren des Multibarrierensystems eines Endlagers (ENW3): Einschlusswirksamer (Gebirgs-)Bereich (ewG). Insbesondere die Interaktionen zwischen Endlager, Barrieren und Wirtsgestein. Optimierung der Verschlusskonzepte im Hinblick auf mechanisch-hydraulische oder chemische Prozesse im Kontaktbereich zwischen den Verschlussmaterialien und dem umgebenden Gestein. Die Herstellung von Schachtverschlüssen und im Fall der Wirtsgesteine Tongestein und Granit, die Verwendung von Bentonit als Versatzmaterial in direkter Umgebung der eingelagerten Endlagergebinde. Die Untersuchung der langfristigen chemischen Beständigkeit von Verschlussbauwerken, Beschreibung der Temperatur-

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8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

abhängigkeiten von chemischen Prozessen. Freisetzungs- und Transportverhalten von volatilen Radionukliden. Untersuchungen zur Freisetzung gasförmiger Spaltprodukte etc. Beispiele für Einzelnachweise Auswahl von geeigneten Endlagerstandorten (ENW 1) Die Auswahl geeigneter Endlagerstandorte sollte in einem mehrstufigen Auswahlverfahren erfolgen, in dem verschiedene grundsätzliche und vergleichsspezifische Kriterien zur Anwendung gebracht werden. Diese verschiedenen grundsätzlichen und vergleichsspezifischen Kriterien sind bisher in Deutschland noch nicht formuliert worden. Für die letzte Entscheidung sollten wenigstens zwei Standorte in verschiedenen Wirtsgesteinen bewertet werden. Dabei ist aus Sicht des Autors die Zustimmung der aufnehmenden Gemeinde anzustreben, soll der Prozess der Errichtung nicht erheblich gestört werden, wie das Verfahren um das Erkundungsbergwerk Gorleben zeigt. Aber auch die Entwicklung eines Endlagers für zivile HGW-HAW – Yucca Mountain nuclear waste repository – in den USA ist auf ähnliche Weise politisch beeinflusst, siehe Kap. 7. Für die Entwicklung eines Endlagersystems in Deutschland müssen sowohl vergleichbare standortunabhängige als auch standortspezifische Kriterien formuliert werden. Die Entwicklung eines Endlagersystems muss entgegen der gegenwärtigen Sicherheitsphilosophie daneben auch die Reversibilität von Entscheidungen zulassen, um ggf. auf andere Entsorgungspfade umsteigen zu können. In die in [40] vorgelegte Sicherheitsphilosophie des BfS8 , siehe Tab. 8.1, wurden bei Maßnahmen im Falle außergewöhnlicher Entwicklungen die Reversibilität von Entscheidungen und die Reversibilität der Einlagerung (Bergung und Rückholung) als gefahrensituationsabhängige Entscheidungen eingeführt. Unter Reversibilität von Entscheidungen versteht man, einmal getroffene Entscheidungen rückgängig machen und ggf. auf andere Entsorgungspfade umsteigen zu können. Unter Rückholung versteht man das Zurückholen der Abfallbehälter aus dem Endlager, auch wenn dieses teilweise verfüllt und verschlossen ist. Unter Bergbarkeit wird die Möglichkeit der Rückholbarkeit von Behältern mit HAW verstanden, wenn das Endlagerbergwerk bereits vollständig verschlossen ist. Bergbarkeit und Rückholung sprechen dafür, dann oberflächennahe Entsorgungspfade für die wärmeerzeugende HAW umfassend zu untersuchen. Der Ausschluss dieser Entsorgungspfade widerspricht den aufgeführten Grundsätzen aus dem Abschlussbericht der Kommission gemäß § 3 StandAG. International haben sich drei Wirtsgesteinsformationen als grundsätzlich geeignet erwiesen: Steinsalz (Salinar), Ton/Tonstein, Kristallin (Granite, Gneise). In Deutschland ist bekannt, wo diese angetroffen werden können. Überraschungen sind aufgrund der Erkundungsdichte und -tiefe nicht zu erwarten. 8

Die Aufgaben zur Endlagerung sind vom BfS an das BfE übergegangen. Das heißt, das BfE hat auch die Sicherheitsphilosophie zur Endlagerung von HAW-HGT übernommen. Das bedeutet natürlich nicht, dass das BfE diese nicht weiterentwickeln wird.

8.4 Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Deutschland

327

Tab. 8.1 Entwicklungskategorien für die Nachverschlussphase eines Endlagers. (Nach [40] angepasst) Entwicklungs- Ereignisse und Vorgänge kategorien 1 Zu erwartende Entwicklungen

a

2

Außergewöhnliche Entwicklungen

3

Unbeabsichtigtes menschliches Eindringen (Human Intrusion Szenario) – Spezialfälle – Klimawandel (Eiszeit, Warmzeit)

Maßnahmen Auswahl des Standortes in einem mehrstufigen Verfahren Sicherheitsabstand zu den Belastungsgrenzen der geologischen Barrieren Verschluss des Endlagers gem. Stand der Technik Bewertung der Sicherheitsreserven des Standortes Anordnung ergänzender Barrieren Reversibilität von Entscheidungena Übermittlung der Information Standortauswahl Anlagenauslegung Standortauswahl Bergung, Rückholunga

sind nicht in [40] enthalten

Die Untersuchung der Endlagerformation auf Eignung setzt auf die Untersuchung der wirtsgesteinstypischen Parameter in Bezug auf die zu erwartenden Einwirkungen und Isolationseigenschaften. Dabei ist bekannt, dass mit der Entwicklung von Abfallbehältern im Zusammenhang mit standortspezifischen Verhältnissen sich wesentliche Verbesserungen in den Isolationseigenschaften des Multibarrierensystems erreichen lassen. In Tab. 8.2 sind Einflüsse auf die Konfiguration des Endlagersystems aufgeführt, die aus der Standortwahl und der Wirtsgesteinsformation abgeleitet wurden [41]. Die von der BGR 2007 vorgenommene Bewertung des Einflusses des Wirtsgesteins auf Systemkomponenten eines Endlagers scheint überholt. Die Zusammenstellung der BGR scheint außerdem tendenziell das Wirtsgestein Steinsalz (Salinar) gegenüber Ton/Tonstein und kristallinem Gestein vorteilhaft erscheinen zu lassen. Dabei handelt es sich um folgende Korrekturen:  Einlagerungsart: ist völlig unproblematisch und lässt sich auf die jeweilige Endlagerkonfiguration optimieren.  Versatz-(Füll-)Material9 : Der Einsatz von Bentonit in den Barrieren (Strecken, Kammern, Endlagerbehältern) erscheint eher integritätsfördernd, siehe Kap. 7.  Maximale Auslegungstemperatur10 : Mit der Endlagerkonfiguration lässt sich der Temperatureinfluss der HGW-HAW auf das Wirtsgestein erheblich reduzieren, siehe auch VSG. 9

Wird an das jeweilige Wirtsgestein angepasst. Wird an das jeweilige Wirtsgestein angepasst.

10

328

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Tab. 8.2 Einfluss des Wirtsgesteins auf Systemkomponenten eines Endlagers. (Nach [41]) Wirtsgestein/ Systemkomponenten Einlagerungssohle Einlagerungsart Max. Auslegungstemperatura Versatz-(Füll-)Materiala Notwendige Zwischenlagerungszeit (gem. max. Auslegungstemperatur) Streckenausbau Endlagerbehälterkonzept Erfahrung bei der Auffahrung eines Endlagerbergwerkes

Steinsalz (Salinar)

Ton/Tonstein

(600–1000) m Strecken und tiefe Bohrlöcher Max. 200 °C

(ca. 500) m Strecken bzw. kurze Bohrlöcher Max. 100 °C

Salzgrus Mind. 15 Jahre

Bentonite Mind. 30–40 Jahre

Kristallines Gestein (Granite) (400–1300 m) Bohrlöcher oder Strecken Max. 100 °C (wenn Bentonite eingesetzt) Bentonite Mind. 30–40 Jahre

Nicht erforderlich

Erforderlich, ggf. sehr aufwendig Vorhanden, aber nicht in Deutschland Kaum vorhanden

Erforderlich, aber nicht durchgängig Vorhanden, aber nicht in Deutschland Vorhanden

Vorhanden (Gorleben) Vorhanden

günstige Eigenschaft a

ungünstige Eigenschaft

Eigenschaft medium

wird an das jeweilige Wirtsgestein angepasst

 Notwendige Zwischenlagerungszeit: ist für das deutsche Endlagerkonzept uninteressant, weil die Inbetriebnahme eines Endlagers in Deutschland sich so verzögert, dass die erforderliche Zwischenlagerzeit erfüllt ist.  Endlagerbehälterkonzept: z. B. in Schweden und Finnland liegen Behälterentwicklungen vor, die sehr lange Isolationszeiten besitzen, siehe auch Kap. 7. Nachweis der Robustheit und Integrität des Endlagerbauwerkes (ENW 2) In einem Nachweis- und Sicherheitskonzept geht es zunächst darum, quantitative Sicherheitsnachweise (z. B. Nachweis der Gebrauchstauglichkeit, der Hohlraumstandsicherheit, der Barriereintegrität), hier für ein Endlagerbauwerk, bereitzustellen. Eine wesentliche Forderung für die Langzeitsicherheit ist, dass ein Endlagersystem und seine Teilsysteme, wie Endlagerbauwerk und Barrieren, sich durch Robustheit auszeichnen müssen. Damit wird die Zuverlässigkeit und Qualität und somit die Unempfindlichkeit der Sicherheitsfunktionen des Endlagersystems und seiner Barrieren gegenüber inneren und äußeren Einflüssen und Störungen sowie die Unempfindlichkeit der Ergebnisse der Sicherheitsanalyse gegenüber Abweichungen von den zugrunde gelegten Annahmen bezeichnet. Für das Endlagersystem und seine Teilsysteme muss die Integrität über den gesamten Betrachtungszeitraum (Nachweiszeitraum) gewährleistet sein. Integrität beschreibt den Erhalt der Eigenschaften des Einschlussvermögens des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs eines Endlagers, also das Endlagersystem aus natürlichen und technischen und geotechnischen Barrieren in ihren Wechselwirkungen, ihrer Redundanz und Diversität.

8.4 Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Deutschland

329

Die erste der zentralen Sicherheitsanforderungen gemäß [1] beschreibt die Aufgabe umfassend: Für eine Million Jahre muss gezeigt werden, dass allenfalls sehr geringe Schadstoffmengen aus dem Endlager freigesetzt werden können. Hierzu muss die Integrität des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs nachgewiesen und das vom Endlager ausgehende Risiko bewertet und dargestellt werden.

Als Betrachtungszeitraum (Nachweiszeitraum) sind derzeit also 1 Mio. Jahre vorgeschrieben. Der Nachweis der Robustheit und Integrität eines Endlagerbauwerkes ist ein spezieller umfangreicher geotechnischer Sicherheitsnachweis, der nicht nur eine große Herausforderung darstellt, sondern auch eine hohe Bedeutung besitzt und große, spezielle Erfahrungen voraussetzt. Dabei geht es stets um die gesamtheitliche Berücksichtigung und Bewertung theoretischer, experimenteller und visueller Untersuchungen (z. B. geologische und ingenieurgeologische Erkundung, Laborversuche zum Materialverhalten der Gebirgsschichten, Festlegung der thermisch-hydraulisch-mechanischen Einwirkungen, gebirgsmechanische Modellierung, numerische Modellberechnungen, ggf. Einbeziehung von in situ Messungen und örtlichen Beobachtungen). Die Modellberechnungen haben dabei eine besondere Bedeutung, da das Langzeitverhalten von Endlagern in der Nachverschlussphase nicht mehr durch Messungen und Beobachtungen, sondern nur durch theoretische Prognosemodelle unter Einbeziehung thermischer, hydraulischer, mechanischer und chemischer Effekte (gekoppelte THMC-Prozesse) beschrieben und beurteilt werden kann. Die Zusammenhänge sind nicht nur hochgradig nichtlinear, sondern auch stochastischer Natur. Die Materialeigenschaften charakterisieren zum Zeitpunkt t einen Zustand des geotechnischen Körpers, der im zeitlichen Fortgang Veränderungen unterliegt. Die Materialeigenschaften verteilen sich statisch über oder im betrachteten Gebirgsbereich. Die Einwirkungen sind mit Eintrittswahrscheinlichkeiten behaftet, die oftmals keinen Gesetzmäßigkeiten folgen. Der Nachweis der Robustheit eines Endlagerbauwerks wird auf der Grundlage der Ermittlung einer nicht zu überschreitenden Versagenswahrscheinlichkeit vorgenommen, siehe Abb. 8.3. Bei der Errichtung eines Endlagers im Wirtsgestein Steinsalz ist die Konvergenz des Gebirges zu untersuchen. Die in den Einlagerungsfeldern abgelegten Endlagerabfallbehälter werden nach derzeitigem Verständnis zunächst vollständig mit Salzgrus versetzt. Die Einlagerungsfelder werden anschließend verschlossen. Durch die Konvergenz des umgebenden Gebirges wird ein erheblicher Druck auf die Abfallbehälter ausgeübt. Der Versatz nimmt dabei die gleiche Festigkeit an wie das umgebende Gebirge. Die Untersuchung des Konvergenzverhaltens des Gebirges ist Teil der Methodik gemäß des in der Abb. 8.2 vorgestellten methodischen Vorgehens bei geotechnischen Sicherheitsnachweisen. Das in Abb. 8.2 dargestellte methodische Vorgehen kann auch auf den Integritätsnachweis übertragen, muss jedoch darauf angepasst werden. Als Modellberechnungen kommen dann hydrologische und Stofftransportmodelle zur Anwendung.

330

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Abb. 8.2 Methodisches Vorgehen bei geotechnischen Sicherheitsnachweisen. (Nach einem Vorschlag der BGR)

Ein hydrologisches Modell stellt eine vereinfachte Beschreibung dar, die die im hydrologischen System ablaufenden physikalischen, chemischen und biologischen Prozesse (hydrologischer Prozess) oder Teilprozesse realitätsnah abbildet. Als Zustandsgrößen gehen u. a. die Permeabilität des Gesteinselements, die dynamische Viskosität und die Dichte des Fluids, die Wärmeleitfähigkeit und die spezifische Wärmekapazität sowohl des Gesteinselements als auch des Fluids (Advektion und Diffusion) sowie die Milieubedingungen (Temperatur, pH-Wert etc.) in das hydrologische Modell ein. Diese Zustandsgrößen werden aus den gebietsdifferenzierten Untersuchungen zu den Gebirgs- und Fluideigenschaften gewonnen bzw. abgeleitet (Verteilung der Parameter). Zur Berücksichtigung von zufallsbedingten Änderungen im hydrologischen System ist zwischen stochastischen und deterministischen Modellen zu unterscheiden und nach der Abhängigkeit der Modellparameter vom momentanen Systemzustand in lineare und nichtlineare Modelle sowie nach Berücksichtigung der Abhängigkeit der Modellparameter vom zeitlichen Systemverhalten in zeitinvariante und zeitvariante Modelle. In Tab. 8.3 sind einige endlagerrelevante Eigenschaften von potenziellen Wirtsgesteinen zusammengestellt [41]. Diese kommen bei der Integritätsuntersuchung des Endlagerbauwerkes zur Anwendung. Auch aus Tab. 8.3 ist ersichtlich, dass diese Zusammenstellung tendenziell das Wirtsgestein Steinsalz (Salinar) gegenüber Ton/Tonstein und kristallinen Gesteinen vorteilhaft erscheinen lässt. Streicht man geklüftete und stark geklüftete Granitformationen, die bereits bei der Vorauswahl nicht unter „bestmöglich“ fallen, aus der Bewertung, erhält diese Formation weitere günstige Eigenschaften. Aus gebietsdifferenzierten geotechnischen Untersuchungen zu den Gebirgs- und Fluideigenschaften wird deutlich, dass mit

8.4 Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Deutschland

331

Tab. 8.3 Endlagerrelevante Eigenschaften potenzieller Wirtsgesteine zusammengestellt. (Nach [41]) Wirtsgestein/ Eigenschaft Temperaturleitfähigkeit Durchlässigkeit

Steinsalz

Kristallingestein (z. B. Granite) Hoch Gering Mittel Praktisch undurch- Sehr gering bis Sehr gering (ungeklüftet) lässig gering bis durchlässig (geklüftet)a Festigkeit Mittel Gering bis mittel Hoch Verformungsverhalten Viskos (Kriechen) Plastisch bis spröde Spröde Hohlraumstabilität Eigenstabilität Ausbau notwendig Hoch (ungeklüftet) bis gering (stark geklüftet)a In-situ Spannungen Lithostatisch isotrop Anisotrop Anisotrop Lösungsverhalten Hoch Sehr gering Sehr gering Sorptionsverhalten Sehr gering Sehr hoch Mittel bis hoch Temperaturbelastbarkeit Hoch Gering Hoch günstige Eigenschaft

Ton/Tonstein

ungünstige Eigenschaft

Eigenschaft medium

a

einen geklüfteten bzw. stark geklüfteten Granitsockel würde bei der Standortauswahl durchfallen, weil dieser nicht unter die Kategorie „bestmöglich“ fällt

einer erheblichen Bandbreite in der Verteilung der Parameter, sowohl orts- als auch zeitbezogen, zu rechnen ist, bis hin zu Anomalien. Es hat sich hier durchgesetzt, ehe in Detailuntersuchungen eine Vertiefung erfolgt, das Feld mit geeigneten geophysikalischen Felduntersuchungen zu detektieren. Bei der Entwicklung des Sicherheits- und Nachweiskonzeptes sind auch geeignete Methoden zum systematischen Umgang mit inhärenten Ungewissheiten anzuwenden. Diese Ungewissheiten betreffen u. a. die vorliegenden Standortdaten, siehe Tab. 8.3, die zukünftige Entwicklung des Endlagersystems über die zu betrachtenden langen Zeiträume, aber auch die Kenntnisse über die ablaufenden Prozesse. Einige Ungewissheiten, die bei der Beschreibung der ablaufenden Prozesse auftreten, ergeben sich aus Ungenauigkeiten bei der Erhebung der notwendigen Daten oder aus den für die Modellierung notwendigen Abstraktionen, vor allem bei der Parametrisierung der eingesetzten Modelle. Zu ihrer Behandlung werden diese Daten- und Parameterungewissheiten im Zusammenhang mit der Beschreibung der entsprechenden Modelle identifiziert bzw. bei der Auswertung von Modellrechenergebnissen behandelt. Zur Berücksichtigung von Daten- und Modellungewissheiten sind probabilistische Analysen durchzuführen. So werden probabilistische Verfahren zur Berücksichtigung von Parameterungewissheiten bei der Bewertung des Einschlusses der Radionuklide im ewG und ggf. bei der radiologischen Konsequenzenanalyse sowie Teilsicherheitsbeiwerte bei der Berücksichtigung von Ungewissheiten der Lastfälle für die geotechnischen Bauwerke eingesetzt [42]. Darüber hinaus sollten in einem Endlagerkonzept die Ungewissheiten des Eintretens, der Zeitpunkte und Ausprägungen zukünftiger Ereignisse am Standort berücksichtigt wer-

332

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

den, beispielsweise im Zusammenhang mit zukünftigen Kaltzeiten. Das Eintreten solcher Ereignisse ist mit einer Wahrscheinlichkeit zu erwarten, sodass durch den systematischen Umgang mit inhärenten Ungewissheiten eine Versagenswahrscheinlichkeit des Endlagersystems ausgewiesen werden kann. Die Ermittlung einer Versagenswahrscheinlichkeit von Endlagersystemen gehört derzeit nicht zum Standard-Prozedere der Auslegung. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass sich die probabilistischen Modellrechnungen auch dieses Gebiet weiter erschließen. Versagenswahrscheinlichkeit des Endlagersystems oder seiner Teilsysteme Eine Versagenswahrscheinlichkeit sowohl für das Endlagersystem als auch für seine Teilsysteme weist auf verbleibende Risiken (Restrisiko) bei einer vorgenommenen probabilistischen Untersuchung hin. Die Versagenswahrscheinlichkeit ergibt sich aus der Wahrscheinlichkeit des Eintretens der nicht planbaren, außergewöhnlichen Ereignisse und der Wahrscheinlichkeit, dass zwei (mehrere) dieser Ereignisse gleichzeitig eintreten können. Einige Grundsätze zu deren Bestimmung werden nachfolgend aufgeführt. Um die Sicherheit eines Endlagerbauwerkes mit einem Wahrscheinlichkeitsmaß bewerten zu können, werden zwei Zustände eingeführt, die sich gegenseitig ausschließen, also zueinander komplementär sind. Das sind einmal das Versagensereignis, mit V beQ zeichnet, und zum anderen sein komplementäres Ereignis, das Nicht-Versagen, das mit V Q ausgewiesen wird. Es gilt die Differenzmenge V zu V. Beiden Ereignissen sind entsprechende Wahrscheinlichkeiten zugeordnet: Die Versagenswahrscheinlichkeit Pf (probability of failure) sowie die Überlebenswahrscheinlichkeit Pr (reliability). Hierfür gilt: (8.1) Pr C Pf D 1 Voraussetzung ist dafür die Sicherheit, hier für ein Endlagerbauwerk, mit einem Wahrscheinlichkeitsmaß bewerten zu können, ob das Vorhandensein eines Systems die Bildung einer mathematischen Relation zwischen seinem Eingang (Einwirkungsprozess) und seinem Ausgang (Wirkungsprozess) ermöglicht und ob hierfür eine gesicherte, hinreichend große Menge an statistischen Informationen über die Basisvariablen vorliegt. Der Zustand des Endlagerbauwerkes hängt von einer Reihe von Größen ab, die als statistisch erfassbar angesehen werden. Diese werden auch als Basisvariablen (oder Zufallsvariablen) bezeichnet. Für die Hohlraumstabilität gehören dazu die mechanischen Eigenschaften des Wirtsgesteins, die Einwirkungen, z. B. die statischen Äquivalenzlasten, die Geometrie des Hohlraumes und die geometrischen Imperfektionen, die Einwirkungen aus der Umgebung, Deckgebirge etc. Die Zustandsvariablen können in einem Vektor vekX zusammengefasst werden: 0 1 X1 BX C B 2C B C C (8.2) vekX D B B X3 C B C @ : : :A Xn

8.4 Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Deutschland

333

Mittels geeigneter wahrscheinlichkeitstheoretischer Ansätze bereitet es formal gesehen keine Schwierigkeiten, zu einem mechanischen Berechnungsmodell das Wahrscheinlichkeitsmaß für das Auftreten eines bestimmten, eindeutig definierten Grenzzustandes g(vekX) zu ermitteln, Pf D P.g.X1 ; X2 ; : : : ; Xn /  0/ D P.Z  0/ Pf  0  VersagenI

(8.3)

Pf > 0  kein Versagen;

das heißt die Wahrscheinlichkeit, dass die Versagensbedingung erfüllt oder die Sicherheitszone negativ ist. Z wird darin als Sicherheitszone bezeichnet, Xi als Zufallsvariable, deren Wahrscheinlichkeitsverteilung Fi und -dichten fi bekannt sind: Z D g.X1 ; X2 ; : : : ; Xn /  0

(8.4)

Im n-dimensionalen Raum stellt die Grenzzustandsfunktion g (vekX)  0 eine (n  1)Hyperfläche dar, die den Gesamtraum in einen unsicheren, sprich Versagensbereich fvekX | g(vekX) < 0g, und in einen sicheren Bereich fvekX | g(vekX)  0g aufteilt. Geometrisch gesehen, ist ein Grenzzustand die Oberfläche des sicheren Bereiches. Bei vielen Grenzzuständen bereitet es wenig Schwierigkeit, in der Zustandsfunktion den resultierenden Widerstand R und die resultierende Einwirkung S als voneinander stochastisch unabhängige Teilzustände zu betrachten, sodass sich die in Abb. 8.3 dargestellte zweidimensionale Beispielrechnung ergibt. Wenn die Basisvariablen Zufallsgrößen oder Zufallsprozesse sind, so gilt dies auch für R und S: g.vekX/ D R  S D X1  X2

(8.5)

Man nennt die Differenz Z = R  S den Sicherheitsabstand. Wenn Z  0, dann ist der Grenzzustand erreicht. Bei Z < 0 liegt Versagen vor, bei Z  0 ist dies nicht der Fall. Gemäß den obigen Überlegungen kann auch der Sicherheitsabstand in seiner allgemeinsten Deutung als Zufallsgröße bzw. Zufallsprozess aufgefasst werden, Z  g(vekX), siehe Abb. 8.3. Setzt man z. B. Erdbeben und tektonische Ereignisse als statische Äquivalenzlasten an, kann man die Berechnungsmethode als Berechnung der Versagenswahrscheinlichkeit statischer Systeme mit zufälligen, stochastisch abhängigen Eigenschaften und unter zufälligen Einwirkungen definieren, siehe [26]. Die oben dargelegten Zusammenhänge können als Grundlage der probabilistischen Sicherheitsanalyse (PSA) oder probabilistischen Risikoanalyse (PRA), die die Risiken von Endlagerbauwerken mittels der Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Systemanalyse untersucht, angesehen werden, siehe weiter Abschn. 8.5.1 und 8.5.2. Es sind eine Reihe probabilistischer Modelle bekannt geworden, mit denen Risikoanalysen von Endlagerbauwerken durchgeführt werden können [25].

334

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Abb. 8.3 Berechnung der Versagenswahrscheinlichkeit Pf für eine zweidimensionale Beispielrechnung. (Nach [26])

Wichtig bei probabilistischen Berechnungen ist, dass sich eine sehr starke Empfindlichkeit (Sensitivität) der theoretischen Versagenswahrscheinlichkeit gegenüber Veränderungen in den gewählten stochastischen Modellen aufzeigen lässt, siehe auch Abschn. 8.4. Nachweis der Integrität und der Robustheit einzelner Barrieren des Multibarrierensystems eines Endlagersystems (ENW 3) Der Suchraum für ein Endlager ist nach [1] derzeit folgendermaßen festgeschrieben: Die Sicherheitsanforderungen legen fest, welches Sicherheitsniveau zur Erfüllung der atomrechtlichen Anforderungen ein Endlager für wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle in tiefen geologischen Formationen nachweislich einzuhalten hat. Dieses Sicherheitsniveau wird nicht allein durch allgemeine Schutzziele und Schutzkriterien bestimmt, . . . Diese Sicherheitsanforderungen gehen von einem Endlagerkonzept aus, bei dem die radioaktiven Abfälle in einer tiefen geologischen Formation mit hohem Einschlussvermögen endgelagert werden.

Danach ist der einschlusswirksame Gebirgsbereich wie folgt definiert: . . . ist der Teil des Endlagersystems, der im Zusammenwirken mit den technischen Verschlüssen (Schachtverschlüsse, Kammerabschlussbauwerke, Dammbauwerke, Versatz, . . . ) den Einschluss der Abfälle sicherstellt.

Ein Langzeitsicherheitsnachweis hat sich an den zentralen Sicherheitsanforderungen gemäß [1] zu orientieren. Ob diese letztendlich auch umgesetzt werden, kann aus heutiger Sicht nicht sicher eingeschätzt werden. So bleibt hier auf das hinzuweisen, was auch

8.4 Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Deutschland

335

anders bewertet werden kann, ohne das Sicherheitsniveau des Endlagers für wärmeerzeugende HAW zu verringern. Oberflächennahe Endlager werden nach der derzeit gültigen Philosophie ausgeschlossen. Ob sich dies auf Dauer so aufrechterhalten lässt, ist momentan ungewiss. Der Langzeitsicherheitsnachweis für ein Endlager in tiefen geologischen Formationen ist also für ein Multibarrierensystem zu führen und hat die Anforderungen an die Redundanz und die Diversität zu stellen. Je nach Wirtsgestein und Abfallart lassen sich für geeignete Standorte jeweils angepasste Multibarrierensysteme entwickeln. Barrieren sind natürliche oder technische Komponenten des Endlagersystems, beispielsweise Abfallmatrizen, Abfallbehälter, Kammer- und Schachtverschlussbauwerke, der einschlusswirksame Gebirgsbereich (ewG) und die diesen umgebende oder überlagernde geologische Schichten. Die Sicherheitsfunktion einer Barriere kann eine physikalische oder chemische Eigenschaft oder ein physikalischer oder chemischer Prozess sein. Beispielsweise können die Ver- oder Behinderung des Zutritts von Flüssigkeiten zu den Abfällen oder der Schutz des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs vor Erosion Sicherheitsfunktionen sein. Für ein Endlager im Salz etwa sähe das Barrierensystem somit anders aus als bei einem Standort in einem Granit oder Ton sowie insbesondere auch bei einem oberflächennahen Endlager. Salz als Wirtsgestein hat den Vorteil, dass durch die geologischen Voraussetzungen, insbesondere durch die Trockenheit, eine viel größere Barrierewirkung erzielt wird als bei einem Endlager im Granit, der grundsätzlich von Wasser durchflossen wird. Bei Granit spielen somit die geotechnischen und technischen Barrieren eine viel bedeutendere Rolle als bei Salz. Im Tonstein werden gelöste Nuklide relativ gut zurückgehalten. Durch die im Ton vorhandene Feuchtigkeit sind die Anforderungen an den Endlagerbehälter im Vergleich zu Salz allerdings auch deutlich höher. Natürliche Barrieren Die Wirkungsweise der natürlichen Barrieren wird durch das Isolationspotenzial des Wirtsgesteins bestimmt. Das Verhalten von Gesteinen und Lagerstätten in der Natur, auch über lange geologische Zeiträume, ist gut erforscht. Wir wissen daher, dass das Rückhaltevermögen der verschiedenen Gesteinsarten (Salz, Tongesteine, Granit) unterschiedlich ist. Dies ist für die Auswahl und Planung eines Endlagers ebenso wichtig wie die umfassende Untersuchung der Geologie am konkreten Standort, siehe Abb. 8.5. Bewertung der Barriere Wirtsgestein:  reduzierende Bedingungen (kein freier Sauerstoff), d. h. keine oder nur geringe Korrosion von Endlagerbehältern,  konzentrierte und im Verhältnis zu Wasser schwerere Salzlösungen im tiefen geologischen Untergrund über dem Wirtsgestein,  unterschiedliche Barrierewirkung übereinanderliegender Formationen (z. B. im Deckgebirge) mit unterschiedlichen Wasserdurchlässigkeiten.

336

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Abb. 8.4 Versuchsverschlussbauwerk. (Nach [37])

Technische und geotechnische Barrieren  Konditionierung, mit dem Ziel der Verringerung des Volumens und der Immobilisierung der Schadstoffe,  Gebinde, Behälter, Container,  Mineralgemische wie Bentonit, die zutretendes Wasser von den Behältern abhalten, oder solche, die im Wasser gelöste Nuklide binden/Immobilisate,  dichtes Versatzmaterial zur Verfüllung von Bohrlöchern und Kammern/Vulkanasche (Industriebentonit)/Immobilisate,  Bohrloch- bzw. Kammerverschlüsse,  Streckenverschlussbauwerke, Dammbauwerke, siehe Abb. 8.4,  Schachtverfüllung,  Schachtverschlüsse, siehe auch Abb. 8.5. Das Zusammenspiel von natürlichen und geotechnischen Barrieren wird einerseits durch das Wirtsgestein, andererseits aus den Sicherheitsanforderungen, die sich aus der Sicherheitsanalyse ergeben, bestimmt. Die Suche nach einem geeigneten Standort, reduziert auf ein geeignetes Wirtsgestein, ist damit auch abhängig von dem Stand der Entwicklung der technischen und geotechnischen Barrieren. Hier hat der Mensch das größte Einflusspotenzial. Dem Argument, dass die natürlichen Barrieren über einen langen Zeitraum ihre Barrierewirkung nachgewiesen haben, muss entgegengehalten werden, dass die technischen und geotechnischen Barrieren dazu bisher keine Zeit bekommen haben. Daraus abzuleiten, dass diese keine Langzeitbarrierewirkung entfalten können, wäre unbegründet. Die Entwicklung zeigt vielmehr, dass diesen eine wichtige Funktion zur Isolation des radioaktiven Inventars zukommt. Den Gegenargumenten, dass die Barrierewirkung (Barriereparameter) durch die wärmeerzeugenden Abfälle abgesenkt wird, wie:  Permeabilitätserhöhungen können auftreten, wenn bestehende Wegsamkeiten in einem Barrieregestein oder im Material einer technischen Barriere infolge thermischer Volumenänderungen aufgeweitet werden oder wenn bei behinderter Volumenänderung

8.4 Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Deutschland

337

Abb. 8.5 Verschlossenes Endlagerbergwerk in der Nachverschlussphase

Zugspannungen entstehen, die bei lokaler Festigkeitsüberschreitung neue vernetzte Wegsamkeiten bilden.  Der advektive Transport von Stoffen wird durch eine niedrigere Viskosität begünstigt.  Sorptionsvermögen: In den Wirtsgesteinstypen Ton und Kristallin spielt das Sorptionsvermögen des eingebrachten Bentonits eine Rolle. Daher muss in diesen Konzepten sichergestellt werden, dass die notwendige Sorptionsfähigkeit nicht durch thermisch bedingte Mineralumwandlungen beeinträchtigt wird.  Stabilität der Glasmatrix: Die Transformationstemperatur von Glaskokillen soll nicht überschritten werden etc. wird hier erwidert, dass die Wärmeentwicklung der Abfälle durch Transmutation, Abklinglagerung oder geringere Einlagerungsdichte der wärmeentwickelnden Abfälle so weit abgesenkt werden kann, dass negative Auswirkungen auf die Barriere begrenzt oder gar ausgeschlossen sind und die Barrierewirkung über den Betrachtungszeitraum erhalten bleibt. Durch die Baugenehmigung für das finnische Endlager Onkalo für HAW, in dem Kupferbehälter mit einer umhüllenden Schicht aus vorgefertigten Bentonitringen verwandt werden, ist dem zweiten Anstrich bereits Rechnung getragen.

338

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Endlager-Abfallbehälter als geotechnische Barriere Das Multibarrierensystem eines Endlagers setzt sich aus natürlichen (geologischen) und geotechnischen Barrieren zusammen. Die geologischen Barrieren werden im Wesentlichen durch die Standortauswahl festgelegt und die geotechnischen Barrieren in einem iterativen Prozess darauf abgestimmt. So gibt [1] als Schutzkriterium vor, dass für die Nachverschlussphase nachzuweisen ist, dass für wahrscheinliche Entwicklungen wie auch für weniger wahrscheinliche Entwicklungen durch Freisetzung von Radionukliden, die aus den eingelagerten radioaktiven Abfällen stammen, für Einzelpersonen der Bevölkerung nur eine zusätzliche effektive Dosis im Bereich von 10 Mikrosievert im Jahr auftreten kann. Im Falle von Ungewissheiten sind als Eingangsdaten für die Konsequenzenanalyse Art und Ort der Beeinträchtigung zu ermitteln sowie deren zeitliche Einordnung vorzunehmen. Im Fall des teilweisen Versagens der geologischen Barriere und den damit verbundenen, als wahrscheinlich anzusehenden Entwicklungen wie den Zutritt von Tages-, Deckgebirgs- und Formationslösungen ist auch zu prüfen, ob und inwieweit dadurch das Verschlusssystem so beeinträchtigt wird, dass eine Freisetzung von gelösten Radionukliden in die Biosphäre nicht ausgeschlossen werden kann. Eine besondere Aufgabe kommt dabei den Endlager-Abfallbehältern zu, weiter siehe [38] und [39]. Für die Endlagerung der wärmeerzeugenden HAW werden diese konditioniert und Abfallgebinde, bestehend aus radioaktivem Abfallprodukt und Abfallbehälter, hergestellt, siehe Kap. 2. Das radioaktive Abfallprodukt wird nach erfolgter Konditionierung von der Abfallmatrix umschlossen und im Abfallbehälter fixiert. Dabei schreibt das derzeit gültige Sicherheitskonzept [1] vor: Unter Zugrundelegung der Eigenschaften der angefallenen bzw. noch anfallenden radioaktiven Abfälle und zweckmäßigem Konditionierungsverfahren sind die sicherheitsrelevanten Eigenschaften der endzulagernden Abfallgebinde vom Betreiber des Endlagers aus den Sicherheitsanalysen abzuleiten und in Endlagerungsbedingungen umzusetzen.

Ein besonders beachtenswertes Kriterium ist dabei der Ausschluss von Kritikalität: Dabei ist zu zeigen, dass sich selbst erhaltende Kettenreaktionen sowohl bei wahrscheinlichen als auch bei weniger wahrscheinlichen Entwicklungen ausgeschlossen sind. Dies betrifft jedes einzelne Gebinde, die Einlagerungsbereiche wie auch das Endlager im Ganzen. Für das Endlagerkonzept Gorleben liegen Endlagerbehälterentwicklungen für die Strecken- und Bohrlochlagerung vor sowie für eine sogenannte Differenzbetrachtung, bei der die Verwendung von Transport- und Lagerbehältern (TLB) als Endlagerbehälter für die DWR-, SWR- und WWER-BE11 in Betracht gezogen wurde. Diese Transport- und Lagerbehälter haben eine Zulassung für den Transport und die Zwischenlagerung von ausgedienten Brennelementen und Wiederaufarbeitungsabfällen. Der Eignungsnachweis solcher Behälter für die Endlagerung ist noch nicht erbracht. Für die Streckenlagerung 11

WWER – Water Water Energy Reactor (DWR russischer Bauart), BE – Behälter.

8.4 Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Deutschland

339

Abb. 8.6 Allgemeiner Aufbau eines doppelt ummantelten Kupfer-Abfallbehälters. (Quelle: [15])

sind selbstabschirmende Behälter vom Typ POLLUX® und CASTOR® vorgesehen, für die folgende Anforderungen gelten:  mechanische Stabilität gegenüber dem im Einlagerungshorizont zu erwartenden Gebirgsdruck,  gasdichter Einschluss der im Endlagerbehälter verpackten radioaktiven Stoffe,  ausreichende Abschirmung der in dem Endlagerbehälter verpackten radioaktiven Stoffe während des Transports, der Zwischenlagerung und der Handhabung,  Langzeitstabilität gegenüber Korrosion bis zu dem Zeitpunkt, an dem andere Barrieren den sicheren Einschluss gewährleisten, weiter siehe [43]. Die Pollux-Behälter, mit den in der Tab. 8.4 aufgeführten Dimensionen, wurden von der Gesellschaft für Nuklear-Behälter mbH (GNB) für die direkte Endlagerung abgebrannter Brennelemente im Salz entwickelt. Der Pollux besitzt einen Schmiedestahl-Innenbehälter, der verdichteten Abfall aufnehmen und den Einschluss der Radionuklide sicherstellen soll. Ein zweiter äußerer Behälter aus Sphäroguss GGG 40 dient der Abschirmung der radioaktiven Strahlung, hat aber keine Dichtfunktion und besitzt deshalb nur einen vergleichsweise einfachen Schraubdeckel. Dass die Pollux-Behälter in dieser

340

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Tab. 8.4 Abmessungen und Masse der Endlagerbehälter für die Streckenlagerung. (Nach [43])

a b

Dimensionen/ Endlagerbehälter

Länge/Höhe Durchmesser Gebindevo[mm] [mm] lumen [m3 ]

Max. Gebinde- Transportgemasse [Mg] bindevolumen [m3 ] 65 10,55

POLLUX® -10 (POLLUX® -9b ) CASTOR® THTR/AVR CASTOR® KNK CASTOR® MTR 2

5517

1560a

10,55

2784

1380a

4,16

26

4,16

2784 1631

1380a 1430a

4,16 2,62

26 16

4,16 2,62

ohne Tragzapfen gleiche Dimensionen unterstellt

Entwicklung jemals zum Einsatz kommen, erscheint äußerst unwahrscheinlich. So ist die Langzeitstabilität gegenüber Korrosion unzureichend, um u. a. die Kriterien der Rückholung und Bergung zu erfüllen. Diese Endlagerbehälter bewirken nur eine geringe Langzeitisolation der Radionuklide. Es ist festzuhalten, dass die bisherige deutsche Endlagerbehälter-konzeption die Anforderungen für die Wirtsgesteinsformation Kristallin nicht erfüllt. Der Beitrag der Abfallmatrix und der Behälter zur Isolation der Radionuklide besteht darin, die Freisetzung der Radionuklide aus der Abfallmatrix und aus dem Behälter in den einschlusswirksamen Gebirgsbereich zu begrenzen. Dabei ist eine Grundforderung, dass die Abfallmatrix die Kriterien der Langzeitstabilität derzeit erfüllt. Eine Freisetzung von Radionukliden aus der Abfallmatrix kann erst dann beginnen, wenn der Abfallbehälter bereits ausgefallen ist. Eine Freisetzung von Radionukliden aus der Abfallmatrix setzt aber wiederum einen Zutritt von Wasser an die Abfallmatrix voraus. Wasserzutritt zu hochradioaktiven Abfällen führt langfristig zur Korrosion der Abfallprodukte. Mittlerweile ist aber bekannt, dass dabei entstehende Korrosionsprodukte Radionuklide auch binden und damit ihre Mobilisierung wirksam verhindern können. So wird deshalb zu untersuchen sein, welche Möglichkeiten bestehen, dem Gebinde Immobilisate beizugeben, die eine Mobilisierung der Radionuklide weitgehend verhindern oder erheblich verzögern. Es ist eine Reihe von Immobilisaten bekannt, wovon viele die Forderung der Korrosionshemmung nicht erfüllen, siehe auch verglaste Abfälle. In ein Endlager für wärmeerzeugende HAW sollen auch verglaste Abfälle aus der Wiederaufarbeitung von Brennelementen aus deutschen Kernkraftwerken verbracht werden. Bei einem Kontakt von wässrigen Lösungen mit der Glasmatrix tritt auch eine Korrosion ein. Welche Gebindelösung für die verglasten Abfälle gefunden werden kann, ist noch offen. Prinzipiell könnte genauso verfahren werden wie mit den Brennstäben. Für die Konditionierung von Abfällen, die einen großen Anteil an Nitraten und Chloriden enthalten, wurde ein platinkatalysierter, raumtemperaturvernetzender Silikonschaum verwendet [14]. Dazu werden die kontaminierten Abfälle mit dem Silikonschaum ver-

8.4 Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Deutschland

341

mischt und noch im flüssigen Zustand in einen Container gegossen. Die bisher durchgeführten Untersuchungen zeigen eine hohe Auslaugbeständigkeit der hergestellten Mischung, die für eine langfristige Stabilität erforderlich ist. Außerdem wurde eine gute Verträglichkeit der salzhaltigen Abfälle mit dem Polysiloxanmaterial festgestellt, siehe [13]. International wird der Behälterentwicklung als technische Barriere im Zusammenhang mit der Einlagerungstechnologie herausragende Bedeutung beigemessen, weil sie zur Isolation des radiotoxischen Materials einen hohen Anteil liefern kann. Dies steht damit im Zusammenhang, dass auch die Natur kein makelloses Wirtsgestein anbietet, auch wenn der Eindruck aus manchen Expertendarlegungen entsteht, dass dies so sei. Eine interessante Lösung ist aus Schweden und Finnland bekannt geworden, die auch prinzipiell auf Deutschland übertragbar ist [9]. Die abgebrannten Brennelemente werden in einen Doppelbehälter mit verschweißbarem Deckel verbracht. Der innere Behälter besteht aus korrosionsträgem Stahl, der die mechanische Stabilität sichern soll, der äußere ist ein Kupferbehälter, der die chemische Stabilität sichert, siehe Abb. 8.6. Die Standfestigkeit der Stahlcontainer wird mit 1000 Jahren bewertet [10], siehe auch Tab. 8.4, die der Kupferbehälter mit mindestens 105 Jahren [11]. Der oben beschriebene Kupferbehälter ist von einer umhüllenden Schicht aus vorgefertigten Bentonitringen umgeben. Zutretende Wässer gelangen zunächst an die quellfähige Bentonitbarriere und können so nicht an den Doppelbehälter geraten. Die Rückholbarkeit dieses Behältertyps wurde in [12] untersucht. Die endgültige Auswahl des Materials soll entsprechend den standortspezifischen Randbedingungen erfolgen, siehe auch Kap. 7. Die Gebinde werden gemäß den Annahmebedingungen des Endlagerbetreibers angenommen und in vorbereitete Einlagerungskammern verbracht. Dabei kommt dem Schutz des Personals im Endlager eine besondere Rolle zu. Zwischenlager Die aus dem Abklingbecken entnommenen Brennstäbe werden in einen vorbereiteten Castor-Behälter verpackt und ins Zwischenlager verbracht. Es gibt verschiedene Typen von Castoren12 . Der CASTOR® V/19-Behälter ist für den Transport und die Lagerung bestrahlter Brennelemente aus Druckwasserreaktoren (DWR) ausgelegt. Die Brennelemente sind 400–500 °C heiß, wenn sie in die Castoren geladen werden. Die Behälter sind daher mit Kühlrippen ausgestattet, die dafür sorgen sollen, dass die Oberflächentemperatur nicht über 85 °C steigt. In den Behälterwänden sind außerdem Moderatorenstäbe eingebracht, um die auftretende Gamma- und Neutronenstrahlung zu bremsen. Die Beladekapazität beträgt maximal 19 DWR-Brennelemente, die Gesamtwärmeleistung 39 kW, die Gesamtaktivität 1900 PBq. Der Castor-Behälter ist ca. 6 m lang, hat einen Außendurchmesser von ca. 2,5 m und eine Wanddicke von 42 cm. Dieser Castortyp besteht

12

Castor – cask for storage and transport of radioactive material.

342

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Abb. 8.7 CASTOR® V/19Behälter. (Quelle: [65])

aus rostfreiem Stahl und wiegt beladen ca. 126 Tonnen, siehe Abb. 8.7. Der CASTOR® V/19 verfügt über alle erforderlichen Zulassungen für den Transport, die Genehmigungen für die Langzeitzwischenlagerung sowie für die Handhabung in kerntechnischen Anlagen, siehe [65]. Der CASTOR® V/19-Behälter ist nicht für die Endlagerung geeignet. Unabhängig davon, ob Zwischenlager einem Endlagerkonzept zugerechnet werden oder nicht, wird die Dauer der Genehmigung der Zwischenlager gemäß AtG in Deutschland von 40 Jahren ab der ersten Einlagerung eines Behälters nicht ausreichen, bis ein Endlager für wärmeerzeugende HAW zur Verfügung steht. In Deutschland gibt es zwölf Standortzwischenlager bei den KKW und die zwei zentralen Zwischenlager Ahaus und Gorleben. Die Genehmigung für Ahaus läuft 2032 und die für Gorleben 2035 aus. Eine Verlängerung der Genehmigungen darf nur aus unabweisbaren Gründen und nach der vorherigen Befassung des Deutschen Bundestages erfolgen. Dass eine Öffentlichkeitsbeteiligung hier fehlt, steht aus Sicht des Autors in krassem Widerspruch zu den Ausführungen in [29], wo die Zwischenlager dem deutschen Entsorgungskonzept zugerechnet werden. Es wird hier vorgeschlagen, drei bis fünf oberflächennahe Übergangslager in Kavernen oder Bunkern zu errichten, wobei zumindest eines gleichzeitig Pilotprojekt für eine oberflächennahe Endlagerung sein könnte. Weitere Ausführungen dazu siehe Kap. 9. Die ins Zwischenlager verbrachten Castor-Behälter haben eine vorgeschriebene Abschirmung zu gewährleisten, sowohl für den Transport als auch für die Lagerung. Dazu hat die IAEA in [64] den Rahmen für nationale Regulierungen vorgegeben. Zu diesem Zweck wird die Oberflächenortsdosisleistung der Behälter begrenzt. Für die Standortzwischenlager erhalten Behälter nur eine Genehmigung für eine maximal zugelassene

8.4 Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Deutschland

343

Oberflächenortsdosisleistung von 0,35 mSv/h13,14 . Die Castor-Behälter schirmen aber die Neutronenstrahlung relativ schlecht ab. So gilt für die Abschirmung in Deutschland ein zweiter Grenzwert, nämlich dass die Strahlenexposition am Zaun des Zwischenlagers 0,3 Millisievert im Kalenderjahr nicht überschreiten soll. Es ist davon auszugehen, dass für die endzulagernden Behälter andere, schärfere Begrenzungen vorgeschrieben werden. Ausschlaggebend dürften dafür der lange Betriebszeitraum des Endlagers und die derzeit festgelegten 500 a Rückholbarkeit sein, bei denen unzulässig hohe Belastungen bei unangepassten Oberflächenortsdosisleistungen für das Personal entstehen würden, siehe Kap. 2 und 3. Allerdings fehlt bisher eine Nachweismethode für die Langzeitsicherheit, die die Einhaltung auch weitestgehend garantiert. Die Einlagerungskammern liegen im einschlusssicheren (Gebirgs-)Bereich (ewG) des Endlagers. Sie werden aus Übergangslagern (Zwischenlagern) bestückt. Es ist davon auszugehen, dass bei einer ergebnisoffenen Standortsuche auch oberflächennahe Endlagerlösungen einer eingehenden wissenschaftlichen Untersuchung unterworfen werden müssen, ehe eine endgültige Entscheidung getroffen werden kann, insbesondere dann, wenn auch die Transmutation, siehe Kap. 7 zur gezielten Veränderung der Radioaktivität des Inventars darin aufgenommen werden sollte. In [3] wird aber vorgeschlagen, die Transmutation nicht weiter in einem Endlagerkonzept zu verfolgen mit den Begründungen, dies sei ein eigenständiges Behandlungsverfahren für HAW, es sei zu langwierig und zu teuer, siehe auch Kap. 7. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Transmutation nur ein Teilaspekt der Endlagerung sein kann. Zunächst ist davon auszugehen, dass für die HAW keine schnelle Lösung in Deutschland gefunden wird und gefunden werden muss. Dabei ist zu erwarten, dass durch die Sicherheitsanforderungen an einen Endlagerstandort es zu Ausstattungsforderungen kommen kann, die die Kosten für die Transmutation bei Weitem überschreiten. So hat [3] eine Begrenzung der Außentemperatur der Behälter zunächst – bis andere Nachweise vorliegen – auf 100 °C ausgegeben, ohne die Auswirkungen auf das Wirtsgestein und dessen physikalisch maximal ertragbare Temperatur sowie die Anforderungen daraus zu kennen. Durch die längeren Zwischenlagerungszeiten und durch eine geringere Einlagerungsdichte können in Deutschland die 100 °C unterschritten werden. Die maximale Grenztemperatur in den jeweiligen Wirtsgesteinen und geotechnischen Barrieren verliert dadurch an Bedeutung, natürlich auch, weil transmutierte Abfälle keinen wärmeinduzierten Prozess hervorrufen, siehe [28]. Inwieweit internationale P&T-Kapazitäten für die Transmutation der deutschen HAW genutzt werden können, ist noch nicht abschließend untersucht, siehe Kap. 7. Dass damit auch oberflächennahe Endlager in die nähere Betrachtung kommen könnten, unterstützt durch die längeren Zwischenlagerungszeiten und durch eine geringere Einlagerungsdichte, muss hier der Vollständigkeit halber angemerkt werden. 13 Ein einstündiger Aufenthalt unmittelbar neben dem Behälter führt zu einer Dosis von ca. 0,35 mSv. Dies entspricht rund einem Siebtel der normalen jährlichen Strahlenexposition der Bevölkerung von 2,5 mSv. 14 Davon dürfen maximal 0,25 mSv/h durch Neutronenstrahlung verursacht werden.

344

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Umfassender Sicherheitsnachweis für alle Betriebszustände Sicherheitsnachweise für Geotechnische Bauwerke (Tunnel, Dammbauwerke, Kavernen etc.) richten sich danach, welche Risiken und welche Bedrohungen für „innocent bystanders“ (unbeteiligte) und „future generations“ (zukünftige Generationen) von diesen ausgehen. Unfälle oder Versagensfälle (Schadensfälle) bei Risikotechnologien (Bauwerken) produzieren Irreversibilitäten (Todesfälle, Verseuchung von Land, Wasser und Luft, gentechnische Schäden an Menschen und Tieren und Pflanzen), die den erwarteten Umgang mit technischen Unfällen, nämlich dass sie reparierbar und reversibel sind, außer Kraft setzen. Darüber erfordert selbst der Normalbetrieb von Risikosystemen Sicherheitsvorkehrungen, die die Organisationsforderungen der Umwelt dieser technischen Systeme weit übersteigen. Nach Einschätzung des Autors kann man die Zwischenlagerung, den Transport von endzulagernden, wärmeentwickelnden HAW, die Konditionierungsanlagen, die Betriebsphase und die Stilllegungsphase durchaus als Risikosysteme bewerten. Ein Endlager wird in der Nachverschlussphase als ein System mit Entwicklungsunsicherheiten eingeschätzt, dessen Eintrittswahrscheinlichkeiten aber so gering sind, dass Irreversibilitäten, als Folge eines Versagens, praktisch ausgeschlossen werden können. Davon lassen sich auch die nachfolgenden Sicherheitsnachweise leiten [46]. Nach der derzeitigen, deterministischen Endlagerphilosophie wird eine Eintrittswahrscheinlichkeit von Versagen nicht betrachtet. Nach [1] . . . ist ein umfassender Sicherheitsnachweis für alle Betriebszustände des Endlagers einschließlich der übertägigen Anlagen zu führen. Insbesondere sind für den Einlagerungsbetrieb und die Stilllegung anlagenspezifische Sicherheitsanalysen unter Berücksichtigung von definierten Auslegungsstörfällen durchzuführen, die den gemäß Strahlenschutzverordnung notwendigen Schutz von Betriebspersonal, Bevölkerung und Umwelt belegen. Dazu gehört, dass die Robustheit des Endlagersystems analysiert und dargestellt wird. Außerdem sind für die sicherheitsbezogenen Systeme, Teilsysteme oder Einzelkomponenten die jeweiligen Wahrscheinlichkeiten von Einwirkungen, Ausfällen oder von Abweichungen vom Erwartungsfall (Referenzfall) soweit wie möglich zu berechnen oder abzuschätzen und die Auswirkungen auf die jeweils zugehörige Sicherheitsfunktion zu analysieren.

Nachweis der Langzeitsicherheit für das Endlagersystem Langzeitsicherheit beschreibt den Zustand des Endlagerbauwerkes, für den nach der Stilllegung die diesbezüglichen Sicherheitsanforderungen erfüllt werden. Zum Nachweis der Langzeitsicherheit ist vor jeder wesentlichen Festlegung eine umfassende, standortspezifische Sicherheitsanalyse und Sicherheitsbewertung, die einen Zeitraum von 1 Mio. Jahre umfasst, vorzunehmen. Numerische Analysen des Langzeitverhaltens des Endlagers sind zu führen für  die Integrität des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs,  radiologische Konsequenzen bei Übertritten von Radionukliden aus dem Inventar des ewG,

8.5 Elemente eines Langzeitsicherheitsnachweises

345

 die Mobilisierung von natürlichen Radionukliden aus der geologischen Barriere, dem Deck- und Nebengebirge,  die Eigenschaften von Behältern und Versatz als Teil geotechnischer Barrieren,  die Eigenschaften der Verschlussbauwerke. Sie sind nach derzeitiger Endlagerphilosophie als deterministische Rechnungen auf der Basis einer möglichst realitätsnahen Modellierung (z. B. Medianwerte als Eingangsparameter) durchzuführen. Als Ergebnisse dieser numerischen Berechnungen werden erwartet:  Demonstration des erwarteten Systemverhaltens,  Ableitung von ggf. zeitabhängigen Anforderungen an die Komponenten des Endlagersystems,  Optimierung des Endlagersystems. Zusätzlich müssen Unsicherheits- und Sensitivitätsanalysen durchgeführt werden, um den möglichen Lösungsraum aufzuzeigen und den Einfluss der Unsicherheiten einschätzen zu können. Die Modellunsicherheiten sind dabei zu berücksichtigen. Die Einhaltung von numerischen Kriterien, unter Berücksichtigung der Unsicherheiten, die sich aus diesen Sicherheitsanalysen ergeben oder daraus abgeleitet wurden, bestimmt die Zuverlässigkeit der numerischen Ergebnisse. Diese und die aus den Analysen ggf. resultierenden numerischen Verletzungen dieser Kriterien sind in ihrer Relevanz zu bewerten. Für den Zeitraum des Optimierungsprozesses, in dem die Unsicherheit in den Eingangsdaten und Rechenmodellen zu groß sind, sollten ggf. Referenzmodelle (z. B. Referenzbiosphäre) zur Anwendung gebracht werden. Für diesen Zeitraum und in der Endbewertung sind ergänzend auch qualitative Argumente heranzuziehen.

8.5 Elemente eines Langzeitsicherheitsnachweises 8.5.1

Analyse des Endlagersystems (Systemanalyse)

Das Kernstück der Systemanalyse ist die Langzeitsicherheitsanalyse, die als Analyse des Langzeitverhaltens des Endlagers nach Stilllegung bezeichnet wird. Sie umfasst alle Informationen, Analysen und Argumente, die die Langzeitsicherheit des Endlagers belegen, und hat darzulegen, wodurch das Vertrauen in diese Bewertung begründet ist. Die Systemanalyse umfasst die folgenden Analyseschwerpunkte: Langzeitaussage zur Integrität des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs Die Integrität des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs wird für wahrscheinliche Entwicklungen auf der Grundlage einer geowissenschaftlichen Langzeitprognose nachgewiesen. Über den Nachweiszeitraum von 1 Mio. Jahre muss dies sichergestellt sein. Der

346

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

einschlusswirksame Gebirgsbereich muss dafür räumlich und zeitlich eindeutig definiert werden. Radiologische Langzeitaussage Für wahrscheinliche und weniger wahrscheinliche Entwicklungen ist nachzuweisen, dass nach dem derzeitigen deutschen Sicherheitskonzept [1] die folgenden Kriterien eingehalten werden: a. „Für die Nachverschlussphase ist nachzuweisen, dass für wahrscheinliche Entwicklungen durch Freisetzung von Radionukliden, die aus den eingelagerten radioaktiven Abfällen stammen, für Einzelpersonen der Bevölkerung nur eine zusätzliche effektive Dosis im Bereich von 10 Mikrosievert15 im Jahr auftreten kann. Dabei sind Einzelpersonen mit einer heutigen Lebenserwartung, die während der gesamten Lebenszeit exponiert werden, zu betrachten“ [45]. b. Für weniger wahrscheinliche Entwicklungen in der Nachverschlussphase ist nachzuweisen, dass die durch Freisetzung von Radionukliden, die aus den eingelagerten radioaktiven Abfällen stammen, verursachte zusätzliche effektive Dosis für die dadurch betroffenen Menschen 0,1 Millisievert pro Jahr16 nicht überschreitet. Dabei sind ebenfalls Einzelpersonen mit einer heutigen Lebenserwartung, die während der gesamten Lebenszeit exponiert werden, zu betrachten [44]. Soweit hinreichend zuverlässige Aussagen für den Nachweiszeitraum von 1 Mio. Jahre über die Wirksamkeit von Sicherheitsfunktionen des Deck- und Nebengebirges des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs gemacht werden können, können diese in die radiologische Langzeitaussage einbezogen werden. Langfristige Robustheit technischer Komponenten des Endlagersystems Der Nachweis der Robustheit technischer Komponenten des Endlagersystems muss auf der Basis theoretischer Überlegungen prognostiziert und dargelegt werden. Falls technische Barrieren im Hinblick auf die Langzeitsicherheit bedeutsame Sicherheitsfunktionen übernehmen und besonderen Anforderungen unterliegen und hierfür keine anerkannten Regeln der Technik vorliegen, muss deren Herstellung, Errichtung und Funktion grundsätzlich erprobt sein. Diese Untersuchungen sind in Deutschland derzeit nicht geführt, insbesondere nicht für unterschiedliche Wirtsgesteine. Ausschluss von Kritikalität Es ist zu zeigen, dass sich selbst erhaltende Kettenreaktionen sowohl bei wahrscheinlichen als auch bei weniger wahrscheinlichen Entwicklungen ausgeschlossen sind. 15

Siehe auch Kap. 2. Die effektive Dosis ist hier höher wegen der geringen Eintrittswahrscheinlichkeit und damit des geringeren Risikos für Einzelpersonen (Risiko < 105 /a), siehe auch Kap. 2. 16

8.5 Elemente eines Langzeitsicherheitsnachweises

347

Kontroll- und Beweissicherungsprogramm Anhand eines Kontroll- und Beweissicherungsprogramms während des Einlagerungsbetriebs, der Stilllegung und in einem begrenzten Zeitraum nach Stilllegung ist nachzuweisen, dass die Eingangsdaten, Annahmen und Aussagen der für diese Phase durchgeführten Sicherheitsanalysen und Sicherheitsnachweise eingehalten werden. Dieses Messprogramm hat insbesondere die Auswirkungen der thermomechanischen Reaktionen des Gebirges auf die wärmeentwickelnden Abfälle, die technischen Maßnahmen sowie die gebirgsmechanischen Vorgänge zu erfassen. Eine Extrapolation auf einen Betrachtungszeitraum von 1 Mio. Jahre lässt sich aus diesseitiger Sicht nicht wissenschaftlich belegen und ist somit mit erheblichen Unsicherheiten belegt. Beigeschlossen werden sollte auch deshalb ein Langzeit-Monitoring-Programm. Mit der Unterhaltung eines Untertagelabors (Übergangslagerung) von 500 Jahren wäre dafür ein ausreichend langer Zeitraum definiert, der einher geht mit dem zu garantierenden Zeitraum der Rückholbarkeit. Zentraler Aspekt ist die Analyse des Einschlussvermögens des Endlagersystems und seiner Zuverlässigkeit. Sie umfasst z. B. die Entwicklung konzeptioneller Modelle, die Szenarienentwicklung, die Konsequenzenanalyse, die Unsicherheitsanalyse sowie den Vergleich der Ergebnisse mit vorgegebenen Sicherheitsprinzipien, Schutzkriterien und sonstigen Nachweisanforderungen. Anforderungen an Langzeitsicherheitsanalysen sind  die Erhebung der Daten (Standorterkundung, Experimente, Forschung und Entwicklung),  die Gewährleistung der Anforderungen an technische und geotechnische Barrieren,  die Ermittlung der sicherheitsrelevanten Prozesse und Ereignisse – Szenarienentwicklung (natürliche und technische Analoga, standort- und anlagenspezifische Forschung),  die naturwissenschaftliche Beschreibung dieser Prozesse und Ereignisse (Grundlagenforschung, natürliche Analoga, Experimente, in situ Versuche),  die Umsetzung in adäquate Modelle,  die Qualifizierung der Modelle (natürliche Analoga, Experimente, in situ Versuche, Reviews) und der zugehörigen Rechenprogramme,  die qualifizierte Behandlung des Problems sowie der Bewertung durch Argumente und Analysen. In jedem Verfahrensschritt der Langzeitsicherheitsanalyse treten Unsicherheiten auf, die bei den Entscheidungsprozessen dargestellt und berücksichtigt werden müssen, siehe Abb. 8.8. Diese Unsicherheiten ergeben sich aus [17] infolge  des begrenzten Kenntnisstands über die geologische Entwicklung, die angetroffenen geologischen Verhältnisse und die charakteristischen Merkmale von Teilgebieten, Standortregionen und Standorten,  einer lückenhaften Kenntnis über die Sicherheitsrelevanz von geologischen Gegebenheiten,

348

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Abb. 8.8 Hauptschritte einer Langzeitsicherheitsanalyse. (Nach [1])

 der eingeschränkten Prognostizierbarkeit geologischer Entwicklungen angesichts der Dauer der zu betrachtenden Zeiträume,  der unterschiedlichen Qualität der jeweiligen Daten (Eingangsdaten) für die vergleichende Bewertung von Teilgebieten, Standortregionen und Standorten,  diesseitiger Sicht, dass die geologischen Verhältnisse Rand- und Anfangsbedingungen darstellen, sodass die numerischen Berechnungsverfahren Verfahren mit veränderlichen Rand- und Anfangsbedingungen sind. Die Prognose zu geologischen Entwicklungen am Standort ist auch eine Prognose zu Rand- und Anfangsbedingungen, die letztendlich nicht prüfbar sind. Die Methodik der Langzeitsicherheitsanalyse in ihren Hauptschritten ist in Abb. 8.8 zusammengefasst. Neben Analysen zur Bewertung von Unsicherheiten bei den Daten und Modellen (Unsicherheitsanalyse) und zur Robustheit des Endlagersystems gegenüber Änderungen von Daten oder Randbedingungen sind darin auch Ermittlungen zur Sensitivität gegenüber einzelnen Eingangsparametern durchzuführen (Sensitivitätsanalyse und probabilistische Analyse). Eine Sensitivitätsanalyse ist ein Berechnungsverfahren, welches bei festgelegten Eingabewerten ein bestimmtes Ergebnis liefert. In einer Sensitivitätsanalyse wird die Abhängigkeit des Ergebnisses von einer Veränderung der Eingabewerte

8.5 Elemente eines Langzeitsicherheitsnachweises

349

ermittelt. So können jene Eingabewerte ermittelt werden, auf die das Ergebnis am empfindlichsten reagiert. Die Sensitivitäts- und Unsicherheitsanalyse sind also wesentliche Elemente in der Sicherheitsanalyse, um die Aussagen der Berechnungen zu verifizieren, möglicherweise auch durch verbale Einschätzungen. Es geht in einer Langzeitsicherheitsanalyse letztendlich darum, den möglichen Lösungsraum aufzuzeigen und den Einfluss der Unsicherheiten einzuschätzen. Dabei werden auch Modellunsicherheiten berücksichtigt. Die Einhaltung von numerischen Kriterien, die sich aus diesen Sicherheitsanalysen ergeben oder daraus abgeleitet wurden, muss unter Berücksichtigung der Unsicherheiten mit ausreichender Zuverlässigkeit gegeben sein. Aus den Analysen ggf. resultierende numerische Verletzungen dieser Kriterien müssen in ihrer Relevanz bewertet werden. Die Unsicherheit der Voraussagen zukünftiger Entwicklungen ergibt sich zwangsläufig daraus, dass  das (Endlager-)System außerordentlich komplex ist und sein Anfangszustand nur mit beschränktem Detaillierungsgrad beschrieben werden kann und  der Nachweiszeitraum generell sehr lang ist, sodass zeitliche Extrapolationen aufgrund der Unsicherheiten bezüglich des Anfangszustands und der Beschreibung der Prozesse mit großen Fehlern behaftet sein können. Um Analysen für einen Zeitraum von 1 Mio. Jahren durchführen zu können, ist es notwendig, mögliche Entwicklungen des Endlagersystems zu identifizieren. Grundlage hierfür bilden z. B. Prognosen zur Entwicklung am Standort (geologische, anthropologische) sowie auch Veränderungen der natürlichen Barrieren, die mit dem Bau und dem Betrieb eines Endlagers einhergehen. Hieraus werden Szenarien abgeleitet, die als Annahmen in die nachfolgenden Analysen einfließen. Dazu gehören auch nicht planbare, außergewöhnliche Ereignisse (worst cases). Von vielen außergewöhnlichen Ereignissen kann aufgrund umfänglicher Nachweise ausgeschlossen werden, dass diese die Integrität eines Endlagers beeinträchtigen, siehe auch [16]. Zwei dieser nicht planbaren, außergewöhnlichen Ereignisse, die auch auf die verbleibenden Risiken eines Endlagers hinweisen, sollten in einem Langzeitsicherheitsnachweis nicht fehlen:  terrestrische Eingriffe von außen (Bohrungen, Schürfe etc.) – Human Intrusion Szenarios, siehe [18] und  zeitliche Entwicklung des Klimas (Warmzeit-Szenario, Kaltzeit-Szenario) [19], zyklisches Auftreten von Warm- und Kaltzeiten, Interglazialperioden, siehe Abb. 8.9. Bei der Untersuchung von tektonischen Szenarien kam man in [17] zu folgender Einschätzung: „Gebiete, in denen das Barrierensystem eines in einer Tiefe von etwa 1000 m befindlichen Endlagers über Millionen von Jahren wesentlich beeinflusst werden oder

Abb. 8.9 Änderung der Temperatur (Abweichung von der Mitteltemperatur des Holozäns) und der CO2 -Konzentration der Atmosphäre in der Antarktis in den letzten 420.000 Jahren nach Eisbohrkernmessungen an der Antarktisstation Vostok. (Nach [19] und [71])

350 8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

8.5 Elemente eines Langzeitsicherheitsnachweises

351

dessen Entwicklung über diesen Zeitraum nicht prognostiziert werden kann, sollten als besonders ungünstig ausgewiesen werden“. So wurde die Abgrenzung von Gebieten mit offensichtlich ungünstigen geologischen Verhältnissen, die aus den Suchgebieten für Endlagerstandorte ausgenommen werden, wie folgt definiert:  Großräumige Vertikalbewegungen: Die Endlagerregion darf keine großräumigen Hebungen von mehr als 1 mm im Mittel pro Jahr im prognostizierbaren Zeitraum aufweisen.  Aktive Störungszonen: Im Endlagerbereich dürfen keine aktiven Störungszonen vorliegen.  Seismische Aktivität: Im Endlagerbereich dürfen die zu erwartenden seismischen Aktivitäten nicht größer sein als Erdbebenzone 1 nach DIN 4149.  Vulkanische Aktivität: In der Endlagerregion darf kein quartärer oder zukünftig zu erwartender Vulkanismus vorliegen.  Grundwasseralter: Im einschlusswirksamen Gebirgsbereich dürfen keine jungen Grundwässer vorliegen. Die Grundwässer dürfen von daher kein Tritium und/oder C14 enthalten. Systemanalysen müssen alle wahrscheinlichen und weniger wahrscheinlichen Szenarien berücksichtigen, wie z. B. das teilweise Versagen von Abdichtbauwerken, siehe Abb. 8.4, und das Freisetzen von Radionukliden aus der Abfallmatrix in den einschlusswirksamen Bereich. Für die Szenarien wird mittels spezieller geomechanischer und -hydraulischer Simulationsprogramme der Einfluss auf die Wirksamkeit der Barrieren ermittelt. Insbesondere wird analysiert, ob die Schutzfunktion des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs erhalten bleibt. Die hydraulischen Berechnungen und Radionuklidtransportanalysen umfassen die folgenden Teilaspekte:  Überprüfung der Barrierewirkung des Verschlusssystems (Schacht- und Streckenverschlüsse, kompaktierter Salzgrusversatz),  Klärung, ob es zu Lösungszutritten in die Einlagerungsbereiche kommen kann,  Analyse der Freisetzungsdynamik und des Transports von gelösten und gasförmigen Radionukliden,  Analyse der Auswirkung von Gasdrücken aufgrund von Korrosionsprozessen,  Abschätzung der radiologischen Konsequenzen unter Verwendung wissenschaftlich anerkannter Expositionsmodelle. Eine Langzeitsicherheitsanalyse sollte die folgenden Hauptschritte enthalten [20], siehe auch Abb. 8.8:

352

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

 Erstellung eines Katalogs der relevanten Szenarien auf Grundlage der für die zeitliche Entwicklung eines Endlagersystems relevanten Eigenschaften, Ereignisse und Prozesse (FEP)17 sowie der Standorteigenschaften und des Endlagerkonzepts: – Entwicklung konzeptueller Modelle zur Beschreibung der im Endlagersystem ablaufenden Prozesse. In diesem Zusammenhang spielen die möglichen chemischen/geochemischen Reaktionen eine wichtige Rolle, die zwischen den gelagerten Abfällen, dem Wirtsgestein und wässrigen Phasen (Grundwässern) stattfinden können.  Quantitative Beschreibung der Prozesse und Szenarienabläufe mit numerischen Modellen.  Berechnung der radiologischen Konsequenzen und ihre Analyse im Hinblick auf die Schutzziele.  Durchführung weiterer Analysen zur Bewertung von Unsicherheiten, zur Bewertung der Robustheit und zur Ermittlung der Sensitivität.

8.5.2

Szenarienentwicklung – Szenarienanalyse

Ziel der Szenarienentwicklung (Szenarienanalyse) ist es, aus der Vielzahl der denkbaren Entwicklungsmöglichkeiten des Endlagersystems in der Nachverschlussphase diejenigen auszuwählen, welche die wahrscheinlichen Entwicklungen und die Bandbreite der weniger wahrscheinlichen Entwicklungen repräsentieren. Aus den Szenarien folgen konkrete Auslegungsschritte des Endlagersystems. In diesem Schritt der Langzeitsicherheitsanalyse werden zunächst die sogenannten FEP zusammengestellt. FEP bezeichnen Eigenschaften, Ereignisse und Prozesse, welche die verschiedenen Szenarien, d. h. alle Entwicklungsmöglichkeiten des Endlagersystems, charakterisieren. In diesem Sinn bedeuten  Eigenschaften: Bedingungen oder Gegebenheiten, durch die ein bestimmtes System oder Teilsystem zu einem Zeitpunkt charakterisiert ist, wie z. B. das Radionuklidinventar, das verfügbare Gasspeichervolumen oder die Versatzpermeabilität18 ,  Ereignisse: natürliche Einwirkungen, spontane Vorgänge und Veränderungen sowie menschliche Eingriffe und seismische Ereignisse im Bereich des Endlagers,  Prozesse: langsam ablaufende und lang andauernde Vorgänge und Veränderungen, wie Korrosion, Auslaugung, Hohlraumkonvergenz, Diapirismus oder Zerfall langlebiger Radionuklide. Die ausgewählten FEP werden dann zu Szenarien kombiniert. Ein Szenario ergibt sich aus den Veränderungen des Endlagersystems und der Barrierewirkung seiner Komponen17 FEP: aus „Features“, „Events“ und „Processes“ gebildetes Akronym, das in der internationalen Literatur im Kontext mit Endlagersicherheitsanalysen verwendet wird. 18 Siehe auch Temperaturabhängigkeit.

8.5 Elemente eines Langzeitsicherheitsnachweises

353

ten in der Nachverschlussphase unter der Einwirkung von Ereignissen und Prozessen. Für die Kombination der FEP zu Szenarien werden international verschiedene Methoden angewendet, wobei sich derzeit noch keine einheitliche Methodik durchgesetzt hat. Bei der Zusammenstellung der FEP werden sowohl standortspezifische Informationen als auch generische Datenbasen wie die „NEA-FEP-Database“19 herangezogen. Die Datenbasis enthält eine Zusammenstellung aller FEP aus verschiedenen internationalen Langzeitsicherheitsanalysen, wodurch die Wahrscheinlichkeit verringert wird, dass relevante FEP unberücksichtigt bleiben. Es folgt ein FEP-Screening [21]. Der in der Szenarienanalyse ermittelte Szenarienkatalog ist Ausgangspunkt der Langzeitsicherheitsanalyse, in welcher der Ablauf der Szenarien mithilfe von Rechenmodellen simuliert wird. Insbesondere erfolgt auf der Grundlage der Szenarienanalyse der Aufbau der Modelle für die Langzeitsicherheitsanalyse, in denen die im Endlager ablaufenden Prozesse abgebildet werden. Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist eine quantitative oder qualitative Angabe über die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Risikoereignis (Szenario) innerhalb eines bestimmten Zeitraums eintritt. Zur vollständigen Angabe eines Szenarios (Risiko) gehören seine Auswirkungen (Konsequenzen) und seine Eintrittswahrscheinlichkeit pE . Diese beiden Größen werden im Rahmen der Szenarienanalyse ermittelt und dienen als Kriterien für die Langzeitsicherheitsanalyse (Szenarienkatalog). Die Szenarien können wie folgt klassifiziert werden:  Referenzszenarien, deren Eintreten sicher oder sehr wahrscheinlich ist,  hypothetische Szenarien, für die entweder niedrige Eintrittswahrscheinlichkeiten oder große Prognoseunsicherheiten bestehen,  praktisch ausgeschlossene Szenarien mit sehr niedrigen erwarteten Konsequenzen bzw. Eintrittswahrscheinlichkeiten oder Irrelevanz für die konkrete Analyse und  stilisierte Szenarien als vorgegebene (z. B. regulatorisch) festgelegte Entwicklung des Endlagersystems oder eines Teilsystems, bei der die Ereignisabläufe am zu betrachtenden Standort nicht detailliert berücksichtigt werden. Referenzszenarien werden verwendet, um die hohe Unsicherheit der Eingangsdaten und Rechenmodelle einzuschränken, weil der Referenzfall auf der erwarteten Entwicklung, derzeit präferierten Hypothesen, der Referenzauslegung der konzeptuellen Modelle (Referenzmodell und stilisierte Modelle) und folgenden prinzipiellen Phänomenen basiert:  radioaktiver Zerfall,  Zeitraum des vollständigen Einschlusses der Brennelemente und des hochaktiven Abfalls im Behälter,  Einschluss in den Abfallmatrizen,  geochemische Immobilisierung und Rückhaltung der freigesetzten Radionuklide durch die Abfallmatrizen, 19

Nuclear Energy Agency (NEA).

354

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Abb. 8.10 Szenario „Lösungszutritt aus einem begrenzten Lösungseinschluss“, Ablaufschema der charakteristischen FEP

 Begrenzung der Mobilität der freigesetzten Radionuklide im ewG und beim Transport durch die natürlichen und geotechnischen Barrieren, Verdünnung durch regionale Grundwasserleiter und Verminderung der Freisetzung in der Biosphäre. Es ist erkennbar, dass Referenzszenarien abhängig vom Standort sind und daher für die verschiedenen Wirtsgesteine (Salinar, Kristallin, Ton) unterschiedlich ausfallen. Ist ein Wirtsgestein ausgewählt, müssen für die langzeitsichere, langzeitstabile Verwahrung auch mögliche Störfälle untersucht und daraus Szenarien entwickelt werden, die die möglichen Auswirkungen eines Störfalles auf die Biosphäre untersuchen, siehe Abb. 8.10 mit dem Szenario „Lösungszutritt in den ewG“. Das heißt, die Einhaltung von langfristigen Strahlungsschutzzielen ist durch eine Sicherheitsanalyse für die erwarteten Entwicklungen und die weniger wahrscheinlichen Störfälle zu demonstrieren. Einem Störfallszenario, das mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit pE in einem Zeitraum t zu erwarten ist, sollte eine Versagenswahrscheinlichkeit pf des Endlagersystems im Betrachtungszeitraum 1 Mio. Jahre zugeordnet werden können, Ermittlungsvorschrift siehe Hierfür gilt bis Gl. 8.5. Dabei ist die Versagenswahrscheinlichkeit innerhalb des Betrachtungszeitraumes nicht konstant. Die Angabe der Versagenswahrscheinlichkeit ist nur sinnvoll mit der Angabe eines Zeitraumes. Mathematisch korrekt wäre die Angabe der zeitabhängigen Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (probability density function), siehe Abb. 8.11. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis (z. B. ein Erdbeben) zum Zeitpunkt t einen Wert zwischen a und b (Werte auf die Richterskala oder zugeordnete Beschleunigungen) annimmt, entspricht dem Inhalt der Fläche Fx (Wahrscheinlichkeitsverteilung). Der Graph zum Zeitpunkt t ist die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion fx , siehe auch Gln. 8.3 und 8.4. Im Falle von unterstellten Lösungszutritten in den ewG wird zunächst die Eintrittswahrscheinlichkeit von Lösungszutritten in den ewG zu bestimmen sein. Nach diesseitiger Einschätzung handelt es sich nach der oben beschriebenen Klassifizierung beim Szenario Lösungszutritte in den ewG um ein hypothetisches Szenario mit sehr niedriger Eintrittswahrscheinlichkeit und großen Prognoseunsicherheiten. In Abb. 8.10 ist das Störfallszenario dargelegt, mit folgender Ereigniskette: Lösungszutritt aus dem Wirtsgestein in die Einlagerungsbereiche (ewG) ! Herausbildung eines Radionuklid-Quellterms (Radionuklide in Lösung), Erreichen der Grenze des ewG und Übertritt ins Deckgebirge, fluidbezogener Radionuklidtransport bis in die Biosphäre ! radiologische Konsequen-

8.5 Elemente eines Langzeitsicherheitsnachweises

355

Abb. 8.11 Zeitabhängige Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion fx (x,t)

zen ! Bewertung, ob eine Verletzung des Schutzzieles zu erwarten ist oder nicht, siehe Abb. 8.13. Zu Lösungszutritten zu den Einlagerungsbereichen kann es im Falle einer gestörten Endlagerentwicklung kommen. Wie die Lösungszutritte in die Einlagerungsbereiche erfolgen, hängt vom Wirtsgesteinstyp ab, siehe Abb. 8.12. Diese Darstellung impliziert die folgenden Ereignisse (Teilversagen), die dann zum Totalversagen des Endlagersystems führen können, mit zugeordneten Zeiträumen:  Zutritt von Lösungswässern aus dem Wirtsgestein in den ewG, Versagen der äußeren Barrieren (geologische Barriere Wirtsgestein/Deckgebirge, Bohrloch- bzw. Kammerverschlüsse, Dammbauwerke, Schachtverfüllung, Schachtverschlüsse etc., Voraussage der Wahrscheinlichkeit des Eintretens des Ereignisses und frühestmöglicher Zutritt),  frühestmögliche Bildung eines Radionuklid-Quellterms im ewG, Versagen der inneren Barrieren (Versatzmaterial, Mineralgemische wie Bentonite, Behälter, Abfallmatrix/Immobilisate etc.),  fluidbezogener Radionuklidtransport aus dem ewG ins Wirtsgestein/Deckgebirge, Wahrscheinlichkeitsberechnung des Ereigniseintritts einer frühestmöglichen Bildung des Quellterms, Ermittlung, Definition des Radionuklid-Quellterms für den Nahbereich,  frühestmöglicher Termin, an dem in Lösung gegangene Radionuklide die Außengrenze des ewG erreichen.fluidbezogener Radionuklidtransport mit Sickerwässern bis in wasserführende Horizonte (tiefe Grundwasserleiter), Ausbreitung des Radionuklidvektors im Wirtsgestein/Deckgebirge, Ermittlung der Ausbreitungspfade des RadionuklidQuellterms des Fernbereichs und des Zeitraumes des frühestmöglichen Erreichens wasserführender Horizonte,

356

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Abb. 8.12 Wirksamkeit des Endlagersystems in Salzformationen bei gestörter Entwicklung, nach [72]

8.5 Elemente eines Langzeitsicherheitsnachweises

357

Abb. 8.13 Störfallszenario „Fluidbezogener Radionuklidtransport“

 fluidbezogener Radionuklidtransport im Deckgebirge – Transportzeitraum, bis Radionuklide die Biosphäre erreichen, Berechnung der Ausbreitung des Quellterms im Deckgebirge bis Erreichen der Biosphäre, Wahrscheinlichkeit des Eintretens des Ereignisses, frühestmögliches Erreichen der Biosphäre, siehe Abb. 8.13, radiologische Konsequenzen – Verwendung wissenschaftlich anerkannter Expositionsmodelle. Es ist hinlänglich bekannt, dass der Nachweis der Sicherheit in der Phase nach dem Verschluss des Endlagers nicht im streng wissenschaftlichen Sinn geführt werden kann, da sich die potenziellen Konsequenzen aus der Implementierung des Endlagers einer messtechnischen Überprüfung oder Verifizierung aufgrund des langen Betrachtungszeitraumes (Nachweiszeitraum) entziehen. Bis zur langzeitsicheren, langzeitstabilen Stilllegung erfordert dies nicht nur einen kontinuierlichen Optimierungsprozess mit periodischen Sicherheitsüberprüfungen, sondern es muss hier darauf hingewiesen werden, dass Mög-

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8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

lichkeiten existieren, den Betrachtungszeitraum zu verkleinern, in dem z. B. langlebige radioaktive Isotope in kurzlebige umgewandelt werden (P & T [30]), oder dass der Langzeitsicherheitsnachweis entlang von Zeitfenstern mit unterschiedlichen Unsicherheiten in der Eintrittswahrscheinlichkeit von Ereignissen und Risiken in den Auswirkungen geführt wird, ohne dass die Sicherheitsanforderungen reduziert werden müssen. Die Angabe der Eintrittswahrscheinlichkeit ist nur sinnvoll mit der Angabe eines Zeitraumes, für den diese Wahrscheinlichkeit gilt, da über einen unbegrenzten Zeitraum auch Ereignisse mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeitsdichte mit Sicherheit eintreten werden. Mathematisch korrekt wäre die Angabe der zeitabhängigen Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion, da diese z. B. berücksichtigt, dass ein Risikoereignis (Szenario) in bestimmten Zeiten öfter eintritt als in anderen, siehe Abb. 8.11. Der Bezug auf das Schadensausmaß ist hier nicht einbezogen. So dominieren zu Beginn wegen der großen Wärmeentwicklung der Abfälle und der daraus resultierenden mechanischen und hydraulischen Beanspruchung des Wirtsgesteins die FEP, die durch geotechnische Ereignisse oder Entwicklungen geprägt sind (z. B. die Versatzkompaktion), und hydraulische Ereignisse (z. B. die Wiederaufsättigung von Bentonit in Abdichtungen). Die Gruppe der Szenarien, die durch die klimabezogenen FEP (z. B. Eiszeiten mit Gletscherüberdeckung, Warmzeiten nach etwa 10.000 bis 100.000 Jahren, siehe Abb. 8.9) bestimmt werden, gewinnt erst später an Bedeutung. Danach dominieren die Szenarien mit geologischen FEP (z. B. Diapirismus, Subrosion, Plattentektonik (Kontinentaldrift), Gebirgsbildung) [23]. Grundsätzlich unterliegen die Schutzziele der Endlagerung keiner zeitlichen Begrenzung. Es wird hier davon ausgegangen, dass es zur allgemeinen Bewertung bei der Endlagergestaltung für wärmeerzeugende HAW gehört, dass der Nachweis der Einhaltung der Schutzziele aufgrund der zu betrachtenden Zeiträume an die Grenze des Erkenntnisvermögens stößt. Während für sorgfältig ausgewählte Standorte wissenschaftlich fundierte Aussagen über das Endlagersystem und seine Entwicklung über einen Zeitraum von ca. 1 Mio. Jahren möglich sein sollen, ist eine gesicherte Aussage über die Entwicklung der Biosphäre auf höchstens einige tausend Jahre möglich. Eine Prognose über die Entwicklung des Menschen und der menschlichen Gesellschaft mit ihren Ansprüchen und Bedürfnissen ist bestenfalls für Zeiträume von vier bis sechs Generationen möglich. Es wird deshalb hier als zielführende Lösung vorgeschlagen, ein Endlagersystem so auszuwählen, dass bei seiner Normalentwicklung eine Freisetzung von Radionukliden aus dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich in den ersten 104 Jahren nicht zu befürchten ist. Für den Nachweiszeitraum von 106 Jahren ist sicherzustellen, dass Freisetzungen radioaktiver Stoffe aus dem Endlager langfristig die aus der natürlichen Strahlenexposition resultierenden Risiken nur unwesentlich erhöhen. Für weniger wahrscheinliche Entwicklungen in der Nachverschlussphase ist nachzuweisen, dass die durch Freisetzung von Radionukliden, die aus den eingelagerten radioaktiven Abfällen stammen, verursachte zusätzliche effektive Dosis für die dadurch betroffenen Menschen 0,1 Millisievert pro Jahr nicht überschreitet.

8.5 Elemente eines Langzeitsicherheitsnachweises

359

Der Langzeitsicherheitsnachweis könnte damit entlang folgender Zeitfenster (gegenwärtiger Kenntnisstand) geführt werden. Dabei ist zu bemerken, dass die angegebenen Zeitdauern zunächst eine Erwartungshaltung darstellt, die am Ende des Nachweises bestätigt wird oder nicht:  0–500 Jahre: Informationen über das Endlager liegen vor/Rückholbarkeit bis 500 Jahre nach Verschluss des Endlagers möglich,  > 500 Jahre: menschliches Eindringen möglich (Human Intrusion Szenario),  > 50.000 Jahre: frühestmöglicher Zutritt von Lösungswässern aus dem Wirtsgestein,  > 100.000 Jahre: frühestmögliche Bildung eines Radionuklid-Quellterms,  > 100.000 Jahre: frühestmögliches Erreichen eines tiefen Grundwasserleiters,  > 1.000.000 Jahre: Strahlenexposition der Bevölkerung bleibt deutlich unter den jeweils geltenden Schutzzielen (0,1 mSv/a),  jenseits von 1.000.000 Jahren: qualitative Behandlung.

8.5.3 Szenarien der Endlagerentwicklung in der Nachverschlussphase Die Langzeitsicherheit von Endlagern für radioaktive Abfälle hängt entscheidend von der möglichen Einwirkung wässriger Lösungen auf die Abfälle, also die Herauslösung radioaktiver Stoffe und deren Wanderung durch die Gesteinsschichten des Wirtsgesteins und des Deckgebirges in die Biosphäre ab. Deshalb ist die langfristige Trockenheit eines Endlagers von höchster Bedeutung und die Untersuchung des Störfallszenarios „Lösungszutritte in den ewG“ zwingend für die Genehmigung des Standortes. Die Behandlung dieses Störfallszenarios führt außerdem innerhalb des Prozesses der Optimierung des Endlagerkonzeptes auch dazu, dass Rückwirkungen auf die Ausbildung des Multibarrierensystems stattfinden, und damit das Isolationspotenzial des Endlagersystems, mit den Sicherheitsfunktionen des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs [17] sowie der technischen Maßnahmen weiter zu erhöhen. Anforderungen an die Abfälle leiten sich aus den Sicherheitsanforderungen in der Betriebsphase und Nachbetriebsphase ab. Dem Antragsteller obliegt es, die Endlagerungs- und Einlagerungsbedingungen im Einzelfall abzuleiten und diese behördlich genehmigen zu lassen. Nicht mit eingerechnet darin ist die Möglichkeit der Behandlung der HAW mit P&T. Nachfolgend wird für die drei in Deutschland für die Endlagerung hochradioaktiver, wärmeentwickelnder Abfälle grundsätzlich zur Verfügung stehenden Wirtsgesteinsformationen Salzgestein, Tonstein und kristallines Gestein das jeweilige Szenario der ungestörten Entwicklung dargestellt, siehe auch Abb. 8.14. International sind Endlager für wärmeentwickelnde HAW in den drei Wirtsgesteinsformationen bereits genehmigt worden, sodass die allgemeine Genehmigungsfähigkeit nachgewiesen ist. Standortbezogen muss sie natürlich immer wieder neu beantragt und genehmigt werden.

360

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Bei den in Betracht gezogenen Wirtsgesteinsformationen sind chemisch unterschiedliche wässrige Medien (hochsalinare Lösungen, Ton-, Poren- und Granitwässer) und damit ein stark unterschiedliches Korrosionsverhalten der eingelagerten, standortspezifischen Abfallbehälter zu berücksichtigen. Langzeitstandsicherheit von Behältern (Abfallmatrizen) > 100.000 Jahre [15] sind abhängig vom Chemismus der wässrigen Lösungen. Die radiologischen Konsequenzen eines Radionuklidaustritts werden unter Verwendung wissenschaftlich anerkannter Expositionsmodelle ermittelt. Anstelle des Terms „Szenario der ungestörten Endlagerentwicklung“ kann auch der Begriff „Szenario des Normalfalls“ (Normal Evolution Scenario) verwendet werden.

Szenario der ungestörten Entwicklung für ein Endlager in Salzgestein Das Szenario der ungestörten Entwicklung für ein Endlager in Salzgestein kann wie folgt beschrieben werden: Innerhalb eines Zeitraums bis zu einigen hundert Jahren kommt es durch die Konvergenz zum vollständigen Verschwinden der nach dem Verschluss des Endlagers noch bestehenden restlichen Hohlräume. Der eingebrachte poröse Salzgrusversatz wird soweit kompaktiert sein, dass er eine ähnlich geringe Permeabilität aufweist wie das umgebende, ungestörte Salzgestein. Bis die Abfallgebinde vollständig in der Salzformation eingeschlossen sind, kommt es zu keiner konvektiven Schadstoffausbreitung. Nach derzeitigen Vorstellungen ist dafür keine langzeitsicherheits-analytische Ausbreitungsrechnung notwendig. Da das natürliche Salzgestein und der Versatz nur sehr geringe Mengen Wasser enthalten, sind die anaerobe Behälterkorrosion und damit auch die Gasbildung beschränkt. Die Verhinderung der Undichtigkeit von Behältern ist Teil der ungestörten Entwicklung eines Endlagers. Wegen des dichten Einschlusses der Korrosionsgase können sich unter Umständen lokal hohe Gasdrücke aufbauen. Die Auswirkungen und der Umgang damit werden gegenwärtig einer komplexen Untersuchung unterzogen. Szenario der ungestörten Entwicklung für ein Endlager in Tongestein Bei Tonformationen kommt es im Referenzfall zu einer Grundwasserbewegung durch das Wirtsgestein in den Endlagerbereich. Diese verläuft aufgrund der geringen hydraulischen Durchlässigkeit des Tonsteins allerdings äußerst langsam. Die Strecken und Hohlräume des Endlagerbergwerks sind im Allgemeinen mit Versatzmaterial verfüllt, das ähnliche Eigenschaften wie das Wirtsgestein aufweist, wie z. B. Bentonit oder Bentonit-Sand-Gemische. Im Stoßbereich ist das Wirtsgestein durch die bei der Auffahrung dort auftretenden Zugspannungen aufgelockert und, als Folge der Austrocknung durch Bewetterung, mit Frischluft in der Betriebsphase teilweise entsättigt. Bei einem Zutritt von Wasser in das Nahfeld (Einlagerungsbereiche) werden der aufgelockerte Gebirgsbereich und der Versatz in den Strecken und Hohlräumen wieder vollständig aufgesättigt. Dadurch quillt der eingebrachte Versatz, was in Verbindung mit dem Gebirgsdruck zur Verheilung der Risse in der Auflockerungszone führt, sodass sich dort mit der Zeit wieder die niedrigen hydraulischen Durchlässigkeiten des ungestörten Wirtsgesteins einstellen. In Abhängigkeit des Abfallbehältertyps kann es durch die Menge des zutretenden Wassers möglicherweise im

8.5 Elemente eines Langzeitsicherheitsnachweises

361

Laufe der Zeit zur Korrosion kommen. Der Ausfall der Behälter und die Auflösung der Abfallmatrix können schließlich zu einer Mobilisierung von Radionukliden führen. Ein Teil diese Radionuklide wird im Nahfeld bei einem Überschreiten der Löslichkeitsgrenzen wieder ausgefällt und dadurch wieder immobilisiert werden. Die mobilisierten Radionuklide werden praktisch ausschließlich diffusiv durch die technischen Barrieren, das Wirtsgestein und weiter in das Deckgebirge transportiert. Der advektive Transport durch die technischen Barrieren und das Wirtsgestein ist wegen deren geringer Durchlässigkeit sehr langsam und spielt keine Rolle. Eine merkliche Rückhaltung der Schadstoffe wird zunächst durch Sorption an den Versatzmaterialien und anschließend in hohem Maße durch Sorption des Wirtsgesteins bewirkt. Der Radionuklidtransport im Deckgebirge erfolgt advektiv mit dem Grundwasser. Infolge einer dadurch hervorgerufenen Kontamination des Grundwassers kommt es bei dessen Nutzung als Trinkwasser oder zur Erzeugung von Lebensmitteln zu einer potenziellen Strahlenexposition der Bevölkerung.

Szenario der ungestörten Entwicklung für ein Endlager in kristallinen Formationen (z. B. Granitgesteine) In kristallinen Gesteinsformationen ist grundsätzlich mit dem Vorhandensein von Klüften zu rechnen. Daher wird davon ausgegangen, dass Wasser durch die Klüfte in die Einlagerungsbereiche eintritt und die Bentonitauskleidung der Behälter – den sogenannten Bentonitpuffer, siehe Kap. 7 – im Nahfeld aufsättigt. Als „Bentonitpuffer“ wird die Einbettung der Abfallgebinde im Endlager bezeichnet, die aus Bentonitformsteinen bestehen kann, die die Abfälle umschließen, siehe Kap. 7. Da der Wasserzutritt nicht begrenzt ist, kann es möglicherweise, abhängig vom Abfallbehältertyp, zur Korrosion, auch zur vollständigen Korrosion der Abfallbehälter kommen. Dies muss nicht zwangsläufig zur Mobilisierung der Radionuklide, und wenn nur zu einem geringen Teil davon, führen. Hier besteht eine große Abhängigkeit vom geochemischen Milieu, in dem der Prozess stattfindet. Teilweise werden mobilisierte Radionuklide im Nahfeld auch wieder immobil, unabhängig vom Überschreiten der Löslichkeitsgrenzen (Ausfällung). Ein Augenmerk sollte bei der Beurteilung dieses Wirtsgesteinstyps auch darauf gerichtet werden, dass eine Freisetzung von Radionukliden aus den standortspezifischen Abfallbehältern erst nach weit über 100.000 Jahren erwartet werden kann. Bei einem Austritt aus dem Abfallbehälter können die mobilisierten Radionuklide diffusiv durch den Bentonitpuffer transportiert und in Klüften der Granitformation freigesetzt werden. In diesen können Radionuklide durch Advektion transportiert werden. Eine Zurückhaltung wird dabei durch Matrixdiffusion und Sorption in der Gesteinsmatrix sowie an eventuell vorhandenen Kluftbelägen oder -füllungen aktiviert. In den Einlagerungsbereichen gebildete Gase können bei einer Überschreitung des Gaseindringdrucks für den Bentonit durch diesen entweichen und durch die Klüfte in der Formation abtransportiert werden. Die Gastransportpfade im Bentonit verschließen sich wieder, sobald der Gasdruck den Gaseindringdruck wieder unterschreitet, sodass keine dauerhafte Schädigung des Bentonitpuffers vorliegt.

362

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Weitere beachtenswerte Szenarien Diese alternativen Entwicklungen können alle Betrachtungsbereiche des Endlagersystems – Nahfeld, Fernfeld und Biosphäre – betreffen. In diesen Szenarien werden Entwicklungen des Endlagersystems beschrieben, die in einem oder mehreren Punkten vom erwarteten Verlauf des Szenarios der ungestörten Entwicklung abweichen. Nichtbestimmungsgemäße Entwicklung eines Endlagers im Steinsalz Wie beschrieben, wird bei einem Endlager in Salzgestein unter ungestörten Bedingungen, siehe Abschn. „Standortauswahlverfahren“, nicht mit einem Zutritt von Wasser zu den Abfällen und einer Schadstofffreisetzung gerechnet. Jedoch können Störungen auftreten, die alternative Entwicklungen zur Folge haben, wie einen Zutritt von Wasser zu den Abfällen. Dabei wird angenommen, dass zu einem frühen Zeitpunkt nach dem Verschluss des Endlagers Wässer aus dem Deckgebirge und/oder aus Lösungseinschlüssen im Gebirge zutreten, siehe auch Kap. 6 (Schachtanlage Asse II). Die zutretende Lösung kommt mit den Abfallgebinden in Kontakt, korrodiert die Behälter, gelangt an die radioaktiven Abfälle und wird dabei kontaminiert. Sobald die im Endlager noch verbliebenen Resthohlräume vollständig mit Flüssigkeit gefüllt sind, kehrt sich die Richtung des Fluidstroms infolge der Hohlraumkonvergenz um. Die kontaminierte Lösung wird dann aus dem Endlager in das Deckgebirge ausgepresst und kann von dort über den Wasserpfad in die Biosphäre transportiert werden. Der Transport des Radionuklidterms über Grundwasserleiter in die Biosphäre erfolgt mit einer laminaren Strömung, siehe Abb. 8.13. Die potenziellen radiologischen Konsequenzen dieses Störfalls für die Bevölkerung werden in der Langzeitsicherheitsanalyse berechnet. Dabei wird eine Nutzung von kontaminiertem Grundwasser, die zu einer potenziellen Strahlenexposition der Bevölkerung führen kann, herausgestellt. Aufgrund welcher weiteren Ereignisse kann es nun zu einem Zutritt von wässrigen Lösungen in den ewG kommen, wenn die Auswahl des Standortes diesen eigentlich ausschließt? Außergewöhnliche Ereignisse 1. Terrestrische Eingriffe von außen (Bohrungen, Schürfe etc.) – Human Intrusion Szenarios, 2. zeitliche Entwicklung des Klimas (Warmzeit-Szenario, Kaltzeit-Szenario), siehe Abb. 8.9, zyklisches Auftreten von Warm- und Kaltzeiten, Interglaziale. Diese führen zum Verlust bzw. zum Teilverlust der Barrierenwirkung des Multibarrierensystems des Endlagers bei gleichzeitig hervorgerufenen Zustandsänderungen des Deckgebirges, das langfristig geklüftet-porös wird und Grund- bzw. Deckgebirgswässer in das Endlager zutreten lässt. 1. Die Möglichkeit des menschlichen Eindringens in den Endlagerbereich (Human Intrusion Szenario) und die damit beschriebenen Konsequenzen stehen im besonderen Mittelpunkt des Interesses. Deshalb sollte diesen bei der Standortauswahl zur Endla-

8.6 Langzeitsicherheitsnachweis

363

gerung von HAW in tiefen geologischen Formationen dadurch Vorbeugung geleistet werden, dass als Standortsuchfelder bereits bekannte höffige Bereiche weitestgehend ausgeschlossen werden. Dem könnte dadurch Wirksamkeit verliehen werden, dass die Akte (Abschlussdokumentation) im Kataster des jeweilig zuständigen Bergamtes geführt wird und dort verbleibt, ebenso wie das gesamte Feld aus tiefen geologischen Formationen und ihre obertägige Projektion im Eigentum des Bundeslandes. Es besteht eine dauerhafte obertägige Kennzeichnungspflicht und Schürfverbot durch das zuständige Bergamt. Die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Ereignisse wird dadurch erheblich gesenkt. Die Kommission hat gemäß § 3 StandAG in ihrer Handlungsempfehlung in Bezug auf die Dokumentation diesen wichtigen Gesichtspunkt bisher ausgeklammert. 2. In [19] wurde nachgewiesen, dass innerhalb eines Zeitfensters  100.000 Jahren (Interglazialperiode) mit einer nicht zu vernachlässigenden Eintrittswahrscheinlichkeit in der betrachteten Region mit einer Eiszeit zu rechnen ist, die zu den oben beschriebenen Schwächungen im Deckgebirge und im Multibarrierensystem führen kann. Bei wärmeentwickelnden radioaktiven Abfällen müssen, in Abhängigkeit der Einlagerungsbedingungen,  die temperaturbedingten Änderungen der Gesteinseigenschaften,  die thermisch induzierten Spannungen, die zur Bildung von Wasserwegsamkeiten führen können,  die Bildung einer Sekundärpermeabilität unter Temperatureinfluss,  die Migration von Fluideinschlüssen im Salz unter Temperaturerhöhung etc. bei einem Störfallszenario „Lösungszutritt in den ewG“ Beachtung finden. Die Eintrittswahrscheinlichkeit im Betrachtungszeitraum kann einerseits durch die Einlagerungsbedingungen erheblich abgesenkt und andererseits mit transmutierten HAW ausgeschlossen werden.

8.6 Langzeitsicherheitsnachweis In [27] und Tab. 8.5 ist ein Zusammenhang zwischen Sicherheitsklassen und jährlicher Versagenswahrscheinlichkeit dargestellt.

Tab. 8.5 Sicherheitsklassen bei jährlicher Versagenswahrscheinlichkeit. (Nach [27]) Sicherheitsklassen Niedrig Mittel Hoch Unwahrscheinlich

Jährliche Versagenswahrscheinlichkeit < 103 < 104 < 105 < 106

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8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Folgt man diesem Schema auch bezogen auf die Eintrittswahrscheinlichkeit von Szenarien und legt in dem jeweiligen Zeitfenster eine Eintrittswahrscheinlichkeit gemäß Tab. 8.5 zugrunde, bei Verwendung der jeweiligen Prozessgleichungssysteme bzw. Stofftransportmodelle, so lassen sich die Zeiträume bestimmen, in denen die oben beschriebenen Ereignisse erwartet werden können. Gemeint sind hier die Eintrittswahrscheinlichkeiten für folgende Szenarien:  Szenario der ungestörten Entwicklung für ein Endlager generischer Wirtsgesteinsformationen,  Szenario der nicht bestimmungsgemäßen Entwicklung eines Endlagers im Steinsalz,  Human Intrusion Szenario,  Eiszeit-/Klima-Szenario,  Szenario zum Verlust bzw. zum Teilverlust der Barrierewirkung des Multibarrierensystems des Endlagers, bei gleichzeitig hervorgerufenen Zustandsänderungen im Wirtsgestein und Deckgebirge. Ordnet man die Ereigniskette aus Abb. 8.10 nach physikalisch chemischen Prozessen, ergeben sich die Teilmodelle A bis D, die den Gesamtprozess beschreiben. Aus Abb. 8.14 können alle notwendigen hydraulischen Berechnungen und Radionuklidtransportanalysen für die Beschreibung des Gesamtprozesses von Lösungszutritten in den ewG und in Folge von Übertritten der Radionuklide aus dem Inventar des Endlagers in die Biosphäre abgeleitet werden. Diese lassen sich folgendermaßen gliedern:  Überprüfung der Barrierewirkung des Verschlusssystems (Schacht- und Streckenverschlüsse, Bentonitverfüllung, kompaktierter Salzgrusversatz etc.),  Klärung, ob es zu Lösungszutritten in die Einlagerungsbereiche kommen kann,  Analyse der Freisetzungsdynamik und des Transports von gelösten und gasförmigen Radionukliden,  Analyse der Auswirkung von Gasdrücken aufgrund von Korrosionsprozessen der endgelagerten Abfallbehälter und -matrizen,  Abschätzung der radiologischen Konsequenzen unter Verwendung wissenschaftlich anerkannter Expositionsmodelle. Nachfolgend wird der Gesamtprozess in Teilprozesse (Modellgebiete) gegliedert und für die Modellgebiete die grundlegenden Zusammenhänge aufgezeigt. Die verwendeten Gleichungen können durch neuere Entwicklungen ersetzt werden, ein anderes Nachweisschema entsteht dadurch allerdings nicht. In Deutschland wurden bisher vorwiegend generische Sicherheitsanalysen für Endlager für hochradioaktive Abfälle durchgeführt, d. h., ihnen lagen keine konkreten Standortdaten zugrunde. Dieser Weg wird hier nicht verfolgt, weil er dem jetzt stattfindenden Standortauswahlprozess nicht gerecht wird. Es wird hier allgemein die Wirtsgesteinsformation Steinsalz unterstellt, weil hierzu in Deutschland die größten Erfahrungen vorliegen. Bei anderen Wirtsgesteinsformationen ist das Nachweisschema ähnlich. Diese Vorgehensweise erlaubt auch die Festlegung,

8.6 Langzeitsicherheitsnachweis

365

Abb. 8.14 Modellgebiete des Szenarios „Lösungszutritte in den ewG und in Folge: Übertritte von Radionukliden aus dem Inventar des Endlagers in die Biosphäre“

welche Nachweise jeweils zu führen sind. Die oben aufgeführten Ereignisse stehen mit Versagen oder Teilversagen von Barrieren des Multibarrierensystems in Zusammenhang, wobei Versagen auch mit Funktionsverlust bezeichnet werden kann. Das heißt, in einem Endlagerkonzept müssen und können die Lebensdauern der Einzelbarrieren, bezogen auf das jeweilige Wirtsgestein, so aufeinander abgestimmt werden, dass das primäre Schutzziel einer dauerhaften Isolation des endgelagerten radioaktiven Materials mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erreicht wird.

8.6.1 Modellgebiet A gemäß Abb. 8.14 – Versagen (Teilversagen) des Verschlusssystems Die Gestaltung des Verschlusssystems ist in hohem Maße von der Wahl des Wirtsgesteins und damit von der Standortauswahl abhängig. So hat im Steinsalz das Verschlusssystem als schnell wirksame Barriere den Einschluss der Abfälle in dem Zeitraum zu übernehmen, in dem das Versatzmaterial Salzgrus seine Dichtwirkung noch nicht entfaltet. Die derzeitigen deutschen Sicherheitsanforderungen besagen, dass der gleichzeitige Ausfall von mehreren unabhängigen technischen Komponenten nicht unterstellt werden muss. Deshalb werden in der derzeitigen deutschen Endlagerkonzeption für das Verschlusssystem mit Schacht- und Streckenverschlüssen zwei unabhängige, in Reihe angeordnete geotechnische Barrieren vorgesehen. Das Verschlusssystem im Kristallingestein (Granite) hat einen völlig anderen Aufbau und ist in Deutschland kaum erforscht. Aufgrund der endlagerrelevanten Eigenschaften von Kristallingestein, siehe Tab. 8.3, muss deshalb die Barrierefunktion in erster Linie vom Endlagergebinde im Verbund mit einem Bentonitversatz gewährleistet werden. Der Außenmantel der doppelt ummantelten Abfallbehälter im schwedischen und finnischen Endlagerkonzept, besteht aus Kupfer, siehe [50]. Aufgrund der potenziellen Klüftigkeit und der geringen Radionuklid-Adsorptionsfähigkeit des Granits werden weiterhin die Hohlräume zwischen den Behältern mit den radioaktiven Abfällen und dem Gebirge mit einer zusätzlichen geotechnischen Barriere

366

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

aus Bentonit (ein quellfähiges Tonmineral) verfüllt. Die Barrierewirkung des „Verschlusssystems“ ist hier durch die Quellfähigkeit des Betonitversatzes im Zusammenhang mit der Temperatur und der hydrologischen Situation gekennzeichnet. Es kann mit einer Langzeitbarrierewirkung von derzeit über 100.000 Jahren gerechnet werden. Allerdings lassen sich die skandinavischen Endlagerkonzepte nicht ohne Anpassungen auf deutsche Verhältnisse übertragen. In Finnland und Schweden muss die Sicherheit des Endlagers für 100.000 Jahre nachgewiesen werden. In Deutschland beträgt der Nachweiszeitraum 1 Mio. Jahre. Die beispielhafte Analyse eines Verschlusssystems unterstellt hier ein Endlager im Wirtsgestein Steinsalz. Zu Lösungszutritten aus dem Wirtsgestein in die Einlagerungsbereiche (ewG) kann es kommen, wenn das Verschlusssystem versagt oder Teilversagen vorliegt. Das mit der Stilllegung des Endlagers installierte Verschlusssystem besteht im Steinsalz aus Strecken- und Schachtverschlussbauwerken (Dämme und Pfropfen) sowie aus Kammerbauwerken, siehe Abb. 8.5. Ein Beispiel eines Verschlussbauwerks ist in Abb. 8.4 dargestellt. Schachtverschlüsse werden nach dem Stand der Technik aus mehreren Funktionselementen zusammengesetzt. Diese können in die Hauptgruppen  Widerlager,  Dichtelemente und  Füllsäule unterteilt werden. Als wesentliche Elemente der Sicherheitsnachweisführung für technische Barrieren, entsprechend dem Stand der Technik, lassen sich nach [47] und [49] folgende Einzelnachweise beschreiben:     

Nachweis eines ausreichenden hydraulischen Widerstandes (Dichtheitsnachweis), Nachweis der Tragfähigkeit, Nachweis der Verformungsbeschränkung, Nachweis der Rissbeschränkung, Nachweis der Dauerhaftigkeit.

Diese zu führenden Nachweise sind für den Funktionsnachweis eines Schachtverschlusses entscheidend. In dem Endlagerkonzept muss der Nachweis der Herstellbarkeit mit dazugehörigem Qualitätssicherungsnachweis verankert sein.

8.6.2 Modellgebiet B gemäß Abb. 8.14 – Herausbildung eines Radionuklid-Quellterms im ewG Bezogen auf die Zeitfenster könnten die Eintrittswahrscheinlichkeiten (Eintritt von Ereignissen) eines Störfallszenarios „Lösungszutritt in den ewG“ abgeleitet werden, siehe Abb. 8.10:

8.6 Langzeitsicherheitsnachweis

367

 frühestmöglicher Zutritt von wässrigen Lösungen in den ewG, Durchströmen bzw. Umströmen der geotechnischen Barrieren, PE1 ,  frühestmöglicher Zeitraum des Zerfalls der Abfallmatrix – Eintritt der Bildung des Radionuklid-Quellterms im ewG – chemischer (Korrosions-)Prozess – Eintrittswahrscheinlichkeit PE2 ,  frühestmöglicher Zeitraum des Austretens von Radionukliden ins Wirtsgestein/Deckgebirge – Radionuklidtransport (Ausbreitung) im ewG (Prozess: Ausbreitung und Austritt des Radionuklid-Quellterms aus ewG – Stofftransport) – Eintrittswahrscheinlichkeit PE3 ,  frühestmöglicher Zutritt des Radionuklid-Quellterms in einen tiefen Grundwasserleiter – Radionuklidtransport (Ausbreitung) im Deckgebirge (Prozess: Stofftransport in porösen Medien) – Eintrittswahrscheinlichkeit PE4 ,  frühestmöglicher Austritt des Radionuklid-Quellterms in die Biosphäre – Radionuklidtransport (Ausbreitung) im Deckgebirge – laminarer Strömungsvorgang – Eintrittswahrscheinlichkeit PE5 ,  radiologische Konsequenzen – Verwendung wissenschaftlich anerkannter Expositionsmodelle – Eintrittswahrscheinlichkeit PE6 . Bei unabhängigen Basisvariablen (Zufallsvariablen): X1 ; : : : ; Xn kann die Eintrittswahrscheinlichkeit mit (8.6) PE D P.X1 ; X2 ; : : : ; Xn / und die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion mit f.x1 ; : : : xn / D f1 .x1 /  : : :  fn .xn /

(8.7)

bestimmt werden, wobei fi die reelle Wahrscheinlichkeitsdichte von Xi ist. Bei Kenntnis der ermittelten Zeiträume ti und der dazugehörigen Eintrittswahrscheinlichkeiten PEi werden diese in ein probabilistisches Modell des Gesamtprozesses eingepflegt und daraus die Gesamtversagenswahrscheinlichkeit Pf mit Gl. 8.3 ermittelt. Die Langzeitstandsicherheit der technischen Barriere Abfallbehälter und damit die Eintrittswahrscheinlichkeit PE2 kann als eine den Prozess steuernde Größe aufgefasst werden. Sie macht deutlich, dass technische und geotechnische Barrieren gleichwertig zu den natürlichen Barrieren das Isolationsvermögen des Endlagersystems bestimmen. Die Relevanz (Konsequenzen) bei Eintritt von Ereignissen ist ein wesentliches Maß für die zu treffenden Vorkehrungen, siehe Tab. 8.6. Die Gesamteintrittswahrscheinlichkeit PE bezeichnet man als bedingte Wahrscheinlichkeit. Definition: Sind A und B Ereignisse aus demselben Stichprobenraum und ist P(B) ¤ 0, so ist die bedingte Wahrscheinlichkeit des Eintreffens von A unter der Bedingung B, P(A|B): P.A \ B/ (8.8) P.AjB/ WD P.B/

368

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Tab. 8.6 Bewertung der Relevanz (Konsequenzen) bei Eintritt von Ereignissen Benennung Relevanz/Konsequenz bei Eintreten des Ereignisses Katastrophenrisiko Bei Eintritt des Ereignisses versagt das Endlager, massenhafter Austritt von radiotoxischen Kontaminanten in die Biosphäre. Neben Auftreten einer lebensgefährdenden Strahlenexposition, werden alle Grundwasserleiter im Fernbereich des Endlagers verseucht werden etc. Bei Eintritt ist Evakuierung zwingend. Die Wahl eines anderen Entsorgungsweges im Eintrittsfall ist zwingend, aber risikoreich für das Personal. Großrisiko Der Eintritt des Ereignisses zwingt zur Evakuierung (Teilevakuierung) und Wahl eines anderen Entsorgungsweges. Mittleres Risiko Der Eintritt des Ereignisses zwingt zur Teilevakuierungen bis zur Mängelbeseitigung (wenn möglich). Kleinrisiko Der Eintritt des Risikos zwingt zur Nachbesserungen, auch temporär. Bagatellrisiko Der Eintritt des Ereignisses hat keine Konsequenzen, allerdings verstärkte Umweltüberwachungen im Umfeld des Endlagers.

Eine wichtige Folgerung aus der Definition der bedingten Wahrscheinlichkeit ist der Multiplikationssatz: P.AjB/ D P.B/P.AjB/ (8.9) Dieser Satz kann für beliebige Ereignisse A1 , A2 , A3 , . . . , An verallgemeinert werden [31]. Gemäß Gl. 8.9 ergibt sich die Wahrscheinlichkeit des Eintrittes des Versagens des Gesamtsystems als Produkt der Eintrittswahrscheinlichkeiten der Teilsysteme, siehe auch [48] (8.10) PE D PE1  PE2  : : :  PEn Es gilt jetzt zu zeigen, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit für den Störfall innerhalb des Betrachtungszeitraumes (Nachweiszeitraumes) so klein ist, hier 1 Mio. Jahre, dass dieses Ereignis ausgeschlossen werden kann bzw. eine Freisetzung von Radioaktivität bei diesem Störfall so gering bleibt, dass dies innerhalb des tolerierbaren Bereiches liegt.

Lösungstransport im einschlusswirksamen Bereich Die Betrachtungen beziehen sich hier auf ein Endlager im Steinsalz, siehe [51]. Bei der Wirtsgesteinsformation Salz hat der Behälter die Funktion, als Rückhaltebarriere zu wirken, bis durch die Konvergenz des Gebirges ein dichter Einschluss hergestellt ist und das Wirtsgestein als geologische Barriere die Rückhaltefunktion übernimmt. Grundlage für diesen Nachweis ist der Lösungstransport im Endlagerbauwerk (Nahbereich). Dieser wird durch die treibenden Kräfte und die Strömungswiderstände in der Grube bestimmt. Sind die treibenden Kräfte Unterschiede im Lösungsdruck, dann ist der entsprechende Transportprozess die Advektion, und sind die treibenden Kräfte Dichteunterschiede, dann ist der Transportprozess die Konvektion. Dichteunterschiede können aufgrund von Unterschieden in der Lösungszusammensetzung, der Lösungstemperatur oder der Gassättigung der Lösung hervorgerufen werden.

8.6 Langzeitsicherheitsnachweis

369

Advektiver Lösungstransport Der advektive Lösungsfluss Q ergibt sich aus dem hydraulischen Druckunterschied rp und der Permeabilität k des durchströmten Mediums nach dem Darcy Gesetz, Gl. 8.11: QD

kA rp 

(8.11)

A Querschnittsfläche des durchströmenden Bereichs, µ dynamische Viskosität der Lösung. Bei mit Salzgrus versetzten Grubenbauen hängt die Permeabilität des Versatzes von seiner Porosität ab, Gl. 8.12: (8.12) k D fp  c  ® q ˆ Porosität des Salzgrus, c, q Konstanten aus Experimenten mit Salzgrus. Umlösungsvorgänge und Setzungserscheinungen können zu höheren Permeabilitäten in einer Strecke führen, in diesem Fall trägt der Faktor fp Rechnung. Konvektiver Lösungstransport Bei der sogenannten freien Konvektion zirkuliert die Lösung innerhalb des Endlagerbergwerks. Antriebsmechanismen für diese Lösungszirkulation sind Dichtegradienten in der Lösung. Dichteunterschiede in der Lösung können durch Inhomogenitäten in der chemischen Zusammensetzung des gelösten Steinsalzes, durch Korrosionsprodukte der Behälter oder der Abfallmatrix und durch Temperaturunterschiede hervorgerufen werden. Die gelösten Radionuklide beeinflussen die Dichteunterschiede kaum und werden vernachlässigt. Nach [54] kann der Lösungsaustauschstrom QT,C wie folgt berechnet werden, Gl. 8.13: g  k  “ 2 T g  k 2 pC QT;C D HB  H B (8.13) 8 L 8 L mit B, H, L T ¡C g k µ  “

Breite, Höhe, Länge der Strecke, Temperaturdifferenz, Differenz der Dichte der Lösung aufgrund der Konzentration der gelösten Stoffe, Erdbeschleunigung, Permeabilität, dynamische Viskosität der Lösung, kinematische Viskosität, thermischer Ausdehnungskoffizient.

370

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Die Austauschströme durch Temperaturgradienten und Konzentrationsgradienten addieren sich und lassen sich als ein gesamter Austauschstrom von Lösung darstellen. Konvektive Lösungsströme werden allgemein für den Radionuklidtransport ausgeschlossen, da in allen hier betrachteten Fällen eine Freisetzung von Radionukliden aus den Abfällen in die Lösung erst zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Temperaturerhöhung im Endlager durch die Wärmeproduktion der Abfälle bereits zurückgegangen ist.

Freisetzung von Radionukliden aus dem Abfallbehälter Die Radionuklide können erst dann bei Wasserzutritt in Lösung gehen, wenn es zu einem Teilausfall bzw. Ausfall des Abfallgebindes kommt. Die Freisetzung als solche führt nur dann zum Lösungstransport, wenn die Radionuklide mobilisiert sind. Dies hängt zum einen vom Radionuklid selbst als auch vom sich ausbildenden geochemischen Milieu ab. Hinzu kommt der Zeitpunkt der Freisetzung. Es ist dabei erheblich, ob die Freisetzung nach 10.000, nach 100.000 Jahren oder noch später erfolgt. Damit wird deutlich, dass den Rückhalteeigenschaften der Abfallgebinde eine herausragende Bedeutung zukommt. Endlagerkonzepte für Tongestein und Granit beruhen auf gegenüber Salz deutlich unterschiedlichen Verhältnissen, was den Stellenwert der Rückhaltefunktion des Behälters, des Versatzes, der technischen Verschlüsse und der geologischen Wirtsformation betrifft. Somit unterscheiden sich die Verfüll- und Verschlusskonzepte für Tongestein und Granit deutlich von denen für Salz. In Deutschland besteht hier großer Entwicklungsbedarf, nicht nur weil man sich bislang auf ein Endlager im Steinsalz konzentriert, sondern weil man der Behälterentwicklung bisher kein großes Augenmerk geschenkt hat. Die nachfolgenden Aussagen gehen von den international dazu vorliegenden Erkenntnissen aus. Das deutsche Endlagerkonzept unterstellt folgendes Verhalten: Der Kontakt der Abfallbehälter mit Wasser führt zu deren Korrosion und kann bei ausreichendem Wasserangebot und entsprechend langen Zeiträumen zu einem Ausfall der Behälter führen. Dabei nimmt die Korrosionsrate mit der Temperatur deutlich zu. Bei ca. 175 °C wurde eine Korrosionsrate von ca. 0,3 mm/a ermittelt. Legt man einen abschirmenden Pollux-Behälter für die Streckenlagerung, siehe Tab. 8.4, mit einer Wandstärke von 435 mm Stahl/Grauguss zugrunde, dann wäre bei einer mittleren Korrosionsrate von 0,05 mm (entspricht einer Durchschnittstemperatur von ca. 50 °C), der Behälter nach 8700 Jahren korrodiert und die Lösung könnte an die Matrix gelangen. Die Matrix selbst hat eine rückhaltende Wirkung, sodass keineswegs sofort Radionuklide in Lösung gehen und wenn, dann keineswegs vollständig. Dies ist in Deutschland nicht untersucht. Allerdings hat sich die Reaktorsicherheitskommission in ihrer 380. Sitzung am 13.03.2005 mit der rückhaltenden Wirkung der Korrosionsprodukte von Pollux-Behältern beschäftigt und festgestellt: Durch die Korrosion von Eisen bildet sich ein für die Immobilisierung der Radionuklide vorteilhaftes reduziertes Milieu. Die deutlich größeren Mengen an Eisen im Fall eines POLLUXBehälters haben demzufolge auch eine deutlich höhere Pufferwirkung bezüglich der Redoxeigenschaften.

8.6 Langzeitsicherheitsnachweis

371

Sowohl die rückhaltende Wirkung der Matrix als auch die immobilisierende Wirkung des Milieus spielen im deutschen Endlagerkonzept keine Rolle. Darin wird Folgendes unterstellt: Die Mobilisierung berücksichtigt die durch Lösung verursachte Umsetzung der Abfallmatrix zu Korrosionsprodukten und die Diffusion von Radionukliden aus der Abfallmatrix. Je nach Abfallart werden diese Teilprozesse in detaillierter Form oder pauschal z. B. durch eine konstante Rate beschrieben. Es wird angenommen, dass die in der Matrix verteilten Radionuklide bei der Mobilisierung zunächst vollständig in die Lösung übergehen. Eine möglicherweise anschließende Ausfällung oder Sorption an den Korrosionsprodukten und am Versatzmaterial wird nicht in den Mobilisierungsmodellen, sondern in den Modellen für den Radionuklidtransport behandelt. Dies bildet den möglicherweise real im Grubengebäude stattfindenden Radionuklidtransport nicht adäquat ab und führt zu einer erheblichen Überschätzung des Radionuklidaustrags in die Biosphäre. Aktivitätsverlust des Radionuklidinventars im Endlager mit der Zeit Der radioaktive Zerfall führt zu einer Verringerung des Radionuklidinventars im Endlager mit der Zeit. Die Aktivität eines bestimmten Radionuklids i lässt sich unter der Annahme, dass es für jedes Mutternuklid genau ein Tochternuklid gibt, und für ein bekanntes Anfangsinventar Ai,0 zu beliebigen Zeitpunkten nach Gl. 8.14 bestimmen. Dabei sind: œi t

Ai .t/ D Ai;0 e

œi t

C œi e

XZ j

t 0

Aj .t0 /eœt dt0

(8.14)

o

œi die Zerfallskonstante des Radionuklids i, wobei œ D ln.2/=T1=2 mit T1/2 der Halbwertszeit des Radionuklids und Aj die Aktivität des Mutternuklids j. Der relative Rückgang der Aktivität des Radioaktivitätsinventars bezogen auf die Anfangsaktivität ist von abgebrannten Brennelementen in Abhängigkeit von der Zerfallszeit in Kap. 2, Abb. 2.3, aufgetragen. Ausfall der Abfallbehälter Bei der Modellierung des Behälterausfalls wird für jeden zu betrachtenden Zeitpunkt £ die relative Anzahl NB der zu diesem Zeitpunkt ausgefallenen Behälter, der Anteil nB .£/ D

NB .£/ NB .0/

(8.15)

als Verteilungsfunktion der Behälterlebensdauer berechnet. Des Weiteren wird der relative Zuwachs an ausgefallenen Behältern pro Zeiteinheit @nB .£/=@t als Verteilungsdichte der Behälterlebensdauer ermittelt, wobei diese Größe im Folgenden als Behälterausfallrate

372

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

bezeichnet wird. Die relativen Werte beziehen sich jeweils auf die Gesamtzahl der Gebinde NB (0) im betrachteten Einlagerungsort. Zur Vereinfachung wird im Folgenden der Zusatz „relativ“ immer weggelassen, da alle angegebenen Größen relative Größen sind. Für eine gleichverteilte Lebensdauer der Behälter steigt der Anteil ausgefallener Behälter nB (£) linear von null zu Beginn des Behälterausfalls auf eins bei der maximalen Behälterlebensdauer an, und es ergibt sich: ( nB .£/ D

£=£B

für 0  £  £B

1

für £ > £B

(8.16)

Die maximale Lebensdauer £B ist bei der Gleichverteilung doppelt so groß wie die mittlere Lebensdauer der Behälter. Für Zeiten, die größer als die maximale Lebensdauer sind, ist die Ausfallrate null. Die CSD-V- und CSD-C-Kokillen haben nur eine geringe Wandstärke von ca. 5 mm. Bei einer mittleren Korrosionsrate von 0,05 mm würden diese 100 Jahre nach Lösungszutritt korrodiert sein. Es kann also eine kurze mittlere Lebensdauer unterstellt werden, im Gegensatz zu den Pollux-Behältern. Mobilisierungsmodell Glasmatrix Die Umsetzung der Glasmatrix wird im Mobilisierungsmodell als proportional zur Oberfläche des Glases angenommen. Dabei wird als effektive Oberfläche etwa das Zehnfache der geometrischen Oberfläche angesetzt. Für die oberflächenbezogene Reaktionsrate j(t) gilt:   QG 1 1  (8.17) j.t/ D jr  exp  R T.t/ Tr mit jr QG R T(t) Tr

oberflächenbezogene Reaktionsrate bei der Referenztemperatur, Aktivierungsenergie für die Glaskorrosion, allgemeine Gaskonstante, Temperatur zum aktuellen Zeitpunkt, Referenztemperatur.

Mobilisierungsmodell Brennelemente Das Modell zur Beschreibung der Mobilisierung von Radionukliden aus ausgedienten Brennelementen beruht auf Arbeiten des Forschungszentrums Karlsruhe [53], die im Rahmen eines Forschungsauftrags des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) durchgeführt wurden. Die Aktivitätsfreisetzungsrate Ri (t) des Radionuklids i berechnet sich nach Ri .t/ D nB .t/

X

mX  cX;i .t/  rX

(8.18)

8.6 Langzeitsicherheitsnachweis

373

mit nB mX cX,i rX

Anteil ausgefallener Behälter, Anfangsmasse im Bereich x, Aktivitätskonzentration des Radionuklids i im Bereich x, Freisetzungsrate aus dem Bereich x.

Zur Berechnung des Radionuklidstroms aus einem Gebinde wird der Abfall in drei Bereiche aufgeteilt: Bereich 1: Metallteile, Bereich 2: Gasraum in den Brennstäben, Bereich 3: Brennstoffmatrix.

Radionuklidtransport in Lösung im Grubengebäude Die in der Lösung gelösten Radionuklide können im Grubengebäude durch drei unterschiedliche Effekte transportiert werden. Diese sind der Lösungstransport durch Druckgradienten, die Austauschvorgänge, die Dispersion und Diffusion. Die ersten beiden Punkte wurden bereits beim Lösungstransport diskutiert. Der Aktivitätsstrom eines Radionuklids durch eine erzwungene Lösungsbewegung ergibt sich als Produkt von Lösungsstrom und Konzentration des Radionuklids in dem Bereich, aus dem der Lösungsstrom kommt. Bei einer Lösungsbewegung ergibt sich weiterhin die Dispersion, die aufgrund der heterogenen Verteilung der Strömungsgeschwindigkeiten in einem porösen Medium zu einem Ausgleich der Radionuklidkonzentration im Wasser führt. Außerdem findet ein diffuser Radionuklidtransport statt, der durch vorhandene Konzentrationsgradienten rc der Radionuklide angetrieben wird. Der diffusive Radionuklidstrom JD wird durch das erste Fick’sche Gesetz Gl. 8.19 bestimmt: JD D D.T/  A  ®  rc

(8.19)

mit c rc D A ˆ

Stoffmengenkonzentration in mol  m3 , Konzentrationsgradient der Radionuklide, Diffusionskoeffizient bei der Temperatur T, Querschnittsfläche und Porosität. Die Einheit JD ist beispielsweise (JD ) = mol m2 s1 .

Der gesamte Radionuklidtransport ergibt sich durch Superposition aller vorher diskutierten Prozesse (Transport durch erzwungene Lösungsbewegung, konvektive Austauschprozesse und Diffusion), Gl. 8.11, 8.13 und 8.19. Diese Prozesse sind sehr verschieden

374

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

voneinander, sodass eine analytische Behandlung der Überlagerung nicht möglich ist. Da Austauschprozesse im Allgemeinen von geringerer Bedeutung für den Radionuklidtransport sind, ergibt sich eine einfache Näherung für den gesamten Radionuklidtransport, indem die Einzelbeiträge zum Aktivitätsstrom aufsummiert werden. Durch die Summation der Aktivitätsströme aus Austauschprozessen und aus den erzwungenen Lösungsbewegungen wird der Gesamtstrom überschätzt. Diese Vorgehensweise ist konservativ in Bezug auf die Radionuklidfreisetzung.

Rückhaltung von Radionukliden im einschlusswirksamen Bereich Radionuklide, die durch die Mobilisierung aus der Abfallmatrix freigesetzt wurden, können durch Sorption und Ausfällung im Endlager zurückgehalten werden, das heißt, sie nehmen dann nicht mehr am Radionuklidtransport teil. Sorption ist der Prozess der Rückhaltung von gelösten Radionukliden durch Wechselwirkung mit im Endlager befindlichen immobilen Stoffen, wie z. B. dem Versatz oder Korrosionsprodukten. Der Salzgrusversatz weist für die meisten Radionuklide nur eine sehr geringe Wechselwirkung mit den Radionukliden auf. In das Endlager im Steinsalz werden sonst keine weiteren Stoffe in größeren Mengen eingebracht, an denen eine nennenswerte Sorption von Radionukliden zu erwarten ist. Die Rückhaltung der Radionuklide durch Sorption an Korrosionsprodukten der Abfallgebinde ist als Prozess bekannt, zurzeit in Deutschland aber noch wenig untersucht und nicht ausreichend quantifizierbar. Daher werden derartige Sorptionsprozesse im Rahmen eines deutschen Endlagerprojektes derzeit nicht betrachtet. Beim Erreichen von Löslichkeitsgrenzen werden Radionuklide in Festphasen ausgefällt. Das Ausmaß dieser Prozesse hängt vom geochemischen Milieu der anstehenden Lösung ab. Beim Radionuklidtransport wird dieser Prozess durch die Berücksichtigung von Löslichkeitsgrenzen für unterschiedliche geochemische Milieus in einem Endlager berücksichtigt. Dabei sind die Löslichkeitsgrenzen im Sinne von maximalen Radionuklidkonzentrationen in der Lösung zu verstehen. Bei entsprechenden standortspezifischen Abfallbehältern ist das Erreichen von maximalen Radionuklidkonzentrationen aber fast unmöglich und wird international auch nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Im Rahmen eines deutschen Endlagerkonzeptes werden Unterschiede im geochemischen Milieu innerhalb des Grubengebäudes derzeit nicht betrachtet. Im deutschen Endlagerkonzept für Steinsalz wird innerhalb des Grubengebäudes eine Ausfällung von Radionukliden ausschließlich bei den Abfallbehältern berücksichtigt. Wenn die Radionuklide aus dem Endlager in das Deckgebirge freigesetzt werden, dann werden diese durch den Grundwasserstrom im Deckgebirge stark verdünnt, sodass auch dort eine Ausfällung von Radionukliden nicht erwartet wird, siehe Modellgebiet C, Abschn. 8.6.3. Umlösung Bei der Herstellung von Abdichtbauwerken im ewG im Steinsalz wird in Deutschland zumeist hydraulisch abbindender Salzbeton (Sorelbeton) verwendet, mit folgender Zusammensetzung: Bindemittel (Zement), Betonzusätze (Gesteinsmehl, Steinkohlenflugaschen o. Ä), Zuschlagsstoffe (Salzgrus, Quarzsand o. ä), Anmachflüssigkeit (Wasser,

8.6 Langzeitsicherheitsnachweis

375

Salzlösungen o. Ä.), siehe Kap. 6. Gegenüber NaCl-Lösung ist dieser stabil. Bei der Wechselwirkung der magnesiumhaltigen Lösung mit dem Bindemittel wird Calciumhydroxid aufgelöst und Magnesiumhydroxid fällt aus. Hierbei vergrößert sich der Porenraum im Salzbeton und die Permeabilität steigt an. Nach dem vollständigen Verbrauch des Magnesiums in der Lösung kommt die Reaktion mit dem Salzbeton zum Erliegen. Für eine vollständige Umsetzung des Salzbetons und eine dementsprechende Permeabilitätserhöhung bis zum Maximum ist daher eine bestimmte Menge an magnesiumhaltiger Lösung erforderlich. Die Verfügbarkeit der Lösung und deren Magnesiumgehalt bestimmt damit die Umlösegeschwindigkeit und somit die Geschwindigkeit des Fortschreitens der Permeabilitätserhöhung des Salzbetons. Die Modellierung der Umlösung der Abdichtungen ist aus dem Vorgehen im Endlager für Radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM) abgeleitet worden, siehe [55]. Die Permeabilität k der teilweise korrodierten Abdichtung ergibt sich damit als Funktion der durchgeflossenen Lösungsmenge VL zu k D k0

1 1

VL n› .1 VP .1n/Cn›

 106 /

< 106

(8.20)

mit › © k0 VP n

Umlösekapazität, Dekadenzahl, Permeabilität der nicht korrodierten Abdichtung, Porenvolumen, Porosität.

Gastransport In einem Endlager für radioaktive Abfälle können bei Anwesenheit von Wasser durch unterschiedliche Prozesse Gase entstehen. Bei der Auslegung und beim Bau eines Endlagers in einer Salzformation wird das Ziel verfolgt, einen Zutritt von nennenswerten Wassermengen von außen in das Endlagerbergwerk sicher auszuschließen. Allerdings steht selbst bei einer ungestörten Entwicklung des Endlagersystems immer eine gewisse Menge Wasser im Endlagerbergwerk zur Verfügung, sodass die Prozesse zumindest teilweise ablaufen können und nicht die gesamte zur Verfügung stehende Stoffmenge umgesetzt wird. Gasbildende Prozesse sind  die Radiolyse,  die Korrosion von Metallen und  die mikrobielle Degradation von organischen Stoffen. Für die Gasbildungsprozesse ist die Anwesenheit von Wasser notwendige Voraussetzung. Das jeweils betrachtete Szenario der Endlagerentwicklung bestimmt dabei die zu berücksichtigenden Wassermengen. Das Wasser kann aus unterschiedlichen Quellen in

376

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

das Endlager eingetragen werden, wobei manche Quellen nur bei gestörten Entwicklungen des Endlagersystems relevant sind:  Natürliche Feuchte auf den Schichtgrenzen der Salzkristalle im Wirtsgestein („Porenwasser“): Steinsalz weist einen natürlichen Wassergehalt von 0,1 bis 1 ‰ auf.  Mikroskopische Lösungseinschlüsse im Salzgestein: In den einzelnen Salzkristallen des Wirtsgesteins können sich kleinste Lösungseinschlüsse befinden.  Mit dem Versatz eingebrachte Feuchte: Mit dem Versatz wird je nach Trocknungsgrad eine Wassermenge von 2 (trocken) bis 20 (luftfeucht) kg Wasser pro Kubikmeter Salzgrusversatz eingebracht.  Zufluss aus makroskopischen Lösungseinschlüssen im Wirtsgestein: In Salzformationen sind üblicherweise Lösungseinschlüsse vorhanden, deren Volumina bis zu einigen hundert Kubikmetern betragen können. Falls diese Lösungseinschlüsse im Rahmen der Erkundungsarbeiten nicht erkannt werden, können diese ihren Lösungsinhalt in das Endlager freisetzen.  Zufluss aus dem Deckgebirge über den Schacht oder sonstige Wegsamkeiten. Die Ausbreitung des Gases in das Salzgestein ist vor allem vor dem Hintergrund des Konzeptes des vollständigen Einschlusses der Radionuklide in der Wirtsformation zu betrachten. Dies beinhaltet die Frage, ob der Restporenraum im Wirtsgestein zusammen mit dem Gasspeichervermögen des Wirtsgesteins ausreicht, um alle gebildeten Gase zu speichern, und wie ausgedehnt dann der mit Gasen imprägnierte Bereich ist, oder ob Gase aus dem Wirtsgestein in das Deckgebirge freigesetzt werden. Dies würde eine Beeinträchtigung der Integrität der Wirtsgesteinsformation darstellen. Ebenso wie die natürliche Barriere des Wirtsgesteins können auch die geotechnischen Verschlussbauwerke durch das Auftreten hoher Gasdrücke in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Dies betrifft zum einen die Permeabilität der geotechnischen Verschlussbauwerke selbst wie auch deren Ankopplung an das Wirtsgestein. Eventuell entstehende Störzonen um die Verschlussbauwerke herum könnten dabei zu Randläufigkeiten bei der Fluidbewegung führen. Dies stellt eine Beeinträchtigung der Integrität von Verschlussbauwerken dar. Das im Grubengebäude produzierte Gas wird im Porenraum des Versatzes transportiert. Die Transportmechanismen sind zum einen die Diffusion aufgrund von Konzentrationsunterschieden der Gase und zum anderen die gasdruckinduzierte Advektion. Im Fall der Normalentwicklung des trockenen Endlagers ist dies eine Einphasenströmung, deren advektiver Fluss sich durch den Druckgradienten und die Gaspermeabilität der durchströmten Materialien bestimmt. Bei sehr undurchlässigen Materialien wie den Abdichtungen muss ein bestimmter Schwelldruck überschritten werden, bevor der Gasfluss einsetzen kann. Dieser Schwelldruck wird auch Gaseindringdruck genannt. Der Gasdruck im Endlager bestimmt sich zum einen aus der Gasmenge aus eingeschlossener Luft und produzierten Gasen und zum anderen aus dem zur Verfügung stehenden Hohlraum, welcher sukzessive durch die Konvergenz verringert wird. Der Gasdruck erhöht sich also

8.6 Langzeitsicherheitsnachweis

377

durch zwei Prozesse: die fortschreitende Gasproduktion und die Verringerung der Hohlräume durch die Konvergenz. Sobald der Gasdruck im Endlager den lithostatischen Druck in der Endlagertiefe erreicht, endet die weitere Konvergenz der Hohlräume. Hält die Gasproduktion zu diesem Zeitpunkt noch an, so würde dies im Prinzip zu einer weiteren Druckerhöhung über den Gebirgsdruck hinaus führen. Demgegenüber können aber beim Erreichen des Gebirgsdrucks die dann gebildeten Gase in das Steinsalzgebirge eindringen und abtransportiert werden. Dabei wird die lokale Festigkeit des Salzgesteins überwunden und die Gaspermeabilität des Gesteins erhöht. Dieser Prozess ist reversibel, sodass bei einem Absinken des Gasdrucks die ursprüngliche Permeabilität des Salzgesteins wieder hergestellt wird [60]. Die in einem Endlager gebildeten Gase können einen Einfluss auf das geochemische Milieu und somit auf Prozesse und Eigenschaften im Endlager haben, die vom geochemischen Milieu abhängig sind. Dies betrifft vor allem die Löslichkeit der Radionuklide und deren Sorptionsverhalten im Grubengebäude sowie die Korrosionsrate der Brennstoffbzw. Glasmatrix und somit die Freisetzungsraten der Radionuklide aus der Abfallmatrix. Die das geochemische Milieu beeinflussenden Gase, welche im Endlager gebildet werden können, sind vor allem der Wasserstoff aus der Korrosion des Eisens und das Kohlendioxid aus der eventuellen Degradation organischer Komponenten. Mit zunehmendem Wasserstoffpartialdruck wird das geochemische Milieu zunehmend reduzierend und beeinflusst somit die Zustände Redox-sensitiver Radionuklide wie z. B. Uran, Plutonium, Neptunium, Selen und Technetium.

8.6.3 Modellgebiet C gemäß Abb. 8.14 – Stofftransportmodellierung für den Fernbereich Entsprechend dem jeweils betrachteten Szenario gelangen Schadstoffe aus dem Nahfeld in das Fernfeld und werden dort mit dem Grundwasser in die Biosphäre transportiert. Während man bei Endlagern im Kristallin (z. B. Granit) oder in Tongestein unter Fernfeld das Gebiet außerhalb der technischen Bentonitbarrieren, also Wirtsgestein und Deckgebirge, versteht, betrachtet man bei Endlagern in Salzgestein nur das Deckgebirge und den nicht aufgelockerten Teil des Wirtsgesteins als Fernfeld. Im Szenario der ungestörten Entwicklung eines Endlagers in Salzgestein wird von einer Durchströmung des Fernfeldes ausgegangen, wobei aber aufgrund der Dichtheit des Salzgesteins das Grundwasser nicht kontaminiert wird und damit kein Radionuklidtransport stattfindet. Erst bei Störfallszenarien kommt es zur Freisetzung und zum Transport von Radionukliden durch das Fernfeld. Die Freisetzung von Radionukliden aus einem Endlager im Steinsalz kann durch Konvergenz und durch Gasproduktion hervorgerufen werden, bei der die kontaminierte Lösung auch aus dem Endlager in das Deckgebirge ausgepresst wird. Bei dieser nicht bestimmungsgemäßen Entwicklung erreichen Radionuklide aus einem Endlager so tiefliegende Grundwasserleiter und können von dort über den Wasserpfad in die Biosphäre transportiert werden.

378

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

Bei einem Endlager in Tongestein geht man von einem rein diffusiven Radionuklidtransport im Wirtsgestein selbst aus, nur innerhalb des Deckgebirges kann auch advektiver Transport stattfinden. Im Gegensatz dazu geht man bei einem Endlager in kristallinen Gesteinen davon aus, dass immer ein advektiver Radionuklidtransport über Klüfte stattfindet. Die Struktur und die Eigenschaften des Deckgebirges müssen dabei ausführlich beschrieben sein. Für den Standort Gorleben siehe [56]. Bei der Freisetzung der Radionuklide aus dem ewG in das Deckgebirge erfolgt eine Verdünnung der Radionuklidkonzentration in den Grundwasserstrom im Deckgebirge. Der Transport der Radionuklide im Deckgebirge erfolgt durch Advektion, Diffusion und Dispersion sowie eine Rückhaltung durch Sorption. Wie oben bereits hingewiesen, ist für die Transportmodellierung eine hinreichend genaue Beschreibung der Grundwasserströmung Voraussetzung. Das folgende Modell kann als hinreichend gesichert gelten. Die Grundwasserströmung wird als laminar angenommen. Für die Modellierung werden die Fluidmasse lokal (das heißt innerhalb eines Volumenelements) und für das gesamte Modellgebiet bilanziert, Gl. 8.21. Bei dichtegetriebenen Strömungen werden zusätzlich noch simultan die Masse des gelösten Salzes, Gl. 8.22 und/oder die Wärmemenge bilanziert. Im Falle einer nicht dichtegetriebenen Strömung entfällt Gl. 8.22, siehe Potenzialströmung [52].

n ¡f qE ¦S DS

@ E  .q¡f / D 0 .n¡f / C r @t

(8.21)

  @ E S  Dz ¡f r¦ E S D0 E  qE¡f r¦ .n¡f ¦S / C r @t

(8.22)

durchlaufwirksame Porosität [-], Dichte des Fluids [kg m3 ], Filter-(Darcy-)Geschwindigkeit [m s1 ], Massenbruch des gelösten Salzes [kg kg1 ], Diffusions-Dispersionstensor für Salzlösung [m2 s1 ].

Sowohl für den porösen als auch für den geklüfteten Bereich gilt im Fall einer laminaren Strömung der lineare Darcy-Ansatz für Potenzialströmungen bzw. der erweiterte Darcy-Ansatz für Dichteströmungen: E D qE D Krh K Durchlässigkeitstensor [m s1 ], E hydraulisches Gefälle [-], rh k Permeabilitätstensor [m2 ],  dynamische Viskosität [Pa s],

 k E rp C ¡Eg 

(8.23)

8.6 Langzeitsicherheitsnachweis

379

E Druckgefälle [Pa m1 ], rp ¡ Dichte des Fluids [kg m3 ], gE örtliche Erdbeschleunigung = 9,81 [m s2 ]. Zur Simulation der Grundwasserströmung in porösen Medien werden Gl. 8.21, 8.22 und 8.23 für zwei oder drei Dimensionen simultan mit entsprechenden Rand- und Anfangsbedingungen numerisch gelöst. Für geklüftet-poröse Medien können die entsprechenden Gleichungen z. B. [34] entnommen werden. Die Simulationen des Strömungsfeldes werden im Allgemeinen, um die zeitliche Entwicklung des Strömungssystems nachvollziehen zu können (historical matching), transient bis zur Stationarität durchgeführt. Da man hauptsächlich an der Beschreibung der Strömung im tiefen Untergrund interessiert ist, geht man allgemein von gespannten Grundwasserverhältnissen aus. Dabei werden die Standrohrspiegelhöhen als Druck vorgegeben und die Grundwasserneubildung ergibt sich aus der Rechnung. Dies führt häufig zu Diskrepanzen zwischen Messung und Simulation für die Grundwasserneubildung und/oder den gemessenen und angenommenen Permeabilitäten in den obersten Schichten des Modellgebietes. Dieses Vorgehen ist wegen der langen betrachteten Zeiträume und wegen des Interesses an der Strömung im tiefen Untergrund akzeptabel, zumal sich dadurch der Rechenaufwand beträchtlich reduziert.

8.6.4 Modellgebiet D gemäß Abb. 8.14 – Ermittlung möglicher Strahlenexpositionen aufgrund des Eintretens von A20 , radiologische Auswirkungen in der Biosphäre, anerkannte Expositionsmodelle Zur Ermittlung von radiologischen Auswirkungen in der Biosphäre ist in Langzeitsicherheitsanalysen zum einen der Transfer der Radionuklide innerhalb der Biosphäre zu modellieren. Zum anderen ist eine Person oder eine Personengruppe mit ihren Lebensgewohnheiten zu definieren, für welche die Auswirkungen ermittelt werden sollen. Es können unterschiedliche Zielsetzungen für die Modellierung vorgegeben werden. Dabei kann der Fokus darauf gelegt werden, die Auswirkungen    

möglichst realistisch, im Sinne von Mittelwerten, mit einem bestimmten Perzentil (z. B. 95 %-Perzentil) abdeckend oder grundsätzlich abdeckend

zu ermitteln. Für Langzeitsicherheitsanalysen ist es in der Regel erforderlich, grundsätzlich abdeckende Modelle und Parameterwerte zu verwenden oder umfangreiche Unsi20

A: Lösungszutritt aus dem Wirtsgestein in die Einlagerungsbereiche (ewG).

380

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

cherheitsanalysen und Sensitivitätsanalysen bezüglich der Parameterwerte durchzuführen, beispielsweise um Auswirkungen von Klimawechseln zu erfassen. In Deutschland wird bei der Ermittlung der Strahlenexposition von Personen der Bevölkerung im Allgemeinen auf eine „Referenzperson“ Bezug genommen. Diese ist in der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) mit bestimmten Eigenschaften und Lebensgewohnheiten definiert und wird bei der Ermittlung der Strahlenexposition durch Ableitungen von Luft und Wasser aus kerntechnischen Anlagen verbindlich gemacht. Weiter konkretisiert wird das Modell zur Ermittlung der Strahlenexposition in der AVV zu § 45 StrlSchV [57]. Das in der AVV festgelegte radioökologische Modell ist durch folgende grundsätzliche Sachverhalte charakterisiert:  Zugrunde zu legen sind reale Nutzungsmöglichkeiten in der Umgebung, also nicht die aktuell tatsächlich vorliegenden Arten der Nutzung wie Wohnbebauung, Landwirtschaft etc.  Die Ermittlung der Ausbreitung in die Umgebung erfolgt möglichst realitätsnah durch Verwendung standortspezifischer statistischer Datensätze aus langfristigen meteorologischen Messungen.  Viele Parameterwerte sind nicht als abdeckend anzusehen, sondern eher als Durchschnitt von zum Teil erheblich streuenden Werten (z. B. Transferfaktoren Bodenpflanze, Dosiskoeffizienten).  Den Verzehrsraten von Lebensmitteln liegen statistische Daten zugrunde, mit denen das 95 %-Perzentil abgedeckt werden soll, siehe [66] und [67].  Einige Annahmen sind in hohem Maße abdeckend (z. B. ganzjähriger Aufenthalt der Referenzperson im Freien, Bezug aller Lebensmittel der Referenzperson von der ungünstigsten Einwirkungsstelle).  Insgesamt soll das Ergebnis abdeckend sein, was insbesondere durch die letztgenannten Annahmen erreicht wird. Bei den bisher durchgeführten Langzeitsicherheitsanalysen wurden bereits für mehrere Szenarios probabilistische Expositionsabschätzungen durchgeführt, siehe [32] und [35]. So wurde auch ein Szenario „Normale Entwicklung“ untersucht. Es wurde unterstellt, dass durch Behälterkorrosion in zunehmendem Maß Radionuklide in das Grubengebäude freigesetzt werden, diese mit Sickerwässern bis in wasserführende Horizonte gelangen und in 18 km Entfernung als Grundwasser genutzt werden. Im Rahmen dieser probabilistischen Analyse wurden die Dosisverläufe für dieses Szenario sowie die Mittel- bzw. Median- und die Ober- und Untergrenzen des 90 %-Vertrauensintervalls für die Strahlenexposition aller Einzelsimulationen sowie die regulatorischen Grenzwerte (0,15 mSv/a in den ersten 10.000 Jahren der Stilllegungsphase und danach 3,5 mSv/a) ermittelt und dargestellt. Dieses, von den Autoren als wissenschaftlich belegbares proof-sharing bezeichnet, wird auch in den USA für den Langzeitsicherheitsnachweis zur Genehmigung des zentralen geologischen Endlagers am Yucca Mountain zur Anwendung gebracht. Da-

8.6 Langzeitsicherheitsnachweis

381

rin wird der Betrachtungszeitraum geteilt in einen Zeitraum bis 10.000 Jahre, für den man über gesicherte wissenschaftliche Daten und Erkenntnisse verfügt, und in einen Zeitraum von 10.000 bis 1.000.000 Jahre, bei dem die Aussagen mit erheblichen Unsicherheiten hinsichtlich Daten, Prozessen und Modellen verbunden sind. Eine zeitliche Extrapolation gewonnener Daten und daraus abgeleiteter Prozessbeschreibungen und Modelle ist mit großen Fehlern behaftet, sodass diese Vorgehensweise wegen des großen Zeitraumes wissenschaftlich begründet erscheint. Ob die regulatorischen Grenzwerte bei 0,15 mSv/a in den ersten 10.000 Jahren der Stilllegungsphase und danach 3,5 mSv/a so festgelegt werden sollten, ist dabei zunächst sekundär, siehe [36]. Seit 1991 befasst sich die Working Group on Principles and Criteria for Radioactive Waste Disposal (bis 1995 INWAC Subgroup on Principles and Criteria for Radioactive Waste Disposal) der IAEA, die dort dem International Radioactive Waste Management Advisory Committee (INWAC) zugeordnet ist, mit bestimmten Fragen der Endlagerung radioaktiver Abfälle. In ihrem vierten Bericht, [58], befasste sich die Arbeitsgruppe mit der „kritischen Gruppe“ und der Modellierung der Biosphäre in Zusammenhang mit der Dosisermittlung beim Langzeitsicherheitsnachweis eines Endlagers. So lief das von der IAEA initiierte Programm BIOMASS im Oktober 1996 an. Der erste Schritt in der Bestimmung einer repräsentativen Biosphäre für die Dosisabschätzung ist nach [59] die Definition des Kontextes für diese Abschätzung. Dieser Schritt umfasst die  Festlegung der Aufgabe der Abschätzung und der zu berücksichtigenden Bewertungsgrößen (z. B. Individualdosis, Kollektivdosis, Risiko),  Erfassung des Zusammenhangs von Endlager und Standort,  Ermittlung des Quellterms, die Befassung mit der Schnittstelle von Geosphäre und Biosphäre,  Festlegung des Zeithorizonts der Berechnungen,  Definition der zugrunde zu legenden Philosophie (insbesondere Grad der angestrebten Konservativität). Die in [59] entwickelten Beispiele für Referenzbiosphären dienen einerseits der Demonstration des Vorgehens, sollen aber andererseits auch geeignet sein, in vielen Kontexten praktisch verwendet werden zu können. Drei Referenzbiosphären wurden entwickelt, die sich auf ein gemäßigtes Klima und sich nicht verändernde Bedingungen in der Biosphäre beziehen:  Entnahme von Trinkwasser aus dem kontaminierten Grundwasserleiter über einen Brunnen,  Bewässerung landwirtschaftlich genutzter Flächen mit Wasser aus dem kontaminierten Grundwasserleiter über einen Brunnen,

382

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

 natürlich bedingter Austrag aus einem kontaminierten Grundwasserleiter in verschiedene Lebensräume, u. a. kulturfähiges Land, Weideland, halbnatürliche Feuchtgebiete, Binnensee. Darüber hinaus wurden in [59] zur Demonstration drei Referenzbiosphären entwickelt, die sich ändernde Biosphären beinhalten. Dabei wurden zwei reale Standorte, über die detaillierte Informationen verfügbar waren (Harwell, Südengland und Äspö, Schweden) und ein generischer Standort untersucht.

8.7 Umweltüberwachung und Beweissicherung Die Ausweisung einer Langzeitsicherheit, die letztendlich zur Genehmigung eines Endlagers am Standort X führen soll, schließt ja nicht aus, dass Störfälle eintreten und es letztendlich zum Radionuklidtransport in die Biosphäre kommen kann. Es ist zwingend im Sinne der Transparenz gegenüber der Bevölkerung und im Sinne der öffentlichen Sicherheit, dass der Endlagerstandort großräumig überwacht wird. Aufgabe einer Umweltüberwachung wird es sein, den Ausgangszustand der Umwelt am Standort eines künftigen Endlagers über mindestens zehn Jahre zu erheben, die Entwicklung anschließend während der Einrichtungsphase, der anschließenden Betriebsphase und über einen angemessenen Zeitraum der Nachverschlussphase, mindestens jedoch über 500 Jahre zu überwachen. Somit kann auch eine noch so geringe Auswirkung des Endlagers auf die Umwelt nachgewiesen werden. Das vorgeschlagene Monitoring ist unabhängig von der Art des Endlagers (Tiefenlager oder oberflächennah). Die Probennahme soll neben meteorologischen Beobachtungswerten auch den Luft-, Wasser- und Bodenpfad umfassen. Dazu sind ständige Umweltbeobachtungsstationen sowohl mit Sensoren als auch mit konventioneller Messtechnik einzurichten und mit Analysetechnik zu koppeln. Innerhalb dieses Gebietes werden detailliertere Studien in einem mehr als 200 km2 großen Bezugsbereich durchgeführt. Das einzurichtende Untersuchungssystem soll mehrere Hundert stationäre Beobachtungspunkte sowie Daten von Satelliten- und Luftbildern, Versuchsparzellen und Dauerüberwachungsstationen (im Wald, in landwirtschaftlichen Bereichen, Luftüberwachungsstationen und Gewässerüberwachungsstationen) beinhalten. Das Messnetz soll dem Überwachungsverlauf nachgeführt werden. Jährlich soll eine Überwachung der Flora und Fauna an mehr als 1000 Punkten, der landwirtschaftlichen Erzeugung an etwa mehr als 100 Punkten erfolgen, und zur Überwachung der physikalisch-chemischen und biologischen Bodengüte sollen mehr als 1 t Proben entnommen und analysiert werden. Die mehreren 10.000 Daten sollen einheitlich nach bester geltender Praxis (best practice) gesammelt werden.

8.8 Safety Case

383

Um die Nachvollziehbarkeit und den dauerhaften Bestand der von einer unabhängigen Behörde gesammelten Daten zu gewährleisten, wird vom BKE eine Ökothek eingerichtet. Hier können Proben aus der lokalen landwirtschaftlichen Nahrungsmittelkette (Milch, Käse, Mais, Gemüse, Obst etc.), aus den Waldökosystemen (Blätter, Pilze, Holz, Wild etc.) und aus der aquatischen Umwelt (Wasser, Fische etc.) aufbewahrt werden. Die Ökothek wird mindestens 500 Jahre lang betrieben, um die Veränderung der Umwelt während der Phasen des Endlagers verfolgen zu können. In nationalen und internationalen Partnerschaften können in diesem Rahmen wissenschaftliche Untersuchungen unter Anwendung eines Beobachtungssystems (IAEA, Euratom) durchgeführt werden. Dafür wird ein Qualitätsmanagementsystem entwickelt, das von einer unabhängigen Behörde in angemessenen Zeiträumen zu zertifizieren ist. Die Darlegungen zum Endlager-Monitoring finden sich in Kap. 9.

8.8

Safety Case

Im Safety Case für ein Endlagerprojekt wird das Vorhaben beschrieben, und es wird nachgewiesen, dass das Endlager mit dem zugrunde gelegten Sicherheitskonzept die Sicherheitsanforderungen für den Betrieb und einen langen Zeitraum nach Verschließen des Endlagers erfüllt. Dabei stellt der Safety Case jeweils den zentralen Unterlagensatz für die Genehmigung bzw. Entscheidung für die einzelnen Realisierungsschritte dar, siehe Abb. 8.15.

Abb. 8.15 Zusammenhang von Safety Case, Langzeitsicherheitsnachweis und Langzeitsicherheitsanalyse

384

8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

8.9 Ausblick Nachteil der Endlagerung in tiefen geologischen Formationen ist, dass – gemessen an der Langlebigkeit der Abfälle – eine Beobachtung der im Endlager ablaufenden Prozesse wie z. B. der geochemischen Wechselwirkungen nur relativ kurzzeitig und dann nur eingeschränkt möglich ist. Die in der Sensitivitätsanalyse ermittelten Eingabewerte, auf die das Ergebnis am empfindlichsten reagiert, und die ergänzende Unsicherheitsanalyse sind weitere Hilfsmittel, um den Lösungsbereich einzugrenzen. Sie können Fehleinschätzungen jedoch nicht vollständig ausschließen. Nachhaltige Störungen werden erst in sehr in großem zeitlichem Abstand nach Störungseintritt erkennbar, wenn überhaupt. Auch eine falsche Standortentscheidung wäre dann nicht mehr korrigierbar und Reparaturmaßnahmen im Endlager selbst wären praktisch nicht mehr möglich. Die Vorkehrungen für Reversibilität, Wiederauffindbarkeit, Bergbarkeit und Rückholbarkeit sind immens, und es ist nicht sicher, dass diese über einen sehr langen Zeitraum erhalten bleiben. Bei der Entscheidung für eine Endlagerung in tiefen geologischen Schichten ergeben sich hohe Anforderungen an das Verfahren zur Standortauswahl, an den Eignungsnachweis für das Endlager und insbesondere auch an das Verfahren für den Langzeitsicherheitsnachweis. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wesentliche Grundlagen für den Langzeitsicherheitsnachweis und die erreichbare Prognosesicherheit bereits mit der Standortfestlegung gelegt werden. Die Verfahren müssen daher methodisch richtig und in sich schlüssig sein, die rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in angemessener Weise und verbindlich erfüllen sowie für fachlich Außenstehende nachvollziehbar sein. Dazu gehört auch die Vermittlung der wissenschaftlich-technischen Grundlagen und des internationalen Standes von Wissenschaft und Technik. Eine Prognose über die Entwicklung des Menschen und der menschlichen Gesellschaft mit ihren Ansprüchen und Bedürfnissen ist aber bestenfalls für Zeiträume von vier bis sechs Generationen möglich. Es ist deshalb zielführend, ein Endlagersystem so auszuwählen, dass bei seiner Normalentwicklung eine Freisetzung von Radionukliden aus dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich in den ersten 104 Jahren nicht zu befürchten ist. Für den Nachweiszeitraum von 106 Jahren soll die Freisetzungsrate von Radionukliden klein sein gegenüber den natürlich auftretenden Radionuklidkonzentrationen, siehe auch [36]. Es lohnt sich deshalb umfänglich und sorgfältig zu prüfen, welche Alternativen sich zur Endlagerung in tiefen geologischen Schichten auftun und ob diese von der Gesellschaft angenommen werden. Die sorgfältige Prüfung der Behandlung wärmeerzeugender radioaktiver Abfälle mit dem P&T-Verfahren hin zu kurzlebigeren und wenig wärmeerzeugenden Abfällen sollte nicht leichtfertigt unterlassen werden, auch vor dem Hintergrund internationaler Kooperation und von Programmen, die auch Deutschland stützt und finanziert. Möglicherweise sollte ein Pilotendlager angelegt werden, aus dem man wichtige Erkenntnisse im Detail gewinnen kann. Da keine Eile bei der Errichtung eines Endlagers für wärmeerzeugende HAW geboten ist, können sich mehrere Wege für die Realisierung eines deutschen Endlagers für wärmeerzeugende HAW auftun:

8.9 Ausblick

385

 Da weltweit ein Ausstieg aus der Kernenergie nicht zu erwarten ist, kann man derzeit von einer ersten Endlagergeneration sprechen. Zumindest werden in anderen Ländern wie Frankreich, Schweden, Finnland, die USA etc. mehr Endlager benötigt, als die, die gegenwärtig gebaut bzw. in der Genehmigungsphase sind, sodass damit auch eine Weiterentwicklung der Entsorgungsmöglichkeiten und -verfahren einhergehen wird. Nach derzeitigem Stand ist zu erwarten, dass Deutschland den avisierten Termin der Inbetriebnahme im Jahre 2050 für ein Endlager für wärmeerzeugende HAW nicht einhalten wird. Allein die Genehmigungsphase für Schacht Konrad hat ca. 25 Jahre gedauert. Es ist eher davon auszugehen, dass die Inbetriebnahme nicht vor 2075 erfolgt.  In einem derart langen Zeitraum sind erheblicher Erkenntnisgewinn und die Weiterentwicklung von Verfahren und Methoden zu erwarten, sodass es angeraten erscheint, nachfolgende Generation(en) am Entscheidungsprozess zu beteiligen. Hierzu gehört auch möglicherweise die Einbeziehung von P&T in den Prozess. Genau genommen steht dieses Verfahren aber gegenwärtig nicht zur Verfügung. Einerseits weil das Verfahren noch nicht technisch ausgereift ist und andererseits, weil in Deutschland seit Juli 2005 die Wiederaufbereitung verboten ist. Sie verstößt gegen die im Atomgesetz in § 9a (1) geforderte „schadlose Verwertung“. Der § 9a (1) „. . . hat dafür zu sorgen, dass anfallende radioaktive Reststoffe sowie ausgebaute oder abgebaute radioaktive Anlagenteile den in § 1 Nr. 2 bis 4 bezeichneten Zwecken entsprechend schadlos verwertet oder als radioaktive Abfälle geordnet beseitigt werden (direkte Endlagerung). Die Abgabe von aus dem Betrieb von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität stammenden bestrahlten Kernbrennstoffen zur schadlosen Verwertung an eine Anlage zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe ist vom 1. Juli 2005 an unzulässig.“

Langfristig könnte aber an ein regionales Szenario in Europa mit gemeinsamer Nutzung von Anlagen und Teilung der Kosten, z. B. gemeinsame Nutzung von Anlagen des Brennstoffkreislaufs (Brennstoffherstellung und -verarbeitung, Transmutationsreaktoren), gedacht werden.  Bis zur Inbetriebnahme eines Endlagerlagers für wärmeerzeugende HAW laufen alle Betriebsgenehmigungen der in Deutschland bestehenden Zwischenlager aus. Zwar hat die RSK in ihrer Stellungnahme vom 11. Juli 2002 festgestellt, dass die Sicherheit deutscher Zwischenlager für bestrahlte Brennelemente in Lagerbehältern bei gezieltem Absturz von Großflugzeugen gewährleistet ist, da „. . . die Transport- und Lagerbehälter auch im Falle des gezielten Absturzes eines Großflugzeuges die wesentliche Schutzfunktion des sicheren Einschlusses der radioaktiven Stoffe aufgrund ihrer Bauweise bei mechanischer und thermischer Belastung gewährleisten.“

Dennoch verlangt die Einbeziehung der Zwischenlager in das Entsorgungskonzept in Deutschland zwingend, die Sicherheitsanforderungen anzuheben, damit diese auf den Stand der Technik nachgeführt werden. Es wird die Errichtung von drei bis fünf

386

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oberflächennahen Übergangslagern in Kavernen oder Bunkern angeregt, wobei eines gleichzeitig Pilotprojekt für eine oberflächennahe Endlagerung sein könnte.  Über solch einen langen Zeitraum die oberflächennahe Endlagerung bereits auszuschließen, erscheint unangebracht, zumal über 500 Jahre eine Reversibilität der Abfallbehälter gewährleistet sein soll. Mit entsprechend ausgestatteten Übergangslagern lassen sich wesentliche Informationen und Erfahrungen zur Endlagerung gewinnen, um den Übergang zur Endlagerung bestmöglich zu gewährleisten – eine entsprechende Instrumentierung, Datengewinnung und -auswertung vorausgesetzt. Der Einsatz von Sensortechnik bietet hierbei bisher nicht erschlossene Möglichkeiten [61].  Die Ausstattung mit einem Langzeit-Monitoring mit umfänglicher Umweltüberwachung, wodurch Informationen über langwierige Prozesse erhalten werden, ist zwingend geboten. Aufgabe einer Umweltüberwachung wird es sein, den Ausgangszustand der Umwelt am Standort eines künftigen Endlagers zu erheben, die Entwicklung anschließend während der Einrichtungsphase, die anschließende Betriebsphase und über einen angemessenen Zeitraum auch die Nachverschlussphase, mindestens jedoch über 500 Jahre zu überwachen. Damit kann auch eine noch so geringe Auswirkung des Endlagers auf die Umwelt nachgewiesen werden.  Dieser erhebliche Aufwand ist auch deshalb erforderlich, um der nachfolgenden Generation geeignete Verfahren und Methoden sowie umfängliches Datenmaterial zu übergeben, um die Sicherheit des Standortes fortschreiben zu können und um die Endlagerforschung weiter zu entwickeln. Die gegenwärtige Generation leistet praktisch Pionierarbeit in der Endlagerforschung. Das Endlagerkonzept, das als Multibarrierensystem aus natürlichen und technisch/geotechnischen Barrieren aufgebaut sein sollte, wird sicher als allgemein richtig anerkannt. Dass die technisch/geotechnischen Barrieren insbesondere zum geforderten Isolationsvermögen beitragen werden, soll hier nochmals herausgestellt werden. Es wird zukünftig möglich sein, Behälter mit Abfallmatrizen herzustellen, die die eingeschlossenen Radionuklide bis zu 500.000 Jahre immobil halten und fixieren, auch im Falle des Wasserzutritts. Es scheint deshalb geboten, dass auch in Deutschland der Betrachtungszeitraum geteilt wird (proof-sharing)  in einen Zeitraum von 10.000 Jahren, für den man über gesicherte wissenschaftliche Daten und Erkenntnisse verfügt, mit einem regulatorischen Grenzwert für die Ortsdosisleistung von 0,15 mSv/a (Freisetzung von Radionukliden in diesem Zeitraum aus dem ewG nicht zu befürchten) und  in einen Zeitraum von 10.000 bis 1.000.000 Jahren, bei dem die Aussagen mit erheblichen Unsicherheiten in Daten, Prozessen und Modellen verbunden sind, mit einem regulatorischen Grenzwert von 3,5 mSv/a (Freisetzungsrate von Radionukliden in diesem Zeitraum klein gegenüber den natürlich auftretenden Radionuklidkonzentrationen).

Literatur

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Technische Barrieren in einem Endlagersystem, die ein garantiertes Isolationsvermögen von bis zu 500.000 Jahren besitzen, sind auch ein Fingerzeig dafür, dass oberflächennahe Endlager durchaus berechtigt sein können, zumal sie über die Nachverschlussphase zu kontrollieren und der Nachsorge zugänglich wären. Der Safety Case sollte auch die Szenarien „Human Intrusion“ und „Klimawandel“ enthalten. Es wird vorgeschlagen,  für die Standortauswahl zur Endlagerung von wärmeentwickelnden HAW in tiefen geologischen Formationen bereits bekannte höffige Bereiche weitestgehend auszuschließen,  dass die Akte (Abschlussdokumentation) im Kataster des jeweilig zuständigen Bergamtes geführt wird und dort verbleibt,  dass das gesamte Feld aus tiefen geologischen Formationen und ihre obertägige Projektion dauerhaft im Eigentum des Bundeslandes verbleibt,  dass eine dauerhafte obertägige Kennzeichnungspflicht und ein Schürfverbot durch das zuständige Bergamt besteht. Das Human Intrusion Szenario verlangt praktisch ein „Hüte“-Konzept, wie oben angedeutet, das in der derzeitigen Endlagerphilosophie allerdings ausgeschlossen wird.

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8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

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8 Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke

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9

Umwelt-Monitoring

Das Umwelt-Monitoring ist für alle für die Endlagerung radioaktiver Rückstände und Abfälle zur Anwendung kommenden Geotechnischen Umweltbauwerke integraler Bestandteil eines Endlagerkonzeptes. Dabei kann auf die Ausführungen von Kap. 5 verwiesen werden, in welchem ein solches für die langzeitsichere Verwahrung von Uran-Tailings ponds vorgestellt ist. Die Darlegungen hier beschränken sich deshalb zunächst auf die Endlagerung von radioaktiven Abfällen, insbesondere von hochradioaktiven, wärmeerzeugenden Abfällen (HAW-HGT). Das Monitoring gewährleistet in einem Endlager die sicherheitsrelevanten Anforderungen. Dies betrifft sowohl die Betriebsphase als auch die Nachverschlussphase. In den nachfolgenden Ausführungen sollen die Anforderungen an ein Monitoring-Programm als integraler Bestandteil eines Endlagerkonzeptes herausgearbeitet werden.

9.1

Endlagerprogramm und Monitoring

Das lange von vielen Staaten favorisierte Konzept der wartungsfreien direkten Endlagerung von hochradioaktiven, wärmeerzeugenden Abfällen (HAW-HGT) wurde in den letzten Jahren in besonderer Weise infrage gestellt. Einige Länder wie Frankreich, Schweden, Finnland, die Schweiz etc. verlassen den Pfad der wartungsfreien Endlagerung. Sie öffnen sich neuen Konzepten, die in der Regel im Rahmen eines schrittweisen Vorgehens auch auf Optionen der gezielten Rückholbarkeit und der Bergung der Abfälle verweisen. Damit wird davon ausgegangen, dass die privaten oder öffentlichen Betreiber sowohl das Bergwerk als auch die deponierten Abfälle über nennenswerte Zeiträume beobachten müssen. Geschieht dies wissensgestützt, systematisch und risikobewusst, so wird dies unter „Monitoring“ eines Endlagersystems subsumiert. Dabei ist es möglich, dass ein Monitoring den Zeitpunkt, zu dem die Kontrolle über die Abfälle vollständig an die Entsorgungstechnik abgegeben werden muss, zeitlich in die Zukunft verschiebt [2]. Für Deutschland ist © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 M. Lersow, Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57822-3_9

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Umwelt-Monitoring

dies nicht auszuschließen. Die Notwendigkeit für eine zeitnahe Endlagerung der hochradioaktiven, wärmeerzeugenden Abfälle besteht derzeit nicht. Der Begriff „Monitoring“ wird im Zusammenhang mit der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände zumeist auf die technische Erfassung von Daten zur Entwicklung eines Endlagers und dessen Umgebung bezogen, siehe auch [5]. Dies impliziert die Wiederholung geotechnischer und technischer Messungen über lange Zeiträume hinweg. Das wiederholte Messen der Daten dient hierbei als Entscheidungsgrundlage für oder wider eine Option. Da Entscheidungen im Spannungsfeld von Technologie und Geologie jedoch auch immer Auswirkungen auf das soziale Umfeld haben, wird in [5] eine Differenzierung des Monitoring-Begriffs nach sozialem und technischem Monitoring vorgeschlagen. Im Gegensatz zum technischen Monitoring richtet sich das soziale Monitoring nicht auf die Erhebung von Daten, sondern betrachtet die gesellschaftlichen Prozesse, die notwendig sind, um technische Daten in Handlungsoptionen umzusetzen [5]. Mithilfe des soziale Monitorings können zu vermutende kumulierte soziale Problemlagen im Zusammenhang mit der Standortauswahl, der Errichtung, dem Betrieb und dem dauerhaften sicheren Verschluss eines Endlagers identifiziert werden, woraus wiederum Problemlösungen abgeleitet werden können. Das soziale Monitoring bedient sich meistens des Indexverfahrens mit ausgewählten Indikatoren (Aufmerksamkeitsindikatoren), um damit die sozialen Problemlagen in unterschiedliche soziale Status- und Dynamikklassen einteilen und bewerten zu können. Indikatoren im Zusammenhang mit Endlagerstandorten sind z. B. das vermutete Risiko und die vermuteten Nachteile aus dem Endlagerstandort. Im Jahre 2016 ist das Gesetz zur Neuordnung der Organisationsstruktur im Bereich der Endlagerung [24] in Kraft getreten. Gemäß § 8 (1) dieses Gesetzes wurde ein pluralistisch zusammengesetztes Nationales Begleitgremium (NBG) zur gemeinwohlorientierten Begleitung des Standortauswahlverfahrens in Deutschland eingesetzt. Nach § 8 (2) sind „. . . zentrale Aufgaben des Nationalen Begleitgremiums . . . die vermittelnde und unabhängige Begleitung des Standortauswahlverfahrens, insbesondere auch der Umsetzung der Öffentlichkeitsbeteiligung am Standortauswahlverfahren . . . “. Damit ist das NBG Teil des sozialen Monitorings in der Phase der Standortauswahl. Man wird zu überlegen haben, wie diese Aufgabe weiterführend über die verschiedenen Phasen des Endlagerbauwerkes zu definieren sein wird. Um ein Endlagerprogramm für radioaktive Abfälle und Rückstände zu entwickeln und umzusetzen, ist es also wichtig, dass neben ingenieurtechnischer Kompetenz und einer fundierten Sicherheitsstrategie auch das Verständnis dafür wächst, dass soziale Aspekte wie Akzeptanz, Mitwirkung und Vertrauen in den Regionen, in der Gesellschaft und auch vonseiten verschiedener Interessengruppen gleichberechtigt hinzugezogen werden sollten. Monitoring, insbesondere Langzeit-Monitoring, gilt als Schlüssel dafür, wenn ingenieurtechnische Kompetenz und eine konsistente Sicherheitsstrategie auf der einen Seite und soziale, ethische Fragen auf der anderen Seite zusammengeführt werden sollen. Über das Monitoring kann ein wichtiges Instrument für öffentliche Kommunikation in Anspruch genommen werden, das einerseits die technische Sicherheitsstrategie, also die Sicherheit der Technik und deren Lebensdauer belegt, andererseits in der Öffentlichkeit

9.1 Endlagerprogramm und Monitoring

395

um Verständnis über Abläufe im Betrieb und später in der Stilllegungsphase wirbt und zur Vertrauensbildung in die prognostizierte Endlagerentwicklung in der Nachbetriebsphase beiträgt. Das Monitoring in einem Endlagerkonzept reagiert auf die Aufgabe sicherzustellen, dass bestimmte Schutzziele bezüglich der Strahlenbelastung von Mensch und Natur, aber auch verbindliche Sicherheitsbestimmungen, siehe [1], „Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle“, eingehalten werden. In der Betriebs- und Stilllegungsphase gehört dazu auch die Überwachung des Personals als strahlenexponierte Personen. Wird festgestellt, dass von diesen Zielen abgewichen wird, so kann dies je nach Stand des Verfahrens unterschiedliche Folgen haben. Die Phase, in der sich das Endlager befindet, ist dabei eine entscheidende Größe. Ist das Endlager noch nicht in Betrieb, so können Entscheidungen rückgängig gemacht werden, die zu der potenziell unsicheren Situation führten. Dazu gehört auch die Aufgabe des gewählten Standortes bzw. der Abbruch des Auswahlverfahrens. In den Phasen des Betriebs, der Stilllegung oder nach Verschluss des Endlagers wird die Reversibilität der Entscheidungen immer aufwendiger und damit schwieriger. Technisches und soziales Monitoring sollten deshalb in spezifischer Weise ineinandergreifen und problemlösende Entscheidungen vorbereiten. Voraussetzung ist jedoch, dass das Monitoring den beobachtenden Instanzen1 Daten zur Verfügung stellt, die es erlauben, die Sicherheit zu überprüfen und Bewertungsverfahren in Governance-Prozesse2 [3] einzubinden, an denen der kleine Kreis von der Regierung beauftragter, formal zuständiger Ämter, Institutionen etc. sowie Aufsichtsbehörden und Akteure, die die öffentliche Kontrolle gewährleisten oder begleiten, beteiligt sind. Im Mittelpunkt der Darlegungen hier steht das technische Monitoring. In diesem Kontext ist Monitoring ein technologisches Teilkonzept, das aktuell ergebnisoffen diskutiert wird und das je nach Ausgestaltung und Einbindung in das jeweilige entsorgungspolitische Gesamtkonzept die möglichen Entwicklungspfade und den gesellschaftlichen Umgang mit Unsicherheiten mitgestalten kann. Was fest steht ist, dass Monitoring immer Hilfe dazu anzubieten hat, qualifizierte, auf gesicherten Informationen basierende Entscheidungen bezüglich der Fortsetzung, der Umgestaltung oder des Abbruchs der Prozesse der nuklearen Entsorgung über und unter Tage treffen zu können, insbesondere im Zusammenhang mit Reversibilität und Rückholbarkeit. Da es keine einheitliche Definition der Begriffe gibt, wird hier auf die weit gefasste Definition von Reversibilität der Nuclear Energy Agency (NEA) der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verwiesen. 1

In Deutschland das Bundesamt für kerntechnische Entsorgung (BfE). Der Begriff „Governance“ wird seit den 1990er-Jahren in der EU-Forschung, also auch in der Endlagerforschung genutzt, um neue, nicht hierarchische Formen der politischen Steuerung und des „Regierens in Netzwerken“ (network governance) zu beschreiben. Er steht im Unterschied zu traditionellen Formen des Regierens (government) für eine auf Koordination und Verflechtung der politischen Entscheidungsebenen gegründete Multi-Level-Governance. Endlager-Governance (Nuclear waste Governance) kann hier als Oberbegriff gelten.

2

396

9

Umwelt-Monitoring

Abb. 9.1 Definition Reversibilität. (Nach [4])

Reversibilität (reversibility) beschreibt grundsätzlich die Entscheidungsfreiheit der fortschreitenden Umsetzung eines Entsorgungssystems; Umkehrung ist die eigentliche Aktion, von einer vorherigen Entscheidung zurückzukehren, indem man die Richtung ändert, oder vielleicht sogar durch die Wiederherstellung der Situation, die vor dieser Entscheidung bestand. Reversibilität bedeutet, erforderliche Vorkehrungen zu treffen, um eine Umkehrung zu ermöglichen.

(Übersetzung von: „Reversibility describes the ability in principle to reverse decisions taken during the progressive implementation of a disposal system; reversal is the actual action of going back on (changing) a previous decision, either by changing direction, or perhaps even by restoring the situation that existed prior to that decision. Reversibility implies making provisions in order to allow reversal should it be requiered.“), [4], siehe Abb. 9.1. Diese Definition schließt auch explizit Entscheidungen in der Nachbetriebsphase ein. Dabei betont die NEA, dass Rückholbarkeit immer aufwendiger wird, je länger die Nachbetriebsphase bereits andauert [4]. Die Aufgabe von Monitoring in dieser Phase muss u. a. sein, die bestehenden Entscheidungsmöglichkeiten auf Grundlage von Messergebnissen vorzubereiten, gegeneinander abzuwägen und Entscheidungsmöglichkeiten zuzuspitzen. Auf die gegenwärtigen Schwierigkeiten der Beschaffung relevanter Messergebnisse in

9.1 Endlagerprogramm und Monitoring

397

der Nachverschlussphase muss hingewiesen werden. Ob Rückholbarkeit zu einem spezifischen Zeitpunkt sinnvoll ist oder nicht, ist vor diesem Hintergrund besonders schwierig abzuwägen. Neben der Rückholung bieten sich auch andere Möglichkeiten an. Für Gefährdungslagen ist eine auf die Situation abgestimmte Notfallplanung immer Teil des Szenarios. Es wird in diesem Zusammenhang auf die Schachtanlage Asse II, siehe Kap. 6, verwiesen. Bei der Zurverfügungstellung von relevanten technischen und geotechnischen Daten, insbesondere in der Nachverschlussphase, gibt es noch erheblichen Forschungsbedarf. Zum einen muss die Installation eines geeigneten technischen Monitoring-Systems so geschehen, dass die Integrität des Multibarrierensystems nicht verletzt wird; andererseits sind schnurlose Übertragungssysteme mit der dazugehörigen Energieversorgung noch nicht so weit entwickelt, dass sie auch von unter Tage Daten aus dem verschlossenen Endlagersystem über einen langen Zeitraum nach über Tage liefern können. Welche technischen Möglichkeiten der Genese aussagekräftiger Daten (auch für Notfallszenarien) grundsätzlich vorhanden sind oder entwickelt werden müssen und welche „Beobachtungszeiträume“ in der Nachverschlussphase realisiert werden können, ist derzeit offen. Momentan ist ebenfalls ungeklärt, welche Sachverhalte in der Nachverschlussphase empirisch erfasst werden sollen, die z. B. belastbare Schlussfolgerungen zu Wärmepulsen, geologische Deformationen und Spannungsumlagerungen im Wirtsgestein gestatten. Deutschland hat sich dafür entschieden, einen Rückholungszeit von 500 Jahren zu garantieren, Frankreich will erst nach Ablauf der Überwachungszeit (> 100 Jahre) den endgültigen Verschluss des Cigéo-Tiefenlagers vornehmen, siehe Abschn. 7.4.2, Finnland und Schweden sehen eine etwa 100 Jahre lange Betriebsphase vor und andere Länder, so auch die Schweiz, haben dazu bisher keine verbindlichen Erklärungen verabschiedet. Zur Frage der Dauer der Beobachtungsphase nach dem Einlagerungsbetrieb gibt es derzeit auch keine international einheitliche Haltung. Aber es bleibt genügend Zeit, um die aufgeworfenen Fragestellungen und Entwicklungen zuverlässig zu lösen. Die Aufgabe von Monitoring, bestehende Entscheidungsmöglichkeiten auf Grundlage von Messergebnissen vorzubereiten, gegeneinander abzuwägen und Entscheidungsmöglichkeiten zuzuspitzen, kann übertragen werden auf die Standortsuche und das Endlagerkonzept. Ein strategisches Monitoring-Konzept bildet dabei sowohl die Grundlage für ein vergleichendes Standortauswahlverfahren mit hoher Transparenz und angemessener Partizipation als Grundbausteine, als auch bei der Optimierung eines Endlagerkonzeptes, von der Planung bis zum Verschluss eines Endlagers. In Kap. 2 ist dafür die Anwendung des Conceptional Site Models (CSM) vorgeschlagen worden, siehe auch [7]. Dies schließt ein mehrstufiges Verfahren ein, siehe auch [6], in das sogenannte Verzweigungspunkte (branching points) eingeführt werden, an denen das Modell nochmals überprüft und entschieden wird, ob der Referenzweg weiter verfolgt wird oder modifiziert werden muss oder ob nochmals ein Rücksprung im Verfahren um einen oder mehrere Schritte zu erfolgen hat, siehe auch Abb. 9.1.

398

9

Umwelt-Monitoring

Bei der Optimierung eines Endlagerkonzeptes ist die Formulierung der Optimierungsziele von besonderer Bedeutung. Optimierungsziele sind, siehe auch Kap. 2:      

Strahlenschutz in der Betriebsphase, Langzeitsicherheit, Betriebssicherheit des Endlagers, Zuverlässigkeit und Qualität des langfristigen Einschlusses der Abfälle, Sicherheitsmanagement, technische und finanzielle Realisierbarkeit.

Zur Erreichung der Optimierungsziele eignet sich das Benchmark-Verfahren (Benchmarking) besonders. Hierbei werden Ist-Zustände und Zielvorgaben, Methoden und Verfahren zur Erreichung des Zielfeldes etc. verglichen, um daraus iterative Lösungsstrategien zu entwickeln. Ein Benchmarking bei der Optimierung eines Endlagerkonzepts wird durch ein strategisches Monitoring-Konzept unterstützt. Dabei fallen bei geotechnischen und technischen Messungen über lange Zeiträume ungeheure Mengen an Daten an. Mit der Anwendung des Daten-Mining kann die Lage der Ist-Zustände zum Zielgebiet ermittelt werden. Daten-Mining ist also Teil des Benchmarking. Dazu werden die riesigen Datenbestände mit computergestützten Methoden verarbeitet und zur Optimierung des Endlagerkonzepts herangezogen. Unter Data-Mining soll hier also die systematische Anwendung statistischer Methoden auf große Datenbestände verstanden werden, mit dem Ziel, neue Querverbindungen und Trends zu erkennen. Data-Mining wird in allen Phasen des Endlagerprojektes (Standortauswahl, Errichtung, Betrieb, Stilllegung und Nachverschlussphase) betrieben. Der Term Data-Mining wird dabei auf den gesamten Prozess der sogenannten „Knowledge Discovery in Databases“ erstreckt, der auch Schritte wie die Vorverarbeitung und Auswertung beinhaltet, siehe [8]. In Kap. 5 ist ein Umwelt-Monitoring, das bei der langzeitsicheren, langzeitstabilen Verwahrung von Uran-Tailings ponds Anwendung findet, dargestellt, siehe Abb. 5.25. Darauf aufbauend kann folgendes Schema eines Monitorings während der Phasen eines Endlagers für HAW-HGT vorgeschlagen werden, siehe Abb. 9.2. Neben der Einbindung eines Monitoring-Konzeptes als Komponente eines Endlagerkonzeptes ist für das technische Monitoring das Datenmanagement von zentraler Bedeutung. Neben der Anwendung des Data-Mining müssen entsprechende Auswerteroutinen bereitgestellt und auf das Monitoring rückgekoppelt werden. Die Frage, was und wie man misst und nach welchen Routinen die anfallenden Datenmengen auszuwerten sind, ist noch nicht abschließend beantwortet. Die Vorlage eines allgemein anerkannten Langzeitsicherheitsnachweises ist dazu zwingend erforderlich, siehe Kap. 8. So erscheint es zunächst sinnvoll, die Monitoring-Teilkonzepte zu ordnen nach Standortauswahl, Endlagererrichtung, Betrieb und Stilllegung sowie Nachverschlussphase.

Abb. 9.2 Umwelt-Monitoring für die Endlagerung radioaktiver Abfälle in den verschiedenen Entwicklungsphasen des Endlagerkonzeptes

9.1 Endlagerprogramm und Monitoring 399

400

9

Umwelt-Monitoring

9.2 Monitoring in verschiedenen Phasen der Endlagerung Für die Entwicklung eines Monitoring-Konzeptes als integralen Bestandteil eines Endlagerkonzeptes ist es sinnvoll zur Kenntnis zu nehmen, dass wesentliche Unterschiede darin bestehen, ob das Endlager unverschlossen ist und die Zugänglichkeit zu den eingelagerten Abfällen noch besteht, oder ob das Endlager verschlossen ist und die eingelagerten Abfälle nur nach wesentlichen Eingriffen in das Barrierensystem erreicht werden können. Danach sind die nachfolgenden Ausführungen geordnet.

9.2.1 Monitoring des unverschlossenen Endlagers Das Monitoring des unverschlossenen Endlagers wird unterteilt in  Standortsuch- und -auswahlverfahren,  Beweissicherung vor und während der Errichtung, Umgebungsüberwachung,  Überwachung in der Betriebsphase: – Annahmebedingungen, Deklaration, Einlagerungsschema, – Abschirmung Endlagerbehälter, Exposition im Endlager (Raumluftüberwachung), Personalüberwachung (Strahlenpass (§ 40 Absatz 2 Strahlenschutzverordnung)), – Temperatur, Gebirgsverhalten, – Umgebungsüberwachung, Nahrungskette,  Überwachung während der Stilllegungsphase: – geotechnische und technische Barrieren, Gebirgsverhalten, – Abschirmung Endlagerbehälter, Exposition im Endlager (Raumluftüberwachung), Personalüberwachung (Strahlenpass (§ 40 Absatz 2 Strahlenschutzverordnung)), – Umgebungsüberwachung, Nahrungskette.

Monitoring im Standortsuch- und -auswahlverfahren Für das Standortsuch- und -auswahlverfahren ist in Deutschland das Gesetz zur Fortentwicklung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle und anderer Gesetze zur Abstimmung gebracht worden [9]. Dies soll auch die Untersuchungs- und Auswahlkriterien regeln, nach denen eine Vorauswahl der Untersuchungsgebiete und letztendlich des Standortes erfolgen soll. Das Gesetz integriert technisches und soziales Monitoring, insbesondere über die Öffentlichkeitsbeteiligung, ein Nationales Begleitgremium und den Rat der Regionen. Es ist schon jetzt absehbar, dass mit dem StandAG die gestellte Aufgabenstellung nicht zu lösen sein wird. Es verlangt nicht nur eine Fortschreibung, sondern eine Untersetzung mit Richtlinien und Verordnungen, die letztendlich ein Regelwerk bilden sollten. Dieses sollte die Entscheidungsgrundlagen mit

9.2 Monitoring in verschiedenen Phasen der Endlagerung

401

 allgemeinen Sicherheitsanforderungen an die Lagerung,  geowissenschaftlichen, wasserwirtschaftlichen und raumplanerischen Ausschlusskriterien und Mindestanforderungen im Hinblick auf die Eignung geologischer Formationen für die Endlagerung,  wirtsgesteinsspezifischen Ausschluss- und Auswahlkriterien für die möglichen Wirtsgesteine Salzgestein, Tongestein und Kristallingestein,  wirtsgesteinsunabhängigen Abwägungskriterien und  einer Methodik für die durchzuführenden vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen bilden. Solange nicht standortspezifische Eigenschaften ermittelt worden sind, kann für die Abwägung bei der Standortauswahl, z. B. bei der Bewertung der Barriereeigenschaften, dies in einem Indexverfahren vorgenommen werden. So kann man die Indizierung in günstig, bedingt günstig, weniger günstig oder in 3 Punkte, 2 Punkte 1 Punkt etc. vornehmen und in einer Bewertungsmatrix zusammenfassen, siehe Kap. 7, Tab. 7.14. In [9, Anlage 1 zu § 24 Absatz 3] sind für das Kriterium Transport radioaktiver Stoffe durch

Tab. 9.1 Grundwasserbewegungen und Diffusion im einschlusswirksamen Gebirgsbereich, bewertungsrelevante Eigenschaften. (Siehe [9, Anlage 1 zu § 24 Absatz 3]) Bewertungsrelevante Eigenschaft des Kriteriums

Bewertungsgröße beziehungsweise Indikator des Kriteriums

Wertungsgruppe

Grundwasserströmung Grundwasserangebot

Abstandsgeschwindigkeit des Grundwassers [mm/a] Charakteristische Gebirgsdurchlässigkeit des Gesteinstyps [m/s] Charakteristischer effektiver Diffusionskoeffizient des Gesteinstyps für tritiiertes Wasser (HTO) bei 25 °C [m2 /s] Absolute Porosität Verfestigungsgrad

Diffusionsgeschwindigkeit

Diffusionsgeschwindigkeit bei Tonstein a

Günstig < 0,1

Bedingt günstig 0,1–1

Weniger günstig >1

< 1012

1012 –1010

> 1010a

< 1011

1011 –1010

> 1010

< 20 %

20–40 %

> 40 %

Tonstein

Fester Ton

Halbfester Ton

Für Endlagersysteme, die wesentlich auf geologischen Barrieren beruhen, sind Standorte mit einer Gebirgsdurchlässigkeit von mehr als 1010 m/s gemäß StandAG § 23 Absatz 4 Nummer 1 als nicht geeignet aus dem Verfahren auszuschließen Das Indexverfahren findet auch Anwendung beim Vergleich von Standorten in unterschiedlichen Wirtsgesteinsformationen. Der Gesetzgeber hat dazu, siehe auch Abb. 9.3, weitere Kriterien und Anforderungen für den Standortvergleich in das StandAG (2017) als Anlagen zu § 24 Absatz 3 vorgeschrieben. Dazu gehören: Das Kriterium zur Bewertung der Konfiguration der Gesteinskörper – Anlage 2; Das Kriterium zur Bewertung der langfristigen Stabilität der günstigen Verhältnisse – Anlage 4; Das Kriterium zur Bewertung der günstigen gebirgsmechanischen Eigenschaften – Anlage 5: insgesamt 12.

402

9

Umwelt-Monitoring

Abb. 9.3 Prozess der nationalen Standortsuche und -auswahl

Grundwasserbewegungen und Diffusion im einschlusswirksamen Gebirgsbereich die bewertungsrelevanten Eigenschaften: die im einschlusswirksamen Gebirgsbereich vorherrschende Grundwasserströmung, das Grundwasserangebot und die Diffusionsgeschwindigkeit, zusammengestellt, siehe auch Tab. 9.1. Eine nationale Standortsuche und -auswahl unterliegt regionalen Einschränkungen zum einen durch die regional vorgefundenen geologischen Formationen und hydrologischen Verhältnisse an zur Auswahl stehenden Standorten, zum anderen durch die Klimazonen, in denen potenzielle Standorte angetroffen werden. In Deutschland wird man sich auf die Wirtsgesteinsformationen Salzstein, Tongestein und kristallines Gebirge (Granite etc.) ergebnisoffen konzentrieren. In anderen Regionen wird diese geologische Formationenvielfalt nicht angetroffen. Dies kann durch auf die Wirtsgesteinsformation ausgerichtete und angepasste Endlagerbehälter ausgeglichen werden. Für die einzelnen Wirtsgesteinsformationen müssen unterschiedliche Endlagerbehälter zur Verfügung gestellt werden. Letztendlich muss ein Endlager, unabhängig vom Wirtsgesteinstyp, aber den Langzeitsicherheitsnachweis erfüllen und genehmigungsfähig sein. Auch ist der Betrachtungszeitraum unabhängig vom Wirtsgesteinstyp, in Deutschland derzeit 1 Mio. Jahre, festgelegt. Nach heutigem Sachstand kann der Prozess der nationalen Standortsuche und -auswahl gemäß Abb. 9.3 geordnet werden. Besonders die in [9] aufgeführten geowissenschaftlichen Kriterien der Bewertung werden den Entwicklungen in der Endlagerforschung nur eingeschränkt gerecht, siehe auch Tab. 9.1. Zur Festlegung der bewertungsrelevanten Eigenschaften und deren Zulässigkeitsbereiche gehören zumindest noch die Messverfahren und die Messmethodik, mit denen diese Eigenschaften ermittelt werden sollen.

9.2 Monitoring in verschiedenen Phasen der Endlagerung

403

Aus hiesiger Sicht muss als Ausschlusskriterium gelten, dass Endlagerstandorte in derzeit bekannten höffigen Gebieten ausgeschlossen werden, da hier über den langen Betrachtungszeitraum ein von Menschen veranlasster äußerer Eingriff, z. B. durch Exploration, sehr wahrscheinlich ist. Dies verhindert zwar nicht, dass an Endlagerstandorten in der späteren Entwicklung Lagerstätten angetroffen werden können. Dies ist aber vom Grundsatz des Vorsatzes verschont, da derzeit das Bundesberggesetz Lagerstättenschutz und Sicherung der Rohstoffversorgung u. a. im § 1 gewährt.

Monitoring bei der Endlagererrichtung, Pilotlager, bestimmungsgemäßer Betrieb und Stilllegung Das Konzept einer kontrollierten Endlagerung von HAW-HGT in tiefen geologischen Formationen, wie es derzeit in einigen nationalen Endlagerstandorten eingerichtet wird (Finnland, Schweden, Frankreich etc., siehe Kap. 7), besteht aus Testlager, Pilotlager und Hauptlager. In dem gestuften Vorgehen wird als erster Teil der Gesamtanlage das Testlager errichtet, siehe Abb. 9.4. Es dient für standortbezogene Untersuchungen zum Führen der Sicherheitsnachweise für das Hauptlager. Dafür ist das Vorhandensein eines allgemein anerkannten Langzeitsicherheitsnachweises zwingend erforderlich. Die geforderten Nachweise sind in Kap. 8 zusammengestellt. Dabei kann auf die in Abb. 9.3 zusammengestellten Abwägungskriterien, Sicherheitsuntersuchungen etc. zurückgegriffen werden. In ein Endlagerkonzept sollte ein Pilotlager (Übergangslager) integriert werden. Das Errichten eines Pilotlagers (PL) für eine zu definierende Beobachtungsphase eröffnet auch die Möglichkeit, die Sicherheit des Endlagers zu optimieren. In das Pilotlager wird ein repräsentativer Teil des vorgesehenen Gesamtinventars bereits relativ früh eingelagert und versetzt. Dabei wird ein systematisches Monitoring vorbereitet. Die technischen und geotechnischen Barrieren werden über die Betriebszeit des Hauptlagers hinaus überwacht. Seine Lagerstrecken und die Endlagerbehälter werden dazu mit einem umfangreichen und aufwendigen Mess- und Beobachtungssystem (verkabelte Sonden, Sensoren etc.) umgeben. Dieses soll so konzipiert werden, dass die Integrität der Kammern und oder Strecken nicht verletzt wird. So könnte das Verhalten der Sicherheitsbarrieren nach Verschluss analysiert und Ergebnisse in einer derzeit nicht näher spezifizierten Beobachtungsphase ermittelt werden. Diese könnten sowohl Rückschlüsse auf die Funktionsweise des Hauptlagers erlauben und somit früh Optimierungen und empirische Belege für dessen Sicherheit liefern, als auch Notmaßnahmen (wie Rückholungen) signalisieren, die notwendig würden, wenn zentrale konzeptionelle Schwächen sich bereits im PL zeigen sollten. Darüber hinaus sind die Erkenntnisse die Grundlage für die turnusmäßige Entscheidung, ob das Endlager endgültig verschlossen oder weiter überwacht werden soll, ob technische Barrieren im Hauptlager überprüft werden oder ob die Abfälle wieder herausgeholt werden müssen. Für den Betrieb eines Pilotlagers in einem deutschen Endlagerkonzept bietet sich eine Beobachtungsphase von etwa 500 Jahren an, in denen die Rückholbarkeit garantiert werden soll, denn im Gegensatz zur Rückholbarkeit handelt es bei einem endgültig verschlossenen Endlager um Reversibilität der Endlagerung. Derzeit sind aber noch nicht alle technischen Möglichkeiten der Genese aussagekräftiger Daten (auch für

404

9 Tagesanlage (Hauptzugang)

Umwelt-Monitoring

Schachtkopf (Nebenzugang)

Erschließung

Lüftungsschacht Betriebsschacht 400–900 m

Zugangstunnel

Hauptlager BE/HAW Wirts geste in ca. 2

km

Testbereich

Pilotlager

Lager LMA

ca.

1 km

Abb. 9.4 Testlager; Pilotlager; Hauptlager – Konzept Nagra. (Quelle; [12] Nagra 2012)

Notfallszenarien) grundsätzlich ausgelotet. Der Forschungsbedarf ist aber weitestgehend umrissen. Diese Vorgehensweise ist auch nachhaltig, weil die jetzt zu errichtenden Endlager für wärmeerzeugende HAW Endlager der ersten Generation sind, denn es werden mit Sicherheit bei weiterer Anwendung der Kernenergie zur Energieversorgung weitere Endlagergenerationen folgen müssen. In das Hauptlager wird nach der Einlagerung in das Pilotlager der weit überwiegende Anteil der radioaktiven Abfälle eingelagert. Es wird abschnittsweise verfüllt und versiegelt, sobald die Abfälle jeweils eingelagert sind. Diese Maßnahmen erfolgen so, dass eine Rückgewinnung der Abfälle technisch relativ einfach möglich bleibt. Die Zugangs- und Bedienungsstollen bleiben offen. Alle Maßnahmen dürfen die passiven Sicherheitsbarrieren nicht beeinträchtigen. Der bestimmungsgemäße Betrieb eines Endlagers erfordert im besonderen Maße die Expositionsüberwachung des Personals, Personendosimetrie und zyklusmäßige Auswertung sowie die Überwachung der Annahme und Einlagerung des Inventars (Deklaration und Verortung), siehe Kap. 2. Sowohl aus den Zulassungsbedingungen für den bestimmungsgemäßen Betrieb, den Überwachungsergebnissen einer Pilotlagerung als auch aus den Sicherheitsanforderungen ergibt sich eine Grundausstattung der Instrumentierung, mit der auch während des bestimmungsgemäßen Betriebes untertägig erhebliche Datenmengen gewonnen werden, die Rückschlüsse auf das Langzeitverhalten zulassen bzw. die Datensätze des Pilotlagers ergänzen.

9.2 Monitoring in verschiedenen Phasen der Endlagerung

405

Für das französische Endlager Cigéo hat die unabhängige öffentliche französische Entsorgungsgesellschaft ANDRA ein Monitoring-Programm vorgestellt, siehe [10], das zusammen mit der Anlage eingerichtet werden soll. Während der gesamten Betriebsphase sollen darin alle sicherheitsrelevanten Parameter des Endlagers (Geschwindigkeit der Maschinen, Wasserstoffkonzentration, Leistung der hochwirksamen Filter, Luft des Belüftungssystems etc.) kontrolliert werden. Zusätzlich zur Überwachung im engeren Sinne werden Parameter kontrolliert, die mittel- und langfristig die Entwicklung des Endlagers beeinflussen können: Temperatur der Umgebungsluft, Erweiterung der Anlage (Zusammentreffen der Stollen), Haltbarkeit des Betons, Korrosion des Stahls etc. So erfolgt in gesonderten Räumen eine Einzelüberwachung von Kontrollbehältern, die einen einfachen Zugriff auf jeden Kontrollbehälter und dessen regelmäßige Begutachtung zulässt. Im ersten Bauabschnitt des Cigéo-Tiefenlagers werden repräsentative Kontrollbauwerke der verschiedenen Lagerbestandteile (Einkapselung, Kammern etc.) erstellt, die nur der Beobachtung und Überwachung dienen. Diese Kontrollbauwerke werden umfänglich instrumentiert, um deren Verhalten und Entwicklung im Laufe der Zeit in allen Einzelheiten verfolgen zu können. Das bedeutet, dass Zehntausende Sensoren in das Cigéo-Tiefenlager eingebaut werden. Die vorgesehenen Untersuchungsmethoden verwenden erprobte Sensoren, die bereits in der französischen Atomindustrie und in der Bautechnik zur Anwendung kommen und zu denen umfangreiche Erfahrungswerte vorliegen (seit mehreren Jahrzehnten Einsatz in Kernkraftwerken, Staudämmen etc.), wie auch innovative Mittel, die derzeit im Rahmen von F&E-Programmen entwickelt werden. Die Kammern für MAW (SMA3 -Kammern), siehe [11], werden im Laufe der Betriebszeit des Cigéo-Tiefenlagers eingerichtet. Die ersten Kammern werden dann zwecks detaillierter Beobachtung umfänglich mit Instrumenten ausgestattet. Darüber hinaus schlägt die ANDRA vor, eine der Kontrollkammern bereits einige Jahre nach Einlagerung der Abfallbehälter zu schließen, um anschließend die Beobachtungen in einer geschlossenen Konfiguration fortzusetzten und aus diesen Schlussfolgerungen für die eigentliche Stilllegung des Endlagers zu ziehen. Die folgenden Überwachungsbereiche sind für das CigéoTiefenlager näher beschrieben. Umweltüberwachung des Cigéo-Tiefenlagers So ist bereits 2011 im Departement Meuse bei Houdelainecourt eine Luftüberwachungsstation eingerichtet worden, mit einem 120 m hohen Mast mit meteorologischen Sensoren und an Analysenmessgeräte am Boden angeschlossenen Luftprobenentnahmegeräten. 2007 hat die ANDRA eine ständige Umweltbeobachtungsstation (Observatoire pérenne de l’environnement – OPE) eingerichtet, siehe [10]. Ihre Aufgabe ist, den Ausgangszustand der Umwelt am Standort des künftigen Endlagers über 10 Jahre zu erheben und die Entwicklung anschließend während der Einrichtung des Cigéo-Tiefenlagers und des anschließenden Betriebs zu überwachen. Somit kann eine auch noch so geringe Auswirkung des Tiefenlagers auf die Umwelt nachgewiesen werden. 3

Kurzlebige schwach- und mittelaktive Abfälle (SMA).

406

9

Umwelt-Monitoring

Das von der Umweltbeobachtungsstation überwachte Gelände, die Instrumentierung, Datensammlung und -auswertung sind im Kap. 8 beschrieben. Gesundheitliche Überwachung Die Bevölkerung vor Ort hat mehrfach den Wunsch einer gesundheitlichen Überwachung im Gebiet des Endlagers geäußert. Zwischenzeitlich wurde eine Sachverständigengruppe eingesetzt, die die technischen Voraussetzungen für diese Überwachung festlegen soll. Die ANDRA hat sich zwecks Präzisierung der Führung und Organisation einer derartigen Einrichtung an ihre Aufsicht führenden Ministerien gewandt, siehe Überwachungskonzept in [10]. Darüber, ob und wie das Endlager (Hauptlager) stillgelegt und bleibend verschlossen werden soll, sollen auch die Monitoring-Ergebnisse des Pilotlagers entscheiden. Darüber hinaus wird in einem Endlagerkonzept vorzuschreiben sein, ob auch in der Nachverschlussphase ein untertägiges Monitoring bestrieben werden soll oder nicht. Ist dieses vorgesehen, muss die Instrumentierung während der Stilllegung und des Verschlusses des Endlagers erfolgen. Oberstes Prinzip ist die Integrität des einschlusswirksamen Bereiches. Ein Endlager-Monitoring in der Nachverschlussphase wird derzeit durchaus als kritisch angesehen – zum einem wegen der derzeit zur Verfügung stehenden Messtechnik. In verschlossenen Endlagerbereichen sind leitungsgebundene Sensoren nicht einsetzbar, da diese die Abdichtwirkung der Barrieren beeinträchtigen würden, und der Signalübertragung sowie Energieversorgung sind derzeit erhebliche Grenzen gesetzt. So müssen andere Konzepte entwickelt werden. Getestet werden Datenübertragungen mit magnetischen Wellen mit Frequenzen von 500 und 2500 Hz, und autarke Energieversorgungen mit thermoelektrischen Isotopengeneratoren oder Betavoltaik-Batterien werden diskutiert. Weiterhin wird an einer Seismik-Tomografie-Technik gearbeitet, mit der aus einiger Entfernung die Entwicklung in einem Endlagerbereich verfolgt werden könnte. Ins Blickfeld geraten ist auch die Neutrino-Spektroskopie, da in einem Endlager Neutrinos bzw. Antineutrinos bei jedem Beta-plus- bzw. Beta-minus-Zerfall freigesetzt werden. Damit könnte auch hier die Neutrino-Spektroskopie, wie sie bereits für geophysikalische Untersuchungen der natürlichen Radioaktivität eingesetzt wurde, zur Anwendung kommen. Das ist alles bisher nicht ausgereift, und es besteht erheblicher Forschungsbedarf. Es ist allerdings zu erwarten, dass in der zur Verfügung stehenden Zeit noch Lösungen hinzukommen werden, an die heute noch nicht gedacht wird. Zum anderen wird bei einem Monitoring in der Nachverschlussphase eher ein zusätzliches Sicherheitsrisiko gesehen. Dies ist auch nicht ganz unbegründet, denn die Informationsauswertung darf keine verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten zulassen, weil keine Möglichkeit der Inaugenscheinnahme mehr gegeben ist. Damit steht die berechtigte Frage, wie mit unerwarteten Monitoring-Ergebnissen umgegangen wird, die zudem nichts mit dem Endlager zu tun haben müssen. Es wird auch unterstellt, dass dies dann zu politisch motivierten gefährlichen Reaktionen aus Unwissenheit führen kann. Aus diesseitiger Sicht sind diese Fragestellungen zwar berechtigt, allerdings wird mit dem Verschluss eines Endlagers in Deutschland auch erst frühestens in ca. 150 Jahre zu

9.2 Monitoring in verschiedenen Phasen der Endlagerung

407

rechnen sein. Bis zum Verschluss eines HAW-HGT-Endlagers vergehen zwei bis drei Generationen. So erscheint es wenig sinnvoll, heute über die dann verfügbaren Technologien spekulieren zu wollen. Ein Monitoring für die Nachverschlussphase kann durchaus bis dahin funktionsfähig bereitstehen, und dadurch wird sich die Langzeitsicherheit eines Geotechnischen Umweltbauwerkes (Endlagerbauwerkes) erheblich erhöhen. Diese Botschaft zu vermitteln, ist durchaus ein bedeutender Beitrag zur Transparenz im Umgang mit der Endlagerfrage, siehe [13]. Es wird derzeit die Strategie der Errichtung eines Pilotlagers, parallel zum Hauptlager und dessen Betreibung, über den Zeitpunkt des Verschlusses des Hauptlagers hinaus favorisiert, verbunden mit der Ausweisung einer umfassenden, auf dem derzeitigen Stand der Technik begründeten Langzeitsicherheit und einer ständigen Optimierung des Endlagersystems bis zum Zeitpunkt des Verschlusses. Die Umgebungsüberwachung ist davon unbeeinflusst. Sie sollte mindestens den Beobachtungszeitraum des Pilotlagers umfassen. Daneben werden weltweit die folgenden Optionen verfolgt, siehe [14]:  Endlagerung von HAW-HGT in tiefen geologischen Formationen ohne Monitoring und Vorkehrungen zur Rückholbarkeit (Endlager ohne Monitoring – ELo), entsprechend der bis 2010 gültigen Endlagerplanung in Deutschland. Dies ist um allgemeine Vorgaben zu Rückholbarkeit, Bergbarkeit und Monitoring („Kontroll- und Beweissicherungsprogramm“) ergänzt worden.  Endlagerung von LAW/MAW und HAW-HGT in tiefen geologischen Formationen mit Monitoring und Vorkehrungen zur Rückholbarkeit (Endlager mit Monitoring – Elm).  Endlagerung von HAW-HGT in oberflächennahen Bauwerken, Entsorgungsoption: Langzeitlager, oberflächennah – LzLo, niederländisches Zwischenlager (COVRA).

9.2.2

Monitoring des verschlossenen Endlagers

Zum Langzeit-Monitoring insgesamt und zur Nachverschlussphase liegen bisher wenig konkrete Arbeiten vor. Die allgemein vertretene These ist, dass ein untertägiges Monitoring in der Nachverschlussphase derzeit technisch nicht realisierbar ist. In [9] ist für ein deutsches Endlager für HAW-HGT in § 26 (2) 3. Folgendes festgehalten: Es ist zu gewährleisten, dass für die eingelagerten Abfälle die Möglichkeit der Rückholung während der Betriebsphase besteht und dass für einen Zeitraum von 500 Jahren nach dem vorgesehenen Verschluss des Endlagers ausreichende Vorkehrungen für eine mögliche Bergung der Abfälle vorgesehen werden.

Nach derzeitigem Verständnis beginnt die Nachbetriebsphase nach dem vollständigen Verschluss des Endlagerbauwerkes, wodurch das Endlager in den passiv sicheren Zustand überführt wird. Nach dem Verschluss eines optimierten Endlagers (ELo b*)4 in tiefen geo4

Siehe [14] – Elo b*– Endlager mit Rückholbarkeit und Bergung.

408

9

Umwelt-Monitoring

logischen Formationen wird die Reversibilität der Entscheidungen aber sehr aufwendig und schwierig und ist ohne Eingriffe ins Barrierensystem des Endlagers nicht möglich. Für ein zu entwickelndes Monitoring-Konzept können zu Beginn der Nachverschlussphase allerdings die Monitoring-Maßnahmen, die zum Teil bereits in der Betriebsphase zum Einsatz kamen, in veränderter Form und mit veränderter Zielsetzung (z. B. Beweissicherung, Umweltüberwachung) aufgenommen bzw. fortgesetzt werden. Bisher ist weiterhin davon auszugehen, dass auch nach Verschluss des Endlagerbauwerkes eine übertägige Überwachung der Umgebung der Anlage erfolgt, wie lange und mit welcher konkreten Konzeption ist auch nicht abschließend erörtert. Feststeht lediglich, dass eine Überwachung sowohl des Luft-, Wasser- und Erdpfades erfolgen sollte, dass eine mögliche Radioaktivitätsausbreitung ebenso über die Nahrungskette betrachtet werden muss und dass auch die Forderung der in der Region lebenden Bevölkerung nach einer Gesundheitsüberwachung nicht unbeachtet bleiben kann. Überwachungskonzepte dazu liegen im Bundesamt für Strahlenschutz vor. Grundlage für eine weiterführende Betrachtung zum Monitoring-Konzept in der Nachverschlussphase ist der Schutz zukünftiger Generationen und der Umwelt vor ionisierender Strahlung, der im Langzeitsicherheitsnachweis umzusetzen ist. International besteht dazu Einvernehmen, dass berechnete oder abgeschätzte Risiken oder Dosen in dieser Phase nur als Indikatoren für das mit der Endlagerung zu erzielende Schutzniveau interpretiert werden dürfen. Für ein deutsches Endlagerkonzept für HAW-HGT sind folgende Nachweise zu erbringen, siehe [1]:  Nachweis der Integrität des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs in der Nachverschlussphase.  Für wahrscheinliche Entwicklungen in der Nachverschlussphase ist nachzuweisen, dass durch Freisetzung von Radionukliden, die aus den eingelagerten radioaktiven Abfällen stammen, für Einzelpersonen der Bevölkerung nur eine zusätzliche effektive Dosis im Bereich von 10 Mikrosievert im Jahr5 auftreten kann. Dabei sind Einzelpersonen mit einer heutigen Lebenserwartung, die während der gesamten Lebenszeit exponiert werden, zu betrachten.  Für weniger wahrscheinliche Entwicklungen in der Nachverschlussphase ist nachzuweisen, dass die durch Freisetzung von Radionukliden, die aus den eingelagerten radioaktiven Abfällen stammen, verursachte zusätzliche effektive Dosis für die dadurch betroffenen Menschen 0,1 Millisievert pro Jahr6 nicht überschreitet. Dabei sind ebenfalls Einzelpersonen mit einer heutigen Lebenserwartung, die während der gesamten Lebenszeit exponiert werden, zu betrachten. Für derartige Entwicklungen sind höhere Freisetzungen radioaktiver Stoffe zulässig, da das Eintreten solcher Entwicklungen eine geringere Wahrscheinlichkeit aufweist (s. a. Kap. 8).

5 6

Siehe [15]. Siehe [16] in Anlehnung an ICRP 81 (Risiko kleiner 105 /a), siehe Kap. 8, Tab. 8.1.

9.2 Monitoring in verschiedenen Phasen der Endlagerung

409

Abb. 9.5 Radionuklidausbreitung aus dem einschlusswirksamen Bereich (Nahbereich) in die Biosphäre, Ausbreitungssphären (Überwachungsbereiche)

Der Langzeitsicherheitsnachweis, siehe Kap. 8, muss also die Module  Integritätsnachweis des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs und  die Radionuklidausbreitung in den Sphären – Endlager (oder Nahbereich), – Geosphäre oder Deckgebirge und – Biosphäre, siehe Abb. 9.5, umfassen. Da in den drei Sphären unterschiedliche Ausbreitungsvorgänge stattfinden, werden diese mit verschiedenen numerischen Verfahren bearbeitet. Die drei Module sind weitgehend eigenständig. Bei einer Modellierung des gesamten Endlagersystems mit dem Ziel der Berechnung der Strahlenexposition werden die Module für die drei Sphären sequenziell abgearbeitet. Soll eine Überwachung des Endlagers in der Nachverschlussphase installiert werden, müsste ebenfalls eine Überwachung der drei Sphären stattfinden, die völlig unterschiedliches Instrumentieren verlangen. Der Radionuklidtransport im Nahfeld eines Endlagers beginnt zum Zeitpunkt des Behälterausfalls und der Mobilisierung der Radionuklide. Diese können in gelöster Form über die Wasserphase (Transport über den Wasserpfad) oder über die Gasphase (Transport über den Gaspfad) transportiert werden. Wenn Radionuklide von den eingelagerten Abfällen bis in einen oberflächennahen Grundwasserleiter gelangen, dann kann erwartet werden, dass diese auch in die Biosphäre gelangen. Der Grenzwert für die effektive Dosis zum Schutz von Einzelpersonen der Bevölkerung beträgt gemäß § 46 Strahlenschutzverordnung 1 Millisievert im Kalenderjahr. Dabei darf die Strahlenbelastung aus einer einzelnen Anlage (hier gemeint das Endlager) gemäß § 47 Strahlenschutzverordnung über die Belastungspfade Abwasser und Abluft jeweils den Wert von 0,3 Millisievert pro

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Umwelt-Monitoring

Abb. 9.6 Prinzip eines direkten Monitorings in der Nachverschlussphase (Biosphäre und Geosphäre)

Jahr nicht überschreiten. Zunächst muss dieser Grenzwert für die allgemeine Bevölkerung auch in der Nachschlussphase eingehalten werden. Der Nachweis gelingt nur, wenn eine Permanentmessung im An- und im Abstrom des Endlagerbereiches vorgenommen und die Ortsdosisleistung an mehreren relevanten Orten installiert und stichprobenartig der Boden und die Nahrungskette überwacht wird. Welcher Zeitraum vom Nachweiszeitraum 1 Mio. Jahre dafür anzusetzen wäre, ist offen. Belässt man es bei der Überwachung der Biosphäre, läuft man Gefahr, von einem schwer zu lokalisierenden, großräumigen Radioaktivitätsaustritt in die Biosphäre „überrascht“ zu werden. Es muss überlegt werden, z. B. Tiefbrunnen an relevanten Stellen in der Anlage anzulegen, über die ein oberflächennaher Grundwasserleiter des Wasser-Ausbreitungspfades in geeigneter Weise beprobt werden kann und über die auch im Extremfall die mit Radionuklid belasteten Wässer abgezogen werden können. Diese könnten dann in einer Wasseraufbereitungsanlage gereinigt und von dort in die Vorflut im Abstrombereich abgeschlagen werden. Schon derzeit liegen alle technischen Möglichkeiten vor, ein solches Projekt umsetzen zu können, siehe auch Kap. 5. Diese gehören allerdings derzeit nicht zum Maßnahmenspektrum der Nachverschlussphase eines Endlagers. Wenn sich der unzulässige Austritt von Radionukliden von den eingelagerten Abfällen nicht eingrenzen oder stoppen lässt, sodass der Grenzwert für die effektive Dosis zum Schutz von Einzelpersonen der Bevölkerung eingehalten werden kann, müssen Notfallmaßnahmen eingeleitet werden, zu denen auch die Bergung der Abfälle oder eines Teiles davon gehören könnte. Die Notwendigkeit, den Nahbereich in der Nachverschlussphase zu überwachen und Integritätskontrollen durchzuführen, wird diesseits nicht gesehen. Monitoring im Nachverschlussbereich könnte gemäß Abb. 9.6 ausgestaltet werden.

9.2 Monitoring in verschiedenen Phasen der Endlagerung

411

Natürlich ist die Sorge bei einer direkten Überwachungsmaßnahme groß, dass das Deckgebirge zusätzlich perforiert und dadurch die Ausbreitung von Radionukliden erleichtert wird. Dieser Besorgnis muss entgegengehalten werden, dass, wenn Radionuklide aus dem eingelagerten Abfall den Weg bis in diesen Grundwasserleiter gefunden haben, die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, diese den Weg dann auch in die Biosphäre bzw. in die Nahrungskette finden. Dies stellt ein unverantwortbares Risiko dar. Mit der Überwachung eines relevanten oberflächennahen Grundwasserleiters ist einerseits die frühzeitige Lokalisierung eines Ausbreitungsweges gegeben und damit der Eingrenzung des Austrittes von Radioaktivität, andererseits besteht so die Möglichkeit, die Radioaktivität zu isolieren und abzuziehen. Hinzukommt, dass der potenzielle Gewinn, der sich aus der Kontrollierbarkeit des Endlagerverhaltens ergibt, gegenüber dem Aufwand überwiegt. Für den Autor ergibt sich aus dieser Früherkennungsmaßnahme ein verantwortbares Risiko, zudem ist sie robust, auch hinsichtlich der Eindeutigkeit der Ergebnisse. Diese Ausweitung des direkten Monitorings würde eine grundsätzliche Veränderung der Konfiguration gegenüber den bisherigen konzeptionellen Planungen darstellen. Alternativ und in Ergänzung zur direkten Überwachung des Endlagerbauwerkes bietet sich ein Pilotlager an, siehe [17]. Ein in das Endlagerkonzept implementiertes Pilotlager könnte als Überwachungssohle über der Einlagerungssohle, auch Hauptlager genannt, angeordnet werden, die auch nach Versatz und Verschluss der Einlagerungssohle offen gehalten wird und mit der Einlagerungssohle über Beobachtungs- bzw. Messbohrlöcher verbunden bleibt. Daraus resultiert ein zweisohliges Entsorgungsbergwerk. Aus der hier dargelegten Kontrollierbarkeit des Endlagerverhaltens resultiert Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Endlagerkonzeption und der Endlagerausführung sowie in die zuverlässig belegte Fehlerkorrekturmöglichkeit. Allerdings verlangt das direkte Monitoring auch, dass für diese Untersuchungen dann entsprechende Analyseroutinen zur Verfügung stehen. Daraus ergibt sich der verallgemeinerte Ablauf der hier beschriebenen Endlagerung von HAW-HGT, siehe Abb. 9.7. Um sichere Ergebnisse für die Entwicklungen und Prozesse des einschlusswirksamen Gebirgsbereiches (Nahbereich) unter endlagerrelevanten Einwirkungen zu gewinnen, werden derzeit FTK-Simulatoren7 entwickelt und eingesetzt. In Deutschland eingesetzte FTK-Simulatoren bestehen aus einer Kopplung der bekannten und etablierten Simulatoren FLAC3D8 zur Abbildung thermomechanischer Prozesse und TOUGH29 zur Abbildung thermohydraulischer Prozesse, siehe [18]. Dabei wird das Gebirgsverhalten in Kombination mit dem Versatzverhalten unter mechanischen, hydraulischen und thermischen Einwirkungen simuliert. Mit einer FTK-Simulation ist es möglich, auch großräumige 3-D7

Fast TracKer (FTK) – Ein Trigger- und Datenerfassungssystem wird mit einem Fast Tracker-Coprozessor ausgestattet. 8 FLAC3D ist eine numerische Modellierungssoftware für geotechnische 3-D-Analysen von Locker- und Festgestein, Grundwasser, Engineering-Design, Risikoanalysen etc. 9 TOUGH2 ist ein universelles numerisches Simulationsprogramm für MehrphasenFlüssigkeits- und Wärmeströme in porösen und geklüfteten Medien.

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Abb. 9.7 Derzeitig sich abzeichnende Entsorgungsoption für HAW-HGT in Deutschland. (Nach [14])

412 Umwelt-Monitoring

9.2 Monitoring in verschiedenen Phasen der Endlagerung

413

Strukturen im Hinblick auf ihr thermomechanisches – thermohydraulisches –Verhalten unter endlagerrelevanten Einwirkungen wie Hohlraumausbruch, Abfalleinlagerung und Resthohlraumversatz, Wärmeentwicklung und Gasentwicklung für verschiedene Wirtsgesteine zu studieren und insbesondere Aussagen zu den fluiddynamischen Prozessen im verschlossenen Endlager für HAW-HGT auch in der Nachverschlussphase bei wahrscheinlicher und weniger wahrscheinlicher Entwicklung zu untersuchen. Derzeit findet eine internationale Benchmarking-Kooperation dazu statt, sodass auch die ganze Breite möglicher Wirtsgesteine untersucht werden kann. Für die Entwicklung eines Monitoring-Konzeptes als integrierter Bestandteil eines nationalen Endlagerkonzeptes, das auch die Nachverschlussphase umfasst, ist es angeraten daran zu erinnern, dass ein deutsches Endlager für HAW-HGT nach derzeitigen Planungen frühestens in 150 Jahren verschlossen wird und dass für einen Zeitraum von 500 Jahren nach dem vorgesehenen Verschluss des Endlagers ausreichende Vorkehrungen für eine mögliche Bergung der Abfälle vorzusehen sind. Schon aus diesen Tatsachen heraus ist zu erwarten, dass die wissenschaftlich-technische Entwicklung es möglich machen wird, ein Monitoring-Konzept für die Nachverschlussphase eines Endlagers in tiefen geologischen Formationen vorzulegen, das allen Sicherheitsansprüchen genügen wird. Dieses wird auch auf die direkte Überwachung der Geosphäre setzen. Allerdings ist es nicht unwahrscheinlich, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Ländern in der Zukunft weitere Endlager für ihre HAW-HGT-Abfälle benötigen werden, weil derzeit nicht erwartet werden kann, dass die Kernenergie aus deren Energiemix gestrichen wird. Die Reichweite der Uran-/Thorium-Ressourcen reicht bis weit in die Zukunft, siehe [19], und stellt dafür kein Hindernis dar.

9.2.3 Monitoring bei oberflächennaher Endlagerung Bei der Beurteilung von Rückholbarkeit und Bergung sowie der Überwachung der Endlagerung von HAW-HGT in der Nachverschlussphase erhält die Lagerung in tiefen geologischen Formationen negative Bewertungen. Es würde sich aus diesem Grunde eine oberflächennahe Endlagerung in Kavernen und Bunkern anbieten. Auch wenn derzeit die Endlagerung von HAW-HGT in tiefen geologischen Formationen favorisiert wird, kann für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden, dass oberflächennahe Endlager in Kavernen und Bunkern in den Fokus der Endlagerung gelangen. Dabei könnten auf einige Elemente und Erfahrungen aus dem Langzeit-Monitoring von Uran-Tailings ponds zurückgegriffen bzw. diese modifiziert werden, siehe Kap. 5 und Abschn. 9.2.4. Insbesondere betrifft dies Übertritte von radioaktiven Kontaminanten in die Biosphäre und deren Eingrenzung und schadlose Beseitigung. Insbesondere für die Notfallplanung bei einer geologischen Tiefenlagerung sind die beschriebenen Verfahren und Methoden von Interesse. Bei allen Bewertungen einer oberflächennahen Endlagerung in Kavernen und Bunkern fällt auf, dass eine Akzeptanz dafür vonseiten der betroffenen Bevölkerung derzeit nicht zu erwarten ist. Dies ist auf die Begründung (Unterstellungen) aus theoretischen

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Umwelt-Monitoring

Vergleichen zurückzuführen, dass aus solchen oberflächennahen Endlagerbauwerken eine direkte Freisetzung von Radioaktivität in die Biosphäre möglich sei. Ein Nachweis, dass die Einlagerungen von HAW-HGT in Kavernen und oberflächennahen Bunkern ein größeres Risiko in sich birgt als in tiefen geologischen Formationen existiert nicht, denn dazu wären auch die auf eine oberflächennahe Endlagerung zugeschnittenen geotechnischen und technischen Barrieren zu beurteilen, die bisher aber nicht existieren. Ein erster Schritt in diese Richtung könnte die Einrichtung von oberflächennahen Übergangslagern sein. Was in diesem Zusammenhang aber schon heute beachtet werden sollte, ist, dass die Betriebsgenehmigungen aller in Deutschland existierenden Zwischenlager nicht ausreichend lange vorliegen, bis ein nationales Endlager zur Verfügung steht. Auch hier fallen erhebliche Datenmengen an. Aus der Tatsache heraus, dass die vorhandenen Zwischenlager die Anforderungen eines Langzeitlagers derzeit nicht erfüllen, ist ein interessantes Projekt gestartet worden. In den Niederlanden, in Vlissingen-Oost an der Mündung der Westerschelde betreibt die Firma COVRA im Auftrag des niederländischen Finanzministeriums ein Langzeitzwischenlager mit 1,7 m starken Außenwänden, erdbebensicher bis zu einem Erdbeben der Stärke 6,5 der Richter-Skala, sicher gegen Aufprall eines Kampfjets, sicher gegen Wasserstand von 10 m über Normalnull etc. mit einer Betriebsgenehmigung von 100 Jahren, die verlängert werden kann. Allerdings ist die derzeitige Menge an HAW-HGT in den Niederlanden mit ca. 100 m3 sehr klein und steigt wegen der geringen jährlich produzierten Menge Abfalls nur langsam. Die Behälter mit dem HAW-HGT befinden sich in Betonröhren, die in festen Abständen auf Entweichen von Radioaktivität überprüft werden, siehe [20]. Obwohl das niederländische Entsorgungskonzept vorsieht, dass nach einem Endlagerstandort für alle Arten von radioaktivem Abfall in tiefen geologischen Schichten gesucht wird, werden bei diesem Langzeitzwischenlager wesentliche Erkenntnisse gewonnen werden, wie Handling, Monitoring, zentrale Übergangslagerung, Behälterdichtheit, vielleicht auch Akzeptanz etc., die eine oberflächennahe Endlagerung in Kavernen und Bunkern im Gespräch belässt, auch vor dem Hintergrund der zu erwartenden Zeitabläufe und wissenschaftlich-technischen Lösungsmöglichkeiten. Langzeitzwischenlagerung bedeutet also, dass in absehbarer Zukunft keine Entscheidung über den endgültigen Umgang mit hochradioaktiven Abfällen getroffen bzw. erwartet wird, und ist damit ein geplanter Zustand. Hieraus folgt, dass bereits bei der Auslegung des Langzeitzwischenlagers (LzL) mit einer Betriebszeit von einigen hundert Jahren das Gesamtsystem zu berücksichtigen ist. Durch die Langfristigkeit rücken dabei potenzielle Entwicklungen in den Fokus, die bis dato für die Auslegung kerntechnischer Anlagen keine Rolle spielten. Im Zusammenhang mit den in Kap. 5 und 7 diskutierten Übergangslagern sind diese Überlegungen beachtenswert.

9.2.4

Zentrale Datenbank

Ein Problem sollte sehr zügig angegangen werden: die Einrichtung einer zentralen Datenbank, in der alle bisher ermittelten und zusammengetragenen Datensätze zu den Wirts-

9.3 Langzeit-Monitoring von Uran-Tailings ponds und im Deponiebau

415

gesteinsformationen, die für die Standortsuche in Deutschland infrage kommen, zu den Endlagerbehältern, zu den Parametern für die Ermittlung von Strahlenexpositionen, zu hydrologischen Daten von Grundwasserleitern, zu den Parametern für die Standsicherheitsermittlung im Endlagerbauwerk etc. enthalten sind. Diese sollte auch der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. So entsteht Transparenz und daraus Vertrauen und letztendlich auch die Zuversicht, einen Beteiligungsprozess organisieren zu können, in dem die Interessengruppen sich angemessen berücksichtigt fühlen.

9.3

Langzeit-Monitoring von Uran-Tailings ponds und im Deponiebau

Das Langzeit-Monitoring zur Überwachung von Geotechnischen Umweltbauwerken zur langzeitsicheren Verwahrung von Uran-Tailings ponds ist umfänglich in Kap. 5 dargelegt, sodass die kurze Zusammenfassung hier die zugelassenen Unterschiede der Auswirkungen auf die Biosphäre betont. Zunächst kann man für die Geotechnischen Umweltbauwerke zur Verwahrung der Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut durchaus die Umschreibung „Hüte“-Prinzip10 verwenden, weil über ein (direktes) Langzeit-Monitoring auch die Langzeitsicherheit ausgewiesen wird, notwendige Nachsorgemaßnahmen erkannt und angeordnet werden und weil das Kriterium von 1 Millisievert im Kalenderjahr gemäß § 46 Strahlenschutzverordnung auch hier durchzusetzen ist. Dabei findet einerseits die Überwachung der Radonexhalationen statt. Dies geschieht einerseits über die Überwachung der Radonexhalationen, indem die Einhaltung der äußeren Strahlenexposition (Bodenstrahlung) von  0,15 µSv/h von der Wismut GmbH überwacht wird. Andererseits durch die Einhaltung von Umweltqualitätsnormen (UQN), über die der Zustand der von der Wismut GmbH beanspruchten Fließgewässer um die Uran-Tailing-ponds-Standorte gemäß Europäischer Wasser-Rahmen-Richtlinie (Richtlinie 2000/60/EG) beurteilt wird. Mit dieser Maßnahme wird die Einleitung bergbaubürtiger Wässer in die Vorflut und das Grundwasser überwacht. Neben der Eigenüberwachung erfolgt die Überwachung auch durch die jeweiligen Landesbehörden von Sachsen und Thüringen [21]. In ehemaligen Uranbergbaugebieten von Sachsen und Thüringen wurden gewässerspezifische Qualitätsnormen mit den Wasserbehörden abgestimmt, die im Allgemeinen zwischen 10 µg/l und 20 µg/l liegen. Jetzt hat das Umweltbundesamt für Uran (U-238) in Oberflächengewässern einen Vorschlag für eine Umweltqualitätsnorm (UQN) mit einem Zielwert von 3 µg/l [25] unterbreitet. In [22] wurde der Zusammenhang zwischen der Sanierung der Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus in Sachsen und Thüringen und dem allgemeinen Strahlenschutzkriterium, geltend auch für die Endlagerung radioaktiver Abfälle, hergestellt, siehe Abb. 9.8. Dieser Weg scheint zielführend auch deshalb, weil eine 10 „Hüte“-Konzepte erfordern per Definition dauerhaft aktive Maßnahmen wie die Überwachung und kontinuierliche Wartung zur Erhaltung des sicheren Zustandes des Lagers.

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Abb. 9.8 Kumulierende Radioaktivitätswirkungen – 1 Millisievert/Kalenderjahr-Kriterium für ehemalige Uranerzbergbaugebiete. (Nach [22])

416 Umwelt-Monitoring

Literatur

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UQN für Uran (U-238) mittelfristig nicht zu erwarten ist und in ehemaligen Uranbergbaugebieten von Sachsen und Thüringen vorliegende Richtwerte teilweise weit überschritten werden. Hieraus wird ersichtlich, dass erhebliche Unterschiede in der Beurteilung und Behandlung von Radioaktivität und deren Einfluss auf die Biosphäre zugelassen werden. Was nach Atomgesetz unmöglich ist, ist auf unter Bergrecht stehenden Flächen und Objekten in Deutschland zugelassen. Zwar wird durch die europäische Richtlinie 2013/59/Euratom [23] die konzeptionelle Trennung regulatorisches Regime für natürlich vorkommende Radionuklide und radioaktive Stoffe, deren ionisierende Strahlung oder kerntechnische Eigenschaften genutzt werden, soweit wie möglich aufgehoben, für die Sanierung der Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus in Sachsen und Thüringen kommt dies zu spät und entfaltet kaum noch Wirkung. Die Auswirkungen sind in Kap. 5 für den Wasserpfad und in Abschn. 6.1 für die Behandlungsrückstände (Immobilisate) aus Wasseraufbereitungsanlagen an Beispielen belegt. Auf die Darlegungen zur Überwachung von Deponien gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz und Deponieverordnung kann hier verzichtet werden, weil keine neuen Überwachungsgesichtspunkte aufgeführt werden müssen, einschließlich Stilllegung und Nachsorge, siehe Kap. 4.

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Umwelt-Monitoring

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Zusammenfassung

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In den vorangegangenen Kapiteln ist der Versuch unternommen worden, die Problemstellungen der Endlagerung von radioaktiven Rückständen und Abfällen in unterschiedlichen Geotechnischen Umweltbauwerken (Endlagerbauwerken) mit notwendigem Tiefgang zu erörtern, ohne den Anspruch zu erheben, einer Genehmigungspraxis zu genügend. Dem Autor ging es auch darum, eine breite interessierte Leserschaft anzusprechen und dabei nicht zu verschweigen, dass einerseits eine ganze Reihe von Problemstellungen noch offen ist, dies betrifft insbesondere die Endlagerung von hochradioaktiven, wärmeerzeugenden Abfällen, und dass andererseits die Sicherheitsstrukturen der vorhandenen Geotechnischen Umweltbauwerke sich nicht mit eingelagerten radioaktiven Inventaren begründen lassen, sondern eher damit, ob das Bergrecht oder das Atomgesetz als Grundlage für das Geotechnische Umweltbauwerk und die Langzeitsicherheitsbetrachtungen gesetzt wurde. Dazu wurden die in die verschiedenen Geotechnischen Umweltbauwerken eingelagerten oder einzulagernden radioaktiven Inventare auf der Grundlage eines dimensionslosen Aktivitätsindex, mit dem die Aktivität des jeweiligen Radionuklids auf dessen Freigrenze laut StrlSchV (Anlage III Tabelle 1 Spalte 2) bezogen wird, siehe Kap. 7, verglichen. Zwar wird durch die europäische Richtlinie 2013/59/Euratom [1] die konzeptionelle Trennung der regulatorischen Regime für natürlich vorkommende Radionuklide und radioaktive Stoffe, deren ionisierende Strahlung oder kerntechnische Eigenschaften genutzt werden, so weit wie möglich aufgehoben, für die Sanierung der Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus in Sachsen und Thüringen kommt dies zu spät und entfaltet kaum noch Wirkung, wie mit Beispielen des Wasserpfades in der Umgebung der Uran-Tailings ponds und der Verbringung der Wasseraufbereitungsrückstände der Wismut GmbH belegt wird. An der Lösung noch offener Problemstellungen insbesondere bei der Endlagerung von hochradioaktiven, wärmeerzeugenden Abfällen wird einerseits weltweit, auch in internationalen Benchmarking-Kooperationen, angestrengt gearbeitet, andererseits scheint der akute Handlungsdruck, aufgrund der bisher angefallenen Menge an hochradioaktiven, wärmeerzeugenden Abfällen, insbesondere in Deutschland mit den vorhandenen Zwischenlagerkapazitäten, nur mäßig zu sein. Der Handlungsdruck könnte sich erst ergeben, © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 M. Lersow, Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57822-3_10

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Zusammenfassung

wenn die Betriebsgenehmigungen auch aus Sicherheitsbedenken bei den bestehenden Zwischenlagern infrage gestellt würden. Nach Angaben der World Nuclear Association (WNA) entstehen weltweit Jahr für Jahr 12.000 t hochradioaktiver Abfälle. Durch den propagierten Ausstieg Deutschlands aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie ist die Menge hochradioaktiven Abfalls hier ziemlich genau bekannt, und es werden nach 2022 nur noch äußerst geringe Mengen jährlich hinzukommen. Weltweit anerkannte Praxis ist, auf nationale Entsorgungskonzepte zu setzen. Dies begründet sich stillschweigend durch den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Atomwaffensperrvertrag), mit dem verhindert werden soll, dass eine missbräuchliche Verwendung, u. a. für terroristische Zwecke, möglich wird. So wird allgemein die Handhabung hochradioaktiver Abfälle durch Endlagerung, Transmutation oder Wiederverwendung als eine wichtige Aufgabe für die Menschheit gesehen. Zu bemerken ist hier, dass international neben der Endlagerung auch die Wiederverwendung (Wiederaufarbeitung) und Aufarbeitung (Transmutation) von hochradioaktiven, wärmeerzeugenden Abfällen Bestandteile nationaler Entsorgungskonzepte sind. Beides ist in Deutschland gesetzlich untersagt. Zur Wiederaufarbeitung (in Deutschland existieren keine Anlagen) sind Transporte in Wiederaufarbeitungsanlagen nach Frankreich und Großbritannien per Gesetz seit dem 1. Juli 2005 nicht mehr zulässig, und seit der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 15. Juni 2000 (Atomkonsens) gilt ein Verbot für den Bau neuer Kernkraftwerke (keine Genehmigungen). Dadurch ist die Errichtung von Transmutationsanlagen in Deutschland derzeit ausgeschlossen. Im nationalen Entsorgungsprogramm Deutschlands fehlen die Komponenten Wiederaufarbeitung und Transmutation, im französischen Entsorgungsprogramm sind sie enthalten. Das heißt, unbeeindruckt vom deutschen Ausstiegsszenario wird international sowohl an der Wiederaufarbeitung als auch an der Transmutation gearbeitet. So ist allgemein festzuhalten, dass zwar internationale Empfehlungen und Richtlinien durch die IAEA existieren, aber die Entsorgung radioaktiver Abfälle letztlich nationalen gesetzlichen Vorgaben untersteht. In der IAEA wird ein internationales Lager für hochaktive Abfälle diskutiert. Dass ein internationales Entsorgungszentrum unter IAEA-Kontrolle eine Lösungsmöglichkeit sein könnte, stößt aber international auf wenig positive Resonanz, geschweige denn Akzeptanz. Das vorgelegte Sicherheitskonzept genügt einerseits aus Sicht der meisten Staaten den hohen Risiken im Umgang mit radioaktiven Materialien nicht, und andererseits sind die dafür als notwendig erachteten Sicherheitsvorkehrungen, wie sie in verschiedenen Ländern anzutreffen sind, bei Weitem nicht ausreichend berücksichtigt. In den Kapiteln dieses Buches werden verschiedene nationale Entsorgungskonzepte vorgestellt und verglichen. Hervorgehoben ist hier natürlich das deutsche Entsorgungskonzept mit den verschiedenen vorhandenen Standorten und Geotechnischen Umweltbauwerken, die in Kap. 4, 5, 6 und 7 ausführlich vorgestellt werden. Dazu gehören die Verwahrungskonzepte der Wismut GmbH, das Endlager für Radioaktive Abfälle in Morsleben und die Schachtanlage Asse II sowie die in der Realisierungsphase befindliche Umrüstung der Schachtanlage Konrad zum Endlager für schwach- und mittelradioakti-

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ve Abfälle sowie der Start der Entwicklung eines Endlagerkonzeptes für hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle. Vorgestellt werden nicht nur Endlagerbauwerke, sondern auch die endzulagernden radioaktiven Inventare. Auf der Grundlage eines definierten dimensionslosen Aktivitätsindex können die einzulagernden radioaktiven Inventare der verschiedenen Endlagerkonzepte hinsichtlich ihrer Radiotoxizität verglichen werden und damit auch die Anforderungen zur Endlagerung. Die Unterschiede sind gering, die Anforderungen an die Endlagerkonzepte ähnlich. In Olkiluoto/Finnland wird das erste Endlager für hochradioaktive, wärmeerzeugende Abfälle wahrscheinlich 2022 in Betrieb gehen. Die Einlagerungsstrecken werden 400– 450 m unter Geländeoberfläche in einer Granitformation verlaufen. Die Endlagerbehälter bestehen im Wesentlichen aus Kupfer und werden mit einem Betonitpuffer umgeben. Das Konzept der Endlagerbehälter ist auf die Wirtsgesteinsformation abgestimmt. Das Untertagelabor Onkalo ist direkt als Pilotanlage ins Endlager integriert. Schweden und Frankreich werden mit der Inbetriebnahme von Endlagerbauwerken folgen. Dies wird auch Einfluss auf die Entwicklung der Endlagerkonzeption in Deutschland haben, siehe Kap. 7. Viele vorgebrachte Einwendungen lassen sich nun nicht mehr aufrechterhalten. In Deutschland wird man sich bei der Standortsuche für ein Endlager für hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle auf die Wirtsgesteinsformationen Salzstein, Tongestein und kristallines Gebirge (Granite etc.) ergebnisoffen konzentrieren. In anderen Regionen Europas und darüber hinaus wird diese geologische Formationenvielfalt nicht angetroffen. Für die einzelnen Wirtsgesteinsformationen müssen unterschiedliche Endlagerbehälter zur Verfügung gestellt werden. So können Nachteile aus der Wirtsgesteinsformation durch eine darauf ausgerichtete und angepasste Endlagerbehälterentwicklung ausgeglichen werden, wie das finnische und schwedische Endlagerkonzept zeigt. Letztendlich muss ein Endlager, unabhängig vom Wirtsgesteinstyp, aber den Langzeitsicherheitsnachweis erfüllen und genehmigungsfähig sein. Finnen und Schweden haben dies erreicht und werden durch die Optimierung ihrer Endlager in der Bau-, Betriebs- und Stilllegungsphase die nationalen Schutzziele einer langzeitsicheren, langzeitstabilen Endlagerung ihrer hochradioaktiven, wärmeentwickelnden Abfälle nicht nur erfüllen, sondern auch wesentlich zum weiteren Erkenntnisgewinn über das Langzeitverhalten der Endlagerbauwerke beitragen, siehe Kap. 7 und 8. Die Entwicklung eines deutschen Endlagerkonzeptes für hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle startet 2017 mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle [2] neu. Nach derzeitigem Planungsstand wird die Betriebsphase nicht vor 2070 beginnen können, so dass das Endlagerbauwerk dann frühestens in 150 Jahren verschlossen werden könnte1 . Darüber hinaus sind für einen Zeitraum von

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2018 teilte das BMU mit, dass sich die Fertigstellung in das Jahr 2029 verschieben wird. Allerdings auch unter Vorbehalt. Alle hier im Text vorgelegten Prognosen hinsichtlich der Errichtungsdauer sind damit bestätigt [5].

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500 Jahren nach dem vorgesehenen Verschluss des Endlagers ausreichende Vorkehrungen für eine mögliche Bergung der Abfälle vorzusehen. Mit diesen Rahmenbedingungen ist zu erwarten, dass die wissenschaftlich-technische Entwicklung es möglich machen wird, dass heute noch offene Fragestellungen dann gelöst sein werden. Zur Endlagerkonzeption wird dann auch ein Monitoringkonzept für die Nachverschlussphase eines Endlagers in tiefen geologischen Formationen gehören, siehe Kap. 9. Mit einem Monitoringkonzept kann ein wichtiges Instrument für öffentliche Kommunikation in Anspruch genommen werden, das einerseits die technische Sicherheitsstrategie, die Sicherheit der Technik und deren Lebensdauer belegt, andererseits in der Öffentlichkeit um Verständnis über für Abläufe im Betrieb und später in der Stilllegungsphase wirbt und zur Vertrauensbildung in die prognostizierte Endlagerentwicklung in der Nachbetriebsphase beiträgt. Es ist zudem wahrscheinlich, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Ländern in der Zukunft weitere Endlager auch für ihre hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle benötigen werden, weil derzeit nicht erwartet werden kann, dass die Kernenergie aus deren Energiemix gestrichen wird. Die Reichweite der Uran-/ThoriumRessourcen reicht bis weit in die Zukunft, siehe [6] und stellt dafür kein Hindernis dar. Damit trägt auch die heutige Generation erheblich zur Wissensmehrung über das Langzeitverhalten von Endlagerbauwerken für zukünftige Generationen bei. Was derzeit in Deutschland zu konstatieren ist, ist die Zwischenlagerung von radioaktiven Abfällen, sowohl für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung als auch für die hochradioaktiven, wärmeentwickelnden Abfälle. Die Schachtanlage Konrad wird nicht vor 2022 fertiggestellt sein, siehe Kap. 6, und für die hochradioaktiven, wärmeentwickelnden Abfälle hat der lange Weg zu einem Endlager gerade erst begonnen, siehe Kap. 7 und 8. Die derzeitig sich abzeichnende Entsorgungsoption für hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle in Deutschland ist in Kap. 9, Abb. 9.7 zusammengefasst. Das Endlagerkonzept für hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle wird als Endlagerung mit Monitoring und Rückholbarkeit bezeichnet. Weitere Entsorgungsoptionen siehe [3]. Wie die Entwicklung weitergehen wird, ist offen. Intensiv wird an einem Monitoring-Konzept für die Nachverschlussphase eines Endlagers in tiefen geologischen Formationen gearbeitet. Falls die oberflächennahe Endlagerung in Kavernen oder Bunker in den Fokus der Überlegungen gelangt oder Transmutation angewandt wird, wird dies auch Auswirkungen auf die Anforderungen für ein Monitoring-Konzept haben, siehe Kap. 7. Gegenstand intensiver Untersuchungen ist auch die Entwicklung eines allgemeinen Langzeitsicherheitsnachweises, der sich auf den jeweiligen Standort anpassen lässt und die verbleibenden Risiken und zu erwartenden Eintrittswahrscheinlichkeiten wissenschaftlich begründet abbildet. Wenn eine Risikoeinschätzung mit Eintrittswahrscheinlichkeiten für den Betrachtungszeitraum von 106 a nicht quantifizierbar ist, ist die auf dieser Basis ausgewiesene Langzeitsicherheit mit einer großen Unsicherheit behaftet. Es wird zumindest angeregt, von einer kürzeren Betrachtungszeit von z. B. 10.000 Jahren auszugehen, für die man Ein-

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trittswahrscheinlichkeiten von Prozessen und Ereignissen quantifizieren kann. Von der so ermittelten Langzeitsicherheit ist es möglich, dann eine Extrapolation auf längere Betrachtungszeiträume vorzunehmen. Den so ermittelten Langzeitsicherheiten werden dann Unsicherheiten zugeordnet, die gleichbedeutend damit sind, mit welcher Zuverlässigkeit der Langzeitsicherheitsnachweis erfolgte. Dazu ließe sich eine Methodik verfolgen, die darauf abzielt, den Nachweis der Langzeitsicherheit als eine wissenschaftlich gesicherte Prognose zum vom Endlagerbauwerk ausgehenden Langzeitsicherheitsrisiko und zu den Eintrittswahrscheinlichkeiten verschiedener Szenarien darzustellen, bei Darlegung möglicher, notwendiger Maßnahmen zur Gefahrenabwehr – insbesondere für hochradioaktive, wärmeerzeugende Abfälle und für die Nachverschlussphase des Endlagerbauwerks. Auf dieser Grundlage werden ein Vergleich verschiedener Endlagerbauwerke und das Auswahlverfahren objektiviert, siehe Kap. 8. In einer Matrix, siehe Tab. 10.1, werden die Arten mit den sicherheitsrelevanten Funktionselementen bewertet und damit auch gegenübergestellt. Das Sicherheitsniveau des einschlusswirksamen Bereiches kann unabhängig von der Tiefe gestaltet werden. Dabei bleibt das Deckgebirge in manchen Sicherheitsanalysen unberücksichtigt. Es wird hier unterstellt, dass das Deckgebirge durchaus einen Beitrag zur Langzeitsicherheit des Geotechnischen Umweltbauwerkes leistet. Vom Deckgebirge hängt der Grad der Trockenheit im Geotechnischen Umweltbauwerk ab. Außerdem werden Übertritte der geringen austretenden Stoffmengen in die Biosphäre verzögert. In den Grundwasserstockwerken wird zudem ein Verdünnungseffekt erreicht. Bei äußeren Einflüssen wie auftretenden Erdbeben,

Tab. 10.1 Bewertungsmatrix verschiedener Endlagersysteme (Geotechnische Umweltbauwerke) für HGW-HAW, siehe auch [3] Endlagersystem (Geotechnisches Umweltbauwerk)/Funktionselement Einschlusswirksamer (Gebirgs-)Bereich Deckgebirge Technische und geotechnische Barrieren

EBW

TBL

+ + + + Ausgewogen Nur Behälter, Abfallmatrix und Verschluss Bergungsmöglichkeit der radioaktiven Abfälle ~ – Reversibilität ~ – Kosten Sehr hoch Vergleichbar niedrig ... Summe Bewertung

KuB + +a Überwiegend

+ + Vergleichbar niedrig

Bewertung: + voll erfüllbar (4); ~ ausreichend (2); – nicht erfüllbar (0) EBW Endlagerbergwerk, TBL Tiefe Bohrlöcher, KuB Kavernenbauwerk a Da das Deckgebirge den Grad der Trockenheit im Geotechnischen Umweltbauwerk maßgeblich beeinflusst, kann bei entsprechender Lage und Gestaltung auch ein geringmächtiges Deckgebirge hier Vorteile bringen

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Flugzeugabstürzen auf das darunter liegende Endlagersystem oder beim versuchten Angriff von außen (Verritzen des Deckgebirges), die zur Verletzung des einschlusswirksamen Bereiches führen können, kommt dem Deckgebirge eine beachtliche Sicherheitsfunktion zu. Für alle möglichen Ereignisse lassen sich für den Standort Eintrittswahrscheinlichkeiten (EW) ermitteln. Nach heutigem Stand wird die Eintrittswahrscheinlichkeit von Ereignissen, die negative Auswirkungen auf den einschlusswirksamen Bereich haben, in drei Kategorien eingeteilt:  wahrscheinliches Eintreten, signifikanter Einfluss auf die Funktionalität des Geotechnischen Umweltbauwerkes, EW > 102 ,  weniger wahrscheinliches Eintreten, nicht zu vernachlässigender Einfluss auf die Funktionalität des Geotechnischen Umweltbauwerkes, 103 < EW  102 ,  unwahrscheinliches Eintreten, nicht signifikant, zu vernachlässigender Einfluss auf die Funktionalität des Geotechnischen Umweltbauwerkes, EW  103 . Legt man diesen Maßstab zugrunde, dann muss in einem Langzeitsicherheitsnachweis belegt werden, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit (AW) des Geotechnischen Umweltbauwerkes am Standort X (Verlust der Funktionalität) im Nachweiszeitraum AW < 103 erreichen wird. Dabei wird unter Verlust der Funktionalität verstanden, dass Stoffmengen den einschlusswirksamen Bereich verlassen, die zu Strahlenexpositionen in der Biosphäre führen, die außerhalb des gesellschaftlich akzeptierten Bereiches liegen. Das Geotechnische Umweltbauwerk (Endlagersystem) hat seine geforderte Schutzfunktion verloren, „Mensch und Umwelt vor den Folgen der ionisierenden Strahlung und der toxischen Wirkungen des aufgenommenen radioaktiven Abfalls dauerhaft zu schützen.“2 Damit zerfällt der Langzeitsicherheitsnachweis für das Geotechnische Umweltbauwerk (Endlagersystem) zum dauerhaften Schutz von Mensch und Umwelt vor den Folgen der ionisierenden Strahlung und der toxischen Wirkungen des aufgenommenen radioaktiven Abfalls zunächst in zwei Teilnachweise:  Langzeitsicherheitsnachweis für den einschlusswirksamen Bereich, dass mit einer Versagenswahrscheinlichkeit von nur (VW) < 103 (dies entspricht einer jährlichen Versagenswahrscheinlichkeit von 106 ) die radiotoxischen Abfälle im einschlusswirksamen Bereich im Nachweiszeitraum verbleiben – Nachweis der inneren Sicherheit.  Nachweis, dass im Betrachtungszeitraum nicht Einwirkungen von außen eintreten können, die den einschlusswirksamen Bereich so verletzen, dass dieser seiner Schutzfunktion nicht mehr nachkommen kann, EW von < 103 , Nachweis der Sicherheit gegen Einwirkungen von außen. Wenn die äußere Sicherheit nicht nachgewiesen werden kann, fällt der Standort aus der Betrachtung. Wenn die innere Sicherheit nicht nachgewiesen werden kann, muss dies 2

Definition der Schutzfunktion eines Geotechnischen Umweltbauwerkes (Endlagerbauwerkes).

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möglicherweise zu einem anderen Konzept des Geotechnischen Umweltbauwerkes führen. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf die Kosten für die sichere, langzeitstabile Verwahrung der radioaktiven Abfälle haben, siehe Tab. 10.1. Im Langzeitsicherheitsnachweis für das Geotechnische Umweltbauwerk zur Endlagerung radiotoxischer Abfälle muss somit Berücksichtigung finden:  der sichere Einschluss der radiotoxischen Abfälle,  die Isolation der radiotoxischen Abfälle,  die Ver- oder Behinderung von Radionuklidfreisetzungen bzw. Verzögerung signifikanter Radionuklidmigrationen,  die Gewährleistung, dass eventuell langfristig nicht zu vermeidende Radionuklidfreisetzungen zu keinem signifikant erhöhten Risiko für Mensch und Umwelt führen,  die Vorsorge gegen die Möglichkeit von unbeabsichtigtem menschlichem Eindringen in die Abfälle und die damit verbundenen Auswirkungen. Dem Langzeitsicherheitsnachweis ist eine Langzeitsicherheitsanalyse vorzuschalten. Teile der Langzeitanalyse können bereits Bestandteil der Standortauswahl sein. Als Langzeitsicherheitsanalyse, siehe [4], wird Folgendes verstanden: Die Analyse des Langzeitverhaltens des Endlagers nach Stilllegung. Zentraler Betrachtungsaspekt ist die Analyse des Einschlussvermögens des Endlagersystems und seiner Zuverlässigkeit. Sie umfasst z. B. die Entwicklung konzeptioneller Modelle, die Szenarienentwicklung, die Konsequenzenanalyse, die Unsicherheitsanalyse sowie den Vergleich der Ergebnisse mit vorgegebenen Sicherheitsprinzipien, Schutzkriterien und sonstigen Nachweisanforderungen.

In einem Genehmigungsverfahren für den Betrieb und die Stilllegung eines Endlagers sind die formalen Adressaten des Langzeitsicherheitsnachweises das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE)3 und im Falle eines Endlagerbergwerkes das zuständige Bergamt mit den mitwirkenden Behörden (Wasser, Strahlenschutz etc.). Sie haben die vom Antragsteller vorgelegten Nachweise zu prüfen, können Ergänzungen verlangen und die Nachweise als geführt bestätigen oder deren Bestätigung versagen. Genau genommen handelt es sich hierbei ebenfalls um ein Conceptual Site Model, das in der Genehmigung hinterlegt ist. Durchgesetzt hat sich allerdings der Term Modell des (Standort-)Endlagersystems. Die Erstellung eines Langzeitsicherheitsnachweises kann auch außerhalb eines Genehmigungsverfahrens zur Unterstützung eines Entscheidungsprozesses (z. B. in einem Gesetzgebungsverfahren, bei der Öffentlichkeitsbeteiligung oder im Zustimmungsverfahren bei Kommunen) zweckmäßig sein. Das AtG verlangt zwingend die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens mit UVP. Eine grenzüberschreitende Betrachtung für grenznahe Anlagen ist nicht nur zwingend, sondern kann auch vertrauensbildend sein. Gemäß Artikel 37 des Euratom-Vertrages ist jeder Mitgliedsstaat der EU 3

Das BfE ist nicht nur für den Langzeitsicherheitsnachweis, sondern auch für die Sicherheit bei der Errichtung, beim Betrieb und beim Verschluss des Endlagers verantwortlich.

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verpflichtet, der Kommission Angaben über jeden Plan zur Ableitung radioaktiver Stoffe zu übermitteln: „Aufgrund dieser Angaben soll festgestellt werden, ob die Durchführung dieses Plans eine radioaktive Verseuchung des Wassers, des Bodens oder des Luftraums eines anderen Mitgliedsstaates verursachen kann. Vorgaben zur grenzüberschreitenden Behördenbeteiligung bei der Prüfung der Umweltauswirkungen enthält § 8 UVPG“ [5]. Die Sicherung der Datensätze zum Endlagerstandort, das Endlagerkataster, ist derzeit in Deutschland noch nicht abschließend geregelt. Bei Endlagerbergwerken böte sich das zuständige Landesbergamtskataster an, bei dem die Datensätze (Risswerk) zu einem Endlagerbergwerk ohnehin dauerhaft gelagert werden. Es ist Anliegen dieser Darstellung die für die langzeitsichere, langzeitstabile Verwahrung notwendigen Geotechnischen Bauwerke für die überwiegende Mehrheit aller radioaktiven Rückstände und Abfälle hier vor- und gegenüberzustellen – und dies soweit wie möglich als neutraler Wissenschaftler, der keiner der konkurrierenden Gruppen zugerechnet werden kann. Letztendlich haben alle diese Geotechnischen Umweltbauwerke das zentrale Schutzziel, die Isolation der radioaktiven Abfälle und Rückstände zu garantieren, dass diese so abgeschirmt und gekapselt werden, dass einerseits beim Umgang mit dem Abfall das Personal und die Umgebung (z. B. durch Transporte) keine Schäden erleiden und andererseits aus dem Endlager im Betrachtungszeitraum (Nachweiszeitraum) radiotoxische Stoffe nicht oder nur innerhalb der gesellschaftlich akzeptierten Grenzen in die Biosphäre übertreten können. Dafür werden die Endlagerbauwerke mit einem Multibarrierensystem ausgestattet. Dieses kann aus aufeinander abgestimmten technischen, geotechnischen und geologischen Barrieren bestehen. Die Anforderungen und damit die Zulassungskriterien für die Geotechnischen Umweltbauwerke werden sehr unterschiedlich gehandhabt. Während die Verwahrung der Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut ohne Basisabdichtung behördlicherseits genehmigt wurde, siehe Kap. 5, wird bei der Schachtanlage Asse II erwogen, die gesamten kerntechnischen Anlagen gemäß § 9 AtG auszuräumen, die radioaktiven Abfälle neu zu konditionieren und in ein Endlager zu verbringen, was derzeit nicht vorhanden ist. Eine robuste Abschätzung der realen Expositionen der Arbeiter und der realen und potenziellen Expositionen der Bevölkerung bei der Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Schachtanlage Asse II ist auf der Grundlage des derzeitigen Kenntnisstandes nicht möglich. siehe Kap. 6. Der Grenzwert für die effektive Dosis zum Schutz von Einzelpersonen der Bevölkerung beträgt gemäß § 46 Strahlenschutzverordnung für alle hier betrachteten Geotechnischen Umweltbauwerke 1 Millisievert im Kalenderjahr. In Abb. 9.8 ist dies exemplarisch für Uran-Tailings der SDAG Wismut dargestellt. Es ist durchaus zu empfehlen, die Ergebnisse des Umganges mit großen Mengen radioaktiven Materials, das Auffangen und die schadlose Beseitigung ausgetretener radioaktiver Radionuklide in die Biosphäre und das eingerichtete Langzeit-Monitoring und dessen Unterhaltung sowie das Datenmanagement aus der Sanierung der Uran-Tailings ponds der SDAG Wismut in die Überlegung der Endlagerplanung für radioaktive Abfälle einfließen zu lassen, insbesondere in die Notfallplanung. In die bei der Schachtanlage Asse II ein-

Literatur

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gerichtete Notfallplanung ließen sich schon heute einige Elemente sinnvoll übernehmen oder könnten standortspezifisch angepasst werden. Angeregt wird die Einrichtung einer zentralen Datenbank, in der alle bisher ermittelten und zusammengetragenen Datensätze zu den Wirtsgesteinsformationen, die für die Standortsuche in Deutschland infrage kommen, zu den Endlagerbehältern, zu den Parametern für die Ermittlung von Strahlenexpositionen, zu hydrologischen Daten von Grundwasserleitern, zu den Parametern für die Standsicherheitsermittlung im Endlagerbauwerk etc. aufbewahrt werden. Diese Datenbank mit den Datenbanken der zuständigen Bergämter zu verknüpfen, scheint sinnvoll, weil u. a. auch derzeit bekannte höffige Gebiete zu berücksichtigen sind. Aus hiesiger Sicht muss als Ausschlusskriterium für Endlagerstandorte in derzeit bekannten höffigen Gebieten gelten, dass hier über den langen Betrachtungszeitraum ein von Menschen veranlasster äußerer Eingriff, z. B. durch Exploration, sehr wahrscheinlich ist. Dies verhindert zwar nicht, dass an Endlagerstandorten in der späteren Entwicklung Lagerstätten angetroffen werden können, dies ist aber vom Grundsatz des Vorsatzes verschont, da derzeit das Bundesberggesetz u. a. im § 1 dem Lagerstättenschutz und der Sicherung der Rohstoffversorgung dient. Eine zentrale Datenbank erfüllt auch die aus dem Umweltinformationsgesetz (UIG) abgeleitete Forderung eines freien Zugangs zu Umweltinformationen bei informationspflichtigen Stellen sowie der Verbreitung dieser Umweltinformationen [siehe UIG § 1 (1) in der Fassung vom 27.10.2014]. So entsteht Transparenz und daraus Vertrauen und letztendlich auch die Zuversicht, einen Beteiligungsprozess organisieren zu können, in dem die Interessengruppen sich angemessen berücksichtigt fühlen.

Literatur 1. RICHTLINIE 2013/59/EURATOM DES RATES vom 5. Dezember 2013: zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung und zur Aufhebung der Richtlinien 89/618/Euratom, 90/641/Euratom, 6/29/Euratom, 97/43/Euratom und 2003/122/Euratom 2. StandAG: Gesetz zur Fortentwicklung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und anderer Gesetze; vom 05. Mai 2017 3. Appelt, D. et. al.: ENTRIA-Bericht-2015-01; Darstellung von Entsorgungsoptionen; K-MAT 40; Sept. 2015 4. Peter Schmidt, Sanierung der Hinterlassenschaften der Uranerzförderung und -verarbeitung in Sachsen und Thüringen durch die Wismut GmbH, Technisches Seminar, DESY Zeuthen 13. Febr. 2007 5. BMU: Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle, Stand 30. September 2010 6. Lersow, M.: Energy Source Uranium – Resources, Production and Adequacy; GlueckaufMining Reporter; Verlag der Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH, Shamrockring 1, 44623 Herne; 153(3) p. 178–194; 6/2017

Glossar1

A Abgebrannte Brennelemente Brennelemente, die ihre vorgesehene Nutzungsdauer erreicht haben und deshalb ausgetauscht werden müssen. Diese stehen zur direkten Endlagerung an. Bis 2005 war in Deutschland auch die Wiederaufarbeitung von Brennelementen zulässig. Abklingzeit Im Kontext der radioaktiven Abfallstoffe die Zeitspanne, die abgebrannte Brennelemente in einem Abklingbecken lagern müssen, bis sie aufgrund geringerer Wärmeleistung in Behälter zur Zwischenlagerung verpackt werden können. Mit Blick auf die Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen beschreibt die Abklingzeit außerdem die Zeitspanne, ab der die Wärmeabgabe der Abfälle sich so weit vermindert hat, dass diese endgelagert werden können. Absorption Schwächung der Intensität einer Teilchen- oder Wellenstrahlung beim Durchgang durch Materie. Die Energie der Strahlung wird dabei in eine andere Energieform (zum Beispiel Wärme) umgewandelt. Die von biologischen Geweben absorbierte Energie ist Grundlage für die Berechnung der vom Organismus aufgenommenen Dosis. Abteufen Bergmännischer Begriff für das Erstellen von vertikalen Hohlräumen, in der Regel Schächte, Bohrlöcher oder Bunker. Advektiver Transport Siehe Transport. Abwetter Von unter Tage kommende verbrauchte Luft, Abluft aus bergbaulichen Anlagen. Abwetterschacht Schacht, durch den verbrauchte Luft und schädliche Gase aus den Grubenbauen nach über Tage gezogen werden; oftmals wird der Sog durch Ventilatoren verstärkt. Aktinide Sammelbezeichnung der Elemente Aktinium und der 14 im Periodensystem folgenden Elemente. Zugerechnet werden Aktinium, Thorium, Protactinium, Uran und die Transurane Neptunium, Plutonium, Americium, Curium, Berkelium, Californium, Einsteinium, Fermium, Mendelevium, Nobelium und Lawrencium. Aktivität Anzahl der pro Zeiteinheit in einem radioaktiven Stoff auftretenden Kernumwandlungen. Die Maßeinheit der Aktivität ist das Becquerel (Bq). 1

Kursiv geschriebene Glossarbegriffe sind Wörter mit bergbaulichem Hintergrund.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 M. Lersow, Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57822-3

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Äquivalentdosis Die vom Körper aufgenommene Energiedosis durch ionisierende Strahlung multipliziert mit einem Qualitätsfaktor, welcher der relativen biologischen Wirksamkeit der jeweiligen Strahlungsarten Rechnung trägt. Die Einheit der Äquivalentdosis ist, wie die der Energiedosis, Joule pro Kilogramm (J/kg). Um den Unterschied zur Energiedosis (1 J/kg = 1 Gy (Gray)) klarzustellen, wird die Äquivalentdosis in der Einheit Sievert (Sv) angegeben.

B Barriere Als Barriere wird eine natürliche oder technische Komponente des Endlagersystems bezeichnet, die den Transport von Radionukliden oder anderen Stoffen in die Biosphäre ganz oder teilweise verhindert bzw. verzögert. Es wird zwischen technischen, geologischen und geotechnischen Barrieren unterschieden. Derartige Barrieren sind beispielsweise die Abfallmatrizen, die Abfallbehälter, die Kammer- und Schachtverschlussbauwerke, der einschlusswirksame Gebirgsbereich (ewG) und die diesen ewG umgebenden oder überlagernden geologischen Schichten. Bentonit Mischung aus verschiedenen Tonmineralien mit der Eigenschaft, Wasser aufzunehmen, dabei zu quellen und schließlich gegen zutretende Wässer weitestgehend abzudichten. Bergbarkeit Die in Notfällen für einen bestimmten Zeitraum nach dem Verschluss des Endlagers mögliche Bergung der Abfälle aus dem bereits verschlossenen Endlager oder Endlagerbereich, ggf. indem man sie wieder ausgräbt. Dazu müssen die bereits eingelagerten Abfallbehälter über eine festgelegte Zeit (in Deutschland 500 Jahre) intakt bleiben. Bergehalde Aufschüttung aus Begleitmaterialien, die bei der Schaffung des Zuganges unter Tage und der Gewinnung zu Erzen anfallen. Bergemasse Aus dem Gesteinsverband gelöstes Gestein. Bergung Herausholen radioaktiver Abfälle aus dem Endlager als Notfallmaßnahme. Betrachtungszeitraum (Nachweiszeitraum) Betrachteter (erforderlicher) Zeitraum in einem Langzeitsicherheitsnachweis für die in einem Endlager eingelagerten radioaktiven Abfallstoffe, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass diese von Stoffkreisläufen der Biosphäre getrennt bleiben. Big Bag (Wismut GmbH) Flexibler Schüttgutbehälter mit verklebter Innenfolie und vier Hebeschlaufen mit den Abmessungen 90 × 90 × 125 cm. Biosphäre Teil der obersten Erdkruste, der Erdoberfläche und der Atmosphäre, der von lebenden Organismen bewohnt wird und eine Vielzahl von Lebensräumen bildet. Blindschächte Schächte, die keine Verbindung mit der Tagesoberfläche haben. Brennelement In Deutschland gebräuchliche Brennelemente bestehen aus einigen zehn bis einigen hundert Brennstäben, die durch Konstruktionsteile gebündelt sind. Sie bilden zusammen mit den sonstigen Einbauten den Reaktorkern. Die luftdicht ver-

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schweißten Brennstäbe bergen den Kernbrennstoff. Abgebrannte Brennelemente enthalten zusätzlich die hochradioaktiven Spaltprodukte und neu gebildete Aktiniden.

C Castorbehälter Transport- und Lagerbehälter für hochradioaktive Abfälle. Curie Nicht mehr gebräuchliche Einheit der Aktivität eines radioaktiven Stoffes, wurde durch die SI-Einheit Bq ersetzt, 1 Bq = 3,7 E+10 Ci.

D Deckgebirge Über dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich liegende geologische Schichten. Dekontamination Entfernen von chemischen, biologischen oder radioaktiven Verunreinigungen (Kontaminationen) bei Personen, Objekten oder ungeschützten Flächen. Diapirismus Geologischer Prozess, bei welchem z. B. Salz aufgrund seiner geringeren Dichte und seiner Plastizität aufsteigt und Schichten des Deckgebirges durchbrechen kann. Auf diese Weise sind die Salzstöcke der Norddeutschen Tiefebene entstanden. Diesen Prozess gibt es auch bei anderen Gesteinen (z. B. Granit). Diffusiver Transport Siehe Transport. Dispersion, hydromechanische Verteilung bzw. Vermischung von gleichen Inhaltstoffen (bzw. Wärme) im bewegten Porenwasser. Dieser Prozess wird in porösen Medien durch die unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten in der Pore, die Porengrößenverteilung und die Weglänge, die die einzelnen Stoffteilchen zurücklegen können, verursacht. Dispersivität Charakteristische Länge, die im Labor oder im Feld gemessen werden kann. Sie ist ein geometrisches Maß für die Durchlässigkeits- und Speicherheterogenität des Grundwasserleiters. Die Größenordnung des Dispersionskoeffizienten ist vom Maßstab sowie von Porosität, Kornform und Korngröße abhängig. Man unterscheidet zwischen longitudinaler Dispersivität (m), transversal-horizontaler Dispersivität (m) und in transversal-vertikaler Dispersivität (m). Dosis, effektive Maß für die Energie, die durch ionisierende Strahlung, die bei radioaktiven Zerfällen auftritt, auf einen Menschen einwirkt, und die damit verbundene mögliche Schädigung. Die Einheit der effektiven Dosis ist das Sievert, Kurzzeichen Sv. Die effektive Dosis berücksichtigt die unterschiedliche Empfindlichkeit der Organe und Gewebe bezüglich stochastischer Strahlenwirkungen. Dazu werden die spezifizierten Organdosen mit einem Gewebe-Wichtungsfaktor multipliziert. Die effektive Dosis erhält man durch Summation der gewichteten Organdosen aller spezifizierten Organe und Gewebe, wobei die Summe der Gewebe-Wichtungsfaktoren 1 ergibt. Die GewebeWichtungsfaktoren bestimmen sich aus den relativen Beiträgen der einzelnen Organe

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und Gewebe zum gesamten stochastischen Strahlenschaden (Detriment) des Menschen bei homogener Ganzkörperbestrahlung. Dosisleistung Dosis pro Zeiteinheit, angegeben in Sievert pro Stunde (Sv/h). Durchlässigkeitsbeiwert Parameter zur Beschreibung der Wasserdurchlässigkeit, hier insbesondere für Gesteine und mineralische Dichtungen (Bentonit), Einheit: Meter pro Sekunde.

E Einlagerungsbereich Teil eines Endlagerbergwerkes, in dem radioaktive Abfälle in Einlagerungsfeldern eingelagert werden und der abschließend gegen den Infrastrukturbereich und ggf. weitere Einlagerungsbereiche verschlossen wird. Einlagerungsfeld Teil eines Einlagerungsbereiches. Es enthält Einlagerungsstrecken und/oder -bohrlöcher und -kammern, einschließlich der Querschläge, durch die das Einlagerungsfeld an die Transportstrecken des Einlagerungsbereiches angebunden ist. Einschluss Sicherheitsfunktion des Endlagersystems. Radioaktive Abfälle sind in einem Gebirgsbereich so eingeschlossen, dass sie im Wesentlichen am Einlagerungsort verbleiben und allenfalls geringe Stoffmengen diesen Gebirgsbereich verlassen. Endlagersystem Bestehend aus dem Endlagerbergwerk, dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich und aus den umgebenden oder überlagernden geologischen Schichten bis zur Erdoberfläche, soweit sie sicherheitstechnisch bedeutsam sind. Einschlusswirksamer Gebirgsbereich (ewG) Geologischer Bereich, der in einem dauerhaften Lager die Einlagerungskammern mit radioaktiven Abfallstoffen umgibt. Der einschlusswirksame Gebirgsbereich soll im Zusammenwirken mit technischen und geotechnischen Barrieren den Einschluss der Abfälle für die erforderliche Zeitdauer sicherstellen. Endlagerung Auf Dauer angelegte Lagerung radioaktiver Abfälle (in tiefen geologischen Formationen). Endlagerbergwerk Bestehend aus unterschiedlichen Komponenten wie Schächten, Strecken und Kammern mit den darin eingelagerten Abfallgebinden, Versatz- und Dichtelementen. Evaporitgesteine Chemische Sedimente, die sich durch fortschreitende Wasserverdunstung aus Meerwasser in der Reihenfolge zunehmender Löslichkeit bilden (zuerst Karbonate, dann Sulfate, Halogenide und zuletzt Kali- und Magnesiumsalze). Entsorgungskommission (ESK) Berät das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) in den Angelegenheiten der nuklearen Entsorgung (Konditionierung, Zwischenlagerung und Transporte radioaktiver Stoffe und Abfälle, Stilllegung und den Rückbau kerntechnischer Einrichtungen, Endlagerung in tiefen geologischen Formationen). Die Mitglieder arbeiten ehrenamtlich und sind auf Zeit berufen. Exposition Siehe Strahlenexposition.

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F FEP Aus „Features“, „Events“, und „Processes“ (Merkmale, Ereignisse und Prozesse) gebildetes Akronym, das in der internationalen Literatur im Kontext mit Endlagersicherheitsanalysen verwendet wird. Flutungs-Monitoring Überwachung aller Folgen der Flutung von untertägigen Grubengebäuden auf die Umwelt. Freigabe Formaler Akt, um Abfälle, von deren Radionuklidkonzentration keine Gefahr ausgeht, für die Entsorgung freizugeben. Hierbei wird im Hinblick auf die weitere Nutzung des Materials unterschieden in bedingte und unbedingte Freigabe. Frischwetterzufuhr, auch Bewetterung oder Grubenbewetterung Begriff aus dem Bergbau für technische Maßnahmen zur Versorgung von Bergwerken mit frischer Luft. Feste Abfälle Zu den festen Abfällen aus Kernkraftwerken sowie aus Industrie, Medizin und Forschung zählen Papier, Kunststoffe, Textilien, Metallteile, Werkzeuge, Isoliermaterial, Bauschutt sowie Strukturteile. Flüssige Abfälle Zu den flüssigen Abfällen aus Kernkraftwerken sowie aus Industrie, Medizin und Forschung zählen Öle, Schlämme, Verdampferkonzentrate, Ionentauscherharze, Filterhilfsmittel.

G GAU Größter Anzunehmender Unfall. Gebietskörperschaften Körperschaft, deren Zuständigkeit und Mitgliedschaft territorial bestimmt ist. Gehobene wasserrechtliche Erlaubnis Erteilte (wasserrechtliche) Erlaubnis für ein Projekt, die bisher nicht in Anspruch genommen und später aktiviert (gehoben) wird. Geologische Barriere Geologische Schichten zwischen dem Einlagerungsbereich und der Biosphäre, die aufgrund ihrer Eigenschaften und Abmessungen eine Schadstoffausbreitung be- oder verhindern. Geotechnische Barriere Verschlussmaßnahmen von Schächten, Strecken und/oder Bohrlöchern nach dem Abschluss der Einlagerung von Abfällen in ein Endlager. Mit diesen Verschlüssen muss eine langzeitsichere Abdichtung erreicht werden. GWd Gigawatttag, die Energie, die ein Kraftwerk mit einer Leistung von 1 Gigawatt an einem Tag liefert. Glaskokille Siehe Kokille. Governance Den Sozialwissenschaften, insbesondere der Politikwissenschaft, entlehnt. Hier Governance-Prinzip im sozialen Monitoring. Die Governance-Forschung beobachtet Handlungen wie Regieren, Steuern und Koordinieren innerhalb staatlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Akteure in netzwerkartigen Strukturen. Grubenfeld Der zu einer Schachtanlage gehörende bergmännisch erschlossene Teil einer Lagerstätte (oder für ein Endlagerbauwerk).

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Günstige geologische Gesamtsituation Geologische Standorteigenschaften, die in ihrer Gesamtheit erwarten lassen, dass die Anforderungen für die Endlagerung mit hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt werden.

H Halbwertszeiten (HWZ oder T1/2 ) Zeit, in der Radioaktivität eines Nuklids durch radioaktiven Zerfall auf die Hälfte gesunken ist. HAW/HLW HAW (Abkürzung für High Active Waste)/HLW (Abkürzung für High Level Waste), beides bedeutet hochradioaktiver Abfall. HAW-Kokillen Behälter aus Edelstahl, der mit verglasten, hochradioaktiven Abfällen (HAW – High Active Waste) aus der Wiederaufarbeitung gefüllt ist. Hohlraumkonvergenz Siehe Konvergenz. Hüllrohre Äußere Umschließungen von Brennstäben in Brennelementen aus Zirkaloy (Legierung auf Basis von Zirkon und Zinn).

I IAEA International Atomic Energy Agency; deutsche Bezeichnung ist IAEO für Internationale Atomenergieorganisation. Immobilisat Wirkstoff, mit dem eine der folgenden Wirkungen erzielt werden kann: physikalische Einkapselung, chemische Einbindung, Fällung, Sorption. Beispiel: In situ Immobilisierung von Arsen und Uran durch injizierbare Eisenpartikelmengen und stimulierte autotrophe Sulfatreduktion. Immobilisierung Beeinflussung des kontaminierten Materials derart, dass Emissionen der enthaltenen Schadstoffe langfristig unterbunden werden bzw. unterhalb festgelegter Zielwerte liegen: physikalische Einkapselung, chemische Einbindung, Fällung, Sorption. Eine Eliminierung oder Zerstörung der Schadstoffe findet dabei in aller Regel nicht statt. Infiltrationswasser Der in den Untergrund versickerte Teil des Niederschlages. Integrität Erhalt der Eigenschaften des Einschlussvermögens des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs und aller anderen Barrieren eines Endlagers. Ionisation Abgabe oder Aufnahme von Elektronen durch Atome oder Moleküle, die dadurch in einen elektrisch geladenen Zustand versetzt werden. Ionisierende Strahlung Strahlung, die in der Lage ist, Ionisationsvorgänge an Atomen und Molekülen in der von ihr durchdrungenen Materie zu bewirken. Isolation Im Kontext der Endlagerung dass die Freisetzung und der Transport von Radionukliden so weit behindert werden, dass keine oder nur geringe Mengen an radioaktiven Stoffen in die Biosphäre gelangen.

Glossar

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Isolationszeitraum Zeitraum, für den durch Zusammenwirken von technischen und geotechnischen Barrieren der Einschluss der Abfälle und Rückstände sichergestellt werden muss. Isotope Atome ein- und desselben chemischen Elements mit gleicher Anzahl von Protonen und Elektronen, jedoch unterschiedlicher Anzahl von Neutronen. Isotope weisen deshalb die gleichen chemischen Eigenschaften, jedoch unterschiedliche kernphysikalische Eigenschaften auf.

K Kaverne Ein (künstlich angelegter) unterirdischer Hohlraum. Kernladungszahlen Geben die Anzahl der Protonen in einem Atomkern an. Atome mit der gleichen Anzahl von Protonen, jedoch verschiedener Neutronenzahl, werden Isotope genannt. Kernspaltung Spaltung schwerer Atomkerne durch Neutroneneinfang, wobei große Energiemengen freigesetzt werden. Bei der Kernspaltung entstehen jeweils zwei mittelgroße Kerne, die radioaktiven Spaltprodukte und neue Neutronen, die weitere Kernspaltungen auslösen können. Klüfte Trennflächen in Gesteinen, die u. a. durch tektonische Vorgänge entstehen. Kokille (auch Glaskokille) In der Kerntechnik Bezeichnung für einen durch Verglasung verfestigten hochaktiven Abfall aus der Wiederaufarbeitung einschließlich seiner gasdicht verschweißten Metallumhüllung aus korrosionsbeständigem Stahl. Konditionierung Überführung von radioaktiven Abfällen in einen chemisch stabilen, in Wasser nicht oder nur schwer löslichen Zustand. Konvergenz, Hohlraumkonvergenz Natürlicher Prozess der Volumenreduzierung von untertägigen Hohlräumen infolge Verformung bzw. Auflockerung aufgrund des Gebirgsdrucks. Kontamination Verunreinigung von Personen, Gegenständen oder Flächen mit radioaktiven Stoffen. Kristalline Gesteine Bezeichnung für Gesteine, die während einer Regionalmetamorphose umgewandelt wurden. Dabei wurden die mineralischen Elemente der Gesteine vollständig kristallisiert. Unterschieden wird zwischen feinkristallin (wie z. B. Marmor oder Gneis) und grobkristallin (beispielsweise viele Granite). Kritikalität Zustand eines Kernreaktors, in dem eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion abläuft. Unterkritikalität ist der Zustand, in dem keine Kettenreaktion aufrechterhalten werden kann.

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L Landessammelstellen Einrichtungen der Bundesländer für die Zwischenlagerung oder das Bearbeiten der in ihrem Gebiet angefallenen radioaktiven Abfälle. Langzeitprognose Als Prognose wird im Allgemeinen die Voraussage von zukünftigen Entwicklungen mithilfe eines auf Erfahrungen oder Berechnungen beruhenden Wahrscheinlichkeitsschlusses bezeichnet. Die Langzeitprognose ist die wissenschaftlich begründete Herleitung der möglichen Entwicklungen des Endlagersystems mit seinen für die Sicherheit relevanten Komponenten und ihrer jeweiligen Wahrscheinlichkeit. Langzeitsicherheit Gewährleistet ein Endlagersystem, das eingelagerte radioaktive Abfallstoffe für den erforderlichen Zeitraum von den Stoffkreisläufen der Biosphäre trennt. Langzeitsicherheitsanalyse Analyse des Langzeitverhaltens des Endlagers nach Stilllegung. Zentraler Aspekt ist die Analyse des Einschlussvermögens des Endlagersystems und seiner Zuverlässigkeit. Sie ist Voraussetzung für den Langzeitsicherheitsnachweis. Langzeitsicherheitsnachweis Erbringt im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens den Nachweis, dass der sichere Verbleib der eingelagerten radioaktiven Abfälle über den erforderlichen Zeitraum gewährleistet ist. LAW/LLW LAW (Abkürzung für Low Active Waste)/LLW (Abkürzung für Low Level Waste), beides bedeutet schwachradioaktiver Abfall. Lösungspfad (Ausbreitungspfad) Transportweg von Radionukliden in gelöster Form bis an die Erdoberfläche.

M Mächtigkeit Bergmännische Bezeichnung für die Dicke eines Gesteinshorizonts. MAW/MLW MAW (Abkürzung für Middle Active Waste)/MLW (Abkürzung für Medium Level Waste), beides bedeutet mittelradioaktiver Abfall. MOX Abkürzung für Mischoxid, ein Kernbrennstoff bestehend aus Plutonium- und Urandioxid; spaltbarer Anteil im Wesentlichen Plutonium aus der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente.

N Nachbetriebszeitraum Zeit, nachdem der gesamte radioaktive Abfall eingelagert und das Endlager verschlossen wurde. Nachzerfallswärme Wärme, die nach dem Abschalten eines Reaktors beim weiteren Zerfall der Spaltprodukte in den Brennelementen erzeugt wird. Nachweiszeitraum Für den Nachweiszeitraum ist die Langzeitsicherheit nachzuweisen. NEA Nuclear Energy Agency, faktisch der Kernenergiebereich der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development).

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Nukleon Bausteine des Atomkerns (Protonen und Neutronen). Nuklid Atomkern, der durch seine Massen- und Kernladungszahl definiert ist.

O Optimierung Prozess, der darauf abzielt, die von den endgelagerten Abfällen ausgehenden Risiken unter Beachtung des Standes von Wissenschaft und Technik und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls so gering wie vernünftigerweise möglich zu halten. Ortsdosisleistung Die pro Zeiteinheit aufgenommene Strahlendosis der Gammastrahlung, gemessen an einem festen Ort, angegeben in Sievert pro Stunde (Sv/h).

P Partitionierung Abtrennung von Radionukliden mit langen Halbwertszeiten (z. B. Plutonium, Americium, Curium) aus einer Abfallmatrix. Pilotlager Temporäres Lager zur Überwachung eines repräsentativen Teils der Abfälle, Bauten für geowissenschaftliche Untersuchungen unter Tage, Infrastrukturanlagen und Zugangstunnel oder Zugangsschächte. Das Pilotlager ist in das Endlagerkonzept integriert. In das Pilotlager wird ein repräsentativer Teil des vorgesehenen Gesamtinventars bereits relativ früh eingelagert und versetzt. Dabei wird ein systematisches Monitoring vorbereitet. Planfeststellungsverfahren Besondere Genehmigungsverfahren mit Bürgerbeteiligung bei Großprojekten, geregelt im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Polluxbehälter Eventuell für die Endlagerung vorgesehener Behälter. Porendiffusion Transport von Schadstoffen durch wassergefüllte Gesteinsporen. Davon zu unterscheiden ist die Festkörperdiffusion, die erheblich langsamer abläuft. Porenvolumen Volumenanteil, die Summe aus Luft- und Wasservolumen in einem porösen Medium, das als Dreiphasensystem Luft/Wasser/Boden besteht. Porenwasser Wasser oder wässrige Lösungen in einem porösen Medium, hier in Bodenbzw. Gesteinshohlräumen. Proliferation Weiterverbreitung von Kernwaffen von Staaten im Besitz derartiger Technologien an andere Staaten, die noch nicht darüber verfügen, bzw. auch die Vergrößerung und Weiterentwicklung der eigenen Bestände. Prüfwerte Mit hoher Wahrscheinlichkeit einzuhaltende Werte für definierte Eigenschaften, die in einer Feststellung, Berechnung, Abschätzung oder Messung verwandt und die in einer Sicherheitsbewertung eingesetzt werden. damit die Schutzziele erreicht und die Schutzkriterien eingehalten werden. Pumpversatz Pumpen eines zähflüssigen Dickstoffs in einen offenen Grubenraum, um diesen zu verfüllen (zu versetzen).

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R Radioaktivität Zerfall von instabilen Atomkernen unter Aussendung von ionisierender Strahlung. Radiolyse Zerlegung einer chemischen Bindung unter Einwirkung ionisierender Strahlung, hier die Radiolyse von kontaminierten Wässern. Radionuklide Instabile Atomkerne, die spontan unter Aussendung energiereicher (ionisierender) Strahlung zerfallen und sich dabei durch Abgabe von Kernbestandteilen in andere Atomarten umwandeln. Kennzeichnend für jedes Radionuklid ist seine Halbwertszeit. Es gibt sowohl natürliche als auch künstliche Radionuklide. Radiotoxizität Schädlichkeit von inkorporierten Radionukliden infolge ihrer ionisierenden Strahlen. Die Radiotoxizität ist abhängig von der Aufenthaltsdauer des Radionuklids im Körper, der Strahlenart (Alphastrahlen, Betastrahlen, Gammastrahlen, relative biologische Wirksamkeit), der Energie, der Halbwertszeit (biologische Halbwertszeit) des Nuklids und seinem chemischen Verhalten im Körper. Am gefährlichsten sind Radionuklide mit einer großen Halbwertszeit, die Alpha- oder Betastrahlen aussenden. Neben Gewebeschäden können auch genetische Schäden (Mutagene) auftreten, als Spätschäden u. a. Karzinome und Sarkome (Krebs). Referenzmessstelle Repräsentative Messstelle, die z. B. im Umwelt-Monitoring zur Beurteilung einer Umweltveränderung herangezogen werden kann. Risiko Das Glossar der Internationalen Atomenergieorganisation IAEO für den Bereich kerntechnische Sicherheit und Strahlenschutz nennt als eine mögliche Definition für den Begriff Risiko eine vielparametrige Größe, die ein Maß für zufällig oder kausal bedingte, tatsächliche oder mögliche Gefahren darstellt, die zu einer tatsächlichen oder möglichen Gefährdung oder Schädigung der Gesundheit führen. (Risk: A multiattribute quantity expressing hazard, danger or chance of harmful or injurious consequences associated with actual or potential exposures.) Robustheit Zuverlässigkeit und Qualität und somit Unempfindlichkeit der Sicherheitsfunktionen des Endlagersystems und seiner Barrieren gegenüber inneren und äußeren Einflüssen und Störungen sowie Unempfindlichkeit der Ergebnisse der Sicherheitsanalyse gegenüber Abweichungen von den zugrunde gelegten Annahmen. Rückholbarkeit Geplante technische Möglichkeit zum Transport abgelegter Abfallbehälter aus einem Endlagerbergwerk an die Oberfläche.

S Salzgrus Versatzmaterial bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle im Wirtsgestein Salz. Salzkriechen Eigenschaft von Salzgestein, entstandene Hohlräume wieder zu verschließen. Schluffe Unverfestigte Feinböden und Sedimentgesteine, die zu mindestens 95 % aus Komponenten mit einer Korngröße von 0,002 mm bis 0,063 mm bestehen.

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Schutzziel Da die Radioaktivität überall in der Biosphäre nachweisbar ist, muss ein Vergleichsmaßstab herangezogen werden, welche Abweichung z. B. von der natürlichen Umgebungsradioaktivität durch eingebrachte radioaktive Abfälle und/oder Rückstände tolerabel ist. Schwebe Bergmännischer Begriff für die Zwischendecke zwischen zwei Kammern in einem Bergwerk. Sicherheit Verwendung im technischen Sinn: Das Endlager ist technisch ausreichend sicher, wenn die von den endgelagerten Abfällen für Mensch und Umwelt ausgehenden Risiken geringer als die zulässigen Risiken sind. Sicherheitsanalyse Analyse des Verhaltens des Endlagersystems unter verschiedensten Belastungssituationen und unter Berücksichtigung von Datenunsicherheiten, Fehlfunktionen sowie zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Sicherheitsfunktionen. Sicherheit, aktive Sicherheit, insbesondere Langzeitsicherheit, eines Lagers, die sich maßgeblich oder ausschließlich auf die technischen Barrieren des Lagersystems und Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Schutzfunktion für Mensch und Umwelt (Überwachung, Wartung, Reparatur) stützt. Sicherheit, passive Sicherheit, insbesondere Langzeitsicherheit, eines Endlagersystems, die aus den besonders günstigen, dauerhaften, einschlusswirksamen Eigenschaften der geologischen und geotechnischen Barrierensowie der technischen Barrieren eines Endlagersystems abgeleitet wird und die Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Schutzfunktion für Mensch und Umwelt (Überwachung, Wartung, Reparatur) nachweislich nicht erfordert. Die für die Sicherheit relevanten Sicherheitsfunktionen der Barrieren beruhen auf Naturgesetzen, deren Gültigkeit bzw. Anwendbarkeit allerdings für jedes Endlagersystem zu belegen ist. Sicherheitsfunktion Eigenschaft oder Prozess zur Gewährleistung der in einem Endlager sicherheitsrelevanten Anforderungen. Durch das Zusammenwirken solcher Funktionen wird die Erfüllung aller sicherheitstechnischen Anforderungen sowohl in der Betriebsphase als auch in der Nachverschlussphase gewährleistet. Sicherheitsmanagement Alle Tätigkeiten der Planung, Organisation, Leitung und Kontrolle mit dem Ziel, Strategien und Prozesse festzulegen und weiterzuentwickeln, die zur Umsetzung der Sicherheitsanforderungen und zur stetigen Verbesserung des Sicherheitsniveaus führen. Sicherheitsnachweis (Safety Case) Prüfung und Bewertung von Daten, Maßnahmen, Analysen und Argumenten, die die Sicherheit des Endlagers aufzeigen. Er beinhaltet die Zusammenführung aller zu erbringenden Nachweise. Unterschieden wird in Nachweise für die Betriebsphase des Endlagers und für die Nachbetriebsphase (Langzeitsicherheitsnachweis). Sicherheitsreserven Eigenschaften, die zu einem über die erforderliche Sicherheit hinausgehenden Grad an Sicherheit führen, z. B. können sich Sicherheitsreserven durch abdichtende Eigenschaften des Deckgebirges ergeben. Sohle Grubenbaue eines Bergwerkes auf etwa gleichem Höhenniveau.

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Sorelbeton Spezieller Salzbeton, der für die Verfüllung (Pumpversatz) von Grubenräumen im Salz verwendet wird. Komponenten sind Steinsalz, Sand, Kalksteinmehl, Zement und Wasser. Sorption Hier zu verstehen als Anlagerung von Schadstoffen an das Wirtsgestein. Behindert und begrenzt den Transport von Radionukliden in die Biosphäre. Speziation (chemische Speziierung) In der Chemie entweder a) Vorgang (d. h. Herausbildung) chemischer Ausprägungsformen einer Substanz infolge eines sich einstellenden Reaktionsgleichgewichts oder b) erreichter Gleichgewichtszustand selbst. Stilllegung Alle nach Einstellung der Einlagerung getroffenen Maßnahmen einschließlich Verschluss des Endlagers zur Herstellung eines langzeitsicheren, wartungsfreien Zustands. Stollen Grubenbau, fast horizontale Verbindung einer Grube nach über Tage. Stoß Seitenwand der Strecke in einem Bergwerk. Strahlenexposition (Exposition) Einwirkung von Strahlung auf den menschlichen Körper. Bei äußerer Strahlenexposition wirkt die Strahlung von außen auf den Körper. Bei innerer Strahlenexposition wurden Radionuklide mit der Atemluft (Inhalation) und der Nahrung (Ingestion) aufgenommen. Bis zur Ausscheidung der Radionuklide wirkt ihre Strahlung von innen auf Organe und Gewebe. Das Maß für die Strahlenexposition durch ionisierende Strahlung ist die effektive Dosis. Strahlenschutzkommission (SSK) Sie berät das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) in allen Angelegenheiten des Schutzes vor ionisierenden und nicht-ionisierenden Strahlen. Die Ergebnisse der Beratungen werden als Empfehlungen oder Stellungnahmen an das BMUB gerichtet und u. a. auf einer Website veröffentlicht. Ihre Mitglieder werden auf Zeit berufen und arbeiten ehrenamtlich. Stratigrafie Wissenschaft von der zeitlichen Aufeinanderfolge von abgelagerten Gesteinen. Gesteine, die über anderen Gesteinen abgelagert wurden, sind jünger. Strecke Bergmännischer Begriff für einen untertägigen Grubenbau, der im Gegensatz zu einem Stollen keine Verbindung zur Tagesoberfläche hat und in der Regel waagerecht oder mit geringer Neigung verläuft. Sturzversatz Versatzverfahren, bei dem das Material aus einer über dem zu verfüllenden Grubenraum liegenden Versatzstrecke in diesen gestürzt wird. Szenario Angenommene Entwicklung des Endlagersystems und seiner Sicherheitsfunktionen. Für die Langzeitsicherheitsanalyse sind Szenarien auszuwählen, die wahrscheinliche Entwicklungen und eine repräsentative Bandbreite weniger wahrscheinlicher Entwicklungen darstellen.

T Tagebaurestloch Nach Beendigung der bergbaulichen Nutzung verbliebener Teil eines Tagebaues. Tailings Bergbauliche Rückstände.

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Tailings ponds Absetzbecken, Rückstandsspeicher für eingelagerte Tailings, hier Rückstände aus der Uranerzaufbereitung. Tektonik Lehre vom Aufbau der Erdkruste in ihrer Struktur und ihrer großräumigen Bewegung. Teufe Bergmännischer Begriff für Tiefe. Tonstein Entsteht durch Absetzen feinster Partikel (Durchmesser maximal 2 µm). Er unterscheidet sich von plastischen Tonen durch seine höhere Festigkeit und seinen niedrigeren Wassergehalt. Diese Eigenschaften sind das Ergebnis von Druck und Verdichtung durch überlagernde Schichten. Transmutation Umwandlung von Nukliden mit langen Halbwertszeiten in kurzlebigere Radionuklide zur Verringerung der Radiotoxizität. Transport Hier die Fortbewegung von Stoffen in einem anderen Medium. Advektiver Transport: Bewegung eines im Wasser gelösten oder suspendierten Stoffes mit der Wasserströmung, diffusiver Transport: Fortbewegung eines Stoffes durch die Brown’sche Molekularbewegung und durch Konzentrationsunterschiede. Letzterer findet mit sehr langsamer Geschwindigkeit auch in fester Materie statt. Transurane Elemente mit einer höheren Ordnungszahl als Uran. Sie entstehen bei der Kernspaltung. tSM Tonnen Schwermetall, entspricht Megagramm (Mg) Schwermetall, übliche Maßeinheit für Kernbrennstoff; Masse an eingesetztem Uran und Plutonium im Brennelement vor dem Einsatz im Reaktor.

U Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) Umweltpolitisches Instrument der Umweltvorsorge mit dem Ziel, umweltrelevante Vorhaben vor ihrer Zulassung auf mögliche Umweltauswirkungen hin zu überprüfen (Schutzziele). Unterkritikalität Zustand, in dem durch Kernspaltung weniger Neutronen erzeugt werden, als durch Absorption und Leckage verschwinden, das heißt, die Anzahl der Kernspaltungen sinkt kontinuierlich. Dieser Zustand ist in einem Endlager bzw. den Endlagerbehältern dauerhaft zu gewährleisten. Unverritztes Gebirge Gebirgsmassiv oder Lagerstätte ohne bergbauliche Erschließung, hier ohne Auffahrung für Endlagerung, Untertagelabors oder Probenahme durch Bohrungen etc.

V Verfüllung Einbringen von Versatzmaterial in die Grubenbaue zur Verringerung des verbleibenden Hohlraumvolumens. Verglaste Spaltprodukte In einer Borsilikat-Glasmatrix verfestigte hochradioaktive Abfälle, die bei der Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennelementen entstehen.

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Glossar

Verritzung des Gebirges Allgemein bergmännischer Eingriff in den Gebirgsstruktur, Beginn des Abbaus einer Lagerstätte. Versatzmaterial In der Endlagerung Verfüllung von Hohlräumen u. a. um die eingelagerten Endlagerbehälter in Einlagerungsstrecken mit einem Versatzmaterial, das in seinen Eigenschaften möglichst denen des Wirtsgesteins entspricht (Salzgestein: Salzgrus, Tongestein: Bentonit). Verschluss Sowohl Verschluss der Einlagerungsbereiche durch Verfüllung und Verschlussbauwerke als auch Verschluss der Schächte des Endlagerbergwerks.

W (Bergbauliche) Wasserhaltung Bezeichnet im Bergbau die Gesamtheit aller Grubenbaue, Räume und technischen Einrichtungen, die dazu dienen, das Grubengebäude von Grubenwasser frei zu halten. Dazu gehört das Entfernen von Grubenwasser aus dem Untertagebereich, die natürliche Wasserlösung aus einem Stollen, Brunnenanlagen zur Abförderung und Absenkung von Grundwasser um den Tagebaubereich (Trockenhaltung). Wetter Bergmännischer Begriff für die Luft bzw. das Gasgemisch in einem Bergwerk. Wetterführung Gezielte Lenkung der Grubenwetter durch das Grubengebäude. Wiederaufarbeitung Verfahren, nicht verbrauchtes spaltbares Material von den übrigen Komponenten abgebrannter Brennelemente zu trennen mit dem Ziel, diese wieder zur Energiegewinnung zu nutzen. In Deutschland seit 2005 nicht mehr zulässig. Daher fallen die seitdem abgebrannten Brennelemente zur direkten Endlagerung an. Wirtsgestein Geologische Formation zur Aufnahme eines Endlagers. International werden Salz, Ton und magmatische Gesteine (z. B. Granit) als mögliche Wirtsgesteine betrachtet.

Z Zwischenlagerung Lagerung radioaktiver Abfälle in einem Zwischenlager bis zum Abtransport zum Endlager bzw. zur endlagerrechten Konditionierung.

Sachverzeichnis

A Abdeckung, 151 multifunktionale, 128 Abdeckung (Einkapselung), 119 Abfallbehälter, 65 Abfälle aus Abfallverbrennungsanlagen, 86 Abfälle aus Kraftwerken, 86 Abfälle mit sehr geringer Radioaktivität, 85 Abfallgebinde, 64 Arten, 262 Abfallverzeichnis-Verordnung – AVV, 42 Absperrbauwerk, 44 acatech-Studie, 288 aktive Störungszonen, 351 Aktivitätsindikatoren, 251 ANDRA (Agence nationale pour la gestion de déchets radioactifs), 267 Asse-Salzsattel, 209 Atomgesetz (AtG), 13, 37 Aufbereitungsanlage Seelingstädt, 5 Aufbereitungsanlagen Crossen, 5 B Barriere Basisabdichtung, 43 Barriere Oberflächenabdichtung, 44 Barriere Standort, 43 Barriereeigenschaften, 243 Barriereformen, 120 Barrieren natürliche, 335 Bartensleben, 192 Basisabdeckung, 45 Basisabdichtung, 119, 122 Becquerel, Antoine Henri, 3 Begrünung und Vegetation, 119 Bentonit, 277, 361

Bentonitbarriere, 341 Bentonitpuffer, 300 Bentonitringe, 341 Berechnungen, probabilistische, 334 Bergbarkeit, 326 bergmännisch gewonnenes Uran, 240 Beschaffenheit des Tailings-Körpers, 121 bestimmungsgemäßer Betrieb, 403 Betavoltaik-Batterien, 406 Betonit-Barriere, 126 Betriebsphase, 74 Bevölkerungsdichte, 102 Beweissicherungsprogramm, 347 Biosphäre, 60, 71, 222 Auswirkungen eines Störfalls, 354 branching points (Verzweigungspunkte), 55 Brennelemente, 18, 240 Brennelementeherstellung, 27 Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), 318 Bundesanstalt für kerntechnische Entsorgungssicherheit, 4 Bundesberggesetz (BBergG), 37 Bundesbergverordnung (ABBergV), 315 Bure-Konzeption, 270 C CASTOR® V/19-Behälter, 342 Chemotoxizität, 110 Culmitzsch, 132 Tailings ponds, 135 Culmitzscher Sandstein, 133 D Dammbauwerk (tailings embankment), 103, 119 Deckgebirge, 51 443

444 Delaware Basin, 259 Deponiebau, Langzeitmonitoring, 415 Deponieverordnung (DepV), 40, 85 Dispersivität, 68 E Einlagerungskammer, 343 Einlagerungs-Aktivitäten, 183 Endlager Betriebssicherheit, 398 Eignungsnachweis, 323 in kristallinen Formationen, 361 in Tongestein, 361 Endlager Centre de l’Aube, 170 Endlager Cigéo, 267, 405 Endlager der Zukunft, 246 Endlager Forsmark, 273 Endlager für Radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM), 177 Endlager für wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle, 334 Endlager Konrad, 181 Endlager Morsleben (ERAM), 17, 38, 316 Endlager Olkiluoto, 170 Endlager Salzgitter, 37 Endlager Schacht Konrad, 39 Endlager Test Site, Nevada, 172 Endlagerbehälter, 340 Endlagerbergwerk, verschlossenes, 337 Endlagerkataster, 426 Endlagerkosten, 304 Endlagerprogramm Monitoring, 394 Endlagerprojekte in den USA, 257 Endlagerstandorte, 36, 38 europäische, 267 Endlagersysteme, Bewertungsmatrix, 423 Endlagersysteme, Prinzip, 46 Endlagerung an der Oberfläche, 39 Anforderungen, 37 divergierende Auffassungen, 48 in tiefen geologischen Formationen, 39 Neuordnung, 322 Prozesschritte, 62 Endlager-Abfallbehälter, 338 Endlagervorausleistungsverordnung (EndlagerVlV), 255 Entsorgung

Sachverzeichnis mittlerer Radioaktivität, 169 Entsorgung radioaktiver Abfälle internationale Entwicklung, 169 Entsorgungsbergwerk, zweisohliges, 411 Entstehungsort, 56 Erdbeben, 354 Errichtungsphase, 74 F Features, Events, Processes (FEP), 352 Fernfeld, 377 festgelegte Freigabewerte, 83 festgelegte Freigrenzen, 83 Flutungskonzept, 220 Forsmark, 272 Freigabe radioaktiver Stoffe, 83 Freigrenze der Gesamtaktivität (FGi), 246 Fukushima, 1 G Gastransport, 375 Gebindeherstellung, 257 Genehmigungsverfahren, 425 geologische Barriere, 120, 198 Geomatte, multifunktionale, 162 Geotechnische Umweltbauwerke, 35, 40, 107, 231 Anforderungen, 116 Langzeitsicherheit, 309 verschiedene Phasen, 310 Geotechnische Umweltbauwerke (Endlagerbauwerke), 3 gesellschaftliche Akzeptanz, 3 Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz – StandAG), 6 gesundheitliche Überwachung, 406 Gorleben, 253, 254, 320 großräumige Vertikalbewegungen, 351 Grundwasser, Schutz, 132 Grundwasseralter, 351 H Halbwertszeit, 20 Haldenabdeckung, 99 Haldenprofilierung, 99 HAW, siehe hochradioaktive Abfälle Helmsdorf, 129 High Active Waste – HAW, 239

Sachverzeichnis hochradioaktive Abfälle (HAW), 2, 18, 36, 48 Entsorgung, 239 Hochrisikotechnologie, 1 Human Intrusion Szenario, 50, 117, 299, 362 I in situ Verwahrung, 114, 127 Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), 106 K Kaltzeit-Szenario, 362 Kavernen-Salzbergbau, 197 Kernbrennstoff, Wärmeleistung, 243 Kernenergie Ausstieg, 1 Kernumwandlung, 20 Klassifizierung gemäß IAEA (2009), 14 Klassifizierung radioaktiver Rückstände, 97 Kluftgrundwasserleiter, 133 Knowledge Discovery in Databases, 398 Konditionierungsanlage, 56 Konditionierungsverfahren, 65 Konsequenzenanalyse, 331, 338 Kontaminanten, 107, 224 radiotoxische, 68 Kontaminationsausbreitungen, 133 Kontrollsicherungsprogramm, 347 konventionelles Abfallrecht (KrWG), 13 Kriechdehnung, deviatorische, 198 Kriechversuch, spannungsgesteuerter, 198 Krisenmanagement, 53 Kristallin (Granite, Gneise), 326 Kriterium für Geringfügigkeit, 83 Kritikalität, 346 kumulierende Radioaktivitätswirkungen, 416 L Länderbezogene Endlagerprojekte, 264 langfristiger Einschluss der Abfälle, 398 langzeitsichere Verwahrung, 105, 119 Langzeitsicherheit, 398 Definition, 146 Langzeitsicherheitsanalyse, 345 Hauptschritte, 348 Langzeitsicherheitskonzept, 321 Langzeitsicherheitsnachweis, 36, 53, 192, 321 Langzeitstabilität Definition, 146

445 Einzelnachweise, 125 Langzeitstandsicherheitsnachweis, 147 Langzeitumweltmonitoringsystem, 45 Langzeitumweltüberwachung, 119 Langzeit-Monitoring, 161 Lösungstransport, 368 Lösungszutritte, 355 M Medium Active Waste – MAW, 169 Migrationswege, kritische, 67 mittelradioaktive Abfälle (MAW), 18 Mobilisierungsmodell Brennelemente, 372 Mobilisierungsmodell Glasmatrix, 372 Modellgebiet A, 365 Modellgebiet B, 366 Modellgebiet C, 377 Modellgebiet D, 379 Monitoring, 74 technisches, 395 Monitoring-Konzept, 76 Monitoring-System, 119 Morsleben, 190, 420 Luftbild, 186 Mülltourismus, 96 Multibarrierenkonzept, 43, 88, 108, 118 Multibarrierensystem, 5, 36, 47, 194, 335, 397 N Nachverschlussphase, 75, 359, 410 Nachweis der Integrität, 325 Nachweis der Robustheit, 325, 328 Nachweiszeitraum, 329 Nahfeld, 377, 409 nicht überwachungsbedürftige Abfälle, 83 Notfallplan, 53 Nuclear Regulatory Commission, 263 nukleare Kette, 32 numerische Berechnungen, 345 O Oberflächenabdeckung, 44 Oberflächenabdichtung, 122 Observatoire pérenne de l’environnement OPE, 405 Okiluoto, Endlager, 2 Olkiluoto, 279, 421 Onkalo, 322

446 P Permeabilitätserhöhung, 336 Philippsburg, 84 Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), 253 Pilotlager, 403 POLLUX-Behälter, 339, 370 Probennahme, 382 R radioaktive Abfälle, 245 Bilanz, 1 Definition, 13 Endlagerung, 2 Entsorgung bei geringer Radioaktivität, 81 Entstehung, 25 Gefahren, 56 Isolation, 42 Klassifizierung, 15 Transport, 274 verschiedene Arten, 169 zeitliche Veränderungen, 284 radioaktive Aufbereitungsrückstände, 46 radioaktive Kontamination, 57 radioaktive Rückstände Endlagerung, 2 Klassifizierung, 15 radioaktive Substanz allgemeines Zerfallsgesetz, 24 radioaktive Zerfallsreihen, 22 radioaktiver Stoff, 12 Radioaktivität Abnahme, 284 Definition, 3 gezielte Veränderung, 287 Radioaktivitätsinventar, 23 radiologische Langzeitaussage, 346 Radionuklidausbreitung, 69, 70, 409 Radionuklide, 4, 11, 184, 358 Aktivitätswerte, 248 Freisetzung, 358, 370 Halbwertszeiten, 20 Toxizität, 62 Verhinderung der Ausbreitung, 35 Radionuklidinventar, 245, 371 Radionuklidvektor, 186, 211 Vergleich, 297 Radiotoxizität, 4, 62, 250 Verlauf, 288

Sachverzeichnis Radonexhalationsrate, 50 Realisierbarkeit, 398 Revegetation, 98 Reversibilität (reversibility), 54, 326, 396 Richtlinie 96/29/Euratom, 12 Richtlinie 2013/59/Euratom, 12, 97 Rotschlamm-Gruppe, 86 Rückhaltung von Radionukliden, 374 Rückholung, 326 Rückstände (tailings), 30 Definition, 13 Rückstandsspeicher, 124 S Safety Case, 283, 383 Salz, mechanisches Verhalten, 196 Salzgitter/Bleckenstedt, 185 Sanierungs-Monitoring, 159 Schacht Konrad, 27, 63, 178, 182, 318 Schachtanlage Asse II, 178, 202 Ausblick, 217 geomechanische Situation, 204 Grubengebäude, 205 Langzeitsicherheit, 212 Standortbeschreibung, 210 Standortkonzepte, 219 Schlema-Alberoda, 176 Schluffsteinkomplexe, 133 Schneeberg-Oberschlema, 98 schwachradioaktive Abfälle (LAW), 18, 169 schwach- und mittelradioaktive Abfälle weltweit, 175 SDAG Wismut, 57, 100 Aufbereitungsrückstände, 102 langzeitstabile Verwahrung, 229 Stilllegung, 316 Tailings ponds, 36, 108, 111, 311 Uran-Tailings ponds, 130 seismische Aktivität, 351 Sensitivitätsanalyse, 348 Sicherheitsbarrieren (safety barriers), 276 Sicherheitsmanagement, 398 Sicherheitsnachweise methodisches Vorgehen, 330 Sickerwasser, 137 Stabilisierungsmaßnahmen, 188 StandAG, 7 Standortauswahl,

Sachverzeichnis Standortauswahlgesetz – StandAG, 37, 315 Standortauswahlverfahren, 41, 54 Standortsanierungskonzept, 111 Standortsanierungskonzept (Conceptual Site Model, CSM), 107 Standortsuche in Deutschland, 320 international, 322 national, 402 Steinsalz (Salinar), 326 Stilllegung, 403 Stilllegung kerntechnischer Anlagen, 302 Stilllegung von Absetzanlagen, 38 Stilllegungsphase, 75 Stoffe mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW), 17 Störfallszenario, 354, 357 Störfall-Verordnung (StörfallVwV), 3 Strahlenbelastung Symptome, 60 Strahlenexposition, 50 äußere, 59 berufliche, 58 ungefährliche, 59 Strahlenkrankheit, 60 Strahlenschäden, 60 Strahlenschutz, 398 Neuordnung, 322 strahlenschutzrechtliche Überwachung, 84 Strahlenschutzverordnung (StrlSchV), 37, 58 Szenarienanalyse, 352 Szenarienkatalog, 353 T Tailings ponds, 36, 101 Tailings-Behandlung, 121 Tailings-Körper, 152 Technologically Enhanced Natural Occurring Radioactive Material, 30 Ton/Tonstein, 326 Trünzig, 132 U Umlösung, 375 UMTRA-Programm (US Uranium Mill Tailings Remediation Action Program), 106 Umweltbauwerken zur Endlagerung, 8 Umweltqualitätsnorm (UQN), 139 Umwelt-Monitoring, 158, 393

447 Unsicherheitsanalyse, 348 Uranerzaufbereitung (uranium mill tailings), 5, 98 Uranerzaufbereitungsrückstände, 106 Uranerzbergbau in Sachsen, abruptes Ende, 105 Uranerzgewinnung SDAG Wismut, 20 Urankreislauf, natürlicher, 127 Uran-235, 21 Uran-Rückstandsspeicher (Tailings ponds), 57 Uran-Tailings, 44 Uran-Tailings pond (Colorado), 108 Uran-Tailings pond Moab, 108 Uran-Tailings pond Trünzig, 123 Uran-Tailings ponds, 5 Basisabdichtung, 313 Langzeit-Monitoring, 415 US Atomic Energy Commission (AEC), 257 US Nuclear Regulatory Commission, 310 US-Umweltbehörde (EPA – Environmental Protection Agency), 125 V Verordnung über Deponien und Langzeitlager (DepV), 49 Versagenswahrscheinlichkeit, 332 Versuchsverschlussbauwerk, 336 Verwahrung langzeitsichere, 44 langzeitstabile, 44 standortspezifische Arten, 113 Verwahrungsplanung, 111 Verwahrungsstrategien, 114 vulkanische Aktivität, 351 W wärmeentwickelnde radioaktive (hochradioaktive) Abfälle, 11 Warmzeit-Szenario, 362 Wasserbehandlungsprozess, 173 Wasserfassung und Wasseraufbereitung, 119 Wassermanagementsystem, 45 Waste Isolation Plant (WIPP), 260 Waste Management, 270 Wiederaufarbeitungsabfälle, 65 Wirtsgestein, 40 kristallines, 66 potenzielles, 331 Wismut, 100,

448

Sachverzeichnis

World Nuclear Association (WNA), 239, 420 worst case, 163, 314, 349

Z

Y Yucca Mountain, 261

Zerfallseigenschaften, 285

Zeitdauer der Bergbarkeit, 52 Zwischenlager, 8, 56, 341

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