Künstlerisch-pädagogische Weiterbildungen für Kunst- und Kulturschaffende

Der vorliegende Sammelband berichtet von konzeptionellen Ansätzen entwickelter Weiterbildungen für Kunst- und Kulturschaffende. Die Beiträge machen deutlich, dass neben der Vermittlung von methodischen Kenntnissen und theoretischen Grundlagen der Kulturellen Bildung auch die Entwicklung einer pädagogischen Haltung einen Ansatzpunkt bildet, um das neu angeeignete Handlungsrepertoire für die Gestaltung pädagogischer Beziehungen anzuwenden. Der Band bietet die Gelegenheit, sich einen Überblick über unterschiedliche innovative Weiterbildungskonzepte in der Kulturellen Bildung zu verschaffen. Ausführlich diskutieren die Beiträge die konkreten Herausforderungen, die mit der Umsetzung solcher Weiterbildungskonzepte verbunden sind.


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Susanne Keuchel Bünyamin Werker Hrsg.

Künstlerisch-pädagogische Weiterbildungen für Kunstund Kulturschaffende Innovative Ansätze und Erkenntnisse Band 1 Praxis

Künstlerisch-pädagogische ­Weiterbildungen für Kunstund ­Kulturschaffende

Susanne Keuchel · Bünyamin Werker (Hrsg.)

Künstlerisch-pädagogische Weiterbildungen für Kunstund Kulturschaffende Innovative Ansätze und Erkenntnisse Band 1 Praxis

Herausgeber Susanne Keuchel Remscheid, Deutschland

Bünyamin Werker Remscheid, Deutschland

Die in diesem Band dargestellten Weiterbildungskonzepte wurden im Rahmen der Förderrichtlinie des Ministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) „Förderung von Entwicklungs- und Erprobungsvorhaben zur pädagogischen Weiterbildung von Kunst- und Kulturschaffenden“ entwickelt, erprobt und evaluiert.

ISBN 978-3-658-20711-3  (eBook) ISBN 978-3-658-20710-6 https://doi.org/10.1007/978-3-658-20711-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Inhalt            Susanne Keuchel und Bünyamin Werker  Einführung……………………………………………………………………....1 



Spartenspezifische Weiterbildungen………………………...9 

Michael Dartsch und Christian Rolle  KOMPÄD.  Eine Weiterbildung für Komponistinnen und Komponisten.………….…...11    Rose Eickelberg und Barbara Stiller  „Musik erleben. Musik vermitteln“.  Kulturelle Bildung aus musikalischer Sicht an der   Hochschule für Künste Bremen…………………….………………………….27    Kristin Westphal und Teresa Bogerts  „Kunst_Rhein_Main“.  Weiterbildung an der Schnittstelle von Kunst und Bildung   unter besonderer Berücksichtigung zeitgenössischer Theater‐,   Tanz‐ und Performancekunst.…………………………………………………47    Ricarda Schuh  „Kinder_Kunst_Räume“.  Kunst für Kinder wirksam machen……………………………………………71 

   

 

VI 

Inhalt 

Matthias Krebs und Marc Godau  Weiterbildung in der Digitalen Gesellschaft.  Zur Theorie und Konzeption des „Zertifikatskurses   tAPP – Musik mit Apps in der Kulturellen Bildung“………………...………93   



Handlungsfeldbezogene Weiterbildungen……….….….121 

Marion Kußmaul  „aesth paideia“ – Eine dialogisch‐forschende Weiterbildung.  Zur Professionalisierung von Kunst‐ und Kulturschaffenden   für die Kulturelle Bildung in der frühen Kindheit……...…………………...123    Mona Jas und Andreas Knoke   „Kompetenzkurs Kultur – Bildung – Kooperation“………………...………157    Elke Josties, Stefanie Kiwi Menrath und Kristin Werschnitzke   Kulturelle Jugendbildung in Offenen Settings als reflexive Praxis…..……183    Joachim Ludwig, Henry Utech und Markus Tasch   „d.art“ – Pädagogische Weiterbildung vom Standpunkt der Kunst‐   und Kulturschaffenden…………………………………………………...…..205 



Weiterbildungen mit Querschnittsperspektiven………227 

Susanne Keuchel und Nadine Rousseau  „Diversitätsbewusste Kulturelle Bildung“.  Kulturpädagogische Grundlagen für neue Herausforderungen   in einer heterogenen Gesellschaft……………………...…………………… 229      Verzeichnis der Autor*innen…………………………...…………………….253   

Einführung     Susanne Keuchel und Bünyamin Werker        Kulturelle  Bildung  wird  als  ein  unverzichtbarer  Beitrag  zur  Persönlich‐ keitsentwicklung betrachtet, der vor dem Hintergrund einer globalisierten  und  zunehmend  digitalisierten  Welt  für  Kinder  und  Jugendliche  an  Be‐ deutung  gewinnt,  um  den  gesellschaftlichen  Herausforderungen,  z. B.  dem Umgang mit kultureller Vielfalt, begegnen zu können.   Vielen Kulturschaffenden, die Kindern und Jugendlichen die Möglich‐ keit  eröffnen  wollen,  künstlerisch  ästhetische  Erfahrungen  zu  machen,  fehlt es an einer entsprechenden pädagogischen Qualifizierung.   Der vorliegende Band beschäftigt sich mit innovativen Ansätzen, die  Kunst‐ und Kulturschaffenden helfen sollen, sich das notwendige Hand‐ werkszeug für die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im  weiten Handlungsfeld Kultureller Bildung anzueignen.   Die  hier  dargestellten  Weiterbildungsansätze  sind  im  Kontext  einer  Förderrichtlinie  des  Bundesministeriums  für  Bildung  und  Forschung  (BMBF)  zu  Entwicklungs‐  und  Erprobungsvorhaben  zur  pädagogischen  Weiterbildung von Kunst‐ und Kulturschaffenden entstanden. Über drei  Jahre hinweg (2015 bis 2017) wurden pädagogische Weiterbildungen für  Kunst‐  und  Kulturschaffende  entwickelt  und  wissenschaftlich  begleitet.  Die  Weiterbildungsteilnehmenden  waren  Kunst‐  und  Kulturschaffende,  die  neben  ihrer  künstlerisch‐kulturellen  Tätigkeit  mit  Kindern  oder  Ju‐ gendlichen pädagogisch arbeiten wollen. Die Vorstellung der Ergebnisse  der  wissenschaftlichen  Begleituntersuchung  finden  sich  in  Band  2  „For‐ schung zum pädagogisch‐künstlerischem Wissen und Handeln“. Die ent‐ wickelten Weiterbildungskonzepte werden in diesem Band vorgestellt.   Das erste Kapitel dieses Bandes widmet sich spartenspezifischen Weiter‐ bildungen in den Bereichen Musik, Tanz, Theater und Performance.   Im ersten Beitrag stellen Michael Dartsch und Christian Rolle das Weiterbil‐ dungskonzept  KOMPÄD  vor,  das  im  Feld  der  Kompositionspädagogik  © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Keuchel und B. Werker (Hrsg.), Künstlerisch-pädagogische Weiterbildungen für Kunst- und Kulturschaffende, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20711-3_1



Susanne Keuchel und Bünyamin Werker 

einen verstärkten Bedarf an Qualifikation für Komponist*innen in der pä‐ dagogischen  Arbeit  mit  Kindern  und  Jugendlichen  bedient.  Das  vorge‐ stellte Projekt verfolgt dabei vor allem die Ziele, bei den teilnehmenden  Komponist*innen  pädagogisches  Denken  anzuregen  und  die  Fähigkeit  auszubilden, das eigene didaktische Handeln zu reflektieren. Als eine blei‐ bende zentrale Herausforderung beschreiben die Autoren das in der Pra‐ xis spannungsreiche Verhältnis von Kunst und Pädagogik. Dies betrifft auf  der einen Seite, das künstlerische Komponieren im pädagogischen Setting  der Schule als eine fruchtbare Arbeit mit den Schüler*innen zu verstehen,  die  nicht  nur  der  Instruktion  bedarf,  sondern  auch  offene  Erfahrungs‐ räume bietet. Und auf der anderen Seite steht die Herausforderung, das  oft pädagogische enge Setting des Schulunterrichts mit der eigenen künst‐ lerischen  Kompositionsleistung  als  bereichernd  zu  verstehen  und  daran  die Schüler*innen auch teilhaben zu lassen.  Das  Angebot  „Musik  erleben,  Musik  vermitteln“,  das  Rose  Eickelberg  und  Barbara  Stiller  vorstellen,  richtet  sich  in  erster  Linie  an  Berufsmusi‐ ker*innen, die in außerschulischen Handlungsfeldern Kultureller Bildung  tätig  werden  wollen.  Dabei  verfolgt  die  Weiterbildung  im  Wesentlichen  das Ziel, das Handlungsrepertoire der Teilnehmenden für das Handlungs‐ feld der Kulturellen Bildung zu erweitern und neben der Aneignung von  Methoden  der  partizipativen  sowie  praktischen  Vermittlung  musikali‐ scher  Inhalte  einen  reflektierten  Qualitätsbegriff  der  eigenen  künstleri‐ schen  Vermittlungsarbeit  zu  entwickeln.  Beide  Autorinnen  zeigen  auf,  dass der partizipative Ansatz des Weiterbildungskonzepts den Bedarfen  der Musiker*innen durchaus entspricht, die beruflichen Strukturen der Be‐ rufsmusiker*innen aber oft dem Bedürfnis nach Weiterbildung eher ent‐ gegenstehen, anstatt sie zu befördern.   Im Beitrag von Kristin Westphal und Teresa Bogerts bearbeitet das Wei‐ terbildungskonzept „Kunst_Rhein_Main“ die im Projektalltag oft aufkom‐ menden Problematiken einer eher intuitiv vollzogenen Pädagogik seitens  der  Künstler*innen  in  ihrer  künstlerischen  Arbeit  mit  Kindern  und  Ju‐ gendlichen.  Die  Autorinnen  machen  darauf  aufmerksam,  dass  viele  Künstler*innen im Ablauf von Projekten mit der alltäglichen Organisation  oft  allein  gelassen  werden  und  nur  selten  die  Möglichkeit  finden,  die 

Einführung  



eigene Vermittlungsarbeit in einem institutionellen Rahmen zu reflektie‐ ren. Den Ausgangspunkt der Weiterbildung gründen die Auseinanderset‐ zungen  der  Teilnehmenden  mit  zeitgenössischen  künstlerischen  Verfah‐ rensweisen aus Tanz, Theater und Performance mit ihren impliziten bil‐ denden und pädagogischen Dimensionen. Letztlich wird auch die Frage  nach der Qualität künstlerischer Arbeit in Bezug auf das Handlungsfeld  der Kulturellen Bildung gestellt.  Die Weiterbildung „Kinder_Kunst_Räume“ zielt auf professionelle Bil‐ dende Künstler*innen ab, die im Feld der Kulturellen Bildung künstlerisch  mit Kindern arbeiten wollen. Im Rahmen der Qualifizierung geht es vor  allem darum, den teilnehmenden Künstler*innen die Möglichkeit zu bie‐ ten,  sich  im  Praxisfeld  der  Kulturellen  Bildung  zu  orientieren.  Vor  dem  Hintergrund  der  Anerkennung  von  Kindern  als  Expert*innen  ihrer  Le‐ benswelt und den damit verbundenen Bildungsprozessen sollen die Teil‐ nehmenden einen Zugang zu kindlichen Aneignungs‐ und Ausdrucksfor‐ men entwickeln. Ricarda Schuh verweist in ihrem Beitrag auf Herausforde‐ rungen, die eine pädagogische Planung in der Arbeit der Künstler*innen  mit  den  Kindern  mit  sich  bringt.  Schließlich  bleibt  die  Erkenntnis,  dass  nicht  nur  eine  gute  pädagogische  Qualifizierung  der  Künstler*innen  ge‐ winnbringend  ist,  sondern  dass  auch  die  institutionellen  Rahmenbedin‐ gungen eine wertschätzende Atmosphäre zwischen Künstler*innen, Kin‐ dern und Pädagog*innen – in diesem Beitrag sind es Erzieher*innen – ge‐ währleisten müssen. Ein wertschätzendes Setting bildet die Grundlage für  fruchtbare Bildungsprozesse ästhetischer Art.   Der  „Zertifikatskurs  tAPP  –  Musik  mit  Apps  in  der  Kulturellen  Bil‐ dung“ richtet sich an Musiker*innen ohne musikpädagogische Hochschul‐ ausbildung,  die  aber  eine  pädagogische  Tätigkeit  in  der  Kulturellen  Bil‐ dung  anstreben.  Ausgehend  vom  postulierten  Bedeutungswandel  vom  Wissen als Wahrheit hin zum Wissen als Ressource orientiert sich die Wei‐ terbildung am Ansatz der Wissensgenerierung von Gemeinschaften. In ih‐ rem  Beitrag  rekurrieren  die  Autoren Matthias  Krebs und Marc Godau  auf  die Theorie der Community of Practice. Lernen im Kontext von Weiterbil‐ dung findet demnach nicht mehr im formalen Rahmen statt, der eher in‐ tentional,  vorstrukturiert  und  curricular  angelegt  ist.  Das  vorgestellte 



Susanne Keuchel und Bünyamin Werker 

Fortbildungskonzept setzt im Sinne des situierten Lernens auf einen Pro‐ zess  der  zunehmenden  Enkulturation  in  Lerngemeinschaften.  Die  Mit‐ gliedschaft in einer solchen Gemeinschaft ist freiwillig, informell und nicht  fremdbestimmt. Auch wenn der „Zertifikatskurs tAPP“ nicht als Community  of  Practice  bezeichnet  werden  kann,  versucht  er  die  Teilnehmenden  für  eine solche Wissensgemeinschaft zu sensibilisieren. Insofern ist der Kurs  so angelegt, nachhaltige, selbstorganisierte Lernkontexte zu schaffen und  zu fördern, die über den zeitlich begrenzten Kurs hinausgehen. Kursele‐ mente  –  wie  die  Integration  von  Facebook‐Gruppen,  Blogs  als  Tool  zur  Wissensentwicklung und das Barcamp als Plattform für alle – sprechen für  eine  stärkere  Digitalisierung  von  Weiterbildung  im  Kontext  Kultureller  Bildung.   Im zweiten Kapitel versammeln sich Aufsätze zu Weiterbildungen, die  bestimmte  Handlungsfelder  wie  das  der  Ganztagsschule,  der  lokalen  Bil‐ dungslandschaften  oder  in  außerschulischen  Kontexten  kultureller  Ju‐ gendbildung fokussieren.   Wie lassen sich vor dem Hintergrund aktueller Bildungskonzepte der  Frühpädagogik  ästhetisch‐künstlerische  Verfahrensweisen  auf  die  Le‐ benswelten von Kindern angemessen beziehen? Dies ist eine der zentralen  Fragen, die sich Marion Kußmaul im Rahmen ihres Beitrags stellt. Das Kon‐ zept der forschenden Weiterbildung „aesth paideia“ widmet sich in zwei  Weiterbildungsphasen der theoretischen Verortung des eigenen künstleri‐ schen Tuns und der Ableitung didaktisch‐konzeptioneller Relevanzen für  die  kulturelle  Bildungsarbeit  in  frühpädagogischen  Kontexten  (Phase  1)  und  der  konkreten  Planung,  Durchführung  und  Reflexion  ästhetischer  Praxis im Handlungsfeld frühkindlicher Kultureller Bildung in Kinderta‐ gesstätten (Phase 2). Das Verständnis der Aisthesis als Wurzel und Kno‐ tenpunkt kindlicher ästhetischer Erfahrung und künstlerisch‐ästhetischer  Verfahrensweisen  bildet  dabei  die  Basis  für  das  Konzept  „Ästhetischer  Forschung“, das sich wie ein roter Faden durch die gesamte Weiterbildung  zieht. Mit diesem dialogischen Verfahren forschenden Lernens verwehrt  sich  dieses  Weiterbildungskonzept  einer  reinen  Pädagogisierung  der  Künste wie auch einer nur diskursiv, additiv und modularisiert ausgerich‐ teten Weiterbildungsdidaktik. 

Einführung  



Ausgehend von der Feststellung, dass sowohl die Ganztagsschulen als  auch lokale Bildungslandschaften zentrale Handlungsfelder der Kulturel‐ len  Bildung  darstellen,  verweisen  Mona  Jas  und  Andreas  Knoke  in  ihrem  Beitrag auf  die  damit  verbundene  notwendige  Kompetenz  des interpro‐ fessionellen  Arbeitens,  die  Kunst‐  und  Kulturschaffende  in  der  Zusam‐ menarbeit  mit  den  Pädagog*innen  der  genannten  Handlungsfelder  auf‐ weisen sollten. Insofern zielt die Weiterbildung „Kompetenzkurs Kultur –  Bildung – Kooperation“ darauf ab, die Qualität der Kooperation zwischen  Kulturschaffenden  und  Pädagog*innen  bei  gemeinsamen  Bildungsange‐ boten  in  Ganztagsschulen  und  lokalen  Bildungslandschaften  zu  verbes‐ sern. Dabei basiert der Kompetenzkurs auf einem Verständnis von Kultu‐ reller  Bildung  als  Teil  der  Allgemeinbildung,  die  sich  insbesondere  auf  künstlerische Bildungsprozesse bezieht, die sich sowohl im Alltagsleben,  im Rahmen von Subkulturen als auch in professionellen klassischen Kul‐ turorten manifestieren. Am Ende ihres Beitrags formulieren die Autor*in‐ nen  vier  Thesen  zur  zukünftigen  Entwicklung  von  Weiterbildungen  für  Kunst‐ und Kulturschaffende.  Der  Beitrag  der  Autorinnen  Elke  Josties,  Stefanie  Kiwi  Menrath  und   Kristin Werschnitzke widmet sich dem Weiterbildungskonzept ARTPAED,  das sich auf das offene Setting der non‐formalen und informellen kulturel‐ len Jugendbildung ausrichtet. Entgegen dem fachlichen Diskurs in der kul‐ turellen Jugendbildung, der derzeit stärker auf die Kooperation von Kultur‐ schaffenden und Schulen fokussiert, zielt das vorgestellte Weiterbildungs‐ konzept auf den außerschulischen Kontext kultureller Jugendbildung ab,  der  insbesondere  durch  die  freiwillige  Teilnahme  der  Jugendlichen  und  dem kollaborativen Aushandeln von Zielen und Inhalten mit den Jugend‐ lichen gekennzeichnet ist. Gerade die Heterogenität der vielen außerschu‐ lischen Bildungsträger und die damit verbunden institutionellen Rahmen‐ bedingungen  sind  vielen Kunst‐ und Kulturschaffenden  wenig bekannt.  Dies  führt  oft  zu  Missverständnissen  zwischen  den  unterschiedlichen  Akteuren von Projekten wie auch zu Behinderungen von Arbeitsprozes‐ sen während der Projektphasen. Aber auch die Komplexität jugendlicher  Lebenswelten ist vielen Kunst‐ und Kulturschaffenden fremd. Hier setzt  die Weiterbildung an, um den Teilnehmenden den Blick auf die Vielfalt 



Susanne Keuchel und Bünyamin Werker 

jugendlicher  Lebenswelten  und  auf  die  informellen  Orte  jugendlicher  Identitätsentwicklung zu öffnen.   Die Weiterbildung „d.art“ will Kunst‐ und Kulturschaffende dazu be‐ fähigen,  ästhetische  Bildungsprojekte  im  Handlungsfeld  der  Ganztags‐ schule  durchzuführen.  Ausgehend  von  einem  Bildungsverständnis,  das  Bildung als Selbst‐ und Fremdverständigung des Menschen mit sich und  seiner  gesellschaftlichen  Umwelt  deutet,  weisen  die  Autoren  Joachim  Ludwig, Henry Utech und Markus Tasch darauf hin, dass Kunst‐ und Kultur‐ schaffende in der pädagogischen Arbeit mit Schüler*innen bzw. Jugendli‐ chen vor unterschiedlichen Herausforderungen stehen. Hierzu zählt vor  allem  die  Diskrepanz,  zwischen  dem  eigenen  künstlerischen  Anspruch  und  dem  lebensweltlichen  Ausdrucksanliegen  der  Jugendlichen  zu  ver‐ mitteln. Hinzu kommen die institutionellen formalen Rahmenbedingun‐ gen der Ganztagsschule, die oft dem Anspruch der Offenheit von ästheti‐ schen Bildungs‐ und Erfahrungsprozessen entgegenstehen oder diese zu‐ mindest behindern. Das Projekt „d.art“ zielt in seinem Schwerpunkt daher  auf eine intensive Reflexion der teilnehmenden Künstler*innen zu ihrem  biografisch  gewachsenen  Lehr‐Lernverständnis  im  Rahmen  ästhetischer  Bildungsprojekte  und  ihrem  pädagogischen  Selbstverständnis  in  Bezug  auf jugendliche Lebenswelten und dem Projektraum Ganztagsschule ab.   Der  Band  schließt  mit  dem  dritten  Kapitel  zu  einer  künstlerisch‐  pädagogischen Weiterbildung, die auf eine Querschnittsperspektive von  pädagogischen Settings zielt und damit sowohl spartenspezifisch als auch  handlungsfeldorientiert ausgerichtet ist.  Die deutsche Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren grundle‐ gend gewandelt. Sie ist in ihrer Bevölkerungszusammensetzung, in ihren  politischen Einstellungen, in ihren kulturellen Ausdrucksformen deutlich  vielfältiger  geworden.  Prozesse  der  Globalisierung  und  Digitalisierung  von Lebens‐ und Arbeitswelten tun ihr Übriges, die komplexe Vielfalt der  Gesellschaft zu potenzieren. In Ihrem Beitrag stellen Susanne Keuchel und  Nadine  Rousseau  die  Frage,  was  Kulturpädagog*innen,  Künstler*innen  oder Kulturschaffende brauchen, um dem beschriebenen gesellschaftli‐ chen Wandel, der zweifellos auch in den Handlungsfeldern der Kultu‐ rellen  Bildung  wirkt,  in  ihrer  alltäglichen  Arbeit  mit  Kindern  und 

Einführung  



Jugendlichen  angemessen  zu  begegnen.  Auf  die  Beantwortung  dieser  Frage zielt das Fortbildungskonzept „DiKuBi“ („Diversitätsbewusste Kul‐ turelle Bildung“) ab. Im Rahmen der Fortbildung geht es weniger darum,  Methodenbausteine im Umgang mit gesellschaftlicher Heterogenität (Ge‐ schlecht, Kultur, Ethnie, Alter, sexuelle Orientierung usw.) zu vermitteln,  als vielmehr an der Persönlichkeitsentwicklung der Teilnehmenden anzu‐ setzen. Im Fokus stehen Haltung und Positionierung der Teilnehmenden  im Kontext der Diversität. Dabei gilt es auch, die eigene Rolle als pädago‐ gische Begleiter*innen zum Thema zu machen, zu hinterfragen, zu reflek‐ tieren. Insgesamt wird in diesem Beitrag deutlich, dass im Handlungsfeld  der  Kulturellen  Bildung  aufgrund  der  hohen  Komplexität  gesellschaftli‐ cher Pluralitätsprozesse reines Fachwissen nicht mehr ausreicht. Es bedarf  einer diversitätsbewussten Haltung, die Diversität als positive Ressource  begreift und damit offene Möglichkeitsräume schafft, um mit Irritationen  des Differenten produktiv umgehen zu können. Künstlerisch‐ästhetische  Erfahrungen können diesen Lernprozess positiv befördern.   

1   Spartenspezifische Weiterbildungen 

KOMPÄD1  Eine Weiterbildung für Komponistinnen  und Komponisten2    Michael Dartsch und Christian Rolle         

1  

Ziele und Strukturen 

KOMPÄD  ist  ein  Weiterbildungsangebot  für  Komponist*innen,  die  sich  eine zusätzliche Qualifikation für ihre pädagogische Arbeit wünschen. Ge‐ nau  genommen  war  KOMPÄD  ein  Forschungsprojekt  zur  Entwicklung  und Evaluation einer solchen kompositionspädagogischen Weiterbildung.  Unterstützt  wurde  das  Vorhaben  vom  Bundesministerium  für  Bildung  und Forschung (BMBF) im Rahmen einer Förderrichtlinie, mit der die Er‐ arbeitung  und  Erprobung  von  Konzepten  zur  pädagogischen  Weiterbil‐ dung von Kunst‐ und Kulturschaffenden angestoßen werden sollte. In en‐ ger Kooperation haben sich Jeunesses Musicales Deutschland (JMD), die   Universität  zu  Köln,  die  Hochschule  für  Musik  Saar  und  die  Folkwang  Universität  der  Künste  einer  Zielgruppe  zugewandt,  für  die  es  derzeit  kaum pädagogische Qualifikationsangebote gibt. Zumindest in Deutsch‐ land gibt es bislang keinen Studiengang für Kompositionspädagogik, nur  vereinzelt  didaktische  Lehrveranstaltungen  in  Kompositionsstudiengän‐ gen. Die wenigen kompositionspädagogischen Angebote in Musiktheorie‐                                                             1   Der Text stellt die überarbeitete und erweiterte Fassung eines Beitrags dar, der für den  2016 von der Jeunesses Musicales herausgegebenen Band zum Symposion „Musik erfin‐ den“ entstanden ist. Wir danken der Jeunesses Musicales für die Genehmigung der Wie‐ derverwendung.  2   Damit sind auch jene Personen angesprochen, die sich nicht zu den zwei konventionellen  Geschlechtern zählen. Im Folgenden werden die  Geschlechter mit einem Genderstern‐ chen geschrieben. 

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Keuchel und B. Werker (Hrsg.), Künstlerisch-pädagogische Weiterbildungen für Kunst- und Kulturschaffende, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20711-3_2

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Michael Dartsch und Christian Rolle 

Curricula und  die  für  Studierende  musikpädagogischer  Fächer  eher  sel‐ tene  Möglichkeit,  Komponieren  zu  einem  persönlichen  Schwerpunkt  zu  machen,  hinterlassen  eine Lücke,  die  es  nach  Ansicht  der  Kooperations‐ partner zu schließen gilt.3   Kompositionspädagogische  Praxis,  in  der  mit  Kindern  und  Jugendli‐ chen gearbeitet wird, findet sich dagegen an vielen Orten: in Schulen, sei  es im Unterricht oder im Ganztagsbereich, an Konzerthäusern, oft in Ko‐ operationen, selbstverständlich an vielen Musikschulen. Und kompositi‐ onspädagogische  Modelle  für  diese  unterschiedlichen  institutionellen  Kontexte gibt es inzwischen zahlreiche, auch wenn hier und da noch Nach‐ holbedarf bestehen mag, so etwa für den Musikunterricht an allgemeinbil‐ denden Schulen, für den sicherlich noch mehr gute Materialien und Pra‐ xiskonzepte entwickelt werden könnten. Die vielen guten Beispiele zeigen  gleichzeitig,  wie  groß  der  Bedarf  an  spezifischen  Aus‐  und  Weiterbil‐ dungsangeboten ist, die Komponist*innen genauso wie Musikpädagog*in‐ nen  auf  die  Arbeit  mit  komponierenden  und  improvisierenden  Kindern  und Jugendlichen vorbereiten.  Mit  KOMPÄD  soll  ein  Angebot  geschaffen  werden,  das  die  unter‐ schiedlichen Anforderungen in den Blick nimmt, vor die sich pädagogisch  tätige Komponist*innen in verschiedenen Praxiskontexten gestellt sehen,  weil sich das Arbeitsfeld wandelt und weil kaum jemand sein Leben lang  nur in einem Bereich tätig sein wird. KOMPÄD möchte die wechselseitige  Vernetzung zwischen denjenigen, die kompositionspädagogisch arbeiten,  sowie  mit  den  Institutionen,  in  denen  diese  Arbeit  stattfindet,  fördern.  KOMPÄD verfolgt nicht das Ziel, aus Komponist*innen Lehrer*innen zu  machen, aber es möchte sie zum pädagogischen Denken anregen und – in  Verbindung  mit  der  Vermittlung  grundlegenden  methodischen  Hand‐ werkszeugs – die Fähigkeit zur didaktischen Reflexion des eigenen Han‐ delns fördern. KOMPÄD will insbesondere die Herausforderungen in den  Blick nehmen, die sich in der Zusammenarbeit von Kunstschaffenden und                                                              3   Erwähnenswert, weil eine der wenigen Ausnahmen, ist die Möglichkeit an der Folkwang  Universität der Künste, ein zweites Hauptfach mit der Unterrichtsqualifikation „Musik‐ theorie/Kompositionspädagogik“  als  Schwerpunkt  zu  wählen,  siehe  www.folkwang‐ uni.de/home/wissenschaft/studiengaenge/musikpaedagogik, letzter Zugriff: 15.11.2017. 

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Lehrkräften  ergeben,  denn  die  kompositionspädagogische  Praxis  lebt  in  vielen  Fällen  von  genau  dieser  Kooperation.  Es  gibt  deshalb  noch  eine  zweite  Zielgruppe  für  das  Weiterbildungsangebot:  An  den  Workshops  sollten – zumindest phasenweise – auch Lehrkräfte aus Schulen und Mu‐ sikschulen  sowie  Musik‐(Theater‐)pädagog*innen  von  Konzert‐  und  Opernhäusern teilnehmen können, damit ein Austausch stattfinden kann  und die unterschiedlichen Perspektiven zusammenfinden.  Das Entwicklungs‐ und Forschungsprojekt KOMPÄD lief im Septem‐ ber 2014 an und endete nach drei Jahren im August 2017. Bis dahin fanden  zwei Durchläufe mit einmal 14 und einmal neun Komponist*innen sowie  –  beim  zweiten  Mal  –  mit  drei  Musikpädagog*innen  statt.  Ein  For‐ schungsteam übernahm die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation  der Entwicklung und Erprobung. Die Universität zu Köln, von wo aus das  Vorhaben geleitet wurde, stellte dafür zwei Wissenschaftliche Mitarbeite‐ rinnen ein. Verena Weidner war mit für die Entwicklung des Programms  zuständig, Julia Weber für die Evaluation. Beide arbeiteten eng mit dem  Projektteam zusammen, zu dem die beiden Autoren dieses Beitrags gehör‐ ten,  darüber  hinaus  Matthias  Schlothfeldt  und  Philipp  Vandré  sowie   Ulrich Wüster als Geschäftsführer von JMD und damit als Verantwortli‐ cher für die Durchführung des Weiterbildungsangebots an der Musikaka‐ demie Schloss Weikersheim. Dazu kam ein großer Kreis an Expert*innen,  die  die  Entwicklung  und  die  Evaluation  des  Programms  unterstützten.  Das waren in Theorie und Praxis der Kompositionspädagogik erfahrene  Kolleg*innen  wie  Silke  Egeler‐Wittmann  (Leininger‐Gymnasium  Grün‐ stadt),  Matthias  Handschick  (Hochschule  für  Musik  Saar),  Katharina  Loock (ehemals Deutsche Oper Berlin), Renate Reitinger (Hochschule für  Musik Nürnberg), Hans Schneider (ehemals Hochschule für Musik Frei‐ burg) und Johannes Voit (Pädagogische Hochschule Karlsruhe), außerdem  zur  Beratung  in  Fragen  der  Evaluation  Andreas  Lehmann‐Wermser  (Hochschule  für  Musik,  Theater  und  Medien  Hannover)  und  Franziska  Perels (Universität des Saarlands).  Das erste Jahr des Förderzeitraums war der Entwicklung des Weiter‐ bildungsprogramms gewidmet, wofür – neben zahlreichen Arbeitstreffen –  im  Februar  2015  ein  Symposium  in  Saarbrücken  veranstaltet  wurde,  an 

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dem neben Vertreter*innen des genannten Expertenteams auch die Kom‐ ponist*innen  und  Kompositionspädagog*innen  Burkhard  Friedrich,  Da‐ vid  Graham,  Astrid  Schmeling  und  Helmut  Schmidinger  teilnahmen.  Grundlage der Entwicklung war eine sorgfältige Bedarfsanalyse, für die  eine Vielzahl von Interviews mit (potenziellen) Teilnehmer*innen und Ex‐ pert*innen aus dem Feld geführt wurde. Im zweiten und dritten Jahr des  Förderzeitraums  fanden  die  beiden  Erprobungsdurchläufe  des  Pro‐ gramms  statt,  das  begleitend  evaluiert  und  ständig  weiterentwickelt  wurde. Die Weiterbildung erstreckte sich jeweils über etwa acht bis neun  Monate, die drei Phasen umfassten. Der erste Durchlauf begann im Okto‐ ber 2015 mit einer siebentägigen Akademiephase in Schloss Weikersheim,  in  der  die  teilnehmenden  Komponist*innen  in  zahlreichen  Workshops,  Vorträgen,  Diskussionen  und  Reflexionsrunden  zusammenarbeiteten.  Zwischen November 2015 und Mai 2016 fanden Praxisprojekte statt, in de‐ nen die Teilnehmer*innen ganz unterschiedliche kompositionspädagogi‐ sche Vorhaben verfolgten. Bei Bedarf gab es vorab Unterstützung bei der  Suche nach geeigneten Möglichkeiten zur Durchführung, d. h. nach wohn‐ ortnahen  Institutionen  wie  Schulen,  Musikschulen  oder  Musikvermitt‐ lungsprogrammen. Die Planung und Durchführung der eigenen pädago‐ gischen  Praxis  wurden  darüber  hinaus  von  jeweils  einer*m  Mentor*in  –  nach  spezifischer  Ausrichtung  des  Projekts  und  nach  geografischen  Ge‐ sichtspunkten zugeteilt – begleitet. Die erste Erprobung endete mit einer  zweiten, diesmal dreitägigen Präsenzphase im Mai 2016 in der Akademie  in  Weikersheim,  bei  der  Erfahrungsaustausch  und  Reflexion  im  Mittel‐ punkt standen. Die Komponist*innen hatten die Möglichkeit, ein Zertifikat  zu erwerben, mit dem die erfolgreiche Teilnahme bestätigt wird. Gefordert  wurde dafür – neben einer Projektskizze vorab und der geeigneten Doku‐ mentation des durchgeführten Praxisprojekts – eine überzeugende Präsen‐ tation und Reflexion der eigenen Arbeit im Rahmen der zweiten gemein‐ samen Akademiephase. In ähnlicher Weise, mit einigen Änderungen auf  Basis der gründlichen Evaluation des ersten Durchlaufs, begann im Herbst  2016 eine zweite Erprobungsphase. Den Abschluss bildete eine Tagung im  Juni 2017 an der Universität zu Köln, auf der Ergebnisse präsentiert und  Möglichkeiten der Weiterführung diskutiert wurden. 

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Die Projektstruktur von KOMPÄD ist vielschichtig. Dies resultiert aus  der Beteiligung verschiedener institutioneller und persönlicher Koopera‐ tionspartner  aus  Forschung  und  Praxis  an  der  Entwicklung,  Erprobung  und  Evaluation  des  Weiterbildungsprogramms  sowie  der  Symposien.  Darüber hinaus ist die Publikationen der Ergebnisse aufwendig, zum ei‐ nen  durch  die  wissenschaftliche  Begleitung  und  eine  daraus  hervorge‐ hende  Qualifikationsarbeit,  zum  anderen  durch  die  Einbindung  in  das  Netzwerk der BMBF‐Förderrichtlinie, die einen Austausch zwischen den  Projekten  zur  Entwicklung  von  Weiterbildungsprogrammen  für  Kunst‐ schaffende in ganz unterschiedlichen Feldern vorsah. KOMPÄD ist aber  auch deshalb vielschichtig, weil verschiedene Zielgruppen und Praxisfel‐ der angesprochen werden. Es geht um Musikunterricht, musikalische Ar‐ beitsgemeinschaften (AGs)  und Projekte  an allgemeinbildenden  Schulen  und  im  Vorschulbereich;  es  geht  um  Praxen  der  Musikvermittlung  an  Konzerthäusern,  Opernhäusern  oder  im  Rahmen  von  Festivals;  und  es  geht um Elementare Musikpädagogik (EMP), Musiktheorie‐ und Kompo‐ sitionsunterricht an Musikschulen. Kompositionspädagogische Praxisfel‐ der  reichen  von  Klangexperimenten  in  der  Elementaren  Musikpraxis  in  Kindertagesstätten  (Kitas)  und  einfachen  musikalischen  Gestaltungsauf‐ gaben im Musik‐ oder im Instrumentalunterricht über größere Gruppen‐ kompositionen und Songwriting bis hin zum Unterricht im Fach Kompo‐ sition an Musikschulen und Hochschulen. Berührt sind Praxen der Grup‐ penimprovisation genauso wie Response‐Projekte und die kreative Ausei‐ nandersetzung mit Musiktheorie in Schule wie Musikschule. KOMPÄD ist  offen für verschiedene musikalisches Genres und Kompositionstechniken,  richtet  sich  sowohl  an  beruflich  Komponierende  wie  an  Studierende  im  Fach Komposition und bezieht darüber hinaus Musikpädagog*innen ein,  die mit Kindern und Jugendlichen komponieren und das häufig in Koope‐ ration mit professionellen Komponist*innen tun.     

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Inhalte und Arbeitsformen 

Von zentraler  Bedeutung für  das  Projekt  KOMPÄD  war  von  Anfang an  die Frage  nach  den  Inhalten  der  Weiterbildung.  Bei dem  erwähnten  Ex‐ pert*innen‐Symposion zu Beginn der Projektlaufzeit wurden aus diesem  Grund  Kompetenzfelder  gesammelt,  die  spezifische  Anforderungen  an  Kompositionspädagog*innen widerspiegeln. Im Überblick kristallisierten  sich dabei die folgenden Kategorien heraus:  Kompositionsdidaktik im engeren Sinne  An erster Stelle ist das Kompetenzfeld der Kompositionsdidaktik im enge‐ ren Sinne zu nennen. Hierunter fallen kompositionsdidaktische Methoden  ebenso wie ausgearbeitete Modelle – etwa solche, in denen die Erarbeitung  einer Komposition als Prozess mit fest definierten aufeinanderfolgenden  Phasen konzipiert wird. Weiter müssen Kategorien zur Verfügung stehen,  anhand derer Kompositionen in verschiedenen Stadien der Entstehung be‐ urteilt werden können. Schließlich bedarf es geeigneter Ansätze zur Aus‐ differenzierung  und  Weiterentwicklung  kompositorischer  Arbeiten  und  Fähigkeiten.  Didaktische Reflexion  Wer kompositionspädagogisch tätig sein möchte, sollte zur Reflexion aus  einer originär didaktischen Perspektive in der Lage sein. Dies beginnt bei  der Analyse von Rahmenbedingungen und Ausgangssituationen für Un‐ terricht oder Projekte. Sodann gilt es, Ziele in den Blick zu nehmen, wobei  zwischen  kurzfristig  erreichbaren  Zielen  von  Unterrichtseinheiten  und  Leit‐ oder Richtzielen, wie sie etwa für Projektanträge zu formulieren sind,  zu unterscheiden ist. Gewissermaßen den Kern der didaktischen Reflexion  stellt  die  Verlaufsplanung  dar,  die  paradoxerweise  auch  eine  wichtige  Grundlage für das spontane Eingehen auf Erfordernisse der Situation und  der Schüler*innen darstellt. Nicht zuletzt sollte auch die Auswahl von Me‐ dien und Materialien gut überlegt sein.     

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Improvisation/Musizieren  Ein erster Zugang zum Erfinden von Musik kann sich über die Improvisa‐ tion  ergeben.  Elemente,  die  hier  gefunden  und  erprobt  werden,  können  später zur Grundlage von Kompositionen werden. Die Fähigkeit zu musi‐ kalischer Interaktion scheint deshalb auch für Kompositionspädagog*in‐ nen erstrebenswert. So lässt sich die musikalische Produktivität durch Imi‐ tieren, Variieren und Kontrastieren im Medium der Musik wirksam anre‐ gen. Hierfür müssen förderliche Settings inszeniert und Formen der Ge‐ staltung  initiiert  werden.  Basis  der  musizierenden  Annäherung  an  das  Komponieren ist sicher das Hören, das so weit wie möglich entwickelt sein  sollte. Gerade um den Schritt zum Komponieren anzubahnen, sollte das  Musizieren in Phasen der Reflexion münden, für die eine eigene, auf die  musikalischen Prozesse bezogene Reflexionsfähigkeit erforderlich ist.  Berufsfeld  Nicht zu vernachlässigen sind Kenntnisse bezüglich des Berufsfelds. Kom‐ positionspädagog*innen sollten über die Institutionen des Bildungs‐ und  Kulturbereichs  informiert  sein,  mit  denen  sich  Kooperationen  ergeben  können. Sie sollten die Abläufe in diesen Institutionen – etwa in Tagesein‐ richtungen für Kinder und in Schulen – kennen, um diese in der Planung  berücksichtigen  zu  können.  Ebenso  wichtig  scheint  es,  mit  den  spezifi‐ schen Ziel‐ und Altersgruppen in verschiedenen Sektoren des Berufsfelds  vertraut zu sein, um die Herangehensweise entsprechend wählen zu kön‐ nen. Von praktischer Relevanz ist außerdem die Frage der Ansprechpart‐ ner*innen in den verschiedenen Bereichen des Berufsfelds.  Management  Eine erste zentrale Anforderung besteht im Zeitmanagement. Leitend sind  hier Fragen nach Zeitpunkten und Fristen, die die Arbeit gleichsam vor‐ strukturieren. Darüber hinaus ist der gesamte Bereich des Projektmanage‐ ments  entscheidend  für  die  Verwirklichung  kompositionspädagogischer  Pläne und Konzepte. Gerade wenn die Form des Projekts gewählt wird,  stellt  sich  die  Frage  nach  der  Ermöglichung  von  Nachhaltigkeit.  Eine 

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Michael Dartsch und Christian Rolle 

wichtige  Voraussetzung  liegt  in  der  Finanzierung.  Den  Fragen  danach,  welche Quellen und Förderoptionen hier hilfreich sein können, ist daher  genügend Raum zu geben.  Sozialkompetenzen  Mit Menschen zu arbeiten, erfordert in jedem Fall auch Sozialkompeten‐ zen – dies gilt umso mehr, wenn es sich um pädagogische Tätigkeiten han‐ delt. Als Dreh‐ und Angelpunkt auch der kompositionspädagogischen Ar‐ beit erweist sich die Kommunikation. Nur mit dem Medium Kommunika‐ tion  können  Informationen  und  Rückmeldungen  ausgetauscht  werden.  Eine besondere Herausforderung liegt darin, mit Motivation umzugehen.  Gerade auch, wenn es hieran mangelt, werden Fähigkeiten zum sogenann‐ ten Classroom‐Management unverzichtbar. Um die eigene Arbeit weiter‐ zuentwickeln,  ist  es  schließlich  angezeigt,  Distanz  zu  sich  selbst  und  zu  den Schüler*innen einzunehmen, sich selbst, die anderen und die Qualität  der Beziehungen zu reflektieren und die Interaktionen zu analysieren.    Für die Arbeit an den genannten Bereichen kamen in der ersten Akade‐ miephase unterschiedliche Arbeitsformen zum Einsatz:  In Workshops und Seminaren sollten alle Teilnehmenden gemeinsam re‐ levante Erfahrungen machen, Informationen erhalten und Fragen disku‐ tieren.  In Tutorien konnten Einzelne mit Dozent*innen ihrer Wahl in einen Dia‐ log treten und sich beraten lassen (One‐to‐One) oder sich in einer Klein‐ gruppe  zusammenfinden  und  ein  Thema  ihrer  Wahl  mit  jemandem  aus  der Gruppe der Dozent*innen besprechen.  Plenumsrunden ohne ausgesprochenen Lehrstoff dienten der Verarbei‐ tung von Erfahrenem und Gelerntem ebenso wie dem gegenseitigen Aus‐ tausch unter den Teilnehmenden.  Immer wieder stand auch Zeit für die freie Arbeit zur Verfügung, in der  insbesondere die Planung der eigenen Praxisprojekte, die die zweite Phase  der  Weiterbildung  darstellten,  vorangetrieben  werden  konnte.  Es  ergab  sich ein dezidierter Ablaufplan (siehe Abb. 1). 

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In den folgenden sieben Monaten sollten die Projekte, an deren Kon‐ zeption in der ersten Phase gearbeitet worden war, in der Praxis durchge‐ führt werden. Dabei wurden die Teilnehmenden von einer*m Mentor*in  unterstützt und besucht.   In der dritten Phase, die wieder als Präsenzphase an der Akademie in  Weikersheim stattfand, stellten die Teilnehmenden die von ihnen durch‐ geführten Projekte unter Einbezug von Visualisierungen vor. Es schlossen  sich  Roundtable‐Diskussionen  über  aufkommende  Fragen  an.  Wichtig  war im ganzen Verlauf der Weiterbildung die Befragung der Teilnehmen‐ den  zu  Zwecken  der  Evaluation.  Ein  größerer  evaluativer  Block  mit  an‐ schließender Rückmeldung an das Team der Dozierenden sowie die Über‐ reichung der Zertifikate beschlossen die Phase.  Die  Ergebnisse  der  Evaluation  führten  dazu,  dass  in  der  Konzeption  des zweiten Durchgangs der Weiterbildung gegenüber dem ersten Durch‐ gang einige Änderungen vorgenommen wurden. Fielen Einzelberatungen  dort in freie Zeiten, so waren nun eigene Zeiträume im Stundenplan hier‐ für – sowie auch für die im ersten Durchgang in ihrer Bedeutung unter‐ schätzten Peer‐to‐Peer‐Beratungen – vorgesehen. Als Grundgedanke war  der  Stundenplan  nun  dadurch  gekennzeichnet,  dass  Dozierende  die  abends mit den Teilnehmenden im Seminar erarbeiteten Inhalte am nächs‐ ten Morgen in praktischen Übungen umsetzten. Dies galt auch für den Be‐ reich Projektmanagement, in den eine „Schreibwerkstatt“ integriert war.  Zusätzlich gab es Zeiträume für Unterrichtsversuche in der Gruppe, die  dem Üben und Vertiefen dienten. Als inhaltliche Erweiterung kam die mu‐ sikalische Arbeit mit Apps hinzu. In die Planung der dritten Phase wurden  außerdem die Themen „Präsentationen“ und „Kontakte mit Kulturinstitu‐ tionen“  als  Roundtables  aufgenommen.  Insgesamt  konnten  auf  diese  Weise schließlich die Aufgaben und Rollen innerhalb des Teams der Do‐ zierenden von vornherein klarer definiert werden, was sich als wichtiger  Faktor für den Erfolg herausstellte.     

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Michael Dartsch und Christian Rolle 

Tag 1  16:00 bis 18:00 Uhr 

Begrüßung und Einführung, Kurzvorstellung der Praxisprojekte,  Evaluation I 

19:00 bis 21:00 Uhr 

Komponieren in der Gruppe I – spielerische Warm‐ups 

Tag 2  09:00 bis 10:00 Uhr 

Freies Arbeiten 

10:00 bis 12:00 Uhr 

Allgemeindidaktische Kategorien und ihre Bedeutung für  die Kompositionspädagogik 

16:00 bis 18:00 Uhr 

Freies Arbeiten mit Tutorium/Forum 

19:00 bis 21:00 Uhr 

Leiten offener Gestaltungsprozesse 

Tag 3  09:00 bis 10:00 Uhr 

Freies Arbeiten 

10:00 bis 12:00 Uhr 

Feedback zu Schülerarbeiten 

14:00 bis 16:00 Uhr 

„Response“ – Kompositionsprojekte an der Schnittstelle  zwischen Konzerthaus und Schule 

16:00 bis 18:00 Uhr 

Grundlagen des Projektmanagements 

19:00 bis 21:00 Uhr 

Freies Arbeiten mit Tutorium/Forum 

Tag 4 

 

09:00 bis 10:00 Uhr 

Freies Arbeiten 

10:00 bis 12:00 Uhr 

Komponieren mit Kindern – Teil I 

14:00 bis 16:00 Uhr 

Komponieren mit Kindern – Teil II 

16:00 bis 18:00 Uhr 

Freies Arbeiten mit Tutorium/Forum

19:00 bis 21:00 Uhr 

Eigene und fremde Werke als Ausgangspunkte 

 

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KOMPÄD  

Tag 5  09:00 bis 10:00 Uhr 

Freies Arbeiten

10:00 bis 12:00 Uhr 

Kompositionspädagogik: Berufsfelder – Ziele – Beispiele 

14:00 bis 16:00 Uhr 

Unterrichtsevaluation durch Schüler*innen 

16:00 bis 18:00 Uhr 

Freies Arbeiten mit Tutorium/Forum 

19:00 bis 21:00 Uhr 

„Echtzeitkomponieren I“ 

Tag 6  09:00 bis 10:00 Uhr 

Freies Arbeiten 

10:00 bis 12:00 Uhr 

„Echtzeitkomponieren II“ 

14:00 bis 16:00 Uhr 

Sprechen über Musik

16:00 bis 18:00 Uhr 

Freies Arbeiten mit Tutorium/Forum (Thema: „System Schule“) 

19:00 bis 21:00 Uhr 

„Klang und Mikroskop“ – Hörübungen –   Arbeit mit Schulklassen 

Tag 7  09:00 bis 10:00 Uhr 

Freies Arbeiten 

10:00 bis 12:00 Uhr 

„Vom inneren Ohr zur Hand“ – Zeichen und Symbole –  Von der Arbeit mit Grundschüler*innen 

14:00 bis 16:00 Uhr 

Freies Arbeiten mit Tutorium/Forum (Thema: „Erfahrungen mit  ‚Response‘‐Projekten“, Evaluation II) 

16:00 bis 18:00 Uhr 

Präsentation der Projekt‐Konzepte 

19:00 bis 21:00 Uhr 

Präsentation der Projekt‐Konzepte 

Tag 8  09:00 bis 10:00 Uhr 

Informationen und Erfahrungen aus den Projekten   „Klangnetze“ und „Klangserve“ 

10:00 bis 12:00 Uhr 

Rückblick und Ausblick 

Abb. 1: Ablaufplan der ersten Akademiephase von KOMPÄD 

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Michael Dartsch und Christian Rolle 

Herausforderungen und offene Fragen 

Die  Erfahrungen  aus  der  bisherigen  Projektarbeit  machen  deutlich,  vor  welchen  Herausforderungen  und  offenen  Fragen  die  Entwicklung  eines  kompositionspädagogischen Weiterbildungsprogramms steht. Einige Ge‐ sichtspunkte seien an dieser Stelle hervorgehoben. 

3.1 

Kunst und Pädagogik 

Immer wieder erweist sich das Verhältnis von künstlerischer und pädago‐ gischer Praxis als spannungsreich. Da sind auf der einen Seite die häufig  erwähnten Schwierigkeiten, das kreative Moment kompositorischen Han‐ delns in seinem Verhältnis zu musikalischem Handwerkszeug und musi‐ kalischen  Traditionen  zu  lehren,  d. h.  Wege  zu  finden,  die  Vermittlung  von musikbezogenem Wissen und kompositionstechnischen Fähigkeiten  mit der Offenheit für Neues und der Möglichkeit zur Verletzung von Re‐ geln  zu  versöhnen.  Das  ist  eine  Herausforderung,  die  auch  dann  noch  bleibt, wenn das pädagogische Setting von Aufgaben der Prüfung und Be‐ notung entlastet wird. Lösungen zu finden und die Spannung für die kom‐ positionspädagogische Praxis, in der beides zusammenkommt, erträglich  zu  machen, wird  manches  Mal – das zeigen  die  Bedarfsanalyse und die  Erfahrungen in der Erprobung – durch Vorstellungen und Überzeugun‐ gen erschwert, die insbesondere für Kooperationsprojekte ein großes Prob‐ lem darstellen. Gemeint sind Bilder von Pädagogik, an denen (nicht nur)  Komponist*innen bewusst oder unbewusst ihr Handeln in solchen Vorha‐ ben ausrichten. Dazu gehören oft genug die Vorstellung von Unterricht als  Instruktion – ohne Möglichkeiten der Differenzierung – und die Annahme,  dass  mit  Störungen  zu  rechnen  ist.  Die  Aufgabe  der  Pädagog*innen  be‐ steht darin, angesichts unkalkulierbarer Ereignisse die Kontrolle zu behal‐ ten. Die gelegentlich tiefsitzende Vorstellung, dass Schule und Unterricht  wohl notwendige, aber eigentlich „abscheuliche“ Mechanismen der Frei‐ heitsberaubung  sind,  führt  zu  zwiespältigen  Verhaltensmotivationen:  gleichzeitig nicht so wie Pädagog*innen sein zu wollen und doch genauso  handeln zu müssen. Der Druck, als Künstler*in und Laie pädagogisch tätig  sein  zu  müssen,  kann  dazu  führen,  dass  die  Betroffenen  die  ungeliebte 

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Rolle  der  Lehrkraft  besonders  gründlich  zu  erfüllen  versuchen.  Umge‐ kehrt finden sich unter den Lehrkräften häufig genug Vorstellungen von  (richtigem, künstlerischem) Komponieren nicht so sehr als Tätigkeit, son‐ dern als Ereignis der Inspiration, die wenigen besonders begnadeten Men‐ schen vorbehalten ist. Musikpädagog*innen halten in solchen Fällen das,  was sie selbst tun, wenn sie Töne zu Musikstücken zusammensetzen, nicht  wirklich für Komponieren, weshalb sie es im Grunde ihren Schüler*innen  noch  weniger  zutrauen  und  kompositionspädagogische  Anstrengungen  letztlich für vergeblich, bestenfalls für das Bemühen um die Entdeckung  von Talenten halten. Die Konflikte, die sich aus diesen Bildern von Kunst  und Pädagogik und den gegenseitigen Zuschreibungen in Kooperations‐ projekten ergeben, lassen sich erahnen. 

3.2   Zielgruppen und Organisationsstrukturen  Wer braucht eine kompositionspädagogische Weiterbildung? An wen soll  sich das Angebot richten? In den Erprobungsphasen war die Zahl der Be‐ werber*innen geringer als ursprünglich erwartet, obwohl die Teilnahme  kostenlos war. Die Gründe lassen sich durch die Evaluation nur schwer  erfassen, da Interviews vor allem mit den Teilnehmenden geführt wurden.  Ein  Grund  lag  vermutlich  in  der  Organisation  der  bundesweit  ausge‐ schriebenen  Weiterbildung  mit  zwei  längeren  Präsenzphasen  in  Schloss  Weikersheim, das nicht leicht zu erreichen ist. Ein offeneres Modell, das  verschiedene frei wählbare Bausteine zu verschiedenen Zeiten an unter‐ schiedlichen  Orten  vorsieht,  könnte  die  Nachfrage  erhöhen.  Eine  solche  Modularisierung  des  Curriculums  erfordert  allerdings  eine  strukturelle  Modifikation  und  braucht  institutionelle  Partner  an  anderen  Orten.  Die  Frage ist, ob und wie eine Erweiterung der Zielgruppe, die mit dem kom‐ positionspädagogischen  Weiterbildungsangebot  angesprochen  werden  soll, zu leisten wäre und welche Konsequenzen das für Inhalte und Orga‐ nisation haben müsste. In den Erprobungen waren die Teilnehmer*innen  fast ausschließlich Komponist*innen sogenannter Neuer Musik, d. h. Ab‐ solvent*innen  (oder  noch  Studierende)  von  Kompositionsstudiengängen  an deutschen Musikhochschulen, in denen die Tradition des Komponie‐ rens von Kunstmusik fortgeschrieben wird und in denen die Produktion 

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Michael Dartsch und Christian Rolle 

von Popmusik, Songwriting oder das Schreiben von Filmmusik eine un‐ tergeordnete Rolle spielen. Das ist die Gruppe von Kunstschaffenden, aus  der sich das Personal für kompositionspädagogische Projekte an Schulen,  Musikschulen und Konzerthäusern in den vergangenen Jahrzehnten vor‐ wiegend  rekrutierte.  Um  ein  fruchtbares  Weiterbildungsangebot  zu  ent‐ wickeln, mit dem auch andere Komponierende und kreativ Musikschaf‐ fende, wie Songwriter*innen, Musikproduzent*innen oder DJ*anes, ange‐ sprochen  werden  könnten,  wäre  eine  erneute  Bedarfsanalyse  nötig;  und  sollte es tatsächlich einen Bedarf geben, bliebe die Frage, ob und ggf. wie  ein Angebot für eine so heterogene Zielgruppe mit derart unterschiedli‐ chen Voraussetzungen, Kompetenzen und Interessen geschaffen werden  kann.  Zweifellos ein Desiderat ist der Einbezug von Musikpädagog*innen in  ein künftiges Weiterbildungsangebot zur Kompositionspädagogik. Denn  nicht nur Komponist*innen profitieren von pädagogischer Qualifizierung  und  Professionalisierung,  sondern  umgekehrt  gibt  es  zahlreiche  Musik‐ lehrkräfte (an allgemeinbildenden Schulen wie an Musikschulen), die un‐ erfahren sind im Komponieren und in dieser Hinsicht eine Weiterbildung  gebrauchen  können.  Da  die  BMBF‐Förderrichtlinie,  die  dem  KOMPÄD‐ Vorhaben zugrunde lag, in erster Linie die pädagogische Weiterbildung  von Kunstschaffenden im Auge hatte, wurden Musikpädagog*innen nur  eingeschränkt berücksichtigt, d. h. nur wenige hatten die Gelegenheit, an  der jeweils ersten Akademiephase teilzunehmen. Schon dabei zeigte sich  der Gewinn, den beide Seiten davon haben, wenn sie nicht in unterschied‐ lichen Angeboten fort‐ und weitergebildet werden, sondern sich gemein‐ sam qualifizieren. Auf diese Weise ließe sich nicht nur die Zielgruppe für  ein künftiges KOMPÄD‐Angebot erweitern und die Nachfrage erhöhen,  sondern  es  entstünde  die  Möglichkeit,  schon  im  Rahmen  der  Weiterbil‐ dung in multiprofessionellen Teams die Fähigkeiten zur Kooperation zu  erwerben, die in kompositionspädagogischen Projekten an Schulen, Mu‐ sikschulen oder Konzerthäusern so wichtig sind.  Zu überlegen ist schließlich, ob das Angebot nicht am besten als Wei‐ terbildungsstudiengang an einer Musikhochschule etabliert werden sollte.  Damit könnten die vorhandene Expertise, das damit verbundene Ansehen 

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bei  den  Zielgruppen  und  die  bestehenden  Organisationsstrukturen  ge‐ nutzt  werden.  Andererseits  wären  die  Vorgaben  für  die  Akkreditierung  von  Studiengängen,  etwa  im  Hinblick  auf  Modularisierung  und  die  Vergabe von Leistungspunkten, zu beachten.  

3.3 

Nachhaltigkeit 

KOMPÄD ist durch den Wunsch nach Nachhaltigkeit geprägt, d. h. es soll  eine Fortbildungsmaßnahme etabliert werden, die sich über den Förder‐ zeitraum  hinaus  als  fester  Bestandteil  des  Qualifizierungsangebots  für  Kunst‐ und Kulturschaffende (und darüber hinaus) bewährt und die Ko‐ operation  der  im  Feld  der  Kompositionspädagogik  Tätigen  verbessert.  Doch  selbst  wenn  die  wissenschaftlich  begleitete  Konzeptentwicklung  und die Evaluation einen bleibenden Beitrag zur kompositionspädagogi‐ schen Theoriebildung und Modellentwicklung leisten können, ist doch al‐ les andere als klar, ob die finanziellen Ressourcen vorhanden sein werden,  das  Weiterbildungsprogramm  längerfristig  in  einer  Qualität,  in  einem  Umfang  und  zu  einem  Preis  anzubieten,  der  es  der  häufig  freiberuflich  und  ohne  sichere  regelmäßige  Einkünfte  tätigen  Zielgruppe  ermöglicht  teilzunehmen.  Nach  Abschluss  des  Förderzeitraums  durch  das  BMBF  muss  ein  nicht  nur  qualitativ gutes, sondern auch  einigermaßen kosten‐ günstiges Angebot konzipiert werden und es müssen Institutionen gefun‐ den werden, die bereit sind, das Vorhaben dauerhaft mit zu unterstützen,  beispielsweise  durch  die  Vergabe  von  Stipendien.  JMD  ist  zwar  an  den  Zielen  der  Maßnahme  interessiert,  doch  fehlen  in  Weikersheim  die  Res‐ sourcen, um das Weiterbildungsangebot KOMPÄD zu einer eigenen dau‐ erhaften  Aufgabe  zu  machen.  Möglicherweise  kann  eine  der  beteiligten  Hochschulen, vielleicht die Folkwang Universität der Künste in Essen, die  Aufgabe  übernehmen  und  einen  Weiterbildungsstudiengang  ins  Leben  rufen,  der  gemeinsam  mit  den  KOMPÄD‐Partnern  konzipiert  und  über  den Förderzeitraum hinaus kooperativ fortgeführt wird. Auf diese Weise  ließe sich  das  Programm  konzeptionell weiterentwickeln, an sich verän‐ dernde Bedingungen anpassen und – hoffentlich – finanzieren. Zur Nach‐ haltigkeit  des  Vorhabens  sollen  in  jedem  Fall  die  „Handreichungen  zur  Kompositionspädagogik“  beitragen,  die  frei  online  zugänglich  sind 

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Michael Dartsch und Christian Rolle 

(www.kompaed.de)  und  unter  Federführung  der  Universität  zu  Köln  auch in Zukunft weiter ergänzt werden.   

„Musik erleben. Musik vermitteln“  Kulturelle Bildung aus musikalischer Sicht an   der Hochschule für Künste Bremen    Rose Eickelberg und Barbara Stiller          Das  Weiterbildungsangebot  „Musik  erleben.  Musik  vermitteln“  richtet  sich an Berufsmusiker*innen mit künstlerischen Studienabschlüssen, die  in Berufsorchestern, ‐chören und freischaffenden Ensembles arbeiten. Die  Teilnehmer*innen werden für das Feld der Kulturellen Bildung im Bereich  der außerschulischen Musikvermittlung und Konzertpädagogik weiterge‐ bildet. Dabei handelt es sich um eine Zielgruppe, für die der Besuch be‐ rufsbegleitender Weiterbildungen eher untypisch ist. Ziel ist es, mit dem  Angebot einen umfassenden kulturellen Bildungsprozess anzustoßen, der  das Bewusstsein und damit das Handlungsrepertoire der Teilnehmenden  verändert und erweitert. Das kulturelle Bildungsverständnis ist in diesem  Fall  ein  vorrangig  partizipatives:  Im  Sinne  einer  sich  kontinuierlich  auf‐ wärts schraubenden Qualitätsentwicklungsspirale ist das Weiterbildungs‐ konzept so angelegt, dass alle an dem Projekt Beteiligten – Lehrende, Ler‐ nende, wissenschaftlich Begleitende und das Publikum als Partner – von  Beginn an aktiv in den Qualitätsentwicklungsprozess involviert sind. Im  Rahmen  ihrer  individuellen  Möglichkeiten  sind  die  Weiterbildungsteil‐ nehmenden  aufgefordert,  sich  aktiv  einzubringen,  Verantwortung  zu  übernehmen und damit zur Schließung einer signifikanten Forschungslü‐ cke beizutragen. Aus ihren Antworten lassen sich Ergebnisse von gleich‐ ermaßen hoher bildungs‐ wie arbeitsmarktpolitischer Relevanz für die Be‐ rufsgruppe der künstlerisch Musikschaffenden erwarten.     

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Keuchel und B. Werker (Hrsg.), Künstlerisch-pädagogische Weiterbildungen für Kunst- und Kulturschaffende, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20711-3_3

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Rose Eickelberg und Barbara Stiller

Voraussetzungen und Strukturen für die Entwicklung  von Angeboten der Kulturellen Bildung und   Musikvermittlung für Berufsorchester, Chöre   und professionelle Ensembles 

Strukturen für die wissenschaftliche Weiterbildung existieren für berufs‐ tätige Musiker*innen bislang nahezu nicht. Umso komplexer gestaltet sich  die  Frage,  wie  sich für dieses  Teilnehmerfeld  verlässliche Strukturen  im  Sinne  des  berufsbegleitenden  lebenslangen  Lernens  für  den  Bereich  der  außerschulischen Musikvermittlung und Konzertpädagogik schaffen las‐ sen. Als Zielgruppe wurden professionelle Musiker*innen angesprochen,  welche  spielend,  singend  oder  dirigierend  in  Berufsorchestern,   ‐chören  und  freischaffenden  Ensembles  künstlerisch  arbeiten.  Alle  Pro‐ band*innen zeichnet ein Interesse an vermittelnden Tätigkeiten zwischen  dem künstlerischen Geschehen auf der Bühne und den musikalischen Be‐ dürfnissen  einzelner  Publikumszielgruppen  aus.  Ihrer  konzeptionellen  Fantasie  sind  keine  Grenzen  gesetzt.  Ob  individuell  als  Einzelperson  in  Kooperation  mit  Bildungsinstitutionen  wie  Kindertageseinrichtungen  (Kitas)  oder  Schulen  oder  im  Rahmen  der  Tätigkeit  für  einen  ganzen  Klangkörper – im Zentrum steht jeweils der Dialog zwischen Bühne und  Auditorium,  zwischen  Künstler*innen  und  Publikum.  Wie  sich  die  Idee  entwickelt hat und welche Hürden es zu überwinden galt, um ein spezifi‐ sches Angebot für diese Zielgruppe zu schaffen und damit einen Beitrag  zur Kulturellen Bildung für das Genre der sogenannten klassischen Musik  zu leisten, soll im Folgenden detaillierter beschrieben werden. 



Potenzielle Arbeitsfelder 

Junge Menschen aktiv ins künstlerische Geschehen einbinden und die Fas‐ zination von live gespielter Musik für alle erlebbar machen – fast alle pro‐ fessionellen Orchester, Chöre und Ensembles haben inzwischen musikver‐ mittelnde Angebote in ihrem ständigen Programm. Spätestens seit „Rhythm 

„Musik erleben. Musik vermitteln“  

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is it!“1, dem durch die Kinoverfilmung bekannt gewordenen Tanzprojekt  der Berliner Philharmoniker, boomen partizipative Angebote und Projekte  zur  Musikvermittlung.  Im  interdisziplinären  Dialog  entstehen  sparten‐ übergreifend neue konzeptionelle Ansätze für Kitas und Schulen, für The‐ ater und Konzerthäuser bis hin zu Stadtteilzentren, Off‐Kultureinrichtun‐ gen  oder  Flüchtlingsunterkünften. Neben  den  klassischen Formaten  wie  Kinder‐, Jugend‐ und Familienkonzerte, Schulprojekte und Workshops zu  spezifischen Themen, wie beispielsweise Improvisationsorchester, Musik  erfinden oder Instrumentenbau, gibt es je nach Institution und Region ein  breites Spektrum an Angeboten. Diejenigen, die dafür verantwortlich agie‐ ren, sind jedoch nur in den seltensten Fällen hauptberufliche Konzert‐ oder  Musikpädagog*innen. Viele der Aufgaben werden von Musiker*innen der  Orchester und Ensembles selbst übernommen. Entscheidende konzeptio‐ nelle Impulse kommen dabei seit Ende der 1990er Jahre aus dem anglo‐ amerikanischen Raum. Hier sind die Orchester bereits seit den 1960er Jah‐ ren  unter  dem  Druck  finanzieller  Kürzungen  verstärkt  gefordert,  durch  spezielle Angebote in Form sogenannter Outreach‐Projekte in die Kultu‐ relle  Bildung  breiter  Bevölkerungsschichten  zu  investieren.  Leonard   Bernstein gilt hier mit seinen Konzerten für junge Leute als Pionier unter  den  Musikvermittler*innen  (vgl.  Bernstein  1963  und  1999).  Trotz  dieser  Impulse können die Konzepte und Formate nur als Anregung dienen und  hierzulande  nur  selten  eins  zu  eins  übernommen  werden.  Dies  unter‐ streicht der Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung Gerald  Mertens (2005: 11) in seinem Artikel „Zwischen Bildungsauftrag und Fei‐ genblatt“:   „Man  kann  zwar  bestimmte  Modellstrukturen  oder  Programme  übernehmen  und  weiterentwickeln,  entscheidend  jedoch  ist  und  bleibt  die  konkrete  Umsetzung  vor  Ort, im Konzert, im Workshop, in der Schule oder im Kindergarten. Und genau an  dieser entscheidenden Schnittstelle ist eine ebenso große Professionalität gefragt wie  bei der eigentlichen künstlerischen Darbietung: Es geht immer mehr um professio‐ nelle Musikvermittlung.“  

                                                            1   Tanzprojekt der Berliner Philharmoniker mit dem Choreografen Royston Maldoom, das  im April 2003 aufgeführt wurde. Der gleichnamige Film erschien 2005 in den Kinos. 

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Rose Eickelberg und Barbara Stiller

Dabei dürfte die Betonung auch im Jahre 2018 nach wie vor auf „immer  mehr“ liegen, denn die Notwendigkeit und der Wert einer entsprechenden  Professionalisierung  sind  damals  wie  heute  nicht  allen  Beteiligten  und  Verantwortlichen hinreichend bewusst. 



Strukturelle Herausforderungen 

Oftmals  ist  die  Umsetzung  von  Projekten  der  Musikvermittlung  für  die  Institutionen und Ensembles mit nur knappen zur Verfügung stehenden  Kapazitäten  eine  Herausforderung.  Dies  bestätigt  erneut  Mertens  (2012:  554‐555):   „Nur ausnahmsweise wurden für diese neuen Aktivitäten auch neue Personalstellen  z. B. für Konzertpädagogen und Musikvermittler bzw. Sachkostenbudgets geschaf‐ fen. Vereinzelt werden Programme über Sponsoren, Freundesvereine, philharmoni‐ sche Gesellschaften o. ä. finanziert. Ganz überwiegend jedoch erfolgt die Finanzie‐ rung aus den laufenden Etats der Konzerthäuser und Orchester sowie unter hohem,  teilweise  ehrenamtlichen  Einsatz  einzelner,  besonders  engagierter  Orchester‐  und  Ensemblemitglieder. Gerade bei den Orchestern spielen die Musiker in der Musik‐ vermittlung die Hauptrolle.“ 

Solange der Kulturauftrag der Orchester auf politischer Ebene nicht offizi‐ ell mit einem entsprechend erhöhten Finanzbudget zu einem Bildungsauf‐ trag erweitert wird, werden mangelnde Ressourcen in den Kulturinstitu‐ tionen ein Grundproblem für Aktivitäten der Musikvermittlung und Kul‐ turellen Bildung bleiben. Die Zuschreibung und damit auch die Zuteilung  finanzieller Mittel müsste in Bezug auf kooperative schulische Aktivitäten  zwischen  einem  Orchester  und  einer  Schule  in  der  geteilten  Verantwor‐ tung zwischen den Ministerien von Kultur und Bildung und in Bezug auf  frühkindliche Bildung zwischen den Ressorts Kultur, Familie, Kinder und  Soziales  liegen.  Ein  oftmals  ohnehin  finanziell  nur  knapp  ausgestatteter  Kulturetat  wird  diesen  Anforderungen  allein  nicht  zuverlässig  gerecht  werden können. Vor diesem Hintergrund sehen sich die Geschäftsleitun‐ gen der Chöre und Orchester gezwungen, alle Aufwendungen für Mu‐ sikvermittlung aus dem regulären Betrieb querzufinanzieren, sofern sie  nicht  –  wie  beispielsweise  die  Berliner  Philharmoniker  –  über  externe 

„Musik erleben. Musik vermitteln“  

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Drittmittelgeber und institutionsnahe Sponsoren für diesen Bereich verfü‐ gen. Dies schließt auch Aufwendungen für Fort‐ und Weiterbildung der  Ensemblemitglieder ein bzw. aus. Hinzu kommt, dass das Arbeitsfeld der  Musikvermittlung und Konzertpädagogik für Musiker*innen noch ein re‐ lativ  junges  ist  und  entsprechende  Strukturen  zur  berufsbegleitenden  (Weiter‐)Qualifizierung  sowohl  in  den  Kulturinstitutionen  selbst,  aber  auch in den Ausbildungsinstitutionen wie den Musikhochschulen noch im  Aufbau  begriffen  sind.  Bei  der  Einstellung  neuer  Musiker*innen  spielen  diese Qualifikationen an Theatern und Orchestern bis heute nahezu keine  Rolle, und nur langsam entwickelt sich der Bereich der Musikvermittlung  an den Musikhochschulen zu einem verbindlichen Bestandteil des Curri‐ culums grundständiger Studiengänge. 



Weiterbildung für Musiker*innen: Strukturelle   Voraussetzungen müssen geschaffen werden 

Da der „Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern“ (TKV) Tätigkei‐ ten, die über das reine Spielen eines Instruments hinausgehen, bisher we‐ der definiert noch vorsieht, ist es für fest angestellte Musiker*innen vieler‐ orts nahezu unmöglich, sich in der Kulturellen Bildung zu engagieren und  dafür zu professionalisieren.2 Sowohl die berufliche Weiterbildung gene‐ rell als auch die vielfältigen und in der Vorbereitung zeitintensiven Tätig‐ keiten  der  Musikvermittlung,  wie  beispielsweise  Konzeptionierung,  Gruppenanleitung, Moderation etc., sind tariflich weder vorgesehen noch  etabliert. Bislang beruhen sie vielerorts auf rein ehrenamtlichem Engage‐ ment und persönlichem Einsatz über den ohnehin vollen Arbeitsalltag mit  unregelmäßigen Dienstzeiten hinaus. Lifelong Learning findet für Musi‐ ker*innen  traditionell  und  bis  heute  rein  individuell  in  Form  täglichen   Übens im künstlerischen Bereich, nicht jedoch für Vermittlungstätigkeiten  statt.  Zwar  bieten  die  Landes‐  und  Bundesakademien  für  Kulturelle                                                              2   Vgl.  die  alphabetische  Aufstellung  der  deutschen  Kulturorchester  mit  Einstufung  und  Planstellen  unter:  www.dov.org/tl_files/pdf/Infos%20&%20Publikationen/Einstufung%  202012.pdf, letzter Zugriff: 15.11.2017. 

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Rose Eickelberg und Barbara Stiller

Bildung  ein  breites  Kursangebot  zu  diversen  Themen  rund  um  aktuelle  musikpädagogische  Fragestellungen  und  musikpraktische  Tools  an,  ge‐ dacht ist dieses Kursangebot aber vor allem für Lehrpersonen, Instrumen‐ talpädagog*innen,  Chorleiter*innen  und  Kita‐Personal.3  Dies  sind  Ziel‐ gruppen,  unter  denen  sich  professionelle  Orchestermusiker*innen  ohne  pädagogische Grundqualifikation nicht wiederfinden, sodass solche inho‐ mogenen  Ausschreibungen  den  spezifischen  Anforderungen  der  hoch  spezialisierten Musiker*innen nur schwer gerecht werden. Explizite Kurse  zur Musikvermittlung oder Kurse für Mitglieder von Orchestern, Chören  oder für Solist*innen spielen kaum eine Rolle.  Berufsbegleitende  Studiengänge  rund  um  das  weite  Feld  der  Musik‐ vermittlung existieren im deutschsprachigen Raum zwar vereinzelt, sind  aber nicht mit dem beruflichen Alltag von Musiker*innen in professionel‐ len Ensembles zu vereinen, denn nur wenige können es sich leisten, aus  freiwilligem Interesse die Arbeitszeit so zu reduzieren, dass sie an einem  solchen Studium teilnehmen können. Auch die Möglichkeit des staatlich  anerkannten Bildungsurlaubs ist weder allen Musiker*innen bekannt noch  bei den Arbeitgebern etabliert. Darüber hinaus führt das Thema bei den  Verantwortlichen  innerhalb  der  Kulturbetriebe  oft  zu  massiven  Wider‐ ständen  innerhalb  des  Kollegiums  und  der  Geschäftsleitung.  Zu  Zeiten  knapper Kassen besteht finanziell und personell kein Spielraum, um Kol‐ leg*innen, die sich für das Feld der Musikvermittlung weiterbilden möch‐ ten und dafür Bildungsurlaub beanspruchen müssen, zu ersetzen. Weiter‐ bildung  wird  als  individuelle  Aktivität  gesehen  und  gilt  damit  als   „Luxus“, der im privaten Bereich bzw. in der Freizeit stattzufinden hat.  Die Anerkennung der Bremer Weiterbildung als Bildungsurlaub ver‐ schaffte einigen Musiker*innen erst die nötige gesetzliche Grundlage bei  der  innerbetrieblichen  Durchsetzung.  Dennoch  muss  erwähnt  werden,  dass  die  Bedingungen  für  die  Genehmigung  und  Anerkennung  von   Bildungsurlaub in jedem Bundesland anders sind und längst nicht allen  Teilnehmenden wurde die Weiterbildung betriebsintern als solcher an‐ erkannt.4  Obwohl  ein  Großteil  der  Teilnehmenden  erwähnte,  sich                                                              3   Vgl. www.musikakademien.de, letzter Zugriff: 15.11.2017.  4   Vgl. www.kmk.org, letzter Zugriff: 15.11.2017. 

„Musik erleben. Musik vermitteln“  

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unentgeltlich,  in  der  Freizeit,  zum  Wohle  des  Betriebs  und  aus  gesell‐ schaftlichem Engagement weiterbilden zu wollen, mangelte es Einigen an  Unterstützung in ihrem beruflichen Umfeld. In vielen Fällen bezahlten sie  selbst  private  Aushilfen  für  den  Orchesterdienst,  um  die  Weiterbildung  besuchen zu können und beklagten Schwierigkeiten, zu den Präsenzzeiten  freigestellt  zu  werden.  Neben  den  strukturellen  Herausforderungen  be‐ richteten mehrere Teilnehmende der Bremer Weiterbildung „Musik erle‐ ben. Musik vermitteln“, dass es innerhalb ihres Kollegiums sowie aufsei‐ ten ihrer Hausleitung grundlegende Akzeptanzprobleme gab. Hier scheint  die Bandbreite zwischen Ablehnung und Unterstützung innerhalb der ein‐ zelnen Kulturinstitutionen sehr groß zu sein. Manche fördern und unter‐ stützen  das  Engagement  der  Musiker*innen  auf  alle  erdenkliche  Weise,  andere behindern es oder versagen die Unterstützung soweit, dass ein En‐ gagement nicht möglich ist. Kollegiale Unterstützung und Solidarität sind  für das Thema jedoch von essenzieller Bedeutung, um berufliche Weiter‐ bildung in Kulturinstitutionen zukünftig überhaupt etablieren zu können.  Die wichtige Rolle der Leitungsebenen belegt auch die Studie „Exchange.  Die  Kunst  Musik  zu  vermitteln“  von  Constanze  Wimmer  aus  dem  Jahr  2010:   „Einig sind sich alle Interviewten, dass ein wesentlicher Faktor für den Erfolg eines  Musikvermittlers oder Konzertpädagogen die uneingeschränkte Wertschätzung der  Leitung ist. Sie wird als wesentlicher eingeschätzt als die Positionierung innerhalb  des Organigramms [eines Orchesters, Anm. R. E., B. S.]: Es ist immer die Frage, was  von oben gewollt wird. Für ein Orchester der Stadt muss klar sein, dass Musikver‐ mittlung gewollt wird, und dieser Wille muss auf allen Ebenen präsent sein, von der  Intendanz über den Chefdirigenten bis zu den Musikern – dann ist Musikvermitt‐ lung viel leichter zu transportieren.“ (Wimmer 2010: 80) 

Die Kausalitäten sind einfach aufzuzeigen: Kann ein Orchester seine Ver‐ ankerung in der Stadt und Region durch Angebote in der Musikvermitt‐ lung stärken, wächst auch die innerbetriebliche Unterstützung.5 Dass eine                                                              5   So fördern die Orchestermitglieder mit ihrer Mitgliedschaft in der Philharmonischen Ge‐ sellschaft  des  Philharmonischen  Orchesters  Lübeck  auch  Musikvermittlungsprojekte  und  ‐aktivitäten  und  unterstützten  die  Teilnahme  eines  Orchestermitglieds  an  der  

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gute  Verankerung  des  eigenen  Betriebs  in  der  Region  wichtiger  denn  je  geworden ist, dringt vielerorts erst nach und nach zu den Musiker*innen  selbst durch. Bisher waren für den Bereich, der vielerorts auch Education‐ Abteilung oder Audience Development genannt wird, allein die Leitungs‐ ebenen  zuständig  und  verantwortlich.  Ein  Bewusstsein  dafür,  selbst  für  sein Publikum mitverantwortlich zu sein, ist aber Voraussetzung und Mo‐ tivation,  sich  weiterzubilden,  um  bei  konzertpädagogischen  Angeboten  dieselbe  Professionalität  erreichen  zu  können  wie  auf  dem  Konzertpo‐ dium. „Wenn es nicht fürs Orchester reicht, kannst Du ja immer noch un‐ terrichten“ – dieses Bonmot sitzt noch immer fest in den Köpfen vieler Be‐ rufsmusiker*innen. Kein Wunder also, dass diejenigen, die sich in der Mu‐ sikvermittlung  engagieren,  mitunter  wenig  Zuspruch  bei  einigen  ihrer  Kolleg*innen finden (vgl. Eickelberg 2012: Kap. 3.4.3). Es gibt auch gegen‐ teilige Beispiele, in denen Musiker*innen von allen Seiten Unterstützung  erfahren.  Immer  mehr  Orchester  bilden  professionelle  „Education‐ Teams“, die zumindest partiell auch fortgebildet werden sollen. Zu dieser  Entwicklung beigetragen haben sicherlich prominente Vorbilder, wie bei‐ spielsweise die von dem Pianisten Lars Vogt ins Leben gerufene Initiative  „Rhapsody in School“6. 



Probandenakquise 

Aufgrund  der  mangelnden  Weiterbildungsstrukturen  und  ‐traditionen  spielte die aufwendige persönliche Akquise durch eine Mitarbeiterin, wel‐ che selbst Mitglied eines Berufsorchesters ist, eine große Rolle bei der Teil‐ nehmergenerierung (siehe Abb. 1). Darüber hinaus wurden verschiedene  Kanäle genutzt, um das Angebot bekannt zu machen. Sowohl im ersten als  auch  im  zweiten  Durchgang  wurde  ein  großer  Teil  der  Teilnehmenden  durch  die  persönliche  Akquise  auf  die  Weiterbildung  aufmerksam.  Ein                                                              Bremer Weiterbildung (vgl. www.philharmonischegesellschaftluebeck.de, letzter Zugriff:  15.11.2017).  6   Rhapsody in School – ein ehrenamtliches Musikvermittlungsprojekt von Künstler*innen  für Schüler*innen, initiiert von Lars Vogt (vgl. www.rhapsody‐in‐school.de, letzter Zu‐ griff: 15.11.2017). 

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weiterer bewarb sich auf die Anzeige in der monatlich erscheinenden Zeit‐ schrift „Das Orchester“7. Im zweiten Durchgang wurden Musiker*innen  auch von Teilnehmer*innen des ersten Durchgangs angeworben. Weitere  Details sind der Abbildung 1 zu entnehmen.   

Wie sind Sie auf uns aufmerksam geworden? Flyer 5% 3%

10%

Plakat

22%

Persönliche Ansprache 5% Internet 55%

Anzeige ʺDas Orchesterʺ DOV*  

Abb. 1: „Wie wurden Sie auf uns aufmerksam?“ Erster Durchgang 2015/16  (n=25)  Weniger erfolgreich hingegen war die großflächige Verschickung von Pla‐ katen und Flyern ausschließlich an Chöre, Orchester, Musikhochschulen  und Musikverbände ohne persönlichen Kontakt. Hier liegt die Vermutung  nahe, dass das Material vielerorts gar nicht erst ausgehängt wurde. Stich‐ proben bestätigten diese These. Einiges musste doppelt verschickt werden,  weil die erste Sendung auf Nachfrage nicht mehr auffindbar war. An vielen  Theatern und Orchestern ist es leider nicht gelungen, das Weiterbildungs‐ angebot dem Orchester persönlich vorzustellen, da innerhalb der Leitungs‐ ebene (Dirigent*innen, Orchesterinspektor*innen, Geschäftsleitungen) und/                                                              7   Vgl. www.das‐orchester.org, letzter Zugriff: 15.11.2017. 

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oder den Orchestergremien wie dem Orchestervorstand kein Interesse be‐ stand  und/oder  der  Dienstplan  keinen  Freiraum  (zehn  Minuten  vor  der  Pause oder am Ende einer Probe) dafür bot. Andernorts sahen die profes‐ sionellen  Konzertpädagog*innen  des  Hauses  weder  eine  Notwendigkeit  noch  die  Motivation  seitens  der  Musiker*innen,  sich  weiterzubilden,  da  „sie selbst ja für die Konzepte und Unterstützung sorgen würden“8. Auch  in solchen Fällen kam eine persönliche Vorstellung der Weiterbildung vor  dem  Orchester  nicht  zustande.  Die  Akquise  von  freischaffenden  Musi‐ ker*innen fiel aus anderen Gründen ebenfalls nicht leicht. Da sie oft ein‐ zeln  agieren,  sind  sie  schwerer  zu  erreichen  als  in  den  Kulturbetrieben.  Viele Musiker*innen sahen sich trotz Interesses aufgrund der Dienstbelas‐ tung, der mangelnden Unterstützung der Geschäftsleitung oder aus Angst  vor dem Verlust von Engagements bzw. dadurch entstehende finanzielle  Engpässe nicht in der Lage, an der vom Bundesministerium für Bildung  und Forschung (BMBF) geförderten und damit für die Proband*innen kos‐ tenfreien  Weiterbildung  teilzunehmen.  Dies  zeigt  einmal  mehr,  welche  Hürden im Bereich des Lifelong Learnings innerhalb der Kulturbetriebe  noch zu nehmen sind. 



Charakteristika der Zielgruppe 

Abhängig von ihrem Instrument und der Art des Studiums arbeiten viele  Musiker*innen sehr konform in Gruppen und sind besonders in Orches‐ tern und Chören stark an hierarchische Strukturen gewöhnt. Sie zeichnen  sich  durch  große  Disziplin  sowie  einen  hohen  künstlerischen  Anspruch  gegenüber ihrem Umfeld aus, den sie selbst seit frühester Kindheit und in  ihrem beruflichen Alltag verinnerlicht haben (vgl. Langendörfer 2007: 17),  denn  „diese  Zweifel,  ob  die  eigene  Qualität  ausreicht,  um  dem  Erwar‐ tungsdruck gerecht werden zu können und im Konkurrenzkampf zu be‐ stehen,  sind  von  der  Kindheit  an  sehr  reale  Begleiter  des  Musizierens“  (Möller/Popova 2011: 41ff.). Geniales Künstlertum sowie Perfektion sind  bis  heute  das  vorherrschende  Ideal.  Historisch  ist  die  Ausbildung  an                                                              8   Ergebnis eines Telefonats mit einer Konzertpädagogin eines norddeutschen Orchesters. 

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einem  Meister‐Schüler*innen‐Verhältnis  orientiert,  was  die  innere  päda‐ gogische Haltung vom ersten Instrumentalunterricht bis zum Meisterkurs  charakterisiert. Einzelunterricht und das damit verbundene Maß an indi‐ vidueller  Zuwendung  durch  die  Lehrperson  sind  ein  wesentlicher  Be‐ standteil dieser Ausbildung. Dadurch sind Musiker*innen an andere Lehr‐  Lernstrukturen weniger gewöhnt und finden mitunter schwerer als Absol‐ vent*innen  anderer  Studiengänge  Zugang  zu  „klassischen“  Unterrichts‐ formen  in  Großgruppen,  in  Seminareinheiten  sowie  in  der  eigenverant‐ wortlich  zu  gestaltenden  Kleingruppenarbeit  und  im  Frontalunterricht.  Die  Arbeitszeiten  der  fest  angestellten  Musiker*innen  gibt  der  oft  sehr  kurzfristig mitgeteilte Dienstplan vor. Sie sind – obgleich in der jeweiligen  Länge festgelegt – unregelmäßig, überwiegend morgens und abends, über  sieben Tage die Woche inklusive aller Wochenend‐ und Feiertage verteilt.  Abhängig vom Bundesland wird die Spielzeit von allen Musiker*innen ei‐ nes  Chors  oder  Orchesters  jeweils  gleichzeitig  mit  einer  sechswöchigen  Sommerpause beendet. Diese Strukturen sind für Einzelne unverrückbare  Vorgaben,  sodass  alle  fest  angestellten  Musiker*innen  nicht  im  Jahres‐,  sondern im Spielzeitrhythmus planen. Eine berufsbegleitende Weiterbil‐ dung muss diese Strukturen kennen und berücksichtigen, denn auch zahl‐ reiche selbstständige Musiker*innen sind gezwungen, sich innerhalb die‐ ser  Vorgaben  zu  bewegen.  Freischaffende  Musiker*innen  sind  gewohnt,  ihr Berufsfeld eigenverantwortlich zu organisieren und diverse Tätigkei‐ ten rund um das reine Proben und Spielen auszuüben. Ob Moderations‐ texte, Publikumsgespräche, Networking, Werbung oder spartenübergrei‐ fendes Agieren, die Freiberufler*innen können auf diese Gewohnheiten im  Gegensatz zu ihren festangestellten Kolleg*innen bezüglich der Planung  und Durchführung von eigenen Musikvermittlungsprojekten oftmals mit  einer größeren Selbstverständlichkeit zurückgreifen. Dahingegen können  Musiker*innen eines größeren Betriebs die Infrastruktur und Ressourcen  ihres Arbeitgebers nutzen, inklusive Publikationskanäle, Sekretariat, Aus‐ stattung,  Technik  und  nicht  zuletzt  Musikerkolleg*innen  sowie  Künst‐ ler*innen anderer Sparten, die bestenfalls für eigene Vermittlungsprojekte  gewonnen werden können. In Berufsorchestern und ‐chören sind für die  Musiker*innen  im  Rahmen  ihrer  „normalen“  Tätigkeit  fast  alle  Details 

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vorgegeben.  Ein  Teilnehmer  der  Bremer  Weiterbildung  berichtete,  dass  sein Alltag durch Setzungen geprägt sei, schließlich sei festgelegt „was ich  spiele,  wie  ich  spiele,  wann,  wo  und  in  welcher  Kleidung“.  Es  herrscht  überwiegend Aufgabenteilung durch Spezialist*innen für alle anfallenden  Tätigkeiten  und  alle  Organisation  rund  um  das  Musizieren  vor.  Umso  mehr genießen die Musiker*innen durch die Weiterbildung die neu erleb‐ ten Freiräume in der Musikvermittlung, die sie sich teilweise auch erst für  sich selbst erschließen müssen. 



Angebotsinhalte in Übereinstimmung mit der   Motivation und den Erwartungen der Zielgruppe 

Wie die begleitende Evaluation gezeigt hat, überschneiden sich unter den  Teilnehmenden die Motivationen zum Engagement im Bereich der Musik‐ vermittlung und zur Teilnahme an der Weiterbildung. Die individuellen  Beweggründe sowie Gewohnheiten und Herangehensweisen der Berufs‐ gruppen untereinander sind aber verschieden und geprägt durch ihr ak‐ tuelles, berufliches Umfeld. Allen Teilnehmenden gemein sind eine hohe  intrinsische Motivation sowie der Wunsch nach gesellschaftlichem Enga‐ gement in Verbindung mit dem Bestreben, „etwas zurückgeben zu wol‐ len“. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Interesse an einer Vermitt‐ lung  der  eigenen  Leidenschaft.  Fast  immer  lagen  Schlüsselerlebnisse  im  Bereich  der  Musikvermittlung  dem  Engagement  in  diesem  Bereich  zu‐ grunde, aber auch die Notwendigkeit zu Audience Development spielte  bei  Befragungen  unter  den  Teilnehmenden  eine  große  Rolle.  Fast  alle  wünschten sich eine generelle, fundierte Professionalisierung im Bereich  der  Musikvermittlung,  die  Erweiterung  der  eigenen  musikpraktischen  Fertigkeiten sowie einen Zuwachs an Methodenvielfalt. Über diese Tools  erhofften sie sich neue Anregungen und hatten ein großes Interesse an ei‐ nem strukturierten Austausch innerhalb der Gruppe (siehe Abb. 2).  Die  Gruppe  der  freischaffenden  Musiker*innen  hat  insbesondere  im  zweiten Durchgang, in dem sie zahlenmäßig nahezu mit ca. 40 Prozent ver‐ treten war, Interesse daran gezeigt, sich über eine Weiterqualifizierung ein  zweites Standbein aufzubauen und auf diese Weise ihre Möglichkeiten im 

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Bereich der Publikumsgenerierung, des sogenannten Audience Develop‐ ment, zu erweitern.    Stimmbildung Percussion Verbindung von… Individuelle… Moderation und… Ausführung und… Konzeption und…

trifft zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu k.A.

Musikalische Arbeit… Didaktische… 0% 20% 40% 60% 80% 100%

 

Abb. 2: Weiterbildungsinhalte: Wünsche der Teilnehmer*innen  Dies hat bei einigen auch mit der Schwierigkeit zu tun, eine Festanstellung  zu bekommen: „Besonders die geringen Berufschancen machen es unab‐ dingbar, bereits während des Studiums nach Alternativen zur Orchester‐ laufbahn mit Festanstellung zu suchen. Eine Solistenlaufbahn einzuschla‐ gen, ist häufig noch unrealistischer als eine Bewerbung um einen Platz im  Orchester.“ (Ebd.: 43) Da es innerhalb der Kulturbetriebe kaum Möglich‐ keiten zu finanziellen Anreizen oder beruflichem Aufstieg gibt, war hier  keine besondere Motivation seitens der fest angestellten Musiker*innen zu  beobachten, sich für das Feld der Musikvermittlung weiterzuqualifizieren.  Darüber hinaus wurden die Möglichkeiten zum eigenständigen und krea‐ tiven  Handeln  sowie  zur  individuellen  Persönlichkeitsentwicklung  als  Motivation für die Teilnahme an der Weiterbildung genannt. 

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Leitbild, Ziele, Inhalte und Strukturen   der Weiterbildung 

Das  Leitbild  der  Weiterbildung  ist  das  einer  sich  ständig  nach  oben  fortspinnenden Qualitätsspirale, in der sich verschiedene Fachgebiete der  Musikvermittlung  mit  musikpraktischen  Tools  und  Möglichkeiten  zur  praktischen Erprobung abwechseln. Begleitet wird der Qualitätsentwick‐ lungsprozess von einem kritischen, reflexiven Diskurs über die eigene Tä‐ tigkeit, aber auch über allgemeine Themen zur Kulturellen Bildung und  Musikvermittlung  sowie  der  kontinuierlichen  Möglichkeit  zu  Beratung  und  Austausch.  Auf  diese  Weise  sollte  jede*r  Teilnehmer*in  die  Chance  erhalten,      das eigene Handlungsrepertoire in der Kulturellen Bildung zu  erweitern,   musikalische Inhalte partizipativ und praktisch vermitteln zu kön‐ nen,    Kooperationen zwischen Kultur‐ und Bildungsinstitutionen an‐ zuberaumen,    eigene Schwerpunkte zu entdecken, um neue Ideen und Vorstel‐ lungen für die eigene spätere Arbeit gewinnen können,    für sich einen individuellen, reflektierten Qualitätsbegriff zu fin‐ den.    Als zentrale Ausgangspunkte dienen die individuelle musikalische Künst‐ lerpersönlichkeit, die ursprüngliche Tätigkeit sowie das eigene berufliche  Umfeld. 



Durchführungsdetails 

Die unregelmäßigen Arbeitszeiten inklusive der Kopplung der Spielzeit‐ pause an die Sommerferien der jeweiligen Bundesländer stellten das Pro‐ jektteam vor einige strukturelle Planungsherausforderungen. Erprobt und 

„Musik erleben. Musik vermitteln“  

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in zwei Durchgängen evaluiert wurde ein Rhythmus aus monatlichen, ein‐  und zweitägigen Workshops, die ergänzt wurden durch mehrtätige Inten‐ sivphasen (Winter‐ und Sommerakademie) sowie mediengestützte Selbst‐ lernphasen  bzw.  selbstständig  zu  erledigende  Aufgaben  und  ver‐ pflichtende  Hospitationen.  Künstlerisch‐praktische  und  theoriebasierte  Lehrveranstaltungen waren eng miteinander verzahnt und fanden an je‐ dem Präsenztag im Wechsel von Seminareinheiten, Plenumsveranstaltun‐ gen und Kleingruppenangeboten statt. Ein individuelles Beratungsange‐ bot – telefonisch, per Mail oder persönlich durch das Projektteam – stand  allen Teilnehmenden zur individuellen Feedbackkonferenz als kontinuier‐ licher Bestandteil des gesamten Weiterbildungsangebots zur Verfügung.  Höhepunkt und Abschluss der Weiterbildung bildete ein eigenes Musik‐ vermittlungsprojekt der Teilnehmenden, welches in Kleingruppen durch‐ geführt  und  durch  das  Projektteam  beratend  begleitet  wurde  (Worked   Based Learning). 

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Partizipative, flexible Gestaltung der Weiterbildung 

Es war ein wesentliches Anliegen des Projektteams, die Teilnehmenden,  welche während der beiden ersten vom BMBF geförderten Durchgänge als  Proband*innen agieren durften, in Form eines kontinuierlichen iterativen  Prozesses  in  die  Gestaltung  und  Weiterentwicklung  der  Weiterbildung  einzubeziehen. Nur so schienen, eine passgenaue inhaltliche und struktu‐ relle  Anpassung  an  die  Bedürfnisse  und  Wünsche  der  Teilnehmenden  möglich und kurzfristig gewünschte und benötigte Inhalte integrierbar zu  sein. Anfangs kollidierte dieses Vorgehen mitunter mit den Gewohnheiten  vieler Musiker*innen, Inhalte und Ablauf der gesamten Weiterbildung be‐ reits vor Beginn im Detail zu kennen, um langfristig planen und ein Rest‐ risiko minimieren zu können. Dennoch gelang es, die Teilnehmenden von  der Wichtigkeit dieser Strukturen zu überzeugen, sodass sie sich im wei‐ teren Verlauf ausschließlich von den Vorteilen überzeugen konnten. Um  renommierte  Gastdozent*innen  mit  zentralen  Inhalten  rechtzeitig  einla‐ den zu können, war eine grobe Vorausplanung des inhaltlichen und zeit‐ lichen  Ablaufs  nötig,  der  aber  genügend  Freiraum  zur  weiteren 

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Ausgestaltung ließ. Innerhalb des fünfköpfigen Projektteams, welches in  einem gemeinsamen Raum in der Hochschule für Künste (HfK) Bremen  angesiedelt ist, erfolgte ein kontinuierlicher Austausch zwischen Künstle‐ rischen  und  Wissenschaftlichen  Mitarbeiter*innen  sowie  der  Projektlei‐ tung. Die Resultate konnten somit sehr unmittelbar und direkt in die wei‐ tere Planung der Weiterbildung einfließen.  Wiederholt wurde an das Projektteam der Wunsch nach einzeln zu be‐ suchenden  Workshops  gerichtet,  die  leichter  in  den  Berufsalltag  zu  in‐  tegrieren wären. Hier besteht sichtlich Bedarf an Kurzzeitformaten, dem  zukünftig neben dem bereits erprobten Format der Weiterbildung ergän‐ zend nachgegangen werden soll. Der Projektleitung war es während der  Erprobung jedoch ein Anliegen, die Musiker*innen in einer festen Kohorte  an der Weiterbildung teilnehmen zu lassen, obwohl es Anfragen gab, nur  einzelne Workshops besuchen zu dürfen. Im Sinne des fortlaufenden Qua‐ litätsentwicklungsprozesses  wurde  in  der  Erprobungsphase  an  der  Ko‐ horte festgehalten. Nur so schien ein geschützter Raum in Form einer fes‐ ten Gruppe gegeben zu sein, um den oftmals allzu kritischen Blick, wel‐ cher unter professionellen Musiker*innen erfahrungsgemäß selbst inner‐ halb einer vertrauten Gruppe für Zurückhaltung in den praktischen Work‐ shops sorgt, behutsam aufbrechen zu können. 

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Fazit mit Ausblick 

Da es für die Zielgruppe keine Vorbilder und vergleichbaren Konzeptio‐ nen  oder  Weiterbildungen  gibt,  sind  die  Herausforderungen  strukturell  und inhaltlich divers. Das Teilnehmerfeld ist an berufsbegleitender Wei‐ terbildung sehr interessiert, aber das berufliche Umfeld steht diesem Inte‐ resse strukturell derzeit vielerorts noch entgegen. Die HfK Bremen hat sich  für diesen Bereich eine besondere künstlerisch‐wissenschaftliche Expertise  aufgebaut, mit der sie dieser Diskrepanz langfristig nachkommen möchte.  Eine abschließende Aufbereitung der von der wissenschaftlichen Beglei‐ tung erhobenen Daten ist dafür unerlässlich. Beobachtungen und Evalua‐ tionen wurden bereits während der Weiterbildung mit Vorannahmen aus 

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einer breit angelegten Bedarfsanalyse abgeglichen. Die daraus entstandenen  konzeptionellen Konsequenzen wurden herausgearbeitet und hinterfragt.  Am Ende bleibt die Frage, was die insgesamt 50 Teilnehmenden kon‐ kret gelernt haben. Auswertungen aus schriftlichen Erhebungen und aus  einzeln  sowie  in  Kleingruppen  geführten  Interviews  ergeben  ein  breites  Spektrum. Zentrale Aussagen sollen die Ausführungen beenden: Die Teil‐ nehmenden sagen selbst, sie hätten neue Herangehensweisen und Metho‐ den  für  vielfältige  musikvermittelnde  Aktivitäten  kennengelernt,  die  ihnen ein breites Spektrum an Möglichkeiten eröffnen. Dadurch haben sie  neue Perspektiven in ihrer Arbeit entdeckt und können ihre Musik dem  Publikum nahebringen. Mit diesem gehen sie gern in den Austausch und  sind imstande, flexibel auf dessen Impulse zu reagieren. Durch die Fähig‐ keit, die eigene Arbeit in der Musikvermittlung reflektieren zu können, hat  sich die Qualität der Projekte verbessert. Die Teilnehmenden können ihre  Vorstellungen für eigene Musikvermittlungsprojekte für unterschiedliche  Zielgruppen  entwickeln  und  diese  selbstständig  umsetzen.  Anderen  Künsten gegenüber sind sie aufgeschlossen. Insgesamt sind sie sich ihrer  Grenzen  bewusst und  wissen,  wann  sie  wofür  Unterstützung  benötigen  und wo sie diese ggf. bekommen. Einige geben an, ihre Projekte gut vor  Dritten vertreten zu können.  Das  Forschungsvorhaben  wurde  seinem  Namen  auf  verschiedenen  Ebenen gerecht: Weder gab es für das Format der Weiterbildung Vorbilder  oder  vergleichbare  Konzeptionen  noch  war  akademische  Weiterbildung  für  das  Teilnehmerfeld  etabliert.  Aufgrund  der  extremen  Effizienz‐  und  Outputorientierung der Zielgruppe musste ein Format entwickelt werden,  welches schnelle Erfolge in Kombination mit einem kontinuierlichen Qua‐ litätsentwicklungsprozess zuließ. Rezepthaftigkeit war von Einzelnen be‐ sonders in der Anfangsphase durchaus gewünscht, wurde seitens der Leh‐ renden aber nicht immer für sinnvoll befunden. Am Ende bewährte sich  der  bei  Teilnehmenden  wie  Lehrenden  vom  ersten  bis  zum  letzten  Mo‐ ment spürbare Mut, binnen kurzer Zeit ganz neue Studienstrukturen zu  schaffen, für die Hochschulen in anderen Fällen mitunter viele Jahre benö‐ tigen. 

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Rose Eickelberg und Barbara Stiller

Ein großes Ziel wäre erreicht, wenn der Zugang zu wissenschaftlicher  Weiterbildung  für  interessierte  und  engagierte  Musiker*innen  für  das  weite Feld der Musikvermittlung im Sinne des lebenslangen Lernens er‐ leichtert werden könnte. Dies setzt folgende Änderungen voraus:    1) Musikvermittlung und Angebote zur Kulturellen Bildung müssten  als zentrale Aufgabenfelder selbstverständlicher Teil der Arbeit von  Berufsmusiker*innen werden.  2) Lebenslanges Lernen müsste im Rahmen wissenschaftlicher Weiter‐ bildung als gesellschaftlicher Prozess Eingang in die Arbeitsfelder  der freien und fest angestellten Musiker*innen finden.  3) Berufsbegleitende Weiterbildung müsste formal in die Strukturen  und Arbeitsverträge für Mitarbeiter*innen von Kulturinstitutionen  sowie von Orchestern und Theatern integriert werden.  4) Zielgruppenspezifische Weiterbildungsangebote müssten entwi‐ ckelt, strukturell angepasst und zugängig gemacht werden.  5) Die Kulturinstitutionen müssten in ihrer Rolle als Arbeitgeber finan‐ zielle Hilfen und Unterstützung für die Integration von lebenslan‐ gem Lernen in ihren Betrieb erhalten.  6) Über den Mehrwert von Weiterbildung müsste ein Diskurs angesto‐ ßen werden, der es den Kulturinstitutionen ermöglicht, diesen ge‐ genüber der Politik und der Bevölkerung zu rechtfertigen.  7) Finanzielle Anreize und vertraglich vereinbarte Finanzierungszusa‐ gen müssten zur Steigerung der Motivation und zum Engagement für  die Übernahme musikvermittelnder Tätigkeiten geschaffen werden.    Bei fest angestellten Musiker*innen gibt es strukturell wenig Möglichkei‐ ten eines beruflichen Aufstiegs innerhalb eines Betriebs und nahezu keine  finanziellen  Anreize.  Dennoch  haben  sich  in  einigen  Ensembles  Musi‐ ker*innen feste Positionen erarbeitet und im Rahmen einer Dienstentlas‐ tung die Leitung des Bereichs der Musikvermittlung übernommen. Belast‐ bare Zahlen existieren nicht, aber bereits wenige bekannte Fälle könnten  Vorbilder für andere Berufsorchester, ‐chöre und die Mitglieder freischaf‐ fender Ensembles sein … 

„Musik erleben. Musik vermitteln“  

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Literatur  Bernstein, Leonard (1963): Freude an der Musik. München: DTV.  Bernstein, Leonard (1999): Konzerte für junge Leute. Die Welt der Musik in 15 Kapiteln. Mün‐ chen: C. Bertelsmann Jugendbuch.  Eickelberg, Rose (2012): Chancen und Grenzen der Mitwirkung von Orchestermusikern bei  konzertpädagogischen Aktivitäten des eigenen Orchesters. (Unveröffentlichte Diplom‐ arbeit, einsehbar an der Hochschule für Künste Bremen).  Langendörfer, Franziska (2007): Stress im Orchester: Aufführungsangst, Arbeitsbedingungen  und  Persönlichkeitseigenschaften  professioneller  Orchestermusiker.  Dissertation  an  der  Johann  Wolfgang  von  Goethe  Universität  Frankfurt  a. M.  [www.deutsche‐digi  tale‐bibliothek.de/binary/CKC2EAWDBTH7GH7N6HDBRV5I7IOATRGP/full/1.pdf,  letzter Zugriff: 02.06.2017].  Mertens, Gerald (2005): Zwischen Bildungsauftrag und Feigenblatt. In: Das Orchester, 1, S.  11‐17.  Mertens, Gerald (2012): Konzerthäuser und Orchester als Orte kultureller Bildung. In: Bock‐ horst,  Hildegard/Reinwand,  Vanessa‐Isabelle/Zacharias,  Wolfgang  (Hrsg.):  Handbuch  Kulturelle Bildung. München: kopaed, S. 553‐557.  Möller,  Helmut/Popova,  Deniza  (2011):  Der  Hürdenlauf  zum  Orchestermusiker  Sozialisa‐ tion,  Ausbildung  und  Berufseinstieg.  In:  Musikphysiologie  und  Musikermedizin,  18 (2), S. 41ff.  Wimmer,  Constanze  (2010):  Exchange.  Die  Kunst  Musik  zu  vermitteln.  Salzburg:  Stiftung  Mozarteum [www.kunstdervermittlung.at, letzter Zugriff: 27.05.2017]. 

 

„Kunst_Rhein_Main“  Weiterbildung an der Schnittstelle von Kunst und Bildung  unter besonderer Berücksichtigung zeitgenössischer   Theater‐, Tanz‐ und Performancekunst    Kristin Westphal und Teresa Bogerts         

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Warum und wozu eine pädagogische Weiterbildung  für Kunstschaffende 

In einer Vielzahl an Projekten entwickeln Kunst‐ und Kulturschaffende im  institutionellen Bildungsbereich bisher innovative Konzepte mit einem of‐ fenen interkulturellen Verständnis, ohne in der Regel besondere pädago‐ gische  Vorkenntnisse  zu  haben.  Auf  der  einen  Seite  ermöglichen  die  Kunstschaffenden Kindern und Jugendlichen, Räume für ästhetische und  soziale Erfahrungen, Austausch und Experiment zu erobern und ermäch‐ tigen sie, sich als selbstbewusste Akteure in künstlerische und kulturelle  Bereiche, wie dem Theater, Tanz oder der Performancekunst etc., vorzu‐ wagen. Zugleich sind sie bei der Planung und Umsetzung von Projekten  häufig auf sich allein gestellt. Fragen und Probleme, die sich in der Ver‐ mittlung einer künstlerischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen von  pädagogischer  Seite  einstellen,  werden  eher  intuitiv  gelöst;  Fragen  zur  Kommunikation und Kooperation, die im Umgang mit der jeweiligen In‐ stitution entstehen, bleiben meist dem Zufall überlassen. Zu beobachten  ist, dass in der Regel die Kunstschaffenden eine enorme Flexibilität mit‐ bringen müssen, um in den verschiedenen Kontexten und innerhalb von  institutionellen,  politischen,  programmatischen  Strukturvorgaben  –  wie  beispielsweise  mit  den  verschiedenen  Zielgruppen  und  Altersgruppen,  den räumlichen, zeitlichen, materiellen Vorgaben – nicht nur den eigenen  © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Keuchel und B. Werker (Hrsg.), Künstlerisch-pädagogische Weiterbildungen für Kunst- und Kulturschaffende, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20711-3_4

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Kristin Westphal und Teresa Bogerts

künstlerischen, sondern auch den von außen kommenden Anforderungen  gerecht zu werden. Auch gab es bislang keinen institutionell verankerten  Raum für eine Reflexion der eigenen künstlerischen Konzeption und der  Verortung der Rolle und Position als Kunstschaffende in den jeweiligen  Bildungskontexten und der Kulturellen Bildung.   Vor  diesem  Hintergrund  ist  das  pädagogische  und  wissenschaftlich  fundierte  Weiterbildungsprogramm  „Kunst_Rhein_Main“  konzipiert  worden,  welches  freiberuflich  tätige  Kunstschaffende  aus  dem  Feld  der  Darstellenden Künste für eine künstlerische Arbeit in Bildungskontexten  qualifizieren und  stärken soll.  Das  vom  Bundesministerium  für  Bildung  und Forschung (BMBF) geförderte Verbundvorhaben wurde im Zeitraum  von  2014  bis  2017  von  der  Tanzplattform  Rhein‐Main  (Künstlerhaus  Mousonturm)  und  FLUX.  Theater+Schulen  als  interne  Kooperations‐ partner erprobt und von der Universität Koblenz‐Landau wissenschaftlich  begleitet.  Der  erprobte  Weiterbildungsansatz  von  „Kunst_Rhein_Main“  hebt zum einen auf das Zeitgenössische und Spartenübergreifende im Feld  der  Darstellenden  Künste  ab  und  nimmt  zum  anderen  zeitgenössische  künstlerische  Vermittlungskonzepte  und  Verfahrensweisen  aus  Tanz,  Theater  und  Performance  zum  Ausgangspunkt  für  eine  pädagogische  Qualifizierung. Die Annahme, dass in der Begegnung mit den Künsten po‐ tenziell  bildende  Erfahrungen  ermöglicht  werden  können,  spricht  dabei  ebenso  dafür,  die  pädagogische  Qualifizierung  von  den  künstlerischen  Verfahrensweisen her zu konzipieren, wie auch die Aufforderung des Rats  für Kulturelle Bildung (2015: 40), den spezifisch künstlerischen Gegenstän‐ den, den Inhalten und ihren Qualitäten nachzugehen.   Der  vorliegende  Beitrag  begründet  den  Ansatz  der  pädagogischen  Weiterbildung und reflektiert die Rolle der wissenschaftlichen Begleitfor‐ schung für die Entwicklung eines Weiterbildungskonzepts.  

„Kunst_Rhein_Main“  

2

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Zur Bedeutung des Zeitgenössischen in Theater,   Tanz und Performance  

„Künstler  können  Kunst. Das  bedeutet  keineswegs, dass  sie  Kunst  auch  lehren können“, ist eine Behauptung des Rats für Kulturelle Bildung (2013:  39; vgl. Liebau/Zirfas 2009). Doch geht es wirklich darum, Kunst zu lehren,  wenn Kunstschaffende künstlerisch mit Kindern und Jugendlichen in Bil‐ dungskontexten  tätig  werden?  Die  Diskurse  innerhalb  der  ästhetischen  Bildung wie auch der Theater‐ und Tanzpädagogik reflektieren seit eini‐ gen Jahren verstärkt neue Formen einer künstlerischen Praxis, die andere  Kommunikationsweisen  und  neue  Formen  der  Teilhabe  und  Wis‐ sens(v)ermittlung in der künstlerischen Arbeit mit Kindern und Jugendli‐ chen an der Schnittstelle von Kunst und Bildung eröffnen. Sie lösen sich  von dem Paradigma der Belehrung, um sich vielmehr dem Lernen durch  ästhetische und soziale Erfahrungen von Theater, Tanz, Performance mit  Kindern und Jugendlichen zuzuwenden. Das umfasst sowohl die Kunst‐ schaffenden als auch die Kinder, wenn ihr Wissen, ihre Erfahrungen und  Persönlichkeiten in die gemeinsame künstlerische Arbeit einfließen (vgl.  Deck/Primavesi 2014; Westphal/Zirfas 2014).   Wir  gehen  davon  aus,  dass  die  Auseinandersetzung  mit  zeitgenössi‐ schen und  neueren ästhetischen Verfahrensweisen in  der künstlerischen  Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein enormes Bildungs‐ und Lernpo‐ tenzial  in  sich  birgt  (vgl.  Westphal  2015:  354).  Vor  diesem  Hintergrund  macht der Weiterbildungsansatz von „Kunst Rhein‐Main“ besonders zeit‐ genössische  künstlerische  Verfahrensweisen  aus  Tanz,  Theater  und  Per‐ formance zum Ausgangspunkt für eine Qualifizierung an der Schnittstelle  von Kunst und Bildung. Unter dem Zeitgenössischen von Theater, Tanz  und Performance in der künstlerisch‐pädagogischen Arbeit mit Kindern  und Jugendlichen verstehen wir eine künstlerische Praxis, die     Fremdheits‐ und Differenzerfahrungen durch Irritation, Unter‐ brechung und Experiment ermöglicht; 

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Kristin Westphal und Teresa Bogerts





 



 



einen Anspruch auf Selbstreflexion erhebt und es ermöglicht,  Kriterien und Maßstäbe bezüglich dessen, was Tanz, Theater und  Performance sein kann, gemeinsam auszuhandeln;  sich zum klassischen Kunsttheater dramatischer Prägung im  Sinne einer Illusion und Einfühlung, zum Genie‐ und Originali‐ tätsanspruch sowie zum Anspruch einer ästhetischen Vollkom‐ menheit abgrenzt;  sich einem Spielgeschehen in seiner Gegenwärtigkeit zuwendet;  sich durch Mehrdeutigkeit, Mehrperspektivität und Polyvalenz  sowie durch eine über das kognitive Verstehen hinaus entfaltete  Sinnlichkeit qualifiziert;  klassische Seh‐, Hör‐, Fühl‐, Geschmacks‐ und Denkgewohnhei‐ ten befragt, das Verhältnis von Zuschauer*in und Akteur sowie  von Produktion und Rezeption neu auslotet und die gewohnten  Stätten ihres Wirkens und Aufführens verlassen kann;  Theater, Tanz und Performance nicht nur für Kinder und Jugend‐ liche praktiziert, sondern auch mit ihnen als Ko‐Produzent*innen;  Kindern und Jugendlichen Wege bahnt, sich ausgehend von ih‐ ren eigenen Spiel‐ und Artikulationsweisen und ihrer Lebenswelt  mit den Künsten auseinanderzusetzen;  andere Spielweisen eröffnet, neue Teilhabemodelle erprobt und  Kunst als gemeinsamen Erkundungs‐ und Rechercheprozess al‐ ler Beteiligten mit offenem Ausgang versteht.1 

  Diskurse zu Kunst und Bildung beschreiben seit jeher das Verhältnis als  ein Spannungsgefüge in den unterschiedlichsten Ausprägungen. In jüngs‐ ter  Zeit  hat  sich  dieses  Gefüge  unter  den  Vorzeichen  eines  Paradigmen‐ wechsels in beiden Bereichen verschoben und ausdifferenziert, ohne jedoch  aufgehoben worden zu sein. Theater‐ und Tanzräume als Erfahrungs‐ und  Bildungsräume  zu  verstehen,  bringt  im  Gegenteil  das  spannungsreiche  Verhältnis von Körper und Raum/Institution, von Kunst und Bildung und                                                              1   Die  Aufzählung  erhebt  keinen  Anspruch  auf  Vollständigkeit  oder  allgemeingültige   Fixierung und ist orientiert an aktuellen Diskursen innerhalb der ästhetischen und Kul‐ turellen Bildung sowie der Theaterwissenschaft. 

„Kunst_Rhein_Main“  

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ihrer Vermittlung in pädagogischen und kulturellen Kontexten selbst zur  Sprache. Ein solches Verständnis macht die Aspekte dieses Spannungsge‐ füges – das besonders in temporären Kunstprojekten zutage tritt, in denen  Kunstschaffende  als  Gäste  fungieren  –  vielmehr  sichtbar  und  produktiv  zugleich, statt sie zu nivellieren (vgl. Westphal 2018). 

3

Zielsetzung und didaktischer Ansatz   der Weiterbildung 

Zentrales  Anliegen  des  Weiterbildungsprogramms  „Kunst  Rhein‐Main“  ist von daher, der Qualität der beschriebenen zeitgenössischen Verfahrens‐ weisen und ihren bildenden bzw. pädagogischen Dimensionen nachzuge‐ hen.2  Die  Weiterbildung  fokussiert  eine  Auseinandersetzung  mit  zeitge‐ nössischen  Verfahrensweisen,  ihren  Bildungspotenzialen  und  pädagogi‐ schen  Implikationen  sowie  ihrer  Übertragbarkeit  auf  die  Arbeit  mit   Kindern und Jugendlichen in den Bildungszusammenhängen der teilneh‐ menden Kunstschaffenden. Zudem stehen Fragen nach der Qualität künst‐ lerischer Arbeit im Mittelpunkt, was unter den Künsten vor dem Hinter‐ grund der Kulturellen Bildung zu verstehen ist und welche ästhetischen  Erfahrungen  initiiert  werden  können.  Dabei  geht  es  nicht  darum,  aus  Kunstschaffenden  Lehrpersonen zu  machen,  sondern  sie  vielmehr  darin  zu bestärken, von der Kunst ausgehend Verfahrensweisen zu entwickeln,  um durch ihre künstlerische Arbeit eine Brücke in Bildungskontexte zu be‐ reiten. Die Weiterbildung gibt den Kunstschaffenden Impulse, spezifisch  künstlerische  Herangehensweisen  in  Bildungskontexten  zu  entwickeln.  Kunstschaffende zu stärken, heißt dann: zum einen auf eine Professionali‐ sierung in künstlerisch‐pädagogischer Weise und zum anderen in struk‐ tureller  Hinsicht  auf  Voraussetzungen  bzw.  Rahmenbedingungen  einer  gelingenden künstlerischen Praxis in Bildungskontexten hinzuwirken.  Die Konzeption einer pädagogischen Weiterbildung, die an zeitgenös‐ sischen Verfahrensweisen in Theater, Tanz und Performance ansetzt, hat                                                              2   Wie sich dieses Anliegen im Speziellen realisiert, wurde in folgendem Artikel am Beispiel  einer konkreten Weiterbildungsveranstaltung analysiert, vgl. Westphal/Bogerts 2017a. 

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Kristin Westphal und Teresa Bogerts

auch Auswirkungen auf die Formulierung einer Didaktik von Kunst und  Bildung. Birgit Engel und Katja Böhme (2015) sprechen von einer Didaktik,  die einer Logik des Unbestimmten folgt, Mira Sack (2011) spricht von einer  Didaktik  der  Ungewissheit,  Johannes  Bilstein,  Bettina  Dornberg  und  Winfried Kneip (2007) von einem Curriculum des Unwägbaren. Wir lehnen  uns an diese Didaktikverständnisse an, insofern mit Blick auf die künstle‐ rischen Verfahrensweisen von einem Experimentieren der Schüler*innen,  von einem ergebnisoffenen szenischen Forschen, von einer Prozessorien‐ tierung  gegenüber  einer  eher  ergebnisorientierten  Vorgehensweise,  von  einer künstlerischen Arbeitsweise, die auf Zumuten und Unterstützen zu‐ gleich  setzt  etc., ausgegangen  wird.  All  die  genannten  didaktischen  An‐ sätze wissen den Rätselcharakter und die Fremdheitspotenziale im Künst‐ lerischen sowie die Eigenlogik künstlerischen Arbeitens zu bewahren und  setzen sich von der Logik einer insbesondere schulischen Praxis ab, die auf  einen  linear  angelegten  und  zu  messenden  Lernprozess  abzielt  und  die  „gewöhnlich auf Bekanntmachung des Unbekannten, auf Aufklärung des  Unklaren,  auf  Stimmigmachen  des  Unstimmigen,  auf  Vertrautmachen   des Fremden“ (Rumpf 1996: 472), auf Erklärung, auf Perfektionierung des  Unvollkommenen, auf Einordnung des Singulären unter etwas Allgemei‐ nes, auf die Beurteilung des zunächst nicht geheuer Erscheinenden aus ist  (vgl. Westphal/Bogerts 2017a).  

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Kulturelle Bildung als Antwortgeschehen 

Wir folgen einem Verständnis des Rats für Kulturelle Bildung (2015: 81),  das Kulturelle Bildung insbesondere als die Allgemeinbildung durch spe‐ zifische ästhetische Erfahrungen definiert. Verfolgt wird hiermit eine en‐ gere Anbindung an die Künste, die je ein besonderes Erfahrungsfeld be‐ deuten.  In  unserem  Fall  geht  es  darum,  eine  tänzerische,  theatrale  oder  performative Praxis an der Schnittstelle zwischen Kunst und Bildung quer  zur Fixierung von Identitäten oder Gewissheiten – sowohl mit Blick auf  Bildung als auch Kunst – zu denken, sie nicht nur als eine künstlerische  Praxis  allein,  sondern  auch  in  ihren  Wechselwirkungen  mit  kulturellen, 

„Kunst_Rhein_Main“  

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pädagogischen,  politischen  oder  institutionellen  Kontexten  zu  verstehen  (vgl. Westphal 2017; Westphal/Bogerts 2017a).  Untersuchungen kultureller Praxen innerhalb der pädagogischen Phä‐ nomenologie und Anthropologie weisen aus, dass Kulturelle und im en‐ geren Sinne ästhetische Bildung nicht in erster Linie als eine Aktivität, son‐ dern auch als ein Widerfahrnis bzw. als ein Antwortgeschehen zu betrach‐ ten ist (vgl. Westphal/Zirfas 2014).   Die phänomenologische Perspektive, Bildung als responsives Antwort‐ geschehen vor dem Hintergrund einer leiblichen Verwicklung in Lebens‐ welten zu begreifen, rüttelt an der Vorstellung eines Bildungsverständnis‐ ses, das Bildung als bloßen Aneignungsprozess begreift, der dem Subjekt  mehr oder weniger äußerlich, weil rational, bleibt. Das Subjekt gerät viel‐ mehr in der phänomenologischen Betrachtungsweise in eine gedoppelte  Position:  Das  Subjekt  ist  ein  aktives  Selbst,  sofern  es  Antworten  hervor‐ bringt, in dem es sich leiblich‐konkret auf das andere einlässt. Zugleich ist  es jedoch auch Teil eines Kontexts, dem es sich erfahrend überlässt und  über den es nicht vollständig verfügt und im Unterschied zu traditionellen  Bildungstheorien  darauf  abhebt,  dass  das  Subjekt  gerade  nicht  auf  sich  selbst zurückkommt (vgl. ebd.). Kein Mensch handelt, denkt oder fühlt al‐ lein aus sich selbst heraus. Handlungen, Erfahrungen und Sprache sind im  „Zwischenreich  der  Interaktionen  bzw.  in  den  Zwischenwelten  der  Me‐ dien“ (Lippitz 2001: 147) und Künste angesiedelt. Sinn artikuliert sich als  Differenzgeschehen (vgl. ebd.). Alterität und Fremdheit als Struktur von  Bildung erlaubt es – so Wilfried Lippitz –, neu und anders über Pädagogik  zu denken und den pädagogischen Umgang mit den Heranwachsenden  als ein offenes Geschehen zu gestalten und zu erfahren. Dieser Zugang in  der  Pädagogik  korrespondiert  mit  der  Vorstellung  eines  schöpferischen  Tuns in den Künsten und eines Subjektverständnisses, wie wir es derzeit  an  vielen  Performancemodellen  mit  Kindern  beobachten  können  (vgl.   Bilstein 2013; Westphal 2012; Deck/Primavesi 2014).  Hervorzuheben ist außerdem, dass im Laufe des 20. Jahrhunderts die  Kindheitsforschung dazu beigetragen hat, eine andere Perspektive auf das  Kind  und  auf  das  Generationsverhältnis  einzunehmen  (vgl.  Muchow/  Muchow 2012; Westphal/Jörissen 2013; Scholz 1994). In den Blick kommen 

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Kristin Westphal und Teresa Bogerts

zunehmend das Kind und seine konkreten sprachlichen, sinnlich‐leiblichen  und symbolischen Ausdrucks‐, Spiel‐ und Artikulationsweisen (vgl. Lippitz  1999;  Meyer‐Drawe/Waldenfels  1988;  Meyer‐Drawe  2006;  Schäfer  1997).  Spielräume des Erkennens finden im Ausgesetzt‐Sein mit den Prozessen  der  Sozialisation,  der  Natur  und  Kultur  statt  (vgl.  Merleau‐Ponty  1994:  180). Leitend ist u. a. die Erkenntnis, dass   „die Erziehung von Beginn an nur im Horizont eines zukünftigen unberechenbaren  Überschrittenwerdens geschehen kann. Selbst wenn sie auf eine Bildung des Selbst  abzielt, die geradezu mit seiner Selbstbildung sollte zusammenfallen können, wird  sie niemals an die unbestimmte, nicht vorwegzunehmende und sich schon in ihr vor‐ bereitende Zukunft des Selbst heranreichen […].“ (Liebsch 2007: 60f.) 

Diese Unbestimmbarkeit erlaubt das Generationsverhältnis nur als Mög‐ lichkeitsraum  zu  thematisieren.  Für  die  Reflexion  einer  pädagogischen  Praxis sind wir mit Maurice Merleau‐Ponty herausgefordert, das Kind als  anderen von daher zu verstehen, wie man ihm einerseits begegnet und an‐ dererseits nachzuvollziehen, wie dem Kind die wahrgenommene Welt be‐ gegnet, so wie sie sich ihm darstellt (vgl. ebd.).   Im Folgenden werden in Orientierung an diese Theoreme Qualitätskri‐ terien ausgeführt, wie sie für unsere wissenschaftliche Begleitung leitend  gewesen sind. 

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Qualitätskriterien 

Im Unterschied zu Konzepten, die sich ausschließlich am Qualitätskrite‐ rium  Kompetenz  orientieren,  geht  es  im  Weiterbildungsansatz  „Kunst  Rhein‐Main“ bei der Bestimmung und Beforschung gelingender Bildungs‐ prozesse um den Referenzrahmen der ästhetischen Bildung unter beson‐ derer  Berücksichtigung  zeitgenössischer  Tanz‐,  Theater‐  und  Perfor‐ mancekunst.  Vor  dem  Hintergrund  ergibt  sich  ein  offener  Katalog  an   Qualitätskriterien,  der  dem  künstlerisch‐pädagogischen  Weiterbildungs‐ modell  sowie  der  Beforschung  der  Praxis  der  Teilnehmenden  zugrunde  liegt: 

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Aisthesis: Sinnlich‐körperliche Wahrnehmung  Da Kulturelle und ästhetische Bildung mit der sinnlichen Wahrnehmung  eng verknüpft ist, wird die Einbindung sinnlich‐leiblicher Erfahrungen als  ein wichtiges Qualitätskriterium betrachtet (vgl. Bilstein 2013: 61). Gerade  durch  Theater,  Tanz  und  Performance  kann  ein  Bewusstsein  dafür  ge‐ schaffen werden, welche fundamentale Bedeutung der Leib bzw. Körper  nicht nur als Voraussetzung für einen Zugang zur Welt und dem Selbst  hat,  sondern  auch  beim  Hervorbringen  von  Tanz,  Theater  und  Perfor‐ mancekunst im Sinne einer Verkörperung in Zeit und Raum beteiligt ist.  Werden ausgehend von den Künsten der Leibbezug und seine „sinnlichen  und praktischen Erfahrungs‐ und Handlungsmöglichkeiten“ mitgemeint  (Rat für Kulturelle Bildung 2014: 24), verliert sich oftmals der Einbezug  sinnlich‐körperlicher Wahrnehmung insbesondere in schulischen Kontex‐ ten.  Anerkennung und Begeisterung  Diese  beiden  Qualitätskriterien  lassen  sich  sowohl  vonseiten  der  Kunst‐ schaffenden als auch vonseiten der Zielgruppe umreißen. Mit Blick auf die  Kunstschaffenden  geht  es  darum,  der  Zielgruppe  eine  anerkennende  Grundhaltung gegenüber den Künsten zu vermitteln, indem sie die Ziel‐ gruppe  befähigt,  kunstbezogene  Kenntnisse  zu  erlangen,  eigene  Stand‐ punkte zu beziehen sowie Probeprozesse und Aufführungen zu reflektie‐ ren.  Die Entstehung  einer solch anerkennenden  Haltung  gegenüber  den  Künsten ist auch in enger Verbindung mit Begeisterung sowie Inspiration,  Motivation und Wertschätzung zu sehen (vgl. Bilstein 2013: 63). Insbeson‐ dere  Begeisterung  kann  bei  der  Zielgruppe  dadurch  ausgelöst  werden,  dass im Umgang mit den Künsten außeralltägliche Phänomene erlebt wer‐ den, die in der Auseinandersetzung existenziell und emotional berührend  sind (vgl. Rat für Kulturelle Bildung 2014: 24).  Erfahrung von selbsttätig künstlerischem Schaffen  Die Erfahrung von selbsttätig künstlerischem Schaffen eröffnet der Ziel‐ gruppe  eine  Vielfalt  von  ästhetischen  Erfahrungen  und  die  Auseinan‐

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dersetzung mit dem Selbst und der Welt. Daher gilt es, für eine qualitativ  hochwertige  kulturelle  Projektpraxis  eine  dafür  benötigte  Offenheit  und  entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.  Sensibilität für künstlerische Prozesse  Gegenüber  dem  seit  dem  17.  Jahrhundert  –  kunsthistorisch  betrachtet  –  vermittelten Verständnis, das Werk in den Mittelpunkt des künstlerischen  Schaffens zu stellen, heben zeitgenössische künstlerische Verfahrenswei‐ sen die Bedeutsamkeit des Prozesses und somit das Werden des Produkts  hervor. Ein Aufmerksam‐Werden und eine Sensibilisierung für Prozesse  oder Entwicklungswege künstlerischen Schaffens können daher als zent‐ rale  Qualitätsfaktoren  für  Kulturelle  Bildung  angesehen  werden  (vgl.   Bilstein 2013: 62).  Freiheit für Wahl‐ und Entscheidungsmöglichkeiten  Mit  Blick  auf  den  künstlerischen  Schaffensprozess,  in  den  sich  die  Ziel‐ gruppe begibt, ist die Freiheit für Wahl‐ und Entscheidungsmöglichkeiten  existenziell. Künstlerische Prozesse sind ohne aktives Treffen einer Aus‐ wahl  oder  von  Entscheidungen  nicht  vorstellbar,  nur  derart  kann  über  Verstehen  und  Schaffen  zu  „gegenstandsbezogener  Kritikfähigkeit,  Ent‐ scheidung und Ausschluss“ (Rat für Kulturelle Bildung 2014: 24) gelangt  werden. Zudem spielt die Freiheit für Wahl‐ und Entscheidungsmöglich‐ keiten, die der Zielgruppe gegeben wird, in der Ausgestaltung kultureller  Bildungsangebote seitens der Kunstschaffenden eine große Rolle. Für eine  gelingende  kulturelle  Praxis  ist  es  daher  wichtig,  Partizipation,  Verant‐ wortung und Mitbestimmung der Zielgruppe am und im Projektverlauf  zu ermöglichen. Künste sind dialektische Orte der Distanzierungen und  Bezugnahmen, in denen wir auch ein kritisches Verhältnis zur partizipati‐ ven  Wirklichkeit lernen können.  Insofern  kann  das Feld  der  Kulturellen  Bildung  kritisch‐experimentelle,  recherchierende  Formen  der  Aushand‐ lung  und  Umsetzung  von  Partizipation  einüben  und  praktizieren  (vgl.   Zirfas 2018).     

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Erfahrung von Kontingenz: Neues, Fremdes, Möglichkeiten  In den Künsten können auf besondere Art Kontingenz und Emergenz er‐ fahren werden. Die „Erfahrungen des Zufalls und der unendlichen Zahl  an Möglichkeiten“ (Rat für Kulturelle Bildung 2014: 24) auf der einen und  die  Erfahrung  des  Unkalkulierbaren,  Unvorhersehbaren,  Unbestimmten  auf der anderen Seite ermöglichen die Eröffnung neuer Horizonte – der‐ gestalt  Seh‐  und  Hörgewohnheiten  befragt  werden  und  zu  potenziell  neuen Sichtweisen auf die Welt und das Selbst führen können. Dabei spie‐ len Erfahrungen von Frustration, Überraschung, Widerständigkeit, Schei‐ tern oder gar Überforderung als Störfaktor einer sozialen und ästhetischen  Praxis eine wichtige und konstruktive Rolle für ein Nachdenken und Fan‐ tasieren über Kunst und Welt, über Eigenes und Fremdes, über Produk‐ tion und Rezeption (vgl. Westphal 2014a und b; Liebert/Westphal 2015).  Erfahrung von Ganzheit und Aufmerksamkeit  Die Erfahrung von Ganzheit zielt mit Blick auf die Künste auf die Tatsache,  dass  „das  einzelne  Kunstwerk  mehr  als  die  bloße  Summe  seiner  Teile“   (Bilstein 2013: 63) ist und auf die Bedeutsamkeit jedes Details – wie in un‐ serem Fall einer Proben‐ und Aufführungspraxis in Theater, Tanz und Per‐ formance – geltend zu machen ist. Die Qualität des Verhältnisses von Pro‐ zess und Produkt erschließt sich somit nur in seiner Ganzheit.  Aufmerksamkeit fokussiert hingegen insbesondere die vertiefende und  konzentrierte  Auseinandersetzung  mit  den  Künsten  im  künstlerischen  Schaffensprozess  seitens  der  Zielgruppe.  Dadurch  wird  Qualität  im  Be‐ reich  der  Kulturellen  Bildung  schließlich  auch  durch  die  Schaffung  von  „Sensibilität  und  Aufmerksamkeit  für  Ganzheiten  und  Atmosphären“  (ebd.) bestimmt.   

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Qualifikationsziele der Weiterbildung 

Grundlegend  hebt  das  Programm  für  eine  Weiterbildungsmodellierung  darauf ab,     Kunstschaffende in der Wahrnehmung ihrer spezifischen Rolle in  Bildungskontexten zu stärken;   den Stellenwert einer künstlerischen Arbeit innerhalb der Kom‐ plexität in (semi‐)formalen Bildungskontexten zu verstehen;   eine Auseinandersetzung mit der eigenen künstlerisch‐pädagogi‐ schen Konzeption anzuregen;   sich im Kontext der Kulturellen und ästhetischen Bildung veror‐ ten zu können;   grundlegende Begrifflichkeiten und Ansätze einer theoriegeleite‐ ten Praxis unterscheiden und für die eigene Konzeption anwen‐ den zu können;   ästhetische und soziale Wirkweisen von Tanz, Theater und Per‐ formance zu reflektieren;   Bildungsdimensionen von zeitgenössischem Tanz, Theater und   Performance zu kennen und auf die eigene Arbeit bezogen zu re‐ flektieren;   zeitgenössische Verfahrensweisen in Tanz, Theater und Perfor‐ mance kennenzulernen, einzuordnen und für einen adressaten‐ bezogenen Einsatz in didaktisch‐methodischer Perspektive zu re‐ flektieren und anzuwenden;   Kooperationsmodelle kennenzulernen und für die eigene Praxis  zu reflektieren;   Bedingungen für ein Gelingen einer künstlerischen Praxis in Bil‐ dungskontexten zu befragen und auf die eigene Praxis bezogen  zu reflektieren.   

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Inhaltliche Perspektiven der Weiterbildung 

In der Ausgestaltung des Programms für eine Weiterbildung kommen drei  Perspektiven zum Tragen:     Kulturelle und ästhetische Bildung  Fragen zum Kunst‐ und Bildungsverständnis, zur Wertschätzung  und Anerkennung, zur Qualität von Bildungsangeboten Kultu‐ reller Bildung; Eigensinnigkeit und Qualität der Künste.     Erziehungswissenschaftliche Expertise  Vermittlung von Erkenntnissen zu Wahrnehmungs‐, Artikulati‐ ons‐ und Spielweisen von Kindern und Jugendlichen; Selbst‐ und  Weltbildung; Leiblichkeit/Zeitlichkeit/Räumlichkeit; Lebenswel‐ ten von Kindern und Jugendlichen.     Vermittlung von innovativen künstlerischen Verfahrensweisen unter   didaktisch‐methodischen Gesichtspunkten  Verhältnis von kollektiven Formen versus individuellen Formen;   offenen und gebundenen Formen; Instruktion als künstlerisches  und pädagogisches Format zwischen Anweisung und Anleitung  und Formaten von Vorstellungsprozessen; Selbst‐ und Fremd‐  beobachtung; Techniken zur Wahrnehmung und Aufmerksam‐ keit; Spannungsverhältnis einer prozessorientierten gegenüber  einer produktorientierten Vorgehensweise; zur Rolle des Kunst‐ schaffenden; Formen der Kooperation und Kollaboration; Diffe‐ renzierung künstlerischer Praktiken als Wissensproduktion.     

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Formate: Inspiration, Reflexion, Transformation   und Vernetzung 

In die Programmatik und Hintergründe der Weiterbildung einführend be‐ ginnt das Weiterbildungsprogramm mit einem Vortrag (Kristin Westphal),  der sich mit der Frage auseinandersetzt, inwieweit insbesondere die Per‐ formancekünste neue Formen der Bildung und des Lernens mit sich füh‐ ren. Daran schließt sich ein Workshop der Choreografin und Tanzvermitt‐ lerin  Wiebke  Dröge  an,  der  mit  einem  performativen  Format  die  eigene  Positionierung  als  Gastkünstler*in  im  Spannungsgefüge  von  Kunst  und  Bildung(‐sinstitution) befragt und Reflexionen zum eigenen Bildungs‐ und  Kunstverständnis einleitet.  Im weiteren Programmverlauf werden Workshop‐Formate zu künstle‐ rischen Verfahrensweisen oder Vermittlungskonzepten wechselweise aus  den Bereichen Tanz, Theater und Performance mit wissenschaftlichen Vor‐ trägen verknüpft und kombiniert.   In  den  Workshops  steht  die  Erprobung  zeitgenössischer  Verfahrens‐ weisen und Vermittlungskonzepte für eine künstlerische Arbeit mit Kin‐ dern  und  Jugendlichen  und  ihre  Übertragbarkeit  auf  die  jeweiligen  Ar‐ beitszusammenhänge der Teilnehmenden im Vordergrund. Zum Tragen  kommen in diesem Format Themen wie beispielsweise mit Kindern und  Jugendlichen  künstlerisch  experimentiert,  performativ  gearbeitet,  sze‐ nisch geforscht, zeitgenössisch getanzt und improvisiert werden kann. Die  Referent*innen  sind  namhafte  Kunstschaffende  oder  Kollektive  aus  den  Bereichen Tanz, Theater und Performance. Die Performancekünstlerinnen  Eva Meyer‐Keller und Hanna Sybille Müller stellen etwa eine Verfahrens‐ weise vor, in der sich Kinder experimentierend und künstlerisch forschend  mit  Katastrophen‐Phänomenen  und  ihrer  Inszenierung  in  Performances  auseinandersetzen.  Graham  Smith,  der  Leiter  der  Sparte  Junges  Thea‐ ter/Junger Tanz am Freiburger Theater, präsentiert in Anlehnung an sein  Konzept „Learning by Moving“ Prinzipien einer tänzerisch‐improvisato‐ rischen Arbeit mit verschiedenen Altersgruppen. Ole Frahm und Torsten  Michaelsen vom Performancekollektiv LIGNA führen in ihre kollektiv‐ interventionistische und mediengestützte Arbeitsweise ein und befragen 

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dabei das Verhältnis von Kollektiv und Einzelnem*r. Der Choreograf und  Tanzvermittler Felix Berner vom Staatstheater Mainz stellt tanztheatrales  Arbeiten mit Jugendlichen vor. Im Workshop von Veit Sprenger vom Per‐ formancekollektiv  Showcase  Beat  Le  Mot  stehen  Performancestrategien  und ‐regeln in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Fokus. Nicht  zuletzt wird intergenerationales Arbeiten in Tanzprojekten im Workshop  der  Choreografin  und  Tanzvermittlerin  Claudia  Hanfgarn  veranschau‐ licht.  Die  Vorträge  der  Weiterbildung  greifen  Themen  an  der  Schnittstelle  von Kunst und Bildung sowie Vermittlung auf. Sie schaffen einen Denk‐ raum  für  die  Kunstschaffenden,  in  dem  Diskurse  eröffnet,  Theorie‐  und  Praxisverhältnisse befragt und Reflexionen zur eigenen Praxis und künst‐ lerisch‐pädagogischen  Konzeption  über  die  Einführung  von  Begrifflich‐ keiten  angeregt  werden.  Die  Referent*innen  sind  renommierte  Wissen‐ schaftler*innen  aus  den  verschiedenen  Disziplinen  der  Theater‐,  Tanz‐,  Kunst‐  und  Erziehungswissenschaft.  Johannes  Bilstein  führt  in  seinem  Vortrag  beispielsweise in die  Diskurstraditionen  der  musischen, ästheti‐ schen und Kulturellen Bildung ein und beschäftigt sich insbesondere mit  den  Paradoxien  der  Kulturellen  Bildung.  Welche  gegenwärtigen  Prinzi‐ pien und Tendenzen einen zeitgenössischen Kunstbegriff prägen und wie  sich diese in aktuellen Aufführungen und Performances der Darstellenden  Künste  artikulieren,  wird  in  einem  Vortrag  von  Gerald  Sigmund  aufge‐ zeigt. Ingrid Hentschel referiert darüber, wie sich Kindheitsvorstellungen  im zeitgenössischen Theater wiederfinden und wie diese das eigene künst‐ lerische Handeln bestimmen können. Der Vortrag von Jörg Zirfas beleuch‐ tet  das  Phänomen  der  Partizipation  in  der  Kulturellen  Bildung  und  be‐ schäftigt  sich  in  diesem  Kontext  auch  mit  Formen  einer  verordneten,  disziplinierenden, instrumentalisierenden  oder  kontrollförmigen Partizi‐ pation.  Mit einem  weiteren  künstlerisch‐reflexiven Format wird  das  Kunst‐  und Bildungsverständnis der Teilnehmenden, ihre Positionierung an der  Schnittstelle  von  Kunst  und  Bildung  sowie  ihre  spezifische  Rolle  als  Kunstschaffende in Bildungskontexten thematisiert. Die Referent*innen  sind namhafte Persönlichkeiten, die selbst an der Schnittstelle von Kunst, 

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Wissenschaft und Pädagogik arbeiten – wie etwa Sibylle Peters vom Ham‐ burger Forschungstheater des FUNDUS Theaters, Melanie Hinz (Perfor‐ mancekollektiv Fräulein Wunder AG) oder Mira Sack.  

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Die wissenschaftliche Begleitforschung und ihre  Rolle und Bedeutung für die Erprobung und   Konzipierung des Weiterbildungsmodells 

Zum Gelingen des Verbundvorhabens trugen auf einer ersten Ebene die  wissenschaftliche Begleitung der Weiterbildungserprobung und auf einer  zweiten Ebene  die  wissenschaftliche Begleitung ausgewählter  Weiterbil‐ dungsteilnehmenden  in  ihren  künstlerischen  Projekten  im  Bildungskon‐ text bei.    1) Untersuchungsebene: Die wissenschaftliche Begleitung des Erpro‐ bungsprozesses der Weiterbildung umfasste sowohl die Dokumen‐ tation und Auswertung der einzelnen Weiterbildungsveranstaltungen  als auch eine Rückkopplung der Ergebnisse an die Verbundpartner  im Sinne einer prozessorientierten und responsiven Verfahrens‐ weise, die Austausch und Änderungen im Hinblick auf das Weiter‐ bildungsprogramm permanent ermöglichte. Zur Anwendung   kamen Methoden wie die teilnehmende Beobachtung, qualitative  Fragebogenerhebungen nach jeder Weiterbildungsveranstaltung  und leitfadengestützte Interviews zum Programminhalt der Weiter‐ bildung mit ausgewählten Weiterbildungsteilnehmenden.  2) Untersuchungsebene: Die wissenschaftliche Begleitung ausgewählter  Weiterbildungsteilnehmenden im Feld diente dazu, Erkenntnisse  über die gegenwärtige künstlerische Praxis im Bildungskontext zu  gewinnen und davon ausgehend Rückschlüsse auf das Weiterbil‐ dungsmodell ziehen zu können. Zur Anwendung kamen Methoden  wie die teilnehmende Beobachtung innerhalb der besuchten Projekt‐ einheiten und leitfadengestützte Interviews mit den 

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Kunstschaffenden zu ihren Kunst‐ und Bildungsverständnissen, ih‐ ren Arbeitsweisen und zu projektbezogenen Problemstellungen.3    Die Besonderheit der teilnehmenden Beobachtung als Methode liegt vor  allem darin, dass „jedes Datum in einer (Erhebungs‐)Situation das Ergeb‐ nis eines gemeinsamen Herstellungsprozesses der an der Situation Betei‐ ligten ist“ (Mey 2000: 12). Das heißt, dass der*die Beobachter*in also nicht  gänzlich außen vor bleibt, sondern vor dem Hintergrund des Wissens und  der Wahrnehmung der Situation an dem Deutungsprozess beteiligt ist. In  der  Kombination  mit  der  Methode  des  leitfadengestützten  Interviews  ergibt  sich  ein  umfassender  Blick  auf  die  künstlerische  Projektpraxis  in  Wort und Tat. Die in den Interviews geäußerten künstlerischen und päda‐ gogischen Vorstellungen und Verständnisse ließen sich in den beobachte‐ ten Projekteinheiten sehr gut an der Interaktion und Kommunikation der  Kunstschaffenden  mit  der  jeweiligen  Zielgruppe  überprüfen.  Gerold  Scholz (2012: 119) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Kontrolle  der Daten“. Darüber hinaus entschied man sich für die Anwendung der  teilnehmenden  Beobachtung,  da  in  der  Auffassung  Christian  Lüders  (2003: 151) „durch die Teilnahme an Face‐to‐Face‐Interaktionen bzw. die  unmittelbare Erfahrung von Situationen Aspekte des Handelns und Den‐ kens beobachtbar werden, die in Gesprächen und Dokumenten – gleich  welcher Art – über diese Interaktionen bzw. Situationen nicht in dieser  Weise  zugänglich  wären“.  Das  hat  sich  im  Forschungsprozess  von  „Kunst_Rhein_Main“  bestätigt,  dergestalt  die  Differenz  zwischen  Wort  und Tat erst zu tieferen Einsichten in eine künstlerische Praxis und ihrer  Problemstellungen führen konnte.     

                                                            3   Da das Verbundprojekt zum Zeitpunkt der Verschriftlichung dieses Artikels noch nicht  abgeschlossen war, fokussieren sich die im Folgenden vorgestellten Ergebnisse der bei‐ den Untersuchungsebenen auf die Phase des ersten Erprobungsdurchgangs. 

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Ergebnisse der Untersuchungsebene 1  Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung des Erprobungsprozes‐ ses zeigen, dass die Weiterbildung „Kunst Rhein‐Main“ nach ihrer Erpro‐ bung folgende Ziele erreichen konnte:     Eine Stärkung der Teilnehmenden in der Wahrnehmung ihrer  spezifischen Rolle als freie Kunstschaffende, die in Bildungskon‐ texten tätig sind.   Die Anregung einer Auseinandersetzung mit der eigenen künst‐ lerisch‐pädagogischen Konzeption sowie das Anstoßen von Ver‐ gewisserungs‐, Erweiterungs‐ und Weiterentwicklungsprozessen  bezüglich der eigenen künstlerisch‐pädagogischen Arbeitsweisen  bei den Teilnehmenden durch die Workshops der Weiterbildung.   Eine Initiierung von Positionierungen zu den Vortragsinhalten  sowie eine Schärfung von Begrifflichkeiten und Zusammenhän‐ gen von Kunst und Bildung bei den Teilnehmenden durch die  Vorträge der Weiterbildung.   Eine gegenseitige Bereicherung und Erweiterung der Arbeitswei‐ sen der Teilnehmenden sowie eine Initiierung von spartenüber‐ greifenden Kollaborationen in den Praxisfeldern der Teilnehmen‐ den durch den zeitgenössisch und spartenübergreifend angeleg‐ ten Weiterbildungsansatz.    Auf  der  Basis  der  Auswertungen  trug  die  wissenschaftliche  Begleitung  über  den  gesamten  Erprobungsprozess  durch  Empfehlungen und  Anre‐ gungen zur Schärfung und Optimierung des Weiterbildungskonzepts bei.  So wurde im Prozess beispielsweise eine Erweiterung des Modells um Re‐ flexions‐ und Austauscheinheiten empfohlen, die sich an die praktischen  und theoretischen Inhalte der Weiterbildung anschließen und sich mit Ein‐ heiten zur innovativen und spartenübergreifenden Konzept‐ und Projekt‐ entwicklung verbinden lassen. Auch eine im Rahmen der Weiterbildung  kommunizierte Möglichkeit zur Erprobung dieser entwickelten Konzept‐  und Projektideen in den Kontexten der Träger wurde den Verbundpart‐ nern vorgeschlagen. 

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Ergebnisse der Untersuchungsebene 2  An dieser Stelle können die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung  der künstlerisch‐pädagogischen Praxis der Weiterbildungsteilnehmenden  nur ausschnitthaft angeführt werden:4   Im  Feld  konnte  erstens  ein  großer  Weiterbildungsbedarf  hinsichtlich  zeitgenössisch‐innovativer künstlerisch‐pädagogischer Verfahrensweisen  und  Vermittlungskonzepte  ermittelt  werden.  Bei  der  Beobachtung  der  Praxis trat offen zutage, dass innovative Ansätze, wie in der Weiterbildung  etwa  von  LIGNA,  Eva  Meyer‐Keller  und  Hanna  Sibylle  Müller  oder   Sibylle Peters vorgestellt, selten ausgemacht werden konnten. Vor diesem  Hintergrund  erwies  sich  der  Weiterbildungsansatz  von  „Kunst  Rhein‐ Main“,  innovative  künstlerische  Verfahrensweisen  unter  pädagogischen  Gesichtspunkten zu vermitteln und somit eine Perspektive von den Küns‐ ten auf Bildung einzunehmen, als wichtig und zukunftsweisend.   Der Ansatz ermöglichte es zudem, gegenüber dem pädagogischen Be‐ reich  bestehende  Ressentiments  abzubauen,  ein  Bewusstsein  für  die  bil‐ denden Potenziale und pädagogischen Implikationen der Künste bei den  Teilnehmenden zu schaffen und einen Diskurs darüber in der Weiterbil‐ dung zu etablieren.  Zugleich  offenbarte  sich  bei  der  Begleitung  im  Feld  ein  Bedarf  an  grundlegenden  Pädagogikkenntnissen  bei  den  Weiterbildungsteilneh‐ menden: Nahezu alle begleiteten Teilnehmenden verfügten über nur ge‐ ringe pädagogische Fachkenntnisse. Dem konnte auf theoretischer wie re‐ flexiv‐praktischer Ebene durch die verschiedenen Formate der Weiterbil‐ dung begegnet werden.   Die  wissenschaftliche  Begleitung  der  Praxis  konnte  verschiedene  für  die Weiterbildung auf unterschiedlichen Ebenen relevante Themen iden‐ tifizieren und analysieren:      bei den Kunstschaffenden implizit vorhandene Pädagogik‐ und  Bildungsverständnisse                                                              4   Umfassendere  Darstellungen  finden  sich  in  Westphal/Bogerts  (2017b)  und  Kristin   Westphal et al. (2018). 

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       

die eigene Haltung bzw. Positionierung gegenüber der Bildungs‐ institution  der Umgang mit bereits vorhandenen Kunstverständnissen der  Zielgruppen  die Ausgestaltung des Verhältnisses von Prozess und Produkt in  den Projekten  der Umgang mit offenen und gebundenen Formen der Vermitt‐ lungspraxis  der Umgang mit verschiedenen Ziel‐ und Altersgruppen  der Umgang mit Erwartungen seitens der Eltern und der päda‐ gogischen Fachkräfte in den künstlerischen Projekten  die Auseinandersetzung mit Paradoxien, die sich zeigen, wenn  das System Kunst auf das System Schule trifft  die Auseinandersetzung mit funktionsspezifischen Mechanismen  von Bildungsinstitutionen und deren Kooperationsvorstellungen  mit Kunstschaffenden 

  Diese Themen wurden mit der Empfehlung an die Verbundpartner über‐ mittelt, spezifische diskursive, reflexive und praktische Einheiten im Pro‐ gramm dafür zu schaffen.  Weitere Schwerpunkte der Untersuchung konzentrierten sich auf der  Basis ästhetischer und pädagogischer Qualitätskriterien auf die Praxis der  Kunstschaffenden im Bildungskontext und damit verbundener Problem‐ stellungen und Herausforderungen aus künstlerischer und pädagogischer  Sicht.  Außerdem  stehen  die  Gelingensbedingungen  von  Kooperationen  zwischen Kunstschaffenden und Bildungsinstitutionen unter Berücksich‐ tigung der Vermittlungstätigkeit von Zwischeninstanzen – wie Tanzplatt‐ form Rhein‐Main oder FLUX – im Fokus.   Auf beiden Untersuchungsebenen konnten auf Basis der Forschungs‐ ergebnisse  Rückschlüsse  auf  eine  Programmatik  des  Weiterbildungsmo‐ dells  rekrutiert  und  darüberhinausgehend  zugleich  ein  umfangreiches  empirisches Material  erhoben  werden, dessen Auswertung  für  Diskurse  im Kontext zur Forschung Kultureller und ästhetischer Bildung von Rele‐ vanz ist (vgl. Westphal/Bogerts 2017b). 

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„Kunst_Rhein_Main“  

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Die wissenschaftliche Begleitung als Tool  der Weiterbildung 

Im Verlauf des Erprobungsprozesses zeigte sich ein signifikanter Neben‐ effekt der wissenschaftlichen Begleitung: Auf dem Weg zur Professionali‐ sierung  und  Stärkung  der  Weiterbildungsteilnehmenden  stellte  sich  die  wissenschaftliche  Begleitforschung  als  wichtiges  Instrument  zur  Anre‐ gung von Reflexionsprozessen bei den Teilnehmenden heraus.   Der Einsatz offener Fragebögen zu den jeweiligen Weiterbildungsver‐ anstaltungen bewirkte eine vertiefende Reflexion der einzelnen Weiterbil‐ dungsschwerpunkte  und  ‐inhalte  bei  den  Teilnehmenden.  Auch  die  Be‐ gleitung  der  Teilnehmenden  im  Feld  konnte  Reflexionsprozesse  für  die   eigenen künstlerisch‐pädagogischen Arbeitsweisen anstoßen und die Im‐ pulse,  die  das  Weiterbildungsprogramm  geben  konnte,  verstärken.  Die  Qualität zeichnete sich dahingehend aus, dass im Anschluss der teilneh‐ menden Beobachtungen die wissenschaftliche Begleitung im Gespräch mit  den Kunstschaffenden das Projektgeschehen aus einer eher von außenste‐ henden Perspektive spiegeln konnte. Die auf einem Leitfaden basierenden  Interviews konnten die Kunstschaffenden zudem zum Verbalisieren, Be‐ schreiben  und  Reflektieren  eigener  Vorgehensweisen,  Konzeptionierun‐ gen und Problemstellungen herausfordern. Die wissenschaftliche Beglei‐ tung der Praxis vor Ort erwies sich somit für die Erprobung des Weiterbil‐ dungsmodells „Kunst Rhein‐Main“ und für die daran Teilnehmenden als  ein besonderer Gewinn, indem sie über das Weiterbildungsangebot hin‐ ausgehend zur Professionalisierung und Stärkung der Kunstschaffenden  beitragen konnte.   

 

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Kristin Westphal und Teresa Bogerts

Literatur  Bilstein, Johannes (2013): Qualitätskriterien aus den Künsten. In: Perspektiven der Forschung  zur  kulturellen  Bildung.  Hrsg.  vom  Bundesministerium  für  Bildung  und  Forschung  (BMBF). Bonn: Eigenverlag BMBF, S. 61‐63.   Bilstein, Johannes/Dornberg, Bettina/Kneip, Winfried (Hrsg.) (2007): Curriculum des Unwäg‐ baren.  Bd.  1:  Ästhetische  Bildung  im  Kontext  von  Schule  und  Kultur.  Oberhausen:  Athena.  Deck, Jan/Primavesi, Patrick (Hrsg.) (2014): Stop Teaching! Neue Theaterformen mit Kindern  und Jugendlichen. Bielefeld: transcript.   Engel,  Birgit/Böhme,  Katja  (Hrsg.)  (2015):  Didaktische  Logiken  des  Unbestimmten.  Imma‐ nente Qualitäten in erfahrungsoffenen Bildungsprozessen. München: kopaed.   Liebau, Eckart/Zirfas, Jörg (Hrsg.) (2009): Die Kunst der Schule. Über die Kultivierung der  Schule durch die Künste. Bielefeld: transcript.   Liebert,  Wolf‐Andreas/Westphal,  Kristin  (Hrsg.)  (2015):  Performances  der  Selbstermächti‐ gung. Oberhausen: Athena.   Liebsch, Bernhard (2007): Fremdheit und pädagogische Gerechtigkeit – mit Blick auf Gold‐ schmidt, Rousseau und Merleau‐Ponty. In: Schäfer, Alfred (Hrsg.): Kindliche Fremd‐ heit und pädagogische Gerechtigkeit. Paderborn: Schöningh, S. 25‐64.  Lippitz, Wilfried (1999): Aspekte einer phänomenologisch orientierten pädagogisch‐anthro‐ pologischen Erforschung von Kindern. In: Vierteljahreszeitschrift für wissenschaftliche  Pädagogik, 2 (99), S. 239‐247.  Lippitz, Wilfried (2001): Möglichkeiten der phänomenologischen Perspektive auf das Kind.  In:  Behnken,  Imbke/Zinnecker,  Johannes  (Hrsg.):  Kinder.  Kindheit.  Ein  Handbuch.  Seelze‐Velber: Kohlhammer, S. 143‐162.  Lüders,  Christian  (2003):  Teilnehmende  Beobachtung.  Stichwort.  In:  Bohnsack,  Ralf/  Marotzki,  Winfried/Meuser,  Michael  (Hrsg.):  Hauptbegriffe  qualitativer  Sozialfor‐ schung. Opladen: UTB, S. 151‐153.  Merleau‐Ponty, Maurice (1994): Keime der Vernunft. Vorlesungen an der Sorbonne 1949‐1952  (Übergänge). Hrsg. von Bernhard Waldenfels. München: Fink.   Mey, Günter (2000): Qualitative Forschung und Prozeßanalyse. Überlegungen zu einer „Qua‐ litativen  Entwicklungspsychologie“.  In:  Forum  Qualitative  Sozialforschung/Forum:  Qualitative  Social  Research,  Online  Journal,  1 (1)  [www.qualitative‐research.net/in‐ dex.php/fqs/rt/printerFriendly/1120/2485, letzter Zugriff: 18.04.2017].  Meyer‐Drawe, Käte (2006): Das Kind als Widerstand. In: Pädagogische Rundschau, 60, S. 659‐665.  Meyer‐Drawe, Käte/Waldenfels, Bernhard (1988): Das Kind als Fremder. In: Vierteljahreszeit‐ schrift für wissenschaftliche Pädagogik, 64, S. 271‐297.  Muchow, Martha/Muchow, Hans (2012): Der Lebensraum des Großstadtkindes. Hrsg. von  Imke Behnken und Michael‐Sebastian Honig. Neuausgabe. Weinheim/Basel: Beltz Ju‐ venta.  Rat für Kulturelle Bildung (Hrsg.) (2013): Alles immer gut. Mythen Kultureller Bildung. Es‐ sen: Eigenverlag. 

„Kunst_Rhein_Main“  

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Rat für Kulturelle Bildung (Hrsg.) (2014): Schön, dass ihr da seid. Kulturelle Bildung: Teilhabe  und Zugänge. Essen: Eigenverlag  Rat für Kulturelle Bildung (Hrsg.) (2015): Zur Sache. Kulturelle Bildung: Gegenstände, Prak‐ tiken und Felder. Essen: Eigenverlag.  Rumpf,  Horst  (1996):  Abschied  vom  Stundenhalten.  In:  Combe,  Alfred/Helsper,  Werner  (Hrsg.):  Pädagogische  Professionalität.  Untersuchungen  zum  Typus  pädagogischen  Handels. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 472‐500.  Sack, Mira (2011): Spielend denken. Theaterpädagogische Zugänge zur Dramaturgie des Pro‐ bens. Bielefeld: transcript.   Schäfer, Gert (1997): Aus der Perspektive des Kindes? Von der Kindheitsforschung zur eth‐ nographischen Kinderforschung? In: Neue Sammlung 37 (3), S. 377‐394.  Scholz, Gerold (1994): Die Konstruktion des Kindes. Opladen: Springer.   Scholz, Gerold (2012): Teilnehmende Beobachtung. In: Heinzel, Friederike(Hrsg.): Methoden  der  Kindheitsforschung.  Ein  Einblick  über  Forschungszugänge  zur  kindlichen  Per‐ spektive. 2. Aufl. Weinheim/Basel: Beltz Juventa, S. 116‐133.  Westphal, Kristin (Hrsg.) (2012): Räume der Unterbrechung. Theater. Performance. Pädago‐ gik. Oberhausen: Athena.   Westphal, Kristin (2014a): Theater/Kunst mit Kindern am Beispiel einer Performance mit Kin‐ dern  von  Eva  Meyer‐Keller  und  Sybille  Müller.  In:  Primavesi,  Paztrick/Deck  Jan  (Hrsg.):  Stop  Teaching!  Neue  Theaterformen  mit  Kindern  und  Jugendlichen.  Reihe  Theater, Tanz, Performance, Bd. 9. Bielefeld: transcript, S. 195‐202.  Westphal, Kristin (2014b): Theater als Ort der Selbstermächtigung am Beispiel Gob Squad:  Before  Your  Very  Eyes.  In:  Liebert,  Wolf‐Andreas/Westphal,  Kristin  (Hrsg.):  Perfor‐ mances der Selbstermächtigung. Reihe Theater, Tanz. Performance, Bd. 1. Oberhausen:  Athena, S. 163‐184.  Westphal, Kristin (2015): Neuere Verfahrensweisen in den Performancekünsten. Neue For‐ men der Selbst/Bildung? In: Meyer, Torsten/Kolb, Gila (Hrsg.): What’s Next? Art Edu‐ cation. Ein Reader. München: kopaed, S. 354‐357.  Westphal, Kristin (2017): Strategien der Selbstermächtigung in den Performancekünsten mit  Kindern. In: Fuchs, Max (Hrsg.): Das starke Subjekt: Erfahrungen aus der Praxis ästhe‐ tischer und kultureller Bildung. München: kopaed, S. 355‐364.  Westphal,  Kristin  (2018):  Einführung.  In:  Dies./Bogerts,  Teresa/Uhl,  Mareike/Sauer,  Illona  (Hrsg.): Zwischen Kunst und Bildung. Theorie, Vermittlung, Forschung in der zeitge‐ nössischen Theater‐, Tanz‐ und Performancekunst. Oberhausen: Athena (im Erschei‐ nen).  Westphal,  Kristin/Bogerts,  Teresa  (2017a):  Die  Kunst  der  Vermittlung  –  (V)Ermittlung  der  Kunst. In: Kettel, Joachim (Hrsg.): Publikation zum internationalen Kongress „The Mis‐ sing  LINK.  Übergangsformen  von  Kunst  und  Pädagogik  in  der  kulturellen  Bildung.  Künstlerische  Kunstpädagogik  im  Kontext“  (15.  bis  17.07.2016).  Oberhausen  (im  Er‐ scheinen).  Westphal,  Kristin/Bogerts  Teresa  (2017b):  Kunstschaffende  im  Spannungsgefüge  von  Kunst  und Bildung/Pädagogik. In: Ludwig, Joachim/Ittner, Helmut (Hrsg.) (2018): Forschung 

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Kristin Westphal und Teresa Bogerts

zum pädagogisch‐künstlerischen Wissen und Handeln. Pädagogische Weiterbildung  für Kunst‐ und Kulturschaffende, Band 2 Forschung. Wiesbaden: VS (im Erscheinen).  Westphal, Kristin/Bogerts, Teresa/Uhl, Mareike/Sauer, Illona (Hrsg.) (2018): Zwischen Kunst  und Bildung. Theorie, Vermittlung, Forschung in der zeitgenössischen Theater‐, Tanz‐  und Performancekunst. Oberhausen: Athena (im Erscheinen).  Westphal,  Kristin/Jörissen,  Benjamin  (Hrsg.)  (2013):  Vom  Straßenkind  zum  Medienkind.  Raum‐ und Medienforschung im 21. Jahrhundert. Weinheim/Basel: Beltz Juventa.  Westphal,  Kristin/Zirfas,  Jörg  (2014):  Kulturelle  Bildung  als  Antwortgeschehen  in  phäno‐ menologischer  Perspektive.  In:  Liebau,  Eckart/Jörrisen,  Benjamin/Klepacki,  Leopold  (Hrsg.):  Forschung  Kulturelle  Bildung.  Grundlagenreflexionen  und  empirische  Be‐ funde. München: kopaed, S. 55‐68.  Zirfas, Jörg (2018): Die Partizipation in der Kulturellen Bildung. In: Westphal, Kristin/Bogerts,  Teresa/Uhl, Mareike/Sauer, Ilona (Hrsg.): Zwischen Kunst und Bildung. Theorie, Ver‐ mittlung,  Forschung  in  der  zeitgenössischen  Theater‐,  Tanz‐  und  Performancekunst.  Oberhausen: Athena (im Erscheinen).   

„Kinder_Kunst_Räume“  Kunst für Kinder wirksam machen    Ricarda Schuh          Ein Freitag im Juni 2016 in Berlin. Die Weiterbildung des zweiten Moduls  „Übergang  Kindertageseinrichtung  (Kita)  –  Grundschule“  hatte  soeben  begonnen.  14  Künstler*innen  diskutierten  kontrovers  bei  gefühlten  35  Grad Kunstbegriffe. „Wer bin ich als Künstler*in?“ Dies darzustellen, war  für die Künstler*innen eine leichte Übung trotz der hohen Temperaturen.  Wer sie als Künstler*innen im pädagogischen Praxisfeld mit Kindern sind,  wollten  wir  mit  ihnen  im  nächsten  halben  Jahr  herausfinden.  Welchen  Herausforderungen  werden  Pädagog*innen  und  Künstler*innen  begeg‐ nen  in  diesem  von  unterschiedlichen  Arbeitsrealitäten,  Erfahrungen,  wechselseitigen Erwartungen und Wahrnehmungsgewohnheiten gepräg‐ ten Spannungsfeld „künstlerische Bildung“?   Welche Balanceakte  erwarteten  uns als entwickelnde,  durchführende  und vermittelnde Institution, die Künstler*innen befähigen möchte, künst‐ lerische Bildungsangebote für Kinder zu entwickeln und durchzuführen,  die durch einen originär künstlerischen Zugang geprägt sind?   „Künstler*innen  begründen  fast  nichts  in  ihrer  Arbeit,  Pädagog*innen  fast  alles.“  (Notiz Ricarda Schuh nach einer Praxisreflexion)  „Vermögen braucht Vertrauen.“ (Fazit der Künstlerin Gesa Vögele am Ende der Wei‐ terbildung) 

1

Die Weiterbildung „Kinder_Kunst_Räume“ 

Das  praxisorientierte  Weiterbildungsangebot  wurde  als  Verbundprojekt  der Universität Erfurt und der Stiftung SPI Berlin zwischen 2014 und 2017  © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Keuchel und B. Werker (Hrsg.), Künstlerisch-pädagogische Weiterbildungen für Kunst- und Kulturschaffende, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20711-3_5

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Ricarda Schuh

in Berlin und Erfurt entwickelt und erprobt. Es wurde als Modellprojekt  vom  Bundesministerium  für  Bildung  und  Forschung  (BMBF)  gefördert.  Gemeinsam wurden das Weiterbildungskonzept, das Curriculum und das  Zertifikat entwickelt.   Zentrales Ziel der Weiterbildung ist es, Bildende Künstler*innen zu be‐ fähigen, in pädagogischen Kontexten künstlerische Bildungsangebote zu  implementieren,  die  durch  einen  originär  künstlerischen  Zugang  Bil‐ dungs‐ und Entwicklungsprozesse der beteiligten Kinder aufgreifen und  unterstützen.   Als Ausbildungsinstitut für Pädagog*innen interessiert uns besonders,  wie  Kinder  und  Künstler*innen  in  der  künstlerischen  Bildungspraxis  in  eine Interaktion miteinander finden können, sodass Bildungschancen und  gegenseitige  Inspiration  entstehen.  Ferner  wollen  wir  erfahren,  wie  sich  die  Zusammenarbeit  von  pädagogischem  Fachpersonal  (Erzieher*innen  und  Lehrer*innen) und  Künstler*innen  im  Kontext von  Kita und  Schule  für die beteiligten Kinder förderlich gestalten lässt.  Die ersten beiden Module mit den Schwerpunkten „Kita“ und „Über‐ gang Kita –Grundschule“ wurden von der Stiftung Sozialpädagogisches  Institut (SPI), Geschäftsbereich Fachschulen, Qualifizierung und Professio‐ nalisierung,  in  Berlin  durchgeführt,  das  dritte  Modul  mit  dem  Schwer‐ punkt  „Hort  der  Grundschule“  von  der  Universität  Erfurt  in  Thüringen  und Sachsen. In meinen Ausführungen beziehe ich mich auf die von der  Stiftung SPI durchgeführten Module.  Drei  unabhängig  voneinander  zu  belegende  Weiterbildungsmodule  mit jeweils 160 Stunden plus 145 Stunden Selbststudium vermitteln päda‐ gogische Kompetenzen zur künstlerischen Bildungsarbeit in der Kita, am  Übergang von der Kita zur Grundschule oder im Hort der Grundschule.  Dabei wechseln sich vier Seminar‐ und drei Praxisphasen ab.   Die Module wurden in der Modellprojektphase durch die Universität  Erfurt wissenschaftlich evaluiert. Responsive Evaluationen fanden jeweils  zu  Beginn  der  folgenden  Seminarphase  statt.  Dies  ermöglichte  es  den  Künstler*innen, eine weitere Fremdperspektive auf das eigene Handeln in  der pädagogischen Situation zu beziehen.  

„Kinder_Kunst_Räume“  

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Der öffentlichen Abschlusspräsentation und dem Kolloquium kommen  besondere Bedeutung  zu. Künstler*innen  sind  hierbei  gefordert, sich  öf‐ fentlich  als  Künstler*in  in  der  künstlerischen  Bildung  zu  positionieren,  diese Position mit künstlerischen Mitteln darzustellen sowie die eigenen  Lernprozesse abschließend darzulegen.   Bei erfolgreichem Abschluss stellt ein Zertifikat die Kompetenzziele dar:     als Bildende*r Künstler*in künstlerische Bildungsangebote   methodisch‐didaktisch planen, durchführen und reflektieren  können   Beobachtungsmethoden kennen, anwenden und angebotsbezo‐ gen auswerten können   pädagogische Angebote selbst evaluieren, Erfahrungen kontext‐ bezogen einordnen und für die professionelle Weiterentwicklung  nutzen können    Die  Befähigung  zur  künstlerischen  Bildungsarbeit  mit  Kindern  wird  im  Zertifikat durch eine differenzierte Beschreibung der personalen und der  fachlichen Kompetenzen für Bildungseinrichtungen nachvollziehbar.  Um die Anschlussfähigkeit der Weiterbildung im Rahmen non‐formaler  Bildung anzubahnen, orientiert sich das Zertifikat in seinen Kompetenz‐ beschreibungen  am  Deutschen  Qualifikationsrahmen  für  lebenslanges  Lernen  (DQR),  Niveau‐Stufe  5:  „Über  Kompetenzen zur selbstständigen  Planung und Bearbeitung umfassender fachlicher Aufgabenstellungen in  einem komplexen, spezialisierten, sich verändernden Lernbereich oder be‐ ruflichen Tätigkeitsfeld verfügen.“ (BMBF 2016)   Mit den von der Stiftung SPI durchgeführten Modulen „Kita und Über‐ gang  Kita  –Grundschule“  fokussiert  die  Weiterbildung  zentrale  Felder  frühkindlicher Bildung. Die Aufgaben der Kita „Bildung, Erziehung und  Betreuung“  weisen  die  Kita  als  sozialpädagogische  Institution  und  Bil‐ dungseinrichtung  aus.  Die  für  die  Kitas  verpflichtenden  Bildungspläne  bzw. ‐programme beinhalten den Bildungsbereich kulturell‐künstlerische  Bildung, in dem die Arbeit der Künstler*innen in Modul 1 verortet ist.  

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Ricarda Schuh

Mit  dem  zweiten  Weiterbildungsmodul  „Übergang  Kita  –  Grund‐ schule“ wurde ein anderer Bildungsauftrag an Künstler*innen formuliert:  Mit künstlerischer Bildungsarbeit soll die Bewältigung des häufig als kri‐ senhaft  erlebten  Übergangs  unterstützt  werden.  Die  erste  Praxisphase  fand folglich in der Kita mit Vorschulkindern statt, die beiden folgenden  im Schulkontext direkt nach der Einschulung in der ergänzenden Förde‐ rung und Betreuung oder im Unterricht.  

2

Pädagogische Leitgedanken (Auszug) 

Die  Beteiligten  erkennen  das  Kind  als  Gestaltende  im  ko‐konstruktiven  Prozess  an.  Bildung  ist  in  diesem  Sinne  ein  aktiver  Prozess,  in  dem  das  Kind mit allen Sinnen und seiner gesamten Körperlichkeit gemeinsam mit  anderen seine Welt wahrnimmt, mit ihr in Beziehung tritt, sie reflektiert  und gestaltet.   In der durchgängigen Übereinstimmung von Inhalt und Form kommt  dies in der didaktisch‐methodischen Orientierung der Weiterbildung von  Anfang an zum Tragen, indem Teilnehmer*innen sich Inhalte aktiv gestal‐ tend  aneignen,  z. B.  in  Präsentationen  eigenständig  erarbeiteter  Inhalte.  Ein  weiterer  Aspekt  didaktisch‐methodischer  Überlegung  beinhaltet  die  Inklusion, verstanden als die Anerkennung der Verschiedenheit aller be‐ teiligten  Akteure:  Kinder,  Künstler*innen,  pädagogische  Fachkräfte  und  andere im Sozialraum Tätige, z. B. Eltern. Sie sollen in den Stand gesetzt  sein, ihre individuellen Beiträge zu leisten. Sie sollen einbezogen werden  und es soll ihnen ermöglicht werden, aus ihren unterschiedlichen Perspek‐ tiven zu antworten und in Dialog zu treten. Die Dozent*innen regen des‐ halb Perspektivwechsel an und etablieren ein dialogisches und handlungs‐ orientiertes Prinzip in den Seminar‐ und Praxisphasen. So wird im offenen  Austausch das Spezifische der von Künstler*innen angeregten und struk‐ turierten künstlerischen Bildung herausgearbeitet. Es werden Begründun‐ gen dafür entwickelt, warum es notwendig ist, Zielstellungen offen zu ge‐ stalten und so der Performativität des gesamten Lernprozesses Raum zu  geben.  

„Kinder_Kunst_Räume“  

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„Die Künstler*innen werden herausgefordert, ihre künstlerische Praxis  als  Bildungspraxis  zu  reflektieren  und  Kinder  als  Expert*innen  ihrer   Lebenswelten  und  Bildungsprozesse  anzuerkennen.  Kinder  in  ihren  künstlerischen Ausdrucksformen anzuregen und zu begleiten, wird in der  Weiterbildung als ein dialogischer Prozess verstanden, bei dem für Kinder  und Künstler*innen gegenseitige Inspiration und Neuerfahrungen entste‐ hen können.“1 

2.1   Seminarinhalte  Die Seminarinhalte greifen die Kompetenzen als Künstler*innen auf und  vermitteln Wissen hinsichtlich des Bildungsverständnisses, des Bildungs‐ kontextes und der Zielgruppe Kinder. Sie ermöglichen es den Künstler*in‐ nen, sich im jeweiligen Praxisfeld zu orientieren, einen Zugang zu kind‐ lichen  Aneignungs‐  und  Ausdrucksformen  zu  entwickeln,  die  eigene  künstlerische Bildungsarbeit in den Kontext von Bildungsaufgaben ein‐ zuordnen, sich mit ihrer eigenen Kunstpraxis und ‐strategie hinsichtlich  möglicher Transfers in die künstlerische Bildungsarbeit mit Kindern aus‐ einanderzusetzen und im Rahmen von Fallanalysen und Kollegialen Bera‐ tungen Erfahrungen im Praxisfeld kontextbezogen auszuwerten. Eine Ver‐ ständigungsebene  mit  dem  pädagogischen  Fachpersonal  wird  über  die  Auseinandersetzung mit Bildungstheorien, Ansätzen der Kulturellen Bil‐ dung in Bildungsplänen und ‐programmen und Konzepten der beteiligten  Praxispartner angebahnt. Eine wichtige Bedeutung kommt der Verschrän‐ kung  von  handlungsorientierten  Seminarinhalten  mit  der  durch  Do‐ zent*innen  begleiteten  Planung,  Durchführung  und  Reflexion  künstleri‐ scher Bildungsangebote zu. Der Transfer in die eigene künstlerische Bil‐ dungspraxis  wird  herausgefordert  durch  einen  multiperspektivischen  Blick auf die eigene Praxis vor Ort.      

                                                            1 

Auszug aus dem von der Stiftung SPI und der Universität Erfurt gemeinsam entwickel‐ ten Curriculum, Stand: 02.12.2016. 

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2.2   Handlungsorientierte Methoden  Als wirksam erwiesen sich Methoden, die performativ, handlungsorien‐ tiert  und  gestaltend  ausgerichtet  sind,  beispielsweise  Erprobungen  im  „Schonraum“  der  vertrauten  Lerngruppe  der  Künstler*innen.  Die  an‐ schließende  Diskussion  im  Plenum  ermöglichte  eine  erfahrungsbasierte  Auseinandersetzung mit theoretischen Grundlagen.    1) Theorie‐Praxis‐Transfers konnten im Vorbereiten von Impulsrefera‐ ten (kognitive Ebene) und der Weiterbearbeitung der Inhalte hin zu  performativen Präsentationen unter Einbeziehung von frei gewähl‐ ten Materialien angeregt werden. Dies ermöglichte es den Künst‐ ler*innen, Bezüge zur eigenen künstlerischen Praxis herzustellen.  2) Biografische Ansätze, gekoppelt an theaterpädagogische und perfor‐ mative Methoden, haben sich als wirkungsvoll erwiesen, beispiels‐ weise um Parallelen zwischen kindlichen und künstlerischen   Weltaneignungs‐, Gestaltungs‐ und Reflexionsprozessen für die  künstlerische Bildungspraxis als Handlungsoption herauszuarbeiten  oder den eigenen Körper bewusster als Medium in künstlerischen  Vermittlungsprozessen wahrzunehmen.   3) Aus dem Verständnis als Künstler*in und Kunstvermittler*in griffen  Dozent*innen auf eigene künstlerische Zugänge zurück und boten  diese als Aneignungsfeld den Teilnehmer*innen an. Dies garantierte  Authentizität und bot den anderen teilnehmenden Künstler*innen  die Möglichkeit der Übertragung in die eigene künstlerische Bil‐ dungsarbeit.    

2.3 

Praxisphasen 

Die von einer*m Dozenten*in begleiteten Praxisphasen umfassen jeweils  acht  Stunden  für  die  Durchführung  künstlerischer  Bildungsangebote.  Diese werden in der Regel in Teams aus je drei bis vier Künstler*innen ge‐ leistet. Die Praxisphasen bieten mit drei unterschiedlichen Schwerpunkten  ein  Erprobungs‐  und  Erfahrungsfeld  für  die  Künstler*innen:  Die  erste 

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Praxisphase ermöglicht Künstler*innen eine Annäherung an das Praxisfeld  und deren Akteure im Rahmen wahrnehmender Beobachtung und Durch‐ führung erster darauf bezugnehmender künstlerischer Interventionen mit  Kindern. In der zweiten Praxisphase führen die Künstler*innen ein lebens‐ welt‐ und sozialraumorientiertes inklusives Vorhaben künstlerischer Bil‐ dung durch. Die dritte Praxisphase nimmt die Durchführung und Refle‐ xion eines Angebots künstlerischer Medienbildung in den Blick.  Die  Vorbesprechungen  und  Reflexionen  mit  den  praxisbegleitenden  Dozent*innen  und  dem  beteiligten  pädagogischen  Fachpersonal  bestäti‐ gen sich als wichtiger Bestandteil der Weiterbildung. Die Durchführungen  können im Diskurs fachlich ausgewertet, mit anderen überdacht und an‐ schließend für weitere Planungen als Handlungsoptionen genutzt werden.  Ergänzt  wurden  die  Reflexionen  in  der  Modellphase  durch  die  von  der  Universität Erfurt durchgeführten Videobeobachtungen und responsiven  Evaluationen,  die  jeweils  zu  Beginn  der  nächsten  Seminarphase  im  Ple‐ num stattfanden. Dies ermöglichte es den Künstler*innen, weitere Fremd‐ perspektiven in ihre Reflexionen einzubeziehen und Ansätze der anderen  Künstler*innen kennenzulernen.  In den von der Stiftung SPI verantworteten Modulen 1 („Kita“) und 2  („Übergang Kita – Grundschule“) waren vier Dozent*innen tätig, die fach‐ lich an der Schnittstelle von Kunst und Pädagogik erfahren sind. Zwei der  Dozent*innen sind selbst Künstler*innen. Sie sind kompetent in der Beglei‐ tung von Erzieher*innen und Künstler*innen in der pädagogischen Praxis,  in  der  Vermittlung  von  pädagogischen  Seminarinhalten,  der  künstleri‐ schen Bildungsarbeit, der Kunstvermittlung und ‐didaktik. Die Dozent*in‐ nen führten die Seminare durch, begleiteten die Künstlerteams in den drei  Praxisphasen, gaben Feedback zu Planung, Durchführung und Reflexion  und führten die Fallanalysen durch – quasi in Personalunion.   So konnten Erfahrungen, Beobachtungen, aber auch Irritationen ad hoc  in  den  Seminarphasen  aufgegriffen  und  für  die  Bildungsprozesse  der  Künstler*innen produktiv genutzt werden. Beispielsweise wurden im Ver‐ lauf Instrumente zur Deutung kindlichen Verhaltens angeboten, da es in  der Praxis immer wieder zu Irritationen kam. Es entstand eine Arbeitsbe‐ ziehung, die es den Künstler*innen erlaubte, Irritationen zuzulassen und 

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konflikthaft  erlebte  Erfahrungen  zu  äußern  und  zu  verarbeiten.  Inhalte  und Methoden der Seminare erlebten die Künstler*innen als förderlich, da  die  Dozent*innen  als  überzeugende,  authentische  Vertreter*innen  ihres  Fachgebiets wahrgenommen wurden.  

2.4 

Zielgruppe Bildende Künstler*innen 

Das  Angebot  richtet  sich  an  professionelle  Bildende  Künstler*innen,  die  keine pädagogische Ausbildung abgeschlossen und ihren Arbeitsschwer‐ punkt in der künstlerischen Tätigkeit haben. Deren besondere Kompeten‐ zen,  mit  ergebnisoffenen  Prozessen  umzugehen,  gewohnte  Sichtweisen  auf  die Welt zu  hinterfragen,  experimentell zu  handeln und  Irritationen  als  produktiv  zu  erfahren,  kann  Selbstbildungs‐  und  Entwicklungspro‐ zesse von Kindern unterstützen.   Trotz  gemeinsamer  Zugangsvoraussetzungen  haben  wir  es  dennoch  mit einer sehr heterogenen Gruppe zu tun, die sich in ihren künstlerischen  Denk‐ und Praxisformen sehr individuell zeigt. Die teilnehmenden Künst‐ ler*innen kamen aus den Kunstsparten Malerei, Grafik, Bildhauerei, Ob‐ jektkunst,  Skulptur,  Installation,  Performance,  Environment,  Zeichnung,  Fotografie, Animationsfilm, Grafik und Klangkunst. Zu finden waren zu‐ dem  werkorientierte,  interdisziplinäre,  experimentelle  oder  konzeptio‐ nelle Ansätze.  

2.5 

Künstlerische Bildung in der frühen Kindheit 

Bildung in der frühen Kindheit vollzieht sich als Selbstbildung in ko‐kon‐ struktiven  Settings,  ist  geprägt  von  Prozesshaftigkeit,  Dialog  und  ganz‐ heitlicher ästhetischer Erfahrung2 (vgl. Schäfer 2001: 77). Das künstlerische                                                              2   Vgl. Gerd Schäfer (2001: 77): „Erste Erfahrungen differenzieren die Ausgangspunkte sei‐ ner Weltwahrnehmung und ‐verarbeitung. Daraus entwickeln sich verschiedene Formen  des Welt‐ und des Selbstverständnisses, welche die Grundlage des kindlichen Bildungs‐ prozesses ausmachen. Dabei benutzt das Kind die Mittel, die ihm seine Umwelt vorgibt,  wie  ein  Bastler  die  Materialien  in  seinem  Sinne  verwandelt,  die  ihm  zur  Hand  sind.  Selbstbildung erfolgt daher im Rahmen der Möglichkeiten, die dem Kind von außen zu‐ getragen werden. Doch ist das Kind nicht diesen Bedingungen einfach ausgeliefert, sondern  ‚entscheidet‘  (Entscheidung  begriffen  als  ein  –  beim  Kind  –  vorwiegend  nicht  rationaler 

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Handeln von Künstler*innen kann für Kinder, insbesondere auch in Situ‐ ationen des Übergangs, modellhaft sein, wenn sie angeregt werden, selbst  erfundene ästhetische Sprachen zu schaffen.   Das für unsere kooperierenden Kitas in Berlin verpflichtende Berliner  Bildungsprogramm  für  Kitas  und  Kindertagespflege  definiert  den  Bil‐ dungsbereich Kunst mit: Bildnerisches Gestalten, Musik, Theaterspiel. Die  Autor*innen stellen die besondere Bedeutung der Künste für kindliche Bil‐ dungsprozesse dar:   „Besonders in den Künsten werden die verschiedenen Sinne eines Menschen ange‐ regt und so sind künstlerisch‐kreative Tätigkeiten hervorragend geeignet, sich selbst  und die Welt kennen zu lernen: Der wahre Sinn der Kunst liegt nicht darin, schöne  Objekte zu schaffen. Es ist vielmehr eine Methode, neu zu verstehen, ein Weg, die  Welt zu durchdringen und den eigenen Platz zu finden. […] Das Besondere an dieser  ästhetisch‐künstlerischen Erkundung der Welt ist ihr in hohem Maß emotionaler Zu‐ gang.“ (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft 2014: 119) 

Der Thüringer Bildungsplan sieht die Verknüpfung von Selbst‐ und Welt‐ bezügen im Rahmen einer erfahrungsbasierten Bildung als zentral an, da  sie  sinnliche  und  Empfindungen  ansprechende  Prozesse  einbezieht:  „In  der künstlerisch‐ästhetischen Bildung werden Kinder und Jugendliche in  ihrer Entwicklung von Selbst‐ und Weltbezügen durch eine Verknüpfung  von  sinnlichen  Erfahrungen  mit  inhaltlichen  Auseinandersetzungen  un‐ terstützt.“ (TMBJS 2015: 222)  Die Künste als ein besonderer Ausdruck der Kultur sollten selbstver‐ ständlicher Bereich in der frühkindlichen Bildung sein. Kunst in seinen Er‐ scheinungen  kennenzulernen,  als  Strategie  und  Anlass  von  Selbst‐  und  Weltreflexion zu schätzen und sich selbst handelnd und gestaltend zu er‐ fahren, bedarf eines frühen Zugangs zur Kunst und deren Akteuren. Wir  denken die Künste in Bildungskontexten nicht funktionell, sondern schät‐ zen die experimentellen Impulse, die von Künstler*innen und einer von                                                              Prozess des Wählens) über sein Selbstwerden nach Maßgabe seiner subjektiven Welt‐ und  Selbstdeutungen.  Dieses  Bild  des  aktiven,  sich  im  Rahmen  seiner  Lebensbedingungen  selbst entwickelnden Kindes, setzt voraus, das Kind von Anfang an als ein auswählendes  und  damit  seine  Welt‐  und  Selbsterfahrungen  (be)deutendes  und  gestaltendes  Indivi‐ duum zu betrachten.“ 

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ihnen  initiierten  künstlerischen  Bildungsarbeit  ausgehen.  Wenn  wir  be‐ rücksichtigen, dass das Herstellen einer Beziehungsebene und eines Dia‐ logs gerade für Kinder von besonderer Bedeutung ist, kommt den Künst‐ ler*innen  als  erlebbare,  künstlerisch  handelnde  Persönlichkeiten  eine  wichtige Bedeutung zu.  Vanessa‐Isabelle Reinwand‐Weiß stellt dies im Kontext Kultureller Bil‐ dung dar:  „Das Pilotprojekt ‚Zeig mal – lass hören!‘ [und] viele weitere Praxisbeispiele und pä‐ dagogische Forschungen zeigen, dass die Bezugs‐ bzw. Vermittlungsperson ein zent‐ rales, wenn nicht das wichtigste Element im frühkindlichen (kulturellen) Bildungs‐ prozess darstellt. Das bedeutet, dass besonders auf die Prozessqualität, d. h. die per‐ sonellen Interaktionen in der Bildungsinstitution, Wert gelegt werden muss, wenn  frühe Bildungsprozesse gelingen sollen.“ (Reinwand 2010: 5f.) 



Wie wird Kunst für Kinder wirksam?   Ausgewählte Erkenntnisse 

3.1   Prozessorientierung und Spiel in der   künstlerischen Bildung  „Spiel ist die Hauptaneignungstätigkeit der Kinder. Spiel ist eine selbstbe‐ stimmte Tätigkeit, in der die Kinder ihre Lebenswirklichkeit konstruieren  und rekonstruieren.“ (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissen‐ schaft 2014: 38)  Das Kind spielt nicht wegen des Ergebnisses, sondern genießt die sich  entfaltende Spieldynamik, die es im Prozess erlebt. Das Kind hört nicht auf  zu spielen, wenn es gestaltet. Die von den Künstler*innen initiierte künst‐ lerische Bildungsarbeit greift dies auf und ist in der Regel prozessorien‐ tiert. Im besten Fall entwickelt sich eine Dramaturgie in der Interaktion,  ein Wechselspiel zwischen Initiieren, Begleiten, Impuls geben, Irritieren,  Spiegeln  und  Verbalisieren  des  Geschehens  und  den  „Antworten“  der  Kinder.   Wie kann Kunst für Kinder wirksam werden? Das Bedingungsgefüge für  eine gelingende künstlerische Bildungsarbeit ist ohne die Künstler*innen als 

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erlebbare, künstlerisch handelnde Persönlichkeiten nicht zu denken. Auch  deren individuelle künstlerischen Denk‐ und Praxisformen sind von der  Person  nicht  zu  lösen.  Wie  vor  diesem  Hintergrund  künstlerische  Bil‐ dungspraxis wirksam für Kinder werden kann, soll an einigen Beispielen  verdeutlicht werden.  

3.2   Experimentelles Handeln anregen  Die  Künstlerin  Lin  Haas  erarbeitete  über  die  drei  Praxisphasen  offene   Settings, die das experimentelle Handeln der Kita‐Kinder herausforderte.  Dies entspricht ihrer eigenen Kunstpraxis:   „Es geht um größtmögliche Freiheit und permanentes Ausloten, wo der Weg weiter‐ geht – wo es sich stimmig anfühlt. Und mit dieser Freiheit auch umgehen zu können.  Es ist etwas Grundsätzliches, was ich Kindern mitgeben möchte – ein Freiheitsgefühl.  Die Freiheit zu denken und zu agieren, auch konträr zu gängigen Vorstellungen.“  (Lin Haas, Abschlussbericht 2014)  

Dies wurde in ihrem abschließenden Angebot, dem „Malen mit Wasser“,  besonders sichtbar. In der Abschlusspräsentation ließ sie das interessierte  Publikum und anwesende Kinder daran teilhaben. Ein Setting aus einer 15  Quadratmeter  großen  Stoff‐Malfläche  und  unterschiedlichen  Werkzeu‐ gen, die den Kindern aus dem Alltag bekannt sind – wie Spülbürste, Koch‐ löffel,  Stöckchen,  Strohhalm,  Kamm –  sowie  mit Wasser und Farben,  ist  vorbereitet. Die Künstlerin beginnt, in Anwesenheit der ersten Kinder und  Erwachsenen,  für  sich  das  „Malen  mit  Wasser“  zu  erproben.  Nach  und  nach gesellen sich die ersten anderen dazu, untersuchen die Werkzeuge  und beginnen mit dem Eintauchen und Tropfen‐Lassen der Farben, dem  Spritzen mit Wasser und dem Nachsinnen, wie der Stoff sich verändert.  Die Künstlerin beobachtet und bleibt weitgehend bei dem, was sie selbst  tut. Präsent und nahezu wortlos setzt die Künstlerin unaufdringlich Im‐ pulse: Sie schiebt hier ein Werkzeug in die Nähe einer Kinderhand, fährt  mit  dem  Kamm  durch  die  entstehende  Farbfläche  eines  anderen.  Die  Künstlerin greift nach unterschiedlichen Werkzeugen, erprobt diese für sich  und wird von den anwesenden Kindern sehr genau beobachtet. Sie zeigt im  eigenen Tun Möglichkeiten auf und ist an den eigenen Wirkungen, die sie 

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auslöst  und  bei  anderen  beobachtet,  offensichtlich  interessiert.  Diese  Haltung motiviert die Kinder zum Experimentieren und ist gleichzeitig  eine Einladung, die eigenen Wirkungen auf das Material zu verfolgen. Bei  einer Begegnung mit der Künstlerin zwei Jahre nach Abschluss sagt sie:  „Ich freue mich jedes Mal, wenn Kinder den von mir angebotenen Rahmen  verlassen und in das Experiment finden, dass sie selbst interessiert.“ 

3.3   Ich und Welt gestaltend in Beziehung setzen  Die eigene Kunstpraxis einer Künstlerin in, Modul 1 („Kita“), thematisiert  die „individuellen Mythologien“. Sie greift für sie bedeutsame Fragen auf:   „Womit identifiziere ich mich? Was macht mich besonders? Was für symbolträchtige  Gegenstände, Objekte und Erinnerungstücke sind mir wichtig?“ (Abschlussbericht  der Künstlerin 2014) 

Der Künstlerin gelang der Transfer in die künstlerische Bildungsarbeit, in‐ dem  sie  Kinder  anregte,  sich  mit  eigenen  Präferenzen  und  persönlichen  Vorlieben auseinanderzusetzen. Nach einem Besuch im Berliner Museum  der Dinge bot die Künstlerin an, eigene „Ich‐Museen“ in vorbereiteten ca.  40 mal 40 Zentimeter großen Mikro‐Räumen zu gestalten. Es entstanden  sehr individuelle Objekte, in denen die Kinder zum Teil Abbildungen von  für sie wichtigen Gegenständen, aber auch originale persönliche Gegen‐ stände  inszenierten.  Die  authentische  Neugier  der  Künstlerin  beflügelte  auch die Neugier der Kinder – in diesem Fall – auf sich selbst.   „Ja, ich habe es genossen, die ‚kindlichen Denkmodelle‘ und ‚ästhetischen Praktiken‘  wahrzunehmen bzw. jede einzelne von diesen Praktiken! Da es um die Entdeckung  der individuellen Welten ging, war es mir ein Vergnügen, jeden Mikro‐Raum und  jede Vision und ‚kindliche‘ Geschichte entdecken zu dürfen.“ (Abschlussbericht der  Künstlerin 2014) 

3.4   Gegenseitige Inspiration erleben  Die  Gestaltungsprozesse  von  Kindern  irritierten  und  inspirierten  die  Künstler*innen gleichermaßen. Überzeugungen und Routinen in der eige‐ nen  Kunstpraxis  der  Künstler*innen  wurden  in  der  Begegnung  mit 

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Kindern erschüttert, gleichzeitig auch als Inspiration erlebt. Dies stellte im  Kolloquium eine Künstlerin sinngemäß dar:   „Ich habe für meine eigene Kunstpraxis die Regel entwickelt, nichts zu verdecken,  wenn ich gestalte. Alles soll sichtbar bleiben. Ich muss spüren, wann etwas ‚fertig‘  ist. Nun beobachtete ich bei einem Jungen, wie dieser ein für mich ‚fertiges‘ Objekt  so  lange  weiterbearbeitete,  bis  am  Ende  die  ursprüngliche  Gestaltung  nicht  mehr  sichtbar war. Ich entdeckte im Gespräch mit ihm, dass für dieses Kind das, was da  verdeckt wurde, als ‚Geheimnis‘ zwischen uns weiterbestand. Dies war für das Kind  das Wesentliche! Diese Beobachtung regt mich an, mein eigenes künstlerisches Vor‐ gehen  und  meine  Gestaltungsroutinen  zu  überdenken.  Das  künstlerische  Handeln  dieses Kindes war für mich sehr attraktiv.“ 

3.5   Symbolhaftes Aufgreifen der Übergangsthematik in Modul 2  Die Kinder bearbeiten in diesem Alter in selbst organisierten sogenannten  Symbolspielen (u. a. Fantasie‐ und Rollenspielen) Themen, die sie bewe‐ gen, symbolhaft, drücken ihre Wünsche aus und reflektieren ebenso ihre  Lebenssituation. Im So‐tun‐als‐ob ihres Spiels können sie Handlungsopti‐ onen entwickeln, ohne vorerst reale Folgen befürchten zu müssen. Zwei  Beispiele sollen dazu dienen, das symbolhafte Aufgreifen der Übergangs‐ thematik in der künstlerischen Bildungspraxis darzustellen.  3.5.1  Aufbruch in unbekannte Welten  Das Künstlerinnenteam, u. a. mit Gunilla Jähnichen, griff mit Vorschulkin‐ dern in der Kita das Thema „Aufbruch“ auf. Ein Raumschiff soll in unbe‐ kannte  Welten  starten.  Sie  fragten:  „Auf  was  müssen  wir  uns  vorberei‐ ten?“,  „Was  brauchen  wir  auf  der  Reise  in  unbekannte  Welten  vermut‐ lich?“,  „Wem  werden  wir  begegnen?“  Das  bildnerische  Gestalten  von  Flugobjekten, fremden Spezies (Aliens) und notwendiger Ausrüstung wa‐ ren  zentral.  Die  symbolhafte  Bearbeitung  des  Themas  ließ  den  Kindern  Raum, mit eigenen Fantasien zu antworten und sich gestaltend im Dialog  mit dem Übergang auseinanderzusetzen.      

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3.5.2  Superkind – Superkraft  Das Künstlerteam, u. a. mit Sabine Fassl, bot im Schulkontext das Thema  „Superhelden“ an. Diese verfügen über besondere Fähigkeiten und Instru‐ mente, mit denen sie Abenteuer erfolgreich bestehen. Die Künstlerinnen  griffen  damit  Beobachtungen  in  der  Pausenzeit  auf:  Das  Tauschen  von  „Helden“‐Sammelbildchen. Sie boten den Kindern einen Zugang für die  Situation des Übergangs: Welche Superkräfte brauchst du als Schulkind?  Die Künstlerinnen wählten einen performativen Einstieg, indem sie sich  selbst, ausgestattet mit besonderen Körperteilen, vorstellten: Eine „Gehirn‐ Mütze“  mit  Notizen  gegen  Vergesslichkeit,  ein  weiteres  Bein,  um  zügig  zur Schule zu kommen etc. Die Kinder fanden anschließend einen Einstieg  über  Material,  das  sie  zum  bildnerischen  Gestalten  von  eigenen  Instru‐ menten für besondere Fähigkeiten herausforderte.  

3.6 

Wie Präsentationen für Bildungsprozesse von Kindern   bedeutsam werden 

Präsentationen sind selbstverständliche Etappen in den Künsten. Formate  wie Ausstellung, Performance oder Aufführung veröffentlichen Kunst für  ein  Publikum,  das  nicht  am  Erarbeitungsprozess  beteiligt  war.  Künst‐ ler*innen erprobten unterschiedliche Präsentationsformen mit den betei‐ ligten  Kindern,  beispielsweise  das  Vorstellen  von  Prozessen  und  Zwi‐ schenergebnissen in der vertrauten Kindergruppe. Inwiefern sind Präsen‐ tationen für die Selbstbildungs‐ und Entwicklungsprozesse von Kindern  bedeutsam?   Der  Dialog  über  die  eigene  Gestaltung,  ihre  Gedanken  und  Gefühle  während des Prozesses war für Künstler*innen eine der wichtigsten Me‐ thoden, um mit den Kindern ihre Welt zu verstehen und mit ihnen ihre  Ausdrucks‐ und Gestaltungsprozesse und ihre Haltungen nachzuvollzie‐ hen. Gleichzeitig hilft das Sprechen über den eigenen Gestaltungsprozess  in  einem  wertungsfreien,  von  Interesse  geprägten  Raum  den  Kindern,  Klarheit über ihre eigene Praxis und ästhetischen Erfahrungen zu entwi‐ ckeln. Es hebt das Erlebte in einen kommunikativen Raum.  

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Präsentationen, die für Eltern, andere Kinder und pädagogisches Fach‐ personal geöffnet wurden, erweiterten die Dialog‐Ebene in die Öffentlich‐ keit der Einrichtung. Kinder genießen es sichtlich, andere an ihren Gestal‐ tungen teilhaben zu lassen. Ich erlebte beispielsweise die Lust der Kinder  an der eigenen Autorenschaft: Kinder der Reinhardswald‐Grundschule la‐ sen stolz ihre selbstgestalteten Bilderbücher anderen Kindern, der Künst‐ lerin, den Lehrer*innen und dem Schulleiter vor und traten über ihre Er‐ lebnisse im Prozess in Dialog.   Die Ausstellung der oben beschriebenen „Ich‐Museen“ für Eltern, Er‐ zieher*innen und andere Kinder gab allen Gelegenheit, im Dialog gewahr  zu werden, warum die inszenierten Gegenstände individuell bedeutsam  sind.  Kinder,  Erzieher*innen  und  Eltern  können  ihre  Wahrnehmungen  und Gestaltungen miteinander in Beziehung setzen und sich neu und an‐ ders  kennenlernen.  Georg  Peez  gibt  Hinweise,  wie  im  Dialog  sinnliche  Eindrücke zu ästhetischen Erfahrungen werden:   „Deshalb ist die ästhetische Erfahrung und mit ihr die ästhetische (Selbst‐)Bildung  durch zwei Hälften ein und derselben Medaille gekennzeichnet: Zum einen sollte sie  auf die sinnlichen Anteile der Wahrnehmungen und Empfindungen gerichtet sein.  Zum anderen sollten dem Spüren und Erfahren Sinn gegeben werden. Es geht um  Erkunden,  Ins‐Bewusstsein‐Rufen,  Gewahrwerden.  […]  Erst  wenn  wir  uns  einer  sinnlichen Wahrnehmung bewusst werden, wenn wir ihr gewahr werden, wenn wir  die Wahrnehmung mit anderen Wahrnehmungen und Empfindungen in Beziehung  setzen und auslegen, dann verhalten wir uns nicht nur sinnlich, sondern ästhetisch.“  (Peez 2003)  



Herausforderung offene pädagogische Planung  

Die Planung als wichtiger Teil eines didaktisch‐methodischen Vorgehens  innerhalb  einer  pädagogischen  Situation  wurde  von  einigen  Teilneh‐ mer*innen kritisch infrage gestellt. Künstler*innen nahmen an, eine Ziel‐ setzung würde eine festgelegte Richtung vorgeben und damit künstleri‐ sche  Prozesse  zu  sehr  einschränken.  In  den  Durchführungen  wurde  schnell deutlich, dass das Nicht‐Nachdenken über Rahmenbedingungen,  Zeit, Setting, Raumvorbereitung, Aufgabenteilung in den Künstlerteams  etc. schnell zur Überforderung der Künstler*innen und Kinder führte. In 

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den Reflexionen wurde deutlich, dass Unsicherheiten bezüglich der Pla‐ nungsebene in einer offenen pädagogischen Planung bestanden. So wurde  von  einigen  „Planung“  und  „Zielsetzung“  mit  „Ergebnisorientierung“  gleichgesetzt.  Welches  Bedingungsgefüge  Gestaltungs‐  und  Ausdrucks‐ prozesse von Kindern fördert, wurde erst sukzessive für Künstler*innen  sichtbar.  Wie  können  beispielsweise  Arrangements  aussehen,  in  denen  Kinder  selbstständig  und  selbsttätig  im  Dialog  mit  anderen  Kindern  und  mir als Künstler*in experimentierend und gestaltend tätig werden können?  

4.1   Herausforderung „Freiheit“ herstellen  Künstler*innen stellen für ihre eigene künstlerische Arbeit meist keine be‐ wussten Regeln auf. Bei genauerem Hinsehen trifft „Regellosigkeit“ aber  nicht zu. In Reflexionen regten die Dozent*innen an, welche Regeln und  Bedingungen sie selbst in künstlerischen Prozessen beflügeln und inwie‐ fern diese in die künstlerische Bildungsarbeit transformiert werden könn‐ ten. Die Erwartung der Künstler*innen, Kinder seien „frei“ in ihren Hand‐ lungen und Entscheidungen, wurde auf verschiedenen Ebenen enttäuscht.  Selbst unter dreijährige Kinder haben sich mit Situationen und Materialien  verbundene Regeln und Routinen gerade eben angeeignet und sind stolz,  diese anwenden  zu können.  Die  Künstler*innen  waren  gefordert,  in  der  pädagogischen Situation die kindlichen Routinen und von ihnen gelebten  Regeln wahrzunehmen, diese in Angeboten didaktisch‐methodisch zu be‐ rücksichtigen, sie ggf. mit den Kindern handelnd zu hinterfragen, zu er‐ weitern oder umzudeuten. Künstlerische Impulse und damit verbundene  Irritationen mussten in ihren Engen und Weiten so gesetzt sein, dass sie  von den Kindern positiv erlebt und von ihnen selbst weiterverfolgt wer‐ den konnten. Dazu gehörte auch die Entwicklung von Entlastungsstrate‐ gien für Kinder.   Die Künstlerin Fabrizia Vanetta erlebte, wie trotz sichtlichem Interesse  der Kinder an der zeichnerischen Gestaltung eines persönlichen Fantasie‐ Haustiers der Prozess ins Stocken kam. In ihrer eigenen Kunstpraxis sucht  sie  Impulse in  künstlerischen  Darstellungen anderer  Künstler*innen. Sie  bot  also  eine  Vielzahl  von  künstlerischen  Tierdarstellungen  an,  die  die  Kinder interessiert betrachteten und einen Dialog zwischen ihr und den 

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Kindern  über  Lieblingshaustiere  ermöglichte.  Anschließend,  vor  leeren  Blättern  und  vorbereitetem  Zeichenmaterial  sitzend,  kommentierten  die  Kinder die Situation: „Aber ich kann das nicht malen!“   Die Künstlerin wusste, dass die Kinder kompetent mit Scheren umge‐ hen konnten und kopierte jene Darstellungen, die sich für das Collagieren  gut eignen. Das bewirkte eine Entlastung vom eigenen erlebten „Unver‐ mögen“ und die Kinder fanden zurück in den Prozess. Hier wird außer‐ dem deutlich: Die Kinder haben auch im Kita‐Alter bestimmte Vorstellun‐ gen von einem „guten Ergebnis“. Die Kinder konnten über den „Umweg“  der Collage ungehindert ihrem Interesse folgen. Dies ist nur ein Beispiel  von vielen, in denen Kinder einen Perfektionsanspruch deutlich machten.  Andere forderten Künstler*innen direkt auf, ihnen auch so ein … zu ma‐ chen. „Du kannst das doch viel besser!“  Alle Künstler*innen waren gefordert, flexibel Umwege zu suchen, um  die Motivation im Prozess zu erhalten, ein selbstständiges Gestalten zu er‐ möglichen und gleichzeitig eigene Zugänge im künstlerischen Prozess pro‐ duktiv zu nutzen. 

4.2   Herausforderung Erwartungen im Praxisfeld   Die Pädagog*innen in Kitas und Schulen wurden vor Beginn der Praxis‐ phasen über Ziele und Inhalte informiert. Ausgehend vom oben beschrie‐ benen  Aneignungsbegriff  sollte  deutlich  werden,  dass  es  nicht  um  das  landläufig gute Ergebnis und vordergründig die Entwicklung von Gestal‐ tungskompetenzen  gehen  sollte.  Gleichwohl  formulierten  einige  Päda‐ gog*innen die Erwartung, dass am Ende eines künstlerischen Gestaltungs‐ prozesses  etwas  Vorzeigbares  stehen  solle,  das  den  Eltern  präsentiert   werden könnte. Diesem eher traditionellen Werkbegriff begegnen wir in  der  Erzieherausbildung  sehr  häufig.  Vielleicht  werden  zeitgenössische  Kunstbegriffe als wenig zugänglich erlebt und aus diesem Grund kindli‐ che Gestaltungsprozesse mit dem Begriff „Basteln“ gerahmt? Mit Basteln  verbanden  Künstler*innen  eine  Abwertung  ihrer  Arbeit.  Wie  reagierten  Künstler*innen auf die Erwartung z. B. eines Ergebnisses?   Vor dem Hintergrund der eigenen Unsicherheit und gefühltem Anpas‐ sungsdruck als „Gast“ planten einige Künstler*innen zu Beginn Vorhaben 

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ergebnisorientiert,  sodass  kaum  Entscheidungs‐  und  Gestaltungsräume  für  die  Kinder  entstanden.  Sie  erlebten  sich  dann  als  autoritär  und  un‐  flexibel, was ihrem eigenen Anspruch an ein gelungenes Vorhaben wider‐ sprach.  Mit  zunehmender  Sicherheit,  wachsender  Beziehung  und   Vertrauen  zwischen  Künstler*innen,  pädagogischem  Fachpersonal  und  Kindern gelang es, sich flexibler stattfindenden Prozessen zu öffnen, sich  von den Kindern inspirieren zu lassen und offenere Settings zu wagen.  Unsicherheiten bestanden im Praxisfeld auch in Bezug auf die Profes‐ sion als Künstler*in. Die Künstlerin Julia Krafft wählte beispielsweise zum  Einstieg die Gestaltung von Hohlkörpern mit Ton. Der begleitende Erzie‐ her zeigte sich vorerst ablehnend. Ob die Künstlerin nicht ein anderes Ma‐ terial wählen könne. Arbeiten mit Ton könne sie selbst leisten, da sie eine  entsprechende Fortbildung gemacht hätte. In der Durchführung und de‐ ren gemeinsamer Reflexion erkannten die Beteiligten die besondere Pro‐ zessqualität in der künstlerischen Bildungspraxis der Künstlerin, die die Er‐ zieherin anerkennen konnte.  Grundlegend  für  die  künstlerische  Bildungspraxis  vor  Ort  war  die  wertschätzende Haltung, Offenheit und Neugier von Künstler*innen und  Pädagog*innen. Die Erzieher*innen sind die Bezugspersonen der Kinder.  Wenn Pädagog*innen den Kontakt zwischen Kindern und Künstler*innen  offensiv  anbahnten,  gegenüber  Kindern  ihre  Wertschätzung  deutlich  machten, die Künstler*innen aktiv unterstützten, ihre Irritation und Kritik  in den Reflexionen wertschätzend ausdrückten, war dies wichtige Voraus‐ setzung für das Gelingen der Vorhaben.  

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Resümee und Ausblick 

Die Relevanz  Kultureller Bildung  für Kinder  bildet  sich in  Bildungspro‐ grammen und ‐plänen der am Verbundvorhaben beteiligten Länder und  den Konzeptionen und Lehrplänen der Einrichtungen ab. Zentrales Stich‐ wort ist neben Kultureller Bildung die Sozialraumorientierung, die die Öff‐ nung der Einrichtung für externes, nicht explizit pädagogisches Personal  einschließt.  Hemmnisse  finden  sich  in  der  Praxis  in  der  Bereitschaft, 

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Künstler*innen  als  explizit  nicht  pädagogisches  Personal  zu  akzeptieren  und deren Profession anzuerkennen.   Trotz guter Kontakte der Stiftung zu Kitas gelang es in Modul 1 „Kita“  nur in wenigen Fällen, Künstlerteams mit drei bis vier Künstler*innen wie  geplant in den Einrichtungen zu platzieren. Die meisten Einrichtungen öff‐ neten sich zögerlich für eine*n Künstler*in, maximal für zwei Künstler*in‐ nen. Etwas anders stellte sich die Situation in Modul 2 „Übergang Kita –  Grundschule“ dar. Mit diversen Projekten und Programmen in Berlin, z. B.  „Kultur macht Schule!“ oder „Kulturagenten für Kreative Schulen“ ist die  sozialräumliche Öffnung von Schulen für Künstler*innen bereits gut geeb‐ net. Positive Erfahrungen mit externen Künstler*innen waren vielfach vor‐ handen  und  die  Koppelung  an  die  Übergangsgestaltung  erwies  sich  für  die Schulleitungen, Lehrer*innen und Erzieher*innen als attraktiv. Praxis‐ stellen, die bereits Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Künstler*in‐ nen hatten, waren eher geneigt, diese fortzusetzen.   Die  Empfehlung  zur  Implementierung  und  Ausgestaltung  multipro‐ fessioneller Teams und multiprofessionellen Arbeitens in Kitas des Deut‐ schen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. können für eine  sozialräumliche Öffnung von Kita richtungsweisend sein. Danach ist die  Haltung  der  unterschiedlichen  Akteure  im  Arbeitsbereich  entscheidend.  Stichworte  sind  hier:  Wissen  um  und  Vertrauen  in  das  eigene  und  das  Selbstverständnis  der  jeweils anderen  Profession, gegenseitige Anerken‐ nung der Kompetenzen, Neugier und Offenheit (vgl. Deutscher Verein für  öffentliche und private Fürsorge e. V. 2016: 13).  Welche  Maßnahmen  sind  sinnvoll,  interprofessionelle  Kompetenzen  zu  fördern,  gegenseitige  Akzeptanz  und  Anerkennung  zwischen  Künst‐ ler*innen und pädagogischem Fachpersonal zu erhöhen und sich im bes‐ ten Fall als wichtige gegenseitige Ergänzung zu erachten, um den an sie  gestellten Bildungsauftrag zu erfüllen?   Projekte  der  Kulturellen  Bildung  für  Kinder  mit  externen  Partnern  (Museen, Theater, Kulturinstitutionen etc.) sind im SPI bereits seit 2007 ein  Schwerpunkt im 4. Semester der Erzieherausbildung. Die punktuelle Ver‐ netzung zur ebenfalls vom SPI angebotenen Weiterbildung „Theaterpä‐ dagogische Qualifikation/Spielleitung (BuT)“ ist ebenfalls etabliert. Als 

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Fachschule für staatlich anerkannte Erzieher*innen haben wir aktuell die  Aufgabe, auf  Grundlage  des  neuen  Berliner Rahmenlehrplans  Staatliche  Fachschule für Sozialpädagogik ein neues Curriculum zu entwickeln. Die  dort  verankerte  Orientierung  an  Lernfeldern  und  Lernsituationen  bietet  die Chance, Kontakte und Kooperationen mit Künstler*innen als nicht ex‐ plizit pädagogische Profession bereits während der Ausbildung noch stär‐ ker in den Blick zu nehmen. Künstler*innen und Erzieher*innen in Ausbil‐ dung  sollten  sich  in  Aus‐  und  Weiterbildung  im  Rahmen  gemeinsamer  Vorhaben  begegnen  können.  Das  Arbeiten  in  interprofessionellen  Tan‐ dems und das wechselseitige Überlassen der „Führung“ ließe eine gegen‐ seitige  Annäherung  und  interdisziplinäres  Lernen  zu,  bei  gleichzeitiger  Anerkennung unterschiedlicher Professionen, Ausgangslagen und Vorge‐ hensweisen.  Claudia Kokoschka benennt die Erzieher*innen, von denen die Initia‐ tive zu kulturellen Bildungsangeboten im Vorschulalter primär ausgeht.  Sie beschreibt weitere Ansätze, die in der Ausbildung verankert werden  könnten:  „Erforderlich sind beispielsweise Kenntnisse der Kulturlandschaft der eigenen Kom‐ mune, das Wissen über Ansprechpartner und Zugangsmodalitäten, der Kontakt zu  Künstlerinnen und Künstlern sowie die Motivation, sich auf neue Projektformen und  Kooperationen einzulassen und andere ästhetische Arbeits‐ und Sichtweisen kennen  zu lernen. Ziel einer solchen Ausbildung ist die möglichst nachhaltige Kooperation  von  Kultureinrichtungen  und  Künstlerinnen  und  Künstler  mit  Erzieherinnen  und  Einrichtungen im Vorschulbereich.“ (Kokoschka 2010: 10) 

Noch  einmal  zur  Sozialraumorientierung  in  der  künstlerischen  Bildung.  Die  Öffnung  von  Kitas  und  Schulen  in  den  umgebenden  Sozialraum,  bei‐ spielsweise durch das Einbeziehen originär künstlerischer Arbeitsräume,  z. B. Ateliers, die Verortung der künstlerischen Bildungsarbeit in öffentli‐ chen Räumen, z. B. im Rahmen ortsspezifischer Kunstprojekte, kann wei‐ tere Bildungspotenziale entfalten. Aus systemischer Perspektive kann dies  auch dem erlebten oben beschriebenen Erwartungsdruck auf Künstler*in‐ nen in pädagogischen Kontexten entgegenwirken und weitere Potenziale  für Kinder entfalten. Darüber hinaus hat das Sichtbarmachen kindlichen  Handelns  und  Denkens  in  der  Öffentlichkeit  auch  gesellschaftliche 

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Bedeutung:  Kinder  sind  wochentags  zwischen  08:00  und  16:30  Uhr  aus  dem Stadtbild Berlins weitgehend verschwunden. Kindheit ist in Kita und  mit der Einführung des Ganztags in Schulen nahezu komplett institutio‐ nalisiert. Nicht pädagogische Welten und Kontexte werden von Kindern  immer  weniger  erfahren.  Hier  liegt  eine  wichtige  Aufgabe  von  Erzie‐ her*innen und Lehrer*innen. Sie sollten Zugänge schaffen und zwischen  den „pädagogischen Welten“ und anderen, nicht pädagogischen Bezugs‐ punkten von Welt – den Künsten, ihren Akteuren und Orten – vermitteln  können.   Teilhabe von Kindern kann nur entstehen, wenn Kinder Bezüge zwi‐ schen  dem  Ich  und  der  Welt  in  vielfältigen  Kontexten,  auch  den  nicht   explizit pädagogischen, herstellen können. Grundlage von Selbstwirksam‐ keitserfahrungen, Teilhabe und Mitbestimmung von Kindern sind Erfah‐ rungen in möglichst vielen gesellschaftlich‐kulturellen Kontexten. Kinder  müssen wahrnehmen können, dass diese Welt für sie bedeutsam ist und  ihre  Äußerungen,  Meinungen  und  Haltungen  gehört  und  gesehen  wer‐ den. Künstler*innen können dies auf ästhetische Weise ermöglichen.  

Literatur  BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) (2016): Deutscher Qualifikationsrah‐ men [www.dqr.de/content/2315.php, letzter Zugriff: 12.04.2017].  Deutscher  Verein  für  öffentliche  und  private  Fürsorge  e. V.  (2016):  Empfehlungen  des  Deutschen  Vereins  zur  Implementierung  und  Ausgestaltung  multiprofessioneller  Teams  und  multiprofessionellen  Arbeitens  in  Kindertageseinrichtungen  (Kitas)  [www.deutscher‐verein.de/de/uploads/empfehlungen‐stellungnahmen/2016/dv‐34‐ 14‐multiprofessionelle‐teams.pdf, letzter Zugriff: 01.10.2016].  Kokoschka, Claudia (2010): Mit Kunst in die Kitas. Das Dortmunder Modell kultureller Bil‐ dung  im  Vorschulbereich.  In:  Magazin  Kulturelle  Bildung.  Reflexionen,  Argumente,  Impulse, 6: Kulturelle Bildung von Anfang an, S. 9‐11.  Peez,  Georg  (2003):  Ästhetische  Erfahrung.  Strukturelemente  und  Forschungsaufgaben  im  erwachsenenpädagogischen  Kontext  [www.georgpeez.de/texte/kade.htm,  letzter  Zu‐ griff: 07.07.2016].  Reinwand, Vanessa‐Isabelle (2010): Der Anfang ist die Hälfte vom Ganzen. In: Magazin Kul‐ turelle Bildung. Reflexionen, Argumente, Impulse, 6: Kulturelle Bildung von Anfang  an, S. 4‐6. 

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Schäfer,  Gerd  (2001):  Prozesse  Frühkindlicher  Bildung  [www.hf.uni‐koeln.de/data/eso/File/  Schaefer/Prozesse_Fruehkindlicher_Bildung.pdf, letzter Zugriff: 01.12.2016].  Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (2014): Berliner Bildungsprogramm  für Kitas und Kindertagespflege. Berlin: das netz.   TMBJS (Thüringer Ministerium für Bildung Jugend und Sport) (2015) Thüringer Bildungs‐ plan bis 18 Jahre [www.thueringen.de/mam/th2/tmbwk/bildung/bildungsplan/thurin  ger_bildungsplan‐18_web.pdf, letzter Zugriff: 03.02.2017). 

 

Weiterbildung in der Digitalen Gesellschaft  Zur Theorie und Konzeption des „Zertifikatskurses tAPP –  Musik mit Apps in der Kulturellen Bildung“    Matthias Krebs und Marc Godau          Angesichts der exponentiellen Entwicklung moderner Kommunikations‐ technologien,  die  zum  Treiber  der  kulturellen,  sozialen  und  technologi‐ schen Entwicklung in fast allen gesellschaftlichen Bereichen geworden ist,  sind  Wissensformen  gefragt,  die  sich  in  neuen  und  unvorhersehbaren,  Selbstorganisation und Kreativität fordernden Situationen bewähren. Ge‐ fordert  sind  Bildungsangebote,  die  immer  weniger  bloßes  Faktenwissen  und  immer  mehr  kreatives  Handlungswissen  einschließen  (vgl.  Erpen‐ beck/Sauter 2013: v; Neuweg 2004).   Im Zuge dessen werden in der Erwachsenen‐ und Weiterbildung zu‐ nehmend  Ansätze  diskutiert,  die  Wissen  in  einen  direkten  Zusammen‐ hang mit einer konkreten Praxis stellen und nicht als etwas rein Kognitives,  Feststehendes  und  allgemein  Fixierbares,  sondern  in  Gemeinschaftspro‐ zessen eingebettet verstehen. Im Unterschied zum formalen Lernen wird  hier nicht gezielt und bewusst, sondern durch Tätigkeiten und Handeln in  der  Arbeits‐  und  Lebenswelt  gelernt  (vgl.  Dehnbostel  2015).  Die  allge‐ meine Nutzung von digitalen Technologien wie Social Media und Cloud‐ Computing in Verbindung mit Mobilgeräten unterstützt diese Trends auf  qualitativ neue Weise.  Die Etablierung eines solchen Lernens stellt in einem formalen Kursan‐ gebot eine besondere Herausforderung dar, wobei vor allem die Dimensio‐ nen der Selbstorganisation und der gemeinsamen Praxis zu gewährleisten  sind. So kann es zu dem enttäuschenden Phänomen kommen, dass institu‐ tionell  bereitgestellte  Community‐Projekte  und  Kommunikationsmöglich‐ © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Keuchel und B. Werker (Hrsg.), Künstlerisch-pädagogische Weiterbildungen für Kunst- und Kulturschaffende, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20711-3_6

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keiten von den Kursteilnehmenden nicht angenommen werden. Für die Ent‐ wicklung von Bildungsangeboten wird es daher von Bedeutung sein, For‐ men der  Lernorganisation zu  entwickeln  und zu kultivieren, die der Ei‐ gendynamik  der  Praxis  und  den  Bewegungsformen  eines  teilhabenden  Lernens in seiner Verflechtung mit dem persönlichen medienvermittelten  Lerngeschehen angemessen sind (vgl. Bliss/Johanning/Schicke 2006: 13).  Wie aber lässt sich an Prozesse praxisgebundener Wissenskonstruktion  im Rahmen von institutionalisierten Weiterbildungsangeboten lernförder‐ lich anschließen? Das soll im folgenden Beitrag anhand des Konzepts der  Community of Practice zunächst wissenssoziologisch und lerntheoretisch  verortet werden, um anschließend Konsequenzen am Konzept des „Zerti‐ fikatskurs tAPP – Musik mit Apps in der Kulturellen Bildung“ zu exemp‐ lifizieren.  

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Wissen in der Digitalen Wissensgesellschaft 

Die Ausgestaltung von Weiterbildung durch ihre Anbieter geht einher mit  der Entwicklung einer mehr oder weniger dezidierten Theorie über ihre  Vermittlungsinhalte und ‐wege. In einer solchen Selbstbeschreibung wer‐ den  zum  einen  handlungsleitende  Überzeugungen  transparent,  die  eine  nach außen ersichtliche Unterscheidung gegenüber anderen Anbieter er‐ möglichen, und sie artikuliert nicht zuletzt eine dezidierte Ansprache von  Zielgruppen. Zum anderen sind solche Offenlegungen zugleich Reflexio‐ nen der eigenen Ziel‐ und Wertbezüge in der Weiterbildungsorganisation,  wodurch eigene Widersprüche, blinde Flecken, Tabus, Nivellierungsnot‐ wendigkeiten usw. beobachtet werden können und insgesamt organisati‐ onales  Lernen  angebahnt  werden  kann.  Materialisiert  finden  sich  diese  Vorstellungen etwa im Curriculum und werden durch eine durch empiri‐ sche  Forschung  gestützte  Lerntheorie  fundiert.  Diese  geben  Auskunft   darüber,  was  in  der  Weiterbildungsorganisation  als  Wissen  verhandelt,  wie  es  bewertet  und  schließlich  wie  es  erzeugt  oder  verändert,  also  wie  gelernt wird.   Versteht man weiter die derzeitige Gesellschaft als Wissensgesellschaft,  so meint das einen Wandel der Bedeutung von Wissen – technologischem 

Weiterbildung in der Digitalen Gesellschaft 

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Wissen  und  Handlungskompetenz.1  Dabei  artikuliert  sich  Wissen  viel‐ mehr als Ressource denn als Wahrheit. „Wissen ist nun dadurch charakte‐ risiert,  dass  es  (a)  kontinuierlich  revidiert,  (b)  permanent  als  verbesse‐ rungswürdig  angesehen,  (c)  prinzipiell  nicht  als  Wahrheit,  sondern  als  Ressource betrachtet wird und (d) untrennbar mit Nicht‐Wissen gekoppelt  ist“ (Willke 2011: 28). Für die Unternehmens‐ und Organisationsentwick‐ lung – zu denen auch Aus‐ und Weiterbildungen zählen – hat sich in der  Folge ein breiter Diskurs etabliert, in dem Fragen des Managements und  Transfers von Wissen fokussiert werden (vgl. u. a. Höhne 2003; Molzber‐ ger 2008). In ökonomischer Perspektive ist zu ergänzen, „dass Wissen ei‐ nen  immer  wichtigeren  Wettbewerbsvorteil  in  der  Wirtschaft  darstellt“  (North/Franz/Lembke 2004: 41; Probst/Raub/Romhardt 2012).  Dass die heutige Gesellschaft zentral von Digitalität geprägt ist, sollte  kaum bestritten werden. Digitale, computerbasierte Technologien prägen  den  Alltag,  prägen  Kultur  insgesamt  und  bringen  neue  Subjekte  hervor  (vgl. Jörissen 2017). Digitalkultur ist dabei aufs Engste verknüpft mit Ge‐ meinschaft. In ambivalenter Freiheit gestalten ihre Mitglieder in loser Hie‐ rarchie ihre Bedeutungsrahmen und Normen. Ambivalent ist die Freiheit,  weil sie eine technologisch vermittelte (über Free Software, Social Media,  Commons usw.) Mitgestaltung von Kultur durch ihre vernetzten Subjekte  erlaubt, aber zugleich  die Subjekte  vor diesem  Horizont  zwingt,  sich zu  vernetzen und daran weiterhin aktiv (via Bloggen, Re‐/Posten, Tweeten,  Liken usw.) teilzuhaben (vgl. Stalder 2016).  In einer solchen Situation sind traditionelle Lebensläufe, die einem li‐ nearen Modell der (hoch‐)schulischen Ausbildung für eine bis zur Rente  ausgeübte  Berufspraxis  entsprechen,  kaum  bis  gar  nicht  mehr  denkbar.  Bildungspolitisch ist das gekoppelt an normative Ansprüche des Lebens‐ langen  Lernens,  das  anders  als  in  früheren  Gesellschaftsformen  einer                                                              1   Es finden sich unterschiedliche Konzepte von Wissensgesellschaft; sie beschreiben den  Relevanzverlust der Industriegesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts und den Bedeu‐ tungsgewinn von Bereichen, die mit Wissen im weitesten Sinne zu tun haben. Auffällig  ist besonders die politische Debatte, die im Wesentlichen ökonomisch konnotiert ist und  den Stellenwert von wissensintensiven Gütern und Dienstleistungen in der Wertschöp‐ fung hervorhebt (vgl. etwa Engelhardt/Kajetzke 2010).  

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Bewahrung  die  Dynamisierung  des  Wissens  entgegensetzt.  Hervorge‐ bracht wird damit ein permanent unfertiges Subjekt, das sich selbstorga‐ nisiert über verschiedene Medien Wissen aneignet (vgl. Bollweg 2008: 18;  Klingovsky 2009). Lebenslanges Lernen ist somit nicht nur eine Möglich‐ keit durch Weiterbildungen, Open Educational Resources usw. individu‐ elle  gesellschaftliche  Gestaltungsräume  auszuweiten,  sondern  zugleich  Bedingung der Möglichkeit, überhaupt an aktuellen sozialen Entwicklun‐ gen  Anteil  nehmen  zu  können  (vgl.  Dellorie  2016).2  Auch  für  Weiterbil‐ dungsinstitutionen ist längst klar, dass Digitaltechnologien Anteil an der  Ausgestaltung von Wissen und der alltäglichen Unternehmenspraxis neh‐ men. So müssen sie Strategien entwickeln, um ihre Vormachtstellung in  der Weitergabe und Produktion von Wissen zu erhalten.  

1.1   Was meint Wissen?  Vor der Folie sozialkonstruktivistischer sowie systemtheoretischer Theo‐ rien  wird  davon  ausgegangen,  dass  Wissen  nicht  objektiv  existiert  und  nicht  direkt  instruktional  vermittelt  respektive  „transportiert“  werden  kann. Im Gegensatz zu objektivistischen Vorstellungen betont das die ak‐ tive  Konstruktion  von  Wirklichkeit,  woran  immer  sowohl  Menschen  als  auch Organisationen, Communities und Technologien beteiligt sind.   In der Klärung des Wissensbegriffs ist es zunächst notwendig, Wissen  von Daten und Informationen zu unterscheiden. Die oftmals mit der Infor‐ mationstheorie zusammenhängende Verortung von Wissen grenzt Wissen  gegenüber Informationen und Daten ab (vgl. Böhm 2000: 30ff.), wobei Wis‐ sen  an  oberster  Stelle  der  Begriffshierarchie  steht.  Daten  (z. B.  Einträge)  sind  zunächst  beobachtete  Unterschiede.  Eingeschlossen  ist  damit,  dass  nur beobachtbare Phänomene – sei es durch Mikroskope, Computerpro‐ gramme etc. oder mit unseren Augen und Ohren – als Daten gezählt werden  können.  Informationen  wiederum  stellen  beobachtete  Unterschiede  mit  Neuigkeitswert  bzw.  kontextualisierte  Daten  dar,  die  also  in  Verbindung                                                              2   Lebenslanges Lernen bezieht sich nur zu einem vergleichsweise geringen Teil auf z. B.  die Teilnahme an formalen Weiterbildungskursen, sondern schließt auch die aktive Par‐ tizipation an kulturellen Wissensressourcen und gesellschaftlicher Wissenskommunika‐ tion ein (vgl. BLK 2004: 14f.).  

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mit einer konkreten Situation stehen. Anders formuliert sind Informatio‐ nen Unterschiede, die einen Unterschied machen (vgl. Bateson 1987: 123), das  alltägliche  Aha‐Erlebnis,  die  herausstechende  Stimme  innerhalb  einer  Menschenmenge, das vom Computer vom Rauschen identifizierbare Sig‐ nal usw.  Dagegen wird Wissen als vernetzte, als in der Praxis bewährte Infor‐ mationen betrachtet. Wissen wird gewusst, muss erinnert werden, ist be‐ kannt und ist zudem bewertet bzw. sozial als Wissen legitimiert. Wissen  beschreibt  damit  nichts,  das  außerhalb  sozialer  Zusammenhänge  an  sich  wahr ist. Wissen ist emergentes Ergebnis kommunikativer Konstruktion.  Im Prozess der Wissenskonstruktion werden Bedeutung und Bedeutsam‐ keiten bzw. Relevanzen ausgehandelt (vgl. Willke 2011).   Diese  einführende  Bestimmung  von  Daten,  Information  und  Wissen  soll  einen  nicht  abgeschlossenen,  aber  für  die  folgenden  Ausführungen  ausreichenden theoretischen Rahmen bilden. 

1.2   Wissensformen  Die Unterscheidung von implizitem und explizitem Wissen nach Michael  Polanyi  (1985/2016)  spielt  als  Erklärungsmodell,  Wissen  zu  erschließen  und für andere zugänglich zu machen, eine herausragende Rolle. Der ex‐ plizite Wissensaustausch schließt die eigene Sprache oder das eigene (ko‐ difizierte) Vokabular einer Person sowie in physikalischen oder materiel‐ len Objekten verkörperte Formen des Wissens ein. Dies können z. B. Be‐ richte,  Vorträge,  Handbücher,  Datenbanken  u. v. a. m.  sein  (hier  geht  es  um  Know‐what).  Implizites  Wissen  beschreibt  dagegen  die  praktischen  Fertigkeiten oder Kenntnisse, die es erlauben, effizient und effektiv zu ar‐ beiten (also Know‐how). Wissen, das im Können verankert ist, etwas, das  wir einfach tun, ohne immer über den detaillierten Lösungsweg nachden‐ ken zu müssen. Dieses Wissen ist häufig kompliziert zu formulieren und  daher im Sinne von Wissensmanagement für andere schwer zu dokumen‐ tieren.3                                                              3   Das Ziel von Wissensmanagements ist es, durch Interventionen das in Organisationen  verteilte  Wissen  in  Wettbewerbsvorteile  umzusetzen.  In  Organisationen  führt 

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Damit wird heutzutage davon ausgegangen, dass ein Großteil, wenn  nicht der größte Teil des Wissens implizit, tacit, schweigend ist.4 Das hat  zur Folge, dass wir über unser implizites Wissen nur mit mühevoller Ex‐ plizierung bis niemals wissen können, woher und warum wir wissen (z. B.  wie und warum wir vom Fahrrad beim Fahren nicht herunterfallen).  Das Konzept der Wissensspirale (vgl. Nonaka/Takeuchi 1995) erweitert  dieses Modell und bezieht sich vor der Folie des Meister*in‐Novizen*in‐ Prinzips auf verschiedene  Bewegungen  der  Wissensumwandlung.  In  ei‐ nem spiralförmigen Prozess interagieren implizites und explizites Wissen  stetig  miteinander  und  beziehen  ausgehend  vom  Individuum  verschie‐ dene  Gruppen  und  schließlich  die  gesamte  Organisation  mit  ein.  In  der  Konsequenz  gilt  es  für  die  Erwachsenenbildung,  „solche  Lernarrange‐ ments  zu  erfinden  und  umzusetzen,  wo  nicht  ausschließlich  explizites  Wissen erworben wird, sondern solche, in denen das neu hinzukommende  (explizite) Wissen sich mit dem bereits vorhandenen (impliziten) Wissen  verbinden kann. Erst dann wird neues Wissen nicht ‚träges Wissen‘ blei‐ ben.“ (Baumgartner/Gruber‐Muecke 2017: 65) 

1.3   Wissensvermittlung  Die Diskussion um die Bedeutung von Wissen in der gegenwärtigen Ge‐ sellschaft ist ursprünglich eine Auseinandersetzung mit dem Lernen Er‐ wachsener und der Frage des Verhältnisses von informellen und formalen  Kontexten (vgl. Molzberger 2008).5 Trotz unabgeschlossener Begriffsdefi‐ nition wird damit zumeist auf das Lernen in formalen Bildungseinrichtun‐ gen  im  Kontrast  zum  Lernen  in  Beruf  und  Freizeit  rekurriert  (vgl.                                                              Wissensmanagement  zuweilen  im  Zuge  von  Qualitätsmanagement‐Standardisierun‐ gen  lediglich  zur  Ansammlung  von  Information,  zur  Häufung  von  Dokumenten,  in  denen das darin Zusammengetragene keine weitere Relevanz für die Praxis der Orga‐ nisation hat (vgl. Borowsky 2000; Bliss/Johanning/Schicke 2006: 3f.).  4   Im häufig zur Veranschaulichung verwendeten Bild des Eisbergs stellt das explizite Wis‐ sen  den  oberen,  über  dem  Wasser  befindlichen  Teil,  das  implizite  den  weit  größeren,  nicht sichtbaren Teil unter der Oberfläche dar (vgl. Kraus et al. 2017).  5   Neben der Bedeutung für die Organisationsentwicklung nimmt das Thema informelles  Lernen  vor  allem  in  der  Debatte  um  das  Lebenslange  Lernen  eine  Rolle  ein  (vgl.  BLK  2004; Dellorie 2016). 

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Dehnbostel 2015). Formalität meint hiernach intentionales, vorstrukturier‐ tes, curricular angebundenes und zumeist zertifiziertes Lernen. Dagegen  schließt  Informalität  neben  bewusst  zeitintensivem  und  zielorientiertem  Lernen auch beiläufig‐inzidentelles, implizites, nicht strukturiertes Lernen  und Erfahrungsprozesse ein. Seit einigen Jahren wird dafür insbesondere  die Rolle von Kollaboration in sozialen, technologievermittelten Netzwer‐ ken hervorgehoben (vgl. Kahnwald 2013).  Obwohl nicht explizit konstruktivistisch, ist die Theorie des situierten  Lernens (vgl. Lave/Wenger 1991) für unsere Zwecke von entscheidender  Bedeutung.  Ausgangspunkt  ist  einerseits  die  Kritik  an  kognitivistischen  Theorien, die Wissen in Köpfen von Menschen verorten, und andererseits  die Kritik an einer dekontextualisierten Betrachtung von Wissen.   Als Gegenkonzept schlagen Vertreter*innen des situierten Lernens ei‐ nen sozialen Lernbegriff vor, der Lernen als Partizipation bzw. „chang‐ ing  participation  in  the  practices  of  one  or  more  communities“  (Wenger/McDermott/Snyder 2002: 53) konzeptualisiert. Lernen ist dem‐ nach kein passives Aufnehmen oder Aneignen, sondern aktives Handeln  in authentischen Situationen (vgl. Konrad 2014: 19ff.). Dabei werden die  aktive Interpretation des erkennenden Subjekts, der individuelle Prozess  der Konstruktion von Sinn und Bedeutung sowie die damit einhergehende  individuelle (Re‐)Konstruktion von Wissen betont.6 Damit grenzt sich die  Theorie von der Vorstellung des Lernens als Aneignung ab und versteht  Lernen im Unterschied dazu als einen Prozess der zunehmenden Enkultu‐ ration in einer Praxisgemeinschaft.  

1.4   Lerngemeinschaften  Da  Wissen  „nicht  schlicht  als  vollständig  objektivierbarer  Gegenstand   betrachtet werden kann, sondern als an Personen, an Interaktionen, an  Beziehungen sowie an soziale Kontexte gebundene Ressource behandelt  werden  sollte“  (Bettoni/Clases/Wehner  2004:  320),  nehmen  wissens‐                                                             6   Letzteres wendet sich insgesamt gegen lehrgangsartiges Lernen von Faktenwissen, des‐ sen fehlende Einbettung in eine Praxis als „träges Wissen“ (vgl. Renkl 2010) bezeichnet  wird. 

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soziologische Ansätze Abstand von rein instruktionalen Lerndesigns. Ei‐ genverantwortung, Problemorientierung, Kooperation, das Anknüpfen an  bereits Gelerntes und die damit einhergehende ständige Rekonstruktion  und Erweiterung des eigenen (Handlungs‐)Wissens sind wichtige Merk‐ male  des  Lernprozesses.  Vergemeinschaftete  Wissensgenerierung  bildet  sich  entsprechend  durch  eine  Praxis  des  Teilnehmens,  der  Partizipation  heraus,  die  nicht  per  se  schon  eine  formale  Struktur  aufweist  und  auch  nicht  gänzlich  von  außen  formalisiert  und  gesteuert  werden  kann.  „Als  eine  sich  selbst  organisierende  und  sich  verändernde  Praxis  ist  sie  viel‐ mehr Quelle für ein soziales Lerngeschehen, das zwischen denjenigen Ge‐ stalt  annimmt,  die  an  einer  Gemeinschaft  teilhaben.“  (Bliss/Johan‐ ning/Schicke 2006:  1)  Dies legt eine Neuausrichtung von Weiterbildungs‐ maßnahmen nahe, in denen herausfordernde Situationen von den Beteilig‐ ten gemeinsam erlebt, unterschiedliche Erfahrungen ausgetauscht werden  können  und  darüber  diskutiert  werden  kann,  wie  man  diese  verbessern  könnte. Das umfasst auch ergebnisoffene, wenig steuer‐ und messbare Ler‐ narrangements, welche die Grenzen zwischen Lernendem und Lehrendem  sowie zwischen privatem und beruflichem bzw. informellem und formel‐ lem Lernen auflösen.   Hervorzuheben ist, dass die Gestaltung einer lebendigen Lerngemein‐ schaft letztlich immer auf der freiwillig gestaltenden Teilhabe ihrer Mit‐ glieder beruht. Dies schließt auch Lerngemeinschaft als Teil eines didakti‐ schen Settings ein. Das Spannungsverhältnis zwischen prinzipieller Selbst‐ organisation auf der einen Seite und institutioneller Gründung und Unter‐ stützung  andererseits  prägt  letztlich  alle  Gestaltungsaufgaben  in  Bezug  auf Lerngemeinschaften. Hinzu kommt, dass der mit der Einrichtung von  Lerngemeinschaften angestrebte individuelle Nutzen transparent zu ma‐ chen ist (vgl. Arnold 2003), wird die Initiierung einer Lerngemeinschaft in  einer  Weiterbildung  angestrebt.  Selbstbestimmung  bei  der  Kooperation  und bei der Wahl von Lerninhalten sowie das Angebot vielfältiger Partizi‐ pationsformen können zwar ebenfalls keine gemeinschaftlichen Praktiken  erzwingen, sie schaffen aber förderliche Bedingungen für die Initiierung  und Weiterentwicklung von Lerngemeinschaften. Unterstützende, koordi‐ nierende Strukturen und adäquate Kommunikationsformen können durch 

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den  Einsatz  von  Moderator*innen  und  Trainer*innen  geschaffen  werden  (vgl.  Witt/Czerwionka/Mengel  2007).  Starre  Steuerungsmechanismen  ste‐ hen der notwendigen Eigendynamik dieser Organisationsform jedoch ent‐ gegen.   Dabei  steht  insbesondere  die  Bewältigung  konkreter  Lebenssituation  im Blick und beschränkt sich somit nicht auf simulierte Praxis eines ange‐ strebten Berufsfelds (vgl. Arnold 2003: 257). Daraus leitet sich nicht zuletzt  die Forderung ab, die Kursgestaltung weniger an der potenziellen zukünf‐ tigen Arbeitswelt zu orientieren als vielmehr die Lebenswelt der Teilneh‐ menden zu thematisieren und einzubeziehen.  Um erfolgreich zu sein, müssen die Mitglieder lernen, mit den verschie‐ denen Gruppenmitgliedern umzugehen, sich zu respektieren, wertzuschät‐ zen und verschiedene Sichtweisen zu einem gemeinsamen „Werk“ zusam‐ menzuführen. Zum einen geht es dabei darum, verschiedene Wissensstände  und Expertisen der Mitglieder einzubinden (Diversity of Expertise, vgl. van  der Vegt/Bunderson 2005), und zum anderen führt gerade diese Diversität  auch zu der Erkenntnis, dass das kollektive Wissen immer größer ist als  das  individuelle,  weshalb  wiederum  jede*r  auf  das  Wissen  der  anderen  angewiesen ist (Ressourceninterdependenz, vgl. Fischer/Waibel 2002: 43). 

1.5

 Communities of Practice 

Bedingt  durch  die  hohe  Veränderungsdynamik  von  Wissen  und  immer  kürzere  Innovationszyklen  technologischer  Entwicklung  besteht  für  die  Unternehmens‐ und Organisationsentwicklung ein breiter Diskurs. Popu‐ lär geworden ist in diesem Zusammenhang das Konzept der Community of  Practice („CoP“, vgl. Lave/Wenger 1991), das auf der Theorie des situierten  Lernens aufbaut. Etienne Wenger (1998: 1) beschreibt CoPs als „groups of  people who share a concern or a passion for something they do and learn  how to do it better as they interact regularly“. Zur Abgrenzung von ande‐ ren Formen sozialer Kooperation (z. B. Abteilungen, Teams, Netzwerke)7                                                              7   Communities of Practice sind trotz teilweise synonymer Verwendung abzugrenzen von  Gruppen und Netzwerken. Während Gruppen sich vor allem durch ihre Personennähe  und  einem  Wir‐Gefühl  beschreiben  lassen,  sind  Netzwerke  Beziehungsgeflechte,  in 

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werden drei  Kernelemente  hervorgehoben,  die  wechselseitig  miteinan‐ der  in  Beziehung  stehen  und  im  Gleichgewicht  stehen  sollten  (vgl.  Wenger/McDermott/Snyder  2002: 27ff.).  Das  betrifft den  Wissensbereich  (Domain), die Gemeinschaft (Community) und die Praxis (Practice).   Der Wissensbereich ist eine Sammlung von Themen, Schwerpunkten  und Problemen, die für die Mitgliedschaft in der CoP von Bedeutung sind  und  das  Hauptanliegen  der  Gemeinschaft  bilden.  Der  Wissensbereich  stellt ein Zentrum dar, um das sie sich formiert und kann sich in gemein‐ sam gemachten Erfahrungen und Erlebnissen widerspiegeln, in erlernten  sozialen  Ritualen  und  Verhaltensweisen  oder  einem  Projektziel.  Darin  wird im Rahmen eines gemeinsamen Unterfangens (joint enterprise), für  das sich das Engagement lohnt, in ko‐konstruktiven Prozessen Wissen und  Bedeutung ausgehandelt. Die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft ist gekenn‐ zeichnet  durch  die  persönlichen  und  institutionellen  Beziehungen  zwi‐ schen den Mitgliedern und beinhaltet Form und Ausmaß der Interaktio‐ nen (Regelmäßigkeit, Häufigkeit, unter Anwesenden, via Skype, Forums‐ beiträge etc.), die Entwicklung der individuellen und kollektiven Identitä‐ ten, die Räume der Begegnung bis hin zur Atmosphäre bei On‐ oder Off‐ line‐Interaktionen etc. Die Praxis umfasst Erfahrungen, Standards, Ideen,  Dokumentationen  und  Ansätze,  die  von  allen  Mitgliedern  der  Gemein‐ schaft geteilt werden (vgl. ebd.).  Jeder Mensch ist Mitglied einer Vielzahl solcher Gemeinschaften, die  ihm mehr oder weniger bewusst sind.8 Kennzeichen dieser Gemeinschaf‐ ten sind, dass sie als selbsttätige, organisationsbezogene Lern‐ und Wis‐ senssysteme konzipiert sind (vgl. Wenger 1998). Bei CoPs handelt es sich  also  um  den  Versuch,  die  Anatomie  der  Verzahnung  individueller 

                                                            denen schwache und starke Verbindungen zwischen Knotenpunkten ausgemacht wer‐ den können.  8   Emiliy Webber (2016: 4) unterscheidet vier Formen von Communities: Communities of  Interest (= Menschen, die sich eine Leidenschaft teilen), Communities of Place (= Men‐ schen, die lokal miteinander verbunden sind), Communities of Action (= Menschen, die  aufgrund eines bestimmten Ereignisses zusammentreffen) und Communities of Practice. 

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Lernprozesse mit denjenigen der Weiterentwicklung der Gemeinschaft, in  die sie eingebettet sind, aufzuzeigen und zu fördern.9  Die  freiwillige,  informelle  und  nicht  fremdbestimmte  Mitgliedschaft  wird als ein zentrales Prinzip von Wissensgemeinschaften angesehen (vgl.  Bullinger 2002: 23), die durch die Art und Weise, wie diese sich einbringen  (können),  lebt.  Die  Teilhabe  und  individuelle  Entwicklung  in  einer  CoP  erklären Jean Lave und Etienne Wenger (1991) mit dem Konzept der legi‐ timierten periphären Partizipation. Beschrieben wird damit das schrittweise,  durch  eigenes  Handeln  hervorgerufene  Hineinwachsen  in  die  Gemein‐ schaft. Im Unterschied zu anderen sozialen Lerntheorien heben sie Lernen  damit als wachsende Partizipation an der Gemeinschaft hervor, wobei die  Lernergebnisse  generell  nicht  isoliert  existieren,  sondern  grundsätzlich  Teil des sozialen Systems sind, durch das ihnen erst eine bestimmte Be‐ deutung zukommt. Dabei geht es nicht allein um die Aneignung von Fach‐ wissen und Know‐how, sondern vor allem auch von Werten und Normen  der  Community:  „[…]  participating  with  others  in  practice  becomes  the  fundamental project subjects engage in, crafting identities of participation  is a social process, and becoming more knowledgeably skilled is also an  aspect  of  participation  in  social  practice.“  (Lave  1997: 129)  Zur  Veran‐ schaulichung dieses Prozesses werden in der folgenden Grafik (siehe Abb.  1) fünf Möglichkeiten dargestellt, an einer CoP zu partizipieren.    

                                                            9   Einige Autor*innen verwenden die Begriffe Wissensgemeinschaften und Communities  of Practice synonym (vgl. North/Franz/Lembke 2004). In diesem Beitrag fokussiert der  Begriff  Wissensgemeinschaft  die  Wissensentwicklung  und  den  Wissensaustausch  und  der Begriff CoP die Entwicklung einer geteilten sozialen Praxis.  

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  Abb. 1: Konzept der CoP: Partizipationsformen und Entwicklungsbahnen  (vgl. Wenger 1998: 153ff.).  Die  in  der  Abbildung  dargestellten  Entwicklungsbahnen  (vgl.  Wenger  1998: 154f.) veranschaulichen, wie Mitglieder je nach Interessenlage und  Teilnahmedauer  partizipieren.  So  kann  man  in  einer  Community  eine  zentral‐gestaltende Position ansteuern, in einer anderen Community hin‐ gegen  eher  passiv‐tangential  teilnehmen  oder  auch  quer  vermittelnd  zu  anderen CoP agieren. Im Laufe der Zeit finden auch ständig Positionsver‐ schiebungen  statt.  Durch  die  stete  Mitglieder‐  und  Positionsfluktuation  werden immer neue Aspekte eingebracht, daher stellt eine solch partizipa‐ tive  Form  des  Lernens  kein  eindimensionales  Entwicklungsgeschehen   oder  einen  bloßen  Anpassungsprozess  dar.  Die  verschiedenen  Hinter‐ gründe und Intentionen der Teilnehmenden sind also sowohl der Grund  für den dynamischen Charakter von CoP als auch der Auslöser von Lern‐ prozessen. Wichtig ist, dass Teilnehmende sich diesen Gemeinschaften in  der Regel nicht anschließen, um explizit etwas zu lernen: Sie lernen, um  als  vollwertige  Mitglieder  an  Gemeinschaften  teilzuhaben  (vgl.  Krisper‐ Ullyett/Harnoncourt/Meinl 2005: 414). 

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Folgt man Jean Lave und Etienne Wenger (1991: 59ff.) ist der Prozess  der Integration von neuen Mitgliedern in die Gemeinschaft jedoch nicht  als „Ausbildung“ im Sinne eines eindimensionalen Entwicklungsgesche‐ hens oder eines Anpassungsprozesses zu verstehen. Nicht nur die „Ein‐ steiger*innen“ und ihr Wissen, an der Praxis teilzuhaben, verändern sich,  auch  die  soziale  Praxis  der  Gemeinschaft  selbst  entwickelt  sich  und  die  veränderte  Konstellation  der  „Neuen“.  Das  verdeutlicht,  wie  Wissen  in  der  CoP  als  dynamisch  gekennzeichnet  ist.  So  stellen  neue  Mitglieder  Möglichkeiten der Innovierung der Praxis dar, die einer einseitigen Kon‐ servierung entgegenwirken können. Gleichzeitig wird deutlich, dass in ei‐ ner sich verändernden Gemeinschaft jede*r in einem bestimmten Ausmaß  als „Einsteiger*in“ gesehen werden muss. Dies weist auf ein verändertes  Rollenverständnis hin. 

1.6   Online‐Communities  Der breite Diskurs seit den späten 1990er Jahren um CoP wurde ergänzt  durch  die  Thematisierung  der  sozialen  Plattformen  im  Netz,  auf  denen  Personen Informationen teilen und sich zumeist problemorientiert mit an‐ deren austauschen (vgl. North/Franz/Lembke 2004: 37). Neben textbasier‐ ten  Foren  haben  sich  aktuell  Facebook,  YouTube,  Snapchat,  Instagram,  Twitter, LinkedIn etc. als Wissensplattformen mit ganz unterschiedlichen  Kommunikationsformen und Regeln etabliert. Mobile Apps lösen den Zu‐ gang zum Netz über den Desktop‐Browser ab und tragen zur Verschmel‐ zung der digitalen Welt mit dem Alltag bei. Außerdem finden Virtual‐ und  Augmented‐Reality‐Angebote  immer  mehr  Verbreitung  als  Werkzeuge  von Wissenskonstruktion in informellen Kontexten (vgl. Fehling 2017).10   Im Gegensatz zu institutionalisierten Lernplattformen von Bildungsan‐ bieter*innen stehen bei diesen partizipativen Technologien die Aktivitäten  der  Akteur*innen  und  ihre  Kommunikation  im  Vordergrund  und  nicht                                                              10   Sie eröffnen immersive Erlebniswelten, in denen die Nutzer*innen das Geschehene nicht  „von außen“ – externen Beobachter*innen gleich – filmisch wahrnehmen, sondern sich  in künstliche Welten begeben, in denen sie interaktiv mit der „virtuellen Realität“ bzw.  virtuell erweiterten Realität experimentieren können. 

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Dokumente und Lernmaterialien.11 Sie erlauben das Verlinken und Inte‐ grieren externer Quellen (andere Plattformen, Foren, Webseiten) und un‐ terstützen  zudem  die  Zusammenarbeit,  die  Entwicklung  von  neuen  Be‐ kanntschaften und den Aufbau sozialer Gruppen. So stellen sie einen Rah‐ men  für  die  Entwicklung  von  Wissen  in  sozialen  Kontexten  dar  (vgl.   Czauderna  2014),  und  immer  mehr  Kursteilnehmende  sind  auch  bereits  gewohnt,  mit  ihnen  zu  arbeiten.  Laut  Michael  Kerres,  Tobias  Hölterhof  und  Axel  Nattland  (2011)  werden  soziale  Online‐Plattformen  (Social   Media)  zunehmend  als  Orte  wahrgenommen,  denen  eine  ähnlich  hohe  Verbindlichkeit  und  emotionale  Qualität  zugeschrieben  wird,  wie  sie  in  anderen lebensweltlichen Kontexten erfahren werden.  Mit zunehmender Digitalisierung geht insgesamt eine Entwicklung zu  informellen Bildungsangeboten auf Online‐Plattformen einher (vgl. Kuh‐ len 2013; vgl. Erpenbeck/Sauter 2013). Dieser Trend lässt sich aktuell be‐ sonders  deutlich  an  Online‐Bildungsangeboten  für  Fremdsprachen  und  z. B. Klavierunterricht beobachten. Interaktive soziale Online‐Plattformen  werden  zunehmend  auch  in  Schule  und  Weiterbildung  integriert  (vgl.  Wampfler  2017).12  Besondere  Stärken  zeigt  die  Integration  von  Social   Media vor allem dort, wo eine enge persönliche Beziehung zwischen den  Teilnehmenden  besteht.  Präsenzveranstaltungen  haben  einen  zentralen  Wert für das persönliche Kennenlernen (Kick‐off) und für gemeinsame Er‐ fahrungen. Online‐Plattformen hingegen bieten vielfältige Kollaborations‐  und  Dokumentationsmöglichkeiten.  Ein  integriertes  Lernarrangement  umfasst  vielfältige  Formen  der  offenen  Zusammenarbeit  und  verbindet  auf diese Weise authentische Praxis mit einer reflexiven Lernkultur in den  Präsenzphasen. Um dies zu unterstützen, wird es zukünftig wichtig sein,  dass sich Weiterbildungsanbieter*innen – auch im Netz – als Expert*innen                                                              11   Traditionelle Lernplattformen (LMS = Learning Management Systeme) wie Moodle wer‐ den  häufig  für  das  Einstellen  und  Verteilen  von  Dokumenten  und  Lernressourcen  ge‐ nutzt (vgl. Petschenka/Engert 2011). Seltener gelingt es, darauf eine soziale Lernsituation  zu gestalten. LMS sind daher eher als Lehrplattformen zu bezeichnen.  12   Dabei muss hervorgehoben werden, dass es sich bei organisierten Online‐Bildungsange‐ boten wie MOOCs (Massiv Open Online Courses) nicht a priori um Wissensgemeinschaf‐ ten handelt. Der Wissensaustausch in offenen Gemeinschaften kann  nur teilweise  und  nur unter bestimmten Bedingungen auf solche Kurse übertragen werden.  

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positionieren  und  sozial‐kommunikative  Kompetenzen  entwickeln  (vgl.  Witt/Czerwionka/Mengel 2007: 19ff.).  



„Zertifikatskurs tAPP“ 

Die dargelegten konzeptionellen Überlegungen fanden Eingang in die for‐ schungsbasierte  Weiterbildungsentwicklung  in  dem  zwischen  2014  bis  2017 laufenden Projekt TOUCH:MUSIC13. Dieses befasste sich mit der Ent‐ wicklung und Erprobung einer technologiebasierten Bildungsmaßnahme  im Rahmen von drei Durchgängen vom „Zertifikatskurs tAPP – Musik mit  Apps  in  der  Kulturellen  Bildung“.  Die  Weiterbildung  wurde  formativ  evaluiert, wobei in Form einer forschungsmethodisch geleiteten Selbstirri‐ tation beständig Konfliktpunkte herausgearbeitet, weiterbildungspädago‐ gische Konsequenzen abgeleitet und Lösungen teilweise bereits in den fol‐ genden Kursveranstaltungen umgesetzt wurden (vgl. Godau/Krebs 2017;  Godau 2018).  Die  Weiterbildung  richtete  sich  primär  an  Musiker*innen,  die  über  keine  abgeschlossene  musikpädagogische  Hochschulausbildung  verfü‐ gen, aber eine im weitesten Sinne (musik‐)pädagogische Tätigkeit im Be‐ reich der Kulturellen Bildung anstreben. Ziele des Kurses waren zum ei‐ nen die Entwicklung der notwendigen Kompetenzen, um musikbezogene  Bildungsangebote  mit  Musikapps  im  Nachmittagsbereich  initiieren  und  realisieren zu können (schulischer Ganztag, Kulturvermittlung, sozialpä‐ dagogische  Kontexte  etc.).14  Dabei  orientierte  sich  die  Qualifikationsmaß‐ nahme an musik‐, medien‐ und kulturpädagogischen Fragestellungen. Zum  anderen war es Ziel, die Teilnehmer*innen für Wissensgemeinschaften zu                                                              13   Das Projekt TOUCH:MUSIC wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung  (BMBF) gefördert und im Verbund von der Universität der Künste Berlin (Forschungs‐ stelle Appmusik) und der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel durch‐ geführt.  14   Der Zertifikatskurs wurde entwickelt, um auf die Situation vieler freischaffender Musi‐ ker*innen  zu  reagieren,  die  ihren  Lebensunterhalt  ohne  Festanstellung  mit  kleineren   Anstellungsverhältnissen und selbstständigen Projekten in verschiedenen kulturpädago‐ gischen  Kontexten  verdienen  müssen,  jedoch  keine  musikpädagogische  Qualifikation  vorweisen können.  

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sensibilisieren und ihnen dadurch nachhaltig Lernmöglichkeiten zu eröff‐ nen. Vor der Folie beständiger Reflexion individueller Fähigkeiten und Be‐ tonung  der  Selbstorganisation  sollten  Selbstlernkompetenzen  gefördert  werden,  um  „in  offenen,  unüberschaubaren,  komplexen,  dynamischen  und  zuweilen  chaotischen  Situationen  kreativ  und  selbstorganisiert  zu  handeln.“ (Erpenbeck/Sauter 2013: 32)   Der Zertifikatskurs setzte sich aus vier fünftägigen Präsenzphasen zu‐ sammen, in denen die Teilnehmenden Veranstaltungen zu verschiedenen  Themenbereichen besuchten (Musiklernen, Medienlernen, Kulturelle Bil‐ dung  als  pädagogische  und  als  Evaluationspraxis),  die  ein  breites  Spek‐ trum an methodischen Zugängen abbildeten. Zwischen den Präsenzpha‐ sen  wurden  theoretische  Aufgaben  im  Selbststudium  bearbeitet  und  ei‐ gene Praxisprojekte durchgeführt, um im Rahmen des Kurses möglichst  gleich im Kontext des Berufsfelds zu agieren und nicht nur über das Be‐ rufsfeld etwas zu erfahren. 

2.1   Weiterbildung als Community of Practice?  Trotz der Dominanz an gemeinsamer Praxis und der Sensibilisierung der  Teilnehmer*innen für Wissensgemeinschaften im „Zertifikatskurs tAPP“  unterscheidet  sich  diese  Weiterbildung  von  einer  CoP.  Weiterbildungen  sind keine CoPs, sondern Organisationen bzw. formale Lernkontexte, in  denen  das  Lehren  und  Lernen  der  Beteiligten  (Kursteilnehmende,  Do‐ zent*innen  und  Kursleitende)  anhand  zumeist  curricular  festgeschriebe‐ ner Ziele organisiert wird (vgl. Godau/Krebs 2017). Dennoch ergeben sich  aus der Theorie der CoP wichtige Hinweise, die auch in die Planung von  Weiterbildungsmaßnahmen einfließen können.  Allen voran steht eine grundsätzliche Ausrichtung der Weiterbildung  auf  eine  ermöglichungsdidaktische  Lehr‐Lernkultur,  die  sich  von  quasi‐ mechanistischen erzeugungsdidaktischen Positionen abgrenzt (vgl. Arnold  2007;  Schüßler/Kilian  2017).  Insbesondere  geht  es  darum,  während  der  Weiterbildung  durch  geeignetes  Design  der  Lehr‐Lernformate  –  besten‐ falls  über  die  zeitlichen  Begrenzungen  des  Kurses  hinaus  –  förderliche  Strukturen zu schaffen. Diese Formate sollen die Teilnehmer*innen unter‐ stützen, selbstorganisiert an authentischen Problemen zu lernen und die 

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nachhaltige  Entwicklung  einer  gemeinsam  geteilten,  informellen  Praxis  begünstigen (vgl. ebd.; vgl. auch Bliss/Johanning/Schicke 2006). Das erfor‐ dert  für  die  Kursplanung,  dass  sie  möglichst  anpassungsfähig  gehalten  wird.  Flexibilität  hieß  etwa  innerhalb  des  „Zertifikatskurses  tAPP“  ein   Open  Curriculum  sowie  die  Einbeziehung  der  Teilnehmer*innen  in  die  Planung  nachfolgender  Phasen  durch  Reflexionsveranstaltungen.  Dazu  gehörten aber auch radikal geöffnete Veranstaltungen wie BarCamps und  Konzerte, in denen sowohl die Musiker*innen, die Dozent*innen sowie Ex‐ terne selbst gewählte Themenbereiche und künstlerische Ergebnisse prä‐ sentieren und diskutieren konnten.15  

2.2   Strukturelle Beschreibung von Kursformaten  Bei  der  Konzeption  der  Formate  des  Zertifikatskurses  waren  folgende  Prinzipien der Pflege von CoPs ausschlaggebend, die eine Gemeinschafts‐ entwicklung unterstützen:     1) „Design for evolution.  2) Open a dialogue between inside and outside perspectives.  3) Invite different levels of participation.  4) Develop both public and private community spaces.  5) Focus on value.  6) Combine familiarity and excitement.  7) Create a rhythm for the community.“ (Wenger/McDermont/Snyder  2002: 51)    Dies meint eine Ausrichtung an evolutionären, sich selbst entwickelnden  Prozessen, in  denen  interne  wie  externe  Perspektiven  reflektiert  werden  und öffentliche sowie private Räume angemessen zur Geltung kommen.  Das schließt auch Vernetzungen mit ein. Ein Schlüssel erfolgreicher Kulti‐ vierung liegt weiter darin, verschiedene Grade der Partizipation zuzulas‐ sen und in der Wertigkeit, die Relevanz der Lernprozesse in diskursiver                                                              15   Die Bereicherung durch Perspektivenvielfalt und das Potenzial der anderen Teilnehmen‐ den und Gäste wurde dabei unmittelbar erlebbar und zu geschätzten Lernressourcen. 

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Form auszuhandeln. Zudem wirken ein angemessenes Verhältnis bekann‐ ter,  vertrauter  und  routinisierter  Phasen  gegenüber  neuen,  anregenden  und  irritierenden  Phasen  typischen  Problemen  einer  Gemeinschaftsent‐ wicklung entgegen. Und schließlich trägt ein an der Community orientier‐ ter Rhythmus an Aktivitäten, der weder zu langsam, noch zu schnell vo‐ ranschreitet, zu einem guten Arbeitsklima bei.   Vor dieser Folie werden im Folgenden drei Formate skizziert.16  a) Integration von Facebook‐Gruppen  Die Nutzung von Facebook‐Gruppen zählt noch zu den weniger verbrei‐ teten  Verfahren  der  Unterstützung  von  Communities  in  institutionellen  Bildungskontexten  (Kent/Leaver  2014).  Während  sich  die  allgemeine  In‐ teraktion  auf  der  Plattform  Facebook  in  der  Regel  auf  die  Beziehungs‐ pflege  und  die  Unterhaltung  bezieht,  werden  Facebook‐Gruppen  dazu  verwendet,  um  sich  themenzentriert  zu  vernetzen  und  auszutauschen.  Nutzer*innen können vielen gleichzeitig angehören. Es gibt sowohl offene  als auch geschlossene und versteckte Facebook‐Gruppen, zu denen man  eingeladen werden muss. Voraussetzung zur Teilnahme ist ein persönli‐ ches Profil.  Für  den  „Zertifikatskurs  tAPP“  wurde  in  jedem  einzelnen  der  Kurs‐ durchgänge  eine  geschlossene  Facebook‐Gruppe  eingerichtet,  zu  der  all  diejenigen Zugang hatten, die am Kurs teilnahmen (alle Weiterbildungs‐ teilnehmer*innen und Dozierenden). Die Online‐Plattform wurde genutzt,  um über Kursdetails wie Orte oder Zeiten zu informieren oder Kursveran‐ staltungen zu reflektieren. Darüber hinaus bot die Facebook‐Gruppe Ge‐ legenheiten, Probleme außerhalb von Präsenzveranstaltungen kollabora‐ tiv zu lösen. Dazu zählten Fragen zu Apps für bestimmte Zielstellungen  oder zu technischen Problemen sowie Absprachen zur gegenseitigen Un‐ terstützung  bei  Praxisprojekten  und  zur  Gerätebeschaffung.  Außerdem                                                              16   Weitere Formate waren u. a. Praxisprojekte als authentische Probleme, Ensemblephasen  und  öffentliche  Konzerte,  selbstorganisierte  Phasen,  Pflichtseminare  in  wechselnden  Kleingruppen  mit  anschließendem  Austausch  sowie  die  gemeinsame  Konzeption,  Durchführung, Reflexion und Dokumentation von Schulprojekten in Präsenzphasen.  

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präsentierten sich die Teilnehmenden gegenseitig die Blogartikel ihrer in‐ dividuellen Praxisprojekte und gaben sich Feedback.   Um  den  Teilnehmenden  einen  über  den  Kurs  hinausgehenden  Aus‐ tausch  zu  ermöglichen,  wurden  sie  von  der  Kursleitung  auch  in  andere  Facebook‐Gruppen zum Thema Musik mit Apps eingeladen. Ziel war es,  damit  einen  erweiterten  informellen  Austausch  z. B.  mit  Appentwick‐ ler*innen, Medienpädagog*innen und Musiker*innen anzuregen.  Im  Jahr  2016  wurde  darüber  hinaus  eine  neue  öffentliche  Facebook‐ Gruppe „Netzwerk tAPP – Musik mit Apps in Bildungskontexten“ einge‐ richtet,  die  eine  Zusammenkunft  von  aktuellen  Kursteilnehmer*innen,  Alumnis  und  Dozent*innen  aller  Durchgänge  sowie  externer  Personen  (weitere Akteure sowie Vertreter*innen von Kultur‐ und Bildungsinsti‐ tutionen) erlaubt, die sich mitunter nicht persönlich kennen. Diese Öff‐ nung  schafft  eine  Struktur  zum  kollektiven  Erfahrungsaustausch  zum  Weiterbildungsthema, die über die zeitlichen, räumlichen sowie persona‐ len Grenzen der Weiterbildung hinausreicht.   Herausforderungen  der  Integration  von  Facebook‐Gruppen  in  die  Kurse lagen darin, dass einige Teilnehmende kein Profil auf der Plattform  besaßen und auch nicht extra einrichten wollten, und andere nur über we‐ nig sozial‐kommunikative Kompetenzen im Social Web verfügten. Zwar  bietet  Facebook  den  Vorteil,  dass  die  Teilnehmenden  kontinuierlich  auf  dem Laufenden gehalten werden können, da die Plattform mehrheitlich  täglich von ihnen genutzt wird, jedoch gerät die Funktionalität der Face‐ book‐Gruppe an ihre Grenzen, wenn es um kollaborative Arbeitsformen  in Projekten geht.17   b) Der Blog als Tool zur Wissensentwicklung  Blogs  sind  ein  bekanntes  Tool  der  Konstruktion,  Präsentation  und  des  Transfers von Wissen (vgl. Hecker‐Stampehl 2013; Powell/Jacob/Chapman                                                              17   So ist die zeitlich strukturierte Stream‐Darstellung der Beiträge nicht geeignet für pro‐ jektbezogene Kommunikation mit parallel unterschiedlichen thematischen Schwerpunk‐ ten, z. B. von temporären Expertengruppen. Dafür sind projektspezifische Online‐Platt‐ formen wie SLACK besser geeignet. 

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2012).  Autor*innen  können  unterschiedliche  Beitragsformen  (kurze  und  ausführliche Texte, Linksammlungen, Fotoserien oder Video‐ und Audio‐ beiträge) wählen und miteinander kombinieren. Die integrierte Kommen‐ tarfunktion fördert die aktive soziale Aushandlung in Form von Kritik und  Ergänzung auch durch Externe.  Im Rahmen der Weiterbildung „Zertifikatskurs tAPP“ wurde ein Blog  eingerichtet, um einerseits ein partizipatives Angebot zu schaffen und an‐ dererseits Kursergebnisse nachhaltig als Beispiele für Musik‐ und Kultur‐ pädagog*innen verfügbar zu machen. Indem die Inhalte des Blogs sowohl  von  den  Dozent*innen  als  auch  von  den  Kursteilnehmenden  publiziert  wurden,  versammelte  sich  in  der  Folge  eine  große  Bandbreite  an  unter‐ schiedlichen  Inhalten:  darunter  Seminarmaterialien,  Reflexionen  zu  Pra‐ xisprojekten und App‐Vorstellungen. Dabei wurden auf dem Blog unter‐ schiedliche Expertisen sichtbar, die auch die Struktur im Kurs und der Ge‐ meinschaft verändern. Beim Schreiben der Beiträge unterstützten sich die  Teilnehmer*innen  und  Dozierenden  in  einem  kursinternen  Review‐Ver‐ fahren. Die Kriterien wurden in Präsenzphasen kollektiv entwickelt.   Mit jedem Kursdurchgang und mit jeder Phase kamen neue Autor*in‐ nen  dazu  und  es  entstand  eine  große  Anzahl  an  Blogbeiträgen.  Um  die  Sichtbarkeit  von  musikalisch‐kulturellen  Bildungsprojekten,  in  denen  Apps integriert sind, insgesamt zu erhöhen, wurde der Blog ab 2017 als  zentrale Community‐Webseite positioniert.18 Im Zuge dessen wurden ne‐ ben Kursdozent*innen und (ehemaligen) ‐teilnehmer*innen auch externe  Musiker*innen sowie Vertreter*innen von Kultur‐ und Bildungsinstitutio‐ nen eingeladen, ihre entsprechenden Bildungsangebote auf dem Blog zu  präsentieren. Gleichzeitig verbinden sich damit die Ziele, die Vernetzung  zu erleichtern, in Form von Beiträgen diverse Expertisen und Perspektiven  im  Sinne  eines  gemeinsamen  „Wissensspeichers“  (Praxisprojektideen,  Workshop‐Materialien, App‐Empfehlungen etc.) zu versammeln und für  alle Interessierten eine Übersicht (Monitoring) über die vielen Projekten an  unterschiedlichen  Orten  und  in  verschiedenen  Kontexten  anzubieten.                                                              18   Unter der Adresse www.musik‐mit‐apps.de findet sich heute die Webseite vom „Netz‐ werk tAPP – Musik mit Apps in Bildungskontexten“, das deutschlandweit Akteure, die  im Bereich künstlerisch‐kreativer Arbeit mit Musikapps aktiv sind, vereint. 

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Auch nach dem offiziellen Projektende werden Beiträge (Ende 2017 waren  insgesamt 124 Artikel erreichbar) und neue Profile von Akteur*innen ver‐ öffentlicht, die in dem Feld aktiv sind.   Herausforderungen bei der Integration des Blogs in die einzelnen Kurs‐ durchgänge  bestanden  darin,  dass  die  meisten  Teilnehmer*innen  kaum  Erfahrungen im Schreiben von Blogtexten sowie der Produktion von pas‐ senden Videos und Fotos zur Veröffentlichungen im Netz hatten. Darum  wurde  die  Produktion  von  Blogbeiträgen  selbst  Bestandteil  des  Kurses.  Dazu zählten Fragen zu Textaufbau, Suchmaschinenoptimierung bis hin  zu Dateiformaten.   c) BarCamps als Unkonferenz und Plattform für alle  Vor dem Hintergrund der Thematik des vorliegenden Artikels haben sich  BarCamps als vielversprechendes, offenes Lernformat in der Weiterbildung  gezeigt.19 BarCamps sind aus der Tradition von Webforen entstanden. Als  sogenannte  Unkonferenz  wird  im  Gegensatz  zu  konventionellen  Konfe‐ renzen die aktive Aushandlung von Bedeutung durch die Entdifferenzie‐ rung von Vortragenden und Publikum befördert. Ausgehend davon, dass  Wissen nicht an Autoritäten gebunden ist, wird ein Austausch auf Augen‐ höhe angestrebt. Ein weiteres zentrales Moment ist die Wertschätzung von  Diversität und die unterschiedlichen Expertisen der Teilnehmenden.   Die  BarCamps  im  Rahmen  des  „Zertifikatskurses  tAPP“  hatten  das  Thema „Musik mit Apps in Bildungskontexten“. Sie fanden in verschiede‐ nen Präsenzphasen in zwei Durchgängen statt; so entwickelte sich eine ge‐ wisse  Kontinuität.  Zu  diesen  öffentlich angekündigten  und  beworbenen  Veranstaltungen kamen Leute mit diversen Perspektiven und Hintergrün‐ den zusammen und es stand allen Gästen sowie den Kursteilnehmenden  und Dozent*innen frei, eine eigene Session anzubieten. Dabei hatten die  eher spontanen Sessions weniger den Charakter von Wissenspräsentation  im Sinne eines Vortrags als vielmehr den eines offenen Austauschs. Das                                                              19   Eine  ausführliche  Darstellung  zum  Thema  BarCamps  integriert  in  Fort‐  und  Weiterbil‐ dungsangebote  findet  sich  unter:  www.forschungsstelle.appmusik.de/barcamp‐vielver  sprechendes‐kursformat‐fuer‐weiterbildungs‐und‐fortbildungsangebote.  

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Lernen mit‐ und voneinander führte zu neuen Kontakten und kooperati‐ ven Projekten. Wer eine Session vorschlug, beschrieb das Thema für den  Sessionplan und es war jener*m überlassen, ob er*sie etwas zu einer Prob‐ lemstellung präsentieren, eine Diskussion führen wollte oder mit anderen  die  Zeit  nutzen  wollte,  um  gemeinsam  eine  Lösung/Antwort  zu  finden.  Welches Thema aus den parallel stattfindenden Sessions die Teilnehmen‐ den wählten, war ihnen überlassen. Auch wie sie sich in den Sessions ein‐ brachten, war freiwillig. Dies unterstützte das Hineinwachsen.  Die  meisten  Sessions  wurden  von  Kursteilnehmenden  gehostet.  Dies  ermöglichte, ihre eigenen Kompetenzen als Stärken zu reflektieren und zu  präsentieren. Externe brachten ihr Wissen zum Thema aus unterschiedli‐ chen Kontexten, z. B. Theaterpädagogik, Klangkunst und Veranstaltungs‐ technik, ein und verbreiterten den Diskurs. Bei den BarCamps wurde auch  dazu aufgerufen, unter einem bestimmten Hashtag aus den Sessions Ergeb‐ nisse und Diskussionsbeiträge im Social Web zu verbreiten (insbesondere  Twitter und Instagram). Damit sollten in die Diskussionen auch Nichtan‐ wesende einbezogen werden, was überraschend gut gelang und wodurch  wiederum neue Perspektiven für die thematische Auseinandersetzung ge‐ wonnen werden konnten.   Herausforderungen betrafen den Aufwand zur Veranstaltungsorgani‐ sation  und  zur  öffentlichen  Ankündigung  der  BarCamps,  um  möglichst  viele Externe zu gewinnen. Außerdem hatten viele der Gäste keine Erfah‐ rung mit dem gleichberechtigten Prinzip des Austauschs auf Augenhöhe  und waren es nicht gewohnt, sich aktiv einzubringen. 

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Fazit 

Digitalkultur,  der  Bedeutungswandel  von  Wissen  als  Wahrheit  hin  zu  Wissen als Ressource und der Imperativ des Lebenslangen Lernens zählen  zu Merkmalen der aktuellen (Wissens‐)Gesellschaft. Das wirkt sich nicht  nur auf Gestaltungsräume und die Anforderungen der an ihr partizipie‐ renden und miteinander vernetzten Menschen  aus, sondern  hat weitrei‐ chende Konsequenzen für das Bildungssystem. Gefordert sind Aus‐ und  Weiterbildungsformate,  die  gesellschaftsweite  Veränderungen  nicht  nur 

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aufzeigen,  sondern  Menschen  dabei  unterstützen,  nachhaltig  Lernmög‐ lichkeiten zu öffnen und Orientierung in beruflichen Verhältnissen zu fin‐ den, die auf keine lange Tradition blicken oder die es noch gar nicht gibt.   In unserem Artikel wurde in das Konzept der Weiterbildung „Zertifi‐ katskurs tAPP – Musik mit Apps in der Kulturellen Bildung” eingeführt,  das sich konsequent dem Ansatz zur Wissensgenerierung in Gemeinschaf‐ ten verschreibt. Dabei handelt es sich um eine vierphasige Weiterbildung  für Musiker*innen, die für die musikalische Kulturarbeit mit Smarttechno‐ logien qualifiziert  werden sollen.  Zudem  folgt  der Kurs  dem  Anspruch,  nachhaltige  Strukturen  zu  schaffen,  die  ein  Lernen  neben  und  nach  der  Weiterbildung im Sinne einer Wissensgemeinschaft ermöglicht.  Ein definiertes Ende der Kompetenzentwicklung gibt es hinsichtlich der  freiwilligen Mitgliedschaft  in  einer Wissensgemeinschaft  nicht. Mit  dem  Abschlusszertifikat erhielten die Teilnehmenden eine Würdigung und ei‐ nen formalen Beleg ihrer im Kurs erbrachten Leistungen. Darüber hinaus  kann die Wissensgenerierung auf der im Kurs erarbeiteten Infrastruktur  jederzeit weitergeführt und auch auf neue Ziele hin ausgerichtet werden.20  Aber  Veränderungen  gehen  nicht  nur  aufseiten  der  Kursteilnehmen‐ den im Rahmen ihrer Möglichkeiten damit einher, als „Einsteiger*innen“  an der Praxis teilzunehmen. Vielmehr verändert sich mit ihnen als „Neue“  die gesamte soziale Praxis. Wird innerhalb eines didaktischen Designs die  Teilhabe an Wissensgemeinschaften angestrebt, so besteht daher nicht al‐ lein die besondere Herausforderung, Praxen teilhabenden Lernens mit in‐ stitutionalisierten  Formen  des  Lernens  in  Beziehung  zu  bringen  (vgl.  Bliss/Johanning/Schicke 2006: 13). Auch sollte die Weiterbildungsinstitu‐ tion selbst Teil der Wissensgemeinschaft sein, für die sie zu qualifizieren  anpeilt. Hierin bieten sich zugleich Gelegenheiten des Lernens der Weiter‐ bildungsinstitution, denn auch sie kann sich auf diese Weise effektiv weiter‐ entwickeln:  Es  kann  von  einer  Praxis  gemeinsamen  Lernens  gesprochen  werden, in der sowohl die Kursleitenden als auch die Teilnehmenden ge‐ meinsam  immer  weiterlernen.  Vor  diesem  Hintergrund  bieten  sich                                                              20   Im Nachgang an diese Ausführungen gilt es, ähnliche Weiterbildungen, die sich konse‐ quent öffnen, im Rahmen formativer und summativer Evaluation zu erforschen, um zu  ergründen, wie es ihnen gelingt, an Wissensgemeinschaften anzuschließen. 

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Matthias Krebs und Marc Godau

einerseits  Wissensgemeinschaften  den  Weiterbildungsinstitutionen  als  Entwicklungsmöglichkeit an. Andererseits gilt es auf gesellschaftliche Ent‐ wicklungen zu  reagieren  und  Mittel  und  Wege zu finden,  um  passende  Gemeinschaften zu identifizieren und sich kontinuierlich zu engagieren,  um relevant zu bleiben. Die Integration digitaler Technologien spielt bei  diesen Gemeinschaftsprozessen eine entscheidende Rolle. 

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Weiterbildung in der Digitalen Gesellschaft 

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2   

Handlungsfeldbezogene   Weiterbildungen 



„aesthȱpaideia“1ȱ–ȱȱ EineȱdialogischȬforschendeȱWeiterbildungȱȱ ȱ ZurȱProfessionalisierungȱvonȱKunstȬȱundȱȱ KulturschaffendenȱfürȱdieȱKulturelleȱBildungȱȱ inȱderȱfrühenȱKindheitȱȱ ȱ MarionȱKußmaulȱ ȱ ȱ ȱ ȱ

1.ȱ

ZurȱerstenȱOrientierungȱ

ImȱVorfeldȱseiȱbemerkt,ȱdassȱdasȱForschungsprojektȱ„aesthȱpaideia“ȱeineȱ Professionalisierungȱ derȱ KunstȬȱ undȱ Kulturschaffendenȱ (folgendȱ KünstȬ ler*innenȱ genannt)ȱ fürȱ dieȱ Kulturelleȱ Bildungȱ inȱ derȱ frühenȱ Kindheitȱ inȱ VerbindungȱundȱinȱforschenderȱZusammenarbeitȱmitȱPädagog*innenȱvorȬ sieht.ȱ Dasȱ findetȱ seineȱ Begründungȱ aufȱ verschiedenenȱ Ebenen.ȱ „aesthȱȱ paideia“ȱgehtȱbeispielsweiseȱgrundsätzlichȱnichtȱvonȱeinemȱLehrbildȱderȱ Absolutsetzungȱ vonȱ Inhaltenȱ undȱ derȱ Deutungshoheitȱ seitensȱ derȱ DoȬ zent*innenȱaus;ȱd.ȱh.,ȱwenngleichȱbeideȱDozent*innenȱeineȱprofessionelleȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱȱ „aesthȱpaideia“ȱistȱeinȱForschungsprojektȱderȱAliceȱSalomonȱHochschuleȱ(ASH)ȱBerlinȱ undȱverstehtȱsichȱalsȱeineȱdialogischȬforschendeȱWeiterbildungsentwicklungȱzurȱProfesȬ sionalisierungȱvonȱKunstȬȱundȱKulturschaffendenȱfürȱdieȱKulturelleȱBildungȱinȱderȱfrüȬ henȱKindheitȱinȱZusammenarbeitȱmitȱPädagog*innen.ȱDasȱProjektȱwirdȱvonȱMarionȱKußȬ maulȱ undȱ Christianȱ Widdascheckȱ gemeinsamȱ geleitet.ȱ Dieȱ wissenschaftlicheȱ Expertiseȱ zurȱinhaltlichenȱKonzeptionȱundȱDidaktikȱderȱWeiterbildungȱwurdeȱvonȱMarionȱKußȬ maulȱ‚eingebrachtȱundȱmaßgeblichȱverantwortet.ȱSieȱistȱdaherȱdieȱalleinigeȱAutorinȱdesȱ vorliegendenȱBeitrags.ȱDerȱvorliegendeȱBeitragȱ„‚aesthȱpaideia‘ȱ–ȱ EineȱdialogischȬforȬ schendeȱ Weiterbildungsentwicklung“ȱ fandȱ in:ȱ Kettel,ȱ Joachimȱ (Hg.)ȱ (2017):ȱ MisȬ sing_LINKȱ 2016.ȱ Übergangsformenȱ vonȱ Kunstȱ undȱ Pädagogikȱ inȱ derȱ Kulturellenȱ BilȬ dung.ȱKünstlerischeȱKunstpädagogikȱimȱKontext.ȱOberhausen,ȱS.ȱ393Ȭ415,ȱseineȱErstverȬ öffentlichung.ȱ

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Keuchel und B. Werker (Hrsg.), Künstlerisch-pädagogische Weiterbildungen für Kunst- und Kulturschaffende, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20711-3_7

ȱ

MarionȱKußmaulȱ

ExpertiseȱinȱdenȱKünstenȱsowieȱinȱderȱPädagogikȱaufweisen,ȱsoȱsehenȱsieȱ sichȱ nichtȱ alsȱ dieȱ einzigȱ relevantenȱ InhaltsȬȱ undȱ Verfahrensgeber*innen,ȱ sondernȱlegenȱaufȱdasȱPraxisȬȱundȱTheoriewissenȱderȱTeilnehmendenȱbeiȬ derȱProfessionen,ȱderȱKünstler*innenȱsowieȱPädagog*innen,ȱWert.ȱFolglichȱ istȱ dasȱ Forschungsprojektȱ zurȱ Entwicklungȱ einerȱ Weiterbildungȱ dialoȬ gischȬforschendȱinȱWechselbeziehungȱzuȱdenȱExpertisenȱderȱKünstler*inȬ nenȱ undȱ Pädagog*innenȱ angelegt.ȱ Denȱ Künstler*innenȱ vermittelnȱ sichȱ dadurchȱpädagogischȱrelevanteȱParadigmenȱfürȱdieȱUmsetzungȱkulturelȬ lerȱ Bildungsarbeitȱ mitȱ jungenȱ Kindernȱ nichtȱ alleinȱ diskursivȱ bestimmtȱ durchȱdieȱDozent*innen,ȱsondernȱvorȱallemȱauchȱüberȱdieȱdifferentenȱPäȬ dagogikkonzepteȱderȱeinzelnenȱKindertageseinrichtungenȱ(Kitas)ȱundȱdasȱ PraxiswissenȱderȱjeweiligenȱPädagog*innen,ȱdieȱanȱderȱWeiterbildungȱteilȬ haben.ȱ Gleichesȱ giltȱ umgekehrt.ȱ Dieȱ Pädagog*innenȱ lernen,ȱ durchȱ dieȱȱ gemeinsameȱ Weiterbildungȱ praxisȬtheorieȬverknüpftȱ dieȱ Bedeutungȱ desȱ genuinenȱWissensȱderȱKünsteȱundȱkünstlerischeȱVerfahrensweisenȱfürȱdieȱ BildungȱinȱderȱfrühenȱKindheitȱeinzuschätzen.ȱInȱdemȱZusammenhangȱistȱ dieȱ Erhebungȱ desȱ Movensȱ derȱ ästhetischȬkünstlerischenȱ VerfahrensforȬ menȱseitensȱderȱKünstler*innenȱsowieȱdieȱErhebungȱdesȱHandlungsȬȱundȱ BildungswissensȱderȱPädagog*innenȱinȱderȱ„ÄsthetischenȱPraxis“ȱalsȱbeȬ deutsamerȱBezugspunktȱderȱWeiterbildungsdidaktikȱzuȱsehen.ȱȱ Desȱ Weiterenȱ strebtȱ „aesthȱ paideia“ȱ eineȱ Qualifizierungȱ derȱ KünstȬ ler*innenȱsowieȱderȱPädagog*innenȱzurȱKulturellenȱBildungȱinȱAnerkenȬ nungȱihrerȱjeweiligenȱprofessionellenȱVerortungenȱdeswegenȱan,ȱweilȱsieȱ eineȱprofessionelleȱZusammenarbeitȱbeiderȱmitdenkt.ȱDiesesȱBildungszielȱ mitzuverfolgen,ȱbegründetȱsichȱu.ȱa.ȱinȱderȱErkenntnis,ȱdassȱjungeȱKinderȱ inȱ ihrenȱ Bildungsbemühungenȱ derȱ Fürsorgeȱ undȱ einerȱ kontinuierlichenȱ Beziehungȱ (vgl.ȱ Dreierȱ 2012)ȱ bedürfen.ȱ Einemȱ nachhaltigenȱ BildungsanȬ spruchȱfolgend,ȱimpliziertȱdiesȱeineȱKulturelleȱBildungȱinȱderȱfrühenȱKindȬ heit,ȱdieȱnichtȱvorrangigȱeinȱsepariertesȱProjektȱdenkt,ȱdasȱalleinȱdurchȱdieȱ Künstler*innenȱerbrachtȱwird,ȱsondernȱeineȱlängerfristigȱangelegteȱProjektȬ arbeitȱ inȱ professionellerȱ gegenstandsbezogenerȱ Zusammenarbeitȱ vonȱ Künstler*innenȱundȱPädagog*innenȱwünscht.ȱȱ UndȱletztlichȱliegtȱderȱAnstoß,ȱbeideȱBerufsgruppenȱgleichermaßenȱanȱ derȱWeiterbildungȱpartizipierenȱzuȱlassen,ȱinȱderȱleitendenȱHypotheseȱvonȱ

„aesthȱpaideia“ȱ

ȱ

ȱ

„aesthȱ paideia“,ȱ dassȱ esȱ eineȱ bildungstheoretischȱ relevanteȱ ScharnierȬ stelleȱ zwischenȱ denȱ Verfahrensweisenȱ derȱ Künste,ȱ imȱ Speziellenȱ denȱ zeitgenössischenȱKünsten,ȱundȱdenȱBildungsweisenȱdesȱKindesȱgibt.ȱDieȬ serȱhypothetischeȱGrundgedankeȱbildetȱzugleichȱgenerellȱdasȱzentraleȱinȬ haltlicheȱMovensȱvonȱ„aesthȱpaideia“.ȱErȱinduziertȱeineȱWeiterbildungsdiȬ daktikȱzurȱKulturellenȱBildung,ȱdieȱkeineȱPädagogisierungȱderȱKünsteȱsoȬ wieȱ keineȱ ausschließlichȱ diskursiveȱ oderȱ additiveȱ Bildungserweiterungȱ derȱ Künstler*innenȱ umȱ dasȱ pädagogischeȱ KnowȬhowȱ verfolgt,ȱ sondernȱ denȱBerührungspunktȱderȱexistenziellenȱDimensionȱdesȱÄsthetischenȱpraȬ xisȬtheorieȬreflexivȱinȱAnspruchȱnimmt.ȱInȱVerbindungȱdazuȱistȱimȱSinneȱ einesȱ Brückenschlagsȱ zwischenȱ Kunstȱ undȱ Pädagogikȱ auchȱ dieȱ BezugȬ nahmeȱaufȱdasȱKonzeptȱ„ÄsthetischeȱForschung“ȱnachȱHelgaȱKämpfȬJanȬ senȱzuȱsehen.ȱEsȱbildetȱalsȱImpulsgeberȱdenȱKernȱundȱdenȱOrientierungsȬ rahmenȱderȱVermittlungspraxisȱderȱWeiterbildungȱ„aesthȱpaideia“.ȱ FolgendȱmöchteȱichȱdasȱForschungsprojektȱ„aesthȱpaideia“ȱinȱBerückȬ sichtigungȱderȱsoebenȱdargelegtenȱPositionȱvorstellen.ȱZuȱBeginnȱwerdeȱ ichȱinȱ dieȱgrundlegendenȱ inhaltlichenȱParameterȱ derȱ Weiterbildungȱ einȬ führen.ȱInȱdemȱZusammenhangȱgeheȱichȱinȱAnbetrachtȱderȱzentralenȱHyȬ potheseȱ „aesthȱ paideias“ȱ undȱ damitȱ einhergehendȱ derȱ „aesthȬpaideia“Ȭ Annahmeȱaus,ȱdassȱsichȱdieȱAnfänglichkeitȱ–ȱundȱdamitȱdasȱWieȱdesȱkindȬ lichenȱBildungshandelnsȱinȱderȱAisthesisȱverortenȱundȱebensoȱdasȱÄstheȬ tischeȱundȱdieȱKünsteȱsichȱdortȱentfaltenȱ–ȱkurzȱaufȱdieȱAisthesisȱein.ȱDaranȱ anknüpfendȱ werdeȱ ichȱ dasȱ Konzeptȱ „Ästhetischeȱ Forschung“ȱ (KämpfȬȱ Jansenȱ2001)ȱinȱseinenȱKerndimensionenȱundȱRelevanzenȱfürȱdieȱVermittȬ lungspraxisȱerläuternȱundȱdieȱ„Graphie“ȱ(Sabischȱ2007)ȱ–ȱalsȱKnotenpunktȱ inȱdemȱKonzeptȱ–,ȱinȱihrerȱBedeutungȱfürȱdieȱErkenntnisȬȱundȱBildungsȬ bewegungȱ imȱ Kontextȱ derȱ angestrebtenȱ Qualifizierungȱ verdeutlichen.ȱ Schließlichȱerkläreȱichȱzusammenfassend,ȱinȱBezugnahmeȱaufȱeineȱGrafikȱ zumȱKonzeptȱ„ÄsthetischeȱForschung“,ȱdieȱWirkweisenȱdesȱZusammenȬ spielsȱvonȱdemȱKonzeptȱ„ÄsthetischeȱForschung“ȱundȱderȱ„Graphie“.ȱFolȬ gend,ȱ imȱ Anschlussȱ anȱ einenȱ strukturellenȱ Überblickȱ derȱ Weiterbildungȱ „aesthȱ paideia“,ȱ geheȱ ichȱ chronologischȱ insbesondereȱ aufȱ dieȱ WeiterbilȬ dungsphaseȱIȱinȱihrenȱtheoretischenȱsowieȱpraktischenȱSetzungenȱundȱdieȱ sichȱ daranȱ anschließendenȱ BildungsȬȱ undȱ Erkenntnisbezügeȱ imȱ Kontextȱ

ȱ

MarionȱKußmaulȱ

desȱ Qualifizierungszielsȱ ein.ȱ Dieȱ zweiteȱ Weiterbildungsphaseȱ wirdȱ vorȱ demȱHintergrundȱnurȱkurzȱbeschrieben.ȱInȱmanchenȱBezugsfeldernȱsetzeȱ ichȱzurȱbesserenȱAnschaulichkeitȱFotosȱein,ȱdaȱsieȱerkenntniserweiterndȱäsȬ thetischeȱErfahrungszusammenhängeȱaufzeigenȱkönnen.ȱUndȱabschließendȱ nehmeȱichȱnochmalsȱinȱBegründungȱdesȱdialogischȬforschendenȱBildungsȬ ansatzes,ȱderȱdieȱKünstler*innenȱsowieȱdieȱPädagog*innenȱinȱihrerȱProfesȬ sionȱberücksichtigt,ȱzusammenfassendȱBezugȱaufȱdieȱSpezifikȱderȱWeiterȬ bildungsdidaktikȱvonȱ„aesthȱpaideia“.ȱȱ

2.

InhaltlicheȱGrundlegungȱderȱȱ Weiterbildungskonzeptionȱ„aesthȱpaideia“ȱ

Dieȱ Schlüsselpositionȱ derȱ Weiterbildungsdidaktikȱ vonȱ „aesthȱ paideia“ȱ liegtȱinȱderȱKorrespondenzȱkindlicherȱWahrnehmungsȬ,ȱHandlungsȬȱundȱ BildungsweisenȱzuȱdenȱVerfahrensweisenȱderȱKünste,ȱvorȱallemȱderȱzeitȬ genössischenȱ Künsteȱ undȱ zurȱ Dimensionȱ desȱ Ästhetischen.ȱ Ausgehendȱ undȱ bezugnehmendȱ aufȱ dieȱ Besonderheitȱ kindlichenȱ Bildungshandelns,ȱ dasȱ ästhetischȱ motiviert,ȱ multiȬȱ undȱ transmodalȱ organisiertȱ istȱ undȱ sichȱ performativȱimȱModusȱvonȱSpielȱalsȱeinȱspezifischerȱUmgangȱmitȱWirkȬ lichkeitȱzeigt,ȱstehtȱdasȱWieȱästhetischȬkünstlerischerȱZugangsweisenȱundȱ ihrȱspezifischerȱEigensinnȱanȱErkenntnispraxisȱimȱZentrumȱderȱProfessioȬ nalisierung.ȱ

2.1ȱ

Aisthesisȱ–ȱWurzelȱvorreflexiverȱErkenntniswegeȱ

VorȱdemȱHintergrundȱderȱinhaltlichenȱGrundideeȱgiltȱes,ȱdenȱUrsprungsȬ ortȱdesȱÄsthetischen,ȱdieȱAisthesis,ȱfürȱeineȱKulturelleȱBildungȱinȱdenȱBlickȱ zuȱnehmen.ȱMitȱGertȱSelleȱ(1998)ȱwerdenȱwirȱdaraufȱverwiesen,ȱdassȱäsȬ thetischeȱ Bildungsprozesseȱ mitȱ einerȱ sinnlichenȱ Empfindung,ȱ dieȱ inȱ dieȱ AufmerksamkeitȱeinesȱSubjektsȱtritt,ȱbeginnen.ȱEmpfindungȱistȱgedeutetȱ alsȱetwas,ȱdasȱnochȱkeineȱIdentifikationȱinȱsichȱträgt,ȱetwas,ȱdasȱvorȱeinerȱ reflexivenȱWahrnehmungȱentspringt.ȱSieȱbildetȱSelleȱzufolgeȱdieȱBasis,ȱaufȱ derȱimȱZusammenspielȱderȱSinneȱüberȱkomplexeȱWahrnehmungsprozesseȱ sinnbildendeȱ Gestaltungsbewegungenȱ angestoßenȱ werden.ȱ Dieseȱ

„aesthȱpaideia“ȱ

ȱ

ȱ

Sichtweiseȱ weistȱ Parallelenȱ zuȱ derȱ phänomenologischenȱ BetrachtungsȬ weiseȱ auf,ȱ dieȱ inȱ derȱ anthropologischenȱ Bedingtheitȱ desȱ leibsinnlichenȱ ZurȬWeltȬSeinsȱ(MerleauȬPontyȱ1974)ȱeinȱgestaltendȬreflexivesȱVerhältnisȱ desȱ Menschenȱ zurȱ Weltȱ begründetȱ siehtȱ undȱ eineȱ sinnlicheȱ ErkenntnisȬ weise,ȱwieȱsieȱAlexanderȱGottliebȱBaumgartenȱinȱseinerȱ„Aesthetica“ȱaufȬ nimmt,ȱberücksichtigt.ȱUnterȱdieserȱPerspektiveȱwirdȱfürȱdenȱDiskursȱeiȬ nerȱästhetischȬkünstlerischenȱBildungspraxisȱdieȱBedeutungȱpräsentativȬ leiblicherȱWahrnehmungsȬȱundȱArtikulationsweisenȱvirulent,ȱdieȱesȱgilt,ȱ fürȱdieȱBildungȱimȱAllgemeinenȱundȱinsbesondereȱfürȱdieȱKulturelleȱBilȬ dungȱinȱderȱfrühenȱKindheitȱzuȱreflektieren.ȱAisthesisȱalsȱWurzelȱderȱäsȬ thetischenȱErfahrungȱundȱderȱKünsteȱbildetȱfürȱ„aesthȱpaideia“ȱdaherȱexȬ plizitȱ dieȱ Anknüpfungsstelle,ȱ anȱ derȱ sichȱ sowohlȱ dieȱ kindlichenȱ HandȬ lungsweisenȱ alsȱ auchȱ dieȱ künstlerischenȱ Verfahrensweisenȱ kreuzenȱ undȱ dasȱKonzeptȱderȱ„ÄsthetischenȱForschung“ȱdazuȱdieȱVerbindungȱzuȱeinerȱ ästhetischȬkünstlerischenȱDidaktikȱderȱfrühenȱKindheitȱschlägt.ȱȱ

2.2ȱȱ DasȱKonzeptȱ„ÄsthetischeȱForschung“ȱȱ Dasȱ Konzeptȱ „Ästhetischeȱ Forschung“ȱ verstehtȱ sichȱ alsȱ einȱ dialogischesȱ Verfahrensprinzipȱ „forschendenȱ Lernens“ȱ zwischenȱ Alltag,ȱ Kunstȱ undȱ Wissenschaft.ȱMitȱdemȱBegriffȱdesȱÄsthetischenȱnimmtȱKämpfȬJansenȱinȱihȬ remȱForschungskonzeptȱdenȱspezifischenȱModusȱleibsinnlicherȱZugangsȬȱ undȱErkenntnisweisenȱauf,ȱdieȱdasȱEmpfinden,ȱemotionaleȱDispositionenȱ undȱ assoziativeȱ Vorgehensweisenȱ berücksichtigen.ȱ Dasȱ gesamteȱ ForȬ schungsprinzipȱbestimmtȱsichȱsubjektorientiertȱundȱgibtȱüberȱdieȱIntegraȬ tionȱsubjektiverȱAnteileȱimȱForschungsprozessȱbewusstȱindividuellenȱFraȬ gengenerierungenȱ zuȱ einerȱ Sache,ȱ inȱ Formȱ beziehungsstiftenderȱ SinnsuȬ che,ȱRaum.ȱȱ Dieȱ Vernetzungȱ vonȱ vorwissenschaftlichen,ȱ künstlerischenȱ undȱ wisȬ senschaftlichenȱVerfahrensweisenȱzeigtȱzudemȱeinenȱperformativenȱundȱ zieldynamischenȱ Verfahrensimpetusȱ desȱ Forschensȱ undȱ darinȱ einenȱ erȬ weitertenȱErkenntnisbegriffȱan.ȱMitȱBezugȱhieraufȱverweistȱKämpfȬJansen,ȱ inȱDifferenzȱzurȱkantischenȱÜberzeugung,ȱaufȱeineȱErkenntnisbildung,ȱdieȱ dasȱ„Andereȱderȱ Vernunft“ȱ inȱseinemȱ ästhetischenȱ Erkenntnisvermögenȱ gleichwertigȱ derȱ diskursivenȱ Erkenntnisweiseȱ berücksichtigt.ȱ Dasȱ heißt,ȱ

ȱ

MarionȱKußmaulȱ

dasȱ Konzeptȱ greift,ȱ nebenȱ derȱ subjektorientiertenȱ Ausrichtungȱ desȱ ForȬ schungsprozesses,ȱimȱSpeziellenȱmitȱdenȱkünstlerischenȱVerfahrensȬȱundȱ BildungsweisenȱundȱderȱdarinȱangelegtenȱsingulärenȱErkenntnispraxisȱbeȬ wusstȱdieȱerweiterndeȱErkenntnisperspektiveȱdesȱÄsthetischenȱauf.ȱDemȱ angeordnet,ȱbegründetȱsichȱinȱderȱVerschränkungȱderȱvielfältigenȱHandȬ lungsȬȱ undȱ Erkenntnisweisenȱ zwischenȱ Alltag,ȱ Kunstȱ undȱ Wissenschaftȱ ebensoȱ dieȱ Inanspruchnahmeȱ einesȱ erweitertenȱ Kunstbegriffs,ȱ wieȱ erȱ inȱ denȱzeitgenössischenȱKünstenȱangezeigtȱist.ȱUnterȱdenȱdiesenȱPrämissenȱ weistȱdasȱKonzeptȱ„ÄsthetischeȱForschung“ȱeineȱIdealisierungȱausschließȬ lichȱ wissenschaftlicherȱ Erkenntnisgewinnungȱ sowieȱ eineȱ eindeutigeȱ ErȬ schließungsrichtungȱvonȱKognitionȱundȱEmotionȱinȱihrerȱHierarchisierungȱ zurückȱundȱwünschtȱdasȱErkenntnisbildȱeinerȱ„subjektivenȱObjektivität“.ȱ ErkenntnisȬȱsowieȱbildungstheoretischȱbedeutsamȱistȱinȱdemȱZusammenȬ hang,ȱ dassȱ sichȱ überȱ dieȱ ästhetischȬforschendeȱ Verfahrensweiseȱ einȱ ErȬ kenntnisprozessȱ zuȱ dreiȱ Seitenȱ hin,ȱ demȱ Selbstȱ (Subjekt),ȱ demȱ GegenȬ standsbereichȱ (Objekt)ȱ sowieȱ derȱ Handlungserfahrungȱ derȱ eigenenȱ ErȬ kenntnisfähigkeitȱimȱSinneȱderȱErhellungȱintersubjektiverȱInterdependenȬ zenȱmotiviert.ȱȱ WasȱistȱunterȱdenȱdreiȱVerfahrensweisenȱundȱStrategienȱ(hierȱanalytischȱ getrennt)ȱzuȱverstehen?ȱ Alltagȱ–ȱvorwissenschaftliche,ȱanȱAlltagserfahrungenȱorientierteȱVerfahrenȱ  fragenderȱundȱentdeckenderȱUmgangȱmitȱDingen,ȱMaterialȱundȱ PhänomenenȱalltäglicherȱErfahrung:ȱSichȬWundern,ȱHinterfraȬ gen,ȱStaunen,ȱleibsinnliches,ȱlangsamesȱErkundenȱ  handelnderȱUmgangȱmitȱDingen:ȱSammeln,ȱOrdnen,ȱArrangieȬ ren,ȱPräsentierenȱ  ästhetischeȱPraktiken:ȱhandwerklicheȱundȱtechnischeȱVerfahren,ȱ Kleben,ȱMontieren,ȱAusschneiden,ȱNähenȱetc.ȱ  FragenȱnachȱdenȱnächstenȱSchritten:ȱOrganisationȱundȱPlanungȱ  BezugnahmeȱzurȱAlltagsbezüglichkeitȱdesȱGegenstandsbereichsȱȱ Kunstȱ–ȱkünstlerischeȱVerfahrenȱundȱKunstkonzepteȱimȱBereichȱaktuellerȱKunstȱ

„aesthȱpaideia“ȱ

ȱ

ȱ

 irritierenderȱundȱunorthodoxerȱUmgangȱmitȱdenȱAlltagsdingenȱ undȱMaterial:ȱerstesȱGewahrwerden,ȱheterogeneȱWahrnehȬ mungskontexteȱ  traditionellȱästhetischȬkünstlerischeȱVerfahren:ȱMalen,ȱFotografieȬ ren,ȱDrucken,ȱexperimentelleȱPraxis,ȱSkizzieren,ȱModellieren,ȱvisuȬ elleȱKonzepteȱ  BezugnahmeȱzuȱdenȱzeitgenössischenȱKünsten,ȱKunstpraxisȱeinȬ zelnerȱKünstler*innenȱ  Objektarrangement,ȱGegenstandsverfremdung,ȱKlangelemente,ȱ Spracheȱ Wissenschaftȱ–ȱwissenschaftlicheȱMethodenȱ  wissenschaftlicheȱHerangehensweisen:ȱBefragen,ȱErforschen,ȱReȬ cherchieren,ȱAnalysieren,ȱKategorisieren,ȱDokumentieren,ȱArchiȬ vieren,ȱKonservieren,ȱPräsentieren,ȱKommentierenȱ  Einordnen,ȱVergleichen,ȱreflexivesȱInȬBeziehungȬSetzenȱallerȱZuȬ gangsweisenȱ  AuseinandersetzungȱmitȱdenȱfürȱdenȱGegenstandsbereichȱreleȬ vantenȱDisziplinenȱ  AufnahmeȱvonȱamȱÄsthetikȬDiskursȱangelehntenȱDisziplinen:ȱ Philosophie,ȱAnthropologie,ȱSozialwissenschaftenȱetc.ȱ  ReflexionȱderȱDifferenzȱvonȱkünstlerischerȱundȱwissenschaftliȬ cherȱHerangehensweiseȱ ȱ NichtȱnurȱinȱderȱVerfahrensweiseȱundȱdenȱdifferentenȱDiskurszugängen,ȱ sondernȱauchȱinȱdemȱWieȱderȱBezugnahmeȱzumȱGegenstandsbereichȱzeiȬ genȱdieȱdreiȱVerfahrensformenȱverschiedeneȱAkzentuierungen,ȱdieȱfürȱdieȱ Erkenntnisweiseȱ undȱ denȱ Forschungshabitusȱ bedeutsamȱ sind.ȱ Währendȱ sichȱ dieȱanȱdemȱ Alltagȱ orientiertenȱ Verfahrenȱzuȱderȱ SacheȱimȱRaumȱinȱ einemȱ sozialenȱ Selbstverständnisȱ bewegen,ȱ d.ȱh.,ȱ dieȱ Weiseȱ derȱ BezugȬ nahmeȱeineȱdurchȱsichȱselbsterklärendeȱist,ȱsetzenȱsichȱdieȱwissenschaftliȬ chenȱsowieȱdieȱkünstlerischenȱVerfahrensformenȱinȱDistanzȱzuȱeinerȱSaȬ che,ȱwobeiȱsichȱdieȱWeiseȱderȱDistanznahmeȱjeȱunterscheidet.ȱDieȱWissenȬ schaftȱ nimmtȱ eineȱ reflexiveȱ Distanzȱ mitȱ demȱ Anspruchȱ einerȱ

ȱ

MarionȱKußmaulȱ

erklärenden,ȱ rationalȬbegrifflichȬlogischenȱ Betrachtungȱ überȱ etwasȱ auf,ȱ währendȱdieȱkünstlerischenȱStrategienȱeineȱreflexiveȱDistanzȱimȱPrinzipȱ derȱ Transformation,ȱ eineȱ Klärungȱ imȱ Raumȱ von,ȱ mitȱ oderȱ inȱ undȱ nichtȱ überȱetwas,ȱinȱAnspruchȱnehmen.ȱȱ ZusammengefasstȱbedeutetȱdasȱKonzeptȱ„ÄsthetischeȱForschung“ȱkeinȱ formalesȱMethodenangebot,ȱsondernȱistȱüberȱdieȱSetzungȱvonȱForschungȱ mitȱheterogenenȱAnteilenȱzwischenȱWahrnehmung,ȱErfahrungȱundȱWisȬ sen,ȱdasȱeinȱkomplexesȱGewebeȱanȱErkenntnistätigkeitȱanregt,ȱalsȱeinȱdyȬ namischȬdialogischesȱHandlungskonzeptȱzuȱverstehen.ȱ

2.3ȱ

Dieȱ„Graphie“ȱȱ

Dieȱ „Graphie“ȱ istȱ eineȱ bildungsbegleitendeȱ prozessualeȱ AufzeichnungsȬȱ undȱDokumentationspraxisȱundȱbildetȱdenȱerkenntnistheoretischenȱKnoȬ tenpunktȱimȱKonzeptȱderȱ„ÄsthetischenȱForschung“.ȱImȱUnterschiedȱzuȱ einerȱreinȱtextuellenȱNiederschriftȱumfasstȱsieȱmedialeȱModiȱwieȱZeichnen,ȱ Malen,ȱ Schreiben,ȱ Kritzeln,ȱ Bilder,ȱ Fotografieren,ȱ Gedichteȱ schreiben,ȱ Skizzenȱherstellenȱetc.ȱAlsȱAufzeichnungspraxis,ȱdieȱjeglicheȱGedankenȬ,ȱ EmotionsȬȱ undȱ Wissensbewegungen,ȱ auchȱ dasȱ ErgriffenȬSeinȱ vonȱ etwasȱ multimedialȱzuȱeinemȱfokussiertenȱGegenstandsbereichȱaufnimmt,ȱimpliȬ ziertȱsieȱeineȱperformativeȱSchreibweise.ȱInȱihremȱEntwurfscharakterȱgibtȱ sieȱ denȱ prozessualen,ȱ diskontinuierlichenȱ Bildungsbewegungenȱ einesȱ MenschenȱRaumȱundȱbedeutetȱgleichsamȱmittelsȱdesȱprozessoffenenȱOsȬ zillierensȱundȱFesthaltensȱeigenerȱGedankenȬȱundȱHandlungsfacettenȱeineȱ ästhetischeȱ Erfahrungsorganisation.ȱ Alsȱ einȱ unaufhörlichȱ bewegterȱ GeȬ dankeneinfallsȬ,ȱ ArtikulationsȬȱ undȱ Reflexionsraumȱ zeigtȱ sichȱ dieȱ „GraȬ phie“ȱselbstȱalsȱeinȱästhetischerȱGestaltungsort,ȱinȱdem,ȱentlangȱderȱSpurenȱ eigenerȱ Aufmerksamkeiten,ȱ neueȱ Erkenntnisrichtungenȱ aufgenommenȱ werdenȱkönnen.ȱDieȱeinzigenȱverbindlichenȱAnhaltspunkteȱinȱderȱ„GraȬ phie“ȱsindȱderȱTagȱundȱdieȱZeitȱalsȱOrientierungsrahmen.ȱDaranȱausgeȬ richtet,ȱermöglichtȱdieȱ„Graphie“ȱimȱNachgangȱalsȱMediumȱderȱReflexion,ȱ denȱ persönlichenȱ Relevanzrahmenȱ eigenerȱ Bildungsprozesseȱ mitȱ Bezugȱ aufȱdenȱgewähltenȱGegenstandsbereichȱzuȱerschließen.ȱZuȱallererstȱistȱsieȱ jedochȱalsȱeineȱPraxisȱderȱReflexionȱmitȱundȱnichtȱüberȱetwasȱzuȱverstehen.ȱ Dieȱ„Graphie“ȱbietetȱsichȱvorȱdemȱHintergrundȱbesondersȱalsȱeinȱMediumȱ

ȱ

„aesthȱpaideia“ȱ

ȱ

imȱRahmenȱ„forschendenȱLernens“ȱan,ȱwieȱesȱmitȱdemȱKonzeptȱ„ÄsthetiȬ schenȱForschung“ȱangezeigtȱist.ȱInȱdemȱFormatȱderȱdoppeltenȱReflexionȱ liegtȱdieȱBesonderheitȱanȱErkenntnisbildung,ȱdieȱimȱästhetischenȱForschen,ȱ ähnlichȱautoethnographischerȱForschungsansätzeȱ(Ellisȱ2004),ȱrelevantȱistȱ undȱimȱRahmenȱunsererȱforschendenȱWeiterbildungȱ„aesthȱpaideia“ȱeineȱ zentraleȱStellungȱeinnimmt.ȱ ȱ

ȱ

ȱȱ

ȱȱ

ȱ

ȱȱ

ȱȱ

ȱ

Abb.ȱ 1:ȱ Auszügeȱ ausȱ einemȱ „GraphieȬWerkstattȬTagebuch“ȱ (Jeanetteȱ Heeneȱ2015)2ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 2ȱȱ SämtlicheȱFotografienȱdiesesȱArtikelsȱstammenȱvonȱMarionȱKußmaul.ȱ

132   2.4 

Marion Kußmaul 

Erläuterungen zur „Ästhetischen Forschung“ in   Verbindung zur „Graphie“ 

Mit der folgenden Grafik wird zum Verständnis des dialogisch‐forschen‐ den Prinzips der Weiterbildungsdidaktik nochmals zusammenfassend in  Verbindung zu der Notationspraxis „Graphie“ dargelegt, wie sich unter  dem  Paradigma  des  Konzepts  „Ästhetische  Forschung“  ein  dynamisch‐ prozessorientierter (Weiter‐)Bildungsprozess (selbst‐)reflexiv zu drei Sei‐ ten hin entwerfen kann (siehe Abb. 2).   

   Abb.  2:  Bildungsbewegung  „Ästhetische  Forschung“  (Marion  Kußmaul  2010)  In der (Fremd‐)Begegnung ereignen sich Empfindungen sowie Wahrneh‐ mungen und merken Erinnerungen und Wissensbruchteile auf, die dem  Selbst  –  wenn  wir  nicht  von  einem  identitätsphilosophischen  Bildungs‐ prinzip ausgehen – eher widerfahren, denn intentional bestimmt sind. Als  nicht identische Erfahrung, die die Paradoxie einer Indifferenz‐Differenz‐ Erfahrung  auslöst,  stößt  sie  die  Erkenntnis‐  und  Sinnsuche  des  Subjekts  an. Die in Gang gesetzte fragende Suchbewegung wird durch die beschrie‐ benen Erkenntnis‐ und Handlungsweisen der drei Bezugsgrößen Alltag, 

„aesth paideia“ 

 

133 

Kunst und Wissenschaft begleitet und weiterbewegt. Das geschieht nicht  in Form einer additiven Abarbeitung, sondern in einer sich im Prozess ge‐ genseitig bewegenden Erkenntniszugkraft, durch die das Subjekt sich an‐ treibt und angetrieben wird, seinen generierten Fragen entlang, jeweils die  relevante Perspektive aufzunehmen. Die prozessuale Aufzeichnungspraxis  „Graphie“ wird dabei zum Dreh‐ und Angelpunkt aller in der Erkenntnis‐ bewegung einfließenden Aspekte, über deren Reflexion im Nachgang die  intersubjektiven  und  medialen  Interdependenzen  in  ein  klärendes  Ver‐ hältnis  hinsichtlich  des  Forschungsprozesses  zur  Sache  als  auch  zum  Selbst  überführt  werden.  Im  Gewahrwerden  und  in  der  Reflexion  der   eigen‐motivierten Erkenntnisgenerierung ermöglicht das Konzept „Ästhe‐ tische  Forschung“  den  Forschenden,  ein  substanzielles  Verständnis  zu  dem Gegenstandsbereich sowie eine autobiografische Recherche in Grenz‐ erweiterung zu sich selbst nahe zu legen, die zugleich eine Reflexion der  historischen, kulturellen und politischen Dimensionen miteinschließt.   Für das Forschungsprojekt „aesth paideia“ bildet das Konzept „Ästhe‐ tische  Forschung“  in  Verzahnung  zur  „Graphie“  den  zentralen  didakti‐ schen Referenzpunkt, über den sich die Weiterbildung dialogisch‐forschend  konstituiert  und  den  Teilnehmer*innen  ermöglicht,  selbst  forschend‐  partizipativ an der Weiterbildung teilnehmen zu können. In diesem Kon‐ text verhilft die „Graphie“ allen Beteiligten, die vielfältigen Aspekte und  Bezugsräume von Theorie und Praxis, prozessual in Verknüpfung zu den  Reformulierungen seitens der Dozent*innen, aufnehmen und die eigenen  (Weiter‐)Bildungsbewegungen sowohl ästhetisch begleitend als nachgän‐ gig reflektierend erhellen zu können. Über die Funktion hinaus, die eigene  Professionalisierung  zur  ästhetisch‐künstlerischen  Praxis  in  der  Bildung  frühe Kindheit konturieren zu können, fungiert sie – wie schon erwähnt –  zugleich als Medium zur Reflexion der Weiterbildung „aesth paideia“.  



Zum strukturellen Aufbau der   Weiterbildungskonzeption „aesth paideia“ 

Die  Weiterbildung  richtet  sich  an  acht  Künstler*innen  sowie  vier  Päda‐ gog*innen und findet in zwei Weiterbildungszyklen – der Weiterbildungs‐

134  

Marion Kußmaul 

phase  I und Weiterbildungsphase  II  – an 17 Veranstaltungstagen,  die  in  der Regel auf zwei aufeinanderfolgende Tage hin konzipiert sind, in einem  Zeitraum  von  zehn  Monaten  statt.  Sie  schließt  zwei  exemplarische  Pra‐ xiserprobungen  an  der  Hochschule  und  eine  längerfristige  Praxispro‐ jektphase in einer Kita (zehn bis zwölf halbe Tage) mit ein. 

3.1 

Weiterbildungsphase I (Aufbau) 

Ästhetische Praxis   

„Ästhetische Praxis I–VI“ / Selbsterfahrung  Erhebung erster didaktischer Implikationen 

Theorie‐Bausteine          

   

das Konzept „Ästhetische Forschung“  die Theorie zur prozessualen Aufzeichnungspraxis „Graphie“  ästhetische Theorien, zeitgenössische Künste – erweiterter Äs‐ thetik‐ und Kunstbegriff  Phänomenologie der Wahrnehmung – Leiblichkeit und Erfah‐ rungskonzepte in der Aisthesis  Wahrnehmungs‐ und Symboltheorien – Besonderheit Symboli‐ sierungshandeln frühe Kindheit  performative Pädagogik – performative Bildungstheorie  ästhetische Erfahrung in der (frühen) Kindheit – kindliche Bil‐ dungsprozesse/Wahrnehmungsdispositionen  pädagogische Konzepte frühe Kindheit (u. a. Bedeutung der Ate‐ lierista im pädagogischen Kita‐Alltag am Beispiel Reggio) und  ihre bildungstheoretischen Begründungslinien  das bildungstheoretische Konzept von Bildung zwischen Soziali‐ sation und Spiel  Beobachtungskonzepte: Wahrnehmende und teilnehmende Be‐ obachtung – teilnehmende Erfahrung   

„aesth paideia“ 

 

135 

Exemplarische Praxistransferentwicklung und ‐umsetzung  

Ableitung didaktisch‐konzeptioneller Relevanzen für die ästhe‐ tisch‐künstlerische und kulturelle Bildungsarbeit mit Kindern 

Kolloquium  

Reflexionsarbeit I: Praxis‐Theorie‐Reflexion Weiterbildungsphase I  

3.2   Weiterbildungsphase II (Aufbau)  Konzeption  und  Durchführung  eines  längerfristigen  Praxisprojekts  in  einer  Kindertagesstätte  Sie beinhaltet folgende Aspekte:   Hospitationen seitens der Künstler*innen in den Einrichtungen  der teilnehmenden Pädagog*innen   Kolloquium zur Konzeptentwicklung   Praxistransfer: Durchführung eines langfristigen Projekts in der  Kita   Zwischenkolloquium nach zwei bis drei Tagen Projektpraxis   Reflexionstag Praxisprojekt in Verschränkung zu Weiterbil‐ dungsphase I: Reflexionsarbeit II, Theorie‐Praxis‐Schnittfläche  der Weiterbildungsphasen I und II, Professionsbild und Bedeu‐ tung der Zusammenarbeit Künstler*innen und Pädagog*innen  im Kontext ästhetisch‐künstlerische und Kulturelle Bildung frühe  Kindheit   Kompendium zur Projektantragskultur und Kontaktdaten zur re‐ gionalen/überregionalen Trägerlandschaft und Projektinitiativen  Kulturelle Bildung, Stiftungen und Kita‐Trägern 

 Gesamtreflexion Weiterbildungsphase I und II 

136  

Marion Kußmaul 



Nähere Erläuterungen zu den Weiterbildungsphasen I  und II von „aesth paideia“ 

4.1 

Zur Verbindung der inhaltlich‐strukturellen Elemente   der Weiterbildung  

Die Weiterbildung „aesth paideia“ erhebt, wie eingangs beschrieben, den  Anspruch  einer  Professionalisierung zur  Kulturellen  Bildung  in  der frü‐ hen Kindheit für die Künstler*innen und im Hinblick auf eine professions‐ übergreifende  Zusammenarbeit  ebenso  für  die  Pädagog*innen.  Der  Ge‐ genstand  der  Weiterbildung  wird  partizipativ‐dialogisch,  in  Verschrän‐ kung zu der „Ästhetischen Praxis“, den verschiedenen Theoriediskursen  (siehe oben) und dem Praxistransfer erhoben und in zwei Reflexionsarbei‐ ten forschend reflektiert und fundiert. Einen bedeutsamen Bestandteil der  Weiterbildungsdidaktik bildet hierzu die dialogisch‐reflexive sowie theo‐ riegeleitete Reformulierung seitens der Dozent*innen, die vorrangig in Be‐ zugnahme auf die „Ästhetische Praxis“ und den offenen Diskussionsforen  erhoben  wird.  Sie  ist  weniger  als  ein  klassisches  Prinzip  der  Feedback‐ schleife zu verstehen, denn als eine – der Bildungsintention der Weiterbil‐ dung folgend – modulierende Erkenntnisführung für die Teilnehmer*in‐ nen zu begreifen. Die Verfahrensweise der Reformulierung zeigt zugleich  den forschenden Impetus der Weiterbildung an, die den forschenden In‐ terferenzraum aller Beteiligten und damit das Fundament einer partizipa‐ tiven Bildung, das ein sozialtechnisches Format von Teilhabe negiert, be‐ rücksichtigt. In Verknüpfung dieses Selbstverständnisses ist zugleich die  inhaltliche sowie strukturelle Verschränkung der Weiterbildungsdidaktik  mit der elementarpädagogischen Vermittlungspraxis zu betrachten.   Eine weitere didaktische Säule der Weiterbildung stellt die exemplari‐ sche Praxiserprobung an der Hochschule und, darauf basierend, eine län‐ gerfristige  Praxisprojektphase  in  der  Kita  dar.  Beide  Praxiserprobungen  werden  praxis‐theorie‐reflexiv  in  Verzahnung  der  anderen  Weiterbil‐ dungselemente  begleitet.  Im  gesamten  Weiterbildungsverlauf  bildet  die  „Graphie“  –  wie  beschrieben  –  den  erkenntnistreibenden  und  leitenden  Referenzrahmen  für  alle  Teilnehmer*innen.  Jede  Weiterbildungsphase 

„aesth paideia“ 

 

137 

findet im Sinne einer Professionalisierungsentwicklung ihren Abschluss in  einer Hausarbeit als Reflexionsarbeit. 

4.2   Weiterbildungsphase I   Die „Ästhetische Praxis“   Der  Weiterbildungsbaustein  „Ästhetische  Praxis“  bildet  in  Bezugnahme  auf das Konzept „Ästhetische Forschung“ und im Anspruch der Grundle‐ gung einer ästhetisch‐performativen Bildungspraxis den Schwerpunkt der  Weiterbildungsphase I. Er verfolgt hauptsächlich drei Intentionen:   Die eine ist, Künstler*innen über die „Ästhetische Praxis“ das Movens  ihrer  künstlerischen  Verfahrensweisen  und  deren  grundlegenden  Merk‐ male,  vor  allem  ihre  elementaren  ästhetischen  Dimensionen  und  Hand‐ lungsprinzipien, selbstwahrnehmend reflexiv erheben zu lassen. Diese In‐ tention  legt  das  Fundament,  erfahrungsgebunden,  in  Verschränkung  zu  theoretischen Perspektiven, erste didaktische Implikationen und Begrün‐ dungslinien in Relevanz für eine aisthetisch begründete Bildungspraxis ab‐ leiten zu können. Eine weitere Intention der „Ästhetischen Praxis“ ist, auf  der Basis der differenten ästhetischen und künstlerischen Handlungspra‐ xen von Künstler*innen und Pädagog*innen, d. h. mit Blick auf die Gren‐ zen  und  Weiten  der  jeweiligen  Handlungsweisen,  eine  Ausdifferenzie‐ rung bildungstheoretischer Indikatoren für eine Kulturelle Bildung in der  Kindheit zu erhalten. Und die dritte Intention ist, das Konzept „Ästheti‐ sche Forschung“ exemplarisch in seinen Impulssetzungen und seiner di‐ daktischen  Brücke  zwischen  Kunst  und  Pädagogik  zu  erfahren.  Dieses  Motiv bildet die Voraussetzung, das Prinzip der ästhetischen Felderkun‐ dung,  den  ästhetisch‐performativen  Handlungsimpetus  sowie  die  dem  Konzept  unterliegende  Erkenntnisbildung  in  ihren  Bedeutungen  für  die  Entwicklung einer kulturellen Bildungspraxis in der frühen Kindheit er‐ fassen zu können.   In der Weiterbildung „aesth paideia“ wird für die „Ästhetische Praxis“  exemplarisch das Material Papier als zu erkundender Gegenstandsbereich  gesetzt, anhand dessen über sechs didaktische Phasen die drei Intentionen  aufgenommen werden. Neben dem Prinzip der Felderkundung wird die 

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Marion Kußmaul 

aisthetisch‐ästhetische Perspektive des Materialzugangs betont, um – wie  in dem Kapitel „Aisthesis – Wurzel vorreflexiver Erkenntniswege“ ange‐ sprochen – für die Grundmotive künstlerischer Verfahrensweisen in Kor‐ respondenz zu  den  kindlichen  Wahrnehmungs‐  und Bildungsweisen  zu  sensibilisieren. Im Laufe der sechs Phasen der „Ästhetischen Praxis“ wer‐ den sukzessiv aufbauend weitere relevante didaktische Valenzen, die sich  in Bezug auf das Konzept „Ästhetische Forschung“ ableiten lassen, erhoben.  Das generelle Anliegen der „Ästhetischen Praxis“ ist somit vordergrün‐ dig, die in der Wahrnehmung sich eröffnenden Erkenntnis‐ und Bildungs‐ prozesse sowie das ästhetisch motivierte Symbolisierungshandeln in und  um Phänomene aufzuschließen, um letztlich in Verbindung zu künstleri‐ schen  Verfahrensweisen  und  ästhetisch‐künstlerischer  Gestaltungskrite‐ rien einen Praxistransfer zur Kulturellen Bildung in der frühen Kindheit  eröffnen zu können.  Folgende  sechs  Phasen  bestimmen  die  „Ästhetische  Praxis“.  Sie  neh‐ men verschiedene didaktische Parameter in den Blick, um im Respekt di‐ daktischer Komplexität einzelne didaktische Wirkaspekte hervorheben zu  können:      das Material Papier   Variationen an Papiermaterial   Erweiterung Wasser, Kohle – Geräte, Werkzeug   Fokus Kunstsparten – Pädagogik/Zusammenarbeit   Papier – Material – Körper – Raum – Bewegung   Bezugnahme Alltag – Wissenschaft    Zu Beginn geht es um die Entfaltung aisthetisch‐ästhetischer Handlungs‐ weisen an nur einer Art Papiermaterial. Diese Vorgehensweise fordert in  Konzentration  ein  Sich‐Einlassen  zu  einer  Einzigartigkeit  und  Eigenheit  einer Sache heraus, um über diese Begegnungsweise die Vielfalt an Phä‐ nomenen derselben und die daran gebundenen Erfahrungsweisen sowie  Bildungswirkungen zu entdecken.  Die Zugabe von weiteren Papierarten ermöglicht in der gleichen Weise  ein erweiterndes Entdecken mannigfaltiger Phänomene um Papier herum 

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und damit vertiefende Einsichten in den Sachgegenstand sowie in die äs‐ thetisch‐künstlerischen Handlungsverfahren damit. Beispielsweise hinter‐ lässt  das  Knüllen  verschiedenartiger  Papiere differente  Spuren und  For‐ men sowie Reaktion beim Loslassen, das wiederum weiteres Handeln an‐ regen kann, je nach Aufmerksamkeitshaltung der*des Handelnden selbst.   Mit dem Hinzufügen von Materialien wie z. B. Zeichenkohle oder Was‐ ser wird ein Medium außerhalb von Papier aufgenommen und zwischen  die unmittelbare Interaktion Mensch zu Papier gelegt. Die darüber diffe‐ renten Handlungsbewegungen zum Papier eröffnen – über die erste und  zweite Praxis hinaus – ebenfalls weitere Erkenntnisverdichtungen. In der  Verhältnisbeziehung  –  wie  etwa  Wasser  zu  Papier,  Papier  zu  Wasser  –  wird  beispielsweise  die  Verwobenheit  von  ästhetischen,  naturwissen‐ schaftlichen und kulturgeschichtlichen Zugängen erfahrbar.   Ähnliches gilt für die zusätzliche Nutzung von Werkzeugen und Gerä‐ ten. Über die Verfahrensweise, ein Medium wie z. B. einen Kopierer oder  einen Fotoapparat einzubeziehen, erwirkt sich eine mediale Reflexion, die  gleichermaßen  erkenntniserweiternde Perspektiven auf  das Material Pa‐ pier und die Handlungen ermöglicht.   Alle vier Praxen eröffnen den Blick auf das Verhältnisgefüge von Ma‐ terial, Körper, Raum und Bewegung, mit dem weiterführend die variable  Wirksamkeit der beteiligten Medien und die Performativität ästhetischen  Bildungshandelns angesprochen und in ihrer Bedeutung für eine ästheti‐ sche Vermittlungspraxis reflektiert wird.  Mit der Zusammenarbeit von zwei Künstler*innen und einer*m Päda‐ gogin*en werden des Weiteren die spartenspezifischen Handlungsweisen  der Künste in ihrem ästhetischen Erfahrungskonzept und die jeweiligen  ästhetischen und künstlerischen Gestaltungskriterien, die den Sparten zu‐ grunde  liegen,  thematisiert.  In  Bezug  auf  die  pädagogische  Perspektive  werden  darauf  aufbauend  sparten‐  und  bildungsbereichsoffene  didakti‐ sche  Größen  für  eine  ästhetisch‐künstlerische  Vermittlungspraxis  in  der  frühen Kindheit herausgearbeitet.   Und letztlich wird im Sinne der ästhetisch‐forschenden Felderkundung  – eingewoben in die „Ästhetische Praxis“ – das Erkenntnisfeld Papier um  die  vorwissenschaftliche  und  wissenschaftliche  Verfahrensweisen  er‐

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weitert, um ebenso hierüber Impulse für eine prozessuale Didaktik Kultu‐ reller Bildung in der frühen Kindheit zu erhalten.   Mit der sukzessiven Einführung der verschiedenen Elemente durch die  sechs Phasen der „Ästhetischen Praxis“ wird der Anspruch erhoben – über  die einzelnen konturierten Perspektiven hinaus – für die Komplexität di‐ daktischer Valenzen, die in einem Bildungsprozess virulent sind, zu sen‐ sibilisieren und diese für eine Kulturelle Bildung in der frühen Kindheit  zu bedenken. 

  

  

 

Abb. 3: Nur ein Papier …  

     Abb. 4: Verschiedene Papierarten – Handlungsformen und ‐spuren      

 

 

 

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Abb. 5: Handlungsweisen mit verschiedenen Papierarten im Raum 

   Abb. 6: Papier, Raum und Bewegung  

  

   

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Abb. 7: Papier mit weiterem Material: Kohlestifte und Wasser  Die in der „Ästhetischen Praxis“ dargelegten ästhetisch‐forschenden Feld‐ erkundungen zum Material Papier und die darauf fußende praxis‐theorie‐ reflexive  Entfaltung  von  didaktischen  Implikationen  bilden  in  Bezug‐ nahme auf das kindliche Bildungshandeln, das sich wesentlich an der Le‐ benswelt und an ihren Phänomenen orientiert, die Grundlage, um ein äs‐ thetisch‐künstlerisches  Bildungsfeld  entwerfen  zu  können.  Hierbei  kön‐ nen von den Künstler*innen sowie den Pädagog*innen die Valenzen von  Material, Ort, Raum, Atmosphäre, Bewegungen, Farbe, Licht, Interaktion  sowie die Materialanordnungen im Raum, die Menge und Art und Weise  der Inszenierung und die Impulsbewegungen und ‐setzungen, die sowohl  gestaltet  inszeniert als  auch  im  Prozess  dialogisch  antwortend  sein kön‐ nen, bewusst als didaktische Größen berücksichtigt werden. Desgleichen  ist es ihnen möglich, die didaktischen Parameter wie Prozess‐ und Ereig‐ nisorientierung, Instruktion und Offenheit, Intention und Erkenntnisraum 

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Spiel, welche ebenso über die „Ästhetische Praxis“ erhoben wurden, für  den Praxistransfer Kultureller Bildung und die Bildungsfeldentwicklung  zu bedenken.   Mit  dem  zentralen  Weiterbildungsbaustein  der  Ästhetischen  Praxis  werden die „aesth‐paideia“‐Künstler*innen und ‐Pädagog*innen in An‐ erkennung  eines  aisthetisch‐leibsinnlichen  Erkundens  wieder  an  den  Ausgangspunkt  ästhetischer  Erfahrungen,  die  Aisthesis  in  ihrem  Pathos  (Wadenfels  2002)  geführt.  Im  Gewahrwerden  anfänglicher  Wahrneh‐ mungs‐  und  Gestaltungsbewegungen  erkennen  die  Beteiligten  den  exis‐ tenziell  konstitutiven  Ursprungsraum  ästhetisch‐künstlerischer  Bildung  in der frühen Kindheit. Und, aufbauend auf den erhobenen didaktischen  Größen, sind im Speziellen die Künstler*innen aufgrund ihrer künstleri‐ schen  Expertise  dann  –  in  Verbindung  mit  pädagogischen  Ansprüchen  und theoretischer Begründungsführung – in der Lage, ästhetisch‐künstle‐ rische Projekte der Kulturellen Bildung in der Kita zu konzeptionieren und  umzusetzen.   Theorie‐Einbindung – Theorie‐Praxis‐Reflexion   Zu Beginn werden die Teilnehmer*innen theoretisch in das Konzept „Äs‐ thetische Forschung“ und die prozessuale Aufzeichnungspraxis „Graphie“  eingeführt. Ansonsten werden alle unter der Weiterbildungsphase I auf‐ genommenen Theoriebausteine sukzessive in Verbindung zu den Refor‐ mulierungen aus der „Ästhetischen Praxis“ und den Diskussionsforen so‐ wie in Form eines interaktiven Vortrags eingeführt. Auf alle Theorieele‐ mente im Einzelnen inhaltlich näher einzugehen, würde hier den Rahmen  sprengen.  Ich  gehe  davon  aus,  dass  ihre  Relevanzen  aus  dem  gesamten  inhaltlichen Anspruch heraus verstehbar werden. Daher nur kurz: Die äs‐ thetischen  Theorien,  der  Blick  auf  die  zeitgenössischen  Künste  und  den  erweiterten  Kunstbegriff  sowie  die  phänomenologischen  Perspektiven  werden  in  Korrespondenz  zum  Konzept  „Ästhetische  Forschung“  und  dem  kindlichen  Bildungshandeln  aufgenommen  und  führen  zugleich  in  das Verständnis grundlegender Bildungsparameter des Ästhetischen ein.  Erweiternd  finden  Theorien  zur  Wahrnehmung,  zur  ästhetischen  Erfah‐ rung sowie zum Symbolisierungshandeln in der frühen Kindheit und zu 

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Symboltheorien im Allgemeinen ihren Eingang und werden in Relevanz  zum Praxistransfer bedacht. Des Weiteren wird der Fokus auf den Gegen‐ stand einer performativen Bildungstheorie und Pädagogik gelegt, und da‐ ran angebunden auf die didaktischen Valenzen – wie oben genannt – so‐ wie  auf  den  ästhetisch‐performativen  Handlungsmodus  für  eine  kultu‐ relle Bildungspraxis in der Elementarpädagogik.   Mit der Einführung in aktuelle Bildungskonzepte der Frühpädagogik  und die ihnen unterliegenden differenten bildungstheoretischen Begrün‐ dungslinien werden nochmals die Möglichkeiten und die Grenzen sowie  die Relevanzen ästhetisch‐künstlerischer Verfahrensweisen in der frühen  Kindheit markiert. Vor dem Hintergrund wird das Konzept „Ästhetische  Forschung“ in seiner didaktischen Impulssetzung sowie das Professions‐ bild  der  Künstler*innen  validiert,  um  hiernach  fundiert  konzeptionelle  Grundfiguren für einen Praxistransfer entwickeln zu können. Von dieser  Seite her erhält auch der bildungstheoretische Blick auf das Beziehungs‐ verhältnis Sozialisation und Spiel seine Bedeutung. Die Einführung in Be‐ obachtungskonzepte wie das „wahrnehmende Beobachten“ (Schäfer 2011)  und die „teilnehmende Erfahrung“ (Beekman 1987) begründet sich in der  Anforderung,  dialogisch‐sensibel‐reflexiv  auf  das  Handeln  der  Kinder  antworten sowie übergreifend eine Praxis‐Theorie‐Reflexion für die Kon‐ zeptionsentwicklungen aufnehmen zu können.   Exemplarischer Praxistransfer an der Hochschule  Innerhalb der ersten Weiterbildungsphase wird zum Ende hin ein weiteres  Qualifizierungselement,  ein  exemplarischer  Praxistransfer,  der  in  zwei  halbtägige  Praxiseinheiten  eingeteilt  ist,  aufgenommen.  Im  Schutzraum  der Hochschule entwickeln exemplarisch vorerst ausschließlich die Künst‐ ler*innen auf der Grundlage ihrer gewonnenen Erkenntnisse für die Kin‐ der aus den Kitas der teilnehmenden Pädagog*innen ein ästhetisch‐künst‐ lerisches  Bildungsfeld.  Die  Pädagog*innen  nehmen  an  dieser  Stelle  eine  Beobachtungsfunktion  ein.  Anhand  der  wahrnehmenden  Beobachtung  und den in der Weiterbildung entwickelten Beobachtungskriterien sich‐ ten die Pädagog*innen den gesamten exemplarischen Praxisverlauf. Die  Künstler*innen selbst greifen vor allem in Relevanz für die zu setzenden 

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Handlungsimpulse  im  Feld,  aber  auch  für  eine  Reflexion  im  Nachgang,  das  Beobachtungsverfahren  der  „teilnehmenden  Erfahrung“  nach  Ton  Beekman auf.   Auf der Grundlage der ästhetisch‐forschenden Felderkundung zu ei‐ nem  gewählten  Gegenstandsbereich,  ähnlich  der  „Ästhetischen  Praxis“  zum Papier, entwerfen die Künstler*innen nun einen ästhetischen Erfah‐ rungsraum  als  Bildungsfeld.  Den  Künstler*innen  ist  es  freigestellt,  wel‐ chen  Gegenstand  sie  wählen.  Sinnvollerweise  ist  es  ein  Thema,  das  sich  aus der Felderkundung zum Material Papier herauskristallisiert hat, wie  beispielsweise  das  Fliegen,  Licht‐Schatten‐Spiele  oder  das  Bauen  im  Raum. Die Entwicklung eines ästhetisch‐künstlerischen Bildungsfelds im‐ pliziert eine ästhetisch‐performative Vermittlungspraxis und fordert einen  adäquaten bildungsbegleitenden Dialog an Impulssetzungen heraus. Die  Felderkundung  über  das  Konzept  „Ästhetische  Forschung“  ermöglicht  den Künstler*innen im Interesse der Kinder professionell eine ästhetisch‐ dialogische Kommunikation in Bezug auf den Gegenstandsbereich verfol‐ gen und Kindern zu einer Ausdifferenzierung ästhetischer Erkenntniswei‐ sen verhelfen zu können. Unter der Voraussetzung ist es den Künstler*in‐ nen dann möglich, sich – wie für eine Kulturelle Bildung in der Elemen‐ tarpädagogik gefordert – mit den Kindern in eine gemeinsam geteilte und  dennoch  ungleiche  Erfahrung  zur  Sache  und  damit  in  eine  gemeinsame  lebendige  Bildungsbewegung  begeben  zu  können  und  den  heterogen‐  singulären  Handlungsweisen  des  Kindes  in  der  Sphäre  überlagerter  Be‐ deutungsfelder  –  im  Sinne  einer  „offenen  Dichte“  (Kußmaul  2017)  zur   Sache – Raum zu geben.     

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Ästhetisch‐performatives Bildungsfeld im exemplarischen Praxistransfer 

   

 

   

 

Abb. 8: Bildungsfeld „nur Papier“  

Abb. 9: Kindliches Handeln im Bildungsfeld „nur Papier“ 

    Abb. 10: Kindliche Bewegung im Bildungsfeld „nur Papierʺ  

 

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Die erste halbtägige Praxiserprobung wird anhand der Beobachtungen sei‐ tens der Pädagog*innen und der teilnehmenden Erfahrungen seitens der  Künstler*innen vor dem Hintergrund der unten angegebenen Fragen hin‐ sichtlich von Gelungenem und Stolpersteinen reflektiert. Darauf aufbau‐ end wird die konzeptionelle Umsetzung der zweiten Praxiseinheit für den  zweiten  Tag  modifiziert.  Im  Zentrum  der  Beobachtung  stehen  folgende  Fragen:    Welche Phänomene mit Papier entwickelten sich und wurden aufgegriffen?   Welche Handlungspraxen waren erkennbar?   Wie kamen Körper, Raum, andere Materialien, Werkzeuge …   andere Kinder, andere Felder ins Spiel?    Welche Themen/Verdichtungen/Spiele haben sich ergeben?  Beispiele   Ausdauer/Konzentration   Sprunghaftigkeit um thematisch Ähnliches   Bezugnahme (siehe oben)    Durch welche Impulssetzungen wurde dies unterstützt?   Material – Gegenstände – Werkzeug   Raum – Atmosphäre etc.   Interaktion der Kinder   Impulssetzungen Künstler*in: Gesten, Vormachen, Wiederholun‐ gen, Bestätigungen, Neusetzungen, gestalterische Hervorhebun‐ gen etc.    Wo und welche Schwierigkeiten/Unsicherheiten traten auf …   in Bezug auf die Intention des Felds?   in der Begleitung?   in der Impulssetzung – verbal – nonverbal – paraverbal – medial?   in der Anfangs‐/Endgestaltung?   in Bezug auf den Raum?   in der pädagogischen Haltung? 

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Nach  den  beiden  halbtägigen  Erprobungen  der  exemplarischen  Praxis‐ phase folgt ein weiterer ganztägiger Weiterbildungstag. Er dient der ge‐ samten Reflexion der Praxisphase in Abwägung der Erkenntnisse aus der  „Ästhetischen Praxis“, den Theorie‐Elementen sowie den dialogischen Re‐ formulierungen,  um  das  Professionsbild  der  Künstler*innen,  aber  auch  das der Pädagog*innen an sich sowie im Hinblick auf ihre Zusammenar‐ beit zu schärfen.   Kolloquium – Reflexionsarbeit   Nach einer längeren Sommerpause findet ein Kolloquium statt. Grundlage  dieses Weiterbildungstags bildet die Reflexionsarbeit, die von den Künst‐ ler*innen  sowie  den  Pädagog*innen  in  Reflexion  der  Weiterbildungs‐ phase I auf Basis ihrer „Graphie“ erstellt wurde. Maßgeblicher Inhalt der  Reflexion ist der Blick auf die eigene Bildungsbewegung, und daran ge‐ bunden die Klärung des eigenen Professionsverständnisses in Bezug auf  die kulturelle Bildungsarbeit mit den Kindern.  Ziel der Reflexionsarbeit ist es, die eigene professionelle Entwicklung,  die durch die Weiterbildung angestoßen wurde, zu reflektieren und durch  die Versprachlichung erweiternd zu klären. Ausgangspunkt der Reflexion  bilden die Aufzeichnungen in der „Graphie“, in die idealerweise folgende  Bausteine der Weiterbildung eingeflossen sind:      Theorie   „Ästhetische Praxis“   unsere Reformulierungen   Diskussionen   exemplarische Praxiseinheiten mit den Kindern   informeller Austausch    Auf der Grundlage stehen im Zentrum der Reflexionsarbeit die Frage da‐ nach: Warum braucht es Künstler*innen in der Kita? und die bildungstheo‐ retische  Begründung  der  Notwendigkeit.  Ein  Sinnbild  dazu  ist:  Wie  be‐ gründe ich beispielsweise die freie gestalterisch‐künstlerische Arbeit mit  Toilettenpapier? 

„aesth paideia“ 

 

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1) Für die Künstler*innen ist dabei die Bedeutung der künstlerischen  Expertise und Sparte sowie die Dimension der ästhetischen Erfah‐ rung (in ihrer Begründung der Aisthesis) sowie die aus den Künsten  abgeleiteten Verfahrensformen für eine Kulturelle Bildung in der frü‐ hen Kindheit explizit zu berücksichtigen, auch im Hinblick auf die  Verortung eines bildungsbereichsoffenen Bildungsansatzes.  2) Für die Pädagog*innen gilt spezifisch in dem Kontext, den Fragen  nachzugehen, inwieweit sich durch die Weiterbildung ihre pädagogi‐ sche Einstellung zur Bildungspraxis in der frühen Kindheit verändert  hat. Und welche Konsequenzen sich hieraus für ihre pädagogische  Praxis (beispielsweise Zusammenarbeit, Zeit‐ und Raumgestaltung,  Materialanschaffung, Personalbildung, Fortbildung etc.) im Hinblick  auf eine Öffnung zur Kulturellen Bildung ergeben.  3) Zudem soll über die folgenden Fragen nachgedacht werden: Welche  Elemente oder welches Zusammenspiel der Weiterbildungselemente  waren besonders hilfreich? Wo hat es geholpert? Wo war gerade das  Holpern für den Erkenntnisprozess wichtig? Was fehlt noch? Und  wie konnten die zentralen, bedeutsamen Erkenntnisse, die von den  Teilnehmenden in der Weiterbildung erarbeitet wurden oder sich ge‐ bildet haben, aufgenommen werden?    Zur Form der Arbeit:      ca. sieben Seiten Text, insgesamt maximal 15 Seiten   Begrifflichkeit, Form‐/Inhaltsverhältnis der Sache entsprechend  bestimmen   Spiel mit Formulierung – Poesie – Diskurs   Spiel mit Grafiken, Schrift und Bild    Mit dem Kolloquium zur Reflexion der Arbeiten nehmen die Dozent*in‐ nen folgende Aspekte auf:     

150    



4.3 

Marion Kußmaul 

ein Feedback zur Weiterbildung an sich  inhaltliche Fragen/Verständnisprobleme, die in einem übergrei‐ fenden Themenspeicher, wie beispielsweise „Die polyvalente Be‐ deutung des Konzepts ‚Ästhetische Forschung‘“ oder „Die  Schnittfläche von kindlichen Bildungsprozessen zu den ‚zeitge‐ nössischen Künsten‘“ oder auch „Die Phänomenologie der Wahr‐ nehmung und das Erfahrungskonzept in der Aisthesis“ mit dem  Fokus auf die Frage Warum Künstler*innen in die Kita? aufge‐ nommen und erarbeitet werden  Diskussion zu Präsentationsformaten unter Berücksichtigung  von inhalts‐ und formalästhetischen Aspekten, auch in Relevanz  einer Dokumentations‐ und Präsentationspraxis im Kontext von  Bewerbungen 

Weiterbildungsphase II 

Praxisprojektphase   Die Weiterbildungsphase II knüpft an der Weiterbildungsphase I an. Im  Zentrum  der  Phase  stehen  die  Konzeption  und  die  Durchführung  eines  längerfristigen Praxisprojekts in einer Kita, welches vor dem Hintergrund  der  Reflexionsarbeit  in  spezieller  Berücksichtigung  des  exemplarischen  Praxistransfers entwickelt wird. Die gesamte Praxisprojektphase wird von  den Dozent*innen und der Weiterbildungsgruppe eng begleitet.  Es  werden  vier  Dreierteams  (zwei  Künstler*innen  und  ein*e  Päda‐ goge*in)  gebildet,  die  in  den  Einrichtungen  der  Pädagog*innen  ein  Pra‐ xisprojekt  von  zehn  bis  zwölf  Tagen  umsetzen.  Die  Künstler*innen  ma‐ chen sich im Vorfeld der Konzeptionsentwicklung über Hospitationen mit  der  jeweiligen  Kita‐Kultur  und  der  Kindergruppe,  die  die*den  Pädago‐ gen*in bestimmt, vertraut. Die Hospitationen dienen zudem dazu, aktuelle  Interessenslagen  der  Kinder  zu  eruieren,  die die  Grundlage für  ein  Pro‐ jektthema  bilden.  Daran anschließend werden auf  der  Basis  ästhetischer  Forschung  im  Team  erste  Konzeptideen  entwickelt,  die  eine  Felderkun‐ dung sowie erste Ideen eines Transfers in ein Bildungsfeld und Entwürfe  ästhetisch‐künstlerischer Handlungsverfahren umfassen. Diese Konzept‐

„aesth paideia“ 

 

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ideen werden dann im Zwischenkolloquium der Weiterbildung nochmals  diskutiert  und  weiterentwickelt.  Nachfolgend  obliegt  dem  Team  eigen‐ ständig die weitere Ausdifferenzierung und Durchführung des Praxispro‐ jekts.   Während  der  ersten  Tage  der  konkreten  Projektdurchführung  in  der  Kita werden im Sinne einer fachlichen Begleitung alle Teams je an einem  Praxistag von den Dozent*innen besucht, um vor Ort eine gemeinsame Re‐ flexion hinsichtlich der Praxisumsetzung zu erarbeiten. Zugleich werden  von den Dozent*innen generell gültige Gelingens‐ und Problemgrößen er‐ hoben,  um  an  dem  Weiterbildungstag  des  Zwischenkolloquiums,  das  mittig  in  der  Praxisprojektphase  liegt,  über  einen  fachlichen  Austausch  eine  weitere  konzeptionelle  Konturierung  und  Ausdifferenzierung  des  Praxisprojekts zu ermöglichen.   Nach  der  gesamten  Praxisprojektphase  erstellen  die  Künstler*innen  und Pädagog*innen eine weitere Hausarbeit, die dieses Mal den Fokus auf  die Reflexion der Praxisprojektphase legt und in Weiterentwicklung eine  Projektpräsentation im Bewerbungsformat zum Ziel hat. Auf der Basis der  Reflexions‐  und  Präsentationsarbeit  wird  an  einem  weiteren  Weiterbil‐ dungstag  die  gesamte  Praxisprojektphase  in  Verschränkung zur Weiter‐ bildungsphase  I  reflektiert,  und  der  damit  eröffnete  Themenspeicher  in‐ haltlich thematisch im Gesamtteam aufgearbeitet.   Erst am Ende der Phase II der Weiterbildung, aufbauend auf alle Bil‐ dungsbausteine geht es um Fragen der Projektantragskultur, des Navigie‐ rens im Dschungel der Projektinitiativen zur Kulturellen Bildung, der Ver‐ mittlung  von  Kontaktdaten  regionaler/überregionaler  Träger  und  deren  Funktionen sowie des Einblicks in Stiftungen und in die Kitaträgerkultur. 

5  

Zur Evaluation 

Die forschende Weiterbildung „aesth paideia“ wird von zwei Evaluations‐ formaten  begleitet.  Neben  dem  in  der  qualitativen  Sozialforschung  be‐ kannten  Evaluationsformat  der  dokumentarischen  Methode  nach  Ralf  Bohnsack (2007), das von einer externen Person durchgeführt wird, ist das  qualitative  Format  einer  „reflexiv  begleitenden  Evaluation“  das  intern 

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geführt wird, für „aesth paideia“ bestimmend. Ersteres wird in allen Stu‐ fen über die Leitfadenentwicklung, die Durchführung von zwei Gruppen‐ interviews  (vor  und  nach  der  Weiterbildung)  bis  zur  Auswertung  und  Analyse verantwortet (Nentwig‐Gesemann). Das zweite Format wird pa‐ rallel, analog zum gesamten dialogisch‐forschend ausgerichteten Weiter‐ bildungsprinzip, von der Projektleitung Marion Kußmaul und Christian  Widdascheck  in  der  Begründungslinie  der  bourdieusche  Position  zum  „methodologischen Relationalismus“ (Wacquant 1996) realisiert. Die Do‐ zent*innen werten die während der laufenden Weiterbildung erhobenen  Mitschriften, Audio‐, Videoaufnahmen, Feldbeobachtungen, Fotografien,  analytischen Auswertungsgespräche mit den Teilnehmer*innen sowie das  Beobachtungsmaterial  methodisch‐dialogisch  selbstreflexiv  und  reflexiv  zum Inhaltsgegenstand aus – sowohl während des Weiterbildungsprozes‐ ses  als  auch  im  Nachgang.  Das  ermöglicht  zum  einen,  reformulierend‐  forschend die inhaltliche Setzung der Weiterbildung „aesth paideia“ un‐ mittelbar  auszudifferenzieren  und  zum  anderen  in  Verbindung  mit  der  Analyse der externen Evaluation im Nachgang, eine weitergehende Refle‐ xion zu generieren und eine Konturierung des Weiterbildungsformats mit  Blick auf eine Verstetigung umzusetzen. 



Schluss 

Im Zentrum der vorliegenden Ausführungen zu dem Forschungsprojekt  „aesth paideia“ liegt seine Weiterbildungsdidaktik, die dem Gegenstand  entsprechend selbst in der Logik des Ästhetischen partizipativ dialogisch‐ forschend – in Verschränkung zu den Ansprüchen einer Kulturellen Bil‐ dung  in  der  frühen  Kindheit  –  angelegt  ist.  Die  Aisthesis  und  die  in  der  ästhetischen  Erfahrungsstruktur  gründenden  Erkenntnisweisen  bilden  den Kern‐ und Bezugspunkt aller beteiligten Größen, die in der Weiterbil‐ dungsdidaktik aufgenommen sind und die die Künste, das kindliche Bil‐ dungshandeln,  das  Konzept  „Ästhetische  Forschung“,  die  Ästhetik  des  Performativen und letztendlich auch den Kulturbegriff berühren. Der Bil‐ dungsdialog zwischen der Weiterbildungsdidaktik und den Ansprüchen  einer  Elementardidaktik  Kulturelle  Bildung  gestaltet  sich  dabei  sehr 

 

„aesth paideia“ 

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komplex. Es ist ein sich gegenseitig anstoßendes Erkenntnisgefüge, das –  unter  dem  Postulat  einer subjektorientierten, ästhetisch‐forschenden  Bil‐ dung  –  des  Verfahrens  der  reflexiv‐responsiven  Reformulierungen  zwi‐ schen selbsterfahrener „Ästhetischer Praxis“, der Theorie und dem Praxis‐ transfer bedarf. Das Sujet an sich verbietet, wie andernorts erwähnt, eine  rein  diskursiv  ausgerichtete  und  additiv  ergänzende  und  modularisierte  Weiterbildungsdidaktik und beansprucht daher für sich selbst einen ästhe‐ tisch‐forschenden Modus.   Die Weiterbildung „aesth paideia“ zeigt für die Kulturelle Bildung in  der frühen Kindheit auf, dass es nicht eines spezifisch pädagogischen Wis‐ sens bedarf, das die Künstler*innen dazuzulernen haben, sondern sich die  Künstler*innen sowie die Pädagog*innen jeweils von ihrer professionellen  Deutungsfläche aus an die Schnittfläche eines ästhetisch begründeten Bil‐ dungsbegriffs  heranbewegen.  Die  „Ästhetische  Praxis“  findet  hier  ihren  Ankerpunkt. Vor dem Hintergrund geht es vorrangig nicht um die Inten‐ tion, in der frühkindlichen Kulturellen Bildung zu den Künsten hin zu bil‐ den, sondern in, mit und durch die Künste bzw. mithilfe ihrer ästhetischen  Erfahrungsgrundlegung  die  Interferenzen  von  Lebenswelt,  Kultur  und  den Künsten in den Blick zu nehmen und zu bilden. Hieraus und mit Be‐ zug auf ein dynamisch‐dialogisch forschendes Lernen erklärt sich auch die  Relevanz und die Mittelstellung des Konzeptes „Ästhetische Forschung“  als  Verfahrensimpuls  in  der  Weiterbildungs‐  und  der  Praxisdidaktik  „aesth paideia“.  Kunst und Alltag oder Haiku in der Kita ermöglichen, das Fenster (neu) zu entdecken  (Sahuquillo/Markulin 2016). 

 

 

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Marion Kußmaul 

Literatur  Beekman, Ton (1987): Hand in Hand mit Sascha. In: Lippitz, Wilfried/Meyer‐Drawe, Käthe  (1987):  Kind  und  Welt.  Phänomenologische  Studie  zur  Pädagogik.  Königstein  i. T.:  Athenäum, S. 11‐25.  Bohnsack, Ralf (2007): Dokumentarische Methode und praxeologische Wissenssoziologie. In:  Schützeichel, Rainer: Handbuch Wissenssoziologie und Wissensforschung. Konstanz:  UVK, S. 180‐190.  Dreier, Annette (2012): Die Bedeutung der Ästhetischen Bildung in der frühen Kindheit.  In:  [www.netzwerk‐fruehe‐bildung.de/pdf/2012_11_28_dreier_vortrag_KiKuZ.pdf,  letzter Zugriff: 08.11.2017].  Ellis, Carolyn (2004): The Ethnographic. A Methodological Novel About Autoethnographie.  Lanham: Alta Mira.  Kämpf‐Jansen, Helga (2001): Ästhetische Forschung, Wege durch Alltag, Kunst und Wissen‐ schaft. Zu einem innovativen Konzept ästhetischer Bildung. Köln: Salon.  Merleau‐Ponty,  Maurice  (1974):  Phänomenologie  der  Wahrnehmung.  Berlin:  De  Gruyter  Saur.  Schäfer, Gerd (2011): Was ist frühkindliche Bildung? Kindlicher Anfängergeist in einer Kul‐ tur des Lernens. Weinheim/München: Juventa.  Selle, Gert (1998): Kunstpädagogik und ihr Subjekt: Entwurf einer Praxistheorie. Isensee: Flo‐ rian.  Waldenfels, Bernhard (2002): Bruchlinien der Erfahrung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.  Wacquant, Loic J. D. (1996): Auf dem Weg zu einer Sozialpraxeologie. Struktur und Logik  der  Soziologie  Pierre  Bourdieus.  In:  Bourdieu,  Pierre/Wacquant,  Loic  J. D.:  Reflexive  Anthropologie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 34. 

Weiterführende Literatur  Adorno, Theodor W. (1970): Ästhetische Theorie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.  Böhme,  Hartmut/Böhme,  Gernot  (1983):  Das  Andere  der  Vernunft.  Frankfurt  a. M.:  Suhr‐ kamp.  Brenne,  Andreas  (2008):  Künstlerisch‐Ästhetische  Forschung.  Über  substantielle  Zugänge  zur Lebenswelt – Eine Einführung. In: Ders.: „Zarte Empirie“: Theorie und Praxis einer  künstlerisch ästhetischen Forschung. Kassel: Kassel University, S. 5‐22.  Fischer‐Lichte, Erika (2004): Ästhetik des Performativen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.  Gebauer Gunter/Wulf, Christoph (1992): Mimesis. Kultur – Kunst – Gesellschaft. Reinbek bei  Hamburg: Rowohlt.  Kokemohr, Rainer (2007): Bildung als Welt‐ und Selbstentwurf im Anspruch des Fremden.  In:  Koller,  Hans‐Christoph/Marotzki,  Winfried/Sanders,  Olaf:  Bildungsprozesse  und  Fremdheitserfahrung. Beiträge zu einer Theorie transformatorischer Bildungsprozesse.  Bielefeld: transcript, S. 13‐68. 

„aesth paideia“ 

 

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Lippitz, Wilfried (1999): Aspekte einer phänomenologisch orientierten pädagogisch‐anthro‐ pologischen Erforschung von Kindern. Anmerkungen zur aktuellen These der Kind‐ heitsforschung:  „Das  Kind  als  sozialer  Akteur“.  In:  Vierteljahresschrift  für  wissen‐ schaftliche Pädagogik, 75 2, S. 238‐247.  Mattenklott,  Gundel  (2004):  Zur  ästhetischen  Erfahrung  in  der  Kindheit.  In:  Mattenklott,  Gundel/Rora, Constanze (2004): Ästhetische Erfahrung in der Kindheit. Theoretische  Grundlage und empirische Forschung. Weinheim/München: Juventa, S. 11‐23   Mersch, Dieter (2015): Rezeptionsästhetik/Produktionsästhetik/Ereignisästhetik. In: Badura,  Michael/Dubach, Selma/Haarmann, Anke/Mersch, Dieter/Rey, Anton/Schenker, Chris‐ toph/Toro Pérez, Germán (Hrsg.) (2015): Künstlerische Forschung. Ein Handbuch. Ber‐ lin: Diaphanes, S. 49‐57.  Nießeler,  Andreas  (2010):  Symbolische  Formen  in  der  kindlichen  Weltaneignung.  In:  Duncker, Ludwig/Lieber, Gabriele/Neuß, Norbert/Uhlig, Bettina (2010): Bildung in der  Kindheit. Das Handbuch zum Lernen in Kindergarten und Grundschule. Seelze: Kall‐ meyer/Klett Friedrich, S. 38‐42.  Pazzini,  Karl‐Josef/Sabisch,  Andrea/Tyradellis,  Daniel  (2013):  Das  Unverfügbare,  Wunder  Wissen Bildung. Berlin: Diaphanes.  Sabisch, Andrea (2007): Inszenierung der Suche. Vom Sichtbarwerden ästhetischer Erfahrung  im  Tagebuch.  Entwurf  einer  wissenschaftskritischen  Grafieforschung.  Bielefeld:  transcript.  Schäfer, Gerd/Alemzadeh, Marjan (2012): Wahrnehmendes Beobachten. Berlin: das netz.  Waldenfels, Bernhard (2010): Sinne und die Künste im Wechselspiel. Modi ästhetischer Er‐ fahrung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.  Wetzel, Tanja (2005): Geregelte Grenzüberschreitung. Das Spiel in der ästhetischen Bildung.  München: kopaed.  Winnicott, Donald W. (1973): Vom Spiel zur Kreativität. Stuttgart: Klett‐Cotta.   

„Kompetenzkurs Kultur – Bildung – Kooperation“    Mona Jas und Andreas Knoke         

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Kunst‐ und Kulturschaffende in der Kulturellen   Bildung – eine Bestandsaufnahme1 

Nachdem Anfang der 2000er Jahre in den bundesdeutschen Bildungsde‐ batten  zunächst  die  Leistungen  der  Schüler*innen  in  den  sogenannten  Kernfächern  im  Mittelpunkt  standen,  hat  die  Kulturelle  Bildung  etwa  Mitte der 2000er Jahre in den bildungs‐ und kulturpolitischen sowie erzie‐ hungswissenschaftlichen Diskussionen sukzessive wieder an Stellenwert  gewonnen  (Bildungsinitiative  Kinder  zum  Olymp!  2013;  KMK  2002:  2;  Deutscher Bundestag 2005: 24, 297).  In  den  fachlichen  und  bildungspolitischen  Diskursen  besteht  heute  weitgehend Einigkeit darüber, dass die Verbesserung von Bildungs‐ und  Teilhabechancen nur mittels einer gemeinsamen Bildungsverantwortung  und  interprofessionellen  Zusammenarbeit  von  Akteuren  gelingen  kann  (Deutscher Städtetag 2007: 2; Bleckmann/Durdel 2009: 12), d. h., wenn for‐ male, non‐formale und informelle Bildungsprozesse sowie entsprechende  Bildungsangebote  in  ein  Gesamtkonzept  integriert  werden.  Der  Ausbau  und  die  Qualitätsentwicklung  von  Ganztagsschulen  und  lokalen  Bil‐ dungslandschaften sind Ausdruck dieser Entwicklung. Vor diesem Hin‐ tergrund wurde in zahlreichen Modellprojekten und Initiativen auch die  systematische  Kooperation  zwischen  den  Bereichen  Kultureller  Bildung  und  Schule  in  den  letzten  zehn  Jahren  gefördert  (Kelb  2014a:  9;  Busch                                                              1   Die folgende Bestandsaufnahme orientiert sich am gemeinsamen Konzept der Verbund‐ partner Bundesvereinigung Kulturelle Kinder‐ und Jugendbildung (BKJ), Deutsche Kin‐ der‐ und Jugendstiftung (DKJS) und Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Für eine  ausführliche Darstellung vgl. auch Kathrin Hohmaier und Karsten Speck (2017). 

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Keuchel und B. Werker (Hrsg.), Künstlerisch-pädagogische Weiterbildungen für Kunst- und Kulturschaffende, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20711-3_8

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Mona Jas und Andreas Knoke 

2006: 4). Damit verbunden haben einerseits die Träger der Kulturellen Bil‐ dung  die  Bedeutung  gemeinsamer  Bildungskonzepte  und  Bildungsver‐ antwortung  für  die  Verbesserung  der  kulturellen  und  sozialen  Teilhabe  und  der  Bildungschancen  von  Kindern  und  Jugendlichen  anerkannt  (BMFSFJ  2013: 19).  Andererseits  wurden  durch  Praxis,  Politik  und  For‐ schung die besonderen Potenziale der Künste und der Kulturellen Bildung  für neue Lernkulturen und ganzheitliche Bildungsprozesse in Ganztags‐ schulen und Bildungslandschaften vor allem unter dem Aspekt der kultu‐ rellen Teilhabe von benachteiligten Kindern und Jugendlichen zutage ge‐ bracht (Kelb 2014b: 71‐74) und entsprechende Akteure mit ihren Angebo‐ ten strukturell entwickelt und Wirkungen anerkannt (Schorn 2013).  An  Ganztagsschulen  und  in  lokalen  Bildungslandschaften  werden  nochmals besondere Anforderungen an die interprofessionelle Koopera‐ tion  gestellt,  da  hier  mehrere  Berufsgruppen  an  einem  Ort  aufeinander‐ treffen, es einen relativ hohen Spezialisierungsgrad und bestimmte Berufs‐ kulturen bei den beteiligten Berufsgruppen gibt, eine Abstimmung der ge‐ genseitigen  Handlungsvollzüge  erforderlich  ist  sowie  längerfristige  und  umfassendere  Berührungspunkte  bestehen.  Dies  gilt  besonders  für  die  Kulturelle Bildung: Unstrittig ist in der Fachdiskussion daher, dass syste‐ matische Fortbildungen für Kunst‐ und Kulturschaffende in der kulturel‐ len  Kinder‐ und  Jugendbildung  benötigt  werden.  Die  spezifischen  –  auf  die unterschiedlichen Bereiche der Künste bezogenen – Ausbildungspro‐ file und Berufsbiografien der Kunst‐ und Kulturschaffenden sind inhalt‐ lich sehr heterogen. Wissen und Praxis zu pädagogischen Vermittlungs‐ kontexten und Bedürfnissen und Lebenslagen von Kindern und Jugendli‐ chen  sind  dabei  jedoch  nicht  Teil  der  Studiengänge  und  Ausbildungen.  Dem stehen vielfältige Arbeitsorte und ‐settings in der Kulturellen Bildung  gegenüber  und  mit  ihnen  unterschiedlichste  Bildungsverständnisse  und   ‐rahmenbedingungen.   Der für das Gelingen solcher Ansätze an Ganztagsschulen und in loka‐ len Bildungslandschaften zentrale Aspekt der Interprofessionalität bezieht  sich vor allem auf die Zusammenarbeit von Kunst‐ und Kulturschaffenden  mit  Pädagog*innen.  Diese  Zusammenarbeit  ist  sowohl  in  Bezug  auf  die  konzeptionelle  Gestaltung  als  auch  die  pädagogische  und  ästhetisch‐

„Kompetenzkurs Kultur – Bildung – Kooperation“ 

 

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künstlerische  Praxis  im  Umfeld  von  Ganztagsschulen  und  Bildungsland‐ schaften grundlegend. Sie ist zugleich aber auch anspruchsvoll und setzt  voraus, dass Kunst‐ und Kulturschaffende – über ihre jeweilige fachliche  Professionalität hinaus – ihre Haltungen kritisch reflektieren, sich mit me‐ thodisch‐didaktischen Fragen auseinandersetzen und vor allem interpro‐ fessionelle Kompetenzen entwickeln, die eine enge und abgestimmte Zu‐ sammenarbeit  im  Sinne  einer  Ko‐Konstruktion  überhaupt  erst  ermögli‐ chen.  

2  

Der „Kompetenzkurs Kultur –   Bildung – Kooperation“ 

Der „Kompetenzkurs Kultur – Bildung – Kooperation“ war eine modulare,  nicht‐spartenbezogene Weiterbildung zur Entwicklung methodisch‐didak‐ tischer und interprofessioneller Kompetenz von Kunst‐ und Kulturschaf‐ fenden,  die  gemeinsam  mit  Pädagog*innen  kulturelle  Bildungsangebote  an Ganztagsschulen oder in lokalen Bildungslandschaften umsetzen. Ge‐ fördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)  wurde  er  von  2014  bis  2017  als  Verbundprojekt  der  Bundesvereinigung  Kulturelle Kinder‐ und Jugendbildung (BKJ), der Deutschen Kinder‐ und  Jugendstiftung (DKJS) und der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  entwickelt und erfolgreich erprobt. 

2.1   Rahmen des „Kompetenzkurses“  Basierend  auf  den  eingangs  zusammengefassten  Befunden,  dass ein  Bil‐ dungserfolg für alle Kinder und Jugendliche nur gelingen kann, wenn un‐ terschiedliche  Professionen  mit  ihrem  spezifischen  Wissen  und  ihren  je‐ weils besonderen Kompetenzen erfolgreich kooperieren und gemeinsam  Verantwortung für die Qualität von Bildungsangeboten übernehmen, be‐ stand ein zentrales Anliegen des „Kompetenzkurses“ darin, die Qualität  von Kooperationen zwischen Akteuren der Kulturellen Bildung einerseits  und von Ganztagsschulen oder aus lokalen Bildungslandschaften anderer‐ seits zu verbessern.    

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Mona Jas und Andreas Knoke 

Ziele des „Kompetenzkurses“  Die  pädagogische  Weiterbildung  zielte  darauf,  Kunst‐  und  Kulturschaf‐ fende  in  ihrer  eigenen  künstlerischen  und  kulturellen  Kompetenz  anzu‐ sprechen und diese für die Entwicklung und Umsetzung kultureller Bil‐ dungsprojekte in ihrer Wirksamkeit zu öffnen. Dabei ging es darum, die  künstlerische Expertise – bzw. die künstlerisch‐kulturellen Kompetenzen  – mit den im Umfeld dieser Vorhaben vorhandenen pädagogischen Kom‐ petenzen, Logiken und Ressourcen in einer Weise zu verknüpfen, sodass  die kulturellen Bildungsangebote zielgenau auf die Bedürfnisse von Kin‐ dern  und  Jugendlichen  in  Ganztagsschulen  und  Bildungslandschaften  ausgerichtet sind.  Auf  Modellebene  war  es  ein  explizites  Ziel  des  „Kompetenzkurses“,  eine innovative, wissenschaftlich fundierte und praxisorientierte Weiter‐ bildung zu entwickeln und zu erproben, um die methodisch‐didaktischen  und interprofessionellen Kompetenzen bei Kunst‐ und Kulturschaffenden  zu fördern und sie somit für die konstruktive Zusammenarbeit mit päda‐ gogischen  Fachkräften  zu  qualifizieren.  Die  gewonnenen  Erkenntnisse  sollten weitere Professionalisierungen von Kunst‐ und Kulturschaffenden  in  der  Kulturellen  Bildung,  insbesondere  hinsichtlich  der  Verbesserung  der Wirksamkeit von Weiterbildungsangeboten, unterstützen und berei‐ chern.  Ein  Anliegen  der  Verbundpartner  bestand  zudem  darin,  mit  Ex‐ pert*innen einer begleitenden Expertenrunde2 und den Teilnehmenden                                                              2   Ulrich  Baer  (Akademie  der  Kulturellen  Bildung  des  Bundes  und  des  Landes  NRW),  Christina Biundo (Kunstfähre); Martina Bracke, (Koordinationsbüro Kulturelle Bildung  Dortmund), Bernd Fiehn (Robert Blum Gymnasium Berlin), Prof. Dr. Max Fuchs (Uni‐ versität Duisburg‐Essen), Maria Gebhardt (SCHULE:KULTUR), Prof. Dr. Uwe Hameyer  (Institut für Pädagogik, Lehrstuhl Schulpädagogik der Universität Kiel), Prof. Dr. Elke  Josties  (Alice  Salomon  Hochschule  Berlin),  Christian  Kammler  (Philipps‐Universität  Marburg), Martina Kessel (Bundesverband Tanz in Schulen e. V.), Anja Krüger (Landes‐ vereinigung  kulturelle  Bildung  e. V.  Niedersachsen),  Rosemarie  Lange  (Oberschule  an  der Lehmhorster Straße), Prof. Dr. Andreas Lange (Pädagogischer Förderkreis für Aus‐ bildung  und  Unterricht  e. V.),  Antje  Lielich‐Wolf  (kunstunddialog),  Ute  Reeh  (Beirat  Schulkunst), Vanessa‐Isabelle Reinwand‐Weiss (Bundesakademie für Kulturelle Bildung  Wolfenbüttel), Gabrielle Roentgen (Bildungsbüro Aachen), Claudia Schönherr‐Heinrich 

„Kompetenzkurs Kultur – Bildung – Kooperation“ 

 

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zu  untersuchen,  welche  Erwartungen  und  Anforderungen an  Ganztags‐ schulen und in lokalen Bildungslandschaften an Kunst‐ und Kulturschaf‐ fende  gestellt  werden  und  wie  sie  diesen  mittels  Weiterbildung  gerecht  werden können. So sollte dazu beigetragen werden, methodisch‐didakti‐ sche Qualität und Kooperationsqualität zwischen Kunst‐ und Kulturschaf‐ fenden mit pädagogischen Fachkräften bundesweit zu reflektieren und zu  verbessern.  Dabei  sollten  die  Erfahrungen  und  die  Ergebnisse,  wie  z. B.  das Wissen um die im Kurs erworbenen Kompetenzen3, das entwickelte  Curriculum und entstandene Arbeitsmaterialien, in einen Transfer mün‐ den, etwa indem eine Online‐Arbeitshilfe (BKJ/DKJS 2016), eine Fachpub‐ likation (Heber/Jas 2017) und eine Abschlusstagung umgesetzt wurden.   Das  Ziel  der  wissenschaftlichen  Begleitung  und  Evaluation,  die  bei  der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg in der Verantwortung von  Karsten  Speck  und  Kathrin  Hohmaier  lagen,  war  es,  empirisch  abgesi‐ cherte Erkenntnisse zur Wirksamkeit der Weiterbildungsangebote sowie  zur Professionalisierung von Kunst‐ und Kulturschaffenden in der Kultu‐ rellen Bildung zu gewinnen. Als Ergebnis sollte ein theoretisch fundiertes,  wissenschaftlich  evaluiertes  und  tragfähiges  Weiterbildungskonzept  für  Kunst‐ und Kulturschaffende in Ganztagsschulen und lokalen Bildungs‐ landschaften entstehen, das als Regelangebot der BKJ und ihrer Mitglieds‐ organisationen dienen, von den durch die DKJS gemeinsam mit Bundes‐ ländern  eingerichteten  Serviceagenturen  „Ganztägig  lernen“  oder  von   anderen Trägern genutzt werden kann.  Zielgruppen des „Kompetenzkurses“  Der „Kompetenzkurs“ wandte sich bundesweit an freischaffende Kunst‐  und Kulturschaffende. Der Begriff Kunst‐ und Kulturschaffende bezog sich  dabei  entsprechend  der  zugrunde  liegenden  Förderrichtlinie  auf                                                              (Senatsverwaltung  für  Bildung,  Jugend  und  Wissenschaft  Berlin),  Martin  Tasch  (Er‐ wachsenenbildung,  Weiterbildung  und  Medienbildung,  Universität  Potsdam),  Antje  Tschirner (Künstlerin), Dr. Angelika Tischer (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und  Wissenschaft Berlin), Dorothée Zombronner (Künstlerin).  3   Vgl. selbsteingeschätzte Kompetenzen zum pädagogischen und kunstdidaktischen Wis‐ sen Kathrin Hohmaier und Karsten Speck (2017). 

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Mona Jas und Andreas Knoke 

Künstler*innen  und  Kulturvermittler*innen,  d. h.  in  Kunst  und  Kultur  professionell  Tätige,  die  weder  eine  pädagogische  oder  kulturvermit‐ telnde Ausbildung, eine Qualifizierung über bisherige Weiterbildung oder  entsprechende Berufs‐ und Praxiserfahrung hatten.   Eine  Öffnung  des  Kurses  für  Pädagog*innen,  die  als  Kooperations‐ partner an Ganztagsschulen oder in lokalen Bildungslandschaften agieren,  war durch die Ausrichtung der Förderrichtlinie nicht möglich.  Konkret  nahmen  in  der  Arbeit  mit  Kindern  und  Jugendlichen  bisher  wenig  erfahrene  Kunst‐  und  Kulturschaffende  teil,  die  noch  nicht,  sehr  vereinzelt  oder  erst  seit  Kurzem  an  Ganztagschulen  oder  in  lokalen  Bil‐ dungslandschaften tätig waren bzw. die Absicht hatten, ein Kulturprojekt  in Kooperation mit Pädagog*innen durchzuführen. Für die Aufnahme in  den Kurs war es ein Kriterium, dass die Bewerber*innen die gesellschaft‐ liche  Bedeutung  von  Kunst/Kultur  und  Bildung  reflektierten.  Natürlich  waren  zudem  das  Interesse an der Auseinandersetzung  mit  den (verän‐ derten) Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen sowie der Wunsch,  mit  ihnen  im  Rahmen  von  kulturellen  Kooperationsprojekten  an  Ganz‐ tagsschulen  und  in  lokalen  Bildungslandschaften  arbeiten  zu  wollen,  wichtige Voraussetzungen für die Teilnahme am „Kompetenzkurs“.   Über die Netzwerke der BKJ und der DKJS sowie weitere Partner von  Bundes‐ und Fortbildungsprogrammen war eine gute Erreichbarkeit der  Zielgruppe gesichert. Über 300 Interessierte wandten sich mit einem Mo‐ tivationsschreiben an die Initiatoren, in welchem sie ihre künstlerische Ex‐ pertise, ihre konkreten Qualifizierungsbedarfe und erste Praxisideen for‐ mulierten.  Umfang, Inhalte und Aufbau des „Kompetenzkurses“  Bundesweit wurden zwischen 2014 und 2017 innerhalb von drei Durch‐ gängen  insgesamt  80  Kunst‐  und  Kulturschaffende  –  entsprechend  der  oben dargelegten Kriterien – ausgewählt und für die methodisch‐didakti‐ sche und interprofessionelle Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in kul‐ turellen  Kooperationsprojekten  an  Ganztagsschulen  und  in  lokalen  Bil‐ dungslandschaften qualifiziert. Der erste Durchgang (1A) fand 2015 statt  und umfasste fünf Module mit Input‐, Praxis‐ und Reflexionsphasen. Zwei 

„Kompetenzkurs Kultur – Bildung – Kooperation“ 

 

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weitere Durchgänge (2B) und (2C) fanden 2016 parallel statt, beinhalteten  jeweils vier Module, die weitgehend die Themen des ersten Durchgangs  umfassten, aber jeweils leicht veränderte didaktische Variationen enthielten.   Aus den Zielen und Zielgruppen der Weiterbildung ergaben sich fol‐ gende inhaltliche Schwerpunkte, die in den Modulen und in begleitenden  Arbeitsmaterialien behandelt wurden (siehe Abb. 1).    Modul 1 

Spezifika  der  Adressat*innen  (z. B.  Sozialisation  und  Lebenslagen  von  Kindern  und  Jugendlichen;  Interessen,  Motivationen,  Bedürfnisse;  Bil‐ dungs‐ und Kulturerfahrungen; Zielgruppenansprache, ‐beteiligung) 

Modul 2 

Pädagogische  Settings,  Professionen  und  Theorien  (z. B.  formale,  non‐  formale,  informelle  Bildung;  pädagogische  Professionen,  kulturelle  Ar‐ beitszusammenhänge und ihr Bildungsverständnis) 

Modul 3 

Kulturpädagogische Methodik und Didaktik (z. B. geeignetes Methoden‐ repertoire, didaktisches Dreieck; künstlerisches Handeln, ästhetische Bil‐ dung,  kulturpädagogische  Prinzipien  und  Qualität,  eigenständige  und  kooperative Settings) 

Modul 4 

Rahmenbedingungen  in  Ganztagsschulen/Bildungslandschaften  (z. B.  vertiefende  Kenntnis  über  Handlungsfelder  Ganztagsschule/Bildungs‐ landschaften, interprofessionelle Kompetenz, Ge‐ und Misslingensbedin‐ gungen von Kooperationen) 

Modul 5 

Haltungen und Einstellungen (z. B. künstlerisches Selbstverständnis ver‐ sus pädagogische Haltung für die kulturelle Projektarbeit, Selbstreflexion  und ‐evaluation)  

Abb. 1: Inhaltliche Schwerpunkt der Module 1 bis 5  Die Module wurden durch Input‐, Praxis‐ und Reflexionsphasen und ins‐ gesamt  80  Weiterbildungs‐  und  Beratungsstunden  strukturiert.  Die  Ver‐ bundpartner  bezogen  weitere  Fachkräfte  und  Wissenschaftler*innen  im  Rahmen von Expertenworkshops in die Entwicklung und Fortschreibung  von Konzept, Curriculum und Materialien ein, um eine kontinuierliche in‐ terdisziplinäre, fachliche Begleitung und Beratung im Verbundvorhaben  zu erhalten sowie den späteren Transfer zu fördern.     

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Mona Jas und Andreas Knoke 

Die Kooperationspartner des Verbunds und ihre Expertisen  Die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder‐ und Jugendbildung (BKJ), die  Deutsche Kinder‐ und Jugendstiftung (DKJS) und die Carl von Ossietzky  Universität  Oldenburg  haben  den  „Kompetenzkurs  Kultur  –  Bildung  –   Kooperation“ im Rahmen eines Verbundprojekts gemeinsam mit und für  die teilnehmenden Kunst‐ und Kulturschaffenden entwickelt, erprobt und  in einem weiteren Schritt evaluiert und transferiert. Dabei brachten sie so‐ wohl bei der Entwicklung als auch bei der Umsetzung der Weiterbildung  ihre jeweiligen unterschiedlichen Expertisen ein.   Die BKJ verfügt über eine langjährige Expertise in Theorie und Praxis  der kulturellen Kinder‐ und Jugendbildung und der kulturpädagogischen  Weiterbildung.  Sie  hat  Zugang  zu  Kunst‐  und  Kulturschaffenden  wie  Künstler*innen und Kulturvermittler*innen. Zur methodisch‐didaktischen  Qualifizierungserfahrung der BKJ gehören z. B. die Entwicklung von Fort‐  und  Weiterbildungscurricula,  interprofessionelle  Weiterbildungen  mit  Kunst‐/Kulturschaffenden und Pädagog*innen, die Entwicklung von Ar‐ beitshilfen  und  Materialien  sowie  Qualitäts‐  und  Kooperationstableaus  zwischen Kultur und Schule.  Die DKJS verfügt mit Blick auf den „Kompetenzkurs“ über eine beson‐ dere Expertise im Bereich Ganztagsschulen und lokale Bildungslandschaf‐ ten sowie zur Kulturellen Bildung an Schulen. Um den Bildungsbereich zu  stärken,  fachliche  Orientierung  zu  bieten  und  Verantwortungspartner‐ schaften zu stiften, entwickelt und realisiert die DKJS seit über 20 Jahren  Unterstützungs‐ und Qualifizierungsansätze, die vor allem auf die Refle‐ xion von pädagogischen Haltungen, auf praxisbezogene Professionalisie‐ rung und die Entwicklung von fachlichen, methodischen und kooperati‐ ven Kompetenzen von Pädagog*innen zielen.  Die Universität Oldenburg brachte durch das Team unter Leitung von  Karsten Speck erziehungswissenschaftliches Wissen und Erfahrungen in  der Begleitung und Evaluation von Bildungs‐ und Sozialprogrammen ein.  Dazu  gehören  beispielsweise  das  Programm  des  Europäischen  Sozial‐ fonds (ESF) „Projekte zur Vermeidung von Schulversagen und Senkung  des  vorzeitigen  Schulabbruchs“  in  Sachsen‐Anhalt,  das  bundesweite  Ganztagsschulprogramm  „Ideen  für  mehr!  Ganztägig  lernen.“  oder  die 

„Kompetenzkurs Kultur – Bildung – Kooperation“ 

 

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Evaluation  und  Qualitätsentwicklung  des  Programms  „Sozialgenial  –  Schüler engagieren sich in Nordrhein‐Westfalen“. Zudem konnten Ergeb‐ nisse und Instrumente aus zahlreichen Studien im Ganztags‐ und Kultur‐ bereich einbezogen werden. 

2.2   Verortung der Weiterbildung im pädagogischen Feld4  Obwohl sich der Forschungsstand zu den Rahmenbedingungen und Ef‐ fekten  Kultureller  Bildung  in  den  vergangenen  Jahren  verbessert  hat  (Rittelmeyer 2014a: 29‐44), ist der wissenschaftliche Erkenntnisstand zur  pädagogischen  Umsetzung  sowie  vor  allem  zum  Erfolg  von  Weiterbil‐ dungskonzepten für Kunst‐ und Kulturschaffende sehr gering.  Basierend auf den Ergebnissen einer Bedarfsanalyse – im Vorfeld durch  die Universität Oldenburg erstellt (Hohmaier/Speck 2017) – wurde daher  eine praxisorientierte Konzeptentwicklung und Durchführung einer nicht  spartenbezogenen Weiterbildung mit einem modularen Aufbau im Sinne  eines  Spiralcurriculums  verabredet,  bei  der  Input‐,  Selbststudium‐,  (be‐ gleitete) Praxis‐ und Reflexionsphasen gut aufeinander abgestimmt inei‐ nandergriffen. Der „Kompetenzkurs“ stützte sich dabei auf ein Lernver‐ ständnis, welches dem subjektwissenschaftlichen Lernansatz verpflichtet  ist, den Klaus Holzkamp (1995) aus einer differenzierten Kritik an beha‐ vioristischen Lerntheorien heraus entwickelte. Expansives Lernen kommt  diesem Ansatz zufolge nicht durch Vermittlung, sondern durch subjektive  Begründungen  des  Lernsubjekts  zustande.  Dazu  musste  die  Weiterbil‐ dung an den individuellen Begründungen (z. B. Kooperation mit Schulen)  und Kontexten (z. B. Sparten, Rahmenbedingungen) anschließen und ak‐ tive Lernsettings mit Handlungsorientierung, Teilnehmerorientierung, In‐ teressen‐  und  Problembezug,  Methodenoffenheit,  Selbsttätigkeit  und  Gruppenbezug ermöglichen (ebd.). Zudem war im Rahmen der Weiterbil‐ dung  mit  Blick  auf  den  interprofessionellen  Schwerpunkt  der  Einbezug  unterschiedlicher Professionen und Perspektiven notwendig. Eine weitere                                                              4   Die folgende Einordnung orientiert sich am gemeinsamen Konzept der Verbundpartner  BKJ,  DKJS  und  Universität  Oldenburg  (für  eine  ausführliche  Darstellung  vgl.  auch  Hohmaier/Speck 2017). 

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wichtige theoretische Grundlage für das gesamte Vorhaben bildeten ins‐ besondere  die  kulturpädagogischen  Theorieansätze,  die  von  Max  Fuchs  (2005), Wolfgang Zacharias (2001a) und Georg Peez (2005) entwickelt wor‐ den  sind.  Und  auch  die  Theoriekonzepte  der  Berufskultur  (vgl.  Terhart  1996) und der interprofessionellen Kompetenz, welche auf die Förderung  der Bereitschaft und Fähigkeit abzielen, das eigene Handeln mit dem von  anderen Berufsgruppen abzustimmen, waren für das Kooperationsvorha‐ ben  zentral  (vgl.  Steiner  2010;  Speck/Olk  2011;  Speck/Olk/Stimpel  2011a  und b; Speck et al. 2011). Während die kultur‐ und erwachsenenpädagogi‐ schen Theorieansätze stärker methodisch‐didaktische Fragen betonen, ste‐ hen bei den Theoriekonzepten der Berufskultur und der interprofessionel‐ len Kompetenz vor allem Fragen der Kooperation im Mittelpunkt des In‐ teresses. Herangezogen wurden ferner soziologische und empirische Be‐ funde zu den Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen (Shell Deutsch‐ land Holding 2010) sowie auch zu ihren Bildungsbiografien (Bildungsbe‐ richterstattung) und ihrer Kulturnutzung (Keuchel/Larue 2012). 

2.3   Künstlerisch kulturelles Bildungsverständnis   der Weiterbildung  Die Konzeption der Weiterbildung fußt auf einem Verständnis von Kultu‐ reller  Bildung,  welches  eng  mit  kultureller  Teilhabe  verknüpft  ist  und  –  1948 als ein Menschenrecht formuliert – einen grundlegenden Bestandteil  von Allgemeinbildung darstellt (Vereinte Nationen 1948). Dabei werden  drei Dimensionen der Kulturellen Bildung unterschieden, die sich gegen‐ seitig ergänzen: die Erarbeitung von künstlerischen Werken als künstleri‐ sche  Bildung,  der  Dialog  mit  künstlerischen  Arbeiten  (wie  Büchern,  Fil‐ men,  Ausstellungen,  Konzerten)  als  ästhetische  Bildung  und  die  Ausei‐ nandersetzung mit künstlerischen Methoden.   Der Begriff und das Verständnis der Kulturellen Bildung selbst wurden  in Deutschland seit den 1970er Jahren entwickelt. Die bis dahin miteinan‐ der  konkurrierenden  Bereiche  der  Bildenden,  Darstellenden  und  Musi‐ schen Künste wurden zusammenzugefasst und ihr Potenzial für ein „kul‐ turelles Lernen“ (Hoffmann 1979: 273) diskutiert. Dabei ging es vor allem  darum,  der  Forderung  nach  einer  „Kultur  für  alle“  eine  Grundlage  zu 

„Kompetenzkurs Kultur – Bildung – Kooperation“ 

 

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schaffen, der sich auch der „Kompetenzkurs“ verpflichtet sieht. Der „Kom‐ petenzkurs“  basiert  auf  einem  „weiten“  und  facettenreichen  Konzept  der  Kulturellen Bildung, welches sich auf künstlerische Bildungsprozesse be‐ zieht, die sowohl von der Alltags‐ über Sub‐ und Breiten‐ bis hin zur soge‐ nannten Hochkultur angeregt werden. Kulturelle Bildung umfasst in die‐ sem  Sinne  die  vielfältigen  Zugangsweisen  zur  Welt  in  ihren  ästhetisch‐ künstlerischen Ausdrucksformen und Angeboten und ist Teil der Allge‐ meinbildung. Eine prozesshafte, ergebnisoffene und bewegliche Kultu‐ relle Bildung, verstanden als Möglichkeit der Persönlichkeitsbildung mit  sozialen Auswirkungen, kann sich nach diesem Verständnis entwickeln,  wenn die beteiligten Felder und ihre Akteure kommunikative Strategien  entwickeln, die die Teilnehmenden ins Zentrum des Denkens und Han‐ delns stellen. Die aktive Kommunikation ermöglicht die soziale und nach‐ haltige Wirksamkeit künstlerischer Prozesse.   Wenn  Kinder  und  Jugendliche  sich  mit  künstlerischen  Werken  aktiv  auseinandersetzen und dabei mit Kunst‐ und Kulturschaffenden sowie Pä‐ dagog*innen  zusammenarbeiten,  erlangen  sie  nicht  nur  Wissen  und  Er‐ kenntnisse (UNESCO 2006: 9). Indem sie Kunstformen erforschen, indem  sie  selbst  künstlerisch  tätig  werden  –  also  ästhetisch‐künstlerische  Pro‐ zesse erfahren und selbst aktiv mitgestalten sowie diese reflektieren – und  ihnen die Beziehung zwischen den Künsten und Geschichte bewusst wird,  erlangen sie vielmehr neue Fähigkeiten und Handlungsoptionen.   Idealerweise entstehen neue Perspektiven und Gelegenheiten, (Um‐)  Welt  nach  eigenen  Vorlieben,  Bedürfnissen,  Ansichten  und  ästhetischen  Idealen zu begreifen und zu gestalten. Dies sind wichtige Grundlagen für  partizipative Kunst‐ und Kulturprojekte sowie für künstlerische Lehr‐ und  Lernformate (BKJ/DKJS 2016: 18, 23).  Symbole und Zeichen in ihrer Vielfalt und Mehrdeutigkeit ermöglichen  eine  forschende  Betrachtung  der  Welt.  In  ästhetischen  Wahrnehmungs‐ prozessen entwickelt sich ästhetische Erfahrung. Diese kann im Rahmen  der Kulturellen Bildung mit künstlerischen Ausdrucks‐ und Gestaltungs‐ prozessen verbunden werden. Bewusste Reflexionen, ob in Alltagssituati‐ onen,  in  Jugend‐  und  Subkulturen  oder  in  der  Auseinandersetzung  mit  Kunstobjekten,  bilden  weitere  Elemente.  In  ihnen  öffnen  sich  vielfältige 

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Zugangsweisen zur Welt und zur Persönlichkeitsbildung mit, durch und  in den Künsten. Ein Anliegen der Weiterbildung war es daher auch, ein  Verständnis von Kultureller Bildung als einen Ansatz zu vermitteln, der  es jedem Menschen ermöglicht, sich über Kunst und Kultur zu entfalten  und gestaltend an Gesellschaft teilzuhaben (BKJ 2011: 9). Ziel von Kultu‐ reller  Bildung  ist  damit  die  Entwicklung  von  eigenem  subjektiven  Aus‐ drucksvermögen, und ihr zentrales Anliegen besteht darin, Kinder und Ju‐ gendliche zur Teilhabe an Kultur und Gesellschaft zu befähigen. Ein sol‐ ches Konzept der Kulturellen Bildung geht mit einer kritischen pädagogi‐ schen und gesellschaftspolitischen Haltung einher. Durch die Prinzipien  der  Kulturellen  Bildung  –  z. B.  Partizipation  und  Fehlerfreundlichkeit  –  können eingeübte Lernmethoden und Handlungsmaximen infrage gestellt  werden.  Das  sind  die  Voraussetzungen  für  umfassende  Selbstbildungs‐ prozesse,  die  es  Kindern und  Jugendlichen  ermöglichen,  Selbstwirksam‐ keit zu erfahren und Selbstkonzepte zu entwickeln (Zacharias 2001b: 85‐99;  Rittelmeyer 2014b: 19, 26). 

2.4   Methodische Herangehensweise   Die  Weiterbildung  verknüpfte  unterschiedliche  curriculare  und  metho‐ disch‐didaktische  Bausteine  zu  einem  Gesamtkonzept.  Präsenzzeiten  im  Rahmen der Module dienten dabei der Aneignung fachlicher Kenntnisse,  der Erprobung methodisch‐didaktischer Ansätze sowie der Reflexion von  Praxiserfahrungen, der kollegialen Beratung und dem Coaching der Teil‐ nehmenden. Sie wurden durch Arbeitsphasen des Selbststudiums flankiert,  die  mittels  begleitender  Arbeitsmaterialien  die  Präsenzzeiten  vor‐  und  nachbereiteten und zur Vertiefung der für die eigene Praxis relevanten In‐ halte  beitrugen.  Die  Teilnehmenden  der  Weiterbildung  erhielten  zudem  Feldforschungs‐ und Praxisaufträge, welche allgemeine und auf die Situa‐ tion  vor  Ort zugeschnittene  Fragestellungen  umfassten  und für die  wis‐ senschaftliche  Begleitung  und  Evaluation genutzt wurden. Mittels Stake‐ holder‐ und Sozialraumanalysen, durch Hospitationen und Experteninter‐ views erforschten die Teilnehmenden die Kooperations‐ und Projektbedin‐ gungen für Kulturelle Bildung in ihrem Umfeld, lernten die Anforderungen  in Ganztagsschulen, in lokalen Bildungslandschaften und bei Kulturträgern 

„Kompetenzkurs Kultur – Bildung – Kooperation“ 

 

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kennen und reflektierten ihre eigene Rolle. Von den Verbundpartnern wur‐ den zudem eine begleitende kollegiale Beratung und ein Coaching für die  Teilnehmenden bereitgestellt.   Die  Leitung  der  Präsenzzeiten  übernahmen  die  Projektverantwortli‐ chen der BKJ und DKJS, die zudem arbeitsteilig für die Konzeption, Ein‐ führung,  Vertiefung,  Zusammenfassung  und  Auswertung  der  einzelnen  Module  verantwortlich  waren.  Um  dem  interprofessionellen  und  mehr‐ perspektivischen Ansatz gerecht zu werden, wurden in alle Module sowie  zu den weiteren thematischen Schwerpunkten jeweils externe Referent*in‐ nen einbezogen. Dabei handelte es sich um Kunst‐ und Kulturschaffende  mit  langjähriger  Erfahrung,  Jugendsoziolog*innen,  Kulturagent*innen  (Forum K&B 2015: 133‐141), Erziehungswissenschaftler*innen, Kulturpä‐ dagog*innen sowie Expert*innen von Ganztagsschulen oder Verantwort‐ liche aus lokalen Bildungslandschaften. 

2.5   Exemplarischer Ablauf der Weiterbildung   und zeitliche Struktur (Durchgang 1A)  In der ersten Phase der Weiterbildung erfolgte zunächst im Rahmen eines  Selbststudiums der Teilnehmenden die Vorbereitung auf das erste Modul  anhand  von  Materialien  und  dafür  vorbereiteten  Fragestellungen  (BKJ/DKJS 2016: 6‐14). Die sich daran anschließende erste Präsenzphase –  drei Tage, davon ein Tag mit externer*m Referentin*en – beinhaltete den  Auftakt und das erste Modul: „Spezifika der Adressat*innen“. Es umfasste  Inputphasen durch Expert*innen und anhand von Materialien sowie mo‐ derierte Austausch‐ und Erprobungsphasen. Die Teilnehmenden erhielten  nach der ersten Präsenzphase den Feldforschungsauftrag, eine Stakeholder‐  und  Sozialraumanalyse  mittels  Hospitation  und  Experteninterviews  durchzuführen und mithilfe von Materialien und vorbereiteten Fragestel‐ lungen auszuwerten (ebd.: 59).   Darauf folgte anhand von Materialien und Fragestellungen eine zweite  Phase des Selbststudiums zur Vorbereitung auf die beiden Module „Päda‐ gogische Settings, Professionen und Theorien“ und „Kulturpädagogische  Methodik und Didaktik“, die ebenso wieder als Präsenzphase – drei Tage,  davon ein Tag mit externer*m Referentin*en stattfanden und moderierte 

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Reflexions‐ und Austauschphasen sowie Inputphasen durch Expert*innen  bzw. anhand von Materialien umfassten. Im Anschluss an diese Präsenz‐ phase wurden die Teilnehmenden aufgefordert, im Rahmen eines Praxis‐  und  Feldforschungsauftrags  mithilfe  von  Materialien  und  vorbereiteten  Fragestellungen (ebd.: 54‐63) die Entwicklung, Planung und organisatori‐ sche  Vorbereitung  eines  kulturellen  Bildungsprojekts  in  einer  Ganztags‐ schule oder lokalen Bildungslandschaft anzugehen.  Hieran schlossen sich im vierten Modul regionale Netzwerktreffen in  Kleingruppen  an,  die  zu  „Rahmenbedingungen  in  Ganztagsschulen/Bil‐ dungslandschaften“ Coaching‐Besuche und Beratungen ermöglichten und  Raum für kollegiale Beratungen und Austausch zur Projektpraxis gaben.  In  der  abschließenden  Phase  des  Selbststudiums  stand  die  Auswertung  und Reflexion des Praxisprojekts anhand von Materialien und vorbereite‐ ten Fragestellungen im Zentrum. Dies bildete die Grundlage für eine letzte  Präsenzphase im fünften Modul, bei dem es um „Haltungen und Einstel‐ lungen“ ging und das drei Tage – davon zwei Tage mit externer*m Refe‐ rentin*en – umfasste. 

2.6   Veränderungen und Anpassungen des Curriculums  Die konkrete Dauer und Kombination der Module waren ebenso wie die  inhaltlich‐methodische Ausgestaltung im Rahmen der dem „Kompetenz‐ kurs“  vorgelagerten  Entwicklungsphase  erarbeitet  worden.  Dieses  Kon‐ zept wurde zunächst in einem ersten Durchgang mit der ersten Gruppe  1A – so wie unter 2.4. und 2.5. dargestellt – erprobt. Auf der Grundlage  von Rückmeldungen der Teilnehmenden, Ergebnissen der teilnehmenden  Beobachtung, von Evaluierungsdiskussionen und ‐bögen sowie Anregun‐ gen der Expertenrunde wurden anschließend konzeptionelle Veränderun‐ gen  am  Curriculum  vorgenommen,  welche  dem  in  der  Förderrichtlinie  und zuvor im Antrag formulierten Entwicklungs‐ und Erprobungsauftrag  entsprachen.  Die  zentralen  Entwicklungsfragen  für  den  zweiten  und  dritten  Erpro‐ bungsdurchgang waren: Mit welchen Methoden konnte künstlerische Ex‐ pertise – bzw. konnten die künstlerisch‐kulturellen Kompetenzen – mit den  im  Umfeld  dieser  Vorhaben  vorhandenen  pädagogischen  Kompetenzen, 

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Logiken und Ressourcen in einer Weise so verknüpft werden, dass die kul‐ turellen Bildungsangebote auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendli‐ chen in Ganztagsschulen und Bildungslandschaften zielgenau ausgerich‐ tet  waren?  Wie  ließen  sich  also  die  Kompetenzen  und  Ressourcen  von  „Einzelpersonen“  mit  systemischen  und  Strukturfragen  im  Bereich  der  Kooperationen  verbinden?  Zugleich  bestand  eine  weitere  Herausforde‐ rung darin, den Fragen von Teilnehmenden des ersten Durchgangs nach  Finanzierungsmöglichkeiten, bestehenden Strukturen, Rahmenbedingun‐ gen und dem Wert des freischaffenden Arbeitens im Bildungsbereich ei‐ nen Raum zu geben und sie offensiv zu thematisieren.  Die  bedarfsorientierten  Modifikationen  der  beiden  parallelen  Durch‐ gänge 2B und 2C umfassten zum einen inhaltliche Konkretisierungen und  Weiterentwicklungen, eine unterschiedliche Gewichtung von Präsenzpha‐ sen  und  Phasen  des  Selbststudiums  sowie  veränderte  Feld‐  und  For‐ schungsaufträge. Auch wurden Struktur, Umfang und zeitliche Verortung  des Coachings und der kollegialen Beratung geprüft und verändert. Zum  anderen konnten Variationen in Bezug auf den Vermittlungsansatz, also  die  methodische  Ausgestaltung  der  Weiterbildung  vorgenommen  wer‐ den. Konkret entwickelte sich aus der Kombination instruktiver und prob‐ lemorientierter Ansätze im ersten Durchgang 1A ein stärker problemori‐ entiert – also eher auf die selbstständige Erarbeitung von Themen und Fra‐ gestellungen – ausgerichteter Durchgang 2B und ein stärker auf instruk‐ tive  Lernansätze  –  also  eher  auf  Impulse  und  Vorträge  –  ausgelegter  Durchgang  2C.  Damit  sollte  die  Möglichkeit  geschaffen  werden,  diese  zweiten Durchgänge vor allem miteinander, aber auch mit den Erfahrun‐ gen  des  ersten  Durchgangs  vergleichen  zu  können  (siehe  unten  3.1  Er‐ kenntnisse).  Die Teilnehmer*innen der beiden zweiten Durchgänge wurden in ihren  Praxisprojekten stärker unterstützt und Praxisprojekte bei Bedarf vermit‐ telt.  Die  Projektleitungen  führten  intensiver  gezielte  Beratungen  und  Coachings für laufende Projekte durch. Strukturell wurden die Inhalte aus  den bisherigen fünf Modulen zu vier Modulen zusammengefasst, indem  die Inhalte des dritten Moduls mit in das erste und zweite Modul einflos‐ sen.  Dadurch  konnten  der  Zeitraum  zur  Umsetzung  der  Praxisprojekte 

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verlängert und zugleich die Betreuung in der Umsetzung erhöht und stär‐ ker gesteuert werden. Inhaltlich wurde ein zusätzlicher regionaler Semi‐ nartag zum Thema „Ohne Moos nix los“ im Rahmen des dritten Moduls  angeboten,  der  mit  externen  Expert*innen  die  Grundlagen  des  Fundrai‐ sings, der Finanzakquise und des Projektmanagements vermittelte. Dar‐ über  hinaus  stellten  die  Projektleitungen  künstlerische  Methodiken  für  spezifische Projektzusammenhänge zur Verfügung und die Reflexion der  eigenen künstlerischen Haltung erhielt im abschließenden vierten Modul  einen besonderen Schwerpunkt. 

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Erkenntnisse und Herausforderungen bei der   Umsetzung des didaktischen Konzepts 

3.1   Gesamteinschätzung aus der Perspektive der   wissenschaftlichen Begleitung und   der Projektreferent*innen   „Dass ich da so ein Aha‐Erlebnis hatte, dass der eigentliche Sinn, wenn ich mit Bil‐ dungseinrichtungen und mit Schülern und Kindern arbeiten will, das Besondere ist  eigentlich die Zusammenarbeit mit ‘ner Pädagogin. Das war für mich wirklich so das,  wo ich jetzt so einen Punkt dranmachen kann. Das fand ich jetzt echt interessant.“  (Teilnehmerin in Gruppendiskussion; Hohmaier/Speck 2017) 

Die  hohen  Bewerberzahlen  und  die  große  Verbindlichkeit  bei  der  Teil‐ nahme belegten sowohl einen großen Bedarf als auch eine starke Motiva‐ tion der Teilnehmenden, an einer Weiterbildung mit dem Fokus auf me‐ thodisch‐didaktischen  und  interprofessionellen  Kompetenzen  teilzuneh‐ men. Konkrete Tools für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen waren  besonders  nachgefragt  –  ebenso  die  angebotenen  Arbeitsblätter,  Metho‐ densammlungen und die Ende 2016 veröffentlichten Arbeitsmaterialien.5  Die Ergebnisse der Evaluation durch die Universität Oldenburg und die                                                              5   Die folgende Einordnung orientiert sich am gemeinsamen Konzept der Verbundpartner  BKJ,  DKJS  und  Universität  Oldenburg  (für  eine  ausführliche  Darstellung  vgl.  auch  Hohmaier/Speck 2017). 

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Auswertung der Feedback‐Fragebögen zeigen, dass die Kunst‐ und Kul‐ turschaffenden  sowohl  ihr  kooperationsbezogenes  als  auch  methodisch‐ didaktisches Wissen nach der Teilnahme am „Kompetenzkurs“ als deutlich  höher einschätzen (siehe Abb. 2 und 3). Auch die Passung der Inhalte und  Vermittlungsformen mit den Bedarfen der Teilnehmenden sowie der Ge‐ brauchs‐ und Transferwert wurden positiv bewertet. Die Vielfalt der um‐ gesetzten Praxisprojekte legt zudem den Schluss nahe, dass das inhaltliche  Konzept und der Vermittlungsansatz anschlussfähig zu unterschiedlichen  Ansätzen und Vorhaben sind.    

  Abb.  2:  Subjektive  Einschätzung  des  eigenen  methodisch‐didaktischen  Wissens  nach  Teilnahme  (Carl  von  Ossietzky  Universität  Oldenburg,  Hohmaier/Speck 2017)6 

                                                            6   Veröffentlicht  im  Rahmen  der  Abschlussveranstaltung  des  „Kompetenzkurses  Kultur‐ Bildung‐Kooperation“, Berlin. 

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  Abb.  3:  Subjektive  Einschätzung  des  eigenen  kooperationsbezogenen  Wissens  nach  Teilnahme  (Carl  von  Ossietzky  Universität  Oldenburg,  Hohmaier/Speck 2017)7 

3.2   Rückmeldungen zu eher problem‐ bzw.   instruktionsorientierten Fortbildungsansätzen  Aus der Kombination aus instruktiven und problemorientierten Ansätzen  im ersten Durchgang wurden, wie oben ausgeführt, ein eher problemori‐ entierter (Durchgang 2B) und ein eher instruktiv ausgerichteter Vermitt‐ lungsansatz  (Durchgang  2C)  entwickelt  (siehe  auch  oben  unter  2.6).  Die  unten abgebildeten Rückmeldungen (siehe Abb. 4 und 5) zeigen beispiel‐ haft, dass von den Gruppen der beiden zweiten Durchgänge die spezifi‐ schen Anliegen des „Kompetenzkurses“ – z. B. einen Überblick über die  Leitideen von Ganztagsschule gewinnen oder eine Idee erhalten, wie eine  Stakeholder‐Analyse  für  die  eigene  Arbeit  verwendet  werden  kann  –  durchaus unterschiedlich wahrgenommen wurden.                                                               7   Veröffentlicht im Rahmen der Abschlussveranstaltung des „Kompetenzkurses Kultur – Bildung – Kooperation“, Berlin. 

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  Abb. 4: Subjektive  Einschätzung  des  eigenen  Überblicks  über  Leitideen  von  Ganztagsschulen  nach  Teilnahme  (Kursinterne  Evaluation  2012.  Konzept  und  Entwicklung  BKJ/DKJS,  Modifikation  und  Auswertung  Carl von Ossietzky Universität Oldenburg)  Insgesamt weisen die Ergebnisse darauf hin, dass für die Konzeption von  Weiterbildungen eine gezielte Mischung verschiedener Ansätze und Me‐ thodiken – und zwar in Bezug zu den jeweiligen Inhalten – maßgeblich für  die Wahrnehmung der Teilnehmenden ist, „etwas gelernt“ zu haben. Da  die Gruppen jeweils nicht mehr als 25 Personen umfassten und die Form  der Erhebung nicht noch einmal wiederholt wurde, bilden die Ergebnisse  jedoch eher eine Tendenz ab. Eine vertiefte Untersuchung in einem eige‐ nen Forschungsvorhaben hierzu erscheint sinnvoll. 

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  Abb. 5: Subjektive Einschätzung der eigenen Idee von Verwendungsmög‐ lichkeiten der Stakeholder‐Analyse in der eigenen Arbeit nach Teilnahme  (Kursinterne Evaluation 2012. Konzept und Entwicklung BKJ/DKJS, Mo‐ difikation und Auswertung Carl von Ossietzky Universität Oldenburg) 

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Fazit: Potenziale auf der einen Seite –   Handlungsbedarf auf der anderen 

Mit dem Konzept des Curriculums wurde ein klares, handhabbares und  motivierendes Weiterbildungskonzept entwickelt, welches für einen wei‐ teren  Transfer  geeignet  ist.  Die  Weiterbildung  stieß  auf  große  Resonanz  und  Nachfrage  der  Akteure  im  Feld  der  Kulturellen  Bildung.  Verschie‐ dene Seiten (z. B. Schulaufsichten, Weiterbildung, Universitäten) signali‐ sierten ihr Interesse sowohl am Ansatz als auch am Umsetzungskonzept.  Mit Blick auf eine notwendige Qualitätsentwicklung im Bereich der  Kulturellen Bildung an Ganztagsschulen oder in lokalen Bildungsland‐ schaften konnte die Weiterbildung vor allem unter dem Aspekt von ge‐ lingender Kooperation einen wertvollen Beitrag leisten. Insbesondere die  Bedeutung  von  Bildungspartnerschaften  und  Kooperationen  zwischen 

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Partnern verschiedener Institutionen erfuhren hohe Wertschätzung durch  die teilnehmenden Kunst‐ und Kulturschaffenden. Durch gezielte Anspra‐ che,  Methodik  und  Netzwerkarbeit  konnten  im  Rahmen  der  Weiterbil‐ dung  individuelle  berufliche  Lebenswegplanungen  der  Teilnehmenden  gefördert und unterstützt werden. Die Weiterbildung leistete darüber hin‐ aus eine Form der Berufsfeldentwicklung im professionellen und zeitge‐ nössischen  Kontext  von  Kunst,  Bildung  und  Kultur.  Auch  gelang  es,  zu  einer  bundesweiten  Vernetzung  von  Akteuren  der  Kulturellen  Bildung  beizutragen.  Die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation beförderte durch ihre  professionelle,  unabhängige  und  externe  Beratung  bei  der  Konzeptent‐ wicklung und Durchführung entscheidend die Qualitätsentwicklung der  Weiterbildung. Zudem bereicherten die Beratung und die Empfehlungen  einer externen Expertenrunde mit Vertreter*innen aus Wissenschaft, Ver‐ waltung und Praxis die Ausgestaltung des „Kompetenzkurses“.   Dem Anspruch einer möglichst hohen Prozessorientierung bei der Ent‐ wicklung der Weiterbildung wurde durch die Veränderung und Anpas‐ sung  des  Spiralcurriculums  (problemorientiert  versus  instruktiv)  sowie  durch Modifikationen aufgrund von Rückmeldungen und Feedbacks der  Teilnehmenden  (z. B.  zusätzliches  Netzwerktreffen  zu  Projektmanage‐ ment und Akquise) entsprochen. Zum Fachtag „Perspektive Künste – Ar‐ beitsfeld Kulturelle Bildung“ (Mai 2017) mit insgesamt 18 Referent*innen  meldeten sich über 120 Interessierte an und gaben der Veranstaltung ein  positives Feedback. Die entstandene Publikation „Arbeitshilfe Perspektive  Kunst – Arbeitsfeld Kulturelle Bildung. Texte, Materialien, Methoden für  Kulturschaffende“ ist stark nachgefragt. Zum Zeitpunkt der Erstellung des  vorliegenden Textes ist eine Neuauflage in Arbeit.  Eine  Herausforderung  in  allen  drei  Durchgängen  war  die  Arbeit  mit  Gruppengrößen von 25 bis 30 Teilnehmenden. Mit zusätzlichen zeitlichen  und personellen Ressourcen hätten die Kunst‐ und Kulturschaffenden mit  ihren  individuellen  Potenzialen  noch  intensiver  beraten  und  unterstützt  werden können. Dennoch war die Auseinandersetzung in der Gruppe ins‐ gesamt fruchtbar und wichtig. Sie benötigte vor allem eine besondere Sen‐ sibilität für die Zielgruppe der Kunst‐ und Kulturschaffenden sowie die 

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fachliche Expertise in Bezug auf künstlerische Haltung, Kooperationsmög‐ lichkeiten, Bildungskonzepte und Professionalisierung.   Eine weitere Optimierungsmöglichkeit besteht in der Schaffung eines  qualitätsvollen  Rahmens  für  die  Praxisprojekte.  So  wäre  es  neben  dem  Kennenlernen  von  „Good  Practice“  wünschenswert,  die  Praxisprojekte  über den Zeitraum der Weiterbildung hinaus noch punktuell begleiten zu  können, um die unterschiedlichen Qualitäten bei der Entfaltung der in der  Weiterbildung erworbenen Kompetenzen in Ganztagsschulen und lokalen  Bildungslandschaften nachhaltiger zu unterstützen. Auch eine engmaschi‐ gere Begleitung der Praxisprojekte wäre sicher von Vorteil, um eine inter‐ professionelle Zusammenarbeit zu unterstützen und weiterzuentwickeln.  Und  eine  qualitätsvolle  Dokumentation  der  einzelnen  Praxisprojekte  in  hochwertigen, künstlerischen Formaten hätte der Weiterbildung eine grö‐ ßere Sichtbarkeit verleihen und gleichzeitig die Teilnehmenden auf ihrem  weiteren beruflichen Weg unterstützen können.  Abschließend  muss  darauf  hingewiesen  werden,  dass  die  Arbeits‐ marktbedingungen im Feld der Kulturellen Bildung für Kunst‐ und Kul‐ turschaffende  an  Ganztagsschulen  oder in lokalen  Bildungslandschaften  noch stark in Entwicklung begriffen sind. Im Sinne eines Modell‐ und For‐ schungsprojekts  konnte  mit  der  Weiterbildung  sicherlich  wichtiges  und  wertvolles Wissen generiert werden. Es wurden aber gleichzeitig auch Ak‐ teure für die Arbeit in einem Umfeld qualifiziert, das kaum über etablierte  und verbindliche Unterstützungsstrukturen verfügt und ihnen häufig nur  mangelhafte  Rahmenbedingungen  bietet  (freiberufliche  Tätigkeit,  gerin‐ ger Stundensatz, fehlende Einbindung, Dienstleistungsmentalität).  

5  

Ausblick: Vier Thesen für die Zukunft 

Welche Einsichten aus dem „Kompetenzkurs Kultur – Bildung – Koopera‐ tion“ können zukünftige Qualifizierungsangebote im Hinblick auf Koope‐ ration noch stärker in den Blick nehmen und warum? Die Beteiligten des  Kooperationsbündnisses haben im Dialog mit der Expertenrunde die fol‐ genden vier Thesen formuliert, die als Anregungen für die Zukunft von  Weiterbildungen für Kunst‐ und Kulturschaffende dienen sollen: 

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These 1: Kunst‐ und Kulturschaffende brauchen ein erweitertes Selbstver‐ ständnis  und  Kompetenzprofil,  um  an  (Ganztags‐)Schulen  und  in  Bil‐ dungslandschaften arbeiten zu können und mit ihrer Expertise zur Bildung  und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beizutragen. Ein solches  Profil  sollte  gelingende  Kooperationen  im  Bildungsbereich  ermöglichen  und zu methodisch‐didaktischem Arbeiten befähigen. Dafür ist Weiterbil‐ dung notwendig.    These 2: Eine Weiterbildung für Kunst‐ und Kulturschaffende muss in der  Konzeption  und  Umsetzung  eine  künstlerische  Expertise  beinhalten  und  Anschlussmöglichkeiten für die Teilnehmenden an ihr eigenes ästhetisches  Schaffen bieten. So werden die besonderen Potenziale der Künste und der  Kulturellen Bildung in einen Transfer gebracht. Kunst‐ und Kulturschaf‐ fende können in ihrer spezifischen künstlerischen Qualität für Kooperati‐ onen gestärkt werden.    These 3: Wenn Kooperationen im Sinne von Bildungspartnerschaften ge‐ lingen sollen, benötigen Kunst‐ und Kulturschaffende sowie Akteure aus  Schule und Bildungslandschaft gemeinsame Fortbildungen und professi‐ onsübergreifende  Qualifizierungsveranstaltungen.  So  können  die  unter‐ schiedlichen Perspektiven gleichberechtigt einbezogen und in Beziehung  zueinander gesetzt, Rollenverständnisse reflektiert, Netzwerke aufgebaut  und interprofessionelle Kompetenzen gestärkt werden.    These 4: Der „Kompetenzkurs“ konnte einen Beitrag zu gelingenden Ko‐ operationen leisten, darüber hinaus müssen allerdings übergreifende Ver‐ änderungsprozesse  angestoßen  werden:  Fortbildung  und  Kooperation  sollten  Gegenstand  einer  breit  angelegten  fachlichen,  kultur‐  und  bil‐ dungspolitischen Debatte sein. Zudem braucht es flankierende Maßnah‐ men zur Veränderung der Rahmenbedingungen (bildungs‐ und kulturpo‐ litische  Maßnahmen,  Tandem‐Fortbildung,  Schulentwicklung,  Öffnung,  Qualität,  Fonds/Finanzierung).  So  ermöglichen  bildungspolitische  Maß‐ nahmen die Verbesserung von Arbeitsbedingungen für Kunst‐ und Kul‐ turschaffende.  Die  Schulentwicklung  und  die  Öffnung  der  Schulen 

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können gefördert werden, denn Qualität ist an strukturelle Bedingungen  geknüpft. 

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Mona Jas und Andreas Knoke 

Speck,  Karsten/Olk,  Thomas/Stimpel,  Thomas  (2011b):  Professionelle  Kooperation  unter‐ schiedlicher Berufskulturen an Ganztagsschulen – Zwischen Anspruch und Wirklich‐ keit. In: Speck, Karsten/Olk, Thomas/Stimpel, Thomas (2011a), S. 69‐84.  Steiner, Christine (2010): Multiprofessionell Arbeiten im Ganztag: Ideal, Illusion oder Reali‐ tät? In: Der pädagogische Blick, 18 (1), S. 22‐36.  Terhart,  Ewald  (1996):  Berufskultur  und  professionelles  Handeln  bei  Lehrern.  In:  Combe,  Arno/Helsper, Werner (Hrsg.) (1996): Pädagogische Professionalität. Untersuchungen  zum Typus pädagogischen Handelns. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 448‐471.  UNESCO  –  Organisation  der  Vereinten  Nationen  für  Bildung,  Wissenschaft,  Kultur  und  Kommunikation (Hrsg.) (2006): Leitfaden für kulturelle Bildung (Road Map for Arts  Education). UNESCO‐Weltkonferenz für kulturelle Bildung. Schaffung kreativer Ka‐ pazitäten  für  das  21.  Jahrhundert.  Lissabon,  6.‐9.  März  2006  [www.unesco.de/  fileadmin/medien/Dokumente/Kultur/Kulturelle_Bildung/Leitfaden.pdf,  letzter  Zu‐ griff: 05.07.2016].  Vereinte Nationen (1948): Universal Declaration of Human Rights [Allgemeine Erklärung der  Menschenrechte, AEMR] vom 10. Dezember 1948, Artikel 27.  Zacharias, Wolfgang (2001a): Kulturpädagogik. Kulturelle Jugendbildung. Eine Einführung.  Opladen: Leske und Budrich.  Zacharias,  Wolfgang  (2001b):  Kultur  und  Bildung.  Kunst  und  Leben.  Zwischen  Sinn  und  Sinnlichkeit. Texte zwischen 1970‐2000. Essen: Klartext.   

Kulturelle Jugendbildung in Offenen Settings   als reflexive Praxis     Elke Josties, Stefanie Kiwi Menrath und Kristin Werschnitzke          Dieser  Beitrag  thematisiert  eine  Besonderheit  des  Weiterbildungskon‐ zepts von ARTPAED1: Die Heterogenität des Handlungsfelds der Offe‐ nen Settings2 der kulturellen Jugendbildung, die Vielfalt seiner Akteure  und  ihrer  Ziele  spiegelt  sich  in  einem  reflexiven  Format  der  Weiterbil‐ dungsdidaktik wider. Im ersten Teil des Beitrags werden Ziele und Inhalte  der  Weiterbildung  und  ihre  Bedeutung  für  die  Modulthemen  erläutert  und begründet. Im zweiten Teil werden dann am Beispiel der Prozessbe‐ gleitung von Praxisprojekten der teilnehmenden Kunst‐ und Kulturschaf‐ fenden und der Rolle der Gastdozent*innen reflexive Formate in der Di‐ daktik der Weiterbildung analysiert.     

                                                            1   Von 2014 bis 2017 erarbeiteten und erprobten die WeTeK Berlin gGmbH und die Alice  Salomon Hochschule Berlin ein praxisorientiertes spartenoffenes Konzept einer Weiter‐ bildung  für  Kunst‐  und  Kulturschaffende  in  Arbeitsfeldern  der  kulturellen  Jugendbil‐ dung. Das Vorhaben wird von der Alice Salomon Hochschule wissenschaftlich begleitet  und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Schwerpunkt  „Förderung von Entwicklungs‐ und Erprobungsvorhaben zur pädagogischen Weiterbil‐ dung von Kunst‐ und Kulturschaffenden“ unterstützt.  2   Der Begriff Offene Settings fungiert im Forschungs‐ und Entwicklungsprojekt ARTPAED  zunächst als Arbeitsbegriff. Auch im Kontext Kultureller Bildung ist dieser Begriff bis‐ lang noch nicht etabliert. Als heuristischer Begriff ermöglicht Offene Settings daher, neue  Perspektiven auf die Gemeinsamkeiten künstlerischer und pädagogischer Arbeitsweisen  zu entwickeln, um erweiterte Handlungsoptionen und die weitere Praxisentwicklung in  den Feldern außerschulischer kultureller Jugendbildung zu ermöglichen. 

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Keuchel und B. Werker (Hrsg.), Künstlerisch-pädagogische Weiterbildungen für Kunst- und Kulturschaffende, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20711-3_9

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Elke Josties, Stefanie Kiwi Menrath und Kristin Werschnitzke 

Einführung: Weiterbildungskonzept ARTPAED  Ziel der Weiterbildung ARTPAED ist es, Kunst‐ und Kulturschaffende al‐ ler Sparten für die Arbeit in Offenen Settings der außerschulischen kultu‐ rellen  Jugendbildung  zu  qualifizieren.  Kulturelle  Jugendbildung  fokus‐ siert derzeit stark auf Kooperationen von Schulen mit Künstler*innen und  Kulturinstitutionen.  Das  Weiterbildungskonzept  ARTPAED  zielt  hingegen  darauf,  die  Handlungspotenziale  der  Offenen  Settings  auszuloten  und  weiterzuent‐ wickeln. Unter Offenen Settings werden Räume informeller und non‐for‐ maler  kultureller  Jugendbildung  verstanden,  die  von  freiwilliger  Teil‐ nahme und kollaborativem Aushandeln ihrer Inhalte und Zielsetzungen  gekennzeichnet sind.   Zentrale Aspekte des Weiterbildungskonzepts sind die Auseinander‐ setzung mit pädagogischen und künstlerischen Fachdiskursen zu kultu‐ reller Jugendbildung, die Entwicklung und Erprobung transdisziplinärer  Handlungsmethoden der kulturellen Jugendbildung, die Förderung inter‐ disziplinärer Kooperationen und die Einbindung von Kunst‐ und Kultur‐ schaffenden in regionale Bildungspartnerschaften. Kunst‐ und Kulturschaf‐ fende erhalten einen Überblick über aktuelle Herausforderungen an kultu‐ relle Jugendbildung wie Teilhabegerechtigkeit, Partizipation und Diversi‐ tät  und  setzen  sich  mit  der  Komplexität  jugendlicher  Lebenswelten  und  Kulturen auseinander.  Das Weiterbildungskonzept soll den Blick auf informelle Orte und For‐ men jugendlicher Identitätsentwicklung, ästhetischer Selbst‐ und Weltver‐ ständigungsprozesse und  jugendkulturelle Praxen und  Szenen schärfen.  Gleichfalls geht es darum, Sicherheit im Umgang mit den institutionellen  Bedingungen von unterschiedlichen außerschulischen Bildungsträgern zu  schaffen. Kunst‐ und Kulturschaffende sollen in ihrer Kompetenz gestärkt  werden, adressatengerechte, partizipative und diversitätssensible Lernan‐ gebote zu entwickeln und Lernprozesse in der kulturellen Bildungsarbeit  mit Jugendlichen anzuregen. Regelhafter Teil der Weiterbildungen in der  Erprobungsphase sind daher Praxisprojekte der Künstler*innen, die in un‐ terschiedlichen  außerschulischen  Kontexten  Kultureller  Bildung  umge‐ setzt und in der Weiterbildung reflexiv begleitet werden.  

Kulturelle Bildung in Offenen Settings als reflexive Praxis  

 

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Entsprechend der Heterogenität der informellen und non‐formalen, au‐ ßerschulischen Kontexte der Kulturellen Bildung verfolgt die Weiterbildung  ARTPAED ein situatives Qualitätsverständnis von Kultureller Bildung (vgl.  Honig 2004): Aus den jeweiligen Projekten, ihrem Setting und inhaltlichen  Zielsetzungen,  aber  auch  den  Aushandlungsprozessen  der  beteiligten  Künstler*innen, Teilnehmer*innen und Netzwerkpartner ergeben sich die  pädagogischen und ästhetisch‐künstlerischen Qualitätsmerkmale. Sie be‐ ziehen sich auf Bildungsprozesse, ästhetisch‐künstlerische Produkte, Re‐ zeption und Nachhaltigkeit Kultureller Bildung und sind situativ immer  neu auszuhandeln.  Diese  Offenheit  verfolgt  ARTPAED  auch  in  der  pädagogischen  Kon‐ zeption  der  Weiterbildung,  insbesondere  durch  den  Einbezug  unter‐ schiedlicher  Partner  aus  lokalen  Bildungslandschaften  (im  spezifischen  Fall  die Stadt  und Region Berlin)  als  Gastdozent*innen.  Die  Vielfalt  von  Haltungen, Positionen und Qualitätsverständnissen sowie ihre Situations‐ abhängigkeit  wird  den  Teilnehmer*innen  von  ARTPAED  nahegebracht  und so ein Verständnis von Kultureller Bildung als reflexiver Praxis mit  interdisziplinären Theoriebezügen angeregt.   Teil 1: Kulturelle Jugendbildung in Offenen Settings – Vielfalt der  Teilnehmer*innen und Akteure  1.1  

Kulturelle Jugendbildung in Offenen Settings –   Modulthemen 

Kulturelle Jugendbildung  Das  Weiterbildungskonzept  von  ARTPAED  basiert  auf  einer  pädagogi‐ schen Perspektive der kulturellen Jugendbildung in Offenen Settings, in  die  durch  die  Kursleitung  der  Weiterbildung  eingeführt  wird  (vgl.  aus‐ führlich Josties/Menrath 2017). Es werden Einblicke in Diskurse zu Kultu‐ reller Bildung und in die Jugendbildungsforschung gegeben, die für die  Arbeit in Offenen Settings relevant sind. Dazu gehören auch Einblicke in  die pädagogische Bildungsforschung und Theorien der Jugendphase so‐ wie aktuelle Studien über jugendliche Lebenswelten und Jugendbildung, 

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Elke Josties, Stefanie Kiwi Menrath und Kristin Werschnitzke 

die vertiefend im Einführungsmodul der Weiterbildung thematisiert wer‐ den.  Urbanes Lernen und ästhetisch‐künstlerische Raumaneignung   Ein wesentliches Modulthema von ARTPAED führt die Kunst‐ und Kul‐ turschaffenden an ein äußerst heterogenes Praxisfeld: die Stadt als Lebens‐  und Lernraum von Jugendlichen.3 Ein Hintergrund kultureller Jugendbil‐ dung im Kontext von Urbanem Lernen4 ist, dass die Stadt Orte und Ni‐ schen alltagskultureller Praktiken von Jugendlichen bietet, aber auch Frei‐ räume und Experimentierräume für ästhetische und künstlerische Praxis,  die allerdings immer weiter eingeschränkt werden.   Urbanes Lernen setzt voraus, dass Jugendliche als Autoritäten und Ex‐ pert*innen in eigener Sache einbezogen werden und Anregungen geben,  stadträumliche und lebensweltorientierte künstlerische Interventionen ge‐ meinsam  mit  Kunst‐  und  Kulturschaffenden  zu  entwickeln.  Künstleri‐ sches  Handeln  birgt  das  Potenzial,  den  Alltag  zu  transzendieren,  daher  sollten Künstler*innen sich mit den Lebenslagen, soziokulturellen Orien‐ tierungen  und  biografischen  Hintergründen  ihrer  Adressat*innen  ausei‐ nandersetzen.   In der Pädagogik lässt sich im Kontext Urbanen Lernens auf die Per‐ spektive  der  Sozialräumlichen  Jugendarbeit  (Deinet  2009)  verweisen.  Demnach werden Sozialräume auch als subjektive Aneignungs‐ und Bil‐ dungsräume begriffen (vgl. ebd. 2016). Mit einem weiten Verständnis von  „Raum  als  Dimension  und  Medium  von  Bildung“  (Krinninger/Schubert  2009: 17‐38) weist sie Schnittmengen mit künstlerischen Vermittlungsan‐ sätzen Urbanen Lernens auf (vgl. Schuster 2014).  Ebenso gibt es Parallelen zu (stadt‐)ethnologischen Feldforschungsan‐ sätzen,  die  als  Methoden  der  Recherche  und  Intervention  fruchtbar 

                                                            3   Da die Weiterbildung ARTPAED speziell für den urbanen Raum entwickelt wurde, wer‐ den ländliche Regionen nicht explizit thematisiert. Offene Settings sind jedoch auch in  diesem Kontext relevant – hier gäbe es weitere Entwicklungsbedarfe.   4   Zum Begriff des Urbanen Lernens siehe Marion Thuswald (2010). 

Kulturelle Bildung in Offenen Settings als reflexive Praxis  

 

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gemacht  werden.5  Wie  bei  allen  Modulen  der  Weiterbildung,  werden  exemplarisch anregende künstlerische Projektbeispiele einbezogen – hier  vor  allem  das  JugendKunst‐  und  Kulturhaus  Schlesische27  in  Berlin  Kreuzberg.   Jugendkulturarbeit  Kulturelle Bildung in Offenen Settings kann an die Erfahrungen und Qua‐ litätsentwicklung von pädagogischer Jugendarbeit anknüpfen. Ein wichti‐ ger Strang der Weiterbildung ist es, auf Offene Settings der Jugendkultur‐ arbeit (Josties 2010) aufmerksam zu machen. Jugendkulturarbeit folgt ei‐ nem Verständnis von Bildung, das selbstorganisiertes ästhetisch‐gestalte‐ risches Handeln und Lernen vorwiegend in Gleichaltrigengruppen mit ei‐ nem starken lebensweltlichen Bezug in den Mittelpunkt rückt. Jugendkul‐ turarbeit  ist grundsätzlich  zieloffen.  Die  Teilnahme ist freiwillig. Es  gibt  keine Curricula. Ästhetisch‐kulturelle Selbstbildung ist von zentraler Be‐ deutung. Sie vollzieht sich unmittelbar, situativ und performativ in alltäg‐ lichen  Kontexten  (Sturzenhecker  2012:  743‐746).  Solcherart  informelles  und non‐formales Lernen, das nicht vorrangig und gezielt für (hoch‐)schu‐ lische  und  berufliche  Karrierezwecke  instrumentalisiert  wird,  nimmt  im  Alltag von Kindern und Jugendlichen zunehmend weniger Zeit und Raum  ein.  Welche  Rolle  können  in  solchen  selbstbestimmten  ästhetischen  Bil‐ dungsprozessen  Pädagog*innen  und  Künstler*innen  spielen?  Gastrefe‐ rent*innen aus der Praxis der Jugendkulturarbeit, aber auch Künstler*innen  mit  Erfahrungen  der  Arbeit  in  Offenen  Settings  geben  hier  Anregungen  bei ARTPAED. Wie Prozesse der Rückmeldung und Reflexion, aber auch  der Gestaltung, Weiterentwicklung und Transformation angeregt werden  können, ist außerdem Thema in der Prozessbegleitung der Praxisprojekte  (vgl. Teil II des Beitrags).     

                                                            5   Vgl.  z. B.  Anja  Schwanhäußer  (2016);  siehe  auch  www.etaboeklund.de,  letzter  Zugriff:  17.12.2017. 

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Elke Josties, Stefanie Kiwi Menrath und Kristin Werschnitzke 

Jugendszenen – Each One Teach One  Im  Kontext  szeneorientierter  Jugendkulturarbeit  (Josties  2008)  überneh‐ men  junge  Szeneakteure  im  Sinne  des  Prinzips  „Each  One  Teach  One“  (Eberhard/Ruile  2013)  selbst  maßgeblich  die  Vermittlung  künstlerisch‐  gestalterischer Fähigkeiten und Fertigkeiten. Sie gehören den lokalen und  gleichzeitig global vernetzten Jugendszenen an und sind in ihrem jeweiligen  künstlerischen Genre anerkannte Akteure. In der Weiterbildung ARTPAED  werden szeneorientierte kulturelle Jugendbildung und die Möglichkeiten  mit  Szenemitgliedern  in  der  kulturellen  Bildungsarbeit  zu  kooperieren  u. a. am Beispiel der Arbeit des Archivs der Jugendkulturen in Berlin the‐ matisiert (Archiv der Jugendkulturen o. J.).  1.2  

Kulturelle Jugendbildung in Offenen Settings –   Zentrale Herausforderungen und Querschnittsthemen 

Partizipation fördern und sichern  Die Förderung der Partizipation von Jugendlichen ist stets handlungslei‐ tend und zentrales Qualitätskriterium von Jugendkulturarbeit (vgl. Hand‐ buch  Qualitätsmanagement  der  Berliner  Jugendfreizeiteinrichtungen  2012: 70). Partizipation hat auch in den Künsten, vor allem in sozial und  politisch  motivierten  künstlerischen  Vermittlungspraxen  eine  vielfältige  Tradition (vgl. Rollig/Sturm 2002; May 2015).6 Ergebnisse pädagogischer  empirischer  Studien  und  fachlicher  Diskurse  über  die  Partizipation  Ju‐ gendlicher  lassen  sich  folgendermaßen  zusammenfassen:  Partizipations‐ angebote  sollten  „stärker als  bisher  die  persönliche Lebenssituation  und  die  Verschiedenheit  der  Jugendlichen“  berücksichtigen  (Winklhofer/Zin‐ ser 2008: 89). Hier zeigt sich die Bedeutsamkeit der Vermittlung pädagogi‐ scher Theorien zur Lebensphase Jugend, ihrer gesellschaftlichen Konstruk‐ tion, ihre spezifischen Entwicklungsphasen, Bildungskontexte und Heraus‐ forderungen  (z. B.  Hurrelmann/Quenzel  2013;  von  Bingel/Nordmann/                                                              6   Auch in der Zeitschrift „Kunstforum International“, Band 240/2016: „Get Involved“ wird  die Tradition von Partizipation als künstlerischer Strategie rekonstruiert und kritisch dis‐ kutiert. 

Kulturelle Bildung in Offenen Settings als reflexive Praxis  

 

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Münchmeier  2008;  Walther  2008).  In  unserer  Weiterbildung  wird  dieses  Thema  eng  mit  der  Reflexion  der  Expertise  von  Gastreferent*innen  mit  Praxiserfahrungen in der Offenen Jugendarbeit (siehe Teil II des Beitrags)  und mit der Methode der Biografiearbeit verknüpft.  Bedeutsamkeit von Biografiearbeit  Biografiearbeit  ist  ein  pädagogisches  Verfahren  zur  Selbstbeschreibung  der eigenen, auch eigensinnigen Lebensgeschichte, mit dem Ziel, Lebens‐ verläufe  zu  rekapitulieren,  aber  auch  biografisches  Lernen  zu  ermögli‐ chen.  Als  künstlerische  Recherchemethode  produziert  das  Biografieren  dokumentarisches Material, über das die künstlerische Arbeit in der Kul‐ turellen  Bildung  mit  der Lebenswirklichkeit  der  Zielgruppe  verschränkt  werden kann. Diese biografische Arbeitsweise erproben und reflektieren  die Kunst‐ und Kulturschaffenden in der Weiterbildung ARTPAED am ei‐ genen Beispiel und am Beispiel der Arbeit eines Jugendclubs am Theater  an der Parkaue7 in Berlin.  Konflikte und Machtstrukturen in Offenen Settings  Zum  Weiterbildungskonzept  gehören  reflektierende  Dialoge  der  Kunst‐  und Kulturschaffenden mit Pädagog*innen, die in der Kulturellen Bildung  in  Jugendkulturzentren  langjährig  erfahren  sind.  Sie  sind  gefordert,  „schwierige,  konfliktreiche  Situationen  im  offenen  Bereich“  (Senatsver‐ waltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft 2012: 65f.) zu bewältigen  sowie  Machtstrukturen  und  Ausgrenzungsmechanismen  unter  Kindern  und Jugendlichen zu erkennen, zu problematisieren bzw. zu verhindern.8  In  der  Weiterbildung  werden  diese  und  andere  Herausforderungen  der  Arbeit mit Gruppen sowohl im Modul „Kommunikation & Gruppenpro‐ zesse“ als auch in der reflexiven Praxisbegleitung der Künstler*innen und  anhand von Fallbeispielen aus ihren Praxisprojekten thematisiert.                                                              7   Zur  Arbeit  der  Jugendclubs  im  Theater  an  der  Parkaue,  siehe  www.parkaue.de/  projekte/#theaterclubs, vgl. auch www.joanna‐praml.de, letzter Zugriff: 17.12.2017.  8   Zur Herausforderung gendersensibler kultureller Jugendbildung vgl. z. B. Judith Müller  (2013).  

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Elke Josties, Stefanie Kiwi Menrath und Kristin Werschnitzke 

Diversity‐Perspektive  Pädagogische Jugendarbeit zielt darauf, Benachteiligungen und Diskri‐ minierungen von Jugendlichen aufzudecken und ihnen entgegenzuwir‐ ken. Kulturelle Bildung kann sich auf eine kritische diversitätsbewusste  Kinder‐  und  Jugendarbeit  beziehen  (vgl.  Josties  2016:  16)  und  in  ihrer  konzeptionellen  Ausrichtung  folgende  Herausforderungen  und  Per‐ spektiven beachten: In der Arbeit mit Jugendlichen gilt es, das spezifisch  Gewordene/das spezifische Werden von Subjekten im Jugendalter wahr‐ zunehmen und anzuerkennen. Einerseits ist es wichtig, das Bedürfnis Ju‐ gendlicher nach Eindeutigkeit und Positionierung ernst zu nehmen und  für dessen Ausdruck Gelegenheit zu geben, andererseits sollten aber auch  ästhetisch‐kulturelle  Experimentierräume  für  Uneindeutigkeiten  und  Überkreuzungen geschaffen werden. Essenzialisierende Zuschreibungen  gilt es aufzudecken und zu hinterfragen; Klischees lassen sich gerade in  der ästhetisch‐künstlerischen Praxis auch brechen. Die Entwicklung einer  kritischen  Diversity‐Perspektive  ist  sowohl  Querschnittsthema  als  auch  Inhalt  eines  zentralen  Weiterbildungsmoduls  von ARTPAED. Hier  wird  der  Selbstreflexion  der  eigenen  Position  der  Kunst‐ und  Kulturschaffen‐ den und der Sensibilisierung für Diversity im Handlungsfeld der kulturel‐ len Jugendbildung Raum gegeben und mit Expert*innen der diskriminie‐ rungskritischen  Bildungsarbeit,  z. B.  des  Jüdischen  Museum  Berlin9,  ko‐ operiert.  Vielfalt der Akteure in Offenen Settings  Nicht nur die Gruppen von Teilnehmenden in Projekten Kultureller Bildung  in Offenen Settings sind heterogen; die Praxisfelder in Offenen Settings sind  so  unterschiedlich,  dass  Kunst‐  und  Kulturschaffende  es  auch  mit  einer  Vielfalt an  möglichen  Kooperationspartnern  zu  tun haben.  Die  in  Berlin  mittlerweile fast vollständige Übertragung bisher kommunal organisierter  und  finanzierter  Jugendeinrichtungen  an  freie  Träger  der  Jugendhilfe  führt dazu, dass sich die Offene Kulturelle Kinder‐ und Jugendarbeit neu                                                              9   Zur diskriminierungskritischen Bildungsarbeit im Jüdischen Museum Berlin vgl. Diana  Dressel (2016). 

Kulturelle Bildung in Offenen Settings als reflexive Praxis  

 

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aufstellt. Gesetzlich gerahmt und verankert im § 11 des SGB VIII – Kinder‐  und Jugendhilfe, differenziert sie sich konzeptionell wie institutionell aus.  Im (Jugend‐)Strafvollzug, in Unterkünften für Geflüchtete, in internatio‐ nalen  Jugendbegegnungen  und  Jugendaustauschprogrammen,  in  der  Straßensozialarbeit ebenso wie in Projekten der beruflichen Orientierung  und  der  Jugendberufshilfe  sind  Künstler*innen  mittlerweile  häufig  pro‐ jekt‐ oder programmbezogen eingebunden.  Mit dem verstärkten Engagement von Kulturinstitutionen bei kulturpä‐ dagogischen Angeboten treten neue und zusätzliche Akteure in Jugendar‐ beit, Schule und Kindertagesstätten als Partner auf. Die außerschulischen  wie schulischen Einrichtungen sind daher gehalten, Kooperationen an‐ und  aufzunehmen,  Netzwerke  und  Bildungspartnerschaften  zu  entwickeln.  Hier  treten  Kunst‐  und  Kulturschaffende  in  ein Netzwerk  mit  Akteuren  aus der Jugendarbeit, Jugendszenen, Bildungs‐ und Kultureinrichtungen.  Die  Förderung  von  kulturellen  Bildungsprojekten  auf  Bundes‐  wie  Landesebene und durch Stiftungen steht oft in Verbindung mit der Auf‐ forderung, die Projekte träger‐ und arbeitsfeldübergreifend zu gestalten.  Obwohl  Kooperationsverbünde  als  Gestaltungs‐  und  Handlungsmodell  anerkannt  sind,  werden  jedoch  die  entstehenden  Kooperationskosten  –  auch  für  die  Kunst‐  und  Kulturschaffenden  –  bislang  leider  nicht  aner‐ kannt oder berücksichtigt.  Das  Weiterbildungskonzept  ARTPAED  greift  diese  Veränderungen  auf. Die Weiterbildungsmodule führen an die unterschiedlichen Orte der  kulturellen Jugendarbeit. Mitarbeiter*innen von Jugendkulturzentren wie  anderen außerschulischen Einrichtungen erläutern vor Ort institutionelle,  konzeptionelle, räumliche wie finanzielle Voraussetzungen einrichtungs‐ bezogener, stadtteil‐ oder szeneorientierter, inklusiver wie internationaler  Arbeit. Die spezifischen Bedingungen, denen Projekte der Kulturellen Bil‐ dung in der außerschulischen Jugendarbeit – in Absetzung von Schule und  Kindertagesstätte (Kita) etwa – unterliegen, sind notwendiges Handlungs‐ wissen, um als Künstler*in in arbeitsteiligen Kooperationen die eigene Po‐ sition zu behaupten.  Kooperationen auch als Handlungs‐ und machtvolles Aushandlungs‐ feld – zuweilen konkurrierender Institutionen – zu verstehen, verschafft, 

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Elke Josties, Stefanie Kiwi Menrath und Kristin Werschnitzke 

ganz im Sinne des hier vertretenen situativen Qualitätsverständnisses, er‐ weiterten Zugang zu Ressourcen und fördert interdisziplinäre Arbeitswei‐ sen. Diese Perspektive gibt dem Handlungsfeld Kulturelle Bildung in Of‐ fenen Settings, und nicht zuletzt – für Künstler*innen nicht unwesentlich  – auch dem Arbeitsmarkt Kulturelle Bildung Gestalt.   Teil 2: Reflexive Formate in der Weiterbildungsdidaktik ARTPAED  Die  Heterogenität  des  Handlungsfelds  Offene  Settings,  seiner  Teilneh‐ menden  und  Akteure  spiegelt  sich  in  der  Weiterbildungsdidaktik  von  ARTPAED  wider.  Exemplarisch  wird  im  Folgenden  die  Bedeutung  von  zwei reflexiven didaktischen Formaten aus der Weiterbildung ARTPAED  vorgestellt und begründet. 

2.1 

Reflexive Begleitung der Praxisprojekte 

Wichtiger Bestandteil der Weiterbildung sind Praxisprojekte der Teilneh‐ mer*innen, die in Kooperation mit Jugend‐, Bildungs‐ und Kultureinrich‐ tungen umgesetzt werden. Die Weiterbildung bietet auch die Option, dass  Künstlergruppen gemeinsam ein interdisziplinäres Projekt umsetzen – ei‐ nige  haben  Tandems  gebildet,  in  einem  Fall  eine  große  Gruppe,  die  ge‐ meinsam  ein  Ferienprojekt  im  Setting  Offene  Jugendarbeit  konzipierte  und  realisierte.  Grundsätzlich  entwickeln  die  Künstler*innen  ihre  Pra‐ xisprojekte  eigenständig.  In  Form  von  Prozessbegleitung  und  Beratung  unterstützt das ARTPAED‐Team die Teilnehmer*innen bei der Suche nach  Kooperationspartnern, der Konzeptentwicklung und ggf. bei der Antrag‐ stellung  auf  finanzielle  Förderung.  Neben  einer  Vorstellung  des  Stands  der Projektarbeiten während der Weiterbildung werden in verabredeten  Einzelterminen zur individuellen Prozessbegleitung vor allem persönliche  Fragen zur eigenen Rolle, zur Kommunikation mit den jeweiligen Adres‐ satengruppen und zur Anleitung von Gruppenarbeiten thematisiert.  Darüber  hinaus  werden  die  Künstler*innen  während  der  Weiterbil‐ dung – in der Regel im Modul „Kommunikation & Gruppenprozesse“ –  in das Format der „Kollegialen Beratung“ eingeführt, einer Methode zur  Begleitung  und  Reflexion  im  Team.  Dieses  Format  wurde  von  den 

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Künstler*innen  sehr  interessiert  aufgegriffen.  Themen  waren  beispiels‐ weise: Wie finde ich den Einstieg, wenn ich mit einer großen Gruppe von  über 20 Jugendlichen arbeite? Wie reagiere ich darauf, wenn Jugendliche  im Rahmen von Biografiearbeit persönliche Belastungen zum Ausdruck  bringen? Wie steuernd und weitgehend sollte ich als Künstler*in in ge‐ stalterische Prozesse eingreifen? Darf ich selbst mitgestalten oder etwas  mitbearbeiten? Die Künstler*innen üben hier, sich gegenseitig kollegialen  Rat zu geben.  Im abschließenden Modul der Weiterbildung präsentieren die Künst‐ ler*innen  ihre  Praxisprojekte  mit  Fokus  auf  ihr  individuelles  Profil  der  Vermittlung. Hierzu erhalten sie sowohl von der Gruppe der Teilnehmen‐ den  als  auch  vom  ARTPAED‐Team  direktes  Feedback  im  Plenum.  Die  schriftlichen Abschlussarbeiten sind in Form einer Reflexion der eigenen  Praxisprojekte zu erbringen. Dabei geht es um eine thematisch fokussierte,  kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Praxis anhand eines exemp‐ larischen  Aspekts,  einer  inhaltlichen  Frage‐  oder  Problemstellung,  einer  Beobachtung  o. ä.  Auf  für  die  Themenwahl  einschlägige  Fachliteratur  (u. a. Fachtexte auf einer digitalen Plattform) sollte in der Reflexion Bezug  genommen werden. Zu den schriftlichen Reflexionen wird ein individuel‐ les Feedback vonseiten der wissenschaftlichen Leitung angeboten.10  Im Folgenden werden exemplarisch drei Praxisreflexionen vorgestellt,  in denen Künstler*innen die Herausforderungen des Arbeitens in Offenen  Settings aus unterschiedlichen Perspektiven reflektieren.11  Freiwilligkeit der Teilnahme der Jugendlichen und notwendige   Flexibilität der Künstler*innen  Eine Bildende Künstlerin arbeitete 2016 zusammen mit einer Kollegin in  Offenen  Settings  der  Jugendarbeit  Berlins  zum  Thema  „Jugendprotest  (‐Geschichten)“. Angestrebt war die Kooperation mit einem offenen Mäd‐ chentreff.  Die  Künstlerin  reflektierte  in  ihrem  Praxisbericht  die                                                              10   Die erfolgreiche Teilnahme an der Weiterbildung, die Realisierung und Präsentation ei‐ nes Praxisprojekts und die schriftlichen Praxisreflexionen sind Grundlage der Anerken‐ nung von zehn ECTS‐Punkten durch die Alice Salomon Hochschule Berlin.  11   Die drei Fallbeispiele sind aus Gründen des Datenschutzes anonymisiert. 

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Herausforderung  durch  ein  zentrales  Prinzip  der  Offenen  Jugendarbeit,  die Freiwilligkeit der Teilnahme. In der Anfangsphase des auf acht Monate  angelegten  künstlerischen  Projekts  sollte  es  einen  einführenden  Ferien‐ workshop  geben.  Die  Teilnehmerinnenakquise  erwies  sich  als  schwierig  und die Bitte der Künstlerinnen um eine Voranmeldung der interessierten  Mädchen als nicht umsetzbar. Das eher experimentell‐künstlerische und  mit  großem  Gestaltungsspielraum  formulierte  Projektkonzept  ließ  sich  den Mädchen nicht leicht vermitteln. Schließlich gelang es den Künstlerin‐ nen, eine Gruppe von Mädchen für die Beteiligung an der Projektplanung  zu gewinnen. Hierbei brachten die Mädchen ihre gewünschten jugendkul‐ turellen Formate, wie z. B. das „Cheerleading“, ein. Doch trotz der gemein‐ samen Planung war eine langfristig kontinuierliche Arbeit mit einer festen  Gruppe nur mit Einschränkungen möglich. Es konnte vorkommen, dass  parallel laufende alternative Angebote im Mädchentreff vorgezogen wur‐ den oder die Mädchen lieber „chillen“, spielen oder erzählen wollten. Die  Künstlerinnen waren gefordert, sich auf eine fluktuierende Teilnehmerin‐ nenzahl und ‐zusammensetzung einzulassen. Im weiteren Projektverlauf  suchten die beiden Künstlerinnen schließlich noch mit einem nahegelege‐ nen Jugendkulturzentrum die Kooperation, durch die sich die Teilnehme‐ rinnenakquise weniger schwierig gestaltete. Als besonders intensiv erwies  sich  die  Arbeit  in  einem  offen  gehaltenen  Setting  eines  sechswöchigen  Sommerferienprogramms.  Auf  einem  öffentlichen  Platz  mit  Sport‐  und  Grünfläche wurden hauptsächlich Sport und Spiele angeboten. In diesem  Setting fanden die beiden Künstlerinnen einen Ort, an dem sie kontinuier‐ lich mit einer engagierten und motivierten Gruppe Kinder und Jugendli‐ cher  künstlerisch  arbeiten  konnten,  die  meisten  von  ihnen  Romnija.  Die  Teilnehmenden interessierten sich nicht allzu sehr für das von den Künst‐ lerinnen  eingebrachte  Projektthema  „Proteste“  in  der  deutschen  Ge‐ schichte,  allerdings  durchaus  für  Protest  aus  ihrer  Perspektive  –  gegen  Kinderarbeit, kleine Wohnungen u. a. – und für Fragen nach Identität und  Transkulturalität, worauf die Künstlerinnen etwa in der Arbeit mit Colla‐ gen  und  Graffitis  eingingen.  Im  Feld  der  Offenen  Settings  waren  die  Künstlerinnen  in  sehr  starkem  Maße  gefordert,  flexibel  zu  arbeiten  – 

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bezogen auf die Wahl der Orte, die Adressatengruppen, auf die Projekt‐ themen und künstlerischen Ausdrucksmittel.   Bei künftigen Projektvorhaben wollen sie unter dem Aspekt der Nach‐ haltigkeit weiterhin mit der engagierten Kerngruppe der Romnija und den  bewährten neuen Kooperationspartnern im Jugendkulturzentrum zusam‐ menarbeiten. Aber sie wissen, Flexibilität ist stets gefordert.   Zur mangelnden Anerkennung partizipativer Formate in   Kunst‐ und Kultur‐Institutionen  Mittlerweile wird in den meisten Kunst‐ und Kulturinstitutionen der An‐ spruch formuliert, partizipative Vermittlungsformate zu entwickeln und  zu realisieren. Ein Musiker, der in einem Künstlerteam eng mit einer Spiel‐ stätte kooperiert, deren Fokus auf zeitgenössischen, innovativen und in‐ ternationalen  künstlerischen  Produktionen  liegt,  reflektiert  hierzu  eine  Diskrepanz  zwischen  Anspruch  und  Realität  am  Beispiel  eines  Projekts  zur Vermittlung experimenteller Musik. Die Spielstätte verfolgt das Kon‐ zept der „Koproduktion“, in dem Jugendliche und Künstler*innen nicht  nur  gemeinsam  experimentieren,  sondern  forschend  einen  offenen  Pro‐ zess der künstlerischen Produktion und Stückentwicklung bestreiten sol‐ len.  Die  Spielstätte  kooperiert  bereits  seit  Jahren  mit  einer  benachbarten  Gesamtschule. Schüler*innen der 8. und 10. Klasse nahmen an dem acht‐ wöchigen  Musikworkshop  teil,  der  in eine Präsentation  und  Installation  an  der  Spielstätte  münden  sollte.  Bei  der  Klasse  waren  gewisse  Ermü‐ dungserscheinungen  bezogen  auf  experimentelle  künstlerische  Projekte  zu beobachten. Auch waren sie im Vorfeld nicht in die Planung des Vor‐ habens  einbezogen.  Aus  Sicht  des  Musikers  wirkten  zudem  schulische  Strukturen einschränkend: Schulpflicht, nicht flexible und knappe Zeitvor‐ gaben, Leistungsdruck (Kompositionen der Schüler*innen sollten benotet  werden),  Kommentierungen  und  Rollenzuschreibungen  der  Schüler*in‐ nen durch beteiligte Lehrer*innen. Die Präsentation der experimentellen  Musik  wurde  von  einigen  Lehrern*innen  und  Eltern  der  Schüler*innen   eher  mit  Befremden  kommentiert.  Bemerkenswert  ist  die  Einschätzung  des Musikers, dass vonseiten der Spielstätte die Wertschätzung der Ver‐ mittlungsarbeit,  die  zwar  einerseits  als  „Chefsache“  deklariert,  aber 

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andererseits nur als „Begleitprogramm“ bezeichnet wird, eher gering sei:  Zwar  liefen  kontinuierlich  Vermittlungsprojekte  und  es  gebe  Festange‐ stellte  für  diesen  Arbeitsbereich,  jedoch  würden  die  Präsentationen  der  Schüler*innen zumeist gar nicht von anderen Mitarbeiter*innen des Hau‐ ses zur Kenntnis genommen. Im Gegenteil würden Installationen der Ju‐ gendlichen als zu laienhaft abgewertet und ungern in zentralen Bereichen  ausgestellt.  Der  Anspruch  der  Koproduktion  und  die  Realität  der  man‐ gelnden  Anerkennung  der  künstlerischen  Beiträge  Jugendlicher  klaffen  auseinander. In seinem Fazit fordert der Musiker u. a. nicht nur die stär‐ kere Einbeziehung von Jugendlichen bereits in die Planung von Projekt‐ vorhaben sowie eine möglichst große Abkopplung von gewohnten Schul‐ strukturen, sondern auch den solidarischen Einsatz von Künstler*innen –  nicht nur in der direkten, partizipativen Vermittlungsarbeit, sondern in‐ dem sie bessere Strukturen für Kooperationen und Anerkennung von Ver‐ mittlungsarbeit einfordern.  „Zwischen Kulturen (künstlerisch) vermitteln“? Problematische  kulturelle Zuschreibungen und Dilemmata für Künstler*innen   in ihrer Vermittlungstätigkeit  Eine Migrantenselbstorganisation beauftragte eine Fotografin – vermittelt  über ein jugendkulturelles Projekt – in den Winterferien für ihre jugendli‐ chen Mitglieder einen Workshop zum Thema „Brücke zwischen den Kul‐ turen“  zu  veranstalten.  Gemeint  waren  die  „deutsche  Kultur“  und  die  „Herkunftskultur“ der Vereinsmitglieder, eine ethnisch verfolgte Gruppe  aus Asien. Der Verein setzt sich zum Ziel, seine in Deutschland geborenen  Kinder und Jugendlichen mit Schrift, Sprache, Werten und Kultur dieser  ethnischen Gemeinschaft vertraut zu machen, diese in Berlin zu pflegen  und die Zusammengehörigkeit der Community zu stärken. Die Jugendli‐ chen  nahmen  –  so  hieß  es  –  freiwillig  an  dem  Workshop  teil,  doch  die  Workshop‐Leiterin bezweifelt, ob – durch die Anwesenheit und Kontrolle  eines  Sprachlehrers  –  die  Teilnahme  wirklich  freiwillig  war.  Die  18  Ju‐ gendlichen im Alter von 13 bis 17 Jahren arbeiteten motiviert und enga‐ giert mit. Für eine kleine Fotoausstellung wurden Selbstporträts aufge‐ nommen.  Die  Jugendlichen  präsentierten  ihre  Herkunftskultur,  indem 

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sie  in  traditioneller  Kleidung  posierten,  obwohl  im  Herkunftsland  ihrer  Eltern sicherlich auch andere Kleidungsstile verbreitet sind, wie die Foto‐ grafin  vermutete.  Die  Präsentation  der  deutschen  Kultur  zeigte  die  Ju‐ gendlichen  hingegen  in  vielfältigen,  jugendkulturellen  Stilen  und  Aus‐ drucksweisen.   Die Fotografin bearbeitete die thematische Vorgabe und den Verlauf ih‐ res Workshops (selbst‐)reflexiv. Ausgehend von einer kritischen Diversity‐ Perspektive und einem Verständnis von Kultur als ein Prozess, der durch  das  Handeln der  Individuen  immer  wieder  verändert  und  neu  definiert  wird, hinterfragt sie ein Alltagsverständnis von Kultur, das von einer Un‐ veränderbarkeit und von isolierten, nicht vermischten verschiedenen Kul‐ turen ausgeht. Der Fokus der Jugendlichen, die ihre fotografischen Motive  selbst bestimmen konnten, lag auf einem statischen Verständnis von Kul‐ tur und Unterschieden zwischen der als eher traditionell markierten Her‐ kunftskultur und der moderneren deutschen Kultur. Trotz einer Einfüh‐ rung in künstlerische Fotografie und ihre vielfältigen Möglichkeiten, gän‐ gige Bilder zu durchbrechen produzierten die Jugendlichen eher klischee‐ hafte  Bilder, die  solche  Unterschiede  verstärkten und  den  Blick auf  ver‐ schränkte  oder  transformative  Perspektiven  erschwerten.  Für  eine  kriti‐ sche Auseinandersetzung mit den Fotos und mit der Ausstellung fehlten  der geeignete Rahmen und auch die Zeit. Die Fotografin empfand Unbe‐ hagen, fühlte sich jedoch nicht dazu befugt, die stark folkloristische Prä‐ sentation der „anderen Kultur“ zu hinterfragen, weil sie selbst nicht dieser  migrantischen  Community  angehörte  und  zu  wenig  über  deren  Her‐ kunftsland  wusste.  Sie  hätte  besser  bereits  vor  Beginn  der  Workshop‐  Arbeit mit der Migrantenselbstorganisation über ihre Bedenken zur the‐ matischen Vorgabe sprechen müssen resümierte die Fotografin. Und sie  hätte  während  des  Workshop‐Verlaufs  von  vorneherein  mehr  Zeit  und  Raum für reflexive Gespräche über die Fotoarbeit mit den teilnehmenden  Jugendlichen  einplanen  müssen.  Das  Setting  war  insgesamt  durch  die  Migrantenselbstorganisation, vertreten durch den permanent anwesenden  Sprachlehrkraft der Jugendlichen, geprägt. Für die Fotografin war es eine  Herausforderung, sich in diesem Kontext diversitätssensibel zu positionie‐ ren. 

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Diese drei Fallbeispiele aus der Praxis spiegeln exemplarisch die Hete‐ rogenität des Felds Offene Settings wider. Sie zeigen, wie die teilnehmen‐ den Kunst‐ und Kulturschaffenden zur Entwicklung einer reflexiven Hal‐ tung  herausgefordert  werden.  Um  sich  im  Feld  zu  positionieren,  unter‐ stützt ARTPAED diese Entwicklung: durch die Vermittlung von pädago‐ gischen  Kompetenzen,  durch  das  Einüben  in  kollegialer  Beratung,  mit  dem Angebot individueller Prozessbegleitung und schließlich durch das  Feedback auf die Präsentationen und schriftlichen Reflexionen der Pra‐ xisprojekte, die sowohl selbstreflexive als auch themen‐ bzw. problemfo‐ kussierte Elemente enthalten. 

2.2 

Gastbeiträge von Expert*innen 

Im folgenden abschließenden Abschnitt soll der Fokus auf ein weiteres re‐ flexives  Format  der  Weiterbildungsdidaktik  von  ARTPAED  gelegt  wer‐ den:  Gastbeiträge  von  Expert*innen  aus  dem  Feld  der  Offenen  Settings.  Innerhalb  des  didaktischen  Handelns  beantwortet  dieses  Format  Pro‐ grammplanungsfragen  von  Weiterbildung,  die  nicht  auf  der  konkrete  Lernprozesse strukturierenden Mikroebene und auch nicht auf der Mak‐ roebene,  sondern  auf  der  „mesodidaktischen“  (Reich‐Claassen/von  Hip‐ pel  2010:  1005)  Ebene  angesiedelt  sind:  an  welchen  Orten  für  welche   Adressat*innen und mit welchen Dozent*innen wird eine Weiterbildung  durchgeführt?  Gastbeiträge von Expert*innen werden bei ARTPAED sowohl an ex‐ ternen  Lernorten  als  auch  durch  Einladung  der  Expert*innen  an  einen  internen Weiterbildungsort durchgeführt. Der Besuch von externen Pra‐ xisorten der kulturellen Jugendbildung – unterschiedliche Jugendkultur‐/  Kunst‐  und  Freizeitzentren  –  hat  den  Vorteil,  dass  sie  einen  konkreten  Bezug zum Handlungsfeld der Offenen Settings herstellen: Den teilneh‐ menden  Kunst‐  und  Kulturschaffenden  bieten  sie  informelle  Kontakt‐ möglichkeiten zu möglichen Auftraggeber*innen und einen Einblick in  die Strukturen vor Ort.   Als Gastdozent*innen bei ARTPAED werden die nicht hauptamtlichen  Mitarbeitenden bezeichnet, die mehrstündige oder ganztägige Modulteile  bei ARTPAED übernehmen. Sie kommen aus den unterschiedlichen Praxis‐ 

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und Theoriefeldern der Offenen Settings: Sozialpädagog*innen und Sze‐ neangehörige (aus jugendkulturellen Szenen), Wissenschaftler*innen (u. a.  aus Pädagogik, Soziologie, Ethnologie, Stadtforschung) sowie Künstler*in‐ nen (mit langjähriger Erfahrung in der Kulturellen Bildung).  Die Vielfalt an Dozent*innen bietet den teilnehmenden Kunst‐ und Kul‐ turschaffenden  im  Fortbildungsverlauf  eine  Vielzahl  an  Identifikations‐  und  Reibungsflächen.  In  den  Weiterbildungsmodulen  von  ARTPAED  konnten  unterschiedliche  Interaktionen  zwischen  diesen  Dozentengrup‐ pen und Teilnehmenden beobachtet werden:12   Sozialpädagog*innen bzw. Jugendarbeiter*innen  Eine  für  pädagogische  Reflexionen  wichtige  Gruppe  an  Gastreferent*in‐ nen  kommt  aus  der  Sozialpädagogik  bzw.  Jugendarbeit  mit  dem  Fokus  Kulturarbeit. Ihre pädagogischen Grundsätze, insbesondere die Aufgabe,  Jugendlichen neue Horizonte zu eröffnen, werden von den teilnehmenden  Kunst‐ und Kulturschaffenden offen aufgenommen. Sie bieten allerdings  auch  Reibungsflächen,  z. B.  in  Diskussionen  darüber,  inwieweit  in  der  Kulturellen Bildung Anregung und Öffnung ausreichen oder ob es zu Ver‐ änderung oder gar Intervention bei den Adressat*innen kommen soll. Die  Kunst‐ und Kulturschaffenden sehen gesellschaftliche und politische The‐ men in ihrer kulturellen Bildungsarbeit eher implizit verhandelt und dis‐ kutieren kontrovers, ob und wie sie diese explizit machen wollen. Auto‐ nomes Handeln jenseits von extern vorgegebenen (Bildungs‐)Zielen und  Selbstbestimmung sehen viele eher in der Rolle als Künstler*in denn als  Pädagoge*in realisierbar.     

                                                            12   Die  wissenschaftliche  Begleitung  arbeitete  in  den  Weiterbildungsmodulen  mit  teilneh‐ mender Beobachtung im Sinne von ethnografischer Forschung; die für die vorliegende  Analyse  genutzten  exemplarischen  Szenen  stammen  aus  allen  drei  Weiterbildungs‐ durchgängen von ARTPAED 2015‐2017. Beim Erstellen der Feldprotokolle waren auch  die studentischen Mitarbeitenden Doerthe Bandt, Sinja Krüger und Paul Stenzel beteiligt. 

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Referent*innen mit wissenschaftlicher Positionierung  Vor  allem  Referent*innen  mit  wissenschaftlicher  Positionierung  bieten  Möglichkeiten, normative Setzungen der Kulturellen Bildung zu hinterfra‐ gen. Einerseits können sie explizit auf das „Normativitätsproblem“ als theo‐ retische Fragestellung in der Pädagogik verweisen oder auf die Transdis‐ ziplinarität  – und  damit  auch  die Heterogenität im Berufsethos der  ver‐ schiedensten in der Kulturellen Bildung beteiligten Akteure hinweisen; oft  bieten Gäste in ihrem Auftreten in der Weiterbildung aber auch ein Life‐ Modell  dafür,  wie  man  mit  allzu  dezidierten  Rollenerwartungen  und   ‐zuschreibungen  umgehen  kann:  den  reflexiven  Blick  auf  das  Feld  zu‐ rückwerfen,  statt  sich  vom  Handlungsdruck  überwältigen  zu  lassen.  Durch solche „strukturellen Doppeldecker“ ermöglicht es das Format, als  „Gastbeitrag“  (insbesondere  von  reflexiv  geschulten  Theoretiker*innen)  die vielfältigen Arbeitshaltungen in der Kulturellen Bildung offen und im  Spiel zu halten.  Gastbeiträge aus dem (Theorie‐)Feld der Stadtforschung und Ethnolo‐ gie eröffnen bei ARTPAED außerdem einen zusätzlichen Diskursraum, in  dem  sich  pädagogische  und  künstlerische  Ansätze  der  Offenen  Settings  treffen: Das Urbane Lernen ist ein relativ neues Praxisgebiet der Kulturel‐ len Bildung, in dem der sozialräumliche Ansatz der Sozialen Arbeit (hier  vor allem der Jugendarbeit), die Kunstproduktion im öffentlichen Raum  und  die  Stadtforschung  aufeinandertreffen.  Einige  Kunst‐  und  Kultur‐ schaffende  bei  ARTPAED  sehen  den  Begriff  des  Urbanen  Lernens  als  „Chance“, gerade da ihm bislang eine klare Definition fehlt: während Kul‐ turelle Bildung durch die Fokussierung auf meist eher jüngere Zielgrup‐ pen  und  institutionalisierte  Orte  abgesteckt  erscheint,  bietet  das  Urbane  Lernen  ein  offenes  Thema:  am  urbanen  Raum  haben  unterschiedliche  (auch ältere) Gruppen ein Interesse, sie partizipieren darin an vielfältigen,  auch weniger institutionalisierten Orten. Die Gastdozent*innen aus dem  Bereich Urbanes Lernen haben oft interdisziplinäre Berufsbiografien und  bieten  damit  den  Teilnehmenden  eine  Identifikationsfläche  im  „dritten  Raum“ jenseits von Kunst und Pädagogik.     

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Künstler*innen   Eine  ebenfalls  bedeutsame  Gruppe  an  Gastdozent*innen  bei  ARTPAED  sind  Künstler*innen  mit  langjähriger  Erfahrung  in  der  Kulturellen  Bil‐ dung. Diese Dozent*innen lösen selten Irritationen aus – vielleicht aus dem  einfachen Grund, dass sie demselben Milieu entstammen wie die teilneh‐ menden Kunst‐ und Kulturschaffenden, und dass innerhalb eines „geteil‐ ten“ sozialen Raums Kommunikationen einfacher zu bewerkstelligen ist  (Reich‐Claassen/von  Hippel  2010:  1011).  Bei  ARTPAED  bringt  diese  Gastdozentengruppe starke Anleitungspositionen ein, wie z. B. einen Fo‐ kus  auf  Authentizität  als  Person  oder  Singularität  ihrer  Positionen:  Ihr  Vermittlungsansatz in der Kulturelle Bildung setzt so manchmal explizit  auf Auseinandersetzung und Streit statt auf harmonisierende Glättung.  Jugendszeneakteure  In ihren Haltungen sehr aufschlussreich für die Teilnehmenden sind auch  die  Gastreferent*innen  aus  Jugendszenen:  Szenemitglieder,  die  sich  aus  den Peer‐to‐Peer‐Learning‐Prozessen heraus professionalisiert haben und  in  Kreativworkshops  nun zwischen  pädagogischem  Auftrag und  Szene‐ loyalität pendeln. Wie positionieren sie sich, um gleichzeitig Begeisterung  für Jugendszenen zu wecken, diesen aber auch nicht in allen Haltungen  und Praxen (ihren Machtstrukturen, z. B. Rassismen und [Gender‐]Diskri‐ minierungen) kritiklos gegenüberzustehen?  Insgesamt  bietet  das  Format  „Gastbeitrag“  in  der  Weiterbildung   ARTPAED den Teilnehmenden die Möglichkeit, sich durch Vergleich und  Reibung mit der eigenen Haltung auseinanderzusetzen. Von den Gastdo‐ zent*innen wird eine Vielfalt an Haltungen geboten, als Vorbild oder als  Abgrenzungsfläche.  Für  die  Programmgestaltung  der  Weiterbildung  ist  die  Arbeit  mit  Gastdozent*innen  auch  insofern  von  Vorteil,  als  dadurch  flexibel auf neue Feldentwicklungen reagiert werden kann: so hatten sich  in der Laufzeit der drei Erprobungsdurchgänge von ARTPAED, insbeson‐ dere nach dem Sommer der Migration 2015, sehr differenzierte Diskussio‐ nen  zum  Thema  „‚Arbeit  mit  Geflüchteten“  in  der  Kulturellen  Bildung 

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entwickelt;  diese  konnten  durch  einschlägig  qualifizierte  Gastdozent*in‐ nen aktuell in die Weiterbildung einbezogen werden.  Um  Kontroversen  und  Irritationen  als  Differenzerfahrungen  in  der  Weiterbildung auch nachhaltig produktiv werden zu lassen, benötigt das  Format des Gastbeitrags allerdings unbedingt eine Supportstruktur durch  eine  sensible  und  kontinuierliche  Kursleitung.  Durch  Versprachlichung  werden  die  Lernprozesse  reflexiv  und  insgesamt  nachhaltiger  (Schüßler  2008: 14f.). Dass die Gastbeiträge durch die Kursleitung moderiert werden,  ist umso wichtiger, da Gastdozent*innen zwar Expert*innen ihres jeweili‐ gen  Arbeitsgebiets,  aber  meist  keine  professionellen  Erwachsenenbild‐ ner*innen sind. Sie benötigen Unterstützung u. a. bei didaktischen Forma‐ ten,  der  Einschätzung  spezifischer  Gruppendynamiken  und  der  Ziel‐ gruppe.  Gastdozent*innen bei ARTPAED spiegeln die Heterogenität der Offe‐ nen  Settings  wider,  fordern  die  teilnehmenden  Kunst‐  und  Kulturschaf‐ fenden zur Entwicklung einer reflexiven Haltung heraus und sichern die  Anbindung  des  Weiterbildungskonzepts  an  aktuelle  Entwicklungen  im  Handlungsfeld. 

3  

Ausblick 

Offene Settings bergen aufgrund ihrer Heterogenität spezifische Potenzi‐ ale wie Herausforderungen. Für die Weiterbildung ARTPAED in der Kul‐ turellen Bildung bedeutet das, strukturell einen Fokus auf reflexive didak‐ tische Formate zu legen: in der Praxisbegleitung und durch die bewusste  Einbeziehung  von  unterschiedlichen  Akteuren  und  Gastdozent*innen.  Darüber  hinaus  spielen  die  biografische  Selbstreflexion  und  Diversity‐  Sensibilierung  eine  zentrale  Rolle  in  der  Weiterbildung,  beide  Aspekte  konnten hier jedoch nicht weiter vertieft werden.   Als  wesentliche  Qualifikation  nehmen  Kunst‐  und  Kulturschaffende  die  Fähigkeit  zur  reflexiven  Selbstpositionierung  mit,  die  sie  darin  be‐ stärkt,  gemäß  einem  situativen  Qualitätsverständnis  in  kollaborativen  Aushandlungsprozessen  mit  Jugendlichen  unterschiedliche  Formate  der  Kunst‐  und  Kulturvermittlung  zu  entwickeln  und  zu  realisieren.  In  den 

Kulturelle Bildung in Offenen Settings als reflexive Praxis  

 

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außerschulischen Offenen Settings kristallisiert sich in besonderem Maße  eine strukturelle Heterogenität heraus, die jedoch auch für andere Hand‐ lungsfelder  der  Kulturellen  Bildung  eine  zentrale  Herausforderung  dar‐ stellt. 

Literatur  Archiv  der  Jugendkulturen  e. V.  (o. J.):  Culture  on  the  Road  [www.jugendkulturen.de/  culture‐on‐the‐road.html, letzter Zugriff: 27.05.2017].  Bingel, Gabriele von/Nordmann, Anja/Münchmeier, Richard (Hrsg.) (2008): Die Gesellschaft  und  ihre  Jugend.  Strukturbedingungen  jugendlicher  Lebenslagen.  Opladen:  Barbara  Budrich.  Deinet, Ulrich (Hrsg.) (2009): Sozialräumliche Jugendarbeit. Grundlagen, Methoden, Praxis‐ konzepte. 3., überarb. Aufl. Wiesbaden: Springer VS.  Dressel, Diana (2016): Diskriminierungskritik in der Bildungsarbeit. Außerschulisches Ler‐ nen im Jüdischen Museum Berlin. In: Politisches Lernen, 3‐4, S. 27‐28.  Eberhard, Daniel Mark/Ruiele, Anna Magdalena (Hrsg.) (2013): Each One Teach One. Inklu‐ sion durch kulturelle Bildung im Kontext von Jugendszenen. Marburg: Tectum.  Honig, Michael‐Sebastian (2004): Auf dem Weg zu einem erfahrungswissenschaftlichen Qua‐ litätsbegriff in der Pädagogik. In: Ders./Joos, Magdalena/Schreiber, Norbert (2004): Was  ist ein guter Kindergarten? Theoretische und empirische Analysen zum Qualitätsbe‐ griff in der Pädagogik. Weinheim/München: Beltz Juventa, S. 17‐38.  Hurrelmann,  Klaus/Quenzel,  Gudrun  (2013):  Lebensphase  Jugend.  Eine  Einführung  in  die  sozialwissenschaftliche Jugendforschung. 12. Aufl. Weinheim/Basel: Beltz Juventa.  Josties, Elke (2008): Szeneorientierte Jugendkulturarbeit. Unkonventionelle Wege der Quali‐ fizierung Jugendlicher und junger Erwachsener. Ergebnisse einer empirischen Studie  aus Berlin. Berlin: Schibri.  Josties, Elke (2010): Jugendkulturarbeit. In: bpb (Bundeszentrale für Politische Bildung): Dos‐ sier  Kulturelle  Bildung.  Außerschulische  Kulturelle  Bildung.  Jugendkulturarbeit  [www.bpb.de/themen/VD9ZIC,0,Jugendkulturarbeit.html, letzter Zugriff: 22.10.2010].  Josties, Elke (2016): Kulturelle Bildung in Offenen Settings der Kinder‐ und Jugendarbeit. In:  Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW“ (Hrsg.): Werkbuch  07. Kulturelle Bildung in der offenen Kinder‐ und Jugendarbeit. Impulse für Profilbil‐ dung, Kooperationen und Projektentwicklung. Remscheid: Eigenverlag, S. 11‐18.  Josties,  Elke/Menrath,  Stefanie  Kiwi  (2017):  Künstlerische  Vermittlung  in  Offenen  Settings  der  Kulturellen  Jugendbildung.  In:  Kettel,  Joachim  (Hrsg.):  The  Missing  Link.  Über‐ gangsformen  von  Kunst  und  Pädagogik  in  der  Kulturellen  Bildung.  Oberhausen:  Athena, S. 361‐378.   Krinninger,  Dominik/Schubert,  Volker  (2009):  Raum  als  Dimension  und  Medium  von  Bil‐ dung.  In:  Gaedtke‐Eckardt,  Dagmar‐Beatrice/Kohn,  Friederike/Krinninger,  Dominik/  Schubert, Volker/Siebner, Blanka Sophie (Hrsg.) (2009): Raum‐Bildung: Perspektiven. 

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Elke Josties, Stefanie Kiwi Menrath und Kristin Werschnitzke 

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„d.art“  Pädagogische Weiterbildung vom  Standpunkt der Kunst‐ und Kulturschaffenden    Joachim Ludwig, Henry Utech und Markus Tasch         

1  

Bildungsverständnis und Leitideen   der Weiterbildung „d.art“ 

Das  Projekt  „d.art“  umfasste  zwei  Teilprojekte:  erstens  die  Entwicklung  eines  Konzepts  für  die  pädagogische  Weiterbildung  von  Kunstschaffen‐ den und zweitens die Evaluation der Bildungs‐ und Lernprozesse, welche  die Kunstschaffenden im Verlauf der Weiterbildung durchliefen.  Die pädagogische Weiterbildung „d.art“ soll die Kunstschaffenden be‐ fähigen, ästhetische Bildungsprojekte durchzuführen. Da der Begriff Kul‐ turelle Bildung unbestimmt ist und für uns ästhetische Erlebnisse und Er‐ fahrungen den Ausgangspunkt der Bildungsprojekte darstellen, sprechen  wir im Folgenden von ästhetischer Bildung und ästhetischen Bildungsprojek‐ ten. Die Weiterbildung „d.art“ zielt erstens auf die Ausbildung einer pä‐ dagogischen  Beziehungskompetenz.  Zweitens  fokussierten  wir  in  der  Weiterbildung den schulischen Bereich der Ganztagsschule. Wir reflektier‐ ten die institutionellen Umstände der Schule, d. h. zeitliche und räumliche  Umstände, Machtstrukturen, Lehr‐ und Lernkulturen wie auch finanzielle  Voraussetzungen und nicht zuletzt die Lebenswelt der 8‐ bis 15‐Jährigen,  welche die Teilnehmenden der von den Kunstschaffenden durchgeführten  ästhetischen Bildungsprojekte waren.  Die von den Kunstschaffenden geplanten ästhetischen Bildungsprojekte  sollten die Lebenswelt der Jugendlichen aufgreifen, den Schüler*innen neue  © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Keuchel und B. Werker (Hrsg.), Künstlerisch-pädagogische Weiterbildungen für Kunst- und Kulturschaffende, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20711-3_10

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Joachim Ludwig, Henry Utech und Markus Tasch 

Perspektiven auf ihre Lebenswelt eröffnen und die Routinen und Selbst‐ verständlichkeiten des Alltags „entselbstverständlichen“. Die ästhetischen  Bildungsprojekte sollten den Schüler*innen durch künstlerisches Schaffen  ihre eigene Lebenswelt im neuen Licht ästhetisch erfahren lassen.  Die  Weiterbildung  spricht  Kunst‐  und  Kulturschaffende  aller  Kunst‐ sparten an. Die Teilnehmenden der Weiterbildung „d.art“ kamen aus ver‐ schiedenen Darstellenden und Bildenden Künsten.   Kunstschaffende  kommen  mit  ganz  unterschiedlichen  Vorstellungen  über das Verhältnis von Kunst und Pädagogik in die Weiterbildung. Sie  haben in der Regel eine künstlerische Ausbildung und jahrelange Erfah‐ rungen  als  Kunstschaffende.  Hinsichtlich  pädagogischer  Vorstellungen  und Konzepte brachten die Teilnehmenden ganz überwiegend Erfahrun‐ gen in der Rolle als Schüler*innen oder Studierende mit, aber weniger ei‐ gene Erfahrungen als Lehrende. Dies war den Projektumständen geschul‐ det: als Zielgruppe waren nur Kunstschaffende ohne pädagogische Aus‐ bildung zugelassen.  Im Rahmen der Evaluationsuntersuchung haben wir für diese Gruppe  der  Kunstschaffenden  drei  typische  pädagogische  Bedeutungs‐  und  Be‐ gründungs‐zusammenhänge  rekonstruiert,  die  deren  künstlerisch‐päda‐ gogischen Positionierungen deutlich machen (vgl. Ittner/Ludwig 2018):    1) Die sinnlich‐diskursive Bedeutungsstruktur beschreibt das Span‐ nungsverhältnis zwischen einer Initiierung selbstzweckhafter ästhe‐ tischer Erlebnisse bei Schüler*innen einerseits und einer diskursiven  Reflexion der Lebenswelt durch alle Beteiligten andererseits.  2) Die gegenständlich‐operative Bedeutungsstruktur beschreibt die  Spannung zwischen der Gebundenheit an die Anforderungen und  die Qualitätsmaßstäbe der Kunst einerseits und die Offenheit für die  lebensweltlichen Bezüge der Schüler*innen andererseits.  3) Die Bedeutungsstruktur Gewissheit‐Kontingenz bezeichnet die  Spannung zwischen einem Wissen um notwendige pädagogische  Abfolgen und Handlungsweisen einerseits und dem Wissen um  Kontingenz, Offenheit, Widersprüchlichkeit pädagogischen Han‐ delns andererseits. 

„d.art“

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Innerhalb  der  Spannungsverhältnisse  dieser  drei  Bedeutungsstrukturen  positionieren sich Kunstschaffende in ihrem künstlerisch‐pädagogischen  Denken. Die Positionierungen liegen mehr oder weniger nahe an dem ei‐ nen oder dem anderen Pol. Transformationen der zu Beginn der Weiter‐ bildung vorhandenen künstlerisch‐pädagogischen Bedeutungs‐ bzw. Be‐ gründungszusammenhänge stellen sich als Transformation der einzelnen  Positionierungen dar. Die Kenntnis dieser Positionierungen hilft Weiter‐ bildner*innen, sich für die typischen künstlerisch‐pädagogischen Bedeu‐ tungen und Handlungsbegründungen zu sensibilisieren, um deren Trans‐ formationsprozesse zu reflektieren und unterstützen zu können.  Die drei Bedeutungsstrukturen weisen auf die Tiefe der Lern‐ und Bil‐ dungsprozesse bei den Kunstschaffenden hin und damit auf deren Identi‐ tätsrelevanz. Beispielsweise ist es für Kunstschaffende nicht einfach, ihre  durch Expertise begründeten Anforderungen an ihre künstlerische Tätig‐ keit gegenüber lebensweltlichen Ausdrucksanliegen der Jugendlichen zu‐ rückzunehmen. Kunst‐ und Kulturschaffende stehen manchmal vor einem  biografischen Umbruch und suchen Orientierung in der neuen Rolle als  künstlerisch‐pädagogisch  Handelnde  im  Kontext  Schule.  „Ich  bin  als  Künstler gescheitert“, sagte ein Teilnehmer zu Beginn der Weiterbildung  in seiner künstlerischen Selbstvorstellung. Aus der erwachsenenpädago‐ gischen  Lern‐  und  Professionsforschung  geht  hervor,  dass  die  Reflexion  der eigenen Biografie entscheidend ist, wenn es darum geht, sich auf Ver‐ mittlungsprozesse  und  auf  den  Bildungsgedanken  einzulassen.  Eigene  künstlerische  Tätigkeiten  und  biografische  Erfahrungen  mit  pädagogi‐ schem  Handeln,  wie  z. B.  in  der  Schule,  Universität  oder  Berufsausbil‐ dung, sind zentrale Bezugspunkte für die künstlerisch‐pädagogische Po‐ sitionierung und für die Ausgestaltung der neuen Rolle.  Die Weiterbildung von Kunstschaffenden berührt andererseits grund‐ legende Fragen des Verhältnisses von Kunst und Bildung. Dazu gehört die  Frage  nach  dem  Verhältnis  von  ästhetischem  Erlebnis  in  der  Kunst  und  dessen  begrifflicher  Reflexion.  Wie  ist  dieses  Verhältnis  zu  bestimmen,  ohne die Komplexität und Besonderheit des Kunsterlebnisses zu zerstören  und  gleichzeitig  eine  verallgemeinernde  Erfahrung  zu  gewinnen?  Wie 

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Joachim Ludwig, Henry Utech und Markus Tasch 

sind ästhetische Erfahrungen möglich, die im Alltag oder in diskursiven  Bildungsprozessen nur schwer gegeben sind (vgl. Mollenhauer 1996)?  Kunst bietet die Möglichkeit ästhetischen Erlebens und ästhetischer Er‐ fahrung  als  Reflexion  des  Erlebten.  Dies  haben  die  Kunstschaffenden  durch  ihre  eigene  künstlerische  Praxis  vielfach  selbst  erlebt.  In  dieser  künstlerischen Praxis sind sie Expert*innen, nicht aber in der Vermittlung  dieses Verhältnisses von ästhetischer Idee, ästhetischem Ereignis und des‐ sen Reflexion, wie es der Anspruch ästhetischer Bildung ist (vgl. Ludwig  2017). Damit ist die Stelle benannt, an der die pädagogische Weiterbildung  „d.art“ ihr eigenes Verständnis von Lernen und ästhetischer Bildung dar‐ zulegen hat. Damit wären die zwei zentralen Ausgangspunkte der Weiter‐ bildung  gekennzeichnet:  die  künstlerisch‐pädagogischen  Bedeutungs‐  bzw.  Begründungszusammenhänge  der  teilnehmenden  Kunstschaffen‐ den,  an  denen  sich  jede  Weiterbildung  zu  orientieren  hat,  und  das  Bil‐ dungsverständnis, das im Weiterbildungsangebot „d.art“ zum Ausdruck  kommt.  Bildung verstehen wir als Selbst‐ und Fremdverständigung des Men‐ schen  mit  sich  und  seiner  gesellschaftlichen  Umwelt.  Diese  Verständi‐ gungsprozesse werden immer dann erforderlich, wenn die gegebenen ei‐ genen  Bedeutungshorizonte  für  eine  Verständigung  nicht  mehr  ausrei‐ chen (vgl. Ludwig 2006 und 2014a). Kunstschaffende, die eine pädagogi‐ sche Weiterbildung besuchen, möchten ganz überwiegend ihre vorhande‐ nen  pädagogischen  Bedeutungshorizonte  so  weiterentwickeln,  dass  sie  sich in Projekten ästhetischer Bildung handlungsfähiger fühlen. Bildungs‐ prozesse  sind  so  gesehen  immer  Selbstbildungsprozesse,  weil  sie  der  Mensch nur an sich selbst vollziehen kann. Niemand kann gebildet wer‐ den. Dieses Bildungsverständnis setzt sich im Begriff der ästhetischen Bil‐ dung  fort.  Unter  ästhetischer  Bildung  verstehen  wir  im  Anschluss  an  Eckart Liebau und Jörg Zirfas (2008: 11) „diejenigen Prozesse und Resul‐ tate  von  reflexiven  und  sehr  informativen  Praxen  […],  die  sich  aus  der  Auseinandersetzung mit Kunstvermittlern und aus ästhetisch qualifizier‐ ten Gegenständen und Formen ergeben.“ Aus der Perspektive der sich bil‐ denden Menschen formuliert: Ästhetische Bildung umfasst die „Lern‐ und  Auseinandersetzungsprozesse des Menschen mit sich, seiner Umwelt und 

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der  Gesellschaft  im  Medium  der  Künste  und  ihrer  Hervorbringungen“  (Ermert 2008: 7).  Weil der Ausgangspunkt für Lern‐ und Bildungsprozesse regelmäßig  eine  eingeschränkte  Denk‐  und  Handlungsfähigkeit  des  Menschen  ist,  sollte diese Handlungsproblematik auch den Ausgangspunkt für das pä‐ dagogische Arbeitsbündnis darstellen. Dies ist eine zentrale Leitidee des  Weiterbildungskonzepts: Es orientiert sich an den künstlerisch‐pädagogi‐ schen Standpunkten entlang der drei Bedeutungsstrukturen und den mit  diesen Standpunkten verbundenen Irritationen und Handlungsproblema‐ tiken. Sie bilden den Ausgangspunkt der gemeinsamen Arbeit und Refle‐ xion  der  verschiedenen  künstlerisch‐pädagogischen  Selbstverständnisse  und nicht die Vermittlungsanliegen der Weiterbildner*innen. Wir wollen  keine Antworten auf nicht gestellte Fragen geben. Wir haben aber ande‐ rerseits  auch  ein  Vermittlungsanliegen:  Es  besteht  darin,  dass  sich  die  Kunstschaffenden über ihre eigenen künstlerisch‐pädagogischen Positio‐ nen, d. h. über ihr Selbstverständnis bewusster werden und dass sie Wege  finden, mit der prinzipiellen Nichtsteuerbarkeit und Widersprüchlichkeit  pädagogischer  Prozesse  umzugehen.  Dieses  Vermittlungsanliegen  stellt  eine  identitätsrelevante  Reflexions‐  und  Lernanforderung  dar,  die  von  Kunstschaffenden deshalb auch ganz oder teilweise zurückgewiesen wird.  In diesen Fällen ist die aktuelle Irritation durch die eingeschränkte Hand‐ lungsfähigkeit in pädagogischen Handlungssituationen weniger groß als  die durch deren Reflexion und den Lernprozess erwartete Irritation. Die  Bildungs‐ und Lernprozesse in der Weiterbildung stehen, neben der aktu‐ ellen Lehr‐, Lernsituation als Lernkontext, in einem engen biografischen  Bezug.  Ob und  wie  jemand  lernt, steht  im  Kontext seiner  Biografie,  ein‐ schließlich  der  sie  rahmenden  Lebenslage  und  sozialen  Position  (vgl.  Holzkamp 1993: 263ff.).  Die Kunstschaffenden erleben auf diese Weise in der Weiterbildung ei‐ gene Widerstände und Lerninteressen im Spannungsfeld von Fremd‐ und  Selbststeuerung.  Sie  sind  aufgefordert,  das  Verhältnis  von  Fremd‐  und  Selbststeuerung nicht nur in den pädagogischen Fragestellungen ihrer ge‐ planten  ästhetischen  Bildungsprojekte  zu  reflektieren,  sondern  auch 

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entlang ihres eigenen lernenden bzw. lernwiderständigen Zugangs dazu  in der Weiterbildung.  Die Weiterbildung soll erstens eine inhaltlich‐thematische Lernleistung  unterstützen,  die  sich  auf  die  Gestaltung  der  ästhetischen  Bildungspro‐ jekte richtet und in diesem Zusammenhang das eigene künstlerisch‐päda‐ gogische Selbstverständnis hinterfragt. Zweitens soll sie auf der Prozess‐ ebene die Reflexion des eigenen Lernens der Kunstschaffenden anregen,  damit die Kunstschaffenden selbst empfinden und erfahren können, wie  sich Bildungsprozesse als Selbst‐ und Fremdverständigungsprozesse an‐ fühlen, die  sie  ihrerseits  in  ihren  Kunstprojekten  von  den Schüler*innen  erwarten. Die Erwartungen, die mit der Weiterbildung an die Kunstschaf‐ fenden gestellt werden, umfassen demnach anspruchsvolle und in der bis‐ herigen Lernbiografie meist unbekannte Reflexionsleistungen, die in zwei  Richtungen  gehen:  Erstens  in  Richtung  einer  Reflexion  des  zukünftigen  Lehr‐/Lernverhältnisses im ästhetischen Bildungsprojekt und zweitens in  Richtung einer Reflexion des selbst erfahrenen Lehr‐ bzw. Lernverhältnis‐ ses in der Weiterbildung. 



Unser Vermittlungsanspruch: Die Entwicklung eines  künstlerisch‐pädagogischen Selbstverständnisses 

Wir  forcieren  mit  der  Weiterbildung  die  Entwicklung  eines  künstlerisch‐  pädagogischen  Selbstverständnisses,  mit  dem  entlang  der  Spannungsver‐ hältnisse auf der pädagogischen Beziehungsebene begründete Entscheidun‐ gen getroffen werden können. Wir möchten Kunst‐ und Kulturschaffende  so  unterstützen,  dass  sie  die  prinzipielle  Nichtsteuerbarkeit  und  Wider‐ sprüchlichkeit pädagogischer Prozesse für die Unterstützung von Selbst‐ bildungsprozessen  nutzen  können.  Unser  Vermittlungsanliegen  war  es,  deutlich zu machen, dass es keine für alle pädagogischen Situationen gül‐ tige pädagogische Handlungsweise gibt. Pädagogisches Handeln verlangt  vielmehr eine permanente Selbst‐ und Fremdverständigung der künstle‐ risch‐pädagogisch  Handelnden  über  das  pädagogische  Arbeitsbündnis.  Aufgabe  der  Kunstschaffenden  ist  es,  die  Sinnfiguren  der  Jugendlichen  immer  wieder  neu  zu  verstehen  und  das  Arbeitsbündnis  entsprechend 

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auszurichten. Das hermeneutische Potenzial für das Verstehen der Situa‐ tion besteht aus Einfühlungsvermögen in die Besonderheit der Situation  und dem beschriebenen Hintergrundwissen, das die Identifikation der all‐ gemeinen Strukturen im besonderen Fall erlaubt und in der Weiterbildung  in Form der klassischen pädagogischen Antinomien angeboten wird (vgl.  Helsper 1996).   Bildungsarbeit in und mit Gruppen stellt spezifische Herausforderun‐ gen. Werden sie ignoriert, kann ästhetische Bildung scheitern. Die Weiter‐ bildung „d.art“ konzentriert sich deshalb auf die pädagogische Beziehung,  die  wir  entlang  pädagogischer  Spannungsverhältnisse,  wie  z. B.  Interes‐ sen, Vertrauen, Macht, Nähe/Distanz, fassen (vgl. ebd. 2000).  Die pädagogische Weiterbildung „d.art“ ist ausdrücklich keine Weiter‐ bildung zum*r Pädagogen*in. Künstler*innen bleiben hier Künstler*innen,  die einen eigenen pädagogischen Standpunkt finden. Die Künstler*innen  sollen die Möglichkeit zur individuellen Selbstverständigung auf der pä‐ dagogischen Beziehungsebene  bekommen.  Insbesondere  der  Aspekt  der  konkreten  Inhaltsaufbereitung  und  Vermittlung  aus  methodischer  Sicht  wird  hier gerade  nicht  bearbeitet.  Er soll durch  künstlerisch‐ästhetisches  Tun und Forschen realisiert werden. Deshalb kann auf die entsprechenden  pädagogischen  Praktiken  und  eine  spezifische  Didaktik  verzichtet  wer‐ den. Dort, wo sonst die Methoden stehen, stehen bei uns die ästhetischen  Angebote der Künstler*innen als ein spezifischer Weltzugang. Sie ergeben  eine je individuelle künstlerisch‐ästhetische Didaktik, die sich von Künst‐ ler*in zu Künstler*in unterscheidet und einzigartig ist. Wir gehen in der  Weiterbildung  davon  aus,  dass  der  künstlerische  Prozess,  in  dem  die  Künstler*innen  Expert*innen  sind,  die  zentrale  methodische  Grundlage  für den Bildungsprozess der Schüler*innen ist. Die Künstler*innen vermit‐ teln  ein  Erkenntnisverfahren  und  einen  spezifischen  Weltzugang,  doch  erst die Schüler*innen selbst schaffen die Erkenntnisse im Projekt.  Detailliertere  Beschreibungen  zur  Weiterbildung  und  ihren  didakti‐ schen Begründungen finden sich als Videocast und Konzeptband auf der  Homepage.1                                                              1    Siehe www.uni‐potsdam.de/dart/index.html, letzter Zugriff: 17.12.2017. 

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Der Ablauf der Weiterbildung 

Im nachfolgenden Kapitel erläutern wir, wie die Weiterbildung gestaltet  worden ist. Die Weiterbildung besteht aus drei mehrtägigen Workshops  (insgesamt zehn Tage) sowie zwei Praxistagen an Schulen zwischen den  Workshops. In der Zeit zwischen Workshops und Praxistagen werden die  Teilnehmer*innen  darüber  hinaus  individuell  in  ihrem  Lernprozess  be‐ gleitet und beraten. 

3.1   Die drei Workshops  Im  Auftaktworkshop (fünf  Tage)  schauen  die  Künstler*innen  auf die  ei‐ gene Biografie und berufliche Praxis zurück und auf das erste Praxispro‐ jekt voraus. Der Auftaktworkshop bearbeitet den Eintritt der Künstler*in‐ nen in das pädagogische Handlungsfeld Schule. Demnach besteht die An‐ forderung an die Künstler*innen das Verhältnis zwischen ihrer bisherigen  Beschäftigung mit der eigenen Kunst und die zukünftige Arbeit mit den  Schüler*innen  als  eine  pädagogische  Beziehung  kennenzulernen.  Dabei  rückt die Frage ins Zentrum, was pädagogisches Handeln eigentlich aus‐ zeichnet. Im ersten Workshop steht deshalb die Entwicklung des eigenen  Kunstprojekts  in  einer  Ganztagsschule  im  Vordergrund.  In  mehreren  Schritten nähern sich die Künstler*innen dieser Praxisphase an. Dabei um‐ kreisen sie die Frage, was ihr künstlerisches Selbstverständnis ist und wel‐ ches Bildungspotenzial hier enthalten ist, welche Ziele sie mit dem Projekt  verfolgen und wie sich ihre eigenen Vorstellungen mit den Interessen der  Schüler*innen verbinden lassen.  Am  ersten  Tag  wird  die  Weiterbildungskonzeption  vorgestellt  sowie  mit der Arbeit an der sogenannten Lernfigur begonnen. Hierbei treten die  in der Biografie erfahrenen Vorstellungen von Pädagogik in den Vorder‐ grund.  Am  zweiten  Tag  stellen  sich  die  Künstler*innen  gegenseitig  als  Künstler*innen  vor  (Themenfeld  I)  und  wenden  sich  danach  ihrem  Bil‐ dungsverständnis  und  ihrer  Projektidee  zu.  Entlang  der  Fragen,  was   Bildung, Kulturelle Bildung und ästhetische Wahrnehmung im Projekt be‐ deuten kann (Themenfeld II), nähern sie sich diesem multiplen Aspekt pä‐ dagogischen  Handelns.  Am  Vormittag  des  dritten  Tages  werden  das 

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Themenfeld IV bearbeitet und eine Projektschule besucht. Dort erkunden  die Künstler*innen den Ort des ersten Projekttages. Es gilt, ein „Feeling“  für die Schulatmosphäre zu bekommen, die Schüler*innen und Lehrer*in‐ nen kennenzulernen und den Projekttag vorzubereiten. Am Ende des drit‐ ten Tages wird die Frage nach der Projektplanung thematisiert. Hier wird  zuerst geklärt, wie das Projekt aufgebaut sein kann, entlang welcher Pha‐ sen  es  vollzogen  wird  und  wie  eine  typische  Anfangssituation  gestaltet  werden kann. Damit wird am dritten Tag die Grundlage für eine ausführ‐ liche Projektskizze gelegt. Die Projektplanung umfasst auch den gesamten  vierten  Tag.  Am  Abschlusstag  stehen  die  sogenannten  Spannungsfäden  im Vordergrund (Themenfeld III). Hier geht es darum, die verschiedenen  Antinomien  kennenzulernen,  die  pädagogisches  Handeln  auszeichnen  (vgl. ebd. 2002). Entlang dieser Heuristik sollen die Künstler*innen in der  Weiterbildung ihr eigenes Handeln im Projekt reflektieren und begründen  können.  Nach dem Auftaktworkshop findet der erste Praxistag statt. Die Künst‐ ler*innen erproben nun ihr zuvor geplantes Projekt an einem Gymnasium  und haben die Möglichkeiten, diese eindrücklichen Erfahrungen in einer  individuellen Beratung durch die Lernprozessbegleitung zu reflektieren.  Nach  dieser  ersten  Praxisphase  wird  der  Zwischenworkshop  (zwei  Tage) angeboten. Er ist der Sattelpunkt der Weiterbildung. Hier laufen die  Fäden der einzelnen Lernprozesse der Teilnehmenden, wie sie bereits in  der  Lernprozessbegleitung  angeklungen  sind,  im  Workshop  wieder  zu‐ sammen. Nach den Erfahrungen des Praxistages ist die Anforderung der  Weiterbildung, gegenüber den anderen Kunstschaffenden den eigenen pä‐ dagogischen Blick zu beschreiben und zu reflektieren. Um diese Reflexion  zu unterstützen, geht es auf der Angebotsseite darum, in das gruppenför‐ mige  Format  einer  VIVA‐Fallberatung  einzutreten.  Die  VIVA‐Fallbera‐ tung  ist  ein  rekonstruktives  pädagogisches  Beratungsformat  und  eignet  sich  für  Lernberatungs‐  und  Lernbegleitungsprozesse  in  Gruppen,  aber  auch  im  Zweiergespräch  (vgl.  Ludwig  2014b  u.  2012b).  Dazu  bedarf  es  konkreter Praxisfälle und Handlungsproblematiken. Konkret geht es da‐ rum, die individuellen Erfahrungen und Lernprojekte in die Öffentlichkeit  des Workshops zurückzuholen, um im Sinne des Lernens aus Differenzen 

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auch den anderen Teilnehmenden die Gelegenheit zu geben, die Erfahrun‐ gen  der  Kolleg*innen  für  sich  selbst  nutzen  zu  können.  Darüber  hinaus  wird in diesem Workshop auch auf den zweiten Praxistag vorausgeblickt.  Dieser  Praxistag  ist  vorzubereiten  und  die  Erfahrungen  aus  dem  ersten  Praxistag ebenfalls zur Verbesserung der eigenen Planung einzubeziehen.  Nun folgt die zweite Praxisphase, in der die Künstler*innen ihr modi‐ fiziertes Projekt an einer anderen Schulform wiederholen können. Auch in  dieser Zeit steht ihnen vor und nach dem Praxistag zur Reflexion des Pro‐ jekts die Lernprozessbegleitung zur Verfügung.  Der „Abschluss‐Workshop“ (drei Tage) reflektiert die Erfahrungen des  zweiten Praxistages und fasst die gewonnenen Erkenntnisse der Teilneh‐ menden  während  der  Weiterbildung  zusammen.  Der  Workshop  findet  nach  dem  zweiten  Praxistag  statt.  Gerade  die  ausgedehnte  Länge  der  „d.art“‐Weiterbildung  sichert  das  Verhältnis  von  Selbstverständigungs‐ prozessen der Teilnehmenden einerseits und der Umsetzung in die Praxis  andererseits. Auf ihrer ganz eigenen Bildungsreise sammelten die Teilneh‐ mer*innen zahlreiche  Erfahrungen,  haben  ein  Praxisprojekt  geplant  und  zweimal erprobt, haben sehr intensiv an ihrem pädagogischen Selbstver‐ ständnis gearbeitet (vgl. „Lernbegleitung“, Kap. 4.2) und sich mit zahlrei‐ chen  Aspekten  des  pädagogischen  Handelns  auseinandergesetzt  (vgl.  „Themenfelder“,  Kap.  4.1).  Weil  das  Weiterbildungsprojekt  für  die  Gruppe an dieser Stelle ein Ende nimmt, ist es wichtig, dass sich die ver‐ schiedenen  inhaltlichen  Klammern  der  Weiterbildung,  die  in  den  ersten  beiden  Workshops  geöffnet  wurden,  auch  wieder  schließen.  Das  eigene  Lernprojekt soll zum Ende gebracht werden, obgleich das Lernen im An‐ schluss  an  die  Weiterbildung  selbstverständlich  weitergehen  wird.  Die  Teilnehmenden sollen sich erstens im Abschluss‐Workshop ihrer Lernpro‐ zesse vergewissern. Zweitens sollen sie offene Fragen, an denen Interesse  zur Weiterarbeit besteht, mit nach Hause nehmen; und es soll nicht zuletzt  gefeiert werden, dass man ein Praxisprojekt zweimal erfolgreich absolviert  hat. Für all diese Anstrengungen erhalten die Teilnehmer*innen ein Zerti‐ fikat. Aber nicht nur der soziale Aspekt der Weiterbildung ist von außer‐ ordentlicher Wichtigkeit. Die Gruppe ist an dieser Stelle der Weiterbildung  stark  zusammengewachsen.  Interessengruppen,  Freundschaften  und 

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Beziehungen haben sich ergeben, die weit über diese Weiterbildung hin‐ ausreichen.  Es  entstand  beispielsweise  das  Netzwerk  „Kunst‐bewegt‐  Bildung“2. 

3.2   Die Praxistage  Die beiden Praxistage erfolgen nach Möglichkeit einige Wochen nach den  jeweiligen Workshops (Auftakt‐ und Zwischenworkshop) in einer Ganz‐ tagsschule. Im Idealfall finden die beiden Praxistage an unterschiedlichen  Schultypen (z. B. Gymnasium und Gesamtschule) statt, damit die Künst‐ ler*innen die Chance erhalten, unterschiedliche Schulkulturen und ‐formen  kennenzulernen  und  vergleichen  zu  können.  Der  Projekttag  mit  den  Künstler*innen ist für die Schulen ein großes Ereignis und mit einem ho‐ hen organisatorischen Aufwand verknüpft. Am Projekttag selbst kommen  dann die Künstler*innen noch vor Schulbeginn in die Schule und bereiten  ihren Raum vor. Die eigentliche Projektzeit war auf 09:00 bis 14:00 Uhr be‐ grenzt. Somit hatten die Künstler*innen ausgesprochen wenig Zeit, um die  oftmals sehr kompakten Projekte durchzuführen. Doch mehr Zeit steht im  Schulkontext  in  der  Regel  auch  nicht  zur  Verfügung,  sodass  die  Künst‐ ler*innen wertvolle Erfahrungen über die Rhythmisierung des Alltags in  der Institution Schule sammeln konnten. Die Projekttage müssen nicht im  laufenden  Schulbetrieb  stattfinden.  Auf  diese  Weise  steht  mehr  Zeit  für  Projekte zur Verfügung. Im direkten Anschluss an das Projekt erfolgt eine  kurze Auswertungsrunde, in der die Künstler*innen sich über das Erlebte  verständigen können. Hierbei ist es wichtig, die Erfahrungen des Tages als  wertvollen Schatz für den Weiterbildungszusammenhang individuell zu  dokumentieren. Dazu leiten die Dozent*innen eine einstündige Diskussi‐ onsrunde noch an der Schule, in der Künstler*innen ihre wesentlichen Ein‐ drücke beschreiben und diese im Lerntagebuch festhalten. Außerdem ist  es für die Künstler*innen wertvoll, in dieser Runde die Erfahrungen der  Kolleg*innen wahrzunehmen. Gerade für das Gruppen‐ und Zusammen‐ gehörigkeitsgefühl war es von hohem Wert, dass die Künstler*innen ge‐ meinsam an einer Schule arbeiteten.                                                              2   Siehe www.kunstbewegtbildung.de, letzter Zugriff: 17.12.2017. 

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3.3   Die Beratungsphase  Die Beratungsphase liegt zwischen den Workshops und ist eng mit dem  Praxistag und den dort gemachten Erfahrungen verbunden. Sie wird von  uns als sogenannte Lernprozessbegleitung (LPB) verstanden und nimmt  als zweite Säule der „d.art“‐Weiterbildung neben den Workshops die zent‐ rale  didaktische  Position  ein.  Die  Lernprozessbegleitung  bildet  folglich  das „Herzstück“  der  Weiterbildung,  weil  hier die Lernprozesse aus  den  Workshops und den Praxisprojekten vom Standpunkt der Teilnehmenden  zusammengeführt werden können. Die Künstler*innen werden durch die  Lernprozessbegleitung unterstützt, sich selbst und die Welt in einer erwei‐ terten  Sichtweise  zu  verstehen  (vgl.  Ludwig  2016).  Mit  der  LPB  soll  ein  Bildungsprozess in Gang gebracht werden. Die individuellen Gespräche  in der LPB bieten die Möglichkeit, auf die Interessen und Lernhindernisse  so einzugehen, wie es im regulären Geschehen des Workshops nur sehr  eingeschränkt möglich ist. Die Einzelgespräche der LPB bieten einen ge‐ schützten Raum, die jeweils individuellen Lernproblematiken intensiver  zu reflektieren und einen eigenen Lernfokus zu setzen. So können die ei‐ genen  Lerninteressen  und  ‐schwierigkeiten  als  Ausgangspunkt  für  das  Lernen in der gesamten Weiterbildung verfügbar gemacht und deren Po‐ tenziale und Widerstände genutzt werden. Das Prinzip der rekonstrukti‐ ven pädagogischen Beratung (vgl. Ludwig 2014b) innerhalb der Lernpro‐ zessbegleitung ist nicht, die „Psyche“ oder „Persönlichkeitsstruktur“ des  Teilnehmenden  zu  verstehen  und  in  den  Mittelpunkt  des  Beratungsge‐ sprächs zu stellen. Erstes Ziel ist vielmehr, die jeweilige soziale Lernsitua‐ tion der Weiterbildung und der in ihr wirkenden Handlungs‐ und Lern‐ begründungen der Lernenden zu rekonstruieren und dem Ratsuchenden  verfügbar  zu  machen.  Die  Lernprozessbegleitung  erhält  genaueren  Ein‐ blick in die Begründungsstrukturen der Teilnehmenden und kann so – ge‐ rade auch auf der Workshop‐Ebene – den inhaltlichen Vermittlungspro‐ zess auf die subjektiven Interessen beziehen. Für die Teilnehmenden ent‐ stehen Lerneffekte, die in der Vielfalt der durch die Beratung eingebrachten  Sichtweisen und Interpretationsangebote liegen. Daraus können sie Strate‐ gien für die Bewältigung der eigenen Handlungs‐ und Lernproblematik ab‐ leiten  und  einen  weiteren  Lernweg  wählen.  Je  nach  dem  individuellen 

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Bedarf  der  Künstler*innen  finden  die  Gespräche  zur  Lernprozessbeglei‐ tung als Telefonat oder in direktem Kontakt in den Praxisphasen statt. Die  Teilnehmenden können so oft sie wollen eine Beratung nutzen. Die Frage  nach  einer  angemessenen  Beratungssituation  ist  dabei  sehr  wesentlich.  Hierbei geht es auch darum zu bestimmen, wie eine solches Beratungsset‐ ting strukturiert sein muss, um die nötige Distanz zu den reflektierten As‐ pekten der Lernprozessbegleitung zu schaffen (vgl. Ludwig 2012a). 

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Inhalte und Formate 

Die pädagogische Weiterbildung umfasst zwei Perspektiven und didakti‐ sche Bewegungen. Die erste Perspektive ist die des Lehrangebots. Entlang  von vier Themenfeldern bekommen die Teilnehmenden wissenschaftlich  fundiertes  pädagogisches  Wissen  auf  Basis  des  aktuellen  Forschungs‐ stands  angeboten,  das  zu  einer  Auseinandersetzung  mit  den  eigenen  künstlerisch‐pädagogischen Vorstellungen anregen und die vorhandenen  Deutungsschemata irritieren soll. Die Themenfelder sollen Gegenhorizonte  im Sinne neuer Perspektiven zu den vorhandenen pädagogischen Vorstel‐ lungen der Künstler*innen bilden. Mit diesem neuen Wissen können die  Künstler*innen ihre eigene Perspektive auf pädagogisches Handeln hin‐ terfragen und weiterentwickeln.  Lehren und Lernen sind zwei unterschiedliche Prozesse. Ob und inwie‐ fern die Künstler*innen dieses neue Wissen aus den Themenfeldabschnit‐ ten aufgreifen und sich aneignen, bleibt offen und ist die zweite und zu‐ gleich dominante Perspektive in der Weiterbildung. Die Weiterbildung fo‐ kussiert die Begleitung der individuellen Aneignungs‐ und Lernprozesse, nicht  das inhaltliche Lehrangebot. Diese zweite Perspektive auf das Lernen und  die Aneignung wird vor allem mithilfe von Formaten zur Lernbegleitung  methodisch bearbeitet. Dabei rückt die eigene Sichtweise des*r Künstlers*in  auf sein*ihr pädagogisches Handeln in den Fokus. Der Wechsel von der Leh‐ rendenperspektive  zur  Aneignungsperspektive  ist  das  zentrale  didakti‐ sche Prinzip der Weiterbildung.   Bildungsprozesse  sind  als  Selbst‐  und  Weltverständigungsprozesse  immer  auch  Prozesse  der  Distanznahme.  Deshalb  wird  in  dieser 

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Weiterbildung  den  Teilnehmenden  die  Möglichkeit  gegeben,  sich  von  den Alltagserfahrungen zu entfernen und „von außen“ auf den eigenen  Lebenszusammenhang zu schauen.  Das  künstlerisch‐pädagogische  Selbstverständnis  der  Künstler*innen  soll  entlang  von  vier  Themenfeldern  weiterentwickelt  werden.  Das  von  den  Weiterbildenden  eingeführte  pädagogische  Wissen  wird  von  den  Künstler*innen kritisch hinterfragt, die Passung in die eigenen Deutungs‐ schemata geprüft und das neue Wissen ggf. transformiert und „passend  gemacht“ oder auch verworfen. 

4.1   Die Inhalte  Die Weiterbildung „d.art“ besteht aus vier Themenfeldern, die sich auf un‐ terschiedliche  Weise  der  eigenen  künstlerisch‐pädagogischen  Praxis  der  Künstler*innen, ihrer Beziehung zu den Schüler*innen und ihrem Arbei‐ ten in der Schule nähern. Diese Themenfelder bieten Stoff und Anregung  für  den  gemeinsamen  Erfahrungsaustausch  und  der  Erarbeitung  indivi‐ dueller pädagogischer Konzepte im Spannungsfeld von Organisation und  kreativer pädagogischer Interaktion sowie im Spannungsfeld von Selbst‐  und Fremdbestimmung.  Themenfeld I: Das künstlerische Selbstverständnis  Die Teilnehmenden haben in diesem Themenfeld die Möglichkeit, ihre ei‐ gene Arbeit den anderen Künstler*innen zu präsentieren und von anderen  gespiegelt zu bekommen, was ihre künstlerische Spezialität auszeichnet.  So  lernen  sich  die  Teilnehmer*innen  auch  als  Künstler*innen  ganz  neu  kennen. Eine wesentliche Ressource der Weiterbildung sind die Kontakte  zu den Kolleg*innen und das Kennenlernen über Spartengrenzen hinweg.  In der Weiterbildung kommen Künstler*innen aller Couleur zu Wort.3 In  der jeweiligen Workshop‐Situation dieses Themenfelds geht es somit um  die künstlerische Person selbst. Die Aussprache ihres Selbstverständnisses  gegenüber anderen ist ein Mittel, um sich der eigenen Botschaft zu nähern                                                              3   Vgl. www.kunstbewegtbildung.de, letzter Zugriff: 17.12.2017. 

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und kein Mittel zur Selbstdarstellung. Alles spitzt sich auf die Frage zu:  Was bedeutet mir meine Kunst? Es wird vonseiten der Dozent*innen eine  analytische  Trennung  zwischen  der  Reflexion  des  Selbstverständnisses  und der Anforderungen vorgenommen, die die Schulwirklichkeit an den  Künstler*innen ausrichtet. Nur, wenn die Potenziale der eigenen Kunst als  spätere Bildungspotenziale (vgl. Themenfeld II) den Künstler*innen klar  vor Augen treten, können sie diese für die Kunstprojekte mit den Schü‐ ler*innen nutzen.  Themenfeld II: Das Verständnis von ästhetischer Bildung  Mithilfe dieses Themenfelds sollte es den Künstler*innen gelingen, ein ei‐ genes  Bildungsverständnis  für  das  Projekt  formulieren  zu  können,  aus  dem sich die Projektidee und der konkrete Entwurf des Projekts ergeben.  Das Kunstprojekt soll die Lebenswelt der Schüler*innen im Medium der  Kunst zur Sprache bringen. Das ist die wesentliche Anforderung der Wei‐ terbildung. Im zweiten Schritt sollte dann auch über diesen Prozess und  seine  Produkte  gesprochen  werden.  Damit  tun  sich  die  Künstler*innen  häufig sehr schwer. Wenn ich als Künstler*in pädagogisch handele, dann  zeige ich einerseits meine Vorstellungen von Kunst und was sie generell  leisten kann: die Welt und mich selbst besser zu verstehen und anderer‐ seits darüber hinaus mein Geschick, Kunst zu machen. Dafür muss ich die  Frage geklärt haben, wie ich mich als Künstler*in verstehe und meine ei‐ gene Kunst wahrnehme (vgl. Themenfeld I). Außerdem muss ich mich für  die pädagogische Frage öffnen, was ich von meinem künstlerischen Tun  in das pädagogisch‐künstlerische Tun mit den Schüler*innen integrieren  kann (Themenfeld III). Bevor ich jedoch mit der Projektentwicklung und  Projekterprobung starten kann, muss ich reflektieren, was die Schüler*in‐ nen an meiner Kunst interessieren könnte und was sie mit mir machen wol‐ len.  Die  Künstler*innen  sollen  in  diesem  Themenfeld  vermittelt  bekom‐ men, wie wertvoll es sein kann, „in das Boot der Schüler*innen zu steigen“  –  und  eben  nicht,  sie  „in  das  eigene  Boot  zu  holen“.  Es  geht  zum  einen  darum zu zeigen, vorzumachen und künstlerische Ideen zu geben und ei‐ nen eigenen Standpunkt zu offerieren und zum anderen die Schüler*innen 

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und ihre Standpunkte zu verstehen, ihre Probleme und Interessen aufzu‐ greifen.  Themenfeld III: Didaktische Herausforderungen   des pädagogischen Handelns  Das Themenfeld III dient erstens der Planung eigener Projekte ästhetischer  Bildung und zweitens der Entwicklung pädagogischer Reflexionskompe‐ tenz mit Blick auf die in den Projekten aufgebauten pädagogischen Bezie‐ hung.  Es  besteht  für  die  Teilnehmenden  die  Möglichkeit,  die  flüchtigen  Momente aus der eigenen Projektpraxis für die weitere pädagogische Ar‐ beit zu deuten und die darin gemachten Erfahrungen für die weitere Tä‐ tigkeit zugänglich zu machen. Dieses Themenfeld ist somit auf der Ebene  des pädagogischen Handelns angesiedelt. Die Thematisierung der päda‐ gogischen Beziehung rückt in den Fokus. Das Vermittlungsarrangement  zwischen  den  Kunst‐  und  Kulturschaffenden  und  den  Kindern  und  Ju‐ gendlichen erfordert Kompetenzen, die gerade an dieser Stelle erworben  werden. Es gibt keine Selbstverständlichkeit in einer pädagogischen Situ‐ ation. Pädagogisches Handeln gilt als nicht standardisiertes Handeln und  unterliegt einem sogenannten Technologiedefizit (Luhmann/Schorr 1982).  Ziel ist, dass die Teilnehmer*innen dieses komplexe Verständnis pädago‐ gischen  Handelns  kennenlernen  sollen,  dass  jenseits  einer  funktional‐  instruktiven Logik liegt und stattdessen von den Lerninteressen der Schü‐ ler*innen ausgehend ästhetische Bildungsprojekte gestalten will. Die Künst‐ ler*innen sollen demnach ihr je eigenes pädagogisches Handeln unabhängig  von  bestimmten  Vermittlungsmethoden  finden.  Die  Künstler*innen  ent‐ wickeln somit am Ende der Weiterbildung ein künstlerisch‐experimentelles  Konzept, indem es darum geht, sich hinsichtlich bestimmter Spannungsfel‐ der und Fragestellungen begründet zu positionieren und zu handeln. Am  Ende sollen die Künstler*innen didaktisch denken können. Sie sollen ge‐ rade auf die Unsicherheit pädagogischen Handelns in Form der pädago‐ gischen Spannungsverhältnisse aufmerksam gemacht werden. Die Bereit‐ schaft, sich auf das Unbekannte und das nicht Geplante der Situation mit  den  subjektiven  Bedeutungen  der  Schüler*innen  einzulassen,  steht  im  Zentrum der Weiterbildung. 

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„d.art“

Themenfeld IV: Die Schule als Projektraum  Im  Themenfeld  IV ist  die Frage leitend,  wie  das  eigene  Kunstprojekt  zu  einem Bildungsprojekt werden kann und wie dieses Bildungsprojekt mit  dem System Schule kompatibel wird. Die Schule ist ein besonderer Raum  für  Projekte  künstlerisch‐kreativen  Arbeitens.  Er  schließt  viele  Personen  mit  unterschiedlichen  Rollen  ein:  Schüler*innen,  Lehrer*innen,  Schullei‐ tungen, Eltern. Hinzu kommen unterschiedliche Schulkulturen und Ver‐ waltungsstrukturen.  Dies  beinhaltet  gegenseitige  Erwartungen.  Dieses  Themenfeld fragt nach den besonderen Bedingungen, Anforderungen und  Schwierigkeiten  des  Projektraums  Schule  für  die  jeweils  eigene  pädago‐ gisch‐  künstlerische  Arbeit.  Für  das  Themenfeld  IV  ist  es  wichtig,  den  Strukturplatz, den die Künstler*innen von „d.art“ her haben, genau fest‐ zulegen:  außerunterrichtliche  Angebote  an  Ganztagsschulen.  Durch  die  Projektplatzierung außerhalb des Unterrichts werden bestimmte Implika‐ tionen, die der Unterricht bereithält, abgefedert. Im ersten Durchgang der  Erprobungsphase  gerieten  die  Künstler*innen  vermehrt  in  das  Span‐ nungsfeld  von  Organisation  und  pädagogisch‐künstlerischem  Handeln,  weil sie nicht an diesem „eigentlichen“ Strukturplatz waren, sondern Ver‐ tretungs‐ oder Hilfslehrerpositionen hatten und so unmittelbarer mit den  organisationalen  Erfordernissen  verknüpft  waren.  Sie  mussten  oftmals  ihre Position als Künstler*innen opfern und waren dann „nur noch“ Werk‐ lehrer*innen. 

4.2 

Die Formate der Lernbegleitung 

Die  Weiterbildung  „d.art“  basiert  auf  der  Didaktik  vom  Subjektstand‐ punkt  (vgl.  Ludwig/Rihm  2013).  Ausgangspunkt  für  die  pädagogischen  Handlungen im Rahmen der Weiterbildung sind die Subjektstandpunkte  der  einzelnen  Künstler*innen  mit  ihren  individuellen  Lern‐  und  Hand‐ lungsproblematiken.  Für  deren  Bearbeitung  stellt  „d.art“  verschiedene  Lernbegleitungsformate  zur  Verfügung,  die  im  nachfolgenden  Kapitel  charakterisiert werden. Die in der Auseinandersetzung mit dem inhaltli‐ chen Angebot der Themenfelder und auch an den Praxistagen entstande‐ nen  Irritationen,  Orientierungsbedürfnisse  und  Handlungs‐  und  Lern‐

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problematiken werden in diesen Lernbegleitungsformaten beratend auf‐ gegriffen, bearbeitet und aufgezeichnet. Ausgangspunkt ist nur das, was  die Künstler*innen in die Lernbegleitung einbringen und was sie beschäf‐ tigt. Die gruppenförmige VIVA‐Fallberatung im Zwischenworkshop, die  kontinuierliche Lernprozessbegleitung als Einzelberatung (LPB) über die  gesamte Weiterbildung hinweg sind intensive Beratungsformate, um die  Anfragen  und  Interessen  der  Teilnehmenden  umfänglich  zu  verstehen  und zu bearbeiten. Der Subjektstandpunkt der Teilnehmenden wird so in  die Weiterbildung eingebracht. Die Arbeit mit dem Lerntagebuch und mit  der  sogenannten  Lernfigur  sind  Dokumentationsformate  in  allen  Work‐ shops,  die  einen  breiten  Raum  geben,  die  individuellen  Sichtweisen  der  Künstler*innen  auf  ihr  pädagogisches  Handeln  festzuhalten.  Die  Doku‐ mentationen sind eine wichtige Grundlage für die Lernbegleitung.  4.2.1   Dokumentationsformate: Lerntagebuch und Lernfigur  Wenn man gelernt hat, weiß man nicht mehr, wie es vorher war. Es fällt  oftmals  schwer,  den  eigenen  Lern‐  und  Bildungsprozess  nachzuvollzie‐ hen. Für diese Herausforderungen haben wir in der „d.art“‐Weiterbildung  für den persönlichen Gebrauch das Lerntagebuch eingeführt und für die  öffentliche Diskussion des eigenen Lern‐Standpunkts die Lernfigur. Diese  beiden  Methoden  bieten  eine  ausführliche  Möglichkeit  zurückzublicken  und den eigenen Lernprozess für sich und vor anderen nachzuvollziehen.  So  wird  die  Differenzerfahrung  des  „Vorher  –  Nachher“,  aber  auch  des  „Mein Standpunkt – Dein Standpunkt“ über die Zeit hinweg verdeutlicht.  Die Teilnehmenden setzen sich mit dem eigenen pädagogischen Selbstver‐ ständnis und den Angeboten der anderen auseinander.  Die Teilnehmenden haben so die Möglichkeit, das Angebot offen für  sich zu reflektieren. Lerntagebuch und Lernfigur sollen dabei helfen, den  eigenen Weg durch die Weiterbildung zu protokollieren und ggf. auch für  die Lernbegleitung verfügbar zu halten. Das bedeutet, dass alles, was die  Künstler*innen  bewegt,  interessiert  und  irritiert,  aufgezeichnet  werden  kann und so den eigenen Lernprozess transparent macht. Diese Formate  helfen dabei, die eigenen Lern‐ und Entwicklungsprozesse während der  Weiterbildung  zu  dokumentieren  und  die  individuellen  Aktivitäten, 

„d.art“

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Überlegungen und Erkenntnisse herauszustellen. Der eigene Zugang zur  Weiterbildung und die individuellen Lernprozesse lassen sich anhand die‐ ser  Dokumentation  nachvollziehen  und  reflektieren.  Wir  geben  immer  ausreichend Zeit in den Workshops, um Notizen zu machen und beenden  die Workshops mit der Lernfigur; wir fragen in den Beratungen ausdrück‐ lich nach den eigenen Aufzeichnungen. Die Wege und Irrwege des eige‐ nen Erkenntnisprozesses treten so vor Augen. Ideen und Ergebnisse über‐ dauern  das  Praxisprojekt  und  können  auch  später  immer  wieder  zurate  gezogen werden. Durch diese Dokumentationsmethoden werden der ei‐ gene Lernprozess und die Aneignungsperspektive der Teilnehmenden un‐ mittelbar in die Weiterbildung eingebracht. So wird deutlich, dass der we‐ sentliche Gegenstand der Weiterbildung das eigene pädagogische Selbstver‐ ständnis ist.  Die  Reflexion  dieses  Aneignungsprozesses  ist  das  primäre  Ziel  der  Weiterbildung.  Regelmäßig  werden  die  (Zwischen‐)Ergebnisse  des  eige‐ nen Lernprozesses im Lerntagebuch und in der Lernfigur dokumentiert.  So können die Teilnehmer*innen ihre neuen Erkenntnisse und auch An‐ fragen festhalten und darstellen. Die Auseinandersetzung mit den eigenen  Lerninteressen im Lernprozess wird an dieser Stelle transparent und öf‐ fentlich in die Weiterbildung eingebracht. Die Teilnehmer*innen werden  aufgefordert, ihr eigenes künstlerisch‐pädagogisches Selbstverständnis zu  begründen und darzustellen. Das professionelle Handeln der Weiterbild‐ ner*innen besteht hierbei im Beratungshandeln ganz im Sinne eines Ver‐ stehens des Subjektstandpunkts der Künstler*innen.  Lerntheoretischer  Hintergrund  dieser  Didaktik  vom  Subjektstand‐ punkt  der  Lernenden  aus  ist  die  Lerntheorie  Klaus  Holzkamps  (1993).  Demnach  entwickelt  sich  der  Lernprozess  als  eine  Lernschleife,  die  in  Handlungsproblematiken und Irritationen ihren Ausgangspunkt nimmt,  sich von der Irritation reflexiv distanziert und so in eine neue Selbstver‐ ständigung führt, um wieder Handlungsfähigkeit zu erlangen. Diese ver‐ schiedenen Lernschleifen werden als Selbstverständigungsprozess doku‐ mentiert (Lerntagebuch und Lernfigur) und beratend unterstützt.  Entlang  der  unterschiedlichen  Lernfiguren  wird  deutlich,  wie  unter‐ schiedlich  die  einzelnen  künstlerisch‐pädagogischen  Selbstverständnisse 

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Joachim Ludwig, Henry Utech und Markus Tasch 

sind – und auch ihre jeweils unterschiedliche Begründetheit. Es wird deut‐ lich,  dass  das  eine  Thema  „pädagogisches  Handeln“  ein  hoch  differenter  Lerngegenstand ist. Durch die Lernfigur sollen die Subjektperspektiven,  die sich meist nur schwer festhalten lassen und in der Lehr‐Lernsituation  verflüchtigen, für alle transparent und nachvollziehbar gemacht werden.  4.2.2   Beratungsformate:  Die  gruppenförmige  VIVA‐Fallberatung  und  die kontinuierliche individuelle Lernprozessbegleitung  Die Praxisprojekte sind der zentrale Ort, an dem Handlungs‐ und Lern‐ problematiken der Kunstschaffenden entstehen. Es gilt, diese individuel‐ len Erfahrungen beratend aufzugreifen (Ludwig 2014b). Als didaktisches  Format wurde dazu die gruppenförmige VIVA‐Fallberatung gewählt. Die  Künstler*innen sollen in der Fallberatung spezifische Handlungssituatio‐ nen und ‐probleme präziser und differenzierter verstehen lernen und Lö‐ sungen entwickeln. Es sollen die je eigenen Vorstellungen der pädagogi‐ schen Beziehung thematisiert, reflektiert und problematisiert werden. In‐ dividuelle Erlebnisse aus den Praxisprojekten, konturiert als Fall, werden  im Zwischenworkshop gesammelt, einzelne ausgewählt und im Plenum  bearbeitet.  Diese  besonderen  Fälle  werden  mit  allgemeinem  pädagogi‐ schem Wissen in der Gruppe so reflektiert, dass die komplexe Handlungs‐ situation und ihr Verlauf tiefer verstanden werden. Dazu gilt es in einem  ersten Schritt, die Fälle der Künstler*innen zu sammeln und anschließend  in einer emphatischen und analytischen Weise in der Gruppe zu bearbei‐ ten. Am Ende sollten die zentralen Handlungsgründe und Strukturen des  Falls hervortreten sowie neue Handlungsoptionen deutlich werden (vgl.  Ludwig 2012b). Diese Form der Fallarbeit ist das Kernstück des Zwischen‐ workshops.  Die  individuelle  Lernprozessbegleitung  fokussiert  im  Vergleich  zur  Gruppenberatung nicht nur die Erfahrungen aus den Praxisphasen, son‐ dern auch irritierende Workshop‐Inhalte, welche die Künstler*innen über  den  Workshop  hinaus  bewegen.  Auch  hier  wird  nach  dem  VIVA‐Bera‐ tungskonzept verfahren. In diesen Einzelgesprächen werden Praxiserfah‐ rungen sowie Workshop‐Inhalte als Lern‐ und Handlungsproblematiken  identifiziert  und  aufgegriffen.  Das  bedeutet,  dass  hier  die  Inhalte  der 

„d.art“

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Weiterbildung  aus  der  Sicht  der  einzelnen  Lernproblematik  bearbeitet  werden.  Besonders  auf  diesen  Handlungs‐  und  Lernproblematiken,  die  sich während der Schulpraxisphasen ergeben, liegt ein besonderes Augen‐ merk. Die Künstler*innen haben in der Lernprozessbegleitung genügend  Raum, um ihrem individuellen Anliegen nachzugehen. Die in diesem Zu‐ sammenhang  offerierten  Interpretationsangebote  der  Beratenden  bieten  neue Perspektiven auf die eigene Welt‐ und Selbstverständigung und das  eigene künstlerisch‐pädagogische Handeln.  

Literatur  Ermert, Karl (2008): Der Dialog der Generationen findet schon statt. Rückblick und Vorwort.  In: Ders./Dallmann, Gerd/Ehlert, Andreas/Lang, Thomas (Hrsg.): Alte Meister: Wie Äl‐ tere Kompetenzen in kultureller Bildung leben und nutzen. Wolfenbüttel: Bundesaka‐ demie für Kulturelle Bildung, S. 7‐11.  Helsper, Werner (1996): Pädagogisches Handeln in den Antinomien der Moderne. In: Krüger,  Heinz‐Hermann/Helsper,  Werner  (Hrsg.)  (1996):  Einführung  in  Grundbegriffe  und  Grundfragen der Erziehungswissenschaft. Opladen: Leske und Budrich, S. 15‐35.  Helsper, Werner (2000): Antinomien des Lehrerhandelns und die Bedeutung der Fallrekon‐ struktion. Überlegungen zu einer Professionalisierung im Rahmen universitärer Leh‐ rerausbildung. In: Cloer, Ernst/Klika, Dorle/Kunert, Hubertus (Hrsg.) (2000): Welche  Lehrer braucht das Land? Weinheim/München: Juventa, S. 142‐177.  Helsper,  Werner  (2002):  Lehrerprofessionalität  als  antinomische  Handlungsstruktur.  In:  Kraul, Magret/Marotzki, Winfried/Schweppe, Cornelia (Hrsg.) (2002): Biographie und  Profession. Bad Heilbrunn: Klinghardt, S. 64‐102.  Holzkamp,  Klaus  (1993):  Lernen.  Subjektwissenschaftliche  Grundlegung.  Frankfurt  a. M.:  Campus.  Ittner,  Helmut/Ludwig,  Joachim  (2018):  Veränderungen  in  den  Bedeutungs‐Begründungs‐ Zusammenhängen  zum  künstlerisch‐pädagogischen  Handeln.  In:  Dies.  (Hrsg.):  For‐ schung zum pädagogisch‐künstlerischen Wissen und Handeln. Pädagogische Weiter‐ bildung für Kunst‐ und Kulturschaffende, Bd. 2 Forschung. Wiesbaden: VS (im Erschei‐ nen).  Liebau, Eckart/Zirfas Jörg (2008): Die Sinne und  die Künste. Perspektiven ästhetischer Bil‐ dung. Bielefeld: transcript.  Ludwig, Joachim (2006): Lehren und Lernen in der Erwachsenenbildung – subjektorientiert?  In: Ders./Zeuner, Christine (Hrsg.): Erwachsenenbildung 1990‐2022. Weinheim/Mün‐ chen: Juventa, S. 99‐118.   Ludwig, Joachim (2012a): Lernberatung in der Selbstlernarchitektur. Eine Analyse aus sub‐ jektwissenschaftlicher  Sicht.  In:  Wrana,  Daniel/Maier  Reinhard,  Christiane  (Hrsg.) 

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Joachim Ludwig, Henry Utech und Markus Tasch 

(2012):  Professionalisierung  in  Lernberatungsgesprächen.  Theoretische  Grundlegun‐ gen und empirische Untersuchungen. Opladen: Barbara Budrich, S. 301‐320.   Ludwig, Joachim (2012b): Rekonstruktive Lernberatung. In: Ders. (Hrsg.): Lernen und Lern‐ beratung. Alphabetisierung als Herausforderung für die Erwachsenendidaktik. Biele‐ feld: wbv, S. 193‐212.  Ludwig, Joachim/Rihm, Thomas (2013): Der Subjektstandpunkt in der Didaktik. In: Zierer,  Klaus (Hrsg.) (2013): Jahrbuch für Allgemeine Didaktik 2013. Neuere Ansätze in der  Allgemeinen Didaktik. Hohengehren: Schneider, S. 83‐96.  Ludwig,  Joachim  (2014a):  Subjektwissenschaftliche  Lerntheorie  und  Bildungsprozessfor‐ schung.  In:  Faulstich,  Peter  (Hrsg.):  Lerndebatten.  Phänomenologische,  pragmatisti‐ sche und kritische Lerntheorien in der Diskussion. Bielefeld: transcript, S. 181‐202.  Ludwig,  Joachim  (2014b):  Zur  rekonstruktiven  Handlungslogik  professioneller  pädagogi‐ scher Beratung. In: Ferchhoff, Wilfried/Schwarz, Martin/Vollbrecht, Ralf/Weber, Peter  (2014): Professionalität: Wissen – Kontext. Sozialwissenschaftliche Analysen und päda‐ gogische  Reflexionen  zur  Struktur  bildenden  und  beratenden  Handelns.  Bad  Heil‐ brunn: Klinkhardt, S. 550‐589.  Ludwig, Joachim (2016): Beratung und Professionalität. Fallarbeit in der Weiterbildung. In:  Weiterbildung, 6, S. 22‐24.   Ludwig,  Joachim  (2017):  Ästhetische  Bildung  und  gesellschaftliche  Teilhabe.  In:  Fuchs,  Max/Taube, Gerd/Braun, Tom (Hrsg.) (2017): Handbuch „Das starke Subjekt“. Mün‐ chen: kopaed, S. 269‐276.   Luhmann, Nikolas/Schorr, Karl Eberhard (1982): Das Technologiedefizit der Erziehung und  die Pädagogik. In: Dies. (Hrsg.): Zwischen Technologie und Selbstreferenz. Fragen an  die Pädagogik. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 11‐40.   Mollenhauer, Klaus (1996): Grundfragen ästhetischer Bildung. Theoretische und empirische  Befunde zur ästhetischen Erfahrung von Kindern. Weinheim/Basel: Juventa.   

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Weiterbildungen mit   Querschnittsperspektiven 

„Diversitätsbewusste Kulturelle Bildung“  Kulturpädagogische Grundlagen für neue   Herausforderungen in einer heterogenen Gesellschaft    Susanne Keuchel und Nadine Rousseau          Aufgrund der zunehmenden Heterogenität innerhalb der Gesellschaft, be‐ günstigt durch die fortschreitende Globalisierung, Medialisierung, Indivi‐ dualisierung, Mobilität und Migration, entstand innerhalb der Akademie  der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW (in Folge Aka‐ demie der Kulturellen Bildung genannt) der Wunsch, diversitätsbewusste  Ansätze innerhalb der Kulturellen Bildung zu erproben. Es wurde ein ent‐ sprechender Antrag im Rahmen des Förderschwerpunkts „Förderung von  Entwicklungs‐  und  Erprobungsvorhaben  zur  pädagogischen  Weiterbil‐ dung  von  Kunst‐  und  Kulturschaffenden“  beim  Bundesministerium  für  Bildung und Forschung (BMBF) gestellt.  Das hier geförderte Projekt „DiKuBi – Diversitätsbewusste Kulturelle  Bildung“ wurde von der Akademie der Kulturellen Bildung, unter Leitung  von Prof. Dr. Susanne Keuchel, innerhalb eines Verbundprojekts mit dem  Arbeitsbereich  Erwachsenenbildung/Weiterbildung  des  Instituts  für  Er‐ ziehungswissenschaft  an  der  Westfälischen  Wilhelms‐Universität  Müns‐ ter, unter Leitung von Prof. Dr. Halit Öztürk, innerhalb eines Zeitraums  von dreieinhalb Jahren durchgeführt.   Als die Akademie der Kulturellen Bildung im Jahr 2013 den Antrag für  die  Fortbildungsentwicklung  „Diversitätsbewusste  Kulturelle  Bildung“  schrieb  und  2014  mit  der  Konzeption  der  Fortbildung  begann,  standen  viele kritische Fragen im Raum: Braucht die Kulturelle Bildung eine solche  spezifische Fortbildung oder ist Kulturelle Bildung nicht per se auch inter‐ kulturelle  Bildung?  Damals  wurde  im  deutschen  Fachdiskurs  auch  eher  © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Keuchel und B. Werker (Hrsg.), Künstlerisch-pädagogische Weiterbildungen für Kunst- und Kulturschaffende, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20711-3_11

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Susanne Keuchel und Nadine Rousseau 

von inter‐, trans‐ oder postmigrantischen Ansätzen gesprochen (vgl. Keu‐ chel  2015:  50;  Terkessidis  2002;  Welsch  1995:  39ff.;  Yildiz/Hill  2015).  Die  handlungsneutrale  Perspektive  der  Diversität  (vgl.  Keuchel  2016:  21)  wurde zu diesem Zeitpunkt sehr selten aufgegriffen. Kritisch wurde auch  die Frage gestellt, ob eine diversitätsbewusste und hier eine diskriminie‐ rungskritische  Perspektive  nicht  eher  Aufgabe  der  politischen  Bildung  und  Teil  von  Empowerment‐Strategien  sei  und  diesbezüglich  schon  ein  ausreichend erprobtes Angebot vorläge.  Heute,  nur  drei  bis  vier  Jahre  später,  ist  das  Thema Diversität  in der  Kulturellen  Bildung  im  öffentlichen  Diskurs  angekommen  und  wird  als  dringender Bedarf diskutiert (vgl. Heinrich 2017). Kultur und Kulturelle  Bildung werden in der aktuellen gesamtgesellschaftlichen Lage als wich‐ tiges  Fundament  für  gesellschaftlichen  Zusammenhalt  angesehen  (vgl.  Keuchel 2017). Im Folgenden werden das „DiKuBi“‐Konzept, seine Entste‐ hung, Notwendigkeiten, Erfahrungen und Neuerungen des Konzepts vor‐ gestellt und eine erste abschließende Bilanz gezogen.  



Zur Notwendigkeit der Entwicklung eines   Fortbildungskonzepts „DiKuBi“ 

Die gesamtgesellschaftliche Lage hat sich aufgrund gesellschaftlicher Plu‐ ralisierungsprozesse  (vgl.  Beck  1986)  in  den  vergangenen  Jahrzehnten  stark verändert. Entwicklungen – wie Deutschland als Einwanderungsge‐ sellschaft (vgl. Hell 2005), Digitalisierung (vgl. Zacharias 1991), aber auch  die Ausdifferenzierung von Milieus (vgl. Keuchel 2015: 51) und sozialen  Klassen, von Jugend‐ und Subkulturen im Kontext der Individualisierung  (vgl. Beck 1986), das Auseinanderdriften von Arm und Reich (vgl. Nacht‐ wey 2016; vgl. von Below 2002) – sind Tendenzen, die zu einer größeren  Vielfalt  an  Meinungen,  Einstellungen  und  Lebensweisen  in  der  Gesell‐ schaft führen.   Neu  ist,  dass  in  breiten  Teilen  der  Gesellschaft  extremistische  Ideen  und Überzeugungen Einzug halten und rassistische Meinungen öffentlich  Anerkennung  finden:  Rechtspopulistische  Ansichten  werden  salonfähig  (vgl. Collard 2016), Jugendliche radikalisieren sich für ihre vermeintlichen 

„Diversitätsbewusste Kulturelle Bildung“ 

 

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religiösen  Überzeugungen,  menschenfeindliche  Aussagen  finden  immer  mehr Zustimmung (vgl. Universität Bielefeld 2012).  Was ist nun im Angesicht dieser Entwicklung Aufgabe der Kulturellen  Bildung? Neben  dem  Anspruch,  kulturelle  Teilhabe für alle zu  ermögli‐ chen, setzt sich die Kulturelle Bildung auch das Ziel, emanzipatorisch zu  wirken. Kulturelle Bildung, wie sie sich in den 1968er Jahren als Neue Kul‐ turpädagogik – die sich als Bildung in Kultur vollziehe statt der Alten, die  zu  Kunst  erziehe  (vgl.  Liebau/Zirfas  2004)  –  etablierte,  vertritt  den  An‐ spruch der Subjektstärkung und der Selbstbildung. Dieser Anspruch, auf  Selbstbildung zu setzen und hier auch auf eine jugendkulturelle Lebens‐ weltorientierung (vgl. Braun/Schorn 2012), wurde zu einer Zeit formuliert,  in der aufgrund einer wesentlich normativen Gesellschaftsstruktur weit‐ gehend homogene Gruppenkonstellationen mit sehr ähnlichen kulturellen  Erfahrungen und Werten vorlagen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese  Ansätze heute noch übertragbar sind und ob es nicht notwendig ist, um  Selbstbildungsprozesse innerhalb von Gruppen zu initiieren, im Vorfeld  ein demokratisches Werteverständnis und Regelwerk zu vermitteln bzw.  auszuhandeln. Des Weiteren könnte auch kritisch die jugendliche Lebens‐ weltorientiertheit hinterfragt werden: Ist es sinnvoll, in einer zunehmend  fragmentierten – und auch milieu‐ghettoisierten – Gesellschaft, die zudem  vermehrt  von  kommerziellen  Kulturangeboten  dominiert  wird,  aus‐ schließlich an der Lebensweltorientierung anzusetzen oder müsste es hier  nicht vielmehr um Lebensweltöffnungen und das Kennenlernen alternati‐ ver Lebenswelten gehen?   Internationalität, im Sinne einer Einbeziehung von Künstler*innen und  Kunstwerken  aus  anderen  Kulturräumen,  nimmt  in  der  kulturellen  Bil‐ dungspraxis bisher einen geringen Stellenwert ein, das belegt eine empiri‐ sche Analyse von rund 460 Best‐Practice‐Projekten (vgl. Keuchel 2016: 10).  In der Praxis werden Menschen mit Migrationshintergrund überdies oft  auf ihre familiäre Herkunft reduziert, stereotypisiert, und in „bewusst in‐ terkulturell ausgerichteten Bildungsangeboten häufig ungewollt zu exoti‐ schen  fremdländischen  Entdeckungen  ein(ge)laden“  (vgl.  Terkessidis  2002).  

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Susanne Keuchel und Nadine Rousseau 

Was bedeuten diese Beobachtungen und der gesellschaftliche Wandel  ganz konkret für Kulturpädagog*innen, für Künstler*innen und für Mul‐ tiplikator*innen  in  ihrer  alltäglichen  Arbeit  und  in  der  Auseinanderset‐ zung mit den Lebenswelten derer, die sie erreichen wollen? Und was be‐ deutet  dies  für  die  Grundprinzipien  der  Kulturellen  Bildung?  Müssen  diese, wie sie in den 1968er Jahren entwickelt wurden, in Teilen überdacht  werden (vgl. Keuchel 2015)? Oder steckt hier möglicherweise ein besonde‐ res Potenzial, das es herauszuarbeiten gilt für eine zunehmend diverse Ge‐ sellschaftsstruktur? Diese Fragen bildeten den Hintergrund für die Idee,  sich mit einem Fortbildungskonzept „DiKuBi“ auseinanderzusetzen. 



Zur Fortbildungsstruktur 

Das „DiKuBi“‐Fortbildungskonzept, wie es im Rahmen des BMBF‐Förder‐ schwerpunkts erprobt wurde, strukturierte sich in drei Kurswochen, mit  einer Praxisprojekterprobung zwischen der zweiten und dritten Kurswo‐ che (s. Abb. 1).         1. Phase:  2. Phase:  3. Phase:    zwei Kurswochen  selbstgesteuerte  eine Kurswoche      praktische         Erprobung              Grundlagen zu  Umsetzung eines  Gemeinsame Ana‐   persönlicher, päda‐ individuellen Pra‐ lyse und Reflexion    des Praxisprojekts  gogischer und  xisprojekts zur An‐   künstlerischer  wendung    Ebene      Abb. 1: Fortbildungsstruktur (Keuchel/Öztürk 2014) 

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Die Kurseinheiten fanden in der Akademie der Kulturellen Bildung statt.  Die Praxisprojekte entwickelten die Teilnehmenden innerhalb der zweiten  Kurswoche und führten diese vor der dritten Kurswoche innerhalb ihrer  eigenen Arbeitskontexte vor Ort durch, sodass die dritte und letzte Kurs‐ woche  für  die  Präsentation  und  Reflexion  der  Projekte  genutzt  werden  konnte.   Aufgrund  des  Pionierfelds  der  Diversität  wurde  die  Zwischenschal‐ tung einer Praxisphase als besonders wichtig erachtet. Hier sollte real er‐ probt werden, ob die im Rahmen der Fortbildung entwickelten diversitäts‐ bewussten Konzepte auch wirklich heterogenen Zielgruppenkonstellatio‐ nen  gerecht  werden  bzw.  diversitätsbewusste  Haltungen  und  den  Um‐ gang mit Diversität fördern.  In der Zusammensetzung der Fortbildungsteilnehmenden wurde da‐ rauf geachtet, dass es sich ebenfalls um sehr heterogene Zielgruppen han‐ delte. Parameter der Heterogenität waren neben Geschlecht, Alter und der  Erfahrung mit „interkulturellen“ Projekten auch herkunftsbezogene Fak‐ toren wie Nationalität und Migrationshintergrund wie auch die Herkunft  aus dem ländlichen bzw. städtischen Raum sowie aus diversen Bundes‐ ländern.  Darüber  hinaus  war  die  Einbindung  von  Künstler*innen  und  Kulturschaffenden  unterschiedlicher  Kunstsparten  ein  Teilnahmekrite‐ rium. So konnte auch innerhalb der Fortbildung der Umgang mit Diversi‐ tät erprobt werden.   In der letzten der drei Fortbildungserprobungen wurde mit einer alter‐ nativen  Fortbildungsteilnehmer*innen‐Konstellation  gearbeitet.  Es  wur‐ den ausschließlich Künstler*innen und Kulturschaffende einer konkreten  Region eingebunden, um hier gemeinsame Kooperationskonzepte in der  Praxisphase vor Ort zu erforschen und auch die Zusammenarbeit und Ver‐ netzung in der Region untereinander zu fördern. Hierzu wurde bewusst  eine  ländliche  Region  einbezogen,  in  der  bisher keine  Kooperationskon‐ zepte konkret bezogen auf Diversitätsperspektiven existierten.   Wert wurde zudem auf einen gewissen Grad der Heterogenität der Do‐ zent*innen gelegt. Es sollte hier nicht nur eine Sichtweise bzw. Perspektive  zum Tragen kommen. Entsprechend gab es eine*n verantwortlich Dozie‐ rende*n für die gesamte Fortbildungsphase von drei Kurswochen. Diese*r 

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Susanne Keuchel und Nadine Rousseau 

übernahm  zwar  eine  moderierende  und  reflektierende  Rolle,  wurde  je‐ doch flankiert von verschiedenen Dozent*innen aus Wissenschaft, Praxis  und verschiedenen Künsten. 

3  

Zu den Zielen, Inhalten und Methoden   der Fortbildung 

Gehen  Fortbildungen  oftmals  von  einem  nachweisbaren  Kompetenzge‐ winn aus, ist Ziel und Ansatz von „DiKuBi“ primär die Persönlichkeits‐ entwicklung der Teilnehmenden, hier die Stärkung einer inneren Haltung  und  die  eigene  Positionierung  im  Kontext  von  Diversität.  Authentizität,  Wertschätzung und Offenheit, die Fähigkeit Irritationen auszuhalten, die  eigenen Handlungen und Bewertungen zu reflektieren, sind Fähigkeiten,  die  im  Umgang  mit  heterogenen  Gruppen  als  Schlüssel  angesehen  wer‐ den:   „Da es im Zuge der Auseinandersetzung mit Diversität keine ‚richtige‘ oder ‚falsche‘  Lösungsstrategie  bezogen  auf  konkrete  Handlungssituationen  gibt,  wurden  hier  auch keine Kompetenzmodelle entwickelt. Statt klar messbarer Lernziele stehen da‐ her die Bewusstseinsbildung für das Thema Diversität sowie die Stärkung einer ei‐ genen Haltung diesbezüglich im Fokus. Gleichzeitig arbeiten die Teilnehmenden der  Weiterbildung an ihrem Selbstvertrauen und an der Empathie‐Entwicklung für an‐ dere.“ (Keuchel/Dunz 2015: 189) 

Ausgehend von der persönlichen Haltung wird der Blick in einem zweiten  Schritt  auch  auf  pädagogische  Prozesse  und  künstlerisches  Handeln  ge‐ richtet. So entsteht eine vielschichtige Auseinandersetzung mit Diversität  auf drei Ebenen – der persönlichen, der pädagogischen und der künstleri‐ schen Ebene (siehe Abb. 2). 

3.1   Diversitätsbewusstsein auf persönlicher Ebene  Inhaltlich  werden  zunächst  aktuelle  Grundlagen  und  Diskurse  dargelegt  und ein gemeinsamer Wissensstand hergestellt. Die Teilnehmenden setzen  sich  mit  Kulturbegriffen  (vgl.  Keuchel/Wagner  2012),  sozialen  Kategorien  von  Diversität,  mit  Konstruktions‐  und  Diskriminierungsmechanismen 

„Diversitätsbewusste Kulturelle Bildung“ 

 

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(vgl.  Feagin/Booher‐Feagin  2005)  sowie  Identitätskonzepten  (vgl.  Delia‐ nidou 2010) auseinander. Die Fortbildung macht etwa darauf aufmerksam,  wie Darstellungen von Diversität in der Öffentlichkeit und in den Medien  die Wahrnehmung beeinflussen und die Wirklichkeit mitgestalten. Dem‐ gegenüber steht die Bewusstmachung der vielen verschiedenen kulturel‐ len Hintergründe und Facetten, die individuelle Identitäten ausmachen.  Die persönliche Entwicklung wird dabei durch Übungen und Metho‐ den angeregt, die Perspektivwechsel ermöglichen, die Selbstreflexion an‐ regen und für Zugangsbarrieren und Diskriminierungen im Alltag sensi‐ bilisieren.  Gleichzeitig  können  alternative  Handlungsoptionen  auspro‐ biert sowie neue Kommunikationsmuster trainiert werden. Grundlage für  diese  Übungen  sind,  wie  schon  dargelegt,  die  aktuellen  theoretischen  Grundlagen rund um das Thema Diversität, wie Identitäten, Stereotype,  Diskriminierungskonzepte,  Transkulturalität  oder  beispielsweise  post‐ migrantische  Positionierungen.  Dabei  wird  keiner  der  auch  kontrovers  diskutierten  Diskurse  als  ein  ausschließlicher  gesetzt.  Vielmehr  werden  diese vorgestellt und praktisch erfahrbar gemacht, sodass die Teilnehmen‐ den hier selbst eine Haltung entwickeln können, welche Theorien für sie  praktikabel und anwendbar erscheinen.  

3.2   Diversitätsbewusstsein auf pädagogischer Ebene   Als  zweite  Ebene  der  Reflexion  beschäftigen  sich  die  Teilnehmenden  in  der Fortbildung mit dem Umgang heterogener Gruppen in der pädagogi‐ schen Arbeit. In Bezug auf die Entwicklung des Praxisprojekts für den ei‐ genen  Arbeitskontext  werden  konkrete  Hilfestellungen  für  die  Planung  und  Umsetzung  gegeben.  Hierbei  stehen  nicht  die  thematischen  Inhalte  der Projekte im Vordergrund, sondern vielmehr das „Wie?“ der Umset‐ zung. Dazu fokussieren die Teilnehmenden die Bedarfe und Bedürfnisse  der anvisierten Zielgruppen sowie möglichen Zugangsbarrieren oder sen‐ sible  Punkte.  Rahmenbedingungen,  wie  die  institutionelle  Anbindung  und die Kooperationspartner, die räumliche Situation, zeitliche Einheiten,  das Material und die Arbeitsweisen, werden im Hinblick auf die Zielgrup‐ pen analysiert. Für die konkrete Umsetzung zeigt die Weiterbildung Mög‐ lichkeiten  auf,  wie  Personen  gewonnen  werden  können  und  wie  eine 

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Susanne Keuchel und Nadine Rousseau 

diversitätsbewusste Gruppenumgangskultur etabliert werden kann. Dies  gilt auch für das Verhandeln von Regeln und Grenzen für die gemeinsame  Arbeit. Zur Professionalisierung der Vermittelnden gehört darüber hinaus  die Sensibilisierung für eine diskriminierungssensible und diversitätsbe‐ wusste Sprache und Ansprache von Kindern, Jugendlichen und Erwach‐ senen in der pädagogischen Arbeit (vgl. Leiprecht 2008). Neben der Fähig‐ keit Sprachmuster zu reflektieren wird deutlich, dass die Verwendung ei‐ ner diversitätsbewussten Sprache Übung bedarf. Zur Entwicklung des Be‐ wusstseins dafür, „dass in einer Gruppe die individuellen Sichtweisen der  Einzelnen unabhängig von ihrer Kultur sein können, regt die Fortbildung  zu einer wertschätzenden, kultursensiblen Umgangs‐ und Gesprächskul‐ tur an“ (Keuchel/Dunz 2015: 191).   Die letzte  Kursphase  dient  vornehmlich  der Reflexion  der Praxispro‐ jekte.  Die  gewonnenen  praktischen  Erfahrungen  können  unmittelbar  in  die Teilnehmendengruppe der Fortbildung zurückgespiegelt und im kol‐ legialen Austausch gemeinsam reflektiert werden, unter folgenden Frage‐ stellungen: Hat sich die Sicht auf die eigene Arbeit und die eigene Ziel‐ gruppe durch die Fortbildung verändert? Hat es Schwierigkeiten in Bezug  auf die Umsetzung des in der Fortbildung konzipierten Projekts gegeben?  Welche Erfolge gab es? Und welche Strategien und Maßnahmen haben zu  einer erfolgreichen Umsetzung beigetragen?   In Bezug auf die eigene Rolle ist von Interesse, ob sich die Teilnehmen‐ den anders wahrgenommen haben und ob sie (sprachliche) Muster oder  Verhaltensweisen  festgestellt  haben,  an  denen  sie  weiterhin  arbeiten  möchten.   Während der gesamten Weiterbildung setzen sich die Teilnehmenden  immer  wieder  mit  ihrer  Rolle  als  pädagogische  Begleiter*innen  im  Bil‐ dungsprozess  auseinander.  Ausgangspunkt  der  Selbsterfahrung  ist  die  Arbeit am Thema Identität. Die eigene Biografie, individuelle Stärken und  Lebenswelten, Wünsche und Fiktionen verweisen auf die Mehrdimensio‐ nalität und Individualität von Identitätskonstruktionen und ebnen so den  Weg für den Transfer in die pädagogische Arbeit. Durch die bewusst ge‐ wählte  spielerische  und  künstlerisch‐kreative  Auseinandersetzung  mit  Diversität werden Unsicherheiten und Missverständnisse abgebaut und es 

„Diversitätsbewusste Kulturelle Bildung“ 

 

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werden die Fähigkeiten unterstützt, mit Andersartigkeit und Abweichun‐ gen  besser  umzugehen  sowie  Gruppendynamiken  besser  zu  verstehen  und zu steuern.   Ergänzend zu fachlichen Diskursen findet die praktische Vermittlung  von Spielen, Übungen und Methoden statt, die sich in der inklusiven und  diversitätsbewussten Kulturellen Bildung bewährt haben. Teilweise stam‐ men  diese  aus  dem  interkulturellen  Training  (vgl.  Nohl  2006),  teilweise  aus der kreativen Gruppenarbeit bzw. aus der performativen Pädagogik.  Die angewandten Formen wurden in der Erwachsenenbildung bzw. der  kreativen  Arbeit  mit  Kinder‐  und  Jugendgruppen  vorab  schon  vielfältig  erprobt. Mit zahlreichen Methoden für Gruppenprozesse erhalten die Teil‐ nehmenden so ein Grundgerüst an Instrumenten, die sie in der pädagogi‐ schen Arbeit einsetzen können.   Obgleich die Weiterbildung an der inneren Haltung der Vermittelnden  ansetzt, wird der Transfer der vorgestellten Inhalte und praktischen Übun‐ gen  mitgedacht  und  diskutiert.  So  gehört  zu  jeder  thematischen  Einheit  auch die Auswertung dieser auf der Meta‐Ebene. Die Übungen und Me‐ thoden werden im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit für verschiedene Al‐ tersklassen, Gruppengrößen und Lernkontexte analysiert sowie mögliche  Varianten  und  Veränderungen  besprochen.  Grenzen  und  Herausforde‐ rungen für Gruppen sind besonders im Kontext von Diversität sensibel zu  behandeln, da negative Erfahrungen zu Widerständen oder zur Verstär‐ kung von Vorurteilen führen können.   Durch das partizipative Vorgehen bei der Auswertung auf der Meta‐ Ebene integriert die Weiterbildung ein forschendes Element, das der Pio‐ nierarbeit im Feld der diversitätsbewussten Kulturellen Bildung in beson‐ derer Weise Rechnung trägt.  

3.3   Diversitätsbereicherung auf der künstlerischen Ebene  Die  kreativ‐künstlerischen  Ansätze  der  Weiterbildung  stellen  in  mehrfacher  Hinsicht  eine  Besonderheit  der  Weiterbildung  dar:  In  produktiv  gestalterischen  Prozessen  werden  ästhetische  Perspektiv‐ wechsel initiiert,  die zur Reflexion der  eigenen  künstlerischen Systeme  und  der  entsprechenden  pädagogischen  Vermittlung  führen.  In  der 

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Rezeption  vielfältiger  subkultureller,  internationaler  oder  transkultureller  Ausdrucks‐formen  wird  der  Blick  auf  Künstler*innen,  Kulturräume  und  Kunstwerke  geweitet.  Beispiele  aus  verschiedenen  Sparten  (z. B.  afro‐ kosmopolitische  Literatur,  arabische  Klangkombinationen,  Dramaturgie  und  Bildgestaltung  des  indischen  oder  nigerianischen  Films,  Mode  und  Design  etc.)  diskutieren  die  Teilnehmenden  im  Hinblick  auf  ihr  Irritationspotenzial sowie ihre Bewertung als Kunst; sie setzen sich mit den  Rezeptionsgewohnheiten und mit der Macht der Bewertung auseinander.  Es  wird  ein  Bewusstsein  für  Exotismus  und  auch  Zuschreibungen  gegenüber  Kunstwerken  und  Künstler*innen  bestimmter  Länder  geschaffen.  Dabei  wird  deutlich,  wie  häufig  Kunst‐,  Kulturgüter  und   ‐praktiken im Kontext eines Euro‐ und Nordamerikazentrismus stehen (vgl.  Keuchel  2015:  46ff.).  Diese  kritische  Beleuchtung  des  individuellen  Rezeptionsverhaltens wird einerseits auf die eigene Arbeit und andererseits  auf die Bedeutung für institutionelle und strukturelle Kontexte übertragen.  Für die Künstler*innen sollen dabei die eigenen, verschiedenen kultu‐ rell‐künstlerischen  Hintergründe  klarer  und  die  eigenen  künstlerischen  Regeln bewusster werden. Dadurch werden neue Impulse gesetzt und die  Diversität in der eigenen Arbeit künstlerisch‐ästhetisch erfahrbar gemacht.   Zum anderen werden als Pionierarbeit der Fortbildung im Rahmen in‐ dividueller Freiräume in einem weiteren Schritt experimentelle Techniken  des inter‐ und transkulturellen Trainings in ästhetische und künstlerische  Erfahrungsprozesse transformiert. Ausgangspunkt dazu ist die Auseinan‐ dersetzung  mit  verschiedenen  künstlerischen  Ausdrucksformen,  wie  Tanz,  Bildende  Kunst,  Schauspiel,  Literatur  etc.  Bleibt  interkulturelles  Training  meist  auf  Übungen  zum  interkulturellen  Umgang  beschränkt,  werden innerhalb dieser Pionierarbeit durch künstlerische Prozesse Erfah‐ rungsräume geschaffen, in denen unterschiedliche Inhalte mit den Mitteln  der  Kulturellen  Bildung  erlebbar  gemacht  bzw.  künstlerisch‐ästhetische  Gestaltungsprozesse  initiiert  werden.  Ausgangspunkt  können  Ansätze  und Übungen aus sehr unterschiedlichen Bereichen sein – wie etwa dem  Anti‐Bias‐Training, der transkulturellen Theaterpädagogik, der Bildenden  Kunst oder dem interkulturellen Training –, die in einen stärkenorientier‐ ten  und  künstlerisch‐ästhetischen  Gestaltungsprozess  übersetzt  werden. 

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Durch die Freiheit im Erleben und die gemeinsame Reflexion wird ein Be‐ wusstsein  künstlerischer  Vielfalt  und  transkultureller  Ausdrucksformen  geschaffen,  das  auch  Veränderungen  in  der  eigenen  künstlerischen  Per‐ spektive und kreativen Arbeit unterstützt.    Ebenen 

Themenfelder  Theorie und Praxis 

Persönliche Ebene:        

   

  Grundlagen  und  Dis‐ kurse  zu  kultureller  Diversität 

 

Pädagogische Ebene:   Handlungsstrategien  

 

Künstlerische Ebene:   Ästhetischer Perspek‐ tivwechsel und Trans‐ formation 

 

Kulturbegriffe (Diskurs und Konzepte)  Diversität (und Differenzkategorien)  Identitätskonzepte, Lebenswelten  Konstruktions‐ und Diskriminierungsmechanismen     Reflexion zur kulturellen Bildungsarbeit im Kontext von  Diversität im eigenen Umgang, im Umgang mit Ziel‐ gruppen sowie im Umgang mit den Künsten  Übungen des inter‐/transkulturellen   Trainings  subjektorientierte Bildung: Identitätskonstruktionen und  individuelle kulturelle   Prägungen  praxisorientierte Handlungsstrategien:   didaktischer Transfer, Methoden   und Beispiele  Thematisierung außereuropäischer sowie zeitgenössi‐ scher jugend‐ und subkultureller Kunstformen und Äs‐ thetiken,  Entwicklung ästhetischer und künstlerischer Diversitäts‐ erfahrungen: Transformation der Techniken des   inter‐/transkulturellen Trainings in ästhetische und  künstlerisch‐kreative Erfahrungsprozesse verschiedener  Kunstsparten 

Abb.  2:  Themenfelder  des  Fortbildungskonzepts  „DiKuBi“  (Keuchel/  Dunz 2015).   

 

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Susanne Keuchel und Nadine Rousseau 

Erprobungsprozess: Anpassungen und   Neuausrichtung des Fortbildungskonzepts 

Im Rahmen der Projektförderung wurden für die Entwicklung des Fort‐ bildungskonzepts drei Erprobungen des zuvor konzipierten Curriculums  vorgesehen, um im Prozess notwendige Modifikationen aufgrund der Er‐ gebnisse der begleitenden Evaluation vornehmen zu können.   Die Evaluation im Rahmen von „DiKuBi“ fand hier sowohl prozessbe‐ gleitend  (formativ)  als  auch  zusammenfassend  (bilanzierend)  statt.  So  konnte einerseits eine direkte Rückkopplung der Ergebnisse in die Kurs‐ wochen bzw. Erprobungen stattfinden und andererseits eine kontinuierli‐ che Weiterentwicklung des Angebots im Erprobungsverlauf gewährleistet  werden. Spezifische Erkenntnisse brachte die Evaluation bereits nach den  einzelnen  Kurswochen  ein,  insbesondere  zu  den  Rahmenbedingungen,  zur  Zufriedenheit  mit  Dozent*innen,  zur  inhaltlich‐methodischen  Her‐ angehensweise, zur Arbeits‐ und Gruppenatmosphäre, zur Zeitplanung  und Strukturierung der Kursinhalte sowie zur Integration, Vorbereitung  und Durchführung der Praxisprojekte. Teilweise fanden diese Erkennt‐ nisse bereits in der darauffolgenden Kurswoche ihre Umsetzung, teilweise  erst in der nachfolgenden Erprobung (vgl. Öztürk/Reiter/Humt 2016).  Zugleich  leistete  die  Evaluation  eine  systematisch  und  empirisch  ge‐ stützte  Erfolgskontrolle  des  Gesamtprojekts.  Das  Evaluationsdesign  stützte sich dabei auf das Vier‐Ebenen‐Modell von Donald L. Kirkpatrick  (vgl. 1994/2006), das zwischen folgenden Ebenen unterscheidet:      Reaction: Teilnehmendenzufriedenheit   Learning: Lernerfolg, Verarbeitung der Lerninhalte   Behavior: Anwendung des Erlernten   Results: Gesamtergebnis, Ertrag für die Organisation    Die Datenerhebung fand in drei Phasen statt: Input/Kontext, Prozess und  Output/Transfer.  Es  kamen  verschiedene  Methoden  der  Datenerhebung  zum  Einsatz  wie  Online‐Fragebögen,  leitfadengestützte  Interviews  und  Projektsteckbriefe.  

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Der Lernerfolg der Teilnehmenden wurde in den jeweiligen Berichten  nach einer Erprobung dargestellt, wobei sich der Lernerfolg vornehmlich  auf die persönliche wie pädagogische Ebene im Sinne einer veränderten  Sichtweise und Haltung – konkret in Bezug auf migrationsbedingte Diver‐ sität – fokussierte. Empirisch war nur schwierig zu erfassen, wie und in  welchen Facetten sich die Haltung der Einzelnen verändert hat. Deutlich  zeigte  sich  dagegen  ein  größeres  Verständnis  von  diversitätsbewusster  Kultureller  Bildung  hinsichtlich  der  Merkmale  der  Teilnehmer*innen‐  Orientierung, der didaktischen Kompetenz, des Perspektivwechsels sowie  der Selbst‐ und Fremdwahrnehmung (vgl. Öztürk/Reiter/Humt 2016: 4).  In  der  Gesamtbewertung  der  Fortbildung  erwies  sich  insgesamt  eine  hohe Zufriedenheit der Teilnehmenden mit den Inhalten, Methoden und  den Rahmenbedingungen von „DiKuBi“. Auch die hohe gesellschaftliche  Relevanz sowie die Einflussnahme auf die eigene Arbeit wurden von den  Teilnehmenden bestätigt. Darüber hinaus gab es Hinweise, das methodi‐ sche Repertoire in allen künstlerischen Disziplinen auszubauen und eine  entsprechende Sammlung von Einheiten, Übungen und Methoden anzu‐ legen und entsprechend ihrer Inhalte zu strukturieren. Zudem wünschten  sich Teilnehmende die Möglichkeit, die eigene Praxis kontinuierlich, auch  über die Fortbildung hinaus, reflektieren zu können.  Im Prozess kam es zu personellen Veränderungen, die dazu führten,  dass alle drei Fortbildungserprobungen von unterschiedlichen für die je‐ weilige  Fortbildung  verantwortlichen  Dozent*innen  begleitet  wurden.  Durch diese Veränderung zeigte sich sehr deutlich, dass die Ausgestaltung  der Themenfelder und auch die Begleitung der Gruppe sehr stark von der  Persönlichkeit, dem Stil und der Expertise der jeweilig verantwortlichen  Dozent*innen abhängig ist. Mit der Auswahl und der Verknüpfung von  Methoden und Inhalten setzten die Dozent*innen besondere Akzente. Zu‐ sätzlich  wurden  in  allen  drei  Erprobungen  unterschiedliche  Gastdo‐ zent*innen eingesetzt, die wiederum eigene Schwerpunkte wählten.   Letztlich nahm die Zusammensetzung der Teilnehmenden an der Fort‐ bildung ebenfalls Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung. So waren etwa in  der zweiten Fortbildungsgruppe sehr viele Teilnehmer*innen aus der Bil‐ denden  Kunst  vertreten,  die  sich  im  Verlauf  eine  intensivere  Arbeit  mit 

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dieser Kunstsparte wünschten. Im Sinne des Werkstattcharakters wurde  diesen  Wünschen  entsprochen,  mit  dem  Resultat,  dass  sehr  interessante  und vertiefende Auseinandersetzungen stattfanden.   Auch die Fortbildungsgruppe der dritten Erprobung unterschied sich  gemäß dem Antrag von den vorherigen aufgrund ihrer regionalen Aus‐ richtung, hier der Region Sauerland. Auch dies führte zu inhaltlichen Ver‐ änderungen. So nahmen hier sowohl die Vernetzung der Teilnehmenden  für das Praxisprojekt als auch die Thematisierung von Strukturen und Be‐ sonderheiten im ländlichen Kontext eine besondere Rolle ein.  Für die Evaluation stellte der Wechsel der hauptverantwortlichen Do‐ zent*innen auf der einen Seite eine Herausforderung dar, da die Persön‐ lichkeiten  der  Dozent*innen  in  die  Bewertung  einflossen  und  so  einen   direkten Vergleich der Fortbildungsphasen erschwerten. Kontinuierliche  Inhalte jedoch, die trotz des Dozentenwechsels gleichermaßen positiv her‐ vorgehoben wurden, konnten auf der anderen Seite als „richtige“ und re‐ levante für die Fortbildung herausgearbeitet werden. Ein weiterer Vorteil  der personellen Wechsel ergab sich für die Entwicklung des Modulhand‐ buchs, das auch hier aufgrund der Vielfalt und der gleichzeitigen Prüfung  durch die Evaluation besonders ausführlich gestaltet werden konnte.   Im Prozess und auch durch die begleitende Evaluation wurde zudem  deutlich, dass die Teilnehmenden für die Entwicklung eines Praxisprojekts  mehr Unterstützung benötigten. So wurde bereits in der zweiten Erpro‐ bung ein ganzer Tag zur Projektentwicklung und Planung mit Unterstüt‐ zung  einer*s  Gastdozierenden  umgesetzt.  Die  Durchführung  der  Pra‐ xisprojekte zwischen der zweiten und der dritten Kursphase gestaltete sich  dennoch teils schwierig, da der Zeitraum oft zu kurz war, um etwa För‐ dergelder zu akquirieren, Kooperationspartner oder Teilnehmende zu fin‐ den. Der ursprünglich vorgesehene Ansatz, die Projekte im Rahmen der  eigenen Arbeit stattfinden zu lassen, war für viele Teilnehmende schwie‐ rig, da sie sich nur selten in festen oder regelmäßigen Gruppenkontexten  bewegten. Gleichwohl tendierten die Teilnehmenden dazu, das Praxispro‐ jekt beizubehalten und lediglich den Zeitraum zwischen den Kursphasen zu  verlängern. In der Praxis zeigte sich bei vielen, welche Herausforderungen 

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in der tatsächlichen Umsetzung auftauchen können und wie wichtig der  kollegiale Austausch darüber in der Gruppe ist.  



Module und Methodensammlung 

Im Verlauf der Erprobungen und durch die Erkenntnisse der Evaluation  wurde deutlich, wie sehr sich die Teilnehmenden der Fortbildung Orien‐ tierung im komplexen Themenfeld der diversitätsbewussten Kulturellen  Bildung  wünschen.  In  der  Konzeptionsphase  der  Fortbildung  und  im  Durchführungsprozess wurde immer wieder im Team intensiv diskutiert,  welche Fragestellungen und welche Perspektiven die Kulturelle Bildung  im  Diversitätsdiskurs  einnehmen  kann und  was das  Besondere an  einer  diversitätsbewussten Kulturellen Bildung ist.     Modul 1 

Modul 2 

Modul 3 

Modul 4 

Sensibilisieren für  Diversität – Per‐ spektiven  M1.1 Begriffe, Dis‐ kurse und Konzepte 

Künstlerische Aus‐ drucksformen von  Differenz  M2.1 Transkulturali‐ tät 

Künstlerische Aus‐ einandersetzung  mit Diversität  M3.1 Bildende  Kunst 

Praxiserfah‐ rung/Praxisprojekt 

M1.2 Differenzkate‐ gorien 

M2.2 Empowerment  durch künstlerische  Mittel  M2.3 Kunst außer‐ halb des westlichen  Kanons    

M3.2 Darstellende  Kunst 

M4.2 Diversitätsbe‐ wusste pädagogi‐ sche Praxis  M4.3 Reflexion 

M1.3 Perspektiv‐ wechsel  M1.4 Lebenswelten 

M3.3 Tanz/Choreo‐ grafie  M3.4 Sprache/  Literatur 

M4.1 Konzeption  diversitätsbewusster  Praxisprojekte 

  

Abb. 2: Überblick zur Struktur des Modulhandbuchs  Vor diesem Hintergrund wurde ein Modulhandbuch entwickelt, das die  Themenblöcke  strukturiert  und  in  einen  didaktisch‐logischen  Aufbau  bringt. So wurde ein Basismodul gestaltet, das einen adäquaten Einstieg in 

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Susanne Keuchel und Nadine Rousseau 

das Themenfeld der Diversität liefern soll. In diesem Basismodul geht es  um eine Auseinandersetzung mit Begriffen und Konzepten der Kulturel‐ len  Bildung  zur  Herstellung  eines  gemeinsamen  Kenntnisstands  in  der  Teilnehmendengruppe. Weiterhin ist die Beschäftigung mit Identitätskon‐ struktionen und sozialen Differenzkategorien (vgl. Huxel 2014) integriert.  Impliziert wurden auch die Beschäftigung mit struktureller Diskrimi‐ nierung, Zuschreibungen und Zugangsbarrieren sowie die Auseinander‐ setzung mit verschiedenen Lebenswelten im Sinne von Perspektivwechseln.  Das zweite Modul bezieht sich auf künstlerische Ausdrucksformen von  Differenz.  Dazu  gehört  die  Auseinandersetzung  mit  Transkulturalität  (Welsch 1992), Empowerment‐Ansätzen (vgl. Herriger 2014) und jugend‐ kulturellen sowie mit Kunstformen außerhalb des westlichen Kanons.  Im  dritten Modul  wird  eine  Perspektive  aus  Sicht  der  künstlerischen  Disziplinen eingenommen. Leitfrage dabei ist: Welche Gestaltungsräume  eröffnen  sich  in  der  jeweiligen  Kunst,  die  ein  Erleben  von  Diversität  er‐ möglichen und wie kann dieses Erleben reflektiert und im Gesamtkontext  eingeordnet werden?  Das vierte Modul bezieht sich auf die Praxisanwendung von diversi‐ tätsbewusster  Kultureller  Bildung  in  heterogenen  Gruppen.  Hier  wird  eine diversitätsbewusste, diskriminierungssensible und barrierefreie Pro‐ jektkonzeption  in  den  Blick  genommen.  Weiterhin  stehen  Themen  wie  Sprache  bzw.  Ansprache  von  Teilnehmenden,  Moderationsmethoden,  Konfliktbearbeitung,  Gruppenumgangskultur  sowie  Rolle  und  Haltung  der Anleitenden im Fokus.  Methodisch werden entweder die Inhalte mit den Mitteln der Kulturel‐ len Bildung bearbeitet, eine Auseinandersetzung über das sinnliche Erle‐ ben und das eigene Gestalten angeregt oder es steht, wie in Modul drei  und teils auch in zwei, der künstlerische Prozess mit seiner Qualität, als  Reflexionsfläche für innere Haltungen zu stehen, im Vordergrund.  Auf Grundlage dieser Struktur wurden die Methoden, Übungen und  Einheiten  aus  den  drei  Erprobungen  der  Fortbildung  gesammelt.  Diese  wurden so aufbereitet, dass Dozent*innen oder Trainer*innen sie sich an‐ eignen  und  durchführen  können.  Zu  der  Aufbereitung  gehört  auch,  die 

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Auswertungs‐  und  Reflexionsebene  einzubeziehen  sowie  Hinweise  zur  Verknüpfung mit anderen Themenkomplexen zu geben.  Da mit „DiKuBi“ Pionierarbeit geleistet wurde und die Akademie der  Kulturellen  Bildung  den  Bereich  diversitätsbewusste  Kulturelle  Bildung  auch  weiterhin  als  Entwicklungsfeld  betrachtet,  ist  diese  Sammlung  als  dynamische Zusammenstellung in Form einer „DiKuBi“‐Kartei konzipiert  worden, die in den nächsten Jahren stetig wachsen, konstant überarbeitet  und weitergeführt werden soll. Perspektivisch soll ein Pool an Einheiten  entstehen,  den  sich  Trainer*innen  und  Dozent*innen  entsprechend  ihrer  eigenen Zugänge nutzbar machen können. 

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Ausblick – Zur Verstetigung des   Fortbildungskonzepts „Dikubi“ 

Im Rahmen der Entwicklung und Evaluierung des Fortbildungskonzepts  wurde  deutlich,  dass  es  kaum  Methoden,  didaktische  Grundlagen  und  auch  Dozent*innen  und  Trainer*innen  gibt,  die  an  der  Schnittstelle  von  Kultureller  Bildung  und  Diversität  arbeiten.  Es  musste  daher  innerhalb  der Fortbildungserprobung viel inhaltliche Pionierarbeit geleistet werden.  So wurden letztlich in der „DiKuBi“‐Fortbildungskonzeption nicht nur be‐ stehende Grundlagen und Methoden der kulturellen Bildungspraxis in ein  didaktisches  Konzept  integriert,  sondern  auch  erstmals  Kenntnisse  und  Methoden innerhalb der Fortbildungskonzeption mit den Teilnehmer*in‐ nen  generiert.  Dabei  wurde  auch  deutlich,  dass  es  einen  großen  Bedarf  gibt, diese Kenntnisse und Methoden weiter auszubauen. Dies spiegelten  sowohl die Befragungen der Teilnehmenden aller drei Fortbildungserpro‐ bungen wider als auch die der begleitenden Expertengruppen und die Ge‐ spräche mit Vertreter*innen von Kommunen, die parallel zur Entwicklung  von „DiKuBi“ stattfanden. Daher werden neben der Übernahme des Fort‐ bildungskonzepts „DiKuBi“ in das bestehende Akademieprogramm paral‐ lel weitere Implementierungen des Ansatzes „DiKuBi“ in Gestalt neuer For‐ mate erprobt.  

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Susanne Keuchel und Nadine Rousseau 

6.1   Netzwerk und Trainer*innen‐Ausbildung  Wie vorausgehend dargestellt, zeigte sich in den Erprobungen vonseiten  der Teilnehmenden sehr stark der Bedarf an einer weiterführenden konti‐ nuierlichen Reflexion der eigenen Haltung sowie an kollegialer Beratung  zu Erfahrungen aus der Praxis. Zugleich wurde der Wunsch formuliert,  die spezifische kulturelle Bildungsperspektive auf Diversität systematisch  im Kontext von Fortbildungsmodulen weiterzuentwickeln.  Daher  gründete  die  Akademie  der  Kulturellen  Bildung,  unterstützt  durch  die  Förderung  des  Landes  Nordrhein‐Westfalen,  das  Netzwerk  „Diversitätsbewusste  Kulturelle  Bildung“  für  eine  Fortführung  und  Un‐ termauerung  der  Arbeitsergebnisse.  Ziel  des  Netzwerks  ist  es,  über  ein  jährlich stattfindendes Netzwerktreffen an der Akademie der Kulturellen  Bildung  eine  Anlaufstelle  für  die  Absolvent*innen  der  Fortbildung  zu  schaffen, um kontinuierlich an dem Thema weiterzuarbeiten.  Darüber hinaus können sich Absolvent*innen der Fortbildung bewer‐ ben,  an  einer  fünftägigen  Trainer*innen‐Ausbildung  für  „Diversitätsbe‐ wusste Kulturelle Bildung“ teilzunehmen, die sie ermächtigt, speziell in‐ nerhalb der Schnittstelle Kulturelle Bildung und Diversität selbstständige  Fortbildungsangebote in der Erwachsenenbildung durchzuführen. 

6.2   Entwicklung neuer Fortbildungsformate  Nicht  zuletzt  aufgrund  der  aktuellen  Fluchtsituation  seit  dem  Jahr  2015  haben unterschiedliche Vertreter*innen von Institutionen und Kommunen  schon während der Erprobung des Fortbildungskonzepts „DiKuBi“ deutli‐ ches Interesse signalisiert, dieses für ihre personellen Ressourcen zu nutzen.  Entsprechend entwickelte die Akademie der Kulturellen Bildung gemein‐ sam mit der Stadt Mülheim an der Ruhr die Adaption des Fortbildungs‐ konzepts „DiKuBi“ für kulturelle Institutionen und verschiedene Berufs‐ gruppen der Kulturellen Bildung in Form eines Pilotvorhabens.   Im  Rahmen  der  Pilotentwicklung  wurde  das  dreiwöchige  Kurspro‐ gramm sowohl auf die Rahmenbedingungen der Kommune als auch auf  die  Bedürfnisse  der  Teilnehmenden  angepasst.  So  entstand  ein  Fortbil‐ dungsformat,  in  dem  drei  zweitägige  Kurstage  angeboten  wurden  und 

„Diversitätsbewusste Kulturelle Bildung“ 

 

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zwischen der zweiten und der dritten Kurswoche ein gemeinsames Pra‐ xisprojekt von den Teilnehmenden in einer städtischen Einrichtung durch‐ geführt wurde.   Die Inhalte der Fortbildung orientierten sich am Basismodul, wurden  jedoch an Situationen aus dem Arbeitsalltag der Teilnehmenden und ihrer  jeweiligen Erfahrungen im Feld der Kulturellen Bildung und der Reflexion  ihrer Praxis adaptiert. Entsprechend wurden Übungen und Arbeitshilfen  ebenfalls auf den jeweiligen Arbeitskontext abgestimmt, sodass die Teil‐ nehmenden konkrete Hilfsmittel an die Hand bekamen. Die Kombination  aus  der  Arbeit  an  der  eigenen  Haltung  und  konkreten  Hilfestellungen  wurde innerhalb der Piloterprobungen als sehr positiv von den Teilneh‐ menden bewertet. 

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Fazit – Zu den Chancen einer diversitätsbewussten  kulturellen Bildungspraxis 

Innerhalb  der  Erprobung  des  Fortbildungskonzepts  wurde  im  Rahmen  des  begleitenden  Diskurses  sehr  deutlich,  welches  Potenzial  speziell  an  der Schnittstelle von Diversität und Kultureller Bildung liegt. Dieses kann  sowohl  für  die  kulturelle  Bildungspraxis  im  Speziellen  positiv  entfaltet  werden als auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt allgemein.  Bezogen auf die kulturelle Bildungspraxis wurde in den Gesprächen mit  den Teilnehmenden, aber auch innerhalb der begleitenden fachlichen Dis‐ kurse deutlich, dass bei dem Komplexitätsgrad der gesellschaftlichen Her‐ ausforderungen bzw. den Anforderungen, die heterogene Gruppen an das  Fachpersonal  stellen,  alleiniges  kulturpädagogisches  Fachwissen  nicht  mehr ausreicht. Bei der Pluralität der Lebenswelten, die heute in Bildungs‐ kontexten aufeinandertreffen, ist das Fachpersonal bezogen auf die viel‐ fältigen kulturellen Hintergründe und Lebenswelten junger Menschen in  der  Entwicklung  lebensweltorientierter  Vermittlungsansätze  vielfach  überfordert. Es bedarf hierzu einer Haltung, Irritationen aushalten, erste  Eindrücke  und  schnelle  Urteile  reflektieren  und  Konfliktsituationen  er‐ gründen zu können, ohne vorschnelle Kulturalisierungen vorzunehmen.  

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Dies gilt besonders für die zunehmende Heterogenität von Werten in  unserer Gesellschaft. Nicht zuletzt die Zusammenarbeit mit Geflüchteten  aus Ländern mit anderen politischen und teils auch religiösen Haltungen  oder die Arbeit mit rechtspopulistischen Jugendlichen erfordert eine zu‐ nehmende Auseinandersetzung der Kulturellen Bildung mit Werten. Im  Sinne des humanistischen Bildungsideals, das eng verbunden ist mit „für  den Humanismus zentralen Ideen, wie die der Menschenwürde, ‐freiheit  und ‐perfektibilität“ (Assis/Chen 2009/2015: 118), liegt ein Wertekonsens  mit dem der Menschenrechtskonvention nahe. Auch hier gilt es, kulturelle  Bildungsakteure  im  Umgang  mit  heterogenen  Zielgruppen  mit  unter‐ schiedlichen  Wertvorstellungen  zu  stärken  und  entsprechende  Orientie‐ rungsrichtlinien für die Praxis zu entwickeln.   Ein wesentlicher Vorteil der diversitätsbewussten Kulturellen Bildung  liegt hier im Vergleich zu anderen Fortbildungskonzepten, beispielsweise  aus der Wirtschaft oder Entwicklungshilfe, darin, dass neue ressourcen‐  und  stärkenorientierte  Perspektiven  auf  das  manchmal  „anstrengende“,  weil sehr komplexe und herausfordernde Themenfeld der Diversität ge‐ schaffen werden. Viele Ansätze im Feld machen eher defizitorientiert be‐ stehende Vorurteile der Teilnehmenden sichtbar. Auch verpflichten sich  bestehende Fortbildungskonzepte aus anderen Handlungsfeldern oftmals  einem einzigen theoretischen Ansatz, wie dem der Interkulturalität oder  dem der Transkulturalität. Die Multiperspektivität der Künste – die nicht  differenzieren  zwischen  „richtig“  oder  „falsch“,  sondern  verschiedene  Perspektiven auf Phänomene eröffnen – bietet nicht nur Freiräume, sich  selbst  bezogen  auf  verschiedene  Theoriekonzepte  zu  positionieren,  son‐ dern  zugleich  interessante  alternative  Ansätze,  Diversität  als  positive  –  und nicht negative – Ressource erfahrbar zu machen. Zusätzlich eröffnet  die Kulturelle Bildung die Möglichkeit, dies nicht nur auf der kognitiven  Ebene, sondern auch ästhetisch zu erleben. Im Sinne einer Persönlichkeits‐ entwicklung  wird  direkt  an  der  Haltung  des*r  Einzelnen  angesetzt  und  Raum  gelassen  für  die  spielerische  Gestaltung  einer  eigenen  Positionie‐ rung.  Damit  werden  Chancen  eröffnet,  mit  Diversität  spielerisch  gestal‐ tend und eigenverantwortlich umzugehen und so als positive individuelle  und  im  besten  Fall  gesellschaftliche  Bereicherung  zu  erleben.  Dadurch 

„Diversitätsbewusste Kulturelle Bildung“ 

 

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kann  gesellschaftlicher  Zusammenhalt  gestärkt  werden  (vgl.  Keuchel  2017).  

Literatur  Assis,  Arthur/Chen,  Chih‐Hung  (2009/2015):  Menschheit,  Humanismus  und  Antihumanis‐ mus  in  den  historischen  Anthropologien  Droysens  und  Burckhardts.  In:  Rebane,  Gala/Bendels,  Katja/Riedler,  Nina  (Hrsg.):  Humanismus  polyphon:  Menschlichkeit  im Zeitalter der Globalisierung. Bielefeld: transcript, S. 107‐124.  Beck,  Ulrich  (1986):  Risikogesellschaft.  Auf  dem  Weg  in  eine  andere  Moderne.  Frankfurt  a. M.: Suhrkamp.  Below,  Susanne  von  (2002);  Bildungssysteme  und  soziale  Ungleichheit.  Das  Beispiel  der  neuen Bundesländer. Wiesbaden: Springer VS.  Braun, Tom/Schorn, Brigitte  (2012): Ästhetisch‐kulturelles Lernen  und  kulturpädagogische  Bildungspraxis.  In:  Bockhorst,  Hildegard/Reinwand,  Vanessa‐Isabelle/Zacharias,  Wolfgang (Hrsg.): Handbuch Kulturelle Bildung. München: kopaed, S. 128‐134.  Collard,  Paul  (2016):  Arts  Education  and  the  Liberal  Democratic  Crisis.  In:  Keuchel,  Susanne/Czerwonka,  Sandra  (Hrsg.):  Perspektiven  Kultureller  Bildung  in  Europa.  Diversität  und  Flucht.  Remscheid:  Akademie  der  Kulturellen  Bildung  des  Bundes  und des Landes NRW, S. 20‐24.   Delianidou, Simela (2010): Transformative – transitäre – transgressive Identitätsmodelle: Au‐ tothematische  Exilliteratur  zwischen  Moderne  und  Postmoderne.  Würzburg:  Kö‐ nighausen und Neumann.  Feagin, Joe R./Booher‐Feagin, Clairece (2005): Racial and Ethnic Relations: Census Update.  Boston: Allyn und Bacon.  Heinrich, Bettina (2017): Das Problem mit der Komplexität der Diversität und ihrer Differenz‐ kategorien – eine kursorische Spurensuche mit Fokus auf Gender. In: Wissensplatt‐ form  Kulturelle  Bildung  Online  [www.kubi‐online.de/artikel/problem‐komple  xitaet‐diversitaet‐ihrer‐differenzkategorien‐kursorische‐spurensuche‐fokus,  letzter  Zu‐ griff: 18.01.2018].  Hell,  Matthias  (2005):  Einwanderungsland  Deutschland?  Die  Zuwanderungsdiskussion  1998‐2002. Wiesbaden: Springer VS.  Herriger, Norbert (2014): Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. 5., erw. u.  aktual. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer.  Huxel, Katrin (2014): Intersektionalität. In: Diakonisches Werk der evangelischen Kirche in  Württemberg (Hrsg.): Woher komme ich? Reflexive und methodische Anregungen  für eine rassismuskritische Bildungsarbeit. Stuttgart: Eigenverlag, S. 56‐58.   Keuchel, Susanne (2017): Zwischen Individualisierung  und gesellschaftlichem Zusammen‐ halt. In: Politik und Kultur. Hrsg. vom Deutschen Kulturrat, 3, S. 21.  Keuchel, Susanne (2016): Zur Diskussion der Begriffe Diversität und Inklusion – mit einem Fo‐ kus auf die Verwendung und Entwicklung beider Begriffe in Kultur und Kultureller 

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Susanne Keuchel und Nadine Rousseau 

Bildung. In: Gerland, Juliane/Keuchel Susanne/Merkt, Irmgard (Hrsg.): Kunst, Kul‐ tur und Inklusion. Teilhabe am künstlerischen Arbeitsmarkt. Regensburg: ConBrio,  S. 21‐29.  Keuchel, Susanne (2015): Diversität, Globalisierung und Individualisierung. Zur möglichen  Notwendigkeit  einer  Neuorientierung  in  der  Kulturpädagogik.  In:  Keuchel,  Susanne/Kelb,  Viola  (Hrsg.):  Diversität  in  der  Kulturellen  Bildung.  Bielefeld:  transcript, S. 37‐57.  Keuchel, Susanne/Dunz, Maria (2015): Diversitätsbewusste Kulturelle Bildung (DiKuBi): Ein  Fortbildungskonzept  für  Multiplikatoren  im  Aufbau.  In:  Keuchel,  Susanne/Kelb,   Viola (Hrsg.): Diversität in der Kulturellen Bildung. Bielefeld: transcript, S. 185‐204.  Keuchel,  Susanne/Öztürk,  Halit  (2014):  Projektpäsentation  auf  der  Kick‐Off‐Veranstaltung  zum  BMBF‐Förderschwerpunkt  „Förderung  von  Entwicklungs‐  und  Erprobungs‐ vorhaben zur pädagogischen Weiterbildung von Kunst‐ und Kulturschaffenden“ am  13.11.2014 in Bonn.  Keuchel,  Susanne/Wagner,  Ernst  (2012):  Poly‐,  Inter‐  und  Transkulturalität.  In:  Bockhorst,  Hildegard/Reinwand,  Vanessa‐Isabelle/Zacharias,  Wolfgang  (Hrsg.):  Handbuch  Kulturelle Bildung. München: kopaed, S. 52‐57.  Kirkpatrick, Donald L. (1994/2006): Evaluating Training Programs: The Four Levels. Oakland:  Berrett‐Koehler.  Leiprecht, Rudolf (2008): Eine diversitätsbewusste und subjektorientierte Sozialpädagogik:  Begriffe und Konzepte einer sich wandelnden Disziplin. In: Neue Praxis. Zeitschrift  für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, 38, S. 427‐439.  Liebau, Eckart/Zirfas, Jörg (2004): Kulturpädagogik, pädagogische Ethnographie und kultu‐ relle Stile. In: Pädagogische Rundschau, 58 (5), S. 579‐592.  Nachtwey, Oliver (2016): Die Abstiegsgesellschaft. Über das Aufbegehren in der regressiven  Moderne. Berlin: Suhrkamp.  Nohl, Arnd‐Michael (2006): Konzepte interkultureller Pädagogik: Eine systematische Einfüh‐ rung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.  Öztürk, Halit/Reiter, Sara/Humt, Eva (2016): Abschlussbericht. Evaluation des ersten Durch‐ gangs der Weiterbildung „Diversitätsbewusste Kulturelle Bildung“ (DiKuBi) an der  Akademie  der  Kulturellen  Bildung  des  Bundes  und  des  Landes  NRW.  Münster:  Westfälische Wilhelms‐Universität.  Terkessidis, Mark (2002): Kulturarbeit in der Einwanderungsgesellschaft. In: Institut für Kul‐ turpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft (Hrsg.): Jahrbuch für Kulturpolitik, Bd.  3: Interkultur. Bonn/Essen: Klartext, S. 173‐186.  Universität  Bielefeld  (Hrsg.)  (2012):  Gruppenbezogene  Menschenfeindlichkeit  in  Deutsch‐ land.  Eine  10‐Jährige  Langzeituntersuchung  mit  einer  jährlichen  Bevölkerungsum‐ frage  zur  Abwertung  und  Ausgrenzung  von  schwachen  Gruppen.  Laufzeit  2002‐ 2012. Bielefeld: Eigenverlag.  Welsch, Wolfgang (1995): Transkulturalität. Zur veränderten Verfasstheit heutiger Kulturen.  In:  Institut  für  Auslandsbeziehungen  (Hrsg.):  Migration  und  Kultureller  Wandel,  45 (1), S. 39‐44. 

„Diversitätsbewusste Kulturelle Bildung“ 

 

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Yildiz,  Erol/Hill,  Marc  (Hrsg.)  (2015):  Nach  der  Migration.  Postmigrantische  Perspektiven  jenseits der Parallelgesellschaft. Bielefeld: transcript.  Zacharias,  Wolfgang  (1991):  Schöne  Aussichten?  Ästhetische  Bildung  in  einer  technisch‐  medialen Welt. Essen: Klartext. 

Verzeichnis der Autor*innen          Bogerts, Teresa, M. A., ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich  1  Bildungswissenschaften  an  der  Universität  Koblenz‐Landau,  Campus  Koblenz  in  den  Forschungsprojekten  „Kunst_Rhein_Main“  (BMBF,  2014  bis  2017).  Sie  arbeitet  außerdem  mit  an  dem  Projekt  „Jedem  Kind  seine  Kunst“ (MWWK Rheinland‐Pfalz), unter der Leitung von Prof. Dr. Kristin  Westphal, und ist Mitglied des Instituts für performative Lern‐ und Ver‐ mittlungsforschung  (IPLV).  Zu  ihren  Arbeitsschwerpunkten  zählen:  Äs‐ thetik  und  Bildung,  Kulturelle  Bildung,  qualitative  Bildungsforschung,  zeitgenössische  Kunst‐  und  Theaterwissenschaft,  insbesondere  Interven‐ tions‐ und Performancekunst.     Dartsch, Michael, Prof. Dr. paed., Diplom‐Pädagoge, ist Professor für Mu‐ sikpädagogik  an  der  Hochschule  für  Musik  Saar.  Seine  Arbeitsschwer‐ punkte sind: Elementare Musikpädagogik, Musiklernen, Musikalische Bil‐ dung  und  Instrumentaldidaktik.  Er  hat  zahlreiche  Publikationen  veröf‐ fentlicht und ist Träger des; Landespreises Hochschullehre. Darüber hin‐ aus gibt er Konzerte und produziert Aufnahmen als Geiger.    Eickelberg, Rose, studierte Klassisches Schlagzeug an der Hochschule für  Musik  und  Tanz  Köln  und  Elementare  Musikpädagogik  an  der  Hoch‐ schule für Künste Bremen. Seit 2002 ist sie Schlagzeugerin bei den Bremer  Philharmonikern. An der Hochschule für Künste Bremen arbeitet sie dar‐ über hinaus als künstlerische Mitarbeiterin.       

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Keuchel und B. Werker (Hrsg.), Künstlerisch-pädagogische Weiterbildungen für Kunst- und Kulturschaffende, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20711-3

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Verzeichnis der Autor*innen 

Godau, Marc, Prof. Dr., ist Professor für Musikpädagogik und ihre Didak‐ tik an der Fachhochschule Clara Hoffbauer Potsdam sowie Wissenschaft‐ licher  Mitarbeiter  an  der  Universität  Erfurt.  Er  ist  Mitgründer  der   Forschungsstelle Appmusik an der Universität der Künste Berlin und des  Kulturangebots  app2music  e. V.  Schwerpunkte  seiner  Forschung  sind  technologievermitteltes Musiklernen in informellen und formalen Kontex‐ ten,  Materialität  musikpädagogischer  Praxis,  Professionalisierung  und  hochschulische Innovationen.    Jas, Mona, Prof. Dr., Professorin, Künstlerin, leitet die (Ver‐)Mittlung der  10. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst. Zuvor war sie Programmlei‐ terin für den „Kompetenzkurs Kultur‐Bildung‐Kooperation“ in der Deut‐ schen Kinder‐ und Jugendstiftung (DKJS). Sie verbindet ihre künstlerische  Arbeit mit Lehre, Forschung und Qualifizierung im Bereich der Kunstver‐ mittlung. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die (Ver‐)Mittlung mit künstleri‐ schen  Verfahren.  Sie  ist  Honorarprofessorin  der  Weißensee  Kunsthoch‐ schule Berlin.    Josties, Elke, Prof. Dr., Erziehungswissenschaftlerin, ist seit 2003 Profes‐ sorin für Theorie und Praxis Sozialer Kulturarbeit (Schwerpunkt Musik)  an  der  Alice  Salomon  Hochschule  (ASH).  Sie  hat  außerdem  die  wissen‐ schaftliche Leitung des Weiterbildungskonzepts ARTPAED inne. Zu ihren  Forschungsgebieten zählen u. a. Jugendkulturarbeit, Musik in der Sozialen  Kulturarbeit und Community Music.    Keuchel, Susanne, Prof. Dr., ist promovierte Musikwissenschaftlerin und  Direktorin  der  Akademie  der  Kulturellen  Bildung  des  Bundes  und  des  Landes NRW sowie Vorsitzende des Instituts für Bildung und Kultur. Sie  ist zudem Honorarprofessorin am Institut für Kulturpolitik der Universi‐ tät Hildesheim sowie Dozentin an der Hochschule für Musik und Darstel‐ lende Kunst in Hamburg.       

Verzeichnis der Autor*innen 

 

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Knoke, Andreas, Diplom‐Pädagoge, ist Leiter der Programmabteilung der  Deutschen Kinder‐ und Jugendstiftung (DKJS). Zuvor war er dort verant‐ wortlich  für den  Themenbereich  „Kita  und Schule gestalten“  und  Leiter  mehrerer  Stiftungsprogramme.  Seine  Arbeitsschwerpunkte  sind:  Frühe  Bildung, Schulentwicklung und Steuerung im Bildungssystem.    Krebs, Matthias, ist Diplom‐Musik‐ und Medienpädagoge, Physiker und  Opernsänger. Er arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Univer‐ sität der Künste (UdK) Berlin und leitet dort die Forschungsstelle Appmu‐ sik (Institut für digitale Musiktechnologien in Forschung und Praxis) so‐ wie  das  Lehrforschungsprojekt  DigiMediaL  –  Profilbildung  für  Musik,  Schauspiel und Bühne. Seit 2009 beschäftigt er sich mit der systematischen  Erfassung von Formen musikalischer Praxis mit digitalen Musiktechnolo‐ gien, insbesondere mit dem Phänomen Appmusik sowie den daraus resul‐ tierenden  pädagogischen  Implikationen.  Aktuell  forscht  Krebs  im  Ver‐ bundprojekt MuBiTec zu Fragestellungen ästhetischer Erfahrungsmöglich‐ keiten  und  der  Kompetenzentwicklung  in  appmusikalischen  (Bildungs‐)  Kontexten.    Kußmaul, Marion, ist akademische Mitarbeiterin an der Universität Pots‐ dam der Humanwissenschaftlichen Fakultät/Departement Lehrerbildung  – Studienbereich Ästhetische Bildung – Kunst. Sie ist maßgeblich für die  wissenschaftliche  Entwicklung  und  Inhaltssetzung  des  Forschungspro‐ jekts „aesth paideia“ verantwortlich.    Ludwig, Joachim, Prof. Dr. phil. habil., Erziehungswissenschaftler, ist Pro‐ fessor für Erwachsenenbildung/Weiterbildung und Medienpädagogik an  der  Universität  Potsdam.  Zu  seinen  Arbeitsschwerpunkten  zählen:  Bil‐ dungsprozess‐ und pädagogische Lernforschung, ästhetische Bildung und  professionelles pädagogisches Handeln mit dem Schwerpunkt Beratung.       

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Verzeichnis der Autor*innen 

Menrath,  Stefanie  Kiwi,  Dr.  des.,  Ethnologin,  Kulturvermittlerin,  war  2014 bis 2017 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Alice Salomon Hoch‐ schule (ASH) Berlin im Projekt ARTPAED. Sie betreibt Forschung zu Ju‐ gendkulturen  und  Popmusik,  Kultureller  Bildung,  Diversity  und  Trans‐ kulturalität sowie Künstlerischer Praxis/Forschung.    Rolle, Christian, Prof. Dr. phil., ist Professor für Musikpädagogik an der  Universität zu Köln. Außerdem hat der den Vorsitz beim Bundesverband  Musikunterricht  Saar  inne  und  ist  Vorstandsmitglied  des  Arbeitskreises  Musikpädagogische Forschung. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: kompa‐ rative Musikpädagogik, musikalisches Urteilsvermögen, Musikpraxis mit  digitaler Technologie.    Rousseau,  Nadine,  arbeitet  an  der  Akademie  der  Kulturellen  Bildung  des Bundes und des Landes NRW zum Schwerpunktthema Diversität in  der  Entwicklung  und  Begleitung  innovativer  Fortbildungsformate.  Als  Kulturwissenschaftlerin im Kontext von Interkulturalität arbeitete sie bis‐ her in der Begleitung gesellschaftlicher Transformationsprozesse und in‐ terkultureller, künstlerischer Begegnungen.    Schuh, Ricarda, studierte Erziehungswissenschaften und Theaterwissen‐ schaften/kulturelle Kommunikation. Seit 2006 ist sie Dozentin an der Stif‐ tung  SPI  mit  dem  Schwerpunkt  Spiel‐  und  Theaterpädagogik  an  der  Fachschule für Erzieher*innen sowie seit 2012 Kursleitung der Theater‐ pädagogischen Qualifikation/Spielleitung (BuT). Von 2014 bis 2017 war  sie Leiterin des Teilprojekts Stiftung SPI „Kinder_Kunst_Räume“ – Wei‐ terbildung für Bildende Künstler*innen zur künstlerischen Bildungsarbeit  in  der  Kita,  am  Übergang  Kita  –  Grundschule  und  im  Hort  der  Grund‐ schule (BMBF). Als freischaffende Künstlerin arbeitet sie außerdem in den  Bereichen Tanztheater und Performance in interdisziplinären Kunst‐ und  Kunstvermittlungsprojekten mit Jugendlichen und Erwachsenen.       

Verzeichnis der Autor*innen 

 

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Stiller, Barbara, Prof. Dr., studierte Elementare Musikpädagogik und Vio‐ line  für  Diplommusiklehrer*innen  an  der  Hochschule  für  Musik  in Ham‐ burg sowie Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg. Seit 2002  ist sie Professorin für Elementare Musikpädagogik und Instrumentalpäda‐ gogik an der Hochschule für Künste in Bremen. In ihren Forschungsarbei‐ ten  beschäftigt  sie  sich  mit  Fragen  zur  Qualitätsentwicklung  an  den  Schnittstellen  von  Musikpädagogik,  Kultureller  Bildung  und  Musikver‐ mittlung.    Tasch, Markus, Diplom‐Pädagoge, war von 2013 bis 2017 Wissenschaftli‐ cher  Mitarbeiter  an  der  Professur  für  Erwachsenenbildung/Universität  Potsdam. In dieser Zeit begleitete er als Koordinator das Projekt „d.art“.  Seit  Juli  2017  arbeitet  er  als  Personalentwickler  für  den  Internationalen  Bund (IB) e. V. in Schwerin.    Utech, Henry war im Projekt „d.art“ Dozent und Lernbegleiter. Von 2013  bis 2017 war er Mitarbeiter an der Professur für Erwachsenenbildung/Uni‐ versität Potsdam (u. a. im BMBF‐Projekt „transform“). Er arbeitet freibe‐ ruflich an der Konzeption und Begleitung pädagogischer Weiterbildungen  für Projekte der Kulturellen Bildung.    Werker, Bünyamin, Dr. phil., ist Studienleiter der Akademie der Kulturel‐ len Bildung des Bundes und des Landes NRW in Remscheid. Der promo‐ vierte  Erziehungswissenschaftler  war  mehrere  Jahre  als  Wissenschaftli‐ cher Mitarbeiter am Deutschen Jugendinstitut sowie am Lehrstuhl Allge‐ meine  Erziehungswissenschaft  und  Historische  Bildungsforschung  der  Technischen Universität (TU) Dortmund tätig. Dort lehrte und forschte er  zu Angeboten, Formaten und Förderung der Kulturellen Jugendbildung  in NRW sowie zu Ästhetischer und Kultureller Bildung, Jugendkultur und  Erinnerungskultur.  Durch  eigenes  künstlerisches  Schaffen  bringt  Werker  langjährige Praxiserfahrung direkt an der Basis der Jugendkulturarbeit mit.       

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Verzeichnis der Autor*innen 

Werschnitzke, Kristin, Pädagogin, war von 2014 bis 2017 Projektkoordi‐ natorin bei WeTeK gGmbH im Projekt ARTPAED. Sie ist Dozentin an der  Carl von Ossietzky Universität Oldenburg sowie Wissenschaftliche Mitar‐ beiterin der Humboldt Universität zu Berlin im Projekt PiCarDi.    Westphal, Kristin, Prof. Dr. phil. habil., ist Professorin an der Universität  Koblenz‐Landau, Campus Koblenz Fachbereich 1 Bildungswissenschaften  IfGP. Sie hat die wissenschaftliche Leitung des Zentrums für zeitgenössi‐ sches Theater und Performancekunst im Studiengang Darstellendes Spiel  inne.  Ihre  Arbeitsschwerpunkte  sind:  Pädagogische  Anthropologie  und  Phänomenologie; Ästhetik und Bildung, Erziehen und Bilden in der Kind‐ heit. Forschungsarbeiten im Bereich der Kulturellen Bildung hat sie u. a.  zu „Kunst_Rhein_Main“ (BMBF 2014‐2017) sowie „Generation K: Kultur  trifft Schule“ (MWWK Rheinland‐Pfalz/Stiftung Mercator 2017‐2019) vor‐ gelegt. Sie ist außerdem Mitherausgeberin der Reihe „Räume der Pädago‐ gik“  des  Beltz‐Juventa‐Verlags  sowie  der  Reihe  „Theater.  Tanz.  Perfor‐ mance“ des Athena‐Verlags. 

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