Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung
Lena Sterzer
Wohnen und Mobilität im Kontext von Fremdbestimmung und Exklusion Der Einfluss angespannter Wohnungsmärkte auf einkommensschwache Haushalte
Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung Reihe herausgegeben von M. Gather, Erfurt, Deutschland A. Kagermeier, Trier, Deutschland S. Kesselring, Geislingen, Deutschland M. Lanzendorf, Frankfurt am Main, Deutschland B. Lenz, Berlin, Deutschland M. Wilde, Erfurt, Deutschland
Mobilität ist ein Basisprinzip moderner Gesellschaften; daher ist die Gestaltung von Mobilität im Spannungsfeld von ökonomischen, sozialen und ökologischen Interessen eine zentrale Herausforderung für ihre Institutionen und Mitglieder. Die SMV Reihe versteht sich als gemeinsame Publikationsplattform für neues Wissen aus der Verkehrs- und Mobilitätsforschung. Sie fördert ausdrücklich interdisziplinäres Arbeiten der Sozial-, Politik-, Wirtschafts-, Raum-, Umweltund Ingenieurswissenschaften. Das Spektrum der Reihe umfasst Analysen von Mobilitäts- und Verkehrshandeln; Beiträge zur theoretischen und methodischen Weiterentwicklung; zu Nachhaltigkeit und Folgenabschätzungen von Verkehr; Mobilitäts- und Verkehrspolitik, Mobilitätsmanagement und Interventionsstrategien; Güterverkehr und Logistik. Reihe herausgegeben von Matthias Gather Verkehrspolitik und Raumplanung Fachhochschule Erfurt Andreas Kagermeier Freizeit- und Tourismusgeographie Universität Trier Sven Kesselring Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Geislingen
Martin Lanzendorf Institut für Humangeographie Goethe Universität Frankfurt am Main Barbara Lenz Institut für Verkehrsforschung Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Berlin Mathias Wilde Institut Verkehr und Raum Fachhochschule Erfurt
Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/11950
Lena Sterzer
Wohnen und Mobilität im Kontext von Fremdbestimmung und Exklusion Der Einfluss angespannter Wohnungsmärkte auf einkommensschwache Haushalte Mit einem Geleitwort von Prof. Dr.-Ing. Gebhard Wulfhorst
Lena Sterzer München, Deutschland Dissertation Technische Universität München, 2017 Fortgeführte Reihe Band 42
Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung ISBN 978-3-658-24621-1 ISBN 978-3-658-24622-8 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-24622-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Geleitwort
Bezahlbares Wohnen und bezahlbare Mobilität sind zwei wesentliche Grundbedürfnisse, die für eine zunehmende Zahl an Haushalten nur schwer zu befriedigen sind. Während die Forschung zur Mobilitätsarmut sich bislang im Wesentlichen auf periphere, ländlich geprägte Räume konzentriert hat, stehen heute gerade auch wachsende Metropolen mit teils überhitzten Wohnungsmärkten vor ähnlich gelagerten Herausforderungen. Eine fundierte Betrachtung der Rahmenbedingungen einkommensschwacher Haushalte und die Entwicklung von auf diese Zielgruppe angepassten Handlungsansätzen zur integrierten Standort- und Verkehrsentwicklung ist daher eine drängende Aufgabe. Lena Sterzer hat sich in ihrer Promotion an der Ingenieurfakultät Bau Geo Umwelt der Technischen Universität München diesen Fragen mit Methoden der qualitativen Sozialforschung gewidmet. Ich freue mich über diese herausragende, interdisziplinäre Arbeit, die im Rahmen des von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Promotionskollegs „mobil.LAB – Nachhaltige Mobilität in der Metropolregion München“ ermöglicht wurde. Der Autorin bin ich sehr dankbar für ihre engagierte und erfolgreiche Auseinandersetzung mit den Betroffenen, die wertvolle Identifikation der Schlüsselprozesse von Fremdbestimmung und Exklusion sowie das Aufzeigen von möglichen Handlungsstrategien auf unterschiedlichen Ebenen. Gerade angesichts der Risiken einer zunehmenden Polarisierung gesellschaftlicher Gruppen können diese wissenschaftlichen Grundlagen für die Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe nicht hoch genug eingeschätzt werden. Daher wünsche ich der Verbreitung dieser Buchpublikation viel Erfolg – verbunden mit einem Dank an Herausgeber und Verlag. Mögen die Erkenntnisse eine fruchtbare Quelle der Inspiration für die Entwicklung und die Umsetzung von zahlreichen, konkreten Maßnahmen sein, die dazu beitragen „Mobilitätskulturen zu gestalten“. München, im Juli 2018 Gebhard Wulfhorst Professor für Siedlungsstruktur und Verkehrsplanung, Technische Universität München
Danksagung
Ich danke allen, die mich auf dem Weg zu dieser Arbeit begleitet haben. Allen voran danke ich der Hans-Böckler-Stiftung, die mir durch ihre Unterstützung nicht nur diese Arbeit, sondern auch die Fortführung meines gesellschaftspolitischen Engagements in den letzten Jahren ermöglicht hat. Prof. Dr. Gebhard Wulfhorst danke ich für die Unterstützung und das mir entgegengebrachte Vertrauen sowie seinen Einsatz für das gute Arbeitsumfeld an der TU München. Prof. Dr. Oliver Schwedes möchte ich sehr herzlich für die Begleitung meiner Arbeit danken und auch Prof. Dr. Martin Lanzendorf danke ich für die kurzfristige Beurteilung meiner Arbeit. Ohne das Interesse und die Offenheit der Befragten wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen, so dass auch ihnen ganz herzlich gedankt sei. Den Teilnehmenden am Expertenworkshop danke ich ebenfalls für ihr Interesse und ihre Anregungen. Weiter danke ich den Kolleginnen und Kollegen im mobil.LAB, meinen Freundinnen und Freunden, meiner Familie und insbesondere meiner Mutter für die Unterstützung während der vergangenen Jahre. Besonderer Dank gebührt Anno.
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung: Hintergrund, Ziele und Aufbau der Arbeit
1
2.
Stand der Forschung
5
2.1 Wohnen und Mobilität als Voraussetzung gesellschaftlicher Teilhabe 2.1.1 Wohnen und Mobilität als Grundbedürfnisse 2.1.2 Mobilität im Kontext der Nachhaltigkeit
5 5 8
2.2 Ansätze zur Erklärung des Mobilitätsverhaltens 2.2.1 Die Begriffe Verkehr und Mobilität 2.2.2 Verkehr und Mobilitätsverhalten 2.2.3 Mobilität und Raumstruktur 2.2.4 Mobilitätseinschränkungen
10 11 12 17 21
2.3 Wohnstandortwahl und Grundlagen der Wanderungsforschung 2.3.1 Einführung in die Wanderungsforschung 2.3.2 Raumstruktur versus Residential Self-Selection als Determinanten des Mobilitätsverhaltens 2.3.3 Einschränkungen bei der Wohnstandortwahl
27 27 31 34
2.4 Wohnungsmärkte unter Wachstumsbedingungen 2.4.1 Besonderheiten des Wohnungsmarktes 2.4.2 Angespannte Wohnungsmärkte
36 36 39
2.5
43
Herleitung der Forschungsfrage und zugrundeliegender Annahmen
X
Inhaltsverzeichnis
3.
Vorstellung des Untersuchungsgebietes
47
3.1
Eingrenzung des Untersuchungsgebietes
47
3.2
Der Raum München als Wachstumsraum
48
3.3 Der Münchner Wohnungsmarkt 3.3.1 Das Mietniveau auf dem Münchner Wohnungsmarkt 3.3.2 Struktur des Wohnungsmarktes und einkommensorientierte Fördermöglichkeiten
50 51 54
3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3
Einkommensschwache Haushalte in München Variationen von niedrigem Einkommen Wohnsituation von Haushalten mit niedrigen Einkommen in München Mobilität von Haushalten mit niedrigen Einkommen in München
57 57 62 64
3.5
Die Untersuchungsgruppe
65
3.6
Fazit: Herausforderungen betreffen einkommensschwache Haushalte in München in besonderem Maße
71
4.
WAM Wohnen Arbeiten Mobilität – Einblicke in Ergebnisse einer quantitativen Erhebung
73
4.1
Das Projekt WAM: Projekthintergrund und quantitativer Forschungsansatz 73
4.2 Ausgewählte Ergebnisse aus der Befragung 4.2.1 Zusammensetzung des Samples: Einkommensschwache sind jünger als die Vergleichsgruppe 4.2.2 Der Umzug erfolgt aufgrund einer Vergrößerung des Haushalts oder aus beruflichen Gründen 4.2.3 Funktionale Ausstattung der Wohngegend ist wichtiger als qualitative Merkmale der Wohnung 4.2.4 Unterschiedliche Verkehrsmittel für unterschiedliche Wegezwecke
82 86
4.3
91
Fazit: Einkommensschwache sparen an Wohn- und Mobilitätskosten
76 76 78
Inhaltsverzeichnis
XI
5.
Methodisches Vorgehen: Qualitativer Forschungsansatz
93
5.1
Das Problemzentrierte Interview
94
5.2
Auswertung mittels Qualitativer Inhaltsanalyse
97
5.3
Narrative Karten als Bestandteil der Interviews
100
5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3
Hintergründe zur Datenerhebung Akquise der Teilnehmenden Ablauf der Interviews und Datenaufbereitung Übersicht der erhobenen Fälle
105 105 107 108
6.
Empirische Ergebnisse: Wohnsituation und Mobilität der Teilnehmenden, Herausforderungen und Anpassungsstrategien
111
6.1
Die Wohnungssuche vor dem Hintergrund des angespannten Wohnungsmarktes 6.1.1 Die Dringlichkeit bestimmt die Wohnungssuche 6.1.2 Partizipationsmöglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt 6.1.3 Zwischenresümee: Die Wohnungssuche vor dem Hintergrund des angespannten Wohnungsmarktes 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5
112 112 117 126
Die räumlichen Anforderungen an einen Wohnstandort Hauptsache Wohnung – alle anderen Anforderungen sind nachrangig Die übergeordnete Wohnlage ist eine Grundsatzentscheidung Die kleinräumige Wohnlage prägt den Alltag Lagemerkmale mit direktem Mobilitätsbezug Grundlage für Aktivitäten Der Arbeitsstandort ist für die Wohnstandortwahl von untergeordneter Bedeutung 6.2.6 Zwischenresümee: Die räumlichen Anforderungen an Wohnstandort
127 127 130 138 151
6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3
162 163 169 176
Ankommen am neuen Wohnstandort: die Einbettung Soziale Faktoren prägen die Einbettung Die aktuelle Wohnsituation beeinflusst die Zufriedenheit maßgeblich Zwischenresümee: Ankommen am neuen Wohnstandort: die Einbettung
159 161
XII
Inhaltsverzeichnis
6.4 Mobilität, Aktivität und Alltagsorganisation am neuen Wohnstandort 6.4.1 Verkehrsmittelnutzung und Einstellungen zu Verkehrsmitteln sind individuell verschieden 6.4.2 Mobilität ist immer auch mit Aufwand verbunden 6.4.3 Ein hohes Aktivitätslevel führt zu mehr Mobilität 6.4.4 Der neue Wohnstandort und das Haushaltsbudget prägen die Alltagsorganisation 6.4.5 Zwischenresümee: Mobilität, Aktivität und Alltagsorganisation am neuen Wohnstandort
177 177 193 199 205 212
6.5
Themenübergreifende Zusammenhänge: Wirkdimensionen und Anpassungsstrategien 213 6.5.1 Fremdbestimmung und Exklusion als einflussnehmende Wirkdimensionen217 6.5.2 Anpassungsstrategien zwischen aktivem Handeln und Bedürfnisreduktion226 6.5.3 Die Verknüpfung von Wirkdimensionen und Anpassungsstrategien 232 6.6
Zusammenführung und Reflexion der Ergebnisse in Bezug auf die Forschungsfrage und gesellschaftliche Teilhabe als übergeordnetes Ziel 234
7.
Ableitung von Handlungsstrategien
241
7.1
Expertenworkshop
242
7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3
Konzeptionelle und praxisbezogene Maßnahmen Mögliche Maßnahmen im Handlungsfeld Wohnen Mögliche Maßnahmen im Handlungsfeld Mobilität Übergeordnete Ebenen, Kooperation und Koordinierung
244 245 257 265
7.3
Fazit Handlungsstrategien
267
8.
Fazit und Ausblick
271
8.1
Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Metropolräume
271
8.2
Reflexion des methodischen Ansatzes
274
8.3
Grenzen der Arbeit und offene Fragen
277
Inhaltsverzeichnis
XIII
Literaturverzeichnis
281
Beschlüsse des Stadtrates der Landeshauptstadt München
301
Internetquellen
303
Rechtsquellenverzeichnis
305
Anhang
307
Abbildungsverzeichnis
Abb. 01 Bausteine der vorliegenden Arbeit
3
Abb. 02 Beziehungen zwischen einzelnen Elementen der Erreichbarkeit
19
Abb. 03 Wachsende und schrumpfende Gemeinden in Deutschland
39
Abb. 04 Angespannte Wohnungsmärkte in der Metropolregion München
42
Abb. 05 Visualisierung der im Rahmen der Forschungsfrage zu untersuchenden Zusammenhänge
44
Abb. 06 Entwicklung von Erst- und Wiedervermietungsmieten in München
52
Abb. 07 Nettokaltmieten bei Wiedervermietung und deren Veränderung
53
Abb. 08 Einkommensgrenzen in Abhängigkeit der Haushaltszusammensetzung
68
Abb. 09 Verfügbares Haushaltsbudget im ALG II - Bezug
69
Abb. 10 Wohnstandorte der Vergleichsgruppe und einkommensschwachen Befragten
75
Abb. 11 Alter der Befragten
77
Abb. 12 Haushaltszusammensetzung der Befragten
77
Abb. 13 Umzugsgründe der einkommensschwachen Befragten
79
Abb. 14 Umzugsgründe der Vergleichsgruppe
80
Abb. 15 Umzugsrichtung der Befragten
81
Abb. 16 Wohnstandortqualitäten nach Wichtigkeit
82
Abb. 17 Wohnungsgröße der Befragten in Abhängigkeit der Haushaltsgröße
84
Abb. 18 Mietkosten der Befragten in Abhängigkeit der Haushaltsgröße
85
Abb. 19 Pkw-Ausstattung der Befragten
87
Abb. 20 Mobilitätskosten der Befragten
88
Abb. 21 Veränderung der Verkehrsmittelnutzung auf dem Weg zur Arbeit
90
Abb. 22 Veränderung der Verkehrsmittelnutzung für Einkaufswege
90
Abb. 23 Veränderung der Verkehrsmittelnutzung in der Freizeit
91
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abb. 24 Originalzeichnungen Z1 (links) und Z2 (rechts)
103
Abb. 25 Übertragene Aktivitätenstandorte aus Zeichnung Z1 und Z2
104
Abb. 26 Plakat zur Akquise der Teilnehmenden
106
Abb. 27 Aktuelle und vorherige (hellgrau) Wohnstandorte der Befragten
109
Abb. 28 Überblick über Wohnstandorte, Haushaltszusammensetzung, Alter, Art des Einkommens, Wohnbiographie und genutzte Verkehrsmittel der Befragten
109
Abb. 29 Zeitliche und räumliche Abfolge beim Wohnstandortwechsel
111
Abb. 30 Suchstrategien der Befragten
124
Abb. 31 Narrative Karte eines/er Befragten - wenige Rückbezüge in die Stadt
135
Abb. 32 Narrative Karte eines/er Befragten - außer Arbeitsort keine Rückbezüge 136 Abb. 33 Narrative Karte eines/er Befragten - deutliche Rückbezüge erkennbar
137
Abb. 34 Übersicht der Wohnlagen
152
Abb. 35 Narrative Karte eines/er Befragten - die Versorgung angepasst, weitere Ziele sind unabhängig
156
Abb. 36 Narrative Karte eines/er Befragten - Versorgung angepasst, weitere Ziele orientieren sich teilweise am alten Wohnstandort
157
Abb. 37 Narrative Karte eines/er Befragten - die Freizeitziele orientieren sich am alten Wohnstandort
165
Abb. 38 Umzugswunsch der Befragten
174
Abb. 39 Modal Split der Befragten
178
Abb. 40 Narrative Karte eines/er Befragten - starke Streuung der Freizeitziele
184
Abb. 41 Narrative Karte eines/er Befragten - starke Streuung der Ziele
187
Abb. 42 Tickets der Befragten für den öffentlichen Nahverkehr
193
Abb. 43 Aktivitätsgruppen der Befragten
200
Abb. 44 Narrative Karte eines/er Befragten - starke Rückbezüge alter Wohnort
203
Abb. 45 Zeitlicher und räumlicher Ablauf zwischen Umzugsentscheidung und Einbettung
213
Abb. 46 Zeichnung von Frau K. von ihrem Wunschhaus in der Mitte eines großen Grundstücks
223
Abb. 47 Spannungsfeld der Handlungsempfehlungen
245
Tabellenverzeichnis
Tab. 01 Angemessene Kosten der Unterkunft bzw. Mietobergrenzen im Vergleich zu aktuellen Durchschnittsmieten
60
Tab. 02 Übersicht über die verschiedenen Einkommensgrenzwerte in Abhängigkeit der Haushaltszusammensetzung
70
Tab. 03 Umzugsgründe, Suchdauer und Dringlichkeit der Wohnungssuche der Befragten
114
Tab. 04 Wohnungsfund, Vormerkung beim Wohnungsamt (WA), Übernahme der Wohnkosten und Suchtypen
125
Tab. 05 Überblick über die genutzten Verkehrsmittel der Befragten, ihr Ticket sowie ihr Verhältnis zum Auto
180
Tab. 06 Übersicht über die Handlungsstrategien
270
Abkürzungsverzeichnis
AGH bzw. AGH-MAE
Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung
ALG
Arbeitslosengeld
AWO
Alter Wohnort
BBR
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
BBSR
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
BEG
Bayerische Eisenbahngesellschaft
BMVBS
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
EOF
Einkommensorientierte Förderung
FGSV
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen
Gewofag
Wohnungsbaugesellschaft der LHM
GWG
Wohnungsbaugesellschaft der LHM
KdU
Kosten der Unterkunft
KMB
Konzeptioneller Mietwohnungsbau
LHM
Landeshauptstadt München
MiD
Mobilität in Deutschland
MIV
Motorisierter Individualverkehr
MVG
Münchner Verkehrsgesellschaft GmbH
MVV
Münchner Verkehrs- und Tarifverbund mbH
ÖV bzw. ÖPNV
Öffentlicher Verkehr bzw. Öffentlicher Personennahverkehr
Pkw
Personenkraftwagen
PZI
Problemzentriertes Interview
SEU
Social Exclusion Unit
SGB
Sozialgesetzbuch
SPNV
Schienenpersonennahverkehr
WA
Wohnungsamt
WAM
Studie Wohnen Arbeiten Mobilität
WIM VI
Wohnen in München VI
WO
Wohnort
Kurzfassung
Viele Städte in Deutschland und Europa verzeichnen wachsende Bevölkerungszahlen. Während das Wachstum viele Chancen bietet, bringt es auch Herausforderungen mit sich, welche sich insbesondere auf dem Wohnungsmarkt bemerkbar machen. Steigende Wohnkosten und ein geringes Angebot machen es vor allem Haushalten mit geringen und mittleren Einkommen schwer bezahlbaren Wohnraum zu finden. Das führt dazu, dass Haushalte im Rahmen eines Umzugs weitreichende Kompromisse eingehen müssen. Diese können sich auf die Mobilitätsoptionen der Haushalte sowie auf die Erreichbarkeit ihrer Ziele auswirken. Vor diesem Hintergrund geht die vorliegende Arbeit der Frage nach, wie sich ein angebotsdominierter Wohnungsmarkt auf die Wohnlage von einkommensschwachen Haushalten auswirkt und inwiefern deren Mobilität dadurch beeinflusst wird. Diese Frage soll am Beispiel des Raums München untersucht werden. Der Münchner Wohnungsmarkt ist durch eine extrem angespannte Marktsituation gekennzeichnet, die einkommensschwache Haushalt vor große Herausforderungen stellt. Die Arbeit widmet sich damit einer im politischen und wissenschaftlichen Diskurs häufig vernachlässigten Untersuchungsgruppe, über deren Handlungsspielräume nur wenig bekannt ist. Mittels eines qualitativen Untersuchungsansatzes sollen die individuellen Abwägungen und Entscheidungsprozesse der Haushalte unter Berücksichtigung deren subjektiver Wahrnehmung nachvollzogen werden. Die Ergebnisse zeigen, dass sich ein angespannter Wohnungsmarkt sehr stark auf die Handlungsspielräume von einkommensschwachen Haushalten bei der Wohnungssuche und dementsprechend auch auf den Wohnstandort auswirkt. Letztendlich haben sie damit kaum Möglichkeiten, gezielt ihren Anforderungen entsprechende Wohnlagen zu verwirklichen, was sich auf deren Alltagsgestaltung und deren Mobilität auswirken kann. Einkommensschwache Haushalte sind in ihrem Handeln durch Fremdbestimmung und Exklusion eingeschränkt. Das betrifft sowohl den Such- wie auch den Einbettungsprozess am neuen Wohnstandort. Die Anpassungsstrategien der Haushalte bewegen sich zwischen einer Reduktion ihrer Bedürfnisse und aktiven Strategien, um ihre Handlungsfähigkeit auch unter Mehraufwänden zu erhalten.
XXII
Kurzfassung
Aufbauend auf den empirischen Ergebnissen und einen Expertenworkshop werden Handlungsstrategien entwickelt, um die Bedürfnisse einkommensschwacher Haushalte künftig besser zu berücksichtigen. Im Handlungsfeld Wohnen geht es vor allem um eine Verbesserung des Angebots sowie die Steigerung der Wohnqualität. Mit den Maßnahmen im Handlungsfeld Mobilität soll die Mobilität erleichtert und der Mobilitätsaufwand reduziert werden. Übergreifend ergeben sich Verbesserungsmöglichkeiten an den Schnittstellen verschiedener Ebenen sowie durch eine Stärkung themenübergreifender Ansätze. Die Arbeit zeigt nicht nur die Bedeutung einer integrierten Betrachtung der Themen Wohnen und Mobilität, sondern auch die großen Herausforderungen vor denen einkommensschwache Haushalte in Wachstumsregionen stehen.
1.
Einleitung: Hintergrund, Ziele und Aufbau der Arbeit
Weltweit konzentriert sich die Bevölkerung zunehmend in Städten (UN 2015, S. 7). Auch in Europa und Deutschland sind es vor allem die großen Städte, die wachsen (z. B. Hajer und Dassen 2014, S. 54f, S. 61; Milbert 2015, S. 9). Stadtregionen sind nicht nur durch zuziehende Bevölkerung gekennzeichnet, sondern häufig auch als Unternehmensstandorte gefragt. Dieses Wachstum wird im Allgemeinen positiv betrachtet, insbesondere weil es zur wirtschaftlichen Prosperität von Stadtregionen beiträgt. Das Wachstum bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. Durch eine wachsende Nachfrage steigen in der Regel die Bodenpreise und damit auch die Mieten, gleichzeitig verschärft sich der Wettbewerb um Wohnraum. Auch im Bereich Verkehr kann das Wachstum zu Herausforderungen führen, wenn Straßen überlastet sind oder die öffentlichen Verkehrsmittel an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. In diesem Zusammenhang spielt auch die umweltverträgliche Abwicklung des Verkehrs eine immer größere Rolle. Gleichzeitig sind es die großen Städte, die sich durch eine besondere Vielfalt an Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Lebensentwürfen auszeichnen. Nicht alle dieser Menschen können in gleichem Maße am wirtschaftlichen Erfolg der Stadtregionen teilhaben. Insbesondere Menschen mit geringen Einkommen profitieren häufig wenig oder gar nicht vom Wachstum. Gleichzeitig sind sie es, die oft besonders von den negativen Effekten des Wachstums betroffen sind, beispielsweise durch hohe Mieten, die mit geringen Einkommen nicht mehr aufgebracht werden können oder weil sie ausschließlich auf den öffentlichen Verkehr angewiesen sind. Einkommensschwache Gruppen stehen in Untersuchungen und Studien nur selten im Fokus, weshalb es kaum empirische Erkenntnisse gibt, wie sich das Wachstum auf deren Leben auswirkt. Hier setzt die vorliegende Arbeit an, indem sie einkommensschwache Haushalte ins Zentrum der Analysen setzt. Inhaltlich stehen darüber hinaus die Themen Wohnen und Mobilität im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Beide Themen prägen den Alltag in kaum vergleichbarer Weise, beide Themen, oder vielmehr die gesellschaftlichen Debatten hierzu, verändern sich im Zuge des Wachstums. Neben den angesprochenen Chancen rückt im Bereich Wohnen die schwierige Situation auf angespannten Wohnungsmärkten immer mehr in den Fokus. Es stellt sich die Frage, wer sich das © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Sterzer, Wohnen und Mobilität im Kontext von Fremdbestimmung und Exklusion, Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-24622-8_1
2
Einleitung: Hintergrund, Ziele und Aufbau der Arbeit
Wohnen in der Stadt zukünftig überhaupt noch leisten kann. Im Bereich Mobilität spielt der Pkw im gesamtdeutschen Kontext zwar eine ungebrochen wichtige Rolle, dennoch zeichnen sich Trends ab, dass zumindest die jüngeren Generationen in Städten zunehmend weniger Wert auf den eigenen Pkw legen (z. B. Kuhnimhof et al. 2012, S. 448). Damit rücken Sharing Modelle, häufig auch anknüpfend an Debatten zum Thema E-Mobilität, in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Dabei schwingt vermehrt der Grundtenor der Notwenigkeit einer grundlegenden Veränderung, einer Verkehrswende mit, um den oben beschriebenen Problemen entgegenzutreten. Gleichzeitig setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass integrierte Betrachtungsweisen notwendig sind, um der Komplexität und den Wechselwirkungen beider Themenfelder gerecht zu werden, wie beispielsweise die Untersuchungsansätze von Projekten wie StadtLeben (Beckmann et al. 2006) oder WAM Wohnen Arbeiten Mobilität (Thierstein et al. 2016) zeigen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, die Zusammenhänge von Wohnungsmarkt, Wohnstandort und Mobilität am Beispiel einkommensschwacher Haushalte im Raum München genauer zu analysieren. Konkret wird der Einfluss angebotsdominierter Wohnungsmärkte und daraus folgender Kompromisse bei der Wohnstandortwahl auf die Alltagsmobilität der Haushalte untersucht. Dabei geht es darum, individuelle Entscheidungsmuster nachzuvollziehen und Herausforderungen, denen einkommensschwache Haushalte im Zusammenhang mit räumlicher Mobilität in ihrem Alltag nach einem Umzug begegnen, näher zu beleuchten. Damit soll die Arbeit einen Beitrag zur Beantwortung aktueller Fragen im Bereich der Wechselwirkungen zwischen Wohnstandortwahl privater Haushalte und deren Mobilitätsverhalten leisten. Die vorliegende Arbeit bewegt sich damit sowohl inhaltlich als auch methodisch an der Schnittstelle der Verkehrs- und Sozialwissenschaften. Dies ist sicherlich zugleich Chance und Herausforderung. Methodisch ist die Arbeit vor allem ein Beitrag zur qualitativen Mobilitätsforschung. Die Mobilitäts- und insbesondere die Verkehrsforschung ist in hohem Maße von standardisierten Erhebungsmethoden geprägt. Hier setzt die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführte qualitative Empirie an und ergänzt vorhandene Studien, um mehr über die Zusammenhänge und Hintergründe des Handelns von einkommensschwachen Menschen zu erfahren und nicht nur deren spezifische Lebenssituation, sondern vor allem die Zwänge, denen sie unterworfen sind, besser zu verstehen. Darauf aufbauend werden Strategien entwickelt, um die Erkenntnisse bei künftigen Planungsprozessen einfließen zu lassen.
Aufbau der Arbeit
Aufbau der Arbeit
3
Aufarbeitung des
Analyse des Unter-
Der Aufbau der Arbeit gliedert sich Forschungsstands suchungsgebietes in die sechs in Abbildung 01 dargestellten Hauptteile. In Kapitel 2 wird Quan�ta�ve Datenauswertung (WAM) ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand für diese Arbeit Qualita�ver Forschungsansatz relevanter Themenfelder gegeben und entsprechend der bestehenProblemzentrierte Interviews de Forschungsbedarf aufgezeigt. Qualita�ve Inhaltsanalyse Zunächst wird in diesem Rahmen auf die Bedeutung von Wohnen und Mobilität für gesellschaftliche Teilhabe eingegangen. Weiter Entwicklung von Handlungsstrategien werden verschiedene Ansätze zur Erklärung des Mobilitätsverhaltens Abbildung 01 Bausteine der vorliegenden Arbeit vorgestellt, wobei das Thema Mobilitätseinschränkungen vertieft wird. Anschließend werden einige Grundlagen der Wanderungsforschung eingeführt, auch dabei stehen Erkenntnisse zu eingeschränkten Wahlmöglichkeiten im Vordergrund. Gleichzeitig werden die Wechselwirkungen von Raumstruktur und Mobilität erläutert. Da der Wohnungsmarkt als strukturelle Rahmenbedingung das Handeln der Befragten in hohem Maße prägt, folgt ein Überblick über die Mechanismen des Wohnungsmarktes mit einem Fokus auf angespannte Wohnungsmärkte. Die Forschungsfrage und zugrundeliegende Annahmen leiten sich aus dem beschriebenen Forschungsstand und dem daraus entstehenden Forschungsbedarf ab. Der Raum München dient für diese Arbeit als Fallbeispiel, anhand dessen die aufgeworfenen Fragen untersucht werden. Er wird in Kapitel 3 vorgestellt, dabei wird insbesondere auf die Besonderheiten des Münchner Wohnungsmarktes eingegangen. Weiter werden die Untersuchungsgruppe, einkommensschwache Haushalte, und deren Situation in München beschrieben. Die vorliegende Arbeit umfasst zwei empirische Bausteine: •
eine quantitative Datenauswertung sowie
•
eine qualitative Erhebung.
4
Einleitung: Hintergrund, Ziele und Aufbau der Arbeit
Bei der quantitativen Datenauswertung wird auf Daten des Projektes WAM Wohnen Arbeiten Mobilität (Thierstein et al. 2016) zurückgegriffen und ausgewählte Antworten der einkommensschwachen Teilnehmenden ausgewertet. Die Ergebnisse werden in Kapitel 4 zusammengefasst. Den weitaus größeren Stellenwert innerhalb dieser Arbeit nimmt die qualitative Befragung ein, in deren Rahmen 17 einkommensschwache Haushalte mittels Problemzentrierter Interviews (Witzel 2000) befragt wurden. Alle Haushalte sind zum Erhebungszeitpunkt innerhalb der zurückliegenden drei Jahre umgezogen und wurden zu ihrer Wohnungssuche, zu ihrer Wohnsituation und zum Thema Mobilität befragt. In Kapitel 5 wird das methodische Vorgehen beschrieben und begründet sowie ein Überblick über die Zusammensetzung der Befragten gegeben. Die Ergebnisse sind in Kapitel 6 dargestellt. Dabei wird zunächst auf die Wohnungssuche sowie die räumlichen Anforderungen der Befragten eingegangen, bevor der Einbettungsprozess, die Alltagsorganisation und damit zusammenhängend die Mobilität der Haushalte vertieft wird. Während diese Darstellung noch weitgehend thematisch gegliedert ist, werden in Kapitel 6.5 themenübergreifende Zusammenhänge analysiert. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengeführt und bezugnehmend auf die Forschungsfrage reflektiert. Nach ihrer Vorstellung und Diskussion werden anschließend mögliche Handlungsstrategien abgeleitet, um den Ergebnissen in der Praxis Rechnung zu tragen und die Herausforderungen vor denen einkommensschwache Haushalte stehen, besser zu berücksichtigen. Hierbei fließen auch die Ergebnisse eines Workshops mit Experteninnen und Experten aus dem Planungs- und Sozialbereich ein. Eine Anpassung der Planung an Bedürfnisse einkommensschwacher Haushalte kann zu mehr Möglichkeiten und verbesserter Teilhabe führen und damit einen Beitrag zu einer ökologisch und vor allem auch sozial nachhaltigeren Entwicklung leisten. Die Strategien werden vor dem siedlungsstrukturellen und verkehrsplanerischen Hintergrund Münchens entwickelt, so dass die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Metropolräume abschließend in Kapitel 8 diskutiert wird. Weiter werden in Kapitel 8 die methodischen Ansätze abschließend reflektiert, um anschließend Grenzen der Arbeit und daraus resultierende offene Fragen aufzuzeigen.
2.
Stand der Forschung
Um sich den verschiedenen für diese Arbeit relevanten Themen anzunähern, werden diese im Folgenden überblicksartig eingeführt. So soll eine Verortung der Forschungsfrage und der Ergebnisse im aktuellen Forschungskontext erleichtert werden. Dazu wird zunächst das der Arbeit zugrundeliegende Verständnis der Themen Wohnen und Mobilität erläutert, bevor ein Überblick über Ansätze zur Erklärung von Mobilitätsverhalten und Wohnstandortwahl gegeben wird. Ein besonderer Fokus wird hierbei auf die Wechselwirkungen von Mobilität und Raumstruktur gelegt. Da sich die vorliegende Arbeit insbesondere der Situation auf angespannten Wohnungsmärkten widmet, werden einige grundlegende Mechanismen des Wohnungsmarktes erläutert. Mit dem Überblick zu theoretischen und empirischen Vorarbeiten wird gleichzeitig bestehender Forschungsbedarf aufgezeigt und die diese Arbeit leitende Forschungsfrage hergeleitet. 2.1
Wohnen und Mobilität als Voraussetzung gesellschaftlicher Teilhabe
Die Themen Wohnen und Mobilität stehen im Mittelpunkt dieser Arbeit. Zunächst werden daher das zugrundeliegende Verständnis und die gesellschaftliche Relevanz dieser beiden Themen erläutert. Die vorliegende Arbeit entsteht im Rahmen des mobil.LAB Promotionskollegs, welches sich dem Thema Nachhaltige Mobilität in der Metropolregion München widmet. Daher wird die Arbeit in den Kontext einer nachhaltigen Entwicklung eingeordnet. Teile dieses Kapitels sind in geänderter Form bereits im mobil.LAB Buch Sustainable Mobility in Metropolitan Regions (Sterzer 2016) erschienen. 2.1.1 Wohnen und Mobilität als Grundbedürfnisse Hajer skizziert in seinem Buch Smart about cities retrospektiv die Entwicklung der Städte im 19. und 20. Jahrhundert, um dann festzustellen, dass „the story of the modern city is mostly told in terms of the way in which it organised housing and transport“ (Hajer und Dassen 2014, S. 24). Das unterstreicht die Bedeutung von Wohnen und Mobilität und deren Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung und zeigt, wie wichtig es ist, sich mit dem Thema Stadtentwicklung auch aus einer sozialplanerischen Perspektive auseinander zu setzen. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Sterzer, Wohnen und Mobilität im Kontext von Fremdbestimmung und Exklusion, Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-24622-8_2
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Stand der Forschung
Wohnen Wohnen ist selbstverständlicher Teil unseres Lebens, der kaum hinterfragt wird und das alltägliche Leben dennoch maßgeblich prägt. Besonders deutlich wird das bei Problemen mit der Wohnraumversorgung: Der Verlust einer Wohnung oder einer sicheren Unterkunft wird in unserer Gesellschaft als kaum umkehrbare Manifestierung des sozialen Abstiegs wahrgenommen (Geiger 2008, S. 385). Gleichzeitig spiegelt sich in der Wohnsituation der soziale Status eines Haushalts wider. Einem (2016, S. 9) bezeichnet eine kostengünstige Wohnung als „Eintrittskarte sozialer Akzeptanz“. Zahlreiche Werke insbesondere im Bereich Geographie und Soziologie beschäftigen sich ausführlich mit der Bedeutung des Wohnens, dem Wandel im Zeitverlauf, der zunehmenden Ausdifferenzierung und Herausforderungen der jeweiligen Zeit (z. B. Friedrichs 1995; Häußermann und Siebel 1996; Einem 2016). Diesen Werken liegt das gemeinsame Verständnis des Wohnens als eine der Daseinsgrundfunktionen zugrunde (z. B. Maier et al. 1977, S. 100). Im Beschluss des aktuellen wohnungspolitischen Handlungsprogramms der Stadt München heißt es: „Die Versorgung mit Wohnraum ist eine Grundvoraussetzung für die soziale Teilhabe an der Stadtgesellschaft. Dazu zählt zum einen die Versorgung mit angemessenem Wohnraum, zum anderen aber auch die Integration in das Wohnumfeld“ (WIM VI 2016, S. 24). Den existentiellen und lebensbestimmenden Charakter des Wohnens machen nicht zuletzt das deutsche Grundgesetz mit Artikel 13, welcher besagt „die Wohnung ist unverletzlich“ (Art. 13 GG), und zahlreiche Landesverfassungen deutlich. In der Verfassung des Freistaates Bayerns heißt es in Artikel 106: „(1) Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung. (2) Die Förderung des Bauens billiger Volkswohnungen ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden. (3) Die Wohnung ist für jedermann eine Freistätte und unverletzlich“ (Art. 106 BayVerf). Dem Thema Wohnen wird also von höchster Ebene eine große Bedeutung zugeschrieben. Mobilität Unsere heutige Gesellschaft hat hohe Ansprüche an die Mobilität der Menschen. Autos werden größer und schneller (Schmitz 2001, S. 177), Urlaube werden immer weiter von zu Hause entfernt verbracht (Kagermeier 2007, S. 260) und Unternehmen erwarten immer größere Pendeldistanzen und die ständige Bereitschaft Dienstreisen nachzugehen (Vogl 2010). Auch im Zuge der Arbeitsvermittlung müssen zunehmend weitere Pendeldistanzen hingenommen werden (Haas 2013, S. 259).
Wohnen und Mobilität als Voraussetzung gesellschaftlicher Teilhabe
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In den vergangenen Jahrzehnten hat sich zwar das Reisezeitbudget des Einzelnen kaum verändert, wohl aber die zurückgelegten Distanzen und Geschwindigkeiten (Schmitz 2001, S. 81) und insbesondere die Pkw-Fahrleistung (Bamberg 2001, S. 118). Auch wenn sich die Stadtplanung heute überwiegend am Leitbild der Stadt der kurzen Wege (z. B. Gertz 1998, S. 100ff; Beckmann et al. 2011, S. 63ff) orientiert, wirken die Entscheidungen der sechziger Jahre, in denen sich gesellschaftliche und planerische Entwicklungen im Zuge des Leitbilds der autogerechten Stadt (Reichow 1959) verstärkt auf den Pkw bezogen, noch immer nach. Eine Entwicklung, die für viele Menschen mehr Möglichkeiten mit sich brachte, für diejenigen ohne Zugang zu einem Pkw allerdings das Gegenteil bewirkte. Nicht jeder kann die gestiegenen gesellschaftlichen Mobilitätserwartungen gleichermaßen erfüllen, um an Aktivitäten teilzuhaben. Daher sollten auch diejenigen in den Blick genommen werden, die diese Erwartungen nicht erfüllen können oder wollen und der Frage nachgegangen werden, in welchem Maße die neuen Mobilitätsmuster und -erwartungen neue Formen der Exklusion schaffen. Denn neben dem Wohnen, ist auch Mobilität eine Grundvoraussetzung gesellschaftlicher Teilhabe (Daubitz 2016, S. 433). Sie sichert die Möglichkeit, sich an sozialen, wirtschaftlichen, politischen und anderen Prozessen zu beteiligen (Kenyon et al. 2002, S. 210; LHM 2006, S. 11). Da Aktivitätenstandorte im Raum verteilt sind, gehen Aktivitäten fast immer mit einem Ortswechsel einher. Arbeit, Bildung aber auch Freizeit und Versorgung sind wichtige Bestandteile unseres täglichen Lebens, für deren Zugang Mobilität notwendig ist (SEU 2003, S. 3). Pickup und Giuliano (2005, S. 39) bezeichnen transport als „tool for living and working“. Mobilität trägt zum Erhalt sozialer Kontakte bei, was maßgeblichen Einfluss auf die individuelle Zufriedenheit haben kann (Stanley und Vella-Brodrick 2011). Einschränkungen im Mobilitätsbereich können damit gleichzeitig zu gesellschaftlichen und sozialen Einschränkungen führen. Mobilität ist also eine Voraussetzung für soziale Teilhabe und damit ein wichtiger Baustein, um sozialer Exklusion vorzubeugen und sie zu bekämpfen (Lucas 2012, S. 106). In diesem Sinne hat Mobilität einen hohen gesellschaftlichen und sozialen Wert, der in der öffentlichen Debatte häufig unterschätzt wird.
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Stand der Forschung
2.1.2 Mobilität im Kontext der Nachhaltigkeit Im vorherigen Kapitel wurde das Grundverständnis der Themen Wohnen und Mobilität und deren Relevanz für gesellschaftliche Teilhabe erläutert. Das Thema Mobilität wird im Folgenden in den Kontext einer nachhaltigen Entwicklung eingeordnet. Das scheint insbesondere vor dem Hintergrund bedeutend, als dass Verkehr als Ergebnis der Umsetzung eines Mobilitätsbedürfnisses häufig vor allem unter dem Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit betrachtet wird, der Fokus dieser Arbeit aber auf sozialen Komponenten der Nachhaltigkeit liegt. Wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, beziehen wir uns häufig auf den Bericht Our Common Future (UN 1987) der Vereinten Nationen, der als Grundstein heutiger Debatten zum Thema Nachhaltigkeit gilt. Gro Harlem Brundtland formulierte insbesondere das Ziel der Generationengerechtigkeit, das heißt einer Entwicklung, die den Bedürfnissen heutiger Generationen entspricht, ohne dabei aber die Möglichkeiten folgender Generationen zu gefährden. Nachhaltigkeit bezieht sich also immer auf die Gegenwart und die Zukunft. Vor allem in Deutschland hat sich seitdem ein „Drei-Säulen-Modell“ zur Beschreibung von Nachhaltigkeit durchgesetzt, welches die Säulen Wirtschaft, Umwelt und Soziales gleichberechtigt nebeneinander sieht (Die Bundesregierung 2016, S. 24). Da in dieser Arbeit der Mensch im Mittelpunkt steht, kann durchaus proklamiert werden, dass sich diese Arbeit in besonderem Maße den sozialen Aspekten der Nachhaltigkeit widmet. Dabei wird die Auffassung vertreten, dass eine Fokussierung auf einen Themenbereich nicht im Widerspruch zu einer ganzheitlichen Betrachtung steht und insbesondere die in Kapitel 7 vorgestellten Handlungsstrategien auch hinsichtlich weiterer Aspekte zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Mutlak und Schwarze (2007) bescheinigen der sozialen Nachhaltigkeit ein Theoriedefizit, dem wohl auch das Fehlen einer einheitlichen und konsensfähigen Definition geschuldet ist. Die Bundesregierung (2016) definiert in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie 17 Zielkategorien, welche die verschiedenen Bereiche der Nachhaltigkeit in unterschiedlichem Maße berühren. Neben der Bekämpfung von Armut und Hunger, gehören dazu Gesundheit und Wohlergehen, der Zugang zu Bildung und menschenwürdiger Arbeit und weniger Ungleichheiten. In diesem Zusammenhang wird weiter auch explizit der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum benannt (ebd., S. 56). Die soziale Bedeutung der Mobilität hingegen kommt nur am Rande vor (ebd., S. 166).
Wohnen und Mobilität als Voraussetzung gesellschaftlicher Teilhabe
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Sehr allgemein lässt sich soziale Nachhaltigkeit, sofern sie überhaupt für sich alleine betrachtet und definiert werden kann, am ehesten im Sinne einer Gesellschaft betrachten, die es allen Menschen ermöglicht, ihre Grundbedürfnisse zu erfüllen. Ebenso wenig wie soziale Nachhaltigkeit abschließend definiert werden kann, kann nachhaltige Mobilität abschließend definiert werden. Im mobil.LAB Promotionskolleg wird folgendes, nicht abschließendes Verständnis zu Grunde gelegt: »» Sustainable mobility ensures the individual fulfillment of basic needs and activities located in different places without harming the environment, economy or society, whether now or in the future. This requires affordable access to multiple mobility options, freedom of choice in terms of mode and access to life opportunities. Sustainable mobility, however, does not and should not require a reduction in mobility. It is oriented to reduce individual’s derived demand of mobility and increase the intrinsic demand of mobility. Instead, it should be safe for all users and therefore minimize any type of negative effects on individuals, communities, the private sector and the environment. « (mobil.LAB Promotionskolleg 2014) Dieses Verständnis unterstreicht die Relevanz von Mobilität insgesamt, aber insbesondere auch die Optionen für die Individuen in einer Gesellschaft. Verkürzt dargestellt ist der Grundgedanke nachhaltiger Mobilität, jedem Menschen Mobilitätsoptionen zur Verfügung zu stellen und dabei die negativen, vor allem durch Verkehr entstehenden Externalitäten zu minimieren. Das legt die Unterscheidung von Mobilität und Verkehr, wie sie im nachfolgenden Kapitel erläutert wird, nahe (Ahrend et al. 2013, S. 2). Götz et al. (2016, S. 793) verstehen sozial als ein Ermöglichen soziokultureller Vielfalt von Lebens- und Mobilitätsstilen, eine nachhaltige Mobilitätskultur (siehe Kapitel 2.2.2) beschreiben sie als multimodal und für den Einzelnen multioptional. Im Gegensatz zu dem oben erläuterten Verständnis fokussieren sich viele Debatten zum Thema Nachhaltigkeit im Verkehr sehr stark auf ökologische Aspekte, wie CO2-Emissionen oder alternative Antriebstechnologien. Auch wenn diese Themen ebenfalls von hoher gesellschaftlicher Relevanz sind, so ist der Ansatz doch ein anderer, insbesondere da in der Regel auf aggregierte Betrachtungsebenen zurückgegriffen wird. Die sozialen Aspekte im Bereich Mobilität und Verkehr werden hingegen häufig übersehen oder unterschätzt, wenngleich soziale und ökologische Benachteiligung im oder durch Verkehr häufig simultan auftreten, wie beispielsweise Studien zu Lärm- oder Luftschadstoffexposition zeigen (z. B. WHO 2012, S. 92, S. 147; Hornberg et al. 2011, S. 57ff).
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Stand der Forschung
Die ursprüngliche Initiative für nachhaltige Mobilität ging 1994 von der OECD aus, indem sie das Projekt Environmentally Sustainable Transport (EST) initiierte und somit den Versuch startete, das Thema auf die politische Agenda zu setzen. Etwa zeitgleich griff auch die Weltbank das Thema auf. 1996 folgte mit der OECD Konferenz in Vancouver mit der Formulierung der Vancouver Principles für Sustainable Transport (Yevdokimov 2003, S. 2) ein Meilenstein in der Debatte um nachhaltige Mobilität. Mit dem zweiten Prinzip Equity der neun Prinzipien wurde hier erstmals die soziale Komponente explizit in den Fokus gerückt. Principle #2 Equity »» Nation states and the transportation community must strive to ensure social, interregional and inter-generational equity, meeting the basic transportationrelated needs of all people including women, the poor, the rural, and the disabled. Developed economies must work in partnership with developing economies in fostering practices of sustainable transportation. « (OECD 1996, S. 62) In den vergangenen Jahren wuchs dementsprechend das Bewusstsein für das Thema und die Wissenschaft beschäftigte sich vermehrt mit sozialer Nachhaltigkeit im Bereich Mobilität und Verkehr. Das soll allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich dabei immer noch um ein Randthema handelt (Lucas et al. 2016). Diese Arbeit knüpft an vorhandene Studien an, um das bestehende Wissen zu ergänzen und Verknüpfungen zum Thema Wohnen herzustellen, wobei auf einige der bisher vorliegenden Arbeiten im Kapitel 2.2.4 noch genauer eingegangen wird. 2.2
Ansätze zur Erklärung des Mobilitätsverhaltens
Wohnen und Mobilität sind die beiden zentralen Themen dieser Arbeit. Bevor diese im Rahmen der Empirie aufgegriffen werden, wird zunächst ein Überblick über bestehende Erkenntnisse in beiden Themenfeldern gegeben. Im Bereich Mobilität sind vor allem einige grundlegende Ansätze zur Erklärung des Mobilitätsverhaltens von Interesse. Mobilität und Verkehr sind maßgeblich durch zwei Bereiche determiniert: zum einen durch strukturelle Rahmenbedingungen, zu denen auch das Verkehrsangebot gehört, zum anderen durch individuelle Faktoren und Ressourcen (Deffner 2009, S. 55; Scheiner 2016). Die Zuordnung der einflussnehmenden Größen ist nicht immer eindeutig, da beispielsweise auch die Wahrnehmung von Raumstrukturen und die individuellen Fähigkeiten zur Nutzung von Verkehrsangeboten subjektiv unterschiedlich sind und es so Wechselwirkungen zwischen den Bereichen
Ansätze zur Erklärung des Mobilitätsverhaltens
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gibt. Die Differenzierung bei der Darstellung beider Bereiche im Folgenden dient vor allem der Übersichtlichkeit. Nach einer kurzen Erläuterung der Begriffe wird zunächst ein Blick auf Ansätze zur Erklärung des Mobilitätsverhaltens geworfen, bei denen individuelle Faktoren im Vordergrund stehen, bevor im nächsten Kapitel auf den Einfluss raumstruktureller Faktoren eingegangen wird. Anschließend wird ein Überblick über mögliche Mobilitätseinschränkungen gegeben. 2.2.1 Die Begriffe Verkehr und Mobilität Vorab wird kurz auf den Begriff der Mobilität eingegangen. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf räumlicher Mobilität von Personen, wenngleich diese nicht immer ganz trennscharf von sozialer Mobilität, welche sich auf eine soziale Position in der Gesellschaft bezieht, abgrenzbar ist (Bähr 1992, S. 540). Während sich der Begriff Verkehr auf die tatsächliche, realisierte Ortsveränderung von Personen bezieht, geht es bei Mobilität um eine antizipierte potentielle Ortsveränderung von Personen (Ahrend et al. 2013, S. 2). Mobilität kann auch als Möglichkeit zur Bewegung beziehungsweise Beweglichkeit verstanden werden. Sie bezieht die einem Individuum zur Verfügung stehenden Möglichkeiten mit ein und ist abhängig von „räumlichen, physischen, sozialen und virtuellen Rahmenbedingungen und deren subjektiver Wahrnehmung“ (ebd., S. 3). Damit schließt diese Definition nicht nur externe Rahmenbedingungen als Voraussetzung der Mobilität mit ein, sondern auch individuelle Kenntnisse und Fähigkeiten. Im räumlichen Kontext ist weiter zu unterscheiden zwischen langfristiger und kurzfristiger Mobilität. Als langfristige Mobilitätsentscheidungen werden in der Regel Entscheidungen mit langer zeitlicher Reichweite, wie beispielsweise Wohnsitzwechsel oder die Anschaffung eines Pkws bezeichnet, während sich kurzfristige Mobilitätsentscheidungen vor allem auf die Verkehrsmittel-, Wege- oder Zielwahl im Alltag beziehen (Wulfhorst 2003, S. 13). Bähr (1992, S. 541) spricht bei einem Wohnsitzwechsel von Wanderung und bei Mobilität ohne Wohnsitzveränderung von Zirkulation. Dem Begriff Zirkulation liegt die Annahme zu Grunde, dass die meisten Wege vom Wohnort ausgehen und später wieder dort enden. Im Kontext dieser Arbeit wird der Begriff Mobilität, wenn er nicht näher bestimmt ist, im Sinne einer kurzfristigen Alltagsmobilität verwendet. In der amtlichen Statistik wird von Wanderungen innerhalb einer Gemeinde von Umzügen, bei Wanderungen über Gemeindegrenzen hinweg vor Fort- oder Zuzügen gesprochen. Da in der vorliegenden Arbeit der Raum München betrachtet wird, wird einheitlich der Begriff Umzug für Wanderungen innerhalb dieses Raums verwendet. Das ist
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auch insofern sinnvoll, da eine Wanderung im Kontext dieser Arbeit immer mit der Aufgabe und dem Neubezug einer Wohnung einhergeht. 2.2.2 Verkehr und Mobilitätsverhalten Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Zusammenhänge von Wohnungsmarkt, Wohnstandortwahl und Mobilität zu untersuchen. Dabei geht es vor allem um den Einfluss von Wohnungsmarkt und Wohnstandort auf die Mobilität. Dafür ist es wichtig, sich zunächst grundlegend mit dem vorhandenen Wissen zur Verkehrsgenese, das heißt der Verkehrsentstehung als Ergebnis eines Mobilitätsbedürfnisses zu befassen. Mobilitäts- und Verkehrsforschung sind seit vielen Jahren etablierte und von verschiedenen Disziplinen ausführlich bearbeitete Felder. Dementsprechend vielfältig sind die methodischen Zugänge und das generierte Wissen. Im Folgenden wird daher versucht, nur die für diese Arbeit relevanten Grundlagen zusammenzufassen, so dass bei der Analyse der Mobilität der im Rahmen der Empirie befragten Personen darauf zurückgegriffen werden kann. Die Verkehrsnachfrage ist, auch wenn sie ein gut erforschtes Feld ist, nur bedingt erklärbar, was sicher auch am “Eigensinn der Verkehrsnachfrager“ (Scheiner 2016, S. 696) liegt. Dazu kommt, dass Menschen zunehmend multimodal unterwegs sind und ihre Mobilität entsprechend variabel ihren Bedürfnissen und an den jeweiligen Weg anpassen (Wojtysiak und Dziekan 2012; Wilde 2015). Den „klassischen Autofahrer“ gibt es – falls es ihn je gab – auch aufgrund erweiterter Möglichkeiten immer weniger. Traditionell wurden Entscheidungen im Bereich Mobilität ein rationales und informiertes Vorgehen mit dem Ziel einer persönlichen Nutzenmaximierung zugrunde gelegt. Nachdem das Thema Mobilität in den vergangenen Jahren zunehmend auch zum Gegenstand in sozialwissenschaftlichen oder psychologischen Arbeiten wurde (z. B. Hunecke 2015), setzte sich die Erkenntnis zur Bedeutung von individuellen Faktoren, wie Erfahrungen, persönlichen oder gesellschaftlichen Werten oder Fähigkeiten und deren Einfluss auf das Mobilitätsverhalten zunehmend durch. Dieses Verständnis prägt sich in Form von unterschiedlichen, vor allem typologisierenden Ansätzen aus, über die im Folgenden ein kurzer Überblick gegeben wird.
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Lebenslagen und Lebensphasen Die Lebenslage ergibt sich vor allem aus der sozioökonomischen Situation und ist dementsprechend mit den daraus folgenden Restriktionen und Zwängen verbunden. Der Lebenslagenansatz bezieht sich auf die Differenzierung objektiv bestimmbarer Gemeinsamkeiten oder Ungleichheiten (Berger und Hradil 1990, S. 10), wie beispielsweise Gesundheit, Bildung, Arbeitsplatz, Einkommen, aber auch Ansehen, gesellschaftliche und politische Partizipation (Hradil 2001, S. 244), und geht davon aus, dass gleiche Merkmale ein ähnliches Verhalten zur Folgen haben. Dabei gibt es durchaus Parallelen zum Lebens-, Erwerbs- oder Familienzyklus, denn häufig sind es beispielsweise Personen in Ausbildung oder aber Alleinerziehende, die nur über geringe ökonomische Ressourcen verfügen. Ansätze, die sich auf die Lebensphase oder den Lebenszyklus beziehen gehen davon aus, dass sich Verhaltensmuster über den langfristigen Zeitverlauf hinweg verändern. So unterscheidet sich vor allem das Mobilitätsverhalten verschiedener Altersgruppen (Flade 2013, S. 117). Aber auch andere Veränderungen wie beispielsweise eine Familiengründung können mit Änderungen des Mobilitätsverhaltens einhergehen. Wird im Zuge solcher Entwicklungen auch der Wohnstandort angepasst, kann auch das wiederum zu Veränderungen im Bereich Mobilität beitragen (siehe 2.2.3). Rosenbaum (2007, S. 562) zufolge wirken sich sowohl Lebenslagen als auch -phasen nicht direkt auf die Mobilität aus, sondern werden „im Medium von unterschiedlichen Einstellungen und Orientierungen zu Mobilität und Verkehr verarbeitet und beantwortet“. Lebens- und Mobilitätsstile Ansätze im Bereich der Lebensstile gehen typischerweise über die Betrachtung von Lebenslagen oder Lebensphasen hinaus, denn ihnen liegen soziokulturelle Differenzierungen zu Grunde. Otte und Rössel (2011, S. 13) gehen von „Muster[n] verschiedener Verhaltensweisen, die eine gewisse formale Ähnlichkeit und biographische Stabilität aufweisen, [und] Ausdruck zugrunde liegender Orientierungen sind“, aus. Lebensstile wurden im deutschsprachigen Raum vor allem durch die Sinus-Milieus bekannt (SINUS 2017), welche sich durch Milieugruppen, die sich aufgrund von Grundorientierung und sozialer Lage konstituieren, auszeichnen. Sie finden zwar vielfach Anwendung, werden aber auch als geschütztes und damit wenig transparentes Konzept kritisiert. Weitere Ansätze wurden beispielsweise von Schulze (1992), Spellerberg und Berger-Schmitt (1998), Hunecke und Wulfhorst (2000) und Otte (2004) entwickelt.
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Letztendlich kann das Verkehrsverhalten anhand allgemeiner Lebensstiltypologien beschrieben werden, dabei ist zwar der Erklärungsgehalt geringer, weil sich Lebensstile in unterschiedlichsten Bereichen ausprägen, dafür wird der Gefahr eines tautologischen Zirkels vorgebeugt. Detailliertere Aussagen lassen sich in der Regel mit Mobilitätsstilen treffen, welche als bereichsspezifische Lebensstiltypologie betrachtet werden können. Das heißt, die Typenbildung erfolgt aufgrund von Indikatoren, die dem jeweiligen Gegenstandsbereich entstammen (Otte und Rössel 2011, S. 16). In diesem Sinne sind die von verschiedenen Forschenden entwickelten Mobilitätsstile (z. B. Götz et al. 1998; Deffner 2009) zu verstehen, die darauf abzielen, die Bevölkerung anhand von mobilitätsspezifischen Einstellungen und Verhaltensweisen zu typisieren und auf diese Weise auch emotionale und symbolische Faktoren miteinzubeziehen (Scheiner 2016, S. 692f). So können „raum-zeitlich strukturierte Muster der Lebensführung“ erfasst werden (Deffner 2009, S. 42), die sich unter anderem im Mobilitätsverhalten ausprägen. Götz et al. (2016, S. 788) weisen darauf hin, dass erst der Zusammenhang von Orientierung und Verhalten den Mobilitätsstil konstituiert. Mobilitätsbiographien und Mobilitätssozialisation Der Ansatz der Mobilitätsbiographien geht davon aus, dass es mobilitätsbezogene Routinen und Einstellungen gibt, die sich über den Lebenslauf hinweg ausprägen. Eine Analyse erfolgt in der Regel über eine Längsschnittbetrachtung beziehungsweise einen integrierten Ansatz, in dem Lebensphasen, unterschiedliche Kontexte und biographische Zusammenhänge kombiniert werden (Klinger 2017, S. 38). Nach Lanzendorf (2003, S. 9) beeinflussen Schlüsselereignisse auf drei verschieden Ebenen das Mobilitätsverhalten: die Lebensstilebene, die Erreichbarkeitsebene und die Mobilitätsebene. Grundannahme ist eine prozesshafte Entwicklung, die dazu führt, dass sich bestimmte Verhaltensmuster ausprägen und verfestigen. Eng verknüpft mit dem Ansatz der Mobilitätsbiographie ist auch die Mobilitätssozialisation, die sich jedoch stärker auf die Kindheit und Jugend bezieht und davon ausgeht, dass in dieser Zeit bereits die Grundlagen des späteren Mobilitätverhaltens gelegt werden (Tully und Baier 2011). Grundsätzlich lässt sich davon ausgehen, dass Menschen zwischen 15 und 35 Jahren die von ihnen genutzten Verkehrsmittel am flexibelsten variieren und diese Zeit auch prägend für spätere Lebensabschnitte ist (Beige und Axhausen 2012, S. 870).
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Mobilitätskulturen „Mobilitätskultur meint die Ganzheit der auf die Beweglichkeit bezogenen materiell und symbolisch wirksamen Praxisformen. Sie schließt die Infrastruktur- und Raumgestaltung ebenso ein wie Leitbilder und verkehrspolitische Diskurse, das Verhalten der Verkehrsteilnehmer und die dahinterstehenden Mobilitäts- und Lebensstilorientierungen. Sie bezeichnet das prozessuale Ineinanderwirken von Mobilitätsakteuren, Infrastrukturen und Techniken als sozio-technisches System. […]“ (Deffner et al. 2006, S. 16). Bei den Mobilitätskulturen handelt es sich damit um eine Weiterentwicklung der Mobilitätsstile, die noch weitere, insbesondere auch räumliche Komponenten mitberücksichtigen und dabei vor allem auf eine sozialräumliche Einheit abzielen (Götz et al. 2016, S. 782). Gewissermaßen geht es also um ein (Alltags-)Verständnis, im Rahmen dessen Mobilität interpretiert wird (Ahrend et al. 2013, S. 42). Dabei ist ausdrücklich nicht eine normativ zu verstehende Mobilitätskultur gemeint, sondern der Ansatz bezieht sich auf Mobilitätskulturen mit unterschiedlichen Eigenschaften (Götz et al. 2016, S. 793). Er trägt sowohl den individuellen Orientierungen als auch den gesellschaftlichen und politischen Diskursen Rechnung und ist damit der umfassendste Ansatz. Die Eignung der verschiedenen Ansätze zur Erklärung des Mobilitätsverhaltens ist genauso wie deren Operationalisierung immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Diskurse. Alle Ansätze eint, dass sie die individuelle Lebenssituation der Menschen miteinbeziehen. Insbesondere Mobilitätsstile und -kulturen beziehen darüber hinaus soziale, soziokulturelle und kulturelle Faktoren mit ein (ebd., S. 782). Allerdings stellen die Konzepte stark auf die individuelle Wahlfreiheit ab. Zwar wird bei der Lebenslage und teilweise auch bei den Lebensstilen auf die soziale Lage eingegangen, allerdings reduziert sich die Analyse im Weiteren häufig auf den fehlenden Zugang zu einzelnen Verkehrsmitteln. Für Personen, die auf den öffentlichen Verkehr angewiesen sind, ist der Begriff der Captives („Gefangene“) in der Verkehrsforschung durchaus gebräuchlich. Die Folgen und Gründe warum Personen zu Captives werden, gehen aber ebenfalls oft nicht über die Erkenntnis hinaus, dass diese Personen eben keinen Zugang zum Automobil haben und aus diesem Grund auf den öffentlichen Verkehr angewiesen sind (Daubitz 2014). Die Einordnung von Personen als Captives scheint eher als zustandshafte Ausgangsbedingung statt einer Aufforderung zu weitergehenden Analysen aufgefasst zu werden. Die Erkenntnisse über die komplexen Zusammenhänge und die umfangreichen Einflussfaktoren auf das Mobilitätsverhalten legen jedoch nahe, dass diese Form der Analyse zu kurz greift und Einstellungen und Restriktionen in der Verkehrsmittelnutzung deutlich mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden sollte.
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Mobilität und Gewohnheit Unabhängig von den vorgestellten Konzepten gibt es zahlreiche Arbeiten, die auf die Bedeutung von Routinen und Gewohnheiten für die Mobilität hinweisen (z. B. Gärling und Axhausen 2003). Ein guter Überblick findet sich bei Busch-Geertsema et al. (2016). Bei diesen Ansätzen wird davon ausgegangen, dass es unwahrscheinlich ist, dass eine einmal getroffene Wahl für ein bestimmtes Verkehrsmittel und eine entsprechende Route für einen sich regelmäßig wiederholenden Weg hinterfragt wird, wenn es keinen speziellen Anlass dafür gibt. Insbesondere im Alltag wiederholen sich viele Wege, wie Einkaufs- oder Arbeitswege, regelmäßig, so dass die Ausprägung von Routinen in diesem Kontext von besonderer Bedeutung ist (Klinger 2017, S. 20). Als Grund wird vor allem auf eine Komplexitätsreduktion von wiederkehrenden Entscheidungssituationen abgestellt, so dass kein bewusster Entscheidungsprozess mehr stattfindet (Verplanken et al. 1997, S. 547). Grundsätzlich lässt sich zwischen allgemeinen und spezifischen Gewohnheiten (general and specific habits) unterscheiden: Während es sich bei Letzteren um ganz konkrete Routinen, wie ein bestimmtes Verkehrsmittel für eine festgelegte Route handelt, prägen allgemeine Gewohnheiten das Handeln grundsätzlicher, zum Beispiel, wenn unabhängig von Weg und Ziel immer das Auto gewählt wird (ebd., S. 558). Bestimmte Schlüsselereignisse können ein Hinterfragen dieser festen Muster und eine Reorganisation initiieren (Prillwitz et al. 2006, S. 10). Franke (2001, S. 174) spricht in diesem Zusammenhang von einem Möglichkeitsfenster, wodurch neue Erfahrungen möglich werden. Hier setzt auch der oben bereits erwähnte Ansatz der Mobilitätsbiographien an, mit dem Veränderungen der Mobilität über den Lebenslauf hinweg betrachtet werden. Schlüsselereignisse können beispielsweise berufliche oder familiäre Veränderungen sein. Von besonderer Bedeutung für die Mobilität sind Veränderungen, die mit einem räumlichen Kontextwechsel einhergehen, wie es bei einem Umzug häufig der Fall ist (Klinger und Lanzendorf 2016). Durch die Veränderung des Ausgangsstandortes, müssen die meisten Alltagswege neu organisiert werden. Im Zuge dessen können Routinen hinterfragt, verschiedene Alternativen abgewogen und Mobilitätsmuster potentiell verändert werden. Besonders ausgeprägt ist das der Fall, wenn der Umzug über verschiedene räumliche Kategorien hinweg erfolgt, wie beispielsweise ein Umzug aus der Stadt ins Umland oder andersherum (Kasper und Scheiner 2006, S. 171). Hier setzen Maßnahmen wie Neubürger- oder Neumieterpakete an, um diese Phase der Neuorientierung zu nutzen und Menschen über die Möglichkeit alternativer Verkehrsmittel zum Pkw zu informieren. Die Stadt München schickt
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beispielsweise in Zusammenarbeit mit der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) allen Neumünchnerinnen und Neumünchnern ein Infopaket zum Thema Mobilität (MVG und LHM 2013). Gleichzeitig bietet sich dieser Kontextwechsel auch für wissenschaftliche Untersuchungen an, wie es im Rahmen zahlreicher Arbeiten der Fall ist, die sich mit den Themen Wohnen und Mobilität und insbesondere dem Einfluss der Raumstruktur auf das Mobilitätsverhalten auseinandersetzen. Auch die vorliegende Arbeit begreift die Veränderung des Wohnstandortes als Gelegenheit, bei der Haushalte bewusste Mobilitätsentscheidungen treffen und diese am ehesten über Gewohnheiten hinaus begründen können. Die vorliegende Arbeit bezieht sich in ihren Analysen nicht auf einen der genannten Ansätze. Vielmehr werden die im Rahmen der qualitativen Empirie geführten Interviews im Bewusstsein, dass es zahlreiche einflussnehmende individuelle Faktoren gibt, die das Mobilitätsverhalten beeinflussen, geplant und durchgeführt. Es wird dementsprechend berücksichtigt, dass Faktoren wie Alter, Lebensphase und Familienstand, individuelle Einstellungen, aber auch bisherige Mobilitätserfahrungen und Gewohnheiten zur Ausprägung eines spezifischen Mobilitätsverhaltens beitragen können. Auch der der sozialräumliche Kontext des Raums München spielt entsprechend der Erkenntnisse im Bereich der Mobilitätskulturen eine Rolle und muss insbesondere hinsichtlich einer Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Städte berücksichtigt werden. Insgesamt wird in der vorliegenden Arbeit ein besonderer Fokus auf Restriktionen, die sich direkt und indirekt aus den finanziellen Möglichkeiten der befragten Haushalte ergeben, gelegt, da diese Komponente in vielen Studien keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt. 2.2.3 Mobilität und Raumstruktur Wie geschildert, waren zwar die individuellen Reisezeitbudgets in den letzten Jahrzehnten relativ konstant, die zurückgelegten Geschwindigkeiten und Distanzen und damit auch die im Reisezeitbudget erreichbaren Ziele haben hingegen deutlich zugenommen (Schmitz 2001, S. 81), was unter anderem auf einen immer noch steigenden Pkw-Bestand zurückzuführen ist (kba.de: Bestand in den Jahren 1960 bis 2017 nach Fahrzeugklassen). Insbesondere diese letzte Entwicklung scheint zunächst im Widerspruch zu aktuellen wissenschaftlichen Debatten zu stehen, wird hier doch häufig von steigenden Nutzungszahlen im öffentlichen Verkehr und im Radverkehr ausgegangen und Konzepte und Maßnahmen zur Verkehrsreduktion wie die Stadt der kurzen Wege (siehe 2.1.1) wirken längst konsensfähig. Nicht zuletzt Stichworte wie Multimodalität (z. B. Wilde 2015) und Sharing Economy (z. B. Cohen und Kietzmann 2014) scheinen
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in eine andere Richtung, weg vom privaten Pkw, zu deuten. Dieser Widerspruch zeigt zum einen, dass die Debatten zum Teil weit weg von der Lebensrealität mancher Bevölkerungsgruppen stattfinden, es aber vor allem große strukturelle Unterschiede, insbesondere zwischen städtischen und ländlichen Räumen gibt. Neben den beschriebenen individuellen Faktoren und Ressourcen sind Mobilität und Verkehr maßgeblich durch siedlungsstrukturelle Rahmenbedingungen determiniert (Kagermeier 1997, S. 193). Hier spielen die Raumstruktur und das Verkehrssystem eine zentrale Rolle. Die Raumstruktur ist durch siedlungsstrukturelle Kenngrößen wie Dichte, Stadtgestalt, Mischung beziehungsweise Lage und die Verteilung von Nutzungen, im englischsprachigen Kontext auch als drei Ds (density, diversity, design) bezeichnet (Cervero und Kockelman 1997), im Raum gekennzeichnet und wirkt sich dadurch nicht zuletzt auf die zu überwindenden Distanzen und damit einhergehende Reisezeiten aus. Das Verkehrsangebot drückt sich vor allem durch die spezifische Ausgestaltung des vorhandenen Verkehrssystems und damit einhergehend die entstehenden Aufwände in Form von Zeit, Kosten und Komfort für die Raumüberwindung aus. Je nach Verkehrsangebot ist eine Zunahme der Reisegeschwindigkeit und damit die Ausdehnung der Aktionsräume möglich (Scheiner 2016, S. 688). Die Raumstruktur und das Verkehrsangebot prägen also neben den oben erwähnten individuellen Faktoren die Möglichkeit räumliche Distanzen zu überwinden und Aktivitätenstandorte aufzusuchen. Wichtige Größe in diesen Zusammenhang ist die Erreichbarkeit von Ausgangs- und Zielpunkt eines Weges. Sie bestimmt einerseits die bestehenden Mobilitätsoptionen, andererseits hängt sie auch von den individuellen Möglichkeiten Einzelner ab. Geurs und van Wee (2004, S. 128) definieren die Erreichbarkeit beziehungsweise Accessibility folgendermaßen: »» the extent to which land-use and transport systems enable (groups of) individuals to reach activities or destinations by means of a (combination of) transport mode(s). « Dabei definieren sie vier einflussnehmende Größen: Siedlungsstruktur, Verkehrssystem, individuelle Faktoren und zeitliche Zwänge. Das Verkehrssystem beschränkt sich dabei nicht nur auf die zur Verfügung stehenden Verkehrsmittel, sondern auch auf Merkmale dieses Angebotes, wie Qualität, Sicherheit oder Verbindungen. Die Zusammenhänge sind in Abbildung 02 dargestellt:
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Transport component
Land-use component
locations and characteristics of demand supply
demand, competition
passenger and freight travel
travel demand
available opportunities
travel time, costs, effort
supply
demand
location and characteristics of infrastructure
locations and characteristics of opportunities
Accessibility to opportunities
Temporal component • opening hours of shops and services • available time for activities
= direct relationship
Individual component time restrictions
needs, abilities opportunities
available time
= indirect relationship
• income, gender, educational level • vehicle ownership, etc.
= feedback loop
Abbildung 02 Beziehungen zwischen einzelnen Elementen der Erreichbarkeit (Geurs und van Wee 2004, S. 129)
Der Einfluss der Raumstruktur zeigt sich unter anderem daran, dass sich die Verkehrsmittelnutzung von Menschen in ländlichen Räumen stark von der Verkehrsmittelnutzung in urbanen Gebieten unterscheidet (BMVBS 2010, S. 33), wo der Anteil sowohl des öffentlichen, als auch des nicht motorisierten Verkehrs deutlich höher ist. Das ist beispielsweise bedingt durch höhere Dichten, kompaktere und stärker gemischten Strukturen, was in der Regel zu kürzeren Distanzen und einem höheren Fuß- und Radverkehrsanteil führt (Gwiasda 1999, S. 25). Weiter tragen diese Strukturen zu einem breiteren Angebot an Aktivitäten und Einrichtungen bei, da sich die Nachfrage erhöht und konkurrierende Einrichtungen parallel bestehen können. Durch die räumliche Nähe verschiedener Aktivitäten zueinander ist es leichter Aktivitäten zu kombinieren, was zu zeitlichen und finanziellen Einsparungen führen kann. Durch eine höhere Nachfrage im öffentlichen Verkehr wird dieser erst tragfähig, so dass sich der Modal Split insgesamt in Richtung Umweltverbund verschiebt. Demgegenüber fehlen in vielen ländlichen Gebieten
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Alternativen zum Pkw (Kirchesch 2013, S. 15). Wenn es ein Angebot im öffentlichen Verkehr gibt, dann ist dieses häufig unzureichend und durch geringe Taktfrequenzen, ein weitmaschiges Netz oder lange Fahrtzeiten unflexibler als der eigene Pkw. Für den nicht motorisierten Individualverkehr sind die Distanzen häufig zu hoch. Zwar sind Aktivitätenstandorte in der Regel in Zentren oder Subzentren gebündelt, aber die Wohnstandorte sind weit verteilt, was zu langen Wegen führt. Diese Ausführungen sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Unterschiede nicht nur zwischen Stadt und Land existieren. Auch innerhalb dieser räumlichen Strukturen gibt es große Unterschiede, beziehungsweise lassen sich viele Räume, insbesondere im suburbanen Raum kaum eindeutigen Raumkategorien zuordnen, so dass sich das Angebot und die Erreichbarkeit vor Ort sehr unterschiedlich darstellen. Der Einfluss räumlicher Strukturen ist insbesondere auch deshalb vielfältig, weil nicht nur Pull- sondern auch Pushfaktoren wirken (Harms und Probst 2008). Ein Pullfaktor kann beispielsweise ein attraktives Angebot im öffentlichen Verkehr sein, das Menschen motiviert dieses zu nutzen. Auch eine gut ausgebaute Straße kann eine entsprechende Wirkung haben. Pushfaktoren, wie unzuverlässige Abfahrtszeiten im öffentlichen Verkehr, Stau oder Parkgebühren hingegen halten Menschen davon ab, bestimmte Verkehrsmittel oder Routen zu wählen. Die letztendliche Verkehrsmittelwahl ist also Ergebnis komplexer Abwägungen. Einer etwas anderen Logik zur Erklärung des Mobilitätsverhaltens folgen die Erkenntnisse der Aktionsraumforschung und der Zeitgeographie. Diese Ansätze wurden ursprünglich vor allem von Hägerstrand (1970) entwickelt (Shaw 2012). Er bezieht sich mit diesem aktivitätenorientierten Ansatz auf raum-zeitliche Zusammenhänge und damit einhergehende restriktive Rahmenbedingungen (Constraints). Entscheidend ist hier ein aus Verkehr entstehender Zeitaufwand, welcher unter anderem von den Distanzen abhängt und das Zeitbudget für andere Aktivitäten einschränken kann. Die Größe des individuellen Aktionsraums, das heißt des Raums in dem sich die Mehrheit der Aktivitäten des Individuums verteilen (Hesse 2010, S. 25), ist also durch zeitliche Restriktionen limitiert. Gerade heute erfahren diese Aspekte unter den Schlagworten Zeitpolitik oder auch Zeitgerechtigkeit (Henckel 2016) wieder verstärkte Aufmerksamkeit, insbesondere im Kontext beschäftigungspolitischer Debatten. Da die räumliche Konfiguration der Ziele entscheidenden Einfluss auf Reisezeiten hat, lässt sich die Aktionsraumforschung eher den strukturellen Rahmenbedingungen der Mobilität zuordnen, wenngleich auch andere haushaltsspezifische Größen Einfluss nehmen. So spielen für die zeitliche Koordinierung auf Haushaltsebenes neben Arbeits-, Ladenöffnungs- oder
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Kinderbetreuungszeiten auch Pendel- und Fahrzeiten eine wichtige Rolle in der Alltagsorganisation. Die oben erläuterte eher physisch-materielle Sichtweise von Erreichbarkeit, wie sie in den Verkehrswissenschaften weit verbreitet ist, wird insbesondere von der sozialgeografischen Mobilitätsforschung teilweise kritisch gesehen: Während diese den Raum als sozial konstruiertes Produkt interpretieren (Wilde 2014b, S. 38ff), ist der obige Ansatz, genauso wie die Ansätze der Aktionsraumforschung stark durch Lagebeziehungen, Distanzen und Kenngrößen wie Dichte oder Verteilung charakterisiert. Entsprechend ergänzen Busch-Geertsema et al. (2016, S. 759), dass es bei der Erreichbarkeit nicht nur um Raumüberwindung, um verschieden verteilte Aktivitätenstandorte zu erreichen geht, sondern auch um die „Überwindung von Barrieren, die sich aus sozialen Wirklichkeiten, Zeitzwängen, Unwissen oder Diskriminierung ergeben“. Das macht deutlich, dass eine reine Analyse der gebauten räumlichen Umwelt in Form von Verkehrsinfrastruktur und Siedlungsstruktur in jedem Fall zu kurz greift und individuelle Faktoren, entsprechend der oben vorgestellten Ansätze, berücksichtigt werden müssen. Dazu kommt noch, dass viele andere Bereiche des Lebens, die auf den ersten Blick nicht direkt mit Erreichbarkeit assoziiert werden, Auswirkungen auf diese haben: Ein freier Platz im nächstgelegenen Kindergarten, Ladenöffnungszeiten und Bürozeiten oder die Fähigkeit, Informationen wie einen Fahrplan zu lesen und zu verstehen sind nur einige Beispiele dafür. Unterschiedliche Ausgangsbedingungen führen dazu, dass vorhandene Möglichkeiten nicht gleichermaßen von allen genutzt werden können. Diesem Verständnis soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit mit einem qualitativen Forschungsansatz Rechnung getragen werden (siehe Kapitel 5). Eine einheitliche Definition angemessener Erreichbarkeit für alle Bewohnerinnen und Bewohner eines Stadtteiles ist entsprechend der obigen Ausführungen kaum möglich. Letztendlich ist die Erreichbarkeit aber die Basis, anhand derer individuelle Möglichkeiten abgewogen und eventuelle spätere Routinen angelegt werden. Dementsprechend ist sie zwar nicht die einzige, aber dennoch eine wichtige Einflussgröße auf das Mobilitätsverhalten. 2.2.4 Mobilitätseinschränkungen Im Abschnitt 2.1.1 wurde bereits auf die Bedeutung der Mobilität für gesellschaftliche Teilhabe und Aktivität eingegangen, weiter wurde im vorhergehenden Kapitel angedeutet, dass Menschen unterschiedliche Ausgangsbedingungen haben und Angebote entsprechend nicht immer gleichermaßen nutzen können. In diesem
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Sinne können Menschen aus unterschiedlichen Gründen in ihrer Mobilität eingeschränkt sein. Im wissenschaftlichen Diskurs erfolgt teilweise eine Verknüpfung von Mobilitätseinschränkungen mit dem Thema sozialer Exklusion, allerdings weniger von Seiten der Armuts- und Exklusionsforschung als von Seiten der Mobilitätsforschung (Daubitz 2016, S. 437ff). Während Arbeiten in diesem Bereich in vielen Fällen von Forschenden mit einem sozialwissenschaftlichen Hintergrund erstellt werden, wurden die Themen Mobilität und vor allem Verkehr bis vor einigen Jahren eher in den Planungs- und Ingenieurwissenschaften aufgegriffen, wo individuelle Mobilitätseinschränkungen bislang keine große Rolle spielten. Das ist einer der Gründe, warum wir vergleichsweise wenig über Mobilitätseinschränkungen und die Mobilitätsbedürfnisse benachteiligter Gruppen wissen. Um diese Themen enger zu verzahnen, ist eine Überwindung des rein funktionalen Verständnisses von Mobilität, wie es beispielsweise Maier et al. (1977, S. 100) beschreiben, hin zu einem mehrdimensionalen Verständnis, welches die subjektive Wahrnehmungen und die vielschichtigen Konsequenzen eingeschränkter Mobilitätsoptionen berücksichtigt, notwendig (Daubitz 2016, S. 438f). Im Folgenden wird näher auf mögliche Barrieren und Einschränkungen eingegangen, die konkrete Situation von einkommensschwachen Haushalten wird am Beispiel des Raums München in Kapitel 3.4 dargestellt. Der Diskurs um die gesellschaftliche Bedeutung von Mobilität gewann in den späten Neunzigerjahren vor allem in Großbritannien an Bedeutung. Dort initiierte die 1997 neugewählte Labour-Regierung die Social Exklusion Unit, um verschiedene Formen sozialer Exklusion zu bekämpfen. In diesem Rahmen entstand der Bericht Making the Connections, in dem Mobilität mit verschiedenen anderen Themen wie dem Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Bildung oder zu Einrichtungen des Gesundheitssystems in Beziehung gesetzt wurde (SEU 2003). Entsprechend wurden vor allem im Bereich der Erreichbarkeitsplanung Maßnahmen entwickelt, die unterschiedliche verkehrliche und siedlungsstrukturelle Aspekte berücksichtigten, um die bestehenden Probleme anzugehen (Halden 2009). Eine der führenden Wissenschaftlerinnen in diesem Bereich ist Karen Lucas (Lucas 2004, 2012; Lucas und Jones 2012; Lucas et al. 2016). Die Aufmerksamkeit für diese Themen und Zusammenhänge waren Anlass, dass sich die Wissenschaft auch über Großbritannien hinaus verstärkt diesen Themen widmete, wenngleich das Thema auch weiter vor allem im englischsprachigen Raum aufgegriffen wurde. 2012 wurde im Rahmen der European Cooperation in Science and Technology (COST) eine Arbeitsgruppe mit dem Titel Transport Equity Analysis ins Leben gerufen, die sich vor allem mit Fragen der Messbarkeit von Mobilitätsarmut (siehe unten) beschäftigt.
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In Deutschland war Diana Runge eine der Ersten, die das Thema explizit aufgriff (Runge 2005a, 2005b). Weiter wurde eine Arbeitsgruppe der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) initiiert, die 2015 „Hinweise zu Mobilität und sozialer Exklusion – Forschungsstand zum Zusammenhang von Mobilitäts- und Teilhabechancen“ veröffentlichte (FGSV 2015). Viele Untersuchungen zum Thema Mobilitätseinschränkungen setzen sich mit der Rolle des Verkehrsangebotes und insbesondere einer mangelhaften Versorgung auseinander, weshalb der Fokus bislang häufig auf dem ländlichen Raum lag. Unter dem Stichwort der Daseinsvorsorge werden Räume mit geringer öffentlicher Erschließung, niedrigen Dichten und einer hohen Autoabhängigkeit der Bevölkerung analysiert (z. B. Barlösius 2009; Wehmeier und Koch 2010; BMVBS 2012a; BLE 2013; Herget 2013). Wie ausgeführt, mangelt es in diesen Räumen häufig an Alternativen zum Pkw, da die Distanzen zu hoch sind, um sie im Fuß- oder Radverkehr zu bewältigen. Entsprechend sind Haushalte ohne Zugang zum Auto in ihren Aktivitäten stark limitiert. Weitreichende Einschränkungen können sich auch in anderen Bereichen ergeben, wenn vom ohnehin geringen Haushaltsbudget ein Auto finanziert wird. Im englischsprachigen Raum wird in diesem Zusammenhang von Forced-Car-Ownership gesprochen (z. B. Currie und Delbosc 2013). Die Annahme, dass Gebiete mit gutem öffentlichem Verkehrsangebot, hohen Dichten und kurzen Distanzen in Kombination mit vielfältigen Angeboten gute Voraussetzungen für Mobilität bieten, liegt nahe. Urbane Gebiete scheinen im Sinne der Erreichbarkeit tatsächlich eine gute Basis für Mobilitätsangebote zu sein, die es vielen Menschen ermöglichen, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Dennoch ist davon auszugehen, dass nicht alle in gleichem Maße von diesen guten Ausgangsbedingungen profitieren können. Dazu kommt, dass in urbanen Gebieten wiederum andere Einschränkungen, wie beispielsweise hohe Verkehrsdichten und Kapazitätsengpässe, die permanente Konkurrenz einzelner Verkehrsträger auf der Straße oder hohe Lebenshaltungskosten, die das Mobilitätsbudget schrumpfen lassen, entstehen können. Inwiefern gerade diese spezifischen Besonderheiten im städtischen Kontext Menschen in ihrer Mobilität einschränken können, ist bislang kaum untersucht. Ausnahmen sind zum Beispiel Church et al. (2000) und Daubitz (2013). Wir wissen, dass Mobilitätseinschränkungen nicht zwangsläufig auf ein mangelndes Angebot im öffentlichen Verkehr zurückzuführen sind, daher stellt sich die Frage, warum urbane Räume im Kontext von Mobilitätseinschränkungen bislang kaum explizites Thema waren. Dieses Ungleichgewicht in der Schwerpunktsetzung der Forschung verwundert insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Bevölkerung weltweit zunehmend in Städten konzentriert.
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Entsprechend dieses Verständnisses definieren Kenyon et al. (2002, S. 210) Mobilitätseinschränkungen beziehungsweise mobility-related exclusion folgendermaßen: »» The process by which people are prevented from participating in the economic, political and social life of the community because of reduced accessibility to opportunities, services and social networks, due in whole or in part to insufficient mobility in a society and environment built around the assumption of high mobility. « Wenn die Möglichkeiten zur Verwirklichung vorhandener Mobilitätsansprüche und -bedürfnisse soweit eingeschränkt sind, dass sie zu einer Benachteiligung der Betroffenen in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens führt, spricht Runge (2005a, S. 6), einem ähnlichen Verständnis folgend, von Mobilitätsarmut. In der englischsprachigen Literatur wird häufig der nicht eindeutig definierte Begriff transport poverty verwendet. Damit ist zwar teilweise das Gleiche gemeint, in der Regel ist der Begriff aber durch einen stärkeren Bezug zu realisierter Mobilität weniger weitgehend als Mobilitätsarmut. Ein guter Überblick zu unterschiedlichen Bezeichnungen findet sich bei Titheridge et al. (2014, S. 19ff). Aber auch der Begriff Mobilitätsarmut kann durchaus kritisch gesehen werden, da der Armutsbegriff häufig als absoluter Begriff gebraucht wird, es aber gerade bei der Benachteiligung und Einschränkung von Menschen viele Ausprägungen und Abstufungen gibt. Der Begriff Armut impliziert einen Grenzwert ab welchem ein Individuum als arm bezeichnet werden kann. Treffender ist die oben verwendete Bezeichnung Mobilitätseinschränkungen. Die Offenheit dieser Bezeichnung wird der individuellen Situation und den unterschiedlichen Wahrnehmungen der Betroffenen eher gerecht. Dieser Vorteil des Begriffs ist allerdings gleichzeitig dessen Schwäche, denn die Bezeichnung Mobilitätseinschränkungen ist deutlich unkonkreter, weniger aussagekräftig und kann im Diskurs als weniger dringlich in Bezug auf einen bestehenden Handlungsbedarf interpretiert werden als der Armutsbegriff. Die Zugänge zum Thema beziehungsweise die Operationalisierung von Mobilitätseinschränkungen sind sehr unterschiedlich und teilweise einseitig, sie reichen von Kosten im öffentlichen Verkehr, einem fehlenden öffentlichen Verkehrsangebot über die Pkw-Verfügbarkeit bis hin zu Gravitationsanalysen zur Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen (siehe z. B. Beiträge in Currie 2011). Bei den Ursachenebenen von Mobilitätseinschränkungen fasst Runge (2005a, S. 82) fünf, den Komponenten der Erreichbarkeit ähnliche Dimensionen zusammen:
Ansätze zur Erklärung des Mobilitätsverhaltens
•
räumlich,
•
zeitlich,
•
finanziell,
•
persönlich und
•
partizipativ.
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Zu den räumlichen Barrieren gehören die Verfügbarkeit und die Erreichbarkeit von Verkehrsangeboten und die Lage von Aktivitätenstandorten. Fahrzeiten, Arbeits- oder Öffnungszeiten sind nur drei Beispiele zeitlicher Einschränkungen. Da Mobilität in vielen Fällen mit finanziellen Kosten einhergeht, können fehlende finanzielle Spielräume dazu beitragen, dass Menschen in ihren Mobilitätsoptionen eingeschränkt sind. Zu den individuellen Faktoren gehören beispielsweise Bedenken zur Sicherheit, physische Fähigkeiten oder der Zugang zu relevanten Informationen. Daubitz (2013, S. 119ff) betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung mentaler Komponenten potentieller Ortsveränderungen oder Möglichkeitsräume. Das heißt, nur wenn Möglichkeiten erdacht werden können, können sie in einem nächsten Schritt auch realisiert werden. Der mentale Möglichkeitsraum determiniert dementsprechend den realen Möglichkeitsraum. Die partizipative Dimension bezieht sich auf eine häufig mangelhafte Einbindung beziehungsweise die geringe Partizipation benachteiligter Gruppen in Planungsprozessen (Hradil 2001, S. 461ff). Die verschiedenen Barrieren können miteinander interagieren und sich gegenseitig verstärken, das heißt bei der Betrachtung von Mobilitätseinschränkungen, müssen sowohl individuelle, als auch strukturelle Eigenschaften auf verschiedenen Ebenen berücksichtigt werden. Die angesprochenen Barrieren betreffen verschiedene Gruppen in unterschiedlichem Ausmaß. Maßnahmen, die für eine Gruppe Verbesserungen mit sich bringen, können gleichzeitig für andere kaum oder sogar negative Auswirkungen haben und sie in ihrer Mobilität einschränken. So kommt der Ausbau einer Straße zwar vielen Autofahrenden zugute, für Anwohnerinnen und Anwohner kann diese aber gleichzeitig als Barriere im Stadtquartier wirken. Wegener (1999, S. 9f) weist darauf hin, dass heutige Mobilitätschancen nicht sozial gerecht verteilt sind und dass viele Maßnahmen zur Verkehrs- oder Emissionsreduktion insbesondere Haushalte mit geringen Einkommen treffen. Er mahnt, dass eine umwelt- und sozialverträgliche Stadt- und Verkehrsplanung nicht zu einer Verschärfung sozialer Disparitäten und einer Einschränkung der Wahlmöglichkeiten von Individuen führen darf. Die Frage, wem einzelne Maßnahmen zugutekommen
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und wem sie tendenziell schaden, ist in der Regel der politischen Abwägung unterworfen. Inwiefern politische Entscheidungen und Maßnahmen die Mobilität Einzelner beeinflussen, hat darüber hinaus viel mit deren persönlichen Voraussetzungen und subjektiven Wahrnehmungen zu tun. Diese Wechselwirkungen und die individuell unterschiedlichen Ausgangsbedingungen tragen dazu bei, dass das Thema Mobilitätseinschränkungen so schwer zu fassen und zu operationalisieren ist. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird versucht diesen individuellen Komponenten mit einem qualitativen Forschungsansatz Rechnung zu tragen, bei dem die Sichtweisen und die subjektive Wahrnehmung der Befragten im Vordergrund stehen. Zu den Gruppen, die häufig von Mobilitätseinschränkungen betroffen sind, gehören sozial Schwache, Ältere, körperlich eingeschränkte Menschen, Frauen, Kinder oder Migrantinnen und Migranten (Hine und Mitchell 2003, S. 14ff; Runge 2005a, S. 84). In dieser Arbeit wird der Fokus auf einkommensschwache Haushalte gelegt. Daubitz (2016, S. 442) beschreibt, dass finanzielle Einschränkungen die Teilnahme am Konsumleben erschweren und entsprechend abgewogen muss, in welchen Lebensbereichen gespart wird. Das kann dazu führen, dass Wege aus finanziellen Gründen unterlassen werden oder illegale Strategien, wie die Nutzung des öffentlichen Verkehrs ohne Fahrschein (Schwerdtfeger et al. 2016), angewendet werden. Wohn- und Mobilitätskosten können so in direkter Konkurrenz zueinender stehen. Hohe Wohnkosten und ein von Wettbewerb geprägter Wohnungsmarkt schränken zudem die Entscheidungsfreiheit bei der Wohnstandortwahl einkommensschwacher Haushalte ein, so dass mit sinkendem Budget die Kompromissbereitschaft hinsichtlich Wohnqualität oder –lage steigen muss (siehe Kapitel 2.3.3). Das kann letztendlich auch den Zugang zu Verkehrsangeboten, die Erreichbarkeit von Aktivitätenstandorten oder die Mobilitätskosten beeinflussen. Gleichzeitig sind es einkommensschwache Haushalte, die diese Standortnachteile am schlechtesten kompensieren können. Steigende Mobilitätskosten können damit zu Einschränkungen bei der Nutzung sowohl des öffentlichen, wie auch des privaten Verkehrs führen. Da einkommensschwache Haushalte besonders häufig über keinen Zugang zum Pkw verfügen (BMVBS 2010, S. 52), können sie ein mangelndes Angebot im öffentlichen Verkehr kaum ausgleichen. Auch Car-Sharing wird vor allem von gutverdienenden Personen genutzt (Franke 2001, S. 26). Trotz der dargestellten Entwicklungen und Erkenntnisfortschritte, bleibt festzuhalten, dass es sich bei Mobilitätseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die unterschiedlichen Lebensbereiche nach wie vor um ein Randthema handelt (Lucas et al. 2016). Weder im wissenschaftlichen, noch im politischen Diskurs spielt
Wohnstandortwahl und Grundlagen der Wanderungsforschung
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das Thema bislang eine bedeutende Rolle, so dass Mobilitätsarmut beispielsweise auch im Bereich der Armutsberichterstattung oder in den Verkehrsentwicklungsplänen der Kommunen kaum Beachtung findet (z. B. LHM 2006; LHM 2012b; BMAS 2017). Wenn es darum gehen soll, geeignete Voraussetzungen für gesellschaftliche Teilhaben zu schaffen, reicht es nicht aus, nur die Verkehrsinfrastruktur auszubauen oder den Zugang zu verschiedenen Verkehrsangeboten sicher zu stellen. Erreichbarkeit ist, wenn sie zu einer verbesserten Teilhabe beitragen soll, kein alleiniges Thema der Verkehrsplanung. Erreichbarkeit und Teilhabe müssen in allen Entscheidungs- und Planungsprozessen mitgedacht und im Sinne einer integrierten Betrachtung auf die wissenschaftliche und politische Agenda gesetzt werden. 2.3
Wohnstandortwahl und Grundlagen der Wanderungsforschung
Wie in Kapitel 2.2.3 dargestellt, sind Wohnstandort und Mobilität eng miteinander verknüpft. Gleichzeitig wurde auf die Bedeutung von Wohnstandortwechsel für die Mobilitätsroutinen eingegangen. Im Rahmen dieser Arbeit geht es um die Verknüpfung von Wohnumzügen beziehungsweise einem Standort- und Kontextwechsel mit der Alltagsmobilität, daher stehen Haushalte, die ihren Wohnstandort gewechselt haben im Zentrum der Empirie. Der Wohnstandortwechsel der Haushalte spielt dementsprechend eine zentrale Rolle in den Analysen in den Kapiteln 4 und 6. Im Folgenden wird daher ein Überblick zu einigen grundlegenden Ansätzen der Wanderungsforschung gegeben. Die überwiegende Anzahl der Umzüge, die im Rahmen der Empirie näher betrachtet werden, findet innerhalb des Raums München statt, so dass Fernwanderungen für den Kontext dieser Arbeit keine Rolle spielen. 2.3.1 Einführung in die Wanderungsforschung Zunächst wird im Folgenden ein Überblick über einige Aspekte der Wanderungsforschung gegeben. Die Wanderungsforschung und insbesondere die regionale Wanderungsforschung, ist ein ausführlich, von unterschiedlichen Disziplinen bearbeitetes wissenschaftliches Feld, so dass eine umfassende Darstellung hier kaum möglich ist (siehe hierzu z. B. Kalter 1997; Niefert 2004). Häufig liegt der Fokus der regionalen Wanderungsforschung auf Stadt-Umland-Wanderungen (Adam et al. 2008; Beckmann et al. 2006; Menzl 2007; Gans et al. 2010; BMVBS/ BBR 2007), dabei wird sowohl die Wanderung von der Stadt in das Umland (Suburbanisierung), als auch in den letzten Jahren vermehrt das Thema (Re-)Urbanisierung in den Blick genommen. Aufgrund der Vielfalt existierender Studien werden
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an dieser Stelle nur einige grundlegende und für diese Arbeit relevante Aspekte erläutert, um nachfolgende empirische Erkenntnisse einordnen zu können. Der Fokus wird hierbei auf die Mikroperspektive gelegt, welche darauf abzielt individuelles Wanderungsverhalten nachzuvollziehen, wohingegen sich Makroansätze mit aggregierten Wanderungsströmen beschäftigen. Ursprünglich konzentrierte sich die Wanderungsforschung hauptsächlich auf die Makroperspektive, wobei hier vor allem die Gesetze der Wanderung von Ravenstein (nach Bähr 1992, S. 555; Frick 1996, S. 29) zu nennen sind. Bei vielen makroperspektivischen Modellen stehen ökonomische Elemente stark im Vordergrund, bei einer gleichzeitigen Schwäche der Analyse von Ursache-Wirkungsbeziehungen (Frick 1996, S. 34). Da es in der vorliegenden Arbeit darum geht, individuelle Entscheidungsprozesse nachzuvollziehen, greift die Analyse von aggregierten Wanderungsbewegungen zu kurz. Generell gibt es bei der Analyse von Wanderungen verschiedene Unterscheidungen, anhand derer Wanderungen klassifiziert werden. Beispielhaft zu nennen ist eine Einteilung aufgrund der Distanz oder der Wanderungsgründe (Bähr 1992, S. 551ff). Bei den Wanderungsgründen wird insbesondere zwischen erzwungenen und frei bestimmten Wanderungen unterschieden, wobei beide nicht trennscharf voneinander abgegrenzt werden können. In der Regel liegt der Fokus auf den freiwilligen Wanderungen. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass Wohnungsprobleme eher zu einer innerregionalen Wanderung führen (Bähr 1992, S. 558ff; Schneider und Spellerberg 1999, S. 66), während berufliche und ausbildungsbezogene Anlässe insbesondere bei interregionalen Wanderungen eine Rolle spielen (Kasper und Scheiner 2006, S. 180). Übergreifend wird in der Literatur davon ausgegangen, dass es sich bei Wohnumzügen in der Regel um eine Nutzenmaximierung gegenüber des Verbleibs am alten Wohnort, beziehungsweise die Verbesserung oder die selektive Anpassung der Wohnsituation geht. Frick (1996, S. 172) leitet beispielsweise aus höheren Mobilitätsraten bei geringerer Wohnflächenversorgung eine allgemeine Nutzenorientierung hinsichtlich einer verbesserten Wohnsituation bei der Umzugsmobilität ab. Inwiefern das Umziehen unter Zwang, wie beispielsweise das Abwenden einer Räumungsklage, als Nutzenmaximierung betrachtet werden kann, kann sicherlich diskutiert werden. Die Unzufriedenheit mit der konkreten Wohnsituation ist häufig persönlichen Gründen oder Veränderungen der Lebenssituation geschuldet. Diese Veränderungen werden auch als Schlüsselereignisse der Biographie bezeichnet. Klassische Beispiele sind die Geburt eines Kindes, der Berufseinstieg oder eine Trennung (Föbker et al.
Wohnstandortwahl und Grundlagen der Wanderungsforschung
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2007, S. 201; Schneider und Spellerberg 1999, S. 72; BMVBS 2012b, S. 90). Teilweise wird auch der Umzug selbst als Schlüsselereignis bezeichnet, in der Regel ist er aber eher Folge einer entsprechenden Veränderung der Bedürfnisse oder Möglichkeiten. Grundsätzlich lassen sich die in Kapitel 2.2.2 erläuterten Ansätze der Mobilitätsforschung, wenn auch zum Teil in abgewandelter Form, auch auf die Wohnstandortwahl übertragen. Lebens- und familienzyklusbezogene Komponenten spielen auch in diesem Kontext eine entscheidende Rolle, demnach sind beispielsweise junge Alleinstehende und Haushalte mit Kleinkindern besonders mobil (Frick 1996, S. 216). In diesem Zusammenhang wird auch das Konzept der Lebensphase verwendet, welche sich auf die Wohnbedürfnisse eines Haushalts auswirkt. Da die Lebensphase in der Regel in Verbindung zu Faktoren wie Alter, Haushaltsgröße und -zusammensetzung steht, sind diese Größen bei der Analyse der jeweils aktuellen Anforderungen hilfreich (BMVBS 2012b, S. 25). Zunehmend etabliert haben sich in den letzten Jahren darüber hinaus auch hier Lebensstilansätze, welche die jeweiligen Wohnpräferenzen in Bezug zu Freizeitaktivitäten, kulturellen Geschmacksmustern und Lebenszielen setzen (Schneider und Spellerberg 1999, S. 99). Insgesamt scheint sich aber die Lebensform stärker auszuprägen als der Lebensstil (Rössel und Hoelscher 2012, S. 319), so dass Lebensstilansätze im Rahmen der vorliegenden Arbeit keine explizite Rolle spielen, wenngleich die im Rahmen der qualitativen Empirie erhobenen Interviews (siehe 5.1) in dem Bewusstsein geführt werden, dass einige individuelle Entscheidungen und Sichtweisen sicherlich auch auf sich im Lebensstil ausprägende Einstellungen zurückzuführen sind. Neben Studien, die sich mit den Hintergründen der Umzugsentscheidung, das heißt vor allem den Gründen, die zu einer Wanderung führen, beschäftigen, gibt es Arbeiten, bei denen der Fokus auf dem Such- und Auswahlprozess und den Anforderungen an den neuen Wohnstandort liegt (Matthes 2013, S. 236). In der Regel laufen diese Prozesse hintereinander ab, das heißt der Auswahlprozess schließt an eine grundsätzliche Umzugsentscheidung an. Allerdings kann auch ein gutes Angebot zur Umzugsentscheidung beitragen, so dass sich der Prozess umkehrt. Häufig wird in diesem Zusammenhang auf Kalter (1997) verwiesen, der drei Schritte auf dem Weg zu einem neuen Wohnstandort unterscheidet: die Entstehung eines Wanderungsgedankens, die Umsetzung in Wanderungspläne und das tatsächliche Wanderungsverhalten. Er stellt damit den Prozess des Wohnortwechsels in den Vordergrund, ausgehend von gewissen Schwellen, die überwunden werden müssen, damit sich der Prozess fortsetzt (Kalter 1997, S. 60ff). Tatsächlich ist ein Umzug immer mit Aufwand, das heißt vor allem Kosten und Organisation, verbunden,
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so dass die erwartete Verbesserung im Verhältnis zum entstehenden Aufwand stehen muss. Auch hier sei wieder vorausgesetzt, dass der Umzug freiwillig erfolgt. Grundsätzlich ziehen Haushalte mit geringen Einkommen tendenziell weniger häufig um (Frick 1996, S. 174, 184), was zum einen auf die genannten Transaktionskosten, vor allem aber auf die häufig mit einem Umzug und einem neuen Mietvertrag einhergehenden Wohnkostensteigerungen zurückzuführen ist. Weite Pendelwege können als Ersatz eines Wohnstandortwechsels interpretiert werden, insbesondere wenn die Wohnsituation günstig ist, die Betroffenen in lokale Aktivitäten eingebunden sind und das Pendeln finanziell darstellbar ist (Kalter 1994, S. 747). Größere Pendeldistanzen sind damit also vor allem für Haushalte mit hohen Einkommen eine Option, wenn gleich diese heute zunehmend auch von Geringverdienenden erwartet werden (Haas 2013, S. 270). Auch die familiäre Situation spielt hier eine Rolle. Sind die obigen Bedingungen nicht gegeben, beziehungsweise leben Kinder im Haushalt, steigt die Wahrscheinlichkeit eines Umzugs, so dass auch ausbildungs- und berufsbezogene Gründe einen Wohnstandortwechsel veranlassen können (z. B. Thierstein et al. 2016, S. 75). Die Erreichbarkeit des Arbeits- oder Ausbildungsplatzes spielt darüber hinaus auch bei der kleinräumigen Wohnstandortwahl eine Rolle (Kasper und Scheiner 2006, S. 181). Bei der Beurteilung eines Wohnstandortes spielen unterschiedliche Kriterien eine Rolle. In der Regel wird vor allem nach Wohnungsausstattung und Eigenschaften der Wohnlage unterschieden, wobei sich erstere vor allem auf die Wohnkosten, letztere auf die Wohn- und Mobilitätskosten auswirken. Die Kosten stellen in der Regel neben der Verfügbarkeit den am stärksten limitierenden Faktor bei der Wohnstandortwahl dar. Darauf wird in Kapitel 2.3.3 näher eingegangen. Bezüglich der Wohnungs- und Wohnstandortpräferenzen wird an dieser Stelle stellvertretend für eine Reihe von Studien auf die Untersuchung WAM Wohnen Arbeiten Mobilität (Thierstein et al. 2016) beziehungsweise Kapitel 4 verwiesen. Auch wenn diese Befragung nicht repräsentativ ist, decken sich grundsätzliche Aussagen mit Befragungen in anderen Großstädten: Großer Wert wird auf die Erreichbarkeit im öffentlichen Verkehr gelegt und auch Einkaufsmöglichkeiten des täglichen Bedarfs am Wohnstandort sind für eine große Anzahl an Haushalten von hoher Bedeutung. Die Wohnkosten werden zwar auch in der WAM-Befragung von 80% der Haushalte als wichtig oder eher wichtig eingestuft, dennoch wird diesem Kriterium in anderen Befragungen eine höhere Priorität eingeräumt (BMVBS 2012b, S. 95). Wie oben bereits erwähnt, widmen sich viele Studien spezifischen Mustern im Kontext der Stadt-Umland-Wanderung. Während der Fokus lange Zeit auf
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Suburbanisierung beziehungsweise der Wanderung von der Stadt Richtung Umland lag, rückten in den vergangenen Jahren (Re-)Urbanisierungsprozesse wieder mehr in das Bewusstsein und in den Fokus der Wissenschaft (z. B. Matthes 2009; BMVBS 2012b). Zunehmend wird das Bild der klassischen „Suburbanisierer“, das heißt vor allem Familien mit Kindern oder in der Expansionsphase (BMVBS/BBR 2007, S. 46), aufgeweicht und differenzierter betrachtet. Dabei lässt sich insgesamt feststellen, dass freiwillige Motive und teilweise noch Trade-offs zwischen bestimmten räumlichen Strukturen im Vordergrund stehen, während unfreiwillige Standortentscheidungen, beispielsweise aus Mangel an Alternativen, kaum thematisiert werden. Unfreiwillige Standortentscheidungen betreffen nicht nur Stadt-Umland-Wanderungen, sondern auch Umzüge innerhalb einer Raumkategorie, beispielsweise bei der Wohnungsvermittlung durch die öffentliche Hand. Doch auch in diesem Zusammenhang wurden unfreiwillige Standortentscheidungen bislang vernachlässigt, so dass das Thema im Kontext dieser Arbeit aufgegriffen und in Bezug zu möglichen Konsequenzen für die Alltagsgestaltung der Haushalte gesetzt wird. 2.3.2 Raumstruktur versus Residential Self-Selection als Determinanten des Mobilitätsverhaltens Wie in Kapitel 2.2.3 bereits beschrieben, sind Mobilität und Raumstruktur eng miteinander verknüpft, was dazu beiträgt, dass dem Wohnstandort in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle zukommt. Das Mobilitätsverhalten ist nicht nur von individuellen Präferenzen, sondern auch von strukturellen Faktoren, wie beispielsweise Dichte, Verkehrsangebot oder Möglichkeiten vor Ort abhängig (Næss 2004, S. 35; Handy et al. 2005, S. 442). Die siedlungsstrukturellen Eigenschaften und die Erreichbarkeit des Wohnstandortes beeinflussen in diesem Sinne als regelmäßiger Start- und Zielpunkt getätigter Wege das Mobilitätsverhalten. In den vergangenen Jahren wuchs darüber hinaus das Bewusstsein, dass nicht nur die Raumstruktur am Wohnstandort das Mobilitätsverhalten prägt, sondern andersherum die Mobilitätspräferenzen auch die Wohnstandortwahl (van Wee 2009; Bruns 2014, S. 16f) – sofern die Haushalte eine Wahl haben, was wie oben dargestellt, nicht immer gegeben ist. Diesem Verständnis liegt der Gedanke zugrunde, dass Menschen in der Regel einen Standort wählen, der ihnen ihren bevorzugten Lebensstil und damit auch ihre präferierte Art der Mobilität ermöglicht (Jarass 2012, S. 104). Fuchte (2006, S. 119) kommt zu dem Ergebnis, dass insbesondere ÖPNV-affine Haushalte beziehungsweise Haushalte ohne Auto teilweise unbewusst Gebiete ohne gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr bei ihrer Suche
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ausschließen. Die Wohnstandortwahl ist also Ergebnis eines Abwägungsprozesses, bei welchem individuelle Präferenzen für räumliche Strukturen zum Tragen kommen. In der englischsprachigen Literatur wird in diesem Zusammenhang der Begriff Residential Self-Selection verwendet (z. B. Cao und Mokhtarian 2007). Eine Vielzahl an Studien widmet sich genau dieser Thematik und versucht der Kausalitätsrichtung und den Einflussgrößen dieser Entscheidungsprozesse auf den Grund zu gehen. Ein Überblick findet sich bei Cao et al. (2009) oder Klinger (2017, S. 80f). Wie in Kapitel 2.3.1 dargestellt, ist die Wohnstandortwahl ein multidimensionaler Entscheidungsprozess (Heineberg 2007, S. 90), bei welchem viele Faktoren eine Rolle spielen. Präferenzen für ein bestimmtes Verkehrsmittel sind in der Praxis wohl kaum der einzige Grund sich für einen Wohnstandort zu entscheiden, allerdings neben den schon erwähnten Gründen eine Komponente, die in den Entscheidungsprozess einfließen kann. Das ist wichtig, da die Wohnstandortwahl in der Regel eine langfristige Entscheidung ist, an der sich spätere Mobilitätsentscheidungen ausrichten. Unabhängig davon, ob es dabei um Abwägungen längerer Reichweite, wie die Anschaffung eines Pkws oder einer Jahreskarte für den öffentlichen Verkehr, oder die kurzfristige Wahl von Verkehrsmitteln oder Wegen geht, werden alle Mobilitätsentscheidungen im Kontext des neuen Wohnstandortes getroffen. Das heißt, die Wohnstandortwahl beeinflusst die zukünftigen Mobilitätsoptionen maßgeblich. Gleichzeitig wirken sich die Eigenschaften der Umgebung, das vorhandene Verkehrsangebot sowie die genutzten Optionen auf die persönliche Mobilitätseinstellung aus und tragen zur Ausprägung bestimmter Präferenzen bei (Bohte 2010, S. 148; siehe Mobilitätsbiographien/Mobilitätssozialisation, Kapitel 2.2.2). Eine wichtige Erkenntnis in der Forschung zur Wohnstandortwahl war schon früh ein in den Haushalten stattfindender Abwägungsprozess zwischen Wohnund Mobilitätskosten. In diesen Untersuchungen wurden Mobilitätskosten vor allem auf berufsbedingte Wege bezogen. In später folgenden Arbeiten lag der Fokus eher auf der Abwägung zwischen kleinräumigen Wohn- und Lagequalitäten, womit neben dem Arbeitsort weitere Ziele Berücksichtigung fanden. Diesen Ansätzen ist gemein, dass sie Wohnlage und Mobilität gemeinsam betrachten, allerdings ohne näher auf die Richtung der Kausalität, an deren Ende das individuelle Mobilitätsverhalten steht, einzugehen. Da die meisten Wege am Wohnstandort beginnen und enden, beziehen sich viele Studien in ihren Analysen auf diesen. Die Betrachtung der Aktivitätenstandorte ist in diesem Kontext ebenso wichtig, gleichzeitig jedoch deutlich komplexer, da
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diese sehr viel diverser, im Raum verteilt und über die Zeit veränderbar sind. Einzig der Arbeitsort findet als zweites vergleichsweise regelmäßiges Ziel häufig Eingang in wissenschaftliche Untersuchungen. Wie auch die Wohnstandortwahl ist auch die Arbeitsplatzwahl eine langfristige Entscheidung, die sich auf die Mobilitätsoptionen, insbesondere zur Bewältigung der Wegebeziehung zwischen beiden Orten, auswirkt. In der englischsprachigen Forschung wird oft von einer Job-HousingBalance als Planungsziel ausgegangen (z. B. Giuliano 1991). Dabei handelt es sich um einen theoretischen Zustand, in dem Arbeitsplätze und Wohnstandorte so räumlich verteilt sind, dass Menschen in der gleichen Gegend leben und arbeiten können. Ziel dieses Konzeptes ist es, Pendeldistanzen und Verkehrsprobleme zu minimieren. Dem gegenüber steht die Spatial-Mismatch-Theorie (Kain 1968), welche ein Missverhältnis zwischen Wohnstandorten und Arbeitsplätzen beschreibt. Die Arbeiten dazu beziehen sich vor allem auf amerikanische Minderheiten, die in Innenstädten leben, während Beschäftigungsmöglichkeiten zunehmend in Stadtrandgebiete verlagert werden, so dass eine Erreichbarkeit dieser Arbeitsplätze nicht mehr oder nur mit großem Aufwand gegeben ist (Gobillon et al. 2007). In Bezug auf die Frage, ob Haushalte ihren Wohnort nach dem Arbeitsort oder andersherum wählen, gibt es keine eindeutige Antwort. In den letzten Jahren hat sich mehr und mehr die Ansicht durchgesetzt, dass es sich bei der Standortwahl um keine monokausale Beziehung, sondern vielmehr eine Joint Choice (z. B. Waddell 1993; Jiao et al. 2015, S. 7), das heißt eine abgestimmte sich wechselseitig beeinflussende Wahl, handelt. Kompromisse sind auch hier wahrscheinlich, insbesondere wenn die Anforderungen in einem Bereich aufgrund externer Einflussfaktoren nur schwer realisierbar sind. Diese Zusammenhänge unterstreichen die Bedeutung einer integrierten Betrachtung von Standortentscheidungen und Mobilität. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Wohnstandortentscheidung in der Regel keine isolierte Entscheidung ist. Sie wird immer auch unter Abwägung der Raumstruktur, beziehungsweise der Mobilitätsoptionen vor Ort, sowie der Lage relativ zu häufigen Aktivitätenstandorten, wie beispielsweise dem Arbeitsstandort, getroffen. Dieser ohnehin schon komplexe Abwägungsprozess, der einer Vielzahl an nicht immer vorab verfügbarer Informationen bedarf, wird durch limitierende äußere Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel die Verfügbarkeit bestimmter Wohnungstypen, erschwert. Hinsichtlich der Frage inwieweit raumstrukturelle Faktoren oder aber eine auf Mobilitätspräferenzen basierende Wohnstandortwahl für das Mobilitätsverhalten verantwortlich sind, liegt die Annahme nahe, dass es auch hier keine monokausale Beziehung gibt, sondern verschiedene Abwägungen
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Stand der Forschung
innerhalb des Haushalts sowohl zum neuen Wohnstandort, als auch zum späteren Mobilitätsverhalten führen und sich beidseitige Wechselwirkungen ergeben. 2.3.3 Einschränkungen bei der Wohnstandortwahl Wie oben angedeutet, ist die Wohnstandortentscheidung in der Regel nicht frei, sondern wird von verschiedenen Faktoren eingeschränkt. Je niedriger das Einkommen eines Haushalts ist, desto mehr werden die Kosten zu den determinierenden Entscheidungskriterien (Einem 2016, S. 7), wohingegen ästhetische Kriterien eher bei Haushalten mit höheren Einkommen eine Rolle spielen. Wohnungs- und Wohnstandortwahl werden also durch die verfügbaren Ressourcen des Haushalts begrenzt (Rössel und Hoelscher 2012, S. 320). Die Wohnungssuche ist der Versuch die Wohnsituation unter den gegebenen Restriktionen zu optimieren und möglichst weitgehend mit den individuellen Anforderungen in Einklang zu bringen (Adam et al. 2008, S. 404). Damit geht einher, dass bestimmte Kompromisse eingegangen werden, wie beispielsweise hinsichtlich der Wohnungsgröße, der Ausstattung, der Lage oder der Kosten des Objekts (Föbker et al. 2007, S. 207). Dazu kommen noch Abstimmungsprozesse innerhalb des Haushalts (Kalter 1997, S. 185; Frick 1996, S. 180). Wie beschrieben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Wohnstandortwahl von externen Constraints bestimmt ist, bei Haushalten mit niedrigen oder mittleren Einkommen höher, als bei Haushalten mit höheren Einkommen, die in der Regel mehr Optionen haben. Dieser Zusammenhang verstärkt sich auf angespannten Wohnungsmärkten und mit abnehmender Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum. Es ist bekannt, dass einkommensschwache Haushalte häufig innerstädtische Wohnstandorte bevorzugen (Glaeser et al. 2008; Seils und Meyer 2012; Thierstein et al. 2013, S. 10). Niedrige Einkommensgruppen müssen hinsichtlich ihrer Beschäftigungsmöglichkeiten häufig flexibel sein: Befristete Verträge oder unregelmäßige Arbeitszeiten erschweren vorrausschauende Planung und können die Ausrichtung des Wohnstandortes am aktuellen Arbeitsstandort zum Risiko machen (Haas 2013, S. 270). Bei der Arbeitssuche sind die Erfolgschancen im städtischen Umfeld höher, da es dort in der Regel mehr Arbeitsplätze als in ländlichen Räumen gibt. Es liegt die Vermutung nahe, dass auch die Zusammensetzung des Haushaltseinkommens eine Rolle spielt: Wenn mehrere Personen im Haushalt zum Haushaltseinkommen beitragen müssen oder eine Person mehreren Jobs nachgeht, macht es wenig Sinn den Wohnstandort an einem der Arbeitsstandorte auszurichten, statt zentrale Lagen zu wählen, von denen aus möglichst viele Arbeitsstandort gut erreichbar sind. Demgegenüber ist das klassische „Ein-Verdiener-Familienmodell“ eher in suburbanen
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Gebieten zu finden. Diese Haushalte richten ihr Leben langfristig auf den Standort aus, sie müssen in der Regel nicht so flexibel reagieren und häufig gibt es einen Partner beziehungsweise meist die Partnerin, die sich um den Haushalt kümmert, statt die Hausarbeit zusätzlich zu einem Vollzeitjob zu erledigen. Wie in Kapitel 3.3.1 am Beispiel der Stadt München gezeigt wird, können die Wohnkosten zum einen zwischen Stadt und Umland merklich variieren, zum anderen kann es aber auch innerhalb der Stadt große Unterschiede geben. Die Lage und insbesondere die Erreichbarkeit haben großen Einfluss auf den Preis einer Wohnung. Der Preis je Quadratmeter steigt in der Regel in gut erschlossenen Innenstadtlagen, wohingegen er in schlechter erschlossenen Gebieten niedriger ist (BBR / BBSR 2015, S. 31). Der absolute Preis einer Wohnung wird vor allem durch die Gesamtzahl der Quadratmeter bestimmt, so dass eine kleine Wohneinheit trotz höherem Quadratmeterpreis insgesamt günstiger als eine große Wohneinheit mit niedrigem Quadratmeterpreis sein kann. Für einkommensschwache Haushalte kommen daher vor allem kleine Wohneinheiten mit niedrigeren Gesamtkosten in Frage, welche eher in innerstädtischen Lagen zu finden sind. Haushalte, die die Kernstadt aus finanziellen Gründen verlassen, suchen vorher häufig sowohl in der Stadt, als auch außerhalb nach Wohnraum (BMVBS/BBR 2007, S. 76). Wohnstandorte im Umland werden bei finanziellen Restriktionen also nicht gezielt gesucht, aber mit in Erwägung gezogen. Allerdings zeigt sich auch, dass ein Umzug ins Umland nicht zwangsläufig mit Kosteneinsparungen einher geht, nicht nur weil Wohneinheiten außerhalb häufig größer sind, sondern auch weil die Ausgaben für Mobilität tendenziell steigen (ebd., S. 106ff). Um die mobilitätsbezogenen Konsequenzen eines Umzugs stärker in den Fokus zu rücken, bieten beispielsweise der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (bayern.wowohnen.eu: Nachhaltige Wohnstandortentscheidungen) oder auch die HafenCity Universität Hamburg (womo-rechner.de: Wohn- und Mobilitätskosten-Rechner) einen Wohn- und Mobilitätskostenrechner an. Dieser soll Umziehenden dabei helfen, die Folgekosten im Bereich Mobilität schon bei der Umzugsentscheidung zu berücksichtigen. Es herrscht Uneinigkeit darüber, inwiefern die Erreichbarkeit und eventuelle Mobilitätskostensteigerungen im Vorfeld eines Umzugs mitbedacht werden: Während einige Studien davon ausgehen, dass Mobilitätsaufwände insbesondere im Zusammenhang mit Stadt-Umland-Wanderungen unterschätzt werden (z. B. BMVBS/BBR 2007, S. 109; Adam et al. 2008, S. 404), gehen andere davon aus, dass Kriterien im Bereich der Mobilität eine besonders wichtige Rolle spielen (z. B. Fuchte 2006, S. 96; Thierstein et al. 2016, S. 74). Die Erkenntnisse von Kasper und
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Stand der Forschung
Scheiner (2006, S. 182f) legen nahe, dass diese Frage von den individuellen Voraussetzungen des Haushalts, wie zum Beispiel der Autoverfügbarkeit, abhängt. Weitere Gründe warum innerstädtische Lagen für einkommensschwache Haushalte besonders attraktiv sind, sind dementsprechend der Zugang zum öffentlichen Verkehr, welcher einen fehlenden Pkw kompensieren kann (Glaeser et al. 2008, S. 23), eine größere Auswahl an Aktivitäten- und Versorgungsstandorten sowie das breite Angebot an Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten. Einschränkungen bei der Wohnstandortwahl sind, wie beschrieben, mit Kompromissen verbunden, mit denen sich die Haushalte arrangieren müssen. Je nachdem wie gut das gelingt, können diese Kompromisse mit Einschränkungen bei der Alltagsgestaltung einhergehen (Menzl 2007, S.176). Teilweise zeigen sich Probleme oder Nachteile einer getroffenen Entscheidung aber auch erst im Laufe der Zeit und im alltäglichen Leben (Kasper 2006, S. 103). Klinger (2017, S. 69f) weist zurecht darauf hin, dass die Entscheidung für einen Wohnstandort in vorgelagerte Antizipationsund nachgelagerte Anpassungsprozesse eingebettet ist und stellt die Frage, welche Eigenschaften vor dem Umzug bedacht werden und welche erst im Laufe der Zeit nach dem Umzug Beachtung finden. Die Entscheidung für einen Wohnstandort ist also keine perfekt informierte Nutzenmaximierung der suchenden Haushalte, sondern eher die Option, bei der am wenigsten oder die am wenigsten einschneidenden und vor allem vorher bekannten Kompromisse in Kauf genommen werden müssen. 2.4
Wohnungsmärkte unter Wachstumsbedingungen
Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Zusammenspiel von Wohnungsmarkt, Wohnstandortwahl und Mobilität. Der Wohnungsmarkt beeinflusst nicht nur, wie oben dargestellt, die Wohnstandortwahl, er unterscheidet sich auch in vielen Punkten von einem „normalen“ Warenmarkt. Bevor in Kapitel 2.5 auf die Forschungsfragen eingegangen wird, wird daher ein kurzer Überblick zur Struktur und Funktionsweise von Wohnungsmärkten gegeben. Da sich vor allem eine wachstumsgeprägte Marktstruktur limitierend auf die Wohnstandortwahl auswirkt, werden die Merkmale eines angespannten Wohnungsmarktes erläutert. 2.4.1 Besonderheiten des Wohnungsmarktes Die Wohnstandortentscheidung ist, wie jede andere Wahl, durch externe Einflussfaktoren bestimmt, wie beispielsweise das finanzielle Budget oder Anforderungen an die Barrierefreiheit. Wie beschrieben, hat der Wohnungsmarkt als limitierende
Wohnungsmärkte unter Wachstumsbedingungen
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Größe einer freien Wahl großen Einfluss auf die Wohnstandortentscheidung. Daher wird auf diesen im Folgenden gesondert eingegangen. Entscheidend für die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist das Verhältnis von Angebot und Nachfrage, welches aktuell in vielen Städten zu steigenden Wohnkosten und damit gleichzeitig zu eingeschränkten Möglichkeiten bei der Anpassung der Wohnsituation führt. Dabei gibt es konjunkturelle wie auch regionale Schwankungen. München als Beispiel für einen angespannten Wohnungsmarkt ist entsprechend durch deutlich überdurchschnittlich hohe und weiter steigende Wohnkosten gekennzeichnet (siehe auch Kapitel 3.3), während es gleichzeitig Räume in Deutschland gibt, in denen die Immobilienpreise stagnieren oder sinken. Bei dem Wohnungsmarkt handelt es sich nicht um einen „normalen“ Markt, denn das Gut „Wohnung“ zeichnet eine Reihe von gleichzeitig auftretenden Besonderheiten aus (nach Bignasca 1998, S. 10ff): Zunächst ist eine Wohnung, wie in Kapitel 2.1 bereits erläutert, lebensnotwendig und damit in ihrer Funktion nicht substituierbar. Wohnungen sind standortgebunden, also immobil, auch das trägt dazu bei, dass jede Wohnung mit ihren spezifischen Eigenschaften einzigartig ist und der Markt von einer extremen Heterogenität geprägt ist. Wohnungen sind in der Regel unteilbar und weitestgehend unveränderbar. Sie sind auf eine hohe Lebensdauer angelegt und werden dementsprechend „gebraucht“ weitergegeben. Die Dauerhaftigkeit qualifiziert sie in Kombination mit hohen Herstellungskosten als Investitionsobjekt mit besonderen Risiko- und Renditeeigenschaften. Das Verhältnis von vorhandenen Wohnungen zu unmittelbar miet- oder kaufbaren Wohnungen ist gering, insbesondere auf angebotsdominierten Wohnungsmärkten. Wohnungen sind weiter nur begrenzt vermehrbar, das liegt zum einen an begrenzten Flächen, zum anderen an hohen Kosten und langen Planungs- und Herstellungszeiten. In diesem Sinne ist der Wohnungsmarkt auch durch eine besondere Trägheit gekennzeichnet. Diese Besonderheiten tragen zum Teil zur Erklärung der auf diesem Markt stattfindenden Prozesse, wie Wettbewerb oder Mietpreisbildung bei, gleichzeitig helfen sie zu verstehen, warum es eines steuernden Eingriffs von Seiten der öffentlichen Hand in das Marktgeschehen bedarf. Bei der Analyse des Wohnungsmarktes gilt es weiter festzuhalten, dass dieser sich aus unterschiedlichen Teilmärkten zusammensetzt, gemeinhin wird unterschieden zwischen einem geförderten Wohnungsmarktsegment, dem freifinanzierten Mietwohnungsmarkt und dem Segment des Wohneigentums (Friedrichs 1995, S. 60). Ein Sonderfall sind Betriebs- oder Werkswohnungen einzelner Unternehmen. Insbesondere Haushalte mit geringen Einkommen sind auf den geförderten Wohnungsmarkt
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Stand der Forschung
angewiesen, gleichzeitig ist dort die Konkurrenz oft besonders hoch. Geförderte Wohnungen werden entweder durch die Kommune oder durch gemeinnützige oder private Träger verwaltet. Dazu gehören insbesondere die Wohnungen, die früher als Sozialwohnungen bezeichnet wurden. Charakteristisch für diese Wohnungen ist, dass interessierte Haushalte eine Berechtigung, zum Beispiel einen Wohnungsberechtigungsschein, nachweisen müssen. Sonderfälle in diesem System sind geförderte Wohnungen für bestimmte Zielgruppen, wie beispielsweise Studierendenwohnheime. Auf dem freien Wohnungsmarkt obliegen die Festsetzung der Miethöhe innerhalb bestimmter Schranken sowie die Auswahl potentieller Mieterinnen und Mieter den Vermietenden. Übersteigt die Nachfrage das Angebot, kann die Angebotsseite die Marktstandards setzen und Preise erhöhen, das heißt der Wohnungsmarkt ist angebotsdominiert oder auch angespannt (siehe Abschnitt 2.4.2). Gleichzeitig kann bei höherer Nachfrage selektiver bei der Auswahl der Mieterinnen und Mieter vorgegangen werden. Wenn die Verfügbarkeit abnimmt und die Preise steigen, wird eine wachsende Zahl von Menschen von der Partizipation am Marktgeschehen ausgeschlossen. So werden sie in ihrer Wohnstandortwahl stark limitiert und Kompromisse hinsichtlich Wohnqualität und -lage werden wahrscheinlicher. Das betrifft in besonderem Maße Haushalte, die nur geringe finanzielle Spielräume haben. Häußermann und Siebel (1996, S. 214) weisen in diesem Zusammenhang auf den Unterschied zwischen Bedarf und Nachfrage hin, so ist das Angebot in hohem Maße an der Nachfrage zahlungskräftiger Nachfragegruppen orientiert, ohne das breite Feld unterschiedlicher Bedürfnisse zu berücksichtigen. Insgesamt wirkt sich eine angespannte Marktsituation mobilitätshemmend auf die Wanderungshäufigkeit der Haushalte in Nahbereich aus (Frick 1996, S. 217). Immobilienpreise hängen neben der allgemeinen Situation auf dem Wohnungsmarkt auch von der spezifischen Lage des Objektes ab (LHM 2017c, S. 7). Die Nähe zu einer hohen Anzahl an unterschiedlichen Aktivitätenstandorten und eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr tragen in der Regel zu höheren Preisen bei, was dazu führt, dass gut erreichbare Innenstadtlagen meist zu den teuersten Lagen gehören. Wohngebiete am Stadtrand oder im Umland sind tendenziell preisgünstiger, gehen aber für Haushalte mit höheren Mobilitätskosten einher, wenn Aktivitätenstandorte im Innenstadtbereich beibehalten werden. Damit hat der Wohnungsmarkt nicht nur großen Einfluss auf die Wohnstandortwahl, sondern indirekt auch auf die Mobilität der Menschen. Insgesamt ist der Wohnungsmarkt aus den genannten Gründen also ein „besonderer Markt“, dessen spezifische Situation weitreichende Folgen für die Menschen vor Ort haben kann.
Wohnungsmärkte unter Wachstumsbedingungen
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2.4.2 Angespannte Wohnungsmärkte Die Diskurse zur Raumentwicklung der letzten Jahre in Deutschland waren häufig auf das Thema Schrumpfung konzentriert (z. B. Bullinger 2002; Glock 2006; Föbker 2008). Da in Deutschland viele Regionen von Schrumpfung betroffen sind, lag auch der Fokus politischer Maßnahmen lange auf den Problemlagen dieser Regionen. Dabei rückte in den Hintergrund, dass auch Wachstum Herausforderungen mit sich bringen kann. Abbildung 03 zeigt deutlich, dass es vor allem urbane Agglomerationen sind, die in Deutschland wachsen. Die Metropolregion München ist hierbei einer der besonders stark wachsenden Räume. Wachsen und Schrumpfen von Städten und Gemeinden im Zeitintervall 2009 bis 2014 im bundesweiten Vergleich
DK
Kiel
überdurchschnittlich wachsend
Rostock
wachsend Schwerin
Hamburg
keine eindeutige Entwicklungsrichtung schrumpfend
Bremen
PL Berlin Hannover
NL
Potsdam
Magdeburg Bielefeld
Essen
Cottbus
Halle/S.
Dortmund
Düsseldorf
Kassel
Köln
Leipzig Erfurt Chemnitz
Bonn
Dresden
Wiesbaden
Frankfurt/M.
CZ
Klassifizierung nach Gesamtpunktzahl für Lage der Entwicklungsindikatoren im untersten (0 Punkte) bis obersten (4 Punkte) Quintil* - überdurchschnittlich wachsend: 19 bis 24 Punkte - wachsend: 14 bis 18 Punkte - keine eindeutige Entwicklungsrichtung: 11 bis 13 Punkte - schrumpfend: 6 bis 10 Punkte - überdurchschnittlich schrumpfend: 0 bis 5 Punkte
Nürnberg
Mannheim
FR
Stuttgart Ulm
München
Freiburg i.Br.
AT
CH
100 km
wirtschaftsorientierte Entwicklungsindikatoren (einfache Gewichtung): Beschäftigtenentwicklung 2009-2014
* jeweils geometrisches Mittel der jährlichen Entwicklungsraten
Mainz
Saarbrücken
gemeindefreie Gebiete Betrachtete sechs Entwicklungsindikatoren* demographische Entwicklungsindikatoren (doppelte Gewichtung): Bevölkerungsentwicklung 2009-2014 Wanderungssaldo der Jahre 2010-2014 Entwicklung der Erwerbsfähigen 2009-2014
Veränderung der Arbeitslosenquote 2008/9-2013/14 (in Abhängigkeit vom Niveau der Arbeitslosigkeit) Entwicklung des Gewerbesteuergrundaufkommens 2008/9-2013/14
BE
LU
überdurchschnittlich schrumpfend
© BBSR Bonn 2016
Datenbasis: Laufende Raumbeobachtung des BBSR Geometrische Grundlage: BKG, Einheitsgemeinden und Gemeindeverbände 31.12.2014 Bearbeitung: A. Milbert
Abbildung 03 Wachsende und schrumpfende Gemeinden in Deutschland (geändert nach BBSR 2016)
Dieses Bevölkerungswachstum wirkt sich durch steigende Nachfrage auf die lokalen Wohnungsmärkte aus. Ein Markt wird in hohem Maße von Angebot und Nachfrage bestimmt. Beim Handel von Gütern liegt dieser Annahme die Vermehrbarkeit dieser Güter zu Grunde. Das ist bei Grund und Boden jedoch nicht und bei Wohnungen, wie oben ausgeführt, nur sehr eingeschränkt der Fall. Wenn mehr Menschen zuziehen, als neue Wohnungen gebaut werden, verteilen sich
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Stand der Forschung
immer mehr Menschen auf eine kleinere Anzahl an Wohnungen. Dazu kommt eine grundsätzliche Tendenz zu kleineren Haushaltsgrößen und ein verändertes Raumnutzungsverhalten, das mit einem höheren individuellen Flächenverbrauch einhergeht, wenngleich letzterer auf angespannten Wohnungsmärkten wie in München teilweise stagniert oder rückläufig ist (LHM 2016a, S. 52). Friedrichs (1995, S. 60) skizziert eine Entwicklung, die für alle oben genannten Teilmärkte zutrifft: einen starken Anstieg der Grundstückspreise und der Baukosten. Beides trägt zu den hohen Immobilienpreisen bei. Der Anstieg der Grundstückspreise ist unter anderem auf eine zunehmende Knappheit an gut erschlossenen urbanen Grundstücken und auf die zunehmende Popularität von stark nachgefragtem Grund und Immobilien als sichere Geldanlage zurückzuführen. Diese wachsende Nachfrage wird befeuert durch die krisenbehafteten Finanzmärkte und fallende Zinssätze. Die genannten Effekte üben einen wachsenden Druck auf den Wohnungsmarkt aus, was zu steigenden Mieten und einer zunehmend angespannten Marktsituation führt. Dementsprechend wird in diesem Zusammenhang von einem angespannten Wohnungsmarkt gesprochen, welcher es einer wachsenden Anzahl an Haushalten erschwert eine Wohnung oder Wohnlage entsprechend ihrer Präferenzen zu verwirklichen. Durch die hohe Nachfrage kann die Angebotsseite die Marktstandards (innerhalb gesetzlicher Regelungen) bestimmen, weshalb der Markt auch als angebotsdominiert bezeichnet werden kann. Im Frühjahr 2015 trat das Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietrechtsnovellierungsgesetz – MietNovG) in Kraft. Der Bundesgesetzgeber definiert seitdem „[…] Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten liegen vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn 1. die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt, 2. die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt, 3. die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht. […]“ (§ 556d Abs. 2 BGB)
Wohnungsmärkte unter Wachstumsbedingungen
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Dabei ist es ausreichend, wenn einer dieser Gründe gegeben ist. Die Definition im Bürgerlichen Gesetzbuch lässt allerdings einige Fragen zur Auslegung der genannten Punkte offen (nach Börstinghaus 2014, S. 10f): So ist nicht geregelt, wann die Versorgung der Bevölkerung besonders gefährdet ist, was angemessene Bedingungen sind, was es heißt, wenn Mieten deutlich steigen, beziehungsweise wann die Mietbelastung den Durchschnitt deutlich übersteigt. Da es im Bundesgebiet zahlreiche Gemeinden gibt, in denen die Mieten stagnieren und teilweise sogar sinken, dürfte diese Bedingung in den meisten Großstädten gegeben sein. Auch der dritte Punkt dürfte in einer Zeit, in der viele Haushalte in Städte (zurück-)ziehen, in den meisten Großstädten gegeben sein. Es bleibt die Frage, was als geringer Leerstand und was als große Nachfrage bezeichnet werden kann. Selbst wenn diese offenen Fragen geklärt sind, bleibt die entscheidende Frage, wie die entsprechenden Werte ermittelt werden. Beispielsweise ist fraglich, welche Mieten miteinbezogen werden oder wie eine flächendeckende Mietbelastung ermittelt werden soll. Die Nachfrage ist häufig nicht für alle Marktsegmente gleich, daher ist ebenfalls fraglich, wie beispielsweise mit einer hohen Nachfrage nur im Bereich der Kleinstwohnungen umgegangen wird. Im Gesetz werden die Landesregierungen ermächtigt, „[…] Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen [...]“ (§556d Abs. 2 BGB). Die Bestimmung der Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten obliegt dementsprechend den Landesregierungen. Die Bayerische Staatsregierung hat im Zuge dessen elf Bewertungskriterien festgelegt (STMJ 2015): • • • • • • • • • • •
Wohnraumversorgungsquote* Wohnungsüberhang/-defizit* Bauintensität* Bauüberhang* Erstvermietungsmiete [€ ]** Erstvermietungsmiete [%]** Regionale Mietbelastungsquote** Wartezeit bei Sozialwohnungsvermittlung** Versorgte Sozialmietwohnungssuchende*/** Nicht versorgte Sozialmietwohnungssuchende*/** Entwicklungsprognose**
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Stand der Forschung
Ingolstadt
Landshut
Augsburg München
Rosenheim
Autobahn Zugstrecke Landkreisgrenzen Gemeindegrenzen Kartenbasis GeoBasis-DE BKG 2017
gemeindefreie Gebiete 0 5 10
20
30 km
angespannte Wohnungsmärkte
Abbildung 04 Angespannte Wohnungsmärkte in der Metropolregion München (Stand 01. Januar 2016)
Darüber hinaus werden die Kommunen selbst um eine Einschätzung gebeten. Das Verfahren ist allerdings nur teilweise nachvollziehbar, da die Bewertungskriterien zum Teil erhoben (**), zum Teil berechnet (*) werden. Insbesondere auch die Einschätzung der Gemeinden vor Ort, ist zwar sicherlich in vielen Fällen sinnvoll, kann allerdings auch politischen Erwägungen unterworfen sein, welche die Vergleichbarkeit einschränken. Auch eine Änderung der Gebiete, nur fünf Monate nach ihrer Bekanntgabe, sorgte teilweise für Irritationen. Entsprechend wurde die Festlegung im Juni 2017 vom Amtsgericht München aufgehoben, ein neues Verfahren zur Festlegung angespannter Wohnungsmärkte bleibt abzuwarten. Auch von Seiten der Wissenschaft besteht hinsichtlich der Operationalisierung von angespannten Wohnungsmärkten sowie entstehenden Konsequenzen noch Nachholbedarf.
Herleitung der Forschungsfrage und zugrundeliegender Annahmen
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In Abbildung 04 sind die zum Stand 1. Januar 2016 und damit ehemals gültigen Gemeinden in der Metropolregion München dargestellt, in denen die Mietpreisbremseverordnung aufgrund eines angespannten Wohnungsmarktes vorübergehend zur Anwendung kam. Es ist anzunehmen, dass die Bewertungskriterien auch künftig insbesondere die kreisfreien Städten München, Rosenheim, Augsburg, Ingolstadt und Landshut einschließen werden. Weiter waren vor allem die Gemeinden um die Landeshauptstadt München (LHM) herum, beziehungsweise in der Planungsregion 14 durch die oben genannten Kriterien erfasst. 2.5
Herleitung der Forschungsfrage und zugrundeliegender Annahmen
Zu Beginn dieses Kapitels wurde auf die Bedeutung der sozialen Dimension von Nachhaltigkeit sowie die Bedeutung von Wohnen und Mobilität für das Leben der Menschen eingegangen. Das Mobilitätsverhalten ist vor allem durch zwei Komponenten determiniert: individuelle Faktoren und raumstrukturelle Faktoren. Insbesondere letztere sind in hohem Maße vom Wohnstandort abhängig. Individuelle Faktoren beeinflussen auch die Wohnstandortwahl, sofern die Haushalte eine Wahl haben. Limitierende Faktoren, wie Bezahlbarkeit und Verfügbarkeit haben einen großen Einfluss auf die Wohnstandortwahl, werden aber in nur wenigen Untersuchungen dezidiert zum Thema gemacht. Bezahlbarkeit und Verfügbarkeit einer Wohnung in einer bestimmten Preisklasse hängen vor allem von der finanziellen Lage des Haushalts und der Situation auf dem lokalen Wohnungsmarkt ab. Während es zahlreiche Studien gibt, die sich mit den Wechselwirkungen von Wohnen und Mobilität grundsätzlich auseinandersetzen, wurden diese Zusammenhänge bislang kaum für den speziellen Fall stark eingeschränkter Wahlmöglichkeiten untersucht. Eine Gruppe, die in besonderer Weise mit stark eingeschränkten Wahlmöglichkeiten konfrontiert ist, sind einkommensschwache Haushalte auf angespannten Wohnungsmärkten. Eine detaillierte Betrachtung deren Situation lohnt insofern, als dass hier viele Problemlagen verschärft auftreten und einkommensschwache Haushalte die Konsequenzen einer eingeschränkten Wohnstandortwahl nur in geringem Maße kompensieren können. Dazu kommt, dass einkommensschwache Haushalte generell eine Gruppe sind, die in vielen raumplanerischen Studien unterrepräsentiert ist (siehe allgemein dazu Schnell 1991; Diekmann 2013, S. 422f), obwohl ihre Belange insbesondere bei der Entwicklung von Maßnahmen – zumindest aus Sicht eines ausgleichenden Sozialstaates – eine besondere Rolle spielen sollten.
Herleitung der Forschungsfrage und zugrundeliegender Annahmen
•
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Die eingeschränkte Wahl kann weitreichende Konsequenzen für die Mobilität der einkommensschwachen Haushalte haben, bis hin zu eingeschränkten Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe.
Zur Beantwortung der aufgeworfenen Forschungsfrage werden nach einer Vorstellung des Untersuchungsgebietes und der Untersuchungsgruppe zunächst ausgewählte quantitative Analysen, basierend auf den Daten des Projektes WAM Wohnen Arbeiten Mobilität (Thierstein et al. 2016), vorgestellt, um einige grundlegende Zusammenhänge zur Situation der einkommensschwachen Befragungsteilnehmenden zu erläutern. Das Hauptaugenmerk liegt auf einer qualitativen Erhebung. In diesem Rahmen wird zunächst erörtert, welchen Einfluss einkommensschwache Haushalte überhaupt auf ihre Wohnlage haben und in welchem Maße sie am Wohnungsmarktgeschehen partizipieren können. In einem nächsten Schritt stellt sich die Frage, welche räumlichen Ansprüche diese Haushalte an ihren Wohnstandort haben. Ausgehend davon soll dann geklärt werden, inwiefern sich diese Zusammenhänge auf die Alltagsgestaltung und die Mobilität der Haushalte auswirken, welche Probleme sich ergeben und wie die Haushalte damit umgehen. In Kapitel 7 werden darauf aufbauend Handlungsstrategien vorgeschlagen, mit welchen den gewonnenen Erkenntnissen auch in der Planung Rechnung getragen werden kann.
3.
Vorstellung des Untersuchungsgebietes
Die in Kapitel 2.5 aufgeworfenen Fragestellungen werden am Beispiel des Raums München untersucht. Der Raum München ist einer der großen Wachstumsräume in Deutschland, der durch einen stark angebotsdominierten Wohnungsmarkt gekennzeichnet ist, so dass die in Kapitel 2.3.3 angesprochenen Herausforderungen in besonderem Maße auftreten. Weiter bietet sich die Auswahl des Raums München durch die Einbettung der Arbeit in das in München verortete mobil.LAB Promotionskolleg sowie aus forschungspraktischen Gründen an, da die Autorin seit vielen Jahren mit der Stadt München vertraut ist. Im Folgenden wird ein Überblick über die Entwicklung des Raums München gegeben. Dabei wird ein besonderer Fokus auf den Münchner Wohnungsmarkt gelegt. Wie unter anderem in Kapitel 2.4.4 dargestellt, stehen einkommensschwache Haushalte im Fokus dieser Arbeit, daher wird deren Situation darauffolgend gesondert beleuchtet. Zunächst werden einige Hintergründe und die Variationen niedrigen Einkommens erläutert und bestehende Erkenntnisse über deren Wohnsituation und Mobilitätsverhalten in München zusammengefasst. Weiter wird ein Überblick über einkommensorientierte Fördermöglichkeiten auf dem Münchner Wohnungsmarkt gegeben, bevor die Untersuchungsgruppe im Hinblick auf die Empirie anhand konkreter Kriterien abgegrenzt wird. 3.1
Eingrenzung des Untersuchungsgebietes
Gemäß der in Kapitel 2.5 aufgeworfenen Fragestellunge, konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die Situation auf angespannten Wohnungsmärkten. Als Beispiel wird der Raum München gewählt, der im Folgenden näher vorgestellt wird. Der Münchner Wohnungsmarkt kann als stark angespannt bezeichnet werden (LHM 2016b, S. 22). Weiter sind aber auch viele der umliegenden Kommunen im Raum München durch einen angespannten Wohnungsmarkt charakterisiert (siehe Kapitel 2.4.2 und insbesondere Abbildung 04). Für den Raum München gibt es keine eindeutige Gebietsabgrenzung, denn neben baulichen Strukturen gehen auch die funktionalen Verflechtungen teilweise kaum merklich ineinander über. Es ist dementsprechend auch nicht möglich, den Wohnungsmarkt scharf abzugrenzen, © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Sterzer, Wohnen und Mobilität im Kontext von Fremdbestimmung und Exklusion, Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-24622-8_3
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Vorstellung des Untersuchungsgebietes
denn insbesondere vor dem Hintergrund der beschriebenen Herausforderungen, weichen Haushalte immer wieder in die angrenzenden Gebiete aus. Bei der Festlegung des Untersuchungsraums für diese Arbeit steht dennoch das Gebiet der Landeshauptstadt München im Fokus. Im Rahmen der qualitativen Interviews (siehe Kapitel 5.1) werden Haushalte befragt, die im Stadtgebiet München eine Wohnung gesucht haben. Teilweise haben sie zusätzlich auch darüber hinaus gesucht, so dass vier Haushalte außerhalb des Stadtgebietes fündig wurden. Für die quantitative Auswertung mussten Datensätze ausgewählt werden, die diesem Ansatz möglichst nahekommen. Letztendlich wurden die Datensätze der Teilnehmenden gewählt, die im Stadtgebiet München wohnen, die vor ihrem Umzug dort gewohnt haben oder die mindestens einen Suchstandort in München angegeben haben (siehe Kapitel 4.1). Die Befragten haben dementsprechend im Umfeld des angespannten Münchner Wohnungsmarktes nach Wohnraum gesucht und sind in der Stadt München oder aber auch darüber hinaus fündig geworden. Hauptkriterium ist also nicht der Wohnort, sondern das Gebiet der Wohnungssuche. Untersuchungsgebiet ist damit der Raum München, abgegrenzt durch die Wohnungssuche der Befragten in der Stadt München. Es muss einschränkend hinzugefügt werden, dass bei den Teilnehmenden der quantitativen Befragung mit ehemaligem Wohnstandort in München das Suchgebiet nicht eindeutig nachvollzogen werden kann. 3.2
Der Raum München als Wachstumsraum
Der Raum München ist im Gegensatz zu vielen anderen Gebieten in der Bundesrepublik durch ein starkes Bevölkerungswachstum gekennzeichnet. Zwar wächst die Stadt bereits seit 1999 kontinuierlich, verstärkt ist das jedoch erst seit 2011 mit einem Bevölkerungswachstum von 1,8 – 2,1% pro Jahr der Fall (LHM 2017b, S. 18). Das ist vor allem einem hohen Zuzug geschuldet. Doch auch ein Geburtenüberschuss, der unter anderem der Struktur des Zuzugs geschuldet ist, trägt zum Bevölkerungswachstum bei. Der Zuzug ist hauptsächlich ausbildungs- und berufsbedingt, so dass die dominierenden Jahrgänge in München zwischen 20 und 40 Jahren und entsprechend auch im Alter der Familiengründung sind (ebd., S. 20). Im Raum München sind zahlreiche große und renommierte Unternehmen angesiedelt. Der Standort ist durch einen hohen Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften gekennzeichnet, die dem Bereich der Wissensökonomie zugeordnet werden können (Thierstein et al. 2007). Dementsprechend ist ein großer Teil der zuziehenden Bevölkerung ebenfalls diesem Bereich und damit den mittleren und
Der Raum München als Wachstumsraum
49
gehobenen Einkommen zuzuordnen. Zahlreiche Hochschulen, aber auch Ausbildungsmöglichkeiten bei den ansässigen Unternehmen, manchen den Standort auch für Menschen in Ausbildung attraktiv. Für die kommenden Jahre wird ein weiteres Wachstum prognostiziert. Bis 2030 wird ein Bevölkerungswachstum von 16,4% erwartet (gegenüber 2015, LHM 2017b, S. 71). Während sich in der Stadt geringfügige Sättigungseffekte abzeichnen, wachsen die umliegenden Kommunen, wie beispielsweise Freising oder Hallbergmoos teilweise noch stärker (Thierstein et al. 2016, S. 33). Der Raum München ist der Kern der Metropolregion München, welche sich über fast ganz Oberbayern sowie Teile Niederbayerns und Schwabens erstreckt. Die Metropolregion richtet sich, wie der Name vermuten lässt, stark auf die Landeshauptstadt aus. Die Landeshauptstadt ist nicht nur politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum der Metropolregion, sondern auch verkehrliches Zentrum der Region. Die Konzentration von Arbeitsplätzen dort hat zur Folge, dass zahlreiche Beschäftigte nach München oder in die angrenzenden Gemeinden pendeln. Entsprechend ist auch die verkehrliche Infrastruktur, sowohl im motorisierten Individualverkehr als auch im öffentlichen Verkehr sehr stark Richtung München orientiert. Das Angebot im öffentlichen Verkehr nimmt mit zunehmender Nähe zur Landeshauptstadt zu. Viele Kommunen in der Metropolregion sind hauptsächlich durch den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) erschlossen. Teilweise kommen (über-)regionale Busangebote dazu. In München selbst gibt es ein engmaschiges Angebot aus S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahnen und Bussen. Für U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse ist die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) zuständig. Sie ist eine 100%ige Tochter der Landeshauptstadt München. Während das Angebot im Stadtzentrum sehr konzentriert ist, wird es zum Stadtrand hin deutlich weniger dicht. Auch die Taktfrequenz nimmt entsprechend ab. Für die S-Bahn ist der Freistaat Bayern beziehungsweise die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) zuständig. Das Streckennetz ist im Innenstadtgebiet auf der Stammstrecke gebündelt, weiter außerhalb verteilt es sich und erschließt die umliegenden Gemeinden. Die meisten S-Bahnen verkehren im 20-Minuten-Takt. In einem Großteil der Kommunen außerhalb gibt es zusätzlich zur S-Bahn-Verbindung nach München noch Busse zu kleinteiligeren Erschließung. Eine Ringlinie oder eine Stadtumlandbahn gibt es nicht. Über 90% der Haushalte im Münchner Umland besitzen einen oder mehrere Pkws, während es in der Stadt rund 70% sind (LHM 2010, S. 13). Durch steigende Nutzungszahlen, welche die ursprüngliche Auslegung des Systems um ein Vielfaches übersteigen, ist das öffentliche Verkehrssystem nahe
50
Vorstellung des Untersuchungsgebietes
an der Kapazitätsgrenze (LHM Beschluss 14 – 20 / V 03603 2015, S. 5, S. 16). Dennoch wurden in den vergangenen Jahren Maßnahmen, wie Parkraummanagement und eine Umweltzone eingeführt, um das Pkw-Aufkommen in der Innenstadt zu reduzieren und Verkehrsströme möglichst im öffentlichen Verkehr abzuwickeln. Die Landeshauptstadt bezeichnet sich in einer Kampagne als „Radlhauptstadt“ (radlhauptstadt.muenchen.de: Willkommen in der Radlhauptstadt). Seit einigen Jahren werden vermehrt Bemühungen unternommen, den Fahrradverkehr zu stärken, so dass die Bedingungen zum Fahrradfahren im Stadtgebiet im Großen und Ganzen als gut bezeichnet werden können. Es gibt zahlreiche Interessensverbände, die weitere Verbesserungen fordern, um dem selbstgewählten Titel gerecht zu werden. Der letzte Verkehrsentwicklungsplan der Stadt München geht auf das Jahr 2006 zurück. Er besagt, dass die verkehrlichen Ziele in soziale, ökonomische, ökologische und kulturelle Zielsetzungen eingebettet sein sollen und verschreibt sich damit einer nachhaltigen Entwicklung. Die genannten Entwicklungsziele dienen der Sicherung der Teilhabe und Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger (LHM 2006, S. 11f). 3.3
Der Münchner Wohnungsmarkt
Die hohe Attraktivität und das beschriebene Wachstum des Raums München sind insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung eine große Chance. Dennoch bringt die aktuelle Entwicklung, wie beschrieben, auch Herausforderungen mit sich. Die Verkehrsinfrastruktur ist am Rande ihrer Leistungsfähigkeit. Ein drohender Fachkräftemangel wird zunehmend als Problem erachtet (IHK München und Oberbayern 2014, S. 16f). Gleichzeitig fehlen auch Beschäftigte jenseits des hochqualifizierten Bereichs, für welche die hohen Lebenshaltungskosten aber zunehmend zum Problem werden. Ein großer Posten ist dabei insbesondere für einkommensschwache Haushalte die Miete (siehe Mietbelastungsquote 3.4.2). Entsprechend der Forschungsfrage spielt der Wohnungsmarkt in dieser Arbeit eine zentrale Rolle. Aufgrund der angespannten Wohnungsmarktsituation stellen sich viele der in Kapitel 2.3.3 angesprochenen Herausforderungen in besonderem Maße. Wie sich die Situation im Detail darstellt, wird im Folgenden beschrieben.
Der Münchner Wohnungsmarkt
51
3.3.1 Das Mietniveau auf dem Münchner Wohnungsmarkt Die stetig steigende Wohnraumnachfrage in München steht einem nur geringfügig wachsenden Angebot gegenüber, was zu einem Anstieg der Mietpreise führt. Neben der hohen Nachfrage werden im Bericht zur Wohnungssituation der Stadt München die günstige Zinssituation und eine zunehmende Verknappung des Angebots bei gleichzeitig guter Wirtschaftsentwicklung (LHM 2016a, S. 63) als Gründe für den Preisanstieg von Wohnbauland genannt. Das starke Bevölkerungswachstum verschärft die Problematik zusätzlich. Die hohe Nachfrage und in vielen Fällen auch die hohe Zahlungsbereitschaft führen dazu, dass Immobilien auf nachgefragten Wohnungsmärkten als sichere Anlagemöglichkeit genutzt werden (ebd., S. 11). Ziel einer solchen Anlage ist in der Regel eine möglichst hohe Rendite, was zu hohen Mieten oder preistreibenden Weiterverkäufen der Gebäude und Grundstücke führt. Die resultierenden hohen Boden- und Immobilienpreise bringen in zunehmendem Maße Verdrängungseffekte mit sich. Die Baulandpreise im Raum München, vor allem aber in der Landeshauptstadt selbst gehören zu den höchsten in der gesamten Bundesrepublik (ebd., S. 63). Abbildung 06 zeigt das Mietniveau in der Landeshauptstadt im Zeitverlauf seit 2001. Während die Preise für Wohnbauland immer schwankend mit steigender Tendenz waren, ist seit dem Jahr 2005 ein ungebrochener und kontinuierlicher Preisanstieg zu verzeichnen. Die Grafik endet mit dem Jahr 2015, laut Angaben der Landeshauptstadt ist seit Einführung der Mietpreisbremse im Jahr 2015 aber noch keine preisdämpfende Wirkung erkennbar (LHM 2016b, S. 7). Bei der Betrachtung der Mietpreise wird zwischen Erstbezugsmieten und Wiedervermietungsmieten unterschieden. Die Erstbezugsmieten liegen mit durchschnittlich 18,91 Euro je Quadratmeter deutlich über den Wiedervermietungsmieten, die aktuell 15,72 Euro im Durchschnitt betragen. Auch die Preissteigerung vom Jahr 2015 auf das Jahr 2016 war bei den Erstbezugsmieten mit 11,2% deutlich stärker als bei den Wiedervermietungsmieten, die um 6,3% gestiegen sind (ebd., S. 5ff).
52
Vorstellung des Untersuchungsgebietes
Ne�okaltmiete in Euro /m² Wohnfläche
Wiedervermietung Baujahr bis 1948
18 17
Wiedervermietung Baujahr ab 1949
16
Erstbezug im jeweiligen Jahr
15 14 13 12 11
Hinweis: Bestandswohnungen, mi�lerer Größe (ca. 3 Zi. 70 m²), guter Wohnwert, nicht öffentlich gefördert.
10 9 2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Quelle: IVD-Wohnpreisspiegel
Abbildung 06 Entwicklung von Erst- und Wiedervermietungsmieten in München (geändert nach LHM 2016a S. 74 nach IVD-Wohnpreisspiegel; Bestandswohnungen mittlerer Größe (ca. 3 Zimmer, 70 qm), guter Wohnwert, nicht öffentlich gefördert)
In beiden Kategorien sind die durchschnittlichen Quadratmeterpreise für kleine Wohnungen am höchsten. Das trifft besonders einkommensschwache Haushalte, weil diese ihr absolutes Mietniveau so schlechter über die Wohnungsgröße regulieren können (LHM 2016b, S. 7). Tendenziell sind sowohl kleine als auch große Wohnungen eher in Innenstadtlagen zu finden, während am Stadtrand mittlere Größen dominieren (ebd., S. 11). Die Mietpreise und deren Entwicklung stellen sich innerhalb des Stadtgebietes München unterschiedlich dar. Die durchschnittlichen Nettokaltmieten sind in zentralen Innenstadtlagen am höchsten, wohingegen die im Vergleich günstigsten Mieten in den Stadtrandgebieten Trudering, Allach-Untermenzing und Aubing-Lochhausen-Langwied zu finden sind (siehe Abbildung 07, ebd., S. 11). Laut dem Wohnungsmarktbarometer der Landeshauptstadt scheinen unterschiedliche Qualitäten der Wohnlage weniger Einfluss auf den Preis zu haben, als die Entfernung zum Zentrum. Das zeigt, dass insbesondere gut angebundene zentrale Lagen für einkommensschwache Haushalte schwierig zu realisieren sind. Die Mietsteigerungen sind in den Stadtrandgebieten, in denen die Preise bislang weniger hoch waren, besonders deutlich (ebd., S. 13), so dass auch diese Lagen zunehmend als Option für einkommensschwache Haushalte ausscheiden.
Der Münchner Wohnungsmarkt
53
In den Landkreisen des Umlandes beträgt die durchschnittliche Wiedervermietungsmiete 11,19 Euro je Quadratmeter und ist damit zwar immer noch auf einem hohen Niveau, jedoch deutlich günstiger als im Stadtgebiet. Auch in den Umlandgemeinden gibt es Schwankungen, in der Tendenz lässt sich jedoch feststellen, dass die Wiedervermietungsmieten mit zunehmender Entfernung zu München und zur S-Bahn sinken (LHM 2016b, S. 18f).
Ne�okaltmieten bei Wiedervermietung 2016 Stadtgrenze Wohnungsmarktgebiete unbebaute Flächen
bis 13,50 Euro/m² 13,51 - 14,50 Euro/m²
Veränderung Ne�okaltmieten 2015/16 bis 5,0%
14,51 - 15,50 Euro/m²
5,1 bis 10,0%
15,51 - 16,50 Euro/m²
über 10,0%
ab 16,51 Euro/m²
0
2,5
5 km
Stand: 08/2016 Datengrundlage: Immobilien Scout GmbH Fachliche und grafische Bearbeitung: Referat für Stadtplanung und Bauordnung, I/22
Abbildung 07 Nettokaltmieten bei Wiedervermietung im 2. Quartal 2016 und deren Veränderung gegenüber 2015 in München nach Stadtteilen (geändert nach LHM 2016b S. 13, Datengrundlage Immobilien Scout GmbH)
54
Vorstellung des Untersuchungsgebietes
3.3.2 Struktur des Wohnungsmarktes und einkommensorientierte Fördermöglichkeiten Wie bereits in Kapitel 2.4.1 angedeutet, setzt sich der Wohnungsmarkt aus unterschiedlichen Marktsegmenten zusammen. Für die vorliegende Untersuchung spielt vor allem der Mietwohnungsmarkt eine Rolle, da die Nachfrage nach Mietwohnungen in München besonders hoch ist, insbesondere unter einkommensschwachen Haushalten (LHM 2016a, S. 58). Große Teile des Marktes entziehen sich einer direkten Einflussnahme der Preisgestaltung durch die Stadt. Einfluss kann diese nur auf die Sozial- und Belegrechtswohnungen sowie die nicht sozialgebundenen städtischen Wohnungen beziehungsweise der städtischen Wohnungsbaugesellschaften nehmen. In München gibt es zwei städtische Wohnungsbaugesellschaften, die Gewofag hält über 35 000, die GWG über 26 000 Wohnungen in ihrem Bestand (WIM VI 2016, S. 14). Insgesamt entspricht das knapp 8% der Wohnungen, wobei diese nur teilweise sozial gebunden sind. Einen Sonderfall auf dem Mietwohnungsmarkt stellen Genossenschaften dar. In München gibt es rund 40 Genossenschaften, die ihre Mitglieder mit Wohnraum versorgen ohne auf eine Kapitalmehrung abzuzielen, so dass die Wohnkosten gering gehalten werden können. Ihr Wohnungsbestand liegt bei knapp 40 000 Wohneinheiten, was rund 5% aller Wohnungen entspricht (LHM 2016a, S. 32). Die Stadt München verabschiedet seit 1989 in regelmäßigen Abständen ein wohnungspolitisches Handlungsprogramm. Im November 2016 wurde das Programm „Wohnen in München VI“ (WIM VI 2016) vom Stadtrat beschlossen, in dem die Ziele der kommunalen Wohnungsbaupolitik fortgeschrieben und weiterentwickelt werden. In diesem Programm werden neben einem strategischen Rahmen für die Wohnungspolitik auch konkrete Zielzahlen und Instrumente für die Wohnraumversorgung und -sicherung definiert. Ein Fokus des Handlungsprogramms liegt laut eigener Aussage auf der Schaffung von Wohnangeboten für einkommensschwache Haushalte und dem Erhalt der Münchner Mischung, das heißt einer breiten Streuung der Einkommensgruppen (ebd., S. 25). Denn der Münchner Wohnungsmarkt stellt nicht nur Haushalte mit geringen, sondern auch mit mittleren Einkommen vor große Herausforderungen. Ziel der Stadt München ist es daher, Angebote für unterschiedliche Einkommensgruppen zu schaffen, so dass rund 50 bis 60% der Münchner Haushalte förderberechtigt sind (ebd., S. 3). In den vergangenen Jahren gab es eine Vielzahl an Förderprogrammen und Modellen des geförderten Wohnungsbaus. Hier wird nach Einkommensgruppen
Der Münchner Wohnungsmarkt
55
unterschieden. Die bestehenden Modelle für die untersten Einkommensgruppen wurden im Zuge von „Wohnen in München VI“ in den „Münchner Wohnungsbau“ überführt, so dass es für diese Gruppen nun drei Säulen des geförderten Wohnungsbaus gibt: •
Einkommensorientierte Förderung (EOF): staatliches Förderprogramm, welches sich aus einer Grundförderung für Bauherren sowie einer einkommensabhängigen Zusatzförderung für die Mieterin oder den Mieter zusammensetzt, mittels einer kommunalen Kofinanzierung wird die Zahl an geförderten Wohnungen erhöht (LHM 2016a, S. 88)
•
Münchner Wohnungsbau (ehemals unter anderem KomPro A, B, C): städtisches Förderprogramm mit dem Ziel, bestehende Förderprogramme orientiert an der EOF zu vereinheitlichen
•
Sonderprogramm Wohnen für alle: Programm zur beschleunigten Errichtung von geförderten Wohnungen sowohl durch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften als auch Private mit dem Ziel, zusätzliche Wohnungen insbesondere für Familien mit geringen Einkommen, Auszubildende, junge Berufstätige und anerkannte Flüchtlinge zu schaffen
Das München Modell ist ein städtisches Programm, das sich an Haushalte mit mittleren Einkommen richtet und ihnen ermöglichen soll, eine Wohnung zu leistbaren Konditionen zu finden. Es gibt die Varianten München Modell Miete, München Modell Genossenschaften und München Modell Eigentum. Für die Errichtung von Wohnungen im München Modell vergibt die Stadt sozial gebundene Grundstücke. Die Anfangsmiete hängt von der Lage im Stadtgebiet ab. In der Regel beträgt die Miete 75 bis 80% der ortsüblichen Vergleichsmiete. Zugangsberechtigt sind Haushalte, die seit mindestens drei Jahren in München wohnen oder arbeiten und festgelegte Einkommensgrenzen erfüllen. Die Zugangskriterien werden durch das städtische Sozialreferat geprüft, anschließend bekommen die Haushalte einen Berechtigungsschein, der die zulässige Zahl der Zimmer für den Haushalt festlegt. Der Konzeptionelle Mietwohnungsbau (KMB, WIM VI 2016, S. 46ff) richtet sich an Haushalte, welche die Einkommensgrenzen des München Modells überschreiten. Ziel ist es, über Bindungen preisgedämpften freifinanzierten Mietwohnungsbau auf städtischen Flächen zu realisieren, der ein langfristig gebundenes
56
Vorstellung des Untersuchungsgebietes
und bezahlbares Angebot schafft. Im Ausschreibungsverfahren erhält nicht die Bewerberin oder der Bewerber mit dem höchsten Gebot den Zuschlag, sondern der- oder diejenige mit dem überzeugendsten Konzept. Die Bindungen gelten für 30% der Grundstücksfläche und verpflichten zum Bau von 60 Jahre gebundenen Mietwohnungen, die nicht umgewandelt werden dürfen und deren Erst- und Wiedervermietungsmieten begrenzt sind. Die Mieten orientieren sich am Mietspiegel. Das Handlungsprogramm „Wohnen in München VI“ befasst sich mit dauerhaften Wohnformen, weiter gibt es den „Gesamtplan III – Soziale Wohnraumversorgung, Wohnungslosenhilfe - München und Region“, welcher sich unter anderem den Bereichen Unterbringung und Wohnungslosenhilfe widmet. Auch wenn das Handlungsprogramm allgemein als sehr ambitioniert gilt und auch der Fördermittelrahmen von 870 Millionen Euro zwischen 2017 und 2021 entsprechend großzügig gestaltet ist, so ist doch fraglich, ob der hohen Nachfrage, insbesondere von förderberechtigten Haushalten langfristig entsprochen werden kann. Denn es ist nicht zu erwarten, dass sich die Lage auf dem Münchner Wohnungsmarkt in absehbarer Zeit entspannt. Die Stadt München hat eine Eingriffsreserve, das heißt alle geförderten und Belegrechtswohnungen, die über das Wohnungsamt vergeben werden können, von rund 74 400 Wohnungen, was rund 10% aller Wohnungen entspricht (Stand 2015, LHM 2016a, S. 99, S. 102). Haushalte, die sich, beispielsweise aufgrund ihres Einkommens, nicht selbstständig auf dem Wohnungsmarkt versorgen können, können sich für eine geförderte Wohnung registrieren. 2015 waren das 11 534 Registrierungen, wovon 7 847 als besonders dringlich eingestuft wurden (ebd., S. 103). Angesichts der hohen Nachfrage nach gefördertem Wohnraum ergibt sich entsprechend wenig Spielraum bei der Vergabe. Weiter sind Mieten, die beispielsweise 75% der ortsüblichen Vergleichsmiete betragen zwar im Vergleich günstig, dennoch sind auch diese für viele einkommensschwache Haushalte kaum zu finanzieren. Es stellt sich also die Frage, wie mit dem beschriebenen Nachfrageüberhang künftig umgegangen wird und welche Konsequenzen sich für einkommensschwache Haushalte ergeben.
Einkommensschwache Haushalte in München
3.4
57
Einkommensschwache Haushalte in München
Auch wenn die Arbeitslosenzahlen in der Stadt und dem Landkreis München (Arbeitsagenturbezirk München) in den letzten Jahren konstant auf niedrigem Niveau waren (Jahresdurchschnitt 2015: 4,6%, LHM 2016d, S. 45), gibt es Anzeichen dafür, dass nicht alle in gleichem Maße vom wirtschaftlichen Erfolg der Region profitieren. In den letzten Jahren hat sich die Einkommenslücke zwischen wohlhabenden und armen Haushalten vergrößert. Im Jahr 2005 verdiente das Bevölkerungsfünftel mit dem höchsten Einkommen rund 36% des gesamten Monatseinkommens aller Einwohnerinnen und Einwohner. Fünf Jahre später waren es 46% des gesamten monatlichen Einkommens, was fast sechsmal dem Einkommen des Fünftels mit dem geringsten Einkommen entspricht (LHM 2012b, S. 36). Es sind vor allem die steigenden Mieten und die hohen Lebenshaltungskosten, welche einkommensschwache Haushalte vor Probleme stellen, unabhängig davon, ob sie einer Beschäftigung nachgehen oder nicht. Im Folgenden werden einige Hintergründe zu niedrigen Einkommen und den Unterstützungsmöglichkeiten durch die öffentliche Hand zusammengefasst. Das ist insofern relevant, als das einige der im Rahmen der qualitativen Empirie befragten Haushalte auf diese Unterstützung angewiesen sind. Anschließend wird kurz auf die beiden Themen Wohnen und Mobilität am Beispiel einkommensschwacher Haushalte in München eingegangen, bevor die Untersuchungsgruppe in Kapitel 3.5 anhand konkreter Kriterien abgegrenzt wird. 3.4.1 Variationen von niedrigem Einkommen Bevor näher auf die Situation einkommensschwacher Haushalte eingegangen wird, wird zunächst ein kurzer Überblick über die Variationen niedrigen Einkommens und damit einhergehende Unterstützungsmöglichkeiten von Seiten der öffentlichen Hand gegeben. So kann die Situation der Befragten besser eingeordnet werden. Die meisten Menschen im arbeitsfähigen Alter sind, soweit sie erwerbsfähig sind, das heißt keine gravierenden gesundheitlichen Einschränkungen haben, erwerbstätig und beziehen damit ein Erwerbseinkommen. Die Höhe dieses Einkommens richtet sich unter anderem nach Qualifikation, Art und Maß der Beschäftigung. Seit 2015 gilt in Deutschland ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von aktuell 8,84 Euro brutto pro Stunde (§1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG, BMAS 2016). Dennoch gibt es Fälle, in denen ein Erwerbseinkommen nicht zum Leben reicht und Haushalte auf einmalige oder regelmäßige Unterstützungsleistungen
58
Vorstellung des Untersuchungsgebietes
angewiesen sind. Weiter gibt es Situationen, in denen Menschen keiner festen Erwerbstätigkeit nachgehen. Die Gründe dafür können sehr unterschiedlich sein, beispielsweise weil es keine geeigneten Stellen gibt. Je nach individueller Situation kann eine Erwerbslosigkeit von unterschiedlicher Dauer sein. In jedem Fall greifen Unterstützungsmaßnahmen von Seiten des Staates. Wer in Deutschland kein oder ein sehr geringes Einkommen hat, bekommt Sozialleistungen. Die unterschiedlichen Leistungsformen sind im Ersten Sozialgesetzbuch (SGB I) mit den dazugehörigen Leistungsträgern genannt und werden in den weiteren Sozialgesetzbüchern ausgeführt. Es kann unterschieden werden nach beitragsfinanzierten Sozialleistungen, welche von den Sozialversicherungsträgern als Entgeltersatzleistung erbracht werden und steuerfinanzierten Transferleistungen. Einen guten Überblick dazu gibt beispielsweise Falterbaum (2013, S. 109ff). Die für den Kontext dieser Arbeit relevanten Formen werden im Folgenden überblicksartig erläutert. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Person einer Erwerbstätigkeit nachgeht und falls nicht, wie lange die letzte Erwerbstätigkeit zurückliegt. Grundsicherung für Arbeitssuchende Das zweite Sozialgesetzbuch (SGB II) umfasst Leistungen und Maßnahmen zur Grundsicherung von erwerbsfähigen Personen. Es beschreibt die Regelungen zum Arbeitslosengeld II (ALG II), welches vor allem Arbeitssuchende und Beschäftigte, deren Einkommen unterhalb des Grundsicherungsniveaus liegt, beziehen. Arbeitslosengeld II ist eine unbefristete Leistung, deren Anspruch allerdings von der Hilfsbedürftigkeit abhängt. Das Arbeitslosengeld II wird umgangssprachlich auch als „Hartz IV“ bezeichnet. Der Regelsatz ist bundesweit einheitlich und beträgt zum Stand 01.01.2017 monatlich 409 Euro für eine alleinstehende Person über 25 Jahren (Bundesagentur für Arbeit 2017, S. 36). Dazu kommen eventuelle Mehrbedarfe und Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU), die übernommen werden, soweit sie als angemessen erachtet werden. Die Obergrenze der KdU ist im Unterschied zum Regelsatz regional unterschiedlich und orientiert sich am lokalen Wohnungsmarkt. In München wird bei einem Singlehaushalt eine Wohnungsgröße von bis zu 50 Quadratmetern und Wohnkosten bis zur Höhe der Kaltmietenobergrenze von 642 Euro als angemessen erachtet (Jobcenter München 2017, S. 7). Die Grenzen für größere Haushalte ergeben sich entsprechend Tabelle 01. In Tabelle 01 ist die maximale Wohnungsgröße und die Mietobergrenze in Anhängigkeit der Haushaltsgröße dargestellt.
Einkommensschwache Haushalte in München
59
Diese werden jeweils den durchschnittlichen Erstbezugs- und Wiedervermietungsmieten in München für die entsprechende Wohnungsgröße gegenübergestellt. Die durchschnittlichen Quadratmetermieten unterscheiden sich in München für unterschiedliche Wohnungsgrößen. Die maximal zulässige Wohnungsgröße wird mit der Durchschnittsquadratmetermiete multipliziert, die Differenz dieses Wertes und der Mietobergrenze ist in der Spalte ganz rechts dargestellt. Die hohen Differenzbeträge zeigen, wie weit Durchschnittsmieten und Mietobergrenzen auseinander liegen und unterstreichen damit die Schwierigkeit, eine Wohnung unterhalb der Mietobergrenze auf dem freifinanzierten Mietwohnungsmarkt zu finden. Die Werte können um bis zu 10% überschritten werden, wenn dadurch ein Umzug vermieden werden kann. Im Falle eines Umzugs werden die Umzugskosten übernommen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt oder der Umzug aufgrund von Nicht-Angemessenheit gefordert wurde. Die Kaution kann in Form eines Darlehens übernommen werden, welches später vom Regelsatz in Raten zurückgezahlt werden muss. Weiter gibt es die Möglichkeit nach dem Umzug eine Erstausstattung finanziert oder bezuschusst zu bekommen (Bundesagentur für Arbeit 2017, S. 42). Leben mehrere Menschen gemeinsam in einem Haushalt, einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft, ergeben sich andere Regelsätze sowie andere Wohnungsgrößen und höhere Kaltmietenobergrenzen. Weiter gibt es altersspezifische Sonderregelungen. Zum Teil werden Leistungsbeziehende von Arbeitslosengeld II in Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (AGH oder auch AGH-MAE, umgangssprachlich „Ein-Euro-Jobs“) vermittelt. Diese Stellen sollen in zusätzlichen, wettbewerbsneutralen und im Interesse der Öffentlichkeit liegenden Bereichen angeboten werden. Die Mehraufwandsentschädigung von bis zu 2,50 Euro je Stunde kommt zum Regelsatz dazu. Beschäftigte, deren anrechenbare Einkünfte unterhalb des Grundsicherungsniveaus liegen, weil sie beispielsweise Teilzeit arbeiten, haben Anspruch auf ergänzende Leistungen nach SGB II (wenn kein Vermögen vorhanden ist). Umgangssprachlich werden sie häufig als sogenannte „Aufstocker“ bezeichnet.
Mietobergrenze*
Vorstellung des Untersuchungsgebietes
Max. Wohnungsgröße in m ² *
Personen
60
ERSTBEZUG Erstbezug Durchschnittsmiete pro m² **
Gesamtkosten bei max. Wohnungsgröße und Durchschnittspreis
Differenz zur Mietobergrenze
19,71 €
985,50 €
343,50 €
2
65
732 €
17,94 €
1166,10 €
434,10 €
3
75
850 €
17,94 €
1345,50 €
495,50 €
4
90
1067 €
18,34 €
1650,60 €
583,60 €
5
105
1277 €
18,72 €
1965,60 €
688,60 €
6
120
1527 €
18,72 €
2246,40 €
719,40 €
Mietobergrenze*
642 €
Max. Wohnungsgröße in m ² *
50
Personen
1
WIEDERVERMIETUNG Wiedervermietung Durchschnittsmiete pro m² **
Gesamtkosten bei max. Wohnungsgröße und Durchschnittspreis
Differenz zur Mietobergrenze
1
50
642 €
18,14 €
907,00 €
265,00 €
2
65
732 €
14,70 €
955,50 €
223,50 €
3
75
850 €
14,70 €
1102,50 €
252,50 €
4
90
1067 €
15,03 €
1352,70 €
285,70 €
5
105
1277 €
15,96 €
1675,80 €
398,80 €
6
120
1527 €
15,96 €
1915,20 €
388,20 €
*Quelle: Leistungen für Unterkunft und Heizung §22 SGB II, Stand 01.10.2016, Jobcenter München 2017, S. 7 **Quelle: LHM 2016b Tabelle 01 Angemessene Kosten der Unterkunft bzw. Mietobergrenzen im Vergleich zu aktuellen Durchschnittsmieten
Einkommensschwache Haushalte in München
61
Weitere Leistungsformen Das dritte Sozialgesetzbuch (SGB III Arbeitsförderung) umfasst Leistungen und Maßnahmen zur Arbeitsförderung. Es enthält Regelungen zum Arbeitslosengeld, nicht zu verwechseln mit dem Arbeitslosengeld II. Das Arbeitslosengeld ist eine Leistung der Arbeitslosenversicherung, die, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, bei Arbeitslosigkeit gezahlt wird. Bezugsdauer und Höhe orientieren sich am vorherigen Einkommen, in der Regel entspricht die Höhe 60% des vorherigen Einkommens. Die maximale Bezugsdauer beträgt bei Personen unter 50 Jahren 24 Monate (Regelfall 12 Monate). Wird in dieser Zeit keine Beschäftigung aufgenommen, gehen die Betroffenen in den Bereich des SGB II über, sofern sie hilfsbedürftig sind. Während des Arbeitslosengeldbezugs müssen Mietkosten selbstständig getragen werden, gegebenenfalls besteht jedoch Anspruch auf einen Wohnkostenzuschuss. Generell können Haushalte mit geringem Einkommen, die keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft haben, Wohngeld beantragen. Wohngeld ist eine Sozialleistung nach dem Wohngeldgesetz (WoGG). Es handelt sich dabei um einen Mietkostenzuschuss oder einen Lastenzuschuss bei selbstgenutztem Wohneigentum, der gewährt wird, wenn bestimmte Einkommensgrenzen unterschritten werden. Allerdings sind die Miethöchstbeträge bundeseinheitlich geregelt und für den Münchner Wohnungsmarkt zu niedrig, so dass das Wohngeld in München kaum Wirkung zeigt (LHM 2016a, S. 108). Da einkommensschwache Personengruppen häufig auch von gesundheitlichen Einschränkungen betroffen sind, die es ihnen beispielsweise erschweren eine reguläre Beschäftigung zu finden oder dieser bis ins reguläre Renteneintrittsalter zwischen 65 und 67 Jahren nachzugehen, spielen auch das neunte und das zwölfte Sozialgesetzbuch (SBG IX, SGB XII) im Kontext dieser Arbeit eine Rolle. Das SGB IX befasst sich mit der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, das SGB XII widmet sich dem Thema Sozialhilfe beziehungsweise Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Insgesamt beziehen in München fast 100 000 Personen existenzsichernde Leistungen allein nach SGB II oder SGB XII. Dazu kommen die Leistungsbeziehenden aus den weiteren Rechtskreisen. Etwa 17% der Münchnerinnen und Münchner und damit etwa 260 000 Personen sind nach Angaben des Sozialreferats von einem Armutsrisiko betroffen (LHM Beschluss 14-20 / V 08796 2017, S. 2).
62
Vorstellung des Untersuchungsgebietes
3.4.2 Wohnsituation von Haushalten mit niedrigen Einkommen in München Für viele Haushalte die von Armut betroffen oder armutsgefährdet sind, stellt sich das Leben in der Stadt zunehmend schwerer dar. Der angespannte Wohnungsmarkt macht es vor allem Haushalten mit niedrigen oder mittleren Einkommen schwer, eine Wohnung zu finanzieren, die ihren Bedürfnissen entspricht. Selbst wenn die Haushalte Anspruch auf die Vermittlung einer geförderten Wohnung haben, so beträgt die Wartezeit dafür in der Regel mehrere Jahre. In der Wanderungsmotivuntersuchung der Landeshauptstadt (LHM 2012a) ist einer der genannten Hauptgründe das Stadtgebiet zu verlassen, eine Vergrößerung des Haushalts, was in der Regel auch mit einem höheren Platzbedarf einhergeht. Nicht ganz so häufig, aber immer noch unter den häufig genannten Gründen rangieren die Wohnkosten am vorherigen Wohnstandort (LHM 2012a, S. 59). Durchschnittlich verdoppelt ein Haushalt, der die Stadt verlässt seine Wohnfläche, während er bis zu einem Viertel des Quadratmeterpreises einspart. Gleichzeitig geben zuziehende Haushalte durchschnittlich ein Viertel ihrer Wohnfläche ab und zahlen bis zu 40% mehr je Quadratmeter (ebd., S. 76). Diese Zahlen legen nahe, dass ein Fortzug für einkommensschwache Haushalte durchaus als Chance gesehen werden kann, während ein Zuzug in die Stadt München vor allem für Haushalte mit finanziellen Spielräumen eine Option sein kann. Zu den spezifischen Wohnstandortpräferenzen einkommensschwacher Haushalte in München gibt es kaum Informationen. Wie bereits in Kapitel 2.3.3 dargestellt, bevorzugen einkommensschwache Haushalte ganz allgemein jedoch häufig Wohnstandorte, die beispielsweise einen flexiblen Zugang zum Arbeitsmarkt, kleine Wohneinheiten, ein gutes öffentliches Verkehrsangebot, ein dichtes Netz an Unterstützungsmöglichkeiten sowie kurze Distanzen zu verschiedenen städtischen Einrichtungen bieten. Dementsprechend lassen sich zwei gegenläufige Tendenzen ausmachen: Auf der einen Seite bevorzugen viele einkommensschwache Haushalte aus den genannten Gründen urbane Gebiete, auf der anderen Seite zwingen die steigenden Preise und der Wettbewerb auf dem Wohnungsmarkt immer mehr Haushalte die Stadt zu verlassen. Auch wenn es in München bisher keine stark segregierten Gebiete gibt, so gibt es doch Anzeichen für eine räumliche Ausdifferenzierung der Mieten und damit auch der Einkommensgruppen. Es gibt zwar keine Einkommensstatistik der einzelnen Stadtteile, aber auch der Anteil der Transferleistungsbeziehenden gibt Aufschluss über mögliche Segregationstendenzen. Anteilig leben in den Innenstadtgebieten
Einkommensschwache Haushalte in München
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sowie in den ohnehin für Aufwertungsprozesse bekannten Vierteln wie beispielsweise Haidhausen die wenigsten Transferleistungsbeziehenden. Gleichzeitig sind das die Stadtteile, in denen die höchste Anzahl von Umwandlungen von Mietwohnungen in Eigentum zu verzeichnen war (LHM 2016a, S. 31). Der Trend hat sich in den letzten Jahren noch verstärkt, so dass eine zunehmende Polarisierung stattfindet: In den genannten Gebieten nimmt der Anteil der Transferleistungsbeziehenden ab, während er in den Stadtteilen mit ohnehin höherem Anteil weiter zunimmt (LHM 2012b, S. 24). Es zeigt sich, dass die Stadtteile mit der größten Nachfrage gleichzeitig die Stadtteile mit der besten öffentlichen Verkehrserschließung und den meisten Aktivitätenstandorten in der unmittelbaren Umgebung sind. Einkommensschwache Haushalte haben in diesen Gebieten kaum eine Chance auf dem Wohnungsmarkt, wenn sie nicht Mitglied einer Genossenschaft sind, Zugang zu speziellen Zielgruppenangeboten wie Studierendenwohnheimen oder Anspruch auf eine geförderte Wohnung haben. Je geringer das Einkommen eines Haushalts ist, desto höher ist der Anteil, der für die Miete aufgewendet werden muss; bei 45% der armen Haushalte übersteigt die sogenannte Mietbelastungsquote 50% des Haushaltsnettoeinkommens, während das bei nur 1% der reichen Haushalten der Fall ist (LHM 2016c, S. 20). Diese Werte schließen die Nebenkosten noch nicht mit ein. Weiter haben einkommensschwache Haushalte deutlich weniger Wohnfläche pro Person zur Verfügung (LHM 2012b, S. 55f). Die skizzierten Muster verstärken sich zusätzlich durch einen schrumpfenden Bestand an geförderten Wohnungen, da eine wachsende Anzahl von Wohneinheiten, deren soziale Bindungen auslaufen, in den regulären Wohnungsmarkt übergeht. Die Wohnstandortwahl in München ist daher aus den genannten Gründen für viele keine tatsächliche Wahl, so dass anzunehmen ist, dass sie nehmen, was sie bezahlen können. Mit abnehmender Verfügbar- und Bezahlbarkeit müssen sich einkommensschwache Haushalte zunehmend kompromissbereit zeigen, beispielsweise hinsichtlich erreichbarkeitsbezogener Kriterien, wie dem Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln. In diesem Sinne beeinflusst der Wohnungsmarkt die zukünftigen Mobilitätsoptionen der Umziehenden. Ein Ausweichen in das Umland kann zwar zu niedrigeren Wohnkosten führen, führt aber im Gegenzug häufig zu steigenden Mobilitätskosten. Bleiben die Haushalte in der Stadt, müssen die hohen Mietkosten durch Einsparungen in anderen Bereichen kompensiert werden, was sich ebenfalls auf ihre Mobilität auswirken kann. So können Haushalte in urbanen Gebieten trotz eines guten Verkehrsangebots von Mobilitätseinschränkungen betroffen sein. Bislang gibt es allerdings wenig Wissen und noch weniger empirische Erkenntnisse über diese Zusammenhänge, so dass diese in der vorliegenden Arbeit aufgegriffen werden.
64
Vorstellung des Untersuchungsgebietes
3.4.3 Mobilität von Haushalten mit niedrigen Einkommen in München Es gibt wenige Studien, die sich dezidiert mit der Mobilität von einkommensschwachen Haushalten auseinandersetzen. In Deutschland wird das Verkehrsverhalten vor allem über die regelmäßige Erhebung Mobilität in Deutschland (MiD) erfasst, diese lässt es zumindest zu, Haushalte nach unterschiedlichem ökonomischem Status zu unterscheiden (BMVBS 2010, S. 17). Die Stichprobe 2008 wurde für den Raum München so erhöht, dass es möglich ist, regionalspezifische Aussagen zu treffen (LHM 2010). Die im Folgenden dargestellten Erkenntnisse sind in ähnlicher Form auch im Beitrag der Autorin im Sammelband Sustainable Mobility in Metropolitan Regions (Wulfhorst und Klug 2016) dargestellt. Bei einer Gegenüberstellung des Modal Splits der Münchner Bevölkerung nach ökonomischem Status ergeben sich die größten Unterschiede für den Anteil der Wege im Fuß- und Pkw-Verkehr. Haushalte mit niedrigem ökonomischem Status haben mit rund 33% den höchsten Fußverkehrsanteil (gegenüber 27%), wohingegen der Anteil des Pkws mit zunehmenden Haushaltseinkommen von 20% auf über 35% ansteigt. Das lässt darauf schließen, dass einkommensschwache Haushalte eher nahräumlich orientiert sind. In München ist die Wahrscheinlichkeit des Autobesitzes bei Haushalten von mittlerem ökonomischem Status am höchsten, die angegeben Gründe für den Verzicht auf das Auto unterscheidet sich aber erheblich: Während Haushalte mit geringem Einkommen vor allem aus finanziellen Gründen auf einen Pkw verzichten, so ist es bei Haushalten mit höherem Einkommen eher eine Frage des Lebensstils. Eine Erhebung zum Thema Car-Sharing in München zeigt, dass auch das Einkommen von Car-Sharing-Nutzerinnen und -Nutzern überdurchschnittlich ist (Schreier et al. 2015, S. 36). Während sich die Anzahl der Wege mit 3,3 beziehungsweise 3,8 Wegen am Tag kaum unterscheidet, so ergeben sich hinsichtlich der durchschnittliche Wegelänge deutliche Unterschiede: Mit 7,2 Kilometern ist die durchschnittliche Wegelänge der Haushalte mit niedrigem ökonomischem Status fast halb so lang wie die durchschnittliche Wegelänge der ökonomisch leistungsfähigeren Haushalte, welche 13,2 Kilometer beträgt. Die Aktionsräume sinken also mit geringem Einkommen deutlich. Bei den Wegezwecken steigt der Anteil der Begleitwege und der Wege für Ausbildungszwecke, während der Anteil der Arbeitswege mit abnehmendem Einkommen sinkt. Unabhängig vom ökonomischen Status ist der Anteil der Freizeitwege mit über 30% am höchsten.
Die Untersuchungsgruppe
65
Die Daten zeigen ebenfalls, dass Haushalte mit niedrigerem ökonomischem Status weniger häufig Jahreskarten nutzen, obwohl diese langfristig günstiger wären. Der Schluss liegt nahe, dass die hohen Kosten abschrecken. Für Haushalte mit geringen Einkommen gibt es den MünchenPass. Dieser berechtigt unter anderem zum Erwerb des Sozialtickets, der IsarCardS. Diese wurde 2009 als Monatsticket eingeführt und ist nur für in München oder im Landkreis München lebende Haushalte verfügbar. Sie kostet 29,60 Euro monatlich für den Innenraum, beziehungsweise 50,20 Euro für das Gesamtnetz. Die Karte ist im Gegensatz zur regulären IsarCard nicht übertragbar und gilt werktags nicht zwischen 06:00 und 09:00 Uhr (mvv-muenchen.de: IsarCard S Stadt München). Die beschriebenen Tendenzen bestätigen im Großen und Ganzen die Erkenntnisse anderer Studien, allerdings geben sie wenig Aufschluss über Motive und Restriktionen. Dazu kommt, dass eine quantitative Klassifikation alleine aufgrund des Einkommens zu kurz greift, wie die in Kapitel 2.2.2 dargestellten Einflussfaktoren auf das Mobilitätsverhalten zeigen. Auch wenn die Untersuchungsgruppe im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls anhand von ökonomischen Kriterien abgegrenzt wird, so birgt der qualitative Forschungsansatz doch immerhin die Chance, zugrundeliegende Kausalitäten auch jenseits der finanziellen Restriktionen einzuordnen. 3.5
Die Untersuchungsgruppe
Für die empirischen Analysen der vorliegenden Arbeit müssen einkommensschwache Haushalte anhand von konkreten Kriterien abgegrenzt werden. Die Arbeit besteht aus zwei empirischen Bausteinen, einer quantitative Datenauswertung (siehe Kapitel 4) sowie einer qualitative Erhebung (siehe Kapitel 5 und 6). Die Untersuchungsgruppe ist bei beiden Bausteinen ähnlich, unterscheidet sich aus forschungspragmatischen Gründen jedoch in Details. Da das Hauptaugenmerk in dieser Arbeit auf der qualitativen Empirie liegt, wird die Untersuchungsgruppe anhand der in diesem Zusammenhang gewählten Kriterien beschrieben. Die Auswahlkriterien der quantitativen Datensätze werden in Kapitel 4 erläutert. Die Untersuchungsgruppe setzt sich aus einkommensschwachen Haushalten zusammen, die zum Erhebungszeitpunkt innerhalb der letzten drei Jahre ihren Wohnstandort im Raum München gewechselt und explizit in der Stadt München und teilweise auch darüber hinaus nach einem neuen Wohnstandort gesucht haben. Personen in Ausbildung wurden ausgeschlossen, da davon ausgegangen werden kann, dass diese die Einkommensgrenzen zwar oft erfüllen, sie aber einen anderen Planungshorizont haben und die finanzielle Situation nur temporär gegeben ist.
66
Vorstellung des Untersuchungsgebietes
Die Befragten sollten nach Möglichkeit einer regelmäßigen Beschäftigung nachgehen, um mindestens einen regelmäßig getätigten Weg zu gewährleisten. Dieses Kriterium konnte nicht bei allen Befragten verwirklicht werden, so gehen fünf von siebzehn Befragten zum Befragungszeitpunkt keiner regelmäßigen Beschäftigung nach. Die Rolle der Beschäftigung erweist sich jedoch als relativ, da im Niedriglohnbereich oder bei den durch das Jobcenter vermittelten Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung ohnehin nur eine geringe Kontinuität besteht. Vielfach sind die Befragten befristet beschäftigt. Zwei Befragte waren zum Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme beschäftigt, waren es aber zum Zeitpunkt des Interviews nicht mehr, bei einem Teilnehmer wurde das Interview um vier Wochen verlegt, um den Beschäftigungsbeginn bei seiner neuen Stelle abzuwarten. Das zeigt, wie wenig das Konzept einer regelmäßigen Beschäftigung bei der Untersuchungsgruppe greift. Da auch die Befragten ohne feste Beschäftigung regelmäßig mobil sind und sich deren Lebenssituation nicht grundlegend von den übrigen Befragten unterscheidet, wurde entschieden, diese Interviews, unter Berücksichtigung des fehlenden Arbeitsplatzes, in die Analysen aufzunehmen. Die Einkommensgrenzen der Haushalte orientieren sich am bedarfsgewichteten Nettoäquivalenzeinkommen. Dieses basiert auf der Annahme, dass sich bei mehreren Personen im Haushalt Synergieeffekte ergeben, beispielsweise durch das Teilen der Gemeinschaftsräume und bestimmter Ausstattungsgegenstände. Daher erfolgt eine Gewichtung entsprechend der Haushaltszusammensetzung, welche auf der neuen OECD-Skala basiert: Die erste Person eines Haushalts wird mit 1,0, alle weiteren Haushaltsmitglieder ab 14 Jahren mit dem Faktor 0,5 und Haushaltsmitglieder unter 14 Jahren mit dem Faktor 0,3 gewichtet (BMAS 2017, S. 602f). Niedrige Einkommen oder Armut sind grundsätzlich schwer zu operationalisieren. Eine gängige Operationalisierung von Armut erfolgt über die Armutsrisikoschwelle, welche auch im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (ebd.) oder dem Armutsbericht der Landeshauptstadt München (LHM 2012b) Anwendung findet. Die Armutsrisikoschwelle, auch als Armutsrisikoquote oder -grenze bezeichnet, gilt als erreicht, wenn das bedarfsgewichtete Nettoäquivalenzeinkommen weniger als 60% des lokalen Medianeinkommens beträgt. Das Medianeinkommen eignet sich an dieser Stelle besser als der arithmetische Mittelwert, da sehr starke Schwankungen, in diesem Fall vor allem nach oben, den Mittelwert weniger stark verschieben. Der Einkommensmedian besagt, dass 50% der Haushalte mehr und 50% der Haushalte weniger verdienen.
Die Untersuchungsgruppe
67
In der Armutsforschung wird häufig auf ein sozio-kulturelles Existenzminimum (im Gegensatz zu einem physischen Existenzminimum) Bezug genommen, welches „durch die jeweiligen historisch, politisch und materiell geprägten Werthaltungen einer Gesellschaft“ bestimmt ist (Hradil 2001, S. 244). So kann entsprechend der soziale oder regionale Kontext berücksichtigt werden. Diesem Ansatz wird beim Konzept der Armutsrisikoschwelle durch den Bezug auf das lokale Einkommensniveau Rechnung getragen. Die Definition und vor allem die Messbarkeit von Armut sind immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Debatten. Obwohl weitgehende Einigkeit herrscht, dass ein Einbezug der Gesamtsituation eines Haushalts mit Berücksichtigung seiner Handlungsmöglichkeiten (Lebenslageansatz) sinnvoll wäre, so beziehen sich die meisten empirischen Untersuchungen vor allem auf die ökonomische Leistungsfähigkeit (Ressourcenansatz), da diese leichter operationalisierbar ist. Dementsprechend ist die Festlegung einer relativen Armutsrisikoschwelle bei 60% umstritten, mangels alternativer Konzepte aber weit verbreitet (ebd., S. 243ff). Im Bewusstsein der Kritik und der unzureichenden Erfassung von Armut als hochkomplexes und subjektives Wirkgefüge mittels Grenzwerten, muss in Arbeiten wie dieser die Untersuchungsgruppe anhand eindeutiger Merkmale abgrenzbar sein und dementsprechend ein pragmatischer Weg für diese Abgrenzung gefunden werden. Ein valider Kritikpunkt an diesem Vorgehen ist sicherlich, dass sowohl bei der Operationalisierung von Armut beziehungsweise niedrigen Einkommen, als auch bei der Untersuchung des Mobilitätsverhaltens, wie es im Kontext dieser Arbeit der Fall ist, das Subjekt und dessen Perspektive im Vordergrund stehen sollte. Mit dem Bezug auf die Armutsrisikoschwelle kann diese Arbeit dieser Auffassung erst im zweiten Schritt, das heißt in den Gesprächen nach der erfolgten Auswahl der teilnehmenden Personen, Rechnung tragen. In Deutschland sind Vermögens- und Einkommensdaten kaum erfasst und es gibt keine öffentlichen oder für wissenschaftliche Zwecke nutzbaren Statistiken dazu. Die Angaben, auf die in dieser Arbeit Bezug genommen wird, stammen aus der Münchner Haushaltsbefragung aus dem Jahr 2010 (LHM 2011) und waren zu Beginn der Arbeit im Jahr 2014 die aktuellsten verfügbaren Zahlen. Es ist zu berücksichtigen, dass diese Daten aus einer freiwilligen Haushaltsbefragung stammen und somit nur ein ungefähres Bild der Einkommensverhältnisse liefern können. Weiter wurden im Rahmen der Haushaltsbefragung nur Münchner Haushalte befragt, der Untersuchungsraum dieser Arbeit geht hingegen, wie in Kapitel 3.1 dargestellt, teilweise über das Stadtgebiet der Landeshauptstadt hinaus.
68
Vorstellung des Untersuchungsgebietes
Zu Beginn des Forschungsprozesses wurden die Einkommensgrenzen der Untersuchungsgruppe dieser Arbeit analog der Armutsrisikogrenze festgelegt. Nach Gesprächen mit Sozialbetrieben und einer Schuldnerberatung wurde die Grenze jedoch auf 80% des lokalen Medianeinkommens erhöht (siehe Abbildung 08). Diese Entscheidung soll kurz erläutert werden. Menschen, die Leistungen nach SGB II oder SGB XII beziehen, bekommen in der Regel die Kosten der Unterkunft erstattet. Um eine Vergleichbarkeit mit den Befragten, die keine Leistungen beziehen herzustellen, müssen die gewährten Kosten der Unterkunft zum Einkommen hinzugezählt werden. Durch die hohen Mietpreise hat das zur Folge, dass sich für den Vergleichswert dadurch vergleichsweise hohe Beträge ergeben, obwohl den Befragten eigentlich nur der ALG II-Regelsatz zur Verfügung steht. Die aktuelle Kaltmietenobergrenze beträgt 642 Euro für einen Singlehaushalt (Jobcenter München 2017, S. 7). Wird diese zum aktuellen Regelsatz von 409 Euro eines Alleinstehenden addiert, ergibt sich ein Betrag von 1051 Euro (siehe Abbildung 09, der ALG IISatz reduziert sich bei einem Arbeitseinkommen entsprechend).
1400 € 1800 €
2000 €
2200 €
2400 €
2800 €
3200 €
Abbildung 08 Einkommensgrenzen in Abhängigkeit der Haushaltszusammensetzung
3600 €
Die Untersuchungsgruppe
69
1500 €
1000 €
500 €
0€ 0€
100 €
200 €
300 €
400 €
500 €
600 €
Vergleichswert bei Maximalmiete
ALG II
Haushaltsbudget
Arbeitsentgelt (ne�o wie bru�o)
Abbildung 09 Verfügbares Haushaltsbudget im ALG II - Bezug in Abhängigkeit eines Arbeitsentgelts unter Berücksichtigung der Kaltmietenobergrenze eines Singlehaushalts
Die befragten Expertinnen und Experten bestätigten, dass es unterhalb der 60%-Grenze kaum Haushalte gibt, insbesondere wenn diese einer regelmäßigen Beschäftigung nachgehen. In der Folge wurde entschieden, den Grenzwert auf 80% des lokalen Medianeinkommens zu erhöhen, um bei der Auswahl der Befragten etwas flexibler agieren zu können. Ziel der Arbeit war es nie, die „Ärmsten der Armen“ zu befragen, weshalb Themen wie Obdachlosigkeit von Anfang an ausgeklammert wurden, sondern Ziel war es immer auch, einkommensschwache Haushalte bei der Befragung miteinzubeziehen, die sich selber auf dem Wohnungsmarkt versorgen, weil sie beispielsweise knapp aus den Mechanismen der öffentlichen Sicherung fallen. Die nachfolgende Münchner Haushaltsbefragung wurde im Jahr 2016 durchgeführt (LHM 2016c). Hier konnte eine Steigerung des Einkommensniveaus festgestellt werden, so dass das Nettoäquivalenzeinkommen aktuell 2250 Euro beträgt. Die sich daraus ergebende Armutsrisikoschwelle für einen Singlehaushalt liegt bei 1350 Euro. Dieser Betrag entspricht, wie Tabelle 02 zeigt, demnach fast
70
Vorstellung des Untersuchungsgebietes
genau der auf den Daten von 2010 basierenden erhöhten 80%-Schwelle. Bei der Analyse der quantitativen WAM-Daten mussten die Grenzwerte wiederum leicht angepasst werden, da im Zuge der Erhebung nicht das genaue Haushaltseinkommen, sondern Einkommenskategorien abgefragt wurden. Der Grenzwert ist ebenfalls in Tabelle 02 abgebildet. Letztendlich ist das geschilderte Vorgehen aus wissenschaftlicher Sicht sicher nicht optimal, allerdings kann durchaus argumentiert werden, dass die Einkommensgrenzen in diesem Kontext eher grobe Richtwerte sind, um eine gewisse Vergleichbarkeit zwischen den befragten Haushalten sicherzustellen. Das individuelle Empfinden der Einkommenssituation hängt von weitergehenden Faktoren ab. Haushaltszusammensetzung
Median 2010
60% Median
80% Median
80% gerundet
WAMGrenze
Median 2016
60% Median
1667 €
1000 €
1334 €
1400 €
1500 €
2250 €
1350 €
2167 €
1300 €
1734 €
1800 €
2000 €
2925 €
1755 €
2501 €
1500 €
2000 €
2000 €
2000 €
3375 €
2025 €
2667 €
1600 €
2134 €
2200 €
2500 €
3600 €
2160 €
3001 €
1800 €
2400 €
2400 €
2500 €
4050 €
2430 €
3501 €
2100 €
2801 €
2800 €
3000 €
4725 €
2835 €
Tabelle 02 Übersicht über die verschiedenen Einkommensgrenzwerte in Abhängigkeit der Haushaltszusammensetzung
4.
WAM Wohnen Arbeiten Mobilität – Einblicke in Ergebnisse einer quantitativen Erhebung
Ergänzend zu den in Kapitel 3 zusammengefassten Erkenntnissen zur Lebenssituation einkommensschwacher Haushalte in München, werden anhand der quantitativen Daten aus der Studie WAM Wohnen Arbeiten Mobilität weitere Zusammenhänge aufgezeigt. Durch einen Vergleich dieser Erkenntnisse mit den Ergebnissen aus den qualitativen Interviews soll so ein möglichst umfassender Eindruck der Lebenssituation einkommensschwacher Haushalte gewonnen werden, welcher sowohl Elemente der makro- wie auch der mikroperspektivischen Ebene berücksichtigt. 4.1
Das Projekt WAM: Projekthintergrund und quantitativer Forschungsansatz
Das Projekt WAM Wohnen Arbeiten Mobilität – Veränderungsdynamik und Entwicklungsoptionen für die Metropolregion München (Thierstein et al. 2016) wurde vom Lehrstuhl für Raumentwicklung und der Professur für Siedlungsstruktur und Verkehrsplanung der Technischen Universität München bearbeitet. Ziel war es, Standortentscheidungen von privaten Haushalten und die sich verändernden räumlichen Entwicklungen im Untersuchungsgebiet besser zu verstehen und mit diesem Wissen Optionen für die zukünftige Entwicklung abzuleiten und zu diskutieren. Die Studie wurde von einem breiten Kreis an Partnern aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft finanziell und inhaltlich unterstützt. So waren beispielsweise die Landeshauptstadt München, die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) unter den Projektpartnern. Kernstück des von Frühjahr 2014 bis Februar 2016 laufenden Projektes war eine groß angelegte Onlinebefragung, welche über verschiedene Kanäle, insbesondere auch über die zahlreichen Projektpartner, beworben wurde. Die Ergebnisse der Befragung sind zwar nicht repräsentativ (Diekmann 2013, S. 521), dennoch können sie helfen die Standortentscheidungen privater Haushalte besser nachzuvollziehen. Das empirische Wissen über einkommensschwache Haushalte ist nicht sehr groß, daher wird die Möglichkeit genutzt, um im Rahmen der vorliegenden Arbeit einige ausgewählte Analysen der Antworten © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Sterzer, Wohnen und Mobilität im Kontext von Fremdbestimmung und Exklusion, Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-24622-8_4
74
WAM Wohnen Arbeiten Mobilität
einkommensschwacher Haushalte vorzustellen. Ziel ist es, mehr Hintergrundinformationen zur Untersuchungsgruppe zur Verfügung zu stellen und anhand der befragten Haushalte Hinweise auf spezifische Verhaltensmuster oder Herausforderungen zu erhalten. Die Studie ist eine Kombination aus Revealed and Stated Preferences Ansatz. Es werden also nicht nur grundsätzliche Präferenzen abgefragt, sondern über die Erfassung von verschiedenen Standorten die tatsächlich getroffenen Entscheidungen und damit einhergehende (Kosten-)Abwägungen nachvollzogen. An der gesamten Befragung haben 7302 Personen teilgenommen. Die Befragung richtete sich an Menschen in der Metropolregion München, die in den letzten drei Jahren ihren Wohn- oder Arbeitsstandort gewechselt haben. 1187 Personen davon erfüllen die haushaltsstrukturabhängigen Einkommensgrenzen, allerdings sind davon über 40% Studierende oder Auszubildende, die im Rahmen dieser Arbeit keine Berücksichtigung finden sollen. Weiter sind in dieser Arbeit nur Personen von Interesse, die ihren Wohnstandort gewechselt haben. Auch der räumliche Zuschnitt wird angepasst, da die Metropolregion München sehr groß und strukturell sehr unterschiedlich ist. Die in Kapitel 2.5 aufgeworfenen Fragen werden am Beispiel des Raums München untersucht. Allerdings kann der Münchner Wohnungsmarkt kaum von den umliegenden Gebieten abgekoppelt werden, da sonst insbesondere die Haushalte, die in München keine Wohnung finden, ausgeklammert werden. Gewählt werden daher Datensätze von Haushalten die entweder in München wohnen, vor ihrem Umzug dort gelebt haben oder Haushalte, die mindestens einen Suchstandort in München angeben. Die im Rahmen dieser Arbeit verwendete Vergleichsgruppe erfüllt also folgende Bedingungen: •
Umzug innerhalb der letzten drei Jahre
•
Keine Studierenden oder Auszubildenden
•
Räumlicher Bezug zur Landeshauptstadt München über den aktuellen oder ehemaligen Wohnort oder mindestens einen Suchstandort bei der Wohnungssuche im Stadtgebiet
Die einkommensschwachen Haushalte erfüllen darüber hinaus die von der Haushaltsstruktur abhängigen Einkommensgrenzen (siehe Kapitel 3.5). Danach ergeben sich für die Vergleichsgruppe 2917 Datensätze, wovon 256 Datensätze einkommensschwachen Haushalten zugeordnet werden können. Das entspricht einem Anteil von 8,8%. Damit sind einkommensschwache Haushalte wie in den
Das Projekt WAM: Projekthintergrund und quantitativer Forschungsansatz
75
meisten Befragungen deutlich unterrepräsentiert, durch die hohe Anzahl an Datensätzen insgesamt lassen sich aber dennoch einige Analysen für die Untersuchungsgruppe innerhalb der Vergleichsgruppe durchführen, ohne dass die Ergebnisse jedoch auf einkommensschwache Haushalte generell übertragbar sind.
Kreisgrenzen
Einkommenschwache Haushalte (n=256)
Gemeindegrenzen
Vergleichsgruppe (n=2.917)
Kartenbasis GeoBasis-DE BKG 2017
Gemeindefreies Gebiet
0
2,5
5
10 km
Abbildung 10 Wohnstandorte der Vergleichsgruppe, darin eingeschlossen die einkommensschwachen Befragten
In Abbildung 10 sind die Wohnstandorte der Befragten der Vergleichsgruppe dargestellt. Die Wohnstandorte der einkommensschwachen Haushalte sind dunkel dargestellt. Entsprechend der oben beschrieben Abgrenzung konzentrieren sich die Wohnstandorte der Befragten in München und den umliegenden Gemeinden. Die meisten Haushalte wohnen im Stadtgebiet München. In der Münchner Innenstadt sind die Befragten relativ gleichmäßig verteilt, während es zum Stadtrand hin weniger Befragte werden, was allerdings auch der Bevölkerungsdichte entspricht.Die Verteilung der Wohnstandorte außerhalb Münchens ist weniger
76
WAM Wohnen Arbeiten Mobilität
gleichmäßig und hängt zum Teil auch von der Bewerbungsintensität der Onlinebefragung beziehungsweise von den Projektpartnern ab. Grundsätzlich nimmt die Teilnehmendendichte mit zunehmender Entfernung zum Stadtgebiet München ab, teilweise liegen die Wohnstandorte außerhalb des gewählten Bildausschnitts. 4.2
Ausgewählte Ergebnisse aus der Befragung
Im Folgenden werden nun einige ausgewählte Ergebnisse vorgestellt. Im Fokus stehen hier die einkommensschwachen Teilnehmenden in der Vergleichsgruppe und der Vergleich mit dieser. Dabei wird zunächst auf die Zusammensetzung der Fälle eingegangen, bevor einige Hintergründe zum erfolgten Umzug, den räumlichen Anforderungen und der Verkehrsmittelwahl beschrieben werden. 4.2.1 Zusammensetzung des Samples: Einkommensschwache sind jünger als die Vergleichsgruppe Vorab wird kurz auf die Zusammensetzung der Vergleichsgruppe sowie der einkommensschwachen Haushalte innerhalb dieser eingegangen. Im Rahmen der Studie wurden Personen im erwerbsfähigen Alter befragt. In der Vergleichsgruppe dominieren Personen zwischen 30 und 39 Jahren stark. Die einkommensschwachen Befragten sind deutlich jünger, was bei der Interpretation der Analysen zu berücksichtigen ist. So ist insbesondere der Anteil der Befragten zwischen 18 und 24 Jahren sowie zwischen 25 und 29 Jahren um jeweils rund 11% höher (siehe Abbildung 11). Da Auszubildende und Studierende keinen Eingang in die Analysen finden, ist davon auszugehen, dass unter den einkommensschwachen Befragten viele Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger sind. In beiden Gruppen dominieren Befragte mit Hochschulabschluss deutlich, wenngleich der Anteil bei den Einkommensschwachen etwas weniger hoch ist. Bei der Haushaltszusammensetzung fällt auf, dass Haushalte mit zwei Erwachsenen in der Vergleichsgruppe sehr stark vertreten sind (siehe Abbildung 12). Es ist davon auszugehen, dass das überwiegend Doppelverdienerhaushalte ohne Kinder (DINKS, Double Income No Kids) sind. Von den einkommensschwachen Befragten leben deutlich mehr Personen alleine oder aber gemeinsam mit mehreren Erwachsenen in einem Haushalt ohne Kinder, so dass anzunehmen ist, dass hierunter viele junge Befragte vor der Familiengründung sind. Der Anteil Alleinerziehender ist zwar insgesamt nicht groß, ist aber unter den einkommensschwachen Befragten deutlich höher.
Ausgewählte Ergebnisse aus der Befragung
77
44,0%
45,0%
Einkommenschwache Haushalte (n = 256)
40,0%
Vergleichsgruppe (n = 2917)
35,0%
31,6%
30,5%
30,0% 25,0%
20,9%
20,0%
19,3%
16,9% 13,3%
15,0%
8,3%
10,0% 5,0%
4,7%
6,3% 2,0%
2,3%
0,0% 18-24 Jahre
25-29 Jahre
30-39 Jahre
40-49 Jahre
50-59 Jahre
60-69 Jahre
Abbildung 11 Alter der Befragten 50,0%
Einkommenschwache Haushalte (n = 256)
42,3%
Vergleichsgruppe (n = 2917)
40,0% 32,4% 30,0% 25,0%
23,6%
26,6%
27,0%
20,0% 12,1% 10,0% 1,0%
5,8%
3,5%
0,0% Ein/e Erwachsene/r
Ein/e Erwachsene/r mit Kind(ern)
Zwei Erwachsene
Abbildung 12 Haushaltszusammensetzung der Befragten
Zwei oder mehr Erwachsene mit Kindern
Mehr als zwei Erwachsene
78
WAM Wohnen Arbeiten Mobilität
4.2.2 Der Umzug erfolgt aufgrund einer Vergrößerung des Haushalts oder aus beruflichen Gründen Da der Umzug in der WAM-Untersuchung genauso wie in der vorliegenden Arbeit eine zentrale Rolle spielt, wurden die Befragten nach den Hauptgründen für ihren Umzug gefragt. Hier hatten die Befragten 24 Antwortmöglichkeiten zur Auswahl, wobei Mehrfachantworten möglich waren. Abbildung 13 und Abbildung 14 zeigen die Antworten der Untersuchungsgruppe und der Vergleichsgruppe in Form einer Netzwerkkarte. Die Größe der Knoten lässt auf die Häufigkeit der Nennung schließen. Intensität und Dicke der Kanten zwischen zwei Knoten sowie die Lage der Knoten zueinander geben an, wie häufig Gründe gemeinsam genannt wurden. Generell wirkt die obere Karte kompakter, da die Anzahl der einkommensschwachen Befragten deutlich geringer ist, als die der Vergleichsgruppe. Unabhängig vom Einkommen werden wohnungsbezogene Gründe und insbesondere die Wohnungsgröße in Verbindung mit mehr Personen im Haushalt am häufigsten genannt. Dabei ist deutlich erkennbar, dass die Wohnkosten bei den einkommensschwachen Befragten eine wichtigere Rolle spielen, wohingegen Eigentumsbildung bei den einkommensschwachen Haushalten deutlich weniger häufig gennannt wird. Berufsbezogene Gründe wie der Wechsel der Arbeit oder der Berufseinstieg nehmen einen höheren Stellenwert ein, was die Annahme bestätigt, dass es sich bei vielen einkommensschwachen Befragten um Berufseinsteigerinnen oder Berufseinsteiger beziehungsweise junge Beschäftigte handelt. In diesem Kontext rücken auch der Weg zur Arbeit sowie die Erreichbarkeit im öffentlichen Verkehr und die Mobilitätskosten in der oberen Karte deutlich weiter ins Zentrum und werden dementsprechend anteilig häufiger als Umzugsgrund genannt. Eine Vergrößerung des Haushalts dürfte vor allem von Familien oder Zweipersonenhaushalten als Umzugsgrund genannt werden, so dass die berufsbezogenen Gründe insbesondere bei den Singlehaushalten zum Tragen kommen.
Ausgewählte Ergebnisse aus der Befragung
79 Weniger Personen im Haushalt
Barrierefreiheit
Kündigung Eigentumsbildung Mehr Personen im Haushalt
Andere Gründe Mitzug
PKW-Freundlichkeit Berufsaufgabe
Wohnkosten Wohngegend
Wohnungsgröße
Wohnaussta�ung
Fahrradfreundlichkeit
Nähe soziales Umfeld
Wechsel der Arbeit
Weg zur Arbeit Berufseins�eg Mobilitätskosten
Fußgängerfreundlichkeit
Freizeit, Kultur & Gastronomie
Öffentlicher Verkehr
Schulen Einkauf Breitband Wohnung Wohnumfeld Mobilität Arbeit Sons�ge Gründe
Abbildung 13 Umzugsgründe der einkommensschwachen Befragten (n = 256, nach Bastian et al. 2009)
80
WAM Wohnen Arbeiten Mobilität Barrierefreiheit Fußgängerfreundlichkeit
Andere Gründe
Breitband Schulen
Eigentumsbildung Fahrradfreundlichkeit Mehr Personen im Haushalt
Wohnaussta�ung
Wohngegend Wohnungsgröße
PKW-Freundlichkeit
Wohnkosten
Einkauf
Nähe soziales Umfeld
Öffentlicher Verkehr Weg zur Arbeit Berufsaufgabe
Freizeit. Kultur& Gastronomie Wechsel der Arbeit
Mobilitätskosten
Kündigung Weniger Personen im Haushalt Berufseins�eg
Wohnung
Mitzug
Wohnumfeld Mobilität Arbeit Sons�ge Gründe
Abbildung 14 Umzugsgründe der Vergleichsgruppe (n = 2917, nach Bastian et al. 2009)
Ausgewählte Ergebnisse aus der Befragung
81
36,6%
Fortzug aus München
28,5% 22,2%
Zuzug nach München
28,5% 9,3%
Außerhalb Münchens
11,7% 31,9%
Innerhalb Münchens
31,3% 0,0%
5,0%
10,0%
15,0%
Einkommenschwache Haushalte (n = 256)
20,0%
25,0%
30,0%
35,0%
40,0%
Vergleichsgruppe (n = 2917)
Abbildung 15 Umzugsrichtung der Befragten
In Abbildung 15 sind die Umzugsrichtungen der Befragten zusammengefasst. Dabei lässt sich feststellen, dass es bei den Binnenumzügen innerhalb der Stadt München kaum Unterschiede gibt. Allerdings ziehen deutlich mehr einkommensschwache Befragte in die Stadt zu und deutlich weniger aus der Stadt fort. Das ist angesichts der höheren Mietpreise in der Stadt zunächst überraschend. Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Zuziehenden in vielen Fällen um Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger handelt, die aus beruflichen Gründen nach München zuziehen. In Kapitel 2.3.3 wurde bereits beschrieben, dass einkommensschwache Haushalte in vielen Fällen urbane Lagen bevorzugen. Gleichzeitig sind Wohnstandorte in suburbanen oder ländlichen Gebieten vor allem für Haushalte mit Kindern oder in der Expansionsphase attraktiv (BMVBS/BBR 2007, S. 46). Dennoch sind die großen Unterschiede bei Zu- und Fortzug bemerkenswert, da sie darauf hindeuten, dass einkommensschwache Haushalte sich in München nach wie vor mit Wohnraum versorgen können. Die in Abbildung 15 dargestellten Befragten, die außerhalb von München umgezogen sind, haben im Rahmen der Befragung mindestens eine Wohnstandortalternative in München angegeben und den Zuzug in die Stadt damit in Erwägung gezogen. Der Anteil derjenigen, denen das nicht gelungen ist, ist unter den einkommensschwachen Teilnehmenden geringfügig höher.
82
WAM Wohnen Arbeiten Mobilität
Öffentliches Verkehrsangebot (Nahverkehr) Einkauf / Dienstleistung (täglicher Bedarf ) Niedrige Wohnkosten Fußgängerfreundlichkeit Fahrradfreundlichkeit Wohngegend Wohnungsausstattung und -qualität Verfügbarkeit von Breitband-Internet Nähe Partner/in, Familie, Freunden, Bekannten Wohnungsgröße Attraktives Ortsbild Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen Pkw-Freundlichkeit andere Freizeitmöglichkeiten Kultureinrichtungen und Gastronomie Öffentliches Verkehrsangebot (Fernverkehr) Einkauf / Dienstleistung (langfristiger Bedarf ) Wohneigentum Barrierefreiheit 0%
20% Wichtig
Eher wichtig
40%
60% Eher unwichtig
80% unwichtig
100% Keine Angabe
Abbildung 16 Wohnstandortqualitäten nach Wichtigkeit Antworten der einkommensschwachen Befragten (n = 256)
4.2.3 Funktionale Ausstattung der Wohngegend ist wichtiger als qualitative Merkmale der Wohnung Die Haushalte wurden neben den Gründen für ihren Umzug auch nach ihren Anforderungen an einen Wohnstandort gefragt. Die Wohnstandortpräferenzen wurden mit folgender Frage erhoben: Welche dieser Qualitäten sind Ihnen an einem Wohnstandort wichtig? Die Teilnehmenden konnten 19 Wohnstandortqualitäten hinsichtlich ihrer Wichtigkeit bewerten. Über 90% der Befragten ist eine
Ausgewählte Ergebnisse aus der Befragung
83
Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr wichtig oder eher wichtig. Damit ist das öffentliche Verkehrsangebot am Wohnstandort die wichtigste Standorteigenschaft. Auch die Einkaufsmöglichkeiten des täglichen Bedarfs am Wohnstandort werden von über 90% der Befragten als wichtig oder eher wichtig erachtet. Weiter legen viele Befragte Wert auf ein fußgänger- und fahrradfreundliches Wohnumfeld. Kinderbetreuung und Schulen, Wohneigentum und Barrierefreiheit sind die Themen, die anteilig am häufigsten als unwichtig erachtet werden. Das hängt sicher mit der Struktur der Befragten zusammen, welche wie oben dargestellt vergleichsweise jung und in vielen Fällen kinderlos sind. Abbildung 16 zeigt die Antworten der einkommensschwachen Haushalte. Die Untersuchungsgruppe unterscheidet sich in den Angaben nicht wesentlich von der Vergleichsgruppe, lediglich bei vereinzelten Qualitäten liegen signifikante, wenn auch schwach korrelierende Unterschiede vor. Die Pkw- sowie die Fahrradfreundlichkeit des Wohnumfeldes polarisieren bei den einkommensschwachen Befragten etwas stärker. Weiter ist anteilig mehr einkommensschwachen Befragten ein fußgängerfreundliches Umfeld* wichtig, was dafür spricht, dass diese stärker nahräumlich orientiert sind. Erwartungsgemäß legen einkommensschwache Haushalte mehr Wert auf niedrige Wohnkosten, insgesamt ist dieser Aspekt auf Rang drei der wichtigsten Wohnstandortqualitäten. Die Bildung von Wohneigentum hingegen hat bei den einkommensschwachen Befragten einen geringeren Stellenwert als bei der Vergleichsgruppe. Die Barrierefreiheit spielt für einkommensschwache Haushalte eine geringfügig bedeutendere Rolle, was sicherlich darauf zurückzuführen ist, dass finanzielle und körperliche Einschränkungen häufig zusammenfallen. Insgesamt legen einkommensschwache Haushalte weniger Wert auf Wohnungsausstattung und -qualität sowie qualitative Merkmale der Wohngegend oder ein attraktives Ortsbild. Diese Erkenntnisse decken sich auch mit den Ergebnissen von Thierstein et al. (2013, S. 102). Die geschilderten Zusammenhänge spiegeln eine Abwägung finanzieller und qualitativer Merkmale wider, deren Entscheidung bei einkommensschwachen Haushalten entsprechend häufiger zugunsten finanzieller Aspekte ausfällt und das obwohl in der beschriebenen Abfrage keine Abwägung einzelner Qualitäten zueinander gefordert wird. Vielmehr scheinen einige der Befragten diese Abwägung schon weitgehend verinnerlicht zu haben.
84
WAM Wohnen Arbeiten Mobilität
100%
1,5% 3,0% 1,5% 4,5%
3,8%
4,3%
7,7%
5,3% 7,9%
16,7%
17,4%
80%
Einkommenschwache Haushalte (n = 208)
15,8%
25,8%
16,7% 21,7% 50,0%
60%
40%
28,9%
50,0%
43,9% 45,7% 34,2%
26,9%
20% 19,7% 11,5%
2,2%
0% 1 100%
8,7%
2,2% 4,5%
2
1,5% 4,8%
3 4,0%
2,6%
16,7%
5,3%
4
5
8,3%
11,1%
10,8%
Haushaltsgröße
Vergleichsgruppe (n= 2691)
14,7%
80%
19,5%
18,8% 30,6% 22,7%
34,1%
60% 40,3%
42,3%
Keine Angabe < 200 m²
40%
38,0%
27,3%
48,6%
151 bis 200 m² 101 bis 150 m² 81 bis 100 m²
20%
18,8%
26,2%
15,5%
41 bis 60 m²
20,0% 8,6%
0%
6,5%
2,3%
61 bis 80 m²
2,6%
8,3%
1,2%
26 bis 40 m² < 25 m²
1,5% 1,4%
Abbildung 17 Wohnungsgröße der Befragten in Abhängigkeit der Haushaltsgröße
Ausgewählte Ergebnisse aus der Befragung 100%
1,6% 3,3%
8,5%
9,4%
Einkommenschwache Haushalte
12,5%
9,8%
25,0%
(n = 169)
17,0%
80%
60%
85
25,0%
25,0%
25,0%
47,5%
46,8% 40,6% 41,7%
40%
20%
25,0%
27,9% 23,4%
9,8%
0% 1 100%
18,8%
12,5%
25,0%
4,2%
2,1% 2,1%
6,3%
2
3
4
1,2% 2,7%
3,8% 3,1%
10,9%
6,9%
4,2%
5
1,2% 2,6%
1,5%
6,3%
6,7%
14,8%
80% 27,7%
Haushaltsgröße
Vergleichsgruppe 11,8%
(n= 1924)
11,8% 21,8%
24,5%
27,7%
60%
41,2% 30,4%
40%
Keine Angabe
25,2%
> 2.500 € 2.001 bis 2.500 €
43,3%
1.501 bis 2.000 € 33,9%
17,6%
21,4%
20% 12,5%
0%
15,7%
5,9%
12,6% 9,4% 2,3% 2,1%
7,0% 2,7% 1,2%
5,0% 2,5%
5,9%
1.251 bis 1.500 € 1.001 bis 1.250 € 751 bis 1.000 € 501 bis 750 €
8,8%
350 bis 500 €
2,9%
< 350 €
Abbildung 18 Mietkosten der Befragten in Abhängigkeit der Haushaltsgröße
86
WAM Wohnen Arbeiten Mobilität
Betrachtet man die aktuelle Wohnsituation der Befragten ergeben sich deutliche Unterschiede zwischen den einkommensschwachen Haushalten und der Vergleichsgruppe. Die Abbildungen 17 und 18 zeigen die verfügbaren Quadratmeter beziehungsweise die Mietkosten in Abhängigkeit von der Haushaltsgröße. Die einkommensschwachen Befragten haben deutlich weniger Wohnfläche als die Vergleichsgruppe zur Verfügung. Insgesamt nimmt mit der Haushaltsgröße auch die absolute Wohnfläche zu. Der Anstieg ist bei der Vergleichsgruppe jedoch deutlich steiler als bei den einkommensschwachen Befragten. Insbesondere der Anteil an Wohnungen mit über 150 Quadratmetern ist bei der Vergleichsgruppe sehr viel weiter verbreitet. Damit ist vor allem bei den größeren Haushalten der Vergleichsgruppe nicht nur die absolute Wohnfläche deutlich höher, sondern auch die verfügbaren Quadratmeter pro Person. Bei den einkommensschwachen Singlehaushalten fällt ein hoher Anteil an Kleinstwohnungen auf: Fast 20% wohnen in Wohnungen mit weniger als 25 Quadratmetern, über 60% wohnen in einer Wohnung mit weniger als 40 Quadratmetern. Bei der Vergleichsgruppe sind das nur rund halb so viele. Die beschriebenen Unterschiede spiegeln sich auch in den Wohnkosten wider, so dass die einkommensschwachen Befragten entsprechend auch weniger zahlen. Das bestätigt die Annahme, dass Einkommensschwache ihre absoluten Wohnkosten unter anderem über die Wohnungsgröße regulieren. Ein Großteil der Befragten der Vergleichsgruppe wohnt zur Miete, bei den einkommensschwachen Haushalten ist dieser Anteil noch etwas höher. Abbildung 18 bezieht sich daher nur auf die Wohnkosten der Haushalte, die zur Miete leben. 4.2.4 Unterschiedliche Verkehrsmittel für unterschiedliche Wegezwecke Abbildung 19 zeigt die Pkw-Ausstattung der teilnehmenden Haushalte. Der Anteil der einkommensschwachen Befragten ohne Möglichkeit der Pkw-Nutzung ist deutlich höher, was sich auch in der Verkehrsmittelnutzung widerspiegelt (siehe unten). Hinsichtlich der Nutzung von CarSharing ist der Anteil ausgeglichen, was allerdings im Widerspruch zu anderen Erhebungen steht (Schreier et al. 2015, S. 36). Möglicherweise hängt das mit der Altersstruktur der Befragten zusammen. Die Teilnehmenden werden nach ihrem Hauptverkehrsmittel für einzelne Wegezwecke gefragt. In den Abbildungen 21 bis 23 ist der Modal Split jeweils für die einkommensschwachen Befragten und die Vergleichsgruppe vor und nach dem Umzug dargestellt. Dabei fällt auf, dass sich die Verkehrsmittelnutzung vor allem für unterschiedliche Wegezwecke stark unterscheidet. Dabei scheint das
Ausgewählte Ergebnisse aus der Befragung
87
Einkommen aber keinen sehr großen Einfluss zu haben. Generell ist der Anteil des motorisierten Individualverkehrs bei den Einkommensschwachen immer geringfügig kleiner als bei der Vergleichsgruppe, im Bereich Freizeit ist der Unterschied mit fast 10% besonders ausgeprägt. Der Anteil der Befragten, der nach dem Umzug von einem anderen Verkehrsmittel zum motorisierten Individualverkehr wechselt, ist unabhängig von Verkehrsmittel und Wegezweck bei der Vergleichsgruppe höher als bei den einkommensschwachen Befragten. Das entspricht dem Umstand, dass anteilig mehr Befragte der Vergleichsgruppe von der Stadt in das Umland ziehen. Der Anteil der Fahrradfahrenden ist bei den einkommensschwachen Haushalten hingegen höher. Das kann auch dazu beitragen, dass die Mobilitätskosten insgesamt bei den einkommensschwachen Haushalten niedriger sind, als bei der Vergleichsgruppe (siehe Abbildung 20).
56,5%
ja, jederzeit (Privat-Pkw)
48,0% 5,9%
ja, jederzeit (Dienstwagen)
1,2% 10,9%
ja, nach Absprache
9,8% 6,0%
ja, ich nutze Car Sharing
6,3% 19,7%
nein
32,4% 1,0%
Keine Angabe
2,3% 0,0%
10,0%
20,0%
Einkommenschwache Haushalte (n = 256)
Abbildung 19 Pkw-Ausstattung der Befragten
30,0%
40,0%
50,0%
Vergleichsgruppe (n = 2917)
60,0%
88
100%
WAM Wohnen Arbeiten Mobilität
0,8%
1,5% Keine Angabe
3,1%
5,5%
3,5% 90%
3,1%
4,0%
7,8%
6,1% 9,6%
76 bis 100 € 26 bis 50 €
70% 13,2% 16,0% 16,3%
50%
23,0% 21,1%
30%
20%
151 bis 200 €
51 bis 75 €
14,1%
40%
251 bis 300 € 201 bis 250 € 101 bis 150 €
80%
60%
> 300 €
16,8% 13,8%
10% 11,7%
8,7%
0% Einkommensschwache Haushalte (n = 256)
Vergleichsgruppe (n = 2917)
Abbildung 20 Mobilitätskosten der Befragten
< 25 €
Ausgewählte Ergebnisse aus der Befragung
89
Bei den Arbeitswegen (siehe Abbildung 21) dominiert bei beiden Gruppen der öffentliche Verkehr, fast die Hälfte der Befragten nutzt diesen für den Weg zur Arbeit. Der Anteil erhöht sich nach dem Umzug noch, bei den einkommensschwachen Befragten geringfügig mehr. Das geht vor allem zu Lasten des Fuß- und Radverkehrs. Während die MIV-Nutzung insgesamt fast unverändert ist, so ist bei den Einkommensschwachen eine abnehmende und bei der Vergleichsgruppe eine zunehmende Tendenz zu verzeichnen. Bei Wegen zum Einkaufen (siehe Abbildung 22) dominiert ganz deutlich der Fußverkehr. Die einkommensschwachen Haushalte konnten den Anteil des Fußund Radverkehrs deutlich ausbauen, während er sich bei der Vergleichsgruppe wenig verändert hat. Deutliche Unterschiede gibt es nach dem Umzug vor allem bei der Nutzung des motorisierten Individualverkehrs, welcher bei der Vergleichsgruppe deutlich höher ist. Während er bei der Vergleichsgruppe im Zuge des Umzugs gestiegen ist, ist er bei den einkommensschwachen Haushalten deutlich gesunken. Der öffentliche Verkehr scheint bei Einkaufswegen nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Insgesamt zeigt Abbildung 22 die größte Dynamik, das heißt, selbst wenn es sich im absoluten Vorher-Nachher-Vergleich nicht so stark ausprägt, wechseln viele Haushalte das Verkehrsmittel. Im Freizeitverkehr (siehe Abbildung 23) ist die Verkehrsmittelnutzung am unterschiedlichsten, sowohl der motorisierte Individualverkehr, als auch öffentlicher Verkehr und Radverkehr spielen hier eine große Rolle. Bei vielen Haushalten ändert sich das Hauptverkehrsmittel für Freizeitwege durch den Umzug nicht, was dafür spricht, dass die Haushalte nach dem Umzug den gleichen Freizeitaktivitäten nachgehen wie vorher. Bei der Vergleichsgruppe ist auch hier der Anteil des motorisierten Individualverkehrs deutlich höher und steigt nach dem Umzug noch. Entsprechend ist der Anteil des Fuß- und Radverkehrs sowie des öffentlichen Verkehrs bei den einkommensschwachen Haushalten höher. Auffällig ist dabei ein vergleichsweise großer Anteil an Haushalten, die vom öffentlichen Verkehr zum Fußverkehr wechseln und dementsprechend ihre Freizeit nach dem Umzug offenbar vor allem im Wohnumfeld verbringen.
90
WAM Wohnen Arbeiten Mobilität Zu Fuß 3,0 %
Zu Fuß 6,5 %
Fahrrad 16,6 %
Fahrrad 18,6 %
ÖV 53,3 %
ÖV 46,7 %
MIV 28,1 %
MIV 27,1 %
Zu Fuß 3,3 %
Zu Fuß 6,7 %
Fahrrad 14,4 % Fahrrad 16,5 %
ÖV 50,5 %
ÖV 46,3 %
MIV 31,8 %
MIV 30,4 %
n = 199
n = 2576
Abbildung 21 Veränderung der Verkehrsmittelnutzung auf dem Weg zur Arbeit (links: Einkommenschwache Haushalte, rechts: Vergleichsgruppe, nach Mauri et al. 2017)
Zu Fuß 34,3 %
Zu Fuß 38,6 %
Fahrrad 20,6 %
Fahrrad 23,2 %
Zu Fuß 37,0 %
Zu Fuß 37,7 %
Fahrrad 16,8 %
Fahrrad 17,2 %
ÖV 7,0 %
ÖV 10,1 %
ÖV 11,6 % ÖV 10,7 %
MIV 33,5 %
MIV 27,5 %
n = 233
MIV 39,2 %
MIV 35,0 %
n = 2643
Abbildung 22 Veränderung der Verkehrsmittelnutzung für Einkaufswege des täglichen Bedarfs (links: Einkommenschwache Haushalte, rechts: Vergleichsgruppe, nach Mauri et al. 2017)
Zu Fuß 9,9 %
Zu Fuß 11,1 %
Fahrrad 29,8 %
Fahrrad 28,2 %
Zu Fuß 7,3 %
Zu Fuß 7,3 %
Fahrrad 22,7 %
Fahrrad 24,7 %
ÖV 29,0 %
ÖV 31,0 % ÖV 33,2 %
ÖV 32,6 %
MIV 27,6 %
MIV 27,6 %
n = 181
MIV 41,0 %
MIV 37,0 %
n = 2095
5.
Methodisches Vorgehen: Qualitativer Forschungsansatz
Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht ein qualitativer Forschungsansatz. Dieser scheint geeignet, um die aufgeworfenen Fragen angemessen und nachvollziehbar zu beantworten. Qualitative Forschung ist durch eine Fallbetrachtung statt der Analyse einer repräsentativen Stichprobe gekennzeichnet. Ziel ist es nicht allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten herzuleiten, sondern vielmehr von einzelnen Fällen auf übertragbare Aussagen zu schließen. Waren qualitative Methoden in den klassischen Verkehrswissenschaften lange Zeit eher unüblich, so kann in den vergangenen Jahren eine zunehmende Verbreitung qualitativer oder kombinierter Ansätze beobachtet werden. Beispielhaft sind Næss (2004), Beckmann et al. (2006), Deffner (2009), Wilde (2014b) oder auch Leben (2016) zu nennen. Als Grund können unter anderem verschiedene Forschungszugänge genannt werden: Während Forschende aus den Planungswissenschaften häufig praxis- und problemlösungsorientiert arbeiten, um Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger zu entwerfen, stehen bei Forschenden aus den Sozialwissenschaften eher erkenntnisorientierte Ansätze im Vordergrund (Deffner 2009, S. 56; Wilde 2014b, S. 16). Dementsprechend unterscheidet sich bereits die Art und Weise wie Forschungsfragen gestellt werden und die Zielrichtung der Forschungsarbeit. Bestehende Arbeiten zeigen den Mehrwert, der durch trans- und interdisziplinäre Ansätze generiert werden kann. In diesem Sinne, soll auch die vorliegende Arbeit vorhandenes Wissen ergänzen, in dem sie die Befragten und deren Sichtweisen explizit in den Fokus setzt und so zu einem tiefergehenden Verständnis der Wirkzusammenhänge im Spannungsfeld Wohnen, Mobilität und Einkommen beiträgt. Ziel ist es, die Herausforderungen, denen einkommensschwache Haushalte im Zusammenhang mit räumlicher Mobilität gegenüberstehen und deren individuelle Entscheidungsprozesse nachzuvollziehen. Dabei geht es vor allem um die subjektive Wahrnehmung der Befragten. So soll ein tiefergehendes Verständnis für deren Handlungsspielräume und bestehende Restriktionen bei der Wohnstandortwahl sowie in Bezug auf deren Alltagsorganisation entwickelt werden. Dabei ist es wichtig, die Befragten in den Mittelpunkt der Erhebung zu stellen und ihnen genügend Raum zu geben, um ihre subjektive Perspektive einzubringen. Das soll dazu beitragen, die zugrundliegenden Entscheidungsmotive und © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Sterzer, Wohnen und Mobilität im Kontext von Fremdbestimmung und Exklusion, Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-24622-8_5
94
WAM Wohnen Arbeiten Mobilität
Abwägungsprozesse der Befragten zu begreifen. Die Erkenntnisse sollen helfen, das Handeln einkommensschwacher Haushalte nachzuvollziehen und deren Sichtweisen in aktuelle wissenschaftliche und planerische Diskurse einfließen zu lassen. Die in Kapitel 2.5 dargelegte Forschungsfrage und zugrundeliegende Annahmen zeigen neben der Orientierung am Subjekt auch deren explorative Ausrichtung. Einkommensschwache Gruppen sind in vielen, insbesondere quantitativen Studien, unterrepräsentiert. Um diese Gruppen zu erreichen, bedarf es also anderer Ansätze. Diesem Umstand ist es unter anderem geschuldet, dass es vergleichsweise wenig Erkenntnisse über die spezifischen Herausforderungen von einkommensschwachen Gruppen gibt. Ziel ist es daher, detaillierte Einblicke in individuelle Entscheidungsmuster und deren Auswirkungen auf die Alltagsgestaltung der Befragten zu bekommen. Da das Verhalten immer situations- und kontextabhängig ist, ist eine Einbeziehung des Gesamtkontextes, das heißt der Lebenssituation der Befragten, zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen unerlässlich (Flick et al. 2015, S. 23). Um die erwähnten Zusammenhänge und insbesondere die Perspektive der Betroffenen tiefergehend zu untersuchen, eignet sich ein qualitativer Forschungsansatz durch seine Offenheit gegenüber dem „Unbekannte[n] im scheinbar Bekannten“ in besonderem Maße (ebd., S. 17). Ziel dieses Kapitels ist es, Vorgehen und Methoden offenzulegen, um eine Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Dabei wird zunächst auf die Problemzentrierten Interviews eingegangen, bevor deren Auswertung mittels Qualitativer Inhaltsanalyse erläutert wird. Im Rahmen der Interviews kommen Narrative Karten zum Einsatz, deren Konzept ebenfalls vorgestellt wird. Anschließend wird die Datenerhebung, das heißt die Akquise der Teilnehmenden, der Ablauf der Interviews und die Aufbereitung des Materials erläutert sowie ein Überblick über die einzelnen Fälle gegeben. 5.1
Das Problemzentrierte Interview
Persönliche Motivlagen wie auch Wirkungszusammenhänge zwischen Anforderungen und Verhalten lassen sich gut mittels Interviews erfassen. Als Erhebungsmethode wird das Problemzentrierte Interview (PZI) nach Witzel (2000) gewählt. Das Problemzentrierte Interview zeichnet sich durch das Auflösen des vermeintlichen Widerspruchs zwischen dem qualitativen Paradigma der Offenheit und theoriegeneriertem Vorwissen aus. So dient das Vorwissen als Gesprächsrahmen, in welchem die Befragten zu Erzählungen mit individueller Schwerpunktsetzung angeregt werden. Witzel definiert drei Grundpositionen des Problemzentrierten Interviews:
Das Problemzentrierte Interview
95
•
Die Problemzentrierung grenzt den Themenbereich des Interviews auf die für die Forschungsfrage relevante Problemstellung ein. Dabei ist es das Ziel der oder des Forschenden, die Schilderungen verstehend nachzuvollziehen und entsprechende Rückfragen zu stellen.
•
Die Gegenstandsorientierung beschreibt die Ausrichtung der Methode am untersuchten Gegenstand. Dementsprechend wird der variable Einsatz von Gesprächstechniken empfohlen.
•
Die Prozessorientierung betont die Bedeutung einer möglichst natürlichen und ungezwungenen Gesprächsatmosphäre, die ein vertrauensvolles und offenes Erzählen ermöglicht (Witzel 2000, S. 2f).
Die Befragten werden als Expertinnen und Experten ihrer individuellen Lebenssituation gesehen, es geht also nicht darum Faktenwissen zu generieren, sondern darum die Meinung der Befragten und ihr Handeln nachzuvollziehen (ebd., S. 5). Die Gespräche werden mittels eines Leitfadens geführt. So ist sichergestellt, dass alle relevanten Themen in vergleichbarer Form angesprochen werden und dennoch ist eine flexible Gesprächsführung möglich. Leitfadendesign Für den Leitfaden werden die Forschungsfragen in Form von offenen, verständlichen und die Teilnehmenden konkret betreffenden Fragen operationalisiert. Der Leitfaden gliedert sich in fünf thematische Blöcke: •
Suchprozess und Wohnungsmarkt
•
Wohnstandort
•
Mobilitätsverhalten und Aktivitäten (mit Narrativen Karten, siehe Kapitel 5.3.)
•
Vorheriger Wohnstandort
•
Vorheriges Mobilitätsverhalten und Aktivitäten
Im Interview nehmen die ersten drei Blöcke den größten Raum ein, da hier ein „Kennenlernen“ und eine Gewöhnung an die Interviewsituation stattfindet. In jedem Block gibt es eine bis vier feste Fragen, die auch in Abhängigkeit der Ausführlichkeit der Antwort situativ ergänzt werden. Im Leitfaden ist eine Kontrollspalte mit Themen, die angesprochen werden sollten und bei denen gegebenenfalls
96
Methodisches Vorgehen: Qualitativer Forschungsansatz
nachgehakt wird, integriert. Neben den problemorientierten Fragen, besteht der Fragebogen aus erzählgenerierenden Fragen, um eine Kontextualisierung der Schilderungen zu ermöglichen. Zwischen- und Verständnisfragen werden gestellt, soweit sie den Erzählfluss nicht stören. Die Befragten werden mit unterstützenden Kommentaren oder Gesten zum Erzählen ermutigt, generell wird versucht eine möglichst natürliche Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Zum Einstieg werden die Teilnehmenden gebeten kurz etwas über sich und ihre aktuelle Lebenssituation beziehungsweise zu dem erfolgten Umzug zu erzählen. Am Ende der Interviews wird den Teilnehmenden mit einer offenen Fragen nach sonstigen Ergänzungen die Möglichkeit geben, eigene Aspekte oder Details einzubringen oder aus ihrer Sicht besonders wichtige Aspekte noch einmal zu bekräftigen. Vor den ersten Interviews wurde das Erhebungsdesign mit einem Pretest getestet. Hierzu wurden drei Probeinterviews geführt, woraufhin der Leitfaden noch einmal geringfügig angepasst wurde, um die Verständlichkeit der Fragen sicherzustellen. Die Interviews werden jeweils durch einen Kurzfragebogen ergänzt, indem die wichtigsten soziodemographischen Daten festgehalten werden. Es war ursprünglich vorgesehen, diesen am Ende der Interviews gemeinsam durchzugehen, um die Gesprächsatmosphäre vorher durch das bloße Abfragen von Daten nicht zu stören und gleichzeitig sicherzugehen, dass die wichtigsten soziodemographischen Rahmendaten festgehalten sind. Bei der Durchführung der Interviews zeigte sich allerdings, dass die meisten Daten bereits aus dem Gespräch hervorgehen, so dass der Fragebogen am Ende der Interviews nur kurz genutzt wird, um zu kontrollieren, ob alle relevanten Informationen im Gespräch erwähnt wurden. Das Problemzentrierte Interview kombiniert entsprechend Elemente des Narrativen Interviews, des Leitfadeninterviews und durch den Kurzfragenbogen auch Teile der standardisierten Datenerhebung. Direkt nach dem Interview wird jeweils ein Postkript erstellt. In einer dafür erstellten Vorlage werden Bemerkungen zur Gesprächsatmosphäre, zur Erzählbereitschaft, zu Gesprächen vor und nach der Audioaufzeichnung, zu eventuellen Störungen oder sonstigen Besonderheiten festgehalten (Friebertshäuser und Langer 2013, S. 451). Alle Interviews werden mittels Audioaufnahme aufgezeichnet und im Anschluss vollständig transkribiert, um eine detaillierte Grundlage für die weiteren Auswertungen zu haben.
Auswertung mittels Qualitativer Inhaltsanalyse
5.2
97
Auswertung mittels Qualitativer Inhaltsanalyse
Bei der Auswertung der Interviews wird sich an der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) und Kuckartz (2014) orientiert, wobei Kuckartz sich in seinen Ausführungen auf Mayring bezieht. Die Qualitative Inhaltsanalyse eignet sich besonders zur Auswertung von leitfadengestützten Interviews und wird dem Forschungsinteresse auch durch ihren strukturierten und regelgeleiteten Charakter gerecht. Die Interviews entsprechen einem explorativen Ansatz, dem keine abgeschlossene zu testende Theorie zugrundliegt, sondern der sich am Forschungsgegenstand orientiert und gleichzeitig von diesem begrenzt wird. Ziel ist es, Zusammenhänge aus dem Material herauszuarbeiten. Die verwendete Auswertungsmethode muss von der oder dem Forschenden darüber hinaus auch in angemessenem Zeit- und Arbeitsaufwand erlern- und durchführbar sein. Um eine methodisch möglichst stimmige Auswertung zu gewährleisten, wurden von der Autorin mehrere Kurse und Workshops (unter anderem das Berliner Methodentreffen und ein Kurs zu qualitativen Interviews des Instituts für Qualitative Forschung in Berlin) besucht. Die für qualitative Forschung häufig als essentiell angesehene diskursive Validierung im Forschungsteam kann aus forschungspraktischen Gründen nur bedingt, das heißt hauptsächlich über die Präsentation und Diskussion in verschiedenen Forschungskolloquia realisiert werden. Die Analyse wird computergestützt mit dem Programm MaxQDA 12 durchgeführt, wobei das Programm vor allem dabei hilft das Material zu sortieren und den Überblick im Kodierprozess zu behalten (Kuckartz und Grunenberg 2013). Über ein Text-Retrieval ist es möglich sich nur ausgesuchte Textsemente anzeigen zu lassen und diese gegenüberzustellen. Weiter ist es über das Programm möglich Notizen, Memos oder sonstige ergänzende Informationen einzelnen Fällen, Textpassagen oder erstellten Kategorien zuzuordnen. Es gibt eine Vielzahl von modifizierten Varianten der Qualitativen Inhaltsanalyse, letztendlich muss die Analyse gegenstandsangemessen und vor allem transparent und nachvollziehbar sein. Um das zu gewährleisten werden die einzelnen Analyseschritte im Folgenden genauer dargestellt. Schreier (2014, S. 3) definiert folgende grundlegende Merkmale einer Qualitativen Inhaltsanalyse, auf die sich im Rahmen der Auswertungen bezogen wird:
98
Methodisches Vorgehen: Qualitativer Forschungsansatz
•
Kategorienorientierung, das heißt Textstellen mit für die Forschungsfragen relevanten Bedeutungen werden Kategorien zugewiesen, mindestens ein Teil dieser Kategorien wird am Material entwickelt, um so die Ausrichtung des Kategoriensystems am Material sicherzustellen.
•
Interpretatives Vorgehen sowohl bei der Erstellung, wie auch bei der Zuordnung der Kategorien, dabei erfolgt der Einbezug latenter Bedeutungen, das heißt Bedeutungen, die sich aus dem Kontext ergeben.
•
Systematisches, regelgeleitetes Vorgehen, welches sich an Reliabilität und Validität gleichermaßen orientiert.
Als Ausgangsbasis wird die inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse nach Mayring (2010, S. 98) gewählt. Das Verfahren dient dazu das Material auf bestimmte Themen hin zu untersuchen, diese herauszufiltern und systematisch zu beschreiben. Verschiedene Themen werden in Form eines Kategoriensystems organisiert. Während Mayring sich in seinen Ausführungen überwiegend auf eine deduktive Vorgehensweise stützt, so schlagen Kuckartz (2014, S. 69), wie auch Schreier (2014, S. 3), explizit ein gemischt deduktiv-induktives Vorgehen vor, welches auch in dieser Arbeit angewendet wird. Die Auswertung der Interviews gliedert sich in zwei Phasen: Zunächst wird mit der Kodierung von Textpassagen das gesamte Interviewmaterial verdichtet und sortiert, hierbei wird die thematische Trennung der drei Hauptkategorien, die sich aus dem Leitfaden ergeben, weitestgehend beibehalten. Im nächsten Schritt werden zentrale, sowohl fall- als auch themenübergreifende Kategorien gebildet. In einem ersten Materialdurchgang werden Textpassagen deduktiv folgenden thematischen Hauptkategorien aus dem Leitfaden zugeordnet: •
Herausforderung Wohnungsmarkt und Möglichkeiten der Marktpartizipation: Aussagen zum Wohnungsmarkt und zu persönlichen Einflussmöglichkeiten auf die aktuelle Wohnlage, Wohnungssuche und -fund, Bewertung der aktuellen Wohnsituation
•
Räumliche Anforderungen: Aussagen zu räumlichen Merkmalen oder zu einzelnen Teilräumen, Anforderungen an den Wohnort oder Beschreibungen von Orten, unabhängig von der Bewertung
•
Mobilität, Aktivität und Erreichbarkeit von Zielen: Aussagen zu den Themen Mobilität, Erreichbarkeit und Verkehrsinfrastruktur, insbesondere im Hinblick auf Veränderungen oder Probleme
Auswertung mittels Qualitativer Inhaltsanalyse
99
In allen drei Bereichen werden induktiv Unterkategorien aus dem Material herausgearbeitet. Diese werden über ein zirkuläres Vorgehen in weiteren Materialdurchgängen mehrfach überarbeitet, angepasst und schließlich teilweise zusammengefasst. Einzelne Textsegmente können dabei mehreren Kategorien zugeordnet werden, zum Teil können diese Stellen bereits als Indiz für themenübergreifende Querbezüge gewertet werden. Folgende Schritte wurden im Zuge der Auswertung durchlaufen: 1. Schritt:
Bestimmung der Analyseeinheit (entspricht einem Interview)
2. Schritt:
Festlegung der inhaltlichen Hauptkategorien (deduktiv), orientiert am Leitfaden (s.o.)
3. Schritt:
Bestimmung der Ausprägung, Zusammenstellung der deskriptiven Unterkategorien (induktiv) bzw. offenes Kodieren bei der themenübergreifenden Betrachtung (induktiv)
4. Schritt:
Formulierung von Definitionen, Ankerbeispielen, Kodierregeln
5. Schritt:
Materialdurchlauf: Fundstellenkennzeichnung
6. Schritt:
Materialdurchlauf: Bearbeitung und Extraktion der Fundstellen
7. Schritt:
Überarbeitung, Revision von Kategoriensystem/-definitionen (ggf. zurück zu Schritt 3)
8. Schritt:
Paraphrasierung des kodierten Materials
9. Schritt:
Zusammenfassung und Interpretation jeder Kategorie
10. Schritt:
Zusammenfassung und Interpretation jeder Hauptkategorie
11. Schritt:
Ergebnisdarstellung und Zusammenführung
(Ablaufmodell inhaltlicher Strukturierung angelehnt an Mayring (2010, S. 93 bzw. 99)) Parallel erfolgen Falldarstellungen für jede Befragte und jeden Befragten, diese entsprechen einer Zusammenfassung, um Textpassagen in einen fallbezogenen Gesamtzusammenhang setzen zu können. Weiter werden Fallvariablen in einer tabellarischen Übersicht erfasst und gegenübergestellt (Kuckartz 2014, S. 55). Fortlaufend zur Analyse werden Memos erstellt, um Auffälligkeiten oder Ideen festzuhalten. Bis zu diesem Punkt erfolgte Auswertungen orientieren sich stark an einzelnen Fällen oder Themen und sind tendenziell deskriptiv geprägt. Aufgrund des explorativen Charakters dieser Arbeit und dem wenigen Wissen über den Forschungsgegenstand ist eine Analyse der Ausgangssituation der Untersuchungsgruppe
100
Methodisches Vorgehen: Qualitativer Forschungsansatz
wichtig, um weitergehende Erkenntnisse einordnen zu können. Diese Ergebnisse werden in Kapitel 6.1 bis 6.4 dargelegt. Dabei folgt die Gliederung der Ergebnisdarstellung weitgehend den dargestellten thematischen Hauptkategorien, ergänzt durch Kapitel 6.3, welches sich dem Einbettungsprozess am neuen Wohnstandort widmet. Ziel der Arbeit ist es, darüber hinaus insbesondere die Wirkzusammenhänge zwischen den thematischen Hauptkategorien näher zu betrachten. Daher werden anschließend themenübergreifend die in Hinblick auf die Forschungsfragen relevant erscheinenden Textpassagen kodiert und zunächst zwölf sich aus dem Material herausbildenden Subkategorien zugewiesen. Auch diese werden mehrfach angepasst und zusammengeführt, wobei am Ende vier Hauptkategorien stehen, von denen sich jeweils zwei eher der Problem- beziehungsweise der Lösungsseite zuordnen lassen. Das Vorgehen entspricht weitestgehend dem oben beschriebenen, jedoch ohne vorab deduktive Hauptkategorien vorzugeben, was den induktiven Charakter, das heißt dem inhaltlichen Erschließen rein aus dem Material heraus, stärkt. Es wird kein endgültiges Kategoriensystem, welches anschließend auf das gesamte Material angewendet wird, entworfen, sondern es erfolgt vielmehr eine kontinuierliche Anpassung der Kategorien. Das heißt, in weiteren Materialdurchgängen werden zwar Textstellen den Kategorien zugeordnet, nicht jedoch im Sinne einer Anwendung der Kategorien auf das Material, sondern vielmehr im Sinne einer Ausformung und Präzisierung der Kategorien durch das Material. 5.3
Narrative Karten als Bestandteil der Interviews
Aktivität und Mobilität lassen sich im Gespräch nur indirekt thematisieren, unter anderem weil es sich bei beiden Begriffen um Konzepte handelt, die sich aus dem praktischen Alltagshandeln der Befragten zusammensetzen. Eine direkte Abfrage würde ein gemeinsames Verständnis der Begriffe und ihrer Operationalisierung bedingen, von welchem nicht ohne Weiteres ausgegangen werden kann. Ein aktivitätenbasierter Ansatz stützt sich hingegen auf die Annahme, dass das Verkehrshandeln im Alltag am besten im Kontext der täglichen Aktivitätsmuster nachvollziehbar ist, da das Verkehrshandeln vor allem das Ziel hat, unterschiedliche Aktivitätenstandorte zu erreichen (Gather et al. 2008, S. 167). In den Gesprächen kommen ergänzend zu den Fragen des Leitfadens Narrative Karten zum Einsatz (Behnken und Zinnecker 2013). Diese Methode geht auf Lynch (1965) zurück, der sich schon früh mit der Wahrnehmung der städtischen
Narrative Karten als Bestandteil der Interviews
101
Umwelt durch die Menschen befasst hat. Auch die Aktionsraumforschung bezieht sich auf „subjektive Stadtpläne“, welche dadurch entstehen, dass Menschen in der Regel nur einzelne Teile der Stadt kennen und nutzen. Es lässt sich zwischen subjektiven und objektiven Aktionsräumen unterscheiden, wobei letztere sich objektiv aufgrund von Topographie, Straßennetz und Art und Verteilung von Gelegenheiten beschreiben lassen (Bamberg 2001, S. 121). Narrative Karten finden heute in unterschiedlicher Form in qualitativen Arbeiten zunehmend Verbreitung, beispielsweise in Helfferich et al. (2000), Ahrend (2002), Wilde (2014b) oder Vlecken (2014). Dabei handelt es sich nicht zwangsläufig um die Erfassung räumlicher Relationen. Narrative Karten werden häufig auch in der Netzwerkanalyse oder bei der Untersuchung sozialer Beziehungen eingesetzt. Die Bezeichnungen variieren dabei, so werden auch Bezeichnungen wie Mental Maps oder Kognitive Karten verwendet. Ihnen allen gemein ist eine zeichnerische Darstellung von Beziehungen in Relation zueinander, wobei in der Regel nur wenige Vorgaben gemacht werden, so dass die Befragten möglichst frei in ihrer Darstellung sind. Konkret werden die Teilnehmenden im Rahmen der Gespräche für diese Arbeit aufgefordert regelmäßige Ziele ihres Alltags aufzulisten. In einem zweiten Schritt werden diese Ziele in einer abstrakten Karte verortet (siehe Abbildung 24). Die Karte gibt als Mittelpunkt den aktuellen Wohnort vor, da davon ausgegangen werden kann, dass dieser der persönliche Bezugspunkt ist, an dem Wege beginnen und enden (Wilde 2014a, S. 381). Um den Wohnort herum sind als Orientierungshilfe konzentrische Kreise vorgegeben. Der Maßstab der Karte kann von den Befragten selbst gewählt werden. Die eingezeichneten Ziele werden mit Hilfe von Nummern den Zielen in der Liste zugeordnet. Die Karten dienen zum einen dazu, die Aktivitätenstandorte, auch in ihrer wahrgenommenen Relation zum Wohnstandort, zu erfassen, zum anderen funktionieren sie als erzählanregendes Element. So können sich die Befragten in ihren Erzählungen an der erstellten Liste oder der Karte orientieren und daran „entlang hangeln“. Zudem wird das Gespräch durch ein zusätzliches Element aufgelockert. Da die meisten Aktivitäten zwangsläufig einen Ortswechselt mit sich bringen, lässt sich das alltägliche Verkehrsverhalten gut über die in der Karte eingezeichneten Aktivitätenstandorte erfassen. Mit den Karten wird die Verknüpfung von Aktivität und Mobilität um eine räumliche Dimension erweitert. Die freie Darstellung eröffnet die Chance zusätzliche Informationen zur Wahrnehmung der Befragten miteinzubeziehen, da die persönliche Umwelt selektiv wahrgenommen wird. Behnken und Zinnecker (2013, S. 548) sprechen von der
102
Methodisches Vorgehen: Qualitativer Forschungsansatz
„Subjektzentriertheit von Umwelterfahrung“. So können beispielsweise Wege, die besonders lang empfunden werden, entsprechend dieser Wahrnehmung eingezeichnet werden. Während das bei den meisten Befragten sehr gut funktioniert und diese die Fragestellung direkt erfassen, gibt es auch Befragte, die mit der Aufgabe nicht so gut zurechtkommen. Eine erste Schwierigkeit ist es regelmäßige Ziele aufzulisten, hier scheint Teilen der Befragten nicht klar zu sein, welche Ziele sie auflisten sollen. Während ihnen einzelne selbstverständliche Ziele, wie beispielsweise der Bäcker nebenan, nicht wichtig genug erscheinen, ist es bei anderen Aktivitäten, wie beispielsweise dem Treffen mit Freunden in Schwabing, schwierig sie an konkreten Orten festzumachen. Beim Einzeichnen der Ziele auf der Karte haben einzelne Teilnehmende Schwierigkeiten, sich die Ziele räumlich vorzustellen. Das führt dazu, dass die Ziele einfach nur Kreisen zugeordnet werden, ohne auf die räumlichen Relationen der Ziele untereinander zu achten. Zum Teil werden Nummern mehrfach in die Karte eingetragen, wie beispielsweise Orte an denen Einkäufe getätigt werden, so dass der tatsächliche Ort nicht immer klar zugeordnet werden kann. Alles in allem kann es durchaus positiv gesehen werden, dass alle Befragten eine Karte angefertigt haben, denn Arbeiten wie die von Helfferich et al. (2000) und Wilde (2014b) zeigen, dass das keinesfalls selbstverständlich ist und zum Teil große Hemmungen bestehen. Insgesamt sind darüber hinaus fast alle Karten gut nachvollziehbar und eignen sich für weitere Analysen. Zur Auswertung werden die Ziele der Befragten kategorisiert und mittels ArcGIS auf einer geographischen Karte verortet (siehe Abbildung 25). Durch diese vergleichende „Validierung“ (Behnken und Zinnecker 2013, S. 555) lassen sich Differenzen oder Verzerrungen der subjektiven Wahrnehmung analysieren. Den unterschiedlichen Zielkategorien werden verschiedene Farben zugeordnet. Vorheriger und aktueller Wohnstandort sowie die Ziele werden so mit verschiedenfarbigen Punkten in der Karte dargestellt. Die Veröffentlichung der individuellen Zielkarten ist unter Aspekten des Datenschutzes kritisch zu betrachten, die in dieser Arbeit abgedruckten Karten beinhalten daher keine genauen Informationen zu den Zielen. Außerdem werden die Zielpunkte so groß dargestellt, dass eine genaue Verortung nicht möglich ist. Eine Verknüpfung mit den Interviews wird nur hergestellt, wo sie notwendig ist. Die Erläuterungen während des Zeichnens werden, entsprechend der anderen Äußerungen in den Interviews weitgehend mit transkribiert und entsprechend ausgewertet. Allerdings ist das nicht immer problemlos möglich, da viele Befragte während des Zeichnens eher vor sich hin murmeln oder
Narrative Karten als Bestandteil der Interviews
103
„laut denken“, sich während des Erzählens auf die Zeichnung beziehen, was sich in Äußerungen wie „von da nach da“ niederschlägt und stark zwischen Orten oder Aktivitäten hin und her wechseln. Qualität und Art der Darstellung fließen genauso wie die Reihenfolge der Zeichnung nicht in die Analyse mit ein. Die Karten mit den Ausführungen tragen in jedem Fall zu einem besseren Verständnis des Alltags, der Aktivität und der Mobilität der Befragten bei, welches ohne Anwendung der Methode in dieser Form sicher nicht möglich gewesen wäre. In Kapitel 6 wird auf ausgewählte Karten näher eingegangen, dabei werden die Karten in die allgemeinen Ergebnisse der Empirie integriert, da das Hauptaugenmerk auf der inhaltlichen Ergänzung der Interviews und weniger auf dem subjektiven Raumempfinden liegt.
Abbildung 24 Originalzeichnungen Z1 (links) und Z2 (rechts)
104
Methodisches Vorgehen: Qualitativer Forschungsansatz
AWO
WO
Gemeindegrenzen
AWO
WO
Gemeindegrenzen
Versorgung
Freizeit
Arzt
Gemeindefreies Gebiet
Versorgung
Freizeit
Gemeindefreies Gebiet
Arzt
Kartenbasis GeoBasis-DE BKG 2017
0 1 2
4
6 km
Kartenbasis GeoBasis-DE BKG 2017
0 1 2
4
6 km
Abbildung 25 Übertragene Aktivitätenstandorte aus Zeichnung Z1 (oben) und Zeichnung Z2 (unten) (AWO = Alter Wohnstandort, WO = Wohnstandort)
Hintergründe zur Datenerhebung
5.4
105
Hintergründe zur Datenerhebung
Im Folgenden wird ein Überblick über die Datenerhebung gegeben, beginnend mit der Herausforderung der Akquise der Teilnehmenden. Weiter wird auf den Ablauf der Interviews und die Datenaufbereitung eingegangen. Bevor in Kapitel 6 die Ergebnisse der Befragung ausführlich erläutert werden, wird in Kapitel 5.4.3 ein Überblick über die Teilnehmenden sowie soziodemographische Merkmale gegeben. 5.4.1 Akquise der Teilnehmenden Auf die grundsätzlichen Anforderungen an die Untersuchungsgruppe wurde in Kapitel 3.5 bereits eingegangen. Die Akquise der Teilnehmenden war eine der größten Herausforderungen im Forschungsprozess. Zunächst wurden in allen zwölf Sozialbürgerhäusern der Stadt München Plakate aufgehängt. Diese und erste Kontakte mit Sozialbetrieben lieferten zunächst keine Rückmeldungen. Nachdem bei Kontakten mit „Schlüsselpersonen“, das heißt Personen, die Kontakte zur gesuchten Zielgruppe herstellen können, häufig nach Incentives gefragt wurde, wurde entschieden allen Teilnehmenden einen Einkaufsgutschein im Wert von 20 Euro zur Verfügung zu stellen. Der Betrag von 20 Euro erscheint insofern angemessen, als dass er zwar einen Anreiz zur Teilnahme bietet, allerdings nicht so hoch ist, als dass Personen sich nur aufgrund des finanziellen Anreizes zur Teilnahme an den Gesprächen bereit erklären. Weiter wurden etwa 25 Betriebe des Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogrammes (MBQ), ein städtisches Förderprogramm für Sozialbetriebe (LHM 2017a), angeschrieben und ein bis zwei Wochen später noch einmal telefonisch kontaktiert. Es wurden Mitarbeitende in Kindertagesbetreuungseinrichtungen über eine der großen Wohlfahrtsorganisationen angeschrieben, eine Kampagnenseite auf Facebook eingerichtet, verschiedene Firmen mit Beschäftigten im Niedriglohnbereich sowie Gewerkschaften kontaktiert, einzelne Kundinnen und Kunden der Schuldnerberatung gezielt angeschrieben, Poster in sozialen Einrichtungen aufgehängt, Flyer bei der Ausgabe der Münchner Tafel verteilt und deren Kundinnen und Kunden angesprochen. Letztendlich kamen so zwölf Kontakte mit anschließenden Interviews zustande.
106
Methodisches Vorgehen: Qualitativer Forschungsansatz
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Mit Ihren Erfahrungen unterstützen Sie ein Forschungsprojekt zum Thema Wohnstandortwahl und Mobilität, welches im Rahmen einer Dissertaon an der Technischen Universität München durchgeführt wird. Ziel ist es insbesondere die Situaon von Menschen mit geringerem Einkommen auf dem Wohnungsmarkt näher zu analysieren und daraus Handlungsempfehlungen für die Stadt- und Verkehrsplanung zu entwickeln.
Als Dankeschön erhalten Sie einen Einkaufsgutschein im Wert von 20 Euro.
Abbildung 26 Plakat zur Akquise der Teilnehmenden
Hintergründe zur Datenerhebung
107
Im Rahmen der bereits vorgestellten Studie WAM Wohnen Arbeiten Mobilität wurden 7302 Haushalte in der Metropolregion München, die in den letzten drei Jahren entweder ihren Wohn- oder Arbeitsstandort gewechselt haben zu ihren Standortentscheidungen befragt. Am Ende der Befragung wurden die Teilnehmenden gefragt, ob sie zu einem vertiefenden Interview bereit wären. Wie bereits geschildert, entspricht nur ein geringer Teil der Befragten den Einkommenskriterien dieser Untersuchung, weiter fallen nur die Haushalte, die ihren Wohnstandort im Raum München gewechselt haben in die Untersuchungsgruppe. Über diesen Weg kamen fünf Interviews zustande. Tendenziell sind das die wohlhabenderen Befragten, die sich ohne Unterstützung des Wohnungsamtes auf dem Wohnungsmarkt versorgt haben. Insgesamt wurde eine ausgewogene Verteilung von Männern und Frauen angestrebt, weiter wurde darauf geachtet Haushalte mit und ohne Kindern zu befragen. 5.4.2 Ablauf der Interviews und Datenaufbereitung Der Erstkontakt mit den Teilnehmenden fand per Email oder telefonisch statt. Die Befragten, die über die WAM-Befragung akquiriert wurden, wurden per Email kontaktiert. Die Gespräche fanden zum Teil in Räumen des mobil.LABs statt, zum Teil bei den Befragten zu Hause oder am Arbeitsplatz und in fünf Fällen im Café. Die Interviews dauern zwischen etwa 45 und 220 Minuten, in der Regel aber zwischen 60 und 90 Minuten. Zu Beginn der Interviews bekommen die Teilnehmenden ein Informationsblatt und werden über die Dauer, Hintergrund und Ablauf der Befragung, Freiwilligkeit der Angaben, Verwendung der Daten und Anonymisierung informiert. Weiter werden sie nach ihrem Einverständnis zur Audioaufzeichnung gefragt, welche alle Teilnehmenden erteilten. Das Gespräch endet mit dem Kurzfragebogen, der Übergabe des Einkaufsgutscheins und eines Flyers mit der Bitte diesen an potentielle weitere Interviewteilnehmende weiterzugeben. Alle Interviews werden aufgezeichnet und anschließend von der Autorin mit dem Programm Scribe Express bis auf wenige Ausnahmen vollständig transkribiert. Nicht transkribiert werden vereinzelte Exkurse in der Erzählung, bei denen sich die Befragten sehr weit vom eigentlichen Forschungsgegenstand entfernen, wie beispielsweise die technischen Details eines neuen Smartphones einer Befragten oder weiterausholenden Erklärungen der Interviewerin. Sprecherwechsel werden mit einer Leerzeile kenntlich gemacht.
108
Methodisches Vorgehen: Qualitativer Forschungsansatz
Die Transkription orientiert sich an den einfachen Transkriptionsregeln nach Dresing et al. (2015, S. 20ff). Langer (2013, S. 524) plädiert dafür nur diejenigen Parameter zu transkribieren, die später auch analysiert werden sollen, so dass der Fokus auf inhaltliche Äußerungen gelegt wird und linguistische oder nonverbale Besonderheiten nur in Ausnahmefällen festgehalten werden. Nach der Transkription wird der Text in MaxQDA 12 importiert und eine Absatznummerierung eingefügt, auf welche sich bei den Zitaten in Kapitel 6 bezogen wird. Langer (2013, S. 517) interpretiert das Transkribieren als Teil des Forschungsprozesses, denn durch die intensive Beschäftigung mit den Interviews findet eine Sensibilisierung für das Gesprochene, gleichzeitig aber auch eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Material, welche zu ersten Assoziationen, Ideen und Fragen führen kann, statt. 5.4.3 Übersicht der erhobenen Fälle Im Rahmen der Interviews wurden 17 Personen befragt, sieben davon männlich, zehn davon weiblich. Acht Befragte leben alleine, sechs sind alleinerziehend. Sieben Befragte gehen einer regulären Beschäftigung (AN) nach, teilweise in Teilzeit (TZ), fünf Befragte sind im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (AGH) beschäftigt und fünf Befragte gehen derzeit keiner Beschäftigung nach. Die Befragten sind zwischen Ende 20 und Anfang 60. Eine Übersicht findet sich in Abbildung 28. In der Übersicht sind auch die Umzugsbiographie, das heißt die ursprüngliche Herkunft, der vorherige und der akutelle Wohnort (M = München, UL = Münchner Umland, NM = Nicht München) sowie die genutzen Verkehrsmittel und Tickets (A = Auto, R = Rad, ÖV = Öffentlicher Verkehr, IC = IsarCard, J = Jobticket, SB = Schwerbehindertenausweis) zusammengefasst. Nur bei einer der Befragten ist ein Migrationshintergrund bekannt, inwiefern verschiedene kulturelle Hintergründe einen Einfluss auf die Antworten der Fragen haben, ist daher nicht Gegenstand dieser Arbeit. Abbildung 27 zeigt die Umzugsbewegungen der Haushalte. Vier von ihnen leben außerhalb des Stadtgebietes. Davon ist ein Haushalt in den Raum München zugezogen, drei Haushalte sind aus der Stadt in das Umland gezogen. Ein Haushalt ist vom Umland in die Stadt gezogen.
Hintergründe zur Datenerhebung
Landkreisgrenzen
Gemeindegrenzen
109
Gemeindefreies Gebiet
Kartenbasis GeoBasis-DE BKG 2017
Abbildung 27 Aktuelle und vorherige (hellgrau) Wohnstandorte der Befragten
Abbildung 28 (folgende Seite): Überblick über Wohnstandorte, Haushaltszusammensetzung, Alter, Art des Einkommens, Wohnbiographie und genutzte Verkehrsmittel der Befragten (Kartengrundlage: GeoBasis-DE / BKG 2017)
0 1 2
4
6 km
110
Methodisches Vorgehen: Qualitativer Forschungsansatz
Herr I. Herr T. 35 - 40
€
€
€
AN NM/M/UL
Frau H. 35 - 40
Frau K. 50 - 60
35 - 40 WfbM / SGB IX
€
M/M/M
ÖV (IC)
ÖV (IC) / R
ÖV (J) / R
AN (TZ) / SGB II
Herr J. 50 - 55
Frau A. 45 - 50
UL/M/UL ÖV (IC) / R
AGH / SGB II
M/M/M
€
€
AN (TZ) / SGB II M/M/M
AN (TZ) / SGB II
Frau F. 40 - 45
€
-
NM / M / M
UL / NM / UL
ÖV (IC S) / R
ÖV
Frau R. 45 - 50
Herr W. 50 - 55
A
Frau O. 60 - 65
€
Rente / SGB XII M/M/M ÖV (SB)
Herr E. 25 - 30
€
AN (TZ)
Frau C. 60 - 65
€
Frau G. 50 - 60
€
SGB XII
€
FAV
€
AGH / SGB II
Rente / SGB XII
NM / M / M
NM / M / M
NM / M / M
UL / M
NM / M / M
ÖV (IC S)
ÖV (IC) / R
ÖV (IC S)
ÖV (SB) / R
ÖV (SB)
Frau M. 50 - 60 Herr P. 30 - 35
Frau S. 25 - 30
€
€
€
AGH / SGB II
M/M/M
NM / M / M
M/M/M
A / ÖV
ÖV / R
ÖV (IC S)
AN
Herr B. 30 - 35
Rente / SGB XII
€
AN NM / M / UL ÖV (J) / R / A
6.
Empirische Ergebnisse: Wohnsituation und Mobilität der Teilnehmenden, Herausforderungen und Anpassungsstrategien
Umzug
A
Umzugsentscheidung
Im Folgenden werden die im vorhergehenden Kapitel bereits erläuterten Gespräche rekapituliert und daraus gewonnene Erkenntnisse vorgestellt. Dabei geht es zunächst um die zur Beantwortung der Forschungsfragen relevanten Aspekte. Allerdings können diese nicht losgelöst von ihrem Gesamtkontext betrachtet werden, daher werden auch die entsprechenden Hintergründe dargestellt, die zumindest ein teilweises Nachvollziehen der Lebenssituation der Befragten ermöglichen sollen.
Suchprozess
N
Einbettungsprozess
Kapitel 6.1 Die Wohnungssuche vor dem Hintergrund des angespannten Wohnungsmarktes
Kapitel 6.3 Ankommen am neuen Wohnstandort: die Einbettung
Kapitel 6.2 Die räumlichen Anforderungen an einen Wohnstandort
Kapitel 6.4 Mobilität, Aktivität und Alltagsorganisation am neuen Wohnstandort
N
Kapitel 6.5 Themenübergreifende Zusammenhänge: Wirkdimensionen und Anpassungsstrategien
Abbildung 29 Zeitliche und räumliche Abfolge beim Wohnstandortwechsel (A = alter Wohnort, N = neuer Wohnort)
Bei der Darstellung der Ergebnisse wird sich an der zeitlichen und räumlichen Abfolge des Umzugsprozesses orientiert (siehe Abbildung 29), diese entspricht im Wesentlichen auch den im Kapitel 5.1 erläuterten thematischen Blöcken des Interviewleitfadens. Kapitel 6.1 beginnt mit den Hintergründen des Umzugs, die diesen letztendlich veranlassen. Anschließend geht es um den Suchprozess und das Agieren der Haushalte auf dem Wohnungsmarkt, ohne allerdings die räumlichen Anforderungen der Haushalte miteinzubeziehen. Auf diese wird detailliert in Kapitel 6.2 eingegangen. Es wird davon ausgegangen, dass durch einen Umzug gewohnte Bezüge und Strukturen aufgebrochen werden und so nach einem © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Sterzer, Wohnen und Mobilität im Kontext von Fremdbestimmung und Exklusion, Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-24622-8_6
112
Empirische Ergebnisse
erfolgten Umzug ein Einbettungsprozess am neuen Wohnstandort notwendig wird. Dieser ist eng verknüpft mit der Alltagsorganisation und der Mobilität der Haushalte. Diese Themen sind Gegenstand der Kapitel 6.3 und 6.4. Im Zuge dessen wird auch auf resultierende Herausforderungen und deren Bewältigung eingegangen. Anschließend werden die Zusammenhänge und die auf den Such- und Einbettungsprozess wirkenden Mechanismen analysiert, wobei auf die Schilderungen in Kapitel 6.1 bis 6.4 jeweils Bezug genommen wird. 6.1
Die Wohnungssuche vor dem Hintergrund des angespannten Wohnungsmarktes
Die Gespräche mit den Teilnehmenden finden im Kontext des angebotsdominierten Wohnungsmarktes in München statt. Alle Teilnehmenden waren in den letzten drei Jahren auf Wohnungssuche und haben ihren Wohnstandort gewechselt. Für viele war diese Wohnungssuche eine große Herausforderung und eine durch Unsicherheiten und Ängste geprägte Zeit. Dementsprechend berichten sie sehr ausführlich von den Herausforderungen auf dem Münchner Wohnungsmarkt und ihren individuell wahrgenommenen Optionen an diesem Marktgeschehen teilzunehmen. Um die Situation der Teilnehmenden einordnen zu können, wird zunächst die Dringlichkeit bei der Wohnungssuche erfasst, bevor auf die Wahrnehmung des Wohnungsmarktes und die Partizipationsmöglichkeiten eingegangen wird. 6.1.1 Die Dringlichkeit bestimmt die Wohnungssuche Die Dringlichkeit der Wohnungssuche hängt in erster Linie von den Umzugsgründen ab, denn diese beeinflussen maßgeblich mit, wieviel Zeit den Befragten für die Wohnungssuche zur Verfügung steht und wie intensiv die Suche erfolgen muss. Andererseits kann sich eine vorangegangene (erfolglose) Suchgeschichte auf die weitere Suche auswirken, so dass auch die Suchdauer selbst eine Rolle spielt. Unter den Umzugsgründen dominieren Push-Faktoren Um das Handeln der Befragten auf dem Wohnungsmarkt nachzuvollziehen, ist es zunächst wichtig die ausschlaggebenden Gründe für den Umzug und insbesondere die Dringlichkeit des Umzugs zu erläutern. Es lässt sich feststellen, dass bei allen Befragten Push-Faktoren eine dominierende Rolle spielen. Push-Faktoren bedingen das erwünschte oder erzwungene Wegziehen vom alten Wohnstandort und nicht das gezielte Hinziehen zu einem neuen Wohnstandort.
Die Wohnungssuche vor dem Hintergrund des angespannten Wohnungsmarktes
113
»» … ich bin nicht so ganz freiwillig umgezogen, ich musste. Aus finanziellen Gründen.« Fr. M. 2 (die Nummern hinter den Personenkürzeln beziehen sich jeweils auf den Absatz im Interviewtranskript) Bei etwa der Hälfte der Befragten ist zusätzlich eine hohe Dringlichkeit gegeben. Bei der anderen Hälfte ist die Wohnungssuche ein längerfristiger Prozess, bei dem unterschiedliche Gründe zusammenkommen, warum der alte Wohnstandort aufgeben wird. In Tabelle 03 ist eine Übersicht der ausschlaggebenden Gründe zusammengestellt. Eine generelle Unzufriedenheit mit der ursprünglichen Wohnsituation muss im Kontext der Befragten durchaus ernstgenommen werden: Mindestens Herr W., Herr P., Frau R. und Frau C. lebten vor dem Umzug weit unterhalb gewöhnlicher Standards. Herr W. hatte bis zum Umzug nur ein Zimmer zur Untermiete, dabei störte ihn besonders, dass sein Vermieter immer wusste, wann er nach Hause kommt (Hr. W. 27). Nach dem er über zwei Jahre beim Wohnungsamt vorgemerkt war, gab schließlich ein Eigentumswechsel des Hauses den Ausschlag für eine höhere Dringlichkeit und eine Vermittlung. Herr P. suchte sich nach der Trennung von seiner Frau übergangsweise ein Apartment. Obwohl er sich dort überhaupt nicht wohlfühlte, er keine ordentliche Küche hatte und das Apartment zu klein war, um seinen Sohn wie geplant zu sich zu holen, wohnte er dort fünf Jahre. Er beschreibt die Wohnsituation dort folgendermaßen: »» …in der alten Wohnung, ich hab… ich konnte mir noch so Mühe geben, ich hab den Eindruck gehabt ich wohne in einem Messi-Haushalt, weil einfach das Badezimmer, die Zustände, der Boden, das war… ja… einfach nicht schön. Vom Hygienischen her auch.« Hr. P. 20 Frau C. lebte mehrere Jahre in der Wohnung ihrer Schwester, während dieser Zeit war sie nie sicher, wie lange sie dort bleiben kann, was sie in ihrem Wunsch nach einer eigenen Wohnung bestärkte. Und Frau R. lebte vor dem Umzug übergangsweise in einer Pension. In den genannten Fällen kann man also durchaus von prekären Wohnsituationen sprechen. Meist gibt es nicht nur einen Grund für den Umzug, dennoch kann man bei fünf Befragten von persönlichen Gründen als ausschlaggebend für die Wohnungssuche sprechen. Frau S. und Herr T. wollten nach dem Ende ihrer Beziehung jeweils aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen. Auch bei Frau G. ging die Ehe auseinander, so dass ihr Mann auszog.
114
Empirische Ergebnisse
Suchdauer
Dringlichkeit
Hr. W. Kündigung
Ca. 2 Jahre
hoch
Hr. I.
Unzufriedenheit mit der WG
Ca. 1 Jahr
mittel
Fr. G.
Trennung, Miethöhe kann nicht alleine geschultert werden
Ca. 2 Jahre
hoch
Fr. K.
Generelle Unzufriedenheit mit der Wohnsituation
Ca. 1 Jahr
mittel
Hr. P.
Wohnung zu klein und generelle Unzufriedenheit mit der Wohnsituation
Ca. 5 Jahre
mittel
Fr. S.
Trennung, Auszug aus der gemeinsamen Wohnung
Ca. 3 Mon.
hoch
Hr. B.
Wohnung zu klein
unbekannt
niedrig
Hr. T.
Trennung, Auszug aus der gemeinsamen Wohnung
unbekannt
hoch
Hr. E.
Auszug bei den Eltern
Ca. 1 Jahr
niedrig
Fr. O.
Mangelnde Barrierefreiheit
Ca. 2 Jahre
hoch
Fr. H.
Trennung, Unzufriedenheit mit der Wohnsituation
Ca. 4 Jahre
mittel
Fr. R.
Temporäre Pensionsunterbringung
Ca. 3 Jahre
hoch
Fr. A.
Kündigung
Ca. 9 Mon.
hoch
Fr. M.
Mieterhöhung
unbekannt
mittel
Fr. F.
Zuzug aufgrund von Beschäftigungsperspektiven
Ca. 7 Mon.
mittel
Fr. C.
Unsichere Wohnsituation bei der Schwester
Ca. 2- 3 Jahre
niedrig
Hr. J.
Kündigung
Ca. 13 Mon.
hoch
TN
Umzugsgrund
Tabelle 03 Umzugsgründe, Suchdauer und Dringlichkeit der Wohnungssuche der Befragten
Das Jobcenter übernahm daraufhin noch ein Jahr die Miete für die Ehewohnung, da Frau G. diese nicht finanzieren konnte (Fr. G. 1). Frau H. wollte ebenfalls aus der ehemaligen Ehewohnung und dem damit verbundenen Wohnumfeld weg, allerdings war bei ihr die Dringlichkeit nicht ganz so hoch, da sie zwischendurch einen Teil der Wohnung untervermietet hatte. Bei Herrn I. war es nicht die Beziehung, sondern seine WG-Mitbewohner, die den Anlass für den Umzug und den Wunsch nach einer eigenen Wohnung gaben.
Die Wohnungssuche vor dem Hintergrund des angespannten Wohnungsmarktes
115
Frau A. und Herr J. mussten beide aufgrund von Eigenbedarfskündigungen ausziehen, beide legten Rechtsmittel ein, um die Zwangsräumung möglichst lange hinauszuzögern und mehr Zeit für die Wohnungssuche zu haben. Herr J. beschreibt die Situation folgendermaßen: »» Und dann ging das den gewohnten Weg, also mit Widerspruch und Gegenwiderspruch, dann kam die Räumungsklage, dann trafen wir uns im Herbst vor Gericht, das war September/Oktober wo natürlich der Richter dann an einer gütlichen Einigung interessiert ist aber da war dann sie nicht interessiert dran, dann kam von ihr eine Räumungsklage zum x., darauf haben wir wieder Widerspruch eingelegt, unser Ziel war das so lange rauszuziehen bis ich halt über die Gänge mit Arbeitsamt, Franziskanerstraße und Bürgerbüro einfach nen Puffer hab, um was zu finden, um nicht im Männerwohnheim dann 2016 zu stehen, dann war tatsächlich, letzter Auszugstermin war 30. x. und das war definitiv, 30. x., also wir haben wirklich ein dreiviertel Jahr rausgeholt, der Anwalt und ich, das ist mehr als geht, beim Eigenbedarf hat der Vermieter immer Recht.« Hr. J. 7 Herr B., Herr T. und Frau F. sind die Befragten, bei denen die verhältnismäßig geringste Dringlichkeit vorlag. Während bei Herrn B. der Wunsch nach mehr Platz für seine Familie aufgrund der Schwangerschaft seiner Frau in Vordergrund stand, wollte Herr E. den Auszug bei seinen Eltern mit einem kürzeren Arbeitsweg verbinden. Frau F. plante mit ihrer Familie einen Neustart im Raum München, nachdem der Arbeitsplatz ihres Mannes gefährdet war. Die Suchdauer variiert zwischen Monaten und Jahren Die Suchdauer ist sehr unterschiedlich und auch abhängig von der Intensität der Suche: Bei höherer Dringlichkeit wie beispielsweise bei Trennung oder Kündigung findet meist eine kurze und intensive Suche statt, ansonsten erfolgt die Suche zum Teil über mehrere Monate oder Jahre hinweg mit wechselnder Intensität. Frau H. beschreibt die Suche folgendermaßen: »» Ja das war so phasenweise, mal intensiver, mal weniger intensiv, aber schon bestimmt über einen Zeitraum von 4 Jahren, also immer wieder… genau vorgestellt irgendwo eingeschrieben beim Giesinger Bauverein stehe ich immer noch auf der Liste, Wartezeit bis zu 15 Jahre…« Fr. H. 27 In der Regel wird die Wohnungssuche möglichst lange hinausgezögert und erst, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt, in Angriff genommen. Dabei ist die
Die Wohnungssuche vor dem Hintergrund des angespannten Wohnungsmarktes
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6.1.2 Die Partizipationsmöglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt sind eingeschränkt Um das Verhalten der Befragten nachvollziehen zu können, wird deren Wahrnehmung des Wohnungsmarktes und einzelner bedeutender Akteure näher erläutert. Dabei sind insbesondere die wahrgenommenen Partizipationsmöglichkeiten am Wohnungsmarktgeschehen von Interesse. Anschließend wird ein Überblick über verschiedene Suchstrategien gegeben. Die Wahrnehmung des Wohnungsmarktes übt Druck aus Im Folgenden wird die Wahrnehmung des Wohnungsmarktes durch die Befragten analysiert, da diese das Handeln der Befragten bei ihrer Suche maßgeblich bestimmt. Insgesamt wird in den Gesprächen deutlich, dass der Wohnungsmarkt einen immensen Druck auf die Befragten ausübt. »» … wissens, ich hab überhaupt keinen Auftrieb mehr gehabt, ich bin normalerweise, bin ich recht quirlig und furchtbar wirbelwindig, aber da war ich gar nichts mehr, da, das war einfach nur Depression pur…« Fr. M. 19 Hierzu tragen unterschiedliche Aspekte bei, zunächst natürlich der in Kapitel 3.3 beschriebene faktische Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Dieser hat zur Folge, dass es eine hohe Zahl an Mitbewerbenden gibt und Wohnungsbesichtigungen mit sehr vielen Teilnehmenden durchgeführt werden (z. B. Fr. G. 27, Hr. T. 25). Herr B. empfindet die Wohnungssituation als „extrem angespannt“ und „extrem an Geld gekoppelt“ (Hr. B. 21). Aufgrund der hohen Nachfrage sind immer wieder Wohnungen sehr mangelhafter Qualität oder Wohnungen in schlechtem Zustand auf dem Markt (Fr. M. 30, Hr. T. 25). Viele Vermietende fordern detaillierte und sehr private Informationen von den Bewerbenden ein (Fr. A. 185). Wer letztendlich den Zuschlag erhält ist für die Befragten nicht nachvollziehbar und wirkt daher willkürlich (Fr. C. 10, Fr. O. 2). Häufig scheinen Vermietende sehr genaue Vorstellungen von ihren zukünftigen Mieterinnen oder Mietern zu haben, so dass Einkommen, Personenzahl, Kinder oder Haustiere schnell zum Ausschlusskriterium werden können, wie auch die Schilderung von Frau F. zeigt: »» … wenn man sich dann vorgestellt hat für ne Vierzimmerwohnung, dann hieß es entweder wollten sie nur Rentner, Paare ohne Kinder, alleinstehende Leute oder es hat geheißen vier Zimmer sind für vier [Personen] zu klein« Fr. F. 6
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Empirische Ergebnisse
Gleichzeitig fühlen sich die Befragten, insbesondere diejenigen die Leistungen nach SGB II oder XII beziehen, benachteiligt, da sie häufig abgewiesen werden oder gar keine Rückmeldung bekommen. Gleiches gilt für Suchende mit SCHUFAEintrag (Fr. O. 46). Frau G. schildert ihre Erfahrungen diesbezüglich wie folgt: »» Also man hätte ja genug Angebote, also das wäre kein Problem, aber sobald die hören Hartz IV, also aus welchen Gründen auch immer, weil es gibt ja solche und solche wie überall, ja, wollen sie nichts zu tun haben mit solchen Leuten, in Anführungszeichen solchen Leuten…« Fr. G. 1 Wichtig ist zu betonen, dass die Einschätzung des Wohnungsmarktes nicht nur aus einer eigenen Betroffenheit heraus beschrieben wird, sondern durchaus als gesellschaftliches Problem, das viele betrifft, gesehen wird. So antwortet Herr P. auf die Frage, wie er die Situation auf dem Wohnungsmarkt empfindet: »» Ach ehrlich gesagt sehr, sehr schlimm, also […] ich würd sogar sagen selbst wenn man Geld hat ist es schon schwer eine Wohnung zu finden. Also wenn man Normalverdiener auf dem ersten Arbeitsmarkt ist oder Durchschnittsverdiener, selbst für die Leute muss das schon Horror sein hier eine Wohnung zu kriegen. Und das ist was ich mir einfach nicht, schwer vorstellen kann, weil das nimmt einem ja die Hoffnung, dass selbst wenn man wieder auf einem normalen Stand ist, einen normalen Job hat, muss man kämpfen, dass man eine Wohnung kriegt…« Hr. P. 30 Die Wahrnehmung als gesamtgesellschaftliches Problem, das nicht nur direkt an die eigene, vielleicht nur temporär prekäre Lage geknüpft ist, macht die Dimension der durch die Befragten zu begegnenden Herausforderung und eine damit einhergehende Perspektivlosigkeit noch einmal deutlicher. Das Münchner Umland ist da für die meisten kein wirklicher Ausweg, auch da seien die Mieten nicht viel günstiger, so die einhellige Meinung - insbesondere, wenn es noch S-Bahn-Gebiet ist. »» …und dann muss man sagen, wenn man außerhalb geht, sind die Wohnungen auch nicht billig und ich in meiner Situation als Hartz IV hätte ja da auch keine Chance gehabt…« Fr. G. 130 »» …sobald der S-Bahn-Anschluss da ist, gehört das Ganze eigentlich zum Stadtgebiet so gut für die Leute dazu und deswegen rechtfertigt es für viele dann höhere Mieten einfach auch…« Hr. B. 23
Die Wohnungssuche vor dem Hintergrund des angespannten Wohnungsmarktes
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Öffentliche Akteure auf dem Wohnungsmarkt polarisieren Einige Akteure spielen auf dem Wohnungsmarkt eine besondere Rolle, so dass diese immer wieder Thema in den Gesprächen sind. Insbesondere sind das die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und das Wohnungsamt. Insgesamt bewegen sich die Befragten bei ihrer Wohnungssuche auf einem Teilmarkt des Wohnungsmarktes, denn große Teile des freien Wohnungsmarktes kommen für sie nicht in Frage, da die Kosten zu hoch sind. Viele Befragte sind daher auf eine öffentlich geförderte Wohnung angewiesen und brauchen die Unterstützung vom Wohnungsamt. Diese wird allerdings sehr unterschiedlich beurteilt, denn die Wartezeiten sind sehr lang, eine Vermittlung erfolgt erst kurz vor knapp und es fehlen Ansprechpartnerinnen oder -partner (Fr. A. 7, Fr. R. 10). Viele Suchenden sind mehrere Jahre beim Wohnungsamt vorgemerkt und bekommen keinen Vorschlag. »» Ich war ja beim Wohnungsamt gemeldet, da hab ich in diesen Jahren überhaupt kein Angebot gehabt, überhaupt nicht, obwohl ich dann, nachdem mir das Jobcenter ja die Miete nicht mehr gezahlt hat, Stufe 1 gehabt hab, Stufe 1, ja. Aber nix, null. Kein einziges Angebot.« Fr. R. 9 Auch die Einschätzung der Stadtpolitik variiert, so sehen einige durchaus Bemühungen und zeigen Verständnis für die Probleme. Ein Großteil kritisiert aber, dass zu viel im hochpreisigen Segment gebaut wird, Frau R. findet diesbezüglich deutliche Worte: »» …ja und dann immer diese Luxusbauten, bei uns auch, mittendrin, wirklich zwischen den ganzen Sozialwohnungen haben sie vor 3 Jahren, da war es noch im Bau, zwei so Klötze hingestellt, so hypermodern, mit Fenstern von der Decke bis zum Boden und haste nicht gesehen und Tiefgarage, auch wahnsinnig teuer die Mieten hab ich so gehört…« Fr. R. 74 Ihre eigene Position nimmt sie wie folgt war: »» …wie gesagt, also man wird eben als Geringverdiener immer mehr an den Stadtrand gedrängt, das ist leider so, da fühlt man sich irgendwie als, wie soll ich das sagen, man zahlt zwar seine Steuern und alles, aber als wenn sich die Stadt für einen schämt, ich mein man kann nicht irgendwie ne heile Welt vorgaukeln, wenns die nicht gibt, aber da bringts auch nichts die Leute an den Stadtrand zu drängen, weil die müssen trotzdem auch mal in die Stadt...« Fr. R. 201
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Empirische Ergebnisse
Sie fühlt sich offensichtlich unerwünscht und von „der Stadt“ im Stich gelassen. In ihren Augen haben Einkommensschwache immer weniger Chancen und werden zunehmend an den Rand gedrängt. In diesem Sinne verknüpft sie ihre soziale Situation mit einer räumlichen Dimension. Auch wenn Frau R. es in ihren Schilderungen besonders deutlich auf den Punkt bringt, ist sie mit dieser Wahrnehmung nicht alleine. Frau R. ist dementsprechend sehr froh in einer der städtischen Wohnungsbaugesellschaften untergekommen zu sein: »» die Mieten sind auch… ja in nem Verhältnis, da müssen Sie auch keine Angst haben, dass Sie nächstes Jahr auf einmal eine Mieterhöhung bekommen, dass Ihnen die Ohren schlackern, nur weil der Vermieter vielleicht das Jahr davor ein neues Waschbecken reingemacht hat so jetzt mal als Beispiel nur ne, wissen Sie was ich meine« Fr. R. 174 Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften unterbreiten den Suchenden zum Teil zeitgleich zwei bis drei Vorschläge, so dass hier zumindest eine Wahl zwischen diesen besteht. Doch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften polarisieren, so hat Frau G. einen gänzlich anderen, negativen Eindruck: »» Weil die Gewofag, die müssen ja auch alle nehmen, drum haben sie ja auch glaube ich so einen schlechten Ruf. […] Bei den Neuen schon ja, aber die alten Wohnungen, man müsste halt mal was renovieren, wenn sowas so heruntergekommen ist…« Fr. G. 162 Tatsächlich wird der Zustand geförderter Wohnungen von mehreren Befragten kritisiert, den städtischen Wohnungsbaugesellschaften scheint ein grundsätzliches Label, ähnlich dem der „klassischen Sozialwohnung“, welche häufig mit Problemen und schwieriger Nachbarschaft assoziiert werden, anzuhaften (Fr. H. 27, Hr. T. 25). Einzig Frau S. ist es gelungen, sich über einen anderen Teilmarkt des Wohnungsmarktes zu versorgen: Sie konnte über ihren Arbeitgeber eine Wohnung finden. Das ist unter einkommensschwachen Haushalten eher die Ausnahme, da viele nur temporär beschäftigt sind und somit langfristig keinen festen Arbeitgeber haben, es nur wenige Unternehmen gibt, die diese Art der Unterstützung anbieten, und, selbst wenn das der Fall ist, in der Regel lange Wartelisten bestehen.
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Wohnungssuche und Wohnungsfund: Strategen haben die besten Erfolgsaussichten Die Wohnungssuche ist geprägt von großem Druck und einer hohen emotionalen Belastung. Während das bei manchen Befragten zu weitgehender Resignation führt, entsteht insbesondere bei denjenigen, die nur wenig Zeit haben eine Wohnung zu finden, eine immense Dringlichkeit, die den Druck auf die Suchenden wiederum erhöht. So schildert Frau A. sie habe am 28. Oktober nicht gewusst, ob sie am 31. Oktober aus ihrer Wohnung raus müsse oder nicht (Fr. A. 7). Frau G. und Herr T. beschreiben die Situation wie folgt: »» Und wie ich da die Wohnung angeschaut hab, da ist mir das gar nicht so aufgefallen, weil ich einfach so einen Druck gehabt hab, dass ich eine andere Wohnung krieg…« Fr. G. 111 »» ...ich merk schon, dass ich auch so nen Drang, so nen Druck bekommen hab, ne Tendenz dazu entwickelt, so unvernünftig zu sein. […] … die war eigentlich viel zu teuer, aber ich war so verzweifelt und die waren so nett, die Vermieter, dass ich wirklich schon fast unterschrieben hätte. Ja, also die hätte 1200 warm gekostet und ich war so müde von der Suche und ich wollte nicht mehr und die war so schön und mit Garten dabei und ich wollt schon echt, ich wollt… ich war kurz davor zu unterschreiben und hab mir gedacht: ‚Ach komm, irgendwie Kredit über Jahre oder was weiß ich, irgendwie schaffst du das schon und dann kaufst halt nix mehr zu essen oder irgendwie so‘ aber es ist ja dann… zum Glück hat die Vernunft gesiegt! Das wär halt wirklich verrückt gewesen…« Hr. T. 43 Diese Schilderungen verdeutlichen, dass bei der Wohnungssuche bewusst oder unbewusst Dinge in Kauf genommen werden, die die Suchenden unter anderen Umständen nicht in Kauf nehmen würden und deren Konsequenzen gegebenenfalls erst später sichtbar werden. Viele der Befragten besichtigen Wohnungen, die sie im Falle eines Zuschlags nehmen würden, unabhängig davon, ob ihnen die Wohnung wirklich gefällt oder nicht, sondern mangels Alternativen. Realistische Alternativen zur aktuellen Wohnung, das heißt Wohnungen, die sie auch wirklich bekommen würden, haben nur wenige und wenn, dann nur in sehr begrenztem Umfang. »» …ich hab das genommen, was man mir angeboten hat, ich hab da angerufen, die hat gesagt ‚Ich hab eine Wohnung‘ ich hab gesagt ‚Die nehm‘ ich‘. So einfach war das, ich hab gar keine andere Wahl gehabt« Fr. A. 29
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Empirische Ergebnisse
Dabei ist zu berücksichtigen, dass es individuell sehr unterschiedlich ist, inwieweit etwas als Alternative betrachtet wird. Wenn einzelne Lagen beispielsweise vor vornherein ausgeschlossen werden, so sind Angebote dort für die betreffende Person keine Alternative, obwohl es vielleicht theoretisch weitere Möglichkeiten gegeben hätte. Gleiches gilt, wenn Wohnungen von Seite der Suchenden abgelehnt werden, theoretisch wäre eine abgelehnte Wohnung eine Alternative, nicht jedoch für die Suchenden. Im Gespräch wird der Begriff Alternative im Kontext von Wahlmöglichkeiten gebraucht, dennoch ist es schwierig zu beurteilen, inwieweit die Teilnehmenden Alternativen hatten. Für die vorliegende Arbeit wurden nur Haushalte befragt, die in den letzten drei Jahren umgezogen sind und in diesem Sinne Erfolg bei der Wohnungssuche hatten. Dennoch unterscheidet sich der Suchprozess der einzelnen Befragten sehr stark. Letztendlich kann zwischen vier Gruppen unterschieden werden, die hier kurz erläutert werden (siehe Abbildung 30). Die Umtriebigen Die Umtriebigen, das heißt Frau R., Frau A. und Frau F., kämpfen aktiv für eine Wohnung, dabei wird ein großer Aufwand in Kauf genommen: Es werden zahlreiche Bewerbungen abgeschickt, an unzähligen Besichtigungen teilgenommen und sämtliche Kontakte durchtelefoniert. Die Suchenden sind selbstbewusst und stehen für ihr Recht auf Wohnraum ein. »» … ich hab dann angefangen Bewerbungsmappen zu machen, als Deckblatt so ne Fotokollage von der ganzen Familie inklusive Katze« Fr. F. 6 Die Strategen Die meisten Befragten fallen unter die Strategen: Herr I., Frau G., Frau K., Frau S., Herr E., Frau M. und Herr J. Ihnen ist bewusst, dass sie schlechte Chancen auf dem freien Markt haben. Gleichzeitig haben sie – sofern sie überhaupt berechtigt sind - wenig Hoffnung auf eine Vermittlung durch das Wohnungsamt. Daher bemühen sie sich selbst, in dem sie versuchen über Kontakte oder informelle Wege an eine Wohnung zu kommen. »» … hab das auch meinem Betreuer erzählt, dass ich auf Wohnungssuche bin und er meinte er hat einen Klienten, der krank ist, der dement ist und in ein Heim muss und die Wohnung würde halt frei werden« Hr. I. 12
Die Wohnungssuche vor dem Hintergrund des angespannten Wohnungsmarktes
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»» … dann war dieses wahnsinnige Glück, dass meine Cousine eine Haushaltshilfe hat, […], eine Frau H., die auch in der Messestadt wohnt und zwar in einer Wohnung der Josef-Kelly-Stiftung aus Bamberg, das ist ein katholischer Bauträger, der Wohnungen mit Sozialbindung vermietet…« Hr. J. 7 Die Ausweicher Herr B., Herr T. und Frau H. ziehen in das Münchner Umland, weil ihnen die Lage in München aussichtslos erscheint. Hierbei ist entscheidend, dass zu Beginn der Suche nicht explizit im Umland gesucht wird, sondern nach erfolgloser Suche in der Stadt ins Umland ausgewichen wird. Allen ist gemein, dass Kinder im Haushalt leben, was sicher auch dazu beiträgt, dass das Umland als Option in Betracht gezogen wird. »» Genau, wir haben in München gewohnt und wollten eigentlich in München auch bleiben und ham in München gesucht. Sind... haben uns viele Sachen auch angeschaut in München. Sind da aber dann nicht so fündig geworden, dass wir gesagt hätten ‚Ok dann nehmen wir das‘ und dann war halt die Option für uns auch außerhalb mal zu schauen und da kam’s dann halt dazu, dass wir die Wohnung gefunden haben.« Hr. B. 19 »» Puh… das kam eigentlich echt spontan überhaupt die Idee aus München wegzugehen, also da hatte ich vorher überhaupt nicht dran gedacht, dass die Möglichkeit… ich habe lange in München eine Alternative gesucht« Fr. H. 17 Die passiv Resignierten Herr W., Herr P., Frau O. und Frau C. ergreifen zwar vereinzelt Initiative, im Großen und Ganzen sind sie aber eher resigniert und der Meinung ohnehin keine Chance zu haben. Sie warten ab, bis sie über das Wohnungsamt eine Wohnung vermittelt bekommen. Diese Strategie funktioniert demnach nur bei Anspruch auf eine geförderte Wohnung, hoher Dringlichkeit beziehungsweise einem gut begründeten und dennoch langfristigen Umzugswunsch. Tendenziell gehören die älteren Befragten zu dieser Gruppe. »» Doch habe schon geguckt, immer jede was kommt die freie Zeitung, ich habe immer geguckt, aber kann ich nicht zahlen das, damals das war Katastrophe, und dann immer wenn habe angerufen und hat gesagt ‚Kommen Sie!‘. Bin ich so zweimal gegangen […] und da war, sag ich, 10 Leute und dann wer kriegt das […] weiß nicht wies gegangen und dann bin ich nicht mehr gegangen« Fr. C. 57
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Die Umtriebigen
Empirische Ergebnisse
Die Strategen
Die Ausweicher
Die passiv Resignierten
Abbildung 30 Suchstrategien der Befragten
Das Verhalten bei der Suche beeinflusst häufig, aber nicht zwangsläufig, wie später tatsächlich eine Wohnung gefunden wird. Mindestens sieben Befragte haben sich ihre Wohnung trotz Anspruch auf eine Vermittlung durch das Wohnungsamt selbst organisiert und haben dazu große Anstrengungen unternommen. Zum Teil wurde der Umzug durch das Ausweichen ins Umland realisiert. Andere hingegen haben trotz großer Bemühungen ohne Unterstützung keinen Erfolg und sind auf eine Vermittlung durch das Wohnungsamt angewiesen. Es gibt allerdings auch Fälle, in denen die Befragten Wohnungen von sich aus ablehnen (unabhängig davon ob sie einen Zuschlag erhalten hätten oder nicht). Diese befinden sich meist weit im Umland und werden wegen der mangelnden Anbindung doch nicht ernsthaft in Erwägung gezogen (Hr. T. 43, Fr. F. 125). Qualitative Merkmale der Wohnung selbst spielen in der Regel keine Rolle für eine aktive Ablehnung, wie auch Frau A. klarmacht: »» … da hab ich mir gedacht ‚Nein, bitte nicht, lass mich bitte schön die Wohnung nicht kriegen, weil sonst müsste ich einziehen‘« Fr. A. 73 Insgesamt lässt sich zusammenfassen: Beharrlichkeit zahlt sich in der Regel aus, auch Kontakte oder informelle Wege sind, wie man an den Strategen sieht, vergleichsweise erfolgsversprechend. Auch ein Abweichen von den ursprünglichen Vorstellungen beziehungsweise eine räumliche Erweiterung des Suchradius hilft – allerdings mit entsprechenden Einschränkungen, die dafür hingenommen werden müssen. Diejenigen, die eine Wohnung über das Wohnungsamt vermittelt bekommen, müssen sich vergleichsweise lange gedulden und darüber hinaus eine den Kriterien entsprechend hohe Dringlichkeit nachweisen. Die Strategie an eine Wohnung zu kommen ist unabhängig davon, wie die Wohnung später finanziert wird, so
Die Wohnungssuche vor dem Hintergrund des angespannten Wohnungsmarktes
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bekommen auch diejenigen, die sich die Wohnung selbst organisiert haben, bei der entsprechenden Berechtigung eine Förderung oder Kostenübernahme. Ein Überblick ist in Tabelle 04 dargestellt. TN
Wohnungsfund
Vormerkung WA
Kostenübernahme
Suchtyp
Hr. W.
Vermittlung durch das WA
Ja
KdU
Passiv
Hr. I.
Vermittlung über Kontakt
Ja
KdU
Stratege
Fr. G.
Selbst organisiert
Ja
KdU
Stratege
Fr. K.
Selbst organisiert
Ja
KdU
Stratege
Hr. P.
Vermittlung durch das WA
Ja
KdU
Passiv
Fr. S.
Über den Arbeitgeber
Nein
selbst
Stratege
Hr. B.
Selbst organisiert
Nein
selbst
Ausweicher
Hr. T.
Selbst organisiert
Nein
selbst
Ausweicher
Hr. E.
Selbst organisiert
Nein
selbst
Stratege
Fr. O.
Vermittlung durch das WA
Ja
KdU
Passiv
Fr. H.
Selbst organisiert
Ja
KdU
Ausweicher
Fr. R.
Vermittlung durch das WA
Ja
selbst
Umtriebig
Fr. A.
Selbst organisiert
Ja
Zuschuss
Umtriebig
Fr. M.
Selbst organisiert
Ja
Zuschuss
Stratege
Fr. F.
Selbst organisiert
Nein
selbst
Umtriebig
Fr. C.
Vermittlung durch das WA
Ja
KdU
Passiv
Hr. J.
Selbst organisiert
Ja
KdU
Stratege
Tabelle 04 Wohnungsfund, Vormerkung beim Wohnungsamt (WA), Übernahme der Wohnkosten (KdU = Kosten der Unterkunft, Wohnkostenübernahme im Rahmen des Leistungsbezugs nach SGB II oder SGB XII) und Suchtypen
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Empirische Ergebnisse
»» … ich war eigentlich auch bereit in München alles, alles was so innerhalb der Stadt ist, zu akzeptieren, also hätte in Bogenhausen oder Neuperlach oder… ich hätte eigentlich alles genommen, bin da also… von Süden, Westen, Osten, Norden… alles…« Hr. I. 157 »» … also ich hätte mir alles vorstellen können in der Zeit, ich hätte auch glaube ich alles genommen, wenn ichs gekriegt hätte oder vieles genommen…« Fr. H. 138 »» … ansonsten denk ich mir bin ich erstmal froh, wenn ich ne Wohnung so finde, dass ich sie finanzieren kann, dass wir Platz haben und der Rest ergibt sich dann von selbst und wenns nun mal ein bisschen weiter außerhalb ist, mein Gott, dann muss man halt in den sauren Apfel beißen, wichtig ist natürlich ist erstmal, ja was zu finden…« Fr. R. 24 Die Bereitschaft eine Wohnung „irgendwo“ zu nehmen bedeutet aber nicht, dass die Befragten keine Präferenzen haben, zum Teil haben sie sogar sehr klare Präferenzen, insbesondere dazu, wo sich nicht hinwollen. Aber je dringlicher die Wohnungssuche ist, desto weniger wird diesen Anforderungen, auch von Seiten der Befragten selbst, Rechnung getragen. »» Ich versuch jetzt mich jetzt mal an die Anfangszeit zurück zu erinnern, weil am Schluss hatte ich gar keine Ansprüche mehr, da musste es nur noch leistbar sein.« Hr. T. 45 Die Anforderungen können sich also auch im Laufe der Suche verändern, wobei man generell sagen kann, dass den Befragten die Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt bewusst sind und die meisten von ihnen die Wohnungssuche daher mit vergleichsweise realistischen Vorstellungen beginnen. Die Haushalte, die sich beim Wohnungsamt für eine Wohnung vormerken lassen, können beim Ausfüllen des entsprechenden Formulars angeben, in welchem Teil von München sie gerne eine Wohnung beziehen würden - mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass die Berücksichtigung bestimmter Präferenzen nicht garantiert werden kann. Fast keiner der Haushalte legt sich hier fest, um so die Chancen zu erhöhen. »» Genau, also ich hab ganz München angekreuzt… « Interviewerin: » Ok, weil es Ihnen egal war…? « » Ja, weil ich mir da die besten Chancen, also wenn ich…« Hr. I. 24 - 26
Die räumlichen Anforderungen an einen Wohnstandort
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Beziehungsweise, wenn sie es doch tun, ändern sie das häufig im Laufe der Zeit, wie auch der Interviewauszug von Herrn P. zeigt: »» Aber später dann hab ich gedacht, nee das ist, das ist so schon schwer genug, weil ich hab dann sogar die Hoffnung nicht gehabt, dass ich selbst wenn ich alle Stadtteile genommen hätte, hatte ich wenig Hoffnung auf eine Wohnung. Da habe ich das doch einfach alles ausradiert, hab gesagt ich aktualisier das und hab einen neuen Antrag hingeschickt, in dem ich alle Stadtteile zugelassen hab.« Hr. P. 42 Wie in Kapitel 6.1.2 beschrieben, kann das auch dazu führen, dass Eigenschaften der Wohnung oder der Wohnlage in Kauf genommen werden, die sich die Suchenden so nicht ausgesucht hätten und deren Konsequenzen ihnen möglicherweise erst im Lauf der Zeit bewusst werden. Teilweise nehmen die Befragten an Wohnungsbesichtigungen teil, um gegenüber dem Job-Center eine hohe Anzahl an Besichtigungen nachweisen zu können (Fr. G. 31). Da sie sich dabei ohnehin keine Hoffnung auf einen Zuschlag machen, ist es für diese Suchenden relativ egal, welche Wohnungen sie besichtigen, solange sie die erste Hürde überwinden und überhaupt zu einer Besichtigung eingeladen werden. Was sicherlich auch dazu beiträgt, dass nur eine geringe Vorauswahl getroffen wird, ist, dass es in München kaum Gebiete gibt, die überhaupt nicht öffentlich erschlossen sind oder in denen der Zugang zu Nahversorgung gänzlich fehlt. Rein unter diesen Gesichtspunkten, sind also alle Stadtteile in München „akzeptabel“. Die Stadtplanung in München hat jahrelang das Bild einer gemischten Stadt hinsichtlich der Nutzungen, aber auch der Bevölkerungsstruktur forciert, so dass es keine „Ghettos“ oder extrem stark segregierte Stadtviertel gibt (Vom Berge et al. 2014, S. 8). Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch in München Stadtviertel mit besserem oder weniger gutem Ruf gibt, und auch die Versorgungs- und Anbindungsqualität schwankt und insbesondere zum Stadtrand hin stark abnimmt.
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Empirische Ergebnisse
6.2.2 Die übergeordnete Wohnlage ist eine Grundsatzentscheidung Auch wenn die Befragten, wie oben dargestellt, gezwungenermaßen sehr offen hinsichtlich ihrer Wohnlage sind, so haben sie bezüglich ihrer großräumigen Wohnlage klare Vorstellungen und Wünsche. So steht für die meisten fest, dass sie zumindest in München oder im Raum München bleiben wollen. Im Folgenden wird entsprechend auf die Anforderungen der Befragten an ihre übergeordnete Wohnlage sowie die Vor- und Nachteile des Lebens in der Stadt beziehungsweise dem Umland eingegangen. Den Raum München zu verlassen ist keine Option Für fast alle Befragten ist es keine Option, den Raum München zu verlassen. Die genannten Gründe, die für München und die angrenzenden Gebiete sprechen, lassen sich im Prinzip in zwei grobe Kategorien teilen: ein Mehr an Möglichkeiten und die persönliche Verbundenheit. Chancen, Angebote, Möglichkeiten Die Großstadt, und München im Speziellen, bietet den Befragten viele Möglichkeiten, sowohl hinsichtlich Ausbildung und beruflicher Perspektiven (Fr. F. 40, Hr. J. 323), als auch im Bereich Freizeit. Besonders deutlich wird das bei Frau F., die in die Region zugezogen beziehungsweise zurückgekehrt ist: »» Ich denke mal das ist auch weil es mehr gibt, weil du hier in München ganz andere Möglichkeiten hast, weil du kannst wirklich sagen, du setzt dich in die S-Bahn, fährst in die Stadt rein, bummelst durch die Innenstadt, kannst ins Museum gehen, kannst ins Schwimmbad gehen, kannst in Englischen Garten gehen, gibt einfach mehr, also ich bereu den Umzug nicht…« Fr. F. 36 Insbesondere die Befragten im Umland betonen landschaftliche Qualitäten, die Nähe zur Natur (Fr. H. 132) und den hohen Freizeitwert der Region (Fr. S. 218, Hr. B. 93). Auch das öffentliche Verkehrsangebot wird in diesem Zusammenhang mehrfach lobend erwähnt. Selbst die Haushalte, die sich vorstellen können, die Stadt zu verlassen, würden aber dennoch zumindest im S-Bahn-Bereich bleiben wollen. Auf die Frage, ob es eine Option für sie wäre, zurück in ihre Heimat in Osteuropa zu gehen antwortet Frau C. (hat keinen Führerschein):
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»» … ich gehe nirgends, weil hier bin ich beweglich, unten bin ich tot, ich kann nichts, will irgendwo muss ich warten meine Tochter, wenn kommt, soll mich irgendwo fahren und so…« Fr. C. 147 Ihr ist also die unabhängige Beweglichkeit in München besonders wichtig, so wichtig, dass sie sich in Osteuropa als „tot“ bezeichnen würde, denn dort gibt es nur eine sehr unzureichende Versorgung im öffentlichen Verkehr und sie wäre immer auf ihre Tochter angewiesen. Heimatverbundenheit und persönlicher Bezug Die meisten Befragten kommen aus dem Raum München oder der Stadt direkt oder leben zumindest schon sehr lange dort. Ihnen gefällt die Stadt und sie ist ihnen vertraut. Für sie steht der persönliche Bezug im Vordergrund. Die resultierenden Vorteile beschreibt Frau R. folgendermaßen: »» … hier hab ich wenigstens mir schon... wie soll ich das sagen, einen Freundes-, Bekanntenkreis aufgebaut, ich hab hier auch arbeitsmäßig, wie soll ich das sagen, schon ne gewisse Orientierung aufgebaut, weiß an was ich mich wenden kann oder welche Möglichkeiten bestehen und so, ja, schon…« Fr. R. 78 Allen gemein ist, dass sie betonen, sich im Raum München sehr wohlzufühlen – wenngleich einige einschränkend hinzufügen, dass die hohen Wohn- und Lebenshaltungskosten es ihnen schwermachen. »» Ich bin hier geboren und weiß nicht, mir gefällt München eigentlich ganz gut, bis auf das, dass es ne sehr teure Stadt ist, was die Mieten und alles so Lebenshaltungskosten… aber sonst gefällt mir München eigentlich ganz gut, fühl mich sehr heimisch eigentlich, ist meine Heimat, ja…« Hr. I. 149 Die Stadt bietet den Befragten also einerseits viele Möglichkeiten, anderseits nimmt sie ihnen auch finanzielle Spielräume, die sie andernorts eher hätten. Den Raum München zu verlassen, ist dennoch nur für zwei Haushalte eine längerfristig mögliche Perspektive. Beide kommen ursprünglich nicht aus München und könnten sich vorstellen, wieder in ihre Heimat zurück zu gehen. Als Grund führen beide an, mit einem ähnlichen Budget in anderen Gegenden sehr viel mehr Möglichkeiten zu haben, insbesondere hinsichtlich des Immobilienerwerbs.
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Empirische Ergebnisse
»» … für uns aus der Perspektive wir möchten eigentlich gerne mal was kaufen oder ne größere Wohnung oder ein Haus haben zum Beispiel, allerdings dann auch ein Grund zu sagen, hier bestimmt nicht, zu den Preisen so mickrige Grundstücke letztendlich zu kaufen, die so kleingestückelt werden aus Gewinnmaximierung von anderen Leuten, das ist nicht so ne Option, wenn man sich dann in Norddeutschland umschaut zum Beispiel kriegt man für das was wir an Miete zahlen Häuser tatsächlich zur Miete…« Hr. B. 103 Stadt und Umland bieten unterschiedliche Qualitäten Mit München assoziieren die meisten Menschen Leben in der Stadt. Doch nicht zwangsläufig muss dieses in der Innenstadt stattfinden, es gibt durchaus Befragte, die andere Wohnlagen bevorzugen. Der Innenstadt werden unter anderem folgende Eigenschaften zugeordnet: viele Menschen, „zu wusslig und zu stressig“ (Fr. S. 21), hohe Mietkosten, wenige Wohnungen und zu wenig Grün, andererseits ist „alles schnell und gut erreichbar“ (Hr. I. 48) und es gibt viele Angebote. Dabei ist zu berücksichtigen, dass unter „Innenstadt“ unterschiedliche Gebiete verstanden werden. Dennoch, die Diversität der zugeordneten Eigenschaften zeigt, dass die Befragten sehr unterschiedliche Assoziationen und Anforderungen haben. Es sind dementsprechend auch eher einzelne Stadtteile, mit denen die Befragten bestimmte Eigenschaften, Lebensweisen und Leute verbinden und die aufgrund dessen bevorzugt oder ausgeschlossen werden. In der Tat handelt es sich hierbei aber oft um innerstädtische Gebiete wie die Maxvorstadt oder Schwabing. Für viele ist eine Wohnung in diesen Stadtvierteln durchaus erstrebenswert, die Chancen dort eine Wohnung zu bekommen, scheinen aber noch aussichtsloser als im übrigen Stadtgebiet. »» …ich persönlich hätte natürlich lieber in der Altstadt, also in der Innenstadt, aber da ists… da siehts… also erstens sind die Mieten sehr hoch und zweitens sind die Wohnungen rar da, also selten…« Hr. I. 26 Insbesondere Herr B. und Frau H., die beide von der Stadt ins Umland gezogen sind, sehen die Unterschiede des städtischen Lebens rückblickend zum Beispiel in der Qualität und Zahl der Spielplätze oder in den Möglichkeiten, Feiern zu gehen und Leute kennenzulernen. Auch unter den anderen Befragten gibt es einige, die gastronomische Angebote, gemischte Nutzungen, kreative Angebote und eine hohe Dichte, wie sie für einzelne Stadtteile charakteristisch sind, wertschätzen, wie Herrn J.s Beschreibung seines idealen Wohnstandortes zeigt:
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»» … da wir aus der Gastronomie kommen, gute Kneipen, Kleinkunst ein bisschen, also wo vielleicht auch mal n bissl Jazz oder Blues gespielt wird, Kino muss nicht sein, dafür gibt’s genug in der Innenstadt, das ist jetzt nicht so der Punkt…« Hr. J. 87 Genauso wie Herr I., würde auch Herr J. lieber wieder zentraler Wohnen. Frau G. und Frau R. beschreiben in diesem Zusammenhang beide, sie hätten als Geringverdienerinnen das Gefühl, an den Außenrand der Stadt gedrängt beziehungsweise „in solche Wohnungen gesetzt“ zu werden (Fr. R. 18, 201, Fr. G. 7). Dabei stört sie vor allem die Unfreiwilligkeit beziehungsweise die Fremdbestimmung ihrer Entscheidung. Frau M. beschreibt ihr neues Wohnumfeld folgendermaßen: »» Ja, das ist halt das einzige Schlimme, weil… weils nicht urban ist, wissens da sind… da ist kein Geschäft, nichts in der Nähe, ist rein gut Wohnen…« Fr. M. 30 Im Gegensatz dazu bevorzugen einige andere genau die städtischen Randlagen. Sie schätzen, dass es dort ruhiger ist, es mehr Grünflächen gibt oder sie einen direkteren Zugang zu Naturbereichen haben (Fr. S. 21, Fr. A. 49). »» Ja schon Natur, also das war mir schon sehr wichtig, dass es nicht direkt hier jetzt in Schwabing in der Stadt ist oder so, sondern halt schon irgendwie son bisschen Randbezirk, aber dass man auch eben jetzt schnell mim Radl mal in der Stadt ist oder mit der U-Bahn« Fr. S. 23 Unabhängig vom bevorzugten Wohnstandort ist allen gemein, dass ihnen zumindest eine gute Anbindung an die Innenstadt wichtig ist. Denn auch wenn sie andere Wohnlagen bevorzugen, so bewerten sie städtische Angebote dennoch positiv und nutzen diese auch, wie das Beispiel von Frau S. zeigt. Sie beschreibt das Westend, ist selbst aber wie oben ausgeführt zufrieden mit ihrer Wohnung am Stadtrand: »» … das war eigentlich ganz nett dort, also viele Cafes und Bars und Restaurants und kleine Läden und auch eigentlich ziemlich ruhig obwohls ja eigentlich auch mitten in der Stadt ist« Fr. S. 32 Die meisten Haushalte haben tendenziell nach zentraleren Standorten gesucht, als sie sie realisieren konnten. Die drei Haushalte die ins Umland gezogen sind, haben alle zunächst in der Stadt gesucht und haben den Suchradius davon ausgehend erweitert. Das heißt, der Umzug ins Umland war für diese Haushalte nicht die erste Option (das deckt sich auch mit den Erkenntnissen von Bauer et al. 2005, S. 276; Gans et al. 2010, S. 55). Insgesamt wohnen vier Befragte im Umland, wobei
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Empirische Ergebnisse
Frau F. direkt ins Umland zugezogen, beziehungsweise zurückgekehrt ist. Alle vier haben sich die Wohnung im Umland selbst organisiert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in allen dieser Haushalte Kinder leben und dass alle Haushalte in Gemeinden mit guter Versorgung und infrastruktureller Anbindung gezogen sind. Es ist bekannt, dass Haushalte in der Familiengründungsphase zu Suburbanisierung neigen (Adam et al. 08, S. 402; Gans et. al. 2010 S. 55) und der Umzug ins Umland in dieser Lebensphase am wahrscheinlichsten ist. Diese Tendenz drückt sich auch darin aus, dass drei der Familien rückblickend mit ihrer Entscheidung sehr zufrieden sind und die Vorteile des Landlebens durchaus zu schätzen wissen. Zu den Vorteilen außerhalb der Stadt werden landschaftliche Qualitäten, eine größere Nähe zu Natur und Seen, Sicherheit, Ruhe sowie weniger Stress und Trubel genannt. Aber auch die gute Versorgung vor Ort sowie eine gute Anbindung in die Stadt werden geschätzt. Auch wenn sie tatsächlich nicht unbedingt häufig genutzt wird, ist die Option jederzeit in die Stadt fahren zu können für viele Haushalte von zentraler Bedeutung. Das deckt sich auch mit den Erkenntnissen von Menzl (2007, S. 150). »» Genau, man hat die Option, man könnte, aber wie gesagt, wir haben hier alles, also deswegen ich würde jedem mit Familie wirklich raten ins Randgebiet zu ziehen, raus aus der Innenstadt, weils einfach auch für die Kinder schöner ist…« Fr. F. 54 Bei allen drei Familien spielt sich das Leben fast ausschließlich vor Ort ab. Bis auf den Arbeitsplatz gibt es keine Bezüge in die Innenstadt. Bei Herrn T. ist es hingegen so, dass eine komplette Verlagerung des Lebensmittelpunktes nicht möglich war, denn der Sohn geht am alten Wohnstandort in München in den Kindergarten, dort wohnt auch die Mutter und es finden die sozialen Kontakte statt. Herr T. befindet sich in einem ständigen Hin und Her zwischen Wohnort im Umland, seiner Arbeitsstelle und dem sozialen Umfeld seines Sohnes in München. Er ist mit dieser Situation so unzufrieden, dass er bereits erwägt, wieder in die Stadt zu ziehen.
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Kartenbasis: GeoBasis-DE / BKG 2017
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Abbildung 31 Narrative Karte eines/er Befragten - deutlich werden die wenigen Rückbezüge in die Stadt
Es lässt sich also feststellen, dass die Einbettung und damit einhergehend auch die Zufriedenheit im Umland entscheidend davon abhängen, inwieweit der Lebensmittelpunkt tatsächlich verlegt wird und dieses neue „Leben auf dem Land“ gelebt wird. Dennoch ist nicht zu vergessen, dass auch bei Herrn B. und Frau H. trotz der rückwirkend positiven Bewertung der Entscheidung, ursprünglich der Wunsch bestand, in der Stadt wohnen zu bleiben.
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Abbildung 32 Narrative Karte eines/er Befragten - auch hier gibt es außer dem Arbeitsort keine Rückbezüge
Die Abbildungen 31 und 32 zeigen zwei zufriedene Haushalte im Umland, beiden ist gemein, dass bis auf den Arbeitsort (und einen Arzt in Abbildung 32) keine Bezüge in die Stadt mehr bestehen. Versorgung und Freizeit wird vor Ort am neuen Wohnstandort organisiert. Der in Abbildung 31 dargestellte Haushalt verfügt über einen Pkw, was sich an den vereinzelten Versorgungs- und Freizeitzielen weiter entfernt vom Wohnstandort, also auch in der Zielwahl und damit auf der Karte deutlich bemerkbar macht. Der in Abbildung 33 dargestellte Haushalt ist hingegen nicht zufrieden, hier konnte lediglich ein Teil der Versorgung an den neuen Wohnstandort verlagert werden, alle anderen Ziele befinden sich nach wie vor im Stadtgebiet und insbesondere in der Umgebung des alten Wohnstandortes, so dass der Befragte lange Wege in Kauf nehmen muss, um diese Ziele vom Wohnstandort aus zu erreichen.
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6.2.3 Die kleinräumige Wohnlage prägt den Alltag Neben der übergeordneten Wohnlage gibt es weitere Eigenschaften des Wohnstandortes, die den Befragten wichtig sind. Hierzu gehören Versorgung sowie Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung und Naherholung. Während Einzelne bestimmte Eigenschaften an einer Wohnumgebung schätzen, so legen sich andere direkt auf bestimmte Stadtteile fest, in denen sie gerne oder nicht so gerne leben würden. Wohnortnahe und kostengünstige Versorgung ist von zentraler Bedeutung Fast alle Haushalte wünschen sich eine gute Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs in unmittelbarer Nähe des Wohnstandortes (z. B. Hr. T. 45, Fr. F. 125, Fr. C. 129). Das deckt sich auch mit den in Kapitel 4.2 dargestellen Ergebnissen der WAM-Befragung. „Gut“ ist dabei subjektiv. In der Regel bedeutet es, die wichtigsten Läden, die gebraucht werden, in Laufnähe zu haben, was bei vielen Befragten auch der Fall ist. In diesem Zusammenhang kann eine Orientierung hin zu Stadtteilzentren festgestellt werden, denn dort gibt es zahlreiche Läden in unmittelbarer Nähe zueinander, so dass mehrere Erledigungen mit wenig zusätzlichem Aufwand getätigt werden können. »» … und wenn man dann ein Stückchen weiter ins Zentrum von Großhadern geht, sag ich mal, da gibt’s dann auch ganz viele, also eigentlich alle Läden die man so braucht, Rewe, Getränkemarkt, Metzger, Bäcker, alles Mögliche…« Fr. S. 27 Auch diejenigen, die ins Umland gezogen sind, bewerten die Versorgungssituation vor Ort gut. Dennoch empfinden einige Befragte die Versorgung an ihrem alten Wohnort besser als aktuell (Hr. P. 205, Fr. A. 121). Da sich das in manchen Fällen nur bedingt nachvollziehen lässt, kann angenommen werden, dass hier Routinen und Gewöhnungseffekte hinsichtlich der Wege am alten Wohnort zur guten Bewertung mitbeitragen. Es fällt auf, dass die Befragten immer wieder von Angeboten erzählen, die sie selbst letztendlich gar nicht nutzen. Im Bereich Versorgung ist es am offensichtlichsten, dass nahegelegene Geschäfte nicht genutzt werden, wie das Beispiel von Herrn I. zeigt: »» Also hier ist der REWE aber da kaufe ich eigentlich weniger ein, weil zu teuer, ich fahr immer drei Stationen bis D-Straße…« Hr. I. 36
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Dabei handelt es sich vor allem um hochpreisige Läden, so dass die Befragten günstigere Alternativen wählen. Für einkommensschwache Haushalte ist demnach nicht nur das Vorhandensein eines entsprechenden Lebensmittelladens von Bedeutung, sondern insbesondere die Preise der angebotenen Produkte. Kleinteilige Fachgeschäfte wie Bäcker oder Metzger vor Ort werden zum Teil kaum genutzt, weil die Preise dort höher sind als im Discounter. Mehrere Befragte schildern, dass sie sich beim Einkaufen stark an Angeboten orientieren und Preise vergleichen (Hr. W. 216, Hr. P. 207, Fr. A. 88, Fr. G. 35). Das heißt, das am nächsten gelegene Geschäft ist nicht unbedingt auch das Geschäft, in welchem Einkäufe getätigt werden. Dafür nehmen die Befragten einen höheren Aufwand, beispielsweise in Form einer zusätzlichen Busfahrt oder einem weiteren Weg in Kauf. Da die Haushalte in dieser Frage keine Alternative haben, kann durchaus von einer Zwangsmobilität gesprochen werden. »» … ich bin jetzt auch gewohnt, dass ich mindestens eine Station fahren muss zum Einkaufen, wir haben da zwar so einen Nahkauf und nen Tengelmann, aber das ist halt wahnsinnig teuer und da kaufe ich wirklich nur Sachen, wo ich weiß, die kosten da das gleiche als wenn ich jetzt in Lidl oder Aldi oder so fahr…« Fr. R. 30 Zum Teil werden Einkäufe aber auch unterwegs oder in der Nähe von regelmäßigen Zielen getätigt, so beschreibt Herr W. er kaufe immer neben seiner Stammkneipe ein (Hr. W. 65), auch wenn diese nicht unmittelbar am Wohnort ist. Obwohl das Thema für viele wichtig ist, so gibt es in den wenigsten Fällen den Ausschlag bei der Bewertung einer Wohnung. Es kann davon ausgegangen werden, dass das an der relativ guten Grundversorgung liegt, die Herr B. folgendermaßen beschreibt: »» In München kann man ja eigentlich davon ausgehen, dass man in fahrradläufiger Entfernung alles an Nahversorgung oder Grundversorgung erreichbar hat und da ist ja die Versorgungsdichte in München auch sehr hoch, was jetzt Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte und so weiter angeht, das ist jetzt in jedem Stadtteil denke ich mal auch gegeben einigermaßen, dass man das… oder sonst mit ner kurzen U-Bahn- oder S-Bahnfahrt auch erreichen kann…« Hr. B. 35 Zur Versorgung gehören auch medizinische Versorgung oder die Versorgung mit sozialen Einrichtungen, wie Kindertagesbetreuungseinrichtungen. Die ärztliche Versorgung ist für viele Befragten kein Thema, bei diesen kann davon ausgegangen werden, dass sie entweder gut versorgt sind oder kaum Bedarf an einer regelmäßigen ärztlichen Versorgung haben. Insbesondere die älteren Befragten geben
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an, dass sie ihre ärztliche Versorgung gerne in der Nachbarschaft hätten. Dennoch behalten viele die Ärzte, die sie vorher schon hatten bei, und das obwohl sie den Aufwand diese zu erreichen kritisieren (Fr. C. 131, Fr. M. 211/213). Ob sie das tun, weil sie keine angemessene Versorgung vorfinden oder weil die Betreuung auf einem Vertrauensverhältnis fußt und die Hürden zu wechseln hoch sind, kann anhand der Gespräche nicht beurteilt werden. Aber nachdem das bei fast allen Befragten, unabhängig des Wohnstandortes der Fall ist, kann wohl von Letzterem ausgegangen werden. Das Thema Kinderbetreuung ist nur bei Haushalten mit Kindern von Interesse. Herr B. nennt die bessere Betreuungssituation im Umland als einen der Standortvorteile dort. Auch Frau H. und Frau F. empfinden es als großen Vorteil, dass ihre Kinder vor Ort versorgt sind. Der Sohn von Herrn P. tut sich mit einem Fahrweg von etwa 50 Minuten zur Schule so schwer, dass er die Schule wechseln wird. Kinderbetreuungsangebote vor Ort sind also wichtig, dennoch spielen bei diesem Thema noch weitere Faktoren eine Rolle, wie das Beispiel von Herrn T. zeigt: Er nimmt täglich weite Wege in Kauf, damit sein Sohn in der gewohnten Betreuungseinrichtung am alten Wohnort und in der Nähe der Mutter bleiben kann. Wunsch nach Freizeitmöglichkeiten und Naherholung am Wohnstandort Freizeit- und Naherholungsmöglichkeiten vor Ort sind ebenfalls fast allen Haushalten wichtig. Häufig erwähnt wird in diesem Zusammenhang die Erreichbarkeit von Schwimmbädern oder Seen, für welche die Befragten zum Teil einen vergleichsweise langen Weg in Kauf nehmen. Obwohl es in München viele Bäder gibt, wird auffällig oft das Westbad erwähnt (Fr. O. 95, Fr. A. 151, Fr. F. 155, Fr. C. 155). Eine mögliche Erklärung ist, dass dieses von den städtischen und damit günstigeren Bädern das Bad ist, welches bezüglich seiner Ausstattung den kommerziellen Erlebnisbädern noch am nächsten kommt. Teilweise bleiben Unternehmungsmöglichkeiten aber auch relativ abstrakt und unkonkret: »» Ja viele Unternehmungsmöglichkeiten… für Kinder oder auch jetzt für mich selbst. Wo man was unternehmen kann. […] Ob jetzt Radfahren oder … ja, Schwimmbad, gibt’s natürlich auch in allen Stadtteilen, aber jetzt so für Unternehmungen. Grillen oder an den See glaub ich auch wäre ganz schön« Hr. P. 103 – 105
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Auch im Bereich Freizeit scheinen die Optionen entscheidender zu sein, als die tatsächlich genutzten Angebote, so dass die Befragten immer wieder von Angeboten erzählen, die sie selbst letztendlich gar nicht nutzen. Zum Teil spielen auch hier die finanziellen Mittel eine Rolle, beispielsweise wenn Restaurants nicht genutzt werden (Hr. J. 51). Es gibt aber auch andere Hemmnisse, welche die Befragten davon abhalten, Angebote zu nutzen. Herr J. erzählt sehr ausführlich von den Angeboten in einem Nachbarschaftstreff, obwohl er noch nie dort war (Hr. J. 309). Ihm ist offenbar die Möglichkeit, dort jederzeit hingehen zu können, ein Anliegen. Folglich kann eine solche Einrichtung offensichtlich durchaus zur Attraktivität eines Viertels beitragen, unabhängig davon, ob sie genutzt wird. Um mit einem kleinen Budget Angebote auch nutzen zu können, spielt das Vergleichen und die Angebotsorientierung, wie ebenfalls schon im Bereich Versorgung erläutert, eine Rolle. Die Haushalte in München profitieren nicht nur von der Diversität der Angebote, sondern auch von der hohen Anzahl ähnlicher Angebote, so dass den Bedürfnissen entsprechend passgenaue Angebote gewählt werden können. In diesem Sinne trägt die Angebotsvielfalt in München auch dazu bei, dass einkommensschwache Haushalte überhaupt erst bestimmte Angebote in Anspruch nehmen können (siehe Kapitel 6.2.2). Frau F. beschreibt sehr anschaulich, wie diese Abwägungsprozesse stattfinden: »» Du haushaltest anders, du guckst auch viel mehr beim Einkaufen auf Angebote, du guckst wo, wenn du was unternimmst, wo gibt’s Familienermäßigung, du stöberst eher mal im Internet, zum Beispiel jetzt grad beim Schwimmbad, guckst dir an was kostet da die Tageskarte, was kostets da, was bieten die, was bieten die, du guckst ganz anders, weil sonst wenn du wie gesagt wo wir vorher gewohnt haben, ok, du hast ein Schwimmbad zur Auswahl gehabt, das musstest du nehmen, du hast das, du hast das, ok, es gab keine Alternative, du guckst mehr, du guckst auch eben mehr nach Alternativen, was kann ich noch machen…« Fr. F. 38 Da diese Angebotsvielfalt nicht an einzelne Standorte gekoppelt ist, sondern sich auf die gesamte Stadt und darüber hinaus bezieht, brauchen die Haushalte eine Anbindung, die es ihnen ermöglicht die Angebote zu erreichen. Doch nicht nur die Haushalte brauchen eine Anbindung, auch die Angebote müssen - im besten Falle öffentlich - erreichbar sein. Besonders schwierig ist das bei Naherholungsgebieten in der Region, welche im Bereich Freizeit eine wichtige Rolle spielen. Ausflüge in die Natur, zu Seen oder zu anderen Zielen in der Region sind für viele kaum, und wenn überhaupt, nur mit großem finanziellem und organisatorischem Aufwand
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machbar. Auf die spezifischen Anforderungen mit Mobilitätsbezug wird in Kapitel 6.2.4 noch detaillierter eingegangen. Fast alle Befragten wünschen sich Natur oder Grünflächen, beispielsweise in Form von Parks, in ihrer unmittelbaren Wohnumgebung. Besonders wichtig ist dieser Punkt für Haushalte mit Kindern. Die befragten Haushalte, die ins Umland oder an den Stadtrand gezogen sind, bewerten diesen Punkt sehr positiv und heben die verbesserten Freizeitmöglichkeiten in der Natur hervor. Spazierengehen (Hr. I. 114, Fr. H. 57), Radfahren (Hr. T. 111), Sport treiben (Fr. S. 21) oder eine bessere Erreichbarkeit von Badeseen (Hr. B. 69, Fr. H. 80) werden hier erwähnt. Frau H. beschreibt es als befreiend, wenn sie die Stadt mit der S-Bahn hinter sich lässt und empfindet am neuen Wohnstandort ein „echteres Naturgefühl“ als in der Stadt (Fr. H. 57). Weiter beschreibt sie die Vorteile im Umland: »» Fahrradfahren ist hier halt wirklich toll, Ausflüge machen, das ist jetzt kein spezieller Punkt, den man festlegen kann, aber genau… ja der Wald, auch ne Attraktion für sich, Sommer wie Winter« Fr. H. 81 Aber auch in innerstädtischen Lagen loben die Befragten die Nähe zu Parks oder zur Isar. Sie verbinden diese Gebiete mit Erholung und Entspannung und damit mit ihrem persönlichen Wohlbefinden (z. B. Kardan et al. 2015). Hierzu tragen auch kleine Grünflächen, Straßenrandbepflanzung (Hr. P. 111) und begrünte Innenhöfe bei. Die Erwartungshaltung scheint ganz klar eine andere zu sein, als bei Haushalten außerhalb des Stadtgebietes. »» Wichtig ist natürlich für mich dann auch gewesen zu sagen, da muss irgendwie ne kleine Grünanlage, ein kleiner Park, am besten ein begrünter Innenhof, dass man das Kind auch mal alleine, irgendwann ist er ja dann soweit, dass man dann nicht mehr mit zum Sandkasten gehen muss, dass er da halt was hat« Hr. T. 45 Zu dem Wunsch nach Grün- und Freiflächen passt, dass die Beschreibung „zugebaut“ häufig im negativen Kontext verwendet wird (Fr. S. 175, Fr. R. 74, Fr. O. 158), wie das angeführte Beispiel zeigt: »» … aber nee mir gefällts da eigentlich auch nicht mehr so, weil alles zugebaut ist und so und wohnblockmäßig wie früher im Osten, da in der DDR so n bisschen, zwar schöner aber das erinnert mich irgendwie n bisschen da dran…« Fr. S. 177 Teilweise geht das Bedürfnis nach Grün mit dem Wunsch nach einem Balkon (siehe Kapitel 6.3.2) oder Garten einher. Einen kleinen innerstädtischen Garten
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konnte nur Frau M. realisieren, zwei der ins Umland ausgewichenen Haushalte haben immerhin Gartenanteile (Hr. B., Fr. F.). »» … also n Balkon oder n kleiner Garten, das war mir schon immer wichtig, das war vielleicht das, wo ich am wenigsten Abstriche hätte machen wollen, also irgendnen Blick ins Grüne muss schon gewesen sein oder ein Balkon…« Hr. J. 89 Letztendlich sind alle Haushalte – unabhängig von ihrer Wohnlage – mit der Grünversorgung an ihrem Wohnstandort relativ zufrieden und heben diese häufig als positive Standorteigenschaft hervor. Das ist auch vor dem Hintergrund der durch hohe Mieten und Lebenshaltungskosten angespannten ökonomischen Situation der Haushalte, die sich auch auf viele andere Lebensbereiche wie Freizeit und Urlaub auswirkt, zu sehen. Denn insbesondere die Freizeit und Möglichkeiten ihrer Gestaltung tragen zur grundsätzlichen Lebensqualität bei. Fast alle Haushalte antworten auf die Frage, was sich mit mehr finanziellen Ressourcen ändern würde, dass sie gerne Ausflüge in der Region unternehmen oder Urlaub machen würden („Extra-Mobilität“) und ihre Freizeit in diesem Sinne „aufwendiger“ gestalten würden. Ruhe und Sicherheit als wichtige Eigenschaften der Wohnumgebung Zum Teil sind es eher abstrakte Eigenschaften, die sich die Befragten für ihre Wohnlage wünschen. Häufig genannt werden hierbei Ruhe und Sicherheit. Beide drücken einen Wunsch nach Rückzug oder auch einer Beruhigung nach der emotionalen und existenzbedrohenden Wohnungssuche aus. Sicherheit kann mit einem Wunsch nach Unbeschwertheit assoziiert werden: Kinder sollen gefahrlos draußen spielen können (Fr. H. 8, Fr. A. 43, Fr. F. 14), Frau H. will sich keine Gedanken machen, wenn sie ihr Fahrrad draußen stehen lässt (Fr. H. 21). Diese Art der Sicherheit wird, zumindest von den Befragten, die dort wohnen, eher mit ruhigeren Wohngegenden im Umland oder am Stadtrand in Verbindung gebracht. Bei dem Wunsch nach Ruhe gibt es zwei Komponenten: zum einen der Wunsch nach tatsächlicher akustischer Ruhe, zum anderen der Wunsch in Ruhe gelassen zu werden und selbstbestimmt entscheiden zu können. Ersterer zeigt sich beispielsweise daran, dass die Befragten nicht an einer Hauptverkehrsstraße oder einer Kreuzung leben wollen (Hr. B. 31, Fr. G. 33). Lautstärke und schlechte Luft spielen dabei sicher genauso eine Rolle, wie das Bild, das die Befragten vor Augen haben, wenn sie ihre präferierte Wohnumgebung beschreiben:
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»» … aber auch viel eben auch Ruhe und so, also für mich wären es dann wirklich auch die Seitenstraßen, wo ich leben möchte nicht die Hauptverkehrsstraßen, ich möchte nicht irgendwo an ner Kreuzung sein, ich möchte gerne einen Hinterhof haben, vielleicht auch im Rückgebäude…« Fr. H. 45 Der Wunsch nach Ruhe, wie ihn Frau A. im Folgenden beschreibt, ist hingegen ein gänzlich anderer: »» …ich will meine Ruhe haben, ich will in meinen vier Wänden machen was ich will, ich will keinem Rechenschaft ablegen müssen, ich will nicht irgendwelche neugierigen Nachbarn um mich rum haben, das ist das was ich möchte…« Fr. A. 59 Es ist der Wunsch nach Rückzug und gleichzeitiger Selbstbestimmung, die den Einfluss externer Faktoren zu minimieren versucht. Dieses Ruhebedürfnis spiegelt ein negatives Verhältnis zur sozialen Umwelt wider, welches eine Folge bisheriger Erfahrungen, nicht zuletzt bei der Wohnungssuche sein kann. In eine ähnliche Richtung geht auch der Wunsch Platz zu haben und weniger beengt zu sein (Fr. G. 5, Fr. R. 2), wie Frau H. beschreibt: »» ja das Platz haben schon aber auch, also ich finde so dieses Gefühl beengt zu sein oder so macht dann manchmal auch was aus…« Fr. H. 45 Auch hier ist vorstellbar, dass es indirekt auch darum geht, die finanziellen oder durch Unsicherheit bedingten Zwänge loszuwerden, um endlich unbeschwert zu leben. Gleichzeitig kann dieses Gefühl auch in Verlorenheit und Unsicherheit umschwenken, insbesondere wenn die Befragten keinerlei Bezug zu ihrer Wohnumgebung haben und weniger zentral leben, als sie ursprünglich gesucht haben. »» Ja das ist ein bisschen... weiß nicht, hier ist eigentlich der Stadtrand da wo ich wohne…« Interviewerin: »Und danach kommt nichts mehr? « » Ja, genau, also hier das wenn man jetzt da so 10 Minuten weitergeht, kommt dann schon… Da sind dann keine Straßen mehr, also ich habs noch nicht gesehen aber laut Stadtplan ist das so, da kommt dann gar nichts mehr…« Hr. I. 137 - 139 Dieser Interviewauszug zeigt, dass Herr I. keinen Bezug zu der Gegend hat, in der er wohnt. Er selbst bestätigt, dass er sich, wenn er Alternativen gehabt hätte, diesen Wohnstandort nicht ausgesucht hätte (Hr. I. 42). Auch jetzt, wo er dort wohnt, scheint er sich nicht mit der Gegend befasst zu haben, für ihn ist sie einfach sehr
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weit draußen am Stadtrand, was danach kommt ist für ihn nicht relevant, denn er orientiert sich Richtung Innenstadt. Unabhängig von der großräumigeren Lage legen die meisten Befragten Wert darauf, in einer „ordentlichen Gegend“ zu leben. Damit werden Eigenschaften wie schön, sauber und aufgeräumt (Fr. H. 51, Fr. G. 1) assoziiert. Frau A. spricht von einer „Easy-Ecke“ mit „unglaublich vielen Eigenheimen außen rum“ (Fr. A. 59). Auch hier kann der Wunsch nach Normalität, Sicherheit und Unbeschwertheit eine Ursache sein und bisherige Erfahrungen bei der Wohnungssuche der Grund, warum diese Werte so explizit benannt werden. Da das vor allem bei Befragten mit Kindern der Fall ist, scheint es auch darum zu gehen, dass die Kinder in einer „guten“ Umgebung aufwachsen. Genau wie Frau F. hat Frau H. den Eindruck, dass sie ihren Kindern im Umland ein sichereres Umfeld als in der Stadt bieten kann. Frau H. beschreibt, ihr gefällt dieses „Zwischending“, dass sie in einer Mietswohnung in der Einfamilienhaussiedlung wohnen, sie beschreibt das als motivierend für die Kinder (Fr. H. 21). Eine hohe Konzentration von Sozialwohnungen wird dementsprechend eher negativ wahrgenommen, insbesondere, wenn diese schon etwas älter sind. Mit dem Wunsch nach einem „ordentlichen“ Wohnumfeld, grenzen sich die Befragten von der vermeintlich dort lebenden Bevölkerung ab (siehe auch folgender Abschnitt). Die Zufriedenheit mit der Wohnumgebung hängt auch von den Nutzungen ab, negativ gebrauchte Ausdrücke wie „Wohnstadt“ (Fr. S. 175) oder „Retortenstadt“ (Hr. J. 43) verdeutlichen den Wunsch nach gemischten Nutzungsformen und Lebendigkeit auf den Straßen (Fr. H. 45, Fr. M. 30). Stadtteile, die sich durch kleine Läden, Cafés oder kreative Nutzungen auszeichnen, werden von vielen Befragten als attraktiv und erstrebenswert wahrgenommen (siehe auch Kapitel 6.2.2). Frau H. stellt fest, dass das Leben im Umland „schon etwas engstirniger“ (Fr. H. 57) ist, während es in der Stadt offener und bunter ist. Dementsprechend schätzt sie Stadtteile in denen das Leben auf der Straße stattfindet. Sie beschreibt weiter: »» … es gibt wirklich viel, was sich ergibt aus dem Miteinander der Leute und dem wie man eben lebt, wie man leben will, künstlerische Sachen, die ich einfach auch schön finde, wenn die irgendwo einfließen, auch wenn ich sie selber vielleicht nicht vorlebe…« Fr. H. 45 Wenn es allerdings um die konkrete Wohnsituation geht, nimmt Herr B. diese in der Stadt ganz anders war: Er beschreibt die vorherige Wohnsituation in der Stadt als sehr unpersönlich, er spricht von einem anonymen Wohnkomplex mit dicken Wänden und dicken Türen, so dass man kaum ins Gespräch kommt (Hr. B. 115). Im
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Umland hingegen hat er den Eindruck, dass sie den Wohnungszuschlag erhalten haben, weil sie gut in die Hausgemeinschaft passen und nicht, weil ihr Vermieter den „reichsten und bestverdienensten Mieter“ gesucht hat (Hr. B. 23). Die Bewertung verschiedener Stadtteile und dazugehöriger Eigenschaften ist dementsprechend nicht nur von der kleinteiligen Konfiguration vor Ort abhängig, sondern auch von der subjektiven Wahrnehmung. Die Bewertung von Stadtvierteln hängt von der eigenen sozialen Verortung ab In ihren Ausführungen erwähnen die Befragten häufig einzelne Stadtviertel, entweder weil ihnen diese besonders gut gefallen und sie damit bestimmte Dinge verbinden oder weil sie ihnen gegenüber Vorbehalte haben. So individuell die Befragten sind, so individuell sind die Vorlieben für einzelne Quartiere. Zu den Stadtteilen, die häufig positiv erwähnt werden, gehören Neuhausen-Nymphenburg, Thalkirchen, Giesing und Haidhausen. Auch Sendling oder Schwabing werden häufig genannt, darüber hinaus gibt es etliche Stadtteile, die nur von Einzelnen genannt werden. Die häufiger genannten Stadtteile sind dichte, gemischte, innerstädtisch gewachsene Quartiere, die generell sehr nachgefragt sind. Eigenschaften, die zu positiven Eindrücken beitragen, sind die Nähe zur Isar oder zu Parks oder auch eine gute Ausstattung. Oft sind es der Charakter oder das Flair eines Viertels, die den Befragten gefallen, wie beispielsweise Cafés, Läden und Restaurants, die Begegnungen auf der Straße begünstigen. Am häufigsten sind es aber persönliche Bezüge, wie die Kindheit oder ein vergangener Wohnort, die für ein bestimmtes Viertel sprechen. »» Also was mir gefallen würde, das wäre so Sendling, das wäre so meins, Sendling, Thalkirchen, ja da habe ich lange gewohnt, da sind meine Kinder geboren und ja…« Fr. R. 20 Stadtteile die oft explizit in einem negativen Kontext erwähnt werden, sind insbesondere Neuperlach, das Hasenbergl und der Münchner Norden sowie die Messestadt Riem. Auch hier entspricht die Bewertung verbreiteten Images: Alle diese Gebiete sind durch eine weniger wohlhabende Bewohnerstruktur, einen vergleichsweise hohen Anteil an geförderten Wohnungen, stellenweise Wohnblocks aus den Sechzigerjahren und einen höheren Anteil an Migrantinnen und Migranten gekennzeichnet. Die Gründe, die gegen diese Stadtteile sprechen, sind häufig unkonkret, sind aber auch durch bestimmte Bilder, welche die Befragten von den Stadtteilen haben, geprägt. Es stellt sich die Frage, inwieweit die Beurteilung einzelner Viertel tatsächlich auf individuellen Eindrücke oder weitverbreiten Klischees beruht.
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Die Nachbarschaft oder die Bevölkerung in einem Stadtteil sind immer wieder Thema in den Gesprächen. Häufig werden Stadtteile anhand der vermeintlich dort lebenden Bevölkerung charakterisiert. Oft kommen verbreitete Images oder Vorurteile ins Spiel. In vielen Fällen sind diese Bilder negativ besetzt. Es spielt daher eine Rolle, sich von den beschriebenen Bevölkerungsgruppen abzugrenzen und klarzumachen, dass man selbst nicht dazugehört. Frau G. betont, dass es ja auch unter Hartz-IV-Beziehenden, wie überall „solche und solche“ gibt (Fr. G. 1). Später im Gespräch stellt sie klar, dass sie das Geld zwar bekommt, aber ihre Miete immer selbst überwiesen hat, während andere nicht mit ihrem Geld umgehen können und die Miete daher direkt vom Amt an den Vermieter überwiesen wird (Fr. G. 164). Hier grenzt sie sich ganz klar von anderen Leistungsbeziehenden ab und betont ihre eigene Zuverlässigkeit. Auffällig ist dabei, dass sie die Bilder, von denen sie sich selbst abgrenzt, auf andere projiziert anstatt sie zu hinterfragen. Solche Abgrenzungen geschehen durchaus auch im räumlichen Sinne. Stadtviertel, die mit geringeren Einkommen oder einem hohen Anteil an Gruppen mit Migrationshintergrund assoziiert werden, werden am häufigsten negativ bewertet. Wenn es um die Bewertung der aktuellen oder vorherigen Wohnsituation geht, wird die dort lebende Bevölkerung für die Probleme verantwortlich gemacht. So beschreibt Frau R., dass in ihrer Nachbarschaft „ziemlich viele Kaputte“ wohnen (Fr. R. 16). Herr T. ist im Sozialbereich tätig und sagt ganz klar, dass er nicht mit seinen „Klienten“ in einer Sozialbausiedlung wohnen möchte, da Familien dort zusätzlich zu den finanziellen Schwierigkeiten oft auch soziale Probleme haben und er nicht möchte, dass sein Kind in diesem Umfeld aufwächst (Hr. T. 25). Frau S. beschreibt die Gegend rund um den Hauptbahnhof als unheimlich, weil dort viele Nicht-Deutsche auf der Straße sind, viele Menschen türkisch sprechen und vermeintlich keine Arbeit haben (Fr. S. 38). Dass das nicht zwangsläufig Probleme mit sich bringt, stellt Herr E. fast schon überrascht fest, er beschreibt, dass in seiner Nachbarschaft zwar viele Ausländer wohnen und seine Nachbarn Türken sind, aber er „irgendwie noch gar keine Probleme“ hatte oder er „irgendwie jetzt in Konfrontation war mit solchen Leuten“ (Hr. E. 45). Herr P. geht sogar noch einen Schritt weiter, er möchte gerade wegen der netten Leute gerne im Hasenbergl (Hr. P. 38) bleiben. Herr J. beschreibt sein Wohnumfeld vergleichsweise neutral, was unter den Befragten eher die Ausnahme ist:
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»» Und dann ist es halt, aber das ist gar nicht unsympathisch oder unangenehm gemeint, […] haben wirs mit ner unheimlich bunten Mischung zu tun, also das ist immer… wir haben 100 Klingelschilder bei mir in der A-Straße, davon sind fünf deutsch, der Rest ist aus allen Herren Ländern, viele Schwarzafrikaner, Bosnier, Rumänen, da geht’s halt bissl lauter zu, wie halt im Ausland auch Abends, also viele Türken, auch Flüchtlinge und so, aber es nicht n sozialer Brennpunkt oder so, also man muss jetzt nicht Angst haben, dass einem der Schlüssel oder Geldbeutel geklaut wird, aber es ist also sehr, sehr bunt, das kann man schon sagen, das liegt an der ganzen Durchmischung da, also Haidhausen könnte sich keiner von denen leisten, sagen wirs mal so…« Hr. J. 45 Die Analyse zeigt aber auch, dass die Befragten ein und dasselbe Stadtviertel unterschiedlich bewerten. So beschreibt Frau F. etwa, dass ihr vom Hasenbergl abgeraten wurde, während Herr P. sich nur schweren Herzens vom Hasenbergl getrennt hat und dort gerne wieder eine Wohnung bezogen hätte. »» …das einzige wo uns abgeraten wurde war eben so Hasenbergl da oben in dem Eck, hats geheißen, da soll man nicht hin, weils da auch ja… Kriminalität so hoch und auch was so die Leute betrifft von der Art her, so n bisschen rauer und ruppiger...« Fr. F. 234 »» Sagen wir mal so, wenn ich jetzt die Wahl gehabt hätte, hätte ich trotzdem wieder Hasenbergl gewählt, […] ja, es ist… die Leute hier grüßen sich, es ist… ja selbst fremde Leute. Also man merkt richtig, mit der Zeit wächst man son bissl zusammen, man kennt die Leute und grüßt sich dann auch öfter. Und das Bild von dem Stadtteil hab ich schon länger bekommen, seit ich hier gewohnt hab. Daher hab ich mich auch …. Ja, hab mich zwar n bissl schweren Herzens vom Hasenbergl getrennt, als ich nach Sendling ziehen musste, aber ich wusste ja wofür…« Hr. P. 38 Ein weiteres häufiges Ausschlusskriterium für bestimmte Stadtteile ist, dass sie zu weit weg oder am anderen Ende der Stadt sind (Fr. H. 17, Hr. W. 57, Fr. C. 107). Dort fehlt der persönliche Bezug, die Befragten kennen sich nicht aus oder können bestimmt Ziele von dort vermeintlich nur schlecht erreichen. Dazu trägt sicherlich bei, dass die meisten gerne in ihrer ursprünglichen Wohnumgebung geblieben wären (siehe Kapitel 6.3.1). Hier bestätigt sich die „Tortenstücktheorie“ (Thierstein et al. 2016, S. 158): Die Befragten suchen in ihrer näheren Umgebung, wenn sie keinen Erfolg haben suchen sie tendenziell auch weiter außerhalb, aber in der gleichen Richtung (im gleichen Tortenstück). Föbker et al. (2007, S. 199) sprechen in diesem Zusammenhang von einem Minimieren der „emotionalen Kosten“.
Die räumlichen Anforderungen an einen Wohnstandort
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»» Wir wollten eigentlich schon eher im Münchner Südosten bleiben, wir haben in Obergiesing zuerst gewohnt und haben dann zwischen Obergiesing, Thalkirchen, Haidhausen, lose Haidhausen, weil in Haidhausen damals schon die Mieten deutlich höher waren als in den gegebenen Stadtvierteln, geschaut, wir wären einfach, aufgrund der bisschen begrünteren Lage und auch Nähe zur Isar und sowas dann auch in der Gegend lieber wohnen geblieben eigentlich. Für uns stand jetzt nicht zur Diskussion, ob wir nach Laim ziehen zum Beispiel oder in den Norden nach Feldmoching, oder so, weil, ja … es hätte jetzt uns von unseren Lebensplänen nicht so zugesagt einfach…« Hr. B. 29 Insgesamt lässt sich feststellen, dass positive wie negative Eindrücke von Stadtteilen häufig aus abstrakten Eigenschaftszuschreibungen und/oder persönlichen (Vergangenheits-)Bezügen entstehen. Wenn es um die Menschen vor Ort geht, wird häufig mit subjektiven Eindrücken oder Vorurteilen argumentiert, es ist daher abzuwägen, wie man mit diesen Einschätzungen umgeht. Häufig sind aber gerade diese subjektiven Einschätzungen gewichtige Faktoren, die das Handeln und die Entscheidungen der Menschen beeinflussen.
Die räumlichen Anforderungen an einen Wohnstandort
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6.2.4 Lagemerkmale mit direktem Mobilitätsbezug sind die Grundlage für spätere Aktivitäten Neben den genannten räumlichen Anforderungen spielen die Anforderungen mit direktem Mobilitätsbezug eine zentrale Rolle bei der Wohnungssuche beziehungsweise bei der Bewertung von Standorten. Und auch für die im Rahmen dieser Arbeit aufgeworfenen Forschungsfragen sind diese von hoher Bedeutung. Im Vordergrund steht für die Befragten die Anbindung an den öffentlichen Verkehr. Aber auch die Nähe beziehungsweise die Anbindung an konkrete Ziele wird im Folgenden näher betrachtet. Die Anbindung an den öffentlichen Verkehr ist bei der Bewertung eines Wohnstandortes entscheidend Das wichtigste Kriterium bei der Beurteilung eines Wohnstandortes ist bei fast allen Befragten die Anbindung an den öffentlichen Verkehr. Das deckt sich mit den Ergebnissen der WAM-Befragung (siehe Kapitel 4.2). Für die meisten war diese die Hauptvoraussetzung bei der Entscheidung für eine Wohnung. Die Beurteilung an sich variiert jedoch individuell und wird auch durch bisherige Gewohnheiten und Erfahrungen beeinflusst. In München gibt es grundsätzlich eine gute Grundversorgung, so dass die meisten Wohnstandorte irgendeine Art von öffentlicher Erschließung haben, die Anbindungsqualität variiert aber insbesondere am Stadtrand. Dennoch beurteilen die meisten das Angebot des öffentlichen Verkehrs sehr positiv und sind auch mit ihrer persönlichen Anbindung zufrieden. Alle Befragten können eine Haltestellte des öffentlichen Verkehrs zu Fuß erreichen, bis auf zwei Befragte sind auch alle überwiegend mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs (siehe Kapitel 6.4.1). Die Anbindung der Haushalte soll anhand von drei Kategorien der Wohnlage beschrieben werden (siehe Abbildung 34). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Raumkategorie mit der entsprechenden Verkehrserschließung nichts über die kleinräumige Anbindung der Wohnung an das öffentliche Verkehrsnetz aussagt und sich diese durchaus unterscheiden kann.
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Empirische Ergebnisse
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Innenstadtrandlage mit U-/S-Bahn
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Stadtrandlage mit U-/S-Bahn
Stadtrandlage mit Bus
Kleinstädtische Lage mit S-Bahn
Abbildung 34 Übersicht der Wohnlagen (* heißt Vermittlung der Wohnung über das Wohnungsamt)
Innenstadtrandlage mit U-/S-Bahn Tatsächlich wohnt ein vergleichsweise großer Anteil der Befragten in Innenstadtrandlage mit Zugang zur U-Bahn beziehungsweise im Falle einer Befragten zur S-Bahn. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Wohnung durch das Wohnungsamt vermittelt bekommen haben (siehe *), ist bei Haushalten, die in den vergleichsweise zentralen Innenstadtrandlagen leben, besonders hoch. Die meisten haben Zugang zu einer U-Bahn-Linie, mit der sie weitere Linien erreichen können. Einzig Herr W. und Frau R. wohnen beide in der Nähe einer Station, wo sich zwei Linien kreuzen und haben so die Auswahl. Auch zum Bus hätten alle Befragten dieser Kategorie Zugang, allerdings nutzt diesen nur ein Teil der Befragten, wie zum Beispiel Herr W. Er braucht 5 Minuten zu Fuß zur U-Bahn, mit dem Bus ist er schnell am Ostbahnhof. Vorher musste er 5 Minuten zur Bushaltestelle gehen, um von dort 5 Minuten mit dem Bus zur U-Bahn zu fahren. Das war für ihn zwar in Ordnung (Hr. W. 77), dennoch beurteilt er die jetzige Anbindung als besser. Frau G. ist zwar denkbar unzufrieden an ihrem neuen Wohnstandort, das Einzige was sie dort jedoch schätzt, ist der gute U-Bahn-Anschluss (Fr. G. 33). Auch einen Bus hat sie fast direkt vor der Haustür. Sie ist froh, dass sie nicht auf die S-Bahn oder das Auto angewiesen ist (Fr. G. 140/144). Herr E. und Frau C. hätten keine Wohnung ohne U-Bahn-Anschluss genommen (Hr. E. 47, Fr. C. 163). Auch Frau R. ist die Anbindung mit U-Bahn, S-Bahn oder Bus wichtig, da sie kein Auto hat und nicht alles mit dem Fahrrad machen kann. Besonders wichtig ist ihr die öffentliche Verkehrsanbindung aber für ihre Tochter (Fr. R. 30).
Die räumlichen Anforderungen an einen Wohnstandort
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Stadtrandlage mit U-/S-Bahn oder Stadtrandlage mit Bus Im Vergleich zur Innenstadtrandlage befindet sich die Stadtrandlage weiter außerhalb Richtung Stadtgrenze. Wie beschrieben, ist das Netz der öffentlichen Verkehrsanbindung zum Stadtrand hin weniger dicht und das Angebot im öffentlichen Verkehr weniger vielfältig. Vier der in Stadtrandlage lebenden Befragten haben dennoch einen U- oder S-Bahn-Anschluss in Laufnähe. Auch Busverbindungen wären vorhanden, diese scheinen aber keine so große Rolle im Alltag der Befragten zu spielen, einzig Frau S. nutzt einen Nachtbus, wenn die U-Bahn nicht mehr fährt (Fr. S. 40). Mit dem Rad erreicht sie auch die S-Bahn oder die Bayerische Oberlandbahn, so dass sie die Anbindung insgesamt als sehr gut empfindet. Frau A. schätzt die vielfältigen Möglichkeiten im öffentlichen Verkehr, insbesondere für ihren Sohn. Von ihrem Wohnort sind mehrere Haltestellen und Linien erreichbar, zum Teil allerdings nur mit dem Auto, so dass sie ihren Sohn „schnell rüber“ (Fr. A. 61) fährt. Auch Herr J. schätzt die gute öffentliche Anbindung, er wollte auf jeden Fall eine Wohnung im U-Bahn- oder S-Bahn-Bereich (Hr. J. 89). Die U-Bahn fährt im Zehn-Minuten-Rhythmus, teilweise auch alle fünf Minuten. Er läuft zur U-Bahn oder fährt drei Minuten mit dem Rad. Mit der U-Bahn braucht er 20 Minuten in die Innenstadt (Hr. J. 105). Neben den oben genannten gibt es zwei Befragte, die in vergleichbarer Lage leben, allerdings keine U-Bahn direkt erreichen können, sondern erst mit dem Bus fahren müssen. Dieser Bus verkehrt im 20 Minuten Takt und verbindet zwei U-Bahn-Äste, so dass bei einer Fahrt in Richtung Innenstadt immer mindestens ein Umstieg erforderlich ist. Es ist Zufall, dass diese beiden Befragten nur wenige Straßen entfernt voneinander leben, so dass ein direkter Vergleich mit der Zufriedenheit der Anbindung an den öffentlichen Verkehr möglich ist. Herr I. weiß es zwar zu schätzen, dass er die Bushaltestelle „vor der Haustür“ hat (Hr. I. 84), dennoch wäre es für ihn ideal, »» … wenn man die U-Bahn vor der Haustür hätte und überall direkt hinfahren könnte, also wenn sie überall hinfahren würde nicht so dass man dreimal umsteigen muss oder so, sondern das sie direkt irgendwo hinfährt oder nen Bus oder weiß nicht, oder ein Taxi oder so was…« Hr. I. 121 Auch den 20-Minuten-Takt kritisiert er insofern, als dass er auf dem Heimweg häufig lange warten muss. Der Vorteil eines Wohnstandortes in der Innenstadt ist für ihn, dass man „alles schnell und gut erreichen kann“ (Hr. I. 48) – offensichtlich empfindet er das an seinem aktuellen Wohnort nicht so. Herr I. hat vorher immer vergleichsweise zentral gewohnt und ist dementsprechend eine bessere Anbindung
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Empirische Ergebnisse
gewohnt. Obwohl Frau K. dieselbe Anbindung hat, beurteilt sie diese positiver. Auf die Frage, welche ihrer Ziele sie besonders gut erreichen kann, antwortet sie: »» Alles, alles. Ich find dass in München die Verbindungen jetzt optimal sind, also jetzt... also früher wo ich ein Kind war [...] also ich find auch mit den Bussen, was sie jetzt gemacht haben, das schaut zwar alles bissl umständlich aus, aber du kommst eigentlich überall hin, also diese Verbindung, da hat sich schon wer was gedacht, das hat mal eine Zeitlang nicht so funktioniert, aber die Verbindungen sind sehr gut, also der MVV und auch wie gesagt die Radwege...« Fr. K. Dieser direkte Vergleich zeigt, wie sehr Gewohnheit das Empfinden prägt und wie subjektiv die Beurteilung der vorhandenen Angebote ist. Kleinstädtische Lage mit S-Bahn Insbesondere für die Haushalte, die ins Umland gezogen sind, ist die S-BahnAnbindung, und für Frau H. sogar der 20-Minuten-Takt, Grundvoraussetzung für den Umzug ins Umland (Hr. B. 27, Hr. T. 43, Fr. H. 51). Dabei ist es nicht relevant, ob den Haushalten ein Auto zur Verfügung steht oder nicht. Unabhängig davon, wie häufig dieser Anschluss tatsächlich genutzt wird, so stellt er doch die Option, jederzeit in die Innenstadt fahren zu können, sicher (siehe Kapitel 6.2.2). Allerdings wussten drei der Befragten bereits vor dem Umzug, dass sie auch nach dem Umzug täglich in die Stadt pendeln würden. Alle befragten Haushalte im Umland können die S-Bahn dementsprechend zu Fuß erreichen. Frau F. nutzt als eine der wenigen auch den Bus im Umland, nicht nur, aber vor allem auch, um die U-Bahn zu erreichen. Über diesen Umweg stehen ihr U-Bahn und S-Bahn zur Verfügung, so dass sie entsprechend ihrer Ziele in der Stadt variieren kann. Auch für sie war eine Anbindung an den öffentlichen Verkehr Bedingung für den Umzug, um auch ohne Führerschein mobil und nicht auf ihren Mann angewiesen zu sein (Fr. F. 125). Nachdem es für Herrn T. auch nach langer Suche im Umland schwierig war, eine bezahlbare Wohnung mit guter fußläufiger öffentlicher Anbindung zu finden, hat bei ihm der Gedanke, sich stattdessen ein Auto zuzulegen, durchaus eine Rolle gespielt. Allerdings hätte die Mietersparnis auch weiter außerhalb nicht gereicht, um ein Auto zu finanzieren. Dazu kam, dass er auch für seinen Sohn eine unabhängige Anbindung sicherstellen wollte, so dass er den Gedanken eines Autos statt öffentlicher Verkehrsanbindung nicht weiterverfolgte (Hr. T. 37).
Die räumlichen Anforderungen an einen Wohnstandort
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Nähe und Anbindung an Ziele bestimmen die Erreichbarkeit Die Nähe zu bestimmten Zielen spielt bei der Wohnungssuche eine große Rolle. So können Fahrtzeiten reduziert werden oder aber Fuß- und Radverkehr genutzt werden. Doch nicht immer ist nur die Nähe zu einem Ziel ausschlaggebend für dessen Erreichbarkeit, häufig ist auch die Anbindung von hoher Bedeutung, denn sie hat einen großen Einfluss auf Fahrzeit und -komfort. Insbesondere für Haushalte mit Kindern ist die Erreichbarkeit von Betreuungseinrichtungen ein Thema, vor allem dann, wenn ein Wechsel nicht möglich ist oder vermieden werden soll. Das war beispielsweise für Frau G. ein Grund, warum sie gerne in der Nähe ihres alten Wohnstandortes bleiben wollte. Frau H. kam bei ihrem Umzug entgegen, dass bei ihrem Sohn ohnehin ein Schulwechsel bevorstand. Vorher erschien es ihr schwer, ihre Arbeit, Schule und Kindergarten mit einem praktisch gelegenen Wohnstandort in Einklang zu bringen. Am neuen Wohnstandort schätzt sie sehr, dass sie ihre Tochter zu Fuß in den Kindergarten bringen kann und auch ihre Einkäufe vor Ort erledigen kann, wodurch sie viel Zeit spart. In diesem Sinne hat die Erreichbarkeit der Aktivitätenstandorte großen Einfluss auf die Alltagsorganisation. Bei der Wohnungssuche steht die Erreichbarkeit einzelner Ziele meist nicht im Vordergrund. Vielmehr ist es der Wunsch, in einem bestimmten Umfeld zu bleiben, was dann auch mit der räumlichen Nähe zu verschiedenen Zielen einhergeht. So war es Herrn W. wichtig, im Umfeld seiner Freunde und seiner Stammkneipe, und damit seines alten Wohnstandortes, zu bleiben. Auch Frau C. ist froh, dass sich sie sich durch eine kurze Umzugsdistanz nicht komplett umgewöhnen musste. Dieser Aspekt scheint vor allem bei den älteren Befragten eine Rolle zu spielen. Frau S. gefällt an ihrem neuen Wohnstandort vor allem die Nähe zu ihrer Arbeit. Gleichzeitig schätzt sie die gute Anbindung, sowohl an die Innenstadt als auch in die Natur. Einzig die Anbindungsqualität an Standorte jenseits der Stadtgrenze kritisiert sie. Bei den Befragten, die aus der Stadt ins Umland gezogen sind, stellt sich die Lage unterschiedlich dar: Herr B. sieht seinen neuen Wohnstandort vor allem als gute Ausgangslage für Freizeitaktivitäten, gleichzeitig schätzt er die Nähe zum Zentrum der Umlandgemeinde, so dass er gut an Geschäfte angebunden ist und alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen kann. Einzig die lange Fahrzeit nach München betrachtet er als Nachteil. Herr T. bereut den Umzug ins Umland vor allem wegen der großen Distanz zu München und dem damit einhergehenden hohen Fahrtaufwand. Wohnort, Kindergarten und Arbeitsstelle sind ihm zu weit voneinander entfernt, so dass er über die Woche hinweg sehr viel Zeit verliert.
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Empirische Ergebnisse
»» ... hab mir des damals alles ganz einfach vorgestellt mit der langen Fahrt usw. bin jetzt bissel ernüchtert um das gleich mal vorwegzunehmen. Damals hörte sich des alles ganz gut an und weniger Miete und keine Dynamisierung drin und die S-Bahn direkt von der Tür und dann dacht ich so, die paar Minuten mehr am Tag« Hr. T. 17
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Kartenbasis GeoBasis-DE BKG 2017
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Abbildung 35 Narrative Karte eines/er Befragten - die Versorgung wurde angepasst, weitere Ziele sind unabhängig
Abbildung 35 zeigt ein typisches Bild eines Befragten. Der Befragte wohnt seit dem Umzug deutlich dezentraler, die Versorgung hat er an seinen neuen Wohnort angepasst. Den Weg zu seinem Arbeitsort konnte er nicht optimieren, so dass er nun länger unterwegs ist. Die formalisierten Ziele wie Arbeit, aber auch das Amt sind wohnstandortunabhängig. Seine Ärzte hat er ebenfalls beibehalten, wobei ein Arzt offenbar am alten Wohnort orientiert ist. Eines seiner Freizeitziele liegt näher am alten Wohnort, ein weiteres ist am neuen Wohnstandort hinzugekommen. Insgesamt ist er mit seinen Aktivitäten deutlich Richtung Innenstadt orientiert und würde dementsprechend eine zentralere Wohnlage bevorzugen. Verbindungen über die Stadtgrenze hinaus hat er nicht
Die räumlichen Anforderungen an einen Wohnstandort
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Die Ziele von Herrn P. sind im Stadtgebiet verteilt (siehe Abbildung 36), viele davon sind am alten Wohnstandort ausgerichtet, so dass sie vor dem Umzug besser zu erreichen waren. Einzig die Versorgung wurde angepasst und findet am neuen Wohnstandort statt. Formalisierte Ziele wie Arbeit oder Ämter sind auch hier weitgehend unabhängig, genauso wie Ärzte. Insbesondere sein Fahrweg zum Hauptarbeitsort ganz im Norden ist seit dem Umzug deutlich länger. Er beschreibt zwar, dass er sich daran gewöhnt hätte, dennoch würde er sich wünschen, Wohnstandort und Arbeitsstandort näher zusammen zu bringen.
AWO
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Gemeindegrenzen
Versorgung
Freizeit
Gemeindefreies Gebiet
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Amt
Arzt
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Kartenbasis: GeoBasis-DE / BKG 2017
0 1 2
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6 km
Abbildung 36 Narrative Karte eines/er Befragten - auch hier wurde die Versorgung angepasst, weitere Ziele orientieren sich teilweise am alten Wohnstandort
Ihn belastet vor allem die große Entfernung zur Schule seines Sohnes, da dieser nur mit viel Aufwand die Kontakte zu seinen Freunden aufrechterhalten kann (Hr. P. 48) und ihm der lange Schulweg mit zwei Umstiegen Probleme bereitet.
Die räumlichen Anforderungen an einen Wohnstandort
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6.2.5 Der Arbeitsstandort ist für die Wohnstandortwahl von untergeordneter Bedeutung Die Rolle des Arbeitsstandortes wird hier noch einmal gesondert betrachtet, da eine Vielzahl von Studien diesem eine entscheidende Bedeutung für die Standortwahl zusprechen (siehe Kapitel 2.3.2). Der Arbeitsstandort ist in jedem Fall eines der unveränderbaren Ziele, welches – außer bei einem Wechsel – nicht an räumliche Veränderungen angepasst werden kann. Bei der Auswahl der Befragten wurde versucht, Personen zu finden, die irgendeiner Art von regelmäßiger Beschäftigung nachgehen, um genau dieses Verhältnis genauer analysieren zu können. Tatsächlich ergibt sich aber bei einkommensschwachen Haushalten und insbesondere Leistungsbeziehenden häufig eine Sondersituation (siehe auch Kapitel 3.5). Wer Leistungen nach SGB II bezieht, kann befristet für in der Regel drei bis zwölf Monate, maximal 24 Monate, in eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung vermittelt werden. Dabei ist nicht gesagt, dass diese Zeit in derselben Einrichtung verbracht wird. Das heißt die Teilnehmenden einer solchen Arbeitsgelegenheit sind nur temporär an ihrem Arbeitsort im Einsatz und es ist teilweise nicht absehbar, wie lange sie an einer entsprechenden Stelle beschäftigt sein werden. Dieser Umstand trägt entscheidend dazu bei, dass der Arbeitsort keinen großen Einfluss auf Standortentscheidungen hat, soweit eine Entscheidung im Sinne einer Wahl getroffen wird. Wie in Kapitel 6.1.2 erläutert haben die meisten Haushalte keine Wahl, so dass sie derartige Präferenzen nicht einfließen lassen können, selbst wenn sie wollten. Was außerdem zu berücksichtigen ist, ist das die Beschäftigungsmaßnahmen alle im Stadtgebiet stattfinden und eine Erreichbarkeit im öffentlich Verkehr mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Tatsächlich ist es aber so, dass viele der Befragten, die im Rahmen einer Maßnahme beschäftigt sind, täglich sehr lange fahren. Herr W., Herr P, und Herr J. sind Beispiele dafür, dass die Entfernung von Arbeitsort und Wohnstandort weder bei der Arbeits- noch bei der Wohnungssuche eine Rolle spielt und die Befragten das so in Kauf nehmen und sich arrangieren. Herr P. betont zwar, dass er Wohnen und Arbeiten gerne näher zusammenbringen würde (Hr. P. 203), auf Nachfrage ergänzt er aber auch, dass er dennoch bereit wäre, Jobs im gesamten S-Bahn-Bereich anzunehmen (Hr. P. 227). Beides, Wohnen und Arbeiten an sich, scheinen eine hohe Priorität zu haben, so dass die Verbindung dieser Bereiche beispielsweise über Fahrzeit und Komfort nachrangig ist und die Befragten in diesem Bereich Kompromisse in Kauf nehmen würden.
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Empirische Ergebnisse
Acht Befragte haben eine unbefristete Arbeitsstelle. Nur so ist es beispielsweise Frau S. gelungen, über eine Wohnung des Arbeitgebers in die unmittelbare Nähe ihres Arbeitsorts zu ziehen. Über den Wegfall von langen Arbeitswegen ist sie sehr froh, da ihr so mehr Zeit für Freizeitaktivitäten bleibt (Fr. S. 9). Unter den Befragten ist sie damit aber die Einzige, die so nah an ihrer Arbeitsstelle wohnt, dass sie diese zu Fuß erreichen kann. Herr B., Herr T. und Frau H. sind ins Umland gezogen, obwohl sie in der Stadt arbeiten. Sie nehmen die lange Fahrtzeit in Kauf, weil sie anders keine Chance gesehen haben, eine Wohnung zu finden. Bei Herrn B. und Frau H. ist der Arbeitsweg allerdings der einzige verbliebene Bezug in die Stadt. Herr E. ist hingegen extra in die Stadt gezogen, um sich die langen S-Bahn-Fahrten zu sparen und näher an seinem Arbeitsort zu wohnen. Er ist neben Frau S. allerdings der Einzige, der das so gezielt steuern konnte. Bei Frau R. ist es mehr oder weniger Zufall, dass sie nun deutlich näher an ihrer Arbeitsstelle wohnt. Frau A. fährt im Gegensatz dazu etwa doppelt so weit mit dem Auto in die Arbeit wie vor dem Umzug. Die obigen Ausführungen machen deutlich, dass es mit wenig Geld nicht nur schwierig ist, eine Wohnung zu bekommen, sondern insbesondere Wohn- und Arbeitsort aufeinander abzustimmen. Einige Haushalte haben sowohl Wohn- als auch Arbeitsort durch die öffentliche Hand zugewiesen bekommen, denn häufig fallen Probleme auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt zusammen. Ob hier eine integrierte fallbezogene Unterstützung mit der Berücksichtigung räumlicher Aspekte sinnvoll wäre, sollte geprüft werden, würde aber den Rahmen dieser Untersuchung sprengen.
Ankommen am neuen Wohnstandort: die Einbettung
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Trade-offs abhängt. Je größer die Zufriedenheit und je höher die Übereinstimmung von Anforderungen und Gegebenheiten, desto besser sind die Ausgangsbedingungen für eine gute Einbettung am neuen Wohnstandort und eine langfristige Bleibeperspektive. Die Bleibeperspektive wiederum beeinflusst den Einbettungsprozess auch direkt, da nur mittel- oder langfristige Planungen den Aufwand des Einrichtens vor Ort überhaupt rechtfertigen. 6.3.1 Soziale Faktoren prägen die Einbettung Für die Beurteilung eines Standortes spielen nicht nur strukturelle räumliche Eigenschaften, sondern auch soziale Aspekte eine bedeutende Rolle. Diese Faktoren folgen aber, wie erwähnt, teilweise einer grundlegend anderen Logik, so dass auf diese Faktoren hier gesondert eingegangen wird. Persönliche Bezüge tragen zur positiven Bewertung von Stadtteilen bei Wie oben bereits angedeutet, prägen persönliche Erfahrung oder individuelle Bezüge zu einem Stadtteil sehr stark das Bild, welches die Befragten von diesem Stadtteil haben. Dementsprechend haben diese Erfahrungen auch einen großen Einfluss auf die Bewertung von Wohnlagen. In der Regel wird ein Stadtteil umso positiver bewertet, desto vertrauter er den Befragten ist. So hat beispielsweise der Stadtteil, in dem die Kindheit verbracht wurde oder der erste Wohnort in München, oft eine besondere Bedeutung. Frau H. sagt beispielsweise insbesondere Neuhausen zu, der Stadtteil in dem sie ihre erste WG bezogen hat. Eine Zeit, die sie rückblickend als „ganz toll“ (Fr. H. 74) beschreibt. Frau R. gefällt es in Sendling besonders gut, der Stadtteil, in dem sie gelebt hat als ihre Kinder zu Welt gekommen sind (Fr. R. 20) und die Ereignisse, die zu ihrer phasenweise prekären Situation geführt haben, noch nicht absehbar waren. Diese Erfahrungen prägen die Befragten also auch hinsichtlich ihrer Wohnstandortpräferenzen. Durch die Vermittlung durch das Wohnungsamt oder fehlende Alternativen haben die Befragten, wie bereits ausgeführt, häufig keine Wahl, in welchem Stadtteil sie ihre neue Wohnung beziehen. Das führt dazu, dass einige keinerlei Bezug zu ihrem Wohnort haben und es ihnen schwer fällt, sich auf den neuen Stadtteil einzulassen. Herr I. ist in sehr zentraler Innenstadtlage aufgewachsen, er ist eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr und eine gute Nahversorgung gewohnt. Jetzt wohnt er am Stadtrand, einer Wohnlage, die er sich, wie in Kapitel 6.2.3 bereits geschildert, nicht ausgesucht hätte, hätte er eine Wahl gehabt (Hr. I. 42). Er hat
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Empirische Ergebnisse
zu diesem Stadtteil keinerlei persönlichen Bezug und bisher auch keine Anstrengungen unternommen, das zu ändern. Bei der Beschreibung der Umgebung bezieht er sich auf Aussagen anderer. Herr J. kannte die Messestadt Riem zwar von beruflichen Terminen, privat sah er aber nie einen „Grund dahin zu fahren“ (Hr. J. 43). Im Gegenteil, er war froh nach seinen Terminen „zurück in die Stadt zu fahren“ (Hr. J. 43). »» Nee, überhaupt nicht, ich war da auf der Messe, als ich noch berufstätig war mit ner Firma, […] aber da kennt man von Riem die U-Bahn, man kennt 2, 3 Restaurants wo man mit den Kollegen Abends Essen geht und dann freut man sich wieder zurück in die Stadt zu fahren, weils halt ne reine Retortenstadt ist, das muss man schon so sehen, das ist klar, aber es gab auch keinen Grund dahin zu fahren, da gibt’s kein Kino, da gibt’s keine gescheite Kneipe, also das ist jetzt nicht so, dass man Grund hat dahinzufahren, es ist halt Abends ne ziemliche Schlafstadt…« Hr. J. 43 Herr P. wäre gerne in dem Stadtteil geblieben, in dem er vor dem Umzug gelebt hat. Auch er hat zu seiner neuen Wohnumgebung kaum Bezug, er geht aber sehr offen an die neue Umgebung heran und hat im Haus schon erste Kontakte geknüpft (Hr. P. 111). Den Stadtteil, in den er nicht hätte ziehen wollen, verbindet er mit Erinnerungen an seinen Vater (Hr. P. 89). Persönliche Bezüge können also auch das Gegenteil, den Ausschluss einzelner Stadtteile, zur Folge haben, das ist unter den Befragten aber die Ausnahme. Dass sich diese Einstellungen durchaus auch ändern können, zeigt das Beispiel von Frau H. Sie ist wieder dorthin gezogen, wo sie aufgewachsen ist. Viele Jahre hätte sie sich das nicht vorstellen können, doch jetzt gefällt ihr genau die Vertrautheit, die sie vorher abgeschreckt hat (Fr. H. 23). Auch Frau A. ist zufällig in den Stadtteil zurückgezogen, in dem sie aufgewachsen ist und kennt sich dort dementsprechend gut aus: »» … ich bin da groß geworden und aufgewachsen, hab da meine erste Wohnung gehabt, also da kenne ich mich blind aus da draußen und das ist auch ein schönes Gefühl…« Fr. A. 27 Auch bei ihr ist es also die Vertrautheit, die sie schätzt und die ihr die Einbettung erleichtert. Insbesondere nach der sehr belastenden Wohnungssuche, ist es nachvollziehbar, dass die Befragten diese Vertrautheit und praktische Kenntnisse vor Ort besonders wertschätzen.
Ankommen am neuen Wohnstandort: die Einbettung
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Die Bindung an das alte Wohnumfeld führt zu Herausforderungen Mindestens zwölf Befragte äußern explizit den Wunsch, dass sie gerne in ihrer vorherigen Wohngegend geblieben wären. Dort kennen sie sich bereits aus, haben ihre Bezugspunkte und sozialen Kontakte. Dementsprechend halten einige Haushalte Rückbezüge zum alten Wohnort aufrecht. Auch wenn das insbesondere bei Haushalten mit geringer Umzugsdistanz der Fall ist (siehe auch Albrecht 2014, S. 135), so erhöht sich dadurch doch häufig der Aufwand der Alltagsorganisation und geht mit weiteren Wegen einher, als wenn vor Ort neue Ziele gesucht werden.
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Abbildung 37 Narrative Karte eines/er Befragten - die Freizeitziele orientieren sich am alten Wohnstandort
Die Abbildung 37 zeigt, dass sich die Freizeitziele des Befragten immer noch stark am alten Wohnort orientieren und dementsprechend zahlreiche Rückbezüge bestehen. Einzig die Versorgung konnte er anpassen. Die Arbeitsstandorte sind auch hier komplett unabhängig.
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Empirische Ergebnisse
Herr W. hat zwei Wohnungsvorschläge bekommen, gewählt hat er eine Wohnung in Berg am Laim, denn für ihn war das einzige Kriterium, dass die neue Wohnung möglichst nah an seinem alten Wohnstandort ist, so dass er weiterhin seine Freunde sehen und seine Stammkneipe besuchen kann (Hr. W. 57). Für diesen persönlichen Bezug ist er bereit, über alle anderen Eigenschaften der Wohnung und der Wohnlage hinwegzusehen. Er hat bisher keine Anstrengungen unternommen, sich auch am neuen Wohnstandort ein soziales Umfeld aufzubauen und beschreibt die neue Situation folgendermaßen: »» Eigentlich hat sich nicht viel verändert, weil das Umfeld von meine Freunde und so und von den Kneipen her das hab ich behalten.« Hr. W. 29 Die Ziele von Herrn W. haben sich also kaum verändert, selbst seine Einkäufe tätigt er noch neben seiner Stammkneipe am alten Wohnort (Hr. W. 65), in diesem Sinne nimmt er nun einen höheren Aufwand in Kauf, um diese Bezüge aufrecht zu erhalten. Ähnlich verhält es sich bei Frau G., ihr neuer Wohnort liegt zwar nur etwa einen Kilometer vom alten Wohnort entfernt, dennoch hat sich auch bei ihr der Aufwand erhöht, da auch sie fast alle Ziele, insbesondere zur Versorgung, beibehalten hat. Viele davon konnte sie vorher fußläufig erreichen, was jetzt kaum noch möglich ist. »» Also es ist eine Metzgerei in der Nähe und eine Bäckerei, das geht, aber ich muss sagen, ich geh nach wie vor zum V-Markt, weil ich hab früher da alles gekauft und der Aldi ist auch noch in der U-Straße jetzt, ich hab mir so einen Wagen gekauft, zum Ziehen und geh meistens, weil da gibt’s also, ich kauf auch die Wurst und das Fleisch im V-Markt, weils trotzdem billiger ist, günstiger wie in der Metzgerei, also bei Hartz-IV-Einkommen muss man einfach da schauen.« Fr. G. 35 »» … ich bin auch viel zu Fuß, also jetzt nicht mehr so, weils einfach von der N-Straße zu Fuß irgendwohin ist einfach zu weit…« Fr. G. 107 Frau G. hat etwa 18 Jahre in ihrer alten Wohnung gelebt. Sie beschreibt, es sei ihr unheimlich schwer gefallen, dort wegzuziehen und sie bereue diesen Schritt noch immer (Fr. G. 57). Frau A. beschreibt die Beziehung zu ihrem alten Wohnort wie folgt: »» Wir wären gerne in Fürstenried-West geblieben, also da hab ich vorher gewohnt, da haben wir vorher gewohnt und meine Kinder haben sich da sofort zuhause gefühlt in der Gegend, es ist direkt der Wald daneben, wir haben eigentlich alles
Ankommen am neuen Wohnstandort: die Einbettung
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gehabt, was wir brauchten, meine Kinder wären da sehr gerne geblieben, er hat auch gesagt, er möchte gerne da bleiben, da hab ich gesagt ‚Du M., wir nehmen was wir kriegen und wenns Buxtehude ist‘« Fr. A. 41 Insbesondere für Alleinerziehende ist ein soziales Netz vor Ort auch eine große organisatorische Entlastung, so dass der Verlust dieses Netzes auch Herausforderungen in der Alltagsorganisation mit sich bringt. Nachdem der Sohn von Herrn T. noch immer viele Bezugspunkte, wie die Mutter, den Kindergarten und Freunde, in der alten Wohngegend hat, wäre auch Herr T. am liebsten dort geblieben. Er spricht sogar davon, dass er sich durch den Umzug selbst „vereinsamt“ habe (Hr. T. 84), den Verlust des sozialen Netzes beschreibt er wie folgt: »» … wenn ich in München bin, da hab ich Leute die Babysitten können, die ihn beaufsichtigen können wenn er mal krank ist, in B. ist das halt weniger, ja weil ich auch einfach, ich arbeite dort nicht, es wohnen keine Freunde von mir dort und dann fällts halt auch schwer Kontakte zu knüpfen, dann baut man halt dort auch keinen Freundeskreis auf, das ist schon auch nochmal ein Thema, wieder nach München zu kommen…« Hr. T. 113 Wie Herrn T. geht es auch Herrn P. vor allem um seinen Sohn, welcher am alten Wohnort aufgewachsen ist, dort in die Schule geht und dessen Mutter dort lebt. Gleichzeitig schätzt er das Hasenbergl insbesondere wegen der Leute, die dort leben, so dass ihm auch deshalb der Umzug schwergefallen ist (Hr. P. 38). Frau H. wollte explizit nicht alleine mit ihren Kindern nach Riem ziehen. Sie meint, dass das als Paar vielleicht anders wäre, aber so sieht sie dort keine Anknüpfungspunkte (Fr. H. 17). Seit dem Umzug leben sie nun in direkter Nachbarschaft zu den Großeltern, was ihr insbesondere für die Kinder gut gefällt (Fr. H. 8). Bei den Haushalten, die sich an ihrem neuen Wohnstandort besonders gut eingelebt haben, hat das maßgeblich auch mit einer sozialen Integration vor Ort zu tun. So beschreibt Herr B., dass sie häufig mit Nachbarn im Garten sitzen und seine Frau bereits zahlreiche Kontakte geknüpft hat (Hr. B. 85/143). Auch Frau F. hat sich bereits mit den Nachbarn angefreundet (Fr. F. 224). Auch wenn die sozialen Kontakte bei Frau S., Herrn E. und Frau R. nicht so stark auf den kleinräumigen Wohnstandort konzentriert sind, so scheinen sie doch viele soziale Kontakte zu haben und gut integriert zu sein. Bei anderen ist das weniger der Fall, insbesondere einige der älteren Befragten haben nur wenige feste soziale Kontakte. In diesen Fällen kann zwar kein direkter Zusammenhang zum Umzug festgestellt werden, aber es ist denkbar, dass eine
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6.3.2 Die aktuelle Wohnsituation beeinflusst die Zufriedenheit maßgeblich Um die tatsächliche kleinräumliche Wohnsituation als Ergebnis der Wohnungssuche, die eingegangenen Kompromisse und die damit in Zusammenhang stehende Zufriedenheit einordnen zu können, werden diese Themen im Folgenden näher beleuchtet. Räumliche Merkmale der Umgebung, die dabei ebenfalls eine Rolle spielen, wurden bereits in Kapitel 6.2 aufgegriffen. Vorzüge der Wohnung und das Ende der Wohnungssuche stimmen positiv Von entscheidender Bedeutung für die Zufriedenheit der Befragten scheint die kleinräumige Wohnsituation zu sein. Qualitäten der Wohnung können weniger positive Aspekte der Umgebung oder Lage durchaus kompensieren (z. B. bei Hr. P.). Jedoch gilt andersherum, wer sich in der Wohnung nicht wohlfühlt, kann sich nur schwer arrangieren (z. B. Fr. G.). Generell gilt, dass die meisten der Befragten sehr froh sind, überhaupt irgendwo untergekommen zu sein. Das Ende der emotional belastenden und für viele krisenhaften Wohnungssuche stimmt die Befragten grundsätzlich positiv, wie beispielsweise Frau H. schildert: »» …nee also an sich in meinem momentanen Leben bin ich total zufrieden so und es passt auch alles, ich würde erstmal nichts ändern, ich bin auch ganz froh, dass es eben so ist wie es ist und eben auch, dass es sich alles so erschlossen hat…« Fr. H. 113 Es gibt also durchaus Befragte, für die einfach der Fakt eine neue Wohnung für sich (allein) zu haben oder ein günstiger Mietpreis von entscheidender Bedeutung ist, so dass Ausstattungsmerkmale der Wohnung an sich weniger relevant sind. Gerade bei denjenigen, die vorher in prekären Verhältnissen gelebt haben, trägt eine „ordentliche“ Wohnung entscheidend zum Wohlbefinden bei. Dabei werden absolute Standards, wie ein eigenes Badezimmer oder eine ausgestattete Küche, die für manche Befragten eben nicht selbstverständlich sind, zum ausschlaggebenden Kriterium. Die Zufriedenheit hängt also auch immer davon ab, wie die Befragten vorher gelebt haben und wie dringlich die Wohnungssuche war. Herr P. vergleicht seine aktuelle mit der vorherigen Wohnsituation:
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»» Wovon ich doch sehr überrascht war, wie großzügig die Wohnung geschnitten war, […] ja das ist alles sehr großzügig geschnitten, auch wenn es nur eine ZweiZimmer-Wohnung ist, wirkt es ja vom Raum her doch sehr groß, noch dazu das Zimmer von meinem Sohn extra, das ist schon… wie gesagt, das war auch ein Traum endlich ne separate Küche zu haben…« Hr. P. 116 »» Hatte auch eine, wie sagt man, Erstausstattung bekommen. Weil ich viele Möbel in der alten Wohnung nicht hatte, weil es gab ja keine richtige Küche, das war nicht mal eine richtige Nische, da wurde einfach, da war vorher gar nichts drin, kein Herdanschluss, nichts und dann hat das Job-Center halt ne Firma beauftragt, die dann bei mir einfach so in die Ecke, ja n Waschbeckensystem, Anrichtesystem, weil Herd hatte ich auch keinen, da musste ich mir so einen Kombigrill holen, was auch ewig gedauert hat, bis man da was fertig gekriegt hatte, das waren alles so Punkte, die wo wirklich grausam waren, merkt man halt direkt wenn man jetzt auf einmal einen richtigen Herd hat, ne Waschmaschine, Dinge, die funktionieren, Wasser, das auch wirklich sofort warm wird und das war vorher alles gar nicht der Fall…« Hr. P. 272 Allerdings sind es auch weniger standardmäßige Ausstattungsmerkmale, wie beispielsweise ein Balkon, ein Lift oder ein passender Wohnungszuschnitt, die viele Befragte an ihrer neuen Wohnung schätzen. Besonders einen Balkon wünschen sich viele Befragte (Hr. J. 89, Fr. O. 11, Fr. R. 28), doch dieser gehört neben einer Badewanne zu den Ausstattungsmerkmalen, auf die trotz eines hohen Stellenwertes am häufigsten verzichtet werden muss. Die Befragten, die eine Neubauwohnung beziehen, äußern sich besonders positiv über die neue Wohnsituation (Hr. P. 8, Fr. C. 10), wohingegen bei älteren Wohnungen, insbesondere im geförderten Bereich, häufig der Zustand der Häuser und Wohnungen kritisiert wird (Hr. W. 39, Fr. O. 6, Fr. G. 1). Eine gepflegte Wohnanlage macht für viele einen großen Unterschied und trägt zur allgemeinen Zufriedenheit mit der Wohnsituation bei (siehe auch Kapitel 6.2.3). »» Ach ja also auf der einen Seite einfach auch mal, auch allein schon fürs Haus, dass man reinkommt und das Gefühl hat, man passt da rein, es ist ja oft einfach der Geruch oder das Gefühl im Eingangsbereich schon […] ja natürlich obs sauber ist auch, ja genau, wie gesagt auch der Geruch, dass man einfach sagt, ok, stinkt nicht muffig oder irgendwelche Sachen, ja, das ist eben auch dann gleich der rste Eindruck, […] der schon auch zählt« Fr. H. 51
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Wie auch dieses Beispiel zeigt, ist das Gefühl von entscheidender Bedeutung. Zufriedenheit lässt sich in der Regel nicht an einzelnen Gegebenheiten festmachen, sondern ergibt sich aus dem „Gesamtpaket“ Wohnung, Wohnumgebung und Lebenssituation. In diesem Sinne trägt oft allein der erfolgreiche Umzug viel dazu bei, dass die Befragten die alten von Unsicherheit geprägten Zustände hinter sich lassen können und sich der ganze Alltag, wie Herr P. es ausdrückt, wieder „richtig normalisiert“ (Hr. P. 22). Auch Frau F. beschreibt, sie seien seit dem Umzug lebensfroher geworden (Fr. F. 224). Die Situation auf dem Wohnungsmarkt macht Trade-offs unumgänglich Nicht bei allen Befragten überwiegt die durch den erfolgten Umzug positive Grundstimmung: »» Jaja, eben und das ist glaub ich das, was mich sehr belastet auch so diese, dass man so viele Abstriche machen muss und dass… […] man kommt immer wieder auf diesen Punkt zu sagen, es liegt einfach immer am Geld, also das ist so… und wenn man dann mal ne günstige Wohnung hat, muss man es sich wirklich gut überlegen, ob man die jemals wieder hergibt…« Hr. T. 52 Was Herr T. in diesem Interviewauszug beschreibt, empfinden viele der Befragten. Alle Haushalte gehen während der Suche gezwungenermaßen Kompromisse ein, häufig betreffen diese die direkte Wohnungsausstattung. Ganz konkret heißt das beispielweise, dass viele Befragte ihre Anforderungen hinsichtlich der verfügbaren Quadratmeter reduzieren. So haben viele nur zwei Zimmer, obwohl sie gerne drei Zimmer hätten. Insbesondere bei Alleinerziehenden wird entsprechend ein Kinderund ein Wohnzimmer eingerichtet, wobei die Eltern im Wohnzimmer schlafen. »» … wir haben halt momentan eine Wohnung die für zwei Personen absolut zu klein ist, das sind gerade mal 42,3 qm, wovon eigentlich ein Zimmer offiziell nur eine Kammer ist und das ist dann das Zimmer meiner Tochter, ich schlafe seit Jahren im Wohnzimmer auf der Couch…« Fr. R. 2 Zwei der Befragten haben aus finanziellen Gründen einen Mitbewohner aufgenommen, das wäre allerdings nicht in jeder Wohnung problemlos möglich gewesen: Offene Schnitte oder Durchgangszimmer können hier zum Problem werden und scheiden daher bei der Suche aus.
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»» Wir leben dort in ner 3-Zimmer-Wohnung und ja... aus finanziellen Gründen halt dann eben noch einen Mitbewohner aufgenommen jetzt, genau… Weil es ist halt bissel günstiger in B., aber halt nicht wirklich viel…« Hr. T. 13 Die Wohnungsgröße macht insbesondere denjenigen zu schaffen, die vorher mehr Platz zur Verfügung hatten. Ein sozialer Abstieg manifestiert sich besonders offensichtlich in der Wohnsituation, zu viele oder zu große Möbel führen das den Betroffen bei einem Umzug in eine kleinere Wohnung immer wieder erneut vor Augen (Hr. J. 9). Vor allem wenn die gegenwärtige Situation Folge verschiedener zum Teil sich überlagernder Ereignisse ist und für die Betroffenen in dieser Form nicht absehbar war, fällt es den Betroffenen schwer, sich damit zu arrangieren. »» Verändert hat sich insofern, also zum Schlechteren würde ich sagen. Weil das ist ja also 60 qm, aber das sind kleine Zimmer, ich habe viele Möbel gehabt, hab sowieso reduziert soweit es ging…« Frau G. 5 Dringlichkeit und Alternativlosigkeit zwingen die Befragten Wohnstandorte oder -situationen zu akzeptieren, die sie unter anderen Umständen nicht gewählt hätten (siehe Kapitel 6.1.2). So sind folgerichtig einige der Befragten überhaupt nicht zufrieden mit ihrer aktuellen Wohnsituation. Frau G. schildert, sie habe die Dinge, mit denen sie jetzt unzufrieden ist bei der Besichtigung gar nicht wahrgenommen, weil sie so unter Druck stand: »» Katastrophe. Laut. Also man kann kein Fenster aufmachen und Gewofag ist auch bissl schwierig, ja also die ham ja so verhaute Wohnungen, also das Treppenhaus, das wäre so ein schönes Treppenhaus, Holz und, aber schaut aus wie seit 45 nicht mehr renoviert. So wird’s auch sein. Ja Wahnsinn, also da muss man sich wirklich schämen, wenn jemand kommt, ja… also und ich fühle mich da überhaupt nicht wohl.« Fr. G. 1 Andere Befragte nennen in diesem Zusammenhang Nachtspeicheröfen, eine unzureichende Renovierung oder Wartezeiten für eine geförderte Erstausstattung. Herr I. schildert, er habe zwei Monate lang keine Küche gehabt und musste im Wohnzimmer kochen, bis er Herd und Spüle bekommen hat (Hr. I. 192). Weiter beschreibt er wie er die Wohnung übernommen hat:
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»» Ich hab sie… eigentlich hätte die vom Vormieter gestrichen werden sollen, aber die Hausverwaltung wollte das nicht und dann ham wir uns darauf geeinigt, dass ich sie ungestrichen übernehme, aber das ist nicht so schlimm, also… der war zwar auch Raucher, aber es ist nicht so krass vergilbt oder so…« Hr. I. 163 Neben Zustand oder Ausstattung der Wohnung selbst, kommt noch hinzu, dass häufig auch die Hausverwaltung oder der Hausmeister als nachlässig oder bei Problemen nicht hilfreich beschrieben werden (Fr. O. 55, Fr. S. 30). Einige empfinden den Zustand des Hauses oder der Wohnanlage sogar so mangelhaft, dass es ihnen unangenehm ist Besuch einzuladen (Fr. G. 1). Auch wenn es in den Gesprächen nicht direkt zur Sprache kommt, so ist es durchaus vorstellbar, dass das langfristig zu einem sozialen Rückzug beitragen kann. »» … also diese alten Wohnheime oder Wohnappartements, die sind schon sehr runtergekommen, also man kann sich das schön machen innen drin, aber von außen, also ich finds schon immer peinlich wenn mich jemand besucht und ich sagen muss hier wohn ich jetzt…« Fr. S. 29 Das Label „Sozialwohnung“ in Kombination mit sichtbaren Vernachlässigungen, Beschädigungen oder nicht mehr zeitgemäßer Ausstattung verstärkt die Vorbehalte, die viele der Befragten gegen Anlagen mit geförderten Wohnungen haben. Der Einzug in eine solche Anlage ist für die Befragten ein klarer Kompromiss. Über die Wohnung oder die Wohnlage findet in vielen Fällen eine Art Identifikation statt, häufig ist insbesondere die Wohnlage auch Ausdruck des sozialen Status. Wer gezwungenermaßen in eine Gegend oder Wohnanlage zieht, die er oder sie sich nicht ausgesucht hat und mit der er oder sie sich nicht identifizieren kann, wird sich dort kaum wohlfühlen. Wenig Kompromisse werden bezüglich der Miete eingegangen: Die meisten Befragten hatten von Anfang an ein klares finanzielles Limit, bis zu welchem sie Mietkosten stemmen können. Teilweise ist dieses durch die Kaltmietenobergrenze, bis zu welcher Höhe die Miete vom Wohnungsamt übernommen wird (siehe Kapitel 3.4.1), festgelegt. »» Weil wir gesagt haben, es bringt nix, wenn ich jetzt sag, ok ich mach dann 1300 Miete und die 200 Euro fehlen mir dann zum Leben und dann geb ich meinen Kindern den Kitt von den Fenstern zum Essen nur weil ich mehr Miete zahl, da hab ich gesagt ‚Nein, ist nicht!‘« Fr. F. 240
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Drei der Befragten erzählen, sie müssen eine zur Wohnung dazugehörige Garage mitmieten, unabhängig davon, ob sie ein Auto besitzen oder nicht. Eine Weitervermietung ist offiziell nicht erlaubt, dennoch nutzt mindestens Frau K. diese Möglichkeit, um über die entstehenden Kosten hinaus noch einen kleinen Betrag monatlich dazu zu verdienen. Neben den direkten Ausstattungskriterien ist erwartungsgemäß die Lage der Wohnung der Bereich, in dem die größten Abstriche in Kauf genommen werden. Allerdings scheinen die Befragten hier weniger einen direkten Kompromiss wahrzunehmen als eine fast schon schicksalhafte Resignation. Merkmale der Wohnung werden offenbar vielmehr mit der direkten Wohnsituation verknüpft als die Lage, die eher als etwas Übergeordnetes und Abstraktes wahrgenommen zu werden scheint. Deren negative Seiten spiegeln sich eher in den Alltagsschilderungen wider, als in den direkten Antworten auf die Frage nach Kompromissen.
Kein Umzug geplant
Langfristige Verbesserungen geplant
Konkreter Umzugswunsch
Abbildung 38 Umzugswunsch der Befragten
Ein erneuter Umzugswunsch hängt von der Zufriedenheit ab Eng verbunden mit der Zufriedenheit und den eingegangenen Kompromissen ist die längerfristige Perspektive am Wohnstandort (siehe Abbildung 38). Die Zufriedenheit ist unterschiedlich, die meisten haben sich arrangiert, wenn auch bezüglich der Wohnungsgröße beziehungsweise -ausstattung Abstriche in Kauf genommen werden. Zwei Drittel der Befragten planen keinen weiteren Umzug, insbesondere die älteren Befragten wollen weitere Umzüge möglichst vermeiden. »» …ich hab jetzt nicht vor, dass ich nochmal ausziehn tu, also das ist jetzt eine Wohnung, wo ich sag da will ich alt werden oder sie bieten mit eine kleinere Wohnung, dass ich tauschen kann, aber ich hab nicht vor, dass ich nochmal in meinem Leben recht oft umziehen tu« Fr. A. 157
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eigener Verkehrsmodus interpretiert und schlägt sich eher in den Anforderungen an den Wohnort und damit zusammenhängend den fußläufig erreichbaren Angeboten nieder. Daher wird Zufußgehen in diesem Kapitel nicht gesondert betrachtet. Andere Modi spielen im Alltagsverkehr der Befragten keine Rolle. Der Alltag wird mono- oder bimodal organisiert Insgesamt spielt der öffentliche Verkehr im Alltag der Befragten eine zentrale Rolle. Fast alle nutzen ihn mehr oder weniger regelmäßig, fünf Befragte sind ausschließlich auf den öffentlichen Verkehr angewiesen (siehe Abbildung 39). Das Fahrrad spielt dagegen eine eher untergeordnete Rolle, acht Befragte haben ein Rad zur Verfügung und nutzen es auch, vier davon regelmäßig, vier davon eher als Ergänzung zum öffentlichen Verkehr im Nahbereich. Zwei Befragte nutzen überwiegend den eigenen Pkw, insgesamt besitzen fünf Haushalte einen eigenen Pkw. Zwei Befragte können diesen aber nur als Mitfahrerinnen nutzen, da sie selbst nicht fahren möchten oder können. Mi�ahrer/-in Rad
Rad
ÖV
ÖV
5 TN
ÖV
4 TN
Rad
Kfz
ÖV
ÖV
Kfz
3 TN
2 TN
2 TN
Kfz ÖV Rad 1 TN
Mi�ahrer/-in
Abbildung 39 Modal Split der Befragten
Nur Herr B. nutzt regelmäßig den öffentlichen Verkehr, den Pkw und das Fahrrad. Die Multimodalität der Befragten ist damit nicht sehr ausgeprägt, bis auf Herrn B. bewältigen die Befragten die Wege ihres Alltags in der Regel mit einem, maximal zwei Verkehrsmitteln. Lässt man Zufußgehen außen vor, ist auch die Intermodalität der Befragten wenig ausgeprägt. Bis auf Herrn J., der hin und wieder das Fahrrad mit dem öffentlichen Verkehr kombiniert, und Frau. M., die Park&Ride nutzt, kombinieren die Befragten in der Regel keine Verkehrsmittel innerhalb einer Wegekette. Ein Überblick über die von den einzelnen Befragten genutzten Verkehrsmittel ist in Tabelle 05 dargestellt.
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Eine Bewertung einzelner Verkehrsträger kann letztendlich nicht unabhängig voneinander stattfinden, da bei der Bewertung immer auch die verfügbaren Alternativen eine Rolle spielen. So gibt Herr J. als begeisterter Autofahrer zu, dass man in München weder beruflich noch privat ein Auto braucht, da „der Nahverkehr einfach zu gut ausgebaut“ (Hr. J. 259) ist. Dennoch werden die Gründe, die bei den einzelnen Befragten für oder gegen die Nutzung eines bestimmten Verkehrsmittels sprechen, im Folgenden zunächst, soweit eben möglich, getrennt nach Verkehrsmittel näher erläutert. Neben Kosten-, Zeit- oder Komfortgründen ist das, insbesondere beim Auto, der fehlende Zugang. Die Entscheidung zwischen öffentlichem Verkehr und Fahrrad hängt bei den Befragten, die grundsätzlich beides nutzen, in der Regel neben dem Ziel von der Tageszeit und dem Wetter ab. Der öffentliche Verkehr ist das Rückgrat der Mobilität Wie oben dargestellt, nutzen fast alle Befragten das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs. Insbesondere im innerstädtischen Bereich sind die Befragten sehr zufrieden mit dem bestehenden Angebot. Positiv erwähnt wird, dass man mit dem öffentlichen Verkehr in München überall hinkommt (Hr. W. 142, Fr. C. 155), bequem unterwegs (Hr. J. 119) und viel schneller als mit dem Pkw ist (Fr. R. 146). Frau S. empfindet die öffentlichen Verkehrsmittel als sehr entspannend, weil „man setzt sich rein und muss sich keinen großen Kopf mehr machen und sich nicht mit den Leuten auf der Straße rumärgern“ (Fr. S. 131). Frau A. sieht das als eine der wenigen, die grundsätzlich nicht gerne mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, anders: Sie stören die Leute, die sie mit „irgendwas anstecken“ könnten, sich mit ihren Handys beschäftigen und sie beobachten, wenn sie ein Buch liest (Fr. A. 117). Der ÖV-Anschluss ist ihr vor allem für ihren Sohn wichtig. Die Interaktion mit anderen Personen scheint für beide eine Rolle bei der Verkehrsmittelbewertung zu spielen, wird allerdings komplett gegensätzlich wahrgenommen. Trotz positiver Grundeinstellung gibt es auch bei den übrigen Befragten Grund zur Kritik, so dass das Verhältnis zum öffentlichen Verkehr als ambivalent bezeichnet werden kann. Insbesondere die überfüllten Fahrzeuge und die entsprechend geringe Sitzplatzverfügbarkeit werden mehrfach kritisiert (Hr. P. 64/188, Hr. I. 119, Hr. E. 183). Zum Teil werden extra andere Routen gewählt, um die großen Umsteigeknoten zu meiden und früher in eine Linie zuzusteigen und so die Chancen auf einen Sitzplatz zu erhöhen (Hr. P. 64). In dieser Hinsicht wird es als Vorteil empfunden weiter außerhalb zu wohnen (Hr. J. 119).
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Empirische Ergebnisse
Das Thema Flächen- beziehungsweise Platzkonkurrenz, welches in verkehrspolitischen Debatten im Zusammenhang mit der Aufteilung des Straßenraums an der Oberfläche eine Rolle spielt (Bracher 2016), bekommt hier also eine weitere Dimension. Plakativ gesprochen kann eine Verdrängung aus der Innenstadt bei der Verkehrsmittelnutzung zum Standortvorteil werden. Fall
Hauptverkehrsmittel
Ergänzung
Autowunsch
Ticket
Hr. W. Hr. I. Fr. G. Fr. K. Hr. P. Fr. S. Hr. B. Hr. T. Hr. E. Fr. O. Fr. H. Fr. R. Fr. A. Fr. M. Fr. F. Fr. C. Hr. J.
ÖV ÖV ÖV ÖV ÖV ÖV, Fahrrad ÖV, Fahrrad, Auto ÖV ÖV ÖV ÖV, Fahrrad ÖV, Fahrrad Auto Auto ÖV ÖV ÖV
Fahrrad Fahrrad Fahrrad Auto als MF ÖV Auto als MF Fahrrad
Eher nein Ja Eher nein Ja Ja Nein Ja Eher nein Nein Nein Eher nein Ja
IsarCard S IsarCard IsarCard S IsarCard Job IsarCard S IsarCard Job IsarCard Job SB SB IsarCard Job IsarCard SB IsarCard S
Tabelle 05 Überblick über die genutzten Verkehrsmittel der Befragten, ihr Ticket sowie ihr Verhältnis zum Auto (MF = Mitfahrer/-in, SB = Schwerbehindertenausweis)
»» Ja das ist eine ziemlich lange Strecke und je länger die U-Bahn-Stecke dauert desto mehr zieht sich des bei mir immer bissl hin. Vor allem dann wenns voll ist, wenn jetzt äh… ja wenns jetzt nicht so überfüllt ist, dann gehts ja noch, aber ich hab schon Tage erlebt, wo ich wirklich die gesamte Strecke im Stehen gefahren bin und dann da ankam und froh war, dass ich aus der U-Bahn rauskomm. Schon allein unten da im U-Bahnhof wars ja schon immer leichter zu atmen als in der U-Bahn selber, aber so…« Hr. P. 188 Auch lange Fahrzeiten oder häufiges Umsteigen werden negativ bewertet. Diese Aspekte kommen bei einer nicht erfolgten Optimierung des Wohnstandortes, wie sie in Kapitel 6.1.2 beschrieben ist, besonders deutlich zum Tragen.
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»» Ja ich könnte mir schon vorstellen, dass es etwas leichter sein dürfte, aber ich sag mal mittlerweile bin ich ja gewohnt bis zu 2- oder 3-mal umzusteigen, aber bei 3-mal ist auch schon die Schmerzgrenze erreicht, also wenns mehr ist…« Hr. P. 190 Eine Fahrt mit häufigen Unterbrechungen kann zudem nicht anderweitig genutzt werden und es ergeben sich Wartezeiten bei den Anschlüssen. Generell werden lange Wartezeiten als störend empfunden, das betrifft sowohl die Störanfälligkeit wie auch die Taktfrequenz. Hier sehen die Befragten insbesondere abends, am Wochenende und bei den Buslinien, die nur im 20-Minuten-Takt verkehren, Verbesserungsbedarf. Herr I. fände ein Auto, um überall „also wirklich direkt“ hinfahren zu können, praktisch (Hr. I. 119), was zeigt, dass auch ihn das häufige Umsteigen, was mit seiner nur durch Busse erschlossenen Wohnlage am Stadtrand einhergeht, stört. Mit der Busanbindung ist er zwar grundsätzlich zufrieden, weil er es nicht weit zur Haltestelle hat und er die Abfahrtzeiten der Busse kennt, auf dem Rückweg muss er allerdings meistens länger warten, da der Bus nur alle 20 Minuten fährt (Hr. I. 84). Es ist nur folgerichtig, dass Kritik an langen Fahrtzeiten, häufigem Umsteigen und überfüllen Verkehrsmitteln häufig gemeinsam geübt wird, denn je länger die Befragten unterwegs sind, desto unangenehmer fällt die geringe Sitzplatzverfügbarkeit auf. Mit jedem Umsteigen muss ein potentiell „ergatterter“ Sitzplatz aufgegeben und sich für einen neuen Platz „hinten angestellt“ werden. Frau S. lebt am Stadtrand und kritisiert die Anbindung an das Umland, da viele Linien an der Stadtgrenze enden und das Netz dort weitmaschiger wird. »» … oder auch wenn man die mal besuchen will, gut man kann mit dem Rad hinfahren, aber im Winter ist es halt dann auch schwer, Martinsried hat ein ziemlich großes Einkaufszentrum auch oder Planegg, Gräfelfing da die Ecke, wo halt auch ein Baumarkt ist, ein Lidl und so und ja, im Winter ist es da schon ein bisschen schwierig außer mit dem Bus, aber der fährt halt jetzt auch nicht immer zu, also wenn da noch ne U-Bahn-Station… das wäre glaube ich schon sinnvoll…« Fr. S. 40 Insgesamt gibt es große qualitative Unterschiede in der Wahrnehmung der öffentlichen Verkehrserschließung innerhalb des Stadtgebietes und außerhalb. Im Umland besteht das Angebot im öffentlichen Verkehr vor allem aus S-Bahn und Bus. Häufig in der Kritik steht die S-Bahn, die als sehr störanfällig (Hr. T. 23) und veraltet (Hr. B. 45) empfunden wird, oft ausfällt oder nur eine geringe Taktfrequenz aufweist (Hr. J. 245). Diese Aspekte kommen sicherlich auch deshalb so deutlich zum Tragen, da es nicht wie in der Stadt alternative Verkehrsmittel gibt, auf die gegebenenfalls ausgewichen werden kann, sondern die Befragten auf die S-Bahn angewiesen sind.
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»» … ist wahrscheinlich nur subjektives Empfinden, aber die S3 dort raus, ist schon wahnsinnig störanfällig, […] wenn was ist hört die S-Bahn immer 3 Station vor meinem Zuhause auf und das ist schon ganz schön nervig, oder beim Streik ist man besonders betroffen, weil in München kann man andere Verkehrsmittel benutzen, in B. fährt man mit der S-Bahn oder halt nicht. Da gibt’s nix anderes, das ist schon sehr nervig, ja…« Hr. T. 23 Das S-Bahn-Netz ist stark radial ausgerichtet, das heißt Umlandbewohnerinnen und -bewohner müssen zu Zielen in der Region in der Regel über die Stadt München fahren, was zu langen Fahrtwegen führt. Querverbindungen gibt es, wenn überhaupt, nur mit Bussen. Das Bus-System im Umland wird allerdings von allen Umlandbewohnerinnen und -bewohnern kritisiert (Hr. T. 121, Fr. H. 101, Fr. F. 195), denn die Busse brauchen häufig sehr lange, weil sie viele Ziele anfahren, anderseits gibt es wenige Direktverbindungen. Teilweise sind die Busse nicht auf den Takt der S-Bahnen abgestimmt oder überfüllt, abends oder am Wochenende fahren sie nur selten oder gar nicht. Viele Gemeinden im Umland, die räumlich nicht weit voneinander entfernt liegen, sind öffentlich nicht verbunden. »» …die Busverbindung nach Haar rüber ist bescheiden, da fährt glaub ich alle Stunde oder alle anderthalb Stunde der Bus, das ist immer so… ja wenn du zu nem bestimmten Termin drüben bist, also entweder bist du viel zu spät oder viel zu früh, das ist halt das Problem. Also in dem Fall was man verbessern könnte, wär jetzt eben wirklich diese Verbindung, weil wir sind ja auf der S-Bahn-Linie S2, das ist ja die Erdinger und Haar ist ja auf der Ebersberger und wie gesagt dazwischen, diese Verbindung jetzt dann grad so Feldkirchen – Haar, das ist halt wirklich kompliziert…« Fr. F. 194 Es ist zu berücksichtigen, dass alle Befragten im Umland in Laufnähe zur S-Bahn wohnen und daher zumindest bei der Fahrt Richtung Innenstadt nicht zwangsläufig auf den Bus angewiesen sind. Tatsächlich scheint die Kritik an Umständen, die nicht unmittelbar alltagsrelevant sind, sondern als Ergänzung „extra“ hinzukommen, verbreiteter. Das kann zum einen daran liegen, dass der Alltag so optimiert ist, dass die Rolle dieser kritikwürdigen Alltagsaspekte minimiert wird, zum anderen aber, dass bei Alternativlosigkeit eher über Kritik hinweggesehen werden kann, da es ja keine andere Möglichkeit gibt. Ähnlich verhält es sich bei der Erreichbarkeit von Zielen in der Region. Da die meisten Befragten auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, haben viele Probleme diese zu erreichen. Viele Freizeitziele in der Region, wie beispielsweise Seen, sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln gar nicht oder nur mit großem Aufwand zu erreichen.
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»» … also das hab ich heute Morgen erst wieder im Bus gesehen, da irgendwie das Salzbergwerk Berchtesgaden oder mal nach Garmisch oder so… das ist halt von B., muss man erst nach München wieder rein, da ist schon ne halbe Stunde weg, wenn man in B. direkt mim Auto losfährt, auch zu den großen Seen, ist man einfach viel schneller, als wenn man über München öffentlich fahren muss…« Hr. T. 123 Letztendlich sollen die angesprochenen negativen Seiten des öffentlichen Verkehrs aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass fast alle Befragten das öffentliche Verkehrssystem in München sehr schätzen und es insgesamt positiv beurteilen. Dabei spielt es natürlich eine Rolle, dass viele der Befragten hauptsächlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind und demnach mit dem bestehenden System nicht nur vertraut sind, sondern ihre Aktivitäten auch entsprechend so ausgerichtet haben (Fr. H. 91), dass sie öffentlich mit vertretbarem Aufwand zu erreichen sind. Das Fahrrad ergänzt den öffentlichen Verkehr Die Einstellung zum Fahrrad ist überwiegend positiv, was sich aber nicht unbedingt in der tatsächlichen Nutzung niederschlägt. Hinsichtlich der Fahrradnutzung lassen sich unter den Befragten wenige Vielfahrenden, diejenigen, die ihr Rad gelegentlich und insbesondere im Nahbereich nutzen und diejenigen, die das Rad nicht nutzen, differenzieren. Die Vielfahrenden genießen das Fahrradfahren, für sie ist es sowohl sportliche Aktivität in der Freizeit, als auch Fortbewegungsmittel, um Ziele zu erreichen. Fahrradfahren wird als angenehm und entspannend, als Training und als gute Möglichkeit, die Stadt kennenzulernen (Fr. S. 131), beschrieben, mit dem Rad sind die Vielfahrenden mobil und kommen überall hin (Fr. R. 115), dabei legen sie auch weitere Strecken beispielsweise zu den Seen im Umland zurück. Dementsprechend haben die städtischen Vielfahrenden vergleichsweise viele Ziele, die weit über das Stadtgebiet beziehungsweise darüber hinaus verteilt sind – wie auch am Beispiel von Abbildung 40 zu sehen ist. Die intensive Fahrradnutzung wirkt sich also auch generell auf die Aktivität und den Bewegungsradius der Befragten aus. Bemerkenswert ist, dass Frau S. das Fahrrad erst seit der Trennung von ihrem Freund, mit der auch der Umzug einherging, so viel nutzt. Sie scheint die neu gewonnene (Beziehungs-)Freiheit also auch in ihrer Mobilität umzusetzen.
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AWO
WO
Gemeindegrenzen
Versorgung
Freizeit
Gemeindefreies Gebiet
Arbeit
Kartenbasis GeoBasis-DE BKG 2017
0 1 2
4
6 km
Abbildung 40 Narrative Karte eines/er Befragten - starke Streuung der Freizeitziele
Auch Frau H. als Umlandbewohnerin lässt sich den Vielfahrenden zuordnen, denn auch sie kann vor Ort alles mit dem Fahrrad erledigen, nur für den Arbeitsweg in die Stadt nutzt sie den öffentlichen Verkehr. Am Wochenende unternimmt sie auch weitere Ausflüge mit dem Fahrrad. Sie hebt positiv hervor, dass seit den letzten Kommunalwahlen mehr für den Radverkehr in der Kommune getan wird (Fr. H. 57). Neben den Vielfahrenden gibt es einige Befragte, die das Rad gelegentlich im Nahbereich, hauptsächlich als Ergänzung zum öffentlichen Verkehr, nutzen. Hierbei geht es vor allem um Besorgungsfahrten zur Versorgung direkt am Wohnort, was allerdings bei größeren Einkäufen teilweise auch als mühsam empfunden wird (Hr. T. 111). Herr E. hat zwei Räder, ein Sportrad und ein altes Rad, mit dem er zum Einkaufen fährt. Für die Strecke in die Arbeit ist ihm das alte Rad allerdings zu mühsam und das Sportrad möchte er aus Angst vor Diebstahl nicht in der Innenstadt abstellen. Er würde sich wünschen, dass die Fahrradwege in der Innenstadt besser ausgestattet und die Fahrradfahrer mehr berücksichtigt werden (Hr. E. 186). Zwei Befragte, die außerhalb beziehungsweise am Stadtrand leben, erwähnen hingegen die gute Fahrradinfrastruktur vor Ort (Hr. J. 109, Fr. A. 137). Da der
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Weg in die Innenstadt mit dem Rad zu weit ist, nimmt Herr J. sein Fahrrad hin und wieder in der U-Bahn mit, um dann auch am Zielort mobil zu sein (Hr. J. 226). Auch wenn das Radfahren insgesamt eher positiv gesehen wird, so scheint es bei einigen auch mit einem erhöhten Kraft- und Zeitaufwand assoziiert zu werden. So nutzt Herr B. das Fahrrad im Sommer beispielsweise als ökologische Alternative zum Auto, betont aber, dass das nur möglich ist, wenn er viel Zeit hat und dass das mit Baby nicht immer praktikabel ist (Hr. B. 69). Allen Fahrradfahrenden ist gemein, dass das Fahrrad nicht nur genutzt wird, weil es praktisch ist, sondern auch weil es als angenehm empfunden wird. Frau R. erklärt ihr Fahrrad fahre überall mit ihr hin (Fr. R. 115), Herr J. bezeichnet sich als „begeisterten“ Fahrradfahrer (Hr. J. 109). Das zeigt, dass das Fahrrad durchaus auch aus einer Einstellung oder einer Überzeugung heraus genutzt wird. Finanzielle Aspekte scheinen in diesem Zusammenhang keine gesonderte Rolle zu spielen. Acht Befragte nutzen das Fahrrad nicht, nur eine Befrage von diesen acht lebt im Umland. Die Frage der Fahrradnutzung ist also keine Stadt-Umland-Frage. Als Hauptgrund für die Nicht-Nutzung des Fahrrads werden gesundheitliche Gründe angeführt (Hr. W., Fr. M., Fr. C.). Tatsächlich gehen Probleme auf dem Arbeitsmarkt, die in der Regel auch zu geringen Einkommen führen, häufig auch mit gesundheitlichen Problemen einher (Hollederer 2003). Nur eine Befragte, Frau G., lehnt das Radfahren an sich ab und gibt als Grund die eigene Unsicherheit und das hohe Risiko im Stadtverkehr an (Fr. G. 47). Sechs der Nicht-Nutzenden besitzen kein Fahrrad. Laut MiD trifft das im Stadtgebiet München auf 17% der Haushalte zu (LHM 2010, S. 16), unter den befragten Haushalten ist die Quote also deutlich schlechter. Das zeigt, dass auch der Zugang zum Fahrrad eine Rolle spielen kann. Allerdings scheint es teilweise nicht nur der tatsächliche physische beziehungsweise finanzielle Zugang zu sein, sondern durchaus auch der mentale Zugang. Das zeigt sich daran, dass fast alle NichtNutzenden das Fahrrad durchaus als valide Option sehen, die praktisch wäre, Spaß machen würde oder sich positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden (Hr. P. 166, Fr. A. 137) auswirken würde. Bei diesen Schilderungen wird in der Regel der Konjunktiv verwendet. Es fehlt also nicht an Wissen, sondern eher an Erfahrung oder dem inneren Antrieb das Rad tatsächlich zu nutzen. Mehrere Befragte geben an, dass sie ein Fahrrad besaßen, das sie allerdings aufgrund des schlechten Zustands nicht nutzen konnten und beispielsweise beim Umzug zurückgelassen haben. Frau A. und Herr P. führen aus, dass sie ohnehin schon lange vorhaben sich wieder ein Rad zuzulegen (Fr. A. 135, Fr. P. 164) und bis jetzt nur noch
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nicht dazu gekommen sind oder noch nicht genügend Geld angespart haben. Das verdeutlicht noch einmal den Aspekt, dass das Fahrrad in der alltäglichen Mobilität keine Rolle spielt und keine dringende Notwenigkeit zur Fahrradnutzung gesehen wird, denn die Alltagsmobilität wird ja derzeit auch so bewältigt. Dazu kommt noch, dass das Rad weniger im Zusammenhang mit einer Bewältigung oder gar Erleichterung der Alltagswege gesehen wird, sondern eher als zusätzliche Option im Freizeitverkehr, wo das Radfahren als Tätigkeit an sich und weniger als Mittel zum Zweck der Fortbewegung gesehen wird. Es ist denkbar, dass die positive Einstellung gegenüber dem Fahrrad zumindest teilweise auch im Sinne einer sozialen Erwünschtheit geäußert wird. Bei den Befragten, die ein Fahrrad haben, es aber nicht nutzen, scheint das Rad schlicht nicht als Mobilitätsoption mitgedacht zu werden. Herr I. erklärt, dass er früher „sehr viel, eigentlich nur mim Fahrrad“ gefahren ist (Hr. I. 90), aber inzwischen kaum noch fährt, da er sich nicht mehr in der körperlichen Verfassung sieht, er lange fahren müsste, es zum Einkaufen umständlich ist und er ohnehin ein Ticket für den Bus hat. Für ihn hat die Nicht-Nutzung des Fahrrads beziehungsweise die Nutzung des öffentlichen Verkehrs, die für ihn durch seine Zeitkarte kostenneutral ist, ganz klar etwas mit Komfort zu tun. Der einzige seltene Anlass für ihn das Fahrrad zu nutzen, ist spätabends, weil er sonst keine Verbindung mehr hätte und früher heimgehen müsste. Dafür nimmt er sogar eine Fahrt von etwa 50 Minuten auf sich (Hr. I. 96). Die Nutzungsintensität des Fahrrads hängt darüber hinaus, wie man beispielsweise an Herrn I. oder Herrn J. sieht, auch mit der Wohnlage beziehungsweise der Lage der Ziele zusammen. Eine (Poly-) Zentralität des Wohnstandortes in Kombination mit einer nahräumlichen Orientierung bei den Aktivitäten sind entsprechend gute Voraussetzungen zum Fahrradfahren, wobei es keinen Unterschied macht, ob die Befragten in der Stadt oder im Umland leben (siehe Kapitel 2.2.3). Die Bedeutung des Pkws polarisiert Alle Befragten sind sich einig, dass man in München kein Auto braucht, da der öffentliche Verkehr sehr gut ausgebaut ist. Dennoch haben fünf der befragten Haushalte einen Pkw, drei von ihnen wohnen im Stadtgebiet, zwei im Umland. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ist das allerdings eine niedrige Quote. Im Stadtgebiet München haben insgesamt 70% der Haushalte einen oder mehrere Pkws, im Umland sind es 91% (LHM 2010, S. 13). Frau A. und Frau M. sind überzeugte Autofahrerinnen. Für sie spielt das Auto in ihrer alltäglichen Mobilität eine zentrale Rolle, gleichzeitig scheinen beide einen engen Bezug zu ihrem Auto zu haben. Beide würden sich nur sehr ungern von ihrem
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Auto trennen, für sie ist es der einzige Luxus den sie sich leisten (Fr. M. 183). Frau A. hat den Pkw von ihrem Arbeitgeber, da sie diesen auch beruflich nutzt, die Nutzung kostet sie nichts. Sie sagt selbst von sich, sie „liebt“ das Autofahren (Fr. A. 117). Auch Frau M. ist es gewöhnt mit dem Pkw zu fahren. Bei ihr kommen allerdings noch gesundheitliche Einschränkungen dazu, so dass ihr der Fußweg zur U-Bahn schwerfällt und sie diesen in der Regel mit dem Auto zurücklegt. Häufig nutzt sie dann aber doch gleich nur den Pkw. Probleme, wie Stau oder Parkraummangel, die sich auf den motorisierten Individualverkehr beziehen, werden von beiden kaum erwähnt. Frau O. und Frau F. können oder wollen das haushaltseigene Auto nicht eigenständig, sondern nur als Mitfahrerinnen nutzen. Bei Frau F. sind es die finanziellen Hürden, die es ihr nicht möglich machen den Führerschein nachzuholen und das vorhandene Auto zu nutzen, ohne auf ihren Mann angewiesen zu sein (Fr. F. 32).
AWO
WO
Gemeindegrenzen
Versorgung
Freizeit
Gemeindefreies Gebiet
Arbeit
Amt
Arzt
Schule
Kartenbasis: GeoBasis-DE / BKG 2017
Abbildung 41 Narrative Karte eines/er Befragten - starke Streuung der Ziele
0 1 2
4
6 km
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Empirische Ergebnisse
Wie oben bereits erwähnt, ist Herr B. der einzige Befragte, der den öffentlichen Verkehr, das Fahrrad und das Auto nutzt. Tatsächlich lässt sich bei allen Haushalten mit Pkw eine größere Streuung der Alltagsziele feststellen, besonders deutlich wird das am Beispiel von Abbildung 41. Das ist insbesondere im Bereich der Versorgung der Fall, die ohne Auto deutlich näher am Wohnort organisiert wird. Als große finanzielle Belastung wird das Auto von keinem der Haushalte gesehen, was vielleicht auch dadurch zu erklären ist, dass die Kosten für das Auto fest im Haushaltsbudget eingeplant sind und daher auch nicht hinterfragt werden. Über zwei Drittel der Befragten besitzt kein Auto. Einige davon sind auch der festen Meinung kein Auto zu wollen und zu brauchen (Fr. H. 91) oder sind froh, nicht auf ein Auto angewiesen zu sein (Fr. G. 140). Für Frau S. war ihr Auto eine „Last“, so dass sie es schließlich verkauft hat (Fr. S. 133). Frau R. antwortet auf die Frage, ob sie sich ein Auto anschaffen würde: »» Nein, nee, niemals, nee weil find ich absolut sinnlos in München, find das höchste Geldverschwendung und weil mit den Öffentlichen ist man überall viel schneller und Parkplatz kriegt man nicht, es verschmutzt die Umwelt, nee, also ich bin absolut gegen Auto, Anti-Auto…« Fr. R. 146 Die Befragten, die sich überzeugt gegen ein Auto aussprechen, sind alle weiblich. Bei ihnen kommt die finanzielle Ersparnis nur unterstützend hinzu, ausschlaggebend sind andere Gründe. Fünf Befragte antworten auf die Frage, was sie mit mehr Geld ändern würden, dass sie sich ein Auto zulegen würden (Hr. I. 117, Hr. P. 178/180, Hr. T. 97, Fr. K., Hr. J. 125). Vier von ihnen sind männlich. Dieser Wunsch ist unabhängig davon, ob sie den Pkw brauchen, in der Regel sind sie sich der Nachteile wie Staus und Parkplatzsuche bewusst. Das zeigt, dass der Besitz eines Autos für viele nach wie vor erstrebenswert ist und die Bedeutung des Autos über die eines Gebrauchsgegenstands hinausgeht. Weiter scheint die Vorstellung, dass das Leben mit Auto leichter wäre sehr verbreitet: Man könnte direkt überall hinfahren (Hr. I. 119), Wochenendausflüge oder (Groß-) Einkäufe wären überhaupt erst möglich oder leichter zu bewältigen. Das Auto wird als persönlicher Raum gesehen, in dem man negativen Außeneinflüssen wie etwa dem Gedränge in den öffentlichen Verkehrsmitteln entgehen kann (Hr. I. 119). Herr J. bezeichnet sich als begeisterter Autofahrer und fühlt sich ohne Auto wie amputiert (Hr. J. 125/127). Allerdings braucht auch er im Alltag kein Auto, so dass er dieses hauptsächlich für Freizeitzwecke nutzen würde. Herr T. hat sein Auto in München abgeschafft, erst seit er im Umland lebt vermisst er dieses, so dass er
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sich sofort wieder eines anschaffen würde, hätte er die finanziellen Möglichkeiten (Hr. T. 97). Immerhin kann er sich hin und wieder das Auto seines Mitbewohners ausleihen. Generell ist der Autobesitz beziehungsweise der Wunsch nach Autobesitz im Umland verbreiteter. Ansonsten scheint die Einstellung gegenüber dem Pkw weitestgehend unabhängig davon zu sein, ob die Befragten einen Führerschein oder Erfahrungen mit der Pkw-Nutzung haben. Die Rolle von Car-Sharing wird in Kapitel 6.4.4 erläutert. Letztendlich spielgelt sich das Verhältnis zum Auto also in vier Ausprägungen wider: Fünf Befragte haben ein Auto im Haushalt, zwei davon können dieses jedoch nur als Mitfahrerin nutzen, von den zwölf Haushalten ohne Auto wünschen sich vier ein Auto, drei Befragte sind dezidiert gegen ein Auto und vier Befragte hegen keinen Autowunsch und sind in dieser Frage eher indifferent. Die Verkehrsmittelnutzung verändert sich kaum Wie in Kapitel 2.2.3 ausgeführt, hängt die Verkehrsmittelwahl in hohem Maße vom Wohnstandort ab. Gleichzeitig wurde in Kapitel 2.2.2 erläutert, dass Routinen und Gewohnheiten im Zuge eines Umzugs häufig hinterfragt und neu organisiert werden. Es liegt also nahe, sich mit der Frage zu befassen, inwiefern sich die Verkehrsmittelnutzung bei den Befragten seit dem Umzug verändert hat. Es gibt einige Befragte, bei denen sich das Mobilitätsverhalten seit dem Umzug spürbar verändert hat und bei denen auch ein direkter Bezug zum Umzug und dem neuen Wohnstandort hergestellt werden kann, wenngleich dazu, wie in Kapitel 2.2.2 dargestellt, natürlich auch weitere Einflussfaktoren beitragen können. Diesen Befragten ist gemein, dass sie vergleichsweise wenig Rückbezüge zum alten Wohnort haben und auch die Entfernung zu diesem vergleichsweise groß ist. Mit am deutlichsten ist die Veränderung bei Herrn B., der aus der Innenstadt ins Umland gezogen ist und den Unterschied folgendermaßen schildert: »» …von der Einkaufslage her ham wir da natürlich viel, viel mehr mit dem Fahrrad gemacht und ham dann einfach unter der Woche viele kleine Einkäufe gemacht, dass man immer mal was in die Fahrradtasche schmeißt und dann vielleicht eine Tüte Milch kauft am Tag und nicht wie jetzt fünf Tüten Milch, die dann ne Woche reichen zum Beispiel und die dann auch nicht mim Auto transportiert, also weniger…« Hr. B. 117 Er verkörpert in diesem Sinnen den klassischen Suburbanisierer, wie er in der Literatur beschrieben wird (z. B. BMVBS/BBR 2007, S. 12ff). Während er sein Auto am alten Wohnstandort in München kaum genutzt hat, nutzt er das Auto seit dem
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Empirische Ergebnisse
Umzug ins Umland deutlich mehr. Der Anteil der Wege, die mit dem Rad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden, ist hingegen zurückgegangen. Bei Herrn E. war es tendenziell andersherum, er ist zwar immer S-Bahn gefahren, dennoch ist er der Meinung, dass man an seinem alten Wohnort im Umland ein Auto braucht, während das in München nicht notwendig ist. Letztendlich ist er froh, dass er nicht mehr auf die S-Bahn angewiesen ist (Hr. E. 154) und ihm in München auch andere Verkehrsmittel zur Verfügung stehen. Herr I. ist innerhalb des Stadtgebietes umgezogen. Er hat immer zentral gewohnt und ist viel mit dem Fahrrad gefahren (Hr. I. 141), Einkaufsmöglichkeiten konnte er zu Fuß erreichen (Hr. I. 155). Nun wohnt er dezentral am Stadtrand und nutzt das Fahrrad nicht mehr, nicht einmal für Fahrten in der direkten Wohnumgebung. Er begründet das damit, dass er ohnehin ein MVV-Ticket hat und ihm das Fahrradfahren nun zu anstrengend ist. Ähnlich verhält es sich bei Herrn J., der seit dem Umzug in Riem lebt und damit deutlich weniger zentral als vorher. Er nutzt das Fahrrad zwar noch, allerdings nicht mehr so oft wie vorher, wodurch er weniger flexibel ist (Hr. J. 239). Aber auch andere Faktoren können sich auf das Mobilitätsverhalten und die Aktivität auswirken. Vor der Trennung von ihrem Freund hatte Frau S. eine Monatskarte und ein Auto, das Fahrrad hat sie kaum genutzt. Inzwischen ist sie fast ausschließlich mit dem Fahrrad unterwegs. Das Auto hat sie verkauft, in die Arbeit kann sie seit dem Umzug zu Fuß gehen, so dass sich auch die Monatskarte nicht mehr lohnt. Auf die Frage ob sie auch früher schon so viel mit dem Fahrrad gefahren ist antwortet sie: »» „Nee, nur mit Auto eigentlich, ja, also da hatte ich auch noch mein altes Auto und da bin ich sogar auf die Arbeit, wo ich eigentlich mit dem Rad vielleicht auch in 20 Minuten gewesen wäre mit dem Auto gefahren, das würde ich jetzt hier auch nicht mehr machen, also wenn ich jetzt hier irgendwo auf die Arbeit wirklich 20 Minuten fahren würde, dann würde ich da auch mit dem Rad fahren jetzt im Moment, aber früher da in U-Stadt bin ich auch die, keine Ahnung 10 km mit dem Auto gefahren und so auch zu Freunden alles mit dem Auto oder wie ich noch keinen Führerschein hatte, mussten halt die Eltern immer fahren und abholen…« Fr. S. 222 (sie bezieht sich bei der Arbeit nicht auf den aktuellen Arbeitsstandort, den sie vor dem Umzug mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht hat, sondern auf ihre vorherige Arbeitsstelle)
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Hier spielt die Nähe zum Arbeitsort die entscheidende Rolle für die Abschaffung der Monatskarte, der Umstieg vom Auto auf das Fahrrad hat in diesem Fall aber eher mit einer persönlichen Entwicklung und der Veränderung der Lebenssituation zu tun. Generell lässt sich feststellen, dass sich bei den meisten Befragten die Verkehrsmittelnutzung nicht in hohem Maße geändert hat, was auch damit zusammenhängt, dass viele gar keine anderen Möglichkeiten, beispielsweise über den öffentlichen Verkehr hinaus, haben. Dazu kommt, dass alle sowohl vor, wie auch nach dem Umzug in urbanen Strukturen leben und sich, zumindest großräumig betrachtet, in ihrem gewohnten Umfeld bewegen. Viele Ziele werden auch nach dem Umzug beibehalten, so dass sich zwar die Erreichbarkeit vom Wohnort aus betrachtet verändert, nicht aber deren Erreichbarkeit generell. Tendenziell hat sich die Verkehrsmittelnutzung bei den Haushalten am wenigsten verändert, bei denen der aktuelle und der alte Wohnort nicht weit auseinanderliegen. Je weniger sich das räumliche Umfeld ändert, desto weniger ändert sich die Alltagsorganisation und dementsprechend das Mobilitätsverhalten. Allerdings sind Verkehrsmittelnutzung und Mobilitätsverhalten in diesem Zusammenhang differenziert zu betrachten. Denn insbesondere, wenn kleinräumige Rückbezüge aufrechterhalten werden, kann sich der Mobilitätsaufwand erhöhen (siehe Kapitel 6.3.1). So kauft Frau G. noch immer in den selben Läden ein wie vor dem Umzug, allerdings muss sie nun länger laufen oder sogar den Bus nutzen, um diese zu erreichen. Ähnlich verhält es sich bei Herrn W., auch er besucht die gleichen Kneipen wie vor seinem Umzug und muss dafür nun einen weiteren Weg in Kauf nehmen. Die kurze Umzugsentfernung hat zur Folge, dass der Aufwand die alten Ziele aufzusuchen noch vertretbar ist, allerdings erhöht er sich dennoch. Die Befragten schätzen diesen Bezug, betrachtet man allerdings sehr verkürzt rein den verkehrlichen Aufwand kann eine Neuorientierung am neuen Wohnstandort sinnvoller sein. Das zeigt sich bei Herrn P., auch bei ihm hat sich hinsichtlich der Verkehrsmittelnutzung nichts geändert, er ist nach wie vor ausschließlich im öffentlichen Verkehr unterwegs. Allerdings ist er beispielsweise in die Arbeit nun deutlich länger unterwegs und muss häufiger umsteigen, so dass der Aufwand höher ist. Gleiches gilt für seinen Sohn, bei dem aus diesem Grund ein Schulwechsel geplant ist (Hr. P. 48). Tendenziell lässt die Verkehrsmittelnutzung im Alltag also trotz des zurückliegenden Umzugs auf eine ausgeprägte Kontinuität und einen hohen Routinegrad schließen. Das lässt die Vermutung zu, dass Herausforderungen des Alltags eher in anderen Bereichen liegen, Mobilität muss funktionieren, Raum für Experimente gibt es nicht.
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6.4.2 Mobilität ist immer auch mit Aufwand verbunden Mobilität ist immer auch mit Aufwänden verbunden, meist sind diese in den Gesprächen in Form von Kosten oder Zeit Thema. In diesem Zusammenhang spielt auch das verwendete Ticket für den öffentlichen Verkehr eine Rolle. Auch wenn viele Befragte eine Zeitkarte nutzen und so ein Mehr an Mobilität zunächst kostenneutral ist, so spielt die Abwägung von zusätzlichen Wegen insbesondere vor dem Hintergrund finanzieller, zeitlicher und organisatorischer Fragen eine Rolle im Alltag der Befragten. Die verwendeten Tickets im öffentlichen Nahverkehr variieren stark, wie Abbildung 42 zeigt: .
Kein Ticket
IsarCard S
IsarCard Job
IsarCard
SB - Ausweis
Abbildung 42 Tickets der Befragten für den öffentlichen Nahverkehr (SB = Schwerbehindertenausweis)
Bis auf vier Befragte haben alle eine Zeitkarte für den öffentlichen Verkehr. Nur vier von ihnen nutzen die IsarCardS, welche 2009 in München als vergünstigtes Sozialticket eingeführt wurde (siehe Kapitel 3.4.3). Das Preis-Leistungs-Verhältnis der IsarCardS beurteilen die meisten Befragten, insbesondere im Vergleich zu den Regeltarifen, als gut. »» …hab ich mir im Juni jetzt erstmals diese IsarCardS gekauft, die kostet 4 Ringe 28 Euro und die IsarCard, also diese normale Wochenkarte 14,10 Euro. Ist zwar nicht übertragbar, aber nachdem ich viel unterwegs bin, muss ich sagen einfach um da, ich brauch das einfach das… rentiert sich das…« Fr. G. 37 Allerdings gilt die IsarCardS morgens erst ab 09:00 Uhr. Einige Sozialbetriebe haben sich darauf eingestellt und beginnen erst um 10:00 Uhr. So ist die Zeitbegrenzung beispielsweise für Herrn W. oder Herrn P. in der Regel kein Problem, für alle weiteren Fahrten außerhalb des Geltungsbereichs oder der Geltungszeit müssen die Befragten jedoch zusätzlich zahlen.
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»» Ja, es kommt schon mal vor, wenn ich jetzt irgendwelche besonderen Termine mit der Schule hab oder so. Aber dann… da beiße ich dann ich den sauren Apfel und besorge ein Einzelticket, weil meistens ists ja so, dass ich nur für die Früh auf der Hinfahrt das Ticket brauche, bis ich dann fertig bin mit dem Termin ist schon 9 Uhr durch, dann kann ich mit dem Ticket wieder fahren…« Hr. P. 74 Aufgrund der Zeitbegrenzung ist die IsarCardS aber insbesondere für die Befragten, die einer Arbeit auf dem regulären Arbeitsmarkt nachgehen, keine Option. Als Vorteil des regulären Tarifs sehen die Befragten die Übertragbarkeit der Monatskarten (Fr. H. 99, Hr. B. 53). Bei vier Befragten übernimmt der Arbeitgeber die Karte oder bezuschusst diese. »» … ich krieg meine Fahrkarte von meinem Arbeitgeber bezahlt und bin da entsprechend sorgenfrei eigentlich…« Hr. B. 51 Herr J. nutzt die IsarCardS, obwohl er vor 09:00 Uhr in die Arbeit fährt, er geht das Risiko, kontrolliert zu werden ein, um Kosten zu sparen. »» Ich weiß, da mogel ich mich immer durch, aber ich hab bisher Glück gehabt, ich bin noch nie in ne Kontrolle gekommen und wenn, dann muss ich denen irgendwas erklären, eigentlich darf ich die IsarCard nicht vor 9 benutzen…« Hr. J. 163 Die Komplexität des Tarifsystems stellt für einige durchaus eine Herausforderung dar. Frau R. wusste beispielsweise nicht, dass sie zur IsarCardS vor 09:00 Uhr nicht zustempeln kann, seit sie kontrolliert wurde, zahlt sie nun mit 64,40 Euro mehr als doppelt so viel wie für die IsarCardS. Die Themen Kosten, Gültigkeit, Übertragbarkeit und Erstattung spielen für die Befragten eine Rolle. Insbesondere, wenn Kinder im Haushalt leben, spielt auch die Abwägung der Kosten und eine eventuelle Erstattung für deren Mobilität eine Rolle. Die vergünstigten Einzelfahrkarten für Geringverdienende erwähnt außer Frau G. niemand. Bei den vier Befragten die keine Zeitkarte haben, liegt das im Fall von Frau S. und Frau F. daran, dass Arbeits- und Wohnort so nah beieinanderliegen (beziehungsweise im Fall von Frau F. lagen), dass sich die Karte nicht lohnt und im Fall von Frau A. und Frau M. daran, dass ohnehin überwiegend das Auto genutzt wird. Herr E., Frau O. und Frau C. sind über ihren Schwerbehindertenausweis mit Wertmarke berechtigt den öffentlichen Verkehr zu nutzen.
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Mobilität, Kosten und Zeit sind eng miteinander verknüpft Fast alle Befragten haben ein hohes Bewusstsein für Mobilitätsaufwände in Form von Kosten oder auch Zeit. Die Zeitkarte für den öffentlichen Verkehr ist den Befragten, die sie selber zahlen, das Geld wert, auch wenn es sich um einen verhältnismäßig hohen Betrag handelt. Herr T. beispielsweise zahlt für sein vergünstigtes Jobticket über 80 Euro im Monat (Hr. T. 23). Die Mobilitätskosten machen sich also im monatlichen Budget bemerkbar, allerdings nicht nur dort, denn Herr T. schildert weiter, dass sich die mit seiner Wohnlage verbundenen Mobilitätskosten auch auf Besuche aus seinem Freundeskreis auswirken, da von seinen Freunden niemand ein Ticket hat, mit dem man bis zu ihm fahren kann (Hr. T. 86). Eine Zeitkarte wirkt sich auch auf die Nutzung anderer Modi aus. Herr I. beschreibt, dass er lieber mit dem Bus als mit dem Fahrrad fährt, da er ohnehin ein Ticket hat. Frau S., die keine Zeitkarte hat, nutzt das Fahrrad hingegen nicht nur, weil es ihr Spaß macht, sondern auch um Kosten zu sparen. »» Ja schon ja, auf jeden Fall, also einmal hin und zurück nach Großhadern, ich glaub würde 5 Euro, also 2,60 oder 2,70 weiß nicht und ja dafür kann man sich schon eigentlich n Eisbecher wieder kaufen in der Innenstadt wenn man mim Rad reinfährt, ne… oder n Radler oder n Weißbier oder keine Ahnung im Biergarten irgendwas...« Fr. S. 151 Die Anschaffung eines Autos oder das Nachholen des Führerscheins scheitert bei denjenigen, die Interesse daran haben, an den finanziellen Möglichkeiten (z. B. Fr. F. 32). Bei den Befragten, die ein Auto hatten, waren es immer auch finanzielle Gründe, die die Befragten motivierten das Auto abzuschaffen (Fr. G. 47, Fr. S. 50, Hr. T. 125). Und auch beim Thema Car-Sharing sind es häufig die Kosten, die die Befragten von einer Nutzung abhalten, denn für viele wäre vor allem eine Nutzung für Freizeitaktivitäten in der Region interessant, was mit längeren Mietdauern und weiteren Entfernungen einhergeht und so den Preis steigen lässt. »» Ja, also wollte ich mich auch anmelden und hatte ich auch überlegt, aber ist es auch, also so für 1, 2, 3 Stunden ist es glaub ich ganz gut, aber wenn man z. B. Freitag z. B. für den Waginger See oder Chiemsee hatte ich mir das überlegt, das übers Wochenende mietet, dann wird das ganz schön teuer und dann ist sogar ein normaler Mietwagen bei Sixt oder so günstiger, genau, deswegen hatte ich mich da jetzt noch nicht angemeldet, weil wie gesagt, für so längere, übers Wochenende ist es schon auch ganz schön teuer, also…« Fr. S. 153
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Frau A. fährt hingegen alles mit dem Auto, gerade weil es sie nichts kostet, denn Sprit und Versicherung werden von ihrem Arbeitgeber übernommen. Sie fügt hinzu, dass sie dafür ein bisschen weniger verdiene, aber man ja nicht alles haben könne (Fr. A. 129). Für die Subventionierung ihrer Mobilität nimmt sie diese Einbußen in Kauf. Allerdings hat sie seit dem Umzug den doppelten Fahrweg, was sich „schon bemerkbar“ macht, so dass sie zum Teil auch selber, das heißt auf eigene Kosten, tankt (Fr. A. 145). Neben den Fixkosten zur Vorhaltung des Autos müssen die anderen Befragten auch für die Benzinkosten aufkommen. Das folgende Zitat zeigt, dass die Nutzung des Autos und damit verbundene Aktivitäten beispielsweise im Bereich Freizeitgestaltung durch diese limitiert werden können: »» … ja da sind wir auch mal nach Darsing hochgefahren, da gibt’s auch son Indoorspielplatz, also es ist auch so, dass wir ab und zu mal sagen, so von mir aus Tank ist voll, wir haben bisschen Geld übrig, jetzt fahren wir mal ein Stückchen weiter, aber das ist eher so, dass man sagt, man macht das vielleicht 2 mal im Jahr, ansonsten schaut man halt, dass man wirklich hier im Umkreis…« Fr. F. 162 Statt Einrichtung, Ausstattung oder Spielzeug neu zu kaufen, organisiert Frau F. viel gebraucht über das Internet um Kosten zu sparen. Dabei ist ihr aber bewusst, dass sie dafür nicht nur viel Zeit, sondern auch Kosten, in Form von Benzinkosten, aufwenden muss: »» … also da muss man sich halt wirklich die Zeit nehmen, aber wenn ich sag, auch wenn ich jetzt das Benzin dazu rechne, wenn ich sag ich kann mindestens ein Drittel oder die Hälfte sparen, dann kann ich für dieses gesparte Geld schon wieder anderweitig was organisieren oder Ausflug machen oder sonst was…« Fr. F. 93 Häufig angesprochen werden Mobilitätskosten, wenn es um Ausflüge oder Freizeitmobilität außerhalb des Alltagsradius geht. Viele würden gerne mehr unternehmen und dafür in die Region fahren, allerdings scheitert das in der Regel an den Kosten beispielsweise für das Bahnticket und den Kosten eines Tagesausflugs vor Ort (siehe auch Kapitel 6.2.3). Auch bei den Überlegungen zu einem neuen Wohnstandort spielen Mobilitätskosten in Relation zu den Wohnkosten durchaus eine Rolle. »» … und da ist eine ewige Anfahrt und da sind auch die Karten teurer, also das wär dann natürlich… was nutzt mir das wenn ich eine Wohnung hab, die 100 Euro günstiger ist, aber die Fahrt kostet mir dann 150, was weiß ich, also das ist ein Krampf.« Fr. G. 130
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Während der Interviews entstand der Eindruck, dass gerade Haushalte, die nur ein geringes Budget haben, sehr genau planen und mögliche Kosten abwägen. Ähnliche Überlegungen fanden auch bei Herrn T. statt, allerdings stellte sich bei ihm eher die Frage, ob die Mietersparnis die Anschaffung eines Autos zulässt: »» …wenn man z. B. Richtung Höhenkirchen-Siegertsbrunn da raus, dass man dann schon auch auf dem ein oder anderen Bauernhof, bezahlbare Wohnungen findet, dass da aber die Infrastruktur so schlecht ist, dass man ein eigenes Auto braucht, aber die Mietersparnis gegenüber München reicht nicht aus um zu sagen: Ach, dann wohn ich da günstig und zieh mir ein Auto noch dazu‘ […], dieser Plan hat auch nicht funktioniert.« Hr. T. 37 Andersherum gibt Herr. E. als Grund für seinen Umzug aus dem Umland in die Stadt die Fahrkosten und die Fahrzeit an. Die Fahrt mit der S-Bahn war ihm „einfach zu lästig“ (Hr. E. 39). Frau G. stellt einen direkten Bezug zwischen ihren Einkünften und den Kosten für ihren Arbeitsweg her: »» … für mich war ja das optimal, ich konnte zu Fuß gehen und hab somit die Fahrkarte gespart, das was ich verdient hab, das hab ich praktisch in der Tasche gehabt und…« Fr. G. 150 Frau S. hingegen geht es mehr um die gesparte Zeit, denn dadurch, dass sie nach der Arbeit in zehn Minuten zu Hause ist, hat sie mehr Freizeit, was ihr, wie sie sagt, „sehr wichtig“ ist (Fr. S. 9). Auch Herr B. erzählt, dass seine Frau sich eine Arbeit im Umland sucht, um nicht jeden Tag die (unbezahlte) Pendelzeit in die Stadt zu verlieren, für welche sie noch dazu die zusätzliche Betreuungszeit des Kindes zahlen müssten (siehe Kapitel 6.4.4). Herr T., der ebenfalls täglich aus dem Umland in die Stadt pendelt bestätigt, dass dadurch „wirklich wahnsinnig viel Zeit“ verloren geht (Hr. T. 19) und auch er sich nach mehr Freizeit sehnt (Hr. T. 115). Gleichzeitig kann sich ein erhöhter Mobilitätsaufwand auch auf die Freizeitgestaltung und die sozialen Beziehungen auswirken, wie aus den folgenden Schilderungen von Herrn B. hervorgeht: »» … klar, jetzt irgendwie mal an die Isar zu gehen oder so könnte man auch schon öfter machen, weil es einfach nett ist und sich vielleicht noch mit ein paar Leuten aus München regelmäßiger treffen und sagen ‚Hey, wir sind jetzt da‘ aber weil das einfach mit nem größeren Aufwand verbunden ist lange S-Bahn zu fahren oder Abends auch weg zu sein, kommt sicher aber auch wieder diese Kindersituation dazu, die da rein spielt irgendwie, machen wir das nicht so häufig und würdens vielleicht häufiger machen, wenns näher dran wäre zum Beispiel…« Hr. B. 83
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Empirische Ergebnisse
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[1] Wenig aktiv, stark routiniert
[2] Weniger aktiv, noch Kapazitäten
[3] Aktiv, durch Alltagsorganisation geprägt
[4] Aktiv, vielfältige u. varierende Aktivitäten
Abbildung 43 Aktivitätsgruppen der Befragten
1) Wenig aktiv, stark routiniert Herr W. ist in seinen Aktivitäten stark routiniert. Insgesamt gehört er zu den weniger aktiven Befragten, denn er beschränkt seine Aktivität auf die grundlegende Versorgung und den Besuch seiner beiden Stammkneipen. Abgesehen von dem Weg zur Stammkneipe, hat sich seit dem Umzug für ihn nichts geändert. »» Ja, Freizeit eigentlich… Freizeitaktivitäten hab ich eigentlich gar nicht, eigentlich bloß Fußball schauen, und das ist in der Kneipe…« Hr. W. 86 Die erste Gruppe ist durch eine geringe Anzahl unterschiedlicher Aktivitäten geprägt. Sie meistern grundlegenden Aktivitäten wie ihre Versorgung und sind dabei stark routiniert. Über ihre Alltagsroutinen hinaus gehen sie wenigen außerplanmäßigen „Extra-Aktivitäten“ nach und haben eine eher geringe Anzahl an sozialen Kontakten. Tendenziell scheinen die Befragten in dieser Gruppe damit zufrieden und mit der Aufrechterhaltung ihrer Alltagsverpflichtungen ausgelastet zu sein. Diese Befragten nutzen in erster Linie den öffentlichen Verkehr und sind auch hinsichtlich dessen Nutzung stark durch tägliche Routinen geprägt. 2) Weniger aktiv, es gäbe noch Kapazitäten Frau G. hat wenig zu tun, da sie sich gerade zwischen zwei Arbeitsgelegenheiten befindet, regelmäßigen Freizeitaktivitäten geht sie nicht nach. Dennoch sagt sie von sich, sie sei viel unterwegs (Fr. G. 97). Für sie ist das Unterwegssein ein Wert an sich. Herr P. erzählt offen, dass er früher gerne auch lange Zeit zu Hause war, inzwischen sagt er von sich, dass er nach einiger Zeit unruhig wird, weil er Beschäftigung braucht und sich fragt, was in der Arbeit los ist (Hr. P. 233). Hierbei spielen sicher Verlustängste des Arbeitsplatzes aufgrund vorheriger Erfahrungen eine Rolle.
Mobilität, Aktivität und Alltagsorganisation am neuen Wohnstandort
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Die meisten Befragten lassen sich der zweiten Gruppe zuordnen, sie sind ebenfalls weniger aktiv, wären aber tendenziell gerne aktiver. Auch hier sind der Alltag und die Alltagsmobilität stark durch Routinen geprägt. Solange dieses System funktioniert, haben die Befragten zusätzliche Kapazitäten. Für weitere Mobilität fehlen den Befragten zum Teil die Anlässe, was häufig der aktuellen Lebenssituation geschuldet ist. 3) Aktiv, durch Alltagsorganisation geprägt Der Alltag von Herrn B. ist vor allem durch Arbeit, das tägliche Pendeln und familiäre Verpflichtungen geprägt, die fast ausschließlich am Wohnort stattfinden. Bei Frau H. haben die familiären Verpflichtungen und deren Organisation, dadurch dass sie alleinerziehende Mutter von zwei Kindern ist, eine noch höhere Bedeutung in der Alltagsgestaltung. Und auch bei Herrn T. lässt der organisatorische Aufwand seit der Trennung von der Mutter seines Sohnes, kaum Raum für weitere Aktivitäten. Die Aktivität der dritten Gruppe ist stark geprägt durch deren Alltagsorganisation. Alle Befragten in dieser Gruppe haben Kinder, so dass familiäre Verpflichtungen einen hohen Stellenwert haben und dementsprechend viele Aktivitäten und Wege dominieren. Tendenziell genießen diese Befragten Zeiten, in denen weniger los ist, bei allen besteht der Wunsch nach mehr (persönlicher) Freizeit. 4) Aktiv, vielfältige und variierende Aktivitäten Frau S. ist eine aktive junge Frau, die mehreren Hobbies nachgeht und zahlreiche soziale Kontakte zu pflegen scheint. Dementsprechend ist sie in ihrer Freizeit viel unterwegs und nimmt dafür auch den notwendigen Aufwand in Kauf. »» Langwidersee und Lußsee und dann Feldmochinger See, Feringasee, Germeringer See (lacht)… wo ich halt Lust und Laune hab, da fahr ich dann hin, wo halt auch Leute sind, die ich kenn, ja... Unterschiedlich…« Fr. S. 69 Ähnlich verhält es sich bei Herrn E., wobei er in seiner Freizeit nicht nur durch seinen Beruf, sondern auch ein berufsbegleitendes Studium eingeschränkt ist. Auch Frau R. ist aktiv, so dass es ihr schwer fällt, zwischendurch daheim zu bleiben: »» Äh sagen wirs mal so, ja ich genieß das schon, wenn ich mal so einen Tag meine Ruhe hab, aber trotzdem ich merke am Nachmittag werde ich unruhig, dann muss ich wenigsten ein bisschen vor die Tür, ein bisschen spazieren gehen oder irgendwas machen, ich muss raus, jeden Tag irgendwie, so ganz zu Hause bleiben, den ganzen Tag, mmm, geht nicht, nee mmm (verneinend)…« Fr. R. 152
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Die vierte Gruppe ist geprägt von Befragten, die sehr aktiv und viel unterwegs sind. Tendenziell sind diese Befragten eher jünger und haben weniger familiäre Verpflichtungen als die Befragten in der dritten Gruppe. Entsprechend ihrer Aktivitäten sind sie sehr mobil und nutzen neben öffentlichen Verkehrsmitteln auch das Fahrrad. Insgesamt kann ein Zusammenhang zwischen Aktivität und Verkehrsmittelnutzung und insbesondere der Fahrradnutzung festgestellt werden. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich hierbei um eine wechselseitige Kausalität handelt, das heißt aktive Befragte nutzen häufiger das Rad, gleichzeitig sind Befragte, die auch auf das Fahrrad zurückgreifen aktiver. Weiter gibt es eine deutliche Verbindung zwischen der Verkehrsmittelnutzung und den Aktivitätenstandorten, denn die Ziele der Befragten, die im Individualverkehr unterwegs sind, sind deutlich weiträumiger verteilt. Insbesondere anhand der Versorgungsstandorte, lässt sich erkennen, ob die Befragten den motorisierten oder nichtmotorisierten Individualverkehr nutzen, da die Autofahrenden ihre Einkäufe, zumindest zum Teil, deutlich weiter entfernt vom Wohnstandort tätigen. Die mittels der Narrativen Karten (siehe Kapitel 5.3) erhobenen Ziele beziehungsweise Aktivitäten-standorte werden unterteilt in Versorgung, Arbeit, Freizeit, Schule/Kinderbetreuung, Ämter und Ärzte. Bei der Arbeit und den Ämtern handelt es sich um formalisierte Ziele, auf welche die Befragten in der Regel keinen direkten Einfluss haben und die dementsprechend im Zuge des Umzugs auch nicht angepasst werden. Ärzte werden häufig ebenfalls nicht angepasst (siehe Kapitel 6.2.3). Weiter gibt es insbesondere im Bereich Freizeit unveränderbare Ziele, wie beispielsweise Freunde, Bekannte und Verwandte, aber auch Friedhöfe oder Freizeiteinrichtungen. Inwiefern diese nach dem Umzug beibehalten werden, ist individuell unterschiedlich und hängt neben der Erreichbarkeit und Distanz vor allem vom Stellwert der jeweiligen Aktivität ab. In der Regel gibt es einige Aktivitäten oder Ziele, die im nahräumlichen Umfeld um den Wohnort verteilt sind. Das sind vor allem die veränderbaren Ziele, wie im Bereich Versorgung oder Ziele, die erst nach dem Umzug hinzugekommen sind. Auch wenn nicht alle direkt in der Innenstadt wohnen wollen (siehe Kapitel 6.2.2), so sind doch die meisten der Befragten in ihren Aktivitäten Richtung Innenstadt orientiert. Sechs Befragte geben die Innenstadt, das heißt ganz konkret den Marienplatz oder die Kaufingerstraße als regelmäßiges Ziel an. Die Innenstadt wird weniger unter dem Aspekt der Versorgung, sondern eher unter dem Aspekt der Freizeitgestaltung aufgesucht, wie auch der Begriff „Bummeln“ (Fr. M. 100) deutlich macht. Die Ziele, die weiter vom Wohnort entfernt sind, sind in der
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Regel tortenstückförmig in Richtung Innenstadt orientiert. Bei Herrn I., Frau M. und Herrn J. ist sehr deutlich der Stadtrand zuerkennen, über den die Aktivitäten kaum hinausgehen, obwohl er in unmittelbarer Nähe ist. Eine Ausnahme stellt Herr W. dar, für ihn war die Hauptanforderung an einen neuen Wohnstandort eine möglichst geringe Entfernung zum alten Wohnstandort, dementsprechend sind bei ihm alle Ziel bis auf den Arbeitsstandort und Ämter, das heißt alle frei wählbaren Ziele, deutlich erkennbar in Richtung des alten Wohnortes orientiert (siehe Abbildung 44). Selbst die Versorgung findet am alten Wohnort statt. Auch hier wird wieder deutlich sichtbar, dass der Arbeitsort einer komplett anderen Logik folgt, als die anderen Ziele und dass, um diesen zu erreichen, der weiteste Weg in Kauf genommen werden muss.
AWO
WO
Gemeindegrenzen
Versorgung
Freizeit
Gemeindefreies Gebiet
Arbeit
Amt
Arzt
Kartenbasis GeoBasis-DE BKG 2017
0 1 2
4
Abbildung 44 Narrative Karte eines/er Befragten - starke Rückbezüge zum alten Wohnstandort
6 km
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Empirische Ergebnisse
Mobilität ohne Ziel beziehungsweise Mobilität als Aktivität Auch wenn zu Beginn dieses Kapitels auf die Verbindung von Aktivitäten und Mobilität eingegangen wurde, so hat Mobilität nicht immer nur den Zweck, Aktivitäten zu erreichen und einen gezielten Ortswechsel zu vollziehen (Wilde 2014b, S. 84f). Tatsächlich ist die Grenze von Freizeitaktivitäten und Mobilität fließend. Besonders deutlich wird das bei Tätigkeiten wie Spazierengehen oder Radfahren. Viele Befragte sind alleine oder mit Freunden, einfach so oder zur sportlichen Betätigung unterwegs, ohne dass das Erreichen eines Ziels im Vordergrund steht. Viele schätzen in diesem Zusammenhang den Zugang zu Grünflächen in ihrer Wohnumgebung. Frau G. schildert, dass sie sich gerne in den Bus setzt und durch die Stadt fährt, wenn sie nichts zu tun hat (Fr. G. 87). Sie bevorzugt im öffentlichen Verkehr Tram und Bus, da man dort mehr sieht, die U-Bahn nimmt sie nur, wenn sie es eilig hat oder es keine Busverbindung gibt (Fr. G. 73). Auch Frau C. fährt ohne konkretes Ziel mit der Straßenbahn. Hier wird das Unterwegssein zur Beschäftigung. »» Ja, deswegen, wenn ich habe Langeweile, dann setze ich mich in Straßenbahn, hin und her, bissl schauen Stadt und wieder zurück, dann ist Tag vorbei…« Fr. C. 135 Bei Frau G., die sich, wie in Kapitel 6.3.2 dargestellt, in ihrer neuen Wohnung gar nicht wohlfühlt, kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Sie hält es in ihrer Wohnung nicht lange aus, so dass sie der Situation entflieht. Insgesamt lässt sich also feststellen, dass Aktivität und Mobilität individuell sehr verschieden sind und die einzelnen Befragten hinsichtlich beider Konzepte kaum verglichen werden können. Zusammenfassend kann aber festgehalten werden, dass die aktiveren Befragten auch die mobileren Befragten sind. Dieser Zusammenhang verstärkt sich bei den Befragten, die das Fahrrad nutzen. Gleichzeitig sind die Befragten, für die Mobilität einen großen Aufwand darstellt, weniger aktiv. Aktivität und Mobilität bedingen sich damit wechselseitig. Hinsichtlich der Aktivitätenstandorte lässt sich insbesondere zwischen veränderbaren und damit anpassbaren und unveränderbaren Zielen unterscheiden. Grundsätzlich sind die meisten Befragten mit ihren Aktivitäten Richtung Innenstadt ausgerichtet.
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6.4.4 Der neue Wohnstandort und das Haushaltsbudget prägen die Alltagsorganisation In Kapitel 6.4.2 wurde auf die vielschichtigen Zusammenhänge von Mobilität und Aufwand in Form von Zeit und finanziellen Ressourcen eingegangen. Ergänzend wurde in Kapitel 6.4.3 die Aktivität der Befragten näher betrachtet. Beides ist eng verknüpft mit der Alltagsorganisation der Befragten. Im Folgenden wird nun der Frage nachgegangen, wie Aktivitäten und Verpflichtungen im Alltag zeitlich und räumlich organisiert werden. In diesem Kontext treten immer wieder Probleme auf, denen es zu begegnen gilt. Die neue Situation am aktuellen Wohnstandort und das begrenzte finanzielle Budget tragen dazu bei, dass diese Probleme häufig organisatorisch und manchmal auch kreativ gelöst werden müssen. Viele Herausforderungen im Alltag sind Fragen der Organisation Das Thema Organisation wird im Folgenden vertieft, denn häufig führen finanzielle Einschränkungen zu einem Mehraufwand, der sich vor allem auch in der Mobilität der Befragten ausdrückt. Insbesondere, wenn größere Anschaffungen anstehen, müssen die Befragten im Vorfeld planen, wie die Antwort von Herrn P. auf die Frage, wie er denn seine Einkäufe im Euroindustriepark transportiert, zeigt: »» Ja, nee, also ich plan das auch dann genau, kommt auch mal vor, dass ich jetzt zum Beispiel mit meinem Bruder dahin fahr, wenns irgendne größere Anschaffung ist, weil der ein Auto hat…« Hr. P. 151 In diesem Zusammenhang wird das Fehlen eines Autos besonders häufig bedauert. In der Folge sind die Befragten weniger flexibel, müssen im Voraus planen oder können bestimmten Aktivitäten, wie Ausflügen am Wochenende, gar nicht nachgehen beziehungsweise sind dabei auf andere angewiesen. Andererseits betont Frau S. auch, dass es, insbesondere in München, viele Möglichkeiten ohne Auto in die Region oder die Berge zu kommen gibt, wenn man sich informiert: »» …aber in die Alpen, da komme ich, also war ich jetzt auch mit dem Ski-Bus öfter mal, also der am Sendlinger Tor weggefahren ist, zum Langlaufen oder auch zum Alpinskifahren mit dem Kitzexpress da, also da gibt’s schon echt viele Möglichkeiten, wie man da hinkommt, man muss es halt auch wissen, also Leute die halt jetzt n Auto haben, denen ist das oft gar nicht so bewusst, man muss sich dann halt schon informieren und… also sonst wüsste ich das glaube ich auch nicht alles, ja, dass es so viele Möglichkeiten gibt…« Fr. S. 141
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Empirische Ergebnisse
Tatsächlich ist das Wissen zu Angeboten und Unterstützungsmöglichkeiten sehr bedeutend, wenn es darum geht, diese wahrzunehmen. Auch bei der Wohnungssuche wissen einige Befragte nicht, welche Hilfsangebote es gibt und welche Unterstützung ihnen zusteht. Vor allem bezüglich der Kommunikation mit Behörden sind viele der Befragten verunsichert. Herr J. antwortet auf die Frage, ob sich an seinen Zielen und in seinem Alltag mit mehr Geld etwas ändern würde, dass er vor allem seine Flexibilität mehr nutzen würde (Hr. J. 269). Er ist alleinstehend und geht Gelegenheitsjobs nach. Damit ist er vor allem hinsichtlich der zeitlichen Gestaltung seiner Freizeit sehr frei, kann das jedoch aufgrund seiner finanziellen Situation kaum nutzen. Das zeigt, wie sehr sich finanzielle Einschränkungen auch auf andere Bereiche des Lebens auswirken und zu einem erhöhten Aufwand führen können. Die bereits im Kapitel 6.2.3 beschriebene Angebotsorientierung, führt nicht nur zu einem Bedarf an verschiedenen und preisgünstigen Angeboten, sie macht unter Umständen auch zusätzliche Wege notwendig und kostet Zeit. »» Ja, weil ich auch viel mim Preis auch hin und her schaue, wo ich was kaufe, klar ich werde jetzt nicht wegen dem Einkaufzettel und der Preise jetzt 3 oder 4 Supermärkte besuchen, nur um irgendwo was zu sparen, aber ich schaue schon wo ich was bekomme, was ich auch will, weil oftmals sinds Sachen, wos ähnlich ist, aber dann doch nicht das ist, was ich brauche… bei solchen Sachen bin ich dann doch sehr genau…« Hr. P. 207 »» Einkaufen, gibts ganz viele Stellen […] bei mir ist das völlig unterschiedlich, bei mir ist das total unterschiedlich, weil ich sowohl in der Metro einkauf, wie auch beim Aldi oder beim Lidl, beim dm, das ist ganz unterschiedlich, Penny, Netto, was eigentlich so da ist, wo ich meine Coupons, meine Payback sammeln kann und sowas oder wo ich meine Couponkarten krieg, so was zum Beispiel…« Fr. A. 88 Herr P. und Frau A. vergleichen also die Preise für Lebensmittel und nehmen dafür einen höheren Aufwand in Kauf. Die meisten Befragten schildern ähnliche Überlegungen, einige nehmen beispielsweise weitere Wege in Kauf oder vergleichen vorab online, wo es die günstigsten Angebote gibt (z. B. Fr. F. 38, Hr. J. 55). Herr J. schildert, dass er zum Teil zum Jobcenter fährt, um etwas einzuwerfen und sich so die Briefmarke zu sparen (Hr. J. 247). Die Fahrt verursacht durch seine Zeitkarte keine zusätzlichen Kosten, die Zeit allerdings muss er investieren. Wie in Kapitel 6.4.2 schon ausgeführt, sind auch Einkommen, Zeit und Wohnlage direkt miteinander verknüpft, wie Herr B. am Beispiel Kinderbetreuung ausführt:
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»» …ok, das Kind ist in der Krippe und meine Frau sucht sich wieder einen Job in München, hätte dann aber ja jeweils die 40 Minuten, die man rausfährt mit der S-Bahn immer noch jemanden gebraucht, der das Kind betreut, das wäre dann wiederum zu ner längeren Betreuungszeit geworden, analog dazu, um das zu bezahlen müsste man natürlich nochmal wieder länger arbeiten und wäre dann noch weniger zuhause…« Hr. B. 129 Wenn die Entfernung zwischen Arbeitsort und Wohnort steigt, kommen zu den Arbeitszeiten noch die Pendelzeiten hinzu, in denen das Kind betreut werden muss und wodurch zusätzliche Kosten verursacht werden. Die entstehenden Mehrkosten oder das verminderte Einkommen durch reduzierte Arbeitszeiten können dann wiederum einem Umzug entgegenstehen, mit dem diese Wegebeziehung optimiert werden könnte. Das trifft in besonderem Maße Alleinerziehende und Haushalte, die ins Umland gezogen sind. Gleiches gilt auch, wenn die Kinderbetreuungseinrichtung weiter weg ist, was aufgrund des Mangels an Betreuungsplätzen in München häufig der Fall ist (Hr. B. 17). Für Frau H. ist es dementsprechend von hoher Bedeutung, ihren Lebensmittelpunkt komplett an den neuen Wohnstandort verlegt zu haben. Sie schildert das folgendermaßen: »» Ich bin auch ganz froh, dass es eben so ist wie es ist und eben auch dass es sich alles so erschlossen hat, also wirklich, dass ich n Kindergartenplatz hier in Laufnähe bekommen hab, was wirklich nicht selbstverständlich ist, dass ichs eben mit der Arbeit vereinbaren kann, dass ich auch Teilzeit arbeiten kann, ahm, und das jetzt nicht das Riesenhindernis ist oder ich seh die Leute, die dann in der Früh mit den Kindern in irgendeinen betriebseigenen Kindergarten fahren, um Vollzeit irgendwo arbeiten zu können, also ich bin froh, dass meine Kinder nicht mit müssen, sondern, dass die ihr Leben hier draußen haben…« Fr. H. 113 Im Gegensatz dazu empfand Herr T. das Leben in München, bevor er ins Umland zog, entspannter, da er durch die kürzeren Fahrwege mehr Zeit für anderes hatte und nicht so viel organisieren musste. Auch er stellt einen direkten Bezug zur Kinderbetreuung (in diesem Fall durch die Eltern), zum Einkommen und zur Miete her. Bei ihm wird dieser Druck noch verstärkt durch die bereits in Kapitel 6.3.1 angesprochenen fehlenden sozialen Beziehungen am neuen Wohnstandort, die ihn in Notfällen unterstützen könnten.
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Empirische Ergebnisse
»» …auch das stell ich mir ein bissl einfacher vor, wenn einfach die Miete nicht so hoch ist und man bissl, sichs wirklich leisten kann, dass wenigstens einer der Elternteile Teilzeit nimmt und man da ein bissl flexibler ist […] Das ist viel Organisation, ja und ich glaub schon, dass das sich noch n bissl entspannt wenn ich wieder in München wohn und nicht mehr diesen weiten Weg habe…« Hr. T. 62 – 64 Erleichterung bei der zeitlichen und organisatorischen Bewältigung des Alltags bringt beispielsweise das Verbinden von Zielen oder das „Unterwegs erledigen“, da so Zeit gespart und zusätzliche Wege vermieden werden können. Für Herrn W. ist die Nahversorgung am Wohnort von eher untergeordneter Bedeutung, da er ohnehin neben seiner Stammkneipe einkaufen geht. Herr I. erledigt Arztbesuche regelmäßig auf seinem Heimweg nach der Arbeit und auch andere erledigen vor allem Einkäufe mit einem „Schwenk“ (Fr. S. 87) oder „Schlenker“ (Fr. A. 125) auf dem Heimweg. »» Ja, das ist echt super, ja Penny ist direkt zwischen [Arbeit] und meinem Wohnappartement, also da mach ich mal nen Schwenk rein und hab alles was ich brauch so zum Mitnehmen, also das Notwendigste…« Fr. S. 87 Besonders günstig sind solche Verbindungen, wenn Einkaufsgelegenheiten oder Kinderbetreuungseinrichtungen in der Wohnumgebung liegen, weil dadurch größere Umwege vermieden werden können. Auch die Bündelung verschiedener Erledigungen an einem Ort kann dazu beitragen, Zeit und Wege zu sparen und die Organisation zu erleichtern. Frau A. beispielsweise schildert, dass sie seit dem Umzug kaum noch in die Innenstadt fährt, da sie im Stadtteilzentrum Pasing alles erledigen kann. »» Ja, also, wenn dann muss ich direkt nach Pasing rein, Friseur, Shoppen mit den Kindern, der Bahnhof, Bank, die Krankenkasse…« Frau A. 93 Allerdings ist es nicht für alle möglich, Erledigungen unterwegs zu tätigen: Wer, wie Herr B., beispielsweise häufig bis 20 Uhr arbeitet, kann Einkäufe nicht auf dem Weg nach Hause erledigen. Hier kommen also auch zeitliche Begrenzungen wie Arbeitszeiten, Ladenöffnungszeiten oder Kinderbetreuungszeiten ins Spiel. Kreative Lösungen können helfen den Alltag zu bewältigen Da die organisatorische Bewältigung des Alltags oftmals Herausforderungen mit sich bringt und das knappe finanzielle Budget die Handlungsspielräume einschränkt, greifen einige der Befragten zu kreativen Lösungen.
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Zunächst betreffen diese Lösungen die Nutzung des öffentlichen Verkehrs, wobei hier insbesondere die Fahrtkosten eine Rolle spielen. Während ihre Tochter noch zur Schule ging, teilten sich Frau G. und ihre Tochter lange Zeit eine IsarCard: Die Tochter nutzte diese vormittags für den Schulweg und nachmittags nutzte Frau G. die Karte für ihre Aktivitäten (Fr. G. 37). Der Tochter hätte zwar ein kostengünstigeres Schülerticket und Frau G. ein vergünstigtes Sozialticket zugestanden, aber die Summe beider subventionierten Tickets wäre teurer gewesen, als nur ein übertragbares Ticket zum Normalpreis. Als Konsequenz mussten beide ihren Alltag aber entsprechend der zeitlichen Einschränkungen organisieren. Auch der Fahrweg oder die Umsteigebeziehungen im öffentlichen Verkehr sind Gegenstand einer organisatorischen Optimierung. So nimmt Herr P. auf dem Heimweg einen anderen Weg, auf dem er öfter umsteigen muss, dafür aber kürzer fährt und die Chancen auf einen Sitzplatz höher sind: »» Auf dem Rückweg hab ich manchmal den Vorteil, obwohls mehrmals umsteigen ist, aber ich hab gemerkt ich spar manchmal bis zu 10 Minuten, wenn ich mit der U2 von der Dülferstraße bis Scheidplatz fahre, dann in die U3 und zwei Haltestellen bis Münchner Freiheit und von da aus fährt die U6 direkt durch bis Westpark und da ist sie auch noch nicht so voll.« Hr. P. 64 Herr J. kombiniert U-Bahn und Rad und nimmt sein Rad häufig mit, um dann vor Ort mobil zu sein. Für sein Rad stempeln, wie es eigentlich vorgeschrieben wäre, tut er allerdings nicht. »» Ja, ja… manchmal nehm ich das Rad, weil zum Beispiel zum Tennis muss ich Innsbrucker Ring aussteigen und dann nochmal 10 Minuten Radl fahren, weil der liegt halt nicht direkt an der Ding… also oder auch wenn ich da rund umn Harras mich aufhalte, dann nehme ich immer die U-Bahn und nehm mein Radl mit und mach den Rest mim Rad…« Hr. J. 226 »» …da bin ich auch mal… musste ich auch mal Scheißstrafe zahlen, weil ich nicht fürs Fahrrad gelöhnt hab, das war SEHR ärgerlich, das war sehr ärgerlich…« Hr. J. 232 Insbesondere bei Alternativen zum Pkw sind einige der Befragten kreativ. Seit dem Verkauf ihres Autos muss Frau S. die Fahrten zu ihren Eltern oder zu weiter entfernten Zielen anderweitig organisieren. Sie fährt häufig bei Freunden mit, nutzt eine Mitfahrgelegenheit oder einen Fernbus. Zeitlich ist sie dadurch allerdings weniger flexibel.
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Empirische Ergebnisse
»» …also es ist machbar, aber es ist schon bisschen aufwendig, das stimmt. Aber irgendwie auch, also für mich mit den Öffentlichen auch manchmal stressfreier, weil ich da nicht selber mich konzentrieren muss und mich einfach zu reinsetzen muss und mich da hinschippern lass, aber klar es ist aufwendiger wie man dann da hinkommt, da muss man sich vorher schon bisschen nen Kopf machen und nicht einfach ins Auto setzen, hinfahren und aussteigen…« Frau S. 56 Auch Frau F. muss sich, da sie keinen Führerschein hat, anderweitig organisieren: Zur Tafel kann sie bei einer befreundeten Familie mitfahren (Fr. F. 26) und ihr Sohn fährt häufig zusammen mit seinem Trainer zum Fußball (Fr. F. 173). Vor dem Umzug und bevor ihr Mann seinen Führerschein gemacht hat, hatte die Familie mit einem Taxifahrer eine Vereinbarung, der sie einmal wöchentlich zu einem Sonderpreis zum Einkaufen gefahren hat (Fr. F. 210). Herr T. vermisst ein Auto, daher leiht er sich am Wochenende hin und wieder das Auto seines Mitbewohners. So kann er auf Vorrat einkaufen, was einfacher und kostengünstiger ist, als wenn er jeden Tag unterwegs etwas kauft (Hr. T. 97). Wenn das nicht möglich ist, nutzt er Car-Sharing, allerdings ist an seinem Wohnort keine Station, so dass er das mit öffentlichen Verkehrsmitteln kombinieren muss, was wiederum ein erhöhter Aufwand ist (Hr. T. 101). Sehr gut findet er auch Lieferdienste, die ihm alternativ schwere Einkäufe nach Hause liefern. Der Nachteil dabei ist allerdings, dass er bei diesen Bestellungen nicht wie im Laden Preise vergleichen kann. Solche Dienste würde er häufiger nutzen, wenn er mehr Geld hätte: »» …genau beziehungsweise haben wir jetzt auch schon paarmal bei Krankheit ists immer bissl schwierig, gibt’s ja so Lieferdienste, das find ich ganz toll irgendwie von Rewe, da kann man sich im Internet zusammenstellen, man kann leider die Preise nicht vergleichen, da sind wir wieder bei dem Thema, Geld. Stimmt, das würde ich noch machen, wenn ich mehr Geld hätte würde ich mir wahrscheinlich einfach so Lebensmittel, so Saftkästen oder was würde ich mir das einfach liefern lassen…« Hr. T. 111 Auch Herr E. findet Car-Sharing an sich gut und hat es auch schon genutzt. Allerdings hat der Anbieter das Geschäftsgebiet verkleinert, so dass Herr T. nun außerhalb wohnt und auch er am Wohnort keine Autos mehr zur Verfügung hat. Darüber ärgert er sich (Hr. E. 103). Herr J. stört vor allem, dass die Autos am Wochenende häufig reserviert sind und so lange Vorlaufzeiten notwendig sind, die einer flexiblen Nutzung entgegenstehen (Hr. J. 263). Auch der Preis ist eine Hürde beim Thema Car-Sharing. Da die Befragten ihren Alltag auch ohne Auto meistern,
Umzug
Umzugsentscheidung
A
Fremdbestimmung
Fremdbestimmung
Suchprozess
Exklusion
N
Einbettungsprozess
Exklusion
N
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Empirische Ergebnisse
Es wird davon ausgegangen, dass die in Abbildung 45 dargestellten Such- und Einbettungsprozesse immer stattfinden, aber unterschiedlich ablaufen und insbesondere in Dauer und Intensität variieren. Wie bereits in Kapitel 6.1.1 beschrieben, kann die Wohnungssuche, das heißt der Suchprozess, zwischen einigen Wochen und mehreren Jahren dauern, dabei reicht auch die Rolle der Befragten von sehr aktiv bis passiv abwartend. Auch der auf den Umzug folgende Einbettungsprozess variiert stark, wobei dieser nicht durch ein klares Ende definiert ist, vielmehr stellen sich die Haushalte iterativ auf die neuen Gegebenheiten ein, wodurch sie sich einem langfristigen Einbettungszustand annähern. Wie lange dieser Prozess dauert, hängt unter anderem von den Einflussmöglichkeiten der Befragten auf den neuen Wohnstandort und dem Erhalt vorheriger Bezüge ab. Parallel zu dieser zeitlichen Abfolge ergibt sich auch die räumliche Abfolge des alten und des neuen Wohnstandortes, die das Alltagshandeln der Befragten prägt. Wichtig ist, dass diese Abfolge nicht immer linear verläuft. Klinger (2017, S. 71) weist darauf hin, dass sowohl vor- als auch nachgelagerte Planungs- beziehungsweise Anpassungsprozesse zu berücksichtigen sind, insbesondere auf letztere wird im Folgenden noch näher eingegangen. Diese Abfolge an sich unterscheidet sich bei einkommensschwachen Haushalten zunächst nicht von anderen umziehenden Haushalten, allerdings unterscheiden sich die auf die Prozesse wirkenden Einflussfaktoren und die daraufhin notwendig werdenden Strategien. Aus den Daten ergeben sich zwei Wirkdimensionen, die den Handlungsraum der Befragten aufspannen und begrenzen sowie ihr Handeln beeinflussen. Ein Teil dieser Einflüsse lässt sich unter dem Begriff Fremdbestimmung zusammenfassen, während weitere eher unter der Bezeichnung Exklusion zu fassen sind. Beide werden in Kapitel 6.5.1 genauer erläutert. Innerhalb beider Wirkdimensionen lassen sich externe Einflussgrößen und von den Teilnehmenden selbst ausgehende Einflussgrößen, im Folgenden antizipierte Einflussgrößen genannt, ausmachen, die jeweils nochmals differenziert werden. Bevor die Wirkdimensionen im Folgenden detaillierter dargestellt werden, wird vorab angemerkt, dass es zahlreiche weitere Einflussfaktoren, die auf den Such- und Einbettungsprozess wirken, geben kann. Anhand der durchgeführten Analysen und des für diese Arbeit erhobenen Materials kristallisieren sich die genannten jedoch als besonders prägend für die untersuchte Zielgruppe heraus. Auf diese das Handeln beeinflussenden und insbesondere begrenzenden Wirkfaktoren, aber auch auf den Such- und Einbettungsprozess selbst müssen die einzelnen Haushalte reagieren. Hier lassen sich zwei grundsätzliche Anpassungsstrategien ausmachen: die Bedürfnisreduktion und Strategien mit dem Ziel, die
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Handlungsfähigkeit zu erhalten (siehe Kapitel 6.5.2). Sowohl die Wirkdimensionen wie auch die Anpassungsstrategien sind nicht disjunkt zueinander, sondern wirken in der Regel parallel und können sich gegenseitig beeinflussen. Es gibt also Konstellationen, die den Einfluss einer Wirkdimension oder die Wahrscheinlichkeit der Wahl einer Anpassungsstrategie begünstigen (siehe Kapitel 6.5.3). Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die verwendeten Begriffe Gegenstand diverser wissenschaftlicher Diskurse sind und das Ziel dieser Arbeit nicht die Entwicklung einer weiteren Definition ist. Die gewählten Begriffe scheinen ein sich in den Daten ausprägendes Phänomen in geeigneter Weise zu beschreiben. Dabei wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Es kann also durchaus sein, dass das in den Daten abgebildete Phänomen nur einen Teil dieser Begriffe ausfüllt und weitere Phänomene ebenfalls unter die verwendeten Begriffe gefasst werden könnten. Die Begriffe sind also nur Mittel zum Zweck, um bestimmte Beobachtungen sprachlich zu umschreiben und nicht selbst Gegenstand der Analyse. Die zwei Wirkungsdimensionen und ihre beiden jeweiligen Teildimensionen werden anhand von vier Beispielen kurz erläutert und gegenübergestellt: 1. Eine Person A ruft bei einem Vermieter an, stellt sich vor und erklärt ihre Einkommenssituation. A hat das Anrecht auf eine Übernahme der Kosten der Unterkunft, allerdings nur bis zu einem Betrag von X Euro. Die monatliche Miete der Wohnung beträgt mehr als X Euro und wird dementsprechend nicht komplett übernommen. Den Differenzbetrag kann A alleine nicht aufbringen. Die Wohnung kommt aus diesem Grund also nicht in Frage. Der Mietpreis wird durch den Vermieter festgelegt, A hat keine Möglichkeit, auf die Miethöhe Einfluss zu nehmen. A scheitert also rein aufgrund äußerer, außerhalb des eigenen Einflussbereichs liegender Rahmenbedingungen. A ist fremdbestimmt. → Fremdbestimmung 2. Bei der nächsten Zeitungsannonce überlegt sich A, bei einem Vermieter anzurufen. A entscheidet sich dagegen, da sie davon ausgeht, die Miete sei ohnehin zu teuer, so dass sie an den äußeren Rahmenbedingungen scheitern wird. A antizipiert also die begrenzenden Rahmenbedingungen aufgrund ihrer Erfahrungen und versucht gar nicht erst, eventuelle Handlungsspielräume wahrzunehmen. → Antizipierte Fremdbestimmung
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Empirische Ergebnisse
3. A ruft bei einem Vermieter an, stellt sich vor und erklärt ihre Einkommenssituation. Der Vermieter lehnt die Person daraufhin ab. A wird aufgrund ihrer Einkommenssituation abgelehnt. Auch wenn sie die Miete, beispielsweise mit Hilfe des Wohnungsamtes, zahlen könnte, lehnt der Vermieter sie aufgrund seiner Annahmen gegenüber Menschen in der entsprechenden Einkommenssituation ab. A wird ausgeschlossen, exkludiert. → Exklusion 4. Bei der nächsten Zeitungsannonce überlegt sich A bei einem Vermieter anzurufen. A entscheidet sich dagegen, da sie davon ausgeht, dass dieser sie aufgrund ihrer Einkommenssituation ablehnen wird. A antizipiert die Exklusion aufgrund ihrer Erfahrungen und versucht gar nicht erst eventuelle Handlungsspielräume wahrzunehmen. → Antizipierte Exklusion Das Ergebnis ist jeweils gleich: eine Einschränkung der Möglichkeiten und der freien Entscheidung der Haushalte. In den beiden Fällen 1) und 3) werden die Möglichkeiten von A durch die äußeren Umstände beschnitten, in den Fällen 2) und 4) tritt A schon vorab von sich aus zurück und verzichtet darauf, sich den äußeren Einflüssen auszusetzen, weil sie das Ergebnis aufgrund der von ihr gemachten Erfahrungen bereits vorwegnimmt. Erfahrung heißt in diesem Kontext nicht zwangsläufig, dass den Befragten bestimmte Formen von Fremdbestimmung und Exklusion bereits selbst widerfahren sind. Die Erfahrung speist sich vielmehr aus verschiedenen einzelnen Erlebnissen, Erzählungen von anderen und Berichten in der Presse oder online, die so bestimmte Annahmen und Bilder in den Köpfen der Befragten entstehen lassen. Ein Beispiel hierfür ist, dass einige Befragte schon vorab annehmen, sie hätten ohnehin keine Chance auf dem Wohnungsmarkt, weil sie darüber in der Presse gelesen haben. Genau genommen ist A sowohl im Fall 1) wie auch im Fall 3) aufgrund von äußeren Umständen in ihrem Handeln eingeschränkt und damit fremdbestimmt. Dennoch sollen die beiden Fälle unterschieden werden, denn die Hintergründe sind gänzlich verschieden. Im Fall 1) sind die äußeren Rahmenbedingungen statisch. Die Miete beträgt eine bestimmte festgelegte Höhe, nun ist es As „Entscheidung“, ob sie diese zahlen kann. Im Fall 3) reagiert die Umwelt gewissermaßen auf A und grenzt A damit bewusst aus. Im Folgenden werden nun die Wirkdimensionen jeweils einzeln und in ihrem Zusammenspiel näher erläutert. Anschließend werden bei beiden Anpassungsstrategien ausgeführt und anschließend in Beziehung zu den Wirkdimensionen gesetzt.
Themenübergreifende Zusammenhänge
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6.5.1 Fremdbestimmung und Exklusion als einflussnehmende Wirkdimensionen Die Hintergründe der Wirkdimensionen wurden bereits erläutert. Im Folgenden wird auf die beiden Wirkdimensionen Fremdbestimmung und Exklusion detaillierter eingegangen und beide anhand von Themen aus dem Material beziehungsweise den Analysen in Kapitel 6.1 bis 6.4 expliziert. Dabei werden jeweils auch die von den Befragten antizipierten Perspektiven der Wirkdimensionen aufgegriffen. Fremdbestimmung: Wer keine Wahl hat, nimmt was er kriegt Die Befragten werden in vielen Bereichen durch objektive externe Rahmenbedingungen sowie durch subjektiv angenommene Restriktionen in ihrer persönlichen Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Dieses Phänomen soll hier unter dem Schlagwort Fremdbestimmung gefasst werden. Als Rahmenbedingungen werden dabei von außen vorgegebene Bedingungen betrachtet, die weitestgehend außerhalb des Einflussbereichs der Befragten liegen, aber deren Handeln beeinflussen. Dabei kann es sich beispielsweise um rechtliche, finanzielle, organisatorische oder soziale Aspekte handeln. Auch ein auf einer Notlage, Zwang oder Alternativlosigkeit basierendes Handeln führt dazu, dass die Betroffenen eher fremd- als selbstbestimmt handeln und das Ergebnis entsprechend mindestens teilweise außerhalb des eigenen Einflussbereichs liegt. Dazu gehört es auch, wenn die Betroffenen zwar selbstbestimmt etwas tun, allerdings nur, um etwas zu erreichen oder Schlimmeres zu vermeiden. Insgesamt kann so nicht nur das Handeln selbst, sondern auch die Notwenigkeit, überhaupt zu handeln oder eine Entscheidung zu treffen aus externen Zwangsfaktoren resultieren und damit unfreiwillig geschehen. Entscheidungen werden dann häufig aufgrund von Minimalanforderungen getroffen, was mit einer Rückstellung der eigentlichen Anforderungen einhergeht und eine Anpassung der Bedürfnisse notwendig macht. Ob die Befragten in einer Situation fremdbestimmt sind, ist nicht zuletzt davon abhängig, ob sie das so wahrnehmen. Dabei geht es nicht um das Bewusstsein, fremdbestimmt zu sein, sondern vielmehr um das Gefühl, nicht frei agieren zu können. Wie bereits angedeutet, sind diese Rahmenbedingungen, im Gegensatz zu den Rahmenbedingungen der Exklusion, statisch. Das heißt, sie sind gegeben, ohne auf das Gegenüber zu reagieren. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen tatsächlichen externen begrenzenden Rahmenbedingungen und der Einschätzung der
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Empirische Ergebnisse
Befragten bezüglich ihrer individuellen Handlungsmöglichkeiten innerhalb angenommener begrenzender Rahmenbedingungen. Beide führen zu einer Einschränkung der Befragten, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Im ersten Fall sind es die externen Rahmenbedingungen selbst, im zweiten Fall ist es zunächst die Wahrnehmung der Befragten, die aber ebenfalls zur faktischen Einschränkung werden kann. Beide sind auch deshalb eng miteinander verknüpft, da die Beurteilung der eigenen Handlungsmöglichkeiten häufig auf der Erfahrung tatsächlicher Grenzen des eigenen Handelns basiert. Im Folgenden wird anhand ausgewählter Beispiele aus den Analysen in Kapitel 6.1 bis 6.4 aufgezeigt, inwiefern unterschiedliche Aspekte der Fremdbestimmung das Handeln der Befragten bestimmen, von was das abhängt und was mögliche Folgen sind. Aspekte der Fremdbestimmung lassen sich über den ganzen in Abbildung 45 beschriebenen zeitlichen Ablauf ausmachen. So ist bereits der Entschluss zu einem Umzug bei den meisten Befragten durch externe Zwänge bedingt. Alle Befragten wären gerne entweder an ihrem alten Wohnstandort verblieben oder aber früher umgezogen, anstatt eine Wartezeit von zum Teil mehreren Jahren in Kauf zu nehmen. Mindestens acht Befragte stehen bei der Wohnungssuche unter hohem Zeitdruck. Das heißt, einerseits müssen sie beispielsweise aufgrund einer bevorstehenden Räumungsklage schnell etwas finden, andererseits sind sie auf einen Zuschlag für eine bezahlbare Wohnung angewiesen, bevor sie ausziehen. Hohe Mieten, wenig Angebote und große Konkurrenz bei den Wohnungsbesichtigungen lassen kaum Spiel bei der Wohnungssuche, die kursierenden Geschichten von Bekannten oder in den Medien verstärken die Sorge, keine bezahlbare Wohnung zu finden. So setzt nicht nur der Wohnungsmarkt selbst, sondern vor allem auch dessen Wahrnehmung die Befragten unter Druck. Das führt dazu, dass einige Befragte alles tun, um ihre Chancen auf eine Wohnung zu erhöhen. Ein Beispiel ist das Erteilen von teilweise sehr intimen Selbstauskünften, wenn sie von Seiten der Vermietenden gefordert werden. Die neue Wohnung beziehungsweise der neue Wohnstandort wird von den wenigsten Befragten aktiv ausgewählt, sondern ist Resultat einer weitgehenden Alternativlosigkeit oder der Warteliste des Wohnungsamtes. Da fast alle gerne in ihrer ursprünglichen Wohnumgebung geblieben wären, erfolgt auch das Verlassen des gewohnten Umfeldes nicht freiwillig. Der eigene Zuschlag zur Wohnung basiert bei den meisten auf Minimalanforderungen und Kompromissen, so nehmen viele Befragten Wohnungen in Kauf, die kleiner sind als ursprünglich beabsichtigt, so dass beispielsweise die alleinerziehenden Befragten in der Regel im
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Wohnzimmer schlafen. Zwei Befragte nehmen einen Mitbewohner auf, um die Wohnung zu finanzieren, drei Befragte finanzieren aus dem ohnehin schon knappen Budget einen Garagenstellplatz mit. Dass eine neue Wohnung in der Regel dennoch als Glücksfall bezeichnet wird, unterstreicht noch einmal die empfundene Schicksalshaftigkeit. Denn Glück ist ursprünglich etwas, das außerhalb des eigenen Einflussbereichs liegt. Inwiefern die neue Wohnung günstig liegt oder den individuellen Anforderungen entspricht, ist mehr oder weniger Zufall. Entsprechend sind die Befragten auch nach dem Umzug zahlreichen Zwängen unterworfen, wenn sie sich an die neuen, zufälligen Rahmenbedingungen anpassen und ihren Alltag darauf abstimmen. Dieser notwendige Einbettungsprozess am neuen Wohnstandort kostet umso mehr Zeit und Energie, je weniger Bezug die Befragten zu ihrer neuen Wohnumgebung haben. Dazu kommt, dass durch die fehlenden Wahlmöglichkeiten bei der Standortwahl nach dem Umzug teilweise weitere Wege zurückgelegt werden müssen als vorher. Nicht unmittelbar mit dem Umzug zusammenhängend, aber doch den äußeren Rahmenbedingungen geschuldet, ist die Notwendigkeit von Preisvergleichen und der damit einhergehende Mehraufwand beispielsweise beim Einkaufen. Auch in anderen Bereichen ist das eingeschränkte finanzielle Budget für das Handeln der Befragten von wesentlicher Bedeutung: das Nutzen des Rades um Kosten zu sparen, keine Möglichkeit, den Führerschein nachzuholen oder ein Auto anzuschaffen. Ausflüge und Freizeitaktivitäten sind zum Teil aufgrund der entstehenden Kosten, zum Teil aufgrund der mangelnden öffentlichen Erreichbarkeit nicht ohne Weiteres möglich. In diesem Bereich können auch antizipierte Grenzen des Möglichkeitsraums zum Tragen kommen, beispielsweise weil Informationen über Angebote und Unterstützungsmöglichkeiten fehlen oder der Aufwand und die Kosten überschätzt werden. In den Gesprächen werden immer wieder die großen Verknüpfungen aufgezeigt: die Wechselwirklungen von Einkommen, Miete und Kosten für den übrigen Lebensunterhalt, die Sorge, dass man mit einem Einkommen in München ohnehin kaum eine Chance hat, mit einer Teilzeitbeschäftigung noch weniger, einem als alleinerziehender Elternteil aber gleichzeitig die Zeit fehlt, um eine angemessene Versorgung der Kinder sicherzustellen. Bei denjenigen, die Leistungen nach SBG II oder XII beziehen, besteht insgesamt eine große Abhängigkeit von der öffentlichen Hand. Dabei geht es nicht nur um die finanziellen Regelleistungen und die Unterstützung bei der Wohnungssuche, sondern auch um das tägliche Leben, beispielsweise wenn es darum geht, ob eine Erstausstattung finanziert wird, ob eine Beschäftigungsmaßnahme angetreten werden kann oder ob eine solche verlängert wird.
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Letztendlich ist das Leben der meisten Menschen geprägt durch ökonomische Rahmenbedingungen und unterschiedlichste Abhängigkeitsverhältnisse, wie beispielsweise von der Arbeitgeberseite und von Vermietenden. Es geht daher um die Frage, inwieweit selbstbestimmtes Handeln innerhalb dieser Grenzen möglich ist beziehungsweise inwieweit die fremdbestimmenden Elemente den Alltag und alltagsprägende Entscheidungen der Menschen dominieren. Die angeführten Beispiele zeigen, dass einkommensschwache Haushalte in sehr vielen Fragen fremdbestimmt sind und ihr Möglichkeitsraum durch die geringen finanziellen Mittel zusätzlich eingeschränkt wird. Exklusion: Wer sich unerwünscht fühlt, stellt keine Forderungen Es lässt sich feststellen, dass viele Einschränkungen durch den sozialen Status, beziehungsweise durch den subjektiv wahrgenommenen von außen zugeschriebenen Status, entstehen. Dieses Phänomen soll im Rahmen dieser Arbeit unter dem Schlagwort Exklusion gefasst werden. Der soziale Status ist eng verknüpft mit der Höhe des verfügbaren Einkommens oder der Art, wie dieses bezogen wird. Die Tatsache, nur wenig Geld zur Verfügung zu haben, geht häufig mit Vorurteilen oder Stigmatisierung einher. Diese beruhen auf der Auffassung, dass das Einkommen eng verknüpft mit persönlicher Leistung und (monetär nachweisbarem) Erfolg ist, Begriffe die in unserer Gesellschaft gemeinhin als erstrebenswert angesehen werden. Noch stärker ausgeprägt ist die negative Wahrnehmung, wenn das Einkommen als Zuwendung von der öffentlichen Hand bezogen wird. Dabei wird in der Regel kaum zwischen unterschiedlichen Leistungen oder Hintergründen differenziert und oft alles unter dem Schlagwort „Hartz IV“ subsumiert. Häufig besteht einer der Vorwürfe darin, dass sich die Betroffenen nicht selbst versorgen können oder wollen und damit auf die Unterstützung der Allgemeinheit angewiesen sind. Aus dieser Auffassung heraus begründet sich demnach vermeintlich ein geringerer Anspruch in den verschiedensten Bereichen des Lebens. Auch in diesem Zusammenhang sind die Befragten im Grunde genommen fremdbestimmt, allerdings, wie oben bereits angedeutet, aus einer anderen Motivlage heraus, als bei der Fremdbestimmung. Während die Rahmenbedingungen bei der Fremdbestimmung statisch sind, reagiert bei der Exklusion die Umwelt auf die Befragten und grenzt sie bewusst aus oder nimmt ihre Ausgrenzung bewusst in Kauf. Die Exklusion hängt also von der Wahrnehmung Dritter und der damit verbundenen Zuschreibung eines gesellschaftlichen Rollenbildes ab.
Themenübergreifende Zusammenhänge
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Wichtig ist auch in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen einer tatsächlichen Exklusion von außen und einer antizipierten Exklusion, die einer potentiellen tatsächlichen Exklusion, zum Beispiel aufgrund von vorherigen Erfahrungen, vorweggenommen wird. Auch hier ist es demnach so, dass beides zu einer Einschränkung der Befragten führt, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Im ersten Fall ist es die tatsächliche Exklusion von außen, im zweiten Fall ist es die Wahrnehmung der Befragten. Beide sind insofern eng miteinander verknüpft, als dass die Exklusion vor allem aufgrund von tatsächlichen Exklusionserfahrungen antizipiert wird. Selbst eine subjektiv gefühlte Einschränkung kann das tatsächliche Handeln aber soweit begrenzen, dass sie zur faktischen Einschränkung wird. Häufig drückt sich insbesondere diese gefühlte Exklusion auch durch ein negatives Verhältnis zur sozialen Umwelt (oder Teilen davon) aus, typisch sind Gefühle einer mangelnden Unterstützung, des „Auf-sich-alleine-gestellt seins“ oder der Chancenlosigkeit. Eine mögliche Folge ist, dass die eigenen Ansprüche und Bedürfnisse hinterfragt und entsprechend der angemessen oder realistisch scheinenden Möglichkeiten zurückgestellt oder verringert werden. Dementsprechend werden sie dann auch nicht oder in sehr reduzierter Form artikuliert, was die Analyse erschwert. In diesem Zusammenhang kann auch die soziale Erwünschtheit der Antworten in den Gesprächen eine Rolle spielen, denn es ist anzunehmen, dass, wer den ihm vermeintlich zugeschriebenen geringen sozialen Status verinnerlicht, seine Präferenzen nicht frei äußert. In den Gesprächen wurde versucht, diesem Umstand Rechnung zu tragen, indem die Gesprächsatmosphäre möglichst ungezwungen und angenehm gestaltet wurde, den Gesprächspartnerinnen und -partnern auf Augenhöhe begegnet und Verständnis für deren Situation und Handeln gezeigt wurde. In einigen wenigen Fällen führen Exklusion und antizipierte Exklusion auch dazu, dass ein erhöhter, auch emotionaler Aufwand in Kauf genommen wird, um sich gegen diese Zuschreibungen zu wehren („Jetzt erst Recht“). Im Folgenden wird anhand ausgewählter Beispiele aus den Analysen in Kapitel 6.1 bis 6.4 aufgezeigt, inwiefern Aspekte der Exklusion das Handeln der Befragten bestimmen, in welchem Zusammenhang tatsächliche und gefühlte Exklusion stehen und wie sich beide auf den Alltag der Befragten auswirken. Während es sich bei den Beispielen im Bereich der Fremdbestimmung häufig um Schilderungen der Gegebenheiten handelt, spiegelt sich die (antizipierte) Exklusion eher in einzelnen verwendeten Formulierungen der Erzählung wider, die Rückschlüsse auf die Gefühlslage der Befragten zulassen.
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Empirische Ergebnisse
Der starke Gegensatz zwischen Arm und Reich in München wird den Befragten immer wieder aufs Neue vor Augen geführt, insbesondere auf dem Immobilienmarkt. Herr B. beschreibt, dass die Stadt nicht für alle da sei, sondern man sie sich erkaufen müsse: »» … dieses München, was wir hier sehen oder erleben, das ist nicht für alle und für jeden, der hier wohnen möchte, sondern man muss sich hier ganz klar einkaufen und mit seinem Geld behaupten und das gelingt den Leuten die halt super viel verdienen sehr gut und alle anderen habens extrem schwer glaube ich…« Hr. B. 103 Dieses Bild prägt das Leben der Befragten, so sehen sich viele chancenlos, ohne Hilfe eine Wohnung zu finden. Viele haben den Eindruck, dass ohnehin die Interessenten mit dem höchsten Einkommen den Zuschlag bekommen (Hr. B. 23), so dass die Befragten bei Bewerbungen um eine Wohnung von vornherein davon ausgehen, keine Chance zu haben („natürlich erstmal zwei Absagen“ Hr. P. 2), klappt es wider Erwarten doch, ist es Glück (Hr. J. 91, Fr. A. 4, Hr. P. 24). Als Beziehende von Arbeitslosengeld fühlen sie sich „unterprivilegiert“ (Fr. A. 69) und als „Mensch zweiter Klasse“ (Fr. G. 57). Herr T. empfindet sich als Mietsuchender in der Rolle des Kriechenden, des Bittstellers, der seine Ansprüche nach unten schrauben muss (Hr. T. 25). Tatsächlich beruht diese Wahrnehmung teilweise auf den Erfahrungen auf dem Wohnungsmarkt, weil sie beispielsweise von Vermietenden abgewiesen oder nicht zurückgerufen werden. Frau A. meint, nichts mehr zu verlieren zu haben, nachdem sie bei zahlreichen Vermietenden „die Hosen runterlassen“ und einen „Seelen-Striptease“ vollziehen musste (Fr. A. 185). Auch vom Wohnungsamt fühlen sich die Befragten nicht unterstützt (siehe Kapitel 6.1.2), da sie, obwohl sie dringend auf Hilfe angewiesen sind, keine Angebote bekommen, keine klaren Ansprechpartnerinnen oder -partner haben und nicht das Gefühl haben, dass auf ihre persönliche Situation Rücksicht genommen wird. Es bleiben Enttäuschung, Ungewissheit, das Gefühl, alles alleine machen zu müssen und teilweise Angst. Die Befragten wissen nicht, was ihnen zusteht und welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt, sie sind überfordert mit der Bürokratie und haben das Gefühl, dieser Maschinerie ausgeliefert zu sein. Bereits vor dem eigentlichen Suchprozess ist die Wohnsituation mancher Befragter, wie in Kapitel 6.1.1 geschildert, weit unterhalb gängiger Standards, so dass die Ansprüche, die an die neue Wohnung formuliert werden, gering sind. Das zeigt auch das Ziel der Suche „irgendwas“ zu finden, alle anderen Anforderungen rücken in Anbetracht der Dringlichkeit in den Hintergrund (siehe Kapitel 6.1.1).
Themenübergreifende Zusammenhänge
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Frau H. beschreibt ihren bevorzugten Wohnstandort und fügt direkt an, dass diese Erwartungen in ihrer Situation wohl „abgehoben“ klingen. Das Gefühl an den Stadtrand gedrängt zu werden, das einige Befragte äußern, geht einher mit einem Gefühl des Unerwünschtseins in der Stadt. Die Formulierung im Passiv unterstreicht den geringen eigenen Einfluss und die Unfreiwilligkeit der Entscheidung. In vielen Schilderungen spielt die Abgrenzung von anderen Geringverdienenden eine Rolle, die eigene, individuelle Geschichte wird gewissermaßen als Rechtfertigung für die derzeitige Situation herangezogen. Entsprechend besteht der Wunsch, sich auch räumlich abzugrenzen. Dazu kommt noch, dass geförderter Wohnungsbau in der Regel mit schlechter oder veralteter Ausstattung oder Problemen in der Nachbarschaft in Verbindung gebracht wird. Die Bilder, unter denen die Befragten selbst leiden, projizieren sie in diesem Sinne auch auf andere – in diesem Fall nicht nur auf einzelne Personen, sondern auf die Bewohnerschaft ganzer Wohnanlagen. Gleichzeitig wird der Vorwurf erhoben, die Stadt tue nicht genug für den geförderten Wohnungsbau und es werden zu viele Luxuswohnungen gebaut, was in diesem Zusammenhang als weitere empfundene Nichtberücksichtigung von Seiten der Stadt interpretiert werden kann. Die Befragten sind teilweise durch Schicksalsschläge unterschiedlichster Art, die Arbeitssuche aber auch die lange Wohnungssuche ermüdet und demotiviert. Auf die Frage, was die Befragten ändern würden, wenn Geld keine Rolle spielen würde, schildern zwei Befragte fast identisch, sie würden sich ein großes Grundstück kaufen und ein Haus in der Mitte bauen, möglichst weit weg von allen Nachbarn, damit sie ihre Ruhe haben. Dieses Bild, bei einer der Abbildung 46 Zeichnung von Frau K. von ihrem Befragten sogar im wörtlichen Wunschhaus in der Mitte eines großen Grundstücks Sinne (Abbildung 46), und das darin ausgedrückte Bedürfnis nach Ruhe oder vielmehr danach, in Ruhe gelassen zu werden, spiegelt das persönliche Verhältnis zur sozialen Umwelt wider und lässt auf eine tiefe Frustration oder Unzufriedenheit
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Empirische Ergebnisse
schließen (siehe Kapitel 6.2.3). Dieses Ruhebedürfnis lässt sich auch auf die Nutzung des öffentlichen Verkehrs übertragen, wo sich die Kritik ebenfalls auf die anderen Fahrgäste konzentriert. Möglicherweise wird über diesen Weg erfahrene Exklusion in einem sozialen Rückzug beziehungsweise dem Wunsch nach einem sozialen Rückzug und Ruhe antizipiert, um weiteren negativen Erfahrungen vorzubeugen. Allerdings erfolgt damit in gewisser Weise eine Selbst-Exklusion. Und nicht umsonst spricht Herr T. rückblickend davon, dass er sich durch den Umzug ins Umland selbst „vereinsamt“ hätte (Hr. T. 84). Viele Befragte fühlen sich durch ihre Situation auch in vielen anderen Bereichen beeinträchtigt, das betrifft sowohl Freizeit wie auch Berufsleben. Herr T. ist im sozialen Bereich tätig, er vergleicht sich mit einem Arzt, der, wenn er verwundet ist, auch seinen Patienten nicht mehr so gut helfen kann.Herr J. fasst sein Verständnis von Arbeit folgendermaßen zusammen und verdeutlicht damit den Zusammenhang von Arbeit, Exklusion und Selbstwertgefühl: »» Es ist Respekt, es ist soziale Interaktion, […] das Allerwichtigste, man hat ne geregelte Struktur im Tag, man weiß wann der Wecker geht, man weiß, dass man ein sauberes Outfit haben muss, pipapo und dass, man, dass der Tag ne Struktur hat und danach ist die Freizeit umso mehr zu genießen, aber wenn man nur ‚Freizeit‘ hat, […] dann ist man eben der faule Hartz IVler, der auf der Haut liegt, wie es ja gewisse Medien und so populistische Leute hier sagen, Hartz IV ist wirklich ein Überlebenskampf jeden Tag, psychologisch, körperlich, geistig, das ist ganz klar, können Sie sich gar nicht vorstellen…« Hr. J. 315 Die aufgezeigten Beispiele zeigen, wie vielfältig sich tatsächliche oder gefühlte Exklusion ausprägen kann und wie viele Bereiche des alltäglichen Lebens von diesen Erfahrungen beeinflusst werden. Dabei macht es für die Befragten zunächst keinen Unterschied, ob sie tatsächlich von Exklusion betroffen sind oder ob sie die Exklusionserfahrung antizipieren. Beide Formen beeinflussen die Möglichkeiten der Befragten, deren Verhältnis zur sozialen Umwelt und das Maß, in welchem die Befragten für ihre Belange eintreten.
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Einkaufen fahren, um einen günstigeren Laden zu erreichen oder einen Brief persönlich einwerfen, um Portokosten zu sparen. Letztendlich beginnt der erhöhte Aufwand für viele Befragte aber bereits bei der Wohnungssuche, insbesondere die in Kapitel 6.1.2 vorgestellte Gruppe der Umtriebigen bemüht sich aktiv bei der Wohnungssuche möglichst viele und dabei auch kreative Wege zu gehen, um an eine Wohnung zu kommen. Der Druck, auch mit wenig Geld eine Wohnung zu finden und damit der Wegfall großer Teile des freien Wohnungsmarktes, erfordern dieses Engagement. Das Ergebnis der Wohnungssuche ist zwar bei allen Befragten eine neue Wohnung, meist werden diesbezüglich aber weitreichende Kompromisse, insbesondere auch hinsichtlich der Wohnlage eingegangen. In der Regel wissen die Haushalte selbst am besten, welche Einrichtungen und Infrastruktur vor Ort sie später brauchen. Durch die oben beschriebenen Wirkfaktoren sind die Befragten in ihrer Wohnstandortwahl jedoch soweit eingeschränkt, dass ihnen eine vorrausschauende Alltagsplanung über den Umzug hinaus kaum möglich ist und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie Kompromisse eingehen müssen. Das von den meisten Befragten unfreiwillige Verlassen der ursprünglichen Wohnumgebung bringt insofern Mehraufwände mit sich, als dass sich die Haushalte am neuen Wohnstandort komplett neu einbetten müssen, was an einem gezielt ausgewählten oder vertrauten Wohnstandort leichter fällt. Die Haushalte müssen sich demnach an die neue Situation am neuen Wohnstandort anpassen, indem sie sich anders organisieren, Mehraufwände in Kauf nehmen, kreative oder zum Teil auch illegale Lösungen finden, um handlungsfähig und mobil zu bleiben. Auch wenn eine Anpassung der Aktivitätenstandorte teilweise gelingt, so bleiben häufig auch Rückbezüge zum alten Wohnstandort bestehen. Weiter gibt es auch unveränderbare Ziele, deren Erreichbarkeit durch den Umzug nicht gezielt optimiert werden kann. Folge kann ein deutlich längerer oder unkomfortablerer Weg, beispielsweise mit mehr Umstiegen im öffentlichen Verkehr, sein. Das wirkt sich nicht nur auf die Nutzung des öffentlichen Verkehrs aus, sondern gegebenenfalls auch auf andere Modi, beispielsweise wenn die Entfernungen nach dem Umzug zu weit zum Fahrradfahren sind. Eine häufige Reaktion eines ins Umland oder in schlecht erschlossene Lagen gezogenen Haushalts wäre die Anschaffung eines Pkws (siehe z. B. Kasper und Scheiner 2006, S. 167), um bestimmte Wege im Alltag leichter zu bewältigen. Für einkommensschwache Haushalte ist das in der Regel keine Option. Und auch CarSharing ist in diesem Fall kaum eine Alternative, denn selbst wenn sie es finanzieren könnten, reicht das Geschäftsgebiet häufig nicht bis an den Stadtrand oder bis in die umliegenden Gemeinden. Der einzige Weg wäre es, mit dem öffentlichen Verkehr in das Geschäftsgebiet oder zur Station des Car-Sharing-Anbieters zu fahren, was
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Empirische Ergebnisse
wiederum den Vorteil des Autos, wenn es beispielsweise schnell gehen muss oder Einkäufe transportiert werden müssen, konterkariert. Einige Befragte können sich hin und wieder ein Auto leihen oder bei Bekannten mitfahren, dabei sind sie aber auf diese angewiesen und müssen sich nach diesen richten. Insgesamt gewinnt die Bedeutung eines sozialen Netzes bei der organisatorischen Alltagsgestaltung mit geringem Budget an Bedeutung. Auch andere Angebote, die Haushalten Erleichterung bringen könnten, wie beispielsweise Lieferdienste, gehen häufig mit Mehrkosten einher, so dass ein permanentes Abwägen zwischen Kosten und Aufwand notwendig ist. In den Gesprächen entstand der Eindruck, dass die Befragten ihr Leben und ihre Aktivitäten insgesamt sehr genau planen und durchdacht organisieren. Insbesondere wenn es um potenziell entstehende Kosten geht, scheint ein hohes Bewusstsein zu bestehen. Im Hinblick auf die in Kapitel 7 zu entwickelnden Handlungsstrategien geht es vor allem darum, Erleichterungen für die Zielgruppe zu schaffen, so dass sich der Mehraufwand für die aktive Anpassungsstrategie reduziert. Passive Bedürfnisreduktion: Wer wenig hat, reduziert seine Bedürfnisse Wer den Mehraufwand wie er im vorhergehenden Absatz beschrieben ist nicht in Kauf nehmen kann oder will, muss sich trotzdem mit den Wirkdimensionen arrangieren. Als Alternative bleibt meist nur, die eigenen Bedürfnisse zu reduzieren. Das heißt, die Befragten passen sich den Rahmenbedingungen an, indem sie ihre Bedürfnisse an ein realistisch oder machbar scheinendes Maß anpassen. In diesem Sinne kann auch hier von einer Form der Antizipation gesprochen werden. Befragte, die ihre Bedürfnisse entsprechend reduzieren, geben sich in der Folge mit weniger zufrieden und steigern so die Chancen, ihre (reduzierten) Bedürfnisse zu erfüllen. Es wird davon ausgegangen, dass dieser Prozess in der Regel unbewusst stattfindet. Die Bedürfnisreduktion kann auch im Sinne einer Vermeidungsoder Schutzstrategie gegenüber unerreichbaren oder vermeintlich überzogenen Erwartungen betrachtet werden. Im Gegensatz zu den Strategien, die das Ziel haben, die Handlungsfähigkeit zu erhalten, ist die Folge der Bedürfnisreduktion eine sukzessive Verkleinerung des Möglichkeitsraums. Es handelt sich dabei also eher um einen passiven Rückzug als um eine aktive Strategie. Bei der Frage nach den Hintergründen dieser Strategie, kann als eine Möglichkeit die Dissonanztheorie nach Festinger (1978) herangezogen werden, welche in der Mobilitätsforschung vor allem im Zusammenhang mit unterschätzten Kosten für den Autorverkehr erwähnt wird (Canzler 2010, S. 40; Belz 2001, S. 181). Sie besagt, dass Personen bestrebt sind, unangenehme Zustände zu vermeiden, welche
Themenübergreifende Zusammenhänge
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beispielsweise entstehen, wenn Wille und tatsächliches Handeln unvereinbar sind. Die Theorie geht davon aus, dass der Mensch nach Widerspruchsfreiheit strebt und in der Folge Einstellungen dem (möglichen) Verhalten anpasst. Das führt dazu, dass Menschen dazu neigen, an getroffenen Entscheidungen zunächst festzuhalten und diese zu rechtfertigen, konkret heißt das, widersprüchliche Erkenntnisse werden abgewertet, konsonante Erkenntnisse eher aufgewertet. Das kann ein Erklärungsansatz für die in den Ausführungen in Kapitel 6.1 bis 6.4 häufig geschilderte grundsätzliche Zufriedenheit der Befragten mit ihrer aktuellen Situation sein. Erst bei genauerem Nachfragen oder detaillierten Schilderungen äußeren die Befragten auch Kritik. Herr I. ist mit der öffentlichen Erschließung durch den Bus grundsätzlich zufrieden. Erst bei weiterem Nachfragen erwähnt er, dass es ihn stört, dass er auf dem Heimweg häufig lange auf den Bus warten muss, weil dieser nur im 20-Minuten-Takt verkehrt. An seiner Wohnung schätzt er vor allem, dass er sie für sich alleine hat, damit dass sie vor seinem Einzug nicht gestrichen wurde, er lange keine Küche hatte und sie deutlich weniger zentral liegt als er es sich gewünscht hätte, hat er sich abgefunden. Das Beispiel zeigt, wie die Befragten ihre Situation selbst möglichst positiv deuten und dabei negative Aspekte in den Hintergrund rücken. Die Bewertung dieses Verhaltens, auch in Hinblick auf die zu entwickelnden Handlungsstrategien, ist letztendlich eine politische Fragestellung, bei der auch die Hintergründe dieses Verhaltens berücksichtigt werden müssen. Es spielt dabei nämlich durchaus eine Rolle, ob die Befragten ihr Verhalten im Sinne einer gesellschaftlich gemeinhin positiv bewerteten Genügsamkeit oder aber im Sinne einer dem vermeintlich sozialen Status angemessenen reduzierten Anspruchshaltung begründen. Es darf an dieser Stelle nicht außer Acht gelassen werden, dass sicher auch der bisherige Lebensstandard und die Gewohnheit dazu beitragen, dass sich die Befragten mit einem objektiv vergleichsweise niedrigen Standard zufriedengeben. Als zusätzliche Beispiele können in diesem Zusammenhang weitere Themen aus den Analysen in Kapitel 6.1 bis 6.4 angeführt werden. So zeigt sich letztendlich auch die Bedürfnisreduktion am eindrücklichsten bei der Wohnungssuche. Den meisten Haushalten geht es wie beschrieben in erster Linie darum, „irgendwas“ zu finden, so dass die Befragten eine große Offenheit hinsichtlich der in Frage kommenden Stadtteile und Wohnlagen zeigen und ihre Anforderungen auf ein absolutes Mindestmaß reduzieren. Dementsprechend werden sowohl hinsichtlich Wohnungsausstattung und -größe, als auch hinsichtlich der Wohnlage weitreichende Kompromisse hingenommen. Das heißt, sie nehmen beispielweise deutlich geringere Wohnflächen in Kauf, als sie ursprünglich gesucht haben oder als ihnen
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Empirische Ergebnisse
gesetzlich zustehen würden. Viele verzichten auf Ausstattungsmerkmale wie einen Balkon. Der Wunsch nach Eigentumsbildung oder einem Haus im Grünen wird von den Befragten selbst als unrealistische Träumerei bezeichnet. Dennoch gelingt es den meisten Befragten, die positiven Aspekte der neuen Wohnsituation in den Vordergrund zu stellen. Das ist insbesondere auch bei den Haushalten der Fall, die nach erfolgloser Wohnungsuche in der Stadt ins Umland gezogen sind. Im Einbettungsprozess kommt die Bedürfnisreduktion insofern zum Tragen, als dass sich die Befragten mit den vorher eingegangen Kompromissen arrangieren und ihr Handeln danach ausrichten. Das heißt, sie nehmen beispielsweise längere Wege, mehr Umstiege oder einen höheren Aufwand, um ihre Ziele zu erreichen in Kauf. Im Bereich Versorgung werden Angebote verglichen, wobei dabei weniger auf qualitative Merkmale, sondern auf finanzielle Aspekte geachtet wird. Auch im Bereich Freizeit spielen vor allem möglichst günstige Angebote vor Ort eine Rolle, „Extras“ wie Ausflüge in die Region oder Urlaubsreisen sind bei vielen der befragten Haushalte keine Option. Herr J. schildert seine Erfahrungen im Leistungsbezug nach SGB II sehr drastisch und gleichzeitig sehr reflektiert: »» … der Übergang von ner Erwerbstätigkeit in nen Hartz IV Status führt immer zu drei, nicht immer, aber wenn man statistisch überdurchschnittlich, man soll ja nicht pauschalisieren, das ist Bedürfnisreduktion, also man kauft zum Beispiel Lebensmittel, die 30% reduziert sind wegen dem MHD, sozialer Rückzug und Beginn der Verwahrlosung, die ersten Beiden treffen bei mir zu (lacht), das Dritte hoffe ich nicht. Aber das ist ein Phänomen und das bemerkt man auch am Umfeld von den Leuten, dass… das ne psychologische Folge von den Hartz IV Gesetzen ist, dass diese Leute ihre Bedürfnisse radikal reduzieren um mit diesen 404 Euro im Monat rumzukommen, da kannst du nicht bio einkaufen, auch wenn jeder dir in der Süddeutschen erzählt, wie toll das ist, am Viktualienmarkt n Bio-Fenchel oder n Gemüse einzukaufen, sich ökologisch korrekt zu ernähren und all diese schönen Sachen, die diese Hipster dir dann alles erzählen, wie toll das ist, aber das sind alles Doppelverdienerhaushalte, wissen Sie auch, die diese Probleme nicht haben und der soziale Rückzug ergibt sich einfach von selbst, wenn Sie bei Hartz IV und dann haste noch ne Sanktion drauf, weil ich mal schwarz gearbeitet hab, wenn Sie an einem Tag einen Sockelbetrag von 8,50 EUR zum Leben haben, dann hauen Sie sich hier nicht mehr nachts die Nächte um die Ohren, wenn n Bier 4,20 in ner Schwabinger Kneipe kostet, dann holt man sich das 30 Cent Dosenbier vom Aldi, guckt, dass man nen Vorrat an Zigaretten hat und das der Fernseher läuft, ich sags mal so wie es ist und das ist dann der soziale Rückzug und das ist das, was wahrscheinlich viel zu sehr unterschätzt wird und ähm was das hier mit Leuten angerichtet hat…« Hr. J. 313
Themenübergreifende Zusammenhänge
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von der abhängt, ob jemand eher zur aktiven oder zur passiven Strategie neigt. Dennoch kann angenommen werden, dass die Wahl gleichzeitig auch erfahrungs-, themen- und situationsabhängig ist. Es wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch bereit ist, einen gewissen Aufwand zu tragen. Der Aufwand besteht in der Regel vor allem aus Zeit, Kosten und Organisationsaufwand, welche teilweise auch untereinander substituierbar sind. Der Aufwand, den ein Einzelner bewältigen kann oder bereit ist zu tragen, könnte als „individuell verfügbares Aufwandspotential“ bezeichnet werden. Dieses ist nicht bei jedem Menschen gleich, sondern hängt vom individuellen Typus, den Erfahrungen, der wirtschaftlichen Lage, den sonstigen Belastungen und weiteren Faktoren ab. Der erforderliche Aufwand ist entsprechend bei der Anpassungsstrategie, die darauf abzielt, die Handlungsfähigkeit zu erhalten, höher, als bei der passiven Bedürfnisreduktion. Das angesprochene Aufwandspotential kann theoretisch auf unterschiedliche Bereiche verteilt werden. Wie es aufgeteilt wird, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, deren Analyse den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. So kann beispielsweise ein gezielter Fokus auf bestimmte Themenbereiche gelegt werden, für die ein höherer Aufwand in Kauf genommen wird. Die Interviews zeigen, dass das häufig der Fall ist, wenn Kinder im Spiel sind oder es um den Arbeitsplatz geht. Gleichwohl ist der Aufwand, den die Befragten für die persönliche Freizeit zu tragen bereit sind, tendenziell geringer. Wobei die jüngeren aktiven Befragten in diesem Bereich ebenfalls eher zur aktiven Anpassungsstrategie neigen. Es geht also um eine persönliche, im Zeitverlauf veränderbare Prioritätensetzung, von der abhängt, in welchen Bereichen welche Anpassungsstrategie gewählt wird. Frau A. beschreibt ihre Prioritätensetzung folgendermaßen: »» … es ist mit extremst viel Mühe und mit Energie und mit Geduld verbunden, man muss unglaublich kämpfen, jetzt bin ich von Haus aus jemand, der ich sag mal ein relativ durchsetzungsstarkes Wesen hat und wenn ich was will, dann setz ich das auch durch, egal wie, irgendein Weg wird sich immer finden und ich gibt halt solang nicht nach, also wenns um meine Existenz geht und noch dazu bei meinen Kindern, dann bin ich unnachgiebig und dann mache ich das solange bis ich das wirklich geschafft hab…« Fr. A. 39 Für ihre Existenz und ihre Kinder ist Frau A. also bereit einen hohen Aufwand in Kauf zu nehmen. Sie selbst führt das unter anderem auf ihr durchsetzungsstarkes Wesen zurück. Es ist denkbar, dass die Ansätze der Lebensphasen- oder Lebensstilforschung mehr Aufschluss zur Wahl der Anpassungsstrategie geben könnten.
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Empirische Ergebnisse
Wie beschrieben, ist die Wahl der Anpassungsstrategie zumindest teilweise erfahrungsabhängig. Es ist davon auszugehen, dass sehr starke Einschränkungen durch Fremdbestimmung und Exklusion an den Befragten nicht spurlos vorübergehen. So können beide langfristig, wie im Bereich der Exklusion bereits beschrieben, zu einem defizitär scheinenden Selbstbild führen. Diese Wahrnehmung des eigenen Selbst führt zwangsläufig dazu, dass eventuell vorhandene Handlungsspielräume nicht eingefordert und dementsprechend auch nicht verhandelt werden, weder mit sich selbst, noch mit Dritten. Das verstärkt eine Antizipation beider Wirkdimensionen und kann dazu beitragen, dass eher eine passive Anpassungsstrategie gewählt wird. Grundsätzlich wirken antizipierte Fremdbestimmung und Exklusion wie deren tatsächliche Formen, allerdings handelt es sich dabei um Vermeidungsreaktionen, um ein (erneutes) Scheitern zu verhindern oder sich unangenehmen Einflüssen nicht (erneut) auszusetzen. Im Bereich der antizipierten Exklusion kommt noch der Aspekt, eine Zurückweisung oder eine Verletzung zu vermeiden, hinzu. Je nachdem, wie vorherige Erfahrungen verarbeitet werden, steigt zumindest in der betreffenden Frage die Wahrscheinlichkeit einer passiven Bedürfnisreduktion. Denn auch die passive Bedürfnisreduktion ist eine Vermeidungsreaktion, die einem Scheitern oder einer Enttäuschung vorbeugt. Inwiefern sich diese Erfahrungen auch grundsätzlich auf andere Lebensbereiche auswirkten, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden, aber die Daten zeigen zumindest, dass viele der Befragten trotz weitreichender Fremdbestimmungs- und Exklusionserfahrungen dennoch die Energie aufbringen, insbesondere im Rahmen der Einbettung auch aktive Anpassungsstrategien zu wählen. 6.6
Zusammenführung und Reflexion der Ergebnisse in Bezug auf die Forschungsfrage und gesellschaftliche Teilhabe als übergeordnetes Ziel
Abschließend werden die Ergebnisse der Kapitel 6.1 bis 6.5 zusammengefasst und in Bezug zu den eingangs in Kapitel 2.5 getroffenen Annahmen und zur Forschungsfrage gestellt. Weiter werden die Ergebnisse hinsichtlich ihrer Bedeutung für gesellschaftliche Teilhabe als übergeordnetes Ziel diskutiert. Um die für die Forschungsfragen relevanten Informationen einordnen zu können, muss auch der jeweilige Gesamtkontext berücksichtigt werden, so dass in den Kapiteln 6.1 bis 6.4 ausführlich auf die Situation der Befragten eingegangen wird. Die genannten Kapitel gliedern sich thematisch und orientieren sich gleichzeitig an der zeitlichen und räumlichen Abfolge des Umzugsprozesses, beginnend mit den Hintergründen des Umzugs. Dabei wird deutlich, dass bei fast
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allen Befragten Push-Faktoren ausschlaggebend für den Umzug waren. Die Wohnungssuche ist geprägt von einer hohen Dringlichkeit auf der einen Seite und von der schwierigen Situation auf dem Wohnungsmarkt anderseits. Das führt dazu, dass der Handlungsspielraum der Befragten auf dem Wohnungsmarkt sehr gering ist und sich die Haushalte dementsprechend hilflos fühlen. Kontakte, informelle Wege, viel Geduld und Beharrlichkeit können zwar die Chancen auf eine Wohnung verbessern, dennoch haben die Befragten auch dann kaum Wahlmöglichkeiten. In diesem Sinne bestätigt sich die ursprüngliche Annahme, dass die Möglichkeiten einkommensschwacher Haushalte, am Wohnungsmarktgeschehen zu partizipieren, sehr begrenzt sind und sie nur wenig Einfluss auf ihre Wohnlage haben. Bei der Suche rücken die Anforderungen der Haushalte dementsprechend in den Hintergrund, oberste Priorität ist es, überhaupt eine bezahlbare Wohnung zu finden. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Haushalte durchaus Wünsche und Präferenzen haben. Zunächst ist es den Befragten wichtig, in München beziehungsweise im Raum München zu bleiben. Wichtigste Standorteigenschaft ist eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr, weiter schätzen die Haushalte eine wohnortnahe Versorgung, dabei spielt neben der Erreichbarkeit insbesondere auch die Preisgestaltung eine Rolle, da das begrenzte Haushaltsbudget Preisvergleiche und eine Orientierung an Angeboten notwendig macht. Das geringe Budget wirkt sich auch auf andere Bereiche des Alltags aus, so dass Freizeit- und Naherholungsmöglichkeiten im direkten Wohnumfeld an Bedeutung gewinnen. Grundsätzlich unterscheiden sich die Bedürfnisse erwartungsgemäß von Haushalt zu Haushalt und auch individuelle Faktoren, wie persönliche Bezüge oder soziale Kontakte, spielen bei der Standortbewertung eine Rolle. Das heißt, dass vor allem mehr individuelle Wahlmöglichkeiten bei der Wohnungssuche den Haushalten und ihren Bedürfnissen entgegenkommen könnten. Letztendlich lässt sich damit auch die zweite Annahme bestätigen, nämlich, dass einkommensschwache Haushalte kaum Möglichkeiten haben, ihren Anforderungen entsprechende Wohnlagen gezielt zu verwirklichen und individuelle Präferenzen dementsprechend in den Hintergrund rücken. Diese Zusammenhänge verstärken sich mit einem geringeren Haushaltsbudget. Weiter reduzieren sich entsprechend auch die Handlungs- und Kompensationsspielräume, so dass gewissermaßen von einer Akkumulation der Handlungsbarrieren gesprochen werden kann. Das Maß, in welchem der neue Wohnstandort den individuellen Bedürfnissen der Haushalte entspricht, wirkt sich nach dem Umzug auf den Einbettungsprozess am neuen Wohnstandort aus. Wohnstandorte, zu denen die Befragten bereits
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Empirische Ergebnisse
einen persönlichen Bezug haben, erleichtern die Einbettung. Auch die Zufriedenheit mit der konkreten kleinräumigen Wohnsituation, ein ordentliches Wohnumfeld und soziale Kontakte erleichtern den Prozess des Ankommens und tragen zu einer längerfristigen Bleibeperspektive bei. Auf der anderen Seite kann sich ein sozialer Abstieg in einer neuen Wohnsituation sichtbar manifestieren und einem guten Einbettungsprozess genauso wie weitreichende Kompromisse hinsichtlich Wohnungsgröße, -ausstattung oder -lage entgegenstehen. Insgesamt scheinen großräumige Lage und konkrete Wohnsituation bei der Prioritätensetzung der Haushalte einen höheren Stellenwert einzunehmen, als der Wohnstandort beziehungsweise das Stadtviertel. Die Lage des Stadtviertels ist es jedoch, die den größten Einfluss auf die Mobilität sowie die Erreichbarkeit von Zielen hat und damit die Alltagsorganisation prägt. Denn auch wenn einige Aktivitätenstandorte an den neuen Wohnstandort angepasst werden können, so gibt es auch unveränderbare Ziele, deren Erreichbarkeit sich vom neuen Wohnstandort aus verschlechtern kann. Sollen diese beibehalten werden, so muss deren Integration in den Alltag genauso wie die Orientierung hin zu neuen Zielen nach dem Umzug organisiert werden. Die meisten Befragten sind nach dem Umzug genauso wie vor dem Umzug auf den öffentlichen Verkehr angewiesen, so dass dieser im Prinzip das Rückgrat der Mobilität der Befragten darstellt. Das Fahrrad wird von der Hälfte der Befragten, vor allem als Ergänzung zum öffentlichen Verkehr, genutzt, zwei Befragte sind hauptsächlich mit dem Pkw unterwegs. Multi- und Intermodalität der Befragten sind damit kaum ausgeprägt, so dass sie hinsichtlich ihrer Verkehrsmittelnutzung beziehungsweise -kombination nur wenig flexibel agieren können. Die finanziellen Einschränkungen der Haushalte wirken sich nicht nur auf die Wohnstandortwahl und die verwendeten Verkehrsmodi aus, sondern auch grundsätzlich auf die Alltagsgestaltung. Diese ist stark durch organisatorische Fragen und finanzielle Abwägungen geprägt, was sich entsprechend auch auf die Aktivitäten und die Aktivitätenstandorte der Befragten auswirkt. Vielfach müssen finanzielle Einschränkungen durch organisatorische oder zeitliche Mehraufwände kompensiert werden, was wiederum zu Lasten verbleibender Spielräume geht. Dementsprechend haben die meisten Befragten ein hohes Bewusstsein für Mobilitätskosten- und aufwände und versuchen, das Risiko weiterer Aufwände möglichst zu minimieren, was sich teilweise in ausgeprägten Routinen oder einer vermeintlich geringen Offenheit gegenüber neuen Mobilitätslösungen ausdrücken kann. Anderseits sind es gerade auch die befragten Haushalte, die teilweise kreative Lösungen finden, um ihren Alltag zu gestalten und Handlungsspielräume zu schaffen.
Zusammenführung und Reflexion der Ergebnisse
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In diesem Sinne lässt sich auch die dritte eingangs getroffene Annahme, das heißt, dass die eingeschränkte Wohnstandortwahl weitreichende Konsequenzen für die Mobilität der Haushalte, bis hin zu Einschränkungen gesellschaftlicher Teilhabe haben kann, zumindest teilweise bestätigen. Wichtig ist in diesem Fall, die Betonung des Wortes kann, denn wie dargestellt entwickelt sich die Situation der Haushalte nicht zwangsläufig zum Schlechteren, vielmehr unterliegen die Haushalte und deren marktgesteuerte Wohnstandortentscheidung einer gewissen Willkür. In Kapitel 6.5 wurden die themenübergreifenden Zusammenhänge analysiert. Hier sind es vor allem die beiden Wirkdimensionen Fremdbestimmung und Exklusion, die sowohl den Such- wie auch den Einbettungsprozess prägen, indem sie den Handlungsraum der Befragten aufspannen. Unter dem Begriff Fremdbestimmung werden externe, außerhalb des Einflussbereichs der Befragten liegende Rahmenbedingungen zusammengefasst, die das Handeln und insbesondere die individuelle Entscheidungsfreiheit der Befragten begrenzen. Der Begriff Exklusion hingegen bezieht sich auf Einschränkungen durch den sozialen Status. Beide Wirkdimensionen setzen sich aus zwei Teildimensionen zusammen, zum einen einer extern wirkenden Dimension und zum anderen einer von den Befragten aufgrund ihrer Erfahrungen antizipierten Dimension. In jedem Fall werden die Möglichkeiten der Befragten eingeschränkt, was sich sowohl auf langfristige den späteren Möglichkeitsraum prägende Entscheidungen, wie auch auf kurzfristige Alltagsentscheidungen auswirken kann. Insbesondere die Exklusion kann dazu führen, dass die Befragten ihre Anforderungen und Präferenzen gar nicht erst formulieren oder einfordern. Im Umgang mit den Wirkfaktoren werden unter den Befragten zwei grundsätzliche Strategien ausgemacht: Zum einen gibt es aktive Strategien, die das Ziel haben, die eigene Handlungsfähigkeit zu erhalten, auch wenn dafür Mehraufwände in Form von Zeit, Komfort oder Organisation in Kauf genommen werden müssen. Zum anderen gibt es die eher passive Strategie der Bedürfnisreduktion, das heißt die Bedürfnisse werden an ein realistisch scheinendes Maß angepasst, um von vornherein keine vermeintlich falschen Erwartungen zu wecken und die Chancen einer Bedürfniserfüllung zu steigern. Die Bedürfnisreduktion kann in diesem Sinne als Schutzfunktion verstanden werden, oder aber auch als eine Vorstufe zum sozialen Rückzug interpretiert werden. Beide Anpassungsstrategien können nicht losgelöst voneinander betrachtet werden, da Mehraufwände zum Erhalt der Handlungsfähigkeit nur bis zu einer gewissen Grenze in Kauf genommen werden, bevor die passive Strategie zum Tragen kommt. Wo diese Grenze liegt, hängt von individuellen Faktoren und dem persönlichen Stellenwert der Handlungsfähigkeit im jeweiligen Bereich ab.
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Empirische Ergebnisse
Wie beschrieben wirken sowohl die Wirkdimensionen als auch die Anpassungsstrategien über den gesamten in Abbildung 45 dargestellten Ablauf und insbesondere auf den Such- und den Einbettungsprozess. Ziel des Suchprozesses ist es, eine Wohnung zu finden, die meist krisenhafte Situation am alten Wohnstandort aufzulösen und entsprechend der Einzug in die neue Wohnung. Als Ziel des auf die Wohnungssuche folgenden Einbettungsprozesses wird ein Einbettungszustand, der möglichst gute Bedingungen für gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, angenommen. Der Einbettungszustand beschreibt dabei, inwiefern die Haushalte ihren Alltag und damit einhergehend ihre Mobilität am neuen Wohnstandort reorganisiert und neue Routinen, feste Strukturen und Bezüge ausgebildet haben. Allein der hohe Einfluss der Fremdbestimmung und insbesondere der Exklusion auf das Leben der Befragten zeigt, dass Teilhabe für die Befragten in vielen Bereichen nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Ein verschärfender Faktor sind hierbei die hohen Lebenshaltungskosten im Raum München, die den Befragten ihre eigenen ökonomischen Restriktionen immer wieder vor Augen führen und letztendlich deren Partizipationsmöglichkeiten, nicht nur auf dem Wohnungsmarkt, sondern auch in vielen weiteren Bereichen des Lebens, einschränken. Die Partizipationsmöglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt spielen im Rahmen dieser Arbeit eine herausragende Rolle. Wie in den vorhergehenden Kapiteln dargestellt, führen diese dazu, dass einkommensschwache Haushalte nur geringen Einfluss auf ihren Wohnstandort haben und in diesem Sinne kaum ihre persönlich gewichteten Grundlagen für den später folgenden Einbettungsprozess legen können. Der Verlauf des Einbettungsprozesses sagt an sich noch nichts über den Grad sozialer Teilhabe aus, allerdings können beide wechselseitig zu günstigen Ausgangsbedingungen beitragen. Zum einen wird soziale Teilhabe erleichtert, wenn grundlegende Fragen des Alltags nicht immer wieder neu verhandelt werden müssen. Gleichzeitig erleichtert soziale Teilhabe die Einbettung, da beispielsweise soziale Kontakte Rückhalt und gegenseitige Unterstützung sichern können. Bei der Einbettung am neuen Wohnstandort gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten, die mit den beschriebenen Anpassungsstrategien korrespondieren: Es wird ein Mehraufwand in Kauf genommen, um Rückbezüge zum alten Wohnstandort aufrecht zu erhalten, es wird ein Mehraufwand für die aktive Einbettung im neuen Umfeld in Kauf genommen oder es erfolgt ein sozialer Rückzug. Wie der Einbettungsprozess verläuft, hängt von vielen sehr individuellen Faktoren ab, dennoch gibt es auch einige grundsätzliche Faktoren, die zu dessen gelingen beitragen können. Voraussetzung für einen guten Einbettungszustand ist
Zusammenführung und Reflexion der Ergebnisse
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zunächst einmal eine grundsätzliche Zufriedenheit mit der neuen Wohnsituation. Das meint eine Wohnung, die den wichtigsten Bedürfnissen entspricht und eine Wohnlage, die sowohl hinsichtlich der übergeordneten Lage wie auch hinsichtlich der kleinräumigen Lage zum Haushalt passt. Versorgung vor Ort und Grünflächen sind eigentlich allen Haushalten wichtig. Eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr ist die bedeutendste Voraussetzung, um Aktivitäten nachzugehen und mobil zu sein. Weiter spielt auch die relative Wohnlage eine Rolle, da von ihr die Erreichbarkeit der Ziele abhängt. Der Einbettungsprozess fällt in Stadtvierteln leichter, zu denen die Haushalte einen Bezug haben. Im besten Falle haben sie sich den neuen Wohnstandort selbst ausgesucht oder er ist nicht weit vom alten Wohnstandort entfernt. Denn so ist der Aufwand für die Einbettung vor Ort geringer und notwendige Rückbezüge zu unveränderbaren Zielen können mit weniger Aufwand aufrechterhalten werden. Ist der neue Wohnstandort weiter vom alten Wohnstandort entfernt, so dass Rückbezüge nur mit viel Aufwand aufrechterhalten werden können, fällt die Einbettung den Haushalten leichter, denen eine komplette Verlagerung des Lebensmittelpunktes gelingt. Wenn im direkten Wohnumfeld Aktivitäten stattfinden und es qualitätsvolle Räume gibt, die das Umfeld erlebbar machen, hilft das beim Einleben, denn dieses Umfeld prägt den Alltag. Dazu tragen auch soziale Kontakte vor Ort bei. Findet das Leben an vielen weit voneinander entfernten Orten statt, kann das Gefühl eines ständigen Unterwegsseins ein Ankommen am neuen Wohnstandort erschweren. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Thema Sicherheit. Für Haushalte ist es zum einen wichtig, dass sie sich an ihrem neuen Wohnstandort physisch sicher fühlen, zum anderen betrifft das die Perspektive und die „Überlebensfähigkeit“. Das heißt beispielsweise, dass neben der Miete noch Budget für das alltägliche Leben übrig ist und die Haushalte sich keine Sorgen über Mieterhöhungen oder eine Kündigung machen müssen. In diesem Bereich spielen noch weitere Faktoren, wie beispielsweise die Integration in den Arbeitsmarkt oder die grundsätzliche ökonomische Situation, eine Rolle. Auch die Möglichkeit, Aktivitäten nachzugehen, Kontakte zu pflegen oder die von vielen Befragten erwähnten Angebote der Stadt und der Region nutzen zu können, tragen zur gesellschaftlichen Teilhabe und damit einer Grundzufriedenheit bei, die letztendlich auch den Einbettungsprozess am neuen Wohnstandort erleichtert. Bezugnehmend auf die Forschungsfrage, wie sich ein angebotsdominierter Wohnungsmarkt auf die Wohnlage von einkommensschwachen Haushalten auswirkt und inwiefern deren Mobilität dadurch beeinflusst wird, lässt sich also
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Empirische Ergebnisse
festhalten, dass sich der Wohnungsmarkt entsprechend den obigen Ausführungen sehr stark auswirkt und damit nicht nur die Mobilität, sondern die gesamte Alltagsgestaltung der Haushalte beeinflussen kann. Wie erwähnt, betreffen die beschriebenen Herausforderungen nicht ausschließlich einkommensschwache Haushalte, sie treten jedoch bei Haushalten mit geringen finanziellen Spielräumen konzentrierter auf und überlagern sich teilweise, was letztendlich auch dazu führt, dass entstehende Probleme weniger leicht kompensiert werden können. Insgesamt ist es daher gerade für einkommensschwache Haushalte wichtig, dass der neue Wohnstandort und die Gegebenheiten vor Ort den Bedürfnissen der Haushalte entgegenkommen, so dass die Haushalte ihren Alltag und damit einhergehend ihre Aktivitäten und ihre Mobilität möglichst selbstbestimmt gestalten und den Einfluss von Fremdbestimmung und Exklusion minimieren können.
7.
Ableitung von Handlungsstrategien
Neben der Beantwortung der in Kapitel 2.5 aufgeworfenen Forschungsfrage, ist es ein weiteres Ziel der vorliegenden Arbeit, mögliche Handlungsstrategien zu entwickeln, um den gewonnen Erkenntnissen in der Praxis oder im planerischen Diskurs Rechnung zu tragen. Dabei geht es vor allem darum, den Einfluss von Fremdbestimmung und Exklusion zu verringern, um den Haushalten selbstbestimmte Entscheidungen zu ermöglichen. Dafür werden Teile der in Kapitel 6 ausgeführten Erkenntnisse in einen planerischen und maßnahmenbezogenen Kontext gesetzt, um so Ansätze aufzuzeigen, wie den Herausforderungen, vor denen einkommensschwache Haushalte auf dem Münchner Wohnungsmarkt im Zusammenhang mit räumlicher Mobilität stehen, begegnet werden könnte. Auch wenn die beschriebenen Anforderungen individuell unterschiedlich sind, so gibt es doch einige Aspekte, die fast allen Haushalten wichtig sind und deren Berücksichtigung in künftigen Planungsprozessen vielen Haushalten entgegenkäme. Hierbei wird auf mehreren Ebenen gearbeitet. Zum einen werden ausgewählte direkt angesprochene Herausforderungen im Alltag der Befragten (Kapitel 6.1 bis 6.4) adressiert, zum anderen wird versucht, den Einfluss der Wirkdimensionen Fremdbestimmung und Exklusion zu minimieren. Da diese häufig indirekte Folgen sind, ist das jedoch nur teilweise durch direkte Maßnahmen möglich. In Bezug auf die Anpassungsstrategien ist es das Ziel, möglichst vielen Menschen Optionen für eine aktive Anpassungsstrategie aufzuzeigen und gleichzeitig dafür Sorge zu tragen, dass der Mehraufwand, den Haushalte in Kauf nehmen müssen, um ihre Handlungsfähigkeit zu erhalten, möglichst gering ist. Eine direkte Herleitung konkreter Handlungsstrategien aus der Empirie ist aus inhaltlichen und methodischen Gründen kaum möglich. Die Handlungsempfehlungen basieren daher weitgehend auf den Erfahrungen der Autorin im Forschungsprozess, daraus resultierenden Einschätzungen und einem im Februar 2017 durchgeführten Expertenworkshop. Empfehlungen sind nie frei von gesellschaftspolitischen Überzeugungen und persönlichen Prägungen. In diesem Sinne können Empfehlungen auch nicht neutral, falsch oder richtig sein, sondern spiegeln eine persönliche Sichtweise wider, welche sich letztendlich bereits in der Wahl des Forschungsgegenstandes, der Fragestellung und der empirischen © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Sterzer, Wohnen und Mobilität im Kontext von Fremdbestimmung und Exklusion, Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-24622-8_7
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Ableitung von Handlungsstrategien
Herangehensweise ausdrückt (Diekmann 2013, S. 72, S. 80). Folgerichtig bauen die Handlungsstrategien zwar auf dem Forschungsprozess auf, sind aber nicht im Sinne einer abschließenden „Verwertung“ zu sehen. In Kapitel 7.1 wird vorab auf den erwähnten Expertenworkshop eingegangen. Anschließend werden in Kapitel 7.2 die vorgeschlagenen Strategien und Maßnahmen getrennt nach Themenbereichen erläutert. Insgesamt wird dabei vor allem analysiert, wo es einzelne Akteure sind, die Veränderungen bewirken können. Die meisten Anknüpfungspunkte ergeben sich hierbei auf der kommunalen Ebene. Weiter sollen aber auch auf Verbesserungsmöglichkeiten im Bereich der Koordination und Kooperation zwischen Akteuren oder der übergeordneten Rahmenbedingungen zumindest kurz angesprochen werden. 7.1
Expertenworkshop
Die gewonnen empirischen Ergebnisse aus den qualitativen Interviews wurden im Rahmen eines Expertenworkshops ausgewählten Expertinnen und Experten präsentiert. Zu den Vorteilen einer Gruppendiskussion mit Expertinnen und Experten wird an dieser Stelle auf Bogner und Leuthold (2005) verwiesen. Ziel des Workshops war es, über einen Austausch von Wissenschaft und Praxis die Plausibilität der Ergebnisse durch die Fachexpertise der geladenen Teilnehmenden zu validieren und gleichzeitig Anregungen für andere Deutungszusammenhänge und weitergehende Fragen an das Material zu bekommen. Weiter war es Ziel, mit den Expertinnen und Experten gemeinsam konkrete Ideen zu entwickeln, um auf bestehende Herausforderungen zu reagieren und Strategien zu erarbeiten, wie die gewonnen Erkenntnisse in künftigen Planungsprozessen berücksichtigt werden können. Dabei sollte eine Erörterung von Möglichkeiten und Restriktionen einzelner Akteure sowie institutioneller Rahmenbedingungen unter dem Einbezug verschiedener Perspektiven, Maßstabsebenen und Zeithorizonte stattfinden. Die Planung des Workshops fand basierend auf den Erfahrungen im Forschungsprozess und Gesprächen mit Expertinnen und Experten statt. Methodisch entspricht der Workshop am ehesten dem Charakter des systematisierenden Experteninterviews entsprechend der Übersicht von Bogner und Menz (2005, S. 37). Dort heißt es „im Vordergrund steht hier das aus der Praxis gewonnene, reflexiv verfügbare und spontan kommunizierbare Handlungs- und Erfahrungswissen“. Eingeladen waren zum einen Expertinnen und Experten von Seiten der Angebots- und Planungsseite, zum anderen aber auch Personen von Beratungsstellen und sozialen Einrichtungen und in diesem Sinne Expertinnen und Experten für die Situation der
Expertenworkshop
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Zielgruppe. Nach Meuser und Nagel (2005, S. 73) handelt es sich um Personen, die über einen „privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse“ verfügen. Folgende 18 Teilnehmende waren vertreten Drei Personen von Seiten der TU München, darunter die Autorin Eine Person von STUDIO | STADT | REGION für die Moderation Sieben Personen von der Angebots- und Planungsseite •
Kreisverwaltungsreferat der LHM, Hauptabteilung Straßenverkehr, Strategische Projekte und Grundsatzangelegenheiten
•
Referat für Stadtplanung und Bauordnung der LHM, Verkehrsplanung, Bereich Planung
•
Sozialreferat der LHM, Sozialplanung
•
Gewofag (städtische Wohnungsbaugesellschaft)
•
MVG Münchner Verkehrsgesellschaft
•
MVV Münchner Verkehrs- und Tarifverbund – mit zwei Personen
Sieben Personen von Beratungsstellen und sozialen Einrichtungen •
KMFV Katholischer Männerfürsorgeverein München e. V.
•
Diakonie Hasenbergl – mit zwei Personen
•
Sozialreferat der LHM, Amt für Soziale Sicherung, Schuldner- und Insolvenzberatung – mit zwei Personen
•
Schuldner- und Insolvenzberatung des Deutschen Gewerkschaftsbunds und der Arbeiterwohlfahrt München
•
DGB Deutscher Gewerkschaftsbund München
Auf eine detaillierte Schilderung der Ergebnisse des Workshops wird an dieser Stelle verzichtet. Die Ergebnisse fließen in die Handlungsvorschläge, welche im Folgenden dargestellt werden mit ein.
244
7.2
Ableitung von Handlungsstrategien
Konzeptionelle und praxisbezogene Maßnahmen
Entsprechend der Erläuterungen oben, werden im Folgenden mögliche Maßnahmen vorgeschlagen, um den Herausforderungen, denen einkommensschwache Haushalte in München und darüber hinaus gegenüberstehen, zu begegnen und gegebenenfalls zu erwartende Verschärfungen zu vermeiden. Die aufgeworfenen Ideen können als Anregungen und Impulse für künftige Debatten gesehen werden, nicht als ausgearbeitete Konzepte. Dabei richten sie sich an die konzeptionelle Ebene genauso wie die Praxis. Das ist insofern wichtig, als dass in den Gesprächen immer wieder Themen, im Positiven wie im Negativen, zur Sprache kamen, bei denen Vorschriften oder Regeln und gelebte Praxis auseinanderklaffen. Insgesamt geht es nicht in erster Linie darum, komplett neue Ideen zu entwickeln, vielmehr geht es bei einigen Vorschlägen auch darum, sie in einen neuen handlungspolitischen Zusammenhang zu stellen, den Versuch eine mögliche Perspektive einkommensschwacher Haushalte in die Debatte miteinzubringen und existierende Strategien somit mit weiteren Argumenten zu stützen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollen dazu beitragen den Einfluss der im vorherigen Kapitel behandelten Wirkfaktoren Fremdbestimmung und Exklusion zu reduzieren. Die Betroffenen sollten ermutigt werden, ihre Passivität zu überwinden und bei der Wahl aktiver Strategien unterstützt werden, wenn sie dadurch eine Steigerung ihrer Lebensqualität erfahren. Dabei geht es auch darum ihnen Handlungsräume aufzeigen und diese für sie nutzbar zu machen, um ihnen den Erhalt der Handlungsfähigkeit zu erleichtern. Die entwickelten Strategien finden sich im Spannungsfeld zwischen Wohnen und Mobilität sowie Subjekt- und Objektförderung wieder (siehe Abbildung 47), der Schwerpunkt liegt dabei allerdings auf der Objektförderung. Dazu wird zunächst thematisch getrennt auf die Handlungsfelder Wohnen und Mobilität eingegangen, wobei insbesondere das Thema Mobilitätsaufwand ein klassisches Schnittstellenthema ist. Abschließend wird kurz auf die Bereiche Koordination und Kooperation sowie Rahmenbedingungen übergeordneter Ebenen eingegangen. Die Einbettung wird in diesem Kontext nicht gesondert behandelt, da wie im vorherigen Kapitel beschrieben, diese am besten gelingt, wenn die Rahmenbedingungen am neuen Wohnstandort zu den Bedürfnissen der Haushalte passen.
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Ableitung von Handlungsstrategien
Die Frage wie und wo bezahlbarer Wohnraum in München geschaffen beziehungsweise gesichert werden kann, gehört mit zu den dringendsten Fragen der Stadtentwicklung, die im Rahmen dieser Arbeit nicht zu beantworten sein wird. Allerdings werden im Folgenden einige als grundlegend erachtete Möglichkeiten erläutert, die sich vor allem auf eine Verschärfung beziehungsweise konsequentere Anwendung bestehender Instrumente beziehen. Da der Wohnungsmarkt eine übergeordnete strukturelle Rahmung für das Handeln der Haushalte darstellt, basiert der folgende Abschnitt nicht direkt auf der qualitativen Empirie, sondern auf der Analyse des Kontextes in dem die Befragten agieren. Letztendlich gibt es, wenn es um bezahlbaren Wohnraum geht, zwei Wege, die parallel verfolgt werden müssen: Die Sicherung des vorhandenen bezahlbaren Wohnraums sowie die Schaffung neuen bezahlbaren Wohnraums. Beide Möglichkeiten sind, wie die Situation auf dem Münchner Wohnungsmarkt zeigt, schwierig umzusetzen, so dass dabei sowohl die öffentliche Hand, wie auch Private in die Pflicht genommen werden müssen. Weiter ist es wichtig, dass bezahlbarer Wohnraum in unterschiedlichen Lagen gesichert beziehungsweise möglichst auch geschaffen wird, denn nur so leisten beide Wege einen Beitrag zu einer größeren Wahlfreiheit auch in Bezug auf das Wohnumfeld. Bezahlbaren Wohnraum erhalten Ein Ziel muss es sein, den bestehenden bezahlbaren Mietwohnraum zu sichern. Dabei gibt es drei grundlegende Strategien, bei denen die Kommune innerhalb des durch Landes- und Bundesgesetzgebung vorgegeben rechtlichen Rahmens agieren kann: •
den Erhalt des Bestandes zur Wohnnutzung,
•
den Erhalt des Wohnungsbestandes mit einfachen oder normalen Standards und
•
die Begrenzung des Mietanstiegs.
Zunächst muss der vorhandene Mietwohnungsbestand generell erhalten bleiben. Das heißt, Wohnungen müssen zum Wohnen genutzt werden und dürfen nicht über Zweckentfremdungen dem Mietwohnungsmarkt entzogen werden. Dazu gibt es die Wohnraumzweckentfremdungssatzung der Landeshauptstadt München (WohnraumzweckentfremdungsS), deren Einhaltung allerdings auch entsprechend kontrolliert werden muss. Weiter dürfen bestehende Mietwohnungen nicht in Eigentumswohnungen umgewandelt werden, da sie auch so dem Mietmarkt
Konzeptionelle und praxisbezogene Maßnahmen
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dauerhaft entzogen sind. Bekanntestes Instrument um das zu verhindern ist der Genehmigungsvorbehalt bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Erhaltungssatzungsgebieten (siehe unten), welcher auf Länderebene erlassen werden muss. Dieser wurde auf Drängen der Landeshauptstadt 2014 in Bayern eingeführt (§5 DVWoR). Beide, Zweckentfremdungssatzung und Genehmigungsvorbehalt bei Umwandlungen, zielen also darauf ab, dass bestehende Mietwohnungen erhalten bleiben und dem Mietwohnungsmarkt zur Verfügung stehen. Weiter muss sichergestellt werden, dass diese Wohnungen nicht nur grundsätzlich, sondern in ihrer Kategorie als bezahlbare Wohnungen erhalten bleiben. Oft handelt es sich dabei um einfache, kleine Wohneinheiten. Werden diese zusammengelegt, kostenintensiv saniert oder überdurchschnittlich ausgestattet, rutschen diese Wohnungen aus dem günstigen oder mittleren Segment ins gehobene hochpreisige Segment und stehen Haushalten in unteren oder mittleren Einkommensbereichen nicht mehr zur Verfügung. Haushalte mit geringen Einkommen regulieren ihren absoluten Mietpreis in der Regel vor allem über die Quadratmeter und weniger stark über den Quadratmeterpreis, da sich so absolut geringere Summen ergeben. Ziel muss es also sein, kleine Wohnungen mit einfachem Standard zu erhalten. In München findet mit dem Instrument der Erhaltungssatzung nach §172 BauGB eine sogenannte Milieuschutzsatzung Anwendung. Diese schützt bestehende Wohnungen vor Umwandlungen und Luxussanierungen in Gebieten mit schützenswerter Sozialstruktur, um die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten. In Erhaltungssatzungsgebieten müssen Modernisierungen und geplante Umwandlungen in Wohneigentum genehmigt werden. Darüber hinaus steht der Stadt in Erhaltungssatzungsgebieten ein kommunales Vorkaufsrecht zu, welches der Stadt bei einem Verkauf das erste Zugriffsrecht sichert, außer die Käuferin oder der Käufer verpflichtet sich in einer Abwendungserklärung Umwandlungen und unangemessene Modernisierungsmaßnahmen zu unterlassen. Im Februar 2017 gibt es in München 21 Erhaltungssatzungsgebiete, in denen 253 000 Einwohnerinnen und Einwohner leben (münchen.de: Erhaltungssatzungen in München). Eine kontinuierliche Beobachtung des Wohnungsmarktes, das Ausweisen weiterer Erhaltungssatzungsgebiete sowie die konsequente Anwendung der dadurch möglichen Instrumente können helfen, Wohnraum zu sichern und übermäßige Preissteigerungen vorzubeugen. Der dritte Hebel ist direkt der Mietpreis, allerdings kann die kommunale Ebene hier wenig Vorgaben für den freifinanzierten Mietwohnungsmarkt machen. Der Mietanstieg bestehender Wohnungen muss begrenzt werden, dabei
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Ableitung von Handlungsstrategien
ist zwischen Bestandsverträgen und Neuverträgen zu unterscheiden. Bestandsverträge sind in der Regel deutlich günstiger, da Mieten bei einem bestehenden Vertrag nicht beliebig erhöht werden können, um die Mieterin oder den Mieter zu schützen. Mieterhöhungen sind im Normalfall nur alle 15 Monate zulässig (§558 BGB). In München gilt eine Kappungsgrenze für angespannte Wohnungsmärkte die besagt, dass der Preisaufschlag innerhalb von drei Jahren maximal 15% betragen darf (§558 Abs. 3 Satz 2 BGB). Eine Ausnahme ist die Umlage von Modernisierungskosten, die zu einer einmaligen aber dauerhaften Mieterhöhung von bis zu 11% der Modernisierungskosten (§559 und §555b BGB) außerhalb des Turnus führen kann. Weiter ausgenommen ist die Umlage von Nebenkosten, so dass insbesondere die Nachrüstung eines Aufzugs zu einer deutlichen Nebenkostensteigerung führen kann. Dennoch, durch Mieterschutzgesetze (§549 – 577a BGB) bleiben Bestandsmieten in der Regel moderat, weshalb ein Umzug, welcher mit einem neuen Vertrag einhergeht, fast immer zu höheren Mietbelastungen führt. Seit Einführung der Mietpreisbremse durch das Mietrechtsnovellierungsgesetz (MietNovG bzw. die dadurch erfolgten Änderungen an §549, §556f BGB) im Jahr 2015 sind auch die Wiedervermietungsmieten gesetzlich begrenzt. Sie besagt, dass das Mietniveau nicht mehr als 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Die ortsübliche Vergleichsmiete leitet sich auf dem Mietspiegel ab. In München gibt es einen qualifizierten Mietspiegel, der alle zwei Jahre überarbeitet wird (LHM 2017c). Bei der Erstellung des Mietspiegels fließen die Miethöhen von frei finanzierten Wohnungen, für die innerhalb von vier Jahren entweder ein neuer Mietvertrag abgeschlossen wurde oder sich die Miethöhe im bestehenden Mietverhältnis geändert hat, ein. Das heißt, Altverträge und Bestandsmieten fließen genauso wenig ein wie die Mieten in geförderten Wohnungen oder Genossenschaften, wodurch der Mietspiegel nicht den Durchschnitt der tatsächlichen Mieten darstellt, sondern darüber liegt. Das führt dazu, dass die um 10% erhöhte ortsübliche Vergleichsmiete in der Regel deutlich höher ist, als den Betrag, den einkommensschwache Haushalte vorher bezahlen und häufig auch über dem Betrag liegt, den sie zahlen können. Die Mietpreisbremse greift damit vor allem im mittleren und hohen Preissegment, aber nicht im unteren. Dazu kommt noch, dass die Mietpreisbremse bei der Erstvermietung von Neubauten keine Anwendung findet. Um auch einkommensschwachen Haushalten zugute zu kommen, müsste die Mietpreisbremse also deutlich verschärft und das Prinzip des qualifizierten Mietspiegels überarbeitet werden.
Konzeptionelle und praxisbezogene Maßnahmen
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Die genannten Instrumente beziehen sich auf den freifinanzierten Mietwohnungsmarkt. Darüber hinaus gibt es den kommunalen Mietwohnungsbestand, bei welchem die Stadt, beziehungsweise die städtischen Wohnungsbaugesellschaften innerhalb der durch die oben beschriebenen Instrumente festgelegten Rahmenbedingungen direkt Einfluss auf die Mietpreisgestaltung nehmen können. Da die genannten Instrumente meist nur einen begrenzten und zeitweisen Schutz bezahlbaren Wohnraums bieten, ist es sinnvoll den kommunalen Wohnungsbestand in öffentlicher Hand zu erhalten und weiter auszubauen. Bezahlbaren Wohnraum neu schaffen Neben der Sicherung des bestehenden Wohnraums, ist es ebenso wichtig, auch zusätzliche bezahlbare Mietwohnungen zu schaffen. Das Hauptproblem in München ist der Mangel an noch bebaubaren Flächen innerhalb des Stadtgebietes. Es gibt noch einige wenige Areale, die derzeit entwickelt werden oder kurz davorstehen. Daneben gibt es im Zuge von Nachverdichtung noch Einzelgrundstücke die überplant und bebaut werden können. Auch wenn es darum geht neuen Wohnraum zu schaffen, gibt es drei Säulen: •
Private in die Pflicht nehmen,
•
eine Ausweitung des kommunalen Wohnungsbaus und
•
die Förderung von gemeinnützigen Konzepten.
Private Investoren erstellen in der Regel vor allem hochpreisigen Wohnungsbau, da es ihnen um eine möglichst hohe Rendite geht. Die Einflussmöglichkeiten auf die Preisgestaltung der Wohnungen sind in diesem Bereich sehr begrenzt, zumal man ja grundsätzlich möchte, dass auch private Bauträger sich an der Schaffung von Wohnraum beteiligen. Wenn Grundstücke oder Gebiete neu bebaut werden, wird das Baurecht entweder in einem Bauleitplanverfahren festgelegt oder es ergibt sich aus §34 BauGB. Gilt §34 BauGB muss sich das Vorhaben hinsichtlich Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und überbaubarer Grundstückfläche in die nähere Umgebungsbebauung im unbeplanten Innenstadtbereich einfügen. Damit hat die Stadt keinen weiteren Einfluss. Wird allerdings ein Bebauungsplanverfahren angestrengt, so hat die Stadt als ausführende Behörde die Möglichkeit, den Bauherrn an den Planungskosten zu beteiligen. In München werden seit 1994 im Rahmen der Sozialgerechten
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Ableitung von Handlungsstrategien
Bodennutzung (SoBoN) städtebauliche Verträge nach §11 BauGB abgeschlossen, durch die sich Bauherrn verpflichten sich an den ursächlich durch das Vorhaben entstehenden Lasten und Folgekosten baulicher und sozialer Infrastruktur zu beteiligen und im Zuge von Zielbindungsvereinbarungen entsprechend der städtebaulichen Ziele der SoBoN mindesten 30% geförderten Wohnungsbau in ihr Vorhaben zu integrieren (LHM 2009). Damit nutzt die Stadt München die bestehenden Möglichkeiten, um auch Private zu verpflichten, sich an der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und den Folgekosten der Errichtung der sozialen Infrastruktur verbindlich zu beteiligen. Im Zuge der Lastenberechnung könnte geprüft werden, inwieweit es möglich ist hier auch Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur zu berücksichtigen, da diese bisher keinen Eingang in die Lastenberechnung finden. Das Thema Nachverdichtung trifft in vielen Fällen ebenfalls private Eigentümerinnen und Eigentümer. Nachverdichtung geschieht entweder durch Neubebauung in Baulücken oder auf Grundstücken auf denen das Baurecht nicht ausgeschöpft ist, Ergänzungsbebauung oder durch Aufstockung. Insbesondere bei der Aufstockung ist es tendenziell hochpreisiger Wohnraum der entsteht, da der Aufwand hoch ist und für obere Lagen in Gebäuden hohe Preise erzielt werden können. Weiter besteht die Gefahr, dass Kosten auf die Miete der übrigen Mieterinnen und Mieter umgelegt wird. Es gilt also Eigentümerinnen und Eigentümer zu ermutigen, diese Flächenpotentiale zu nutzen und gleichzeitig zu prüfen, inwieweit Einfluss auf die Mietpreisgestaltung genommen werden kann. Neben Privaten ist es auch die Stadt selbst, die Wohnungen baut. Über den städtischen Wohnungsbau ist es möglich dauerhaft gebundenen und damit auch langfristig bezahlbaren Wohnraum vorzuhalten, um so zumindest ein kleines Gegengewicht zum privaten Markt zu setzen. Entsprechend dem Ziel kleinräumig durchmischte Strukturen zu schaffen, werden sowohl freifinanzierte als auch geförderte Wohnungen vermietet. Das Preisniveau der freifinanzierten Wohnungen liegt auf Mietspiegelniveau. Hauptproblem bei der Neuschaffung von städtischem Wohnraum ist die geringe Verfügbarkeit von kommunalen Flächen, so dass die städtischen Wohnungsbaugesellschaften nur begrenzt bauen können. Grundstücke die auf dem freien Markt verfügbar sind, sind so hochpreisig, dass ein Zukauf in der Regel nur in geringem Umfang möglich und die Verhältnismäßigkeit des Mitteleinsatzes zu diskutieren ist. In diesem Kontext sind vermehrt die erweiterten Möglichkeiten des besonderen Städtebaurechts (§136ff BauGB) zur Anwendung zu bringen, die der Stadt unter anderem einen preislimitierten Vorkauf erlauben.
Konzeptionelle und praxisbezogene Maßnahmen
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Ein dritter Baustein ist die Förderung von gemeinnützigen Wohnkonzepten. Das sind vor allem Genossenschaften. Auch in Genossenschaften können die Mieten langfristig niedrig gehalten werden, da auch sie nicht auf Gewinn ausgerichtet sind. Die Stadt unterstützt die Neugründung von Genossenschaften beispielsweise über die Mitbauzentrale. Doch auch genossenschaftliche Bauträger können auf dem angespannten Immobilienmarkt ohne Unterstützung in der Regel nicht mithalten und die hohen Grundstückspreise nicht bezahlen. Daher fördert die Stadt diese, indem sie städtische Flächen zum Verkehrswert und neuerdings als Erbbaurechte an Genossenschaften vergibt. Keine oder keiner der Befragten lebt allerdings in einer Genossenschaft. Es ist fraglich wie bekannt die Option einer Genossenschaftsmitgliedschaft überhaupt ist, als weitere Hürden kommen hinzu, dass die meisten Genossenschaften keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen und dass für eine Mitgliedschaft Genossenschaftsanteile erworben müssen. Insgesamt sind Genossenschaften damit aktuell für die wenigsten einkommensschwachen Haushalte eine Option. Hier sollte die Stadt ansetzen und Genossenschaften mehr in die Pflicht nehmen. Beispielsweise könnten Fördermodelle an Quoten gekoppelt sein oder es könnten Unterstützungsmöglichkeiten wie langfristige Darlehen für einkommensschwache Haushalte eingeführt werden, um ihnen den Erwerb von Genossenschaftsanteilen zu erleichtern. In Bezug auf einkommensorientierten Fördermöglichkeiten wird an dieser Stelle auf Kapitel 3.3.2 verwiesen. Die genannten Förderprogramm für untere und mittlere Einkommensgruppen decken aber bei weitem nicht den Bedarf, so dass diese erweitert und ausgebaut werden müssten, um mehr förderberechtigte Haushalte bei der Wohnraumversorgung zu unterstützen. Die Steigerung der Wohnqualität für größere Zufriedenheit Die oben vorgeschlagenen Maßnahmen zur Erweiterung des Angebotes an Wohnraum beziehen sich relativ allgemein auf eine langfristige Verbesserung oder sollen zumindest einer zunehmenden Verschärfung der Situation auf dem Wohnungsmarkt entgegenwirken. Im Folgenden geht es nun konkreter um direkte Verbesserungen für einkommensschwache Haushalte. Dabei stehen Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnqualität im Fokus, welche getrennt für Wohnung, Wohnanlage und Wohnumfeld erläutert werden. Hierbei wird nun deutlich stärker auf die Erkenntnisse aus der qualitativen Empirie und dem Expertenworkshop Bezug genommen.
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Ableitung von Handlungsstrategien
Wohnungsausstattung an Bedürfnisse anpassen Die Anforderungen bezüglich der Wohnungsausstattung sind sehr individuell, so dass in diesem Bereich kaum allgemeine Empfehlungen ausgesprochen werden können. Ein Aspekt ist allerdings für viele einkommensschwache Haushalte von Bedeutung: flexible Grundrisse. Die vorhandene Wohnfläche sollte möglichst effizient aufgeteilt sein, so dass sie vollständig genutzt werden kann. Großzügige Flure, offene oder verbundene Räume oder Durchgangszimmer nehmen häufig viele Quadratmeter in Anspruch, die den Preis der Wohnung in die Höhe treiben und gleichzeitig eine variable Nutzung einschränken. In diesem Zusammenhang ist auch ein Verbot von Untermietverträgen kritisch zu sehen, da zwei Befragte ihre Wohnung nur über die Untervermietung eines Zimmers überhaupt finanzieren können. Allerdings sind beim Thema Untermiete natürlich auch mietrechtliche Bestimmungen zu wahren. Untermiete, sowohl von Seite des Vermietenden als auch von Seite der Mieterin oder des Mieters sollte immer auf Freiwilligkeit basieren, so ist beispielsweise eine Vermittlung in Untermiete über das Wohnungsamt abzulehnen. Für einkommensschwache Haushalte ist eine einfache aber zeitgemäße Ausstattung von Bedeutung, welche die Mietkosten nicht zusätzlich steigen lässt. Das heißt allerdings nicht, dass sanierungs- oder renovierungsbedürftige Wohnungen mit veralteter Ausstattung wie Nachtspeicheröfen angeboten werden dürfen, da sich diese sowohl auf den Wohnkomfort wie auch auf die Nebenkosten auswirken können. Standards wie Reparaturen oder Malerarbeiten, die vor einer Neuvermietung stattfinden, müssen selbstverständlich unabhängig von der Folgemieterin oder dem Folgemieter stattfinden. Insgesamt muss es das Ziel sein, Neben- und Extrakosten zu reduzieren, denn häufig sind diese es, welche die Gesamtkosten in die Höhe treiben. Insbesondere Fahrstühle tragen hierzu bei, deren Finanzierung sollte vor allem bei Nachrüstungen wohldurchdacht sein, da eine pauschale Umlegung auf die Mieterinnen und Mieter für viele Haushalte schwierig ist. In den Bereich Extrakosten fällt auch das Thema Stellplatzmiete. Eine Kopplung von Wohnungen an Stellplätze macht für Haushalte, die überdurchschnittlich oft keinen Pkw haben nur wenig Sinn und verursacht zusätzliche Kosten. Identifikation mit Wohnanlagen stärken In Bezug auf die Wohnanlage ist das wichtigste Kriterium ein ordentliches und gepflegtes Erscheinungsbild. Insbesondere im geförderten Wohnungsbau ist es von hoher Bedeutung auf Unterhalt und Instandhaltung zu achten, da sonst
Konzeptionelle und praxisbezogene Maßnahmen
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Vorbehalte gegenüber diesem noch verstärkt werden. Ideal wäre der Einsatz einer sozialorientierten Gebäudebewirtschaftung. Hausmeisterinnen und Hausmeister könnten in sozialen Themen weiterqualifiziert werden und im Rahmen ihrer Tätigkeit Objekte und Bewohnerschaft betreuen. Dafür wäre es wichtig, dass die Hausmeisterinnen und Hausmeister vor Ort sind, mit den Mieterinnen und Mieter in Kontakt stehen, diese beraten und bei Konflikten frühzeitig vermittelnd tätig werden. Ziel soll ein gutes Miteinander in der Hausgemeinschaft oder der Wohnanlage sein, so dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner mit dieser identifizieren können. Laut dem Handlungsprogramm „Wohnen in München VI“ ist eine sozial und ökologische Hausverwaltung konzeptioneller Bestandteil des geförderten Wohnungsbaus (WIM VI 2016, S. 81). Diese richtet sich bisher allerdings nur an Mieterinnen und Mieter, die vormals in der Wohnungslosenhilfe oder einem Notquartier untergebracht waren. Inwiefern sich dieses Angebot bewährt hat und wo es zum Einsatz kommt, ist nicht bekannt. Zu einer Identifikation mit dem direkten Wohnumfeld können auch Angebote von Seiten des Vermietenden beitragen, wie sie beispielweise die Gewofag anbietet (die Durchführung und Resonanz dieser Angebote kann allerdings nicht beurteilt werden). Die Gewofag verschickt Neumieterpakete, die unter anderem Informationen zum Thema Mobilität enthalten. Weiter werden Mietertage angeboten, an denen verschiedene Beratungs- und Informationsangebote zur Verfügung gestellt werden. Weiter bemühen sie sich um eine Einbindung und Aktivierung der Mieterinnen und Mieter, beispielsweise über eine Art Mieterbeirat oder Gemeinschaftsgärten, die eine Vernetzung untereinander ermöglichen sollen. Das Gefühl sich aktiv einbringen und mitgestalten zu können, kann dazu beitragen, dass die Bindung an den Wohnstandort und die Integration in die Hausgemeinschaft gefördert wird, was sich wiederum positiv auf die Zufriedenheit der Mieterinnen und Mieter auswirkt. Diese Angebote leben allerdings von der Beteiligung der Mieterinnen und Mieter selbst, so dass diese an dieser Stelle aktiv werden müssen. Wohnumfeldqualitäten stärken und Angebote schaffen Im Bereich des Wohnumfeldes wurde in Kapitel 6.2 ausführlich beschrieben, was den Haushalten wichtig ist, vor allem aber auch wie unterschiedlich die Anforderungen der Haushalte sind. Was fast allen gemein ist, ist der Wunsch nach Grünflächen, dabei wurde deutlich, dass auch kleine Flächen an Plätzen oder Straßenrandbepflanzung von den Befragten positiv bewertet werden. Das heißt, auch in Bestandsquartieren kann hier nachgebessert werden. Auch das Thema
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Ableitung von Handlungsstrategien
Versorgung vor Ort ist fast allen Befragten wichtig. Für Bestandsquartiere bedeutet das, dass kleinteiliger Einzelhandel erhalten werden muss, für Entwicklungsgebiete, dass von Anfang an für eine angemessene Versorgung gesorgt werden muss. Allerdings ist, wie in Kapitel 6.2.3 und 6.4.4 erläutert, für einkommensschwache Haushalte nicht nur wichtig, dass Einzelhandel verfügbar ist, sondern auch dessen Preisgestaltung. Flächen für Discounter sollten daher nicht nur am Stadtrand, sondern auch in gut erschlossenen Innenstadtlagen ausgewiesen werden beziehungsweise muss gezielt um deren Ansiedlung geworben werden. Eine Bündelung der Versorgung in Stadtteil(unter)zentren ist sinnvoll, da so Zeit und zusätzliche Wege eingespart werden können und auch der Einzelhandel von Mitnahmeeffekten profitieren kann. Gleichzeitig bilden sich Orte der Begegnung und Vernetzung im Stadtteil. Gemischte Nutzungsstrukturen und qualitätsvolle Stadträume befördern die Interaktion vor Ort und beleben ein Stadtviertel (Leyden 2003, S. 1550). Da sich ein geringes Haushaltsbudget auf unterschiedlichste Bereiche des Alltags und dementsprechend auch auf die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung auswirkt, ist es für einkommensschwache Haushalte von besonderer Bedeutung, auch (bezahlbare) Freizeitangebote vor Ort im Stadtteil zu schaffen. Genauso wie es Ziel ist, Identifikation mit dem kleinräumigen Wohnumfeld zu schaffen, so trägt auch eine Identifikation mit der Wohnumgebung zur Zufriedenheit bei. Dafür spielt auch soziale Infrastruktur für unterschiedliche Gruppen, wie beispielsweise Kindertagesbetreuung, aber auch Angebote für Jugendliche oder Senioren vor Ort, eine Rolle. Auch sozial sollten die Stadtteile gemischt sein, denn wie beschrieben sind negative Ansichten über geförderten Wohnungsbau sehr verbreitet und die wenigsten wollen dort wohnen. Durchmischte Quartiere wirken der Stigmatisierung einzelner Gebiete entgegen. In München hat sich bisher das Modell der Münchner Mischung, das heißt einer breiten Streuung der Einkommensgruppen beispielsweise in Neubaugebieten, bewährt (WIM VI 2016, S. 25). Allerdings sollte in innerstädtischen Bestandsquartieren auch die Sozialstruktur in der Umgebung berücksichtigt werden, so dass die Quote der geförderten Wohnungen in Innenstadtlagen deutlich höher sein kann, um ein größeres Angebot an bezahlbarem Wohnraum in zentralen und gut erschlossenen Lagen zu schaffen. Die unterschiedlichen Anforderungen der Haushalte an ihre Wohnumgebung sind eine Chance für die Entwicklung und Qualifizierung unterschiedlicher Wohnlagen. Einige der Befragten bevorzugen ruhigere Wohnlagen am Stadtrand, so dass auch in diesem Bereich bezahlbare Wohnangebote geschaffen werden sollten. In diesen Lagen ist es besonders wichtig
Konzeptionelle und praxisbezogene Maßnahmen
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auf eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr zu achten. In der Praxis stellt sich die Frage, wo bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird, aufgrund der knappen Flächen und der geringen Nachverdichtungspotentiale allerdings kaum. Verbesserungen in der Prozessqualität zur Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Haushalte Die von den Befragten exemplarisch geschilderten Schwierigkeiten im Suchprozess zeigen, dass es dort viel Verbesserungsbedarf gibt. Das grundsätzliche Problem des zu geringen Angebotes für die hohe Nachfrage kann so zwar nicht gelöst werden, dennoch gibt es Potentiale wie einkommensschwache Haushalte bei ihrer Wohnungssuche besser unterstützt werden könnten. Die folgenden Aufführungen beziehen sich vor allem auf die Situation von einkommensschwachen Haushalten, die beim Wohnungsamt vorgemerkt sind, da deren Lage häufig besonders prekär ist. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Haushalte, die knapp aus dem Hilfesystem der öffentlichen Hand fallen oder beim Wohnungsamt formal nur mit geringer Dringlichkeit eingestuft werden, vor großen Herausforderungen stehen, weil ihnen eben keine Unterstützung zuteilwird. Unterstützungsangebote, insbesondere wenn sie auf eine Befähigung der Haushalte abzielen, sollten sich also nicht nur an die Haushalte mit hoher formaler Dringlichkeit richten, sondern an einen möglichst breiten Kreis. Der Wohnungsmarkt ist in der Wahrnehmung der befragten Haushalte vor allem durch Intransparenz geprägt. Die Wohnungsvermittlung im Wohnungsamt ist, so der Eindruck der Befragten, mit ihren Aufgaben und den vielen Wohnungssuchenden völlig überlastet, dementsprechend fühlen sich die Suchenden nicht betreut, sie wissen nicht an wen sie sich wenden können und können den Stand der Bearbeitung ihrer Unterlagen nicht nachvollziehen. Gleichzeitig haben die Suchenden den Eindruck, dass ihre speziellen Bedürfnisse nicht berücksichtigt werden. Doch gerade in den teilweise prekären Situationen der Befragten bräuchten sie feste Ansprechpartnerinnen oder -partner und eine individuelle Beratung, die auch die Grundlage für eine gute Einbettung und damit eine Normalisierung des Lebens sein kann. Auch wenn es in vielen Fällen keine einfache oder zufriedenstellende Lösung gibt, ist eine verständnisvolle Kommunikation von Seiten des Amtes, die zeigt, dass die Probleme ernst genommen werden, wichtig. Zum Teil liegen Verständigungsschwierigkeiten an der Sprache, denn insbesondere den Schriftverkehr verstehen die Betroffenen oft nicht. Das führt dazu, dass sie Möglichkeiten, die sie vielleicht hätten, nicht nutzen können oder sie überhaupt nicht
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Ableitung von Handlungsstrategien
versuchen von sich aus aktiv zu werden, in der Sorge, die Rückmeldung nicht zu verstehen. In diesem Sinne muss auch vermehrt auf eine Barrierefreiheit der Unterstützungsangebote geachtet werden. Überspitzt und vereinfacht scheint es, als ob parallel zur Vergabe von Wohnungen die Reihenfolge der Wartelistenplätze abgearbeitet wird, ohne auf individuelle Präferenzen Rücksicht zu nehmen. Natürlich ist das dem System und dem Arbeitsvolumen geschuldet, dennoch könnten durch ein besseres Matching von Suchenden zu Wohnungen spätere Probleme zum Teil vermieden werden. Als Beispiel kann Herr P. genannt werden, der am liebsten im Hasenbergl geblieben wäre, während mehrere andere Befragte nur sehr ungerne dort hingezogen wären. Dabei ist klar, dass das insbesondere bei den sehr beliebten Stadtvierteln nicht möglich ist. Ziel sollte es sein, die Wohnungsvergabe, aber auch die Wartezeit davor, möglichst transparent zu gestalten und die Suchenden über den aktuellen Bearbeitungsstand ihrer Unterlagen regelmäßig zu informieren und sich daraus ergebende Möglichkeiten aufzuzeigen. Die Kosten der Unterkunft die von der öffentlichen Hand übernommen werden, orientieren sich zwar am örtlichen Wohnungsmarkt, dennoch schränkt die Kaltmietenobergrenze die Haushalte bei der Suche stark ein. Inwiefern die Höhe der Kaltmietenobergrenze gerechtfertigt ist, kann nur schwer beurteilt werden. Im Bereich der privaten Vermietenden ist es diesen natürlich selbst überlassen, wie sie ihre potentiellen Mieterinnen oder Mieter auswählen, dennoch wäre es wünschenswert, wenn auch hier der Auswahlprozess möglichst transparent und nachvollziehbar gestaltet wird. Weiter ist zu überlegen, ob es nicht auch hier Möglichkeiten gibt, einkommensschwache Haushalte zu stärken. Ein Beispiel wäre eine Art Bürgenmodell, das private Vermietende gegenüber potentiellen Mietverlusten absichert und so die Schwelle senkt, auch an Haushalte mit geringen Einkommen zu vermieten. Teilweise fällt es Einkommensschwachen schwer sich vor einer oder einem Vermietenden zu präsentieren, so dass eine Unterstützung vor und bei Besichtigungen helfen könnte. Auch bei Herrn P. war es mit ausschlaggebend, dass er von einer Mitarbeiterin seiner Beschäftigungsmaßnahme zum Besichtigungstermin seiner Wohnung begleitet wurde. Ein weiterer Punkt ist, dass viele Haushalte ihre Rechte, aber vor allem auch ihre Möglichkeiten gar nicht kennen. Das oben angesprochene Genossenschaftsmodell spielt bei einkommensschwachen Haushalten kaum eine Rolle. Herr J. hat nur zufällig von der Kelly-Stiftung erfahren, über die er später eine Wohnung vermittelt bekommen hat. Information und Empowerment mit dem Ziel, Optionen
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erstens aufzuzeigen und zweitens Betroffene soweit zu befähigen, dass sie sie auch wahrnehmen können, sollte also bei der Entwicklung von Maßnahmen immer mitgedacht werden. 7.2.2 Mögliche Maßnahmen im Handlungsfeld Mobilität Im Handlungsfeld Mobilität wird auf die übliche Trias des nachhaltigen Verkehrs Verkehr vermeiden, Verkehr verlagern, Verkehr verträglich abwickeln (z. B. Gather et al. 2008, S. 64) - in abgewandelter Form zurückgegriffen. Ziel ist es, unnötige Wege und Mobilitätsaufwand zu reduzieren, wobei das als Schnittstellenthema von Wohnen und Mobilität aufgefasst wird. Statt Verkehr zu verlagern und verträglich abzuwickeln sollen die Strategien in diesem Kontext helfen, Mobilität zu erleichtern und sie in diesem Sinne aus der Haushaltsperspektive verträglich in den Alltag zu integrieren, um so zusätzliche Optionen zu schaffen. Die Vorschläge im Handlungsfeld Mobilität basieren überwiegend auf den Schilderungen der Befragten und dem Expertenworkshop, es fließen aber auch allgemeine Erkenntnisse aus dem Forschungsprozess mit ein. Mobilität erleichtern um mehr Möglichkeiten zu schaffen Mögliche Maßnahmen die darauf abzielen der Untersuchungsgruppe die Mobilität zu erleichtern, werden im Folgenden getrennt nach Verkehrsmitteln vorgestellt. Das Thema Fußverkehr wird auch hier wie in Kapitel 6.4.1 nicht gesondert behandelt, sondern fließt in den Punkt Mobilitätsaufwand reduzieren mit ein, beziehungsweise findet sich auch im Abschnitt Wohnumfeldqualitäten stärken wieder. Das Thema Multimodalität scheint im Alltag der befragten Haushalte keine große Rolle zu spielen (siehe auch Groth 2016). Multimodalität sollte eigentlich als Chance begriffen werden, für verschiedene Ziele das jeweils passende Verkehrsmittel wählen zu können (Wojtysiak und Dziekan 2012, S. 14). Diese Wahlfreiheit ist bei vielen einkommensschwachen Haushalten nicht gegeben, da sie ausschließlich auf den öffentlichen Verkehr angewiesen sind. Die Maßnahmen im Bereich Fahrrad und Pkw können aber dazu beitragen, dass die Haushalte künftig mehr Möglichkeiten haben und so für verschiedene Wege das jeweils passende Verkehrsmittel wählen können (Wilde 2015). Bei der Vernetzung unterschiedlicher Verkehrsträger gilt es auf die jeweils unten ausgeführten Bedürfnisse von einkommensschwachen Gruppen zu achten, um auch ihnen die entstehenden Vorteile integrierter Angebote nahe zu bringen.
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Ableitung von Handlungsstrategien
In Kapitel 6.4.4 werden die Befragten in vier grobe Aktivitätsgruppen eingeteilt, welche sich auch in deren Mobilität niederschlagen: 1. 2. 3. 4.
Wenig aktiv, stark routiniert Weniger aktiv, es gäbe noch Kapazitäten Aktiv, durch Alltagsorganisation geprägt Aktiv, vielfältige und variierende Aktivitäten
Entsprechend der beschriebenen Charakterisierung unterscheiden sich auch Maßnahmen, welche die Befragten in ihrer Mobilität unterstützen können. Die Befragten der ersten Gruppe zeigen wenig Eigeninititative, neue Wege oder Mobilitätslösungen würden diese Gruppe kaum ansprechen. Bei diesen Befragten müssten Veränderungen einen echten Mehrwert bieten und entsprechen begleitet werden. Da den Befragten in der zweiten Gruppe eher die Aktitivätsgelegenheiten fehlen, wäre das eine Stelle, an der Maßnahmen ansetzen könnten. Reine Mobilitätserleichterungen wären bei diesen Befragten weniger zielführend. Die Mobilität der Befragten in der dritten Gruppe ist geprägt von Wegen und Zielen, die aus organisatorischen Gründen notwendig sind. Hier besteht in der Regel kaum Spielraum, ob diese Wege zurückgelegt werden. Diese Gruppe würde demnach besonders von Mobilitätserleichterungen profitieren. Für die Befragten in der vierten Gruppe stehen die Aktitivtäten in Vordergrund, dafür nehmen sie einen entsprechenden Aufwand in Kauf. Wenn Wege allerdings schneller oder praktischer organisiert werden können, wären sie vermutlich offen auch neue Wege oder Mobilitätslösungen zu probieren. Dennoch kann insgesamt der Ruf nach einer stärkeren Berücksichtigung von „neuen Mobilitätsformen“ und einer Planung, die sich verstärkt an den „neuen mobilen Lebensweisen“, wie Multilokalität oder dem Bedeutungsgewinn flexibler Beschäftigungsarrangements ausrichtet (z. B. Busch-Geertsema et al. 2016, S. 773), für die im Rahmen dieser Arbeit befragten Haushalte nicht verstärkt werden. Es scheint vielmehr als müsste für diese Haushalte in einem ersten Schritt die Befriedigung grundlegender Mobilitätsbedürfnisse erleichtert werden. Ausbau des öffentlichen Verkehrs Wie in Kapitel 6.4.1 dargestellt, ist der öffentliche Verkehr für einkommensschwache Gruppen das wichtigste Verkehrsmittel. Entsprechend der intensiven Nutzung gibt es in diesem Bereich aber auch einige Punkte, welche die Befragten kritisieren. Viele Kritikpunkte, wie beispielsweise lange Fahrtzeiten oder viele Umstiege,
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lassen sich nicht alleine im öffentlichen Verkehr lösen, sondern ergeben sich vielmehr aus den Lagebeziehungen der Ziele im Alltag. Teilweise sind sie aber auch dem grundsätzlichen Aufbau des radial organisierten öffentlichen Verkehrsnetzes geschuldet, insbesondere im Bereich der S-Bahnen. Fahrgastverbände fordern dementsprechend schon seit vielen Jahren mehr Tangentialverbindungen (z. B. AAN Arbeitskreis Attraktiver Nahverkehr o. J.). Auch die Störanfälligkeit der S-Bahn steht seit vielen Jahren in der Kritik, mit mehr Tangentialverbindungen könnten Fahrgäste auf alternative Routen ausweichen und wären nicht darauf angewiesen immer über die Innenstadt zu fahren. Ebenfalls vor allem bei der S-Bahn, aber teilweise auch bei den Bussen am Stadtrand, wird die in den Augen der Befragten zu geringe Taktfrequenz kritisiert. Verbindungen im 20 Minuten-Takt, insbesondere auch in der Hauptverkehrszeit, schränken die Befragten in ihrem teilweise ohnehin dicht durchgetakteten Alltag zusätzlich ein. Am Stadtrand wird nicht nur der Takt kritisiert, sondern auch die Qualität der Verbindungen, die über die Stadtgrenze hinausgehen. Beispiele wie Frau S. oder Frau M. zeigen, dass Haushalte, die am Stadtrand leben, sich häufig auch in die angrenzenden Kommunen orientieren. Wer aber nicht wie Frau M. auf ein Auto zurückgreifen kann, hat bei den stadtgrenzenübergreifenden Verbindungen wenig Möglichkeiten, zumal die Entfernungen zum Fahrradfahren häufig zu weit sind. Weiterer häufig angesprochener Kritikpunkt ist die Überfüllung der Fahrzeuge und die geringe Sitzplatzverfügbarkeit. Mit einer höheren Taktdichte ist dieses Problem kaum in den Griff zu bekommen, auch dafür müssten weitere Linien, auf die sich die Fahrgäste verteilen, geschaffen werden. Eine weitere Möglichkeit die bestehenden Linien zu entlasten ist das Umlenken der Verkehrsströme auch auf andere Verkehrsträger wie beispielsweise das Fahrrad. Grundsätzlich gilt es den Komfort bei der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel insbesondere für die Fahrgäste, die nicht ausweichen oder ihre Wegebeziehungen verbessern können, zu erhöhen Der Vergleich der verwendeten Tickets unter den Befragten zeigt, dass die IsarCardS an den Bedürfnissen der Zielgruppe vorbeigeht. Das liegt vor allem an der Zeitbegrenzung mit der das Ticket nicht vor 09:00 Uhr morgens verwendet werden kann. Weiter wäre eine Übertragbarkeit innerhalb des Haushalts eine Entlastung für die Haushalte, denn diese wird als einer der Hauptvorteile des Regeltarifs genannt. Für einkommensschwache Haushalte stellt insbesondere der Freizeitverkehr in die Region eine Herausforderung dar, da die Ziele häufig öffentlich nur schlecht und dann mit großem Aufwand oder gar nicht erreichbar sind. Hier könnte ein Ausbau saisonaler Mobilitätsangebote zu Zielen in der Region, wie Seen, Wildparks,
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Ableitung von Handlungsstrategien
Loipen oder Wandergebieten Abhilfe schaffen. Darüber hinaus wäre es sinnvoll, eine Debatte über Sozialtarife auch bei der Deutschen Bahn anzustoßen, welche probeweise an Freizeittickets für die Region getestet werden könnten. Abbau von Hürden zur Fahrradnutzung Wie in Kapitel 6.4.1 erläutert, nutzen nur vier Befragte häufig und vier weitere Befragte gelegentlich das Fahrrad. Es stellt sich die Frage, warum dieser Anteil so gering ist, da Fahrradfahren zumindest auf den ersten Blick unkompliziert und kostengünstig scheint. Auch im Expertenworkshop wurde das Thema Fahrradfahren, beziehungsweise vor allem die Gründe des Nicht-Fahrens, ausführlich unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert. Zunächst spielen der Wohnstandort und die damit zusammenhängenden Bedingungen zum Fahrradfahren eine Rolle. Dezentrale Wohnlagen haben häufig weite Distanzen zu Zielen zur Folge, so dass das Fahrradfahren weniger attraktiv wird. Was die Attraktivität steigern kann, ist eine gut ausgebaute Fahrradinfrastruktur, wie beispielsweise Fahrradschnellwege, auf denen die Fahrenden ohne Ampel zügig längere Strecken in angenehmer Umgebung zurücklegen können. Eine Herausforderung dabei ist sicherlich, dass manche das Fahren in natürlicher Umgebung bevorzugen, während zum Beispiel Frau K. erklärt, sie fahre am liebsten da, wo etwas los ist und sie etwas sehen kann. Der Ausbau der Fahrradinfrastruktur spielt auch unter dem Aspekt Sicherheit eine Rolle, auch hier sind die Anforderungen individuell verschieden, dennoch ist ein Fahrradweg oder ein Schutzstreifen das Mindeste. Nicht alle Befragten die dem Radfahren grundsätzlich aufgeschlossen gegenüberstehen, besitzen ein (funktionstüchtiges) Fahrrad. Die Kosten für das Fahrradfahren können definitiv eine Hürde sein und dürfen nicht unterschätzt werden (siehe auch Trunk 2010). Das beginnt bei den Beschaffungskosten für ein Rad – selbst gebrauchte Räder kosten in der Regel Beträge im dreistelligen Bereich. Dazu kommt die Anschaffung eines Schlosses und eventueller Ausstattung wie beispielsweise eines Fahrradhelms und später Reparatur- und Wartungskosten. Im Regelsatz des ALG II sind monatlich 25,77 Euro für Mobilität vorgesehen, die beispielsweise bereits mit dem Kauf eines Tickets für den öffentlichen Verkehr weit überschritten sind. Zusätzliches Budget für die Nutzung verschiedener Modi ist nicht vorgesehen. Es gibt zwar Einrichtungen, die gebrauchte Fahrräder günstig an Bedürftige abgeben, allerdings ist fraglich wie bekannt und attraktiv diese Angebote sind. Da viele Leute ihr Rad nicht selbst reparieren können, sollte es hier niederschwellige vergünstige Angebote zur Reparatur oder zum Fahrradcheck
Konzeptionelle und praxisbezogene Maßnahmen
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geben. Wichtig für den Fahrkomfort und die Nutzung sind ein guter technischer Zustand des Fahrrads und eine Mindestqualität der Ausstattung. Neben den physischen Hürden spielen aber beim Fahrradfahren, wie in Kapitel 6.4.1 dargestellt, insbesondere mentale Hürden eine Rolle. Für viele Befragte scheint das Fahrrad einfach nicht als Mobilitätsoption mitgedacht zu werden. Hier müssen weiche Maßnahmen ansetzen, die den persönlichen Mehrwert deutlich machen. Während der Pkw und zum Teil auch der öffentliche Verkehr eher mit Komfort assoziiert wird, ist es gut möglich, dass das Fahrrad eher mit sozialem Abstieg und dem Gedanken, dass man sich nichts Anderes mehr leisten kann, in Verbindung gebracht wird. Das scheint überraschend, wird das Fahrrad heute doch häufig auch als teures Lifestyleprodukt vermarktet. Diese möglichen unterschiedlichen Wahrnehmungen gilt es bei der Entwicklung von konkreten Maßnahmen zu berücksichtigen. Eine konkrete Möglichkeit, die Fahrradnutzung zu fördern, ist es das Thema Mobilität regelmäßig als thematischen Schwerpunkt beispielsweise in Stadtteilkulturzentren oder Bewohnertreffs zu setzen und neben Informationen auch Ausprobierangebote anzubieten. Das kann von begleiteten Fahrradtouren zu wichtigen Alltagszielen im Stadtteil bis hin zu Gutscheinen für Fahrradverleihsysteme reichen. Wichtig sind eine intensive Betreuung und ein entsprechendes Budget für die Aktionen, denn ein zentrales Fazit des Workshops war, dass Angebote alleine nichts helfen, sondern dass diese immer entsprechend begleitet und die Menschen an die Angebote herangeführt werden müssen. All das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige einkommensschwache Menschen nie mit dem Fahrrad fahren werden, da sie mit der Organisation ihres Alltags anderweitig beschäftigt sind oder das Radfahren für sie eine zu große Hürde darstellt. Das gilt es zu akzeptieren. Um einen möglichst guten Grundstein für die zukünftige Fahrradaffinität zu legen, kann Mobilitätsbildung insbesondere für Kinder und Jugendliche ein guter Weg sein. Zahlreiche Studien belegen die Bedeutung der Mobilitätssozialisation (z. B. Tully und Baier 2011). Möglich wäre eine von Seiten der Stadt angestoßene Fahrradoffensive in Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen oder Jugendzentren, um die aktuell junge Generation an das Fahrrad heranzuführen und ein positives Bild des Fahrradfahrens zu vermitteln.
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Ableitung von Handlungsstrategien
Alternativen zum privaten Pkw schaffen Ziel einer verträglichen und nachhaltigen Stadtentwicklung sollte es sein, dass möglichst wenige auf die Nutzung des Pkws angewiesen sind. Daher sollten öffentliche Gelder vor allem in Infrastruktur investiert werden, die möglichst vielen zugutekommt. Dennoch sollte der Pkw kein Privileg der Wohlhabenden sein. Im Idealfall verzichten Haushalte auf den Pkw, weil es genug andere Optionen gibt, und nicht, weil sie es aus finanziellen Gründen müssen. Insbesondere im Umland kann ein Auto bei der Bewältigung des Alltags hilfreich sein, wenngleich das Beispiel von Frau H. zeigt, dass es auch ohne geht. Für gelegentliche Fahrten wären niederschwellige Car-Sharing-Angebot oder Gemeinschaftsautos eine mögliche Lösung. Auch für Haushalte in der Innenstadt wäre Car-Sharing eine gute Möglichkeit dem unregelmäßigen Bedarf eines Pkws, beispielsweise für Transportfahrten nachzukommen. Ein erster Schritt wäre es, Lösungen für die Begrenzung des Geschäftsgebietes auf die Innenstadt zu finden. Es ist nachvollziehbar, dass die Nutzungsintensität zum Stadtrand hin sinkt und es schwieriger ist ein attraktives Angebot mit einer hohen Dichte an Fahrzeugen in einem größeren Gebiet aufrecht zu erhalten. Dennoch sollte die Option des Car-Sharings gerade auch in den weniger dichten Gebieten und gemeindeübergreifend ermöglicht werden und entsprechend von den Kommunen bei den Betreibenden eingefordert werden. Gegebenenfalls sind Modelle einer Kombination aus free-floating und stationsbasiertem Car-Sharing ein Ansatz (Bundesverband CarSharing 2015). Um ein flächendeckendes Angebot bereitstellen zu können, wäre ein regional abgestimmtes Konzept erforderlich. Eine gute Möglichkeit den unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten der Haushalte Rechnung zu tragen, wären spezielle Fördermöglichkeiten für einkommensschwache Haushalte oder nach Einkommen gestaffelte Gebühren. Auch kostenfreie Ausprobiermöglichkeiten können eine Möglichkeit sein, Haushalte dabei zu unterstützen, sich diese zusätzliche Mobilitätsoption zu erschließen. Unabhängig davon ob ein eigenes oder ein geliehenes Auto genutzt wird, ist allerdings ein Führerschein notwendig. Auch dieser scheitert beispielsweise bei Frau F. an finanziellen Hürden. Teilweise fühlen sich die Befragten, wenn sie schon lange kein Auto mehr besitzen, nicht mehr sicher genug, um einen (geliehenen) Pkw zu nutzen. Für diese Haushalte wäre eine Förderung zur Erlangung des Führerscheins oder zum Besuch eines Auffrischungskurses hilfreich. Letztendlich kann das auch zu einer Verbesserung der Arbeitsmarktinklusion beitragen.
Konzeptionelle und praxisbezogene Maßnahmen
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Mobilitätsaufwand reduzieren, um die Alltagsorganisation zu erleichtern Wie angekündigt ist das Ziel, den Mobilitätsaufwand zu reduzieren, ein Schnittstellenthema zwischen Wohnen und Mobilität und damit eher aus der Stadtentwicklungsperspektive zu betrachten. In diesem Sinne müssen Maßnahmen im Bereich der Flächennutzungsplanung auch immer mit einer Anpassung der Rahmenbedingungen der Mobilität einhergehen, um die gewünschten Effekte zu erzielen (Wegener 1999, S. 47 bezieht sich hier beispielsweise auf eine Reduzierung der CO2-Emissionen), aber auch andersherum können Maßnahmen im Bereich Mobilität nicht losgelöst von siedlungsstrukturellen Aspekten gedacht werden. Auch die oben genannten Vorschläge, die auf eine Erleichterung der Mobilität zielen, tragen letztendlich dazu bei, den Mobilitätsaufwand zu reduzieren. Im Folgenden geht es jedoch mehr um eine integrierte Betrachtungsweise von Lagebeziehungen im Alltag. Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Nutzungsmischung vor Ort. Diese trägt nicht nur wie oben dargestellt zu einer Identifikation mit dem Wohnstandort bei, sondern hilft auch aufwändige, das heißt beispielsweise zeit- und kostenintensive Wege zu vermeiden und erleichtert es Ziele zu kombinieren. Ein Stichwort ist hierbei das Konzept der Stadt der kurzen Wege, welches seit den 90er Jahren in der Stadtplanung Verbreitung findet (Beckmann et al. 2011, S. 63ff). Auch in der Münchner Stadtplanung wird diesem Gedanken durchaus Rechnung getragen (LHM Beschluss 14-20 / V 02621 2014), so dass die Voraussetzungen in München an vielen Stellen gut sind, insbesondere wenn eine Orientierung hin zu Stadtteilzentren möglich ist. In den Stadtrandgebieten oder in neu entwickelten Gebieten ist eine angemessene Versorgung in der unmittelbaren Umgebung aber nicht immer gegeben. Dazu kommen die beschriebene Bedeutung der Angebotsorientierung und die Notwendigkeit von Preisvergleichen, welche die Auswahl der Geschäfte einschränken. Mit einer Versorgung vor Ort werden Fuß- und Radverkehr als Option gestärkt und so neben der Zeit auch Kosten gespart. Die Gründe warum viele der Befragten selten mit dem Rad unterwegs sind, können nicht ausschließlich, aber doch teilweise auch im räumlichen Umfeld der Wohnung gesehen werden. In Kapitel 6.2 wird dargestellt, dass das wichtigste Kriterium für alle Haushalte die öffentliche Anbindung ist. Statt von der Stadt der kurzen Wege wird im US-amerikanischen Raum eher von transit-oriented-development (tod; Cervero et al. 2002) gesprochen. Dieses Konzept meint eine konzentrierte Stadtentwicklung um die Haltestellen des öffentlichen Verkehrs mit dem Ziel gemischter
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Ableitung von Handlungsstrategien
Nutzungsstrukturen in Laufnähe der Haltestelle. Schnittmengen gibt es auch mit dem Konzept der Walkability (Leyden 2003; Ewing et al. 2005; Ewing und Clemente 2013), bei welchem die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums noch deutlicher im Vordergrund steht. Die Ziele des transit-oriented-developments sind in dichten europäischen Städten vielerorts ohnehin gegeben, weshalb dem Konzept in Europa bislang eher wenig Aufmerksamkeit zuteilwurde. Insbesondere in städtischen Randgebieten können diese Ideen aber aufgegriffen werden, um Gebiete um U- und S-Bahn-Stationen weiterzuentwickeln. Andersherum ist auch bei der Entwicklung neuer Gebiete eine gute Erschließung im öffentlichen Verkehr sicherzustellen. Dabei ist nicht nur auf eine schnelle Verbindung in die Innenstadt zu achten, sondern auch die Möglichkeit der Schaffung von tangentialen Verbindungen mitzudenken. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund wichtig, als dass viele Befragte neben aufwändigen Verbindungen mit langen Fahrzeiten und vielen Umstiegen auch die Überlastung bestehender Verbindungen kritisieren. Gemischte Strukturen sind auch in Anbetracht der Arbeitswege von Bedeutung. Immer mehr große Unternehmen ziehen an den Stadtrand oder aus der Stadt und verlagern damit Arbeitsplätze, was zu höheren Pendeldistanzen für die Beschäftigten führt. Der Verbleib von Einzelhandel und Dienstleistungsbetrieben in den Stadtteilen ist also auch vor diesem Hintergrund zu begrüßen und durch planungsrechtliche Maßnahmen, wie zum Beispiel durch die Ausweisung urbaner Gebiete (§ 6a BauNVO), zu fördern. Grundsätzlich würde eine größere Wahlfreiheit auf dem Wohnungsmarkt dazu führen, dass Haushalte ihren Wohnstandort besser hinsichtlich unveränderbarer Ziele, wie beispielsweise dem Arbeitsstandort anpassen und so ihre Mobilitätsaufwände reduzieren könnten. Bei Zielen, welche die Haushalte nur bedingt selbst beeinflussen können, beispielsweise im Bereich Kinderbetreuung, wäre eine stärkere Berücksichtigung des Wohnstandortes ebenfalls hilfreich. Für stark mobilitätseingeschränkte Personen können aufsuchende Angebote helfen, den Mobilitätsaufwand zu reduzieren. Letztendlich ist der Mobilitätsaufwand zumindest in Teilen auch eine Frage der Information. Je besser die Befragten über Angebote, Standorte oder Mobilitätsoptionen Bescheid wissen, desto eher können sie die für sie geeignetsten Varianten auswählen und ihren Alltag entsprechend darauf abstimmen. In diesem Sinne können niederschwellige Informationsangebote, beispielsweise online, ebenfalls dazu beitragen, Mobilitätsaufwände zu reduzieren.
Konzeptionelle und praxisbezogene Maßnahmen
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7.2.3 Übergeordnete Ebenen, Kooperation und Koordinierung Bei vielen Themen ist es die kommunale Ebene, die das Leben der Menschen unmittelbar mitbestimmt. Der Handlungsspielraum der Kommune ist aber in vielen Bereichen durch die durch übergeordnete Ebenen festgelegten Rahmenbedingungen begrenzt. Im Folgenden sollen die konkreten Maßnahmenvorschläge noch durch einige weitere Aspekte ergänzt werden. Dabei geht es vor allem um die Kooperation und Koordinierung der Akteure untereinander und die übergeordneten Rahmenbedingungen. Hier fließen vor allem Erkenntnisse aus dem Expertenworkshop sowie die Erfahrungen im Forschungsprozess ein. Dabei geht es wiederum eher um den übergeordneten strukturellen Rahmen, der zum Teil die in den vorherigen Abschnitten vorgeschlagenen Maßnahmen, beziehungsweise die umsetzenden Akteure betrifft, und weniger die Haushalte selbst. In der vorliegenden Arbeit liegt der räumliche Schwerpunkt auf dem Raum München, tatsächlich beziehen sich aber viele Ausführungen der Befragten direkt auf die Landeshauptstadt. Inwiefern die Situation in den umliegenden Kommunen anders ist, kann anhand der Erfahrungen im Rahmen des Forschungsprozesses kaum beurteilt werden, zumal die Situation in umliegenden Kreisen und Kommunen unterschiedlich ist. Alle Befragten, die im Umland leben, haben sich ihre Wohnung selbst organisiert, so dass der Kontakt mit dem Wohnungsamt vor Ort keine Rolle gespielt hat. Das weist aber auch auf die Grundproblematik hin, dass Zuständigkeiten an den administrativen Grenzen haltmachen, nicht aber der funktionale Verflechtungsraum. Es ist durchaus davon auszugehen, dass es in Einzelfällen einkommensschwache Familien gibt, die bereit wären auch über die Stadtgrenze hinaus zu ziehen, wenn sie dort mehr Platz und Freiraum sowie eine gute öffentliche Verkehrsverbindung in die Stadt hätten. Solange sie aber in die Zuständigkeit der Landeshauptstadt fallen, werden sie in der Regel auch innerhalb des Stadtgebietes vermittelt. Der Anspruch auf Unterstützung bezieht sich nur auf den aktuellen Wohnort. Eine Vermittlung über die Stadtgrenze hinaus könnte also in Einzelfällen eine Möglichkeit sein, muss allerdings auch mit großer Vorsicht diskutiert werden. Denn selbst wenn die Haushalte „freiwillig“ ins Umland ziehen, so ist die „Freiwilligkeit“ auf dem Münchner Wohnungsmarkt sehr relativ und der Eindruck des „Abschiebens“ einkommensschwacher Haushalte, wenn in der Stadt kein Platz mehr ist, kann sich schnell verfestigen. Dazu kommt, dass der Wohnungsmarkt auch in den Umlandgemeinden angespannt ist und diese in der Regel anteilig nur sehr wenige geförderte Wohnungen vorhalten. Auch hinsichtlich der Zuständigkeiten bei der Unterstützung von Leistungsbeziehenden müsste es
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Ableitung von Handlungsstrategien
eine wesentlich bessere Abstimmung und Kooperation geben. So gibt es beispielsweise nur für Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt und des Landkreises München einen vergünstigten Sozialtarif für den öffentlichen Verkehr (IsarCardS), nicht aber in den anderen angrenzenden Landkreisen. Auch wenn sich viele Herausforderungen in der Stadt München konzentrieren, so ist es dennoch unwahrscheinlich, dass sie sich, insbesondere vor dem Hintergrund des Flächenmangels alleine im Stadtgebiet der Landeshauptstadt lösen lassen. Dementsprechend muss das Thema der interkommunalen Zusammenarbeit künftig eine stärkere Rolle spielen. Wohnstandorte und Arbeitsstandorte sind über Pendelbeziehungen stark miteinander verflochten, neben der Verkehrsinfrastruktur spielt auch die Versorgung mit Gütern, Dienstleistungen und sozialer Infrastruktur über die kommunalen Grenzen hinweg eine immer bedeutendere Rolle. Administrative Gemeindegrenzen verlieren im Alltag der Bevölkerung hingegen an Bedeutung. Dementsprechend klaffen administrative Zuständigkeiten, welche insbesondere für Leistungsbeziehende nach SGB II oder XII wie am Beispiel oben beschrieben eine hohe Relevanz haben, und tatsächlicher funktional verflochtener Alltagsraum immer weiter auseinander. Notwendig wäre weiter eine abgestimmte Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung, die sich letztendlich nur aus einer starken Regionalplanung ableiten ließe (zu den Vorteilen einer Steuerung durch Regionalplanung siehe z. B. Fürst et al. 2003, S. 11ff). Durch die kommunale Planungshoheit als Teil der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) haben die Kommunen in Deutschland viel Spielraum hinsichtlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten. Während das auf der einen Seite eine Chance sein kann, erschwert die kommunale Planungshoheit eine abgestimmte Entwicklung ganzer Regionen, so dass eine Stärkung der Regionalplanung auch hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit und eines federführenden Trägers diskutiert werden müsste. Weiter wäre eine Schärfung der Landesentwicklungsplanung, die eine Entwicklung in die Fläche steuert und stärker begrenzt notwendig, um damit die Grundlagen einer nachhaltigen Verkehrssteuerung zu legen. In der Bundespolitik schienen die spezifischen Herausforderungen von Wachstumsregionen lange eine eher untergeordnete Rolle zu spielen und hinsichtlich des gesamtdeutschen Kontexts als singuläre Probleme eingeordnet zu werden. Erst in den letzten Jahren fanden diese Probleme auch aufgrund der zunehmenden Bevölkerungskonzentration in Städten und beispielsweise über die Beschäftigung mit angespannten Wohnungsmärkten vermehrt Eingang in die bundespolitischen Debatten und haben so auch in der Gesetzgebung wieder an Bedeutung gewonnen.
WOHNEN
Fazit Handlungsstrategien
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Ziele
Maßnahmen
Akteure
Wohnumfeldqualitäten stärken und Angebote schaffen
Versorgungs- und Freizeitmöglichkeiten vor Ort
Stadtplanung
Qualitätsvolle Stadträume sowie Naherholungs-/Grünflächen vor Ort
Stadtplanung
Sozial- und funktional gemischte Stadtteile
Stadtplanung
Verbesserungen in der Prozessqualität zur Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Haushalte Transparenz, Information und individuelle Betreuung durch das Wohnungsamt
Wohnungsamt
Barrierefreiheit und einfache Kommunikation Wohnungsamt und von Unterstützungsangeboten Beratungsstellen Verbessertes Matching von Wohnungen und Wohnungssuchenden
Wohnungsamt
Prüfung der Kaltmietenobergrenze
Kommune/Jobcenter
Informations- und Unterstützungsangebote bei der Wohnungsbesichtigung
Beratungsstellen und soziale Träger
Mobilität erleichtern um mehr Möglichkeiten zu schaffen Ausbau des öffentlichen Verkehrs
Tangentialverbindungen und Entlastungslinien schaffen
Verkehrsunternehmen, Kommunen und Landkreise
Taktfrequenz erhöhen
Verkehrsunternehmen
Stadtgrenzenübergreifende Angebote verbessern
Verkehrsunternehmen, Kommunen und Landkreise
Anpassung des Sozialtarifs und ggf. Ausweitung auf Angebote der Deutsche Bahn
Verkehrsunternehmen, Tarifverbund, Kommunen und Landkreise
Saisonale Mobilitätsangebote in die Region
Verkehrsunternehmen
MOBILITÄT
Abbau von Ausbau der Fahrradinfrastruktur Hürden zur Unterstützung beim Erwerb und Unterhalt Fahrradnutzung von Fahrrädern
Alternativen zum privaten Pkw schaffen
Stadtplanung Kommune, freie und private Träger
Fahrradoffensive in kulturellen und sozialen Einrichtungen
Kommune, freie und private Träger von geeigneten Einrichtungen, ggf. in Kooperation mit Unternehmen
Ausbau sozialverträglicher und gemeindeübergreifender Car-Sharing-Angebote fördern
Kommune in Kooperation mit Unternehmen
Unterstützungsangebote zum Führerscheinerwerb
Kommune, freie und private Träger
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Ableitung von Handlungsstrategien Ziele
Maßnahmen
Akteure
MOBILITÄT
Mobilitätsaufwand reduzieren, um die Alltagsorganisation zu erleichtern
Übergeordnete Ebenen, Kooperation und Koordinierung
Nutzungsmischung stärker forcieren
Stadtplanung
Nutzung von Angeboten vor Ort und Bildung von Wegeketten
Nutzer/-innen
Stärkung einer integrierten Siedlungsund Erschließungspolitik
Stadtplanung
Informationen zu Angeboten, Standorten und Mobilitätsoptionen
Kommune, freie und private Träger, (Verkehrs-) Unternehmen, Nutzer/-innen
Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit und Kooperation
Kommunen
Abgestimmte Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung, Stärkung der Regionalplanung
Kommunen, Regionale Planungsverbände, Landesentwicklungsplanung
Tabelle 06 Übersicht über die Handlungsstrategien
8.
Fazit und Ausblick
Die Ergebnisse der vorliegende Arbeit wurden am Beispiel des Raums München erarbeitet, im Folgenden wird auf deren Übertragbarkeit auf andere Städte und Metropolräume eingegangen. Abschließend werden der methodische Ansatz reflektiert und Grenzen dieser Arbeit sowie verbleibende Fragen aufgezeigt. 8.1
Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Metropolräume
Die Zusammenhänge von Wohnungsmarkt, Wohnstandort und Mobilität wurden am Beispiel von einkommensschwachen Haushalten im Raum München untersucht. Die Untersuchungsgruppe der Einkommensschwachen eignet sich insofern, als dass bei dieser Gruppe viele Probleme besonders konzentriert auftreten und sich teilweise überlagern, wenngleich viele der beschriebenen Herausforderungen nicht ausschließlich einkommensschwache Haushalte betreffen. Der Raum München eignet sich durch die stark angespannte Wohnungsmarktsituation und die hohen Lebenshaltungskosten, welche die Untersuchungsgruppe vor große Herausforderungen stellen und sie in ihrem Handeln stark einschränken. Es stellt sich die Frage, inwieweit sich die Ergebnisse dieser Arbeit auch auf andere Räume übertragen lassen. Viele Städte in Deutschland und Europa verzeichnen wachsende Bevölkerungszahlen. In vielen Gebieten führt das zu einer erhöhten Nachfrage auf den Wohnungsmärkten, welche mit steigenden Mieten einhergeht. Insbesondere gut erschlossene Innenstadtlagen sind in vielen Städten durch hohe Immobilienpreise gekennzeichnet. Häufig führt diese Entwicklung zu Verdrängungseffekten, welche Gegenstand zahlreicher Studien zum Thema Gentrifizierung sind. Die untersuchten Fragen sind also nicht nur für den Raum München von hoher Relevanz, sondern stellen sich so oder in ähnlicher Form auch in vielen anderen Städten. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit beziehen sich auf den Münchner Kontext und die spezifische Situation der befragten Haushalte und lassen sich dementsprechend nicht eins zu eins auf andere Städte übertragen. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die Herausforderungen denen einkommensschwache Haushalte in anderen Städten mit angespannten Wohnungsmärkten begegnen ähnlich sind. Der grundsätzliche Einfluss des Wohnstandortes auf die Mobilitätsoptionen von © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Sterzer, Wohnen und Mobilität im Kontext von Fremdbestimmung und Exklusion, Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-24622-8_8
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Fazit und Ausblick
Haushalten ist, wie in Kapitel 2 erläutert, mehrfach bestätigt worden. Es ist anzunehmen, dass sich ein angespannter Wohnungsmarkt auch in anderen Städten stark auf die Wohnstandortwahl einkommensschwacher Haushalte auswirkt und diese limitiert. Dementsprechend müssen sich die Haushalte am neuen Wohnstandort mit den Gegebenheiten arrangieren und ihren Alltag und damit einhergehend ihre Mobilität neu organisieren. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Wirkfaktoren Fremdbestimmung und Exklusion auch in anderen Städten den Such- und Einbettungsprozess von einkommensschwachen Haushalten beeinflussen, so dass die Haushalte in ihren Handlungs- und Entscheidungsspielräumen stark eingeschränkt sind. Entsprechend müssen sich die Haushalte mit den Konsequenzen arrangieren und entweder aktiv für ihrer Handlungsspielräume eintreten oder ihre Bedürfnisse reduzieren. Die Vorteile in München sind eine relativ gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr und eine nahezu flächendeckende Versorgungsinfrastruktur im gesamten Stadtgebiet, weiter gibt es keine stark segregierten Stadtteile. In Städten in denen diese Ausgangsbedingungen nicht gegeben sind, können die Konsequenzen einer eingeschränkten Wohnstandortwahl für die Alltagsgestaltung und die Mobilität von einkommensschwachen Haushalten weitaus gravierender sein. In diesem Sinne treten zwar die ursächlichen Bedingungen, das heißt hohe Wohn- und Lebenshaltungskosten sowie ein extremer Nachfrageüberhang nach bezahlbarem Wohnraum, in München sehr stark auf, die räumliche Struktur bietet aber derzeit noch verhältnismäßig gute Voraussetzungen, um diese zu kompensieren. Das soll nicht darüber hinweg täuschen, dass die Konsequenzen für den einzelnen Haushalt nicht dennoch gravierend sein können. Da ein weiteres Bevölkerungswachstum prognostiziert wird und sich keine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt abzeichnet, besteht die Gefahr einer zunehmenden räumlichen und sozialen Ausdifferenzierung, die zu einer Verschärfung der Situation für einkommensschwache Haushalte führen kann. Hinsichtlich der Handlungsstrategien lassen sich die identifizierten Handlungsfelder zwar auf andere Städte übertragen, inwieweit die konkreten Maßnahmen aber ähnlich oder anders aussehen müssten, hängt jedoch stark von den Gegebenheiten vor Ort und den bereits zum Einsatz kommenden Maßnahmen ab. Insbesondere die planungsrechtlichen Voraussetzungen und Zuständigkeiten sind in anderen Ländern, auch innerhalb Europas, kaum vergleichbar. Ein stärkeres Bewusstsein über die Bedeutung der Wohnstandortentscheidung für spätere Mobilitätsoptionen und damit die Alltagsgestaltung sowie die eingeschränkten Handlungsspielräume einkommensschwacher Haushalte, sollte aber auch in anderen Gebieten Eingang in Planungsprozesse finden.
Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Metropolräume
273
Ein größeres Angebot an bezahlbarem Wohnraum trägt in jedem Fall zu einer größeren Wahlfreiheit einkommensschwacher Haushalte bei und kann ihnen helfen, ihren Wohnstandort und ihre Bedürfnisse besser aufeinander abzustimmen. Gleichzeitig sollten Wohnumfeldqualitäten gestärkt werden: Gemischte Strukturen und Angebote vor Ort können nicht nur zur Identifikation mit der Wohnlage beitragen, sondern auch Erleichterungen in der Alltagsorganisation mit sich bringen, unnötige Wege vermeiden und Fuß- und Radverkehr stärken. Ganz grundsätzlich kommen ein Ausbau und eine Stärkung des öffentlichen Verkehrs nicht ausschließlich, aber doch in besonderem Maße einkommensschwachen Haushalten zugute. Haushalte sollten ermutigt werden auch das Fahrrad oder Alternativen zum privaten Pkw zu nutzen. Grundsätzlich sollten die Bedürfnisse einkommensschwacher Haushalte ernst genommen werden und niederschwellige Unterstützungsmöglichkeiten sowohl für die Wohnungssuche, als auch im Bereich der Mobilität beziehungsweise der Alltagsgestaltung angeboten werden. Maßnahmen und Angebote, die sich speziell an einkommensschwache Haushalte richten, sollten immer entsprechend begleitet werden. Weltweit konzentriert sich die Bevölkerung zunehmend in Städten und Stadtregionen. Die untersuchten Zusammenhänge und Probleme sind auch für viele andere Länder beispielsweise in Lateinamerika oder Asien von höchster Relevanz, treten dort aber in ganz anderen Dimensionen auf. Auch die Hintergründe und Rahmenbedingungen unterscheiden sich deutlich von der Situation in München, so dass eine Diskussion der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf diese Gebiete im Rahmen dieser Arbeit kaum zielführend wäre. Untersuchungen der Konsequenzen unfreiwilliger Wohnstandortentscheidungen auf die Alltagsgestaltung und Teilhabemöglichkeiten einkommensschwacher Haushalte in weiteren räumlichen Kontexten wären aber sicher lohnenswert und könnten dazu beitragen, das Bewusstsein für diese Zusammenhänge zu stärken.
274
8.2
Fazit und Ausblick
Reflexion des methodischen Ansatzes
Im Folgenden soll der methodische Ansatz der vorliegenden Arbeit reflektiert werden. Der empirische Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf den Problemzentrierten Interviews. Ergänzt wurden diese durch einige überblicksartige Analysen einer quantitativen Onlinebefragung sowie einen Expertenworkshop, in welchem die Ergebnisse diskutiert und potentielle Handlungsempfehlungen erarbeitet wurden. Die rege Beteiligung am Expertenworkshop zeigt die hohe Relevanz der untersuchten Zusammenhänge auch für die Praxis. Der Workshop trug dazu bei, die Bedeutung sozialer Nachhaltigkeit im Bereich Mobilität und die konkreten Herausforderungen einkommensschwacher Haushalte in München stärker in das Bewusstsein der Teilnehmenden zu rücken. Hinsichtlich der Handlungsempfehlungen wurde deutlich, dass von Seiten der unterschiedlichen Disziplinen sehr verschiedene Ansätze verfolgt und unterschiedliche Auffassungen zur Wirksamkeit einzelner Maßnahmen bestehen. In diesem Sinne wird auf die Bedeutung einer themen- und fachübergreifenden Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Handlungsstrategien hingewiesen. Die Auswertungen der WAM-Daten in Kapitel 4 ergänzen das Wissen über einkommensschwache Haushalte im Raum München. In vielen Fällen decken sich die Erkenntnisse mit den Ergebnissen der qualitativen Empirie und können so helfen diese einzuordnen. Demnach sind die drei im Rahmen der qualitativen Erhebung befragten Haushalte, die aus der Stadt ins Umland gezogen sind, keine Einzelfälle, allerdings scheint ein Umzug von der Stadt ins Umland auch für viele Haushalte mit mittleren oder höheren Einkommen eine Option zu sein, wie die Auswertung der WAM-Daten zeigt. Gleichzeitig bestätigt das die Annahme, dass es vielen einkommensschwachen Haushalten besonders wichtig ist, im Stadtgebiet zu bleiben. Beide empirischen Ansätze zeigen, dass das nach wie vor vielen einkommensschwachen Haushalten gelingt, wenngleich sie dafür weitreichende Kompromisse eingehen oder das in einigen Fällen nur über die Unterstützung durch das Wohnungsamt gelingt. Sowohl in der Auswertung der WAM-Daten wie auch in der qualitativen Befragung zeigt sich, dass den Befragten eine öffentliche Verkehrsanbindung sowie Nahversorgung am Wohnstandort sehr wichtig sind. Das entspricht der Erkenntnis, dass Fuß- und Radverkehr im Einkaufsverkehr eine besonders wichtige Rolle spielen. Die Interviews verdeutlichen, dass die Befragten bis auf zwei Ausnahmen überwiegend im öffentlichen Verkehr unterwegs sind, was mit dessen Bedeutung bei der Wohnstandortwahl korrespondiert. Beide empirischen Ansätze zeigen die Tendenz einer schlechteren Pkw-Ausstattung einkommensschwacher Haushalte,
Reflexion des methodischen Ansatzes
275
die Interviews zeigen darüber hinaus, dass die Haushalte unter anderem, aber nicht nur aus finanziellen Gründen auf einen Pkw verzichten. In der WAM-Befragung ist der Anteil des Fahrrads im Modal Split geringfügig höher als bei der Vergleichsgruppe, von den Interviewteilnehmenden nutzen allerdings nur acht Befragte das Fahrrad häufig oder gelegentlich. Das ist möglicherweise der Struktur der Befragten der WAM-Studie geschuldet, die überdurchschnittlich häufig einen akademischen Hintergrund haben und vergleichsweise jung sind. Weiter zeigt sich in beiden Ansätzen, dass die einkommensschwachen Haushalte besonderen Wert auf die Wohnkosten legen. Wie sehr diese die Haushalte limitieren schildern die Befragten im Rahmen der qualitativen Interviews eindrücklich. Die oberste Priorität der Haushalte liegt dementsprechend darauf überhaupt eine bezahlbare Wohnung zu finden, die Bedeutung qualitativer Merkmale der Wohnung oder der Wohnumgebung rückt in den Hintergrund. Diese Tendenz zeichnet sich, wenngleich deutlich weniger stark, auch in den in der Analyse der WAM-Daten ab. Es zeigt sich also, dass quantitativer und qualitativer Ansatz häufig ähnliche Tendenzen zeigen. Während der qualitative Ansatz keinen Aufschluss über das quantitative Vorkommen der beobachteten Erkenntnisse gibt, gelingt es mit ihm besser die zugrundeliegenden Motive und die Implikationen der gewonnenen Erkenntnisse für die Befragten nachzuvollziehen. Der Hauptfokus der vorliegenden Arbeit liegt auf der qualitativen Erhebung, so dass deren Ergebnisse sehr viel detaillierter und ausführlicher vorgestellt wurden. Die große Stärke dieses Ansatzes ist es, die subjektiven Sichtweisen der Befragten sowie die Kausalitäten und Zusammenhänge ihres Handelns nachzuvollziehen. Sehr gut sichtbar wurden die komplexen Abwägungsprozesse innerhalb der Haushalte, wobei ebenfalls deutlich wurde, dass viele Entscheidungen kein Ergebnis dieser Abwägung sind, sondern sehr stark durch die Wirkdimensionen Fremdbestimmung und Exklusion geprägt sind. In diesem Sinne werden individuelle Abwägungsprozesse möglicherweise über- und der Einfluss von unterschiedlichen Restriktionen unterschätzt. So dass der Frage nach den Konsequenzen für die Haushalte und deren Alltagsgestaltung viel mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden sollte. Der Fokus auf einkommensschwache Haushalte, als eine Gruppe, die von den aktuellen Entwicklungen in Wachstumsregionen besonders betroffen ist, hat sich dementsprechend bewährt. Nicht zu vernachlässigen sind allerding die Schwierigkeiten bei der Akquise von Gesprächsteilnehmenden, die bei der gewählten Untersuchungsgruppe besonders groß waren. Vergleichbare Untersuchungen bieten sich vor allem an, wenn Forschende über einen besonderen Zugang zu geeigneten Einrichtungen oder
276
Fazit und Ausblick
Schlüsselpersonen haben. Ohne spezielle Kontakte, wie in diesem Fall, muss entsprechend viel Zeit für die Akquise eingeplant werden. Die Zusammenarbeit mit Interessensverbänden oder sozialen Einrichtungen bietet sich in jedem Fall an. Zur Kontaktaufnahme mit Haushalten mit mittleren bis geringen Einkommen hat sich die Auswahl im Nachgang einer Onlinebefragung bewährt. Voraussetzung ist allerdings die Möglichkeit einer entsprechend scharfen Charakterisierung durch den Fragebogen. Haushalte mit sehr geringen Einkommen sind auch darüber schwierig zu finden. In den Gesprächen selbst zeigten sich die Teilnehmenden sehr offen und interessiert, viele teilten sehr persönliche Informationen. Teilweise entstand der Eindruck, die Teilnehmenden waren froh, dass sich jemand für ihre Erfahrungen interessiert. Ein persönliches Gespräch, in dem sich der oder die Forschende Zeit für die Befragten nimmt und auch auf deren Probleme eingeht erwies sich in diesem Sinne als gut geeignete Erhebungsmethode, um mehr über Handlungsspielräume der Befragten zu erfahren. Durch die ausführlichen Gespräche konnten der jeweils individuelle Hintergrund und der Kontext des Handelns nachvollzogen und die Schilderungen der Befragten eingeordnet werden. Bezüglich der Narrativen Karten waren einige Befragte zunächst skeptisch, jedoch gelang es den meisten Befragten eine Karte ihrer persönlichen Aktivitätenstandorte anzufertigen. Dieses Instrument stellte sich im Nachhinein als sehr hilfreich dar, da es half den Erzählfluss der Befragten zu strukturieren und gleichzeitig dazu beitrug räumliche Bezüge zu den Aktivitäten herzustellen. Die Übersetzung der eingezeichneten Standorte mittels eines geographischen Informationssystems gab zusätzlichen Aufschluss über die individuellen Aktionsradien. Grundsätzlich ist die Erfassung von individuellen Restriktionen, wie beispielsweise Mobilitätseinschränkungen jedoch schwierig. Konkret geht es bei Mobilitätseinschränkungen auch um Wege, die nicht getätigt oder Verkehrsmittel, die nicht genutzt werden, und dementsprechend auch kaum besprochen werden können. Es liegt die Vermutung nahe, dass Probleme auch von Seiten der Befragten häufig, bewusst oder unbewusst, nicht oder nur indirekt angesprochen werden. Das kann beispielsweise auf Gewöhnungseffekte, fehlendes Bewusstsein von Seiten der Teilnehmenden oder aber zu wenig konkrete Nachfragen von Seiten der Interviewerin zurückzuführen sein. Ein Interview ist weiter immer nur eine kurze Momentaufnahme, die vor allem die Themen widerspiegelt, die bei den Befragten zu diesem Zeitpunkt aktuell sind. Eine umfassende Erfassung der Lebenssituation und möglicher Probleme ist im Rahmen eines einmaligen Interviews nicht möglich. Dazu kommt, dass sich Befragte und Interviewerin nicht kennen und gerade Themen wie
Grenzen der Arbeit und offene Fragen
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Einkommen, Stigmatisierung oder Schwierigkeiten in unterschiedlichsten Bereichen sehr persönlich sind. Auch wenn von Seiten der Interviewerin versucht wurde eine möglichst angenehme und offene Gesprächsatmosphäre zu schaffen und den Teilnehmenden die ausschließlich anonyme Verwendung ihrer Daten zugesagt wurde, so ist die Reflexion der eigenen Situation und das Teilen dieser Gedanken eine Herausforderung. Insgesamt entstand der subjektive Eindruck, dass alle Teilnehmenden mit großer Offenheit und Ehrlichkeit über ihre Situation berichteten, was allerdings nicht heißt, dass entscheidende Informationen nicht auch fehlen können oder alle Aussagen richtig sind, beziehungsweise richtig gedeutet werden. Trotz dieser Herausforderungen hat sich die Schwerpunktsetzung auf den qualitativen Forschungsansatz für die Fragestellung und insbesondere auch in Bezug auf die Untersuchungsgruppe bewährt. Die vorliegende Arbeit knüpft damit an die aktuelle Mobilitäts- und Verkehrsforschung an, welche sich zunehmend hin zu stärker räumlich und sozial differenzierten mikroperspektivischen Ansätzen entwickelt. Diese Entwicklung trägt der Erkenntnis über die Bedeutung des individuellen Handelns einzelner Verkehrsteilnehmender Rechnung und führt zu einer Disaggregierung der Daten und einer wachsenden Verbreitung qualitativer Methoden (Scheiner 2016, S. 696). Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit helfen, die Restriktionen der Befragten und ihre spezifischen Entscheidungen im verbleibenden Handlungsspielraum zu verstehen. Weitergehende Kenntnisse dieser Zusammenhänge können nicht nur bestehendes Wissen ergänzen, sondern auch dabei helfen die Bedürfnisse einkommensschwacher Haushalte bei künftigen Planungsprozessen besser zu berücksichtigen. 8.3
Grenzen der Arbeit und offene Fragen
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Zusammenhänge zwischen Wohnungsmarkt, Wohnstandort und Mobilität genauer zu untersuchen. Die dargestellten Ergebnisse zeigen, dass sich ein angespannter Wohnungsmarkt sehr stark auf die Handlungsspielräume von einkommensschwachen Haushalten bei der Wohnungssuche und dementsprechend auch auf den Wohnstandort auswirkt. Letztendlich haben sie damit kaum Möglichkeiten gezielt ihren Anforderungen entsprechende Wohnlagen zu verwirklichen, was sich auf die Alltagsgestaltung und deren Mobilität auswirken kann. Anhand der Interviews ist es schwierig, die beschriebenen Prozesse im Zeitverlauf nachzuvollziehen, da die Befragten nur zu einem Zeitpunkt interviewt werden und den Suchprozess rückwirkend beschreiben. Eine Panelstudie könnte mehr Aufschluss über die langfristigen Folgewirkungen einer eigeschränkten Wohnstandortwahl und eines erhöhten Mobilitätsaufwands geben.
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Fazit und Ausblick
Einkommensschwache Haushalte sind in ihrem Handeln durch Fremdbestimmung und Exklusion eingeschränkt. Das betrifft sowohl den Such- wie auch den Einbettungsprozess am neuen Wohnstandort. Die Anpassungsstrategien der Haushalte bewegen sich zwischen einer Reduktion ihrer Bedürfnisse und aktiven Strategien, um ihre Handlungsfähigkeit auch unter Mehraufwänden zu erhalten. In Kapitel 6.5 wird in diesem Zusammenhang von einem individuell verfügbaren Aufwandspotential ausgegangen, bis zu welchem Mehraufwände in Kauf genommen werden, beziehungsweise ab welchem die Befragten ihre Bedürfnisse reduzieren. Hier könnten weitere Forschungsarbeiten ansetzen, um mehr über die individuellen Voraussetzungen herauszufinden, welche aktive Strategien befördern und so gezielte Unterstützungsangebote zu entwickeln. Die Arbeit widmet sich einer im politischen und wissenschaftlichen Diskurs häufig vernachlässigten Untersuchungsgruppe, den einkommensschwachen Haushalten. Aufgrund der wenigen Untersuchungen, die explizit deren Belange in den Fokus rücken, hat die Arbeit einen explorativen Charakter. Viele der gewonnen Erkenntnisse bestätigen Vermutungen und Bauchgefühle. In diesem Sinne fördert die Arbeit keine völlig unerwarteten Phänomene zu Tage, trägt aber dazu bei, die getroffenen Vorannahmen zu bestätigen, in einen größeren Kontext einzuordnen und anhand der konkreten Schilderungen der Befragten nachzuvollziehen. Wie in Kapitel 2 dargestellt, gibt es zahlreiche Faktoren, die die Mobilitätsentscheidungen von Haushalten beeinflussen, insbesondere Lebensstilen, Mobilitätsbiographien und Mobilitätskulturen kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Allerdings stellen diese Ansätze stark auf die individuelle Wahlfreiheit ab. In den Analysen in Kapitel 6 wurde deutlich, dass es DIE einkommensschwachen Haushalte nicht gibt und dass sich Voraussetzungen und Präferenzen der Befragten deutlich unterscheiden. Gleichzeitig werden sie aber alle durch die Wirkdimensionen Fremdbestimmung und Exklusion in ihrem Handeln eingeschränkt. Entscheidungen und Verhalten sind in diesem Sinne auch Ergebnis der Wirkdimensionen und der daraus resultierenden Anpassungsstrategien. Es wäre daher sinnvoll die genannten Ansätze in Bezug auf eine stärkere Berücksichtigung limitierender Wirkfaktoren weiterzuentwickeln. Auch in Bezug auf die Wohnstandortwahl wäre eine stärkere Verknüpfung von limitierenden Größen mit individuellen Präferenzen und damit einhergehenden Konsequenzen für die Mobilität lohnenswert.
Grenzen der Arbeit und offene Fragen
279
Hinsichtlich der Maßnahmen, die einkommensschwache Haushalte bei der Ausweitung ihrer Handlungsspielräume unterstützen und, sollten Anpassungsstrategien notwendig werden, ihnen die Wahl aktiver Strategien erleichtern, bedarf es ebenfalls weiterer Untersuchungen und gegebenenfalls einer Analyse von BestPractice-Beispielen. In diesem Zusammenhang kann die vorliegende Arbeit als erster Schritt verstanden werden, dem weitere folgen müssen. Es war nicht das Ziel dieser Arbeit, repräsentative oder eindeutig kausale Zusammenhänge aufzuzeigen. Dafür sind die behandelten Themen zu komplex und die gewählten Methoden nicht angemessen. Dennoch gelingt es der Arbeit hoffentlich ein besseres Verständnis über Herausforderungen, denen einkommensschwache Haushalte auf angespannten Wohnungsmärkten begegnen können, zu schaffen und die Sicht einiger Betroffener in aktuelle Debatten einzubringen. Sie kann entsprechend als zusätzliche Argumentationsgrundlage für Maßnahmen dienen. Alles in allem unterstreichen die Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit die Bedeutung integrierter Untersuchungsansätze und vorausschauender Planung, die sich auch an den Bedürfnissen von Gruppen, die sonst weniger im Fokus stehen, orientiert. Denn gerade das Beispiel einkommensschwacher Haushalte zeigt, wie groß die Herausforderungen sind, vor denen diese stehen.
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Beschlüsse des Stadtrates der Landeshauptstadt München
Lebendige neue Stadtviertel und Stadt der kurzen Wege durch belebte und vielfältige Erdgeschosszonen. Beschluss des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung des Stadtrates der Landeshauptstadt München vom 15.04.2015. Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/ V 02621 (2014). Nahverkehrsplan (NVP) der Landeshauptstadt München (LHM). Beschluss des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung des Stadtrates der Landeshauptstadt München vom 08.07.2015. Sitzungsvorlagen Nr. 14 – 20 / V 03603 (2015). WIM VI Wohnungspolitisches Handlungsprogramm „Wohnen in München VI“ 2017-2021. Beschluss des gemeinsamen Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung, des Sozialausschusses, des Kommunalausschusses und des Finanzausschusses des Stadtrates der Landeshauptstadt München vom 26.10.2016. Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/ V 07205 (2016). Flankierende Maßnahmen zur Armutsbekämpfung, Ausweitung bzw. Verstetigung von Zuschussprojekten und Ausbau der Zuschusssachbearbeitung/Projektsteuerung. Beschluss des Sozialausschusses des Stadtrates der Landeshauptstadt München vom 22.06.2017. Sitzungsvorlagen Nr. 14-20 / V 08796 (2017).
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Sterzer, Wohnen und Mobilität im Kontext von Fremdbestimmung und Exklusion, Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-24622-8
Internetquellen
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Rechtsquellenverzeichnis
Bundesrecht Baugesetzbuch (BauGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 29. Mai 2017 (BGBl. I S. 1298). Baunutzungsverordnung (BauNVO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S. 132), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 4. Mai 2017 (BGBl. I S. 1057). Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 6. Juni 2017 (BGBl. I S. 1495). Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438). Mindestlohngesetz (MiLoG) vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348), zuletzt geändert durch Artikel 6 Absatz 39 des Gesetzes vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872). Das Erste Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015), zuletzt geändert durch Artikel 6 Absatz 7 des Gesetzes vom 23. Mai 2017 (BGBl. I S. 1228). Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), zuletzt geändert durch Artikel 158 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626).
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Rechtsquellenverzeichnis
Das Dritte Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594, 595), zuletzt geändert durch Artikel 6 Absatz 8 des Gesetzes vom 23. Mai 2017 (BGBl. I S. 1228). Das Neunte Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) (Artikel 1 des Gesetzes vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046, 1047), zuletzt geändert durch Artikel 165 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626). Das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII) (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022, 3023), zuletzt geändert durch Artikel 13 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234). Wohngeldgesetz (WoGG) vom 24. September 2008 (BGBl. I S. 1856), zuletzt geändert durch Artikel 22 Absatz 4 des Gesetzes vom 11. November 2016 (BGBl. I S. 2500). Landesrecht Verfassung des Freistaates Bayern (BV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 (GVBl. S. 991, 992, BayRS 100-1-I), zuletzt geändert durch Gesetze vom 11. November 2013 (GVBl. S. 638, 639, 640, 641, 642). Durchführungsverordnung Wohnungsrecht (DVWoR) vom 8. Mai 2007 (GVBl. S. 326, BayRS 2330-4-I), zuletzt geändert durch Verordnung vom 9. Dezember 2016 (GVBl. S. 395). Kommunale Satzungen der Landeshauptstadt München Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (WohnraumzweckentfremdungS - ZeS) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30.12.2013 (MüABl. S. 550).
Anhang
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Interviewleitfaden Einleitung Dank, Vorstellung, Grund der Befragung, kurze Information zum Ablauf des Interviews, Bitte um detaillierte Antworten, Versicherung der Anonymität, Einverständnis zur Aufzeichnung, Freiwilligkeit der Angaben, Fragen vorab?
Suchprozess und Wohnungsmarkt Sie sind vor einiger Zeit umgezogen. Was hat sich seit dem Umzug bei Ihnen verändert?
Münchner Wohnungsmarkt Umzugsgrund Dauer der Wohnungssuche
Erzählen Sie doch mal von Ihrer Wohnungssuche!
Was wurde (nicht) gesucht? Wo wurde (nicht) gesucht?
Wohnstandort Erzählen Sie mir doch bitte etwas über die Gegend in der Sie jetzt leben. Mobilitätsverhalten und Aktivitäten
→ Karte
Wenn Sie mal überlegen, was sind Orte wo Sie häufig sind oder wo Sie häufig hin müssen? Können Sie die Orte hier einzeichnen und jeweils ein bisschen was dazu erzählen? Können Sie mir mehr dazu erzählen, warum Sie wann mit welchem Verkehrsmittel unterwegs sind? Gibt es Orte wo Sie gerne öfter hin wollen, die Sie von Ihrer Wohnung aus aber z. B. nur schlecht erreichen oder aus andern Gründen nicht so oft besuchen? Es gibt ja so Tage, an denen man einfach mal zu Hause bleibt. Wie empfinden Sie solche Tage? Vorheriger Wohnstandort Können Sie mir jetzt noch etwas über die Gegend, in der Sie vorher gewohnt haben erzählen? Vorheriges Mobilitätsverhalten und Aktivitäten Wie haben sich Ihre Ziele seit dem Umzug verändert? Wie haben Sie sich früher fortbewegt?
Warum gewählt? Erwartungen erfüllt? Erreichbarkeit? ÖV/IV Bedeutung bei der Suche Arbeitsplatz Häufigkeit Verkehrsmittel Verbinden von Zielen Erreichbarkeit Ticket Warum (nicht)? Änderungswünsche? Kosten/Sicherheit/Aufwand/Takt Mobilitätsdruck? Mobilitätskosten vorher/nachher Geld keine Rolle
Veränderung, was war besser/schlechter? Erreichbarkeit
Bewusste Veränderung? Rolle der Ziele beim Umzug
Biographie Bezug zu München Andere Familienmitglieder
→ Kurzfragebogen Offene Fragen? Fragen nach weiteren InterviewteilnehmerInnen Danke!
Ziele 1 ……………………………...……………..... 2 ……………………………………………….. 3 ……………………..……………………….. 4 …………………..………………………….. 5 ……………………………………………….. 6 ……………………………………………….. 7 ……………………………………………….. 8 ……………………………………………….. 9 ……………………………………………….. 10 …………………………………………….. 11 …………………………………………….. 12 …………………………………………….. 13 …………………………………………….. 14 …………………………………………….. 15 ….……………..………………………….. 16 …………………………………………….. 17 …………………………………………….. 18 …………………………………………….. 19 …………………………………………….. 20 ……………………………………………..