Dienstplanung im stationären Pflegedienst

Bedarfs- und mitarbeitergerechte Dienstpläne für den stationären Pflegedienst in Pflege- und Betreuungseinrichtungen zu erstellen, erfordert ein geeignetes methodisches Rüstzeug, das zugleich den gestiegenen Anforderungen der Mitarbeiter, der Patienten (Bewohnern) und der Häuser gerecht werden muss. Die Bedeutung, die der Dienstplanqualität bei der Gesamtbeurteilung der Arbeitsbedingungen zukommt, wächst: Die Mitarbeiter wünschen verlässliche und langfristig planbare Dienstpläne – doch im Arbeitsalltag der Pflege dominieren vielerorts Kurzfristigkeit, Improvisation und Instabilität. Zudem gewinnen Pflegestandards, Mindestpersonalregelungen und Betreuungsschlüssel an Bedeutung. Die bisherigen Verfahren der Dienstplanerstellung stoßen in vielen Häusern an ihre Grenzen. In diesem Buch stellen die Autoren erstmals die in der Praxis vielfach erprobte und bewährte gesamte Schrittfolge auf dem Weg zum guten Dienstplan vor. Dabei flossen ihre jahrzehntelangen Erfahrungen mit der Gestaltung und Steuerung von Dienstplänen ein. Zahlreiche Fallbeispiele – zu denen Personaleinsatzverantwortliche aus Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen beigetragen haben – sowie konkrete praktische Arbeitshilfen und Tools erleichtern den Transfer in die tägliche Dienstplan-Praxis.

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Dienstplanung im stationären Pflegedienst

Lars Herrmann • Christine Woodruff

Dienstplanung im stationären Pflegedienst Methoden, Tools und Fallbeispiele

Lars Herrmann Herrmann Kutscher Weidinger Arbeitszeitberatung Berlin Deutschland

Christine Woodruff Herrmann Kutscher Weidinger Arbeitszeitberatung Berlin Deutschland

Elektronisches Zusatzmaterial Dieses Buch enthält Dateien, die mit der kostenfreien Springer Nature More Media App aus dem IOS- und Android-Store downloadbar sind. Dazu einfach die Abbildungen, die das App-Logo tragen, scannen. ISBN 978-3-658-22580-3    ISBN 978-3-658-22581-0 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-22581-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort

Die Ansprüche an Dienstpläne sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die Lebensformen der Mitarbeiter individualisieren sich. Arbeitsfreie Zeiten gewinnen höhere Priorität. Belastungsgrenzen werden sensibler wahrgenommen. Zugleich steigen die Ansprüche der Patienten bzw. Bewohner. Auch hier sind die Zeiten genügsamen Erduldens des Vorgegebenen vorbei. Damit nicht genug: Auch die fachlich-qualitativen Ansprüche an Dienstpläne steigen. Selbstgesetzte und zunehmend eingeforderte Standards fordern stabil gehaltene Besetzungsschlüssel der zu betreuenden Patienten beziehungsweise Bewohner und dem eingesetzten Personal. Die derzeitigen politischen Diskussionen um pflegerische Mindestpersonalregelungen schlagen bereits jetzt mit erhöhten Erwartungen der Mitarbeiter auf die Personaleinsatzplanung durch. Nicht zuletzt wird die sichere Einhaltung des verfügbaren Personalbudgets durch geeignete Dienstplanverfahren gefordert – angesichts des hohen Personalkostenanteils an den Gesamtkosten ist dies existenziell wichtig. Dadurch steigt die Bedeutung des Personaleinsatzes: Mit ihm soll ausbalanciert werden, was sich ausdifferenziert. Im Übrigen greifen die genannten Anforderungen ineinander. Die Akzeptanz von Kapazitätsgrenzen bei der Dienstplanung dient ja zugleich den anspruchsvolleren Zeitinteressen der Mitarbeiter. Beide Seiten – Mitarbeiter wie Dienstplaner – wollen unnötige zeitliche Belastungen vermeiden. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sind nicht zuletzt angesichts eines knapp gewordenen Arbeitskräftereservoirs gut beraten, fortlaufend daran zu arbeiten, diese Herausforderung bestmöglich zu bewältigen. Die Dienstplanung in der Pflege wird vielerorts neu ausgerichtet. Historisch „gewachsene“ Verfahren stehen mehr und mehr im Konflikt mit den anspruchsvolleren Anforderungen. Oftmals leidet die Planbarkeit der Dienstpläne, weil auf Unvorhergesehenes reagiert werden muss – während zugleich die Verlässlichkeit der Dienstplanung von den Mitarbeitern mehr als bisher erwartet wird. Uns ist aufgefallen, dass in Veröffentlichungen zur Dienstplanung der Kern der Sache meist zu kurz kommt: wie man Dienstpläne erstellt. Stattdessen werden vor allem arbeitsrechtliche Fragen behandelt. Oder es wird die Personalausstattung problematisiert. So wichtig diese beiden Rahmenbedingungen sind: Sie sind eben Rahmenbedingungen – nicht der eigentliche Inhalt. Mit Rahmenbedingungen allein kann kein Dienstplan erstellt V

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Vorwort

werden. Dienstplanverantwortliche Führungskräfte benötigen Rüstzeug, um Dienstpläne entwickeln und einführen zu können. Dieses Buch legt den Fokus genau auf diesen Aspekt. Wir haben uns von dem Anspruch leiten lassen, die von uns entwickelte Methodik zur Planung und Steuerung von Dienstplänen so einfach wie möglich aufzubereiten – gerade weil es immer mehr komplexe Einzelfälle und Umstände gibt. Wir konzentrieren uns in diesem Buch auf den stationären Pflegedienst in Pflege- und Betreuungseinrichtungen. Die in vielen Fragen abweichende Methodik der Dienstplanung in ambulanten Bereichen bzw. in Funktionsbereichen (mit Bereitschaftsdiensten und Rufdiensten) hätte den Rahmen dieses Buches gesprengt. Zu unserem Buch haben 18 Personaleinsatzplanungsverantwortliche aus Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen beigetragen. Sie teilen ihre Erfahrungen auf dem Weg zu guten Dienstplänen in Fallbeispielen. Hierfür danken wir: Karin Burtscher (Villingen-Schwenningen), Matthias Düker (Berlin), Jakob Hartmann (Kolbermoor), Ludwig Kerschbaum (Lingen), Sabine Kesting (Bochum), Hannes Krausholz (Magdeburg), Matthias Merten (Büdingen), Lothar Pannen (Stemwede), Dorothea Petrat (Bautzen), Elke Pfeifer (Gelnhausen), Clemens Pollmann (Köln), Bärbel Rademacher (Jena), Hubertus Rolfes (Bremen), Dr. Ulli Schäfer (Jena), Mario Schiffer (Köln), Karl-Heinz Schmitz (Lippstadt), Brigitte Schneider, (Speyer), Carsten Wirges (Himmelsthür). In diesen Dank schließen wir unsere Kollegin Jana Jelenski ein, die sämtliche Fallbeispiele betreut und redaktionell bearbeitet hat. Ein besonderer Dank gebührt unserer Kollegin Julia Marie Leydecker. Sie hat zum Gelingen des Buches einen eminenten Beitrag geleistet, indem sie die Arbeitstools auf Basis von MS Excel erstellte, mit deren Hilfe unsere Leser die in diesem Buch vermittelten Arbeitsschritte anwenden können. Unserem Partner Jan Kutscher danken wir für die abschließende Redaktion, mehr noch aber für die jahrelange gemeinsame Entwicklungsarbeit an der Methodik, die diesem Buch zugrundeliegt. Wir wünschen uns, dass viele Interessierte den Weg zu guten Dienstplänen in der Pflege beschreiten. Lars Herrmann Christine Woodruff

Inhaltsverzeichnis

1. Gute Dienstpläne: Neue Anforderungen, alte Mythen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1 1.1. Warum wir uns Leichtes manchmal schwer machen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1 1.1.1.Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1 1.1.2. Dienstplanung im Umbruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2 1.1.3. Veränderte Anforderungen und Ansprüche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3 1.1.4.Dienstplan-Mythen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4 1.2. Was Dienstplanungsmythen auslösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5 1.2.1. Der Mythos von der unzureichenden Kompetenz der Dienstplaner . .  5 1.2.2. Der Mythos von der Notwendigkeit kleiner Teams. . . . . . . . . . . . . . .  11 1.2.3. Der Mythos vom arbeitswissenschaftlich perfekten Dienstplan. . . . .  15 1.2.4. Der Mythos von den rechtlichen Unzulässigkeiten. . . . . . . . . . . . . . .  18 1.2.5. Der Mythos von der Zufriedenheit durch Wunscherfüllung. . . . . . . .  22 1.2.6. Der Mythos von der fehlenden Personalkapazität. . . . . . . . . . . . . . . .  25 1.2.7. Der Mythos von der Untauglichkeit kühler Zahlen in der Pflege . . . .  26 1.2.8.Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  26 1.3. Welche Anforderungen an gute Dienstpläne gestellt werden . . . . . . . . . . . . .  27 1.3.1. Gute Dienstpläne aus Patienten-/Bewohnersicht. . . . . . . . . . . . . . . . .  28 1.3.2. Gute Dienstpläne aus Mitarbeitersicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  29 1.3.3. Die Perspektive des Betriebes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  31 1.4. Was gute Dienstpläne sind und ein erster Überblick über das zu bewältigende Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  32 1.4.1. Was sind gute Dienstpläne?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  32 1.4.2. Welcher Weg ist zu beschreiten?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  33 1.4.3. Themenfelder und Gestaltungsaufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  34 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  36 2. Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf unvoreingenommen ermitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  37 2.1. Den offenen Blick üben: Der Besetzungsbedarf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  37 2.1.1. Die Ausgangsfrage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  37 2.1.2. Planbarer Besetzungsbedarf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  38 VII

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2.1.3. Nicht planbarer Besetzungsbedarf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   39 2.1.4. Einflussfaktoren auf die Ermittlung des Besetzungsbedarfs. . . . . . .   40 2.1.5. Unterstützung der Erhebung des Besetzungsbedarfs mittels eines Tools. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   43 2.2. Den Besetzungsbedarf in passgenaue Dienstzeiten überführen. . . . . . . . . .   46 2.2.1. Die Grundlagen der Dienstzeitengestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   46 2.2.2. Arbeitszeitrechtliche Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Diensten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   48 2.2.3.Dienstzeitvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   50 2.3. Die Soll-Besetzungsstärke: Die wichtigste Planungsgrundlage . . . . . . . . . .   62 2.3.1. Die Soll-Besetzungsstärke als Grundlage zur Ermittlung des arbeitsplatzbezogenen Personalbedarfs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   62 2.3.2. Den Arbeitszeitbedarf aus der Soll-Besetzungsstärke ableiten. . . . .   64 2.3.3. Das Arbeitszeitangebot korrekt ermitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   65 2.3.4. Den arbeitsplatzbezogenen Personalbedarf aus Arbeitszeitbedarf und Arbeitszeitangebot ableiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   69 2.4. Immer zu wenige? Warum es wichtig ist, Personalbedarfsberechnung und Personaleinsatz voneinander zu trennen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   76 2.4.1. Personalbedarfsberechnung auf Basis der Finanzierung. . . . . . . . . .   76 2.4.2. Personalbedarfsberechnung auf Basis der Leistungsmengen . . . . . .   79 2.4.3. Personalbedarfsberechnung auf Basis der Arbeitsplatzmethode. . . .   80 2.4.4.Fallbeispiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   80 2.5. Übergaben, Umkleide- und Wegezeiten, Pausen bei Einzelbesetzungen und der Wochenfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   83 2.5.1. Übergabekonzepte in Dienststrukturen berücksichtigen. . . . . . . . . .   83 2.5.2. Umkleide- und Wegezeiten bei der Dienste-Entwicklung berücksichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   88 2.5.3. Auch bei Einzelbesetzungen können Pausenzeiten gewährleistet werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   91 2.5.4. Wie sich der Wochenfaktor auf die Dienstplanung auswirkt. . . . . . .   95 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   98 3. So einfach geht gute Dienstplanung!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   99 3.1. Überblick: Varianten der Dienstplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   99 3.1.1.Auswahlkriterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   99 3.1.2. Alternativen zum Monatsdienstplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  101 3.2. Arbeitswissenschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen. . . . . . . . . . .  102 3.2.1. Welche Dienstrhythmen empfohlen werden können. . . . . . . . . . . . .  102 3.2.2. Rechtliche Rahmenbedingungen der Dienstplangestaltung . . . . . . .  104 3.3. Monatsdienstpläne: Vom vertikalen zum horizontalen Blick . . . . . . . . . . . .  106 3.3.1. Planung mit der Soll-Besetzung, nicht mit der Monatssollarbeitszeit. . .   106 3.3.2. Weitere Konstruktionsfehler von Monatsdienstplänen . . . . . . . . . . .  110 3.3.3. Gute Monatsdienstpläne erstellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  111

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3.4. Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  113 3.4.1. Grunddienstpläne erleichtern die Planung und machen sie schneller. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  113 3.4.2. Wie man einfache Grunddienstpläne erstellt. . . . . . . . . . . . . . . . . . .  117 3.4.3. Lang- und kurzfristige Ausfälle durch Vertretungs-Dummys berücksichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  129 3.4.4. Grunddienstpläne ohne Vertretungsdienste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  133 3.4.5. Planungshilfen bei der Erstellung von Grunddienstplänen. . . . . . . .  135 3.5.Rahmendienstpläne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  146 3.5.1. Schritte zum Rahmendienstplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  146 3.5.2. Erstellung des Rahmendienstplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  147 3.5.3. Ausplanung des Rahmendienstplans. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  148 3.5.4. Vorstrukturiertere Rahmendienstpläne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  150 3.5.5. Schnelldurchlauf: Rahmendienstplan im Muster-Beispiel . . . . . . . .  152 3.6.Freie-Tage-Pläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  154 3.6.1. Gestaltung von Freie-Tage-Plänen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  154 3.6.2. Vorteile von Freie-Tage-Plänen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  155 3.7. Einsatzpläne – eine Alternative. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  156 3.7.1. Einsatzgebiete von Einsatzplänen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  156 3.7.2. Vorteile von Einsatzplänen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  157 3.7.3. Fortlaufende Verfügbarkeitsplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  157 3.7.4. Fünf Planungsstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  158 3.7.5. Keine „Motiv-Erforschung“ mehr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  159 3.8. Wertschöpfender Einsatz von Schülern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  160 3.8.1. Warum ein wertschöpfender Einsatz sinnvoll ist. . . . . . . . . . . . . . . .  160 3.8.2.Anrechnungsquoten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  161 3.8.3. Ausgestaltung des Schüler-Einsatzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  161 3.8.4. Vorteile einer langfristigen Planung der Schüler-Einsätze . . . . . . . .  163 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  163 4. Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt. . .  165 4.1. Varianten der Individualisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  165 4.2. Überblick: Umsetzungsformen der Individualisierung. . . . . . . . . . . . . . . . .  166 4.2.1. Formen der Individualisierung von Grunddienstplänen . . . . . . . . . .  167 4.2.2. Weitere Varianten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  167 4.2.3. Rechtliche Rahmenbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  169 4.3. Einbau individueller Zeitanforderungen in gruppenbezogene Grunddienstpläne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  171 4.3.1. „Verschachtelte“ Grunddienstpläne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  171 4.3.2. Verlängerung der Laufzeit von „Vollzeit-Plänen“ für Teilzeitmitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  182 4.3.3. Mitarbeiter-Paare mit komplementären Zeitinteressen. . . . . . . . . . .  187

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4.4. Individualisierte Dienstplanformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  189 4.4.1. Individualisierte Grunddienstpläne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  189 4.4.2. Individuelle Jahresplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  197 4.5. Umgang mit (nacht-)dienstuntauglichen Mitarbeitern. . . . . . . . . . . . . . . . .  200 4.5.1. Indikation Dienstuntauglichkeit aus arbeitswissenschaftlicher Sicht. . . .   200 4.5.2. Anforderungen an eine ärztliche Bescheinigung der Nachtarbeitsunfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  201 4.5.3. Rechtliche Rahmenbedingungen von Arbeitszeit-Attesten. . . . . . . .  202 4.5.4. Dienstplanerische Realisierung von Verfügbarkeitseinschränkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  203 4.6. Vom Wunsch zum Tausch: Warum das gerechter ist. . . . . . . . . . . . . . . . . . .  205 4.6.1. Langfristige Planung – kurzfristige Tausche. . . . . . . . . . . . . . . . . . .  205 4.6.2. Hohe Präferenzen-Unterschiede zwischen den Mitarbeitern. . . . . . .  206 4.6.3. Regeln für Tausche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  206 4.7.Wahlarbeitszeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  209 4.7.1. Neue gesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  209 4.7.2. Auch Arbeitszeitverlängerungen ermöglichen. . . . . . . . . . . . . . . . . .  209 4.7.3. Lebensphasenorientierte Arbeitszeitgestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . .  210 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  214 5. Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  215 5.1. Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare. . . . . . . . .  215 5.1.1. Erst das Skelett, dann die Muskeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  215 5.1.2. Urlaub und andere planbare Ausfallzeiten in Dienstplänen berücksichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  219 5.1.3. Vorhandende Ausfallzeiteninstrumente bewerten. . . . . . . . . . . . . . .  228 5.1.4. Auch das Unplanbare planen: Von der Improvisation zum Ausfallzeitenmanagement – Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  239 5.1.5. Den Vertretungsbedarf ermitteln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  243 5.2. Leistungs- und Serviceflexibilität: Priorisierung schafft Handlungssicherheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  255 5.2.1. Prinzip der Leistungs- und Serviceflexibilität. . . . . . . . . . . . . . . . . .  255 5.2.2. Orientierungsschemata statt Handlungsunsicherheit. . . . . . . . . . . . .  255 5.2.3.Fallbeispiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  257 5.3. Kurzfristige Arbeitszeitflexibilität: Stand-By-Dienste oder Rufbereitschaft?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  262 5.3.1.Stand-By-Dienste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  262 5.3.2. Rufbereitschaft – eine mögliche Alternative zum Stand-By-Dienst.  270 5.4. Einsatzflexibilität: Joker-Dienste oder Poolmodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . .  274 5.4.1.Joker-Dienste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  274 5.4.2.Poolmodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  288

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5.5. Wer ist verantwortlich? – Aufgabenverteilung beim Personaleinsatz. . . . . .  301 5.5.1. Die Balance zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung . . . . .  301 5.5.2. Zentrale Disposition des Ausfallzeitenmanagements . . . . . . . . . . . .  305 5.5.3. Institutionalisiertes Arbeitszeitmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  305 5.6. Ausfallzeiten richtig anrechnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  310 5.6.1. Das Ausfallprinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  310 5.6.2. Probleme bei der Anwendung des Ausfallprinzips . . . . . . . . . . . . . .  311 5.6.3. Das Durchschnittsprinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  312 5.6.4. Umsetzung von Ausfall- und Durchschnittsprinzip bei der Dienstplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  313 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  319 6. Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  321 6.1. Was Flexi-Spielregeln ausmacht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  321 6.1.1. Das Flexi-Paradoxon: Warum Verlässlichkeit und Flexibilität zusammengehören. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  321 6.1.2. Feste Dienstzeiten haben Vorrang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  323 6.1.3. Vorstrukturierte Arbeitszeitsteuerung mittels Flexi-Spielregeln. . . .  328 6.1.4. Wann Flexi-Dienste nützlich sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  333 6.1.5. Dienstfenster: Flexibilität der Arbeitszeitlage. . . . . . . . . . . . . . . . . .  337 6.1.6. Zur richtigen Zeit weniger arbeiten: Abwesenheitssteuerung. . . . . .  338 6.2. Zeitkonten richtig gestalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  347 6.2.1. Was Zeitkonten leisten sollten – und was sie nicht leisten können. .  347 6.2.2. Nachteile von Zeitkonten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  348 6.2.3.Gestaltungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  350 6.3. Überstunden in flexiblen Systemen – wie passt das zusammen? . . . . . . . . .  357 6.3.1. Kapazität und Flexibilität voneinander unterscheiden. . . . . . . . . . . .  357 6.3.2. Die Überstundenurteile (2013 und 2017) des Bundesarbeitsgerichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  360 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  364 7. Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  365 7.1. Arbeitszeit-Controlling zur Objektivierung bislang gefühlter Realitäten. . .  365 7.1.1. Der Wert „kühler“ Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  365 7.1.2. Arbeitszeit-Controlling als Veränderungsauslöser. . . . . . . . . . . . . . .  367 7.1.3.Fallbeispiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  368 7.2. Die Besetzungskennzahl: Wie man sie fortlaufend ermittelt. . . . . . . . . . . . .  372 7.2.1. Was die Besetzungskennzahl aussagt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  372 7.2.2. Ermittlung der einfachen Besetzungskennzahl. . . . . . . . . . . . . . . . .  372 7.2.3. Festlegung tolerierter Schwankungsbandbreiten. . . . . . . . . . . . . . . .  373 7.2.4.Ist-Besetzungskennzahl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  374

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7.2.5. Die Besetzungskennzahl verfeinern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  376 7.2.6. PPR oder andere schweregradbezogenen Gewichtungen wie Pflegegrade. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  379 7.2.7. Weitere Gewichtungsfaktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  379 7.2.8. Der Einsatz der Besetzungskennzahl in der täglichen Personaleinsatzplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  382 7.3. Fortlaufendes Monitoring statt Gefährdungsanzeigen. . . . . . . . . . . . . . . . . .  387 7.3.1. Das Phänomen der Gefährdungsanzeigen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  387 7.3.2. Ursachen für Gefährdungsanzeigen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  388 7.3.3. Fortlaufendes Monitoring der Besetzungsstärken. . . . . . . . . . . . . . .  390 7.3.4. Monitoring von Soll- und Ist-Besetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  390 7.3.5. Die Besetzungskennzahl als wesentliches Kriterium für die Bearbeitung von Gefährdungsanzeigen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  392 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  394 8. Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  395 8.1. Gute Dienstpläne einführen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  395 8.1.1. Warum ein Sprung notwendig ist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  395 8.1.2. Wie der Sprung leichter wird. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  397 8.1.3. Monitoring der Projektergebnisse mittels einfacher Arbeitshilfen . .  410 8.2. Der Regelungsrahmen für gute Dienstpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  414 8.2.1. Was bringen Betriebs-/Dienstvereinbarungen?. . . . . . . . . . . . . . . . .  414 8.2.2. Was in einer Betriebs-/Dienstvereinbarung geregelt sein sollte . . . .  415 9. Auf einen Blick: Die wichtigsten Schritte zum guten Dienstplan. . . . . . . . . . .  425

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Gute Dienstpläne: Neue Anforderungen, alte Mythen

1.1

Warum wir uns Leichtes manchmal schwer machen

1.1.1 Ursachen Dieses Buch möchte zeigen, wie gute Dienstpläne erstellt werden. Viele Führungskräfte, selbst wenn sie für den Personaleinsatz ihrer Mitarbeiter verantwortlich sind, scheuen (wenn es sich denn vermeiden lässt) die recht abstrakte und „trockene“ Materie, mit der wir uns hier befassen. Es wird gerechnet und kalkuliert werden müssen. Die Auswahl und Anwendung geeigneter Planungs- und Steuerungsinstrumente wird erforderlich werden. Eine ganze Menge methodischer Details werden wir den Lesern nicht ersparen können. Wir selbst erstellen Dienstpläne mit Freude – insbesondere auch, weil wir von einem erheblichen Nutzen für die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter ebenso wie für das Wohl der Patienten beziehungsweise Bewohner ausgehen. Diese Aufgabe ist wesentlicher Bestandteil unseres selbst gewählten Berufs. Aber es ist nun einmal nicht jedermanns Sache, Dienstpläne zu „schreiben“. Wir sehen, wie mühselig das für viele Beteiligte ist. Daher muss das Rüstzeug so einfach wie möglich gestaltet werden. Der Weg wird vor allem dann leichter als gedacht, wenn Sie vor dem eigentlichen Start mit uns ein paar Annahmen teilen. Diese betreffen zwei Aspekte: • Veränderte Anforderungen: Die Anforderungen, die die Beteiligten an Dienstpläne stellen, haben sich in den letzten Jahren geändert. • Veränderungsblockaden: Wir haben uns gefragt, was die Anwendung methodisch stringenter Dienstplanverfahren in der Praxis behindert. Anders gefragt: Warum machen sich viele Häuser schwer, was eigentlich nicht so schwer sein müsste? Diese Frage führt uns zu dem, was wir hier die Dienstplanungsmythen nennen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Herrmann, C. Woodruff, Dienstplanung im stationären Pf legedienst, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22581-0_1

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21  Gute Dienstpläne: Neue Anforderungen, alte Mythen

1.1.2 Dienstplanung im Umbruch Die Pflege erlebt hinsichtlich der Methoden zur Planung und Steuerung des Personaleinsatzes eine Zeit des Umbruchs. Bisher angewandte Verfahren zur Dienstplanung werden vielerorts kritisch gesehen – und nicht selten von Führungskräften und/oder Mitarbeitern infrage gestellt. Das gilt zum Beispiel für die weitverbreitete Praxis des „Holens aus dem Frei“ als Reaktion auf kurzfristige krankheitsbedingte Ausfälle von Kollegen. Vielen Beteiligten fehlt die Vorstellung, wie es anders gehen könnte – schließlich ist Krankheitsausfall in der Regel kein planbares Ereignis. Daher denken immer noch viele Dienstplanverantwortliche, es läge quasi in der Natur der in der Pflegebranche zu erbringenden Tätigkeit, bei kurzfristigen Krankheitsausfällen reihum die infrage kommenden Kollegen an ihren arbeitsfreien Tagen abzutelefonieren, um sie zum Vertretungseinsatz zu bewegen. Solange dieses Verfahren im Ergebnis funktionierte, wurde hierin keine methodische Herausforderung gesehen. Doch die Betroffenen klagen nun mehr und mehr, das Einspringen aus arbeitsfreien Tagen könne nicht „der Weisheit letzter Schluss“ sein. Andere wiederum stellen sich die Frage, warum Dienstpläne nicht – wie in anderen Branchen längst üblich; nicht nur in der Industrie, auch in vielen Dienstleistungsbereichen – längerfristig vorhersehbar sind, sondern Monat für Monat neu „gebastelt“ werden müssen. Das gehört zum Wesen monatsweise geplanter Dienstpläne: Das Spiel beginnt in jedem Monat von vorn, obwohl der Besetzungsbedarf sich faktisch immer gleicht, ebenso wie meistens derselbe Mitarbeiterstamm zu verplanen ist. Auch hier fragen sich die Beteiligten, warum anderswo gelingt, was in der Pflege angeblich nicht funktionieren kann. Es ist nicht übertrieben, wenn man konstatiert, dass die bisherigen Planungsverfahren vor allem auf duldsame Mitarbeiter und gutmütige Patienten beziehungsweise Bewohner bauen und wenig Wettbewerb voraussetzen – sei es ökonomisch im Gesundheitsmarkt oder im Arbeitsmarkt beim Ringen um die fähigsten Kräfte. In solch einer Konstellation ist Dienstplanung relativ einfach (wie Management übrigens insgesamt). Es mehren sich die Klagen, die Personaleinsatzmethoden in ihrer bisherigen Form führten zu Unzufriedenheit bei den Beteiligten. Mitunter wird die Arbeitszeitgestaltung als Hauptursache der beklagten Misere beklagt, indem sie zum zentralen Kriterium für die Gesamtbeurteilung der Arbeitsbedingungen gemacht wird. So berechtigt dies im Einzelfall aufgrund der Wahrnehmung Betroffener sein mag, würden wir – mit dem zugegebenermaßen nüchternen Blick der Außenbetrachter – dazu raten, nicht komplett den Stab über die bisherigen Verfahren zur Personaleinsatzplanung im Pflegedienst zu brechen. Es ist ja nicht so, dass die bisher angewandten Verfahren zur Dienstplanung und -steuerung per se nicht zu guten Dienstplänen führen könnten. In der Pflege werden seit Jahrzehnten etablierte Dienstplanungsverfahren angewandt. Diese haben durchaus funktioniert – sonst wären vermutlich längst neue etabliert worden. Schon immer haben sich

1.1  Warum wir uns Leichtes manchmal schwer machen

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viele verantwortliche Führungskräfte im Pflegedienst nach bestem Wissen bemüht, die Besetzungsanforderungen für die Patienten beziehungsweise Bewohner auf der Basis der zur Verfügung stehenden Personalausstattung mit den Interessen der Mitarbeiter bestmöglich „unter einen Hut“ zu bringen. Die Auslotung unterschiedlicher, teils im Widerspruch zueinander stehender Interessen und Anforderungen bei der Dienstplanung ist keine triviale Fragestellung. Ihre Bearbeitung erfordert einiges Geschick. Wir können uns in der Praxis immer wieder überzeugen, wie ausgesprochen gut vielen Führungskräften ihre Aufgabe im Rahmen der Dienstplanung und -steuerung gelingt. Oft wird dabei improvisiert – das muss nicht zu schlechten Ergebnissen führen. Dass nicht immer alles zur Freude aller Beteiligten gelingt, spricht auch nicht automatisch gegen die Qualität der diesbezüglichen Ergebnisse. Es liegt in der Natur der Sache: Jeder Mitarbeiter bringt schließlich seine eigene Auffassung dazu ein, was für ihn einen guten Dienstplan ausmacht.

1.1.3 Veränderte Anforderungen und Ansprüche Was die Beurteilung der überkommenen Dienstplanverfahren in einem weniger günstigen Licht erscheinen lässt, ist folgende Tatsache: Die bisherigen Methoden, so geeignet sie für den Personaleinsatz in der Pflege einstmals gewesen sein mögen, passen schlicht nicht mehr zu den gegenwärtigen und absehbaren Anforderungen. Genauer müssen wir sagen: Während sich die Anforderungen selbst nur teilweise veränderten, sind vor allem die Ansprüche der Beteiligten an diese Anforderungen deutlich gestiegen. Viele Dienstplaner spüren dies in Form von erhöhtem Aufwand bei der Dienstplanung – bei gleichzeitig unzufriedeneren Mitarbeitern. Eine gewisse Resignation macht sich bei den Verantwortlichen breit, wenn die Arbeit an der Verbesserung der Dienstpläne zu einer „Quadratur des Kreises“ wird. Die Ansprüche an Dienstpläne haben sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Und zwar von Seiten aller Beteiligten. Diese verschiedenen Interessenten werden neudeutsch gern als „Stakeholder“ bezeichnet: Dies sind: 1. der Patient oder Bewohner, 2. der Mitarbeiter und 3. das Haus oder die Einrichtung (die neben den wirtschaftlichen Anforderungen zugleich die Ansprüche Externer repräsentieren, seien es Aufsichtsbehörden, Fachgesellschaften oder Zertifizierer); siehe Abb. 1.1. Wenn die Ansprüche sämtlicher Stakeholder an die Qualität von Dienstplänen gestiegen sind, müssen Arbeitsmethoden angepasst werden. Werden gewachsene Regeln für den

41  Gute Dienstpläne: Neue Anforderungen, alte Mythen Abb. 1.1  Interessendreieck der Dienstplanung

Personaleinsatz trotz veränderter Anforderungen einfach fortgeführt, gleicht dies – sprichwörtlich und überspitzt gesagt – dem Reiter, der nicht vom Gaul absteigt, obwohl er im Begriff ist, sein Pferd totzureiten. Organisationstheoretisch ausgedrückt: Wenn systematische Probleme zu lösen sind, hilft ein „Mehr vom Selben“ nicht weiter.

1.1.4 Dienstplan-Mythen Leider ist erfahrungsgemäß kaum ein Veränderungsprozess so mühselig und zäh wie die Abkehr von überkommenen Arbeitszeit-Traditionen im derweil fortlaufenden Betrieb. Widerstände Beteiligter sind unvermeidlich. Nicht alle können profitieren; manche verlieren Liebgewonnenes. Deshalb scheuen viele Häuser die Modernisierung ihrer Dienstplanungsregeln. Was mit dem nüchternen Wort „Dienstplan“ tituliert wird, ist ja in Wahrheit ein hochkomplexes Gebilde aus kulturellen, sozialen und psychologischen Befindlichkeiten. Man verändert die Dienstplansystematik nicht allein dadurch, dass ein paar Regeln neu aufgestellt werden: Es müssen sich zugleich die Verhaltensweisen und Einstellungen der Beteiligten verändern. Bevor wir die neuen Anforderungen, die an Dienstpläne heutzutage gestellt werden, genauer betrachten (Abschn. 1.3), seien zunächst die Gründe benannt, warum es schwierig ist, das Thema frisch und unbefangen anzugehen: Es sind die zahlreichen Mythen, die sich um den pflegerischen Personaleinsatz ranken. Ein Mythos ist eine plausibel klingende Geschichte mit dem Anspruch auf Geltung der mit ihr behaupteten Wahrheit. Mythen sind deshalb erwähnenswert, weil sie den Blick auf die eigentlichen Herausforderungen verstellen – und daher zeitgemäße Lösungen unnötig behindern. Nicht selten dienen Mythen dazu, Fragen auszuweichen, deren Beantwortung unangenehm oder mühselig werden könnte. Dienstplanungsmythen verhindern gute Dienstpläne nicht nur, indem sie die Diskussion auf Nebengleise führen – was zeitliche

1.2  Was Dienstplanungsmythen auslösen

5

Ressourcen unnötig bindet, die dann für eine Umstellung des Dienstplanverfahrens nicht zur Verfügung stehen. Noch problematischer sind Dienstplan-Mythen, die den Mitarbeitern suggerieren, sie würden nach Dienstplänen eingesetzt, in denen manches oder vieles nicht „stimmt“ – selbst dann, wenn dies objektiv gar nicht der Fall ist. Oder wenn zwar wirklich bei der Dienstplanung und -steuerung einiges im Argen liegt, jedoch an ganz anderer Stelle als adressiert, so dass aus falschen Diagnosen falsche Therapie-Schlüsse abgeleitet werden. Alarmistisch aufgeladen können solche Suggestionen bei den Beteiligten sogar ein größeres Unzufriedenheitspotenzial auslösen, als durch gute Dienstplanung wieder kompensiert werden kann. Kaum ein Personalthema ist so anfällig für Gerüchte, Mythen und Denkblockaden wie der Personaleinsatz – schon deshalb, weil betriebliche Arbeitszeitgestaltung nicht selten als Rucksack für alle möglichen betrieblichen, aber auch persönlichen Probleme herhalten muss. Oft ist es bequem, etwas als Arbeitszeitproblem zu deklarieren, wenn damit ein (konsens-)sicherer „Problemhafen“ angesteuert werden kann. Einmal dort angekommen, wird von den eigentlichen Herausforderungen abgelenkt. Der „Problemhafen“ entlastet dann davon, die eigentlichen „Baustellen“ anzugehen. Einige der häufigsten Mythen, die uns in der Praxis immer wieder begegnen, wollen wir benennen. Wir werden in unserem Buch noch das eine oder andere Mal darauf zu sprechen kommen, um für den Umgang mit solchen Mythen zu sensibilisieren. Zunächst seien die Mythen kurz benannt, anschließend werden wir sie näher erläutern: 1. Der Mythos von der unzureichenden Kompetenz der Dienstplaner 2. Der Mythos von der Notwendigkeit kleiner Teams 3. Der Mythos vom arbeitswissenschaftlich perfekten Dienstplan 4. Der Mythos von den rechtlichen Unzulässigkeiten 5. Der Mythos von der Zufriedenheit durch Wunscherfüllung 6. Der Mythos von der fehlenden Personalkapazität 7. Der Mythos von der Untauglichkeit kühler Zahlen in der Pflege

1.2

Was Dienstplanungsmythen auslösen

1.2.1 Der Mythos von der unzureichenden Kompetenz der Dienstplaner Diesen Mythos haben wir oben (Abschn. 1.1) indirekt schon angesprochen. Er lässt sich in einem Satz so formulieren: „Wenn wir die Dienstplanverantwortlichen nur ausreichend schulen/coachen/begleiten, dann werden wir auch bessere Dienstpläne hinbekommen.“ Wie vielen dienstplanverantwortlichen Führungskräften ist mit diesem Argument schon ihre vermeintliche Unzulänglichkeit in Sachen Personaleinsatzplanung vor Augen geführt worden? Um nicht missverstanden zu werden: Schulungen der Dienstplaner sind

61  Gute Dienstpläne: Neue Anforderungen, alte Mythen

durchaus sinnvoll und notwendig – auch über die ohnehin erforderlichen rein technischen Einweisungen in die IT-gestützten Personaleinsatzplanungssysteme (im Folgenden: PEPSysteme) hinaus. Das zeichnet ja gerade den Charakter von Mythen aus: Dass sie Wahrheiten enthalten – diese aber überzeichnen oder den Kern der Sache verfehlen. Weist man Dienstplaner entsprechend ein, lassen sich durchaus viele Dienstpläne verbessern. Es ist aber ein Fehler, darin den alleinigen Schlüssel für gute Dienstpläne zu sehen. Zwei gewichtige Probleme geraten aus dem Blickfeld, wenn der Dienstplaner ins Zentrum der Bemühungen um gute Dienstpläne gerückt wird. • Veraltete Methodik: Es nützt die beste Anwenderschulung wenig, wenn eine veraltete Methodik vermittelt wird. • Wer schreibt Dienstpläne?: Sind die aktuellen Dienstplaner überhaupt diejenigen, die die Dienstpläne schreiben sollten? Ist das nicht der Fall, wäre es ja unsinnig, ihre diesbezüglichen Kompetenzen stärken zu wollen.

1.2.1.1 Veraltete Methodik Dienstplaner wenden bei der Dienstplanung eine vorgegebene Methodik an. Ist diese ungeeignet, nützt es nichts, an ihrer besseren Anwendung zu arbeiten. Salopp gesagt: Es gibt kein richtiges Dienstplanen im falschen System. Zwar kann von Führungskräften erwartet werden, dass sie Ideen für die Weiterentwicklung auch der angewandten Verfahren entwickeln, wenn sie feststellen, dass sie nicht (ausreichend) funktionieren – entscheiden müssen über die Umsetzung solcher Ideen aber andere. Die Dienstplaner auf das bestehende System zu schulen, wenn es nicht funktioniert, bedeutet, bei den Symptomen anzusetzen, nicht bei den Ursachen. Ungeeignete Regelungen und Methoden erschweren die führungsseitige Aufgabe der Personaleinsatzplanung. Investitionen in Führung führen dann in die Irre. Noch schlimmer ist die nächste Stufe – das Ausweichen in Führungsstil- oder „Kultur“-Diskussionen: Dadurch wird die Verwechselung von Form und Substanz auf die Spitze getrieben. Den Dienstplanern werden Defizite bei ihrer Aufgabenerfüllung suggeriert, die anderswo ihre Ursache haben. Wir wollen das Problem anhand von ein paar Beispielen illustrieren. Fokussierung auf die Monatssollarbeitszeit Dienstplaner werden aufgrund der methodischen (vorgeblich rechtlich begründeten) Vorgaben angehalten, die Sollarbeitszeit der Mitarbeiter in jedem Dienstplanmonat (mindestens) zu verplanen. Es missfiel jedoch einer Pflegedienstleitung, dass die im Dienstplan erreichten Besetzungsstärken in den Frühdiensten und teilweise in den Spätdiensten an vielen Tagen von den entsprechenden Vorgaben der Soll-Besetzung abwichen. Mindestbesetzungen wurden erreicht; darüber hinaus schwankte die erreichte Besetzungsstärke heftig. Sie hielt dies für ein Kompetenzproblem und schulte die Führungskräfte – mit mäßigem Erfolg. Trotz verbesserter Urlaubsplanung gelang es nicht, zugleich die Sollarbeitszeit zu verplanen und die Soll-Besetzung einzuhalten. Dies wäre mathematisch

1.2  Was Dienstplanungsmythen auslösen

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allerdings auch nur dann möglich gewesen, wenn erstens alle Ausfallzeiten (also insbesondere Urlaub, Freistellungen, Fortbildungen und Krankheit) im Zeitablauf gleichmäßig anfallen würden – was selbstverständlich unmöglich ist. Zweitens müssten sich die Feiertage gleichmäßig über alle Monate des Jahres verteilen. An Feiertagen, die auf MontagFreitag (mitunter auch Samstag) fallen, ist ja gemäß der in den meisten Häusern geltenden tarifvertraglichen Regelungen ein Fünftel der wöchentlichen Sollarbeitszeit abzuziehen. Daher fehlt sie im jeweiligen Monat für die Besetzung der Feiertage. Statt die Führungskräfte zu schulen, wäre mithin die bisherige Methodik überarbeitungsbedürftig gewesen. Eine strikte Orientierung an einer „Monatssollarbeitszeit“ führt auf der Seite der Besetzung zu ungünstigen Ergebnissen (zur Auflösung des Problems: Abschn. 3.3). Keine Reaktionsmöglichkeit auf Belegungsschwankungen In einer Kinderklinik mit größeren saisonalen Belegungsschwankungen wurde seitens der Verantwortlichen festgestellt, dass diesen Schwankungen keine entsprechende flexible Variation der Besetzungsstärke in den Schichten entspricht. Bei geringerer Belegung wurde weiter mit der „vollen“ eingeteilten Mannschaft gearbeitet. Den Führungskräften, die man daraufhin schulte, wurden jedoch keine Werkzeuge an die Hand gegeben, mit denen sie diese Schwankungen hätten besser bewältigen können. Der Lösungsansatz beschränkte sich mehr oder weniger darauf, an das Wohlwollen der Beteiligten zu appellieren, doch bitte möglichst dann Freizeitausgleich zu nehmen, wenn „weniger los“ ist. Wichtiger aber: Die mathematische Frage wird gar nicht aufgeworfen, wie eine kleine Station mit einer Soll-Besetzung mit drei Pflegekräften im Frühdienst auf Schwankungen der Belegung in der Größenordnung von höchstens 25 Prozent überhaupt besetzungsseitig hätte reagieren können. Eine Besetzungsreduzierung von drei auf zwei eingeteilte Frühdienste entspricht ja bereits einer Absenkung des Arbeitszeitangebots um ein Drittel … Einspringen aus dem Frei Ein Krankenhaus schult seine Führungskräfte darin, wie sie die Mitarbeiter überzeugen können, bei kurzfristigen Ausfallzeiten aus ihren arbeitsfreien Tagen einzuspringen, denn die diesbezügliche Bereitschaft ist rückläufig. Es wird beispielsweise vorgeschlagen, diese Mitarbeiter bei Arbeitsfrei-Wünschen an anderen Tagen zu bevorzugen, je öfter sie bereit waren, einzuspringen, wenn „Not am Mann“ war. Das bestehende Verfahren konnte dadurch eine Zeit lang stabilisiert werden – verlor aber zunehmend an Akzeptanz. Es gelang immer weniger, Mitarbeiter „bei der Stange“ zu halten – doch das Kompensationsbedürfnis der Beteiligten für das unbeliebte Einspringen stieg mit jeder Gegenleistung weiter an. Wunschillusion In einem Krankenhaus wird den Mitarbeitern aufgrund einer Dienstvereinbarung zugesagt, dass sie monatlich gegenüber der dienstplanenden Führungskraft bis zu vier Freizeit-Wünsche äußern können. Als die Mitarbeiter hiervon regen Gebrauch machen, fällt es den Dienstplanern schwer, diese Regel einzuhalten, weil sie allzu oft mit den

81  Gute Dienstpläne: Neue Anforderungen, alte Mythen

Besetzungsnotwendigkeiten kollidiert. Die Schulung der Führungskräfte bringt wenig Fortschritt. Eine eingehende Analyse ergibt, dass mathematisch durchschnittlich überhaupt nur circa die Hälfte dieser vier Wünsche realisierbar ist – sofern keine Abstriche am Besetzungsbedarf gemacht werden sollen. Zwei unerfüllte Wünsche wiegen jedoch in der Beurteilung durch die Mitarbeiter schwer – schwerer als die zwei erfüllbaren. So ist die Unzufriedenheit, die den Dienstplanern entgegenschlägt, groß – ohne dass diese auch nur eine theoretische Chance haben, den Umstand zu bessern.

1.2.1.2 Wer schreibt Dienstpläne? Die zweite Ursache für den Kompetenz-Mythos liegt darin begründet, dass meist die „Falschen“ Dienstpläne schreiben. Damit ist zweierlei gemeint: die persönliche Eignung und die aufbauorganisatorische Struktur der Personaleinsatzplanung. • Persönliche Eignung: Nicht jedem, der führt, ist es auch gegeben, Dienstpläne zu erstellen. Dies wäre auch verwunderlich: – Methodischer Zugang: Die erforderlichen Fähigkeiten unterscheiden sich stark voneinander. Dienstplaner sollten über eine gewisse nüchtern-analytische Neigung verfügen. Ein mathematischer Zugang ist von Vorteil. Es ist eine Überforderung, Menschen Dienstpläne gestalten zu lassen, die nicht über diese Kompetenzen verfügen. – Zahl der Dienstplaner: Zudem müssen (neue) methodische Fein- und Neuheiten einer Vielzahl von Personen vermittelt werden, wenn jede Stationsleitung (analog: jede Wohngruppenleitung etc.) mit der Dienstplanung betraut wird. Die Aufgabe der Dienstplanerstellung und -steuerung profitiert stark von Erfahrungswissen. Dieses lässt sich – wie bei allen spezialisierten Tätigkeiten – generieren, indem eine Methodik auf unterschiedliche Tätigkeiten mit hoher Wiederholungsfrequenz angewandt wird. Ist es nicht verwunderlich, dass auch in Krankenhäusern viele Tätigkeiten wie das Beauftragtenwesen (für Hygiene, für Katastrophen, für Qualitätssicherung und so weiter) personell gebündelt und an eindeutige und wenige Verantwortlichkeiten adressiert werden, aber bei der Dienstplanung viele unterschiedliche Mitarbeiter mitmischen dürfen? Die für Mitarbeiter und Krankenhaus beziehungsweise Pflegeeinrichtung äußerst erfolgsentscheidende Thematik der Dienstplanung wird breit über (zu) viele Personen gestreut. An die Dienstplanung werden hohe Anforderungen gestellt – und doch soll diese Aufgabe quasi „nebenbei“ erledigt werden. • Aufbauorganisation: Das entscheidende Kriterium für ihre Ausgestaltung sollte der Nutzen sein, den sie stiftet. Management ist ja die Aufgabe, Wirksamkeit und Ergebnisorientierung dadurch zu erreichen, dass Maßnahmen umgesetzt werden, die den größtmöglichen Nutzen stiften. Hier schneidet die in der Pflege typische Zuordnung für die Dienstplanverantwortung – die Leitung jeder Kleinsteinheit, genannt „Station“, organisiert für ihr Team die Personaleinsatzplanung – gleich in mehrfacher Hinsicht schlecht ab: – Sandwich-Position der Dienstplaner: Dienstplaner müssen – einerseits die betrieblichen Anforderungen – zeitlich übersetzt in Besetzungsbedarfe – im Zuge der Dienstplanung durchsetzen,

1.2  Was Dienstplanungsmythen auslösen

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– andererseits müssen sie die Zeitinteressen ihres Teams – dessen Mitglied sie zugleich sind – weitestmöglich realisieren. Diese Zeitinteressen werden immer nachdrücklicher artikuliert. Nicht selten tragen sie bereits das Gewand eines (zumindest „gefühlten“) Anspruchs. Vor eine solche Situation gestellt, werden Führungskräfte, die ihre Aufgabe gut machen, für ihre Teamkollegen frustrierende Entscheidungen treffen müssen. Denn Zielkonflikte bei Zeitinteressen liegen in der Natur der Sache: Persönliche Zeitwünsche der Mitarbeiter und Besetzungsanforderungen für die Patienten oder Bewohner können aneinander stoßen, oder persönliche Zeitwünsche können mit Zeitwünschen anderer Kollegen im Konflikt stehen. – Im ersten Fall wird die gute Führungskraft konsequent die betrieblichen Anforderungen durchsetzen müssen, so dass der persönliche Zeitwunsch ihres Mitarbeiters unerfüllt bleibt (von persönlichen Notfällen der Mitarbeiter im Einzelfall abgesehen, versteht sich). – Im zweiten Fall wird sie sich im Zweifel, wenn nicht der Grundsatz „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ gelten soll, in die Wunsch-Motive der Kollegen vertiefen müssen, um eine Abwägung vorzunehmen. Weil im Ergebnis aber nur eine Teilmenge der Wünsche realisierbar ist, wird selbst bei größter Transparenz der eigenen Entscheidungsfindung diese nicht allen gefallen können. Zudem ist es keiner Führungskraft zuzumuten, Wunsch-Motive gegeneinander abzuwiegen, denn die Mitarbeiterinteressen sind so individuell wie die dahinterstehenden Menschen. Viele Dienstplaner merken dies daran, dass der Kommunikationsaufwand der Dienstplanung mit wachsenden Ansprüchen an die Dienstplanung immer weiter steigt. Dies sollte immer ein Warnsignal sein. Der wachsende Kommunikationsaufwand verweist womöglich auf methodischen Handlungsbedarf – schließlich sollte gutes Management stets darum bemüht sein, internen Kommunikations- und Abstimmungsaufwand zu minimieren. • Vermeidbare Konflikte: Dagegen kann man einwenden, dass es nun einmal zu den Kriterien guter Führung gehört, frustrierende Entscheidungen auf vernünftige Weise zu kommunizieren. Das ist auch grundsätzlich richtig. Wozu bräuchte man Management, wenn sich sämtliche zueinander in Konflikt stehende Interessenlagen in schönster Eintracht von selbst oder im Team auflösen ließen? Wir empfehlen jedoch, Führungskräfte nicht in eine solche Konfliktrolle zu bringen, wenn es sich denn vermeiden lässt. Viele pflegerische Führungskräfte sind mit dieser Aufgabe überfordert. Nach unserer Beobachtung nimmt der Anteil der Überforderten eher zu als ab: Weil die Ansprüche der Teammitglieder steigen, erhöht sich das Risiko, sich unbeliebt zu machen. Überforderte Führungskräfte erkennt man daran, dass sie falsche Kompromisse eingehen – etwa zulasten der Besetzungsanforderungen oder durch Bevorzugung bestimmter Mitarbeiter, etwa derjenigen, die am lautesten rufen, die größten Ähnlichkeiten zu einem selbst haben oder die am widerständigsten sind und von denen somit „Ärger droht“. Entsprechend werden dann diejenigen Mitarbeiter benachteiligt, die sich nicht wehren, die gutmütig sind beziehungsweise keine gesundheitlichen oder familiären/sozialen Einschränkungen haben. Wenn Führung eine Engpassqualifikation vor allem dann ist,

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wenn es unangenehm wird: Warum bringen dann Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen genau jene Führungskräfte in diese Verlegenheit, die inmitten der Konfliktfelder selbst beheimatet sind? • Engpassqualifikation Führung: Es bedarf mehr denn je starker Führung. Sie ist zum Engpassfaktor für den Erfolg der Häuser und die Motivation der Mitarbeiter geworden. Gerade darum sollte dafür gesorgt werden, dass den wenigen, die für gute Führung geeignet sind, die erforderlichen Instrumente und Rahmenbedingungen bereitgestellt werden, um ihre verantwortungsvolle Arbeit gut erledigen zu können. So wichtig fachliche Teamleitungen sind, so sehr ist überlegenswert, ob die Verknüpfung mit Managementanforderungen – und zu diesen gehört die Personaleinsatzdisposition – auf der unteren Führungsebene der richtige Weg ist. In Abschn. 5.5 werden wir uns damit auseinandersetzen, welche Vorteile personell gebündelte, zentralisierte Verantwortlichkeiten für Personaleinsatzplanung haben und wie eine nützliche Aufgabenteilung im Prozess der Dienstplanung und -steuerung mit den Stationsleitungen beziehungsweise Wohngruppenleitungen ausgestaltet werden kann. • Denk- und Begriffsblockaden: Dass es vielen Verantwortlichen in der Pflege schwerfällt, neue Dienstplanansätze nachzuvollziehen, liegt nicht zuletzt an verbreiteten Hürden, sich mit der notwendig „kühlen“ Sprache der Dienstplanmethodik anzufreunden. In anderen Branchen selbstverständliche Begriffe wie „Disponent“ (für den Personaleinsatzplaner), „Personalverfügbarkeit“ (für die Anzahl der einteilbaren Mitarbeiter) oder „Kennzahlen“ (für die Messbarkeit der Qualität der Dienstplanung) können allein schon durch ihren Klang kognitive Widerstände bei den Beteiligten auslösen. Es kommt aber im Führungsverhältnis darauf an, an der schrittweisen Etablierung üblicher Begrifflichkeiten auch in der Pflege zu arbeiten. Durch eine negative emotionale Aufladung gebräuchlicher personaleinsatztechnischer Begriffe werden Beiträge zur Verbesserung der Dienstplanqualität erschwert. • Teamübergreifendes Arbeiten: Hinzu kommt, dass immer mehr Aspekte des Personaleinsatzes auf Teamebene nicht hinreichend bedarfsgerecht entschieden werden können. Wir werden dies in diesem Buch vor allem an zwei Stellen vertiefen: Wenn wir uns mit dem Ausfallzeitenmanagement (Kap. 5) beschäftigen und wenn es um kurzfristigen Flexibilitätsbedarf (Kap. 6) geht. Hier sei nur das entscheidende Stichwort genannt: Einsatzflexibilität. Hiermit wird die Fähigkeit bezeichnet, die Mitarbeiter bei Bedarf teamübergreifend einzusetzen. Einsatzflexibilität hat den Vorteil, dass die Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, auf kurzfristige Änderungen des Bedarfs oder der Personalverfügbarkeit quasi „von jetzt auf gleich“ reagieren zu können, ohne die oftmals als weniger sozialverträglich angesehene Arbeitszeitflexibilität strapazieren zu müssen. Teamübergreifende Einsätze stabilisieren – wie wir später noch ausführlich zeigen werden – die Dienstplanung und machen sie so für die Mitarbeiter verlässlich. Für teamübergreifendes Arbeiten ist eine rein teambezogene Verantwortung der Personaleinsatzplanung nicht mehr praktikabel. Stationsleitungen können daher nicht allein für verlässliche Dienstpläne sorgen.

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Abschließend können wir das Fazit ziehen: Es ist geradezu inhuman, von Führungskräften Dinge zu verlangen, die sie kaum leisten können. Genauso schädlich ist es, wenn man sie zwingt, Dinge zu leisten, die besser außerhalb der „heißen“ Konfliktzone angesiedelt werden sollten. Aus dieser Perspektive gleicht die Bemühung, die bestehenden personellen Zuordnungen durch Kompetenzerweiterung zu stabilisieren, einer Verweigerungshaltung, die eigentlichen Herausforderungen anzugehen. Damit ist übrigens gegen kleine Teams an sich noch nichts gesagt – was uns zum zweiten Mythos führt.

1.2.2 Der Mythos von der Notwendigkeit kleiner Teams Dieser Mythos könnte mit folgendem Satz beschrieben werden: „Personaleinsatz funktioniert am besten, wenn er stationsbezogen (analog: wohnbereichsbezogen) organisiert wird. Dies haben wir schließlich jahrzehntelang erfolgreich so praktiziert.“

1.2.2.1 Potenziale kleiner Teams Der Personaleinsatz wird – auch infolge der in Abschn. 1.2.1 vorgestellten tradierten Verantwortungszuordnung der Personaleinsatzplanung – in Krankenhäusern und Pflege- und Betreuungseinrichtungen oftmals in personell kleinzahligen Teams organisiert. Kleine Teams bestehen aus nicht mehr als circa 20 Mitarbeitern. Besser ist es sogar, wenn diese nur bis zu circa zwölf Mitarbeiter umfassen. Für eine teambezogene Personaleinsatzorganisation gibt es eine Reihe guter Gründe: • Team-Verantwortlichkeit: Kleine Teams können den Vorzug guten Zusammenhalts und gegenseitiger Verantwortlichkeit haben. Dann entfalten die konkreten Beiträge jedes einzelnen Teammitgliedes unmittelbare Wirkung auf die Funktionsfähigkeit des Gesamten. Dieses Ganze wiederum leitet daraus ein wohlbegründetes Interesse ab, die Mitglieder integriert zu halten. Solche quasifamiliären Strukturen gedeihen besonders gut, wenn ihre Funktionsfähigkeit von unausgesprochenen Selbstverständlichkeiten der Mitglieder getragen wird. Das könnte mit heutzutage altmodisch klingenden Begriffen wie Pflichterfüllung, Verantwortungsbewusstsein und Selbstverständlichkeit umschrieben werden. Solche Teams sind mit einem gemeinsamen Gefühl der Verpflichtung und Verantwortung ausgestattet. • Informelle Flexibilität: Teams bilden soziale „Wärmefelder“. De facto leben kleine Teams häufig von einem informellen, häufig sogar unausgesprochenen Flexibilitätsbewusstsein. Sie kommen daher mit wenigen Regeln aus, um funktionieren zu können. Die Führungskraft übernimmt hier die Dienstplanung vor allem deshalb, um den diesbezüglichen Aufwand gering zu halten. Dieser wird aber auch dadurch reduziert, dass notwendige Entscheidungen, die zu treffen sind, von den Teammitgliedern, wenn nicht als vernünftig akzeptiert, so doch hingenommen werden. Es wird vermutlich einige

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ältere Pflegekräfte geben, die sich aufgrund dieser Beschreibung ihrer persönlichen Teamerfahrungen erinnern. So wurde früher allerorten gearbeitet. Fiel jemand aus, fanden sich genügend Freiwillige, die bereit waren, einzuspringen – wozu bedurfte es dann diesbezüglich expliziter Regeln? Waren Wünsche zu berücksichtigen, reichte idealerweise ein kurzer Austausch im Team, weil die Beteiligten offensichtlich nicht realisierbare Wünsche bereitwillig zurücknahmen oder überhaupt nur Wünsche geäußert wurden, deren Realisierbarkeit sehr wahrscheinlich war. • Intrinsische Motivation: Die Wirksamkeit informeller Regelungen ist von intrinsischer Motivation getragen. Sie bedarf kaum expliziter Regeln. Noch wichtiger aber ist: Informelle Flexibilitätsbereitschaft geht in der Regel verloren, wenn sie von expliziten Regeln überformt wird. Es führt dann kaum ein Weg in die informelle Struktur eines Teamzusammenhalts zurück. Wird beispielsweise erst einmal eine Rufbereitschaft mit dem Zweck eingerichtet, sich für Krankheitsvertretungen bereitzuhalten, wird kaum jemand noch verstehen, warum eine solche Vertretung noch informell organisiert werden sollte. Manche werden gar meinen, wie naiv es doch war, dass es einstmals „einfach so“ funktioniert hat. In der Praxis ist das oben beschriebene Teamideal massiv rückläufig. Es hilft nichts, darüber zu klagen. Sein Wert wird ja erst bemerkt, wenn man ihn verloren hat. Damit Teamzusammenhalt auffällt, muss er zerplatzt sein. Immer weniger Mitarbeiter sind beispielsweise bereit, kurzfristig einzuspringen. Es bedarf vielerorts eines immer größeren zeitlichen Aufwandes, um Freiwillige für Vertretungseinsätze zu gewinnen; und tendenziell werden immer die gleichen Mitarbeiter angerufen. Der Spruch „Mein Frei gehört mir“ trifft die Befindlichkeit zeitgenössischer Flexibilitätsbereitschaft in vielen Häusern besser als eine nur noch folkloristisch in den Medien vorgetragene permanente Einsatzbereitschaft.

1.2.2.2 Mischformen Dennoch gibt es Elemente funktionierender Teamstrukturen noch vielerorts. In der Regel treten daher heute Mischformen zwischen informellen und formalisierten Regeln auf, die in einer mitunter heiklen Balance gehalten werden müssen. Wer über funktionierende Teamstrukturen mit Elementen unausgesprochener Flexibilitätsbereitschaft verfügt und weiter auf sie setzen kann, der sollte sie zu schätzen wissen, damit sie erhalten bleiben. Professioneller Personaleinsatz, um den es in diesem Buch geht, setzt vor allem auf transparente Regelwerke, um für Verlässlichkeit und Gerechtigkeit bei der Personaleinsatzplanung zu sorgen. Wer diesen Weg gehen möchte, sollte bei jedem einzelnen der vorgestellten Instrumente prüfen, inwieweit es funktionierenden Teamstrukturen dient oder schadet. Im Grunde müssen wir beispielsweise von der Etablierung eines systematischen Ausfallzeitenmanagements (Kap. 5) für den Fall abraten, dass ein hohes Freiwilligkeitspotenzial in den Teams vorhanden ist. Wir raten aber explizit dazu, es zu etablieren, wenn dieses Potenzial nur noch so schwach ausgeprägt ist, dass die verbliebenen Willigen auch noch überfordert zu werden drohen.

1.2  Was Dienstplanungsmythen auslösen

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1.2.2.3 Nachteile kleiner Teams Ein Mythos ist es umgekehrt aber, wenn behauptet wird, größere personelle Einheiten oder teamübergreifendes Arbeiten funktionierten per se schlechter. Viele pflegerische Führungskräfte hängen letztlich immer noch dem Konzept kleiner Teams an – selbst dann, wenn sie zusehen, wie das Fundament funktionierender Teams angesichts der Individualisierungstendenzen der Mitarbeiterschaft immer stärker zerbröselt. Dies ist ein Fehler. Auch hier gilt es, kritisch zu hinterfragen: Passen kleine Einheiten noch zu den aktuellen Gegebenheiten und Anforderungen? Während wir bislang auf die Potenziale kleiner Teams für den Personaleinsatz hingewiesen haben, wird es nun Zeit, auf die Nachteile und Risiken zu sprechen zu kommen. Es ist kein Zufall, dass beispielsweise Neubau-Krankenhäuser üblicherweise größere räumliche Einheiten und damit automatisch auch größere personelle Einheiten vorsehen, oder dass stationsübergreifende pflegerische Klinikleitungen an die Stelle von Stationsleitungen treten. Personell kleine Einheiten kompensieren nämlich mit einer erhöhten internen Flexibilitätskultur letztlich nur wesentliche strukturelle Nachteile: • Wachsender Abstimmungsaufwand: Fehlt es an einer ausreichenden Basis gemeinsamen Einverständnisses sind kleine Teams anfällig für aufwändige Kommunikations- und Abstimmungsprozesse. Die potenziell positiven Wirkungen des Teams können in ihr Gegenteil umschlagen. Die Interessen-Balance zwischen den TeamMitgliedern muss dann aufwändig immer wieder neu ausgehandelt werden. Diese Entwicklung wird in der Praxis oftmals forciert durch Bestrebungen, gelebte Formen von informeller Flexibilität vorschnell durch Verrechtlichung in geregelte Strukturen zu überführen – mitunter ideologisch grundiert durch das Motto, Mitarbeiter auf diese Weise „vor sich selbst schützen“ zu müssen. Ihnen wird suggeriert, sie wollten gar nicht einspringen. Nur moralischer Druck hindere sie daran, zu widerstehen. Diese Fälle gibt es – sie werden aber verstärkt durch entsprechende Suggestionen. Dann bleibt nur der Ausweg in teamübergreifendes Arbeiten und größere personellen Strukturen, weil nur in größer gefassten Einheiten „belastende“ kurzfristige Arbeitszeitflexibilität durch „verträglichere“ Einsatzflexibilität ersetzt werden kann (darum geht es in Abschn. 5.1.4). • Geringe Robustheit: Personell kleinzahlige Teams sind anfällig für Störungen durch kurzfristige Ausfallzeiten: Fällt ein Kollege aus, entfallen – relativ betrachtet – größere Anteile der Kapazität als bei größeren Teams. Es besteht daher in kleinen Teams ein hoher Vertretungsdruck, um diesen Mangel zu kompensieren, bei zugleich aber niedriger Eintrittswahrscheinlichkeit des Ausfallereignisses. Dies ist eine sehr ungünstige Konstellation, um eine Vertretungsorganisation zu etablieren. Abb. 1.2 zeigt dies beispielhaft. In einer Einheit mit drei Diensttuenden (zum Beispiel im Frühdienst) müssen die Kollegen bei einem Ausfall 50 Prozent mehr leisten – bei gleichzeitig nur 15 Prozent Wahrscheinlichkeit, dass es krankheitsbedingt zum Ausfall kommt. Die Folge ist: Um Ausfallzeiten im kleinen Team zu kompensieren, ist kurzfristige Flexibilität

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vonnöten – insbesondere durch gegenseitiges Einspringen „aus dem Frei“. Kleine Teams sind daher – siehe oben – von hohen Freiwilligkeitsgraden der Mitarbeiter abhängig. Fehlen diese oder fallen zu gering aus, lassen sich Ausfallzeiten kaum kompensieren – mit entsprechenden erheblichen Mehrbelastungen der verbliebenen dienstplanmäßig Eingeteilten. • Geringe Elastizität: Kleine Einheiten können zudem schlechter auf Auslastungstäler reagieren. Diese treten bei niedrigerer Belegung der Betten und/oder (im Altenpflegebereich) verminderten Pflegegraden auf. Verringerter Bedarf kann nämlich nur dann in der Besetzung der Dienste berücksichtigt werden, wenn diese etwa in gleichem Maße skalierbar ist wie die Auslastungsschwankung. Sinkt die Belegung beispielsweise um 20 Prozent, so sollte auch die Besetzung um ungefähr 20 Prozent gesenkt werden können. Dies ist bei kleinen Einheiten aufgrund der geringen Besetzungsstärken jedoch mathematisch vielfach nicht möglich. Die Besetzung bleibt dann bei rückläufiger Auslastung unverändert. Diese Personalkapazität fehlt aber zu Zeiten, in denen die Auslastung überdurchschnittlich ist. In großen Einheiten ist die Skalierbarkeit hingegen logischerweise einfacher – der Personaleinsatz kann potenziell elastisch auf Auslastungsschwankungen reagieren. Abb. 1.3 zeigt diesen Zusammenhang.

Abb. 1.2  Personalausfall in kleinen und großen Einheiten

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Abb. 1.3  Reaktion auf Auslastungsschwankungen in kleinen und großen Einheiten

1.2.2.4 Austarieren der Vor- und Nachteile Eine gegenüberstellende Zusammenfassung (Abb. 1.4) der wichtigsten Kennzeichen kleinerer und größerer personeller Einheiten zeigt, dass es auf die Auslotung geeigneter „Mischungsverhältnisse“ ankommt, um die jeweiligen Potenziale zu nutzen. Wegen des Rückgangs informeller Teamstrukturen im Zuge der Individualisierung der Mitarbeiterinteressen und äußeren Lebensformen sind teamübergreifende Arbeitsformen beim Personaleinsatz unerlässlich. Diese sollten austariert werden mit den Vorteilen enger Teamstrukturen. Überall dort, wo überhaupt nur kleine Teams möglich sind – sei es aus strukturellen oder logistischen Gründen, sei es aus Gründen spezifischer Qualifikationsanforderungen – ist die Aufrechterhaltung informeller Teambeziehungen unbedingt erstrebenswert. Aber auch hier müssen mehr und mehr „geregelte“ Formen für die Bewältigung der Dienstplanherausforderungen gefunden werden.

1.2.3 Der Mythos vom arbeitswissenschaftlich perfekten Dienstplan Dieser Mythos hört sich etwa so an: „Dienstpläne sind dann gut, wenn sie entsprechend den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen gestaltet sind. Denn dann dienen sie der Gesunderhaltung der Mitarbeiter – und das ist doch das Wichtigste.“ Wer wollte

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Abb. 1.4  Teamkonzepte in der Pflege

einer solch plausibel klingenden Aussage widersprechen? Es kann geradezu als „Common Sense“ bezeichnet werden, dass Schicht- und Nachtarbeit auf Dauer krank machen.

1.2.3.1 Herkömmliche Annahmen Genau genommen werden durch die These gleich zwei Voraussetzungen als selbstverständlich angesehen: • Zum einen wird behauptet, dass es arbeitswissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse über Schicht- und Nachtarbeit gibt, auf die man bei der Dienstplanung nur zurückgreifen muss. • Zum anderen unterstellt die These – wenn denn die erste Voraussetzung stimmte –, dass ihre Anwendung zu guten Dienstplänen führt. Beide Aussagen sind jedoch ein weitverbreiteter Mythos.

1.2.3.2 Keine Patentrezepte Natürlich sind Nachtarbeit und Wechselschichtarbeit für viele Betroffene herausfordernd. Nacht- und Wechselschichtarbeit werden oft als Belastung empfunden. Es liegt daher zunächst einmal nahe, durch arbeitsmedizinische Forschung herauszufinden, durch welche Dienstrhythmen diese Belastung gemindert werden kann. Das Arbeitszeitgesetz schreibt ja in § 6 Abs. 1 ausdrücklich die Berücksichtigung „gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit“ vor.

1.2  Was Dienstplanungsmythen auslösen

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In arbeitswissenschaftlichen Veröffentlichungen wird nun die Auffassung vertreten, dass gute Dienstpläne „vorwärts“ durch die Dienstlagen wechseln sollten – also von Früh- auf Spät- auf Nachdienst. Und in jeder Dienstlage soll nur in kurzen Blöcken aus wenigen Diensten „am Stück“ gearbeitet werden. Hiergegen wehren sich jedoch in der Praxis oftmals viele Mitarbeiter – auch solche, die diese Dienstrhythmen bereits praktiziert haben, aber unzufrieden damit waren. Zum Beispiel mögen viele Mitarbeiter den kurzen Wechsel von Spätdienst auf Frühdienst am Folgetag – vor allem vor Wochenenden. In vielen Häusern wird der kurze Wechsel nur zu diesem Zweck überhaupt zugelassen. Andere beklagen, dass kurze Arbeitsblöcke auch zu kurzen Freiblöcken führten, hätten aber lieber auch mal mehr als zwei Tage am Stück arbeitsfrei. Obwohl es unter Arbeitswissenschaftlern anerkannt ist, dass es aus arbeitswissenschaftlicher Sicht keine für alle Situationen und Mitarbeitergruppen geltenden Patentrezepte geben kann, klingen offizielle Publikationen [1] so, als gäbe es erwiesene Erkenntnisse wie die oben beispielhaft benannten. Zudem wird postuliert, dass die Betriebe diese notfalls gegen den Willen der insofern noch nicht ausreichend sensibilisierten Mitarbeiter durchzusetzen haben, um dem Gesundheitsschutz der Mitarbeiter Geltung zu verschaffen. Unsere Kollegen Jan Kutscher und Julia Leydecker haben – erstmals in dieser ausführlichen und umfassenden Form – durch Auswertung der arbeitswissenschaftlichen Studienlage nachgewiesen, dass viele der als „gesichert“ geltenden Erkenntnisse erstaunlicherweise auf äußerst tönernen Füßen stehen [2]. Im Ergebnis ihrer Untersuchung kommen sie zu folgenden zusammenfassenden Erkenntnissen: • Geringe Häufigkeit von schichtarbeitsbedingten Schlafkrankheiten: „Das Schichtarbeitersyndrom als Krankheitsbild ist extrem selten.“ [2] Hinter Schlafstörungen steckt oft etwas anderes – zum Beispiel das Krankheitsbild Apnoe, das auch dann auftritt, wenn nicht in Wechselschichten oder Nachtschichten gearbeitet wird. (Dieses Thema vertiefen wir im Zusammenhang mit nachtdienstuntauglichen Mitarbeitern in Abschn. 4.5). • Überschätztes Risiko: „Es ist möglich, dass Nacht- und Schichtarbeit ein erhöhtes Risiko für das Auftreten verschiedener Krankheiten darstellen kann. Aber selbst, wenn es dieses Risiko gibt, ist es in Relation zu anderen Risiken, denen Menschen im Alltag ausgesetzt sind beziehungsweise denen sie sich selbst aussetzen, denkbar niedrig.“ [2] • Andere Risikofaktoren: Viele der deutlich relevanteren Risiken können die Betroffenen aktiv beeinflussen, ohne Nacht- und Schichtarbeit aufgeben zu müssen: zuvorderst Tabak- und Alkoholkonsum, Ernährungs- und Aktivitätsgewohnheiten. Wer sich „gehen lässt“ gefährdet seine Gesundheit deutlich stärker als der, der Nacht- und Wechselschichtarbeit leistet. • Gefahr vorschneller Indikation: „Vor allem aber ist für einen Nacht- und Schichtarbeitnehmer das Krankheitsrisiko, wenn er oder sein Arzt ein gesundheitliches Problem auf die Nacht- und Schichtarbeit zurückführt und dadurch die eigentliche Krankheitsursache übersieht und/oder die Störung nicht adäquat behandelt, höher als das Krankheitsrisiko durch Nacht- und Schichtarbeit an sich.“ [2]

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• Selbsterfüllende Prophezeiungen: „Eine überhäufige Thematisierung von Nacht- und Schichtarbeit als Gesundheitsrisiko im Betrieb wie in der Öffentlichkeit könnte dazu führen, dass sich Mitarbeiter in solchen Arbeitszeitformen kränker fühlen und dann unter Umständen sogar auch tatsächlich kränker werden als Menschen, die zu ‚normalen‘ Zeiten arbeiten. Dies wird als ‚Nocebo-Effekt‘ bezeichnet – quasi ein gegenteiliger Placebo-Effekt.“ [3]

1.2.3.3 Individuell große Unterschiede Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass bei der Dienstplanung nicht auf vernünftige Schichtrhythmen geachtet werden sollte. Es relativiert aber deutlich die Bedeutung, die diesen Maßnahmen bei der Suche nach dem guten Dienstplan zukommt. Als Bewertungsmaßstab für die Frage, ob ein Dienstplan „gut“ ist, können auch nach jahrzehntelanger Forschung keine allgemeingültigen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse zur Dienstplangestaltung herangezogen werden. Es gibt trotz anderslautender Meinung in den Medien und auch in Fachpublikationen keine verallgemeinerbaren Empfehlungen zur Dienstplanung. Wir werden später (Kap. 4) zeigen, dass es vielmehr darauf ankommt, in Dienstpläne individuelle Gestaltungsspielräume einzubauen. Denn das zeigen die Ergebnisse der Nacht- und Schichtarbeitsforschung zuallererst: Wie jedes menschliche Erleben und Verhalten, streut die individuelle Wahrnehmung der Beanspruchung durch Nacht- und Schichtarbeit zwischen den Mitarbeitern stark. Mitarbeiter, die nachts oder zu wechselnden Zeiten arbeiten, empfinden diese Bedingungen als unterschiedlich belastend oder unangenehm. Menschen sind sehr unterschiedlich, so dass auch ihre Einstellung zu Dienstplanrhythmen stark streut. Damit rückt die subjektive Einschätzung der Belastung durch die nach Dienstplänen arbeitenden Mitarbeiter in den Fokus: Was für den einen kein Problem ist, ist für den nächsten unzumutbar.

1.2.4 Der Mythos von den rechtlichen Unzulässigkeiten An diesen Mythos wird erinnert, wer Aussagen hört, die wie die folgende klingen: „Dienstpläne sind gut, wenn sie durch ausgefeilte rechtliche Regelungen rechtssicher ausgestaltet werden.“

1.2.4.1 Rahmen versus Inhalt Die obige Aussage kann schon deshalb nicht stimmen, weil wir unter Abschn. 1.2.2 den hohen Wert geringregulierter Teamstrukturen auf Basis gegenseitigen Einstandspflichten herausgearbeitet haben. Richtig ist aber: Die Verrechtlichung sozialer Transaktionen schreitet in individualistischen und wohlstandsgetriebenen Gesellschaftsstrukturen unaufhörlich voran. Vormalige Aushandlungsprozesse werden als Rechte eingefordert. Der Sog ins Rechtliche ist daher kaum aufzuhalten.

1.2  Was Dienstplanungsmythen auslösen

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Umso wichtiger ist es, mit ein paar Missverständnissen bezüglich des Umgangs mit rechtlichen Rahmenbedingungen aufzuräumen. Andernfalls macht man sich das Leben im Allgemeinen und die Dienstplanung im Besonderen unnötig schwer. Wir erleben in der Praxis bei vielen Beteiligten eine geradezu groteske Verwechslung von Rahmenbedingungen und Inhalt: • Zu den Rahmenbedingungen gehört das Recht. • Zum Inhalt gehört die Dienstplanmethodik. Verwechselt man dies, ist das so, als würde man ein Gefäß für seinen Inhalt halten. Zum Beispiel handeln zahlreiche Veröffentlichungen zur Dienstplanung überwiegend von rechtlichen Fragen. Es entsteht jedoch kein einziger Dienstplan dadurch, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Freilich sollte man diese Rahmenbedingungen kennen, beachten und einhalten. Der Inhalt der Dienstplanung aber bestimmt sich nach Kriterien, die mit Recht so gut wie nichts zu tun haben.

1.2.4.2 Arbeitszeitschutzrecht Welche rechtlichen Rahmenbedingungen man als Dienstplaner grundsätzlich kennen sollte, ist wesentlich einfacher, als es oft dargestellt wird. Die relevanten Dinge stellen wir in diesem Buch vor – jeweils dort, wo sie thematisch passen. Nur auf die Darlegung tarifvertraglicher Regelungen verzichten wir in diesem Buch mit wenigen Ausnahmen ganz. In der Pflegebranche gelten neben dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) noch andere tarifvertragliche Regelungen bis hin zu Haustarifverträgen. Es ist daher nicht sinnvoll, diese in einem Buch mit breitem Leserkreis sämtlich aufzuführen. Das Arbeitszeitgesetz beispielsweise enthält einige wenige, überwiegend einfach nachvollziehbare Regelungen, die jeder Dienstplaner kennen sollte. Erfahrungsgemäß beherrschen die meisten Dienstplaner in der Pflege diese Regelungen ohnehin gut. Doch was findet sich eigentlich zum Kernthema unseres Buches – der Dienstplanung und deren Steuerung – im Arbeitszeitgesetz? Die oft verblüffende Antwort: Nichts! Zu den in der Praxis zum Beispiel besonders interessanten Fragen, wie lange ein Dienstplan im Voraus bekanntzugeben ist und mit welchen Fristen er geändert werden kann, gibt es im Arbeitszeitgesetz überhaupt keine Bestimmungen. Bezogen auf öffentliches Arbeitszeitschutzrecht findet man zu solchen Fragen nur ganz wenige Hinweise im Teilzeit- und Befristungsgesetz, die wir in unserem Buch später aufgreifen werden (Abschn. 6.1). 1.2.4.3 Mitbestimmung Auch reicht es fürs Erste zu wissen, dass fast alle Fragen der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung mit kollektivem Bezug – wie die Lage und Verteilung der Dienstzeiten und der Pausenzeiten sowie die Dienstplanung – der betrieblichen Mitbestimmung durch die Betriebsräte, Personalräte oder Mitarbeitervertretungen unterliegen. Die Thematik unseres Buches bewegt sich im Zentrum der betrieblichen Mitbestimmung, so dass dieses Recht stets zu beachten ist. Hier geht es vor allem um Fragen der Qualität der Zusammenarbeit

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zwischen den Betriebsparteien. Von dieser hängt auch ab, wie die kollektivrechtlichen Fragen der Arbeitszeitgestaltung behandelt werden.

1.2.4.4 Hoher Grad der Einhaltung des Arbeitszeitrechtes Die Pflegebranche zeichnet sich übrigens im Verhältnis zu nicht wenigen anderen B ­ ranchen dadurch aus, dass rechtliche Rahmenbedingungen bezüglich des Arbeitszeitgesetzes und der betrieblichen Mitbestimmung besonders umfänglich eingehalten werden. Die diesbezüglich erforderlichen Kenntnisse sind überwiegend vorhanden. Die Einhaltung rechtlicher Rahmenbedingungen wird nach unserem Eindruck deutlich stärker als in anderen Branchen durch Arbeitgeber wie Mitarbeitervertretungen überwacht. 1.2.4.5 Viele Unklarheiten im Detail Erst im Detail wird es beim Arbeitszeitrecht kompliziert, dann aber auch bei fast jedem Teilaspekt des Rechts. Dies gilt vor allem für die Rechtsprechung. Nicht umsonst lautet ja das bekannte Bonmot: „zwei Juristen – drei Meinungen“. Dafür gibt es zwei Gründe: • Soziale Konstruktion: Das Arbeitsrecht ist – anders als von vielen geglaubt und teilweise sogar von manchen Juristen behauptet – eher eine soziale als eine logisch hergeleitete und aufeinander aufbauende Konstruktion. Das spezifische juristische Sprachschema suggeriert gern einen logischeren Aufbau als ihn das Arbeitsrecht bieten kann. Mithin unterliegt das Arbeitsrecht sowohl dem sich wandelnden Zeitgeist, was sich an im Zeitablauf veränderter Rechtsprechung zu den gleichen Fragestellungen erkennen lässt. Und es unterliegt mannigfaltigen Auslegungsmöglichkeiten je nach Interessenlage. Jüngstes Beispiel für die konfuse arbeitszeitrechtliche Entwicklung ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Überstundenpassus bei Schicht- und Wechselschichtarbeit im TVöD aus den Jahren 2013 und 2017, auf die wir in Abschn. 6.3.2 näher eingehen werden. Die Urteile ergingen, weil die Tarifvertragsparteien sich nicht darauf verständigen konnten, wie sie eine einstmals gemeinsam vereinbarte Regelung gemeint haben könnten. Daraufhin versuchte sich das Bundesarbeitsgericht an der entsprechenden Auslegung – mit nach weit verbreiteter Auffassung der Praktiker im Ergebnis zusätzlicher Konfusion und kaum beherrschbarer abrechnungstechnischer Komplexität. Und auch hierzu wird das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Es ist also illusorisch, auf dem Gebiet des Arbeitsrechts von dessen fortgeschrittener Ausdifferenzierung durch Gesetze, Kommentare und Rechtsprechung insgesamt höhere Aufklärungsgrade zu erwarten. Wir wollen daher in diesem Buch solche Nebengleise links liegen lassen. Zum guten Dienstplan führen sie ohnehin nicht. • Unbestimmte Rechtsbegriffe: Damit sind wir auch schon beim zweiten Grund für die Komplexität der Rechtsauslegung: Es wimmelt im Arbeitsrecht von unbestimmten Rechtsbegriffen, die nicht generell, sondern stets im Lichte des Einzelfalls auszulegen sind. Nehmen wir beispielsweise den Passus des „billigen Ermessens“

1.2  Was Dienstplanungsmythen auslösen

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(§ 106 Gewerbeordnung): Er ist für den Personaleinsatz von zentraler Bedeutung, weil er das grundsätzliche arbeitgeberseitige Dispositionsrecht bei der Arbeitszeit beinhaltet. Es geht hier im Kern darum, in welchen Fällen die führungsseitige Disposition für den Mitarbeiter zumutbar und wann entsprechend die Zumutbarkeitsschwelle überschritten ist. Es gibt dazu nur diverse Auslegungen für unterschiedliche Konstellationen, aber es gibt keine abschließende Definition. Diese kann es auch gar nicht geben – zu unterschiedlich sind die Anwendungsfälle. Auch wenn häufig gehörte Aussagen wie „Dazu gibt es Rechtsprechung!“ das Fluidum der Glaubwürdigkeit und Endgültigkeit umwehen, sie treffen (wenn sie überhaupt auf andere Fälle übertragbar sind) oft nur für bestimmte Konstellationen zu. Trotzdem werden wir in der Praxis immer wieder danach gefragt, ob es für dieses zentrale Feld der Dienstplanung nicht klare Rechtsgrundlagen gibt, wenn nicht im Gesetz, so doch durch Rechtsprechung, zum Beispiel zu Fragen wie: Wie lang- oder kurzfristig darf ein Dienstplan geplant werden? Wie lang- oder kurzfristig darf er betrieblicherseits geändert werden? Doch gibt es eben zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „billiges Ermessen“ im Zusammenhang mit Arbeitszeitorganisation kaum höchstrichterliche Rechtsprechung (einige Ausnahmen stellen wir an den entsprechenden Stellen des Buches vor), und schon gar keine allgemeingültig anwendbare.

1.2.4.6 Gesunder Menschenverstand Das sollte jedoch die Dienstplanpraktiker überhaupt nicht beunruhigen. Wir empfehlen stattdessen vorrangig den Gebrauch des gesunden Menschenverstandes. Wem dieser gegeben ist, der kommt bei Fragen rund um die Möglichkeiten der Dienstplanung und -steuerung erstaunlich weit. Jenseits der vergleichsweise klaren arbeitszeitgesetzlichen und mitbestimmungsrechtlichen Regelungen kommt man bei zentralen Fragen der Dienstplanung und -steuerung nicht umhin, sich eigene Rechtsauffassungen zu bilden. Ein gewisses Anstandsgefühl, das ohnehin jeder Führungskraft eigen sein sollte, ist keine schlechte Grundlage auch zur Beantwortung diverser arbeitsrechtlicher Fragen. Hingegen sollten es mit Erwartungen wie der, den Personaleinsatz „rechtssicher“ oder „gerichtsfest“ auszugestalten, nicht übertrieben werden. Sie sind angesichts der geschilderten Unklarheiten schlicht unrealistisch. Zur Gefahr werden arbeitsrechtliche Diskussionen, wenn rechtliche Rahmenbedingungen vom eigentlichen Gegenstand ablenken: Gelegenheiten für gute Dienstpläne werden nicht genutzt, weil sämtliche Vorschläge an der Schranke vermeintlicher rechtlicher Bedenken zerschellen. Das Arbeitsrecht kann niemals Treiber organisatorischer Innovationen sein. Es vollzieht diese stets nur – meist mit deutlicher Zeitverzögerung – nach. Trotzdem wird das Recht oftmals gerade von denen im Munde geführt, die Missstände bei der Dienstplanung beklagen und daher Änderungen anmahnen, die diese Missstände beseitigen helfen. Doch das Beharren auf den rechtlichen Bedenken führt dann gerade dazu, wiederum nichts ändern zu können, was wohl vielfach die eigentliche Motivation derjenigen sein dürfte, die so gerne mit erhobenem Zeigefinger auf allerlei vermeintliche oder auch tatsächliche juristische Unzulänglichkeiten hinweisen.

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1.2.4.7 Wider die Pole Freiwilligkeit versus Disposition Abschließend sei auf ein Problem verwiesen, das wir später (Abschn. 6.1), wenn es um Spielregeln für die Flexibilisierung des Personaleinsatzes geht, aufgreifen werden: Fokussiert man sich schon bei der Konzipierung von Personaleinsatzregeln vorrangig auf rechtliche Fragen, fördert dies ein Dualitätsdenken zwischen den beiden Polen Freiwilligkeit (des Mitarbeiters) versus Disposition (des Arbeitgebers). Wir werden jedoch zeigen, dass sich die bewährtesten, zwischen den Betriebsparteien zu vereinbarenden Spielregeln gerade in einem Feld zwischen diesen beiden Polen bewegen.

1.2.5 Der Mythos von der Zufriedenheit durch Wunscherfüllung Auch der nachfolgende Mythos ist weitverbreitet. Er klingt etwa so: „Je mehr der Dienstplaner die Wünsche der Mitarbeiter bei der Dienstplanung erfüllt, desto besser sind Dienstpläne – und umso zufriedener sind die Mitarbeiter.“ Wer möchte nicht hoffen, dass gute Dienstpläne sich positiv auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter auswirken? Doch leider ist die Sache etwas komplizierter. Es gibt empirisch gar keinen Kausalzusammenhang zwischen Wunscherfüllung und Zufriedenheit. Zufriedenheit hängt von vielen Faktoren innerhalb und außerhalb des Arbeitslebens ab.

1.2.5.1 Der Zusammenhang zwischen Wunscherfüllung und Zufriedenheit Was sich sicher sagen lässt, ist zweierlei. • Unzufriedenheit durch unrealistische Erwartungen: Wird die Erwartung von Wunscherfüllungen genährt, ohne dass diese dann erfüllt werden (können), kann dies eine wesentliche Quelle der Unzufriedenheit sein. Dies gilt auch schon bei teilweiser Nichterfüllung von Wünschen. Wird etwa – wie im Beispiel unter Abschn. 1.2.1 – suggeriert, man habe monatlich vier Wünsche frei, um dann jedoch jeweils höchstens die Hälfte erfüllen zu können, dürfte die Unzufriedenheit größer sein als der Zufriedenheitseffekt, der daraus resultiert, überhaupt zwei Wünsche realisieren zu können. • Wunscherfüllungs- und Erwartung-Spirale: Erfüllte Wünsche führen zu Nachschusserwartungen, indem sie den Blick auf noch unerfüllte Wünsche lenken. Wir sehen weniger, was wir haben, als das, was wir noch nicht haben. Der Philosoph Peter Sloterdijk [4] hat dies so umschrieben: „Es scheint geradezu, als seien alle Entlastungseffekte in modernen Gemeinwesen dazu verurteilt, von erhöhten Sensibilisierungen aufgezehrt zu werden.“

1.2.5.2 Der Unterschied zwischen „das Gute wollen“ und „das Gute schaffen“ Dass dennoch der Zusammenhang zwischen Wunscherfüllung und Zufriedenheit immer noch unterstellt wird, hat auch damit zu tun, dass viele Menschen glauben, die gute Absicht zeitige auch gute Resultate. Jedem, der hierüber nur kurz nachdenkt, fallen sofort genügend Beispiele dazu ein, dass dem nicht so ist. In Abwandlung der berühmten Wendung

1.2  Was Dienstplanungsmythen auslösen

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aus Goethes „Faust“ ließe sich eher postulieren: Wunsch-Systeme sind Teil jener Kraft, die stets das Gute will, doch dabei leider oft das „Böse“ schafft. Diesen Zusammenhang zu verstehen, dürfte sich für die Zukunft der Personaleinsatzplanung in der Pflege als kritischer Erfolgsfaktor erweisen. Wie viele Dienstplaner laufen den Bedürfnissen der Mitarbeiter geradezu hinterher – und sind enttäuscht, wenn ihre Bemühungen so wenig Anklang bei den Adressaten finden. Daraus darf selbstverständlich nicht der Schluss gezogen werden, auf die Berücksichtigung persönlicher Zeitinteressen zu verzichten. Wir widmen dieser Frage ein eigenes Kapitel (Kap. 4). Auch in diesem Mythos steckt ja viel Wahres. Dennoch begegnen wir in der Praxis immer wieder Führungskräften, die sich darüber frustriert zeigen, dass – obschon sie alles in ihrer Macht stehende tun, persönliche Zeitwünsche bei der Dienstplanung zu erfüllen – unzufriedene Rückmeldungen von den Mitarbeitern erhalten. Vielmehr wird aus der Praxis häufig von diversen unerwünschten Nebenwirkungen berichtet: • Ungleiche Wunschverteilung: Das Interesse an Zeitwünschen ist zwischen den Mitarbeitern meist ungleich verteilt. Wenige haben viele Wünsche. Einige haben keine; sie nehmen die Dienstpläne einfach, wie sie kommen. Dies kann zu einer wahrgenommenen Ungerechtigkeit führen, denn die „wunschlosen“ Kollegen besetzen unter Umständen ungünstige Dienste, die sie ohne Wunscherfüllung ihrer Kollegen nicht hätten besetzen müssen. Sie können dem nur mit „Gegen-Wünschen“ entgegentreten. • Wunschkonsum-Haltung: Wünsche, die von einem Mitarbeiter – etwa in einem „Wunschbuch“ – artikuliert werden, jedoch nicht von diesem selbst, sondern von der Führungskraft organisiert werden, haben die Neigung, eine Anspruchshaltung zu fördern. Aus Wünschen können Forderungen werden. Eigenverantwortlich zu klärende Fragestellungen werden durch Übertragung auf die Führungskraft zu Erwartungen. Wunscherfüllung ist dann der Anspruch an die Führungskraft, eine dem Mitarbeiter zustehende Dienstleistung befriedigend auszuführen. • Ungleichbehandlung: Führungskräfte haben unbewusst oder bewusst die Neigung, Tauschwünsche nicht gerecht zu verteilen. Sie bevorteilen bestimmte Mitarbeiter – etwa solche, die fordernder sind oder Wünsche schneller anmelden, oder solche, die Wunsch-Motive vortragen, die den eigenen persönlichen Interessen nahekommen oder die an anderer Stelle zu Gegenleistungen bereit sind (etwa in Form von Einspringen an planmäßig arbeitsfreien Tagen). • Motiv-Gewichtungen: In einigen Einrichtungen werden Wünsche nach intern definierten Kriterien gewichtet – etwa nach sozialen (familiären) Gründen oder Dringlichkeiten. Teilweise haben wir hierzu schon Punktesysteme gesehen. Damit soll die Führungskraft ihrem Entscheidungsprozess im Fall von sich gegenseitig ausschließenden Wünschen Gerechtigkeit verleihen können. Doch führt dies regelmäßig zum Gegenteil: Es wird von den Mitarbeitern als Benachteiligung empfunden, deren Wünsche sich nicht den einschlägigen Kategorien zuordnen lassen. Denken wir etwa an einen Mitarbeiter, der einen freien Tag einfach für sich allein braucht, um im Wald spazieren zu gehen. Er wird mit solchem Ansinnen keinen hohen Rang in der Wunsch-Hierarchie

241  Gute Dienstpläne: Neue Anforderungen, alte Mythen

erklimmen können. Da Wunschmotive subjektiv gewichtet sind, ist es chancenlos, diese objektivieren zu wollen. Die Führungskraft kann daher nur falsch entscheiden – sieht man von wenigen, für sämtliche Beteiligten nachvollziehbaren Gründen ab, etwa im Fall einer persönlichen Notlage. Motiv-Gewichtungen fördern zudem leider die Neigung, Wünsche auf die vorhandenen sozialen Kriterien zu adressieren – so mancher hat sich auf diese Weise an die Geburtstagsfeier der Schwiegermutter erinnert. • „Faule“ Kompromisse: Werden Zeitwünsche im Dienstplan berücksichtigt, obwohl sie nicht zum Besetzungsbedarf passen (was eigentlich nur im Notfall erfolgen sollte und dennoch in der Praxis nicht selten ist), besteht die Gefahr eines „Dammbruchs“. Wie soll man dem nächsten, der einen betrieblich kritischen Wunsch äußert, erklären, dass bei ihm nicht möglich ist, was vorher schon mehrere Male zugelassen worden ist? • Wunsch-Inflation durch zu kurze Planungszeiträume: Kurze Planungszeiträume – wie die weithin üblichen Monatsdienstpläne – erhöhen gegenüber länger laufenden Dienstplänen die Anzahl der Wünsche. Denn während die Mitarbeiter bei längerfristiger Planung gewünschte arbeitsfreie Tage besser mit ohnehin dienstplanmäßig arbeitsfreien Tagen synchronisieren können, müssen bei kurzen Planungszeiträumen längerfristige wunschfreie Tage rechtzeitig und teilweise „prophylaktisch“ angemeldet werden.

1.2.5.3 Perspektive: Tauschverfahren In funktionierenden Teamstrukturen werden diese Nachteile durch gemeinsame Rücksichtnahme schwächer durchschlagen. In Zeiten sich ausdifferenzierender Lebensentwürfe und -interessen erweisen sich wunschbasierte Dienstplanverfahren mehr und mehr als ungeeignet. In Kap. 4 werden wir daher zeigen, dass an ihre Stelle insbesondere Tauschverfahren treten: • Diensttausch: der eigenverantwortliche Diensttausch zwischen zwei oder (im Falle von Tausch-Ketten) mehreren Mitarbeitern; • Tauschbörse: um sie zu etablieren, werden zunehmend EDV-gestützte Varianten zur Verfügung gestellt. Die Tauschbörse eröffnet auch größeren Mitarbeitergruppen unaufwändige Tauschoptionen – wenn es gewollt ist, auch teamübergreifend. Diese Verfahren haben folgenden Vorteil: Sie organisieren die Wünsche ohne eingreifende Beteiligung des Dienstplaners – und fördern so die soziale Kompetenz im Team. Soziale Kompetenz kann immer dann reifen, wenn Beteiligte mit unterschiedlichen Interessen einvernehmliche Lösungen entwickeln. Wessen Wunsch in gegenseitigem Austausch durch einen Kollegen erfüllt wird, der wird sich bei Gelegenheit zu revanchieren versuchen. Tut er es nicht, wird er zukünftig von Tauschinteressenten tendenziell gemieden. Einigt man sich nicht (bei Variante 1) beziehungsweise ergibt sich keine Tauschoption (bei Variante 2), so bleibt der Dienstplan grundsätzlich wie geplant unverändert bestehen. Der Dienstplaner bleibt im Tauschsystem in der Regel außen vor. Er wird auf diese Weise davon verschont, zu „faulen“ Kompromissen bei der Dienstplanung verleitet zu werden, führungsseitige

1.2  Was Dienstplanungsmythen auslösen

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Entscheidungen nach „Nasen“-Faktor zu treffen oder eine aufwändige Motiv-Erforschung der Freiwünsche zu betreiben, die am Ende dennoch zu als subjektiv ungerecht empfundenen Entscheidungen führt. Bei der Dienstplanung wird es – auch in Systemen mit Tauschbörsen – ohne Kompromisse in vielen Einzelfällen nicht gehen. Sie dürfen aber nicht an die Stelle verbindlicher Grundsätze treten. Individualisierung ist eine betriebliche Gestaltungsaufgabe. Grundsätze sind nicht dazu da, um sie in jedem Fall vollständig zu verwirklichen, sondern um gute von schlechten Kompromissen unterscheiden zu können. Je mehr die Heterogenität der (zeitlichen) Interessenlagen zunimmt, desto wichtiger ist die Verständigung über gemeinsame Regeln, auf deren Basis die unterschiedlichen individuellen Wünsche und Anforderungen miteinander ausgelotet werden können. Und je komplizierter es wird, unterschiedlichste Anforderungen miteinander zu vereinbaren, desto klarer und einfacher sollten die Führungsbotschaften sein, die auf diesen Regeln aufsetzen.

1.2.6 Der Mythos von der fehlenden Personalkapazität „Gute Dienstpläne sind bei uns leider nicht möglich, da wir zu wenig Personal haben. Vor allem für ein vernünftiges Ausfallzeitenmanagement bräuchten wir mehr Personal.“ So oder so ähnlich klingt die Klage oft. Nicht selten wird sie von den pflegerischen Führungskräften selbst vorgetragen. Damit wird zum Beispiel suggeriert, ein vernünftiger Umgang mit der Vertretung von Ausfallzeiten sei ein gesondert zu finanzierender Luxus, den man sich jedoch leider nicht leisten könne. Dabei sind in jeder Personalkapazitätsberechnung selbstverständlich die Ausfallzeiten berücksichtigt, da der Personalbedarf ja auf Basis der Bruttoarbeitszeit, also inklusive der Ausfallzeiten, berechnet wird (Abschn. 2.3.3). Wir können uns an dieser Stelle kurzfassen: Über die Frage der richtigen Dimensionierung der Personalkapazität lässt sich vortrefflich streiten. Wir beteiligen uns an dieser Diskussion nicht; an politischen Diskussionen dazu schon gar nicht. In diesem Buch stellen wir die Methoden zur Personalbedarfsberechnung nur überblicksartig vor (Abschn. 2.4). Es heißt ja, die Pflege muss so besetzt sein, dass sie ihre Tätigkeiten ausreichend und zweckmäßig erfüllen kann. Der Anspruch vieler in der Pflege Arbeitender ist jedoch ein anderer, höherer. Was wir raten können, ist Folgendes: Die Themen Personaleinsatz und Personalkapazität sollten sauber voneinander getrennt werden. • Personaleinsatzplanung: Diese beschäftigt sich grundsätzlich nur mit der Verteilung der verfügbaren Personalkapazität, nicht mit deren Volumen. Ausnahmsweise hat sie auch eine kapazitative Komponente: bei der Frage der Überstunden – wenn also außerhalb der (planmäßig oder flexibel ungleichmäßig verteilten) regelmäßigen Arbeitszeit gearbeitet werden muss. Viele Beteiligte denken zum Beispiel dennoch, Zeitkonten schüfen Kapazität. Doch verteilen sie diese nur. Jede Stunde, die dem Zeitkonto gutgeschrieben wird, muss eines Tages wieder ausgeglichen werden, wenn sie nicht vergütet werden soll.

261  Gute Dienstpläne: Neue Anforderungen, alte Mythen

• Personalkapazitätsplanung: Diese hat die Aufgabe, die erlös-, leistungs- beziehungsweise arbeitsplatzgerechte Personalmenge zu definieren, auf die beim Personaleinsatz zurückgegriffen werden kann. Eine Personaleinsatzplanung bedarf der Kapazitätsplanung als Grundlage, denn ohne sie ist eine Erstellung von Dienstplänen nicht möglich. Jedes dieser beiden Felder sollte autonom gehandhabt werden – mit Ausnahme der oben genannten Überstunden-Thematik, die aufgrund des Personaleinsatzes entsteht, aber auf die verfügbare Personalkapazität angerechnet wird. Folgt man dem, ist selbstverständlich ein systematisches Ausfallmanagement allein im Rahmen der Personaleinsatzthemen zu behandeln. Oder sollen die Mitarbeiter mit Verweis auf die knappe Personalkapazität darauf verzichten, nach verlässlicheren Dienstmodellen arbeiten zu können?

1.2.7 Der Mythos von der Untauglichkeit kühler Zahlen in der Pflege Gar nicht selten hört man von Beteiligten in der Pflege Sprüche, die in etwa so lauten: „Es mag ja in der Industrie angehen, Personaleinsatzplanung auf Zahlen und Methoden zu reduzieren. In der Pflege aber geht es doch um Menschen, ja um deren Leben oder Tod, da kann man nicht einfach messen und rechnen.“ Unsere Antwort darauf geben wir mit diesem Buch; mit dem Weg von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzqualität beschäftigen wir uns vor allem in Abschn. 7.1.

1.2.8 Zusammenfassung Damit können wir nun einen zusammenfassenden Blick auf die wichtigsten DienstplanMythen werfen.

Zusammenfassung 

Dienstplan-Mythen enthalten Wahrheiten. Sie stabilisieren aber auch überkommene Sichtweisen, die guten Dienstplänen im Wege stehen: • Es ist sinnvoll, in die Kompetenzen dienstplanender Führungskräfte zu investieren. Aber die geschulte Methodik muss zu den (veränderten) Anforderungen passen. Außerdem muss die Frage beantwortet sein, wer überhaupt Dienstplaner sein soll. Man sollte von Dienstplanern nicht Dinge erwarten, die sie nicht leisten können. • Teambezogene Personaleinsatzplanung hat viele Vorteile – wenn die Voraussetzungen stimmen! Sonst ist es besser, Teile des Personaleinsatzes in größeren Einheiten zu organisieren, etwa für ein systematisches Ausfallzeitenmanagement. Sonst leidet die Verlässlichkeit der Dienstplanung.

1.3  Welche Anforderungen an gute Dienstpläne gestellt werden

27

• Es ist sinnvoll, auf vernünftige Dienstplanrhythmen zu achten. Doch variieren die subjektiven Wahrnehmungen von Dienstplanrhythmen zwischen den Menschen stark – weil auch die Menschen unterschiedlich sind. Gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse gibt es nicht. Ob Schichtarbeit krank macht, ist nicht erwiesen. Andere Faktoren sind für die Gesunderhaltung viel bedeutsamer. • Arbeits(zeit)rechtliche Rahmenbedingungen sind bei der Dienstplanung einzuhalten. Doch sind sie der Rahmen, nicht der Inhalt der Dienstplanung. Viele arbeitsrechtliche Fragen sind diffus, nicht oder nur für Einzelfälle entschieden oder widersprüchlich. Die Regelungen zum Arbeitszeitgesetz und zur Mitbestimmung sind aber relativ einfach. Sonst hilft oft gesunder Menschenverstand. • Individuelle Dienstplanwünsche stets zu berücksichtigen, wo immer es geht, sollte sich von selbst verstehen. Ob eine höhere Zufriedenheit der Beteiligten daraus folgt, ist allerdings ungewiss. Dienstplan-Tausche sind gerechter, fördern die soziale Kompetenz der Beteiligten und bringen die Dienstplaner aus der „Schusslinie“. • Die Personalkapazitätsplanung sollte nachvollziehbar sein. Vom Personaleinsatz ist sie sauber zu trennen – sonst leidet dieser. Methodische Defizite bei der Personaleinsatzplanung und schlechte Dienstpläne dürfen nicht mit Verweis auf unzureichende Stellenausstattung entschuldigt werden. • Es geht in der Pflege um den Menschen. Gerade deshalb müssen die Methoden zum pflegerischen Personaleinsatz besonders kühl, berechenbar, objektiviert und überprüfbar sein.

1.3

Welche Anforderungen an gute Dienstpläne gestellt werden

Dienstpläne haben eine dienende Funktion. Sie sind kein Selbstzweck. Sie werden dafür erstellt, die zeitlichen Besetzungsanforderungen, die zur Betreuung der Patienten beziehungsweise der Bewohner definiert wurden, in den zeitlichen Personaleinsatz zu übersetzen. Da die Patienten und Bewohner bei der Dienstplanung nicht beteiligt werden, übernimmt der Dienstplaner die Aufgabe quasi treuhänderisch für sie. Auf dieser Grundlage und in dieser Reihenfolge – der Erfüllung der Besetzungsanforderungen – dienen sie dann zwei weiteren Interessenten: einerseits den Mitarbeitern und andererseits dem Krankenhaus/der Pflegeeinrichtung als dem Budget- und Qualitätsverantwortlichen. Damit ist eine Hierarchisierung der Anforderungen vorgezeichnet, und es wäre ein Fehler, dies nicht anzuerkennen. Die Erfüllung des Besetzungsbedarfs muss immer oberste Priorität haben! Nachfolgend wird deutlich werden, dass einige der auf den ersten Blick unterschiedlichen Anforderungen der Interessengruppen deutliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Deshalb liegt in dem im Zusammenhang mit der Dienstplanung häufig gemachten Ausspruch von der „Quadratur des Kreises“ eine gewisse Übertreibung. Nachdem wir die Anforderungen aus Sicht der drei Interessengruppen – Patient, Mitarbeiter, Haus – benannt haben, können wir zum Abschluss dieses Kapitels ableiten, was wir unter guten Dienstplänen verstehen.

281  Gute Dienstpläne: Neue Anforderungen, alte Mythen

1.3.1 Gute Dienstpläne aus Patienten-/Bewohnersicht Der Patient beziehungsweise Bewohner kann, würde man ihn dazu befragen, vor allem zwei wesentliche Anforderungen an die Dienstplanung stellen. Ersatzweise behilft man sich hierzu mit Qualitätsstandards, die im Interesse der Patienten beziehungsweise Bewohner durch das Management der Häuser entwickelt werden.

1.3.1.1 Stabile Betreuungszeit Der Patient/Bewohner erwartet in der Regel eine stabile Betreuungszeit. Diese ergibt sich aus der zeitlichen Betreuungsquote und wird in seiner einfachsten Form definiert als Quotient aus zu betreuendem Patienten je eingeteilter Pflegekraft.



Betreuungsquote = betreute Patienten / eingeteilte Dienste je Diensstlage

Wird die Betreuungsquote (auch Besetzungsquote oder Besetzungsrelation genannt) im Zeitablauf konstant gehalten, ist die Betreuungszeit, die für den Patienten zur Verfügung steht, an verschiedenen Tagen immer etwa gleich groß. Wichtigster zeitlicher Qualitätsstandard in Bezug auf den Personaleinsatz ist es ja, dass es für den Patienten keine Rolle spielen darf, an welchem Tag er die Betreuungsleistungen in Anspruch nimmt. Er darf mithin bei der ihm zugerechneten Betreuungszeit weder das „Glück“ noch das „Pech“ haben, zur „richtigen“ beziehungsweise zur „falschen“ Zeit im Krankenhaus zu sein – etwa dann, wenn gerade aufgrund der Personaleinsatzplanung mehr beziehungsweise weniger Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Wenn zum Beispiel an einem Tag acht Patienten von einem Mitarbeiter im Frühdienst betreut werden können, so sollte dies auch an allen Tagen (zumindest an allen Tagen von Montag bis Freitag) in etwa so sein. Keinesfalls darf ein Patient, der ja in der Regel genug eigene Probleme mitbringt, mit Begründungen behelligt werden, warum dieser Standard nicht eingehalten werden kann. Wie eine Organisation ihre arbeits(zeit)organisatorischen Probleme löst, sollte dem Patienten egal sein dürfen. Niemand mag es schließlich, wenn Dienstleister ihn interne Probleme spüren lassen. Durch Dienstplanung und -steuerung ist daher sicherzustellen, dass eine stabile Betreuungsquote gewährleistet ist. Das bedeutet, dass dienstplanseitig auf Schwankungen des Arbeitsanfalls (der Belegung, des Arbeitsaufwandes) und der Personalverfügbarkeit (Urlaub, Krankheit, Fluktuation) reagiert werden können muss.

1.3.1.2 Flexibilität Der Patient/Bewohner erwartet, dass auf Akutanforderungen auch zeitlich adäquat reagiert wird – und zwar bezogen auf die Reaktionszeit und auf das erforderliche Zeitbudget. Ist also beispielsweise eine temporäre 1:1-Betreuung – also ein Mitarbeiter für die Betreuung eines Patienten – erforderlich, so muss diese zur Verfügung stehen. Für die Dienstplanung

1.3  Welche Anforderungen an gute Dienstpläne gestellt werden

29

und -steuerung bedeutet das, über entsprechend flexible Reaktionsspielregeln verfügen zu müssen, um solche individuellen Anforderungen bewältigen zu können. Durch erhöhte Patientensouveränität ist die Erfüllung der genannten Anforderungen bedeutsamer geworden. An die Stelle des treuen Patienten/Bewohners, der nichts anderes kennt und nicht viel erwartet, tritt tendenziell der vorinformierte Patient/Bewohner, der einiges prüft, das Beste wünscht und die Erfüllung seiner Ansprüche erwartet.

1.3.2 Gute Dienstpläne aus Mitarbeitersicht Die Ansprüche an Dienstpläne aus der Sicht der Mitarbeiter haben sich in den letzten Jahren deutlich erhöht. Der Erfüllung dieser Ansprüche wird eine größere Bedeutung beigemessen. In der Regel stehen Dienstplan-Themen an oberster Stelle, wenn Mitarbeiter Fragen nach guten Arbeitsbedingungen in der Pflege beantworten sollen. Zwar ist das Gemeinsame heutiger Anforderungen oftmals ihre Unterschiedlichkeit. Dennoch lassen sich die wichtigsten Anforderungen der Mitarbeiter an die Dienstplanung gebündelt beschreiben.

1.3.2.1 Verlässlichkeit Die meisten Mitarbeiter wünschen verlässliche Dienstpläne. Das bedeutet zweierlei: Vorhersehbarkeit und Stabilität. Diese Anforderung kontrastiert in der Praxis vielerorts noch mit nur monatsweise erstellten Dienstplänen, die zudem häufig geändert werden. In diesem Zusammenhang erwarten viele Mitarbeiter zusätzlich, dass die Dauer ihrer persönlichen Vertragsarbeitszeit respektiert wird. Sie möchten daher im Durchschnitt (spätestens am Ende des jeweiligen Ausgleichszeitraums) in der Lage sein, ihre Vertragsarbeitszeit zu erreichen. Dies zeigt sich insbesondere in der verbreiteten Abneigung von Pflegekräften gegen eine gesonderte Vergütung von Mehrarbeit/Überstunden. In der Regel wird gegenüber einer Vergütung der Freizeitausgleich vorgezogen. Der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben kommt eine deutlich höhere Bedeutung zu. Der dritte Aspekt der Verlässlichkeit ist das pünktliche Dienstende. Eingeteilte Dienstzeiten sollen weitestmöglich eingehalten werden. Das ist der wichtigste Beitrag für eine Planbarkeit der Freizeit. 1.3.2.2 Belastungsgerechtigkeit Viele Mitarbeiter wünschen belastungsgerechte Dienstpläne. Die Empfindsamkeit für (zeitliche) Belastungsfaktoren steigt deutlich – was zu abnehmender Belastungstoleranz führt. Dies erfordert, größere Schwankungen in der Arbeitsintensität zu vermeiden. Mithin spielt die Betreuungsquote, die in Abschn. 1.3.1 aus Patientenperspektive vorgestellt wurde, auch für die Mitarbeiter eine große Rolle. Ein konstantes Betreuungsbudget entspricht ja auch einer weitestmöglich konstanten Arbeitsintensität. Demgegenüber führen

301  Gute Dienstpläne: Neue Anforderungen, alte Mythen

im Zeitablauf schwankende Betreuungsquoten auch zu schwankender Arbeitsbelastung. Übrigens stellen in diesem Zusammenhang auch die „ruhigeren“ Tage ein Problem dar, wenn also die Arbeitsdichte niedriger ist, weil die Betreuungsrelation geringer ist. Zum einen führt eine Überbesetzung an einem Tag logischerweise zu entsprechend erhöhter Betreuungsintensität an einem anderen. Zum anderen können niedrig ausgelastete Tage bei den Mitarbeitern ein Betreuungsniveau suggerieren, das Tage mit Normalauslastung als belastender wirken lässt, als sie tatsächlich sind – einfach durch den Vergleich mit den auslastungsschwachen Tagen. Der in diesem Zusammenhang erforderliche Flexibilitätsbedarf sollte weitgehend durch sogenannte „Flexi-Spielregeln“ vorstrukturiert werden. Flexi-Spielregeln sind zwischen den Betriebsparteien vereinbarte Regeln, wie und unter welchen Umständen flexible Abweichungen von Dienstplänen erfolgen können (Kap. 6). Sie sind erforderlich, weil eine Stabilisierung der Betreuungsintensität erfordert, auf Schwankungen des Arbeitsanfalls adäquat reagieren zu können.

1.3.2.3 Individualisierung und persönliche Flexibilität Viele Mitarbeiter wünschen sich, dass individuelle Zeitinteressen bei der Dienstplanung weitestmöglich berücksichtigt werden. Und sie möchten, dass es hierbei gerecht zugeht. Dazu bedarf es erstens Spielregeln, die eine Bevorzugung und Benachteiligung von Mitarbeitern bei der Realisierung von persönlichen zeitlichen Anforderungen verhindern. Häufig wirken in diesem Zusammenhang Regeln, die eine einseitige Ausrichtung an der Vereinbarkeit mit familiären Anforderungen vorsehen, kontraproduktiv, da bei der Vielfalt heutiger Lebensentwürfe auch Zeitwünsche jenseits von familiären Verpflichtungen an Bedeutung gewinnen. Daher werden – außerhalb gesetzlicher Verpflichtungen bezüglich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – den Mitarbeitern Gestaltungsspielräume eröffnet werden müssen, die motivunabhängig sind. Weil dies auch für kurzfristige Anforderungen gilt, muss die Dienstplanung und -steuerung zweitens Optionen für flexible Arbeitszeiten enthalten. Im Übrigen ergibt sich auch hier eine strukturelle Analogie zu den flexiblen Anforderungen der Patienten (Abschn. 1.3.1). Drittens gehört zur Individualisierung, unterschiedliche Vertragsarbeitszeiten in die Dienstplansysteme integrieren zu können. Dies gilt auch bezogen auf den einzelnen Mitarbeiter, indem dieser im Verlauf seines Arbeitslebens unterschiedliche Vertragsarbeitsdauern wählt, die seine zeitliche Verfügbarkeit und seine jeweilige Priorisierung des Arbeitslebens widerspiegeln. Diese lebensphasenbezogene Variation der Vertragsarbeitszeit wird unseres Erachtens deutlich zunehmen, auch unterstützt durch entsprechende gesetzliche und tarifvertragliche Regelungen, die Ansprüche zur individuellen Absenkung und zur Wiederaufstockung der Vertragsarbeitszeit schaffen. Und viertens gehört zur Individualisierung auch, Mitarbeiter mit eingeschränkten Einsatzmöglichkeiten hinsichtlich der Lage und der Verteilung ihrer Arbeitszeit – sei es aus sozialen, sei es aus gesundheitlichen Gründen – weitestmöglich in die Dienstplansysteme integrieren zu können.

1.3  Welche Anforderungen an gute Dienstpläne gestellt werden

31

1.3.3 Die Perspektive des Betriebes Das Krankenhaus beziehungsweise die Pflegeeinrichtung sollte folgende Anforderungen an die betriebliche Dienstplanung haben („sollte“ deshalb, weil viele Häuser noch einen hiervon abweichenden Umgang mit dem Personaleinsatz praktizieren).

1.3.3.1 Einhaltung des Personalbudgets und sparsamer Umgang mit der Arbeitszeit Oberste Priorität hat die Einhaltung des zur Verfügung gestellten Personalbudgets durch einen sorgfältigen, wohlüberlegten Umgang mit der wertvollen Ressource Arbeitszeit. Dafür ist auf die Effizienz des Personaleinsatzes zu achten. Ein effizienter Arbeitszeitumgang liefert zugleich den wirksamsten Beitrag zur Entlastung der Mitarbeiter (Abschn. 1.3.2). Diese Verknüpfung ist vielen Beteiligten gar nicht bewusst. Das liegt sicherlich auch daran, dass das eher „kühle“ Wort Effizienz ungern in einem Atemzug mit dem „warmen“ Wort Entlastung genannt wird. In Wahrheit liegt in der Verknüpfung von Entlastung und Effizienz der Schlüssel zu einem gleichermaßen mitarbeitergerechten wie sparsamen Arbeitszeitumgang. Hier eröffnet sich das wichtigste Potenzial zur Entlastung der Mitarbeiter und zur Vermeidung beziehungsweise zum Ausgleich von Überstunden. Aufgabe der Führungskräfte ist es, durch arbeitszeit- und arbeitsorganisatorische Maßnahmen an der weitestmöglichen Einhaltung der dienstplanmäßig eingeteilten Arbeitszeit zu arbeiten. Dazu gehört, wie wir in Abschn. 6.1.6 näher ausführen werden, insbesondere die Fähigkeit, weniger Arbeitszeit zu verbrauchen, wenn die Auslastung sinkt. Der umgekehrte Effekt – mehr zu arbeiten, wenn mehr zu tun ist – stellt sich mehr oder weniger von allein ein. Die Arbeit muss ja „erledigt“ werden. Und die Bereitschaft der Mitarbeiter, sie dann auch zu tun, ist im engagierten Pflegeumfeld in der Regel hoch. Hingegen fällt der Absenkungseffekt in der Praxis deutlich schwerer, was eine Reihe von Gründen hat, auf die wir später im genannten Kapitel zurückkommen werden. 1.3.3.2 Qualitätsmanagement Selbstgesetzte Qualitätsstandards oder fachgesellschaftliche Richtlinien beziehungsweise gegebenenfalls gesetzliche Vorgaben (etwa teilweise für die Nachtbesetzung im Bereich der Altenpflege) müssen, soweit sie die Betreuungszeit betreffen, bei der Dienstplanung berücksichtigt sein. Dies setzt wiederum stabil gehaltene Betreuungsquoten voraus. Dieser bereits zuvor genannte Punkt ist damit gleichermaßen für alle drei „Stakeholder“ relevant. 1.3.3.3 Geringer Aufwand Verfahren zur Dienstplanung, -steuerung und -abrechnung sollten so unaufwändig und kostengünstig wie möglich sein. Das gilt sowohl für den personellen wie den technischen Aufwand. In jedem Fall sollten sich Investitionen in das Arbeitszeitmanagement auch

321  Gute Dienstpläne: Neue Anforderungen, alte Mythen Abb. 1.5  Anforderungsdreieck der Dienstplanung

durch entsprechende Effekte amortisieren. Zur Frage des Aufwandes gehören auch unaufwändige Regelungswerke. Detaillierte Regelungen führen nämlich fast immer zu häufigeren Auslegungsfragen und Nachregelungsbedürfnissen als relativ offen formulierte, die vom Geist einer vertrauensvollen Zusammenarbeit getragen sind.

Zusammenfassung 

Das schon unter Abb. 1.1 dargestellte Dreieck der Interessengruppen haben wir nun ergänzt um die dargelegten Anforderungen (Abb. 1.5). Es wird daraus deutlich, dass Teile dieser Anforderungen miteinander verknüpft sind.

1.4

Was gute Dienstpläne sind und ein erster Überblick über das zu bewältigende Programm

1.4.1 Was sind gute Dienstpläne? Aus den vorstehenden Anforderungen lässt sich unsere Definition guter Dienstpläne ableiten.

1.4  Was gute Dienstpläne sind und ein erster Überblick über das …

33

Zusammenfassung: Was sind gute Dienstpläne? 

1. Stabile Besetzungsquoten: In guten Dienstplänen ist die Sicherstellung stabiler Besetzungsrelationen das entscheidende, nachvollziehbare und überprüfbare Qualitätsmerkmal von Dienstplänen. In ihm drückt sich das Verhältnis Patienten beziehungsweise Bewohner zu besetzten Diensten aus. Dazu bedarf es entsprechender Flexi-Spielregeln, denn die Besetzungsrelation muss auch bei Schwankungen von Arbeitsanfall beziehungsweise Personalverfügbarkeit so konstant wie möglich gehalten werden können. 2. Eingehaltener Besetzungsbedarf: Gute Dienstpläne werden am Besetzungsbedarf ausgerichtet. Dieser wird festgelegt auf Basis der Anforderungen der Patienten beziehungsweise Bewohner einerseits und der verfügbaren Personalkapazität andererseits. 3. Berücksichtigte persönliche Zeitinteressen: Mit dem Besetzungsbedarf zu vereinbarende persönliche Zeitinteressen und zeitliche Einschränkungen der Verfügbarkeit der Mitarbeiter müssen in guten Dienstplänen gleichermaßen realisiert werden können. 4. Verlässlichkeit: Gute Dienstpläne sind für die Mitarbeiter so verlässlich wie möglich ausgestaltet. Das bedeutet auch, dass erforderliche, weil nicht vorhersehbare kurzfristige Flexibilitätsanforderungen – sei es durch Ausfall, sei es durch Anforderungen der Patienten beziehungsweise Bewohner – möglichst durch (teamübergreifende) Einsatzflexibilität und durch den Flexibilitätsbedarf vorstrukturierende Flexi-Spielregeln aufgefangen werden. 5. Planbarkeit: In guten Dienstplänen werden die eingeteilten Dienstzeiten weitgehend eingehalten. Das schließt ein, dass Führungskräfte durch arbeitszeit- und prozessorganisatorische Maßnahmen hierauf hinwirken. 6. Einfache Regeln: Dienstpläne werden (weitestmöglich) von hierauf spezialisierten Personaleinsatzplanern erstellt. Sie wenden dabei einfache, transparente Regeln an. 7. Ergebnis-Controlling: Gute Dienstpläne sind hinsichtlich der mit ihnen erreichten Personaleinsatzergebnisse für alle Beteiligten transparent. Das schließt ein, hierdurch Anreize für eine fortlaufende Weiterentwicklung der erreichten Ergebnisse auszusenden.

1.4.2 Welcher Weg ist zu beschreiten? Damit sind die Kennzeichen guter Dienstpläne aus unserer Sicht benannt. Hieraus lässt sich nun das zu bewältigende Programm auf dem Weg zum guten Dienstplan ableiten. Wir haben das Buch entsprechend der zu durchlaufenden Arbeitsschritte aufgebaut. In Kap. 2 zeigen wir, wie der Besetzungsbedarf ermittelt wird (Kriterium 1 und 2). Er steht am Beginn; auf die hier festgelegten Parameter bauen alle weiteren Schritte auf. Dann wird der Besetzungsbedarf übersetzt in Dienstzeiten (inklusive der Pausenzeiten,

341  Gute Dienstpläne: Neue Anforderungen, alte Mythen

gegebenenfalls Umkleidezeiten und Übergabezeiten) und Soll-Besetzungsstärken. Diese sollen so einfach wie möglich sein (Kriterium 6). In Kap. 3 werden dann die unterschiedlichen Dienstplanverfahren vorgestellt: vor allem Monatsdienstplan und Grunddienstplan, aber auch weitere, seltener angewandte Varianten. Hier geht es vor allem darum, wie Dienstpläne ebenso qualitätsgerecht (Kriterium 1), bedarfsgerecht (Kriterium 2) wie verlässlich (Kriterium 4) ausgestaltet werden können. Kap. 4 beschäftigt sich mit den Instrumenten für die Individualisierung von Dienstplänen. Dazu gehören Tausch-Systeme und individualisierte Grunddienstpläne, aber auch der Umgang mit verfügbarkeitseingeschränkten Mitarbeitern (Kriterium 3). In Kap. 5 wird gezeigt, wie ein systematisches Ausfallzeitenmanagement in die Dienstpläne eingebaut wird. Dazu gehören planbare Ausfallzeiten wie der Urlaub, aber auch der Umgang mit nicht vorhersehbaren Ausfallzeiten, insbesondere mit Krankheitszeiten (Kriterien 4 und 5). In Kap. 6 werden die Flexi-Spielregeln eingeführt, auf deren Basis von Dienstplanern bei Bedarf strukturiert und nachvollziehbar flexibel vom Dienstplan abgewichen werden kann. In diesem Zusammenhang werden auch Zeitkontenregeln vorgestellt. Zudem erläutern wir die Abgrenzung zwischen flexibler Arbeitszeit und Überstunden (Kriterien 4 und 5). Kap. 7 beschreibt, wie Dienstplanregeln fortlaufend auf ihre Einhaltung überprüft werden können. Auf diese Weise kann die Qualität der Personaleinsatzplanung und -steuerung objektiviert werden. (Kriterien 1 und 7). In Kap. 8 stellen wir zum einen vor, wie der Projektprozess zum guten Dienstplan gestaltet werden sollte. Zum anderen geben wir Hinweise, welche Punkte in einer Arbeitszeit-Betriebs- beziehungsweise -Dienstvereinbarung geregelt werden sollten (Kriterium 6). In Kap. 9 lassen wir die gesamte Schrittfolge zusammenfassend Revue passieren.

1.4.3 Themenfelder und Gestaltungsaufgaben Um einen ersten Eindruck von den wichtigsten Grundbegriffen der Dienstplanungssystematik zu erhalten, ist es sinnvoll, drei Themenfelder zu unterscheiden: • Personaleinsatzplanung: Diese beschäftigt sich damit, wie der planbare Besetzungsbedarf in Dienstpläne übersetzt wird. • Personaleinsatzsteuerung: Hier geht es darum, wie nicht planbare Schwankungen des Bedarfs (wie der Arbeitsanfall) und/oder der Verfügbarkeit des Personals (wie die Ausfallzeiten) im Dienstplan berücksichtigt werden. • Individualisierung: Dabei wird überprüft, wie individuelle Anforderungen (beispielsweise Zeitwünsche) und Einschränkungen (wie Dienstuntauglichkeiten) in die Dienstpläne eingearbeitet werden können. In jedem dieser drei Themenfelder müssen jeweils drei Gestaltungaufgaben bewältigt werden, sodass sich eine Matrix ergibt, die Abb. 1.6 zeigt.

1.4  Was gute Dienstpläne sind und ein erster Überblick über das …

35

Abb. 1.6  Gestaltungsebenen der Personaleinsatzplanung und -steuerung

• Bedarfsermittlung: Die Anforderungen und Bedarfe müssen immer am Anfang jeder Betrachtung stehen. Der Personaleinsatzplanung liegt der Besetzungsbedarf zugrunde (Kap. 2). Für den Umgang mit der Personaleinsatzsteuerung bedarf es der Ermittlung des Flexibilitätsbedarfs (Kap. 6). Individuelle Anforderungen der Mitarbeiter führen zu zeitlichen Einschränkungen bei der Dauer oder bei der Lage ihrer Arbeitszeit, die man ebenfalls erheben muss (Kap. 4). • Instrumente: Die zweite Gestaltungsebene bilden die Werkzeuge, mit denen die Bedarfe und Anforderungen erfüllt werden sollen, also die Dienstplanung (Kap. 3), die Spielregeln zum Umgang mit Ausfallzeiten (Kap. 5) und Schwankungen des Arbeitsaufkommens (Kap. 6) sowie die Tools zur Individualisierung von Dienstplänen (Kap. 4). • Führung und Controlling: Die dritte Gestaltungsebene betrifft die Regelungen für die Handhabung der Instrumente und der fortlaufenden Überprüfung, ob sie den an sie gestellten Anforderungen gerecht werden. Dazu benötigt man zum einen Indikatoren: Diese geben an, wann und in welcher Form ein bestimmtes Instrument zur Anwendung kommt. Zum anderen geht es um das Monitoring. Mit Monitoring wird die fortlaufende Überprüfung der Qualität der Dienstplanung und -steuerung anhand von Kennzahlen bezeichnet (Kap. 7). Sie ist in einem professionellen Personaleinsatzplanungsumfeld Grundlage von Steuerung und Mitarbeiterführung.

361  Gute Dienstpläne: Neue Anforderungen, alte Mythen

Literatur 1. Beermann B (2005): Leitfaden zur Einführung und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund 2. Kutscher J, Leydecker J (2018): Schichtarbeit und Gesundheit. Aktueller Forschungsstand und praktische Schichtplangestaltung. Springer, Heidelberg 3. Dornes M (2016): Macht der Kapitalismus depressiv? Über seelische Gesundheit und Krankheit in modernen Gesellschaften. S. Fischer, Frankfurt am Main 4. Sloterdijk P (2015): Streß und Freiheit. Suhrkamp, Berlin (5. Auflage)

2

Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf unvoreingenommen ermitteln

2.1

Den offenen Blick üben: Der Besetzungsbedarf

2.1.1 Die Ausgangsfrage Bevor ein Dienstplan erstellt werden kann, müssen zunächst die Besetzungsgrundlagen unvoreingenommen festgelegt werden. In Dienstplanprojekten stürzt man sich „im Eifer des Gefechts“ oft vorschnell auf den Dienstplan. Das ist verständlich, schließlich steht der bei solchen Projekten im Mittelpunkt der Überlegungen. Die Projektbeteiligten wie auch die Mitarbeiter wollen rasch Ergebnisse in Form von fertigen Plänen sehen. Hinzu kommt: Identifizierte Probleme mit den aktuellen Dienstplänen werden selten auf den Besetzungsbedarf, sondern auf das Dienstplanverfahren zurückgeführt. Bestehende Besetzungsvorgaben werden nicht angetastet. Das ist aber grundsätzlich der falsche Ansatz. Zu einem guten Dienstplan gehört, den Besetzungsbedarf strikt auf der Basis der Patienten- und Bewohnerbedürfnisse abzubilden. Personaleinsatz muss von den Patienten beziehungsweise Bewohnern her gedacht werden. Schließlich ist nicht der Dienstplan Daseinszweck eines Krankenhauses oder einer Pflegeeinrichtung. Vielmehr werden Patienten und Bewohner mit unterschiedlichen Bedürfnissen rund um die Uhr versorgt. Dafür wird Geld von den Kostenträgern überwiesen – und nicht, weil der Dienstplan besonders „hübsch“ ist. Es geht darum, zur richtigen Zeit die richtige Anzahl Mitarbeiter „an Bord“ zu haben.

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© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Herrmann, C. Woodruff, Dienstplanung im stationären Pf legedienst, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22581-0_2

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2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

2.1.2 Planbarer Besetzungsbedarf Vor jeglicher Veränderung des Dienstplanungsverfahrens ist daher wenigstens zu überprüfen, ob der Stellenplan und die internen Besetzungsvorgaben zueinander passen (siehe Abschn. 2.3). Besser aber ist es, noch früher anzufangen: Wie sieht überhaupt der Besetzungsbedarf aus? Er besteht aus zwei Teilen: • Besetzungsstärke: Mit wie vielen Mitarbeitern muss der zu beplanende Bereich in jedem Zeitabschnitt des Tages, der Woche und – wenn der Bedarf planbar schwankt – des Jahres planmäßig besetzt sein? • Besetzungszeit: In welcher Zeitspanne ist der Arbeitsbereich zu besetzen? Diese Besetzungsvorgaben werden anschließend in Dienstzeiten und Soll-Besetzungen übersetzt und bilden die elementare Grundlage der Dienstplanung. Dienstzeiten wird es, wenn der Bereich nicht neu eröffnet wird, bereits geben. Aber entsprechen diese auch tatsächlich dem Bedarf? Soll-Besetzungen gibt es vielleicht auch schon. Oder wird mit Mindestbesetzungen gearbeitet? Das ist etwas vollkommen anderes: Während eine Soll-Besetzung auf die Einhaltung einer bestimmten Besetzungsstärke abstellt, eröffnet eine Mindestbesetzung Spielraum für mögliche Besetzungsstärken, der lediglich nach unten begrenzt wird. Dienstzeiten und Soll-Besetzungsstärken mögen schon seit Jahren Bestand haben, werden aber häufig nicht den aktuellen Gegebenheiten angepasst. Werden diese bei der Neugestaltung des Dienstplanverfahrens unreflektiert übernommen, kann das ein Dienstplanprojekt zum Scheitern bringen. Fehler, die am Anfang eines Projekts begangen werden, lassen sich im Nachhinein nur schwer wieder ausbügeln. Wird das Pferd von hinten aufgezäumt und ein Dienstplanprojekt durchgeführt, ohne vorab die Besetzungsvorgaben zu analysieren, muss eine Schleife gedreht werden. Dadurch verlängern sich Projekte unnötig und verlieren an „Schwung“. Die Beteiligten sind frustriert, weil trotz aller Bemühungen kein Abschluss gefunden wird. Im schlimmsten Falle verläuft ein Projekt dadurch im Sande. Auf Basis einer unrealistisch hohen Besetzungsstärke und/oder nicht bedarfsgerechter Dienstzeiten können keine guten Dienstpläne geschrieben werden. Unrealistisch hohe Soll-Besetzungsstärken führen zu schwankenden Besetzungsstärken – mehr dazu in Kap. 3. Sind die Dienstzeiten veraltet, kann der Dienstplan wiederum nicht dem Versorgungsauftrag gegenüber Patienten und Bewohnern gerecht werden. Am Anfang der Dienstplanentwicklung muss daher die scheinbar triviale Frage beantwortet werden: Wann müssen wie viele Mitarbeiter welcher Qualifikation anwesend sein? Daraus ergeben sich aber zugleich weitere Fragen, wie: Welches Servicesprechen soll erfüllt werden? Mit dem Serviceversprechen ist gemeint, welche Aufgaben zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Frist erledigt werden müssen. Das kann in einer Notaufnahme bedeuten, dass Patienten spätestens drei Minuten nach Eintreffen triagiert werden sollen. Oder auf einer

2.1  Den offenen Blick üben: Der Besetzungsbedar

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Station der geriatrischen Rehabilitation ist festgelegt, dass für jeden Patienten innerhalb von 24 Stunden nach seiner stationären Aufnahme eine detaillierte Pflegeanamnese durchgeführt wird. Jeder zeitlichen Festlegung liegt eine inhaltliche Vorüberlegung zugrunde. Und es ist wichtig, diese den Beteiligten zu kommunizieren, um Dienstzeiten mit den Anforderungen begründen zu können. Wir unterscheiden zwei Begriffe: • Besetzungszeit: Die Besetzungszeit beträgt in den meisten stationären Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern 24 Stunden am Tag und 365 Tage pro Jahr. Ausnahmen sind hier zum Beispiel Tageskliniken, die nachts und am Wochenende geschlossen sind. Manche Stationen schließen auch am Wochenende und über Feiertage, da die Belegärzte dann nicht operieren. Daher ist diese Frage in der Regel in der Pflege schnell beantwortet. • Besetzungsstärke: Die Besetzungsstärke ergibt sich aus den Aufgaben der Pflegekräfte und den Patienten- und Bewohnerbedürfnissen. Dabei spielt natürlich auch die Größe einer Station oder eines Wohnbereichs eine zentrale Rolle. Dies werden wir unten weiter vertiefen.

2.1.3 Nicht planbarer Besetzungsbedarf Besetzungsanforderungen können im Zeitablauf schwanken. In bestehenden Arbeitsbereichen gibt es dazu ja Erfahrungen. Wir werden später zeigen, warum schon bei der Erstellung des Dienstplangerüstes seine spätere „Muskulatur“ mitgedacht werden muss. Die beiden oben gestellten Leitfragen zum Besetzungsbedarf müssen dafür um eine weitere Frage ergänzt werden, nämlich der nach dem Flexibilitätsbedarf; siehe Abb. 2.1. Abb. 2.1  Drei Leitfragen zur Ermittlung des Besetzungsbedarfs

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2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

Der Flexibilitätsbedarf ist auf zwei Ebenen zu betrachten. • Schwankungen der Besetzungsstärke: Es kann sein, dass die Besetzungsstärke flexibel gehandhabt werden muss, wenn die Patientenzahl und damit das Arbeitsaufkommen nichtplanbar schwankt. Mal werden mehr, mal weniger Mitarbeiter benötigt. In einer Kinderstation weiß man beispielsweise oft, dass es saisonal größere Unterschiede in der Belegung zwischen der kalten und der warmen Jahreszeit gibt. Man kennt nur den genauen Saisonverlauf nicht. Das ist hier aber auch nicht erforderlich: Zunächst reicht es, die typische Schwankungsbandbreite zu kennen. Während der Verlauf der Saison nicht vorhersehbar ist – die Grippewelle kommt jedes Jahr in unterschiedlicher Ausprägung und zu einer etwas anderen Zeit –, ist aufgrund von Erfahrungswerten ermittelbar, in welcher Bandbreite sich die Schwankungen bewegen werden. Zum Beispiel könnte ermittelt werden, dass die Schwankungen in einer Kinderstation mit 30 belegbaren Betten zwischen 15 und 30 tatsächlich belegten Betten liegen. • Besetzungszeit: Auch die Besetzungszeit muss manchmal flexibel sein. Beispielsweise kann auf chirurgischen Stationen abhängig von der OP-Laufzeit ein flexibles Dienstende sinnvoll sein, um frisch operierte Patienten auch bei ungeplant längeren Operationen adäquat versorgen zu können. Diese Bedarfe müssen also durch Flexibilität der Organisation und des Personaleinsatzes aufgefangen werden können. Bezüglich der Arbeitszeitgestaltung werden sie möglichst in sogenannten Flexi-Spielregeln verankert, die in Abschn. 6.1 vorgestellt werden. Auch hier gilt: Das Flexibilitätsereignis selbst ist nicht vorhersehbar, doch kann anhand der Erfahrungen in großem Maß vorhersehbar sein, inwieweit Flexibilität erforderlich werden wird. Zum Beispiel wird in der operativen Station festgestellt, dass an 25 Prozent der Tage circa zwei Stunden mehr Arbeitszeit benötigt werden, um die Patienten postoperativ adäquat versorgen zu können. Zu trennen sind die vorstehend beschriebenen Schwankungen des Arbeitsanfalls von Schwankungen der Personalverfügbarkeit. Damit sind Schwankungen der Ausfallzeiten (wie Urlaub, Krankheit, Fortbildungen) oder des einsetzbaren Personals (aufgrund von fluktuationsbedingten Stellenplanlücken, Beschäftigungsverboten etc.) gemeint. Auf die Schwankungen der Personalverfügbarkeit muss natürlich ebenfalls adäquat reagiert werden, dies ist aber nicht originär mit dem Besetzungsbedarf verknüpft: Die Ausfallzeiten werden, wie wir sehen werden (Abschn. 2.3.3), bei der Personalbedarfsberechnung berücksichtigt. Wie sie dann beim Personaleinsatz gehandhabt werden können, zeigen wir in Kap. 5.

2.1.4 Einflussfaktoren auf die Ermittlung des Besetzungsbedarfs Um den Besetzungsbedarf unvoreingenommen zu ermitteln, sollten folgende Punkte bei der Analyse beachtet werden:

2.1  Den offenen Blick üben: Der Besetzungsbedar

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• Offener Blick: Die Patienten- und Bewohnerbedürfnisse stehen im Mittelpunkt. An dieser Stelle sollte der Kopf frei von tradierten Mustern sein. Ob sich aus den Besetzungsbedarfen passende Dienstzeiten ergeben, ist zunächst zweitrangig. Vielmehr muss der Daseinszweck der Einrichtung alle Überlegungen leiten, und das ist die Versorgung von Patienten und Bewohnern. Es kann zum Beispiel sein, dass sich bei nüchterner Betrachtung eine planbare Bedarfsspitze von zwei Stunden am Vormittag ergibt. Diese sollte im ersten Schritt nicht voreilig mit dem Hinweis verworfen werden, dass sich für sie ohnehin keine vernünftige Dienstzeit entwickeln lässt. Man weiß bei der Besetzungsbedarfsanalyse nie, welche Dienstzeiten sich daraus formen lassen. • Kritische Bestandsaufnahme: Aktuelle Abläufe müssen infrage gestellt werden. Wenn die Patienten- und Bewohnerbedürfnisse nicht zu den Besetzungsbedarfen passen, liegt das in vielen Fällen an eingespielten Abläufen. Man sollte sich bewusst machen, dass Abläufe an bestehenden Dienstzeiten ausgerichtet wurden. Nicht allein die Anforderungen haben Dienstzeiten geprägt – auch die Dienstzeiten die Anforderungen. Sie sind dann nicht, wie es sein sollte, die dienende, sondern die auslösende Größe. Oft ist den Beteiligten gar nicht bewusst, wie sehr sie die Abläufe zu bestehenden Dienstzeiten passend gemacht haben. In manchen Häusern wird das Abendessen um 17:00 Uhr gereicht, weil der Spätdienst um 20:30 Uhr endet. Vor Schichtende müssen die Pflegekräfte alle Tabletts eingesammelt haben und es ist Tradition, dem Nachtdienst eine „aufgeräumte“ Station zu übergeben. Alle pflegebedürftigen Patienten sollen also gewaschen im Bett liegen. Das entspricht aber nicht immer der Lebenswirklichkeit der Patienten. Außerhalb des Krankenhauses essen sie deutlich später zu Abend. Und sie möchten auch nicht um 20:00 Uhr zu Bett gehen. In einer Pflegeeinrichtung wurde gar um 16:30 Uhr das Abendbrot gereicht. Der Grund: Der letzte Bus in die Stadt fuhr um 19:00 Uhr – und bis dahin musste alles „erledigt“ sein. Zwar gilt auch bei der Ausgestaltung der Dienstzeiten die alte Handwerker-Weisheit „Was nicht passt, wird passend gemacht“, doch es sollte allen Beteiligten bewusst gemacht werden, dass dies nicht so weit gehen darf, die Bedürfnisse der Patienten/Bewohner in vorgegebene Dienstzeitmuster zu „pressen“. • Ausschluss sachfremder Erwägungen: Ohnehin sollten sachfremde Argumente bei der Ermittlung des Besetzungsbedarfs nicht zugelassen werden. Oft spielen hierbei bewusst oder unterbewusst Argumente eine Rolle, die nichts mit den Besetzungsbedarfen zu tun haben. Vielleicht haben sich die Mitarbeiter an „kurze Wechsel“ vom Spät- auf den Frühdienst gewöhnt. Deswegen wird angenommen, dass der Besetzungsbedarf nach 20:00 Uhr rapide abnimmt, damit um 06:00 Uhr nach zehn Stunden Ruhezeit der Frühdienst beginnen kann (zu den Grundlagen der Dienstzeitgestaltung siehe Abschn. 2.2.1). Oder Mitarbeiter, die morgens mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit kommen, sind schon um 05:30 Uhr am Arbeitsplatz, daher beginnt auch der Dienst um 05:30 Uhr. Ob aber tatsächlich ein Besetzungsbedarf besteht – ob durch Arbeit direkt am Patienten oder Bewohner oder patienten- und bewohnerferne Tätigkeiten, die zu diesen Zeiten erledigt werden können – ist dabei oft zweitrangig. Gerade darum geht es aber: Wie viele Leute werden wirklich wann gebraucht, ganz unabhängig

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2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

von aktuellen Dienstzeiten und Dienstplanwünschen? Das lässt sich nur dann ermitteln, wenn sachfremde Argumente weitestmöglich ausgeklammert werden. Es empfiehlt sich, möglichst Beurteilungen und Rückmeldungen von (bislang) nicht im jeweiligen Arbeitsbereich eingesetzten Kollegen einzuholen, wie Hospitanten oder neuen Mitarbeitern. Sie haben oft einen noch unbefangenen Blick, der einer gewissen „Betriebsblindheit“ entgegenwirkt. • Berufsgruppenübergreifender Blick: Eventuelle Verzahnungen mit anderen Berufsgruppen müssen beachten werden. Die Abläufe auf einer Station hängen nicht nur von den pflegerischen Aufgaben ab, sondern auch von anderen Berufsgruppen wie Ärzten, Therapeuten und Küchenkräften. Wenn um 08:00 Uhr die Visite beginnt, sollten die Patienten zu dieser Zeit nicht gewaschen werden. Zudem begleitet – sofern das Konzept der Station dies vorsieht – eine Pflegekraft die Visite. Wenn in einem Altenheim um 14:00 Uhr Therapieangebote gemacht werden, müssen die Pflegekräfte nicht alle Bewohner nach dem Mittagessen auf den Mittagsschlaf vorbereiten. Diese Verzahnungen sollten bei der realistischen Ermittlung des Besetzungsbedarfs beachten werden. • Daten nutzen: Lässt sich der Arbeitsanfall anhand von Daten quantifizieren, sollten vorhandene Daten immer genutzt werden. Das können zum Beispiel in einer Notaufnahme die Patientendaten sein, in denen üblicherweise ein Zeitstempel zum Eintreffen des Patienten hinterlegt ist. Dann lässt sich der Verlauf des Patientenaufkommens über den Tag hinweg nachvollziehen. Eine beispielhafte Auswertung von Daten einer Notaufnahme zeigt Abb. 2.2 – jeweils differenziert nach den Tagen Montag bis Freitag sowie Samstag/Sonntag/Feiertag. Auch eine solche wochentagsgenaue Betrachtung

Abb. 2.2  Patientenanfall in einer Notaufnahme

2.1  Den offenen Blick üben: Der Besetzungsbedar

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kann sich anbieten, wenn hier weitere Besonderheiten vorliegen – beispielsweise, dass am Mittwoch und am Freitag die Praxen der niedergelassenen Ärzte ab Mittag schließen und daher mehr Patienten als an den anderen Wochentagen am Nachmittag in die Notaufnahme kommen. Das Bild zeigt die typische Verlaufskurve einer Notaufnahme: Wochenende und Woche unterscheiden sich kaum – nachts ist der Bedarf am Wochenende etwas höher, und die Patienten kommen etwas später als unter der Woche in die Notaufnahme.

2.1.5 Unterstützung der Erhebung des Besetzungsbedarfs mittels eines Tools Es kann die unvoreingenommene Betrachtung des Besetzungsbedarfs erleichtern, diesen zunächst grafisch in einer Besetzungsbedarfskurve darzustellen, wie wir sie in der Abb. 2.2 gezeigt haben. Dazu kann unsere erste, im Folgenden vorgestellte Arbeitshilfe – Tool A – nützlich sein. ▶▶

Tool A – Tagesbezogene Ermittlung des Besetzungsbedarfs

In diesem Tool wird der Besetzungsbedarf grafisch abgebildet. Gleichzeitig errechnet sich die zur Abdeckung der Bedarfskurve pro Arbeitstag benötigte Arbeitszeit. Das hat den Vorteil, bereits bei der Eintragung des Besetzungsbedarfs prüfen zu können, ob eine gegebene Stellenplanung und damit die verfügbare Personalkapazität mit dem Besetzungsbedarf kompatibel ist. Dies erleichtert den später erforderlichen Abgleich im Rahmen der arbeitsplatzbezogenen Personalbedarfsermittlung (Abschn. 2.3.4). Es besteht die Möglichkeit, bis zu zehn Bereiche in den Tabellenblättern „Bereich I“ bis „Bereich X“ darzustellen. Damit kann das Tool auch für mehrere Stationen oder Wohnbereiche eingesetzt werden. Als Beispiel ist im Tabellenblatt „Bereich I“ ein in der stationären Altenpflege üblicher Besetzungsverlauf dargestellt. Am frühen Morgen ist der Bedarf besonders hoch, die Bewohner werden geweckt und vor dem Frühstück gewaschen. Anschließend wird beim Essen assistiert. Danach fällt der Bedarf aber rapide ab, um zur Mittagszeit wieder anzusteigen. Einigen Bewohnern muss beim Mittagessen assistiert werden, anschließend möchten viele ein Nickerchen halten. Nach dem Mittagessen fällt der Besetzungsbedarf ab. Ab etwa 17:00 Uhr werden wieder viele Hände benötigt, um das Abendessen vorzubereiten, gegen 18:30 Uhr anzureichen und die Bewohner anschließend am Abend zu betreuen. Morgens, mittags und abends werden bis zu vier Mitarbeiter benötigt, um die Bewohner zu den Mahlzeiten zu versorgen. Dazwischen ist es ausreichend, wenn nur ein Mitarbeiter anwesend ist. Da sich die Besetzungsbedarfe häufig zwischen den Wochentagen Montag bis Freitag und dem Wochenende unterscheiden, kann im Tool für diese Tage ein unterschiedlicher Besetzungsbedarf hinterlegt werden. Wenn ein Mitarbeiter in einem 15-Minuten-Abschnitt

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2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

benötigt wird, wird eine „1“ in das Feld eingetragen. Das Feld färbt sich dann automatisch blau. Wichtig ist, dass nur die blau gefärbten Zellen und das Feld zwischen den beiden Zeitstrahlen beschrieben werden. Auf Basis der blauen Felder wird automatisch berechnet, wie viele Stunden Arbeitszeit je Tag anfallen. Im Beispiel werden 53 Stunden an den Wochentagen Montag bis Freitag benötigt. Diese Angabe berücksichtigt noch nicht die Pausenzeiten und auch nicht erforderliche Dienstüberlappungen – insbesondere zur Übergabe. Das kann sie auch nicht, denn die Dienstzeiten stehen ja noch nicht fest, und damit auch nicht der Pausen- beziehungsweise Übergabebedarf. Als Orientierungswert ist die Stundenangabe aber völlig ausreichend – zumal sich erhöhende (Übergaben) und senkende (Pausenzeiten) Faktoren später häufig ganz gut ausgleichen. Am Wochenende ist der Besetzungsbedarf am Nachmittag etwas niedriger, denn viele Bewohner erhalten dann Besuch von ihren Angehörigen. Dafür ist abends ein Mitarbeiter länger eingesetzt, da gerade am Wochenende einige Bewohner gerne länger aufbleiben, um gemeinsam fernzusehen oder Spiele zu spielen. Insgesamt ist der Arbeitszeitbedarf mit 51 Stunden pro Tag etwas niedriger als unter der Woche. In Summe werden 367 Stunden pro Woche benötigt, was sich ganz einfach aus den Bedarfen je Wochentag ergibt: (53 Stunden × 5 Tage Montag bis Freitag + 51 Stunden × 2 Tage Samstag und Sonntag) = 367 Stunden pro Woche. All diese Informationen können direkt dem Tool entnommen werden, wie der Auszug aus dem Tabellenblatt „Bereich I“ (hier der Ausschnitt für Montag bis Freitag) in Abb. 2.3 zeigt. Im Tabellenblatt „Überblick“ ist für alle (bis zu) zehn Bereiche der Besetzungsbedarf aufgeführt (Abb. 2.4). Hier kann auch der Firmenname oder der Bereichsname im oberen

Abb. 2.3  Tool A (Auszug) – Tabellenblatt „Bereich I“ (Tool mit Springer Nature More Media App ansehen)

2.1  Den offenen Blick üben: Der Besetzungsbedar

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Abb. 2.4  Tool A (Auszug) – Tabellenblatt „Überblick“

blauen Feld hinterlegt werden. Das ist hilfreich, wenn unterschiedliche Häuser, Stationsbereiche oder Wohnbereiche betrachtet werden. Die ermittelten Besetzungsbedarfe sollten regelmäßig überprüft werden. Wir empfehlen, dies einmal im Jahr zu tun beziehungsweise immer dann, wenn sich der Bedarf signifikant ändert. Mit weiter erhöhten Ansprüchen (siehe auch Abschn. 1.3) verändern sich auch die Bedürfnisse der Patienten und Bewohner. Beispielsweise werden Notaufnahmen in Krankenhäusern immer stärker am späten Abend und am Wochenende frequentiert – dadurch verschiebt sich der durch die Patientenfrequenz ausgelöste Besetzungsbedarf. Wenn das Serviceversprechen zum Beispiel in Form einer festen Triagezeit weiter eingehalten werden soll, muss der aktuelle Besetzungsbedarf bekannt sein. Nur dann können auch dazu passende Dienstzeiten erstellt werden, wie Abschn. 2.2 zeigt.

Zusammenfassung 

Der unvoreingenommen ermittelte Besetzungsbedarf ist die Grundvoraussetzung für die Erstellung guter Dienstpläne. Erst wenn dieser bekannt ist, können Dienstzeiten definiert, Soll-Besetzungen festgelegt und Dienstpläne geschrieben werden. Bei der Ermittlung des Besetzungsbedarfs sind die Besetzungszeit (wie lange?) und die Besetzungsstärke (wie viele?) zu berücksichtigen, aber auch die möglichen

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2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

Schwankungsbandbreiten dieser beiden Aspekte (wie flexibel?). Sachfremde Argumente jenseits der Anforderungen der Patienten/Bewohner dürfen hier nicht einfließen. Vielmehr steht die adäquate Versorgung von Patienten und Bewohnern im Zentrum.

2.2

Den Besetzungsbedarf in passgenaue Dienstzeiten überführen

2.2.1 Die Grundlagen der Dienstzeitengestaltung Der an den Bedürfnissen der Bewohner und Patienten ermittelte Besetzungsbedarf ist der erste Schritt hin zu einer Soll-Besetzung. Sobald bekannt ist, wann wie viele Mitarbeiter bedarfsgerecht anwesend sein müssen, können auch Dienstzeiten festgelegt werden. Auch hier gilt wieder: Ein Schritt nach dem anderen! Ohne den Besetzungsbedarf zu kennen, können keine adäquaten Dienstzeiten festgelegt werden. Auch Dienstzeiten sind nicht für immer in Stein gemeißelt, sondern sollten bei einem sich verändernden Besetzungsbedarf auf die Probe gestellt werden. Oberstes Ziel sollte es sein, den Besetzungsbedarf mit Hilfe der Dienstzeiten so genau wie möglich zu treffen. Neben den Anforderungen der Patienten und Bewohner, die dem Besetzungsbedarf zugrunde liegen, fließen in die Ausgestaltung der Dienstzeiten jedoch weitere Überlegungen ein: • Arbeitszeitrecht: Zu beachten sind die arbeitszeitgesetzlichen Vorschriften und eventuelle Vorgaben aus Tarifverträgen oder Betriebs- und Dienstvereinbarungen. • Wochenfaktor: Auch wird die Zahl der Arbeitstage, die (pro Vollzeitmitarbeiter) durchschnittlich höchstens erreicht werden soll, eine Rolle spielen. Diese Zahl wird als Wochenfaktor bezeichnet; siehe auch Abschn. 2.5.4. Oftmals werden Dienstzeiten auf Basis der 5-Tage-Woche oder der 5,5-Tage-Woche erstellt. In der Altenhilfe sind auch noch Wochenfaktoren bis zu 6,0 anzutreffen. Bei einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden für Vollzeitkräfte ergeben sich bei einem Wochenfaktor von 5,0 Dienstdauern von durchschnittlich 7,7 Stunden. Dies bedeutet nicht, dass jeder einzelne Dienst 7,7 Stunden lang sein muss. Um den Wochenfaktor zu erreichen, müssen die Dienste nur durchschnittlich diese Länge haben. Je differenzierter eine Besetzungskurve ausfällt, desto wichtiger ist es in der Regel, die Dienstzeiten in ihrer Dauer auszudifferenzieren und nur im Durchschnitt den angestrebten Wochenfaktor einzuhalten. • Dienstdauer: Bei aufgefächerten Dienstdauern muss eine Festlegung getroffen werden, wie kurz oder lang diese Dienste maximal sein dürfen. In der Regel sollten Dienstdauern unterhalb von vier Stunden Arbeitszeit vermieden werden. Kürzere Dienstdauern werden in der Regel mitarbeiterseitig nicht attraktiv sein. Wegezeitenaufwand und Arbeitszeitvolumen sollten schließlich in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Allerdings wird man bei stark differenzierten Besetzungskurven ungern ganz auf kürzere Dienste verzichten wollen: Für eine passgenaue Abdeckung der Besetzungsstärke sind kurze Dienste besonders geeignet. Die obere Grenze der Dienstdauer wird in der Regel von der gesetzlichen Tageshöchstarbeitszeit bestimmt, die bei zehn

2.2  Den Besetzungsbedarf in passgenaue Dienstzeiten überführen

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Stunden liegt (hiervon kann allerdings auf Basis einiger tarifvertraglicher Regelungen auf bis zu zwölf Stunden abgewichen werden, wovon in der Pflege in Deutschland jedoch selten Gebrauch gemacht wird). Bei der Höchst-Dienstdauer wäre zu untersuchen, ob diese unter Belastungsgesichtspunkten unterhalb der gesetzlichen Grenzen angesetzt werden sollte. Daher begrenzen einige Häuser die Dienstdauer auf neun Stunden. Allerdings schmälern kürzere Höchstdienstdauern – wenn der Wochenfaktor konstant gehalten werden soll – die Möglichkeit, auch kürzere Dienste einzuteilen. • Verschiebbare Aufgaben: Kompromisse zwischen Besetzungsprofil und Dienstzeiten sind immer dann möglich, wenn ein Teil der Arbeitsaufgaben zeitlich verschiebbar ist, ohne dass das Serviceversprechen hiervon berührt wird. Dann werden nicht passende Dienstzeiten durch die Verschiebung solcher Aufgaben passend gemacht. Dies betrifft etwa Administrations- und Organisationsaufgaben, aber auch zeitliche Spielräume bei der Bettenaufbereitung und so weiter. Die als Serviceversprechen definierten zeitlichen Anforderungen – erforderliche Fristen und Termine der Leistungserbringung – dürfen hierbei jedoch nicht zur Disposition stehen. Andernfalls hätte die vorherige Ermittlung des zeitlichen Besetzungsbedarfs keinen Sinn. Als Faustregel gilt: Je niedriger der Anteil verschiebbarer Tätigkeiten ist, desto passgenauer muss die Dienstabdeckung mit dem zeitlichen Besetzungsbedarf übereinstimmen. • Pflegekonzept: Ist eine Bezugspflege vorgesehen, wird diese in die Überlegungen zum Besetzungsbedarf einfließen – etwa durch entsprechend einfache Dienststrukturen. Dies ist beispielsweise in einer Notaufnahme der Fall. Der Anteil verschiebbarer Tätigkeiten ist hier der Natur der Aufgabe gemäß gering. Abb. 2.5 zeigt das bereits aus Abb. 2.2

Abb. 2.5  Patientenanfall in einer Notaufnahme – inklusive passgenauer Dienstzeiten

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2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

bekannte Bild der Besetzungsbedarfskurve in einer Notaufnahme erneut. Nun wurden auf Basis dieser Kurve passgenaue Dienstzeiten zu deren Abdeckung entwickelt.

2.2.2 Arbeitszeitrechtliche Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Diensten 2.2.2.1 Arbeitszeitgesetz Die wichtigsten arbeitszeitschutzrechtlichen Bestimmungen bei der Gestaltung von Diensten aus dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sind nachfolgend zusammengefasst. • Tägliche Höchstarbeitszeit (§ 3 ArbZG): Die Arbeitszeit in einem einzelnen Dienst darf maximal zehn Stunden betragen. In Tarifverträgen und Arbeitsvertragsrichtlinien kann auf Basis von § 7 Abs. 2 Nr. 3 ArbZG – zum Teil an dringende betriebliche Gründe geknüpft – eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit darüber hinaus möglich sein. Abweichungen von der Tageshöchstarbeitszeit, Mindestpausenzeit und Ruhezeiten im Einzelfall sind darüber hinaus in Notfällen und außergewöhnlichen Fälle zulässig (§ 14 ArbZG). • Pausen (§ 4 ArbZG): Ab sechs Stunden Arbeitszeit sind mindestens 30 Minuten Pause zu gewähren, ab neun Stunden mindestens 45 Minuten. Diese Pausen können in mindestens 15minütige Einzelintervalle aufgeteilt werden, müssen also nicht am Stück genommen werden. Bei der Einteilung der Pausen ist darauf zu achten, dass spätestens nach sechs Stunden ununterbrochener Arbeitszeit eine Pause gemacht werden muss – auch bei Einzelbesetzungen von Arbeitsplätzen (siehe zum letzten Punkt Abschn. 2.5.3). Die Pausenzeiten müssen vor Dienstbeginn feststehen, was jedoch auch dadurch ermöglicht werden kann, dass sie in einem sogenannten Pausenkorridor liegen. Zusammen mit den Dienstzeiten sollte also ein zeitlicher Rahmen definiert werden, innerhalb dessen die Pausen genommen werden. Bei einer Dienstzeit von 08:00 Uhr bis 16:30 Uhr könnte sich dieser beispielsweise zwischen 12:00 Uhr und 14:30 Uhr bewegen. Dann ist sichergestellt, dass spätestens nach sechs Stunden Arbeitszeit eine Pause genommen wurde. Gleichzeitig hat der Mitarbeiter die Möglichkeit, mit seiner Pausennahme flexibel auf den Arbeitsanfall zu reagieren. Auf Basis tarifvertraglicher Regelungen kann – zum Beispiel zur Besetzung von Einzelarbeitsplätzen – auch eine Kurzpausenregelung gemäß § 7 Abs. 1 Nr 2.vereinbart werden. • Ruhezeit (§ 5 Abs. 2 ArbZG): Zwischen zwei Diensten muss eine Ruhezeit von mindestens zehn Stunden liegen. Auf Basis eines Tarifvertrags (meist in Verbindung mit einer Dienst- oder Betriebsvereinbarung) ist auch eine Kürzung auf mindestens neun Stunden möglich (§ 7 Abs. 1 Satz 3 ArbZG) • Ersatzruhetag für Sonntagsarbeit (§ 11 Abs. 3 Satz 1 ArbZG): Werden Arbeitnehmer an einem Sonntag beschäftigt, müssen sie einen Ersatzruhetag haben, der innerhalb eines den Beschäftigungstag einschließenden Zeitraums von zwei Wochen zu gewähren ist. Dadurch sind sehr lange Dienstfolgen „am Stück“ möglich, da ja der Ersatzruhetag

2.2  Den Besetzungsbedarf in passgenaue Dienstzeiten überführen

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sowohl vor als auch nach dem Sonntag liegen kann. Theoretisch ergeben sich sogar maximal 32 Arbeitstage infolge – was selbstverständlich nicht ausgeschöpft werden sollte. Etwaige engere Grenzen in Tarifverträgen sind wiederum zu beachten. Ein Ersatzruhetag für Wochenfeiertage kann gemäß § 11 Abs. 3 ArbZG auch an einem ohnehin arbeitsfreien Samstag oder einem schichtplanmäßigen arbeitsfreien sonstigen Werktag gewährt werden. Eine bezahlte Freistellung kann nicht verlangt werden. • Wochenarbeitszeit (§ 3 Satz 2 ArbZG beziehungsweise für Nachtarbeitnehmer (das sind Arbeitsnehmer, die normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht oder Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen leisten) § 6 Abs. 2 Satz 2 ArbZG): Diese beträgt grundsätzlich 48 Stunden im Durchschnitt von 24 Wochen oder sechs Monaten, bei Nachtarbeit im Durchschnitt eines Kalendermonats oder vier Wochen. Es kann daher in einzelnen Wochen über die 48 Stunden-Grenze hinausgearbeitet werden, da diese nur in den genannten Zeiträumen im Durchschnitt einzuhalten ist. In der Kommentarliteratur wird teilweise aus §§ 3 und 6 Abs. 2 ArbZG eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 60 Stunden abgeleitet, die bei der Dienstfolgengestaltung berücksichtigt werden sollte. Das sieht aber das Gesetz (außer für das Fahrpersonal) nicht explizit vor. Für die Einhaltung der arbeitszeitgesetzlichen Bestimmungen – nicht nur denjenigen zur Ausgestaltung der Dienstzeiten – ist der Arbeitgeber verantwortlich. Er muss im Zweifel auch gegen den Willen des Mitarbeiters die Bestimmungen durchsetzen; mitarbeiterseits freiwillige Abweichungen von arbeitszeitschutzrechtlichen Vorschriften sind nicht zulässig.

2.2.2.2 Weisungsrecht und Mitbestimmung Die rechtliche Grundkonstruktion bei der Dienstplangestaltung besteht aus dem arbeitgeberseitigen Dispositionsrecht auf der einen Seite und dem Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung (Betriebsrat, Personalrat) auf der anderen Seite: • Weisungsrecht: Die Festlegungen der Lage und Verteilung der Arbeitszeit und der arbeitsfreien Tage unterliegen dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 Gewerbeordnung. Diese ermöglicht es dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur allgemein umschriebene Leistungspflicht im Einzelnen nach Zeit, Art und Ort nach billigem Ermessen im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB zu bestimmen. • Mitbestimmung: Die Mitbestimmung betrifft neben der Festlegung der Dienstzeiten und Pausenzeiten, um die es hier und im folgenden Abschn. 2.2.3 geht, auch die Aufstellung der Dienstpläne (Kap. 3) sowie die Abweichungen hiervon. Arbeitszeiten sind mitbestimmungspflichtig durch die Mitarbeitervertretung (Betriebsrat, Personalrat, MAV) entsprechend den geltenden gesetzlichen Bestimmungen (Betriebsverfassungsgesetz, Personalvertretungsgesetz/e, Mitarbeitervertretungsordnung). Mitbestimmungspflichtige Entscheidungen des Arbeitgebers gemäß Betriebsverfassungsgesetzt (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG) sind insbesondere: – die Festlegung von Beginn/Ende der Arbeitszeit – die Festlegung von Dauer und Lage der Pausen

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2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

– die Zuordnung einzelner Arbeitnehmer zu konkreten Arbeitszeiten für einen bestimmten Zeitraum (Schichtplan/Dienstplan/Einsatzplan) einschließlich Änderungen solcher Pläne – die vorübergehende Verlängerung/Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeiten (z. B. Arbeit außerhalb eines mitbestimmten täglichen Arbeitszeitrahmens oder Arbeit an Wochentagen außerhalb der mitbestimmten Betriebszeit).

2.2.3 Dienstzeitvarianten Als die beiden Grundformen der Dienstzeiten-Gestaltung lassen sich unterscheiden: • Ausdifferenzierte Dienstzeiten und -dauern: Das Kennzeichen solcher Dienststrukturen ist es, dass die Dienstzeiten und Dienstdauern – entsprechend dem Besetzungsprofil – aufgefächert werden, um die tagesbezogenen Besetzungsbedarfe möglichst punktgenau zu „treffen“. Dies ist zugleich ihr größter Vorteil, dem jedoch folgende Nachteile gegenüberstehen: – Komplexität: Eine stark differenzierte Dienststruktur macht die Dienstplanung angesichts vieler Dienstarten komplex. – Behinderung übergreifenden Arbeitens: Der bereichsübergreifende Einsatz – wie er vor allem für die einsatzflexible Ausfallzeitenvertretung (Abschn. 5.4) erforderlich ist – wird erschwert, wenn sich die Dienstzeiten von Arbeitsbereich zu Arbeitsbereich unterscheiden. – Häufige Änderungen: Eine „übergenaue“ Abbildung des Besetzungsbedarfs macht Änderungen an den Dienstzeiten erforderlich, sobald sich der Besetzungsbedarf nur geringfügig ändert. • Einfache Dienststrukturen: Zwar können auch diese Dienststrukturen aus Diensten unterschiedlicher Dauer bestehen. Es wird jedoch mit so wenig Dienstzeiten wie möglich gearbeitet. Man beschränkt sich bewusst darauf, den Besetzungsbedarf ungefähr zu treffen – im Interesse einfacher Dienststrukturen. Im Idealfall kommt man mit drei bis vier Dienstarten aus: Früh-, gegebenenfalls Zwischen-, Spät- und Nachtdiensten.

2.2.3.1 Differenzierte Dienstzeiten zum genauen Einhalten des Besetzungsbedarfs Diese Variante ist vor allem dann sinnvoll, wenn durch differenzierte Dienstzeiten auf stark differenzierte Besetzungsprofile reagiert werden muss und zugleich der Verschiebungsanteil der Tätigkeiten zur Glättung von Bedarfsspitzen und -tälern gering ist. Kurze Dienste müssen dann dabei helfen, Auslastungsspitzen abzufangen. In der Altenpflege können diese für den morgendlichen und abendlichen Gipfel erforderlich sein. In Einrichtungen für Kinder und behinderte Menschen können auf diese Weise die Täler in den

2.2  Den Besetzungsbedarf in passgenaue Dienstzeiten überführen

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Abb. 2.6  Differenzierte Dienstzeiten

Tagesstunden, in denen die Bewohner zur Schule beziehungsweise in die Werkstatt gehen, dienstseitig bewältigt werden. Lange Dienste – also Dienste oberhalb eines Fünftels der vertraglichen wöchentlichen Arbeitszeit – können ebenfalls inhaltlich sinnvoll sein, weil sie eine längere Tageskontinuität ermöglichen und sich hierdurch Übergabezeiten reduzieren lassen. Mit einem Mix aus kurzen und langen Diensten kann die oftmals angestrebte 5-Tage-Woche realisiert werden (siehe hierzu jedoch auch Abschn. 2.5.), ohne „faule“ Kompromisse bezüglich des Besetzungsbedarfs einzugehen (Abb. 2.6), wie auch die beiden Fallbeispiele in diesem Abschnitt zeigen. Eine Vielzahl von Diensten erleichtert es natürlich, den Besetzungsbedarf passgenau abzubilden. Gleichzeitig wird aber auch die Dienstplanung komplexer und unübersichtlicher. Eine Vielzahl von Diensten hat häufig auch den Nachteil, dass unnötige Überlappungs- und zusätzliche Übergabezeiten entstehen. Die dort „verlorene“ Arbeitszeit könnte zu anderen Zeiten produktiver und stärker am Besetzungsbedarf orientiert eingesetzt werden. Dieses Problem lässt sich durch schlanke Dienststrukturen mit wenigen Dienstarten beheben.

2.2.3.2 Schlanke Dienststrukturen für den einfachen Überblick Passgenaue Dienststrukturen müssen nicht immer mit einer Vielzahl von Dienstzeiten einhergehen. Bei jeder neuen Dienstzeit sollte daher zunächst gefragt werden, ob sie tatsächlich sinnvoll ist. Abb. 2.7 zeigt ein typisches Beispiel für eine zu komplexe, ausdifferenzierte Dienststruktur: Auf einer Station wurden bislang inklusive der Schüler- und Bürodienste sechs verschiedene Frühdienste, ein Zwischendienst und zwei Spätdienste eingeteilt. Wenn alle Dienste dienstplanmäßig eingesetzt werden, ergibt sich zwischen 11:00 Uhr und 17:30 Uhr eine Überlappung von bis zu acht Diensten. Es war daher zu prüfen, ob diese Überlappung sinnvoll ist. Da dies nicht der Fall war, wurde die Dienststruktur deutlich verschlankt. Sie weist noch eine – in diesem Fall bedarfsgerechte – Überlappungszeit

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2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

Abb. 2.7  Vereinfachung einer bislang stark ausdifferenzierten Dienststruktur

zwischen 12:00 Uhr und 15:30 Uhr auf. Damit werden mindestens drei Stunden je Tag freigesetzt, die zu anderen Zeiten, wie zum Beispiel im Zwischendienst, passgenauer eingesetzt werden können.

2.2.3.3 Differenzierte Besetzungsprofile – einfache Dienstzeiten Auch mit wenigen Dienstarten lassen sich durchaus differenzierte Besetzungsprofile abdecken – ohne dass es des Einsatzes kurzer Dienste bedarf. Abb. 2.8 zeigt hierfür das Beispiel einer geriatrischen Station. Am frühen Morgen, zur Mittagszeit und am Abend werden drei Mitarbeiter für die Grundpflege und die Essensversorgung benötigt. Dazwischen kann die Besetzung auf zwei Mitarbeiter reduziert werden, ab 20:00 Uhr auf einen Mitarbeiter. Die morgendliche Spitze soll dabei nicht durch einen kurzen Dienst abgefangen werden. Daher hat man sich in diesem Haus dazu entschieden, den Nachtdienst auf zehn Stunden Arbeitszeit zu verlängern. Dieser Mitarbeiter ist bis 09:00 Uhr in der morgendlichen Grundpflege eingebunden und hat damit den ersten Gipfel am Tag abgedeckt. Das Mittagshoch wird durch einen früh beginnenden achtstündigen Spätdienst ab

2.2  Den Besetzungsbedarf in passgenaue Dienstzeiten überführen

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Abb. 2.8  Optimierte Dienststruktur für eine geriatrische Station

11:30 Uhr aufgefangen (zur hier noch vernachlässigten Übergabe von Früh auf Spät siehe Abschn. 2.5). Die Grundpflege am Abend wird auch mit drei Pflegekräften abgebildet, da ab 16:00 Uhr zu den beiden dann schon vorhandenen Spätdiensten ein zusätzlicher Mitarbeiter seinen späten Spätdienst antritt. Dieser übernimmt auch die Übergabe an den Nachtdienst, der ab 22:00 Uhr im Hause ist. Die durchschnittliche Dienstdauer beträgt 7,6 Stunden. Wenn ein Vollzeitmitarbeiter an allen Diensten gleichmäßig teilnimmt, erreicht er bei einer vertraglichen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden fast genau die 5-TageWoche. Es ist also auch möglich, ohne kurze Dienste differenzierte Besetzungsbedarfe abzubilden.

2.2.3.4 Unser Muster-Beispiel für dieses Buch Ein anderes Beispiel für eine Alternative zu den „klassischen“ Dienststrukturen – Früh-, Spät- und Nachtdienst – sind versetzte lange Tagesdienste beziehungsweise Zwischendienste. Sie eröffnen Möglichkeiten für eine übergabearme Dienstorganisation, indem sie Teile des Früh- und Spätdienstes überdecken. Denn Übergabezeiten gerade in der Krankenpflege sind noch immer häufig zu lang und unproduktiv, gleichzeitig gehen trotz vieler

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2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

Besprechungen Informationen verloren. Das hat natürlich auch mit der Gestaltung der Übergaben zu tun, worauf wir in Abschn. 2.5.1 näher eingehen. Wenn nun täglich ein Mitarbeiter einen langen Dienst besetzt, können Übergaben vermieden werden. Ein Mitarbeiter ist dann dienstübergreifend vor Ort und kann so administrative Aufgaben ohne Reibungsverluste zu Ende führen. Der lange Dienst wirkt als personalisierter Kommunikationsträger. Auch außerhalb der eigenen Berufsgruppe sind lange Dienste und die damit einhergehende Informationsbündelung hilfreich: Ärzte beginnen ihren Dienst oft später als Pflegekräfte und sind dafür am Nachmittag länger im Hause als der Frühdienst. Bei „klassischen“ Dienstzeiten liegt also innerhalb des ärztlichen Dienstes ein Schichtwechsel der Pflege, der zu Reibungsverlusten führt. Die Ansprechpartner verändern sich und damit auch das Wissen der Mitarbeiter. Für die Patienten und deren Angehörige fördern lange Tagdienste eine tageskontinuierliche Betreuung. Der Mitarbeiter kann am Nachmittag den zu Besuch kommenden Angehörigen mitteilen, was in der Visite am Vormittag besprochen wurde. Beispielhaft zeigt dieses Prinzip die nachfolgende Dienststruktur aus einem Krankenhaus (Abb. 2.9): • Um den Tag möglichst umfassend abzudecken, sind auf einer Station von Montag bis Freitag jeweils zwei Mitarbeiter in langen Zwischendiensten von 07:30 Uhr bis 18:30 Uhr eingeteilt. Abzüglich einer einstündigen Pause beträgt die Arbeitszeit also zehn Stunden. • Zusätzlich sind am Morgen und am Abend jeweils zwei Mitarbeiter in einem Frühbeziehungsweise Spätdienst eingesetzt. Diese Dienste umfassen jeweils abzüglich der Pause 6,25 Stunden Arbeitszeit. Sie berühren einander nicht. Die Mittagszeit mit geringerem Besetzungsbedarf wird nur durch die Zwischendienste abgedeckt. Hingegen waren in dem Krankenhaus zuvor dort die meisten Pflegekräfte anwesend: Wegen der

Abb. 2.9  Dienststruktur in einem Krankenhaus (Muster-Beispiel)

2.2  Den Besetzungsbedarf in passgenaue Dienstzeiten überführen

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oftmals langen Nachtdienste ergibt sich in vielen Häusern bei circa acht Stunden langen Früh- und Spätdiensten eine häufig nicht ausreichend produktive Überlappung genau in der Mittagszeit. Diese sollte in dem Krankenhaus entsprechend dem geringeren Besetzungsbedarfs ausgedünnt werden. Hätte man nun einfach die Dienstzeiten in Früh- und Spätdiensten verkürzt, wäre der Wochenfaktor deutlich über 5,0 gestiegen – was im Interesse der Mitarbeiter vermieden werden sollte. Mithin musste der Verkürzung der Früh- und Spätdienste auch eine verlängerte Dienstzeit gegenübergestellt werden. • Am Wochenende wird die Besetzung reduziert. Da aber am frühen Morgen und am Abend ebenfalls zwei Mitarbeiter anwesend sein müssen, wird nur ein Zwischendienst eingeteilt. Dafür verlängert sich je ein Früh- und Spätdienst von 6,25 Stunden auf 7 Stunden. • Der Nachtdienst ist an allen Tagen gleich lang und umfasst abzüglich 45 Minuten Pause 9,25 Stunden Arbeitszeit. Aufgrund der langen Zwischendienste sowie der Nachtdienste ergibt sich trotz der recht kurzen Früh- und Spätdienste eine durchschnittliche Dienstdauer von 7,7 Stunden. Bei einer wöchentlichen vertraglichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden für Vollzeitkräfte muss bei einer durchschnittlichen 5-Tage-Woche ein Dienst im Durchschnitt 7,7 Stunden lang sein – was hier exakt gelingt. Je nach Zuordnung der Dienste auf Voll- und Teilzeitmitarbeiter kann sich die Anzahl der Arbeitstage je Mitarbeiter sogar noch weiter reduzieren – dann ergeben sich also mehr freie Tage. Wir haben diese interessante, eher ungewöhnliche Dienststruktur als Muster-Beispiel gewählt, das wir im gesamten Buch immer wieder aufgreifen werden. Das heißt selbstverständlich nicht, dass wir diese Dienststruktur empfehlen. Es hängt ja immer von den konkreten Anforderungen und Gegebenheiten ab, was „passt“. Das Beispiel ist aber gut geeignet, um die verschiedenen Aspekte der Methodik zu veranschaulichen. Die Methodik hat mit dem konkreten Anwendungsbeispiel jedoch nichts zu tun. Sie ist auch bei jeder anderen Dienststruktur analog anwendbar. Die gewählte Dienststruktur hat zusammenfassend im vorliegenden Fall mehrere Vorteile: • Geringer Übergabeaufwand: Durch personenbezogene Übergabe mittels der Zwischendienste reduziert sich der Übergabeaufwand deutlich – bei zugleich verbesserter Übergabequalität: Der Zwischendienst ist für die Spätdienste noch über große Teile seiner Dienstzeit für Nachfragen direkt ansprechbar. Der lange Zwischendienst fungiert als „Transmissionsriemen“ zwischen den Dienstlagen. Es wird Zeit und damit Kapazität für die tatsächliche Versorgung der Patienten gewonnen. • Einfache Vertretung: Die Dienststruktur vereinfacht durch die übergreifenden Zwischendienste die Vertretung von kurzfristigen Ausfällen, wie in Abschn. 5.4.1 näher erläutert wird. • Kurze Wechsel: Da nach einem Zwischendienst bis zum folgenden Frühdienst mehr als zehn Stunden Ruhezeit liegen, sind sogenannte kurze Wechsel möglich, was vielen Mitarbeitern insbesondere am Wochenende wichtig ist. Es ermöglicht zudem, nur

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2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

einzelne Zwischendienste einzuteilen, damit die zehn Stunden langen Dienste nicht „am Block“ erbracht werden müssen. • Individualisierung: Durch die Mischung von kurzen und langen Diensten kann auch eine individualisierte Dienstplanung erfolgen, bei der Teilzeitkräfte mehr kurze, Vollzeitkräfte mehr lange Dienste übernehmen. Es bedarf keiner speziellen „Teilzeitdienste“, so dass die Dienststruktur einfach, einheitlich und schlank gehalten werden kann. • 5-Tage-Woche trotz teilweise kurzer Dienste: Die Anzahl freier Tage spielt bei der Personalakquisition mittlerweile eine große Rolle. Trotz der relativ kurzen Früh- und Spätdienste erreichen in diesem Modell auch Vollzeitkräfte bei Durchlaufen aller Dienste die 5-Tage-Woche.

2.2.3.5 Zwei Fallbeispiele Unsere beiden ersten Fallbeispiele zeigen, wie sich lange Dienste in Pflegeheimen auf Basis des entsprechenden Besetzungsbedarfs passgenau einsetzen lassen. Fallbeispiel 1: Lange Tagdienste zur Abdeckung der Bewohnerbedürfnisse

Clemens Pollmann, Assistent der Regionalleitung, Seniorenhaus GmbH der Cellitinnen zur hl. Maria, Troisdorf Die Ausgangssituation Unsere 19 Seniorenhäuser sind unter dem Dach der Stiftung der Cellitinnen zur heiligen Maria zusammengefasst. Unsere Mitarbeiter wünschen sich mehr Verbindlichkeit und Gerechtigkeit in der Dienstplanung. Daher haben wir uns dazu entschlossen, in zwei Pilot-Häusern durchlaufende Grunddienstpläne einzuführen. Um die Grunddienstpläne sinnvoll umzusetzen, mussten wir uns zunächst kritisch mit unseren bisherigen Dienstzeiten auseinandersetzen. Ein häufiger Kritikpunkt an den Dienstzeiten war, dass ein Mitarbeiter in Vollzeit eine durchschnittliche 5,5-TageWoche erreichte. Unser Ziel war es, durch Einteilen längerer Dienste eine durchschnittliche 5-Tage-Woche für alle Mitarbeiter zu erreichen. Dabei haben wir auch überprüft, ob die Dienstzeiten noch zum Bedarf der Bewohner passen und gut auf die Dienstmodelle der anderen, pflegefremden Präsenz- und Betreuungskräfte abgestimmt sind. Analyse und Anpassung der Dienstzeiten Um die Dienstzeiten bedarfsgerecht für die Bewohner zu gestalten und passgenaue Soll-Besetzungen zu definieren, haben wir die Arbeitsablauforganisation analysiert. Dazu haben wir uns jeden Wohnbereich der Projekthäuser einzeln angeschaut. Jeder Wohnbereich ist bezüglich der Besetzungsanforderungen speziell, zum Beispiel aufgrund der Wohnbereichsgröße oder des Pflegegrad-Mixes der Bewohner. Am Ende der Analyse konnten wir für jeden Wohnbereich genau sagen, wie viele Pflegekräfte mit welcher Qualifikation wann anwesend sein müssen. Diesen Besetzungsbedarf haben wir mit den bestehenden Dienstzeiten abgeglichen und dort

2.2  Den Besetzungsbedarf in passgenaue Dienstzeiten überführen

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Veränderungen an den Dienstzeiten vorgenommen, wo es aufgrund von Abweichungen zwischen dem Soll auf Basis der Analyse und der aktuellen Situation sinnvoll war. Die Dienstzeiten wollten wir für jedes Projekthaus einheitlich halten, für die Wohnbereiche wurden für die Dienste – je nach spezifischen Anforderungen – dann noch adäquate Besetzungsstärken gewählt. Dabei hatten wir auch immer unser Ziel, die Reduzierung des Wochenfaktors, im Blick: Um dieses zu erreichen, braucht man, wie oben bereits erwähnt, in der Tendenz längere Dienstzeiten beziehungsweise eine stärkere Besetzung der längeren Dienste. Abb. 2.10 zeigt die schlussendlich vorgenommenen Veränderungen in den Dienstzeiten für eines der Projekthäuser (ohne Angabe von Besetzungsstärken, da sich diese je nach Wohnbereich unterscheiden). Die drei langen Tagdienste mit zehn Stunden Regelarbeitszeit und einer Stunde Pause wurden zunächst von den Mitarbeitern sehr kritisch beurteilt und als unattraktiv bewertet. In der Ablaufanalyse und im Gespräch mit allen Beteiligten hat sich jedoch herausgestellt, dass die Beibehaltung wenigstens eines solchen Dienstes besonders sinnvoll ist: Durch die lange Präsenzzeit eines Mitarbeiters über den gesamten Tag

Abb. 2.10  Zu Fallbeispiel 1: Veränderte Dienstzeiten

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2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

entsteht weniger Reibungsverlust in der Übergabe. Angehörige, Bewohner und die Kollegen außerhalb der Pflege schätzen zudem, dass ein Ansprechpartner für Organisatorisches den ganzen Tag über erreichbar ist. In der Gesamtschau können wir mit dem Ergebnis zufrieden sein: Unsere Dienstzeiten passen nun noch besser zum Ablauf im Wohnbereich und bieten gleichzeitig einen Vorteil für die Mitarbeiter, denn Vollzeitmitarbeiter erreichen jetzt im Schnitt eine 4,8-Tage-Woche.

Fallbeispiel 2: Dienstzeitenveränderung auf Basis einer Besetzungsbedarfsanalyse

Jakob Hartmann, Caritas Altenheim St. Franziskus Kolbermoor Die Anforderungen ändern sich – dann müssen sich auch Dienstzeiten ändern Das Caritas Altenheim St. Franziskus Kolbermoor gehört zum Caritasverband der Erzdiözese München und Freising, die der Träger vieler unterschiedlicher Einrichtungen ist, darunter neben uns noch einiger weiterer Altenheime. Bei uns leben 110 Bewohner in zwei Wohnbereichen, die mit 63 beziehungsweise 47 Bewohnern unterschiedlich groß sind. Insgesamt sind etwa 35 Vollzeit(äquivalente)-Mitarbeiter in der Pflege beschäftigt. Bis 2015 haben wir in jedem Wohnbereich täglich einen Nachtdienst geplant. Dann hat uns die Heimaufsicht aber zur Auflage gemacht, einen dritten hausweiten Nachtdienst einzuführen, damit nicht mehr als 40 Bewohner von einem anwesenden Nachtdienst betreut werden. Es gab somit Bedarf, die Dienstzeiten anzupassen. Bei dieser Gelegenheit haben wir direkt die weiteren Abläufe im Haus kritisch betrachtet. Längere Präsenzzeiten für eine bessere Bewohnerversorgung Da wir die zusätzliche Nachtdienstbesetzung aus dem vorhandenen Personal stemmen mussten – und bei einem vollen dritten Nachtdienst viel Kapazität im Tagdienst verloren gegangen wäre– konnten wir eine gute Lösung finden, die, so hoffen wir, akzeptiert werden kann: Bis 23:00 Uhr werden beide Wohnbereiche verstärkt, dafür sind ab 23:00 Uhr weiterhin nur zwei Nachtdienste im Haus. Das reicht auf Basis des Arbeitsaufkommens und der Bewohnerbedürfnisse auf jeden Fall aus. Wenn nötig, könnte der Beginn eines Frühdienstes in die Nachtdienstzeiten vorverlegt werden. Damit hatten wir allerdings die Aufgabe, die Tagesstruktur für die Bewohner zu verändern, die es gewohnt waren, spätestens mit Beginn des Nachtdienstes im Bett zu liegen. Wäre das einfach so weitergeführt worden, hätten wir ab 21:00 Uhr zu viel Personalkapazität im Haus, die wir nicht effektiv nutzen könnten. Bislang bekamen die Bewohner – auf ausdrücklichen Wunsch des Heimbeirats – um 14:00 Uhr Kaffee und bereits um 17:00 Uhr Abendessen. Spätestens um 21:00 Uhr waren alle Bewohner im Bett, denn der Nachtdienst sollte ja einen möglichst „fertigen“ Wohnbereich übergeben bekommen. Allerdings entsprechen diese tradierten Essenszeiten nicht den außerhalb des Altenheims üblichen Zeiten, so dass wir uns dazu entschlossen, hier für Entzerrung zu sorgen.

2.2  Den Besetzungsbedarf in passgenaue Dienstzeiten überführen

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Der Kaffee wird nun erst um 15:00 Uhr serviert, auch das Abendessen verschiebt sich um eine Stunde auf 18:00 Uhr. Bis 23:00 Uhr haben wir auf beiden Wohnbereichen zwei Kollegen vor Ort, wovon einer als Nachtdiensthabender bis zum Morgen bleibt. Diese erhöhte Kapazität zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr nutzen wir dazu, einige Bewohner später ins Bett zu bringen. Auch baden wir nun unruhige Bewohner vor dem Schlafengehen, was beruhigend wirkt und dadurch auch den Rest des Nachtdienstes wesentlich entspannt. Dafür mussten wir aber auch die Aufgaben in den einzelnen Diensten umstrukturieren. Der Nachtdiensthabende war es gewohnt, um 21:00 Uhr einen ruhigen Wohnbereich zu übernehmen. Nun ist er in die Abendpflege miteingebunden. Wichtig war auch, dass wir durch die Verschiebung der Mahlzeiten die Schnittstelle zur Küche nicht vergessen durften. Wir haben also zuerst die Dienstzeiten in der Küche so angepasst, dass dort ein späteres Abendessen abgebildet werden kann, um erst im zweiten Schritt die Dienstzeiten in der Pflege zu verändern. Die für uns wichtigste Veränderung war jedoch die Einführung eines langen Tagdienstes von 11:00 Uhr bis 23:00 Uhr, der die Bewohner fast den ganzen Tag hindurch begleitet. Er ist schon vor dem Mittagessen da und bringt abends auch die letzten Bewohner ins Bett. Damit haben wir über den Tag eine große personelle Kontinuität und trotzdem die Möglichkeit, für Spitzenbelastungszeiten insbesondere am Morgen relativ kurze Dienste einzuteilen, weil sich lange und kurze Dienste gut miteinander ausgleichen (vgl. Abb. 2.11). Unsere Erfahrung mit der Umstellung Vor wie nach der Umstellung haben wir sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den Bewohnern und ihren Angehörigen eine Befragung zu den Dienstzeiten durchgeführt. Dabei sollten sie jeweils auf einer Skala von eins bis zehn einschätzen, wie gut die Dienstzeiten sind, wobei eins die schlechteste und zehn die beste Bewertung war.

Abb. 2.11  Zu Fallbeispiel 2: Optimierte Dienststruktur

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2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

Bei den Mitarbeitern hat sich das Ergebnis stärker auf einen kleinen Raum der Skala konzentriert, der Durchschnitt hat die Dienstzeiten nach der Veränderung geringfügig besser eingeschätzt als zuvor. Eine wesentlich größere Veränderung haben wir in der Befragung der Bewohner und Angehörigen feststellen können: Ergab sie mit den alten Dienstzeiten und den frühen Essenszeiten einen Durchschnitt von 5,4, so erhielten wir nach der Umstellung eine durchschnittliche Bewertung von 7,25 für die Dienstzeiten. Für uns ist das ein klares Signal, dass wir den richtigen Weg gegangen sind und die Bewohner von der kontinuierlichen Betreuung über den Tag mit dem langen Tagdienst und die längere abendliche Abdeckung profitieren.

2.2.3.6 „Exotische“ Dienstzeiten 1: Dienstmodule Bei Dienstmodulen wird der Besetzungsbedarf nicht durch feststehende Dienstzeiten abgebildet. An ihre Stelle treten Module. Das sind Zeitfenster von zwei, drei oder vier Stunden Dauer. Nun wird festgelegt, wie viele Module jeden Tag besetzt werden müssen. Die Mitarbeiter können sich ihre Dienstzeiten nun dadurch „zusammenbasteln“, dass sie je nach Vertragsarbeitszeit und Interesse pro Tag mehrere Module am Stück abdecken – bei vierstündigen Modulen zum Beispiel ein oder zwei. Einzige Bedingung der individuellen Zusammenstellung der Dienstmodule durch die Mitarbeiter ist es, dass der Besetzungsbedarf hierdurch zu allen Zeiten abgedeckt ist. So lassen sich beispielsweise vierstündige Module festlegen, die in jedweder erdenklichen Form kombiniert werden können (natürlich immer unter Einhaltung gesetzlicher und tarifvertraglicher Vorschriften). Möglicherweise werden einige Standardkombinationen vorgegeben, von denen die Mitarbeiter nach Absprache untereinander und mit der Führungskraft aber abweichen können, sofern der Besetzungsbedarf weiterhin abgedeckt wird. Ein Beispiel hierfür zeigt Abb. 2.12. 2.2.3.7 „Exotische“ Dienstzeiten 2: Geteilte Dienste Geteilte Dienste – also Dienste mit größerer Arbeitsunterbrechung als üblicherweise durch Pausenzeiten –finden in der Regel wenig Fürsprecher. Es gibt sie daher in der Praxis nur noch vereinzelt. Sie kommen theoretisch infrage, um planbare Spitzen am Vor- und Nachmittag mit zwischenzeitlichem „Mittagsloch“ abzudecken. Dies ist eine Besetzungskurve, die beispielsweise bei der Betreuung von behinderten Menschen oder bei Einrichtungen zur Kinderbetreuung anzutreffen ist, wenn die Bewohner tagsüber arbeiten beziehungsweise zur Schule gehen. Ergibt sich eine solche „Kamel-Kurve“, wird man üblicherweise versuchen, entweder durch verschiebbare Tätigkeiten das Mittagsloch zu schließen oder das Besetzungsprofil durch eine Auffächerung der Dienstdauern – kurze Dienste, um die Spitze passgenau abzudecken, lange Dienste für die Grundbesetzung – abzubilden. Grundsätzlich sind geteilte Dienste rechtlich zulässig. Es besteht kein arbeitszeitgesetzliches Verbot des geteilten Dienstes. Die Unterbrechung zwischen zwei Dienstabschnitten kann als Pause gemäß § 4 Arbeitszeitgesetz herangezogen werden. Bei der

2.2  Den Besetzungsbedarf in passgenaue Dienstzeiten überführen

61

Abb. 2.12  Modulare Dienstzeiten

Ausübung des Arbeitgeber-Direktionsrechts in Form der Zuweisung geteilter Dienste sind gegebenenfalls die Grenzen billigen Ermessens zu berücksichtigen (zum Beispiel die Prüfung anderer Dienstgestaltungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer, denen durch geteilte Dienste persönliche Pflichten bei der Kinder- oder Pflegefallbetreuung erschwert werden, besondere Rücksichtnahme auf Schwerbehinderte und andere). Und selbstverständlich sind auch diese Dienste wie alle anderen Dienstarten ebenfalls mitbestimmungspflichtig.

Zusammenfassung 

Dienstzeiten müssen immer zum patienten- und bewohnerorientierten Besetzungsbedarf passen. Auch arbeitszeitgesetzliche und tarifvertragliche Vorgaben sind zu beachten. Grundsätzlich lassen sich zwei Dienstzeiten-Grundstrukturen unterscheiden: • Differenzierte Dienststrukturen: Mit einer Kombination aus kurzen und langen Diensten lassen sich komplexe Besetzungsbedarfe wie eine „Kamelkurve“ abbilden. • Schlanke Dienststrukturen: Die Auswahl an Dienstzeiten wird reduziert, um den Überblick nicht zu verlieren – aber auch hier steht der Besetzungsbedarf im Fokus. Der Einsatz von übergreifenden langen Tagdiensten hilft in beiden Grundstrukturen, Informationsverluste zu reduzieren und – sofern dies das Ziel ist – trotz ausdifferenzierter Besetzungsbedarfe eine durchschnittliche 5-Tage-Woche für die Mitarbeiter zu erreichen.

62

2.3

2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

Die Soll-Besetzungsstärke: Die wichtigste Planungsgrundlage

2.3.1 Die Soll-Besetzungsstärke als Grundlage zur Ermittlung des arbeitsplatzbezogenen Personalbedarfs Ist der patienten- beziehungsweise bewohnerbezogene Besetzungsbedarf bekannt und wurden passgenaue Dienstzeiten abgeleitet, muss im nächsten Schritt die Soll-Besetzungsstärke definiert werden. Die Soll-Besetzung(sstärke) bestimmt, wie viele Mitarbeiter täglich in den einzelnen Diensten (durchschnittlich) anwesend sein müssen. Für die Dienstplanerstellung ist die Soll-Besetzungsstärke die wichtigste Grundlage. Schließlich wird nur durch die Einhaltung der Soll-Besetzungsstärke sichergestellt, dass der zuvor definierte Besetzungsbedarf tatsächlich abgedeckt ist. Als Soll-Besetzung(-sstärke) wird die Besetzung je Dienstlage bezeichnet, die standardmäßig weder unter- noch überschritten werden darf. Aus Vereinfachungsgründen gehen wir zunächst nur davon aus, dass es keine bedarfsabhängigen Schwankungen der Besetzungsstärke gibt.

2.3.1.1 Stabilität der Soll-Besetzung Abweichungen in die eine wie in die andere Richtung führen zu einem Pendeln um die Besetzungsstärke – und damit zu schwankenden Betreuungsquoten und Arbeitsdichten. Letzteres ist die wesentliche Ursache arbeitszeitlich bedingter potenzieller Belastungen der Mitarbeiter. Eine gleichmäßige zeitliche Arbeitsbelastung der Mitarbeiter und eine kontinuierliche Versorgungsqualität für die Patienten und Bewohner sind zwei der wichtigsten Anforderungen an gute Dienstpläne (Abschn. 1.4). Unterschreitungen der Soll-Besetzung im Dienstplan, ohne dass sinkender Arbeitsanfall dies zulässt, gefährden diese Ziele ebenso wie Überbesetzungen: • Erstens sind Überschreitungen der Soll-Besetzung ja um den Preis erkauft, zu anderen Zeiten zu Unterschreitungen der Soll-Besetzung zu führen. • Zweitens gefährden Überschreitungen der Soll-Besetzung zusätzlich den wirtschaftlichen Personaleinsatz. Denn Überbesetzungen, die zu anderen Zeiten nicht ausgeglichen werden können, führen zu auflaufenden Zeitguthaben oder zu Überstunden. • Und drittens suggerieren Überschreitungen der Soll-Besetzung den Mitarbeitern Betreuungsquoten, die nicht realistisch sind. Das löst jedoch die Erwartung aus, erst mit ihrem Erreichen wäre eine adäquate Besetzung erreicht. Stehen solche Erwartungen einer nicht erfüllbaren Realität gegenüber, ist dies eine der größten Quellen für Unzufriedenheit der Mitarbeiter.

2.3.1.2 Keine Mindestbesetzung Soll-Besetzungen sind den vielfach verbreiteten Mindestbesetzungen vorzuziehen. Diese kann es allenfalls zusätzlich zur Soll-Besetzung für den Fall geben, dass eine Soll-Besetzung bei reduziertem Arbeitsaufkommen unterschritten werden können soll, jedoch nicht unter einen bestimmten Mindestwert. Liegt dieser Mindestwert jedoch bei eins (ein Mitarbeiter pro Dienstlage rund um die Uhr), so ist auch dieser verzichtbar – zumal dann,

2.3  Die Soll-Besetzungsstärke: Die wichtigste Planungsgrundlage

63

wenn Arbeitsbereiche bei fehlendem Bedarf auch zeitweilig geschlossen werden können, etwa eine Station mit geringer Auslastung am Wochenende.

2.3.1.3 Netto-Anwesende Die Soll-Besetzungsstärke zeigt an, wie viele Arbeitsplätze an welchen Tagen und zu welchen Zeiten besetzt werden müssen. „Arbeitsplätze“ meint hier nicht gegenständliche Arbeitsplätze, sondern „Netto-Anwesende“. „Arbeitsplätze“ bezeichnet also die Anzahl der Mitarbeiter, die ohne Berücksichtigung der Ausfallzeiten in einem bestimmten „Betriebsdienst“ an einem bestimmten Wochentag (z. B. Spätdienst am Samstag) im betreffenden Dienst eingeteilt sein müssen. Dabei ist festzulegen, ob und inwieweit auch nicht examinierte, aber die Pflege unterstützende Mitarbeiter wie Medizinische Fachangestellte oder Hauswirtschaftskräfte berücksichtigt werden sollen. Beispielsweise kann eine Hauswirtschaftskraft morgens das Frühstück austeilen und in einigen Fällen auch anreichen, so dass sich die Pflegekräfte auf die Grundpflege oder die Begleitung der Visite konzentrieren können. Darüber hinaus ist festzulegen, ob und inwieweit Schüler, Azubis und Praktikanten in die Soll-Besetzung hineingerechnet werden sollen; dies sehen wir uns in Abschn. 3.8 näher an. 2.3.1.4 Überblick: Ableitung der Soll-Besetzungsplanung aus Besetzungsbedarf und Stellenplanung Der Besetzungsbedarf ist bereits schrittweise transformiert worden: Zuerst wurden ihm Dienstzeiten zugeordnet. Dabei flossen verschiedene Rahmenbedingungen ein, die die „reine Lehre“ des Besetzungsbedarfs auf einen praktikablen Pfad lenken: sinnvolle Dienstdauern, gewünschte Wochenfaktoren und eine übersichtliche Zahl von Dienstzeiten. Nun steht ein weiterer Schritt an: Die Prüfung, welche Soll-Besetzung mit dem Stellenplan auf der Basis der festgelegten Dienstzeiten möglich ist. Denn die „verfügbare Personalkapazität“ stellt den Rahmen für die Besetzungsspielräume dar. Für die Berechnung der stellenplankompatiblen Soll-Besetzung wird die sogenannte Arbeitszeitmethode – auch Arbeitsplatzmethode genannt – angewandt. Um sie nutzen zu können, werden folgende „Zutaten“ benötigt. • Arbeitszeitbedarf: Zunächst wird der Arbeitszeitbedarf ermittelt. Er ergibt sich aus der Multiplikation der Dienstdauern (Zeit) mit den Soll-Besetzungsstärken (Menge) (Abschn. 2.3.2). • Arbeitszeitangebot: Um den Personalbedarf abzuleiten, muss danach das Arbeitszeitangebot ermittelt werden. Es wird festgestellt, indem von der Brutto-Arbeitszeit der Mitarbeiter (in Vollzeitkräften [VK] gerechnet) – das ist die Arbeitszeit vor Berücksichtigung der Ausfallzeiten – die anfallenden Ausfallzeiten abgezogen werden, in denen die Mitarbeiter für die Abdeckung der Soll-Besetzung nicht zur Verfügung stehen (Abschn. 2.3.3). • Personalbedarf: Teilt man nun den Arbeitszeitbedarf durch das Arbeitszeitangebot, ergibt sich der arbeitszeitmethodische Personalbedarf. Er kann dann mit der verfügbaren Personalkapazität – also dem Stellenplan – abgeglichen werden (Abschn. 2.3.4).

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2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

2.3.2 Den Arbeitszeitbedarf aus der Soll-Besetzungsstärke ableiten An dieser Stelle lohnt es sich, einen Blick auf den Stellenplan zu werfen. Die oberste Frage ist: Lässt sich die angestrebte Soll-Besetzungsstärke mit der verfügbaren Personalkapazität realisieren? Wir wollen dies an unserem Muster-Beispiel (Abb. 2.9) durchspielen.

2.3.2.1 Berechnung auf Basis eines Kalenderjahres Es sollte von vornherein auf Jahresbasis gerechnet werden. Bei der Jahresbetrachtung werden – anders als bei Berechnungen auf Wochenbasis – auch die Feiertage berücksichtigt, wodurch sich die benötigte Arbeitszeit verändern kann, je nachdem, auf welche Wochentage diese fallen, weil an Feiertagen in der Regel die Wochenendbesetzung angesetzt wird und meist (aufgrund tarifvertraglicher Regelungen) ein Vorwegabzug der SollArbeitszeit vorgesehen ist. Ebenso ist es bei einer jahresbezogenen Betrachtung möglich, planbare saisonale Schwankungen der Soll-Besetzung abzubilden. In einer Kinderklinik kann zum Beispiel in der kalten Jahreszeit ein zusätzlicher Früh- und Spätdienst eingeteilt werden, wenn dies dem erfahrungsgemäßen Verlauf der Schwankungen des Besetzungsbedarfs entspricht. 2.3.2.2 Verwendung des Berechnungstools Für die exakte Berechnung des arbeitsplatzbezogenen Personalbedarfs kann eine einfache Arbeitshilfe – Tool B – genutzt werden. ▶▶

Tool B – Arbeitszeitmethode

Zunächst muss die Anzahl der Wochentage für das betreffende Bundesland hinterlegt werden. Für Berlin sind es zum Beispiel im Jahr 2018 die in Abb. 2.13 dargestellten Tage. Diese Voreinstellung wird im Tabellenblatt „Grunddaten“ vorgenommen und für alle (bis zu zehn) Bereiche übernommen. Hier kann auch der Name der Einrichtung oder des Arbeitsbereichs für die bessere Übersichtlichkeit hinterlegt werden.

Abb. 2.13  Tool B (Auszug) – Wochentage (Tool mit Springer Nature More Media App ansehen)

2.3  Die Soll-Besetzungsstärke: Die wichtigste Planungsgrundlage

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Nun kann in den Tabellenblättern „Bereich I“ bis „Bereich X“ die Soll-Besetzung für bis zu zehn Bereiche oder Stationen hinterlegt werden. Der Bereichsname kann natürlich verändert werden, zum Beispiel zur Stations- oder Wohnbereichsbezeichnung. Die blauen Felder sind jeweils beschreibbar, in den grauen Feldern werden automatische Berechnungen durchgeführt. Dies gilt für alle in diesem Buch vorgestellten Tools einheitlich. Unter „Kürzel“ werden nun die Dienstkürzel hinterlegt, danach, wann die Dienste beginnen und enden und welche Dienstdauern in Stunden (abzüglich der Pausenzeiten!) sich daraus ergeben. Dann wird eingetragen, wie viele Dienste getrennt nach den einzelnen Wochentagen, den Vorfesttagen (24. und 31. Dezember) und den Feiertagen laut SollBesetzung zu besetzen sind. Wenn all diese Einstellungen vorgenommen wurden, errechnet das Tool automatisch die je Dienst jährlich benötigte Arbeitszeit. In unserem Muster-Beispiel ergibt sich Folgendes: Für die Besetzung der Frühdienste werden, wie in Abb. 2.14 zu sehen, etwa 3844 Stunden benötigt. In Summe über alle Dienste werden jährlich circa 18.825 Stunden benötigt.

2.3.3 Das Arbeitszeitangebot korrekt ermitteln Das Arbeitszeitangebot stellt dar, wie viele Stunden pro Jahr durchschnittlich von einer Vollzeitkraft (VK) zur Verfügung gestellt werden. Hierfür kommt es auf die Ausfallzeiten an. Beim Arbeitszeitangebot unterscheidet man dafür zwischen dem Brutto-Arbeitszeitangebot und dem Netto-Arbeitszeitangebot.

2.3.3.1 Brutto-Arbeitszeitangebot Das Brutto-Arbeitszeitangebot „tut so“, als gäbe es keine Ausfallzeiten. Dann würden sich im Jahr 2018 insgesamt 261 Arbeitstage ergeben, geht man von einem Wochenfaktor von

Abb. 2.14  Tool B (Auszug) – Besetzungsbedarf „Bereich I“ ohne Personalbedarf

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2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

5,0 ohne Berücksichtigung der Feiertage aus. Der tatsächlich beabsichtigte Wochenfaktor ist für diese Betrachtung allerdings ohne Belang, da auch die Ausfallzeiten im Tool auf Basis der 5-Tage-Woche kalkuliert werden. Würde man eine 5,5-Tage-Woche unterstellen, wären auch die Ausfallzeiten entsprechend umzurechnen – die Ausfallquote bliebe die gleiche. Wenn die durchschnittliche vertragliche Arbeitszeit pro Woche 38,5 Stunden beträgt, sind je Wochentag – wieder auf die 5-Tage-Woche gerechnet – also 7,7 Stunden zu arbeiten. Für eine Vollzeitkraft ergibt sich damit folgendes Brutto-Arbeitszeitangebot:  7, 7 Stunden durchschnittliche tagliche vertragliche Arbeitszeit ×261 Tage Montag bis Freitag in 2018 = 2.009, 7 Stunden „Netto“ − Arbeitszeitangebot je VK

2.3.3.2 Netto-Arbeitszeitangebot Für die Berücksichtigung der Ausfallzeiten muss das Netto-Arbeitszeitangebot je VK errechnet werden. Es sind in der Regel folgende Arten von Ausfallzeiten zu berücksichtigen: • Freizeitausgleiche für Feiertage und Vorfesttage: In den meisten Tarifverträgen oder Arbeitsvertragsrichtlinien für Krankenhäuser und stationäre Pflegeeinrichtungen ist geregelt, dass für diese Tage ein Vorwegabzug der Sollarbeitszeit erfolgt. • Urlaub: Hier ist der (tarif-)vertragliche Urlaub anzusetzen, zum Beispiel bezogen auf die 5-Tage-Woche 30 Tage. Unterscheidet sich der Urlaubsanspruch – etwa altersgestaffelt –, so muss dieser, entsprechend gewichtet, in die Berechnung einfließen. Etwaige geringere Urlaubstageansprüche aufgrund eines von der 5-Tage-Woche abweichenden Wochenfaktors – etwa bei Teilzeitmitarbeitern – bleiben hingegen außen vor, da ja die Berechnung auf Vollzeitkräfte und 5-Tage-Woche normiert ist. • Zusatzurlaube für Schicht- oder Wechselschicht: Auch hier enthalten die einschlägigen Tarifverträge meist entsprechende Bestimmungen. Es kann – wenn das Dienstmodell nicht komplett neu aufgesetzt wird – anhand der Vergangenheit geschaut werden, wie hoch der durchschnittliche Zusatzurlaubsanspruch bisher war. Nicht immer erreichen sämtliche Mitarbeiter in jedem Einzelmonat des Jahres die entsprechende Anspruchsgrundlage. Wird ein ganz neues Dienstmodell entworfen, sollte man eine kurze Simulation vornehmen, welchen Anspruch die Mitarbeiter bei durchschnittlicher Einteilung über alle Dienstlagen und Dienstarten erwerben werden. • Fortbildung: Hier sollte die durchschnittliche Zahl ganztägiger Fortbildungen pro Mitarbeiter angesetzt werden – am einfachsten wieder durch Auswertung der tatsächlichen Höhe in der Vergangenheit. Die genauen Daten können zum Beispiel entweder direkt dem Personaleinsatzplanungsprogramm entnommen werden oder aber bei der Personalabteilung abgefragt werden. Weicht die Zahl der Fortbildungstage zwischen

2.3  Die Soll-Besetzungsstärke: Die wichtigste Planungsgrundlage

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den Bereichen stark ab, wäre in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob etwaige Einmaleffekte – einzelne Mitarbeiter besuchten zum Beispiel eine mehrtätige oder mehrwöchige Fortbildung – in die Statistik eingeflossen und dann entsprechend herauszurechnen sind. Um solche Einmaleffekte zu glätten, ist es sinnvoll, die Fortbildungstage nicht je Station/Arbeitsbereich festzulegen, sondern die Fortbildungstage hausdurchschnittlich für die Berufsgruppe der Pflege heranzuziehen. Zudem sollten umfangreichere Fortbildungen wie Fachweiterbildungen, duale Studien und anderes nicht eingerechnet werden, weil für diese Anlässe ohnehin eine gesonderte Vertretung organisiert und im Stellenplan entsprechend berücksichtigt werden sollte. • Krank und „Kind krank“: In die Krankheitsquote – inklusive „Kind krank“ – fließen nur die innerhalb der Entgeltfortzahlungsfrist anfallenden Krankheitstage ein. Krankheitstage außerhalb der Entgeltfortzahlungen werden ja refinanziert. Für sie sollten und können gesonderte Vertretungen organisiert werden. Ebenso verhält es sich mit Beschäftigungsverboten bei Schwangerschaft. Bei Krankheit ist in jedem Fall die hausweite Quote der Berufsgruppe der Pflege zugrunde zu legen, keine stations-/bereichsweisen Quoten. Letztere können Einmaleffekte enthalten, die umso stärker durchschlagen, je kleiner die betrachtete Einheit ist. Zudem würde eine Organisationseinheit, in der im Vorjahr eine hohe Krankheitsquote auftrat, ihre Arbeitszeit bei stringenter Dienstplanung entlang der Soll-Besetzung im Planungsjahr nur erreichen, wenn die Krankheitsquote wieder so hoch ausfällt wie im Vorjahr. Dieses Phänomen wird „SollKrankenstand“ genannt; siehe dazu auch Abschn. 5.1.5. Aus demselben Grund gibt es eine weitere Besonderheit bei der Berücksichtigung der Krankheit: Sie darf nur in der Höhe in die Berechnung einfließen, in der sie auch vertreten werden soll. Schließlich wird bei der Stellenplanung ja nicht die Krankheit, sondern deren Vertretung berücksichtigt, die benötigt wird, um die Soll-Besetzung sicherzustellen. Hierfür sind drei Konstellationen möglich: – Keine Krankheitsquote einplanen: Dies betrifft Organisationseinheiten, in denen eine interne Vertretung kurzfristiger Ausfallzeiten organisatorisch gar nicht möglich ist (Kap. 5). Dies ist zum einen in personell kleinzahligen Bereichen der Fall (die aus ungefähr bis zu sieben Mitarbeitern bestehen). Oder es trifft zu in Bereichen, die nur von Montag bis Freitag besetzt sind und überwiegend mit an jedem dieser Arbeitstage eingeteilten Mitarbeitern arbeiten – außer bei Teilzeitmitarbeitern, die ihre Dienstzeiten im Vertretungsfall verlängern können. Die Berücksichtigung nicht planbarer Abwesenheitszeiten bei der Personalbedarfsberechnung würde den Personalbedarf erhöhen, ohne die Vertretung dieser Ausfallzeiten organisatorisch zu erleichtern. Eine Berücksichtigung der Krankheitsquote würde hier mangels Vertretbarkeit allenfalls das Risiko mindern, den Unterbesetzungszeitraum bei Krankheit durch Inkaufnahme von Zeiten der Überbesetzung zu verringern – mit äußerst geringer Chance, die tägliche Idealbesetzung sicherzustellen. – Tatsächliche Krankheitsquote berücksichtigen: Dieser Normalfall wird immer dann angewandt, wenn eine Vertretung auch realisierbar ist und sich der Krankenstand in der Größenordnung von circa 5 Prozent bewegt; siehe Abschn. 5.1.5.

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2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

– Kappung des Krankenstandes auf den Normalwert: Überdurchschnittlich hohe Krankenstände erfordern entsprechende Maßnahmen jenseits der Personaleinsatzplanung. Sie sollten daher zur Vermeidung von „Soll-Krankenständen“ bei der arbeitsplatzbezogenen Berechnung gedeckelt werden; siehe dazu auch Abschn. 5.1.5.

2.3.3.3 Verwendung des Berechnungstools Wenn all diese Ausfallzeiten korrekt ermittelt wurden, können die netto zur Verfügung stehenden Arbeitstage je Mitarbeiter berechnet werden. Multipliziert mit der durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft bei 5-Tage-Woche ergibt sich das durchschnittliche Netto-Arbeitszeitangebot. Ein Beispiel auf Basis üblicher Ausfallzeiten zeigt Abb. 2.15. Dies ist ein Auszug aus dem Tabellenblatt „Grunddaten“ des Tools B. 2.3.3.4 Typische Fehler bei der Ausfallzeitenberechnung: Zu geringe Ausfallquote Bei der Berechnung des Arbeitszeitangebots und der anschließenden Ableitung des Personalbedarfs werden erstaunlich häufig zwei Fehler begangen: Zum einen wird das Netto-Arbeitszeitangebot falsch hoch ausgewiesen, die Ausfallzeiten also zu niedrig. Zum anderen wird nicht berücksichtigt, dass die für die Ausfallzeitenvertretung benötigten Mitarbeiter selbst wiederum Ausfallzeiten haben. Schauen wir uns zunächst den ersten Fehler an. Allein durch tarifliche Vorgaben (Feiertagsfreizeitausgleich, Urlaub, Zusatzurlaub und so weiter) und die externen Fortbildungen ergibt sich im Durchschnitt ein Ausfall von mindestens 18 Prozent der Brutto-Arbeitszeit. Insbesondere der Vorwegabzug der Sollarbeitszeit an den Feiertagen wird bei der Berechnung häufig „vergessen“. Da aber die Sollarbeitszeit für die Mitarbeiter um die Feiertage gekürzt wird, wirken diese wie eine Ausfallzeit. Der Mitarbeiter steht an weniger Tagen für die Einteilung im Dienstplan zur Verfügung. In Bundesländern mit mehr Feiertagen als dem im obigen Beispiel gewählten Berlin erhöht sich also entsprechend die Quote für planbare Ausfallzeiten auf mehr als 18 Prozent – in Bayern sind es

Abb. 2.15  Tool B (Auszug) – Durchschnittliches Arbeitszeitangebot

2.3  Die Soll-Besetzungsstärke: Die wichtigste Planungsgrundlage

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zum Beispiel im Jahre 2018 inklusive des auf einen Samstag fallenden Dreikönigstags 13 Feiertage, also vier mehr als in Berlin. Damit erhöht sich die Quote nochmals auf circa 19,5 Prozent – wohlgemerkt noch ohne Krankheitsvertretung. In nicht wenigen Häusern und Einrichtungen wird nun aber vorgabegemäß generell mit einer Gesamt-Ausfallquote von 18 Prozent gerechnet. An Abb. 2.15 zeigt sich, dass dies meist nicht realistisch ist. In diesem Beispiel beläuft sich der Gesamtausfall somit auf circa 23,5 Prozent, wie wir in Abb. 2.16 darstellen. Dies ist kein außergewöhnlich hoher Wert. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass zur Einteilung im Dienstplan nur noch etwa 76,5 Prozent des Brutto-Arbeitszeitangebots zur Verfügung stehen. Den zweiten Fehler – die falsche Berechnung der Ausfallquote – beleuchten wir im nächsten Abschnitt.

2.3.4 Den arbeitsplatzbezogenen Personalbedarf aus Arbeitszeitbedarf und Arbeitszeitangebot ableiten Der aus der Soll-Besetzungsstärke abgeleitete jährliche Arbeitszeitbedarf in Stunden wurde in Abschn. 2.3.2. berechnet. Er liegt für unser Muster-Beispiel aus Abb. 2.9 bei etwa 18.825 Stunden pro Jahr. Das Arbeitszeitangebot beträgt ohne die Berücksichtigung von Ausfällen, also „brutto“, 2009,7 Stunden je Vollzeitkraft und Jahr. Wenn nun die Ausfallzeiten zunächst nicht berücksichtigt werden, berechnet sich der Personalbedarf wie folgt:

Abb. 2.16  Prozentuale Aufteilung des Arbeitszeitangebots

70

2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

 18.825 Stunden jahrlicher Arbeitszeitbedarf = 9, 4 VK 2009, 7 Stunden jahrliches Arbeitszeitangebot je VK und Jahr Insgesamt werden also circa 9,4 Vollzeitkräfte benötigt. Dies ist der Netto-Personalbedarf, das heißt: der Personalbedarf, welcher zur Abdeckung des Arbeitszeitbedarfs benötigt wird, ohne Berücksichtigung von Ausfallzeiten. Nun müssen noch die Ausfallzeiten berücksichtigt werden. Hier kommt es in der Praxis mitunter zu einem Berechnungsfehler: Selbst wenn die Ausfallzeiten und damit das Arbeitszeitangebot korrekt berechnet wurden (Abschn. 2.3.3), wird an dieser Stelle vergessen, dass für die vorzuhaltenden Vollkräfte für die Vertretung der Ausfallzeiten ebenso Ausfallzeiten zu berücksichtigen sind. Das zeigt sich in Abb. 2.17 deutlich. Bei dem oben ermittelten „Netto“-Personalbedarf von 9,4 VK und einer Ausfall- oder Abwesenheitsquote von 23,5 Prozent wird nun häufig der Brutto-Personalbedarf berechnet, indem der Netto-Personalbedarf von 9,4 VK mit der Abwesenheitsquote zuzüglich 100 Prozent multipliziert wird. Das ergäbe einen Personalbedarf von (9,4 VK + (100 Prozent + 23,5 Prozent)/100) = 11,6 VK. Das Ergebnis ist aber falsch niedrig!

Abb. 2.17  Korrekte Berechnung des Personalbedarfs

2.3  Die Soll-Besetzungsstärke: Die wichtigste Planungsgrundlage

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Korrekt ist es, den Netto-Personalbedarf durch die Anwesenheitsquote zu teilen, in diesem Fall also durch 76,5 Prozent. Dann ergibt sich der korrekte Personalbedarf von (9,4 VK/ (100 Prozent – 23,5 Prozent)/100) = 12,2 VK. Auf Basis der falschen Berechnung wird der Personalbedarf also in diesem Beispiel um 0,6 VK niedriger ausgewiesen, als er tatsächlich ist.

2.3.4.1 Verwendung des Berechnungstools In Tool B wird dieser Fehler natürlich nicht gemacht. Teilt man den Arbeitszeitbedarf durch das Netto-Arbeitszeitangebot, ergibt sich folgendes Ergebnis:  18.825 Studen jahrlicher Arbeitszeitbedarf = 12, 2 VK  liches Netto − Arbeitszeitangebot jeVK und Jahr 1540 Stunden jahr Abb. 2.18 zeigt dieses Ergebnis für das Muster-Beispiel an. In dem beispielhaften Tabellenblatt wird zudem der Stellenbedarf für die Vertretung planbarer Ausfallzeiten sowie für die Vertretung von Krankheit gesondert ausgewiesen. Diese Werte werden später bei der Dienstplanung (Kap. 3) und beim Ausfallzeitenmanagement (Kap. 5) nützlich werden. Um sie zu ermitteln, wird der Brutto-Personalbedarf mit der jeweiligen Ausfallquote multipliziert. Für die Vertretung von Krankheit errechnet sich dies beispielhaft wie folgt: 14 Tage Krankheit 261 Tage Montag bis Freitag  Krankheit = 0, 7 VK Stellenbedarf fur

12, 2 VK Gesamt − Stellenbedarf ×

Um zuletzt darzustellen, ob die angestrebte Besetzungsstärke tatsächlich abgedeckt werden kann, lässt sich ebenfalls der aktuelle Stellenplan eintragen. Zuletzt wird dann die Differenz von Ist (aktueller Stellenplan) zu Soll (Stellenbedarf Gesamt auf Basis der Soll-Besetzung) ausgewiesen.

Abb. 2.18  Tool B (Auszug) – Ergebnis der Personalbedarfsberechnung

72

2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

2.3.4.2 Abgleich zwischen errechnetem und tatsächlichem Stellenplan Beim Abgleich mit dem aktuellen Stellenplan kann es nötig sein, die Soll-Besetzung und damit auch den Besetzungsbedarf nochmals zu hinterfragen. Liegt der ermittelte BruttoPersonalbedarf oberhalb des Stellenplans, lässt sich die angestrebte Soll-Besetzung nicht mit dem vorhandenen Personal realisieren. Das kann zwei Ursachen haben: • Zu hohe Besetzung: Der Besetzungsbedarf wurde zu hoch, die Dienstzeiten zu lang und/oder die Besetzungsstärke zu hoch kalkuliert. Gelingt es nun nicht, zusätzliche Stellenfreigaben zur Abdeckung des zu hohen Arbeitszeitbedarfs zu erhalten, dann müssen ein oder mehrere der oben genannten Parameter reduziert werden. • Zu geringe Ausfallzeitenanrechnung: Die Ausfallzeiten waren bislang unrealistisch niedrig ausgewiesen worden. Dann muss die Soll-Besetzung angepasst werden, auch wenn sich an den anderen Parametern gegenüber der bisherigen Handhabung nichts ändert. Das bisherige Dienstplanverfahren unterlag dann einer „Besetzungsillusion“. Das bedeutet, man rechnete sich die Soll-Besetzung „schön“ – in Wahrheit war sie aber durchschnittlich geringer. Denn die Ausfallzeiten traten natürlich auch dann ein, wenn die Ausfallquote falsch niedrig berechnet wurde. Da die Reserve zu klein war, schmälerten sie an einigen Tagen die Soll-Besetzung. Oder diese wurde dennoch einfach trotzdem im Dienstplan verplant – dann entstanden Zeitguthaben beziehungsweise Überstunden. Es hilft nichts: Die Besetzung muss zum Stellenplan passen. Unrealistisch hohe Soll-Besetzungen führen bei allen Beteiligten zu Frustrationen: Die Mitarbeiter orientieren sich an diesen nur selten erreichbaren Besetzungsstärken – und fühlen sich unterbesetzt und überlastet, weil sie der vorgegebenen Besetzung ständig „hinterherlaufen“ müssen. Die Dienstplaner sind frustriert, weil sie die angestrebten Soll-Besetzungen nur selten in der Planung erreichen – oder die Zeitsalden bereits ansteigen, ohne dass etwas Außerplanmäßiges passiert wäre. Und die Pflegedienstleitung wundert sich, warum ihre Qualitäts- und/ oder Budget-Vorgaben nicht eingehalten werden.

2.3.4.3 Fallbeispiel Wie die realistische Definition der Soll-Besetzung in der Diakonie Himmelsthür erfolgt, zeigt das nächste Fallbeispiel. Fallbeispiel 3: Erstellung realistischer Soll-Besetzungen

Carsten Wirges, Regionalgeschäftsführer Region Hildesheim, Diakonie Himmelsthür, Hildesheim Realistische Soll-Besetzungen als Voraussetzung für eine gute Personaleinsatzplanung Die Region Hildesheim der Diakonie Himmelsthür bietet schwerpunktmäßig Wohnangebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit unterschiedlichem Assistenzbedarf sowie Tagesförderung für Erwachsene an. In allen Bereichen ist es uns wichtig,

2.3  Die Soll-Besetzungsstärke: Die wichtigste Planungsgrundlage

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den Bedarfen der Bewohner und Kunden so genau wie möglich gerecht zu werden. Ein enger finanzieller Rahmen verpflichtet uns dazu, hierbei besonders sorgfältig zu sein. Wir ermöglichen dies durch bei uns als „Rahmendienstplan“ bezeichnete Soll-Besetzungen. In einer Dienstvereinbarung haben wir mit der Gesamt-Mitarbeitervertretung (gMAV) vereinbart: Der Rahmendienstplan legt fest, zu welchen Zeiten wie viele aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen oder vertraglichen Vereinbarungen erforderliche Fachkräfte […] sowie andere Mitarbeitende eingesetzt werden. Der Rahmendienstplan richtet sich nach dem Assistenzbedarf der Kunden. Dabei sind die einschlägigen Leistungsvereinbarungen, gesetzlichen einschließlich der arbeitszeitschutzrechtlichen und anderen Regelungen sowie die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel zu berücksichtigen.

Wir stießen jedoch in vielen Bereichen auf das Problem, dass die einstmals festgelegten Soll-Besetzungen nicht mehr zu den aktuellen Anforderungen und zur Finanzierung passen. Außerdem haben wir 2017 auf eine neue Arbeitsvertragsrichtlinie umgestellt und eine neue Dienstvereinbarung zur Dienstplanung verabschiedet. Die zuvor geltenden Regelungen für die Einteilung der Mitarbeiter waren damit überholt, und somit auch viele der Rahmendienstpläne, die beispielsweise für Teilzeitmitarbeiter grundsätzlich weniger als fünf Arbeitstage pro Woche vorsahen. Wir mussten also in vielen Bereichen die Soll-Besetzungen überarbeiten. Transparenz in der Ermittlung der Soll-Besetzung Gemeinsam mit den Leitungskräften des jeweiligen Bereiches, ausgewählten Mitarbeitern und einigen Vertretern der Mitarbeitervertretung haben wir in etwa dreistündigen Terminen die Soll-Besetzungen neu definiert. Wichtig war uns dabei auch immer die transparente Darstellung der finanzierten Stellen, indem wir die verhandelten Vergütungssätze und die aktuellen Bewohnerzahlen sowie die Einstufung der Bewohner in bestimmte Hilfebedarfsgruppen offengelegt haben. Auch der Stellenanteil, der für zentrale Dienste wie das Kundenmanagement und auch die Geschäftsführung abgeführt wird, ist jeweils dargestellt. Neben den festen Betreuungszeiten gibt es in vielen Bereichen auch flexible Zeitbedarfe, die wir gemeinsam mit den Führungskräften und Mitarbeitern zusammengetragen haben. Dies sind zum Beispiel Zeiten für Arztbesuche oder Einkäufe für die Bewohner, die nicht regelmäßig anfallen und außerhalb der regulären Dienste erbracht werden. So ist es bei uns üblich, dass am Vormittag die Bewohner das Haus verlassen, sei es, weil sie noch beschult werden, oder weil sie in einem Tagesförderprogramm arbeiten. In diesen Zeiten wird also nicht immer ein Mitarbeiter vorgehalten, aber einige Aufgaben können nur dann erledigt werden. Diese listen wir gemeinsam auf und hinterlegen sie mit der durchschnittlichen Dauer und der Schätzung, wie häufig sie in einem Jahr auftreten. Um ein möglichst realitätsnahes Bild des tatsächlichen Personaleinsatzes zu bekommen, berücksichtigen wir das Netto-Arbeitszeitangebot. In den durchschnittlichen Ausfallzeiten sind neben Freizeitausgleich für Feiertage, Urlaub und Fortbildungen auch

74

2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

die durchschnittlichen Krankheitstage innerhalb der Lohnfortzahlung enthalten. Die Krankheitstage außerhalb der Lohnfortzahlung und Beschäftigungsverbote berücksichtigen wir nicht, da wir hier ja theoretisch einen neuen Mitarbeiter einstellen könnten – und das regelmäßig auch so realisieren können. 260

Tage Montag-Freitag

9

Tage Freizeitausgleich für Feiertage

2

Tage Freizeitausgleich für Vorfesttage

31 3 12

Tage Urlaub Tage Fortbildung Tage Krankheit, krankes Kind usw.

203

Verfügbare Tage

7,7

Stunden/Tag

1563

Verfügbare Stunden

Die zu besetzenden Dienste stellen wir gemeinsam in einer Graphik dar, so dass man auch direkt sehen kann, wie viele Mitarbeiter zeitgleich im Dienst eingeteilt sind. Dabei werden auch die Bewohnerbelange berücksichtigt. So haben wir in vielen Fällen von Montag bis Freitag kurze Frühdienste eingeführt, da die Bewohner für die Tagesförderung oder Schule rechtzeitig fertig sein müssen. Da werden am frühen Morgen viele helfende Hände benötigt. Wenn dann die Bewohner aber abgeholt wurden, ist nicht mehr viel zu tun, so dass kurze Dienste hier eine ideale Lösung sind. Um zu überprüfen, ob die vorgestellte Besetzung mit dem finanzierten Personal übereinstimmt, haben wir anschließend die Besetzungsvorgaben in eine Tabelle zur Berechnung des Personalbedarfs übertragen. Dabei wird jahresbezogen berechnet, für wie viele Stunden Mitarbeiter insgesamt anwesend sein müssen. Dieser Wert wird anschließend durch die je Vollzeitkraft durchschnittlich verfügbaren Stunden (in unserem Fall also 1575 Stunden pro Jahr) geteilt. Dann wissen wir, wie viele Vollzeitkräfte für die angedachte Soll-Besetzung benötigt werden. In vielen Fällen wichen anfangs die Vorstellungen der Bereiche von den finanziellen Möglichkeiten ab, so dass wir im gemeinsamen Gespräch noch Anpassungen vornehmen mussten. Das führte oft zur Verkürzung von Überlappungszeiten oder – am Wochenende – zu einem späteren Dienstbeginn für einen zweiten Frühdienst, da die Bewohner an diesen Tagen gern länger schlafen. Die Graphik (siehe Abb. 2.19) weist neben den Dienstzeiten auch immer die Übergabezeiten, Pausenrahmenzeiten und bei uns sogenannte „flexible Stunden“ aus. Da sowohl die Mitarbeiter als auch die Mitarbeitervertretung sich mittlerweile an diese Ansicht gewöhnt haben, erleichtert uns dies auch den Mitbestimmungsprozess. Da in

2.3  Die Soll-Besetzungsstärke: Die wichtigste Planungsgrundlage

75

Abb. 2.19  Zu Fallbeispiel 3: Neue Dienstzeiten

der Graphik alle wichtigen Informationen enthalten sind, können wir sie in dieser Form einfach an die Mitarbeitervertretung weitergeben. Ein Aufwand, der sich lohnt Anfangs ist dieses Verfahren relativ zeitintensiv, da für drei Stunden fünf bis zehn Mitarbeiter an einen Tisch geholt werden müssen. Für uns hat es sich aber bewährt, da alle Beteiligten „mit im Boot sitzen“ und so direkt ihre Vorschläge und Anpassungsbedarfe äußern können. Dadurch hat sich der Gesprächs- und Anpassungsbedarf im Nachhinein massiv verringert und auch das Mitbestimmungsverfahren beschleunigt. Nach einem solchen Termin haben wir dann in kürzester Zeit die Möglichkeit, die Soll-Besetzung auch wie besprochen umzusetzen. Außerdem überprüfen wir fortlaufend bei Bedarf, ansonsten aber regelmäßig alle sechs Monate, ob sich in den einzelnen Bereichen etwas geändert hat. Die Anpassungen nehmen wir dann in einer kleineren Runde vor, da sie meistens nur geringfügige Änderungen nötig machen. Durch unser Verfahren der Entwicklung passgenauer Dienstzeiten haben wir an vielen Stellen auch die Mehrarbeit und Überstunden verringern können. Es ist für alle Beteiligten klar, dass wir nur ein bestimmtes Zeitbudget zur Verfügung haben, das wir einsetzen können – genau dieses ist auch mittels Soll-Besetzung fixiert.

76

2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

Zusammenfassung 

Die Soll-Besetzung ist die wichtigste Planungsgrundlage für die Erstellung von Dienstplänen. Auf ihr basiert auch die Arbeitsplatzmethode zur Personalbedarfsberechnung. Zunächst wird aus den Dienstzeiten und den Soll-Besetzungen der jährliche Arbeitszeitbedarf ermittelt. Anschließend wird – unter Berücksichtigung der Ausfallzeiten – das durchschnittliche Arbeitszeit-Angebot je Vollzeitkraft berechnet. Durch das Zusammenführen dieser beiden Parameter kann der arbeitsplatzbezogene Personalbedarf errechnet werden. Um ein korrektes Ergebnis zu erhalten, müssen die tatsächlichen Ausfallzeiten ermittelt und damit realistisch kalkuliert werden. Wenn der korrekt berechnete Personalbedarf auf Basis der Arbeitsplatzmethode höher liegt als der aktuelle oder refinanzierte Stellenplan, muss die Soll-Besetzung angepasst werden – und auf dieser Basis eventuell auch der Besetzungsbedarf erneut evaluiert werden.

2.4

Immer zu wenige? Warum es wichtig ist, Personalbedarfsberechnung und Personaleinsatz voneinander zu trennen

In diesem Buch geht es nicht darum, wie Personalbedarfsberechnungen erstellt werden – das würde seinen Rahmen sprengen. Wir beschränken uns hier auf einen kurzen Überblick. Häufig wird argumentiert, dass die Dienstpläne „besser“ wären, stünde mehr Personal zur Verfügung – zu diesem Mythos siehe Abschn. 1.2.6. Es ist zwingend, beide Dimensionen – Personalkapazität auf der einen Seite und Einsatz des Personals auf der anderen Seite – sauber voneinander zu trennen; siehe auch Abschn. 6.3.1. Vor oder im Zuge einer Diskussion über den Personaleinsatz muss allerdings der Personalbedarf geklärt sein, anders kann es keine dazu passende Soll-Besetzung geben. Und diese ist die entscheidende Grundlage der Dienstplanung. Es können drei methodische Ansätze der Personalbedarfsberechnung unterschieden werden: • auf Basis der Finanzierung (Kosten- oder Erlösmethode) • auf Basis der Leistung (leistungsbezogene Personalbedarfsermittlung) • auf Basis des Personaleinsatzes (Arbeitsplatzmethode)

2.4.1 Personalbedarfsberechnung auf Basis der Finanzierung 2.4.1.1 Prinzip Die Personalkosten bilden den deutlich größten Anteil an den Gesamtkosten von Krankenhäusern und Pflege- und Betreuungseinrichtungen.

2.4  Immer zu wenige? Warum es wichtig ist …

77

• Die Finanzierung des Personals wird in Pflege- und Betreuungseinrichtungen in den meisten Fällen auf Basis des Pflegegrades bestimmt. Für eine bestimmte Anzahl Bewohner in einem Grad muss jeweils eine Vollzeitkraft (inklusive Ausfallzeiten) vorgehalten werden. Für diese Mitarbeiterzahl wird auch die Finanzierung durch die Kostenträger sichergestellt. • In Krankenhäusern bestimmt sich der Personalbedarf derzeit vorrangig nach dem DRG-System, wobei in die Fallpauschalen neben den Personalkosten auch Sachkosten einfließen. Es kommt nun auf die Aufschlüsselung dieser Pauschale auf die Kostenarten und Berufsgruppen an. Eine Ausnahme bilden hier (noch) viele psychiatrische Einrichtungen, in denen auf Basis der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) ebenfalls Besetzungsvorgaben ähnlich den Pflegegrad erfüllt werden müssen. Da aber zu Beginn des Jahres 2020 alle psychiatrischen Einrichtungen auf ein System mit Fallpauschalen wie im somatischen Bereich umgestellt werden sollen, gilt hier in Zukunft eine ähnliche Berechnungslogik. Aus der Finanzierung lässt sich die Personalausstattung dadurch ableiten, dass die auf den Personalkostenbereich der Pflege entfallenden Kostenbudgets durch die ArbeitgeberStundensätze geteilt werden. Dann erhält man den finanzierten oder den budgetgerechten VK-Wert. Damit spielt bei der Erlös- oder Kostenmethode auch der Berufsgruppenmix eine entscheidende Rolle. Mit erhöhtem Anteil an Servicepersonal und Medizinischen Fachangestellten reduziert sich die Zahl der einsetzbaren Pflege-Vollkräfte.

2.4.1.2 Zunehmender Einfluss der Arbeitsplatzmethode auf die Erlösmethode Die Konkretisierung finanzieller Stellenkalkulation erfolgt durch die Arbeitsplatzmethode. Sie ermöglicht, die ermittelten VK-Budgets auf die einzelnen Arbeitsbereiche herunterzubrechen und in handhabbare Besetzungsmöglichkeiten zu übersetzen. Die Arbeitsplatzmethode hat daher grundsätzlich eine dienende Funktion, indem sie die Plausibilisierung und Konkretisierung abstrakter Personalbudgets ermöglicht. Es gibt von dieser Regel zwei Ausnahmen: • Mindestbesetzung: Die Arbeitsplatzmethode „überschreibt“ die Erlös- und Kostenmethode, wenn eine erforderliche Mindestbesetzung mehr Personal bindet als für den betreffenden Bereich finanziert ist (Vorhalteaufschlag). Häufig ist dies zum Beispiel in kleineren Notaufnahmen erforderlich. Es kann immer ein Notfall ins Haus kommen, also muss auch immer ein Mitarbeiter anwesend sein – unabhängig von während dieser Zeit erzielbaren Erlösen. • Besetzungsvorgaben: Die andere Ausnahme sind fachgesellschaftliche oder abrechnungsbezogene Besetzungsvorgaben – etwa im intensivmedizinischen Bereich. Beispielsweise bestehen in einigen Fällen besetzungsbezogene Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen für die Zertifizierung und auch die Finanzierung:

78

2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

– Die „Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Reifgeborene“ legt fest, in welchen sogenannten Perinatalzentren unterschiedlicher Level insbesondere Frühgeborene versorgt werden dürfen. Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm dürfen beispielsweise nur in einem Perinatalzentrum Level 1 aufgenommen werden. Für ein solches Frühgeborenes muss dabei jederzeit – sofern es intensivtherapiepflichtig ist – mindestens ein Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger rund um die Uhr anwesend sein [1]. – Ähnliches gilt auch für die Versorgung von Bauchaortenaneurysmen. Die „Qualitätssicherungs-Richtlinie zum Bauchaortenaneurysma“ definiert, dass auf der Intensivstation in jeder Schicht eine fachweitergebildete Intensivpflegekraft eingesetzt sein muss [2]. Übersteigen die arbeitsplatzmethodisch ermittelten Besetzungen die Erlöse, überschreibt die Arbeitsplatzmethode im Falle von Mindestbesetzungsvorgaben die Erlösmethode. In solchen Fällen muss es zu Querfinanzierungen mit anderen Arbeitsbereichen kommen, um finanzielle Unter- mit Überdeckungen bereichsübergreifend auszugleichen. Liegt der arbeitsplatzmethodisch ermittelte Brutto-Personalbedarf jedoch in der Pflege insgesamt über dem finanzierten Rahmen, muss nachjustiert werden. Die Soll-Besetzungen und/ oder die Dienstzeiten müssen dann – im Rahmen des gegebenenfalls Vorgegebenen; siehe oben – generell reduziert werden, um den Fortbestand des Hauses zu ermöglichen.

2.4.1.3 Gesetzliche Mindestbesetzungsvorgaben Es ist davon auszugehen, dass sich Besetzungsvorgaben in den kommenden Jahren auch in anderen Bereichen der Pflege durchsetzen werden. Implizit schwingt dabei die Annahme, dass durch mehr Pflegekräfte die Qualität der Versorgung steigt. Bislang existieren hierzu jedoch noch keine methodisch sauberen Längsschnittstudien. In Einzelstudien konnte kein Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und der Qualität der Versorgung nachgewiesen werden. Ein direkter Zusammenhang von Besetzungsstärke und Versorgungsqualität konnte auch in einer Metastudie des IGES Instituts und der Bertelsmann-Stiftung nicht nachvollzogen werden [3]. Auch die zunächst in einer Studie festgestellte höhere Sterblichkeit von am Wochenende in englischen Akutkrankenhäusern aufgenommenen Patienten konnte schlussendlich nicht auf die geringere Besetzung zurückgeführt werden. Ausschlaggebend war hier vielmehr, dass die am Wochenende ins Krankenhaus eingelieferten Patienten im Durchschnitt schwerer krank waren als unter der Woche, was die durchschnittliche Sterblichkeitsrate erhöhte [4]. Trotz dieser recht dürftigen Studienlage hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, zunächst in einigen „pflegesensitiven Bereichen“ Vorgaben zur minimalen Besetzungskennzahl zu machen. Dies wird die Anwendung von Besetzungskennzahlen in den Krankenhäusern flächendeckend erforderlich machen. Gewonnen wurde die gesetzgeberseitig vorgegeben Betreuungsrelationen durch die Dienstplanauswertung mehrerer

2.4  Immer zu wenige? Warum es wichtig ist …

79

Krankenhäuser, was allerdings zu teils merkwürdigen Konstellationen führt. So muss gemäß der Verordnung in kardiologischen Stationen am Wochenende in der Nachtschicht ein Schlüssel von 23:1 erfüllt werden, wohingegen unter der Woche ein Schlüssel von 24:1 gilt. Auch hinsichtlich des Einsatzes von Pflegehilfskräften – die ja gerade die examinierten Pflegekräfte von nötigen, aber nicht durch Examinierte durchzuführende Tätigkeiten entlasten – finden sich methodische „Herausforderungen“: So darf in der Kardiologie am Wochenende der Hilfskrafteinsatz maximal 5 Prozent betragen. In dieser Größenordnung ist kein „vernünftiger“ Dienst zu besetzen, denn selbst bei vier Früh- und drei Spätdiensten je sieben Stunden sowie einem vierstündigen Zwischendienst beträgt der Anteil für den Zwischendienst (4 Stunden Zwischen / {[4 Früh + 3 Spät] x 7 Stunden + 4 Stunden Zwischen} x 100 =) 7,5 Prozent und liegt somit über dem zulässigen Grenzwert. Insbesondere in der Geriatrie ist zudem der angestrebte Hilfskraftanteil in der Tagschicht mit Montag bis Freitag 18,2 Prozent und wochenends 20,1 Prozent gegenüber den in vielen Häusern erfolgreich praktizierten Durchmischungen von Pflegehilftskräften und examinierten Pflegekräften zu gering. Es wird daher in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach zu fortlaufenden Nachbesserungen der Vorgaben kommen. [5]

2.4.2 Personalbedarfsberechnung auf Basis der Leistungsmengen Bei der leistungsbezogenen Personalbedarfsberechnung werden Leistungsmengen mit Standard-Zeitbindungen hinterlegt. Als Leistungsmengen werden im Krankenhaus die Anzahl der Belegungstage sowie der Aufnahmen und der Entlassungen herangezogen. Diese Grundleistungen werden mit Aufschlägen für besondere Leistungen versehen – etwa für PKMS-Patienten. Es werden aufwandsbezogene Gewichtungen entlang der „Schweregrade“ vorgenommen, die sich zum Beispiel an der früheren PPR-Logik orientieren. Für jede Leistungsmenge gibt es eine Standard-Zeitbindung. Hierfür gibt es Richtwertkataloge. Aus der Multiplikation der jeweiligen Leistungsmengen mit den zugehörigen Standard-Zeitbindungen ergibt sich dann der Arbeitszeitbedarf je Leistungsmenge. Aus der Summe der Arbeitszeitbedarfe ergibt sich der Gesamtarbeitszeitbedarf, der dann entsprechend der unter Abschn. 2.3.4 vorgestellten Vorgehensweise in Personalkapazität umgerechnet wird. Hier dient die Arbeitsplatzmethode also der Komplettierung der Berechnung. Sie hat ansonsten die gleichen Aufgaben wie bei der Erlös-/Kostenmethode: ihre Plausibilisierung und gegebenenfalls ihre Überschreibung im Falle von Mindestbesetzungsrestriktionen oder Besetzungsvorgaben. Wenn sich die Soll-Besetzung auf den Besetzungsbedarf stützt, sind auch hier implizit Zeitbindungen hinterlegt. Denn der Besetzungsbedarf bildet ab, welche Bedürfnisse die Bewohner und Patienten haben und wann und in welchem zeitlichen Umfang diese anfallen. Daher kann diese Methode aufgrund ihres Ansatzes mit allgemeinen Richtwerten auch als Vergleich selbst entwickelter Besetzungsbedarfe mit anderen Häusern verwendet werden (sogenanntes Benchmarking).

80

2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

2.4.3 Personalbedarfsberechnung auf Basis der Arbeitsplatzmethode Eigenständig ist die Arbeitsplatzmethode – auch Arbeitszeitmethode genannt – für eine Berechnung des Personalbedarfs nur an zwei Stellen: • Zum einen kann sie helfen, die Ergebnisse einer finanzierungs- oder leistungsbezogenen Berechnung zu plausibilisieren und zu konkretisieren. • Zum anderen kann es sein, dass insbesondere in sehr kleinen, isolierten Einheiten eine Mindestbesetzung vorgehalten werden muss oder dass Besetzungsvorgaben erlös- und leistungsunabhängig einzuhalten sind. In diesem Fall „überschreibt“ die Arbeitsplatzmethode also, wenn diese zu einem höheren Ergebnis führt, das Ergebnis der ersten beiden Berechnungsformen. Zunächst wird stets leistungs- und/oder finanzierungsseitig überprüft, wie hoch der Personalbedarf ist. Dann werden mittels der Arbeitsplatzmethode der Besetzungsbedarf und eine daraus abgeleitete Soll-Besetzung in Einklang mit dem zuvor errechneten Personalbedarf gebracht. Wie alle Ressourcen sind die Mittel für Personal begrenzt, so dass in dem gesteckten Rahmen mit dem vorhandenen Personal gehaushaltet werden muss. Auf Basis der in Abschn. 2.1, 2.2 und 2.3 aufgeführten Schrittfolge kann dann überprüft werden, wann das vorhandene Personal am effektivsten eingesetzt wird.

2.4.4 Fallbeispiel Wie Arbeitsplatzmethode und Leistungsmethode in Einklang gebracht werden können, beschreibt der Personalleiter eines Krankenhauses in Fallstudie 4.

Fallbeispiel 4: Leistungsbezogenen Personalbedarf und Soll-Besetzung auf der Intensivstation in Einklang bringen

Mario Schiffer, Personalleiter, Krankenhaus Porz am Rhein GmbH, Köln Wieso wir die Soll-Besetzung überarbeiten mussten In unserer Intensivstation stehen 20 Betten zur Verfügung, die interdisziplinär belegt und von einem gemeinsamen Pflegeteam betreut werden. Leider mussten wir die Intensivstation trotz freier Betten immer wieder abmelden, da sich die Pflegekräfte überlastet fühlten. Überlastungssymptome wurden oftmals mittels Gefährdungsanzeigen der Pflegedirektion und der Verwaltung gegenüber angezeigt; die Bettenschließungen selbst wurden durch die zuständigen Ärzte auf der Intensivstation veranlasst. Die Pflegedirektion hatte bereits eine Standardbesetzung definiert, die aber unterschiedlich interpretiert wurde und daher nicht stringent zur Anwendung kam. Daher haben wir uns dazu entschlossen, die leistungsbezogene Personalausstattung und die Soll-Besetzung der Intensivstation genauer zu überprüfen und zu überarbeiten.

2.4  Immer zu wenige? Warum es wichtig ist …

81

Warum die leistungsbezogene Personalbedarfsberechnung an erster Stelle stand Zunächst wollten wir herausfinden, ob die Dimensionierung des pflegerischen Stellenplans der Intensivstation zum Leistungsgeschehen passt – bekanntlich ein häufiges Konfliktfeld. Wir haben uns die Leistungszahlen inklusive der TISS-Scores genauer angesehen, um uns ein Bild vom tatsächlichen Arbeitsaufkommen zu machen. Der Stellenplan und das Ergebnis der leistungsbezogenen Personalbedarfsberechnung passten gut übereinander, so dass sich hieraus kein Handlungsbedarf ergab. Es erhärtete sich also der Verdacht, dass das Problem nicht in der Gesamtmenge des Personals lag, sondern in der Verteilung der Mitarbeiter an den einzelnen Tagen – also an der Qualität der Personaleinsatzsteuerung. Wie wir die Soll-Besetzung angepasst haben Im nächsten Schritt haben wir uns angeschaut, wann Gefährdungsanzeigen geschrieben wurden. Interessant waren für uns vor allem die Gefährdungsanzeigen, die auf die tatsächliche Besetzung am Tag, die Ist-Besetzung, Bezug nahmen. Es wurde in solchen Gefährdungsanzeigen darauf verwiesen, dass an einzelnen Tagen die Standardbesetzung nicht eingehalten werden konnte, und dies zu Überlastung führte. Allerdings wurden beispielsweise versetzte Dienste dabei nicht als vollwertige Dienste mitgezählt. Versetzte Dienste wurden üblicherweise dann eingeteilt, wenn am Vortag ein Spätdienst geleistet wurde und dann am nächsten Morgen der Mitarbeiter zum Frühdienst eingeteilt war – eben mit einem zeitlichen Versatz, um die gesetzliche Mindestruhezeit einzuhalten. Damit ergaben sich morgens und abends einzelne Arbeitsstunden, in denen trotz einer insgesamt mindestens der Standardbesetzung entsprechenden Anzahl anwesender Mitarbeiter die Belastung höher war. Insofern bestand Klärungsbedarf, welche Standardbesetzungen maßgeblich sind. Zudem gab es zahlreiche Dienstarten, die ebenfalls die Übersichtlichkeit der Dienststruktur behinderten. Wir haben uns also daran gemacht, die Soll-Besetzung eindeutig zu definieren – vorrangig, indem wir die Vielzahl von Dienstzeiten reduzierten. Die Ausgangsbasis war dabei wiederum das Ergebnis der leistungsbezogenen Personalbedarfsberechnung. Dazu gehörte, dass wir uns die Ausfallzeiten angesehen haben, denn diese müssen bei der Definition der Soll-Besetzung realistisch eingepreist werden. Das heißt, dass die Soll-Besetzung auch bei durchschnittlicher Krankheit und Urlaub immer erreicht werden kann. Die etwa 40 Vollzeitkräfte, die sich aus der Berechnung ergaben, haben wir dann unter Streichung einiger verbleibender versetzter Dienste (die für „kurze Wechsel“ benötigt werden) wie in der Tabelle dargestellt aufgeteilt: Dienst

Montag bis Freitag

Leitung (mit Versorgung von 1–2 Patienten) im Tagdienst

1

Administrationskraft im Tagdienst

1

Verkürzter Frühdienst für Mütter

1

Wochenende

82

2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf …

Dienst

Montag bis Freitag

Wochenende

Frühdienst

7

8

Spätdienst

7

7

Versetzter Spätdienst

1

1

Nachtdienst

5 + 1 Aushilfe

5 + 1 Aushilfe

Diese Soll-Besetzung wird nun planmäßig an allen Tagen eingeteilt. Um die Planung zu erleichtern, leuchtet im Dienstplanprogramm die Summenzeile farbig auf, solange die Soll-Besetzung nicht exakt erreicht wird. Auch ein Überschreiten der Soll-Besetzung muss unbedingt vermieden werden: Wenn die Stationsleitung an einem Tag mehr Mitarbeiter als in der Soll-Besetzung vorgegeben verplant, heißt das ja automatisch, dass an einem anderen Tag weniger Dienste besetzt werden können. Dabei ist nicht die Dienstlage, sondern der tatsächlich eingeteilte einzelne Dienst ausschlaggebend. Es dürfen also nicht mehr drei versetzte Spätdienste eingeteilt werden, auch wenn in Summe dann acht Spätdienste vor Ort sind. Weil die Krankheitsvertretungen bei der Ermittlung der Soll-Besetzung „eingepreist“ sind, kommt der einzelne Mitarbeiter bei einer gleichmäßigen Verplanung im Durchschnitt pro Monat erst einmal nicht auf seine Sollarbeitszeit. Das darf er auch nicht, denn der Puffer wird ja für die unplanbare Krankheit benötigt – schließlich ist auch an Tagen, an denen es zu Krankheitsausfällen kommt, die Soll-Besetzung im Regelfall einzuhalten. Dafür wird jeden Tag neben den oben aufgeführten regulären Diensten im Spätdienst ein über die Soll-Besetzung hinausgehender Mitarbeiter als Joker-Dienst (Abschn. 5.4.1) geplant, der als Puffer für Krankheitsausfälle dient und – wenn nötig – auch mal in eine andere Dienstlage springt. Wie uns die angepasste Soll-Besetzung geholfen hat Nach der eingehenden Analyse war für alle Beteiligten gut zu sehen, wo die Knackpunkte lagen: Zum einen in der Kommunikation der bisherigen Standardbesetzung zwischen Leitung und Team, zum anderen in den versetzten Diensten. Durch die fest definierte Soll-Besetzung haben wir nun eine klare Basis, auf der sich die Entscheidung für eine eventuell nötige Bettenschließung besser treffen lässt. Neben der Soll-Besetzung haben wir aber auch noch eine Soll-Besetzungskennzahl festgelegt. Wenn nun also die Soll-Besetzung unterschritten wird, aber gleichzeitig die Intensivstation nicht voll oder nur mit relativ leichten Patienten belegt ist, so kann trotzdem normal weitergearbeitet werden.

Zusammenfassung 

Bei der Dienstplanung ist die Frage des Personaleinsatzes von der Frage des Personalbedarfes scharf zu trennen. Der Personaleinsatz baut auf den Personalbedarf auf, der mittels drei Methoden berechnet werden kann.

2.5  Übergaben, Umkleide- und Wegezeiten, Pausen bei …

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• Finanzierung: Hier wird ermittelt, wie viel Geld ein Krankenhaus oder eine Einrichtung von den Kostenträgern erhält, um den Versorgungsauftrag zu erfüllen. Hieraus wird der Personalkostenanteil abgeleitet. • Leistung: Hier werden erbrachte Leistungen mit Standard-Zeitbindungen hinterlegt, um den Personalbedarf zu ermitteln. • Arbeitsplatz: Die Arbeitsplatzmethode dient der Plausibilisierung und Konkretisierung der Berechnungen zur Finanzierung und Leistung. Manchmal kann eine Mindestbesetzung vonnöten sein, die weder durch die Finanzierungs- noch durch die Leistungsmethode abgebildet wird. Nur in solchen Fällen kann die Arbeitsplatzmethode die beiden anderen Methoden dominieren.

2.5

Übergaben, Umkleide- und Wegezeiten, Pausen bei Einzelbesetzungen und der Wochenfaktor

2.5.1 Übergabekonzepte in Dienststrukturen berücksichtigen Nun werden wichtige Einzelaspekte der Dienstzeiten erläutert. Zunächst beginnen wir mit der Übergabe. Die Übergabeorganisation ist für die Erstellung einer passgenauen Dienststruktur von großer Bedeutung, denn sie hat erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitszeitbedarf. Eine Übergabe von 30 Minuten pro Dienst, an der sämtliche Mitarbeiter einer Station oder eines Wohnbereichs teilnehmen, bindet bei 7,5 Stunden langen Diensten (0,5 Stunden/7,5 Stunden * 100 Prozent) circa 7 Prozent der gesamten Personalkapazität.

2.5.1.1 Effekte einer Verkürzung der Übergabezeit Abb. 2.20 zeigt beispielhaft den Effekt einer veränderten Übergabeorganisation. Das Krankenhaus verfügt über acht Stationen. Die Übergabe aus dem Nachtdienst wurde neu strukturiert, indem sie zum einen auf 15 Minuten verkürzt und zum anderen auf einen Frühdienst gebündelt wurde. Dies wurde möglich durch eine stärkere Standardisierung sowie durch IT-gestützte Aktenführung. Die Dienstbeginnzeiten können so gestaffelt werden, dass ein Mitarbeiter je Dienstlage in einer längeren Übergabe Informationen zu allen Patienten erhält. Hierbei ist der Einsatz von Checklisten zu den wichtigsten zu beachtenden Punkten unerlässlich, um keine essenziellen Informationen zu vergessen und die Zeitvorgaben trotzdem einzuhalten. Die restlichen Mitarbeiter erhalten in sehr kurzen Briefings von maximal fünf Minuten Länge die wichtigsten Informationen zu ihren Patienten. Der Frühdienst, der die Übergabe durchführt, gibt bei Bedarf maximal 15 Minuten lang spezifische Informationen an die Kollegen zu Beginn der Frühschicht weiter. Der Nachtdienst endet nun um 06:15 Uhr (statt 06:30 Uhr), Die Frühdienste beginnen um 06:15 Uhr – bis auf den Kollegen, der die Übergabe aus der Nacht übernimmt. Diese veränderte Übergabeorganisation führt zu einem Effekt von (0,25 Stunden × 3 Dienste [Nacht-, Frühdienst 2–3] × 8 Stationen × 365 Tage =) 2190 Stunden beziehungsweise circa (2190 Stunden/1610 Stunden Netto-Jahresarbeitszeit =) 1,4 VK. Mithin lohnt

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Abb. 2.20  Übergabeverkürzung in einer Station

es sich, tradierte Formen der Übergabe zu überprüfen. Oftmals finden diese selbst dann noch in gewohnter Form statt, wenn die organisatorischen oder technischen Möglichkeiten eine grundlegende Veränderung ermöglicht hätten. Neben der oben vorgestellten Alternative einer Übergabe durch einen leicht versetzten Dienst, der nach einer Übergabe an ihn selbst kurze Briefings der Kollegen durchführt, gibt es weitere Übergabealternativen.

2.5.1.2 Entfall von Übergaben In Zeiten fortlaufender intensiver schriftlicher Dokumentation der Tätigkeiten, die mehr und mehr digital vorliegt, wird die klassische Übergabe oftmals obsolet. Alle wichtigen Informationen können jederzeit nachgelesen werden. EDV-Systeme bieten die Möglichkeit, die wichtigsten Informationen zu markieren und so per Knopfdruck eine Kurzzusammenfassung zu erhalten. Schriftliche Kommunikation ist genauer und vollständiger. Mündliche Kommunikation ist nur dann sinnvoll, wenn eine ergänzende Hintergrundinformation weitergegeben werden soll, die sich nur teilweise verschriftlichen lässt, etwa ergänzende Informationen zu besonders zu beachtenden, aber nicht messbaren Aspekten des Krankheitsverlaufs oder des Genesungsprozesses. Wichtig ist dabei allerdings, dass die Dokumentation auch wirklich vor dem Dienstwechsel fertig ist. Oft wird zunächst auf einem kleinen Zettel im Laufe des Dienstes das Wichtigste notiert, dieser Zettel dient dann auch in der Übergabe als Gedankenstütze. Erst im Anschluss wird die Dokumentation erstellt. Diese doppelte Buchführung kostet aber unnötig Zeit und führt auch zu einer schlechteren Dokumentationsqualität, da scheinbare „Kleinigkeiten“ derweilen vergessen werden.

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Abb. 2.21  Entfall der Übergabe zugunsten eines zusätzlichen Kurzdienstes

Wenn die Dokumentation stringent erfolgt und die Übergaben entfallen, wird Kapazität freigesetzt, die zu anderen Zeiten effektiver eingesetzt werden kann. Auf einer Station (Abb. 2.21) galten beispielsweise Montag bis Sonntag bislang 30 Minuten Übergabezeit. Bei einem Nachtdienst, drei Frühdiensten und zwei Spätdiensten sind dies (1 + 3 + 3 + 2 + 2 + 1 =) zwölf übergebende Mitarbeiter. Mithin band die Übergabe (12 Übergebende × 0,5 Stunden Übergabezeit × 7 Wochentage =) 42 Stunden pro Wochen, also etwas mehr als eine VK – von insgesamt elf Mitarbeitern (VK). Als nun die Übergabe entfiel, konnte ein großer Teil dieser Arbeitszeit anderweitig eingesetzt werden. Es wurden lediglich 15 Minuten „Lesezeit“ im Krankenhausinformationssystem sowie bei Bedarf persönliche Kommunikationszeit pro Mitarbeiter benötigt. Auf diese Weise wurde der Aufwand halbiert. Es standen nun 21 Stunden pro Woche mehr zur Verfügung; diese wurden in einen zusätzlichen Kurzdienst an den Tagen Montag bis Freitag investiert. Oft wird argumentiert, die Übergabe fördere den Teamzusammenhalt. Wenigstens einmal täglich hat man die Möglichkeit, sich in Ruhe zusammenzusetzen und nicht nur dienstlich zu reden. Dies hat aber mit der eigentlichen Aufgabe der Übergabe nichts zu tun, nämlich der Sicherstellung des Informationsflusses. Zudem zeigen Erfahrungen mit reduzierten oder entfallenden Übergaben, dass der vermutete Mangel nach der Umsetzung in kurzer Zeit verfliegt.

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2.5.1.3 Dienstübergreifende Kommunikationsträger übernehmen die Übergabe Häufig wird zugunsten der „klassischen“ mündlichen Teamübergabe angebracht, dass in solchen Übergaben auch „zwischen den Zeilen“ gelesen wird. Einige Phänomene wie schwieriges Verhalten eines Patienten oder besonders betreuungsbedürftige Angehörige können nicht oder nur sehr aufwendig dokumentiert werden, das ist aber ja dennoch notwendig. • Dies wird zum Beispiel dadurch gelöst, dass im Übergabesystem entsprechender verbaler Austauschbedarf zu Patient „X“ markiert wird. Dieser wird dann in einer verkürzten Übergabe befriedigt. • Eine andere Alternative ist eine größtmögliche personelle Kontinuität über Früh- und Spätdienste hinweg. Dazu kann ein überlappender Zwischendienst sinnvoll sein, der als Transmissionsriemen erforderliche verbale Kommunikationsbedarfe von Dienstlage zu Dienstlage trägt. Ein Beispiel für dieses Übergabekonzept ist auch unser Muster-Beispiel. Der lange Zwischendienst empfängt in dem ansonsten übergabefreien Dienstmodell aus den Frühdiensten etwaige Informationen und gibt sie im Laufe des Spätdienstes weiter. Er baut die Kommunikationsbrücke zwischen Früh- und Spätdienst. Schauen wir dazu erneut auf die Dienststruktur im Muster-Beispiel; Abb. 2.22. Gegenüber bislang 6,5 Stunden Übergabezeit verringerten sich der tägliche zeitliche Kommunikationsaufwand unter Berücksichtigung der „Lesezeiten“ sowie verbleibender verbaler Kommunikation auf 2,5 Stunden – ein Kapazitätsgewinn von vier Stunden pro Tag, der für intensivere Zuwendung zu den Patienten genutzt werden kann! Ein weiterer Vorteil dieses Modells ist zudem, dass der Mitarbeiter im langen Tagdienst als Kommunikationsträger auch die Prozesse auf der Station besser überblickt. So kann beispielsweise die Bettenbelegung über diesen Mitarbeiter laufen, da er bereits am Vormittag den Blick auf den Nachmittag richtet und erkennt, wenn hier Engpässe drohen.

Abb. 2.22  Kommunikationsströme im Dienstsystem mit übergreifendem Kommunikationsträger

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Gleiches gilt für die Begleitung der Visiten: Ausarbeitungen von Anweisungen sind leichter zu erledigen, wenn auch der Nachmittag mit den dann dort durchgeführten Funktionsleistungen noch von der gleichen Person abgedeckt wird.

2.5.1.4 Übergaben von Bereich zu Bereich Bei einer gleichbleibenden Bereichsgröße über den Tag – zum Beispiel vom Frühdienst auf den Spätdienst – sollte die Übergabe grundsätzlich nur für den zu betreuenden Bereich erfolgen. Idealerweise geschieht dies direkt am Bett. Für den Patienten ist dies von Vorteil, da er zumindest in der Mittagszeit mitbekommt, welche Pflegekraft in den nächsten Stunden für ihn zuständig sein wird, die „gefühlte Pflege“ höher wird und Patientenbeschwerden unter anderem dadurch seltener, weil besondere Wünsche gleich zu Dienstbeginn artikuliert werden können, ohne die Pflegekraft eigens anklingeln zu müssen. Zudem können kleinere Handgriffe direkt getätigt werden, die sonst zu zusätzlichen Wegen führen – beispielsweise den Patienten lagern oder auch nur die Urinmenge am Blasenkatheter kontrollieren. Da die Übergabe am Bett üblicherweise zeitintensiver ist als die Übergabe im Schwesternzimmer, kann bei diesem Konzept nur selten Kapazität für andere Zeiten freigesetzt werden. Eventuell wiegt der bessere Informationsfluss dies aber wieder auf. 2.5.1.5 Übergaben im Team Die letzte – und aus unserer Sicht am wenigsten effektive – Übergabeform ist die noch am häufigsten praktizierte: Die Übergabe aller Patienten im gesamten Team. Effizient kann eine gesamthafte Übergabe dann sein, wenn der Informationsfluss durch straffe Gesprächsführung und unter Zuhilfenahme von Checklisten vorstrukturiert wird. Das Team erhält so Informationen über sämtliche Patienten/Bewohner der Organisationseinheit. Bei kurzfristigem Aushelfen in anderen Bereichen – und sei es nur zum Lagern – muss keine große Einführung zu den einzelnen Patienten gegeben werden, was an diesen Stellen wiederum Zeit spart. Auch ist das Verständnis für eventuelle Neuzuordnungen der Patienten größer, wenn der Pflegeaufwand durch die gemeinsame Übergabe von allen eingeschätzt werden kann. Dass diese Vorteile aber den Nachteil des Kapazitätsverlusts aufwiegen, kann meist nicht bestätigt werden. Zusammenfassung 

Übergaben beeinflussen die Entwicklung von Dienststrukturen, denn abhängig von der gewählten Organisationsform werden Kapazitäten frei, die während Auslastungsspitzen eingesetzt werden können. Es können fünf Übergabeformen unterschieden werden: • Entfall von Übergaben: Bei ohnehin geforderter lückenloser Dokumentation in digitalen Systemen muss eine Übergabe nicht mehr persönlich erfolgen, sondern jeder Mitarbeiter eignet sich zu Dienstbeginn die wichtigsten Informationen selbstständig an.

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• Übergaben durch dienstübergreifende Kommunikationsträger: Die wichtigsten Informationen werden in Kurzform von einem Mitarbeiter in einem übergreifenden Dienst weitergegeben, der gleichzeitig auch die Prozessorganisation auf dem Bereich übernimmt. • Übergaben in kurzen Briefings: Ein Mitarbeiter in einem leicht versetzten Dienst erhält von der vorherigen Dienstlage die wichtigsten Informationen, die er im Anschluss in kurzen Briefings an die anderen Mitarbeiter weitergibt. Die Grundidee entspricht dem dienstübergreifenden Kommunikationsträger, allerdings entfällt dessen übergreifende Sicht auf die Prozesse. • Übergabe von Bereich zu Bereich: Jeder Pflegebereich übergibt nur seine Patienten oder Bewohner, am besten am Bett. In dieser Zeit können auch direkt erste Handlungen am Patienten (wie Lagerungen) gemeinsam durchgeführt werden. • Übergaben im Team: Hier wird alles an alle übergeben, so dass jeder Mitarbeiter den gleichen Informationsstand hat. Dies kann sinnvoll sein, wenn personelle Zuordnungen der Pflegebereiche kurzfristig auch während eines Dienstes neu gestaltet werden, bindet jedoch auch die meiste Kapazität. Oftmals ist eine Restrukturierung vorhandener Übergabeformen erforderlich, um ihre Qualität zu verbessern und um sie auf das erforderliche zeitliche Maß zu begrenzen. Bei der Entscheidung für eine Übergabeorganisation sollte der Blick dabei auf die Frage nach Effizienz und mögliche Kapazitätsgewinne gerichtet werden. Ob der Teamzusammenhalt durch eine bestimmte Übergabeorganisation besonders gefördert wird, ist hier als sachfremdes Argument zu vernachlässigen.

2.5.2 Umkleide- und Wegezeiten bei der Dienste-Entwicklung berücksichtigen Wenn Umkleide- und Wegezeiten vereinbart wurden, so müssen diese in die Dienstzeiten eingerechnet werden. Diese Zeiten schmälen die Kapazität für die Abarbeitung der eigentlichen Tätigkeiten und können daher selbst zu Belastungen der Mitarbeiter beitragen, die die unveränderten Aufgaben mit reduziertem Zeitbudget erledigen müssen. Denn mehr Personal kann es für Umkleide- und Wegezeiten mangels Refinanzierung in der Regel nicht geben.

2.5.2.1 Einrechnung von Umkleide- und Wegezeiten in den Dienst Müssen Umkleide- und Wegezeiten bei der Dienstzeitengestaltung berücksichtigt werden, sollte dies nicht in Form eines „Ansparmodells“ geschehen. Das wäre dann der Fall, wenn einfach auf die reguläre Dienstzeit noch die Umkleide- und Wegezeit aufgeschlagen und damit auf das Zeitkonto gebucht wird. Dann würden schlimmstenfalls zusätzliche freie Tage entstehen, die die Besetzungsmöglichkeiten drosseln. Ein Rechenbeispiel zeigt dies exemplarisch. In einem Haus mit umgerechnet 400 Vollzeit-Pflegekräften wurden auf jeden geleisteten Dienst zehn Minuten Umkleide- und

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Abb. 2.23  Für Umkleide- und Wegezeiten benötigte Arbeitszeit

Wegezeit aufgeschlagen. Je Vollzeitkraft ergeben sich bei einer 5-Tage-Woche und einem Ausfall von 23,5 Prozent durchschnittlich etwa 200 zu leistende Dienste „netto“ pro Jahr. Wenn nun für jeden dieser Dienste zehn Minuten Umkleide- und Wegezeit angerechnet werden, summiert sich dies auf (10 Minuten/60 × 200 = ) 33,3 Stunden je Vollzeitkraft. Bei einer vertraglichen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden ergibt sich damit, dass pro Mitarbeiter beinahe eine Woche (exakt: 4,3 Tage) zusätzliche Freizeit zu gewähren war. Auf alle 400 Pflegekräfte gerechnet ergeben sich 1720 zusätzliche freie Tage im Jahr – das sind bei einer gleichmäßigen Verteilung auf die Tage Montag bis Sonntag fast fünf zusätzlich fehlende Mitarbeiter pro Tag; Abb. 2.23 macht dies nochmals deutlich. Im Beispiel müssten für 1720 zusätzlich freie Tage bei durchschnittlich 200 zu leistenden Diensten „netto“ je Vollzeitkraft insgesamt circa 8,6 VK zusätzlich eingestellt werden, um den Effekt zu kompensieren – mangels Finanzierungsgrundlage dürfte dies jedoch meist aussichtslos sein. Wenn nun also Umkleide- und Wegezeiten zu berücksichtigen sind, sollten diese immer im Rahmen der bisherigen Dienstzeit liegen. Wenn Früh- und Spätdienste beispielsweise jeweils 7,5 Stunden lang sind und Nachtdienste jeweils 9,25 Stunden, so sollten diese Zeiten nicht verändert werden. Vielmehr verkürzt die Umkleide- und Wegezeit dann die für die Arbeitserbringung nutzbare Zeit, insbesondere die Übergabezeit, wie Abb. 2.24 zeigt. Bislang war in dem Beispiel in der Mittagszeit eine einstündige Übergabe vorgesehen, zu den anderen Zeiten jeweils 30 Minuten. Durch die Einführung der Umkleideund Wegezeiten mit jeweils fünf Minuten zu Beginn und Ende eines jeden Dienstes verkürzt sich die Übergabe in der Mittagszeit auf 50 Minuten, zu den anderen Zeiten auf 20 Minuten. Wie Übergabezeiten noch kürzer organisiert werden können, zeigt der vorherige Abschn. 2.5.1.

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Abb. 2.24  Verkürzung von Übergabezeiten durch Umkleide- und Wegezeiten

2.5.2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen für Rüst- und Umkleidezeiten Rüst- und Umkleidezeiten sollten in Dienstmodellen nicht ohne rechtliche Verpflichtung eingebaut werden, denn letztlich dienen sie auch den Mitarbeitern nicht. Umkleide- und Wegezeiten sind nach gegenwärtiger Rechtslage nur dann zu berücksichtigen, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich das Tragen einer dienstlichen Kleidung vorschreibt und diese nicht zu Hause angelegt werden darf. Nur in diesem Fall ist die Umkleide- und Wegezeit vergütungspflichtig. Vergütungspflichtig bedeutet nur, dass der Mitarbeiter für Umkleideund Wegezeiten entschädigt wird. Dies kann eine tatsächliche zusätzliche Vergütung sein, in den meisten Fällen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen erfolgt aber eine Anrechnung auf die vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit. Zur Überprüfung, ob überhaupt ein Anspruch auf Umkleide- und Wegezeiten besteht, können folgende Leitfragen dienen. Sobald eine der Fragen mit „Nein“ beantwortet werden kann, ist davon auszugehen, dass Umkleide- und Wegezeiten nicht vergütet werden müssen. • Gibt der Tarifvertrag vor, dass Umkleide- und Wegezeiten als Arbeitszeit anzurechnen sind, eventuell differenziert für unterschiedliche Bereiche? • Gibt es ein Urteil, laut dem in einem bestimmten Bereich Umkleide- und Wegezeiten als Arbeitszeit anzurechnen sind? • Ist das Tragen von Dienstkleidung vom Arbeitgeber angeordnet? • Muss das Umkleiden im Betrieb erfolgen, weil der Arbeitgeber dies angeordnet hat – etwa aus hygienischen Gründen?

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Es ist darauf zu achten, dass – wie bei anderen Tätigkeiten auch – nur die Zeitspanne angerechnet wird, die der Mitarbeiter tatsächlich hierfür benötigt. Das bedeutet, dass der Mitarbeiter seine „persönliche Leistungsfähigkeit“ ausschöpft, also nicht „trödelt“ (BAG, Urt. v. 19.09.2012 – Az.: 5 AZR 678/11). Häufig wird jedoch – unter Inkaufnahme eines Restrisikos – auch eine pauschale Zeitanrechnung mit dem Betriebs-/Personalrat oder der Mitarbeitervertretung vereinbart. Hier wird die Dauer zugrunde gelegt, die ein „durchschnittlicher“ Mitarbeiter für das Umkleiden und den anschließenden Weg zu seinem Einsatzort benötigt. Wenn ein Mitarbeiter länger als die pauschale Zeit benötigt, erhält er keinen besonderen Zuschlag. Wenn ein anderer Mitarbeiter hingegen schneller ist, so wird ihm trotzdem der gesamte Anteil vergütet.

Zusammenfassung 

Die Anrechnung von Umkleide- und Wegezeiten kostet wertvolle Personalkapazität, die zur Aufgabenerledigung für die Patienten und Bewohner fehlt. Ist eine Anrechnung aus rechtlichen Gründen erforderlich, so sollte die Zeit in die schon vorhandenen Dienstzeiten eingerechnet werden.

2.5.3 Auch bei Einzelbesetzungen können Pausenzeiten gewährleistet werden Wie in Abschn. 2.2.12 dargestellt, müssen in allen Diensten über sechs Stunden Arbeitszeit Pausenzeiten von insgesamt mindestens 30 Minuten gewährt werden, bei über neun Stunden Arbeitszeit sind es 45 Minuten. Die Pausen können in Zeitabschnitte von mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Was passiert aber, wenn ein Mitarbeiter alleine auf einer Station oder in einem Wohnbereich eingesetzt ist und den Bereich nicht verlassen kann? Vor allem in den Nachtdiensten kommt dieses Thema auf. Vorrangig sind auch hier organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, die allen Mitarbeitern eine regelhafte Pausennahme ermöglichen. Arbeitszeitrechtlich sind die Pausenzeiten grundsätzlich zu gewähren. Das in der Praxis mitunter anzutreffende „Abkaufen“ der Pause durch Bezahlung ist grundsätzlich unzulässig, wenn eine als Arbeitszeit vergütete Pause dennoch nicht genommen wird. Eine Pause ist dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitnehmer frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann. Er kann also frei darüber verfügen, wo und wie er seine Ruhepausen verbringt (BAG, Urt. v. 16.12.2009 – Az.: 5 AZR 157/09).

2.5.3.1 Pausenvertretung Die einfachste organisatorische Lösung ist die Pausenvertretung zwischen Partnerbereichen oder -stationen. Moderne Rufanlagen ermöglichen es, die Patientenklingeln auf andere Mitarbeiter aufzuschalten. So kann für die Pausenzeiten die Klingel auf Mitarbeiter der Nachbarstation umgeschaltet werden, so dass Notfälle weiterhin erkannt werden.

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2.5.3.2 Pausenspringer Manchmal ist eine gegenseitige Pausenvertretung mit Nachbarbereichen aber aus baulichen oder technischen Gründen nicht möglich. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn es keine direkten Nachbarstationen gibt, sondern in Notfällen in ein entfernter liegendes Gebäude gegangen werden müsste. Bei solchen Konstellationen bietet sich ein Pausenspringerkonzept an. Ein Mitarbeiter ist dann neben den regulär zu besetzenden Stationen oder Wohnbereichen zusätzlich eingeteilt, um die Pausen abzulösen. Oder es gibt einzelne Stationen/Bereiche, die in der Nacht doppelt besetzt sind und aus denen heraus zeitweilig ein Pausenspringer die Vertretung auch der anderen, einzeln besetzten Stationen übernimmt. Im Beispiel eines Krankenhauses mit fünf in der Nacht einzeln besetzten Stationen, wie in Abb. 2.25 dargestellt, sind insgesamt sechs Mitarbeiter im Nachtdienst anwesend. Der Nachtdienst ist abzüglich 45 Minuten Pause neun Stunden lang. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, die Pausen abzulösen: • Entweder werden die 45 Minuten Pause je anwesendem Mitarbeiter am Stück genommen – das stellt Beispiel A dar. • Oder die Pausen werden aufgeteilt: Zunächst werden 15 Minuten abgelöst, in der nächsten Vertretungsrunde dann 30 Minuten, wie Beispiel B zeigt. Denkbar wäre auch, dreimal 15 Minuten abzudecken. Bedacht werden müssen bei der Unterteilung der

Abb. 2.25  Pausenspringerregelung im Nachtdienst

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Pause in kürzere Abschnitte die Wegezeit des Pausenspringers, denn er muss jeweils von einer Station zur nächsten gehen, und ggf. auch Informationserfordernisse. Wichtig ist auch, dass – sofern sein Dienst über sechs Stunden lang ist – auch der Pausenspringer selbst eine Pause machen muss. In beiden Beispielen wurde die Pause für den Pausenspringer in eine 15minütige und eine halbstündige Pause aufgeteilt. Wenn der Dienst für den Pausenspringer annähernd so lang ist wie der reguläre Nachtdienst, ist er nicht während des gesamten Dienstes mit Pausenablösungen ausgelastet. Zu Beginn und zu Ende seines Dienstes kann er also noch in einzelnen Bereichen unterstützen. Hier wird er häufig auf den Stationen eingesetzt, in denen besonders viele Patienten gelagert werden müssen, um diese körperlich anstrengende Tätigkeit auf mehr Mitarbeiter zu verteilen. Allerdings kann der Pausenspringerdienst auch verkürzt werden und nur für die Pausenablösung eingesetzt werden.

2.5.3.3 Kurzpausenregelung In einigen Bereichen ist es aufgrund hoher Spezialisierung oder aus logistischen Gründen nicht möglich, einen anderen Mitarbeiter für die Pausenablösung heranzuziehen. Die Nutzung einer Kurzpausen-Regelung ermöglicht die Unterschreitung der 15-Minuten-Mindestpausendauer. Um sie zu nutzen, ist eine tarifvertragliche Regelung auf Basis der entsprechenden Öffnungsmöglichkeiten des Arbeitszeitgesetzes (gemäß § 7 Abs. 1 Ziff. 2 ArbZG) erforderlich beziehungsweise, wenn keine Bindung an einen Tarifvertrag vorliegt, die Bezugnahme auf einen solchen mittels Betriebs- oder Dienstvereinbarung, bei Einrichtungen ohne Betriebsrat durch Einzelvereinbarung mit den Mitarbeitern. In der Regel werden solche Pausen wegen eingeschränkter Pausenqualität auf die Arbeitszeit angerechnet, also vergütet; aber auch dies hängt von den jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Auch Kurzpausen sind jedoch Pausen, was haftungsrechtlich (Organisationsverschulden) kritisch sein kann, wenn der Mitarbeiter in der Kurzpause nicht erreichbar war und schlimmstenfalls deshalb ein Patient zu Schaden kommt. 2.5.3.4 Erreichbarkeitsregelung im Notfall Nur dann und wenn die oben beschriebenen personaleinsatzorganisatorischen Möglichkeiten zuvor ausgeschlossen wurden, kann eine Erreichbarkeitsregelung als letztes Mittel infrage kommen. Zudem sind solche Regelungen nur auf Basis der arbeitszeitrechtlichen Öffnungsklausel gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 ArbZG möglich; eine Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde oder eine aufsichtsbehördliche Ausnahmebewilligung nach § 15 Abs. 2 ArbZG können ratsam sein. Der Mitarbeiter muss während seiner Pause für vorab definierte Ereignisse (Indikationen) erreichbar sein. Dabei sollte sichergestellt werden, dass der Mitarbeiter nicht über das reguläre Telefon oder die Klingelanlage alarmiert wird, sondern über eine separate Telefonnummer. Zudem darf nur ein eingeschränkter Personenkreis den Mitarbeiter alarmieren, zum Beispiel der diensthabende Arzt.

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Abb. 2.26  Notfallerreichbarkeit während der Ruhepausen

Zusätzlich kann der Aufenthaltsort des Mitarbeiters eingeschränkt werden, damit eine zeitige Rückkehr an den Arbeitsplatz sichergestellt ist. Das kann auch bedeuten, dass der Mitarbeiter seine Pause nur im Pausenraum auf der Station oder im Dienstzimmer nehmen darf, dort dann aber nur in zuvor beschriebenen Ausnahmefällen gestört wird. Es kann nun im Pausenfall passieren, dass der Mitarbeiter noch keine 15 Minuten Pausenzeit erreicht hat, wenn er zu einem Notfall herangezogen wird. Der Mitarbeiter bricht dann seinen „Pausenversuch“ aufgrund des Notfalls ab und beginnt die Pause sobald möglich erneut – und zwar von vorn, also die gesamten 15 Minuten. Für die neue Pause liegt das geplante Pausenende also wiederum mindestens 15 Minuten nach dem Pausenbeginn, wie Abb. 2.26 zeigt. Um die Abbruchwahrscheinlichkeit so gering wie möglich zu halten, bietet es sich daher an, einen ausreichend großen Pausenkorridor einzurichten und die Gesamtpause auf jeweils 15-minütige Abschnitte aufzuteilen.

Zusammenfassung 

Auch bei Einzelbesetzungen müssen grundsätzlich organisatorische Vorkehrungen getroffen werden, damit eine Pausennahme entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen möglich ist. Insgesamt können vier Verfahren unterschieden werden: • Vertretung durch Nachbarbereiche: Dies ist insbesondere dann interessant, wenn sich die Patienten- oder Bewohnerklingel auf andere Bereiche aufschalten lässt.

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• Pausenspringer: Hier ist ein Mitarbeiter vorrangig für die Auslösung von Pausen anwesend und zieht hierfür von einer Station zur nächsten. • Kurzpausenregelung: Dies setzt entsprechende Regelungen voraus. • Erreichbarkeitsregel: Der Aufenthaltsort wird mangels anderer organisatorischer Möglichkeiten eingeschränkt. Zudem muss der Mitarbeiter für Notfälle erreichbar sein, wobei etwaige Pausenunterbrechungen zu einer Wiederholung der gesamten 15-Minuten-Mindestpause führen.

2.5.4 Wie sich der Wochenfaktor auf die Dienstplanung auswirkt Auch der Wochenfaktor – also die Anzahl der durchschnittlich pro Woche erbrachten Arbeitstage – schränkt die Möglichkeiten einer rein am Bedarf ausgerichteten Dienststruktur ein (Abschn. 2.2). Die meisten tarifvertraglichen Regelungen lassen aber durchschnittlich fünf bis sechs Arbeitstage pro Woche zu. Es geht wohlgemerkt um den Durchschnitt. Es ist möglich und üblich, einen Mitarbeiter zu mehr als fünf oder sechs Arbeitstagen am Stück einzuteilen! In der Pflege wird meist durchschnittlich an 4,7 bis 5,5 Tagen pro Woche gearbeitet. Nur im Bereich der Altenpflege wird noch häufiger an durchschnittlich bis zu sechs Tagen gearbeitet (Muster: zwölf Tage arbeiten – zwei Tage arbeitsfrei) – jeweils bezogen vorrangig auf Vollzeitmitarbeiter. In der 5-Tage-Woche erbringt ein Mitarbeiter beispielsweise circa 200 Dienste pro Jahr, in der 5,5-Tage-Woche zum Beispiel (200/5 * 5,5 = ) 220 Dienste. Er hat bei einer mittleren 5,5-Tage-Woche also etwa 20 Arbeitstage mehr und somit 20 weniger arbeitsfreie Tage als bei einer durchschnittlichen 5-Tage-Woche. Im Zuge höherer Freizeitorientierung und zur Vermeidung des mit Arbeitstagen verbundenen Gesamtaufwandes (vor allem durch Wegezeiten) geht der Trend auch in der Pflege in Richtung eines Wochenfaktors von 5,0 oder weniger. Die 5-Tage-Woche kann wegen der weniger zu arbeitenden Tage die Attraktivität am Arbeitsmarkt steigern. Oftmals sind kaum neue Mitarbeiter zu rekrutieren, wenn sie mehr als durchschnittlich fünf Tage pro Woche arbeiten müssen. Allerdings gibt es gegen diesen Grundtrend aus mehreren Gründen auch Beharrungskräfte: • Kürzere Dienstdauern: Mitarbeiter schätzen oftmals durchschnittliche Dienstdauern von lediglich sieben Stunden, die bei einer 38,5-Stunden-Woche und einem Wochenfaktor von 5,5 erreicht werden. Zudem ermöglichen entsprechend kurze Früh- und Spätdienste in Verbindung mit langen Nachtdiensten die bei vielen Mitarbeitern gern gesehenen „kurzen Wechsel“ von Spät- auf Frühdienste. Bei einer 5,5-Tage-Woche sind solche langen Nachtdienste üblich, da die Tagdienste entsprechend kürzer sind, aber ebenfalls 24 Stunden abgedeckt werden müssen. Bei einer 5-Tage-Woche fällt dies schon schwerer, da bei Verlängerung der Nachtdienste häufig dafür der Kompromiss einer unverhältnismäßig langen Überlappungszeit zwischen Früh- und Spätdienst gewählt werden muss.

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• Kürzere Übergaben: Bei einer 5,5-Tage-Woche kann fast „automatisch“ die Übergabezeit verkürzt werden. Sonst fällt die Abdeckung des gesamten Tages schwer, ohne den Nachtdienst übermäßig zu verlängern. Da Übergabezeiten grundsätzlich kürzer gestaltet werden sollten oder – besser noch – ganz entfallen können (Abschn. 2.5.1), ist dies ein großer Vorteil. • Höhere Kontinuität der Betreuung: Ein höherer Wochenfaktor von zum Beispiel 5,5 erhöht die personelle Betreuungskontinuität, da der Mitarbeiter an mehr Arbeitstagen anwesend ist. • Stabilere Dienstpläne: Ein höherer Wochenfaktor erhöht die Dienstplanstabilität. Die Besetzungsstärke ist höher. Damit ist das Dienstplangerüst robuster gegen Schwankungen. Dies beleuchten wir in Abb. 2.27. • Teilzeit-Integration: Bei höherem Wochenfaktor ist es einfacher, Mitarbeiter mit geringen Stellenanteilen zu integrieren. Diese sind bei einer 5-Tage-Woche und der Einteilung regulärer Dienste einfach an weniger Arbeitstagen im Dienst, wenn es keine speziellen Teilzeitdienste gibt. Bei einer 50-Prozent-Kraft sind es in einer 5-TageWoche nur 100 Dienste pro Jahr beziehungsweise durchschnittlich acht Dienste pro Monat, die diese Mitarbeiter effektiv vor Ort eingesetzt sind. Da ist es nicht verwunderlich, dass ihnen oftmals Abläufe nicht mehr so leicht von der Hand gehen. Zusätzlich ist es für diese Mitarbeiter oft besonders schwierig, Neuerungen routiniert umzusetzen. Bei einer 5,5-Tage-Woche ist immerhin beinahe ein zusätzlicher Dienst pro Monat einteilbar.

Abb. 2.27  Wochenfaktor und Dienstanzahl pro Mitarbeiter und Jahr

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Abb. 2.28  Dienstplanstabilität – Vergleich zwischen 5-Tage-Woche und 5,5-Tage-Woche

• Mehr Dienste: Durch die höhere Anzahl der Dienste je Mitarbeiter und Jahr können mehr Dienste eingeteilt werden. Dies hat zwei Vorteile: – Zum einen verteilt sich dann die Auslastung auf mehr Köpfe und Auslastungsspitzen können zielgerichteter abgefangen werden. – Zum anderen ist bei Ausfällen der Druck zum sofortigen Nachjustieren nicht so hoch. Abb. 2.28 zeigt ein Beispiel: Ein Frühdienst ist bei einer 38,5-Stunden-Woche und einer 5-Tage-Woche 7,7 Stunden lang (das entspricht einem Fünftel der wöchentlichen Arbeitszeit). Hingegen führen sieben Stunden Dienstdauer zu einer 5,5-Tage-Woche. Im Beispiel dürfen jeden Tag im Frühdienst 77 Stunden verplant werden. Das bedeutet bei 5-Tage-Woche, dass täglich zehn Mitarbeiter anwesend sind. Bei 5,5-Tage-Woche sind es elf Mitarbeiter, also ein Mitarbeiter mehr. Im Beispiel sind im Frühdienst 100 Betten zu betreuen. Bei 5-Tage-Woche betreut also ein Mitarbeiter (100/10 =) zehn Patienten. Bei 5,5-Tage-Woche sind es (100/11 =) neun Patienten. Wenn nun ein Mitarbeiter bei der 5-Tage-Woche ausfällt, erhöht sich für die verbliebenen neun Mitarbeiter die Auslastung im Dienst auf (100/9 =) elf Patienten. Bei der 5,5-Tage-Woche auf (100/10 =) zehn Betten. Durch die bei 5,5-Tage-Woche kleineren Betreuungsbereiche ist bei unvorhergesehenem Personalausfall die Zusatzbelastung niedriger. Ein kurzfristiger Abruf aus dem Frei ist infolge der vielen Arbeitstage in der 5,5-Tage-Woche schwieriger, dafür aber eben seltener erforderlich. Das bedeutet, dass Dienstpläne bei einer 5,5-Tage-Woche meist stabiler gestaltet werden können, da kurzfristige Veränderungen infolge der geringeren Auslastung je Dienstlage nicht direkt erfolgen müssen.

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2  Grundlage guter Dienstplanung: Den Besetzungsbedarf … Zusammenfassung 

Der Wochenfaktor wirkt sich auf die Gestaltungsspielräume bei der Erstellung von Dienstplänen aus, da sich dadurch die Dienstzeiten wie auch die Soll-Besetzungsstärke verändern. In der 5-Tage-Woche müssen die Mitarbeiter im Schnitt weniger Dienste pro Jahr leisten als bei höherem Wochenfaktor. Gleichzeitig steigt aber bei kurzfristigen Ausfällen auch der Druck, diese auszugleichen, weil die Auslastung überproportional steigt. Allerdings ist die 5-Tage-Woche oftmals ein Instrument zur Mitarbeitergewinnung, so dass diese Nachteile in Kauf genommen werden. Die 5,5-Tage-Woche hingegen hat für den einzelnen Mitarbeiter den potenziellen Nachteil, dass mehr Dienste pro Jahr geleistet werden müssen. Gleichzeitig verkürzt sich aber auch die Arbeitszeit pro Tag. Dienstpläne werden stabiler, da nicht jeder Ausfall gleich nachbesetzt werden muss – gegenüber einer 5-Tage-Woche sind ja durchschnittlich mehr Mitarbeiter im Dienst. Durch kürzere Dienstzeiten ergeben sich auch häufig kürzere und damit effizientere Übergabezeiten.

Literatur 1. Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen gemäß § 136 Absatz 1 Nummer 2 SGB V in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 SGB V in der Fassung vom 20. September 2005, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2005 S. 15 684, in Kraft getreten am 1. Januar 2006, zuletzt geändert am 18. Mai 2017, veröffentlicht im Bundesanzeiger BAnz AT vom 23. August 2017 B1, in Kraft getreten am 24. August 2017 2. Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Qualitätssicherung für die stationäre Versorgung bei der Indikation Bauchaortenaneurysma in der Fassung vom 13. März 2008, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 71 (S. 1706) vom 14. Mai 2008 in Kraft getreten am 1. Juli 2008, zuletzt geändert am 7. Dezember 2016, veröffentlicht im Bundesanzeiger (BAnz AT 23. 12.2016 B6), in Kraft getreten am 1. Januar 2017 3. Albrecht M et al (2017): Faktencheck Pflegepersonal im Krankenhaus. Internationale Empirie und Status quo in Deutschland. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 4. Aldridge C et al. (2016): Weekend specialist intensity and admission mortality in acute hospital trusts in England: a cross-sectional study. in: The Lancet Volume 388 Nr. 10040 09.07.2016 5. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/97379/Ministerium-legt-Details-zu-Pflegepersonaluntergrenzen-fest. (zugegriffen am 10.09.2018; zur Drucklegung dieses Buches war die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung noch nicht abgeschlossen und nicht veröffentlicht)

3

So einfach geht gute Dienstplanung!

3.1

Überblick: Varianten der Dienstplanung

3.1.1 Auswahlkriterien Die möglichen Verfahren, Dienstpläne zu gestalten, kann man nach drei Kriterien sortieren: • Langfristigkeit: Wie langfristig ist die Planung? Es gibt in der Praxis mitunter Wochenpläne. Am häufigsten sind in der Pflege Monatspläne. Teilweise wird mit Acht-Wochen-Plänen gearbeitet. Langfristige Planvarianten sind Jahresdienstpläne oder sogar über den Jahreszeitraum hinweg laufende „ewig“ durchlaufende Pläne. • Vorstrukturierungsgrad: Wie konkret ist der Dienstplan ausgeplant? Hier reicht die Palette von Freie-Tage-Plänen – aus denen zunächst nur hervorgeht, welche Tage arbeitsfrei sind und an welchen Tagen folglich zu arbeiten ist – über Rahmendienstpläne, die zunächst einen vorstrukturierten Dienstrhythmus enthalten, der später durch eine verfeinerte Planung ausgereift wird, bis hin zu von vornherein vollständig ausgeplanten Dienstplänen. • Individualisierungsgrad: Wie stark können mitarbeiterbezogene Anforderungen von vornherein in den Dienstplan einfließen (also nicht erst durch Dienst- und Freie-TageTausche)? Hier reicht die Spannweite von teambezogen einheitlichen Dienstplänen bei somit geringem Individualisierungsgrad bis hin zu mitarbeiterindividuellen Einsatzplänen.

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© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Herrmann, C. Woodruff, Dienstplanung im stationären Pf legedienst, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22581-0_3

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1003  So einfach geht gute Dienstplanung!

Abb. 3.1 zeigt nun, wie man typische Dienstplanverfahren den Kriterien zuordnen kann. Es wird daraus deutlich, dass bei der Auswahl des geeigneten Planungsverfahrens Abwägungen zu treffen sind. Wer langfristig planen will, wird weniger individualisiert planen müssen. Die Individualisierung des Dienstplanes (Kap. 4) muss dann vorrangig durch Tausche erfolgen. Monatsdienstpläne bilden in dieser Betrachtung einen Kompromiss aus Planbarkeit und Individualisierung. Da sie immer wieder neu erstellt werden, können auch vergleichsweise kurzfristige Wünsche der Kollegen berücksichtigt werden. Allerdings ist dadurch, dass sie allmonatlich neu erstellt werden, ihr zeitlicher Vorhersagehorizont stark eingeschränkt. Grundsätzlich sollte eine langfristige Planung favorisiert werden: Für die Mitarbeiter ergibt sich eine höhere Verlässlichkeit in Bezug auf die Planung privater Belange. Dienstplanwünsche reduzieren sich, weil bestimmte private Vorhaben von vornherein auf den Dienstplan abgestimmt werden. Für den Dienstplaner bringt eine langfristige Planung besonders dann eine Arbeitserleichterung, wenn zusätzlich noch ein Ausfallzeitenmanagement etabliert wird (Kap. 5). Dennoch dominieren in der Pflege immer noch Monatsdienstpläne (Abschn. 3.3). Ihr Kennzeichen ist, dass die Dienstpläne jeden Monat komplett neu erstellt werden. Auch Vier- oder Acht-Wochen-Pläne, wie sie mitunter anzutreffen sind, fallen in diese Kategorie. Es wird also „ein weißes Blatt“ genommen und anschließend der Dienstplan „gebastelt“. Würden sich die Besetzungsanforderungen oder die Personalverfügbarkeiten permanent ändern, wäre dies möglicherweise sachgerecht. Doch sind die Besetzungsanforderungen in der Pflege fast immer grundsätzlich über lange Zeit konstant. Und auch die Mitarbeiter

Abb. 3.1  Zuordnung der Dienstplanverfahren zu den Dienstplankriterien

3.1  Überblick: Varianten der Dienstplanung

101

im Stellenplan ändern sich zwar, aber nicht ständig. Insofern stellt sich auch die Frage des Dienstplanungsaufwandes, der erzeugt wird, wenn bei relativ stabilen Besetzungsbedarfen der Dienstplan immer wieder neu „erfunden“ werden muss. Einerseits hat sich der kurze Planungshorizont in der Pflege über viele Jahrzehnte etabliert. Andererseits fragen immer mehr Mitarbeiter, warum sie zum Beispiel im Januar nicht bereits vorhersehen können, wann und wie sie im April arbeiten – wo dies doch in anderen Branchen gang und gäbe ist. Zudem weisen viele Monatsdienstpläne erhebliche methodische Defizite auf, weil sie stärker an der Monatssollarbeitszeit als an der Soll-Besetzung ausgerichtet werden. Auch wenn also das Monatsdienstplan-Verfahren beibehalten werden soll, ist häufig eine Reihe von Verbesserungen des bestehenden Verfahrens sinnvoll, um die Dienstplanqualität zu verbessern.

3.1.2 Alternativen zum Monatsdienstplan Ist die Abkehr vom Monatsdienstplan geplant, ergeben sich mehrere alternative Verfahren: • Grunddienstplanung (Abschn. 3.4): Ein Grunddienstplan ist – wie ein Schichtplan – ein festes Raster aus Dienstrhythmen und arbeitsfreien Tagen, das nach Durchlauf über eine bestimmte Anzahl von Wochen wieder von vorn beginnt. Was bei einem Kanon die Melodie ist, sind beim Grunddienstplan die Kalenderwochen. Ist der Kanon gesungen, beginnt er von vorn. Zudem treten – ebenfalls analog zum Kanon-Singen – die Mitarbeiter wochenweise versetzt in den Dienstplan ein. Auf diese Weise sind immer sämtliche zu besetzenden Dienste abgedeckt. Grundlage der Dienstplanung ist dabei stets die Soll-Besetzung. Grunddienstpläne werden jahresbezogen erstellt. Damit ermöglichen sie verlässliche und vorhersehbare Dienste, da bereits der Großteil des Plans bekannt ist. Es müssen im Laufe des Jahres nur noch bei der Jahresplanung nicht vorhersehbare Abweichungen eingebaut werden. • Rahmendienstpläne (Abschn. 3.5): Rahmendienstpläne bieten eine Vorstrukturierung ähnlich den Grunddienstplänen. Im Gegensatz zu Grunddienstplänen werden aber noch nicht alle Dienste (zum Beispiel die Nachtdienste) berücksichtigt. Damit ändert sich dieser Plan noch stärker als ein Grunddienstplan. Aber auch hier ist durch die Vorstrukturierung die langfristige Vorhersehbarkeit besser als bei Monatsplänen. Monatspläne können dann dazu dienen, die Rahmendienstpläne monatsweise auszuplanen. Umgekehrt strukturieren die Rahmendienstpläne die Monatsdienstplanung vor und vereinfachen sie so. • Freie-Tage-Pläne (Abschn. 3.6): Hier wird zunächst – ebenfalls langfristig, zum Beispiel für ein Kalenderjahr – ein Grundrhythmus erstellt, der jedoch nur die festen freien Tage enthält. Die konkreten Dienste werden dann im Rahmen einer kurzfristigen Planung – meist wieder mittels Monatsdienstplanung – eingepflegt, wenn die Abwesenheiten und etwaige Schwankungen des Arbeitsaufkommens bekannt sind.

1023  So einfach geht gute Dienstplanung!

Gegenüber Grunddienst- und Rahmenplänen muss mehr nachgearbeitet werden. Für die Mitarbeiter besteht aber der Vorteil, dass Sie sich langfristig auf ihre freien Tage einstellen können. • Einsatzplanung (Abschn. 3.7): Die Einsatzplanung ist noch der Exot in der pflegerischen Dienstplanung. Vor der Einsatzplanung geben die Mitarbeiter ihre individuellen zeitlichen Verfügbarkeiten (Angebot) bekannt. Der Personaleinsatzplaner wiederum definiert den Besetzungsbedarf (Nachfrage). Nun wird mittels eines EDV-Systems nach festgelegten Spielregeln beides weitestmöglich in Übereinstimmung gebracht und die individuellen Einsatzpläne generiert. Da die diesbezüglichen technischen Möglichkeiten immer besser werden, ist von einer zunehmenden Nutzung von Einsatzplanungsverfahren auch in der Pflege auszugehen.

Zusammenfassung 

Es gibt nicht einen guten Dienstplan – aber es gibt Fertigkeiten, die ein guter Dienstplaner erlernen sollte. Das nötige Handwerkszeug stellt dieses Kapitel vor. Dabei unterscheiden wir fünf Planungsverfahren der Dienstplanung: • Monatsdienstplanung • Grunddienstplanung • Rahmendienstpläne • Freie-Tage-Pläne • Einsatzplanung

3.2

Arbeitswissenschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen

3.2.1 Welche Dienstrhythmen empfohlen werden können 3.2.1.1 Keine allgemeingültigen Aussagen Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sieht vor, dass „[d]ie Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer […] nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen“ ist (§ 6 Abs. 1 ArbZG). Dies ist zunächst einleuchtend – wird in der Umsetzung aber dadurch erschwert, dass solche gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse leider bis heute nicht vorliegen (Abschn. 1.2.3). Es gibt keine ausreichend gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse dazu, welche Dienstrhythmen besonders „gut“ oder „schlecht“ für den einzelnen Mitarbeiter sind. Und wenn man sich an die vermeintlich gesicherten Erkenntnisse hält, wie sie in einigen Publikationen propagiert werden, stellt man häufig fest, dass diese den Wünschen und Bedürfnissen der Mitarbeiter entgegenlaufen. Auch die Rechtsprechung hilft hier nicht weiter (Abschn. 3.2.2). Letztlich kommt man nicht umhin, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung gemäß Arbeitsschutzgesetz innerbetrieblich eigene Vorstellungen zu entwickeln, welche Regeln für Dienstrhythmen als allgemeine Grundsätze festgelegt werden können.

3.2  Arbeitswissenschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen

103

Da die Arbeitsmedizin noch – und wohl auch in absehbarer Zukunft – keine grundlegenden Aussagen zum guten Dienstplan treffen kann, ist hier Fingerspitzengefühl gefragt. Denn als wie belastend oder entspannt ein Dienstplan eingeschätzt wird, ist subjektiv. Auf einer Station mag es üblich sein, grundsätzlich „Schaukeldienste“ von Spät auf Früh und wieder auf Spät einzuteilen. Auf der Nachbarstation achtet der Dienstplaner darauf, immer eine Früh- und eine Spätwoche einzuteilen. Und auf beiden Stationen sind die Mitarbeiter ähnlich zufrieden mit ihrem Dienstplan. Es gibt also nicht die Patentlösung, was Dienstrhythmen angeht. Vieles baut auf Gewohnheiten auf, denn „das haben wir schon immer so gemacht“. Trotzdem können aus unserer Sicht die nachstehenden Grundregeln in fast allen Plänen berücksichtigt werden. Die wichtigste Botschaft: Es sollten keine Regeln aufgestellt werden, die eine Dienstplanung unmöglich machen. Dieser scheinbar triviale Satz ist leider keine Selbstverständlichkeit – wie man allein schon an den in sich häufig widersprüchlichen üblichen Empfehlungen zu arbeitswissenschaftlich empfohlenen Dienstrhythmen sehen kann; siehe erneut Abschn. 1.2.3. Oftmals geht es bei einer Diskussion mit den Mitarbeitern über geeignete Dienstrhythmen um den Zielkonflikt zwischen der Dauer der Dienstblöcke – also der Anzahl der infolge zu erbringenden Dienste – und der Dauer der arbeitsfreien Tage „am Stück“. Je kürzer die Dienstblöcke sind, desto häufiger müssen einzelne arbeitsfreie Tage eingeteilt werden. Man kann also (als Vollzeitmitarbeiter) selten beides haben: kurze Blöcke und keine einzelnen arbeitsfreien Tage. Nun gibt es Mitarbeiter, die kurze Dienstblöcke bevorzugen und dafür auch einzelne arbeitsfreie Tage in Kauf nehmen. Anderen wiederum sind isolierte arbeitsfreie Tage ein Graus, sie nehmen lieber längere Blöcke in Kauf, um anschließend auch mindestens zwei Tage hintereinander frei zu haben. Nie werden alle Mitarbeiter gleichermaßen zufriedengestellt werden können.

3.2.1.2 Mögliche Regeln für Dienstrhythmen Nun wird man auf der Grundlage der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht nicht jeden von den Mitarbeitern gewünschten Dienstrhythmus zulassen können. Stattdessen können einige wenige Regeln aufgestellt werden. Wir nennen hier einige Beispiele (ohne Empfehlungscharakter): • Anzahl der Dienste am Stück: Es sollten maximal sieben Dienste am Stück eingeteilt werden. Nur im Falle der Vertretung von Ausfallzeiten sollten bis zu maximal zehn Dienste am Stück zugelassen werden (zum Umgang mit dafür erforderlichen Vertretungsdiensten siehe Abschn. 3.4.3). Die erste Regel ermöglicht, dass dienstplanmäßig einzelne arbeitsfreie Tage weitestmöglich vermieden werden können. Die zweite Regel ermöglicht, dass Urlaubszeiten bei jahresbezogen konstantem Besetzungsbedarf nicht vollkommen gleichmäßig verteilt werden müssen, sondern höhere Urlaubsquoten für die Mitarbeiter in den Haupturlaubszeiten ermöglicht werden können. Wenn kürzere Schichtfolgen als die genannten gewünscht werden, muss die Konsequenz klar kommuniziert werden: Es werden – bei Vollzeitmitarbeitern – mehr einzelne freie Tage eingeteilt. Von der vorstehenden Regel wird bei einem Wochenfaktor (Abschn. 2.5.4) von 6,0 (wie er mitunter in der Altenpflege praktiziert wird) abgewichen werden müssen,

1043  So einfach geht gute Dienstplanung!

um zwei zusammenhängende Tage ermöglichen zu können. Dann lautet der Dienstrhythmus: zwölf Arbeitstage und anschließend zwei arbeitsfreie Tage. Allerdings sind die einzelnen Dienste bei einem hohen Wochenfaktor auch deutlich kürzer. Wochenenden: Wochenenden sollten zusammenhängend gearbeitet werden oder zusammenhängend frei sein, es sollte also möglichst selten eine Teilung von einen Dienst am Samstag und dem Sonntag frei oder einem freien Samstag, um dann den Sonntag zu arbeiten, vorkommen. Aber auch diese Regel werden nicht alle Mitarbeiter teilen wollen, so dass man von ihr selbstverständlich Abweichungen bei Mitarbeiterinteresse zulassen sollte. Die arbeitsfreien Wochenenden sollten über den Kalender gleichmäßig verteilt werden. Sofern dies mathematisch möglich ist, sollte im Wechsel ein freies und ein Dienstwochenende eingeplant werden. • Nachtdienste: Werden mehr als drei Nachtdienste am Stück eingeteilt, sollten sich (inklusive des „Ausschlaftags“ am Morgen nach der letzten Nacht) mindestens zwei arbeitsfreie Tage anschließen. • Feiertage: Zur Besetzung der Feiertage können „Feiertagspärchen“ gebildet werden. Jeder Mitarbeiter arbeitet dann an einem der beiden Feiertage. Mögliche Pärchen sind: Ostern und Pfingsten, Weihnachten und Silvester, Tag der deutschen Einheit und Allerheiligen. Individuelle Abweichungen von diesen Grundregeln sollten für die Mitarbeiter möglich sein – etwa im Rahmen von Tauschen (Abschn. 4.5), solange die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes und des geltenden Tarifvertrages eingehalten werden.

3.2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen der Dienstplangestaltung Bei der Neuaufstellung von Dienstplänen müssen in der Regel bestehende Dienstplanverfahren und Dienstrhythmen verändert werden. Das wird nicht immer zur Freude aller Beteiligten erfolgen, selbst dann, wenn sich die Arbeitszeitbedingungen für die Mitarbeiter verbessern. Deshalb sollten einige rechtliche Rahmenbedingungen dazu bekannt sein.

3.2.2.1 Mitbestimmung Zunächst weisen wir erneut auf das umfassende Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung (Betriebsrat/Personalrat) bei der Dienstplanung hin. Grundsätzlich ist jeder aufgestellte Dienstplan mitzubestimmen. Beide Betriebsparteien können sich im Rahmen der Mitbestimmung jedoch auf Grundsätze und Spielregeln einigen, nach denen der Arbeitgeber Dienstpläne erstellen kann. Dies hat aber natürlich nichts mit einem Verzicht auf die Mitbestimmung zu tun, sondern mit deren Konkretisierung. In der Praxis vieler Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser einigen sich die Betriebsparteien beispielsweise darauf, dass dem Betriebsrat das vollständige Leserecht im PEP-System eingeräumt wird und dass neue Dienstpläne, sofern sie nach bestimmten, ebenfalls gemeinsam vereinbarten Regeln aufgestellt wurden, als mitbestimmt gelten,

3.2  Arbeitswissenschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen

105

sofern nicht im Rahmen der Überprüfung der Dienstpläne auf Basis des Leserechtes Regelverstöße festgestellt werden. „Die Betriebsparteien sind frei in der Entscheidung, ob sie sich auf eine Regelung über die Grundsätze der Schichtplanung beschränken, oder ob sie jeden einzelnen Schichtplan selbst aufstellen wollen. Begnügen sie sich mit der Regelung von Kriterien und Grundsätzen, ist es zulässig, die Aufstellung von Einzelschichtplänen nach diesen Vorgaben dem Arbeitgeber zu überlassen ….“ [1] „Wird das Mitbestimmungsrecht durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung ausgeübt, kann diese vorsehen, dass der Arbeitgeber unter bestimmten – in der Betriebsvereinbarung geregelten – Voraussetzungen eine Maßnahme allein treffen kann. Durch eine solche Regelung darf das Mitbestimmungsrecht allerdings nicht in seiner Substanz beeinträchtigt werden. Der Betriebsrat kann sein Mitbestimmungsrecht deshalb nicht in der Weise ausüben, dass er dem Arbeitgeber das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffnet.“ [2]

3.2.2.2 Betriebliche Übung? Werden Dienstplanverfahren, Dienstrhythmen oder Dienstzeiten neu gestaltet, stellt sich die Frage, ob neben der kollektivrechtlichen Betrachtung auch der einzelne Mitarbeiter Einflussmöglichkeiten haben soll. Schließlich haben sich Mitarbeiter an bestimmte zeitliche Gegebenheiten gewöhnt, die nun durch Änderungen womöglich aufgebrochen werden. Ein solches „Gewohnheitsrecht“, das als „betriebliche Übung“ bezeichnet wird, das in anderen Feldern der Arbeitsbedingungen – etwa bei der Gestaltung arbeitgeberseits freiwilliger Entgeltleistungen – existiert, wird vom Bundesarbeitsgericht für Fragen des Personaleinsatzes grundsätzlich verneint: „Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. … Inhalt einer betrieblichen Übung kann jeder Gegenstand sein, der arbeitsvertraglich geregelt werden kann … Je intensiver eine Regelung das Funktionieren eines Betriebs in seiner Gesamtheit betrifft, umso mehr müssen die Arbeitnehmer davon ausgehen, dass sich der Arbeitgeber mit einem bestimmten Verhalten nicht individualrechtlich binden wolle … “ [3] „ … Allein daraus, dass ein Arbeitgeber eine bestimmte Personaleinsatzplanung über einen längeren Zeitraum hinweg beibehält, kann ein Arbeitnehmer nicht auf den Willen des Arbeitgebers schließen, diese Planung auch künftig unverändert beizubehalten und sich gegenüber den Arbeitnehmern insoweit individualvertraglich zu binden. … “ [4]. 3.2.2.3 Keine rechtlichen Vorgaben zu Dienstrhythmen Individualrechtlich gibt es auch keine Möglichkeit, mit Verweis auf arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse gegen bestimmte Dienstrhythmen vorzugehen – mangels eben genau dieser Erkenntnisse, urteilte das Bundesarbeitsgericht zur Frage der Anzahl der nacheinander zu leistenden Nachtdienst einer Nachtwache: „Der Arbeitgeber kann kraft seines Direktionsrechts die Anzahl der in Folge zu leistenden Nachtwachen einseitig nach

1063  So einfach geht gute Dienstplanung!

billigem Ermessen festlegen, soweit durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag keine Regelung betroffen ist“ [5] und die Mitbestimmung beachtet wird. „Es gibt keine gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnisse darüber, ob eine kürzere oder längere Schichtfolge die Gesundheit der Arbeitnehmer stärker beeinträchtigt“ [6]

3.2.2.4 Anzahl der Arbeitstage „am Stück“ Das Arbeitszeitgesetz kennt keine höchstzulässige Anzahl von Diensten in Folge – mit Ausnahme der Regelung zum Ersatzruhetag für Sonntags- und Feiertagsarbeit (Abschn. 2.2.2). Da es aber bei entsprechend geschickt gestalteter Lage der Ersatzruhetage zu einer Dienstfolge von bis zu 32 Tagen kommen könnte, wird man nicht umhinkommen, eigene Maßstäbe für die Begrenzung der Zahl der Dienste zu finden (siehe unsere Hinweise in Abschn. 3.2.1). Zudem ist natürlich auf die jeweiligen tarifvertraglichen Regelungen zu achten. Auf „der sicheren Seite“ wird man hier zumeist sein, wenn man nicht mehr als zwölf Arbeitstage „am Stück“ duldet. Dessen ungeachtet ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung auf der Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) auch die Arbeitszeitgestaltung einzubeziehen. Gemäß § 5 Abs. 3 ArbSchG ist (auch) die Arbeitszeitgestaltung bei der Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu betrachten. Daher sollte die Frage längerer planmäßiger Folgen von Arbeitstagen in die ohnehin durchzuführende Gefährdungsbeurteilung explizit einbezogen werden. Zusammenfassung 

Da gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zur Dienstplanung fehlen, können sich Vorgaben zu Dienstrhythmen nur an wenigen allgemeinen Regeln orientieren. Dabei ist auf den Zielkonflikt kürzerer Dienstblöcke mit dem Wunsch nach mehreren arbeitsfreien Tagen „am Stück“ zu achten. Arbeitsrechtlich besteht in der Regel kein individueller Anspruch auf einen bestimmten Dienstrhythmus oder auf eine Fortführung einstmals praktizierter Dienstzeiten und -lagen, wenn diese geändert werden.

3.3

Monatsdienstpläne: Vom vertikalen zum horizontalen Blick

3.3.1 Planung mit der Soll-Besetzung, nicht mit der Monatssollarbeitszeit Unabhängig vom gewählten Dienstplanverfahren muss der Fokus auf einen Parameter gelegt werden: die Soll-Besetzung. Diese ist die Grundlage für alle gelingenden Dienstpläne, wie auch schon in Kap. 2 erläutert. Es geht also nicht mehr darum, beispielsweise einen Mitarbeiter nur mit seiner monatlichen Sollarbeitszeit zu verplanen, sondern täglich die Soll-Besetzung dienstplanmäßig einzuhalten. Schauen wir uns dazu den Klassiker der Dienstplanung an: die Monatsdienstplanung.

3.3  Monatsdienstpläne: Vom vertikalen zum horizontalen Blick

107

3.3.1.1 Konstruktionsfehler Monatssollarbeitszeit Gegen Monatsdienstpläne ist methodisch dann wenig einzuwenden, wenn ihr wichtigster Konstruktionsfehler vermieden wird: die Fokussierung auf die monatliche Sollarbeitszeit je Mitarbeiter. Das ist der falsche Ansatz. Vielmehr muss die Soll-Besetzung als Zielgröße gelten. Wurde diese korrekt errechnet, ergibt sich über einen längeren Zeitraum bei einer gleichmäßigen Einteilung aller Mitarbeiter „automatisch“ die Einhaltung der Sollarbeitszeit, jedoch nur selten in einem einzelnen Monat. Worin liegt nun das Problem bei der Planung auf Basis der Monatssollarbeitszeit? Wie Abb. 3.2 zeigt, schwankt sie jeden Monat automatisch durch Feiertage und die Anzahl der in einen Monat fallenden Wochenenden. Damit schwankt also monatlich das Arbeitszeitangebot, auch wenn der Arbeitszeitbedarf ähnlich hoch bleibt. Die Soll-Besetzung in Monaten mit vielen Feiertagen sinkt in der Regel nicht wie das Arbeitszeitangebot. Orientiert man sich nun strikt an der Monatssollarbeitszeit, muss entweder in bestimmten Monaten allein aufgrund der Feiertage oder der Lage der Wochenenden die Versorgung verschlechtert werden. Oder es entstehen, wenn die Soll-Besetzung eingehalten wird, in diesen Monaten Zuwächse auf dem Zeitkonto, ohne dass – wegen der Einhaltung der Monatssollarbeitszeit auch in den anderen Monaten – diese zu anderen Zeiten ausgeglichen werden. Manche Einrichtungen passen gar die planmäßige Abwesenheitsquote durch monatlich entsprechend variierte Urlaubsquoten der Monatssollarbeitszeit an. Entweder leidet die Soll-Besetzung, oder die durchschnittliche Einhaltung der Vertragsarbeitszeit wird gefährdet: Es kommt zu auflaufenden Zeitkonten (Abschn. 6.2)

Abb. 3.2  Schwankungen des Arbeitszeitangebots bei Monatsdienstplänen

1083  So einfach geht gute Dienstplanung!

beziehungsweise Mehrarbeit oder Überstunden (Abschn. 6.3) Wenn aber der Dienstplan gut werden soll, kann beides nicht gewünscht sein. Die Einhaltung des Besetzungsbedarfs ist ebenso wie die durchschnittliche Einhaltung der Vertragsarbeitszeit eine der wichtigsten Grundlagen für einen guten Dienstplan (Abschn. 1.3).

3.3.1.2 Der horizontale Blick Also geht es bei der Dienstplanung darum, den horizontalen Blick einzuüben: Im Dienstplan wird ja die Soll-Besetzung in aller Regel als untere Zeile (also in der Horizontalen) des Dienstplans angezeigt. In allen EDV-gestützten Dienstplanprogrammen lassen sich die eingeteilten Dienste je Tag gut erkennen. Eventuell muss das Programm noch kalibriert werden, aber diese Mühe lohnt sich. Denn nur so kann schnell erkannt werden, ob die SollBesetzung tatsächlich eingehalten oder aber über- oder unterbesetzt wird. Das erleichtert das Gegensteuern, denn händisches Nachzählen ist mühselig und fehleranfällig. Die Sollarbeitszeit hingegen wird in der Dienstplanansicht als rechte Spalte dargestellt und dort gegen die Ist-Arbeitszeiten der Mitarbeiter saldiert. Hier wird also vertikal geschaut. Diese Problematik sei nun noch etwas näher beleuchtet. Wer die Dienstplanung auf die Monatssollarbeitszeit fokussiert, der lässt die Besetzung ständig schwanken: • Monate mit hoher Sollarbeitszeit: In einem Monat mit wenigen Feiertagen und Wochenenden weiß der Dienstplaner gar nicht, wohin mit all der Arbeitszeit. Dann muss er, um die Monatssollarbeitszeit zu erreichen, Dienste gegenüber der vorab definierten realistischen Soll-Besetzung überbesetzen. Das mag an dem betreffenden Tag für die Beteiligten angenehm sein. Aber diese Überbesetzung muss zu anderen Zeiten ausgeglichen werden. • Monate mit niedriger Sollarbeitszeit: Das geschieht dann in Monaten mit besonders vielen Feiertagen oder Wochenenden: Hier sind dann einige Dienste unterhalb der SollBesetzung besetzt, weil nicht genügend Arbeitszeit vorhanden ist. Wie das aussehen kann, zeigt Abb. 3.3. Hieraus ergeben sich mehrere Probleme: • Planmäßige Schwankungen der Dienstdichte: Zunächst schwankt die Auslastung je Dienst schon in der Planung, und damit auch die Versorgungsqualität und die Arbeitsdichte (und dadurch die Belastung der Mitarbeiter). Denn an die Besetzungsstärke ist ja immer auch ein gewisses Leistungsversprechen geknüpft, das dann nicht eingehalten werden kann. • Belastung: Für die Mitarbeiter kann dies frustrierend sein: An einigen Tagen ist eine überdurchschnittliche Besetzung möglich, die Arbeit kann entspannt erledigt werden – und diese hohe Besetzung wird dann häufig „im Geiste“ als die „Norm“ gesetzt. An Tagen, an denen mit der Soll-Besetzung gearbeitet wird (oder gar darunter!), haben die Mitarbeiter dann aber das Problem, die nötigen Arbeiten nicht wie gewohnt erledigen zu können. Dies erzeugt auf Seiten der Mitarbeiter das Gefühl, ihrer Arbeit nicht

3.3  Monatsdienstpläne: Vom vertikalen zum horizontalen Blick

109

Abb. 3.3  Nichteinhaltung der Soll-Besetzung (hier: 3-2-1) bei Vollverplanung der „Monatssollarbeitszeit“

gerecht werden zu können. Das resultiert in vielen Fällen in Gefährdungsanzeigen (inwiefern diese ein branchentypisches und leider wenig zielführendes Phänomen sind, zeigt Abschn. 7.3.1). • Planung: Auch der Dienstplaner ist in der Bredouille: Er möchte einen möglichst ausgewogenen Dienstplan schreiben und wird in vielen Fällen dazu verleitet, in Monaten mit geringer Monatssollarbeitszeit bereits über diese hinaus zu planen, um die Soll-Besetzung zu erfüllen. In Monaten mit hoher Monatssollarbeitszeit ermöglicht er den Mitarbeitern dann ein „entspanntes“ Arbeiten durch eine Überplanung einzelner Dienste – und die Zeitkonten der Mitarbeiter schießen in die Höhe. • Kein Arbeitszeitpuffer bei niedrigerer Sollarbeitszeit: Selbst wenn er dies nicht tut und „nur“ die jeweils vorhandene Monatssollarbeitszeit verplant, besteht ein weiteres Problem: Für kurzfristige Ausfallzeiten (also solche Ausfälle, die während der Dienstplanerstellung noch nicht bekannt waren, insbesondere Krankheitszeiten) gibt es keinen Arbeitszeit-„Puffer“ mehr. Im Prinzip spielt der Dienstplaner Ausfallzeiten-Lotterie: Implizit hofft er, dass der Ausfall an den Tagen eintritt, an denen über die Soll-Besetzung geplant wurde (Abschn. 5.1.3). Die Chancen, hier einen Volltreffer zu landen, sind zwar höher als in der normalen Lotterie, aber es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, falsch zu liegen. Denn an den Tagen, an denen die Soll-Besetzung oder – im schlechtesten Fall – sogar weniger Mitarbeiter als laut Soll-Besetzung nötig eingeteilt sind, bleibt zur Aufrechterhaltung der Versorgungsqualität häufig nur ein Mittel: Das Einspringen aus dem Frei. Da die Sollarbeitszeit aller Mitarbeiter aber schon im Voraus verplant wurde, geht dies nur durch das Generieren von Mehrarbeit oder Überstunden. Abb. 3.4 zeigt beispielhaft, welche geplanten (!), aber unerwünschten Besetzungsschwankungen bei Monatsdienstplänen durch die Fixierung auf die Monatssollarbeitszeit

1103  So einfach geht gute Dienstplanung!

Abb. 3.4  Beispielhafte Dienstplanauswertung mit schwankenden Besetzungsstärken

entstehen. Auch wenn im Voraus die Belegung noch nicht klar ist, muss die Besetzung konstant gehalten werden, um solchen Schwankungen so nah wie möglich zu sein (Abschn. 6.1). Das „Mantra“ heißt daher auch bei erwartet schwankender Besetzung: Die Soll-Besetzung muss bei der Dienstplanung immer eingehalten werden!

3.3.2 Weitere Konstruktionsfehler von Monatsdienstplänen Der häufigste Konstruktionsfehler ist die in Abschn. 3.3.1 geschilderte Fokussierung auf die mitarbeiterindividuelle Monatssollarbeitszeit statt der zuvor definierten, rechnerisch möglichen Soll-Besetzung. Es gibt es aber noch weitere Fehler: • Zu späte Herausgabe des Dienstplans: In vielen Fällen wird der Plan erst am 20. des Vormonats verbindlich ausgehängt. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter für den ersten Dienstplanungstag maximal elf Tage Vorlaufzeit haben, um private Belange zu klären. Dies ist bei der Kinderbetreuung, aber auch bei Facharztterminen und anderem häufig zu spät. Dadurch ergibt sich, dass viele Mitarbeiter Wünsche in die Dienstplanung einbringen, die der Dienstplaner dann berücksichtigen soll. • Zu viele Individualitäten: Oft hat es sich der Dienstplaner bewusst oder unbewusst zur Aufgabe gemacht hat, sämtliche zeitlichen Individualitäten der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Oder es wurden gar offizielle Zugeständnisse bezüglich der Arbeitszeitlage

3.3  Monatsdienstpläne: Vom vertikalen zum horizontalen Blick

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gemacht. Dies kann mitunter die Einhaltung der Soll-Besetzung mathematisch unmöglich machen, was wiederum zu den unter Abschn. 3.3.1 aufgeführten Frustrationen führen kann. Diese werden dann noch dadurch ergänzt, dass zeitliche Zugeständnisse doch nicht berücksichtigt werden können. • Unrealistische Dienstplanungsvorgaben: Es werden seitens der Dienstplaner Versprechungen gemacht, die mathematisch nicht haltbar sind. Das betrifft in den meisten Fällen die maximale Anzahl der Dienste „am Stück“ und die Anzahl freier Wochenenden (Abschn. 3.2.1). An der Anzahl freier Wochenenden lässt sich der letzte Punkt gut zeigen. In den meisten Einrichtungen besteht das Dogma, dass unabhängig von allen Ausfallzeiten jedes zweite Wochenende frei sein soll. Dies ist natürlich erstrebenswert, kann aber je nach Anzahl der abzudeckenden Wochenenddienste unmöglich sein. Als Beispiel soll hier eine Intensivstation dienen, denn dort tritt diese Fragestellung besonders häufig auf. Das liegt zum einen an der auch am Wochenende gegenüber der Woche nahezu konstant hohen Soll-Besetzung, zum anderen an der dort häufig höheren Zahl an Vollzeitmitarbeitern. Zum Beispiel ist am Wochenende eine Besetzung mit sechs Frühdiensten, sechs Spätdiensten und fünf Nachtdiensten vorgesehen. 40 Mitarbeiter können am Wochenende eingesetzt werden. Die zu berücksichtigende Ausfallquote beträgt 23,5 Prozent, die Anwesenheitsquote liegt also bei 76,5 Prozent. Die benötigten „Köpfe“, um jedes zweite Wochenende sicher frei zu haben, lassen sich folgendermaßen berechnen: (6 + 6 + 5) Dienste/0,765 × 2 [jedes zweite Wochenende soll gearbeitet werden] = 44,4 Mitarbeiter. Es werden also mindestens 45 Mitarbeiter benötigt, um verlässlich jedes zweite Wochenende dienstfrei zu haben. Bei 40 am Wochenende einsetzbaren Mitarbeitern klafft demnach eine Lücke: Es ist rechnerisch nicht möglich, mindestens jedes zweite Wochenende frei zu geben. Jeder der 40 Mitarbeiter muss stattdessen an ((6 + 6 + 5)/(40 × 0,765) × 100 Prozent = ) 55,5 Prozent der Wochenenden arbeiten. Das entspricht circa 29 Wochenenden pro Jahr.

3.3.3 Gute Monatsdienstpläne erstellen Monatsdienstpläne sind nicht per se schlecht. Sie können eingesetzt werden, wenn die häufigen Konstruktionsfehler vermieden werden. Daher sollten Dienstplaner für gute Monatsdienstpläne folgende Punkte beachten: • Soll-Besetzung als Planungsgrundlage: Die realistische Soll-Besetzung ist das oberste Kriterium in der Planung. Diese ist an allen Tagen einzuhalten. Wenn es planbare Auslastungsschwankungen beispielsweise durch planbare Belegungsschwankungen gibt, gilt für die Tage einfach eine verminderte beziehungsweise erhöhte Soll-Besetzung. Aber auch diese ist dann dienstplanmäßig immer einzuhalten!

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• Monatssollarbeitszeit: Sie ist als sekundäres Prüfkriterium weiter erforderlich. Wenn die Soll-Besetzung eingehalten wird, sollte der Dienstplaner im nächsten Schritt prüfen, ob sich die Zeitsalden über alle eingesetzten Mitarbeiter in der gleichen Größenordnung bewegen. Das ist, was die vertikale Saldierung leisten kann – sie kann aber nicht die eigentliche Planungsgrundlage sein. • Frühzeitige Planung: Die Planung sollte so früh wie möglich abgeschlossen und mitbestimmt sein, mindestens jedoch 14 Tage bevor der Plan beginnt. Damit erhöht sich für die Mitarbeiter die persönliche Planungssicherheit. • Gerechte Planung: Mitarbeiterindividuelle Zeitbedürfnisse oder Zugeständnisse an die Arbeitszeitlage sollten in der Monatsdienstplanung so weit wie möglich außen vor gelassen werden, wenn sie zu Lasten der Dienstlagen und Dienstzeiten von Kollegen gehen. Was dem Einzelnen zugutekommt, kann für die anderen Mitarbeiter eine Schlechterstellung bedeuten. Wie Individualitäten besser berücksichtigt werden können, zeigt Kap. 4. • Dienstplanungsvorgaben realistisch setzen: Bevor Dienstplanungsvorgaben festgesetzt werden, sollte immer geprüft werden, was mathematisch auf Basis der vorhandenen Mitarbeiter und der Soll-Besetzung möglich ist. Die schönsten Ideen sind Makulatur, wenn sie am Ende nicht umgesetzt werden können. Das betrifft viele verschiedene Dienstplanaspekte wie Dienste am Stück, freie Tage am Stück, maximale Anzahl Nachtdienste, freie Tage im Anschluss an Nachtdienstblöcke, freie Wochenenden.

Zusammenfassung 

Monatsdienstpläne sind der Klassiker unter den Dienstplänen in der Pflege und in den meisten Einrichtungen anzutreffen. Häufig gehen sie aber mit einigen Konstruktionsfehlern einher, die die Planung erschweren und den Dienstplan instabil machen. Wenn diese Fehler vermieden werden, können stabile und gute Monatsdienstpläne geschrieben werden. Zu achten ist dabei besonders auf folgende Punkte: • Realistische Soll-Besetzung: Die realistische Soll-Besetzung ist das oberste Planungskriterium. Der Arbeitszeitsaldo der Mitarbeiter schwankt infolge unterschiedlich hoher Monatssollarbeitszeiten, sollte aber über alle Mitarbeiter hinweg möglichst ausgeglichen sein. • Frühzeitige Planung: Die Planung sollte so frühzeitig wie möglich erfolgen. Den Mitarbeitern sollte aber mindestens 14 Tage vor Planbeginn bekannt sein, wie sie arbeiten werden. • Keine „faulen“ Kompromisse: Arbeitszeitindividualitäten sollten nur nach Einhaltung der Soll-Besetzung und nur nach Abwägung der Konsequenzen für alle Mitarbeiter berücksichtigt werden. • Realistische Planungsvorgaben: Dienstplanungsvorgaben bezüglich Dienstrhythmen, freier Tage und freier Wochenenden müssen realistisch gesetzt werden. Sie müssen mit dem vorhandenen Personalstand mathematisch realisierbar sein.

3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

3.4

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Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

3.4.1 Grunddienstpläne erleichtern die Planung und machen sie schneller Grunddienstpläne sind in anderen Branchen weit verbreitet – auch im Gesundheitswesen (etwa bei Rettungsdiensten). Allerdings sind sie es nicht in der Pflege. Grunddienstpläne folgen einem einfachen Schema: Sie bilden einen Grundrhythmus über eine bestimmte Laufzeit ab, der sich anschließend wiederholt. Dieser Grundrhythmus wird einmalig festgelegt, wobei er sich strikt an der Soll-Besetzung orientiert.

3.4.1.1 Vorteile Die Vorteile von Grunddienstplänen liegen auf der Hand: • Bedarfsorientiert: Sie sind automatisch am Besetzungsbedarf orientiert, da sie auf Basis der Soll-Besetzung konstruiert werden. • Gerechte Verteilung: Im einfachsten Fall verteilen sie alle Dienste gleichmäßig auf alle Mitarbeiter, so dass eine maximal gerechte Verteilung auch der unliebsamen Dienste ermöglicht wird. • Planbarkeit: Durch die Vorstrukturierung ermöglichen sie eine besonders langfristige Planung bis zu einem Jahr oder auch länger im Voraus. Damit ist für die Mitarbeiter eine höhere Verlässlichkeit gegeben, sie können sich auf freie Tage und Dienste verlassen. Gleichzeitig können sie – sofern der Dienstplan doch nicht so weit im Voraus festgelegt werden soll – anhand des Grundrhythmus‘ bereits ablesen, an welchen Tagen sie grundsätzlich frei haben werden. • Aufwandsreduzierung: Für den Dienstplaner ist die Planung deutlich weniger aufwändig, denn der Dienstrhythmus bleibt gleich, während Monatspläne immer wieder neu erstellt werden müssen. Im Grunddienstplan müssen nur noch Abweichungen vom Grundrhythmus eingebaut werden – also langfristige Ausfallzeiten wie Urlaub und Fortbildungen und – im besten Falle – das Ausfallzeitenmanagement (Kap. 5). • Reduzierung von Wünschen: Durch den vorgegebenen Grundrhythmus und die langfristige Planbarkeit kann auf Wunschdienstpläne verzichtet werden. Wenn die Mitarbeiter private Termine wahrnehmen möchten, so können sie diese auf Basis des Grunddienstplans planen. Die häufig anzutreffende „Motiv-Erforschung“ durch den Dienstplaner bei nicht zu vereinbarenden Zeitwünschen mehrerer Mitarbeiter entfällt. Stattdessen bilden Grunddienstpläne eine optimale Basis für eigenverantwortliche Tausche der Mitarbeiter untereinander (Abschn. 4.5).

3.4.1.2 Schrittfolge zum Grunddienstplan Für Planer, die zuvor stets Monatsdienstpläne erstellt haben, erfordert die Arbeit mit Grunddienstplänen ein Umdenken. Der Dienstplan wird nicht um die Ausfallzeiten herum gebaut, sondern die Ausfallzeiten werden in den Dienstplan in Form einer „Arbeitszeitreserve“

1143  So einfach geht gute Dienstplanung!

Abb. 3.5  Schrittfolge der Grunddienstplanung

eingeplant. Die Vorstrukturierung durch den Grunddienstplan hilft dabei, die zu vertretenden Ausfallzeiten für alle erkennbar und nachvollziehbar abzubilden. Der Ablauf der Planung mit Grunddienstplänen gestaltet sich wie folgt, zusammenfassend zeigt dies Abb. 3.5: 1. Soll-Besetzung definieren: Wie bei allen Dienstplanvarianten ist die Soll-Besetzung das wichtigste Kriterium. Ohne Soll-Besetzung können keine Grunddienstpläne erstellt werden. Außerdem leiten sich, wie wir nachfolgend zeigen werden, aus der Berechnung des arbeitsplatzbezogenen Personalbedarfs mit Hilfe der Soll-Besetzung die wichtigsten Parameter wie Laufzeit des Dienstplans und Anzahl einzuteilender Dienste je Dienstplandurchlauf ab. 2. Arbeitszeitmuster festlegen: Wenn es für unterschiedliche Mitarbeitergruppen unterschiedliche Dienstpläne geben soll oder muss, so werden im nächsten Schritt diese Muster festgelegt und jeweils einer eigenen Soll-Besetzung zugeordnet. Wie diese Individualisierung von Grunddienstplänen genau funktioniert, schildern Abschn. 4.2 und 4.3. Wir wollen uns in diesem Kapitel zunächst aus didaktischen Gründen auf die einfachste Form des Grunddienstplans konzentrieren, in der ein Plan für alle Mitarbeiter gilt.

3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

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3. Grunddienstpläne erstellen: Anschließend wird der Grunddienstplan auf Basis der Soll-Besetzung erstellt. 4. Grunddienstpläne ausrollen: Nun wird der fertige Grunddienstplan auf alle Mitarbeiter „ausgerollt“. Das bedeutet, dass er auf den Jahreskalender gelegt wird. Der Grunddienstplan wiederholt sich im Jahresverlauf dann entsprechend nach jedem Durchlauf. Zudem wird der gleiche Plan für jeden Mitarbeiter, der in ihn einbezogen wird, angewandt. Dazu steigt jeder Mitarbeiter wochenweise versetzt in den Grunddienstplan ein. Im Ergebnis sind alle Dienste entsprechend dem Besetzungsbedarf besetzt. Diesen Schritt kann in den meisten Fällen das PEP-System nahezu automatisiert übernehmen, aber auch mit MS-Excel ist das einfach umsetzbar. 5. Ausfallzeiten auf den Plan legen: Im weiteren Verlauf werden die bereits bekannten Ausfallzeiten (Urlaub, Fortbildung, Feiertagsfreizeitausgleich und andere) über den Dienstplan gelegt. Dazu werden bei der klassischen Grunddienstplanung Vertretungszeiträume vorgesehen, in denen nun konkrete Vertretungsdienste eingeteilt werden. 6. Einbettung des Ausfallzeitenmanagements: Der vorab definierte verbindliche Planungszeitraum wird vom Dienstplaner ausgeplant. Es werden also die durch Ausfallzeiten entstehenden Lücken gefüllt – vorrangig durch Nutzung der Vertretungsdienste, nachrangig durch entsprechenden Umbau des Plans. Auch die Instrumente des Ausfallzeitenmanagement werden dabei eingebaut (siehe hierzu auch Kap. 5). 7. Feinplanung: Die fortlaufenden Feinanpassungen aufgrund von Änderungen am Besetzungsbedarf (Arbeitsanfall) oder der Personalverfügbarkeit (Ausfallzeiten, Fluktuation) wird später dargestellt (Kap. 5 und Kap. 6). Grunddienstpläne zu erstellen ist kein Hexenwerk, erfordert aber ein wenig Übung. Spaß an Zahlen und logischem Denken sind von Vorteil. Daher ist es meist sinnvoll, dass nicht alle bisherigen Dienstplanverantwortlichen Grunddienstpläne erstellen, sondern ein zentraler Planer. Denn mit den Grunddienstplänen ist es wie mit allem: Wenn man das Wissen nicht regelmäßig einsetzt, muss man sich die Fertigkeiten immer wieder von neuem aneignen. Das ist wenig effizient und auch für den einzelnen Planer potenziell frustrierend. Idealerweise liegt nicht nur die Erstellung der Grunddienstpläne, sondern der gesamte Planungsvorgang in einer Hand. Die Aufgaben der zentralen Planung werden in Abschn. 5.5 beschrieben.

3.4.1.3 Fallbeispiel Bevor wir die methodischen Schritte zum Grunddienstplan darstellen, schildert der Pflegedirektor eines Krankenhauses im Fallbeispiel 5, wie der Schritt von immer neu geschriebenen Monatsdienstplänen hin zu langlaufenden Grunddienstplänen gelingen kann und was im Projektverlauf zu beachten ist.

1163  So einfach geht gute Dienstplanung! Fallbeispiel 5: Grunddienstpläne

Ludwig Kerschbaum, Pflegedirektor, Bonifatius Hospitals Lingen Warum wir uns für Grunddienstpläne entschieden haben Das Bonifatius Hospital Lingen ist ein katholisches Krankenhaus der Schwerpunktversorgung mit einer geriatrischen Rehabilitationseinrichtung, es umfasst 19 Fachabteilungen mit insgesamt 451 Planbetten. Mit unserer Monatsdienstplanung waren nicht nur die Pflegedirektion, sondern auch die Mitarbeiter immer unzufriedener. Die Dienstplanung wurde immer unzuverlässiger, der Abruf aus dem Frei wurde immer mehr und die Mitarbeiter waren immer weniger bereit, kurzfristig einzuspringen. Zudem erschien die Dienstplanung vielen ungerecht: Wer als erster oder am lautesten seine Wünsche einbrachte, bekam diese gewährt. Leisere Mitarbeiter mit weniger Wünschen oder Durchsetzungsvermögen fielen dabei oft bei der Planung hintenüber. Das wollten wir ändern, denn als Arbeitgeber sehen wir uns in der Pflicht, allen Mitarbeitern die gleichen Möglichkeiten zu bieten. Unsere Strategie zur Einführung Seit dem 01.01.2017 arbeiten wir deshalb in unserem Pflegedienst nach Grunddienstplänen. Bis dahin war es aber ein langer Weg. In der ersten Projektphase haben wir zunächst die Stellenpläne je Station und daraus resultierend korrekte, auf die Stellenpläne passende Soll-Besetzungen festgelegt. In der zweiten Projektphase haben wir uns damit befasst, wie wir bedarfsgerecht und effizient auf Veränderungen in den Stellenplänen reagieren können. Erst als diese grundlegenden Themen geklärt waren, haben wir uns an die Umsetzung der Grunddienstpläne gewagt. In diesem Zuge haben wir uns parallel Gedanken zum Ausfallzeitenmanagement gemacht, denn diese beiden Bereiche gehören für uns untrennbar zusammen. Grunddienstpläne alleine helfen zwar dabei, den Besetzungsbedarf in der Planung genau zu treffen, doch ohne ein funktionierendes Ausfallzeitenmanagement kann die angestrebte Besetzungsstärke im Ist nicht gehalten werden – und genau dies ist ja auch eines der am häufigsten genannten Probleme in der Dienstplanung. Wie die Planung funktioniert: Vom Grunddienstplan zum Einsatzplan Im ersten Schritt werden für alle Bereiche Brutto-Grunddienstpläne erstellt. Das ist zunächst komplex und braucht viel Zeit, aber der Aufwand lohnt sich. Schließlich verringert sich der spätere Planungsaufwand ganz erheblich. Wir erstellen – wenn z. B. aufgrund von unterschiedlichen Stellenanteilen oder vertraglichen Vereinbarungen zu Dienstlagen erforderlich – mehrere Grundrhythmen für einen Planungsbereich. Diese Grundrhythmen sind so ineinander verschachtelt, dass der jeweilige Besetzungsbedarf genau eingehalten wird (siehe hierzu auch Abschn. 4.2.1). Die Mitarbeiter werden den Grundrhythmen zugeordnet und der Plan wird über das Jahr ausgerollt. Der ausgerollte Plan wird bei Veränderungsbedarf fortlaufend aktualisiert, zum Beispiel wenn Mitarbeiter ausscheiden oder in einen anderen Grundrhythmus rutschen.

3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

117

Im zweiten Schritt konzentrieren wir uns auf den jeweils anstehenden kalendermonatlichen Auszug des Jahresplans. Die hier eingetragenen Dienstzeiten sind grundsätzlich nicht zu verändern. Abweichungen von diesem Dienstplan sind dann erlaubt, wenn sie im gegenseitigen Einvernehmen von Führungskraft und Mitarbeiter oder im Rahmen eines besetzungs- und qualifikationsneutralen Tausches zwischen zwei Mitarbeitern erfolgen. Dienstabsagen oder Verkürzungen sind nur dann erlaubt, wenn keine andere Möglichkeit besteht. Wenn kurzfristige Krankmeldungen dazukommen, greifen wir auf unser parallel eingeführtes Ausfallzeitenmanagement zurück. Warum nicht jeder ein Grunddienstplanexperte ist Zunächst hatten wir geplant, dass alle Stationsleitungen die Grunddienstpläne für ihren Bereich selbst schreiben sollten. Daher haben wir auch alle Stationsleitungen in der Methodik geschult, aber schnell gemerkt, dass die individuellen Stärken der Stationsleitungen häufig in anderen Bereichen liegen. Die Methodik ist zwar kein Hexenwerk, aber dennoch komplex genug, dass es sich lohnt, hier Expertenwissen aufzubauen. Daher haben wir die Erfahrung gemacht, dass ein zentraler Dienstplaner viel wert ist. Er kann sich umfassend in die Methodik einarbeiten und schnell Lösungen finden, wenn sich mal wieder ein Plan durch eine Schwangerschaft oder eine neue Nachtdienstuntauglichkeit geändert hat. Außerdem kann er auch sofort erkennen, ob eine Änderung überhaupt notwendig ist, und damit den Stationsleitungen viel Arbeit ersparen. Diese wiederum haben dadurch mehr Zeit, sich auf ihre Kerntätigkeiten zu konzentrieren, statt einen Großteil ihrer Arbeitszeit als Leitungskraft in die Dienstplanung zu investieren. Wann es Zeit für Feedback ist Für unsere Mitarbeiter war der Wechsel von Wunschdienstplänen zu Grunddienstplänen natürlich eine große Veränderung, die zunächst viele Sorgen auslöste. Unserer Erfahrung nach sollte man, wenn man das Konzept gründlich durchdacht hat, nicht zu früh an Evaluation und Anpassungen denken. Allen Beteiligten muss zunächst Raum dafür gegeben werden, das neue System richtig kennenzulernen. Natürlich sollten von Anfang an wichtige Parameter, wie zum Beispiel die Konstanz der Besetzungskennzahl, im Controlling nachgehalten werden. Eine erste Auswertung und Mitarbeiterbefragung lohnt sich unserer Erfahrung nach erst nach einem Jahr. Nach 16 Monaten wollen wir über spezifische Anpassungen im Vorgehen auf Basis der gewonnenen Erfahrungen diskutieren.

3.4.2 Wie man einfache Grunddienstpläne erstellt Die in Abschn. 3.4.1 vorgestellte Schrittfolge zur Erstellung von Grunddienstplänen soll nun an einem einfachen Anwendungsbeispiel nachvollzogen werden. Wir stellen unseren Lesern dafür zwei Planungshilfen bereit (Tool C und Tool D), die wir in Abschn. 3.4.5 einführen. Um es nicht zu kompliziert zu machen, gehen wir zunächst von vereinfachten Grundannahmen aus. Wir werden später den Schwierigkeitsgrad erhöhen.

1183  So einfach geht gute Dienstplanung!

• In unserem Muster-Beispiel aus Abschn. 2.2.2 seien nur Vollzeitmitarbeiter beschäftigt. • Alle Mitarbeiter können in allen Dienstlagen eingesetzt werden. Dies ist natürlich eine nicht so häufig anzutreffende Konstellation, macht jedoch das Grundverständnis für die Vorgehensweise einfacher. Wer diesen ersten Schritt nachvollziehen kann, der wird uns folgen können, wenn wir zusätzliche Vorgaben einbauen, insbesondere Mitarbeiter mit unterschiedlichsten Vertragsarbeitszeiten und Mitarbeiter, die nicht in allen Diensten eingesetzt werden können oder möchten; all dies wird in Kap. 4 ausgeführt werden. Die Schrittfolge muss nicht bei jedem Grunddienstplan komplett durchlaufen werden. Das bedeutet, dass die aufwändigeren Schritte – Soll-Besetzung definieren, Netto-Plan erstellen und den Netto-Plan zu einem Brutto-Plan erweitern – nur noch selten durchgeführt werden müssen, etwa wenn sich eine größere Veränderung bezüglich der Soll-Besetzung ergibt. Das Ausrollen des Dienstplans für einen und dann für alle Mitarbeiter kann in den meisten Fällen auch direkt im Dienstplanprogramm erfolgen, so dass hier mit ein wenig Konfiguration sehr schnell das Grundgerüst steht. Somit ist lediglich die Eintragung von Abwesenheiten und das damit verbundene Ausplanen des Dienstplans weiterhin regelmäßig und händisch durchzuführen – eine enorme Zeitersparnis gegenüber Monatsdienstplänen, die jeden Monat neu geschrieben werden müssen.

3.4.2.1 Soll-Besetzung definieren Die Soll-Besetzung für unser Muster-Beispiel wurde bereits in Abschn. 2.3.2 definiert. Zur Auffrischung zeigt Abb. 3.6 nochmals den Auszug aus Tool B zur Berechnung des arbeitsplatzbezogenen Personalbedarfs. Das Erfreuliche bei dieser Berechnung ist nun, dass sich sämtliche benötigten Parameter für den Dienstplan bereits aus dieser einen Tabelle ableiten lassen: • Einzuteilende Dienste: Alle in der Soll-Besetzung definierten Dienste müssen bei einmaligem Durchlaufen des Plans an den jeweiligen Tagen jeweils so oft auftauchen, wie sie in der Soll-Besetzung eingetragen sind. In diesem Fall heißt das also beispielsweise, dass nach einmaligem Plandurchlauf jeder Mitarbeiter einen Montag-Nachtdienst, zwei Dienstag-Zwischendienste, zwei Sonntag-Frühdienste und so weiter gearbeitet hat. • Laufzeit eines Dienstplanzyklus: Auch die Laufzeit, nach dessen Durchlauf sich der Plan erneut wiederholt, lässt sich bereits aus der Berechnung ablesen. Diese ergibt sich aus der (gerundeten) benötigten Anzahl an Vollzeitkräften: „Netto“ (also ohne Ausfallzeiten) werden 9,4 VK benötigt, das sind kaufmännisch abgerundet 9 VK. Der „Netto“-Plan (in dem noch keine Ausfallzeiten berücksichtigt sind) läuft dann also über neun Wochen. „Brutto“ (also mit Ausfallzeiten) werden 12,3 VK benötigt, das sind kaufmännisch abgerundet 12 VK. Der „Brutto“-Plan (in dem die Ausfallzeiten berücksichtigt sind) läuft also über zwölf Wochen. Wo diese Informationen in der Tabelle zu finden sind, zeigt Abb. 3.7.

3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

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Abb. 3.6  Tool B (Auszug) – Personalbedarf „Bereich I“ (Tool mit Springer Nature More Media App ansehen)

3.4.2.2 Netto-Plan erstellen Zunächst wird der Netto-Plan – also der Plan noch ohne Reserve für die Ausfallzeitenvertretung – erstellt. In unserem Beispiel beträgt, wie oben erläutert, die Laufzeit für diesen Plan neun Wochen. In diesen neun Wochen müssen alle in der Soll-Besetzung definierten Dienste eingeteilt werden. Nun ist ein wenig Kreativität gefragt: Ähnlich einem Sudoku-Spiel müssen die in Abb. 3.8 rechts aufgeführten Dienste in die linke Matrix übertragen werden. Dabei ist zum einen das Arbeitszeitgesetz einzuhalten (es dürfen insbesondere keine unzulässigen „kurzen Wechsel“ zum Beispiel von Spät- auf Früh- oder Nacht- auf Spätdienst auftreten). Zum anderen kommen hier zuvor gesetzte Parameter bezüglich der gewünschten Dienstrhythmen (Abschn. 3.2.1) zum Tragen. Die Ansicht in Abb. 3.8 ist möglicherweise etwas ungewohnt, denn in den meisten Fällen wird ein Dienstplan horizontal von links nach rechts für den einzelnen Mitarbeiter geschrieben. Hier jedoch erfolgt die Planung in Kastenform, es muss also darauf geachtet werden, dass durch die „Anschlüsse“ vom Sonntag der einen Woche auf den Montag der nächsten Woche keine ungewollten Brüche entstehen – zum Beispiel ein Frühdienst direkt

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Abb. 3.7  Tool B (Auszug) – Personalbedarf „Bereich I“: Parameter für die Erstellung von Grunddienstplänen

Abb. 3.8  Anleitung zur Konstruktion einfacher Dienstpläne anhand eines Beispiels – Netto-Plan erstellen: Bild 1

3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

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Abb. 3.9  Anleitung zur Konstruktion einfacher Dienstpläne anhand eines Beispiels – Netto-Plan erstellen: Bild 2

nach einem Nachtdienst. Die Kastenform hat den Vorteil, dass einfach zu erkennen ist, ob tatsächlich alle Dienste so, wie benötigt, eingeplant wurden. Es lässt sich schnell durchzählen, ob die exakte Anzahl der Frühdienste eingeteilt wurde, die laut Soll-Besetzung nötig ist. Bei der Planung ist also darauf zu achten, dass die Dienste aus der rechten Spalte nur an den Wochentagen eingesetzt werden, an denen sie zuvor standen (Abb. 3.9). Eine weitere Umstellung für den Monatsdienstplaner ist die Planung nur eines Plans für alle Mitarbeiter. Das ist zunächst ungewohnt, aber sinnvoll: Da die Mitarbeiter versetzt in den Plan einsteigen, wird am Ende die Soll-Besetzung dadurch eingehalten, dass die Dienstfolgen der einzelnen Mitarbeiter ineinandergreifen. Dadurch verringert sich der Planungsaufwand gegenüber der traditionellen Monatsdienstplanung erheblich. Schließlich muss nur noch ein Plan (zum Beispiel pro Kalenderjahr) erstellt werden und nicht für jeden Mitarbeiter monatlich ein neuer Plan. Bei der Erstellung des Grunddienstplans merkt man auch schnell, welche Dienstplanungsparameter mathematisch gar nicht eingehalten werden können. Hier ist es beispielsweise nicht möglich, jedes zweite Wochenende frei zu geben. Das hat selbstverständlich überhaupt nichts mit der gewählten Dienstplanmethode zu tun. Dieses Ergebnis wäre in jedem Dienstplan entstanden. Wie ein Netto-Plan aussehen könnte, zeigt Abb. 3.10. Neben der Einhaltung von mindestens zehn Stunden Ruhezeit nach einem Dienst wurden folgende Prämissen aufgestellt: • • • •

maximal sieben Dienste am Stück mindestens drei Nächte am Stück mindestens zwei freie Tage im Anschluss an einen Nachtblock möglichst gleichmäßige Verteilung der Wochenenddienste

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Abb. 3.10  Anleitung zur Konstruktion einfacher Dienstpläne anhand eines Beispiels – Netto-Plan erstellen: Bild 3

Durch die Löschung der bereits verplanten Dienste zeigt sich auch schnell, ob tatsächlich die Soll-Besetzung verplant wurde oder dem Dienstplaner hierbei eventuell ein Fehler unterlaufen ist. Wenn in den rechten Spalten keine Dienste mehr vorhanden sind, stehen die Chancen gut, dass die Soll-Besetzung auch tatsächlich eingehalten wurde. Schließlich wurde die rechte Box auf Basis der Soll-Besetzung erstellt. Anstelle des kreativen Verfahrens kann auch eine automatisierte Dienstplanerstellung erfolgen. Einige PEP-Systeme verfügen dazu über Dienstplangeneratoren. Sie funktionieren so, dass nur die Soll-Besetzung und die Laufzeit des Dienstzyklus eingegeben werden und die Planungsregeln – siehe oben – eingestellt werden müssen. Der Generator im PEPSystem erstellt nun Vorschläge für Dienstrhythmen, aus denen man dann den „besten“ aussuchen kann. Sind die Parameter – beispielsweise hinsichtlich der maximalen Dienste-Anzahl in Folge – allerdings vergleichsweise offen eingestellt, kann es jedoch passieren, dass relativ viele Pläne, darunter wenige gute, generiert werden, so dass die Auswahl länger dauert, als würde man die hier vorgestellte kreative Variante wählen.

3.4.2.3 Erweiterung des Netto-Plans zu einem Brutto-Plan Da die Vertretung der Ausfallzeiten im Grunddienstplan abgebildet werden soll, muss der Netto-Plan nun zu einem Brutto-Plan erweitert werden. Hierfür müssen zusätzlich zu den regulären Diensten (Früh, Spät, Zwischen, Nacht) sogenannte Vertretungsdienste eingebaut werden (ausführlicher siehe Abschn. 3.4.3). Vertretungsdiente sind im Grunddienstplan über die Soll-Besetzung hinaus eingeteilte „Dummys“. Im Zuge der späteren Ausplanung (zum Beispiel der konkreten Eintragung der Urlaubstage) müssen oft bereits fest eingeteilte Dienste überschrieben werden. Die überschriebenen Dienste müssen zur Einhaltung der Soll-Besetzung aber eingeteilt sein, müssen also einem anderen Mitarbeiter zugewiesen werden. Das geht am einfachsten,

3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

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in dem man den ausfallenden Dienst einem Mitarbeiter zuweist, der an diesem Tag für einen Dummy-Dienst eingeteilt ist. Der Vertretungsdienst ist also ein „Platzhalter“, der bei Bedarf durch einen festen Dienst überschrieben werden kann. Es sollten mindestens so viele Dummy-Dienste pro Tag eingeteilt sein, wie durchschnittlich Mitarbeiter pro Tag abwesend sein können. Dummy-Dienste sollen nur im Zwischenstadium der Ausplanung sichtbar sein, danach werden sie entweder durch einen festen Dienst überschrieben oder aber gelöscht, also in freie Tage umgewandelt. Auch das Ausfallzeitenmanagement für kurzfristige Ausfallzeiten wird später weitestmöglich über diese vorstrukturierten „Platzhalter“ abgewickelt (Kap. 5). Die Anzahl der erforderlichen potenziellen Vertretungsdienste ergibt sich wiederum nach der Arbeitsplatztabelle aus der Differenz des Personalbedarfs Brutto (mit Ausfallzeiten) zu Netto (ohne Ausfallzeiten) – denn diese Zahl gibt ja an, wie viele Mitarbeiter für die Vertretung aller Ausfallzeiten benötigt werden. Im Muster-Beispiel beträgt diese Differenz 2,9 VK, kaufmännisch aufgerundet also 3. Das bedeutet, dass in den bislang neunwöchigen Netto-Plan noch drei Vertretungswochen eingebaut werden müssen (Abb. 3.11). Diese können wochenweise oder tageweise eingebaut werden. Wichtig ist dabei, dass an den möglichen potenziellen Vertretungstagen alle am betreffenden Tag vorhandenen Dienste vertreten werden können. Am einfachsten lässt sich dies berücksichtigen, wenn vor und nach einem Block von potenziellen Vertretungsdiensten freie Tage liegen. Doch auch Vertretungsdienste im Anschluss an Frühdienste oder vor Nachtdiensten ermöglichen den Einsatz in allen Dienstlagen. Bei der Einplanung der Vertretungsdienste können weitere Parameter definiert werden, zum Beispiel eine maximale Dienstfolge von zehn Diensten inklusive der Vertretungsdienste. Das wurde auch im Muster-Beispiel so gehandhabt, so dass sich nur wenige wochenweise Vertretungsdienst-Folgen ergeben. Zunächst wird der Netto-Plan zum Beispiel um eine Woche erweitert, indem eine komplette Vertretungswoche zwischen die Planwochen 5 und 6 geschoben wird (Abb. 3.12). Diese läuft von Mittwoch der Woche 5 bis Dienstag der Woche 6. Vor und nach den Vertretungsdiensten ist mindestens ein Tag frei. Außerdem sind im Anschluss an die Wochenend-Nachtdienste auch bei späterer

Abb. 3.11  Anleitung zur Konstruktion einfacher Dienstpläne anhand eines Beispiels – BruttoPlan erstellen: Bild 1

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Abb. 3.12  Anleitung zur Konstruktion einfacher Dienstpläne anhand eines Beispiels – BruttoPlan erstellen: Bild 2

Abb. 3.13  Anleitung zur Konstruktion einfacher Dienstpläne anhand eines Beispiels – BruttoPlan erstellen: Bild 3

Nutzung aller potenziellen Vertretungsdienste zwei feste freie Tage eingeplant – diese zuvor gesetzte Prämisse wird also weiterhin eingehalten. Der Plan läuft nun über zehn Wochen. Da aber für einen Brutto-Plan zwölf Wochen vorzusehen sind, müssen noch zwei weitere Vertretungsdienst-Wochen ergänzt werden. Wie dies aussehen kann, zeigt beispielhaft Abb. 3.13. Um alle Dienste vertreten zu können, müssen die Vertretungsdienste am Wochenende zwischen Woche 2 und 3 geteilt werden.

3.4.2.4 Ausrollen des Dienstplans für einen Mitarbeiter Nun ist der Grunddienstplan erstellt. Im nächsten Schritt wird der Dienstplan nun für einen Mitarbeiter ausgerollt, also in die üblichere horizontale Darstellungsweise überführt. Dieser Schritt kann in den meisten Fällen automatisiert erfolgen, denn bei EDV-gestützter

3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

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Abb. 3.14  Anleitung zur Konstruktion einfacher Dienstpläne anhand eines Beispiels – Ausrollen des Dienstplans für einen Mitarbeiter

Dienstplanung im PEP-System übernimmt dies die Software. Für den Verständnis- und Lernprozess ist es aber hilfreich, dies auch einmal „von Hand“ zu tun. Wenn der Dienstplan ausgedruckt vorliegt, lässt sich dies einfach mit Schere und Kleber bewerkstelligen. Die Kastenform wird wochenweise in Streifen geschnitten, und diese Streifen werden hintereinander geklebt. Dann ist der Plan für einen Mitarbeiter fertig (Abb. 3.14) – und dieser eine Mitarbeiter ist der Prototyp für alle anderen (aus Platzgründen wurde der Plan im Bild in drei Teilabschnitten à vier Wochen dargestellt).

3.4.2.5 Dienstplan für alle Mitarbeiter ausrollen Nun ist der Plan beinahe fertig. Es müssen lediglich noch die weiteren elf Mitarbeiter eingefügt werden. Dies erfolgt, indem jeder Mitarbeiter mit einer Woche Versatz in den Dienstplan einsteigt. Mitarbeiter 1 hat ja mit Dienstplanwoche 1 begonnen. Ähnlich wie beim Singen eines Kanons beginnt nun Mitarbeiter 2 mit dem Dienstplan in Woche 2, während Mitarbeiter 3 in Woche 3 einsteigt und so weiter. Würde man dies wiederum auf Papier erledigen wollen, so würden vom in die Horizontale gebrachten Dienstplan für einen Mitarbeiter im Beispiel elf Kopien angefertigt. Das PEP-System erledigt diesen Schritt wieder von selbst. Die Grunddienstpläne werden mit jeweils einer Woche Versatz den elf noch offenen Mitarbeitern zugeordnet. Für einen besseren Überblick haben wir den ersten Tag des Grunddienstplans besonders markiert. In Abb. 3.15 wurde dieser Tag rot umrandet. Dass die Soll-Besetzung an allen Tagen eingehalten wird, zeigt dabei der Besetzungsstärkenzähler in Abb. 3.15 an. Nach der zwölfwöchigen Laufzeit beginnt der Plan wieder von vorn. Der Übersichtlichkeit halber ist der Plan in Abb. 3.15 geteilt dargestellt – oben von Woche 1 bis 6, unten von Woche 7 bis 12. Die sicherlich anfangs gewöhnungsbedürftige Methode gelingt erfahrungsgemäß am besten, wenn man sich wirklich strikt an die Schrittfolge hält und sie einfach abarbeitet.

Abb. 3.15  Anleitung zur Konstruktion einfacher Dienstpläne anhand eines Beispiels – Ausrollen des Dienstplans für alle Mitarbeiter

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3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

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3.4.2.6 Schnelldurchlauf anhand eines weiteren Beispiels Diese Einübung soll hier durch ein weiteres Beispiel erleichtert werden. In ihm wird die Patientenaufnahme eines Klinikums betrachtet, in der aufgrund des höheren Besetzungsbedarfs am Wochenende eine etwas andere Besetzungsvorgabe gilt. Die Montag bis Freitag bestehende Doppelbesetzung zwischen 14:15 Uhr und 17:00 Uhr wird durch einen verlängerten Spätdienst ausgeweitet. Die Dienstzeiten sowie die dazugehörige Soll-Besetzung zeigt Abb. 3.16. Auf Basis der in Abb. 3.16 dargestellten Soll-Besetzung und einer Ausfallquote von 23,4 Prozent ergibt sich ein Netto-Personalbedarf von 5,6 VK und ein Brutto-Personalbedarf von 7,3 VK. Daraus lassen sich wieder die Parameter für den Grunddienstplan ableiten: Der Netto-Plan hat (aufgerundet) eine Laufzeit von sechs Wochen, der Brutto-Plan (abgerundet) eine Laufzeit von sieben Wochen. Insgesamt muss also (7 Wochen Brutto-Plan abzüglich 6 Wochen Netto-Plan) eine Woche Vertretungsdienste eingeplant werden, wie Abb. 3.17 zeigt. Wir verwenden hierfür wieder das Tool B. ▶▶

Tool B - Arbeitszeitmethode

Es kann wieder ein Netto-Grunddienstplan erstellt werden, in dem nach sechswöchiger Laufzeit alle Dienste einmalig eingeteilt wurden (Abb. 3.18). Anschließend wird eine Woche Vertretung eingeplant. Beispielhaft erfolgt dies hier (Abb. 3.19) als eine verblockte Woche von Donnerstag in Woche 5 bis Mittwoch in Woche 6. Da diese vor den Nachtdiensten liegt, können auch alle Dienste vertreten werden. Wenn der Brutto-Grunddienstplan dann auf die sieben vorhandenen Mitarbeiter ausgerollt wird, sind alle Dienste besetzt. Und täglich ist noch ein Vertretungsdienst für Ausfallzeiten übrig (Abb. 3.20; aus Darstellungsgründen wird der Plan in der Abbildung in zwei Zeilen gezeigt).

Abb. 3.16  Dienstplanerstellung in der Patientenaufnahme – Dienstzeiten und Soll-Besetzung

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Abb. 3.17  Tool B (Auszug) – Personalbedarf Patientenaufnahme

Abb. 3.18  Dienstplanerstellung in der Patientenaufnahme – Netto-Grunddienstplan

3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

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Abb. 3.19  Dienstplanerstellung in der Patientenaufnahme – Brutto-Grunddienstplan

Abb. 3.20  Dienstplanerstellung in der Patientenaufnahme – ausgerollter Grunddienstplan

3.4.3 Lang- und kurzfristige Ausfälle durch Vertretungs-Dummys berücksichtigen Die bereits in Abschn. 3.4.2 in den Brutto-Plänen eingeführten potenziellen Vertretungsdienste sind eine rein planerische Größe. Für den Dienstplaner bedeutet dies, dass er durch langfristig bekannte Ausfallzeiten wie Urlaub und Fortbildung entstehende Besetzungslücken mit diesen „Platzhaltern“ füllen kann. Auch das Ausfallzeitenmanagement (Kap. 5) wird über diese Vertretungsdienste abgedeckt. Der Brutto-Plan stellt also zunächst nur das Gerüst – vor Ausfallzeiten – dar. Diesen Planzustand sieht der Mitarbeiter noch nicht – oder nur mit dem klaren Hinweis auf den noch offengebliebenen Ausplanungszustand. Erst nachdem im weiteren Planungsverlauf die Ausfallzeitenvertretung konkretisiert wurde, ist der Grunddienstplan fertiggestellt.

3.4.3.1 Vertretungs-Dummys sind nur eine Planungshilfe Wird ein Vertretungsdienst nicht benötigt, wird er gestrichen – zugunsten eines arbeitsfreien Tages. Es ist also nicht so, dass der Mitarbeiter in allen potenziellen Vertretungsdiensten auf Abruf bereitstehen müsste oder dergleichen. Vertretungsdienste sind leidglich die Planungshilfe – ohne sie müssten bei der Ausplanung der Ausfallzeitenvertretung permanent feste Dienste verschoben werden. Dies ist zum einen aufwändiger, als auf die Vertretungsdienste zurückgreifen zu können. Zum anderen würden dadurch die vorher

1303  So einfach geht gute Dienstplanung!

geplanten Dienstrhythmen stark durcheinandergebracht, während die Dienstrhythmen durch die Vertretungs-Dummys unberührt bleiben können. Lediglich, wenn die Anzahl der Vertretungsdienste nicht ausreicht – etwa in Zeiten erhöhten Urlaubsanfalls, sofern dieser im Rahmen der zulässigen Urlaubsquoten liegt (Abschn. 5.1.2) – muss außerhalb der Vertretungsdienste in die geplanten Dienste eingegriffen werden. Für die Urlaubsplanung ist natürlich irrelevant, welcher Mitarbeiter im Vertretungsdienst ist, sofern die Qualifikation diesbezüglich keine Rolle spielt. Die Urlaubsplanung erfolgt nach den in Abschn. 5.1.2 geschilderten Regeln. Urlaub kann auch von Mitarbeitern genommen werden, die keinen Vertretungsdienst haben. Dieser ist ja gerade dazu da, Ausfallzeiten der Kollegen zu vertreten, indem deren planmäßigen Dienste in die Vertretungstage überwechseln. Ein Vorteil von Vertretungsdiensten ist damit auch, dass der Vertretungsbedarf offensichtlich wird. Gleichzeitig macht dies die Problematik besonders klar, wenn die (planbaren) Ausfallzeiten nicht gleichmäßig genug verteilt wurden. Wenn an einem Tag zu viele Mitarbeiter parallel im Urlaub sind, kann es durchaus passieren, dass nicht genügend Vertretungsdienste vorhanden sind und die Soll-Besetzung dann nicht oder nur durch Überschreiben eigentlich fester freier Tage erreicht werden kann. Dies wird in Monatsdienstplänen nicht dergestalt klar, da hier immer wieder Wege gesucht und vielfach auch gefunden werden, die Soll-Besetzung dennoch zu erreichen – dazu zählen dann insbesondere sehr lange Dienstfolgen oder das massive Überplanen von Teilzeitmitarbeitern. Das kann in Grunddienstplänen mit Vertretungszeiträumen in dem Maße nicht mehr geschehen, wenn festgelegt ist, dass die geplanten freien Tage auch wirklich frei bleiben. Dafür muss dann die Abwesenheitsplanung vorab klar strukturiert sein (siehe hierzu auch Abschn. 5.1.2). Nun greifen wir wieder unser Muster-Beispiel auf. In Abb. 3.21 ist beispielhaft für vier Wochen der Urlaub eingetragen. Beispielsweise hat Mitarbeiter 2 in den ersten drei Wochen Urlaub (U). Zudem wurde für Mitarbeiter 1 ein Fortbildungstag (FB) geplant. In der Soll-Besetzung ergibt sich dabei, dass einige Tage infolgedessen gemäß der SollBesetzungsvorgabe nicht korrekt besetzt wären. Diese Tage sind im Bild fett und kursiv markiert. Insgesamt fehlen aufgrund der Ausfälle infolge von Urlaub und Krankheit 30 Dienste, welche besetzt werden müssen. Diese im Dienstplan nun fehlenden Dienste werden durch Vertretungsdienste aufgefangen. An einigen Tagen fehlen trotz Urlaubs keine zusätzlichen Dienste, da der im Urlaub befindliche Mitarbeiter selber für einen potenziellen Vertretungsdienst eingeplant war. Das ist quasi der „Volltreffer“ – der Mitarbeiter ist für Vertretungsdienste vorgesehen, aber selbst nicht da, so dass der Dienstplaner hier nicht eingreifen muss. In allen anderen Fällen ist aber eine Nachsteuerung notwendig. Wie dies aussehen kann, zeigt Abb. 3.22. So übernimmt beispielsweise Mitarbeiter 11 die fehlenden Frühdienste am Montag und Dienstag in Woche 1, Mitarbeiter 12 die fehlenden Nachtdienste von Montag bis Mittwoch in Woche 2. Diese hier beschriebenen Dienstanpassungen sind in der Abbildung umrandet dargestellt. Nun sind noch einige potenzielle Vertretungsdienst-Platzhalter offen, also ungenutzt. Da die Mitarbeiter in ihrem Jahresdienstplan nur noch die definitiv eingeteilten Dienste sehen sollen, werden diese noch offenen Vertretungsdienste nun als arbeitsfrei geplant.

3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

Abb. 3.21  Verplanung von Vertretungsdiensten; Bild 1

Abb. 3.22  Verplanung von Vertretungsdiensten; Bild 2

131

1323  So einfach geht gute Dienstplanung!

Abb. 3.23  Verplanung von Vertretungsdiensten; Bild 3

Für Mitarbeiter 11 bedeutet dies im Muster-Beispiel, dass er in Woche 4 komplett frei hat (Abb. 3.23; ebenfalls umrandet dargestellt). Ganz genau ist das nicht. Es fehlt noch das Ausfallzeitenmanagement für nicht planbare Ausfallzeiten, vor allem für Krankheit. Im Idealfall wird auch dieses zuvor noch in den Grunddienstplan eingepflegt, bevor er veröffentlicht wird. Wir überspringen diesen Schritt zunächst und kommen in Abschn. 5.4.1 darauf zurück. Wer schon jetzt einen Blick auf den fertigen Dienstplan nach Einbau des Ausfallzeitenmanagements werfen möchte, der sehe sich Abb. 5.29 in Kap. 5 an.

3.4.3.2 Nicht alle Vertretungs-Dummys werden benötigt Es zeigt sich, dass ein Teil der Vertretungsdienste nicht genutzt wird. Das ist so auch richtig, denn die Anzahl der potenziellen Vertretungsdienste ist grundsätzlich etwas zu hoch angesetzt. Die Vertretungs-Dummys sind ja keine eingeteilten Dienste, sondern bezeichnen nur den Zeitraum, in dem Vertretungsdienste erbracht werden können. Die Reserve ermöglicht, dass die Ausfallzeiten nicht ganz gleichmäßig anfallen müssen. In Abschn. 5.6 werden wir zeigen (und auch den Rechenweg erklären): Auch nach Einbau des Ausfallzeiten-Managements werden in unserem Muster-Beispiel lediglich 60 Prozent der Vertretungs-Dummys tatsächlich mit Diensten belegt. Bei 21 potenziellen Vertretungs-Dummys sind dies also circa (21 × 0,6 = ) 13 Dienste. Acht potenzielle Vertretungsdienste des Grunddienstplanzyklus von zwölf Wochen werden also tatsächlich arbeitsfrei sein.

3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

133

Der Grunddienstplan inklusive aller noch nicht verplanten Vertretungsdienste – in Form von „Platzhaltern“ für die erforderlichen Vertretungseinsätze – ist also der dichtestmögliche Dienstplan. Mehr Dienste wird es nicht geben, am Ende werden es vielmehr deutlich weniger. Deshalb darf man sich von der zunächst ungünstigeren „Optik“ des Planes nicht täuschen lassen. Wenn man das verstanden hat, ist es für die Akzeptanz von Grunddienstplänen förderlich: Der Dienstplan wird erst einmal etwas „schlechter“ dargestellt als er dann tatsächlich wird. Dies ist umgekehrt ja genau das Problem der Monatspläne: Sie sehen erst einmal „schön“ aus, werden dann aber durch die Realität über den Haufen geworfen.

3.4.4 Grunddienstpläne ohne Vertretungsdienste Allerdings müssen Grunddienstpläne nicht zwingend „brutto“, also mit Vertretungsdiensten erstellt werden. Es ist auch möglich, lediglich einen Netto-Grunddienstplan zu erstellen, in dem die Ausfallzeiten zunächst nicht berücksichtigt sind. Das bedeutet natürlich nicht, dass es keine Ausfallzeiten gibt. Gegenüber der Planung mit Brutto-Plänen inklusive Vertretungszeiträumen ist der Ablauf nur etwas anders. Wir greifen auch hier auf unser Muster-Beispiel zurück, um den Vergleich der Methoden zu erleichtern. Das Ergebnis wird in Abb. 3.24 zunächst als ausgerollter Plan dargestellt (aus Gründen der Darstellung wieder über zwei Zeilen verteilt). Das Ausrollen geschah wie in Abschn. 3.4.2 beschrieben – mit dem einen Unterschied, dass der Netto-Grunddienstplan ausgerollt wurde, also der Plan ohne potenzielle Vertretungszeiträume. Er läuft daher über neun Wochen – so viele Mitarbeiter werden „netto“ benötigt. Nun wird für alle zwölf Mitarbeiter der Urlaub geplant. Es dürfen jeweils maximal zwei Mitarbeiter im Urlaub sein; das entspricht einer Urlaubsquote von (2/12 × 100 Prozent = ) circa 17 Prozent. Wir werden in Abschn. 5.1.2 sehen, dass dies der realistische Maximalwert ist. Bei Grunddienstplänen ohne Vertretungszeiträume werden die Grunddienstplan-Rhythmen auf die Mitarbeiter aufgeteilt. Nach Rückkehr aus dem Urlaub übernimmt der zurückkehrende Mitarbeiter die dann „offene“ Zeile. Abb. 3.25 zeigt dies – als Zwischenschritt und für einen vierwöchigen Planausschnitt – für Mitarbeiter 1 und 12. Mitarbeiter 1 ist in der ersten Woche im Urlaub, so dass Mitarbeiter 12 in dieser Woche die Dienstplan-Zeile 1 übernimmt. Ab Woche 2 ist Mitarbeiter 12 abwesend, Mitarbeiter 1 übernimmt nach seiner Wiederkehr die Dienste aus Zeile 1.

Abb. 3.24  Durchlaufender Grunddienstplan ohne Vertretungszeiträume (Muster-Beispiel): Bild 1

1343  So einfach geht gute Dienstplanung!

Abb. 3.25  Durchlaufender Grunddienstplan ohne Vertretungszeiträume (Muster-Beispiel): Bild 2

In dieser Form werden alle Dienstplan-Zeilen den einzelnen Mitarbeitern zugeordnet. Da der Netto-Grunddienstplan wiederum auf der Basis der Soll-Besetzung erstellt wurde, wird auch an allen Tagen die Soll-Besetzung eingehalten. Es müssen nun auch keine offenen Vertretungsdienste gelöscht werden, da diese ja gar nicht explizit aufgeführt wurden. Der Plan ist also nach Zuordnung der einzelnen Dienstplanzeilen zu den Mitarbeitern fertig (Abb. 3.26) – selbstverständlich wiederum vor Feinplanung/-steuerung (Kap. 6) und Ausfallzeitenmanagement (Kap. 5).

Abb. 3.26  Durchlaufender Grunddienstplan ohne Vertretungszeiträume (Muster-Beispiel): Bild 3

3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

135

3.4.5 Planungshilfen bei der Erstellung von Grunddienstplänen 3.4.5.1 Zwei Planungstools Um die Planung mit Grunddienstplänen zu erleichtern, können zwei kleine Tools genutzt werden: • Erstellung von Grunddienstplänen: Tool C hilft bei der Erstellung von Grunddienstplänen und berechnet zugleich einige wichtige Parameter wie die durchschnittliche Dienstdauer und die Anzahl der zu arbeitenden Vertretungsdienste in einem Plandurchlauf. Wie in allen anderen diesem Buch beigefügten Excel-Tools sind die Formeln hier einsehbar und auch änderbar, so dass diese jederzeit nachvollzogen werden können. Bei der Befüllung ist darauf zu achten, dass diese nicht entfernt werden, da ansonsten die Funktionalität des Tools eingeschränkt wird. • Ausrollen von Grunddienstplänen: Tool D ist dann eine Hilfe, wenn das Ausrollen nicht direkt im Dienstplanprogramm erfolgen soll, was mehrere Gründe haben kann: – Möglicherweise soll zunächst die Systematik getestet werden, ohne dabei Schaden im Echtsystem anzurichten. – Vielleicht sollen aber auch die Mitarbeiter noch nicht in die Dienstpläne hineinschauen können, so dass der Zwischenschritt einer Planung in einer zweiten, Excelbasierten Datei gewählt wird. – Einige Einrichtungen verfügen nicht über ein PEP-System und werden vielleicht auch gar keines nutzen. Dies kann gerade in kleineren Betrieben eine gute Entscheidung sein. Tool D kann auch hilfreich sein, um händische Eingaben auf mögliche Fehler zu überprüfen. Tool D basiert auf sogenannten Makros in MS-Excel, so dass die Formeln hier nicht ersichtlich sind und weniger individuelle Anpassungen vorgenommen werden können.

3.4.5.2 Arbeitshilfe zur Erstellung von Grunddienstplänen (Tool C) ▶▶

Tool C: Erstellung von Grunddienstplänen

In Tool C können Grunddienstpläne für bis zu zehn Stationen oder Bereiche angelegt werden. Zunächst wird im Blatt „Übersicht“ (Abb. 3.27) der Name des Hauses beziehungsweise der Einrichtung oder des Arbeitsbereichs in das blaue Feld eingetragen. Dies ist immer hilfreich, wenn mehr als etwa zehn Stationen oder Bereiche betrachtet werden und diese beispielsweise nach operativen und konservativen Stationen getrennt werden sollen. Von hier aus kann auch durch das Auswählen der einzelnen Bereiche direkt in das jeweilige Tabellenblatt gesprungen werden. Im nächsten Schritt müssen für die korrekte Berechnung der Parameter einige Voreinstellungen direkt in den Bereichsblättern getroffen werden. Für unser Muster-Beispiel ist das Tabellenblatt „Bereich I“ befüllt worden (Abb. 3.28). Hier können bis zu 15 Dienstkürzel frei definiert werden, wobei der Übersichtlichkeit halber das Farbschema nicht

1363  So einfach geht gute Dienstplanung!

Abb. 3.27  Tool C (Auszug) – Tabellenblatt „Übersicht“ (Tool mit Springer Nature More Media App ansehen)

Abb. 3.28  Tool C (Auszug) – Tabellenblatt „Bereich I“; Konfiguration

verändert werden kann. Unter „Definition Dienste“ kann eine längere Beschreibung eingegeben werden, wie zum Beispiel „Spätdienst Sa/So“. Damit auch die durchschnittliche Dienstlänge korrekt berechnet wird, sind abschließend die Dienstzeiten inklusive Pausenzeiten im Format „Stunden:Minuten“ einzutragen. Die Dienstdauer ergibt sich dann automatisch. Alle grau hinterlegten Felder rechnen automatisch – so ergibt sich auch die Besetzungsstärke aus dem darüber einzugebenden Grunddienstplan. Nun kann der Grunddienstplan eingegeben werden (Abb. 3.29). Hierzu werden einfach die zuvor definierten Kürzel eingetragen, die Felder färben sich dann automatisch in der hinterlegten Farbe. Der Plan ist bereits aus Abschn. 3.4.2 bekannt. Sobald die ersten Eintragungen gemacht wurden, befüllt sich auch der Wochenzähler auf der linken Seite. Zudem errechnen sich auf der rechten Seite die wichtigsten Parameter für den Grunddienstplan. Dies ist zunächst die durchschnittliche Dienstdauer ohne Vertretungsdienste. Anschließend wird die durchschnittliche Dauer eines Vertretungsdienstes berechnet. Zudem wird

3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

137

Abb. 3.29  Tool C (Auszug) – Tabellenblatt „Bereich I“; Grunddienstplan

aus der Zusammenführung von Vertretungsdienstdauer und regulärer Dienstdauer errechnet, wie viele Vertretungsdienste in einem Zyklus tatsächlich gearbeitet werden müssen (zur detaillierten Erläuterung der Berechnung siehe Abschn. 3.4.3). Zuletzt wird dargestellt, wie viele Tage durchschnittlich pro Woche frei sind. Zudem sollte nicht vergessen werden, den Bereich zu benennen und das letzte Bearbeitungsdatum zu aktualisieren. Somit ist sichergestellt, dass alle Bereiche und Stationen eindeutig wiedererkennbar sind und der neueste Bearbeitungsstand aufgerufen wurde.

3.4.5.3 Arbeitshilfe zum Ausrollen von Grunddienstplänen (Tool D) ▶▶

Tool D: Ausrollen von Grunddienstplänen

Tool D hilft beim Ausrollen zuvor definierter Grunddienstpläne und ermöglicht den Überblick über ein gesamtes Jahr. Hier wird für jeden Mitarbeiter die verplante Arbeitszeit mit seinen in einem Jahr zu leistenden Stunden verrechnet, so dass immer ein Überblick über den Zeitsaldo gegeben ist. Hinterlegt werden können Grunddienstpläne mit bis zu 53 Wochen Laufzeit für maximal 200 Mitarbeiter. Zunächst werden im Tabellenblatt „Einstellungen“ (Abb. 3.30) die grundlegenden Definitionen vorgenommen. Durch Klicken des „Einstellungen“-Buttons öffnet sich ein Fenster, in dem auf der linken Seite folgende Parameter definiert werden können: • Veränderung der Begrifflichkeit zwischen Schicht- und Dienstplan • Klassische Saldierung von Plus- und Minusstunden oder Zeitkontenführung nach dem Budgetprinzip – hier werden die Vorzeichen umgekehrt (siehe auch Abschn. 6.2) • Verteilung der Vertragsarbeitszeit auf fünf, sechs oder sieben Tage • Feiertage mit oder ohne anteilige Vertragsarbeitszeit („Sollarbeitszeit“) hinterlegen

1383  So einfach geht gute Dienstplanung!

Abb. 3.30  Tool D (Auszug) – Tabellenblatt „Einstellungen“; Button „Einstellungen“ (Tool mit Springer Nature More Media App ansehen)

Im rechten Teil des Tabellenblattes werden die jeweils zu berücksichtigenden Feiertage ausgewählt, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind. Als Voreinstellung wurde hier Bayern gewählt. Zudem können die Vorfesttage, also Heiligabend und Silvester, wie Feiertage definiert werden. Wenn Änderungen vorgenommen wurden und in das Tool übernommen werden sollen, muss abschließend der grüne Button „Speichern und Schließen“ unten rechts ausgewählt werden. Im nächsten Schritt werden im linken Bereich des Tabellenblatts die für den Plan notwendigen Dienste definiert (Abb. 3.31). Hierfür werden oben links Kürzel hinterlegt, hier wieder für das Muster-Beispiel die sechs Dienstarten Frühdienst Montag bis Freitag (F),

Abb. 3.31  Tool D (Auszug) – Tabellenblatt „Einstellungen“; Grundeinstellungen Dienste

3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

139

Frühdienst Wochenende (F+), Spätdienst Montag bis Freitag (S), Spätdienst Wochenende (S+), Zwischendienst (Z), Nachtdienst (N) sowie Vertretungsdienst (V). Die Zellen können über die reguläre Excel-Funktion beliebig eingefärbt werden, die gewählten Farben werden dann im weiteren Verlauf jeweils übernommen. Anschließend können die Dienste unter „Bezeichnung“ näher definiert werden, zuletzt wird die Arbeitszeit je Dienst im Format „Stunden:Minuten“ (abzüglich Pausen, sofern diese nicht auf die Arbeitszeit angerechnet werden) hinterlegt. Es ist auch möglich, eine tagesbezogene Soll-Besetzung zu definieren. Dies ist im weiteren Verlauf hilfreich, denn dann werden im ausgerollten Plan Abweichungen von der Soll-Besetzung farbig hervorgehoben. Jetzt geht es an die Gestaltung des Grunddienstplans. Dafür sollte zunächst in der Mitte des Tabellenblatts (Abb. 3.32) eine Bezeichnung hinterlegt werden, um den Plan am Ende einfacher zuordnen zu können – hier ist er als „Muster-Beispiel Plan 1“ hinterlegt. Auch die Laufzeit in Wochen für den Grunddienstplan ist zu hinterlegen, im Beispiel also zwölf Wochen. Zuletzt darf man nicht vergessen, diese Voreinstellungen durch die Auswahl des Buttons „GDP speichern“ zu sichern. Nun kann der Grunddienstplan eingetragen werden. Hier wird wieder das Muster-Beispiel übernommen. Um die Dienste einzutragen, stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: • Die vorab definierten Dienste können über ein Drop-Down-Menü an jedem Tag einzeln ausgewählt werden. • Durch Eintragen des Kürzels mittels der Tastatur wird der Dienst ebenfalls hinterlegt, hier muss nur auf die korrekte Schreibweise sowie Groß- und Kleinschreibung geachtet werden. Nachdem der Dienstplan hinterlegt wurde, können in der Mitte weitere Parameter des Plans abgelesen werden: die Gesamtarbeitszeit bei einmaligem Durchlaufen des Planes und die durchschnittliche Arbeitszeit je Dienstplanwoche. Da für die Vertretungsdienste hier keine Arbeitszeit hinterlegt wurde, liegt die durchschnittliche Arbeitszeit je Dienstplanwoche unter den durchschnittlich zu arbeitenden 38,5 Stunden pro Woche für eine Vollzeitkraft. Wichtig ist hier wieder, das Speichern durch Auswahl des Buttons „GDP speichern“ nicht zu vergessen. Wenn zwischenzeitlich die Kürzel neu eingefärbt wurden, kann diese Auswahl durch einen Klick auf „Kürzel neu einfärben“ auch im Grunddienstplan übernommen werden. Zudem ist es möglich, das Tool durch Auswahl von „Tool vollständig zurücksetzen“ komplett zu leeren. Dafür muss in einem sich dann öffnenden Fenster das Wort „LÖSCHEN“ eingegeben werden. Hierbei aber bitte vorsichtig sein, da alle gelöschten Eingaben nicht wiederhergestellt werden können! Nun ist der Dienstplan definiert und kann im Tabellenblatt „Plan“ ausgerollt werden. Zunächst muss definiert werden, für welches Kalenderjahr der Plan ausgerollt werden soll. Dann kann über ein Drop-Down-Menü zwischen unterschiedlichen Ansichten (jahresweise, quartalsweise, monatsweise oder Rest des Jahres ab dem aktuellen Datum) gewählt werden. Das Muster-Beispiel ist für das gesamte Jahr 2018 angelegt.

Abb. 3.32  Tool D (Auszug) – Tabellenblatt „Einstellungen“; Definition Grunddienstplan

1403  So einfach geht gute Dienstplanung!

3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

141

Abb. 3.33  Tool D (Auszug) – Tabellenblatt „Plan“; Voreinstellungen und Mitarbeiter

Anschließend wird wiederum per Drop-Down-Menü definiert, wie viele Mitarbeiter auf dem Dienstplan stehen sollen. Im Beispiel sind es zwölf Mitarbeiter. Die Mitarbeiter sollten nun benannt werden – entweder mit Namen, Personalnummer oder einfacher Durchnummerierung. Wie dies aussieht, zeigt Abb. 3.33. Um den Saldo aus bereits verplanter und zu arbeitender Arbeitszeit (Sollarbeitszeit) je Mitarbeiter zu berechnen, ist noch die individuelle Wochen-Vertragsarbeitszeit je Mitarbeiter zu hinterlegen. Nach einem Doppelklick auf die Vertrags-Arbeitszeit des betreffenden Mitarbeiters öffnet sich ein weiteres Fenster (Abb. 3.34). Hier wird eingegeben, wie hoch die wöchentliche Vertragsarbeitszeit des Mitarbeiters ist und ab wann diese gelten soll. Ein Mitarbeiter kann also auch unterjährig in den Plan einsteigen oder seine wöchentliche Vertragsarbeitszeit im laufenden Plan verändern. Wenn alles für den Mitarbeiter korrekt definiert wurde, wird das Feld „Speichern“ ausgewählt. Wenn diese Parameter für alle Mitarbeiter relevant sind, so können sie nach dem Speichern für einen Mitarbeiter für alle einzuplanenden Mitarbeiter mit der Auswahl des Feldes „Obige Einstellungen für ALLE Mitarbeiter übernehmen“ übernommen werden. Wenn dies nicht der Fall ist, wird für jeden einzelnen Mitarbeiter dieser Schritt wiederholt. Nun sind es nur noch wenige Schritte zum ausgerollten Grunddienstplan. Den Mitarbeitern müssen jeweils Grunddienstpläne mit Startdatum zugeordnet werden. Durch die Auswahl des kleinen grauen Pfeils öffnen sich weitere Menüfelder, so dass für jeden Mitarbeiter per Drop-Down-Menü einzeln der Dienstplan ausgewählt werden kann oder aber ganz oben ein Dienstplan für alle Mitarbeiter. Gleiches gilt für das Startdatum. Durch einen Doppelklick auf den blauen, nach unten weisenden Pfeil wird die Auswahl auf

1423  So einfach geht gute Dienstplanung!

Abb. 3.34  Tool D (Auszug) – Tabellenblatt „Plan“; Vertragsarbeitszeit je Mitarbeiter

alle Mitarbeiter übertragen. Zuletzt muss für alle Mitarbeiter eine Startwoche festgesetzt werden. Damit die im Tabellenblatt „Einstellungen“ definierten Soll-Besetzungen erreicht werden, muss jede Startwoche mindestens einmal vergeben werden. Zuletzt wird durch Auswahl des Buttons „Alle Dienste ausrollen“ der Dienstplan für alle Mitarbeiter ausgerollt. Soll er nur für ausgewählte Mitarbeiter ausgerollt werden, so kann dies für jeden Mitarbeiter einzeln ausgeführt werden (zu allen Vorgängen siehe Abb. 3.35). Nun ist der Plan für das gesamte vorher ausgewählte Kalenderjahr ausgerollt (siehe Abb. 3.36). Gleichzeitig wird unter „Einhaltung der Soll-Besetzungsstärke“ angezeigt, ob die im Tabellenblatt „Einstellungen“ definierte Soll-Besetzungsstärke (Abb. 3.31) planmäßig erreicht wird. Bei Unterschreitung wird das entsprechende Feld rot und bei Überschreitung gelb eingefärbt. Außerdem wird angezeigt, in welchem Maße von der SollBesetzungsstärke abgewichen wird. Wird die Soll-Besetzungsstärke planmäßig genau eingehalten, färbt sich das Feld grün. „Händische“ Änderungen am Plan können einfach durch Überschreiben der Zellen mit einem der zuvor definierten Kürzel vorgenommen werden (hierbei bitte wiederum Groß-/

3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

143

Abb. 3.35  Tool D (Auszug) – Tabellenblatt „Plan“; Grunddienstpläne zuordnen

Abb. 3.36  Tool D (Auszug) – Tabellenblatt „Plan“; ausgerollter Grunddienstplan

Kleinschreibung beachten). Die Einfärbung der Zelle sowie die Soll-Besetzungsstärkenprüfung passen sich automatisch an. Im Tabellenblatt „Mitarbeiterplan“ kann für jeden Mitarbeiter ein Jahresplan angezeigt werden (Abb. 3.37). Der relevante Mitarbeiter wird über das Drop-Down-Menü ausgewählt. Zudem können die Jahrespläne für alle Mitarbeiter ausgedruckt werden, wenn das entsprechende Feld ausgewählt wird. Änderungen an den Plänen können in diesem Tabellenblatt nicht vorgenommen werden, das ist lediglich im Tabellenblatt „Plan“ möglich. Das Tabellenblatt „Jahresübersicht“ zeigt den Plan für das gesamte Kalenderjahr für alle Mitarbeiter, der Umbruch erfolgt jeweils zum Quartalsende (Abb. 3.38).

Abb. 3.37  Tool D (Auszug) – Tabellenblatt „Mitarbeiterplan“

1443  So einfach geht gute Dienstplanung!

3.4  Grunddienstpläne: Langfristiger ist verlässlicher

145

Abb. 3.38  Tool D (Auszug) – Tabellenblatt „Jahresübersicht“

Abb. 3.39  Tool D (Auszug) – Tabellenblatt „Übersicht“

Das letzte Tabellenblatt „Übersicht“ (Abb. 3.39) zeigt in Tabellenform, welcher Mitarbeiter für wie viele Dienste eingeplant ist. Wenn der Dienstplan nicht verändert wurde, verteilen sich die einzelnen Schichten im Kalenderjahr nahezu gleichmäßig über alle Mitarbeiter – was ja auch der Charme des Grunddienstplans ist.

1463  So einfach geht gute Dienstplanung! Zusammenfassung 

Grunddienstpläne ermöglichen durch immer wiederkehrende, an der Soll-Besetzung orientierte Dienstrhythmen eine gleichmäßige, gerechte und langfristige Dienstplanung. Zugleich verringert sich der dienstplanerische Aufwand für den Dienstplaner deutlich. Es müssen im Rahmen der Ausplanung nur noch Abweichungen von der Norm – also insbesondere Ausfallzeiten und Tausche – eingetragen werden. Gleichzeitig wird bei der Nutzung von Brutto-Grunddienstplänen mit Vertretungsdiensten der Vertretungsbedarf offensichtlich, was eine größere Transparenz in der Dienstplanung nach sich zieht. Mit Hilfe der Vertretungsdienste und zuvor gesetzter und im Grunddienstplan eingehaltener Parameter kann auch bei überdurchschnittlichen Ausfallzeiten garantiert werden, dass diese Parameter eingehalten werden. Wenn keine Brutto-Grunddienstpläne mit Vertretungsdiensten genutzt werden, so ist auf eine gleichmäßige Verteilung der planbaren Abwesenheiten zu achten. Die Dienstplanung mit Hilfe von Grunddienstplänen gliedert sich in die folgenden sechs Schritte: 1. Soll-Besetzung definieren: Diese stellt das wichtigste Planungskriterium dar. Zudem leiten sich aus dem arbeitsplatzbezogenen Personalbedarf, welcher auf der Soll-Besetzung basiert, alle wichtigen Parameter für die Dienstplanerstellung ab. 2. Dienstplanmuster festlegen: Wenn einzelne Mitarbeitergruppen eigene Dienstplanmuster erhalten sollen, werden diese nun festgelegt – wie dies genau funktioniert, schildern Abschn. 4.2 und 4.3. 3. Grunddienstpläne erstellen: Der Grunddienstplan wird entsprechend den Grunddienstplanregeln entwickelt. 4. Grunddienstpläne ausrollen: Zunächst wird der Plan für einen Mitarbeiter erstellt, um im nächsten Schritt (meist EDV-gestützt) auf alle Mitarbeiter mit einem wochenweisen Versatz ausgerollt zu werden. 5. Ausfallzeiten auf den Plan legen: Die bereits bekannten Ausfallzeiten (Urlaub, Fortbildung, Feiertagsfreizeitausgleich) werden eingetragen, so dass mögliche Besetzungslücken kenntlich werden und der Dienstplaner nachjustieren kann. 6. Dienstplan ausplanen: Die noch offenen Dienste werden im letzten Schritt konkretisiert – idealerweise bei Brutto-Grunddienstplänen durch die Nutzung der darin vorgesehenen potenziellen Vertretungsdienste.

3.5 Rahmendienstpläne 3.5.1 Schritte zum Rahmendienstplan Rahmendienstpläne ähneln in ihrem Grundgedanken den Grunddienstplänen. Der Unterschied zum Grunddienstplan: Der Plan orientiert sich nicht konsequent an der Soll-Besetzung. Diese muss erst in späterer Feinplanung, in der Praxis meist in Monatsdienstplänen,

3.5  Rahmendienstpläne

147

abgebildet werden. Gegenüber Monatsdienstplänen haben Rahmendienstpläne den Vorteil, dass eine Vorstrukturierung vorhanden ist, die zum einen den Dienstplaner entlastet, zum anderen den Mitarbeitern einen Rahmen und einen Basis-Rhythmus vorgibt. Grundsätzlich können auch hier verschiedene Schritte unterschieden werden. Zunächst muss – wie in allen Dienstplänen – die Soll-Besetzung und der zugehörige Personalbedarf bekannt sein. Dann ähneln die Schrittfolgen denen der Grunddienstplanung: 1. Erstellen eines Rahmenplans: Dieser kann entweder sehr grob oder auch schon sehr detailliert sein, wie die beiden nachfolgenden Beispiele zeigen. So können zum Beispiel Nachtdienste bereits fest verplant werden. Oder diese sind zunächst noch nicht im Rahmenplan enthalten und werden später ergänzt. 2. Ausrollen des Rahmenplans: Wie ein Grunddienstplan wird jedem Mitarbeiter eine Startwoche des Planbeginns zugeordnet und dieser anschließend für einen beliebig langen Zeitraum (zum Beispiel ein Jahr) ausgerollt. 3. Ausfallzeiten im Plan berücksichtigen: Die bekannten Ausfallzeiten (Urlaub, Fortbildung) werden in den Plan eingebaut, so dass erste Lücken erkennbar werden. 4. Anpassung der Besetzungsstärken: Nun werden die Besetzungsstärken so angepasst, dass in allen Dienstarten und -lagen die Soll-Besetzung eingehalten wird. Dazu kann auch gehören, dass im Rahmenplan noch mit Diensten belegte Tage nun arbeitsfrei geplant werden. Vergleicht man die Schrittfolge mit derjenigen zur Erstellung von Grunddienstplänen, ergibt sich kein großer Unterschied. Lediglich die Herangehensweise im letzten Schritt bei der Anpassung der Besetzungsstärke ist etwas anders. Während im Grunddienstplan tatsächlich nur noch Abweichungen von der Soll-Besetzung umdisponiert werden müssen, können sich im Rahmenplan bereits von Anfang an Veränderungsbedarfe ergeben, beispielsweise weil die Nachtdienste noch nicht eingeplant sind.

3.5.2 Erstellung des Rahmendienstplans Wie diese Schritte in die Praxis umgesetzt werden können, zeigt als erstes Bespiel die Rahmendienstplanung einer psychiatrischen Station. Hier müssen Montag bis Freitag zwei Frühdienste und zwei Spätdienste mit jeweils acht Stunden Arbeitszeit sowie zwei Nachtdienste mit jeweils zehn Stunden Arbeitszeit besetzt werden. Am Wochenende entfällt ein Spätdienst, ansonsten sind Besetzungsstärke und Dienstlänge identisch zu derjenigen an den Tagen Montag bis Freitag. Auf Basis einer Ausfallquote von etwa 25 Prozent (dies entspricht einer Anwesenheitsquote von 75 Prozent) und einer vertraglichen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden werden somit „brutto“ (inklusive aller Ausfallzeiten) zwölf VK benötigt, „netto“ (ohne Ausfallzeiten) neun VK. Der Rahmenplan in diesem Beispiel läuft über vier Wochen und ist durch einen Wechsel aus Spät- und Frühwochen gekennzeichnet. Die Wochenenden sind mit „Schaukeldiensten“

1483  So einfach geht gute Dienstplanung!

Abb. 3.40  Durchlaufender Rahmendienstplan für eine psychiatrische Station; Rahmendienstplan

Abb. 3.41  Durchlaufender Rahmendienstplan für eine psychiatrische Station; Ausfallzeiten einplanen

(von Spät auf Früh) besetzt. Dies ist hier möglich, da die Ruhezeit zwischen einem Spätund einem Frühdienst mindestens zehn Stunden beträgt. Jedes zweite Wochenende ist im Rahmenplan als frei eingetragen. Wie der Plan aussieht, zeigt Abb. 3.40. Im nächsten Schritt werden die (jeweils) bekannten Ausfallzeiten auf den Rahmendienstplan gelegt (Abb. 3.41).

3.5.3 Ausplanung des Rahmendienstplans Nun kann der Plan konkretisiert werden. Zunächst werden die Nachtdienste besetzt, denn diese sind im Rahmendienstplan ja noch nicht vorgegeben. Hierbei wurde eine feste Verblockung der Nächte Montag bis Donnerstag einerseits beziehungsweise Freitag bis Sonntag andererseits gewählt. Im Anschluss an die Nachtblöcke sind drei beziehungsweise zwei Tage arbeitsfrei (Abb. 3.42).

3.5  Rahmendienstpläne

149

Abb. 3.42  Durchlaufender Rahmendienstplan für eine psychiatrische Station; Besetzung der Nachtdienste

Die Soll-Besetzung ist jedoch noch nicht erfüllt, vielmehr sind an einigen Tagen zu viele Früh- oder Spätdienste eingeteilt, an anderen Tagen zu wenige. Nun muss also durch den Dienstplaner nachjustiert werden. Montag und Dienstag in Woche 3 sind beispielsweise fünf Spätdienste laut Rahmendienstplan eingeteilt, dafür nur ein Frühdienst. Es kann also einer der Spätdienste in einen Frühdienst umgewandelt werden, zwei weitere Spätdienste werden zu freien Tagen. Genau dies wird auch umgesetzt: Mitarbeiter 8 ist statt für einen Spät- nun für einen Frühdienst eingeteilt, Mitarbeiter 2 und 4 haben dafür zusätzlich freie Tage. Den gesamten ausgeplanten Plan für vier Wochen zeigt Abb. 3.43. So ergibt sich nach Ausplanung des Rahmendienstplans ein wesentlich „luftigerer“ Dienstplan, was auch sinnvoll ist. Die Dienste sind mit acht Stunden für die Früh- und Spätdienste sowie zehn Stunden für die Nachtdienste ja grundsätzlich länger als die

Abb. 3.43  Durchlaufender Rahmendienstplan für eine psychiatrische Station; Anpassung der Besetzungsstärken

1503  So einfach geht gute Dienstplanung!

durchschnittliche Tagesarbeitszeit bei einer 5-Tage-Woche von 7,7 Stunden. Damit müssen mehr freie Tage entstehen. Insgesamt müssen wöchentlich (14 Frühdienste + 12 Spätdienste + 14 Nachtdienste = ) 40 Dienste abgedeckt werden. Dafür stehen vor Einbeziehung der Ausfallzeiten neun VK zur Verfügung, so dass durchschnittlich (40 Dienste pro Woche/9 VK netto = ) etwa 4,4 Tage pro Woche gearbeitet werden muss – es sind also durchschnittlich 2,6 Tage pro Woche frei. Bei Einhaltung des Rahmendienstplans wäre nur jedes zweite Wochenende frei, so dass sich durchschnittlich ein freier Tag pro Woche beziehungsweise eine 6-Tage-Woche ergäbe. Damit zeigt sich auch rechnerisch, dass der Rahmendienstplan in diesem Fall zunächst eine Überplanung der Mitarbeiter vorsieht, die in der konkreten Ausplanung wieder rückgängig gemacht wird.

3.5.4 Vorstrukturiertere Rahmendienstpläne Auch im folgenden Beispiel einer Intensivstation wird ein Rahmendienstplan eingesetzt – ähnlich dem Beispiel aus Abschn. 3.4.3 werden hierbei Teams gebildet. Die Besetzung zeigt Tab. 3.1. Für die Besetzung dieser Dienste werden inklusive aller Ausfallzeiten (also brutto) 17 VK benötigt. Der Rahmendienstplan enthält zwei Dienstformen: Zum einen sind die Nachtdienste festgelegt, zum anderen sind Früh- beziehungsweise Spätdienste als „F/S“ definiert. Hinzu kommen hier bereits die definitiv arbeitsfreien Tage, die sich an die Nachtdienstfolgen angliedern. Der Plan selbst ist vier Wochen lang. In diesem Fall sind also immer vier Mitarbeiter in einem Durchlauf des Rahmendienstplans zusammen geplant, wie Abb. 3.44 zeigt. In Team vier sind fünf Mitarbeiter eingeplant, um insgesamt die 17 VK zu erreichen. Die Soll-Besetzung wird dabei zunächst täglich überschritten. Im nächsten Schritt muss nun der Urlaub eingeplant werden. Im Durchschnitt sind hierfür immer zwei Mitarbeiter zu verplanen. Dadurch sinkt die Besetzungsstärke bereits deutlich. Noch immer liegt sie aber über der Soll-Besetzung (Abb. 3.45). Zuletzt ist es nun notwendig, anstelle des „Platzhalters“ „F/S“ die tatsächlichen Dienste festzulegen und – sofern die erreichte Besetzung über der definierten Soll-Besetzung Tab. 3.1  Soll-Besetzung einer Intensivstation

Dienst

Kürzel

Dienstzeit

Dienstdauer in Stunden ohne Pause

Besetzung Montag bis Freitag

Besetzung Samstag/Sonntag

Früh

F

06:15–14:15

7,5

4

3

Spät

S

13:45–21:15

7

4

3

Nacht

N

20:45–06:45

9,25

2

2

3.5  Rahmendienstpläne

151

Abb. 3.44  Rahmendienstplan einer Intensivstation; Rahmendienstplan

Abb. 3.45  Rahmendienstplan einer Intensivstation; Rahmendienstplan mit Urlaub

liegt – zusätzliche freie Tage einzuplanen (Abb. 3.46). Hier gilt jedoch gegenüber dem vorherigen Beispiel, dass im Rahmendienstplan bereits beinahe so viele Dienste eingeplant werden, wie von den Mitarbeitern auch zu leisten sind. In diesem Fall liegt die Anzahl der eingeteilten Dienste sogar etwas unter den benötigten Diensten. Eingeteilt sind im Durchschnitt 4,8 Dienste pro Woche, benötigt werden auf Basis der Dienstbesetzung

1523  So einfach geht gute Dienstplanung!

Abb. 3.46  Rahmendienstplan einer Intensivstation; ausgeplanter Rahmendienstplan

durchschnittlich etwa 5,2 Dienste pro Woche. Es müssen also teilweise im Rahmendienstplan noch arbeitsfreie Tage in Dienste umgewandelt werden, da ansonsten insbesondere die Wochenenddienste nicht besetzt werden können. Das betrifft beispielsweise Mitarbeiter 6 in Woche 1. Sofern eine Individualisierung der Pläne erforderlich oder gewünscht ist, haben Rahmendienstpläne den Vorteil, dass aufgrund der weniger strikten Vorgaben des Grundrhythmus in der Ausplanung stärker auf die individuellen Zeitbedürfnisse eingegangen werden kann. Beispielsweise wurden in Abb. 3.46 den Mitarbeitern 2, 5, 6, 10 und 14 keinerlei Nachtdienste zugewiesen. Wenn diese Mitarbeiter keine Nächte arbeiten können oder wollen, kann dies also berücksichtigt werden (siehe hierzu aber auch Abschn. 4.5). Das kann natürlich prinzipiell auch in Grunddienstplänen so praktiziert werden. Es ist hier aber aufgrund des stärkeren Vorstrukturierungsgrades des Plans meist aufwändiger.

3.5.5 Schnelldurchlauf: Rahmendienstplan im Muster-Beispiel Abschließend wird ein Rahmendienstplan für unser Muster-Beispiel dargestellt (Abb. 3.47). Hier wurde die in der Intensivstation praktizierte Variante gewählt, zunächst nur Nachtdienste einzuteilen und alle anderen Dienste (Früh-/Zwischen-/Spätdienste) als „Tagesdienste“ zusammenzufassen. Erst im Laufe der Ausplanung erfolgt dann die Konkretisierung dieses Grundrasters. Abb. 3.48 zeigt den Rahmendienstplan im Zustand nach beispielhafter Ausplanung.

3.5  Rahmendienstpläne

153

Abb. 3.47  Rahmendienstplan im Muster-Beispiel – vor Ausplanung

Abb. 3.48  Rahmendienstplan im Muster-Beispiel – nach Ausplanung Zusammenfassung 

Rahmendienstpläne strukturieren die spätere Feinplanung schwächer vor als Grunddienstpläne und sind daher offener für die Ausplanung. Gleichzeitig bedeutet dies auch, dass die Ausplanung nach der Übertragung der langfristigen Ausfallzeiten wesentlich aufwändiger ist und für die Mitarbeiter die Planungssicherheit sinkt. Ein Vorteil kann jedoch sein, dass erforderliche oder gewünschte Individualisierungen der Dienstplanung bereits in der Ausplanung möglich sind. Sind Dienste vorab nicht im Rahmendienstplan definiert, sondern nur als Platzhalter zum Beispiel für Früh- oder Spätdienste vorgesehen, kann auf individuelle Zeitbedürfnisse eingegangen werden, ohne auf eine langfristige Vorstrukturierung ganz zu verzichten.

1543  So einfach geht gute Dienstplanung!

Der Ablauf bei der Erstellung von Rahmendienstplänen ist dabei ähnlich der Grunddienstplanung, nur dass eben bei der Ausplanung mehr Freiheiten bestehen. Auch hier beginnt zunächst alles mit der Soll-Besetzung und dem daraus resultierenden Personalbedarf. • Erstellen eines Rahmenplans: Der Detailgrad ist dabei ganz unterschiedlich – von nur Festlegung Dienst oder Frei hin zu einer genauen Definition beispielsweise der Nachtdienste. • Ausrollen des Rahmenplans: Dies kann wiederum automatisiert im Dienstplanprogramm erfolgen. • Ausfallzeiten: Diese werden auf den Plan gelegt, um sie anschließend in den Plan integrieren zu können. • Anpassung der Besetzungsstärken: Zuletzt erfolgt die Ausplanung, in der gegebenenfalls über- oder unterbesetzte Dienste auf die definierte Soll-Besetzungsstärke angepasst werden. An dieser Stelle kann bei Bedarf auch auf individuelle Zeitbedürfnisse geachtet werden.

3.6 Freie-Tage-Pläne 3.6.1 Gestaltung von Freie-Tage-Plänen Freie-Tage-Pläne sind eine weitere Form der Vorstrukturierung. Hierbei werden nicht die Dienstlagen, sondern nur die definitiv freien Tage beziehungsweise die Tage, an denen kein Dienst beginnt, festgelegt. Auch das ist gegenüber Monatsdienstplänen bereits eine wesentliche Verbesserung hin zu mehr Planbarkeit für die Mitarbeiter, denn diese freien Tage wiederholen sich nach einem Plandurchlauf erneut, so dass sie langfristig feststehen. Gegenüber Rahmendienstplänen ist der Vorstrukturierungsgrad natürlich geringer, erst recht gegenüber Grunddienstplänen (Abb. 3.1). Wie ein solcher Freie-Tage-Plan aussehen kann, zeigt Abb. 3.49. Grundlage bildet hier wieder unser Muster-Beispiel mit zwölf Mitarbeitern. Wenn alle Ausfallzeiten intern Abb. 3.49  Freie-Tage-Plan im Muster-Beispiel

3.6  Freie-Tage-Pläne

155

Abb. 3.50  Freie-Tage-Plan – Ausplanung

abgedeckt werden sollen, ergibt sich, dass Montag bis Freitag immer zwei Mitarbeiter fest ins Frei geplant werden können. An den Wochenenden können immer drei Kollegen fest frei bekommen. Der Plan läuft also auch hier über insgesamt zwölf Wochen, wobei eben nicht die Dienste festgelegt werden, sondern die freien Tage. Hinzu kommen natürlich Kollegen, die im Urlaub, in anderen Abwesenheitszeiten oder krank sind. Die freien Tage wurden dabei so verteilt, dass maximal zehn Tage am Stück zu arbeiten wären. Wie auch bei Grunddienstplänen wird dieser Freie-Tage-Plan nun ausgerollt und konkretisiert. Dies geschieht auf Basis der bereits bekannten Ausfallzeiten insbesondere für Urlaub. Erst dann wird festgelegt, welche Mitarbeiter wann in welchen Diensten arbeiten. Einige der als möglich vorgemerkten Arbeitstage werden dann frei, da Montag bis Freitag sieben, am Wochenende sechs Mitarbeiter benötigt werden. Verfügbar sind im Freie-Tage-Plan vor Abzug aller Ausfallzeiten aber Montag bis Freitag zehn und am Wochenende neun Mitarbeiter. Die Wahrscheinlichkeit, dass einige der zu arbeitenden Tage frei werden, ist also relativ hoch. Wie die Ausplanung innerhalb von vier Wochen aussehen kann, zeigt Abb. 3.50. Die Tage, welche mit „Frei“ bezeichnet sind, sind die laut FreieTage-Plan festen freien Tage. Die dann noch offenen Tage sind zusätzliche freie Tage, die eingeplant werden können, da etwas weniger freie Tage, als tatsächlich benötigt werden, eingeplant wurden. Ein Teil dieser zusätzlichen freien Tage kann später auch für das Ausfallzeitenmanagement genutzt werden (Kap. 5).

3.6.2 Vorteile von Freie-Tage-Plänen Bei vielen individuellen Anforderungen bezüglich der Arbeitszeitlage haben Freie-Tage-Pläne den Vorteil, dass sich diese Individualitäten in der Ausplanung berücksichtigen lassen. Es gibt dann jedoch bereits eine verbindliche Vorstrukturierung durch die festen

1563  So einfach geht gute Dienstplanung!

freien Tage. Diese sind für alle Mitarbeiter identisch, so dass zumindest bezüglich der freien Tage eine Gleichbehandlung herrscht, wenn ein gemeinsamer Freie-Tage-Plan gewählt wird. Für den Dienstplaner ist dies eine Entlastung, da häufig auch über die Lage der freien Tage diskutiert wird. Hier ist von Beginn an klar, dass nicht ein Mitarbeiter seinen freien Freitag grundsätzlich vor einem freien Wochenende erhält, sondern dass alle Mitarbeiter innerhalb von zwölf Wochen in diesen Genuss kommen – es sei denn sie möchten tauschen, was selbstverständlich auch bei dieser Art der Planung möglich sein sollte.

Zusammenfassung 

Freie-Tage-Pläne bieten eine Vorstrukturierung der definitiv freien Tage. Im Gegensatz zu Grund- oder Rahmendienstplänen bestehen hier zusätzliche Freiheitsgrade bei der Ausplanung, da die Dienstlagen nicht vorab definiert sind. Die Rücksichtnahme auf individuelle zeitliche Bedürfnisse und Erfordernisse der Mitarbeiter – etwa eine Nachtdienstuntauglichkeit – ist daher bereits in der regulären Ausplanung möglich.

3.7

Einsatzpläne – eine Alternative

3.7.1 Einsatzgebiete von Einsatzplänen Im Zuge des mittlerweile weit verbreiteten Einsatzes von EDV-Unterstützung in der Dienstplanung wird mit zunehmender technischer Ausreifung der PEP-Systeme eine weitere Alternative der Dienstplanung auch für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen interessant: Einsatzpläne berücksichtigen die individuellen zeitlichen Verfügbarkeiten der Mitarbeiter bereits zu Beginn der Planung. Dazu werden individuelle Verfügbarkeiten mit der jeweils erforderlichen Soll-Besetzung abgeglichen. Der Einsatzplan generiert sich dann im PEP-System oder auf Basis einfacher Tools in MS-Excel auf Basis zuvor festgelegter Planungsregeln, indem er auf dieser Grundlage einen möglichst idealen Ausgleich zwischen den Mitarbeiterbedürfnissen und den betrieblichen Belangen herstellt. Einsatzpläne sind dafür eher für die kurzfristige Planung zwischen einer und circa sechs Wochen geeignet. Um sie mit längerfristigen Planungselementen zu kombinieren, kann eine Verknüpfung mit Rahmendienstplänen beziehungsweise Freie-Tage-Plänen in Betracht gezogen werden. Besonders geeignet sind Einsatzpläne bei stark ausdifferenzierten Dienstzeiten (Abschn. 2.2.3). In diesen Fällen wird eine Monatsplanung „von Hand“ recht schnell komplex. Und Grund- und Rahmendienstpläne werden stark differenzierte Dienstzeiten zunächst zu Platzhaltern bündeln – zum Beispiel „Frühdienste“ für die Dienste F1, F2, F3 und so weiter – und erst später ausplanen.

3.7  Einsatzpläne – eine Alternative

157

3.7.2 Vorteile von Einsatzplänen In der Pflege ist diese Form der Einsatzplanung noch selten, da vielmals der persönliche Austausch zum Dienstplan im Mittelpunkt steht. Aber nur, weil man über den Dienstplan spricht, wird er ja tatsächlich nicht unbedingt besser. Einsatzpläne haben den Vorteil, dass der Dienstplaner gegenüber den Mitarbeitern keinerlei „Wunsch“-Runden mit Motiv-Gewichtungen und der Gefahr der Ungleichbehandlung mehr drehen muss. Nach zuvor klar definierten Regeln geben die Mitarbeiter ihre Verfügbarkeiten an und werden auf Basis dieser dann nach ebenso klar definierten Regeln automatisiert eingeteilt. Dies erfolgt EDV-gestützt, so dass der Personaleinsatzplaner nur noch bei Abweichungen von bereits fertiggestellten Einsatzplänen zum Zuge kommt. Der Aufwand für den Dienstplaner reduziert sich drastisch, da das EDV-System einen Großteil der Arbeit übernimmt. Gleichzeitig werden individuelle Belange der Mitarbeiter weitestmöglich berücksichtigt, da diese ihre zeitlichen Bedürfnisse vorab eingeben können. Kompromisse zulasten der Besetzungsanforderungen macht das System nicht. Wollen zum Beispiel mehr Mitarbeiter arbeitsfrei haben als dies möglich ist, nimmt die Software nach entsprechenden Regeln eine Auswahl vor. Wollen weniger Mitarbeiter arbeitsfrei haben als erforderlich, werden dennoch so viele Mitarbeiter wie nötig arbeitsfrei geplant, um die Soll-Besetzung nicht zu überschreiten. Es wird also strikt nach Anwesenheitserfordernis geplant. Eine Überplanung ist ausgeschlossen, weil die Software dann „gnadenlos“ ins Frei plant.

3.7.3 Fortlaufende Verfügbarkeitsplanung Vor der eigentlichen Einsatzplanung steht die Verfügbarkeitsplanung: Jeder Mitarbeiter gibt für einen bestimmten Zeitraum seine zeitliche Verfügbarkeit an. Es wird dabei eine Vorgabe gemacht, in welchem Umfang der Mitarbeiter für die Planung verfügbar sein muss. Das sollte ein Wert von 25 bis 50 Prozent oberhalb seiner Vertragsarbeitszeit sein – beim höheren Wert und einer 40-Stunden-Woche mithin 60 Stunden pro Woche. Je kleiner die Einheit, desto eher sollte der obere Wert gelten. Dies ermöglicht, dass ausreichend Übereinstimmungspotenzial zwischen Verfügbarkeit des Mitarbeiters (Angebot) und Besetzungsbedarf (Nachfrage) besteht. Die Verfügbarkeiten sollten dabei am besten gestaffelt nach Prioritäten definiert werden. Ein Beispiel zeigt Abb. 3.51. Hier wurden drei unterschiedliche Prioritäten gebildet: • Grün: Der Einsatz ist uneingeschränkt möglich. Der Mitarbeiter kann zu den angegeben Zeiten ohne Rücksprache eingeteilt werden. Hierauf bezieht sich die oben genannte Verfügbarkeitsregel. • Gelb: Der Einsatz ist möglich, wenn es unbedingt sein muss, sich also nicht genügend andere in der Zeitspanne verfügbare Mitarbeiter finden. Der Mitarbeiter kann auch zu diesen Zeiten eingesetzt werden, allerdings nur zu maximal 25 Prozent dieser hinterlegten Zeiten.

1583  So einfach geht gute Dienstplanung!

Abb. 3.51  EDV-gestützte Verfügbarkeitsplanung

• Rot: Dies betrifft alle übrigen Zeiträume. Ein Einsatz ist grundsätzlich nicht möglich. Der Mitarbeiter ist zu den Zeiten ohne ausdrückliche Rücksprache nicht verfügbar. Bei einer planerischen Unterdeckung der Soll-Besetzung muss eine diesbezügliche Rücksprache erfolgen. Bei weiter fortbestehender Besetzungslücke erfolgt die betriebliche Disposition im Rahmen der Einsatzplanung. Im System werden diese Verfügbarkeiten gesammelt und dann in individuelle Einsatzpläne übersetzt. Es ist auch möglich, dass gar keine Dienstzeiten vorgeplant sind und das PEP-System die Dienstzeiten selbst auch anhand der Verfügbarkeiten und der Besetzungsbedarfe generiert. Bietet der Mitarbeiter zum Beispiel aufgrund eines privaten Besuchs am Nachmittag einen Einsatz am Montag von 06:00 Uhr bis 12:00 Uhr an, vergibt das PEPSystem, wenn dies zum Besetzungsbedarf passt, den entsprechenden Dienst an diesem Tag. Natürlich können die Verfügbarkeiten auch auf Basis vorab definierter Dienstzeiten abgefragt werden.

3.7.4 Fünf Planungsstufen Die Einsatzplanung verläuft meist in fünf Stufen: 1. Besetzungsbedarfsplanung: Der Personaleinsatzplaner gibt den Besetzungsbedarf – die Soll-Besetzung – vor. 2. Verfügbarkeitsplanung: Jeder Mitarbeiter gibt seine Verfügbarkeiten (grün und gelb) an. Dabei muss in jeder Woche zum Beispiel mindestens 150 Prozent der Vertragsarbeitszeit angegeben werden, damit sichergestellt ist, dass genügend Freiheitsgrade

3.7  Einsatzpläne – eine Alternative

159

in der Planung zur Abdeckung der Soll-Besetzung vorhanden sind. Wie eine solche Priorisierung für einen Mitarbeiter aussehen kann, zeigt Abb. 3.51. 3. Automatisierte Einsatzplanung: Aus 1. und 2. werden automatisch individuelle Einsatzpläne generiert. Um den Einsatzplan zu erstellen, werden im EDV-System bestimmte Planungs-Spielregeln hinterlegt. Diese können sich an den in Abschn. 3.2.1 aufgeführten Regeln orientieren. Zu restriktiv sollten sie jedoch nicht sein, da ansonsten die Erreichung der Soll-Besetzung möglicherweise beim Gegenüberstellen von individuellen Verfügbarkeiten und Planungsspielregeln nicht mehr möglich ist oder zu viel „Fremdeingriffe“ durch das System erfolgen müssen. 4. Feinplanung: Einige Zeiten werden womöglich auf Basis der individuellen Verfügbarkeiten nicht abgedeckt sein. Zum Beispiel haben sich zu wenige Mitarbeiter in den unbeliebten Samstags-Spätdienst eingetragen. Nun werden diese Lücken gefüllt – zum Beispiel über „Lückenlisten“. Die Mitarbeiter tragen sich eigenverantwortlich für die als unterbesetzt benannten Dienste ein. Über das Engagement wird eine Statistik geführt, in der vermerkt ist, wie häufig jeder Mitarbeiter sich zum „Lückenfüllen“ bereiterklärt. Dies kann in nachfolgenden Planungsrunden als Bonus berücksichtigt werden. Am Ende der Feinplanungsstufe müssen alle Zeiten wie in der Soll-Besetzung vorgesehen besetzt sein. Jeder Mitarbeiter erhält einen individuellen Einsatzplan. Wenn bestimmte Zeiten grundsätzlich unbeliebt sind – vor allem am Wochenende – werden diese reihum eingeteilt. Hier kann also wieder eine Art des Grunddienstplans greifen. Zum Beispiel kann für jeden Mitarbeiter grundsätzlich jedes zweite Wochenende als Dienstwochenende geplant werden, mehr ist natürlich auf freiwilliger Basis immer möglich (unter Einhaltung der mindestens 15 freien Sonntage pro Jahr nach § 11 Abs. 1 ArbZG). 5. Flexibilisierung: Nachdem die soll-besetzungsorientierten Einsatzpläne fertig sind, können die Mitarbeiter in gegenseitiger Absprache jederzeit Änderungen vornehmen. Tausche zwischen den Mitarbeitern sind immer möglich, sofern die Soll-Besetzung, die Qualifikationsvorgaben und die tariflichen sowie arbeitszeitgesetzlichen Vorgaben eingehalten werden (zum Thema Tausch siehe auch Abschn. 4.5). Nach Absprache mit der Führungskraft kann auch kurzfristig von den eingetragenen Diensten abgewichen werden, sofern dies die betrieblichen Belange erlauben. Hier geht es lediglich um kurzfristige Abweichungen bis maximal zwei Tage im Voraus. Alle anderen Wünsche können ja bereits in der Verfügbarkeitsabfrage angegeben werden und werden weitestgehend berücksichtigt.

3.7.5 Keine „Motiv-Erforschung“ mehr Für den Planer ergibt sich gegenüber klassischen Systemen der Vorteil, Wünsche nicht nach ihrem Motiv priorisieren zu müssen. Planer entwickeln in vielen Fällen ein internes „Scoring-System“, in dem bestimmte Wünsche als besonders wichtig, andere als weniger wichtig eingestuft werden. Dieses ist höchst subjektiv – und hat meist mit den persönlichen Prioritäten zu tun. Für den einen ist das Fußballspiel der Lieblingsmannschaft wichtig, für

1603  So einfach geht gute Dienstplanung!

den nächsten der sechste Geburtstag des Enkelkindes. Diese Wünsche können durch den Dienstplaner nicht gegeneinander aufgewogen werden – von dringenden sozialen Gründen im Einzelfall abgesehen, die im Zweifel immer Vorrang genießen. Im Einsatzplan ist diese subjektive Motiv-Gewichtung weder nötig noch möglich. Dass Mitarbeiter in der Planung bevorzugt werden – teils bewusst, teils unbewusst – kann bei automatischer Einsatzplangenerierung im PEP-System nicht mehr passieren, da der Computer strikt nach den vorab definierten Regeln verfährt.

Zusammenfassung 

Einsatzpläne sind in der Pflege noch wenig verbreitet, werden aber an Bedeutung gewinnen – auch angesichts verbesserter PEP-Systeme. Der Vorteil von Einsatzplänen liegt im optimierten Mix zwischen (differenzierten) Besetzungsbedarfen und individuellen Zeitpräferenzen. Der Einsatzplan wird nach Eingabe der Verfügbarkeitsplanung der Mitarbeiter vom PEP-System automatisch erstellt – auf Basis zuvor definierter Regeln, die im PEP-System zur Anwendung kommen. Dadurch wird eine Bevorteilung oder Benachteiligung einzelner Mitarbeiter vermieden. Der Planungszeitraum ist grundsätzlich kurz, jedoch kann er durch eine Kombination mit Grund-, Rahmen- oder Freie-Tage-Plänen verbessert werden.

3.8

Wertschöpfender Einsatz von Schülern

3.8.1 Warum ein wertschöpfender Einsatz sinnvoll ist Schüler sollten in der Dienstplanung auf Basis ihres Ausbildungsjahres berücksichtigt werden. Sie immer nur „on top“ zu rechnen, also bei der Soll-Besetzung gar nicht zu berücksichtigen, ist nicht sachgerecht – aus zwei Gründen: • Produktiver Einsatz: Schüler sind für das Krankenhaus oder die Einrichtung budgetrelevant, denn auch Schüler verdienen Geld. Und sie kosten zwar deutlich weniger als eine dreijährig examinierte Pflegekraft, aber auch diese Kosten müssen verrechnet werden. Und warum sollte man diese Potenziale nicht auch unter Kostengesichtspunkten nutzen? • Praxisorientierung: Auch für den Schüler ist es nicht sinnvoll, bis zum Ende der Ausbildung immer nur zusätzlich eingesetzt zu sein. Im schlechtmöglichsten Fall hat der Schüler bis zum Ende der Ausbildung an keinem Tag eigenverantwortlich gearbeitet, da er immer zusätzlich eingesetzt wurde. Damit ist aber wiederum programmiert, dass im regulären Arbeitsalltag schnell die unschöne Ernüchterung einsetzt: Denn so zu arbeiten, wie man es aus der Ausbildung gewöhnt ist, ist im regulären Einsatz nicht möglich.

3.8  Wertschöpfender Einsatz von Schülern

161

Dies wiederum führt zu Frustration. Das häufig vorgebrachte Argument, Praxiseinsätze der Pflegeschüler seien zum Lernen und nicht zum Arbeiten oder gar Lückenstopfen da, erweist sich dann beim „Praxisschock“ als Bumerang.

3.8.2 Anrechnungsquoten Daher sollten Schüler grundsätzlich wertschöpfend eingeplant werden – selbstverständlich nur insoweit, wie etwaige rechtliche Besetzungsvorgaben, die keine Anrechnungen von Schülern vorsehen, auch ohne Anrechnungen eingehalten bleiben. Dazu ist ihr Wertschöpfungsbeitrag im Verhältnis zur (examinierten) Pflegekraft zu ermitteln. Denn wertschöpfende Einplanung bedeutet selbstverständlich nicht, sie wie eine volle Pflegekraft im Dienstplan zu berücksichtigen. Eine Differenzierung nach Ausbildungsjahr ist meist hilfreich, da die Fähigkeiten natürlich nach einem Jahr andere sind als nach beinahe abgeschlossenen drei Jahren. Hier kann also für die Ausbildungsjahre ein Faktor berücksichtigt werden. Vielfach wird nach der folgenden Staffelung verfahren (siehe auch Abschn. 7.2.2): • 1. Ausbildungsjahr: Keine bis 30 Prozent Anrechnung. Der Schüler ist zusätzlich zur Soll-Besetzung eingeplant. Seine Entlastungsbeiträge sind bestenfalls gerade so groß wie der Aufwand, der durch die Praxisanleitung entsteht. • 2. Ausbildungsjahr: Anrechnung zu 50 bis 75 Prozent. Zwei Schüler im zweiten Ausbildungsjahr ersetzen somit einen regulär geplanten Dienst. • 3. Ausbildungsjahr: Anrechnung zu 75 bis 100 Prozent. Der Schüler ist beinahe wie eine dreijährig examinierte Pflegekraft einteilbar, benötigt aber noch Unterstützung.

3.8.3 Ausgestaltung des Schüler-Einsatzes Natürlich beziehen sich diese Anrechnungen nur auf den wertschöpfenden Anteil der Praxiseinsätze. Am Beispiel in Abb. 3.52 zeigt sich, wie die Anrechnung gestaltet werden kann. Hier sind 14 Schüler im zweiten und dritten Ausbildungsjahr aufgelistet inklusive aller Wochen, in denen sie wertschöpfend im Haus eingesetzt werden können. Die blau gekennzeichneten Phasen summieren sich zu insgesamt 98 Wochen, in denen diese Auszubildenden eine Pflegekraft oder einen Pflegehelfer vollständig ersetzen können. Wie die regulären Pflegekräfte werden auch die Schüler in einer 5-Tage-Woche eingesetzt. In diesen 98 Wochen sind also insgesamt (98 Wochen × 5 Dienste pro Woche = ) 490 Dienste abgedeckt, die nicht durch Pflegekräfte geleistet werden müssen. In Stellenanteile umgerechnet bedeutet dies, dass bei einer Netto-Verfügbarkeit von 200 Diensten pro Jahr und VK insgesamt (490 Dienste pro Jahr/200 Dienste „netto“ je VK und Jahr = ) circa 2,5 VK zur Verfügung stehen. Diese werden bei der Personaleinsatzplanung berücksichtigt – anteilig mit ihrer Anrechnungsquote auch bei der Berechnung von Besetzungskennzahlen (Betreuungsquoten; Abschn. 7.2.2).

Abb. 3.52  Wertschöpfender Einsatz eines Schüler-Kurses im 2./3. Ausbildungsjahr

1623  So einfach geht gute Dienstplanung!

Literatur

163

3.8.4 Vorteile einer langfristigen Planung der Schüler-Einsätze Die hier gezeigte langfristige Jahresplanung hat für alle Beteiligten Vorteile: • Planbarkeit für die Schüler: Die Dienstplanung für die Schüler erfolgt langfristig, so dass auch diese ein hohes Maß an Planbarkeit und Verlässlichkeit erfahren. • Langfristige Dienstplanung: Die fest angestellten examinierten Pflegekräfte und Pflegehelfer können ebenfalls auf Basis der Schüler-Jahresplanung einen langfristigen Dienstplan erhalten, in dem die Schüler-Anwesenheiten bereits berücksichtigt sind. In diesen Zeiten können entweder mehr freie Tage eingeplant werden. Oder es kann mehr Urlaub genommen werden. Idealerweise fließen die Schüler-Anwesenheiten also schon in die Urlaubsplanung mit ein (zur Urlaubsplanung siehe auch Abschn. 5.1.2). • Grunddienstplanung möglich: Der Dienstplaner kann langfristiger planen – und dabei auch ein System nutzen, was für die langfristige Planung prädestiniert ist, wie Grunddienstpläne (Abschn. 3.4), Rahmendienstpläne (Abschn. 3.5) oder Freie-TagePläne (Abschn. 3.56). • Attraktivität: Für den Arbeitgeber ist die langfristige Einsatzplanung gerade von Schülern eine Möglichkeit, sich auf dem hart umkämpften Markt für Pflegekräfte hervorzuheben. In der Pflege ist eine verlässliche Planung immer noch sehr ungewöhnlich. Wenn den Schülern dies schon in der Ausbildung vermittelt wird, besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie nach erfolgreichem Abschluss beim Arbeitgeber bleiben.

Zusammenfassung 

Der Einsatz von Schülern sollte nicht zufällig erfolgen, sondern ebenfalls geplant werden. Hierzu gehört auch, die Einsatzfähigkeit von Schülern auf Basis ihres Ausbildungsjahres zu quantifizieren und festzulegen, in welchen Fällen und mit welchem Anteil ein Schüler als Ersatz für eine Pflegekraft gelten kann. Wenn der pflegekraftersetzende Schülereinsatz langfristig geplant wird, kann auch für alle anderen Mitarbeiter ein verlässlicher, langfristiger Plan erstellt werden. Idealerweise ist der Schüler-Einsatz bereits bei der Urlaubsplanung bekannt, so dass die langfristigen Abwesenheiten auf den Schüler-Einsatz abgestimmt werden können.

Literatur 1. 2. 3. 4. 5. 6.

BAG, Urt. v. 29.09.2004; Az.: 5 AZR 559/03, Rn 23 BAG, Urt. v. 29.09.2004; Az.: 5 AZR 559/03, Rn 24 BAG, Urt. v. 13.06.2007; Az.: 5 AZR 849/06, Rn 15 BAG, Urt. v. 13.06.2007; Az.: 5 AZR 849/06, Rn 18 BAG, Urt. v. 11.02.1998; Az.: 5 AZR 472/97, Leitsatz Nr. 1 BAG, Urt. v. 11.02.1998; Az.: 5 AZR 472/97, Leitsatz Nr. 2

4

Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

Alle mitarbeiterseitigen Anforderungen, die mit dem Besetzungsbedarf der Patienten oder der Bewohner und der verfügbaren Personalkapazität (das heißt: mit den Stellenplänen) kompatibel sind, müssen realisiert werden können. Dieser gleichermaßen einfache wie bedeutsame Grundsatz kennzeichnet das Grundverständnis guter Dienstplanung.

4.1

Varianten der Individualisierung

Individuelle zeitliche Anforderungen der Mitarbeiter wirken dienstplanmethodisch als Einschränkung der persönlichen Verfügbarkeit. Der Mitarbeiter kann oder möchte zu einer bestimmten Zeit nicht eingesetzt werden. Es können dabei vier Varianten auftreten: 1. Persönliche Notfälle: Diese betreffen akute private Ereignisse wie plötzliche Todesfälle in der Familie, Einbruch in der Wohnung oder dergleichen. Hier wird man stets zwischen Führungskraft und Mitarbeiter sofort eine Lösung finden, so dass der Mitarbeiter seinen Dienst nicht antreten muss oder den bereits angetretenen Dienst verkürzen kann. In solchen Fällen wird mit kurzfristiger Einsatz- oder Arbeitszeitflexibilität der Kollegen agiert. Es kann, wenn es nicht anders geht, auch der Besetzungsbedarf infrage gestellt werden, sofern die Versorgung der Patienten/Bewohner sichergestellt ist. Dieser Punkt muss nicht weiter vertieft werden – er versteht sich von selbst.

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© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Herrmann, C. Woodruff, Dienstplanung im stationären Pf legedienst, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22581-0_4

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1664  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

2. Zwingend zu realisierende zeitliche Einschränkungen: Diese betreffen vor allem mitarbeiterbezogene Einsatzeinschränkungen durch ärztliche Atteste – vor allem Nachtarbeitsuntauglichkeiten – sowie durch einzelvertraglich zugesagte Arbeitszeitlagen. Beispiel: Der Mitarbeiter arbeitet nur im Frühdienst. Diese auf rechtlichen Ansprüchen basierenden Individualitäten müssen vorrangig realisiert werden, wenn sie nicht vermeidbar sind. Das bedeutet, dass aus rechtlichen Gründen gebotene Einschränkungen weitestmöglich vermieden und konsequent daraufhin geprüft werden, ob sie notwendig sind und wie die Einschränkung befristet werden kann. Verbindliche fixierte Einschränkungen basieren ja auf sozialen oder gesundheitlichen Gründen. Beide sind daher in der Regel zeitlich befristet: Das Kind, das aus der Krippe abzuholen ist, wächst aus dieser heraus. Und auf das gesundheitsbedingte Attest folgt hoffentlich die Genesung (zum Umgang mit Attesten siehe Abschn. 4.5). 3. Teilzeitarbeit – also die Variation der Dauer der Vertragsarbeitszeit. Die Dienstpläne müssen für Mitarbeiter mit unterschiedlichen Vertragsarbeitszeiten kompatibel gemacht werden. Erfolgt Teilzeitarbeit mit über die verschiedenen Lebensphasen des Mitarbeiters wechselnden Arbeitszeitdauern (mal mehr, mal weniger) und wird eine Rückkehrmöglichkeit in vormalige Vertragsarbeitszeiten vertraglich zugesichert, so spricht man von Wahlarbeitszeit. Diese Arbeitszeitform wird angesichts vom Gesetzgeber beabsichtigter Rechtsansprüche an Bedeutung gewinnen – obwohl sie dank der Arbeitsmarktsituation in der Pflege vielfach bereits Realität ist. Sie macht es erforderlich, Dienstpläne zukünftig noch durchlässiger für unterschiedliche Arbeitszeitformen zu gestalten (Abschn. 4.7). 4. Persönliche Zeitinteressen der Mitarbeiter: Von vielen mit dem neudeutschen Begriff „Work-Life-Balance“ bezeichnet. Hierunter fallen alle Formen individueller Zeitpräferenzen bezüglich der Lage und Verteilung der Arbeitszeit („möchte nicht am Dienstagnachmittag arbeiten“, „hätte gern an meinem Geburtstag frei“ oder Ähnliches). Dieser Punkt gewinnt aufgrund der Auffächerung der äußeren Lebensformen in der Wohlstandsgesellschaft eine immer größere Bedeutung. Dienstpläne müssen so weit wie möglich auf persönliche Zeitinteressen reagieren. Dabei kommt es in Zeiten der Zunahme hedonistischer Grundhaltungen und höherer Ansprüche an die Realisierung von Zeitwünschen insbesondere darauf an, Regeln für den Umgang mit zueinander in Konflikt stehenden Zeitinteressen der Mitarbeiter zu finden. Daher gewinnt das Kriterium eines gerechten Umgangs mit Zeitinteressen deutlich an Bedeutung. Schon aus diesem Grund sollten individuelle Absprachen zu besonderen Arbeitszeitregelungen nicht einzelvertraglich geregelt werden – damit ist die Ungerechtigkeit nämlich vorhersehbar.

4.2

Überblick: Umsetzungsformen der Individualisierung

In Kap. 3 haben wir gezeigt, wie Dienstpläne erstellt werden. Dabei lag der Fokus zunächst auf der – im realen Dienstplaner-Leben in der Pflege eher seltenen – Konstellation, dass alle Mitarbeiter in Vollzeit arbeiten und alle Dienstlagen gleichermaßen übernehmen.

4.2  Überblick: Umsetzungsformen der Individualisierung

167

Zugleich haben wir die Dienstpläne jedoch schon auf den nächsten Schritt vorbereitet, wie der Überblick über die Formen der Individualisierung zeigen soll, die wir in diesem Kapitel ausführlich erläutern werden.

4.2.1 Formen der Individualisierung von Grunddienstplänen • Verschachtelung: Grunddienstpläne können für unterschiedliche Arbeitszeitmuster erstellt werden. Dann erhalten Mitarbeiter mit reduzierten Vertragsarbeitszeiten oder Mitarbeiter mit eingeschränkter Verfügbarkeit – wie Nachtdienstuntauglichkeit – eigene Grunddienstpläne, die mit den anderen Plänen „verschachtelt“ werden (Abschn. 4.3.1). • Laufzeitverlängerung: Zunächst wird der gleiche Plan wie bei Vollzeitmitarbeitern erstellt. Für Teilzeitmitarbeiter wird die Laufzeit des Plans verlängert, so dass sie die gleichen Dienste wie ein Vollzeitmitarbeiter durchlaufen, nur eben in einem längeren Zeitraum (Abschn. 4.3.2). • Teilzeit-Paare: Teilzeitmitarbeiter können in Grunddienstplänen Mitarbeiter-Paare bilden, die dann die zu erbringenden Dienste untereinander aufteilen. Das gelingt dann am besten, wenn die Zeitinteressen möglichst komplementär sind – was der eine nicht mag, mag der andere (Abschn. 4.3.3). • Individualisierte Grunddienstpläne: Für jeden Mitarbeiter wird über einen frei gewählten Zeitraum ein Dienstplan geschrieben, wobei – über alle Mitarbeiter betrachtet – täglich die Soll-Besetzung eingehalten wird. Der Besetzungsbedarf wird also wie bei einem Puzzle aus unterschiedlichen Teilen zusammengeführt (Abschn. 4.4.1). Diese Varianten, Grunddienstpläne für Teilzeitarbeit sowie spezifische Zeitinteressen zu öffnen, verdeutlicht Abb. 4.1.

4.2.2 Weitere Varianten Außerhalb von Grunddienstplänen kommen weitere Varianten infrage: • Individuelle Jahresplanung: Hier wird für Teilzeitmitarbeiter, ähnlich wie bei der Urlaubsplanung (Abschn. 5.1.2), das gesamte Jahr mit Diensten und arbeitsfreien Tagen ausgeplant (Abschn. 4.4.2). • Rahmendienstplanung und Freie-Tage-Pläne: Diese Varianten haben wir bereits unter den Grundformen vorgestellt (Abschn. 3.5 sowie Abschn. 3.6). Wir erwähnen sie erneut, weil wir schon darauf hingewiesen haben, dass gering vorstrukturierte Dienstplanvarianten in der Ausplanung besonders offen sind für den Einbau individueller Spezifika. Mitarbeiter, die keine Nachtdienste erbringen können (oder möchten), werden in dem in Abschn. 3.5 dargestellten Beispiel einfach nicht aus den beiden im Rahmendienstplan eingeteilten Dienstlagen Früh- und Spätdienst in den Nachtdienst herausgeplant.

1684  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

Abb. 4.1  Integration von Teilzeitmitarbeitern in Grunddienstplänen – die Alternativen

• Einsatzplanung (Abschn. 3.7): Auch diese Variante haben wir bereits unter den Grundformen vorgestellt. Hier erfolgt die Individualisierung direkt an der Quelle – im Moment der Dienstplanerstellung. Jeder Mitarbeiter gibt für einen bestimmten Zeitraum die individuellen Arbeitszeitpräferenzen und -möglichkeiten an. Unterstützt durch ein hierfür geeignetes PEP-System wird auf dieser Basis der Einsatzplan erstellt. • Wunschfrei: Um einen größeren Gestaltungsspielraum für die Mitarbeiter zu erhalten, ist es möglich, in der Jahresurlaubsplanung neben den Urlaubstagen auch „Wunschfrei“ einzuplanen – zum Beispiel einen freien Tag pro Quartal, den sich die Mitarbeiter wie Urlaub eintragen dürfen. Das ist dann natürlich kein zusätzlicher freier Tag, sondern ein freier Tage im Rahmen der üblichen 5- oder 5,5-Tage-Woche. Der Mitarbeiter kann aber bestimmen, wann er diesen einen freien Tag gerne hätte. Damit lassen sich auch langfristige Bedürfnisse wie Geburtstagsfeiern, Einladungen auf Hochzeiten oder Konzertbesuche abbilden, ohne dass der Mitarbeiter hierfür einen Urlaubstag einplanen müsste (Abschn. 5.1.2). • Tausch: In allen diesen Dienstplanvarianten – besonders bei stark vorstrukturierten Varianten wie bei der Monatsdienstplanung und der Grunddienstplanung – ermöglichen Tauschsysteme zeitinteressengerechte Abwandlungen von aufgestellten Plänen (Abschn. 4.5).

4.2  Überblick: Umsetzungsformen der Individualisierung

169

4.2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen Die Abwägungen der betrieblichen mit den persönlichen Interessen berühren wiederum das Gestaltungsfeld des Direktionsrechts. Daher wird es hier stets um die Umstände des Einzelfalls gehen. Es lassen sich aber einige Interpretationsgrundmuster aus der Rechtsprechung herauslesen. Zunächst muss der Arbeitgeber auf schutzwürdige soziale Belange der Mitarbeiter Rücksicht nehmen – jedoch nur, soweit dies mit den betrieblichen Anforderungen sowie mit den berechtigten Zeitinteressen anderer Mitarbeiter kompatibel ist, nicht aber darüber hinaus: „Der Arbeitgeber kann die Lage der Arbeitszeit gemäß 106 Satz 1 GewO [Direktionsrecht nach billigem Ermessen; die Autoren] nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit hierüber keine vertragliche oder kollektivrechtliche Vereinbarung getroffen ist. Die Grenzen billigen Ermessens sind gewahrt, wenn der Arbeitgeber bei der Bestimmung der Zeit der Arbeitsleistung nicht nur eigene, sondern auch berechtigte Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt hat. Auf schutzwürdige familiäre Belange des Arbeitnehmers hat er Rücksicht zu nehmen, soweit einer vom Arbeitnehmer gewünschten Verteilung der Arbeitszeit nicht betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer entgegenstehen“ [1]. Im entschiedenen Fall wollte eine Altenpflegerin nach Rückkehr aus dem Erziehungsurlaub in Abstimmung mit der Arbeitszeit ihres Ehemanns wieder im 7-Tage-Rhythmus im Nachtdienst arbeiten. Es stand aber nur ein Arbeitsplatz mit Nachtdienst im 2-Tage-Rhythmus zur Verfügung. Niemand wollte mit ihr tauschen. Einer diesbezüglichen Anordnung des Arbeitgebers hätten berechtigte Belange der Betroffenen entgegengestanden. Somit entsprach die festgesetzte Zeit der Arbeitsleistung billigem Ermessen. Bei der Anmeldung individueller persönlicher Zeitinteressen besteht also • der erste Prüfschritt in der Abwägung, ob die persönlichen Interessen mit dem Besetzungsbedarf kompatibel sind. Ist dies nicht der Fall, können sie grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (zu den Ausnahmen siehe zum Thema Atteste Abschn. 4.5). • Der zweite Prüfschritt besteht darin sicherzustellen, dass berechtigte Interessen anderer dem nicht entgegenstehen. Dazu wird man im Zweifel die Kollegen einbeziehen müssen, denn führungsseitige Motiv-Gewichtungen bei konfligierenden Zeitinteressen, darauf hatten wir schon mehrfach hingewiesen (Abschn. 1.2.5 und 3.4.1), sollten nicht stattfinden – von offenkundigen Ausnahmen abgesehen, bei denen eine besondere soziale Dringlichkeit vorliegt. Dabei geht es nicht nur um Wunsch-Konflikte. Vielmehr ist auch abzuwägen, ob Zeitinteressen Einzelner zu ungünstigeren Arbeitszeiten von Kollegen führen. Wenn beispielsweise ein Mitarbeiter gern immer am Montag frei hat, dürfte dies in der Regel gegen die Interessen der Kollegen verstoßen, die auch einmal an diesem Wochentag frei haben möchten – es sei denn, alle anderen bevorzugen andere freie Wochentage. Die Rechtsprechung hat sich immer wieder mit der Abwägung von zeitlichen Einzel- und Kollektivinteressen auseinanderzusetzen – ein Thema, das nach unserem Eindruck in der

1704  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

individualisierten Lebenswelt heutiger Tage deutlich an Bedeutung gewinnt. Die bisherige Rechtsprechung räumt im Zweifel den Kollektivinteressen Vorrang ein: „Hat die Arbeitszeitverteilung eines einzelnen Arbeitnehmers Auswirkungen auf das kollektive System der Verteilung der betriebsüblichen Arbeitszeit, kann eine Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede dem Verlangen des Arbeitnehmers auf Neuverteilung seiner Arbeitszeit nach § 8 Abs. 2 bis 5 TzBfG entgegenstehen“ [2]. „Der Betriebsrat hat bei der Ausübung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG darauf zu achten, dass die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit gefördert wird. Diese allgemeine Aufgabe des Betriebsrats aus § 80 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BetrVG führt nicht notwendig zum Vorrang der Interessen des einzelnen Arbeitnehmers, der Familienpflichten zu erledigen hat. Den Betriebsparteien steht bei der Abwägung der Einzel- und Kollektivinteressen ein Beurteilungsspielraum zu“ [3]. Im entschiedenen Fall hatte ein Betriebsrat das Einzelinteresse eines Kollegen als nicht im Einklang mit den anderen Interessen der Teammitglieder angesehen. „Eine starre, festgelegte Arbeitszeit eines einzelnen Mitarbeiters steht mit den Interessen der anderen Kolleginnen und Kollegen nicht im Einklang. Eine festgelegte Arbeitszeit eines einzelnen Mitarbeiters würde den Betriebsfrieden ganz erheblich stören. Aus diesem Grund lehnen wir eine Zustimmung ab“ (aus dem Schreiben des Betriebsratsvorsitzenden) [4]. Umstritten ist, ob Teilzeitmitarbeiter darauf bestehen können, dass sie lediglich proportional zu ihrer geringeren Vertragsarbeitszeit zu den verschiedenen Diensten in mehrheitlich unbeliebten Zeiten eingeteilt werden dürfen. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Dienstplanung, wenn beispielsweise Teilzeitmitarbeiter mit einem Arbeitszeitanteil von 50 Prozent nur zur Hälfte der für Vollzeitmitarbeiter eingeteilten Wochenenddienste eingeteilt werden dürfen. Das würde in vielen Häusern zu einer deutlichen Zunahme der Wochenendarbeit im Vollzeitbereich führen, da derzeit Teilzeitmitarbeiter oftmals – bezogen auf ihre Vertragsarbeitszeit überproportional – zusätzliche Wochenenddienste erbringen. Zum Beispiel gilt für alle Mitarbeiter die Regel: „Jedes zweite Wochenende ist Dienst.“ Dass die Frage, ob das rechtlich zulässig ist, nicht pauschal beantwortet werden kann, sieht man schon daran, dass es viele Teilzeitmitarbeiter gibt, die gerade am Wochenende eingesetzt werden wollen. Wie verhält es sich jedoch, wenn der Mitarbeiter darauf besteht, nur proportional eingesetzt zu werden? Über einen solchen Fall hat ein Landesarbeitsgericht entschieden: „Nach § 4 Abs. 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigten eine unterschiedliche Behandlung … Das gesetzliche Benachteiligungsverbot erfasst alle Arbeitsbedingungen. Das gilt insbesondere auch für die Möglichkeit der Freizeitgestaltung an Wochenenden, weil die zusammenhängende Freizeit an den Wochentagen Samstag/Sonntag ganz allgemein als erstrebenswert und vorteilhaft angesehen wird … Die Beklagte setzt die Klägerin an jeweils zwei Wochenendtagen im Monat mit derselben Stundenzahl ein wie Vollzeitbeschäftigte. Bezogen auf ihre Gesamtarbeitszeit bedeutet dies eine deutlich überproportionale Heranziehung der Teilzeitbeschäftigten an Wochenenden. Der Vergleich mit den Vollzeitbeschäftigten ist der entscheidende Vergleichsmaßstab … Die Benachteiligung

4.3  Einbau individueller Zeitanforderungen in gruppenbezogene Grunddienstpläne

171

erfolgt auch ‚wegen der Teilzeitarbeit‛. Einen sachlichen Grund, der diese Differenzierung rechtfertigen könnte, hat die Beklagte nicht vorgetragen. …“; (die Revision wurde nicht zugelassen) [5]. Auf individuelle Rechtsansprüche, die über die einschlägigen gesetzlichen Regularien hinausgehen, sollte im Zusammenhang mit Arbeitszeitgestaltungsangeboten möglichst verzichtet werden. Denn die Abstimmung eines Arbeitszeitwunsches mit den betrieblichen Anforderungen am konkreten Arbeitsplatz ist für eine gute Lösung im beiderseitigen Interesse essenziell. Dafür sollte die Pflegedirektion den Führungskräften ihre Erwartung deutlich vermitteln, die Voraussetzungen in ihrem Verantwortungsbereich so zu gestalten, dass die Nutzung der angebotenen Optionen durch ihre Mitarbeiter gefördert wird.

Zusammenfassung 

Individuelle zeitliche Interessen der Mitarbeiter müssen in guten Dienstplänen berücksichtigt werden, sofern die Besetzungserfordernisse für die Patienten/Bewohner erfüllt sind und sofern entgegenstehende Zeitinteressen anderer nicht gestört werden. Letzteres erfordert vor allem entsprechende Absprachen im Team. Teilzeitmitarbeiter werden in Dienstplänen grundsätzlich entsprechend ihrer reduzierten vertraglichen Arbeitszeit eingeteilt. Wenn ein Mitarbeiter ein ärztliches Attest vorweist, nach dem er nicht mehr in allen Dienstlagen eingeteilt werden darf, ist dies auch zu berücksichtigen. Es können verschiedene Formen der Dienstplanung für individuelle zeitliche Interessen unterschieden werden: • diverse Grunddienstplanvarianten für unterschiedliche Mitarbeitergruppen und Konstellationen, • individualisierte Grunddienstpläne, • individuelle Jahresplanung für Teilzeitmitarbeiter, • Rahmendienstpläne und Freie-Tage-Pläne, bei denen im Zuge der Ausplanung besondere zeitliche Anforderungen der Mitarbeiter berücksichtigt werden, • Einsatzpläne, die bereits im Zuge der Planung die zeitlichen Verfügbarkeiten berücksichtigen.

4.3

Einbau individueller Zeitanforderungen in gruppenbezogene Grunddienstpläne

4.3.1 „Verschachtelte“ Grunddienstpläne Grunddienstpläne haben wir bereits in Abschn. 3.4 kennengelernt – dort jedoch zunächst nur für Vollzeitkräfte, die in allen Dienstlagen uneingeschränkt einsatzfähig sind. Das bedeutet aber nicht, dass Grunddienstpläne nicht auch für Teilzeitkräfte oder Mitarbeiter

1724  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

mit anderen zeitlichen Einschränkungen erstellt werden können. Im Gegenteil, mit etwas Übung lassen sich auch in diesen Fällen soll-besetzungsbezogene Grunddienstpläne schreiben. Diese haben wie auch die „regulären“ Grunddienstpläne den Vorteil, dass die Mitarbeiter eine langfristige, verlässliche Planung erhalten können. Und für den Dienstplaner ergibt sich eine enorme Zeitersparnis, da in den ja stark vorstrukturierten Dienstplänen nur noch Abweichungen vom Grundgerüst eingetragen müssen.

4.3.1.1 Das Prinzip verschachtelter Dienstpläne Beginnen wir mit der ersten Variante. Bei „verschachtelten“ Grunddienstplänen werden für verschiedene Mitarbeitergruppen unterschiedliche Grunddienstpläne erstellt, die erst in der Summe – also miteinander verknüpft – den Besetzungsbedarf komplett abdecken. Die Mitarbeiter werden dabei nach bestimmten Merkmalen zu Arbeitszeitmustern gruppiert. Dabei kann nach zwei Gruppierungsformen unterschieden werden, die natürlich auch in Kombination eingesetzt werden können: • vertragliche Arbeitszeitanteile: Die Mitarbeiter werden nach ihren Stellenanteilen zusammengefasst. Dabei sollten jedoch nicht zu viele Unterformen gewählt, sondern größere Bandbreiten abgedeckt werden. In einem Plan kann die Bandbreite der Teilzeitanteile durchaus um 30 bis 40 Prozent schwanken. Die genaue Zuteilung erfolgt dann über die Ausplanung – insbesondere, indem die Anzahl der Vertretungsdienste variiert wird. • Arbeitszeitpräferenzen (bei Vollzeit- wie Teilzeitmitarbeitern): Hier werden Gruppen auf Basis bestimmter Dienstlagen gebildet. In einigen Häusern gibt es zum Beispiel noch Dauernachtwachen, die dann natürlich nur im Nachtdienst eingeplant werden. Zudem kann es sein, dass ein größerer Anteil Mitarbeiter gar nicht im Nachtdienst eingesetzt wird (siehe auch Abschn. 4.5), für diese Mitarbeiter wird dann ebenfalls ein eigener Plan erstellt. Oder es gibt Mitarbeiter, die vorrangig am Wochenende arbeiten.

4.3.1.2 Nicht mehr als vier bis fünf Arbeitszeitmuster Erfahrungsgemäß sollten in einem Bereich oder einer Station nicht mehr als vier bis fünf Grunddienstpläne miteinander kombiniert werden, um das Gesamtsystem noch überschauen zu können. Zudem sind mehr kombinierte Arbeitszeitmuster anfällig für Veränderungen bei Stellenwechseln und Wechseln der Vertragsarbeitszeit. Sie fallen schneller in sich zusammen, wenn sich diese Rahmenbedingungen ändern – und müssen dann neu zusammengesetzt werden. Sind mehr Arbeitszeitmuster erforderlich, sollten individualisierte Grunddienstpläne erwogen werden (Abschn. 4.4.1). Wichtig ist auch, zu prüfen, ob es wirklich eines Arbeitszeitmusters für bestimmte Zeitpräferenzen bedarf: Wenn sie eher auf gewachsenen Privilegien Einzelner beruhen, sollten sie im Zuge der Neugestaltung der Dienstpläne infrage gestellt werden. Möglicherweise können die Mitarbeiter ihre Sonderinteressen zukünftig in Form von Tauschen realisieren (Abschn. 4.6). Können sie dies nicht, war das bisherige

4.3  Einbau individueller Zeitanforderungen in gruppenbezogene Grunddienstpläne

173

System ungerecht. Oder es kann im Rahmen der Ausplanung eine Anpassung der Grunddienstpläne an die spezifischen Anforderungen realisiert werden – dann muss die Anpassung nicht durch ein gesondertes Arbeitszeitmuster erfolgen. Mit bis zu vier oder fünf Untergruppen lassen sich in der Regel bereits ausreichend viele Spezifika auffangen, so dass nur noch absolute Besonderheiten in der Feinplanung berücksichtigt werden müssen. Und Tausche sind natürlich weiterhin jederzeit möglich (Abschn. 4.6)!

4.3.1.3 Überblick über die Schrittfolge Die Erstellung von verschachtelten Grunddienstplänen gliedert sich dabei in folgende Arbeitsschritte: 1. Bildung von Mitarbeitergruppen 2. Bestimmung der Soll-Besetzung je Mitarbeitergruppe 3. Erstellung der Grunddienstpläne je Mitarbeitergruppe 4. Ausrollen der Grunddienstpläne für alle Mitarbeitergruppen Dazu greifen wir wieder unser Muster-Beispiel auf. Haben wir bislang so getan, also seien alle eingesetzten Mitarbeiter Vollzeitkräfte, schauen wir uns nun die reale Mitarbeiterstruktur im Muster-Beispiel an (Tab. 4.1).

4.3.1.4 Bildung von Mitarbeitergruppen Die in Tab. 4.1 aufgeführten Mitarbeiter werden nun in Gruppen zusammengefasst, die ähnliche Vertragsarbeitszeiten und/oder zeitliche Bedürfnisse haben. In diesem Fall bietet es sich an, drei Arbeitszeitmuster zu bilden: • Vollzeit(nahe) Mitarbeiter mit Stellanteilen zwischen 1,0 VK und circa 0,8 VK. Tab. 4.1  Aktuelle Besetzung im Muster-Beispiel Mitarbeiter

Stellenanteil in VK

1

1

2

1

3

1

4

1

5

0,95

6

0,9

7

0,9

8

0,8

9

0,7

Besonderheit

1744  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt Tab. 4.1   (Fortsetzung) Mitarbeiter

Stellenanteil in VK

Besonderheit

10

0,7

11

0,65

12

0,5

13

0,55

14

0,4

15

0,25

Einteilung nur am Wochenende

16

0,25

Einteilung nur am Wochenende

17

0,25

Einteilung nur am Wochenende

18

0,2

Einteilung nur am Wochenende

Summe in VK

12

• Teilzeitmitarbeiter mit Stellenanteilen zwischen circa 0,4 VK und circa 0,7 VK. • Mitarbeiter mit sehr kleinen Stellenanteilen von circa 0,3 VK und weniger, die vorwiegend am Wochenende eingeteilt werden. Auf dieser Basis ergibt sich, dass in der Gruppe der Vollzeit- und vollzeitnahen Mitarbeiter acht Kollegen eingeteilt sind, die in Summe einen Stellenanteil von 7,55 VK ausmachen. In der Gruppe der Teilzeitmitarbeiter sind sechs Kollegen eingeteilt, die insgesamt einen Stellenanteil von 3,5 VK abdecken. Und die Gruppe der Wochenend-Mitarbeiter umfasst vier Kollegen, die einen Stellenanteil von 0,95 VK abdecken. Die genaue Zuordnung der Mitarbeiter zeigt Tab. 4.2.

Tab. 4.2  Aktuelle Besetzung im Muster-Beispiel mit Zuordnung zu Arbeitszeitmustern Mitarbeiter

Stellenanteil in VK

Besonderheit

Arbeitszeitmuster

VK pro Arbeitszeitmuster 7,55

1

1

Vollzeit(nah)

2

1

Vollzeit(nah)

3

1

Vollzeit(nah)

4

1

Vollzeit(nah)

5

0,95

Vollzeit(nah)

6

0,9

Vollzeit(nah)

7

0,9

Vollzeit(nah)

8

0,8

Vollzeit(nah)

4.3  Einbau individueller Zeitanforderungen in gruppenbezogene Grunddienstpläne

175

Tab. 4.2   (Fortsetzung) Mitarbeiter

Stellenanteil in VK

Besonderheit

Arbeitszeitmuster

VK pro Arbeitszeitmuster 3,5

9

0,7

Teilzeit

10

0,7

Teilzeit

11

0,65

Teilzeit

12

0,5

Teilzeit

13

0,55

Teilzeit

14

0,4

Teilzeit

15

0,25

Einteilung nur am Wochenende

Wochenende

16

0,25

Einteilung nur am Wochenende

Wochenende

17

0,25

Einteilung nur am Wochenende

Wochenende

18

0,2

Einteilung nur am Wochenende

Wochenende

0,95

4.3.1.5 Bestimmung der Soll-Besetzung je Arbeitszeitmuster Auf Basis der Mitarbeiterzuordnung in Tab. 4.2 kann nun die Soll-Besetzung auf die einzelnen Mitarbeitergruppen aufgeteilt werden. Ziel ist es dabei, einzelne Dienste den Arbeitszeitmustern zuzuordnen, deren Mitarbeiter dann genau diese Dienste übernehmen. Häufig wird davon ausgegangen, dass Mitarbeiter mit besonders kleinen Stellenanteilen, die zudem nur am Wochenende eingeteilt sind, keine Nachtdienste übernehmen. Dies ist insbesondere eine Frage der Qualifikation. Diese Mitarbeiter sind bereits selten im Dienst und fühlen sich häufig nicht so sicher wie ein Kollege mit einem höheren Stellenanteil, da ihnen einfach die Arbeitsroutine fehlt. Daher ist in der Soll-Besetzung für dieses Arbeitszeitmuster regulär kein Nachtdienst vorgesehen – die Nachtdienste werden von den in Vollzeit und vollzeitnah tätigen Mitarbeitern und den anderen Teilzeitmitarbeitern übernommen. Hilfreich ist es, die Soll-Besetzung je Bereich in den Berechnungstabellen wie in Tool B einzusetzen. So lässt sich leicht erkennen, ob die Überlegungen auch zu den Stellenanteilen passen. Zudem lassen sich hieran wieder die wichtigsten Parameter für die zu erstellenden Grunddienstpläne ablesen, vor allem die Anzahl der einzuteilenden Vertretungsdienste. Wie die Aufteilung erfolgen kann, zeigen beispielhaft Abb. 4.2 für die vollzeit(nahen) Mitarbeiter, Abb. 4.3 für die Teilzeitmitarbeiter und Abb. 4.4 für die Mitarbeiter, die nur am Wochenende eingesetzt werden. Hierfür wurde wieder das Tool B verwendet. ▶▶

Tool B – Arbeitszeitmethode

1764  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

Abb. 4.2  Tool B (Auszug): Besetzungs- und Personalbedarf; Integration von drei Grunddienstplänen (Muster-Beispiel): vollzeit- und vollzeitnahe Mitarbeiter (Tool mit Springer Nature More Media App ansehen)

4.3.1.6 Erstellung der Grunddienstpläne je Arbeitszeitmuster Nun werden auf Basis der aufgeteilten Soll-Besetzung Grunddienstpläne für die einzelnen Mitarbeitergruppen erstellt. Das Vorgehen ist dabei fast identisch zu der Beschreibung in Abschn. 3.4 – mit einer Ausnahme: Die Laufzeit des Plans orientiert sich nicht mehr an der Gesamtzahl der Vollzeitkräfte. Vielmehr ist nun die Anzahl der Mitarbeiter in einer Gruppe ausschlaggebend, also die „Kopfzahl“. Für die drei unterschiedlichen Pläne bedeutet dies: • Laufzeit Grunddienstplan Vollzeit- und vollzeitnahe Mitarbeiter: acht Wochen • Laufzeit Grunddienstplan Teilzeitmitarbeiter: sechs Wochen • Laufzeit Grunddienstplan nur Wochenende: vier Wochen Mit diesen Informationen können nun jeArbeitszeitmuster Grunddienstpläne erstellt werden. Dabei ist es zunächst irrelevant, ob die Laufzeiten in irgendeiner Form zueinander passen.

4.3  Einbau individueller Zeitanforderungen in gruppenbezogene Grunddienstpläne

177

Abb. 4.3  Tool B (Auszug): Besetzungs- und Personalbedarf; Integration von drei Grunddienstplänen (Muster-Beispiel): Teilzeitmitarbeiter

Im Muster-Beispiel „treffen“ sich alle Pläne zusammen das erste Mal nach 48 Wochen Laufzeit wieder. Da aber die Soll-Besetzung für jedes einzelne Arbeitszeitmuster festgelegt wurde, ist dies kein Problem, wie sich später beim Ausrollen der Grunddienstpläne zeigen wird. Der Vertretungsbedarf kann wie bei regulären Grunddienstplänen auch mit und ohne Vertretungs-Dummys abgebildet werden. Da nach unserer Erfahrung die „Platzhalter“ für Vertretungsdienste für den Dienstplaner einfacher zu handhaben sind als mehrere Pläne, ist das Beispiel mit solchen Dummys geplant. Wir arbeiten nun also mit Brutto-Grunddienstplänen. Demgegenüber wäre es natürlich auch immer möglich, wie in Abschn. 3.4.4 gezeigt, mit Netto-Grunddienstplänen – also ohne Vertretungszeiträume – zu arbeiten. Mögliche Grunddienstpläne für die drei Mitarbeitergruppen zeigt Abb. 4.5. Gegenüber dem in Abschn. 3.4 vorgestellten Grunddienstplan haben diese Pläne den Vorteil, dass für alle Mitarbeiter jedes zweite Wochenende arbeitsfrei ist. Das funktioniert hier gut, da

1784  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

Abb. 4.4  Tool B (Auszug): Besetzungs- und Personalbedarf; Integration von drei Grunddienstplänen (Muster-Beispiel): Mitarbeiter, die nur am Wochenende eingesetzt werden

genügend „Köpfe“ vor Ort sind. Würden ausschließlich Vollzeitkräfte eingesetzt, ließe sich dies so nicht realisieren.

4.3.1.7 Kalkulation der Vertretungsdienste Im Durchschnitt kommen dabei sämtliche Mitarbeiter auf ihre jeweilige Vertragsarbeitszeit. Für die Vollzeit-/vollzeitnahen Mitarbeiter wurden bewusst auch die langen Zwischendienste ausgewählt, damit auch diese Kollegen den Wochenfaktor von 5,0 durchschnittlich einhalten können. Im Durchschnitt sind für eine Vollzeitkraft in einem Plandurchlauf bereits (5 Frühdienste Montag bis Freitag × 6,25 Stunden + 5 Spätdienste Montag bis Freitag × 6,25 Stunden + 2 Frühdienste Samstag/Sontag × 7 Stunden + 12 Zwischendienste Montag bis Sonntag × 10 Stunden + 4 Nachtdienste Montag bis Donnerstag × 9,25 Stunden =) 233,5 Stunden Arbeitszeit eingeteilt. Benötigt werden bei einem achtwöchigen Plandurchlauf (8 Wochen × 38,5 Stunden

4.3  Einbau individueller Zeitanforderungen in gruppenbezogene Grunddienstpläne

179

Abb. 4.5  Integration von drei Grunddienstplänen (Muster-Beispiel): Grunddienstpläne für die einzelnen Arbeitszeitmuster

benötigte Arbeitszeit je Woche =) 308 Stunden. Es fehlen also noch (308 Stunden benötigte Arbeitszeit – 233,5 Stunden eingeteilte Arbeitszeit =) 74,5 Stunden, welche durch Vertretungsdienste abgedeckt werden müssen. In den acht Wochen Plandurchlauf sind 14 Vertretungsdienste eingeteilt, jeder Vertretungsdienst hat damit eine kalkulierte durchschnittliche Dauer von (74,5 Stunden offene Arbeitszeit/14 Vertretungsdienste =) 5,32 Stunden und ist damit – richtigerweise – kürzer als der kürzeste überhaupt einteilbare Dienst. Damit lässt sich wiederum die Häufigkeit des Einsatzes in einem Vertretungsdienst berechnen. Beträgt die durchschnittliche Dienstdauer (233,5 Stunden/28 Dienste je Zyklus =) 8,33 Stunden, so muss an (5,32 Stunden je Vertretungsdienst/8,33 Stunden je regulärem Dienst × 100 Prozent =) 63 Prozent aller Vertretungstage gearbeitet werden. Es sind also von den 14 potenziellen Vertretungsdiensten nach Ausplanung und nach Ausfallzeitenmanagement (0,63 × 14 =) 9 Vertretungsdienste zu erbringen. Für die Vollzeitkräfte ergeben sich somit nach vollständiger Ausplanung vier zusätzliche freie Tage je Grunddienstplanzyklus durch nicht genutzte Vertretungsdienste. Ähnlich sieht es bei den Teilzeitmitarbeitern aus: Dort sind in sechs Wochen bereits (5 Frühdienste Montag bis Freitag × 6,25 Stunden + 5 Spätdienste Montag

1804  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

bis Freitag × 6,25 Stunden + 2 Spätdienste Samstag/Sonntag × 7 Stunden + 3 Nachtdienste Freitag bis Sonntag × 9,25 Stunden =) 104,25 Stunden eingeplant. Für die Mitarbeiter in dieser Gruppe mit dem höchsten Stellenanteil werden innerhalb von sechs Wochen (6 Wochen × 38,5 Stunden benötigte Arbeitszeit pro Woche × 70 Prozent höchster Stellenanteil in dieser Gruppe =) 161,7 Stunden Arbeitszeit benötigt. Damit fehlen noch (161,7 Stunden benötigte Arbeitszeit – 104,25 Stunden eingeteilte Arbeitszeit =) 57,45 Stunden, welche in den Vertretungsdiensten erbracht werden müssen. In den sechs Wochen Plandurchlauf sind sieben Vertretungsdienste eingeteilt, jeder Vertretungsdienst ist somit mit einer durchschnittlichen Dauer von (57,45 Stunden offene Arbeitszeit/7 Vertretungsdienste =) 8,2 Stunden hinterlegt. Dies bedeutet, dass Mitarbeiter mit höheren Stellenanteilen in aller Regel zu den Vertretungsdiensten herangezogen werden, denn die durchschnittliche Dienstdauer beträgt (104,25 Stunden je Zyklus/15 Dienste je Zyklus =) circa 7 Stunden. Es müssen daher etwas mehr längere Zwischendienste sowie Nachtdienste vertreten werden als kurze Dienste, was hier sehr gut realisierbar ist. Die Wochenendmitarbeiter sind durchschnittlich mit (2 Frühdienste Samstag/ Sonntag × 6,25 Stunden + 2 Spätdienste Samstag/Sonntag × 6,25 Stunden =) 25 Stunden Arbeitszeit in vier Wochen Plandurchlauf eingeteilt. Für Mitarbeiter mit einem Stellenanteil von 25 Prozent werden innerhalb von vier Wochen (4 Wochen × 38,5 Stunden benötigte Arbeitszeit pro Woche × 25 Prozent höchster Stellenanteil in dieser Gruppe =) 38,5 Stunden Arbeitszeit benötigt. Somit sind für diese Mitarbeiter noch (38,5 Stunden benötigte Arbeitszeit – 25 Stunden eingeteilte Arbeitszeit =) 13,5 Stunden Arbeitszeit offen. Dies bedeutet, dass die zwei eingeteilten Vertretungsdienste durchschnittlich mit (13,5 Stunden offene Arbeitszeit/2 Vertretungsdienste =) 6,75 Stunden Arbeitszeit belegt sind – und damit auch in den meisten Fällen genutzt werden.

4.3.1.8 Ausrollen der Grunddienstpläne für alle Arbeitszeitmuster Im letzten Schritt werden die drei unterschiedlichen Grunddienstpläne nun für alle Mitarbeiter ausgerollt. Dabei ergeben sich die in Abb. 4.6 und 4.7 gezeigten Besetzungspläne. Der einfachen Übersicht halber ist der Plan auf zwei Teile aufgeteilt – zunächst für die Wochen 1 bis 4, dann für die Wochen 5 bis 8. Hierbei lässt sich gut erkennen, dass die Mitarbeiter aus dem Wochenend-Arbeitszeitmuster „ihren“ Plan in den acht dargestellten Wochen bereits zwei Mal durchlaufen haben, während die Vollzeit-/vollzeitnahen Mitarbeiter „ihren“ Plan erst einmal komplett absolviert haben. Die Mitarbeiter aus der Teilzeit-Gruppe liegen dazwischen. Auch zeigt sich: Die Soll-Besetzung wird an allen Tagen eingehalten – unabhängig von den verschiedenen Laufzeiten. Der Grund dafür liegt in den vorab definierten gruppenindividuellen Soll-Besetzungen. Diese werden für jedes Arbeitszeitmuster eingehalten. Da die musterbezogenen Soll-Besetzungen gemeinsam die Soll-Besetzung für die Station ergeben, passt am Ende alles zusammen. Nach der Ausplanung der Ausfallzeiten entfallen die Vertretungswochen wieder. Abb. 4.8 zeigt einen Ausschnitt des „fertigen“ Jahresplans.

4.3  Einbau individueller Zeitanforderungen in gruppenbezogene Grunddienstpläne

181

Abb. 4.6  Integration von drei Grunddienstplänen (Muster-Beispiel): ausgerollte Grunddienstpläne für alle Arbeitszeitmuster (1/2)

Abb. 4.7  Integration von drei Grunddienstplänen (Muster-Beispiel): ausgerollte Grunddienstpläne für alle Arbeitszeitmuster (2/2)

1824  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

Abb. 4.8  Ausgeplanter verschachtelter Grunddienstplan (Muster-Beispiel): Ausschnitt der Wochen 1–3

4.3.2 Verlängerung der Laufzeit von „Vollzeit-Plänen“ für Teilzeitmitarbeiter 4.3.2.1 Das Prinzip der Laufzeitverlängerung des Dienstplanzyklus Eine weitere Möglichkeit, mit Hilfe von Grunddienstplänen individuelle Arbeitszeiten abzubilden, ist die verlängerte Laufzeit eines Dienstplandurchlaufs. Hierfür wird ein „Vollzeit-Plan“ in seiner Laufzeit vervielfacht, um die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der Teilzeitmitarbeiter abzubilden. Dabei orientiert sich die Verlängerung am Nenner des Bruchs, der sich aus der Teilzeitquote eines Mitarbeiters ergibt. Für Mitarbeiter mit einem Vertragsanteil von 50 Prozent ergibt sich somit eine doppelte Laufzeit – aus ½ wird 2. Für Mitarbeiter mit 75 Prozent oder 25 Prozent vervierfacht sich die Laufzeit: Aus ¾ beziehungsweise ¼ wird 4. Wie viele Dienste in der verlängerten Laufzeit eingeteilt werden, ergibt sich aus dem Zähler des Bruchs. Für Mitarbeiter mit 0,5 VK ergibt sich also eine verdoppelte Laufzeit, in der jeder Dienst des Vollzeit-Plans einmal eingeteilt ist – aus ½ ergibt sich für die Einteilung,

4.3  Einbau individueller Zeitanforderungen in gruppenbezogene Grunddienstpläne

183

dass jeder Dienst einmal eingeteilt wird. Ein Plan für Mitarbeiter mit 0,75 VK vervierfacht sich in der Laufzeit, dabei sind aber alle Dienste des Vollzeit-Plans dreimal eingeteilt – aus ¾ wird die vierfache Laufzeit mit dreifacher Einteilung. Die Dienstfolge bleibt also bestehen – theoretisch wäre es damit möglich, als Mitarbeiter mit einem Vertrag über 50 Prozent der Vollzeit-Arbeitszeit in der ersten Hälfte des Plans wie ein Vollzeitmitarbeiter zu arbeiten, um in der zweiten Hälfte des Plans komplett frei zu haben. Solche Dienstrhythmen sind jedoch untypisch, da die meisten Mitarbeiter eine Durchmischung von Arbeitstagen und freien Tagen wünschen. Das lässt sich in diesem Modell aber gut abbilden. Wie das genau aussehen kann, illustriert wiederum das Muster-Beispiel. Es sollte aber beachtet werden, dass diese Variante der Grunddienstplanung nur dann funktioniert, wenn ein Großteil der Mitarbeiter auch alle Dienste übernimmt. Wenn viele Mitarbeiter nachtdienstuntauglich sind oder es reine Nachtwachen gibt, sind die „verschachtelten“ Grunddienstpläne die bessere Wahl. Hier kann auf die besonderen Bedürfnisse bezüglich der Arbeitszeitlage besser eingegangen werden (Abschn. 4.3.1). Der Einfachheit halber gehen wir in diesem Beispiel davon aus, dass es nur zwei Vertragsarbeitszeiten gibt: Vollzeit und 50 Prozent. Die angenommene Stellenverteilung zeigt Tab. 4.3. Der Grunddienstplan für Vollzeitmitarbeiter entspricht dabei dem Muster-Beispiel aus Abschn. 3.4.2. Er findet sich in Abb. 3.13. Die Planlaufzeit für den „50-Prozent-Plan“ muss verdoppelt werden – der Nenner ist bei ½ die 2, damit wird die Planlaufzeit um das Zweifache des „Vollzeit-Plans“ verlängert. Tab. 4.3  Aktuelle Besetzung im Muster-Beispiel – neue Variante Mitarbeiter

Stellenanteil in VK

Grunddienstplan

1

1

Vollzeit

2

1

Vollzeit

3

1

Vollzeit

4

1

Vollzeit

5

1

Vollzeit

6

1

Vollzeit

7

1

Vollzeit

8

1

Vollzeit

9

1

Vollzeit

10

1

Vollzeit

11

0,5

50 Prozent

12

0,5

50 Prozent

13

0,5

50 Prozent

14

0,5

50 Prozent

Summe

12,0

1844  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

4.3.2.2 Aufteilung der Dienste Die Dienste aus dem Vollzeitplan müssen nun aufgeteilt werden. Wir beginnen mit dem „50-Prozent-Plan“. Wichtig ist dabei, dass die Dienste nur in den Wochen eingeteilt werden dürfen, in denen sie auch im Vollzeit-Plan erscheinen. Ähnlich der Erstellung des Grunddienstplans ergibt sich eine Schablone (Abb. 4.9): Links sind die zu befüllenden Felder für den 50-Prozent-Plan zu sehen, rechts stehen die einzuteilenden Dienste. Gegenüber der Erstellung eines regulären Vollzeit-Grunddienstplans ist hier nur zu beachten, dass die Dienste in den bereits im Vollzeit-Plan zugeordneten Wochen bestehen bleiben. So können die drei Nachtdienste Montag bis Mittwoch im 50-Prozent-Plan nur in Woche 1 von Plandurchlauf 1 oder 2 eingeteilt werden. An anderer Stelle ist das nicht möglich, da sich der Plan ansonsten nicht mit dem Vollzeit-Plan verzahnen lässt. Wie der 50-Prozent-Plan aussehen kann, zeigt Abb. 4.10. Dabei sind über die verlängerte Planlaufzeit alle Dienste verteilt.

Abb. 4.9  Verlängerung der Laufzeit von Dienstplänen zur Integration von Teilzeitmitarbeitern (Muster-Beispiel): Schablone

4.3  Einbau individueller Zeitanforderungen in gruppenbezogene Grunddienstpläne

185

Abb. 4.10  Verlängerung der Laufzeit von Dienstplänen zur Integration von Teilzeitmitarbeitern (Muster-Beispiel): 50-Prozent-Plan

4.3.2.3 Ausrollen der Grunddienstpläne Wie alle anderen Grunddienstpläne müssen natürlich auch diese Pläne für die einzelnen Mitarbeiter ausgerollt werden. Abb. 4.11 zeigt einen Plandurchlauf von 24 Wochen: Für die Mitarbeiter mit 0,5 VK ergibt sich in diesem Zeitraum ein kompletter Plandurchlauf, für die Vollzeitmitarbeiter wird der Plan in dieser Zeit zweimal durchlaufen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Teilzeitmitarbeiter nicht einfach in Woche 1 „ihres“ Grunddienstplans einsteigen können. Vielmehr müssen sie dort anfangen, wo die Vollzeitmitarbeiter aufhören – für den 50-Prozent-Plan bedeutet dies, dass der erste Mitarbeiter mit 0,5 VK (Mitarbeiter 11) in Woche 11 des ersten Plandurchlaufs einsteigt. Sein Gegenstück, Mitarbeiter 12, steigt in Woche 11 des zweiten Plandurchlaufs ein, so dass alle Dienste abgedeckt sind. Mitarbeiter 13 übernimmt Woche 12 des ersten Plandurchlaufs, Mitarbeiter 14 schließlich Woche 12 des zweiten Plandurchlaufs. Es zeigt sich, dass auch

Abb. 4.11  Verlängerung der Laufzeit von Dienstplänen zur Integration von Teilzeitmitarbeitern (Muster-Beispiel): ausgerollter Dienstplan

1864  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

4.3  Einbau individueller Zeitanforderungen in gruppenbezogene Grunddienstpläne

187

hier an allen Tagen exakt so viele Mitarbeiter eingeteilt sind, wie laut Soll-Besetzung benötigt werden. Die Ausplanung des Dienstplans erfolgt dann gleichermaßen wie in Abschn. 3.4.3 erläutert.

4.3.3 Mitarbeiter-Paare mit komplementären Zeitinteressen 4.3.3.1 Das Prinzip der Paarbildung im Grunddienstplan Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Mitarbeiter-Paare mit komplementären Zeitinteressen zu bilden. Das kann in zwei Formen passieren: • Zu Vollzeit zusammenpassende Stellenanteile: Teilzeitmitarbeiter, die zusammen (ungefähr) eine Vollzeitstelle ergeben. Das können zum Beispiel zwei 0,5-VK-Kräfte sein, oder aber eine 0,75-VK-Kraft und ein 0,25-VK-Mitarbeiter. Aber auch 0,6 VK und 0,5 VK passen zusammen, denn der Vollzeitfaktor muss sich nur ungefähr ergeben. Der „Rest“ wird dann wieder über die Variation der Vertretungs-Dummys ausgeglichen. Die Mitarbeiter bilden somit „Pärchen“, die sich dann einen Vollzeit-Plan teilen. • Mitarbeiter mit komplementären Zeitinteressen: Häufig finden sich auf einer Station oder in einem Wohnbereich einige Mitarbeiter (auch bei Vollzeit), die sehr gerne spät und nachts arbeiten, neben anderen Kollegen, die lieber morgens eingeteilt werden. Diese Mitarbeiter können sich zusammenfinden und die Dienste so einteilen, dass es zu den jeweiligen zeitlichen Interessen passt. Am einfachsten ist diese Variante, wenn die Mitarbeiter-„Pärchen“ untereinander klären, wer welchen Dienst übernimmt. Dann kann ihnen jegliche Freiheit in der Zuteilung gelassen werden. Erfahrungsgemäß muss der Dienstplaner nur selten eingreifen – etwa, wenn die Zeitsalden des einen Mitarbeiters zu hoch, die des anderen zu niedrig sind. Wenn die Mitarbeiter sich jedoch untereinander nicht einig werden, ist es insbesondere im Falle des Zusammenbringens von Teilzeitmitarbeitern für den Dienstplaner häufig einfacher, eine Grundstruktur festzulegen. Dann bietet sich eine Laufzeitverlängerung an, wie sie im vorherigen Abschn. 4.3.2 dargestellt wurde.

4.3.3.2 Zwei Teilzeitmitarbeiter bilden ein Dienstplan-Paar Der dort gezeigte 50-Prozent-Plan ist im Prinzip eine feste Zuteilung der Vollzeitdienste auf Teilzeitmitarbeiter. Diese Zuteilung kann natürlich auch anders erfolgen und von den Mitarbeitern selbst gesteuert werden. Zunächst betrachten wir das Beispiel, dass sich zwei Mitarbeiter mit einem Stellenanteil von jeweils 50 Prozent zusammenfinden. Der Vollzeit-Plan über 12 Wochen wird dabei zunächst für einen Mitarbeiter ausgerollt, dem zweiten Mitarbeiter sind noch keine Dienste zugeteilt. Im nächsten Schritt einigen sich die Mitarbeiter, wer welchen Dienst übernimmt. Beispielhaft für die ersten sechs Planwochen zeigt dies Abb. 4.12. Mitarbeiter A übernimmt beispielsweise die Nachtdienste in der ersten Woche, dafür besetzt Mitarbeiter B die Zwischendienste von Samstag bis

1884  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

Abb. 4.12  Aufteilen des Grunddienstplans auf zwei 50-Prozent-Kräfte (Muster-Beispiel)

Dienstag. Wenn sich daraus für beide Mitarbeiter eine gute Grundstruktur ergibt, können diese zwölfwöchigen Pläne immer wieder verwendet werden – und bilden damit auch einen Grunddienstplan. Auf mögliche Verstöße gegen Arbeitszeitgesetz oder tarifliche Vorgaben muss in der Regel nicht geachtet werden, da diese ja bereits in der Einteilung der Dienste für den regulären Vollzeit-Plan beachtet wurden.

4.3.3.3 Zwei Mitarbeiter mit komplementären Zeitinteressen bilden ein Dienstplan-Paar Auch für Vollzeitkräfte kann eine solche „Pärchenbildung“ sinnvoll sein. Wenn ein Mitarbeiter gerne Nächte arbeitet, ein anderer diese hingegen eher ungern übernimmt, so können diese beiden Mitarbeiter ihre Dienste untereinander austauschen. Im Beispiel in Abb. 4.13 übernimmt Mitarbeiter A gerne Nächte, Mitarbeiter B tauscht diese lieber weg. Damit Mitarbeiter A nicht zu viele ungewöhnliche Dienstlagen übernimmt, haben die beiden die Abmachung getroffen, dass Mitarbeiter B dafür einige Spätdienste von Mitarbeiter A übernimmt. Zunächst werden also die Dienstpläne für die Mitarbeiter regulär ausgerollt, Mitarbeiter A startet in Woche 1, Mitarbeiter B in Woche 5. Dann tauschen sie jeweils untereinander die Dienstlagen, bis sie zufrieden sind – für die ersten sechs Wochen ergibt sich dann die untere Darstellung aus Abb. 4.13. Auch diese zwölfwöchigen Pläne können für die Mitarbeiter grundsätzlich ausgerollt werden. Hier ist jedoch darauf zu achten, dass die arbeitszeitgesetzlichen und

Abb. 4.13  Aufteilen des Grunddienstplans auf Mitarbeiter mit komplementären Arbeitszeitinteressen (Muster-Beispiel)

4.4  Individualisierte Dienstplanformen

189

tarifvertraglichen Vorgaben eingehalten werden. Wenn die Mitarbeiter sich untereinander nicht einigen können, kann der Dienstplaner einen Rhythmus festlegen.

Zusammenfassung 

Grunddienstpläne können in drei Formen für unterschiedliche Mitarbeitergruppen erstellt werden. Alle drei Formen sind natürlich miteinander kombinierbar, wobei unserer Erfahrung nach der Übersichtlichkeit halber maximal zwei der Formen genutzt werden sollten. • „Verschachtelte“ Grunddienstpläne: Hierbei werden einzelne Grunddienstpläne für Mitarbeitergruppen gebildet, maximal sollten es je Bereich oder Station jedoch vier bis fünf einzelne Grunddienstpläne sein. Gut einsetzen lässt sich diese Form bei größeren Bereichen, in denen sich Gruppen mit relativ homogenen Zeitinteressen herausschälen lassen. Dabei wird – wie auch bei regulären Grunddienstplänen – darauf geachtet, die Dienste möglichst gleichmäßig auf alle Mitarbeiter zu verteilen und zuvor gesetzte Parameter (wie: „jedes zweite Wochenende arbeitsfrei“) zu erfüllen. • Verlängerung der Laufzeit: In dieser Variante wird ein zuvor erstellter VollzeitPlan in seiner Laufzeit vervielfacht, der Vollzeit-Plan wird dann in diese vervielfachte Laufzeit übertragen und aufgeteilt. Hierbei ergibt sich automatisch, dass zwischen Vollzeit- und Teilzeitmitarbeitern eine hohe Gerechtigkeit in dem Sinne besteht, dass Teilzeitmitarbeiter nur anteilig zu einer Vollzeitkraft arbeiten. Muss beispielsweise eine Vollzeitkraft innerhalb von zwölf Wochen sieben Nachtdienste abdecken, so ergeben sich mit dieser Methode für eine 50-Prozent-Kraft innerhalb von 24 Wochen sieben Nachtdienste – also genau die Hälfte. • Bilden von Mitarbeiter-Paaren mit komplementären Zeitinteressen: Hier können sich die Mitarbeiter selbst stärker einbringen. Es werden Mitarbeiter zusammengefasst, welche konträre Interessen bezüglich der Arbeitszeitlage haben. So kann ein Mitarbeiter, der gerne Nächte macht, mit einem Mitarbeiter zusammengefasst werden, der lieber keine Nächte übernimmt. Diese Mitarbeiter einigen sich für die Planlaufzeit darauf, wie die Dienste verteilt werden sollen, dann wird dieser Plan grundsätzlich ausgerollt. Auch Teilzeitkräfte können so zusammengefasst werden: Beispielsweise decken zwei 50-Prozent-Mitarbeiter den Dienstplan eines Vollzeitmitarbeiters ab.

4.4

Individualisierte Dienstplanformen

4.4.1 Individualisierte Grunddienstpläne 4.4.1.1 Das Prinzip individualisierter Grunddienstpläne Eine weitere Möglichkeit, individuelle Zeitinteressen abzubilden, sind individualisierte Grunddienstpläne. Das Prinzip ist hier, dass bereits bei der Dienstplanung mitarbeiterindividuell geplant wird – nicht erst bei der Ausplanung. Im Unterschied zu Einsatzplänen

1904  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

(Abschn. 3.7), wo dies ja auch geschieht, ist eine langfristige, verlässliche Planbarkeit der Dienstpläne möglich. Die Laufzeit eines Zyklus des Grunddienstplans ist bei individualisierten Grunddienstplänen unabhängig von der VK- oder Mitarbeiterzahl frei wählbar. Wird ein 6-WochenZyklus – das ist die häufigste Variante – gewählt und ist er einmal durchlaufen, so wiederholt er sich – wie bei allen Grunddienstplänen – anschließend. Solche individualisierten Grunddienstpläne funktionieren in zwei Fällen besonders gut: • Kleine, sich abstimmende Teams: In kleinen, stabilen Teams mit einer geringen Fluktuation, in denen die individuellen Interessen austariert werden können. • Große Teams mit unterschiedlichsten Zeitinteressen: In großen Teams, in denen es genügend differenzierte Zeitinteressen gibt, die sich untereinander aufheben – also ähnlich der Verlängerung der Laufzeit von „Vollzeit-Plänen“ in Abschn. 4.3.2.

4.4.1.2 Ermittlung der Arbeitszeit-Interessen In beiden Fällen sollten zunächst die individuellen Arbeitszeitinteressen aufgenommen werden. Dann kann evaluiert werden, welche Zeitinteressen sich überhaupt abbilden lassen. Dabei muss der Besetzungsbedarf wie bei allen anderen Formen der Dienstplanung im Mittelpunkt stehen. Daher muss auch hier ehrlich miteinander umgegangen werden. Nur weil individualisierte Grunddienstpläne geschrieben werden, bedeutet dies nicht, dass auch alle individuellen Interessen berücksichtigt werden können. Hier müssen auch die individuellen Bedürfnisse untereinander austariert werden. Ein Mitarbeiter mag besonders viele Wünsche einbringen, ein anderer weniger – und in den individualisierten Grunddienstpläne sind diese Wünsche beziehungsweise das Nichtvorhandensein von Wünschen dann zunächst für so lange festgelegt, wie der Grunddienstplan nicht überarbeitet wird. In kleinen, stabilen Teams sollte sich dies über die Gruppendynamik austarieren lassen. Jeder Kollege weiß, welcher Mitarbeiter besonders viele oder wenige Wünsche hat und was dahinter steht. Häufig werden individuelle Bedürfnisse in kleinen Teams auch besonders berücksichtigt, da die Kollegen davon ausgehen, dass in speziellen Situationen auch für sie Besonderheiten mitaufgenommen würden. In großen Teams ergibt sich dieses Ausloten eher dadurch, dass die Interessenlage genügend vielfältig ist, so dass niemand sich zurückgesetzt fühlen muss. 4.4.1.3 Festlegung der Laufzeit des Planzyklus Auf Basis der zuvor erfassten individuellen zeitlichen Bedürfnisse werden anschließend Grunddienstpläne über einen frei gewählten Zyklus geschrieben. Wie ein sechswöchiger Grunddienstplan aussehen kann, zeigt Abb. 4.14. Hier wurden in einem großen Team für die Teilzeitkräfte individualisierte Grunddienstpläne erstellt. Die Vollzeitkräfte haben einen „regulären“ Grunddienstplan, für die Teilzeitkräfte werden Besonderheiten berücksichtigt. Dabei wird nicht immer die Soll-Besetzung exakt

4.4  Individualisierte Dienstplanformen

191

Abb. 4.14  Sechswöchige individualisierte Grunddienstpläne

eingehalten. An einigen Tagen sind auch zu viele Dienste eingeteilt – beispielsweise am Samstag und Sonntag der vierten Woche drei Frühdienste, obwohl nur maximal zwei benötigt werden. Zudem ist hier eine weitere Form der Flexibilität vorgesehen: Als mitarbeiterseitiges Entgegengekommen für die Erfüllung vieler zeitlicher Bedürfnisse gibt es sogenannte „X-Tage“, an denen kurzfristig ein Früh- oder Spätdienst eingeteilt wird, je nachdem, welche Dienstlage an diesem Tag aufgrund von Ausfällen oder Auslastungsspitzen benötigt wird (siehe hierzu auch Abschn. 6.1).

4.4.1.4 Zwei Fallbeispiele Auch bei individualisierten Grunddienstplänen stellt sich natürlich die Frage nach dem Vertretungsbedarf. Wie bei regulären Grunddienstplänen auch können Vertretungsdienste eingeplant werden, ähnlich den „X-Diensten“ in Abb. 4.14. In diesen Vertretungsdiensten können die individuellen zeitlichen Interessen nicht immer abgebildet werden. Dies ist also ein Kompromiss, der für die ansonsten hohe Verlässlichkeit und Präferenzengerechtigkeit der Dienstpläne eingegangen wird. Da ja aber auch die Mitarbeiter mit besonderen zeitlichen Bedürfnissen ebenso wie alle anderen Kollegen selber Ausfallzeiten haben, ist damit eine Gerechtigkeit bezüglich des Personaleinsatzes gewahrt. Die andere Möglichkeit ist die, keine Vertretungsdienste einzuplanen – also NettoGrunddienstpläne zu erstellen. Dies bedeutet, dass im Planungszustand nur die Soll-Besetzung erreicht wird. An einigen der freien Tage müssen die Mitarbeiter dann zusätzliche Dienste übernehmen, um ihre Vertragsarbeitszeit zu erfüllen. Größtenteils sind diese planbar, indem der Urlaubsplan auf den Grunddienstplan gelegt wird und dann entsprechend umgeplant wird, um den Urlaub vertreten zu können. Das Prinzip wurde bereits in Abschn. 3.4.4 dargestellt. Eine Gestaltungsvariante hierfür zeigt das nachfolgende Fallbeispiel 6 eines Kinderwohnheims. Der Geschäftsführer der Einrichtung berichtet darin, wie die Einführung individueller Grunddienstpläne in seinem Hause gelang. Dabei kommen auch die Vor- und Nachteile solcher Lösungen zur Sprache. Im anschließenden Fallbeispiel 7 stellt dann der Leiter des Pflege-Controllings eines Krankenhauses seine Erfahrungen mit individuellen Plänen dar.

1924  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt Fallbeispiel 6: Individualisierte Grunddienstpläne

Lothar Pannen, Geschäftsführer, Stiftung Heilpädagogisches Kinderhaus gGmbH Individualisierte Grunddienstpläne für eine verlässliche und stabile Dienstplanung Wir betreuen Kinder und Jugendliche mit schwerwiegenden psychischen Problemen oder Erkrankungen in unterschiedlichen Wohnangeboten – teils auch mit ihren Eltern zusammen. So haben wir neben unseren fünf „Kinderhäusern“ mit heilpädagogischem, intensivtherapeutischem und therapeutischem Wohnen beispielsweise auch ein Mutter-Kind-Haus, in dem junge Mütter während der Schwangerschaft und nach der Geburt wohnen können und intensiv betreut werden. Die Häuser sind alle recht klein, um ein intensives Arbeiten mit den Bewohnern zu ermöglichen. Das zieht jedoch auch nach sich, dass jeweils nur kleine Teams vor Ort sind, was besondere Anforderungen an die Dienstplanung stellt: • Der Besetzungsbedarf muss dienstplanmäßig wirklich sehr genau eingehalten werden. • Die persönlichen Zeitinteressen der Kollegen müssen untereinander gut ausgehandelt werden, was funktionierende Teamstrukturen erfordert. • Kurzfristige Ausfallzeiten müssen besonders flexibel im Team aufgefangen werden. Zugleich wollten wir die Dienstplanung für alle Mitarbeiter verlässlicher und stabiler gestalten. Häufig gab es in den Teams Diskussionen über die Übernahme einzelner, unbeliebter Dienste. Die letztendliche Entscheidung, wer diese Dienste übernehmen muss, lag dann bei den Teamleitungen. Solche Entscheidungen gerecht und fair zu treffen, ist fast unmöglich, denn jeder Mitarbeiter ist individuell und hat ganz unterschiedliche Interessen. Da kann die Teamleitung am Ende immer nur eine „falsche“ Entscheidung treffen. Diesen Druck wollten wir auch von den Teamleitungen nehmen. Darum haben wir uns dazu entschieden, individualisierte Grunddienstpläne einzusetzen. Um diese sinnvoll planen zu können, müssen wir zunächst festlegen, wie viele Mitarbeiter zu welchen Zeiten an den einzelnen Wochentagen anwesend sein müssen. Neben den Bedürfnissen der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen spielt hierbei natürlich auch die Finanzierung eine große Rolle. Diese mit der Geschäftsführung abgestimmte Soll-Besetzung ist dann für alle Einrichtungen die Grundlage für die weiteren Überlegungen zum individualisierten Grunddienstplan. Erstellung der individualisierten Grunddienstpläne Die Grunddienstpläne werden personell individualisiert erstellt – das heißt: Jeder Mitarbeiter bekommt einen eigenen durchlaufenden Grunddienstplan, der sich nach Durchlauf des Dienstplanzyklus wiederholt. Bezüglich der Zyklusdauer können sich die Einrichtungen bei uns für eine Laufzeit zwischen vier und acht Wochen entscheiden. Eine gerade Anzahl von Wochen für einen Dienstplandurchlauf haben wir deswegen gewählt, weil jedes zweite Wochenende planmäßig frei sein sollte und 14-tägig Dienstbesprechungen stattfinden. Das kann man logischerweise nur mit einer geraden

4.4  Individualisierte Dienstplanformen

193

Wochenzahl abbilden. Sechs- oder Acht-Wochen-Zyklen lassen mehr Gestaltungsvarianten beim Dienstrhythmus zu als vierwöchige Zyklen. Die Grunddienstpläne selbst werden von den Teamleitungen der einzelnen Einrichtungen erstellt. Die Voraussetzung ist dabei immer, dass die mit der Geschäftsführung abgestimmte Soll-Besetzung an allen Tagen genau eingehalten wird – es also weder eine planmäßige Über- noch Unterschreitung der Besetzungsvorgaben gibt. Die Mitarbeiter bringen bei der Erstellung des Grunddienstplans für den vier-, sechs- oder achtwöchigen Zyklus ihre persönlichen Vorlieben bezüglich der Dienste und arbeitsfreien Tage ein und sprechen sich hierüber im Team ab. In einem unserer Kinderhäuser ist es beispielsweise üblich, dass jeder Mitarbeiter einen festen freien Tag pro Woche hat. Ein Beispiel zeigt dies gut: Mitarbeiterin 1 hat grundsätzlich am Donnerstag frei, Mitarbeiter 2 immer am Montag (vgl. Abb. 4.15). Solche Individualitäten können abgebildet werden, sofern sie sich mit den Besetzungsbedarfen decken und nicht alle Mitarbeiter die gleichen Wünsche haben. Wenn alle immer montags ihren freien Tag haben wollten, ginge das natürlich nicht! In den Dienstplänen haben wir bewusst keine zusätzlichen „Pufferdienste“ für Ausfallzeiten eingeplant, wie das in anderen Formen von Grunddienstplänen häufig gemacht wird. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter nach einmaligem Durchlaufen des Dienstplans wie auf dem Papier – also ohne Ausfallzeitvertretungen – die jeweilige Vertragsarbeitszeit unterschreiten. Sie wird erreicht, indem die Kollegen bei Urlaub die Dienste des Ausfallenden übernehmen. Man spricht in diesem Fall von Netto-Grunddienstplänen – im Gegensatz zu Brutto-Grunddienstplänen, in denen Vertretungsdienste für die Ausfallzeitenvertretung bereits im Dienstplan enthalten sind. Was die individualisierten Grunddienstpläne bei uns geändert haben Durch die individualisierten Grunddienstpläne hat sich die Dienstplanung für alle Beteiligten verein-facht. Der Dienstplaner muss, wenn der Plan steht, lediglich noch Abweichungen, zum Beispiel im Fall von Urlaubstagen, einbauen. Individuelle

Abb. 4.15  Zu Fallbeispiel 6: Dienstplanbeispiel

1944  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

Freie-Tage-Präferenzen und -Rhythmen der Mitarbeiter können, soweit die Teammitglieder sich verständigt haben, berücksichtigt werden. Die Berücksichtigung von individuellen Vorgaben ist dadurch einfacher geworden, weil diese ja in den Grundrhythmen aufgeführt sind. Und wenn ein Mitarbeiter einmal doch andere Pläne in seiner Freizeit hat, kann er jederzeit mit einem Kollegen tauschen. Der Rahmen wird durch die Vorgaben der Soll-Besetzung schnell klar, so dass auch keine unrealistischen Vorstellungen geweckt werden, die dann am Ende nur enttäuscht werden können. Voraussetzung ist immer, dass die Soll-Besetzung eingehalten wird und durch Tausche das Arbeitszeitgesetz nicht verletzt wird. Die Mitarbeiter wissen sehr weit im Voraus, wann sie arbeiten werden, und können damit ihre privaten Termine in vielen Fällen so planen, dass sie nicht mit dem Dienstplan kollidieren. Das hat für viel Ruhe und Zufriedenheit in den Teams gesorgt. Schwierig sind individuelle Grunddienstpläne, wenn uns ein Mitarbeiter verlässt und ein neuer Kollege kommt. Der neue Mitarbeiter muss dann entweder das Muster des ehemaligen Mitarbeiters übernehmen oder aber alle müssen sich auf neue persönliche Muster einstellen. Wir haben uns aber bewusst für die individualisierten Pläne entschieden, denn unsere Fluktuationsrate ist niedrig. Außerdem ist der Umgang in den Teams – nicht zuletzt durch die kleine Teamgröße, durch die alle aufeinander angewiesen sind – von Verständnis und Respekt geprägt. Da können wir bei Problemen schnell Einvernehmen herstellen.

Fallbeispiel 7: Individualisierte Grunddienstpläne

Hubertus Rolfes, Leitung Pflege-Controlling, St. Joseph-Stift Bremen GmbH Problemfeld Dienstplanung Die St. Joseph-Stift Bremen GmbH wurde bereits 1869 gegründet und ist ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung. Mit derzeit 834 Mitarbeitern versorgen wir ca. 65.000 Patienten im Jahr. Der demografische Wandel macht auch vor unserem Haus keinen Halt: Im Pflegedienst sind die Mitarbeiter des St. Joseph-Stifts mit einem Durchschnittsalter von 46 Jahren nicht mehr die Jüngsten, in einigen Bereichen liegt das Durchschnittsalter sogar bei 54 Jahren. Damit alle gerne und nicht mit unnötiger zusätzlicher Belastung zur Arbeit kommen und auch neue Kollegen in uns einen attraktiven Arbeitgeber sehen, haben wir im Rahmen einer umfassenden Stärken-Schwächen-Analyse mögliche Hindernisse hierfür analysiert. Hier sind wir immer auf viele Themen gestoßen, die die Monatsdienstplanung betreffen. Konkret waren dies: • gut gefüllte Wunschbücher, die die Planung für die Dienstplaner stark verkomplizieren; • starke Abweichungen zwischen Vorplanung und Ist-Besetzung, so dass häufig von der durchschnittlichen Besetzung abgewichen wurde; • ein drastischer Anstieg in der Krankheitsquote bei gleichzeitig abnehmender Bereitschaft, aus dem Frei einzuspringen.

4.4  Individualisierte Dienstplanformen

195

Was nun? Nach dieser Analyse war für alle klar: Unsere Dienstplanung muss verlässlicher werden. Die Geschäftsführung und die Mitarbeitervertretung haben sich gemeinsam für ein Projekt mit folgenden Zielen ausgesprochen: • Der Besetzungsbedarf soll durch die Dienstplanung möglichst genau abgedeckt werden. • Die Dienstplanung soll Planungssicherheit geben – ein wichtiges Ziel ist für die Mitarbeiter: „Frei ist frei.“ • Alle Mitarbeiter sollen gleichmäßig am Ausfallzeitenmanagement teilnehmen. • Die Mitarbeiterinteressen sollen weitestmöglich berücksichtigt werden. • Für die Teamleitungen soll sich der Zeitaufwand in der Planung signifikant reduzieren. Um diese Ziele anzugehen, haben wir uns für die Umstellung unserer Monatsdienstplanung auf individualisierte Grunddienstpläne entschieden: Eine moderne Alternative zur Monatsdienstplanung, die in der Theorie versprach, allen unseren Anforderungen gerecht zu werden. Um auszutesten, ob dies ein praxistaugliches Modell für uns wird, haben wir 2017 zunächst in drei Pilotstationen mit der Umsetzung begonnen. Unser Weg zu individualisierten Grunddienstplänen Für Grunddienstpläne aller Art bedarf es zunächst zweier wichtiger Grundvoraussetzungen: einer bedarfsgerecht festgelegten Soll-Besetzung sowie einer dementsprechenden Stellenausstattung. Um die individuellen Mitarbeiterinteressen in den Grunddienstplänen bestmöglich abbilden zu können, müssen diese genau erhoben werden. Um alle notwendigen Informationen systematisch abzufragen, haben wir eine Matrix entwickelt. Diese Matrix wird vor Erstellung der Grunddienstpläne zwischen der Personalleitung, der Bereichsleitung und der Mitarbeitervertretung abgestimmt. Mit Blick auf die in der Matrix hinterlegten „individuellen Profile“ der Mitarbeiter weiß jeder Dienstplaner, welche Restriktionen beim „Basteln“ der Pläne zu berücksichtigen sind, aber auch, an welchen Stellen er frei entscheiden kann:

Name Qualifikation

Kinderkrankenschwester

Wöchentliche Arbeitszeit

38,5 Stunden

Einsatzort

Neonatologie und Wochenbettstation

Dienst-Wochenende

ungerade Wochen

Dienst-Besonderheiten

max. 3 Nächte am Stück (10 im Monat)

weitere Besonderheiten

Feste Dienste notwendig, allein erziehend

1964  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

Sind diese Punkte geklärt, kann die eigentliche Konstruktion der individualisierten Grunddienstpläne beginnen: Für jeden Mitarbeiter wird ein individueller Plan entwickelt, der zu den Angaben in seinem „individuellen Profil“ passt. Gleichzeitig müssen die Pläne so ineinandergreifen, dass der Besetzungsbedarf an jedem Tag exakt getroffen wird. In der Wahl der Länge des Grunddienstplans ist man grundsätzlich frei. Wir haben uns auf 12 Wochen geeinigt – eine recht lange Laufzeit, die aber viele Gestaltungsvarianten zulässt. Bei über 20 Mitarbeitern in einem Bereich und 12 Wochen Laufzeit der einzelnen Pläne kann man schnell den Überblick verlieren. Deswegen haben wir eine ExcelDatei angelegt, in der alle individuellen Pläne hinterlegt und in Summe „übereinander“ gelegt werden können. So bleibt das Ziel der Einhaltung der Besetzungsstärke immer im Blick. Abb. 4.16 zeigt, wie der individuelle Grunddienstplan eines Mitarbeiters aussehen kann. Während die Verteilung der Dienste nach Lage und Wochentagen aufgrund individueller Vorgaben zwischen den Mitarbeitern stark variieren kann, wollten wir an zwei Stellen ganz gerecht sein: • Die Wochenenddienste sind so verteilt, dass entweder nur in „geraden“ oder nur in „ungeraden“ Wochen gearbeitet werden muss. • Die „Verfügerdienste“ [VWD], die bei uns für kurzfristigen Vertretungsbedarf genutzt werden, werden ganz gleichmäßig auf die Mitarbeiter verteilt. Schließlich wird auch jeder einmal krank!

Abb. 4.16  Zu Fallbeispiel 7: Beispiel für einen individuellen Grunddienstplan

4.4  Individualisierte Dienstplanformen

197

Ein zukunftsfähiges Konzept Die erste Evaluation nach drei Monaten Testphase, also nach einmaligem Durchlaufen der 12-wöchigen individualisierten Grunddienstpläne, hat gezeigt, dass sich die Fehlzeiten reduziert haben und die Mitarbeiterzufriedenheit gestiegen ist. Für die Stationsleitungen war es anfangs schwer, eine ihrer ehemaligen Haupttätigkeiten abzugeben, denn mit der Monatsdienstplanung war zwar viel Aufwand, aber letztendlich auch viel Entscheidungs-freiheit verbunden. Allerdings merken sie auch, dass nun mehr Zeit für Mitarbeitergespräche und die eigentlichen Kernaufgaben einer Stationsleitung bleibt. Diese ersten positiven Rückmeldungen bestärken uns in unserem Vorgehen. Wir sind von unserem Konzept überzeugt und führen es im Jahr 2018 flächendeckend ein.

4.4.2 Individuelle Jahresplanung 4.4.2.1 Das Prinzip der individuellen Jahresplanung Eine weitere Möglichkeit, individuelle Arbeitszeitbedürfnisse insbesondere für Teilzeitmitarbeiter abzubilden, ist die individuelle Jahresplanung. Gerade Teilzeitmitarbeiter möchten gern besonders langfristig planen, da beispielsweise die Kinderbetreuung in der Ferienzeit sichergestellt werden muss. Diese Planung orientiert sich aber nicht an einem Grundrhythmus, der sich nach einigen Wochen wiederholt, denn schließlich fallen auch die Ferien jedes Jahr in andere Zeitfenster. Der Plan wird daher einfach über das gesamte Jahr „gebastelt“. Neben festen freien Zeiten ist es den Mitarbeitern als Gegenleistung aber häufig auch möglich, zu anderen Zeiten besonders flexibel zu sein. Die Flexibilität kann sich dabei auf die Arbeitszeit beziehen, die Mitarbeiter wissen also noch nicht, ob und, wenn ja, zu welchen Zeiten sie arbeiten werden (Abschn. 5.3). Die Flexibilität kann sich stattdessen aber auch auf den Einsatzort beziehen, so dass die Teilzeitmitarbeiter zum Beispiel einen Teil eines Springerpools stellen oder Joker-Dienste übernehmen (Abschn. 5.4). Am Ende des Planungsprozesses haben die Mitarbeiter einen Jahresdienstplan, der sich an ihren zeitlichen Bedürfnissen orientiert. Gegenüber typischen Aushilfsmodellen ist dies in vielen Fällen ein großer Schritt, denn gerade die Teilzeitmitarbeiter werden oft besonders flexibel eingesetzt. Flexibilität ist natürlich weiterhin nötig, aber es besteht eine größere Planungssicherheit, vor allem, was die freien Tage angeht – und diese stehen ja immer mehr im Fokus der Aufmerksamkeit, wenn es um gute Dienstpläne geht. 4.4.2.2 Ausgestaltung individueller Jahrespläne Wie ein solcher individueller Jahresplan gestaltet werden kann, zeigt Abb. 4.17 am Beispiel einer Physiotherapie-Abteilung eines Krankenhauses. Zwischen der Leitung und den Mitarbeitern wird dabei ein individuelles Jahresarbeitszeitvolumen vereinbart. Im Beispiel wird ein Plan für vier Mitarbeiter erstellt. Sie haben eine Vertragsarbeitszeit von

Abb. 4.17  Individuelle Jahresplanung in einer Physiotherapie-Abteilung: Ausschnitt eines Jahresplans

1984  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

4.4  Individualisierte Dienstplanformen

199

jeweils 30 Wochenstunden. Jeder Mitarbeiter schlägt die Tage vor, die aus seiner Sicht unbedingt frei sein sollten. In diesem Fall betrifft dies insbesondere die Ferienzeiten, um die Kinderbetreuung sicherzustellen. Es dürfen jeweils maximal ein, in den Ferien zwei der vier Mitarbeiter arbeitsfrei haben. Abb. 4.17 zeigt den Auszug für 15 Kalenderwochen eines Jahres nach Verplanung der Urlaubstage und freien Tage. Blau hinterlegte Wochen sind Ferienwochen, in denen zwei Mitarbeiter abwesend sein können. Der Mitarbeiter muss natürlich nicht alle seine freien Tage verplanen, für den Personaleinsatzplaner ist ein wenig „Puffer“ auch gut! Schließlich muss am Ende die Soll-Besetzung wiederum passen, und dies kann nur dann wirklich erfolgreich geschehen, wenn noch etwas „Spielmasse“ für den Dienstplaner übrig ist. Wenn alle Teilzeitmitarbeiter zur gleichen Zeit frei haben möchten, bleibt natürlich für die Vollzeit-Kollegen weniger Spielraum, so dass hier wiederum die jeweiligen Zeitinteressen gegeneinander abgewogen werden müssen. Auf Basis der noch nicht als arbeitsfrei definierten Tage schlägt der Dienstplaner Einsatztage vor – er verplant also einen Großteil der Arbeitszeit. Für die Vollzeitmitarbeiter ist hier ein Grunddienstplan ohne Vertretungsdienste hinterlegt, wie in Abschn. 3.4.4 dargestellt. Denn die Ausfallzeiten werden in dieser Abteilung über die Teilzeitmitarbeiter im Jahresplan abgedeckt. Das bedeutet in der Planung auch, dass die Jahresplanung der Teilzeitmitarbeiter nur in Abstimmung mit der Urlaubsplanung der Vollzeitmitarbeiter erfolgen kann. Hier ist also immer eine Rückkopplung zwischen den unterschiedlichen Plänen notwendig. Dabei wird noch nicht definiert, ob der Mitarbeiter im Früh- oder Spätdienst eingesetzt wird – dies geschieht erst in der monatlichen Feinplanung in Abstimmung mit den Vollzeit-Dienstplänen. Zusätzlich werden aber auch sogenannte „Springertage“ im Jahresdienstplan markiert. An diesen Tagen hält sich der Mitarbeiter verfügbar und kommt bei dringendem Bedarf zur Arbeit, ähnlich einem Stand-By-Dienst (Abschn. 5.3.1). Für die feste Einplanung der freien Tage und damit der Berücksichtigung wichtiger individueller zeitlicher Bedürfnisse gehen die Mitarbeiter somit das Tauschgeschäft ein, an anderen Tagen flexibel eingesetzt werden zu können. Nach Abstimmung mit den Mitarbeitern werden die arbeitsfreien Tage, die Einsatztage und die Springertage im Jahresdienstplan hinterlegt. Dieser Dienstplan ist dann für alle Beteiligten verbindlich, und die Mitarbeiter können insbesondere auf Basis der arbeitsfreien Tage ihre privaten Belange einplanen.

Zusammenfassung 

Individualisierte Grunddienstpläne haben den Vorteil, dass für jeden Mitarbeiter ein eigener Grunddienstplan geschrieben wird. Dadurch können individuelle Zeitbedürfnisse der Mitarbeiter unmittelbar in die Dienstplanung einfließen. Besonders geeignet sind individualisierte Grunddienstpläne bei kleinen, stabilen Teams mit niedriger Fluktuationsrate, da sich hier die individuellen Bedürfnisse im Team abstimmen lassen. Doch auch in großen Gruppen mit vielen komplementären Zeitinteressen können sie zumindest für einen Teil der Mitarbeiter – zum Beispiel Teilzeitkräfte – eingesetzt werden.

2004  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

Der Bedarf für lang- und kurzfristige Vertretungen kann entweder über die Einteilung von Vertretungsdiensten gelöst werden. In diesen Vertretungsdiensten können dann eventuell nicht alle zeitlichen Interessen abgedeckt werden, aber die Ausfälle werden von allen Mitarbeitern getragen. Oder – und das ist bei individualisierten Grunddienstplänen die häufigere Variante – es wird lediglich die Soll-Besetzung eingeteilt. Die Mitarbeiter werden im Dienstplan somit unterplant. Dann müssen bei Ausfallzeiten (vor allem in der Urlaubszeit) Vertretungsdienste an zuvor arbeitsfrei geplanten Tagen erbracht werden. Bei der individuellen Jahresplanung werden arbeitsfreie Tage und einzuteilende Tage für ein Jahr im Voraus festgelegt. Es besteht kein fester Grundrhythmus wie bei Grunddienstplänen, trotzdem wird die Planbarkeit für die Mitarbeiter durch den Jahresdienstplan erhöht. Diese Form der Dienstplanung wird häufig für Teilzeitkräfte genutzt, die zu bestimmten Zeiten im Jahr über den Urlaub hinaus frei haben müssen. Als Gegenleistung für die festen freien Tage wird häufig zu anderen Zeiten eine flexible Einteilung vorgenommen – der Mitarbeiter weiß also im Planungszustand noch nicht genau, zu welchen Zeiten er arbeitet oder wo er eingesetzt wird.

4.5

Umgang mit (nacht-)dienstuntauglichen Mitarbeitern

4.5.1 Indikation Dienstuntauglichkeit aus arbeitswissenschaftlicher Sicht In diesem Abschnitt geht es um Verfügbarkeitseinschränkungen der Mitarbeiter aufgrund von ärztlichen Attesten. Meist betrifft dies Nachtdienste. Es treten in der Praxis aber auch Atteste für alle anderen Dienstlagen und für Wochenendarbeit auf. Mitarbeiter werden häufig vorschnell aus dem Nachtdienst herausgeplant. Ob Schichtarbeit gesundheitsschädlich ist, ist nach wie vor nicht erwiesen. Auch Schlafstörungen sind in der Regel auf andere Ursachen als auf Schichtarbeit zurückzuführen. Schlafapnoe ist die bei weitem häufigste Diagnose bei Schlafstörungen (Abb. 4.18 [siehe den Literaturhinweis [2] in Kap. 1]). Sie ist unabhängig von der Dienstlage und tritt auch dann auf, wenn man während der Nacht schläft. Medizinische Probleme vorschnell auf Schicht- und Nachtarbeit zu schieben, kann sogar unethisch sein, denn dann können die eigentlichen Ursachen übersehen werden. Die betrieblichen Angebote zur körperlichen und seelischen Gesunderhaltung der in Schicht- und Wechselschichtarbeit arbeitenden Mitarbeiter können in vielen Häusern verbessert werden. Die Klinik oder Pflegeeinrichtung sollte dabei zugleich verdeutlichen, dass sie auch von jedem Mitarbeiter erwartet, einen eigenen Beitrag für seine Gesunderhaltung zu leisten. Das bedeutet vor allem, sich nicht „gehen zu lassen“. Denn die Gefahr ist groß, dass nach Dienstplänen Arbeitende ihre persönlichen physischen und psychischen Probleme vorschnell der Wechselschicht- oder Nachtarbeit als vermeintlicher Ursache zuschreiben – was die Problembeseitigung erschweren oder sogar verhindern kann.

4.5  Umgang mit (nacht-)dienstuntauglichen Mitarbeitern

201

Abb. 4.18  Diagnose von Schlafstörungen aller vollstationären Patienten in deutschen Krankenhäusern 2015 (Quelle: Statistisches Bundesamt)

Dies ist insbesondere auch eine soziale Herausforderung der Häuser: Schließlich kann es andere Beteiligte zusätzlich belasten, wenn einzelne Dienstlagen von immer weniger Mitarbeitern abgedeckt werden müssen.

4.5.2 Anforderungen an eine ärztliche Bescheinigung der Nachtarbeitsunfähigkeit Der Mitarbeiter, der einen Umsetzungsanspruch gemäß § 6 Abs. 4 ArbZG oder den Ausschluss von Nacht- oder Schichtarbeit im Rahmen der Berücksichtigung billigen Ermessens (§ 106 GewO) bei der Ausübung des Direktionsrechts geltend macht, trägt die Beweislast für das Vorliegen der folgenden Anspruchsvoraussetzungen: • Das Attest muss von einem Arzt mit arbeitsmedizinischer Fachkunde ausgestellt sein (soweit nicht die Untersuchung durch einen Betriebsarzt ohnehin vertraglich vereinbart ist). • Das Attest muss die Feststellung enthalten, dass die Schicht- oder Nachtarbeit im konkreten Umfang die Gesundheit des Arbeitnehmers gefährdet (vergleiche. § 6 Abs. 4

2024  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

S. 1 Nr. 1 ArbZG). Eine nähere Begründung hinsichtlich der Symptome beziehungsweise der Untersuchungsbefund müssen nicht vorgelegt werden. • Das Attest genießt vor Gericht die Vermutung der tatsächlichen Richtigkeit. • Eine Überprüfung der bescheinigten Nachtarbeitsunfähigkeit durch ein zweites Attest kommt nur in Betracht, wenn dies vertraglich vereinbart ist oder begründete Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit des Attests sprechen.

4.5.3 Rechtliche Rahmenbedingungen von Arbeitszeit-Attesten Bevor praktisch gezeigt wird, wie mit einem Attest im Rahmen der Dienstplanung umgegangen werden kann, sei zunächst ein knapper Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen gegeben.

4.5.3.1 Rechtsgrundlage Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 ArbZG hat der Arbeitgeber den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn • nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder • im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder • der Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann, • sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen.

4.5.3.2 Geeigneter Tagesarbeitsplatz Voraussetzung des Umsetzungsanspruchs ist ein freier Tagesarbeitsplatz oder die Möglichkeit der Umorganisation beziehungsweise Umsetzung eines anderen Arbeitnehmers im Rahmen des Direktionsrechts. Der Umsetzungsanspruch besteht betriebsbezogen (nicht auch unternehmens- oder konzernbezogen). Die Gleichwertigkeit des Tagesarbeitsplatzes ist dann gegeben, wenn die wesentlichen Vertragsbedingungen für den Arbeitnehmer unverändert bleiben können, also insbesondere der Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechtes dem Arbeitnehmer den anderen Arbeitsplatz zuweisen könnte. Ist kein gleichwertiger Tagesarbeitsplatz vorhanden, kommt auch ein zumutbarer Arbeitsplatz zu ungünstigeren Bedingungen in Betracht. Diesen kann der Nachtarbeitnehmer jedoch ablehnen und auf seinem Nachtarbeitsplatz bleiben. Der Nachtarbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Umsetzung auf einen höher vergüteten Tagesarbeitsplatz. 4.5.3.3 Entgegenstehende betriebliche Erfordernisse Ob der Umsetzung entgegenstehende dringende Erfordernisse vorliegen, ist anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu ermitteln. Das heißt: Die Belange des Arbeitnehmers

4.5  Umgang mit (nacht-)dienstuntauglichen Mitarbeitern

203

und die des Arbeitgebers werden im konkreten Einzelfall gegeneinander abgewogen. Entgegenstehende dringende Erfordernisse sind insbesondere dann gegeben, wenn der Arbeitgeber die Umsetzung nur mit erheblichem betriebsorganisatorischen oder personellen Aufwand umsetzen könnte. In der Literatur wird hierzu auf § 7 Abs. 1 BUrlG („dringende betriebliche Belange“) verwiesen, in der Rechtsprechung auf § 1 Abs. 2 KSchG. Gegebenenfalls ist es dem Arbeitgeber zumutbar, eine gewisse Zeitspanne bis zum Freiwerden eines Tagesarbeitsplatzes abzuwarten. Eine „Freikündigung“ eines anderen Arbeitnehmers ist nicht zumutbar.

4.5.3.4 Beteiligung des Betriebsrates Liegen nach Auffassung des Arbeitgebers entgegenstehende dringende betriebliche Erfordernisse vor, so ist der Betriebsrat zu hören. Die Beteiligung ist jedoch keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Ablehnung einer Umsetzung. Der Wortlaut des § 6 Abs. 4 ArbZG enthält keinen Hinweis darauf (anders bei § 102 I BetrVG). Diese Auffassung ist jedoch umstritten. Die Ansicht des Betriebsrats ist für den Arbeitgeber nicht bindend; er muss sie jedoch bei seiner Entscheidung über eine Umsetzung des Arbeitnehmers würdigen. Der Betriebsrat kann Vorschläge zur Umsetzung unterbreiten.

4.5.4 Dienstplanerische Realisierung von Verfügbarkeitseinschränkungen Folgende Varianten kommen – am Beispiel der Nachtdienstuntauglichkeit – infrage: • Ausplanung der Nachtdienste: Die Herausnahme aus den Nachtdiensten erfolgt im Grunddienstplan oder im Rahmendienstplan durch Herausnahme aus der Nacht im Rahmen der Ausplanung. Dafür werden andere Kollegen verstärkt zu Nachtdiensten herangezogen. Dies zeigt für unser Muster-Beispiel aus Abb. 4.6 nun 4.19. In diesem Fall ist der vollzeitnahe Mitarbeiter 8 nachtdienstuntauglich. Er wird in der Ausplanung aus den Nachtdiensten herausgeplant. Dafür übernehmen Mitarbeiter 14 und Mitarbeiter 11 die ursprünglich für Mitarbeiter 8 geplanten Nachtdienste, wie der Dienstplanausschnitt über drei Wochen zeigt. • Eigene Arbeitszeitmuster: Im Rahmen der Verschachtelung von Grunddienstplänen (Abschn. 4.3.1) werden für nachtdiensttaugliche Mitarbeiter eigene Arbeitszeitmuster erstellt. Im Beispiel wurden für die Mitarbeiter im Wochenend-Arbeitszeitmuster von vornherein keine Nachtdienste vorgesehen (siehe erneut Abb. 4.5). • Paarbildung: Im Grunddienstplan werden Mitarbeiter-Paare gebildet, innerhalb derer einer der beiden Mitarbeiter keine Nachtdienste erbringt (Abschn. 4.3.3). • Individualisierung: Im individualisierten Grunddienstplan (Abschn. 4.4.1) oder bei Einsatzplanung (Abschn. 3.7) werden nachtdienstuntaugliche Mitarbeiter erst gar nicht im Nachtdienst eingeteilt. • Tausche: Die Mitarbeiter tauschen in Grunddienstplänen oder Rahmendienstplänen den nachtdienstuntauglichen Mitarbeiter aus seinen Nachtdiensten heraus. Das ist dann

2044  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

Abb. 4.19  Vertretung eines nachtdienstuntauglichen Mitarbeiters (Muster-Beispiel)

eine gute Idee, wenn nur einzelne Mitarbeiter von Nachtschichten entlastet werden und es ein Potenzial an Mitarbeitern gibt, die bereit sind, zusätzliche Nachtdienste zu übernehmen. Diese Variante kann, wenn sich nicht genug Freiwillige finden, immer noch zu der im vorigen Punkt beschriebenen Option umgewandelt werden – zum Beispiel bezüglich nicht erfolgreich weggetauschter Nachtdienste. Ziehen wir dazu den Grunddienstplan aus Abb. 4.5 erneut heran und unterstellen nun, dass Mitarbeiter 1 nachtdiensttauglich ist. Da die Kollegen bereit sind, mit ihm zu tauschen und mehr Nachtdienste zu übernehmen, werden die Nachtdienste – hier in Dienstplanwoche 4 – von anderen Kollegen übernommen. Der nachtdienstuntaugliche Kollege übernimmt dafür Dienste aus anderen Dienstlagen.

Zusammenfassung 

Attestbedingt in einzelnen Dienstlagen nicht einsetzbare Mitarbeiter müssen – sofern das Attest die an es gestellten Anforderungen erfüllt und das Auffangen der zeitlichen

4.6  Vom Wunsch zum Tausch: Warum das gerechter ist

205

Verfügbarkeitseinschränkung weder für Betrieb noch für die Kollegen unzumutbar ist – bei der Dienstplanung aus den betreffenden Diensten herausgeplant werden. Dies geschieht entweder direkt im Zuge der Dienstplanung selbst, im Zuge der Feinplanung der Dienstpläne oder durch gegenseitige Tausche unter den Kollegen.

4.6

Vom Wunsch zum Tausch: Warum das gerechter ist

Wiederkehrende zeitliche Interessen können – wie wir gezeigt haben – in gewissen Rahmen in den unterschiedlichen Formen der Dienstplangestaltung berücksichtigt werden. Oft kommen aber vorübergehende Bedürfnisse hinzu – beispielsweise, weil ein Mitarbeiter einen Sprachkurs in der Volkshochschule besucht. Dieser läuft maximal ein halbes Jahr – und danach verschieben sich auch die zeitlichen Interessen des Mitarbeiters erneut. Oder es geht um kurzfristige private Ereignisse, die bei der Dienstplanung nicht berücksichtigt werden konnten. Für die Realisierung dieser Zeitinteressen ist der Tausch von Diensten und arbeitsfreien Tagen die beste Wahl.

4.6.1 Langfristige Planung – kurzfristige Tausche Je langfristiger die Dienstplanung vorausgeplant ist, desto wichtiger werden Tauschoptionen. Und warum der Tausch auch bei kurzfristiger Dienstplanung ein geeigneteres Instrument ist als der über den Dienstplanverantwortlichen abgewickelte Wunsch, haben wir in Abschn. 1.2.5 ausgeführt. Bei der Monatsdienstplanung werden Dienstpläne um die Wünsche der Mitarbeiter „herumgebastelt“. Einige halten sich zurück und haben damit das Nachsehen; womöglich bekommen sie häufiger die unbequemen Dienste. Andere drängen sich in den Vordergrund. Außerdem muss der Dienstplaner „Motiv-Erforschung“ betreiben und letzten Endes bei Konflikten zwischen seinen Mitarbeitern festlegen, welche Wünsche beziehungsweise persönlichen Interessen wichtiger sind. Daher sollten Dienstpläne auf Basis der vorgestellten Regeln zunächst vor allem die Abdeckung der Besetzungsbedarfe gleichmäßig über alle Mitarbeiter vorsehen – soweit nicht langfristige persönliche zeitliche Interessen schon in sie eingebaut werden konnten, wie wir dies in diesem Kapitel vorgestellt haben. Auf dieser Basis kann dann getauscht werden. Nicht mehr das Prinzip „Der Dienstplaner muss mir das erfüllen“ gilt. An seine Stelle sollte der Grundsatz treten: „Ich plane meine persönlichen Belange um den langfristigen Dienstplan herum, oder ich suche mir eigenverantwortlich einen Tauschpartner“. Übrigens wird die Tauschfähigkeit der Mitarbeiter gerade durch feststehende Pläne gestärkt: Wer weiß, dass die Alternative zum Tausch durch den Dienstplan feststeht, ist besonders bemüht, im Geben und Nehmen zwischen den Kollegen für optimale Anpassungen an die jeweiligen persönlichen Interessen zu sorgen. Die damit geförderte soziale Kompetenz und Fähigkeit zu realistischen Kompromissen ist mehr als nur ein erwünschter Nebeneffekt. Sie ist ein exzellentes Übungsfeld zur Einübung resilienter Fähigkeiten: Bekanntermaßen

2064  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

fördert die Entwicklung von Selbstbestimmungspotenzialen und das Erkennen derselben die Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen und Krisensituationen. Solche Übungsfelder sind deutlich wertvoller als die Kultivierung von Opferhaltungen gegenüber der personaleinsatzverantwortlichen Führungskraft, wie sie bei Wunsch-Modellen häufig zu beobachten ist.

4.6.2 Hohe Präferenzen-Unterschiede zwischen den Mitarbeitern Es existiert ja meist eine beträchtliche Bandbreite persönlicher Zeit-Präferenzen. Dies betrifft den Dienstrhythmus, die Wertigkeit einzelner Dienstlagen, die Bedeutung des Wochenendes, die Verträglichkeit von Nachtarbeit und so weiter. Und die allgemeinen sozialen Veränderungen sind gerade in den Schichtbetrieben spürbar: Älter werdende Belegschaften, allein durch Nachtdienstzuschläge immer schwerer zu motivierende Schulabgänger, die allgemein fortschreitende Diversifizierung der Lebensstile in einer „Erlebnisgesellschaft“ – all dies hat Auswirkungen auf Arbeitszeit- und Freizeitwünsche, die sich irgendwie in den Dienstplänen niederschlagen werden. Je unterschiedlicher dabei die Interessen der Mitarbeiter sind, desto größer sind die individuellen Chancen für Zeit-Wohlstandsmehrungen gegenüber kollektiv-gleichförmiger Arbeitszeitverteilung. Daher wird die Bedeutung optionalisierter Dienstzeitlagen und -verteilungen weiter zunehmen.

4.6.3 Regeln für Tausche Für den Tausch gibt es bei guten Dienstplänen eine einfache Regel: Alle Abweichungen vom Dienstplan müssen realisiert werden können, • die mit dem Besetzungsbedarf – dargestellt durch Dienstzeiten und Soll-Besetzungen – kompatibel sind; hilfreich sind auch hier Besetzungskennzahlen (Abschn. 7.2), denn sie zeigen unter Umständen Gestaltungsspielräume und -grenzen jenseits der Soll-Besetzung an. • bei denen die Qualifikationsanforderungen erfüllt bleiben und etwaige persönliche Terminvereinbarungen eingehalten werden; so muss eine festgelegte Mindestquote von examinierten Pflegekräften auch nach dem Tausch erhalten bleiben, was die Möglichkeiten eines qualifikationsübergreifenden Tausch-Modells begrenzt, • die nicht gegen arbeitszeitrechtliche oder tarifvertragliche Regelungen verstoßen – etwa durch zu kurze Wechsel zwischen den Dienstlagen ohne Einhaltung der Mindestruhezeit von 10 Stunden. Wenn diese Bedingungen eingehalten werden, sollte es auch keiner Genehmigung oder Absprache der Führungskraft vor dem Tausch mehr bedürfen. Denn welchen Entscheidungsspielraum hätte sie noch? Eine Information genügt daher.

4.6  Vom Wunsch zum Tausch: Warum das gerechter ist

207

Umgekehrt sollten grundsätzlich niemals Zusagen gemacht werden, die nicht zum Besetzungsbedarf beziehungsweise der Soll-Besetzung passen. Schließlich würde ein Großteil der Mitarbeiter am liebsten Montag bis Freitag im Frühdienst arbeiten – dann wäre aber die Besetzung im Spätdienst, Nachts und am Wochenende nicht gewährleistet, die ja in den meisten Fällen auch zwingend notwendig ist. Für die konkrete Ausgestaltung des Tauschsystems müssen zwei Fragen beantwortet werden: • Personelle Größe des Tausch-Bereichs: Soll nur innerhalb einer Station/eines Bereichs getauscht werden dürfen – oder bereichsübergreifend? Wir empfehlen größtmögliche Tauschbereiche, um die Tauschoptionen zu vergrößern. Je größer die Bereiche, desto größer ist bei nichthomogenen Zeitinteressen der Mitarbeiter die Trefferquote, einen geeigneten Tauschpartner zu finden. Bei einer Schaffung von übergreifenden Vertretungsbereichen für das kurzfristige Ausfallzeitenmanagement (Abschn. 5.4) sollte der Tauschbereich genau diesen übergreifenden Bereich umfassen. • Tausch-Technik: Hier kommen individuelle Tausche zwischen den Mitarbeitern, die sich im Team absprechen, infrage, visualisierte Tauschbörsen in Form schwarzer Bretter oder EDV-gestützte Tauschbörsen im PEP-System. Die einfache Variante von Mitarbeiter zu Mitarbeiter zeigt Abb. 4.20 anhand des ausgeplanten Musterbeispiels aus Abb. 4.8. Hier tauschen Mitarbeiter 7 und Mitarbeiter 13 einen Z-Dienst gegen einen S+-Dienst am Wochenende in Woche 1. Mitarbeiter 6 und Mitarbeiter 1 tauschen einen F-Dienst gegen einen Z-Dienst am Freitag in Woche 2. Je größer die in den Tausch einzubeziehenden Bereiche sind, desto mehr empfehlen sich IT-gestützte Tauschbörsen. In den nächsten Jahren werden sich Tauschbörsen auf Basis von Smartphone-Apps etablieren. Hier gibt der Mitarbeiter einfach seinen Tauschwunsch ein („biete am nächsten Mittwoch einen Frühdienst, suche einen Spätdienst“). Daraufhin werden die hierfür infrage kommenden Mitarbeiter automatisch angefragt. Die Prüfung der obigen Regeln ist dann natürlich bereits im System erfolgt. Stimmt einer der angefragten Mitarbeiter dem Tausch zu, wird er im PEP-System direkt vollzogen, indem der Dienstplan entsprechend in den „Zustand nach dem Tausch“ angepasst wird. Das Prinzip zeigt anhand des Beispiels eines Krankenhauses Abb. 4.21.

Zusammenfassung 

Je stabiler und vorstrukturierter die Dienstpläne sind, desto mehr bedürfen sie offener Tauschmöglichkeiten zwischen den Mitarbeitern, um den Dienstplan entlang der persönlichen Zeitpräferenzen mitarbeitergerecht optimieren zu können. Tausche sollte immer dann eigenverantwortlich und ohne Absprache mit der dienstplanverantwortlichen Führungskraft realisiert werden können, wenn der Besetzungsbedarf, Qualifikationsvorgaben, etwaige Terminabsprachen mit der Führungskraft sowie die arbeitszeitrechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden.

2084  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

Abb. 4.20  Beispiel für Diensttausche (Muster-Beispiel)

Abb. 4.21  Tauschmöglichkeiten von Diensten mittels Tauschbörse im PEP-System

4.7 Wahlarbeitszeit

209

4.7 Wahlarbeitszeit 4.7.1 Neue gesetzliche Regelungen Neben meist schon länger etablierten Möglichkeiten, die Lage und Verteilung der Arbeitszeit auch eigenverantwortlich gestalten zu können, wird dies in Zukunft auch noch stärker für die Dauer der Vertragsarbeitszeit gelten. Teilzeitmitarbeiter werden also flexibel mit bestimmten Fristen ihre Vertragsarbeitszeit wieder auf ein vormaliges Niveau aufstocken können. Solche „Wahlarbeitszeit“ genannten Regelungen existieren in deutschen Kliniken vereinzelt bereits heute auf betrieblich vereinbarter Basis – oder faktisch, weil man aufgrund der Arbeitsmarktlage auch arbeitszeitlich den Mitarbeitern schon vieles möglich macht. Mit der sogenannten „Brückenteilzeit“ wurde durch den Gesetzgeber in das Teilzeit- und Befristungsgesetz die Änderung aufgenommen, dass Arbeitnehmer, sofern ihr Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, verlangen können, ihre Vertragsarbeitszeit für einen im Voraus zu bestimmenden Zeitraum von einem Jahr bis zu fünf Jahren zu verringern. Der neue Anspruch ist (ebenso wie der Anspruch auf Teilzeitarbeit) nicht an das Vorliegen bestimmter Gründe gebunden. Nach Ablauf der Brückenteilzeit kehrt der Arbeitnehmer zur ursprünglichen vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zurück [6].

4.7.2 Auch Arbeitszeitverlängerungen ermöglichen Arbeitszeitdiskussionen, die allein den Belastungsfaktor Arbeitszeit thematisieren und deshalb auf eine Verkürzung der Arbeitszeit setzen, greifen zu kurz. Schließlich können – gewünscht – längere Arbeitszeitdauern auch erfüllend sein und gerade dadurch einen Beitrag zur seelischen Gesundheit leisten – vor allem aus den folgenden Gründen: • Längere Arbeitszeiten können die Selbstsicherheit durch vertiefte fachliche Kenntnisse, Gebrauchtwerden und größere Vertrautheit mit den Arbeitsabläufen erhöhen, wodurch sowohl die beruflichen Erfolgserlebnisse als auch die Anerkennung durch Vorgesetzte und Kollegen steigen können. • Dadurch, dass Arbeit deutlich stärker strukturiert ist als viele andere Lebensbereiche, unterstützt sie auch die persönliche Lebensbewältigung. • Stress kann durch längere Arbeitszeitdauer geringer ausfallen – zum Beispiel durch geringere relative Rüst- und Einarbeitungszeiten. • Erweiterte Konsummöglichkeiten (auch für die Freizeitgestaltung) werden über höhere Einkommen eröffnet.

2104  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

4.7.3 Lebensphasenorientierte Arbeitszeitgestaltung Mit Verlängerungen und Verkürzungen der Arbeitszeit soll eine lebensphasenbezogene Variation der Vertragsarbeitszeit gefördert werden. Dies ist auch sinnvoll, denn im Laufe des Lebens kommt es zu unterschiedlichen Präferenzen hinsichtlich des gewünschten Arbeitszeitumfangs. Sind die Kinder klein, kann das Arbeitszeitbudget anders aussehen, als wenn sie aus dem Hause sind. Auch der mit der Zeit korrespondierende Geldbedarf wird im Laufe des Lebens schwanken. Wie bei einem Regler, den man zwischen den Polen Zeit und Geld hin- und herschieben kann, werden sich mithin die Präferenzen mal in die eine, mal in die andere Richtung verschieben – bei insgesamt tendenziell zunehmender Freizeitorientierung. Nach unseren Beobachtungen sind Mitarbeiter mit ihrer individuellen Arbeitszeitdauer dann unzufrieden, wenn ihr persönliches Arbeitszeitbudget entweder längerfristig höher oder niedriger als das gewünschte Zeitbudget ausfällt oder wenn ihre Erwartungen an die Vereinbarkeit des beruflichen Zeitbudgets mit anderen Zeitbudgets längerfristig enttäuscht werden. Lange Arbeitszeitdauern können dann zu einem Überforderungsrisiko für den Einzelnen werden, wenn sie dauerhaft länger als individuell gewünscht sind. Das ist etwa dann der Fall, wenn die vertraglich festgelegte Arbeitszeitdauer entgegen dem eigenen Wunsch chronisch überschritten werden muss oder wenn die Vertragsarbeitszeit selbst in Bezug auf die aktuelle Lebenssituation als zu hoch empfunden wird. Zudem fallen mit zunehmendem Durchschnittsalter der Belegschaft die Leistungsmöglichkeiten und -voraussetzungen der Menschen stärker auseinander, so dass Arbeitszeitlösungen auch hinsichtlich der Arbeitszeitdauer in alternden Belegschaften differenzierter ausfallen.

4.7.3.1 Wie funktioniert Wahlarbeitszeit? Unter „Wahlarbeitszeit“ ist zu verstehen, dass die Mitarbeiter innerhalb des jeweiligen Dienstmodells in einem bestimmten Korridor grundsätzlich frei unter Einhaltung einer gewissen Ankündigungsfrist zwischen verschiedenen vertraglichen Arbeitszeitdauern wechseln können. Es ist davon auszugehen, dass eine Nutzung der Wahlarbeitszeit-Optionen sich vorrangig auf den vollzeitnahen Bereich auswirkt. Erstens sind „echte“ Teilzeitoptionen meist bereits realisiert und die Kliniken und Pflegeeichrichtungen in der Regel froh und bereit, solche Verträge aufzustocken, wenn die Mitarbeiter dies wünschen. Zweitens haben die Vollzeitmitarbeiter oftmals noch eine gewisse Scheu, temporär auf Teilzeit von zum Beispiel 80 Prozent zu wechseln, wenn sie befürchten, von dort nicht mehr zurückzukommen; vor allem betrifft dies Männer. Diese Handlungsschwelle würde durch eine Wahlarbeitszeitregelung gesenkt. Zu vermuten ist daher, dass vor allem die Zone von 80 Prozent bis 100 Prozent der Vertragsarbeitszeit durchlässiger wird. Erfahrungen in der Industrie mit betrieblichen Wahlarbeitszeitregelungen bestätigen dies.

4.7 Wahlarbeitszeit

211

4.7.3.2 Was bedeutet dies für die Dienstplanung? Grundsätzlich empfiehlt es sich, nicht für jeden Mitarbeiter mit jeder noch so kleinen Arbeitszeitabweichung einen eigenen Dienstplan zu entwickeln – es sei denn, es werden Einsatzpläne (Abschn. 3.7) oder individualisierte Grund- oder Jahresdienstpläne (Abschn. 4.4) praktiziert. Eine Individualisierung jedes Dienstplans ist besonders dann problematisch, wenn Mitarbeiter sich von der Absenkung ihrer Vertragsarbeitszeit Vorteile bei den Dienstdauern, Dienstlagen oder der Verteilung der Dienste versprechen. Dann könnte der Mitarbeiter mit einer minimalen Absenkung der Vertragsarbeitszeit das Tor zu einem privilegierten Dienstmodell aufstoßen. Das würde sicherlich der Förderung der Wahlarbeitszeitnutzung dienen – nicht jedoch dem guten Dienstplan. Am einfachsten ist es daher, Mitarbeiter in der vollzeitnahen Zone unabhängig von ihrer jeweiligen Vertragsarbeitszeit in dasselbe Dienstmodell einzuplanen. Dies ist schon deshalb sinnvoll, weil sonst volatile Vertragsarbeitszeiten zu permanenten Anpassungen des Dienstmodells zwingen würden, was die Dienstplanstabilität erheblich verringern würde. In unserem Muster-Beispiel hatten wir dieses Prinzip bereits berücksichtigt, indem Mitarbeiter in einer bestimmten Vertragsarbeitszeit-Bandbreite ein und demselben Arbeitszeitmuster zugeordnet wurden (Abschn. 4.3.1). Dabei waren acht Mitarbeiter im vollzeitnahen Arbeitszeitmuster zusammengefasst worden, obwohl nur vier Kollegen Vollzeitmitarbeiter sind. Ein Mitarbeiter hat eine Teilzeitquote von 95 Prozent, zwei Mitarbeiter von 90 Prozent und ein Mitarbeiter von 80 Prozent; siehe Tab. 4.4. Selbstverständlich müssen nun Mitarbeiter mit einer niedrigeren Vertragsarbeitszeit weniger Dienste erbringen als 100-Prozent-Kräfte – auch, wenn sie im gleichen Dienstplan arbeiten. In einem Grunddienstplan-Zyklus von acht Wochen (Abb. 4.5) waren ja (5 Frühdienste Montag bis Freitag ×  6,25 Stunden +  5 Spätdienste Montag bis Freitag ×  6,25 Stunden + 2 lange Frühdienste Samstag/Sontag × 7 Stunden + 12 Zwischendienste Montag bis Sonntag × 10 Stunden + 4 Nachtdienste Montag bis Donnerstag × 9,25 Stunden = ) 233,5 Stunden Arbeitszeit eingeteilt. Die von den Mitarbeitern zu erbringende Arbeitszeit in dem 8-Wochen-Zyklus ist je nach Vertragsarbeitszeit unterschiedlich. Dadurch variiert auch die Arbeitszeitreserve für die Vertretungs-Dummys. Der Mitarbeiter mit Vertragsarbeitszeit muss in dieser Zeit ja (8 Wochen × 38,5 Stunden verfügbare Arbeitszeit je Woche = ) 308 Stunden erbringen. Es fehlen ihm also noch (308 Stunden benötigte Arbeitszeit – 233,5 Stunden eingeteilte Arbeitszeit = ) 74,5 Stunden, wodurch er pro potenziellem Vertretungsdienst bei im Durchschnitt 8,33 Stunden Arbeitszeit pro Dienst (74,5 Stunden Arbeitszeitreserve/8,33 Stunden/Dienst = ) 9 Vertretungsdienste durchschnittlich pro Zyklus leistet (Tab. 4.4). Die Mitarbeiter erbringen dadurch die gleichen festen Dienste. An den Vertretungsdiensten nehmen sie hingegen in unterschiedlichem Umfang teil. Der 80-Prozent-Teilzeitmitarbeiter muss nur noch an wenigen potenziellen Vertretungsdiensten arbeiten, pro Jahr etwa an zwölf dieser Dienste.

2124  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt Tab. 4.4  Anzahl der zu erbringenden Vertretungsdienste je nach Vertragsarbeitszeitdauer

Vertragsarbeitszeitdauer in Stunden pro Woche

Arbeitszeitreserve für Vertretung je 8-Wochen-Zyklus

Anzahl der durchschnittlichen Vertretungsdienste sowie der insgesamt zu erbringenden Dienste je Zyklus (gerundet)

38,5 (100 Prozent)

84,5 Stunden

9 + 28 = 37 Dienste

36,57 (95 Prozent)

59,1 Stunden

7 + 28 = 35 Dienste

34,65 (90 Prozent)

43,7 Stunden

5 + 28 = 33 Dienste

30,8 (80 Prozent)

12,9 Stunden

2 + 28 = 30 Dienst

Dagegen kann man einwenden, dass hierdurch ein Anreiz geschaffen wird, seine Vertragsarbeitszeit so abzusenken, dass man keine oder nur sehr wenige Vertretungsdienste erbringen muss. Dann hat man einen vollständig planbaren Dienstplan, der nicht einmal mehr durch Vertretungsdienste „gestört“ wird. Diese These ist nicht von der Hand zu weisen, denn aus der Industrie sind Beispiele bekannt, wo dieser Effekt tatsächlich eintritt. Jedoch: Diese zusätzliche Freizeit muss man sich natürlich leisten können. Nur die wenigsten werden nur wegen eines schöneren Planes auf 20 Prozent Brutto-Monatsentgelt verzichten können, auch wenn wegen der Steuerprogression der Netto-Effekt geringer ausfällt. Unsere Empfehlung lautet, die Modelle so auszugestalten, dass zumindest noch ein kleiner Vertretungsbeitrag für jeden Mitarbeiter übrig bleibt. Dieser kann dafür potenziell ja besonders flexibel ausfallen, weil deutlich mehr Spielraum für die Nutzung der Vertretungsreserve besteht als bei höheren Vertragsarbeitszeiten. Wenn beispielsweise die Vertretungsreserve genutzt wird, um Ausfallzeitenspitzen – etwa nur hierdurch ermöglichte Spitzen in der Urlaubsverteilung – abzudecken, dann erhöht das die Spielräume, Ausfallzeiten ungleicher verteilen zu können. Insofern leistet der Mitarbeiter dann einen kleineren, aber umso wertvolleren Beitrag zur Stabilisierung der Dienstpläne auch der Kollegen.

4.7.3.3 Exkurs: Auch Sabbaticals sind eine Form der Wahlarbeitszeit Sabbaticals sind selbst angesparte oder als unbezahlter Urlaub gewährte Freistellungen von der Arbeit bei fortlaufendem Beschäftigungsverhältnis. Sie sind meist zwischen ein und sechs Monaten lang. Nur eine Minderheit der Mitarbeiter nimmt diese Option der Wahlarbeitszeit wahr – man muss sie sich leisten können und Interesse daran haben, so lange etwas anderes zu machen. Aber sie können ein attraktives Personalbindungsmodell sein, denn allein ein solches Angebot kann dazu führen, dass der Arbeitgeber als attraktiver wahrgenommen wird. Empfohlen wird von uns grundsätzlich ein dreimonatiges Sabbatical, da es lang genug ist, um Abstand vom betrieblichen Eingebundensein zu ermöglichen, aber kurz genug, um den Anschluss nach Rückkehr wiederfinden zu können. Außerdem erfordern längere

4.7 Wahlarbeitszeit

213

Sabbaticals, soweit sie auf zuvor angesparten Zeitguthaben basieren, die Einhaltung komplexer sozialversicherungsrechtlicher Rahmenbedingungen, auf die wir hier nicht eingehen möchten. Bei einem Sabbatical, das nicht als unbezahlter Urlaub gewährt wird (was in dieser Zeit den Abschluss einer eigenständigen Krankenversicherung erfordern würde), senkt der Mitarbeiter seine Vertragsarbeitszeit (und damit sein Monatseinkommen) zwar ab, arbeitet aber weiter auf dem bisherigen Vertragsarbeitszeitniveau, etwa in Vollzeit. Für die Dienstplanung bedeutet das, dass ein Mitarbeiter in der Ansparphase des Sabbaticals wie ein Vollzeitmitarbeiter geführt wird. Im Hintergrund wird im PEP-System an jedem tatsächlichen Arbeitstag ein Teil der anteiligen Vertragsarbeitszeit („tägliche Sollarbeitszeit“) (Abschn. 6.2) auf einem separaten Zeitkonto angespart. Der „normale“ Saldo im PEP-System wird damit weiter gegen die Vollzeit-Sollarbeitszeit saldiert. Bei Absenkung der Vertragsarbeitszeit auf 80 Prozent und eine 38,5 Stunden-Woche sind das bei einer Sollarbeitszeit von 7,7 Stunden an den Tagen Montag bis Freitag täglich (7,7 × (1 – 0,8) = ) 1,54 Stunden pro Tag. Da ein freier Tag bei einer Vertragsarbeitszeit von 80 Prozent (7,7 × 0,8 = ) 6,16 Stunden „kostet“, muss also vier Arbeitstage lang gespart werden, um einen Tag des späteren Sabbaticals anzusparen. Folglich hat man ein Sabbatical, das drei Monate dauert und damit circa 62 Arbeitstage „kostet“, wenn man darin auch 22 Tage Urlaub einsetzt, nach circa (40 × 4 = ) 160 Arbeitstagen angespart, also in weniger als einem Jahr. Die Lage des Sabbaticals ist langfristig im Voraus zu planen – am besten im Rahmen der Jahresurlaubsplanung, damit sich der Betrieb und die Kollegen auf die Nachbesetzung und die Vertretung einstellen können.

Zusammenfassung 

Wahlarbeitszeitregelungen ermöglichen eine befristete mitarbeiterseitige Absenkung der Vertragsarbeitszeit mit Rückkehrgarantie in die vormalige Vertragsarbeitszeit. Es wird sie – vermutlich auf rechtlich geregelter Anspruchsbasis durch ein entsprechend novelliertes Teilzeit- und Befristungsgesetz – zukünftig häufiger geben. Wahlarbeitszeiten werden überwiegend im vollzeitnahen Bereich in einer Bandbreite von 80 Prozent bis 100 Prozent der der Vertragsarbeitszeit genutzt. Für die Mitarbeiter innerhalb dieser Bandbreite sollten bei langfristiger Dienstplanung dieselben Dienstpläne und Dienstrhythmen gelten. Lediglich die Anzahl der (genutzten) Vertretungsdienste wird dann je nach Vertragsarbeitszeit variiert. Eine in der Pflege (derzeit noch?) exotische Unterform der Wahlarbeitszeit ist das Sabbatical. Der Mitarbeiter entscheidet sich hier für eine längere Freistellung von circa drei bis sechs Monaten bei Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses. Das Sabbatical kann vorrangig als unbezahlter Urlaub oder aus hierfür gezielt angesparten Zeitguthaben gewährt werden. Im letzteren Fall senkt der Mitarbeiter seine Vertragsarbeitszeit ab, arbeitet aber während der Ansparphase nach dem gleichen Dienstplan und mit der gleichen Anzahl von Diensten wie bisher, bis er das benötigte Zeitguthaben gespart hat.

2144  Individualisierung und wie sie zu bedarfsgerechter Dienstplanung passt

Literatur 1. BAG, Urt. v. 23.09.2004; Az.: 6 AZR 567/03, Leitsatz Nr. 1 2. BAG, Urt. v. 16.12.2008; Az.: 9 AZR 893/07, Leitsatz Nr. 1 3. BAG, Urt. v. 16.12.2008; Az.: 9 AZR 893/07, Leitsatz Nr. 2 4. BAG, Urt. v. 16.12.2008; Az.: 9 AZR 893/07 5. LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.08.2015; Az.: 26 Sa 2340/14, Leitsätze 1-4 6. Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts – Einführung einer Brückenteilzeit

5

Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

5.1

Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

5.1.1 Erst das Skelett, dann die Muskeln Das Gerüst der Dienstplanung steht (Kap. 3). Auch individuelle Anforderungen der Mitarbeiter – sei es aus Wunsch, sei es aus Notwendigkeit – konnten in die Dienstplanung integriert werden (Kap. 4). Nun müsste sich das (Arbeits-)Leben nur noch an den Dienstplan halten… Dass es anders kommt, sollte aber an sich kein Problem sein: Unwägbarkeiten gehören zum Leben, denn dieses ist ja kein Zustand, sondern ein Prozess. Das Skelett allein reicht daher nicht. Es bedarf der Muskeln oder Sehnen, um es beweglich zu halten. Was sich paradox anhört, gehört zusammen: Ohne Flexibilität gibt es keine Verlässlichkeit! Wer es sich mit dem Arbeiten nach Dienstplänen leichter machen möchte, sollte für Überraschungen und Abweichungen auch im Dienstplanverlauf offen sein. Für viele Pflegekräfte ist es Teil des selbstgewählten Berufes, bei der Arbeitszeitgestaltung flexibel zu reagieren. Für die anvertrauten Menschen dann, wenn es darauf ankommt, flexibler zu sein als gewohnt, kann dem Gefühl, gebraucht zu werden, nachhaltig positive Schübe verleihen. Wer hat nicht schon einmal erlebt, wie befriedigend es sein kann, kritische Situationen durch erhöhte Anstrengung zu meistern? Elektronisches Zusatzmaterial Dieses Kapitel (https://doi.org/10.1007/978-3-658-22581-0_5) enthält Dateien, die mit der kostenfreien Springer Nature More Media App aus dem IOS- und Android-Store downloadbar sind. Dazu einfach die Abbildungen, die das App-Logo tragen, scannen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Herrmann, C. Woodruff, Dienstplanung im stationären Pf legedienst, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22581-0_5

215

2165  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

5.1.1.1 Nichtplanbare, aber vorstrukturierbare Ereignisse Allerdings ist es fraglich, ob diese Flexibilitätsbereitschaft auch dann erwartet werden kann, wenn im Grunde planbare Ereignisse zu Dienstplanänderungen führen. Dazu gehört – auch das ist auf den ersten Blick paradox – insbesondere der Umgang mit krankheitsbedingten Ausfallzeiten. Sie treten ja überwiegend unvorhergesehen auf. Niemand wird erwarten können, dass eine extreme Welle grippaler Infekte, wie sie oft, aber nicht immer im Februar oder März eines Jahres durch das Land zieht, bei der Dienstplanung zu berücksichtigen ist. An solchen Tagen wird immer kurzfristig reagiert werden müssen. Doch dass bereits der übliche, in großen Einheiten durchaus berechenbare Krankheitsanfall immer zu hektischen Dienstplanumbauten führen muss, ist deutlich weniger nachvollziehbar. Zwar sind auch diese Krankheitstage der Mitarbeiter überwiegend nicht planbar. Niemand kann prognostizieren, wer demnächst wie lange erkranken wird. Doch dies ist auch gar nicht erforderlich: Es reicht zur Klärung des Handlungsbedarfs vollkommen aus, zu wissen, wie viele Mitarbeiter durchschnittlich erkranken oder anderweitig kurzfristig ausfallen werden. Ist diese Wahrscheinlichkeit kalkulierbar, ist auch eine Vertretung organisierbar. Und um diese Vertretung geht es ja, will man Aktionen wie das Einspringen aus dem Frei weitestmöglich vermeiden. Auf Basis von Krankheitseintrittswahrscheinlichkeiten eine Ausfallzeitenvertretung im Dienstplan fest vorzusehen, wird in dem Maße notwendiger, in dem die Bereitschaft der Mitarbeiter, kurzfristig einzuspringen, sinkt. Diese Bereitschaft ist in den letzten Jahren deutlich gesunken. Das erleben wir in fast allen Häusern. Es muss daher mit grundsätzlich kalkulierbaren Ausfallwahrscheinlichkeiten intelligenter umgegangen werden. Aus dieser Perspektive sollten Formen von aus Mitarbeitersicht unbeliebter Flexibilität bei der Arbeitszeit auf solche Fälle begrenzt werden, deren Bedarf beim besten Willen nicht absehbar ist – etwa die schon erwähnte „Grippe-Welle“. 5.1.1.2 Die drei Planbarkeitsstufen Die zu bewältigende Aufgabenstellung kann daher so gefasst werden: Die Dienstpläne sollen so stabil wie möglich gehalten werden. Flexibilität ist erforderlich, um Dienstpläne stabil zu halten. Die Änderung von Dienstplänen soll aber auf das notwendige Maß begrenzt werden. Für die Dienstplanung heißt dies: 1. Alles Planbare soll im Dienstplan berücksichtigt werden. Dazu zählen zum Beispiel die Urlaubszeiten, aber auch langfristig planbare Fortbildungen. Auch der Freizeitausgleich für Feiertagsarbeit gehört dazu, denn auch er ist natürlich planbar. Circa 75 bis 80 Prozent der Ausfallzeiten sind in der Regel planbar. Daher ist eine verlässliche Dienstplanung darauf angewiesen, diesen Teil der Ausfallzeiten auch tatsächlich personaleinsatztechnisch zu organisieren (Abschn. 5.1.2). 2. Die nicht planbaren Ereignisse sollten, so gut es geht, planbar gemacht werden, indem auf der Basis der Eintrittswahrscheinlichkeit der Ereignisse im Dienstplan entsprechende personaleinsatzorganisatorische Vorkehrungen für deren Eintritt getroffen werden. Dazu gehört vor allem das systematische Ausfallzeitenmanagement. Damit können wir dieses zugleich definieren: Systematisches Ausfallzeitenmanagement bezeichnet die Fähigkeit, unerwünschte Folgen nicht planbarer Personalausfälle und/

5.1  Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

217

oder Erhöhungen des Arbeitsbedarfs durch Vorstrukturierung ihres möglichen Eintritts zu vermeiden. Nicht planbare, aber durchaus strukturierbare Ereignisse sind auch Schwankungen des Arbeitsaufkommens, weil die Belegung beziehungsweise die Betreuungsbedarfe schwanken: Sie sind nicht vorhersehbar, doch lässt sich die Häufigkeit ihres Auftretens eben doch anhand von Erfahrungen der Vergangenheit für die Zukunft bestimmen. Wie diese Flexibilitätsanforderungen in Dienstplänen mittels Flexi-Spielregeln zu bewältigen sind, darum wird es in Kap. 6 gehen. 3. Für alle nicht planbaren Ereignisse, die sich einer systematischen personaleinsatzorganisatorischen Lösung weitgehend entziehen, müssen Spielregeln vereinbart werden, um die erforderliche kurzfristige Flexibilität organisieren zu können. Ebenso muss es im Sinne eines gegenseitigen Gebens und Nehmens möglich sein, mitarbeiterseitige kurzfristige Belange zu berücksichtigen. Zunächst ist es daher wichtig, die obige zweite Kategorie bei der Konzipierung neuer Dienstpläne genauer zu betrachten. Denn wer sie nicht kennt, für den ist alles entweder planbar oder aber unkalkulierbar flexibel. Die drei Ereignisarten – planbare, strukturierbar-unplanbare sowie nicht planbare – können nun den drei Phasen des Dienstplanprozesses zugeordnet werden.

5.1.1.3 Soll-Dienstplanung Planbare und strukturierbar-unplanbare Ereignisse werden weitestmöglich schon bei der Dienstplanung selbst berücksichtigt. Also ist ein systematisches Ausfallzeitenmanagement schon in die Dienstplanung zu integrieren. Im Abschn. 3.4.3 haben wir gezeigt, wie – je nach Dienstplanverfahren – planbare Ausfallzeiten in Dienstpläne integriert werden. Die erste Phase der Dienstplanung wird als Soll-Dienstplanung bezeichnet. Die Soll-Dienstplanung endet mit dem Zeitpunkt, an dem der Dienstplan fertiggestellt und von der Führungskraft sowie der Mitarbeitervertretung genehmigt wurde. Dieser Zeitpunkt liegt vor dem Beginn des Dienstplanzeitraums, der in der Praxis meist mit sechs bis einer Woche Vorlauf erfolgt. Häufig wird für die erste Dienstplanphase anstelle des Begriffs SollDienstplanung auch der Begriff „verbindlicher Dienstplan“ verwendet – eine irreführende Bezeichnung, die suggeriert, dass anschließende Veränderungen quasi „unverbindlich“ oder gar unzulässig seien, einer erneuten umfänglichen Mitbestimmung bedürften usw. Umso verwunderlicher ist es im Übrigen, wenn ein so benannter Dienstplan dann ja doch ständig geändert wird, was in der Praxis gang und gäbe ist. Wird mit Grund- oder Rahmendienstplänen gearbeitet, kann die Soll-Dienstplanung in zwei Stufen erfolgen: Neben der Grund- oder Rahmendienstplanung erfolgt eine monatliche Feinplanung, bei der planbare und strukturierbar-nicht-planbare Ereignisse, die sich zwischenzeitlich und abweichend von der Grund- oder Rahmendienstplanung ergeben haben, in den Soll-Dienstplan eingepflegt werden. 5.1.1.4 Ist-Dienstplanung Strukturierbar-nicht-planbare Ereignisse werden weitestmöglich in der zweiten Phase des Dienstplanprozesses in den Dienstplan integriert. Teilweise werden auch planbare

2185  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Ereignisse berücksichtigt, die bei der Soll-Dienstplanung noch nicht bekannt waren. Es werden zum Beispiel längere krankheitsbedingte Ausfälle in die Ist-Dienstplanung eingearbeitet. In der Ist-Dienstplanung werden mithin Änderungen am Soll-Dienstplan vorgenommen. Diese Ist-Dienstplanung beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die SollDienstplanung abgeschlossen wurde. Sie endet mit dem Ende des Dienstplanzyklus – bei Monatsdienstplanung also am letzten Tag des laufenden Monats. Im PEP-System wird die Ist-Dienstplanung meist in einer gesonderten Dienstplanspalte festgehalten, um die Abweichungen von der ursprünglichen Dienstplanung (der Soll-Dienstplanung) nachvollziehen zu können. Diese Trennung zwischen Soll- und IstDienstplanung dient • erstens dazu, Dienstplanänderungen im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung transparent zu machen, • zweitens kann sie Auswirkungen auf die zeitliche Anrechnung von Ausfallzeiten haben (Abschn. 5.6) und • drittens ist sie für das betriebliche Arbeitszeit-Controlling (Kap. 7) von Interesse, indem eine Kennzahl für die Beurteilung der Dienstplanqualität darin bestehen kann, wie oft (und aus welchem Grund) der ursprüngliche Dienstplan geändert wurde.

5.1.1.5 Abweichung vom Dienstplan Ganz kurzfristige nicht planbare Ereignisse, die bei der Dienstplanung – auch der IstDienstplanung –nicht mehr berücksichtigt werden können, führen zu Abweichungen vom Dienstplan. Dies kann folgende Veränderungen auslösen: • Ein eingeteilter Dienst muss verlängert oder verkürzt werden. • Es muss ein zusätzlicher Dienst eingeteilt (Einspringen aus dem Frei) oder ein eingeteilter Dienst abgesagt werden. • Die Dienstlage muss verändert werden (von Früh- auf Spätdienst oder anderes). Gemeinsames Kennzeichen dieser Ereignisse ist es, dass sie Veränderungen oft erst am Tag des eingeteilten Dienstes selbst auslösen. Häufigkeit und Umfang der Änderungen in dieser dritten Phase im Dienstplanprozess sollten aber auf ein unvermeidliches Maß reduziert werden. Wir kommen darauf in Kap. 6 zurück. Verlängerungen und Verkürzungen von den jeweils festgelegten Diensten werden im PEP-System in der Regel in einer gesonderten – dritten –Dienstplanspalte festgehalten; ihre Erfassung erfolgt nachträglich, da der Dienstplan definitionsgemäß zuvor nicht mehr geändert werden konnte.

5.1.1.6 Überblick über die nächsten Abschnitte Zunächst geht es nun darum, wie man planbare Ausfallzeiten tatsächlich plant (Abschn. 5.1.2). Hinsichtlich der strukturierbar-nicht-planbaren Ausfallzeiten beginnen wir anschließend mit der Analyse des Ist-Zustandes (Abschn. 5.1.3), ermitteln den

5.1  Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

219

Vertretungsbedarf (Abschn. 5.1.5) und führen dann die wichtigsten Instrumente eines systematischen Ausfallzeitenmanagements ein (Abschn. 5.1.4).

5.1.2 Urlaub und andere planbare Ausfallzeiten in Dienstplänen berücksichtigen Die wichtigsten planbaren Ausfallzeiten sind aufgrund ihres Volumens in der Regel der Urlaub und der in den meisten Tarifverträgen in der Pflege vorgesehene Vorwegabzug für Feiertage. Teilweise längerfristig vorhersehbar sind auch Fortbildungen und absehbare Freistellungen auf Basis tarifvertraglicher Freistellungsansprüche – etwa aufgrund einer bevorstehenden Hochzeit oder eines Dienstjubiläums.

5.1.2.1 Allgemeines zum Urlaub Der Urlaubsanspruch ist – rechtlich gesprochen – ein Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, der auf die ganztägige Befreiung von einer tatsächlich bestehenden Arbeitspflicht gerichtet ist. Oberster – und vielfach nicht mehr präsenter – Grundsatz des Urlaubsrechts ist es, dass der Arbeitgeber die Lage des Urlaubs seiner Mitarbeiter bestimmt. Dabei hat der Arbeitgeber die Urlaubswünsche seiner Mitarbeiter zu berücksichtigen und darf von diesem Gebot aus dringenden betrieblichen Belangen abweichen. Solche betrieblichen Belange können zum Beispiel vorhersehbare saisonale Schwankungen des Arbeitsanfalls oder schlicht die Einhaltung einer vorgegebenen Urlaubsquote, die zur Sicherstellung des Betriebs erforderlich ist, sein. Der Arbeitgeber muss für den Fall, dass mehr Mitarbeiter in einem bestimmten Zeitraum Urlaub nehmen möchten, als dies realisierbar ist, eine soziale Auswahl vornehmen. Der Urlaub ist gemäß Bundesurlaubsgesetz zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, dass dringende betriebliche oder in der Person des Mitarbeiters liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, so muss einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen, sofern ein entsprechender Urlaubsanspruch in dieser Höhe besteht (§ 7 Abs. 2 Bundesurlaubsgesetz). Dabei ist wichtig, dass auch ein Samstag als Werktag gilt – es müssen also mindestens einmal zwei Wochen Urlaub „am Stück“ genommen werden. Die Grundsätze der Urlaubsgewährung sind mitbestimmungspflichtig. Zudem hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung des Urlaubs, sofern sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht auf die Lage des Urlaubs einigen können. (§ 87 Abs. 1 Ziff. 5 Betriebsverfassungsgesetz) 5.1.2.2 Anzahl der gleichzeitig Urlaub nehmenden Mitarbeiter: Die Urlaubsquote Es sollte eine Anzahl an Mitarbeitern vereinbart werden, die gleichzeitig Urlaub nehmen dürfen – und müssen. Andernfalls erhält man ein Ergebnis wie das aus Abb. 5.1. Hier

2205  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Abb. 5.1  Abwesenheitsplanung für ein Jahr im Voraus in einer Intensivstation

wurde von den Mitarbeitern einer Intensivstation beklagt, dass die Dienstfolgen in den Sommermonaten zu dicht sind – also zu viele Dienste in Folge und zu wenig arbeitsfreie Tage eingeteilt wurden. Anstelle der von den Beteiligten vermuteten zu knappen Personalkapazität (die ja als vermeintlich „Schuldige“ häufig zuerst identifiziert wird) genügte ein Blick auf die Urlaubsplanung, um das personaleinsatzorganisatorische Problem zu erkennen: Die Anzahl der Urlauber war in der Sommerzeit zu hoch – mit der logischen Konsequenz, dass bei gleichbleibendem Besetzungsbedarf die verbliebenen Mitarbeiter belastende Dienstfolgen „ertragen“ mussten. Das untere Bild in dieser Abbildung zeigt die Urlaubsplanung nach erfolgter Korrektur. Eine Regel für Urlaubsquoten könnte zum Beispiel lauten: Maximal dürfen x Mitarbeiter mehr parallel Urlaub planen, als durchschnittlich urlaubsbedingt abwesend sein müssten. Das vorgenannte „x“ sollte in der Regel die Hälfte des Durchschnitts nicht übersteigen. Andernfalls sind vernünftige Dienstplanrhythmen der verbleibenden Mitarbeiter nur zu gewährleisten, wenn mit Urlaubsaushilfen oder Leiharbeitnehmern gearbeitet wird. Oder Teilzeitmitarbeiter müssten in der Haupturlaubszeit entsprechend verdichtet arbeiten. Selbst wenn sie dazu bereit wären: Diese Verdichtung kann dazu führen, dass der bedarfsgerechte Einsatz der Teilzeitmitarbeiter leidet – etwa dann, wenn sie für lange

5.1  Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

221

und häufige Urlaubsvertretungsdienste auf ansonsten bedarfsgerecht erforderliche kurze Dienste verzichten müssen. Um eine zu hohe „Dienstplanverdichtung“ in Haupturlaubszeiten zu vermeiden, muss daher die Urlaubsnahme verstetigt werden. Für die Berechnung der maximalen Anzahl der zeitgleich Urlaub nehmenden Mitarbeiter bietet sich (hier: bei durchschnittlicher 5-TageWoche) folgende Formel an:

(Gesamturlaubsanspruch des Teams ) / (250 Tage) x 125%

5.1.2.3 Arbeitshilfen für die Abwesenheitsplanung (Tools E und F) Mit Hilfe des kleinen Tools E lässt sich die maximale Urlaubsquote einfach je Arbeitsbereich berechnen. Einen Auszug aus dem Tool zeigt Abb. 5.2. ▶▶

Tool E – Berechnung der Urlaubsquote

Bei saisonal planbar schwankendem Besetzungsbedarf kann die Urlaubsquote auch im Jahresverlauf variiert werden. Dazu müssen zunächst die planbaren saisonalen Einflussfaktoren auf die höchstmögliche Abwesenheitsquote bestimmt werden:

Abb. 5.2  Tool E (Auszug) – Berechnung der Urlaubsquote (Tool mit Springer Nature More Media App ansehen)

2225  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

• Schwankungen des Arbeitsaufkommens: Schwankt die Belegung im Jahresverlauf, so kann dies bei der Urlaubsquote berücksichtigt werden. Wenn etwa ein „Sommerloch“ besteht, kann die Urlaubsquote während dieser Zeit erhöht werden. • Personalverfügbarkeit: Hier gibt es zwei Konstellationen: Erstens kann die Verfügbarkeit bestimmter Mitarbeiter zu bestimmten Zeiten eingeschränkt sein – insbesondere sind die Praxiseinsätze von (fortgeschrittenen) Schülern im Jahresverlauf in der Regel ungleich verteilt (Abschn. 3.8). Zweitens kann zu bestimmten Zeiten auf externe Mitarbeiter zurückgegriffen werden – etwa Saisonaushilfskräfte, dann kann die Urlaubsquote in diesen Zeitspannen entsprechend erhöht werden. Abb. 5.3, 5.4 und 5.5 zeigen beispielhaft die Effekte saisonal planbarer Schwankungen des Besetzungsbedarfs auf die höchstzulässigen Urlaubsquoten. In dem Beispiel sinkt die Belegung in den Sommermonaten durchschnittlich um circa 10 Prozent. Zugleich schwankt die Verfügbarkeit der im fortgeschrittenen Praxiseinsatz befindlichen Pflegeschüler im Jahresverlauf. Aus beiden Effekten zusammen ergibt sich eine entsprechend jahresbezogen variierte Urlaubsquote. Zunächst wird die saisonale Belegungsschwankung ermittelt (Abb. 5.3). Dann wird die Schwankung der Praxiseinsätze fortgeschrittener Schüler festgehalten (Abb. 5.4). Aus beiden Schwankungsgrößen werden die maximalen Urlaubsquoten ermittelt (Abb. 5.5). Im Durchschnitt sollen circa 20 Prozent gelten, was wiederum circa 50 Prozent oberhalb des Durchschnittsurlaubs liegt, wenn dieser inklusive der Zusatzurlaubsansprüche 13,5 Prozent beträgt. Von diesem Wert werden aufgrund der Belegungsplanung und der Schülerverfügbarkeit die saisonalen Urlaubsquoten abgeleitet.

Abb. 5.3  Saisonale Belegungsschwankungen

5.1  Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

223

Abb. 5.4  Schwankungen der Praxiseinsätze von Schülern

Mit Hilfe des Tools F lässt sich die Abwesenheitsplanung überprüfen; Abb. 5.6 zeigt daraus ein Beispiel. Hier zeigt sich, ob die vorgegebenen Abwesenheitsquoten eingehalten oder an einigen Tagen überschritten werden. ▶▶

Tool F: Jahresbezogene Abwesenheitsplanung

Abb. 5.5  Resultierende maximale Urlaubsquoten aus den beiden vorstehenden Abbildungen

2245  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Abb. 5.6  Tool F (Auszug) – Jahresbezogene Abwesenheitsplanung (Tool mit Springer Nature More Media App ansehen)

5.1.2.4 Planungsvorlauf und Vollständigkeit der Urlaubsplanung In der Praxis hat es sich bewährt, den gesamten Jahresurlaub im betreffenden Kalenderjahr zu verbrauchen – gegebenenfalls inklusive erwarteter Zusatzurlaubsansprüche aus Schichtund Wechselschichtarbeit. Das Urlaubsjahr ist grundsätzlich das Kalenderjahr. Diese Festlegung dient dem Erholungszweck des Urlaubs. Wichtigste Ausnahme von dieser Regel sind Krankheitszeiten, sofern sie eine (vollständige) Urlaubsnahme unmöglich machen. Es gibt eine verbreitete Gewohnheit vieler Mitarbeiter, einige Urlaubstage in der „Hinterhand“ zu behalten. Dies führt jedoch lediglich dazu, dass die Zahl jener Urlaubstage, die aus dem Vorjahr übernommen werden, auch jener entspricht, die wiederum in das Folgejahr übertragen wird. Ein Mehr an Urlaubstagen entsteht dadurch nur im allerletzten Berufsjahr, indem dann der letzte Übertrag aufgebraucht werden muss. Die Folgen dieser „Verschieberei“ des Urlaubs sind zum einen entsprechende buchhalterische Rückstellungen. Zum anderen muss der Dienstplan häufiger urlaubsbedingt geändert werden. Andererseits ist es im Mitarbeiterinteresse nachvollziehbar, wenn ein kleines Urlaubskontingent erst im Laufe des Kalenderjahres in Anspruch genommen wird – für etwaige, sich erst im Laufe des Jahres ergebende Urlaubswünsche. Diese verbleibenden Urlaubstage müssen dann nur ebenfalls im Kalenderjahr tatsächlich verbraucht werden.

5.1  Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

225

In der Regel haben sich bezüglich Vorlauf und Vollständigkeit der Urlaubsplanung folgende Grundsätze bewährt: • Vollständigkeit: Der Jahresurlaub (inklusive erwarteter Zusatzurlaubsansprüche) sollte zu mindestens 90 Prozent bis zum 15.11. des Vorjahres beantragt werden. Die verbleibenden 10 Prozent des Urlaubs müssen im Laufe des Kalenderjahres verplant werden, sollten aber bis spätestens zum 31.08. beantragt sein. Hierzu sollten sie jeweils rechtzeitig vor der Monatsplanung beziehungsweise (bei Grund- und Rahmendienstplänen) der Monatsfeinplanung bekannt gemacht und genehmigt worden sein. Es wird der gesamte Jahresurlaubsanspruch des Mitarbeiters innerhalb eines Kalenderjahres gewährt. Dieser ist vom Mitarbeiter auch im laufenden Kalenderjahr zu nehmen, sofern nicht krankheitsbedingte Verschiebungen erforderlich sind. • Urlaubsquoten: Der Dienstplanverantwortliche legt in Abhängigkeit von der Bedarfssituation – gegebenenfalls saisonal variierende – maximale und – damit der Urlaub auch wirklich abfließt – minimale Urlaubsquoten fest. • Genehmigungsfrist: Die Genehmigung des Urlaubs erfolgt spätestens zum 1.12. des Vorjahres, sofern die (ggf. saisonal variierte) Urlaubsquote eingehalten ist und Urlaubswünsche anderer Mitarbeiter, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, nicht entgegenstehen. Solche Konfliktfälle werden mit dem Betriebsrat (beziehungsweise Personalrat oder Mitarbeitervertretung) bis zum oben genannten Termin besprochen. Mitarbeiter, die schulpflichtige Kinder haben, erhalten den Jahresurlaub vorrangig während der Schulferien, aber nicht immer in den Sommerferien. Den Schulferien gleichgestellt werden etwaige Schließzeiten von Kindergärten. Mitarbeiter mit schulpflichtigen Kindern, die in einem Kalenderjahr während der Sommerferien keinen Urlaub nehmen konnten, haben im folgenden Kalenderjahr Vorrang vor den Urlaubswünschen vergleichbarer Mitarbeiter. • PEP-System: Urlaube und sonstige planbare Ausfallzeiten werden vom Arbeitgeber im PEP-System eingetragen. • Änderungen: Ein aufgestellter Urlaubsplan kann nur einvernehmlich (oder allenfalls bei definierten gravierenden betrieblichen Störungen) abgeändert werden. Dem Wunsch nach Verschiebung bereits genehmigten Urlaubs innerhalb des Kalenderjahres wird entsprochen, soweit dem keine betrieblichen Belange entgegenstehen. Ein einvernehmlicher Tausch von Urlaubstagen ist bei Einhaltung der qualifikatorischen Anforderungen jederzeit nach Information der Dienstplanverantwortlichen möglich, wie es auch bei Diensttauschen der Fall ist; Abschn. 4.5.

5.1.2.5 Urlaub am Wochenende Urlaub muss an Tagen genommen werden, die mit der anteiligen Vertragsarbeitszeit belegt sind; siehe dazu Abschn. 5.6. An dieser Stelle dazu nur so viel: Die Grundverteilung der Vertragsarbeitszeit in Form der anteiligen Vertragsarbeitszeit, die oft als „Sollarbeitszeit“ bezeichnet wird, ist die Grundlage für die Verrechnung von Ausfallzeiten und für die Saldierung der Arbeitszeiten im Zeitkonto (Abschn. 6.2). In der Regel wird in Pflege- und

2265  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Betreuungseinrichtungen sowie in Krankenhäusern die Vertragsarbeitszeit zu je einem Fünftel auf die Arbeitstage Montag bis Freitag verteilt. Sie beträgt an den anderen Tagen 0 Stunden – unabhängig davon, dass in der Pflege auch an den Tagen Samstag, Sonntag und an Feiertagen gearbeitet wird. Es kann aber einzelvertraglich eine andere Grundverteilung vereinbart worden sein. Etwa kann bei einer Teilzeitkraft mit einer Vertragsarbeitszeit von 21 Stunden pro Woche, die nur an den Tagen Montag, Mittwoch und Donnerstag eingesetzt wird, vereinbart worden sein, dass ihre anteilige Vertragsarbeitszeit an den genannten Wochentagen jeweils sieben Stunden beträgt, an den anderen Tagen 0 Stunden. In diesem Fall muss auch der Urlaubsanspruch umgerechnet werden: Aus zum Beispiel 30 Tagen Urlaubsanspruch werden dann (30 Tage Urlaubsanspruch/5 Tage-Woche im „Normalfall“ * 3-Tage-Woche im konkreten Fall =) 18 Urlaubstage, denn der Urlaub wird nur an Tagen genommen, der mit anteiliger Vertragsarbeitszeit belegt wird. Weil die üblichen Betriebstage (Montag bis Sonntag) und die Urlaubstage (Montag bis Freitag; beziehungsweise je nach einzelvertraglicher Regelung abweichend hiervon) auseinanderfallen, stellt sich die Frage, wie mit den nicht mit Urlaub zu belegenden Tagen, die an Urlaubstage angrenzen, umzugehen ist – bei Verteilung der Urlaubstage auf die Tage Montag bis Freitag also mit den Wochenenden. Sie stünden, wenn nicht gesonderte Regelungen getroffen werden, ja möglicherweise als Arbeitstage zur Verfügung, die dienstplanmäßig entsprechend verplant werden können. Bei Wochenenden, die von Urlaubstagen umschlossen sind, ist dies trivial: sie gehören zur Urlaubszeit. Niemand käme auf die Idee, Mitarbeiter an solchen Tagen zum Dienst einzuteilen. Anders ist dies bei Wochenenden, die am Beginn oder am Ende des Urlaubs liegen. Insbesondere stellt sich diese Frage, wenn nur einzelne Urlaubstage genommen werden – etwa an einem Freitag. Dies kommt ja vor, auch wenn Urlaub grundsätzlich zusammenhängend in Anspruch zu nehmen ist; zumindest bei Resturlaubstagen ist es ja auch nicht zu vermeiden. Und generell besteht ein Trend zu kürzeren, dafür häufigeren Urlauben von einer oder zwei Wochen. In diesen Fällen ist es hilfreich, innerbetrieblich Regelungen zu treffen, wie mit an die Urlaubstage angrenzenden Wochentagen umzugehen ist. Viele Urlaubsreisen reichen beispielsweise von Samstag bis Samstag, so dass es wichtig ist, diese Tage verbindlich arbeitsfrei zu haben. Empfehlenswert sind folgende Regelungen: • ein freies Wochenende: Der Mitarbeiter kann ab fünf zusammenhängenden Urlaubstagen ein Wochenende definieren, an dem er geplant definitiv frei hat. Das Wochenende kann unmittelbar vor oder nach oder innerhalb des Urlaubs liegen. Diese Tage werden im Dienstplan gesondert gekennzeichnet. • Beide Wochenenden frei: An einem Urlaubsblock („Haupturlaub“) des Mitarbeiters pro Kalenderjahr wird der Mitarbeiter sowohl für das Wochenende davor als für das Wochenende danach verbindlich arbeitsfrei geplant. • Zusätzliche arbeitsfreie Tage: Darüber hinausgehende dienstplanmäßig arbeitsfreie Tage in Verbindung mit Urlaub genehmigt die Führungskraft, sofern sie mit dem betrieblichen Bedarf und den Freizeitinteressen der Kollegen nicht kollidieren.

5.1  Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

227

Abb. 5.7  Integration der Wochenenden in die Urlaubsplanung

Ein Beispiel für eine Regelung in einem Krankenhaus zeigt Abb. 5.7. In diesem Fall werden dienstplanmäßig verbindliche arbeitsfreie Tage in Zusammenhang mit Urlaub als „UWE“ (für: Urlaub am Wochenende) im PEP-System hinterlegt.

5.1.2.6 Urlaub bei unterjähriger Verringerung des Wochenfaktors Etwas komplizierter ist es, wenn der Urlaubtageanspruch sich innerhalb des Kalenderjahres ändert, weil sich die Anzahl der Arbeitstage ändert. Hier hat das Bundesarbeitsgericht zuletzt wegen abweichender Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) seine bisherige Rechtsprechung geändert. „Kann ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer vor seinem Wechsel in eine Teilzeittätigkeit mit weniger Wochenarbeitstagen Urlaub nicht nehmen, darf … die Zahl der Tage des bezahlten Jahresurlaubs wegen des Übergangs in eine Teilzeitbeschäftigung nicht verhältnismäßig gekürzt werden … Der Kläger wechselte … in eine Teilzeittätigkeit und arbeitete nicht mehr an fünf, sondern nur noch an vier Tagen in der Woche. Während seiner Vollzeittätigkeit … hatte er keinen Urlaub. Die Beklagte hat gemeint, dem Kläger stünden angesichts des tariflichen Anspruchs von 30 Urlaubstagen bei einer Fünftagewoche nach seinem Wechsel in die Teilzeittätigkeit … nur die 24 von ihr gewährten Urlaubstage zu … Der Kläger hat die Ansicht vertreten, … , … dass er … Anspruch auf 27 Urlaubstage habe (für das erste Halbjahr die Hälfte von 30 Urlaubstagen, somit 15 Urlaubstage, zuzüglich der von ihm für das zweite Halbjahr verlangten zwölf Urlaubstage) … Zwar regelt § 26 Abs. 1 TVöD u. a., dass sich der für die Fünftagewoche festgelegte Erholungsurlaub nach einer Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf weniger als fünf Tage in der Woche vermindert. Die

2285  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Tarifnorm ist jedoch wegen Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitkräften unwirksam, soweit sie die Zahl der während der Vollzeittätigkeit erworbenen Urlaubstage mindert“ [1]. Rechnerisch korrekt wäre in diesem Fall ja in der Tat gewesen: 30 Urlaubstage × ½ Jahr × 5/5 Tage + 30 Urlaubstage × ½ Jahr × 4/5 Tage = 27 Urlaubstage. Wird diese Rechtsprechung bezüglich des zum Zeitpunkt des Wechsels des Wochenfaktors noch nicht genommenen Urlaubs beibehalten, kann das natürlich – wie das Bundesarbeitsgericht in der Urteilsbegründung selbst bemängelte – zu problematischen Ergebnissen führen. Wenn ein Mitarbeiter, ohne Urlaub genommen zu haben, von einer Fünftagewoche in eine Zweitagewoche wechselt, hat er dann 30 Tage/2 Tage = 15 Wochen Urlaub? Daraus kann, solange diese widersinnige Rechtsprechung besteht, nur die Empfehlung abgeleitet werden, bei unterjährigem Wechsel des Wochenfaktors die Urlaubsnahme weitestmöglich proportional auf die jeweiligen Wochenfaktor-Phasen zu verteilen. Einfacher ist es, wenn auf eine Veränderung des Wochenfaktors im Zusammenhang mit der Veränderung der Vertragsarbeitszeit verzichtet wird. Wird – unabhängig vom tatsächlichen Einsatz des Mitarbeiters – einfach die Fünftelungsregel beibehalten, nach der an jedem Tag Montag bis Freitag Urlaub einzusetzen ist, verändert sich der Urlaubstageanspruch bei Veränderung der Vertragsarbeitszeit nicht.

5.1.3 Vorhandende Ausfallzeiteninstrumente bewerten 5.1.3.1 Kompensieren oder nicht? Das ist hier die Frage Beim Umgang mit nicht planbaren Ausfallzeiten wird in vielen Häusern noch improvisiert. Oft wird mit einem Sammelsurium von Maßnahmen versucht, Ausfälle zu bewältigen. In irgendeiner Form wird ja immer auf Ausfälle reagiert. Auch die Nichtreaktion auf Ausfälle ist eine Form des Umgangs mit Ausfallzeiten. Einige der Maßnahmen haben sich bewährt, einige nicht. Oft fehlen klare Regelungen. Die Beteiligten sind verunsichert darüber, was sie dürfen, sollen oder müssen. Nicht über alles aber, was im Umgang mit Ausfallzeiten praktiziert wird, sollte leichtfertig der Stab gebrochen werden. Zum Beispiel gibt es immer noch Mitarbeiter, die bereit sind, aus dem Frei einzuspringen und dies als Teil ihres Berufsverständnisses sehen oder sogar die damit verbundene Wertschätzung durch Führungskräfte und Kollegen genießen – in allerdings rückläufiger Zahl (siehe Abschn. 1.2.2). Andererseits beklagen viele Beteiligte häufige Dienstplanänderungen infolge unkoordinierter Ausfallzeitenvertretung. Häufig ziehen diesbezüglich Änderungen des Dienstplanes durch entsprechende „Umbauten“ weitere Änderungen nach sich. Nicht selten führt eine einzige ausfallzeitenbedingte Dienstplananpassung zu drei bis vier weiteren Änderungen im Dienstplan für andere Mitarbeiter. Wenn neue Instrumente zum Ausfallzeitenmanagement entwickelt werden, sollte daher am Anfang eine möglichst unvoreingenommene Inventur des Bestehenden stehen.

5.1  Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

229

Hinsichtlich des Umgangs mit Ausfallzeiten sind zwei Grundkonstellationen zu unterscheiden: 1. Ausfälle werden nicht kompensiert. Zum Beispiel wird ein Frühdienst, der krankheitsbedingt ausfällt, nicht nachbesetzt. Es verbleiben mehrere Kollegen im Frühdienst, die dann die Arbeit des ausfallenden Kollegen mitübernehmen. Bei dieser Konstellation stellt sich die Frage, ob und, wenn ja, in welcher Form die Kollegen dann Handlungshinweise für ihre Aufgabenerledigung erhalten haben – schließlich reißt der Krankheitsausfall ja in kleinen personellen Einheiten, selbst in den im Vergleich zu den anderen Diensten am stärksten besetzten Frühdiensten, größere Lücken: Bei einer Soll-Besetzung von vier Pflegekräften beispielsweise müssen die verbleibenden drei Kollegen, wenn sich am Arbeitsanfall nichts ändert, rechnerisch im Durchschnitt jeweils 33 Prozent mehr leisten. Bei einer Soll-Besetzung von drei sind es sogar schon 50 Prozent und so weiter. Gibt es für diese Situationen Richtlinien, welche Tätigkeiten entfallen oder verschoben werden können? Den systematischen Umgang mit Personalausfall ohne eine Vertretung des Ausfallenden werden wir später unter dem Begriff Service- und Leistungsflexibilität thematisieren (Abschn. 5.2). 2. Ausfälle werden durch Vertretung kompensiert – entweder durch Kollegen anderer Arbeitsbereiche (Einsatzflexibilität, Abschn. 5.4) oder durch Einspringen aus dem Frei oder eine Verschiebung von Dienstlagen, etwa von Früh- auf Spätdienst (Arbeitszeitflexibilität, Abschn. 5.3).

5.1.3.2 Ausgangsfragen zur Ist-Analyse Für eine objektivierte Bewertung des bisherigen Umgangs mit nicht planbaren Ausfallzeiten sind folgende Fragen von Interesse: • Wie hoch ist der Anteil der nicht planbaren Ausfallzeiten, die gar nicht vertreten werden – die also unter den obigen Punkt 1 fallen? Welche Instrumente wurden bisher für die Vertretung von Ausfallzeiten genutzt – und mit welchen Effekten für die Erreichung des Ziels eines guten Ausfallzeitenmanagements? Nach welchen Indikatoren erfolgte der Einsatz? • Wie oft und in welcher Verteilung über die Mitarbeiter wurde davon Gebrauch gemacht, Mitarbeiter aus arbeitsfreien Tagen zum Dienst abzurufen? Da dieser Abruf üblicherweise auf freiwilliger Basis erfolgt, ist die entsprechende Verteilung ja meist sehr ungleich. Oftmals werden immer die gleichen Mitarbeiter abgerufen: die Willigen oder die Teilzeitmitarbeiter mit viel „Dienstplanluft“. Wie bewerten gerade die Mitarbeiter, die häufig abgerufen werden, dieses Instrument? • Mit welchem zeitlichen Vorlauf erfolgen Dienstplanänderungen aufgrund von nicht planbaren Ausfallzeiten? Nicht alle Ausfallzeiten, die bei der Dienstplanung unvorhersehbar sind, fallen ja kurzfristig an. Während der erste und zweite Krankheitstag zu einem kurzfristigen Umbau des Dienstplans führt, lassen sich längere Krankheitszeiten mit größerem Vorlauf einplanen.

2305  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

• Wie hoch sind die krankheitsbedingten Ausfallzeiten und wie verteilen sie sich typischerweise im Jahresverlauf? • In welchem Umfang und nach welchen Regeln wird Einsatzflexibilität – also die stations-/wohnbereichsübergreifende Vertretung von Mitarbeitern – bereits praktiziert? • Werden bei der Dienstplanung Reserven für die Ausfallzeitenvertretung in Höhe der dafür bei der Stellenplanung vorgesehenen Stellen- und damit Arbeitszeitanteile berücksichtigt? Oder entstehen durch das gegenwärtige Ausfallzeitenmanagement zusätzliche Kosten? Wenn ja: warum und in welcher Höhe? Diese Fragen wollen wir nun anhand von Beispielen näher betrachten.

5.1.3.3 Bisheriger Umfang der Vertretung und Nutzung der Ausfallzeiteninstrumente Tab. 5.1 zeigt anhand eines Krankenhauses einen ganzen Strauß von Maßnahmen, die beim Ausfallmanagement vor Etablierung eines systematischen Instrumentariums zur Anwendung kamen. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass es von Bereich zu Bereich zu sehr unterschiedlichen Anwendungen der Instrumente gekommen ist – was ein Hinweis auf bislang nicht ausreichende Standardisierung des Ausfallzeitenmanagements sein kann. Insbesondere mangelte es im Beispiel an transparenten und verbindlichen Indikatoren für die Nutzung der Instrumente. Mit Indikatoren ist die Regel gemeint, auf deren Grundlage ein Vertretungseinsatz aktiviert werden kann – etwa eine Unterschreitung einer bestimmten Soll-Besetzung oder einer Betreuungsquote/Besetzungskennzahl (siehe auch Abschn. 6.1.6 sowie Abschn. 7.2). Fehlen solche Regeln, ist die Nutzung der Instrumente im Wesentlichen von subjektiven Beurteilungen der Führungskräfte der einzelnen Einheiten abhängig. Mitunter fehlte es an der verbindlichen Soll-Besetzungsvorgabe als möglichem Indikator ganz. Oder es wurde lediglich eine „Mindestbesetzung“ als „unterste Schmerzgrenze“ definiert, die dann nach dem Motto: „Je mehr, je besser“ aufgefüllt wird. Während in einem Bereich bei gleicher Belastungslage noch nicht reagiert wurde, ist in Tab. 5.1  Bisherige Instrumente zum Ausfallzeitenmanagement und Nutzungsanteil (Beispiel) Instrument

Nutzungsanteil in Prozent

Einspringen aus dem Frei

26 Prozent

Überstunden/Mehrarbeit

24 Prozent

Leiharbeitnehmer

22 Prozent

Gesondert vergütete Dienste

12 Prozent

Poolnutzung

7 Prozent

Einsatz aus anderer Station

5 Prozent

Rufbereitschaft

4 Prozent

5.1  Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

231

einem anderen Bereich bereits eine Vertretung angefordert worden. Nahezu unmöglich wird so der bereichsübergreifende Vertretungseinsatz: Denn dem eigenen Bereich geht es subjektiv meist schlechter als den anderen. Wer will dann schon anderen Teams Personal für die Vertretung von Ausfallzeiten abgeben? Bei der Betrachtung der bisher angewandten Instrumente kann es hilfreich sein, herauszufinden, ob und inwieweit diese wirksam sowie akzeptiert sind. • Wirksam sind sie, wenn durch ihre Anwendung Schwankungen der Betreuungsquote und damit potenziell der Belastung effektiv geglättet werden. • Akzeptiert werden Maßnahmen, wenn Mitarbeiter sie bereitwillig nutzen. In diesem Zusammenhang sollte aber auch kritisch geprüft werden, inwieweit diese Akzeptanz mit Fehlanreizen erkauft wurde. Beispielsweise können hohe materielle „Antrittsprämien“ für Einspringdienste zu deren Vermehrung beitragen.

5.1.3.4 Häufigkeit und Verteilung des Einspringens aus dem Arbeitsfrei Da das Einspringen zum Dienst zu den heikelsten Themen bei der Personaleinsatzplanung gehört, gibt es mitunter die Neigung, die Häufigkeit des Phänomens zu dramatisieren. Problematische Themen werden nun einmal gern übertrieben herausgestellt. Auch hier hilft eine Objektivierung. Sie ist auch deshalb erforderlich, weil der Erfolg der Bemühung um eine Reduzierung solcher Herbeirufe ja nur dann überprüfbar ist, wenn er nach Umsetzung mit der Ausgangslage verglichen werden kann. Interessanterweise führen entsprechende Analysen häufig zu folgenden Ergebnissen: • Die Zahl der Einspringdienste aus dem Frei liegt durchschnittlich – also bezogen auf sämtliche infrage kommenden Mitarbeiter – in den meisten Häusern unter drei Diensten pro Mitarbeiter und Jahr. Das entspricht, da Vollzeitmitarbeiter circa 200 Dienste pro Jahr erbringen (zur Berechnung siehe Abschn. 2.3.3), ungefähr 1–2 Prozent ihrer Dienste. • Der Anteil der Einspringdienste im Krankheitsausfall liegt damit nur bei circa einem Fünftel – nimmt man durchschnittlich einmal 15 Krankheitstage pro Mitarbeiter und Jahr an. An den anderen Tagen wird also entweder nicht vertreten, oder die Vertretung findet anderweitig statt: durch Berücksichtigung bei der Dienstplanung oder durch Änderung derselben, durch übergreifenden Einsatz, durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern o.a. • Die Einspringdienste sind zwischen den Mitarbeitern extrem ungleich verteilt – je nach Freiwilligkeit und Möglichkeit. In der Regel erbringen 10–20 Prozent der Mitarbeiter die Hälfte der Einspringdienste, so dass sich die andere Hälfte auf die übrigen 80–90 Prozent der Mitarbeiter verteilt. Im Rahmen der Analyse sollte daher überprüft werden, wie diejenigen Mitarbeiter zum Einspringen stehen, die dieses besonders häufig praktizieren. Denn häufig äußern sich in diesem Zusammenhang gerade die Mitarbeiter negativ, die selbst keinen oder nur einen geringen Flexibilitätsbeitrag erbringen. Wenn

2325  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Abb. 5.8  Verteilung der Häufigkeit des Einspringens

aber beispielsweise eine hohe Zufriedenheit mit dem freiwilligen Einspringen durch die Mitarbeiter , die dies am häufigsten tun, festgestellt werden kann, wäre es falsch, ihnen einreden zu wollen, dass nur ein „modernes“ Ausfallzeitenmanagement solche „schlimmen Zustände“ heilen kann. Abb. 5.8 zeigt die Häufigkeitsverteilung des Einspringens aus dem Frei in einem Krankenhaus. Auch in diesem Fall ergibt sich die typische Kurve starker Ungleichverteilung der Einsprung-Volumina.

5.1.3.5 Zeitlicher Vorlauf und Häufigkeit von ausfallzeitenbedingten Dienstplanänderungen Schaut man sich an, mit welcher Frist Dienstplanänderungen aufgrund krankheitsbedingter Ausfallzeiten erfolgen, so sind kurzfristige Änderungen, also am Tag des Dienstes oder am Vortag, meist am häufigsten. Dies ist kein Wunder, weil akute Krankheit unvorhergesehen auftritt. Damit stören krankheitsbedingte Dienstplanänderungen die Verlässlichkeit des Dienstplans am stärksten dann, wenn es diesbezüglich am meisten „weh tut“. Hilfreich ist die Betrachtung solcher Zahlen vor allem für die Frage, welcher Teil der nicht planbaren Ausfallzeiten mittels Ausfallzeitenmanagement vertreten werden soll. Hier reicht die Bandbreite möglicher Antworten von der Abdeckung möglichst vieler Ausfallzeiten mittels entsprechender Instrumente auf der einen Seite bis zur Vermeidung nur der kurzfristigen Dienstplanänderungen auf der anderen Seite – zum Beispiel an den

5.1  Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

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Abb. 5.9  Zeitlicher Vorlauf des Einspringens aus dem Frei

ersten drei Tagen, wenn für die darüber hinausreichenden Tage Dienstplanänderungen toleriert werden sollen. Abb. 5.9 zeigt ein Auswertungsbeispiel aus einer Intensivstation. Hier wurde einen Monat lang betrachtet, mit welcher Frist der Dienstplan geändert wurde. Als Änderung wurde in dieser Untersuchung das Ersetzen eines arbeitsfreien Tages durch einen Dienst gewertet. Im Ergebnis zeigt sich, dass mehr als die Hälfte solcher Dienstplanänderungen am Vortag oder am Tag selbst erfolgte. Außerdem zeigt sich, dass immerhin an rund der Hälfte der Tage des Monats eine solche Dienstplanänderung erforderlich war.

5.1.3.6 Volumen und Verteilung der Ausfallzeiten im Jahresverlauf Neben der Überlegung, ob lediglich kurzfristige oder auch längerfristig anfallende, aber noch nicht planbare Ausfallzeiten einbezogen werden sollen, ist für die Entwicklung des Ausfallzeitenmanagements die Frage zu klären, welche Ausfallzeiten überhaupt einbezogen werden sollen: Sollen nur die Krankheitstage oder auch (zumindest teilweise) Beschäftigungsverbote oder fluktuationsbedingte Stellenplanlücken abgedeckt werden? Letztere sind ja keine Ausfallzeiten im Sinne der Personalbedarfskalkulation, weil sie aufgrund der Kostensituation in der Regel zur Freigabe von Ersatzeinstellungen oder Arbeitszeitaufstockungen von Teilzeitkräften führen. Auf der Dienstplanseite wirken sie aber dennoch als Ausfall, wenn Ersatzeinstellungen nicht nahtlos vorgenommen werden können.

2345  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Die Frage der Kurzfristigkeit steht selbstverständlich in engem Zusammenhang zur Frage des Vertretungsvolumens: Je mehr auch längerfristige Ausfallzeiten abgedeckt werden sollen, desto mehr sollte erwogen werden, nicht ausschließlich krankheitsbedingten Ausfall zu berücksichtigen. Zum Beispiel könnte ein Anteil für erfahrungsgemäße zeitliche Nachbesetzungslücken miteinbezogen werden. Sonst würde zwar die Krankheit vertreten werden können, der Dienstplan würde aber durch anderweitige Ereignisse dennoch durcheinandergebracht. Ist der angestrebte Umfang der Ausfallzeitenvertretung bekannt, lohnt sich ein Blick auf dessen Verteilung im Jahresverlauf. Typischerweise treten krankheitsbedingte Ausfallzeiten nicht gleichverteilt über das Jahr auf. In den warmen Monaten ist das Krankheitsaufkommen meist geringer als in den kalten (siehe ein Beispiel aus einem Krankenhaus in Abb. 5.10). Solche Schwankungen können beim Ausfallzeitenmanagement berücksichtigt werden (siehe dazu Abschn. 5.4.2.5). Noch etwas anderes ist aber an einer Auswertung der tagesbezogenen AusfallzeitenVolumina im Zeitablauf interessant: Es wird deutlich, dass an jedem Tag des Jahres eine bestimmte Mindestanzahl von Mitarbeitern aufgrund ungeplanter Ausfallzeiten fehlt. Dies ist der wichtigste Ansatzpunkt, um das Prinzip jedes systematischen Ausfallzeitenmanagements zu verstehen: Indem sich Höhe und Wahrscheinlichkeit des Krankheitseintritts kalkulieren lassen, wird Krankheit, so unkalkulierbar sie bezogen auf das einzelne Ereignis bleibt, kalkulierbar. Damit lassen sich Krankheitsvertretungsinstrumente entwickeln, mittels derer diese Ereignisse weitestmöglich passgenau bewältigt werden können. Dies ist das, was wir oben (Abschn. 5.1.1) unter dem Begriff der Vorstrukturierung nicht planbarer Ereignisse als wichtigstes Prinzip zur Einhegung von Flexibilitätsanforderungen auf das Notwendigste eingeführt haben.

Abb. 5.10  Krankheitsbedingte Ausfallzeiten im Jahresverlauf

5.1  Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

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5.1.3.7 Nutzung stations-/bereichsübergreifenden Arbeitens zur Vertretung von Ausfallzeiten In den meisten Häusern herrscht noch ein striktes Stations- (beziehungsweise Wohnbereichs-) Denken. Das hat Vor- wie Nachteile – siehe Abschn. 1.2.2. Jedenfalls erschwert es stationsübergreifendes Arbeiten, sobald dieses erforderlich wird. Stattdessen wird bei Ausfällen lieber im eigenen (kleinen) Bereich nach Ersatz gesucht. Das ist nur mittels hoher Bereitschaft zur Arbeitszeitflexibilität realisierbar. Und die stößt bekanntlich an ihre Grenzen. Dies gilt umso mehr, wenn „von jetzt auf gleich“ reagiert werden muss. Dabei findet stationsübergreifendes Arbeiten vielerorts statt, wird jedoch als Störung des vorgesehenen Standards angesehen. Viele teambezogenen Führungskräfte „sitzen“ auf ihrem Personal selbst dann, wenn es objektiv woanders dringender benötigt wird. Mangels klarer Spielregeln wird die zeitweilige Abgabe von Mitarbeitern als ungerecht empfunden: „Wir haben selbst mehr als genug zu tun.“ Trotzdem (oder gerade deshalb?) sollte man sich im Rahmen der Ist-Aufnahme über den bisherigen Umfang stationsübergreifenden Arbeitens zumindest einen Überblick verschaffen. Vielleicht gibt es auch hier Dinge, die sich bewährt haben. 5.1.3.8 Die „Vertretungslotterie“: Kosten des Ausfallzeitenmanagements Aus betrieblicher Sicht ist selbstverständlich auch ein Blick auf die Kosten des bisherigen Verfahrens zur Ausfallzeitenvertretung zu werfen. Prinzipiell dürfte es diese Kosten ja gar nicht geben. Im Stellenplan ist eine Reserve für Ausfallzeiten einkalkuliert (ob dies immer in richtiger Höhe geschieht, haben wir an anderer Stelle diskutiert; Abschn. 2.3.3). Kosten könnten dann allenfalls dadurch entstehen, dass monetäre Anreize für das Holen aus dem Arbeitsfrei gesetzt werden. Die Realität vieler Häuser ist jedoch eine andere. Wer eine Ursachenforschung für auflaufende Zeitsalden und Überstunden anstellt, wird das Ausfallzeitenmanagement oftmals gar an erster Stelle finden. Es entstehen mitunter erhebliche Kosten für die Vertretung der Ausfallzeiten, obwohl der Stellenplan gerade dafür eine entsprechende Reserve enthält. Wie passt das zusammen? Dazu müssen wir erneut einen Blick auf verbreitete methodische Mängel üblicher Dienstplanverfahren werfen. Betrachten wir dazu wieder unser Muster-Beispiel aus Abschn. 2.3.4., in dem mittels Tool B der arbeitszeitbezogene Besetzungs- und Personalbedarf errechnet wurde (Abb. 5.11). ▶▶

Tool B: Arbeitszeitmethode

Von den dortigen 12,2 VK sind bei durchschnittlich 5,5 Prozent Krankheitsquote (das sind 14 Tage pro Mitarbeiter und Jahr) durchschnittlich (12,2 × 0,055 =) circa 0,7 VK krank. Dies entspricht bei 200 möglichen Diensten pro Jahr und Mitarbeiter circa (0,7 × 200 =) 135 Diensten pro Jahr, die für Vertretung von Krankheit erforderlich sind. Nun wird hier von der keineswegs selbstverständlichen Annahme ausgegangen, dass die Soll-Besetzung dienstplanmäßig genau eingehalten wird und dass diese auch zum

2365  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Abb. 5.11  Tool B (Auszug) – Besetzungs- und Personalbedarf „Bereich I“ (Tool mit Springer Nature More Media App ansehen)

Stellenplan passt. Wir hatten ja in Abschn. 2.3.1 sowie Abschn. 2.3.4 darauf hingewiesen, dass beide Annahmen bei der üblichen Monatsdienstplanung häufig nicht erfüllt sind. Daraus ergeben sich Folgeprobleme, die auch auf die Kosten für Zeitguthaben und Überstunden durchschlagen können. Um aber diese Effekte von den Kosten für das Ausfallzeitenmanagement zu isolieren (um die es an dieser Stelle geht), unterstellen wir hier eine exakte Einhaltung dieser beiden Bedingungen. In unserem Beispiel ist mithin eine Besetzung mit an den Tagen Montag bis Freitag je zwei Früh-, Zwischen- und Spätdiensten und einem Nachtdienst im Dienstplan geplant. Abweichend hiervon wird an Wochenenden und Feiertagen der Zwischendienst nur einfach besetzt (die Früh- und Spätdienste haben lediglich teilweise von den Tagen Montag bis Freitag abweichende Dienstzeiten). Über diesen Besetzungsbedarf hinaus können nun gemäß Stellenplanberechnung 0,7 VK beziehungsweise 135 Dienste pro Jahr zusätzlich eingeteilt werden. Damit das Ausfallzeitenmanagement effizient ist, müssten diese Dienste so eingeteilt werden, dass sie immer dann die Soll-Besetzung erhöhen, wenn an dem Tag ein eingeteilter Kollege

5.1  Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

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erkrankt. An die Stelle des Erkrankten tritt dann sein Vertreter. Effizient ist das Ausfallzeitenmanagement dann, wenn die Soll-Besetzung auch nach Berücksichtigung der Krankheitsfälle konstant eingehalten wird. Dazu bedürfte es jedoch prophetischer Kompetenz, über die auch Dienstplaner nur selten verfügen. In der Realität hingegen muss die Ausfallzeitenreserve im Dienstplan „irgendwann“ verplant werden – und es gleicht einer Vertretungs-Lotterie, ob der Dienstplaner mehr oder weniger „Treffer“ landet. Es gibt in unserem Beispiel ja vier Dienstlagen pro Tag (Früh-, Zwischen-, Spät- und Nachtdienst), die an allen 365 Tagen des Jahres verlässlich besetzt gehalten werden müssen. Also könnte man (4 Dienstlagen × 365 Tage pro Jahr =) 1460 potenzielle Vertretungsdienste gebrauchen. Dazu unterstellen wir vereinfachend, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Krankheitseintritt über alle Tage und Dienstlagen etwa gleichverteilt ist. Es stehen aber nur 135 Vertretungsdienste pro Jahr zur Verfügung. Die Trefferquote beträgt somit weniger als 10 Prozent der Dienste. Mehr Vertretungsdienste sind ja auch gar nicht erforderlich, denn nur 135-mal im Jahr muss ein erkrankter Kollege vertreten werden. Nun besteht in unserem Muster-Beispiel durchaus Spielraum, um diese sehr ungünstige Bilanz noch zu verbessern: Es ist ja sinnvoll, darauf zu verzichten, für die Früh- und Spätdienste einen Vertreter einzuplanen. Stattdessen könnte Krankheit in diesen Dienstlagen aus dem Zwischendienst heraus vertreten werden. Dieser überdeckt sich ja zeitlich über viele Stunden mit den Früh- und Spätdiensten. Die Situation lässt sich sogar noch verbessern, indem der Zwischendienst zumindest ab dem zweiten Krankheitstag zu einem Früh- oder Spätdienst umgewandelt wird. Zudem könnte man die Nachtdienste aus der Vertretung herausnehmen, indem bei Krankheit ein Spätdienst in die Nacht einrückt. In dieser Konstellation würde nur noch für die Zwischendienste ein Vertreter benötigt. Also ergibt sich ein Bedarf von 365 Vertretungsdiensten. Dem stehen, weil die Zwischendienst im Beispiel 10 Stunden lang sind, nur (135 × 7,7 Stunden/10 Stunden =) 104 Vertretungsdienste pro Jahr gegenüber. Die Trefferquote hat sich zwar deutlich verbessert. Sie beträgt nun (104/365 =) circa 28 Prozent. Damit gleicht das Prinzip jedoch noch immer einer Lotterie. Teilt man diese Vertretungsdienste einfach reihum an jedem vierten Tag im Dienstplan ein, so wird es durchschnittlich auch nur, wen überhaupt, an jedem vierten Tag einen „Treffer“ geben. Es können folgende vier Konstellationen eintreten: • Es wird an einem Tag niemand krank, und es ist auch kein Ausfallzeitenvertreter eingeteilt gewesen. Dann hat der Dienstplaner „Glück“ gehabt. • Der Ausfallzeitenvertreter ist an einem Tag eingeteilt, an dem ein Kollege krank wird. An diesen „Treffer“-Tagen funktioniert das Ausfallzeitenmanagement. Diese Konstellation setzt übrigens voraus, dass der zusätzlich eingeteilte Kollege überhaupt als der Krankheitsvertreter wahrgenommen wird. Meist ist er als solcher im Dienstplan ja nicht gesondert gekennzeichnet. Daher kommt es in der Praxis nicht selten vor, dass selbst an den Tagen, an denen dienstplanmäßig „über den Durst“ besetzt wurde, ein zusätzlicher Krankheitsvertreter angefragt wird, denn es fehlt ja nun ein im Dienstplan eingeteilter Dienst, so dass ein „Unterbesetzungsgefühl“ entsteht.

2385  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

• An einem Tag, an dem ein Ausfallzeitenvertreter eingeteilt wurde, wird kein Mitarbeiter krank. Die vorgesehene Ausfallzeitenreserve verpufft. Die Soll-Besetzung wird überschritten. Da das Krankheitsereignis an circa einem Viertel der Tage eintritt, verpufft die Vertretungsreserve an etwa drei Viertel der Tage. • Ein Kollege wird an einem Tag krank, an dem kein Krankheitsvertreter eingeteilt war. Der ausgefallene Dienst muss nachbesetzt werden. Dann wird eine zusätzliche Krankheitsvertretung benötigt – sei es durch Einspringen aus dem Frei, durch Leiharbeitnehmer, Aushilfen oder wie auch immer. Dies geschieht trotz prinzipiell vorhandener, aber an diesem Tag eben nicht aktivierbarer Vertretungsreserve. Hierdurch kommt es zu zusätzlichen Kosten für die Vertretung, wenn intern vertreten wird: entweder durch auflaufende Zeitguthaben oder durch Überstunden. Wird extern vertreten, ergeben sich die Zusatzkosten durch Leiharbeitnehmer- oder Aushilfskosten. Das ist im Beispiel an 3/4 der Krankheitstage der Fall. Die eigentlich für die Krankheitsvertretung vorgesehene Reserve ist ja an anderen Tagen verpufft und steht deshalb für die Krankheitsvertretung nicht zur Verfügung.

5.1.3.9 Doppelte Krankheitsvertretung Mithin kommt es bei dieser Form des Ausfallzeitenmanagements zu einer doppelten Krankheitsvertretung – selbst bei ansonsten perfekter Dienstplanung. Einmal wird die Krankheitsvertretung durch die hierfür eingeteilten, dann jedoch zum größten Teil verpuffenden Dienste abgedeckt, ein zweites Mal dann durch die Vertretung an den Tagen, an denen dienstplanmäßig kein Vertreter zur Verfügung stand. Die Kosten für die zusätzliche Vertretung in Form von Zeitguthaben, Überstunden oder Kosten für zusätzliches Personal entsprechen daher betriebswirtschaftlich den Zusatzkosten eines nicht effizienten Ausfallzeitenmanagement. Systematisches Ausfallzeitenmanagement hat daher aus betriebswirtschaftlicher Sicht das Ziel, doppelte Krankheitsvertretungen zu vermeiden. Das Ergebnis dieses Abschnitts wird in zwei Abbildungen zusammengefasst. Abb. 5.12 zeigt die Ausgangssituation: vier Stationen (A-D), in denen die rechnerische Krankheitsvertretung in Frühdienstanteilen „versteckt“ ist. Diese lassen sich nicht vernünftig aktivieren. In Abb. 5.13 wird die Situation nach Eintritt des Krankheitsereignisses dargestellt: In Station B erkrankt ein Mitarbeiter. Um dies zu kompensieren, wird ein Mitarbeiter aus dem Arbeitsfrei hereingeholt. Die Krankheit ist damit de facto doppelt vertreten worden: Die originäre Krankheitsreserve verpufft im Dienstplan, während der Dienst des eingesprungenen Mitarbeiters zusätzlich gutgeschrieben wird. Abb. 5.12  Schematische Darstellung einer stationsbezogenen Krankheitsvertretung: Ausgangssituation

5.1  Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

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Abb. 5.13  Schematische Darstellung der Krankheitsvertretung durch Einspringen

5.1.4 Auch das Unplanbare planen: Von der Improvisation zum Ausfallzeitenmanagement – Überblick Irgendein Ausfallzeitenmanagement findet immer statt, weil nicht planbare Ausfallzeiten nun einmal auftreten. Mit Blick auf das Ziel guter Dienstpläne sollte dabei aber weniger improvisiert werden – sonst kann zumindest eine verlässliche Dienstplanung nicht gelingen. Bei den systematischen Möglichkeiten für ein strukturiertes Ausfallzeitenmanagement lassen sich drei Ansätze unterscheiden (siehe auch Abb. 5.14):

Abb. 5.14  Die drei Flexibilitätsebenen des Ausfallzeitenmanagements

2405  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

5.1.4.1 Leistungs- und Serviceflexibilität Leistungs- und Serviceflexibilität bezeichnet die Fähigkeit, den Aufgabenumfang bei Ausfallzeiten anzupassen. Dazu wird durch Priorisierung eine Reduzierung oder Verschiebung von Arbeitsaufgaben vorgenommen (ausführlich: Abschn. 5.2). Bei diesem Ansatz geht es also darum, den Vertretungsbedarf zu reduzieren. Hierzu werden elastische Potenziale des Aufgabenumfangs gezielt genutzt. Elastizität bedeutet: Die Arbeit kann mit weniger Mitarbeitern erledigt werden, ohne dass es zu potenziell belastender Arbeitsverdichtung kommt. Häufig werden in der Praxis beispielsweise ausfallende Frühdienste nicht vertreten. Worin unterscheidet sich das Vorgehen nun vom Üblichen? • Improvisiert: Es werden keine oder allenfalls Ad-hoc-Vorkehrungen getroffen, welche Teile des Arbeitsaufkommens weggelassen oder verschoben werden können. Wenn das Ereignis eintritt, müssen die Mitarbeiter selbst entscheiden, wie sie damit umgehen. Eine Eskalation an die Pflegedienstleitung findet schlimmstenfalls erst mittels einer Gefährdungsanzeige ihren Weg. Mitarbeiter fühlen sich verunsichert. Sie können nur mit schlechtem Gewissen ihren Dienst beenden – in dem Gefühl, die anvertrauten Patienten/Bewohner nicht optimal versorgt zu haben. Unklarheit über den erwarteten Leistungsumfang kann bei Mitarbeitern Unsicherheits- beziehungsweise Überforderungsgefühle auslösen. Verhaltensunsicherheit ist ein wesentlicher Überforderungstreiber. Dies gilt umso mehr bei gegenüber einer vorgegebener Soll-Besetzung verminderter Ist-Besetzung. • Systematisch: Den Mitarbeitern werden von den pflegerischen Führungskräften auf Basis klarer Indikatoren Orientierungsschemata und Handlungsanweisungen an die Hand gegeben. Bei Eintritt des Ereignisses wechseln sie auf den darin vorgegebenen Arbeitsmodus. Der Aufgabenumfang der Mitarbeiter wird je nach patientenspezifischem Pflegeaufwand zwischen den Aggregatzuständen „Soll-Besetzung“ und „SollBesetzung minus 1“ variiert. Dazu werden Arbeitsaufgaben verschoben und reduziert – statt „verdichtet“.

5.1.4.2 Arbeitszeitflexibilität Arbeitszeitflexibilität bezeichnet die Fähigkeit, durch zeitliche Anpassungen des Dienstplans oder der eingeteilten Dienstzeiten zu reagieren. Das geschieht durch die An- und Absage ganzer Dienste oder von Teilen der Dienste. Auch hier lassen sich improvisierte und systematische Ansätze klar voneinander unterscheiden: • Improvisiert: Die Dienstplanstabilität wird beeinträchtigt, indem ad-hoc Mitarbeiter aus dem Arbeitsfrei abgerufen werden – oftmals immer dieselben „Willigen“. Die Entscheidung erfolgt oft ohne ausreichende Transparenz der zugrunde liegenden Kriterien. Mal wird in einer Situation noch auf Leistungs- und Serviceflexibilität gesetzt, mal wird schon abgerufen. Das Ergebnis hängt auch davon ab, ob es gelingt, Mitarbeiter für den flexiblen Einsatz zu gewinnen. Aber auch die Situationseinschätzung der im Dienst befindlichen Mitarbeiter schwankt personenbezogen stark. Wegen nicht ausreichend

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effizienter Nutzung der stellenplanmäßigen Vertretungskontingente kommt es zu Verpuffungs- und Doppelvertretungseffekten. Dies führt zu zusätzlicher zeitlicher Inanspruchnahme der Mitarbeiter, weil sie über ihre Vertragsarbeitszeit hinaus eingeteilt werden müssen. • Systematisch: Die Mitarbeiter werden dienstplanmäßig zu Stand-By-Diensten (ausführlich: Abschn. 5.3.1) oder – weniger häufig – zu Rufbereitschaftsdiensten (ausführlich: Abschn. 5.3.2) eingeteilt. Stand-By-Dienste sind im Dienstplan eingeteilte Dienste, in denen der Mitarbeiter für eine kurze Zeit (zum Beispiel 30 Minuten) für das Haus erreichbar ist, um im Bedarfsfall die Vertretung eines ausfallenden Dienstes zu übernehmen. Die Bereithaltezeit und in der Regel ein weiterer zeitlicher Aufschlag werden pro Stand-By-Dienst auf die Arbeitszeit angerechnet. Der Mitarbeiter weiß nicht, ob er an dem betreffenden Tag benötigt wird. Er weiß jedoch, dass er an diesem Tag zum Einsatz kommen kann. Stand-By-Dienste werden bei der Personaleinsatzplanung auf Basis der Vertretungsreserve berücksichtigt und daher innerhalb der Vertragsarbeitszeit erbracht. Sie treten bei Grund- oder Rahmendienstplänen an die Stelle eingeteilter Vertretungsdienste.

5.1.4.3 Einsatzflexibilität Gegenüber der zeitlichen Flexibilität bezeichnet Einsatzflexibilität die räumliche Flexibilität. Sie beinhaltet die Fähigkeit, bei Vertretungsbedarf in anderen Stationen/Bereichen eingesetzt werden zu können. Nicht der Dienstplan beziehungsweise die Dienstzeit ändert sich, wenn Ausfallzeiten zu vertreten sind, sondern der Einsatzort des dienstplanmäßig ohnehin eingeteilten Mitarbeiters. Einsatzflexibilität ist erfahrungsgemäß sozialverträglicher als Arbeitszeitflexibilität, denn die Verlässlichkeit der Dienstpläne und -zeiten hat höheres Gewicht. Deshalb sollte Einsatzflexibilität, wo immer sie praktikabel ist, der Arbeitszeitflexibilität vorgezogen werden. Doch auch hier gibt es erhebliche Unterschiede zwischen einem improvisierten und einem systematischem Einsatz: • Improvisiert: Die Entscheidungen für einen teamübergreifenden Einsatz erfolgen „unsystematisch“. Oftmals sind aufwändige Abstimmungsprozesse zwischen den Führungskräften erforderlich, um dennoch nicht zufriedenstellende Ergebnisse zu erreichen. Teams fordern zusätzliches Personal im Bedarfsfall an. Aber nur wenige Teams stellen bereitwillig ihrerseits Personal an andere zur Verfügung. Ein Gesamtüberblick über das jeweilige teamübergreifende Potenzial fehlt – mangels Kennzahlen und zentraler Koordination. Die Pflegedienstleitung greift eher eskalationsvermeidend als gestalterisch ein, wenn keiner mehr weiter weiß – zum Beispiel „par ordre du Mufti“. In einem solchen Umfeld wird den Mitarbeitern oftmals die Motivation für Einsatzflexibilität genommen: Übergreifende Einsätze werden als Störung des „Normalfalls“, dem Stations-/Bereichsbezug, wahrgenommen. Dies kann für sich schon dazu führen, solche Störfälle als belastungserhöhend wahrzunehmen. • Systematisch: Der Personaleinsatz erfolgt auf der Basis verbindlicher Indikatoren und Spielregeln auch teamübergreifend. Die Stationen rücken zusammen, weil sie nur

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gemeinsam eine Dienstplanstabilisierung erreichen können. Der übergreifende Blick wird gefördert. Stations- und bereichsbezogenes Inseldenken wird zurückgedrängt. Bei der Personaleinsatzplanung wird Einsatzflexibilität entweder in Form von Joker-Diensten (ausführlich: Abschn. 5.4.1) oder durch einen Springerpool (ausführlich: Abschn. 5.4.2) berücksichtigt. Joker-Dienste sind fest wie alle anderen Dienste im Dienstplan eingeteilt, aber besonders gekennzeichnet. Sie erbringen ihren Dienst, wenn das Ausfallereignis eintritt, teamübergreifend innerhalb vereinbarter Vertretungsbereiche. Während Joker-Dienste im Dienstplan über viele Mitarbeiter verteilt werden, erklärt sich bei der Poollösung eine Mitarbeitergruppe verbindlich dazu bereit, in unterschiedlichen Arbeitsbereichen Ausfallzeiten zu vertreten. Sie bilden eine eigene Organisationseinheit, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, die Stabilität der Soll-Besetzung in den zu vertretenden Organisationseinheiten sicherzustellen.

5.1.4.4 Warum Ausfallzeitenmanagement systematisch erfolgen sollte Damit lassen sich die wichtigsten Gründe für ein systematisches Verfahren bei Ausfallzeitenmanagement zusammenfassen: • Rückläufige Einspring-Bereitschaft: Die Bereitschaft der Mitarbeiter, bei unvorhersehbarem Personalausfall kurzfristig aus dem Arbeitsfrei einzuspringen, sinkt vielerorts seit Jahren deutlich (Abschn. 1.2.2). Entsprechend steigt der Aufwand für die Führungskräfte, Freiwillige zu finden. Eine mitarbeiterseitige rechtliche Verpflichtung zum Einspringen an dienstplanmäßig arbeitsfreien Tagen besteht grundsätzlich nicht. Während sich bei dieser Vorgehensweise einige Mitarbeiter an der gegenseitigen Vertretung der Ausfallzeiten überhaupt nicht beteiligen, werden die Willigen (vor allem Teilzeitmitarbeiter mit entsprechend hohem „Einsprung“-Potenzial im Dienstplan) besonders beansprucht – bis auch sie sich möglicherweise entziehen. • Dienstplanverlässlichkeit: Jedes Einspringen setzt eine Kaskade von Dienstplanänderungen in Gang, wenn auch angrenzende Dienste „kollateral“ betroffen sind. Häufig erzeugt ein einzelnes Einspringen mehrere Folgeänderungen, so dass der ursprüngliche Dienstplan kräftig „durchgeschüttelt“ wird. • Besetzungsstabilität: Die Option, bei Krankheit dienstplanseitig einfach nicht zu reagieren, also mit dem Besetzungsverlust zu „leben“, steht angesichts meist kleinzahliger Besetzungsstärken allenfalls in den Frühdiensten an den Tagen Montag bis Freitag zur Verfügung. Der Vertretungsdruck ist also hoch, die Vertretungslösung hingegen ungewiss. Bei steigenden Ansprüchen an stabile Betreuungsquoten/Besetzungskennzahlen (betreute Patienten je eingeteiltem Dienst) – auch als Bestandteil patientenorientierten Qualitätsmanagements – sinkt die Toleranz gegenüber Besetzungslücken. • Kosten: Die herkömmliche Art der Krankheitsvertretung gehört aus den dargestellten Gründen zu den wichtigsten Überstunden- und Zeitguthabentreibern im Pflegedienst. Daher müssen im Stellenplan enthaltene Vertretungsreserven effizienter genutzt werden. • Nachvollziehbarkeit und Gerechtigkeit: Nachvollziehbare und in verschiedenen Arbeitsbereichen einheitlich gehandhabte sowie zentral gesteuerte Verfahrensweisen

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können die Handlungssicherheit der Beteiligten erhöhen und Ungerechtigkeiten im Umgang mit dem Ausfallzeitenmanagement reduzieren. • Einsatzflexibilität vor Arbeitszeitflexibilität: Einsatzflexibilität ist – jedenfalls üblicherweise – sozialverträglicher. Nur dort, wo diese organisatorisch oder qualifikatorisch nicht möglich ist, sollten arbeitszeitorientierte Lösungen greifen. Diese werden zudem immer einsatzflexible Lösungen ergänzen, denn auch das leistungsfähigste Ausfallzeitenmanagement wird aufgrund der Schwankungen der Krankenstände in der Spitze – etwa bei Grippewellen – keine vollständige Abdeckung der Krankheitsvertretung ermöglichen.

5.1.5 Den Vertretungsbedarf ermitteln Die Vertretungsprobleme bei Personalausfall sind vielerorts erstaunlich wenig quantifiziert. Erstaunlich deshalb, weil zugleich beklagt wird, welche Probleme der krankheitsbedingte Ausfall arbeitszeitorganisatorisch macht. Die in Abschn. 5.1.3 vorgestellten Möglichkeiten der Ist-Analyse sollten dazu anregen, zunächst „Licht in das Dunkel“ zu bringen. Für die Ableitung des konkreten Vertretungsbedarfs im Rahmen eines systematischen Ausfallzeitenmanagements müssen nun eine Reihe von Fragen geklärt werden.

5.1.5.1 Wie hoch soll der Anteil der zu vertretenden kurzfristigen Ausfallzeiten sein? Hier geht es um die Frage, welcher Teil der Ausfallzeiten durch Vertretung kompensiert werden soll – und welcher nicht. Eine ebenso verbreitete wie sinnvolle Kompensation von Krankheitstagen ist gerade ihre Nichtvertretung. Beispielsweise kann für Frühdienste mit einer Besetzung von vier oder fünf Pflegekräften festgelegt werden, dass ein ausfallender Mitarbeiter grundsätzlich nicht vertreten wird, indem die Arbeitsaufgaben von den Kollegen aufgefangen werden (wobei dann freilich festgelegt werden muss, in welcher Form dies erfolgt). Grundsätzlich gilt hier folgende Faustregel: Je personell kleiner die Einheit (je kleiner also die Besetzung je Dienstlage) ist und/oder je weniger reduzierbar oder verschiebbar das Arbeitsvolumen ist, desto höher ist der Anteil der zu vertretenden Dienste. Das ist ja gerade das Problem personell kleiner Einheiten: Erstens ist der Vertretungsdruck groß, weil ohne Vertretung die Besetzungsstärke in einem großen Sprung sinkt. Zweitens ist die Eintrittswahrscheinlichkeit des Ausfallzeitenereignisses gering. In diesem Zusammenhang muss daher zuerst die organisationsstrukturelle Frage gestellt werden, ob personell kleine Einheiten durch Verknüpfung mit anderen grundsätzlich vergrößert werden können, um den Vertretungsdruck zu mindern. Ebenso schwierig ist der Verzicht auf Vertretung zudem in Arbeitsbereichen, in denen das Arbeitsvolumen nicht angepasst werden kann. Das ist dann der Fall, wenn Arbeitsaufgaben kaum verschiebbar oder reduzierbar sind. Wir sprechen hier von unelastischen Arbeitsaufgaben. Entgegen der häufig verbreiteten Vermutung gibt es in der Pflege jedoch meist durchaus zahlreiche Tätigkeiten, die ohne eine Gefährdung von Qualitäts- und Servicestandards verschoben oder weggelassen werden können. Daher muss geprüft werden,

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inwieweit sich Arbeitsaufgaben bei Personalausfall verdichten oder verschieben lassen, um Vertretungsbedarf zu reduzieren. Dies wird in Abschn. 5.2 näher erläutert. Nach Abzug des Ausfallzeitenanteils, für den zeitweilige Unterschreitungen der Soll-Besetzung vertretbar sind, ergibt sich das abzudeckende Vertretungsvolumen. Wird in unserem Muster-Beispiel (beginnend mit Abschn. 2.2.3) beispielsweise geschätzt, dass zumindest einer der beiden Zwischendienste an den Tagen Montag bis Freitag nicht vertreten werden muss, dann reduziert sich der Vertretungsbedarf um gerundet (5 nicht zu vertretende Dienste/47 eingeteilte Diensten × 100 Prozent =) circa 10 Prozent. Damit werden noch circa 90 Prozent der Ausfallzeiten zu vertreten sein. Schätzungen reichen an dieser Stelle durchaus aus; es ist bei dieser Frage ohnehin nicht möglich, „auf zwei Stellen nach dem Komma“ zu kalkulieren. Umgekehrt wird es ja auch bei systematischem Ausfallzeitenmanagement Vertretungsreserven geben, die verpuffen – etwa bei (stark) unterdurchschnittlicher Ausfallquote. Dadurch heben sich die Effekte möglicherweise gegeneinander auf. Bei Bedarf kann die krankheitsbedingte Ausfallquote bei der Arbeitsplatzmethode korrigiert werden – wodurch bei unverändertem Personalbedarf zugleich die Soll-Besetzung erhöht werden kann. Diese wird ja dann teilweise bei Krankheit (hier im Zwischendienst) gewollt unterschritten; Abb. 5.15 zeigt den Effekt für unser Muster-Beispiel.

Abb. 5.15  Tool B (Auszug) – Personalbedarf „Bereich I“ bei leicht reduziertem Vertretungsbedarf

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Abb. 5.16  Tool B (Auszug) – Personalbedarf „Bereich I“ bei Berücksichtigung stellenplanexterner Vertretung

5.1.5.2 Wie hoch ist der Anteil der von intern zu vertretenden Ausfallzeiten? Als externe Vertretung werden Mitarbeiter bezeichnet, die von außerhalb des Teams Vertretungsleistungen erbringen. • Dazu zählen erstens Leiharbeitnehmer oder Aushilfskräfte. • Zweitens wirken aber auch vergütetet Mehrarbeits- oder Überstunden als externe Vertretung. Sie werden damit außerhalb der im Stellenplan vorgesehenen Arbeitszeitkapazität eingesetzt, denn diesem liegt ja lediglich die regelmäßige vertragliche Arbeitszeit zugrunde. Wenn beispielsweise Dienste für das Einspringen aus dem Frei (sofern es diese gibt) als Überstunden vergütet werden, so müssen diese vom internen Vertretungsbedarf abgezogen werden. Angenommen, in unserem Muster-Beispiel würde damit gerechnet, dass nach Einführung des Ausfallzeitenmanagements noch einmal pro Jahr und Mitarbeiter ein Einspringen aus dem Frei erforderlich ist – etwa in Zeiten hoher Krankheitsballung. Diese Zeiten sollen als Überstunden vergütet

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werden. Bei 14 Krankheitstagen pro Mitarbeiter und Jahr wird also nur mehr mit 13 intern zu vertretenden Krankheitstagen kalkuliert. Dies wird wiederum bei der Arbeitsplatzmethode berücksichtigt. Im Unterschied zum obigen ersten Abschnitt wird aber nicht die Soll-Besetzung entsprechend erhöht. Der Personalbedarf sinkt stattdessen. Das muss auch so sein, denn durch die zusätzliche Arbeitszeit infolge der Überstunden wird das Gesamt-Arbeitszeitbudget ja wieder erreicht. Im Muster-Beispiel ergibt sich der in Abb. 5.16 dargestellte Effekt. • Drittens wird ein interner Vertretungspool (Abschn. 5.4.2) als externe Vertretung gewertet, weil er von außerhalb des Vertretungsbereichs kommt. Wird beispielsweise die gesamte Vertretung der kurzfristigen Ausfallzeiten durch einen Pool organisiert, muss in der Arbeitsplatzmethode die Anzahl der Krankheitstage auf 0 gesetzt werden. Der Personalbedarf des Arbeitsbereichs verringert sich entsprechend – er fließt dann in gleicher Höhe dem Pool zu. Auch dies zeigen wir für unser Muster-Beispiel (siehe Abb. 5.17).

Abb. 5.17  Tool B (Auszug) – Personalbedarf „Bereich I“; Anpassung des Stellenplans bei Vertretung aus dem Pool.tif

5.1  Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

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5.1.5.3 Welche Ausfallzeiten sollen durch das Ausfallzeitenmanagement vertreten werden? Es ist denkbar, nur Teile der nicht planbaren Ausfallzeiten einzubeziehen. Üblicherweise wird hier auf die Krankheitsquote zurückgegriffen. Denkbar ist aber auch, wie schon in Abschn. 5.1.3 dargelegt, nur Teile davon abzudecken – etwa nur die ersten vier Krankheitstage. Oder es werden bei der Monatsdienstplanung die Kranken herausgerechnet, um die bei der Folgemonatsplanung ohnehin herumgeplant werden kann. Dann organisiert sich die Vertretung quasi bei der Monatsdienstplanung – analog zur Handhabung bei Urlaub. Umgekehrt kann es bei längerlaufenden Dienstplänen wie Grund- oder Rahmendienstplänen sinnvoll sein, auch andere Ausfallzeiten jenseits der Krankheit in das Ausfallzeitenmanagement einzubeziehen, um die Änderungsnotwendigkeit des Dienstplans weiter zu senken. Das können zum Beispiel (nicht langfristig planbare) Fortbildungen und Freistellungen sein, aber auch Beschäftigungsverbote. 5.1.5.4 Welche Instrumente kommen infrage? Bei der Auswahl der Ausfallzeiteninstrumente sollte – wie in Abschn. 5.1.4 begründet – vorrangig auf Einsatzflexibilität gesetzt werden. Damit sind Joker-Dienste oder Springerpool die Instrumente der ersten Wahl. Welches der beiden Instrumente jeweils geeigneter ist, ist Thema in Abschn. 5.4. Nachrangig wären arbeitszeitflexible Maßnahmen einzubeziehen – etwa Stand-By-Dienste oder Rufbereitschaften (Abschn. 5.3). Von dieser Reihenfolge gibt es eine Ausnahme: Die Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses ist zu klein, um Joker-Dienste zu ermöglichen – etwa in personell kleinen und nicht mit anderen Bereichen verknüpfbaren Einheiten. Dann muss auf Stand-By oder andere Formen (strukturierter) kurzfristiger Arbeitszeitflexibilität gesetzt werden. Stand-By-Dienste kommen immer dann in Betracht, wenn die Nutzungsquote des Dienstes zwischen circa 20 und circa 50 Prozent liegt. Ein Stand-By-Dienst ergibt wenig Sinn, wenn er zu 80 bis 100 Prozent genutzt wird. Dann wäre ein Joker-Dienst die sinnvollere Lösung gewesen. Niemand soll sich zu Hause bereithalten, nur um ihm im Regelfall mitzuteilen, dass er nun bitte den Weg zum Dienst antreten möge. Ebenso wenig sinnvoll ist es, wenn ein Stand-By-Dienst so gut wie nie in Anspruch genommen werden muss. Dann stehen Aufwand – für den Betrieb Kosten für die Stand-By-Dienste, für den Mitarbeiter zeitliche Einschränkung durch Bereithaltezeiten – und Nutzen in keinem günstigen Verhältnis. Geht die Nutzungsquote über 50 Prozent deutlich hinaus, empfiehlt es sich, den Krankheitsvertreter im Dienstplan fest vorzusehen – mithin einen Joker-Dienst einzuteilen oder eine Poollösung zu etablieren. Eine gewisse „Überplanung“ der Vertretungsdienste ist dabei durchaus gewünscht, um auch überdurchschnittlich hohe Ausfallquoten bewältigen zu können. Denn die Vertretungsquote ist ja auf den durchschnittlichen Krankenstand kalkuliert. Überdurchschnittlich hohe Krankenstände an einzelnen Tagen können daher, sofern sie nicht durch Leistungs- und Serviceflexibilität aufgefangen werden

2485  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

können, nur bewältigt werden, wenn Joker-Dienste „über den Durst“ besetzt werden. Der „Preis“ solcher dienstplanstabilisierender Überplanung ist eine gewisse Verpuffung des Joker-Dienstes. Diese kann aber durch weitere Spielregeln zumindest teilweise vermieden werden. Wird ein Joker-Dienst nicht für die Kompensation kurzfristiger Ausfälle genutzt, so kann beispielsweise ein anderer Mitarbeiter (nicht zwingend der Mitarbeiter, der im Joker-Dienst eingeteilt ist!) früher Feierabend machen. Der Joker-Diensthabende tritt an diesem Tag an die Stelle des Kollegen, der früher geht. Hier muss also das Risiko zu hoher Personalvorhaltung im Blick behalten werden – für den Fall, dass diese Mechanismen dann nicht funktionieren, wenn „über den Durst“ geplant wurde.

5.1.5.5 Welche Indikatoren für die Nutzung der Instrumente gibt es? Neben den Instrumenten des Ausfallzeitenmanagements sind objektive Indikatoren festzulegen. Nach den Indikatoren bestimmt sich, in welcher Situation die Instrumente in Anspruch genommen werden. Gerade bei teamübergreifender Vertretungsorganisation ist die nachvollziehbare Indikation Voraussetzung für eine als gerecht empfundene Verteilung der Instrumente. Die beiden möglichen Indikatoren sind die gleichen, die auch sonst über die Qualität der Personaleinsatzplanung Auskunft geben können: • Die Soll-Besetzung: Diese kommt immer dann infrage, wenn der Arbeitsanfall relativ konstant ist. Denn dann schwankt „nur noch“ die Personalverfügbarkeit, so dass die Unterschreitung dieser Soll-Besetzung durch eintretende Ausfallzeitereignisse ein geeigneter Auslöser für die Aktivierung der Ausfallzeiteninstrumente ist. Liegt die Soll-Besetzung beispielsweise bei 4 und wird unterschritten, „springt“ das Ausfallzeitenmanagement an. Eine weitere Unterkategorie ist für den Fall sinnvoll, dass Unterschreitungen der Soll-Besetzung nicht unmittelbar zu einer Aktivierung des Ausfallzeitenmanagements führen sollen – also, wenn Maßnahmen zur Leistungsund Serviceflexibilität vereinbart wurden. Dann sollte eine Zwischenstufe eingebaut werden: Sie wird auch Indikator-Besetzung genannt. Soll beispielsweise bei einer Soll-Besetzung von 4 im Frühdienst erst der zweite Ausfallende vertreten werden, damit mindestens immer drei Frühdienste besetzt sind, dann ist 4 die Soll-Besetzung und 3 die Indikator-Besetzung. Erst bei Unterschreitung derselben wird die Vertretung aktiviert. • Die Besetzungskennzahl, also die Betreuungsquote, die sich aus der Belegung pro besetztem Dienst errechnet (siehe dazu Abschn. 7.2): Der einfachste Indikator Soll-Besetzung ist nicht geeignet, wenn neben der Personalverfügbarkeit auch noch der Arbeitsanfall schwankt. Der Arbeitsanfall kann schwanken, weil die Belegung schwankt oder weil der kalkulierbare Aufwand je Patient/Bewohner im Zeitverlauf schwankt. Übersteigt die Besetzungskennzahl eine bestimmte Toleranzbandbreite, sind also zu viele oder zu viele aufwändige Patienten/Bewohner von einem Mitarbeiter zu betreuen, wird das Vertretungsinstrument aktiviert. Beispielsweise beträgt die Besetzungskennzahl in einem Frühdienst 10. Dann bedeutet das, dass zehn Patienten/Bewohner von einem Mitarbeiter betreut werden. Bei zum Beispiel 40 Betten entspricht das vier Frühdiensten.

5.1  Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

249

Die Toleranz-Bandbreite beträgt 20 Prozent nach unten und oben, so dass acht bis zwölf Patienten je Mitarbeiter zu betreuen sind. Nun sinkt beispielsweise an einem Tag die Belegung auf 34 Betten und zugleich fällt ein Mitarbeiter kurzfristig krankheitsbedingt aus. Dann ergibt sich eine Ist-Besetzungskennzahl von (34 Betten/(4 Dienste − 1 Dienst) =) 10,3. Da sich die Besetzungskennzahl zwischen 8 und 12 bewegt, muss trotz Ausfall eines Mitarbeiters kein Ausfallzeiteninstrument aktiviert werden, weil zugleich ja auch der Arbeitsanfall gesunken ist. Wäre die Belegung hingegen bei 40 Betten geblieben, hätte die Besetzungskennzahl (40 Betten/(4 Dienste − 1 Dienst) =) 13,3 betragen. Das Ausfallzeiteninstrument wäre dann zu aktivieren gewesen. Unabhängig von intern aufgestellten Vorgaben zur Soll-Besetzung oder zur Besetzungskennzahl ist darauf zu achten, dass auch nach (also unter Berücksichtigung von) Ausfallzeiten gegebenenfalls abrechnungsrelevante Besetzungsanforderungen (wie etwa Komplexpauschalen in der Intensivmedizin) beziehungsweise GB-A-Richtlinien (etwa für Perinatal-Zentren) sowie etwaige Vorgaben der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung und vorgegebene Fachkraft-Mindestquoten stets eingehalten werden.

5.1.5.6 Was tun bei zu hohem Krankenstand? Die gesamte Krankenquote sollte für das Ausfallzeitenmanagement nur angesetzt werden, wenn der Krankenstand sich in einem vom Haus festgelegten Zielkorridor bewegt. Personalausfälle, die deutlich darüber liegen – bezogen auf die gesamte Berufsgruppe der Pflege im gesamten Hause – sollten nicht durch ein Ausfallzeitenmanagement abgedeckt werden. Sie erhöhen ansonsten die Arbeits- und Flexibilitätsbelastung der gesunden Kollegen unzumutbar. Das kann sogar einen Teufelskreis aus Belastung und Krankenstand auslösen beziehungsweise verstärken. Es ist eine Illusion zu glauben, der Krankenstand ginge allein durch ein Ausfallzeitenmanagement zurück. Dafür gibt es keine empirischen Belege – und oft hört man aus den Einrichtungen sogar das Gegenteil. In Organisationseinheiten mit Krankenständen von mehr als durchschnittlich 5 Prozent müssen daher gezielte Maßnahmen des Gesundheitsmanagements ergriffen werden. Beträgt also der Krankenstand zum Beispiel 8 Prozent, sollte bei der arbeitsplatzbezogenen Personalbedarfsberechnung dieser Wert gleichwohl auf ungefähr 5 Prozent gedeckelt werden (Abschn. 2.3.3). Würde eine höhere Quote angesetzt, kann diese übrigens ihrerseits krankenstandserhöhend wirken: Schließlich wird bei Dienstplanung unter strikter Beachtung der Soll-Besetzung die Arbeitszeit der Mitarbeiter nur dann erreicht, wenn sie ihr Kranken-Soll erfüllen. Deshalb nennen wir diesen methodischen Fehler auch „SollKrankenstand“: Wird der kalkulierte Krankenstand nicht erreicht, kämen die Mitarbeiter nicht auf ihre Arbeitszeit. Zudem sollte niemals mit teambezogenen Krankenquoten kalkuliert werden, sondern grundsätzlich mit dem durchschnittlichen Krankenstand des Pflegedienstes der Einrichtung. Sonst würden in kleinen Teams Zufallsschwankungen der Vergangenheit zur Grundlage der Planung gemacht werden. Von dieser Grundlage kann dann abgewichen werden, wenn ein Team ein oder zwei häufig kranke Mitarbeiter auffangen muss. Für solche Fälle muss eine individuelle Lösung gefunden werden.

2505  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

5.1.5.7 Wie groß müssen die Vertretungsbereiche sein? Um das Ausfallmanagement praktikabel zu machen, müssen die kalkulatorischen Stellenanteile aus ihrem abstrakten Gesamtwert in konkrete Joker- oder Stand-By-Dienste „übersetzt“ werden. Anders als in unserem Muster-Beispiel unter Abschn. 5.1.3 muss das Ausfallzeitenmanagement so kalkuliert werden, dass eine durchgehende Vertretung an allen Wochentagen realisierbar ist. Die Frage lautet daher: Reicht das dafür vorgesehene Stellenkontingent aus, um eine durchgehende Vertretung zu organisieren? Und wie groß müssen dafür die Vertretungsbereiche sein? Dazu sind folgende Überlegungen erforderlich: • Welche Dienstlagen sollen vertreten werden? Hierbei sind selbstverständlich auch Mischformen möglich – zum Beispiel Joker-Dienste im Spätdienst und Stand-ByDienste im Nachtdienst. Nicht abgedeckte Dienstlagen müssen dann entweder durch Verschiebung der Dienstzeiten eines Joker-Dienstes oder durch Service- und Leistungsflexibilität aufgefangen werden. In unserem Muster-Beispiel sollte nur der Zwischendienst unmittelbar vertreten werden – und aus diesem heraus dann bei Bedarf auch die Früh- und Spätdienste. Allerdings reichte auch dies aufgrund der zu kleinen personellen Einheit ja nicht aus, um an jedem Tag der Woche eine Vertretung einplanen zu können. Das führt zur nachfolgenden Frage. • Welche Arbeitsbereiche (Stationen/Wohnbereiche/Teams) sollen eine Vertretungseinheit bilden? Bei der Entscheidung, welche Bereiche hierzu zusammengefasst werden, sollten qualifikatorische und logische Kriterien herangezogen werden. Es sollten jedoch möglichst viele Bereiche eine gemeinsame Vertretungseinheit bilden. Je größer diese ist, desto robuster ist das Vertretungssystem. In größeren Vertretungseinheiten kann eher mit Joker-Diensten gearbeitet werden. Damit kann auf die meist kostenintensiveren Stand-By-Dienste verzichtet werden. Außerdem muss das Vertretungsvolumen so groß sein, dass alle potenziell zu vertretenden Tage abgedeckt werden können.

5.1.5.8 Arbeitshilfe für die Berechnung des Vertretungspotenzials (Tool G) Diese Überlegungen können anhand eigener Daten mit Hilfe des Tools G ausprobiert werden. Das Tool ermittelt die rechnerisch erreichbare Besetzungsstärke von Joker- oder Stand-By-Diensten – je nachdem, welche Dienstlagen vertreten werden sollen und wie die Vertretungsbereiche „geschnitten“ werden. Wieder haben wir dazu unser Muster-Beispiel herangezogen. ▶▶

Tool G: Berechnung des Vertretungspotenzials

Abb. 5.18 zeigt zunächst die erforderlichen Grundeinstellungen des Tools. Abb. 5.19 zeigt einen Auszug aus den Tabellenblättern „Bereiche“. Darin wird der arbeitsplatzbezogene Personalbedarf je Bereich auf Basis der Soll-Besetzung ermittelt. Dieses Blatt kann auch aus Tool B kopiert werden und wird dadurch mit Tool G verknüpft. Abb. 5.20 zeigt das Tabellenblatt „Überblick Ausfallkonzept“:

5.1  Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

251

Abb. 5.18  Tool G (Auszug) – Grundeinstellungen (Tool mit Springer Nature More Media App ansehen)

• Hier ist zum einen die Eingabe erforderlich, welcher Vertretungseinheit (im Tool: Gruppe) die jeweiligen Bereiche zugeordnet werden sollen – im Bild wurden die Gruppen A bis C ausgewählt. • Zum anderen ist, falls Stand-By-Dienste eingesetzt werden sollen, die angestrebte Nutzungsquote einzutragen. Wird der maximal empfohlene Wert von 50 Prozent eingetragen, bedeutet dies, dass durchschnittlich jeder zweite Stand-By-Dienst aktiviert werden wird. Im unteren Teil des Tools wird im Überblick unter „Stellenplan Krankheit pro Vertretungseinheit“ der Stellenbedarf ausgewiesen, der in Joker- sowie Stand-By-Dienste fließen kann. Man erkennt, dass logischerweise die Anzahl der einteilbaren Joker-Dienste beziehungsweise Stand-By-Dienste steigt, je mehr Einheiten in einer Vertretungseinheit zusammengefasst werden. Die beiden Felder „Anzahl Joker-Dienste“ und „Anzahl StandBy-Dienste“ fassen zusammen, welches Mischungsverhältnis unter den einzelnen Tabellenblättern für die Vertretungseinheit gewählt wurde. Zunächst stehen beide noch auf „0“, denn in den Tabellenblättern wurde noch nichts ausgewählt.

2525  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Abb. 5.19  Tool G (Auszug) – Arbeitsplatzbezogener Personalbedarf je Bereich

Nun wechselt man in die Tabellenblätter, die mit „Gruppe“ bezeichnet sind (Abb. 5.21). Jede Gruppe repräsentiert eine Vertretungseinheit. In die beiden Tabellen kann nun eingetragen werden, in welchen Dienstlagen eine Vertretung erfolgen soll – oben Joker-Dienste, unten Stand-By-Dienste. Zunächst müssen Joker-Dienste eingetragen werden. Zum Beispiel soll im Zwischendienst an allen Tagen Montag bis Sonntag ein Joker eingeteilt werden. Neben dem Dienstkürzel trägt man die Dienstdauer – hier von 10 Stunden – und die Besetzungsstärke „1“ ein. Im Tabellenblatt wird nun unter „Stellenbedarf brutto“ die für die bislang eingeteilten Joker-Dienste gebundene Personalkapazität ausgewiesen. Das Ergebnis leuchtet rot, wenn die im Tabellenblatt „Überblick Ausfallkonzept“ aus Abb. 5.20 errechnete Vertretungsreserve überschritten wird. Sofern noch „Luft“ ist oder wenn keine Joker-Dienste eingeteilt wurden, kann das Tool automatisiert berechnen, wie viele Stand-By-Dienste rechnerisch eingeteilt werden können, bis das Vertretungsbudget verbraucht ist. Hierfür muss man lediglich das Kürzel und die Dauer des Stand-By-Dienstes eintragen. Das Tool verteilt die Reserve automatisch

5.1  Das Planbare konsequent verplanen – und auch das Unplanbare

253

Abb. 5.20  Tool G (Auszug) – Festlegung der Vertretungsgruppen

auf alle Tage von Montag bis Sonntag. Werden mehrere Dienstlagen ausgewählt, so verteilt das Tool die Reserve unter Berücksichtigung der Dienstdauern auf die Dienstlagen. Das Ergebnis, also die Anzahl der pro Tag besetzbaren Joker- beziehungsweise StandBy-Dienste, wird nun im Übersichtsblatt angezeigt. Dadurch lässt sich nun erkennen, welche Dienstlagen bei welcher Gruppengröße mit wie viel Joker-Diensten (analog: Stand-by-Diensten) abgedeckt werden können. Je mehr Dienstlagen ausgewählt werden, desto kleiner ist natürlich die Anzahl möglicher Vertretungsdienste.

2545  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Abb. 5.21  Tool G (Auszug) – Dienstlagen und Besetzung der Ausfallzeiteninstrumente in der Vertretungsgruppe

Zusammenfassung 

Gute Dienstpläne zeichnen sich – im Interesse ihrer Verlässlichkeit – dadurch aus, dass in ihnen nicht nur die planbaren Ausfallzeiten (vor allem Urlaub) möglichst vollständig verplant werden. Auch die nicht planbaren Ausfallzeiten (vor allem Krankheit) können so vorstrukturiert werden, dass der Bedarf an Dienstplanänderungen auf wenige Ereignisse reduziert wird. Dazu müssen die Wahrscheinlichkeiten des Eintritts nicht planbarer Ausfallzeiten analysiert werden.

5.2  Leistungs- und Serviceflexibilität: Priorisierung schafft Handlungssicherhe

255

Dann erfolgt die Auswahl der Instrumente, die bei Ausfällen zum Einsatz kommen sollen, und der Indikatoren, die nachvollziehbar anzeigen, bei welcher Auslastungssituation die Instrumente aktiviert werden sollen. Auf dieser Grundlage kann ein systematisches Ausfallzeitenmanagement etabliert werden.

5.2

Leistungs- und Serviceflexibilität: Priorisierung schafft Handlungssicherheit

5.2.1 Prinzip der Leistungs- und Serviceflexibilität Nicht immer müssen Ausfallzeiten vertreten werden. Das ist dann vermeidbar, wenn bei Ausfall eines Kollegen die verbliebenen nur relativ wenig mehr leisten müssen – also bei hohen Besetzungsstärken, etwa im Frühdienst. Das kommt in der Regel ab einer Besetzungsstärke von 4 und höher infrage, bei der bei einem Ausfall auf die Verbliebenen „nur“ maximal 33 Prozent potenzielle Zusatzarbeit hinzukommt. „Potenziell“ deshalb, weil das Arbeitsvolumen, um die Arbeitsaufgaben innerhalb der Dienstzeit bewältigen zu können, ja teilweise reduziert oder verschoben werden kann, um die Arbeitsverdichtung zu begrenzen. Es muss also verschiebbare und reduzierbare Aufgaben geben, durch die die Arbeitsaufgaben in gewissem Umfang elastisch sind. Und diese Aufgabenanteile müssen den Mitarbeitern bekannt sein. Dann ist eine Arbeitsverdichtung vermeidbar, mindestens aber reduzierbar, obwohl die Besetzungsstärke unterhalb der Soll-Besetzung liegt. Die Realität ist vielerorts aber eine andere: Die Mitarbeiter sind sich unsicher, welche Leistungen sie einschränken dürfen und ab wann ein Ersatz gerufen werden kann. Auf die Fragen „Was muss ich schaffen?“, „Was darf ich weglassen oder verschieben?“ und „Wann gibt es Ersatz?“ erhalten sie keine oder keine befriedigende Antwort. Im Zweifel machen die Mitarbeiter „immer alles wie bisher“. Beispielsweise werden alle Betten frisch bezogen, weil dies für den Dienst anstand, obwohl ein Kollege erkrankt ist. Sowohl der Mehraufwand als auch die Handlungsunsicherheit können zu Überforderungen führen. Niemand möchte sich gern vorhalten lassen, erwartete Leistungen aus Zeitmangel unterlassen zu haben – möglicherweise mit Effekten auf die Betreuungsoder gar die Behandlungsqualität. Und niemand geht gern schlechten Gewissens mit dem Gefühl nach Hause, selbstgesetzten oder vorgegebenen Ansprüchen nicht gerecht geworden zu sein.

5.2.2 Orientierungsschemata statt Handlungsunsicherheit Um solchen Handlungsunsicherheiten vorzubeugen, ist ein durch die Pflegedienstleitung vorgegebenes Orientierungsschema hilfreich. Dies ist eine Verfahrensanweisung, die schriftlich für jeden Arbeitsbereich erstellt wird und in diesen für alle Beteiligten

2565  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

verfügbar ist. Die Mitarbeiter werden in die Anwendung des Orientierungsschemas eingewiesen. Die Orientierungsschemata sollten gegebenenfalls als Bestandteil in Qualitätsmanagement-Anweisungen oder -Handbücher aufgenommen werden. Im Orientierungsschema wird festgehalten, welche Leistungen gegebenenfalls eingeschränkt oder verschoben werden können. Es findet eine Priorisierung der Aufgaben statt, so dass solche Tätigkeiten entfallen oder verschoben werden können, auf die am ehesten verzichtet werden kann. Zudem ist auch hier – wie zu allen Instrumenten des Ausfallzeitenmanagements – die Indikationsstellung erforderlich: Bis wann greift das Schema? Das führt zu folgender grundsätzlichen Entscheidungskaskade: • Der Indikator (Soll-Besetzung oder Besetzungskennzahl; siehe Abschn. 5.1.5) bewegt sich im vereinbarten Toleranzbereich. Dann ist keine Anpassungsreaktion erforderlich. • Der Indikator zeigt – für zuvor festgelegte Dienstlagen, zum Beispiel die stärker besetzten Frühdienste – an, dass die Toleranz-Bandbreite überschritten ist. Der Umfang der zu erbringenden Arbeitsaufgaben wird gemäß Orientierungsschema angepasst. • Der Indikator zeigt an, dass auch die Indikator-Besetzung überschritten ist, bis zu der das Orientierungsschema greifen soll. Weitere Instrumente zur Ausfallzeitenvertretung werden aktiviert. Abb. 5.22 und 5.23 zeigen praktische Beispiel aus Krankenhäusern für Verfahrensanweisungen zum Umgang mit Leistungs- und Serviceflexibilität.

Abb. 5.22  Priorisierungsliste der Aufgaben bei Personalausfall

5.2  Leistungs- und Serviceflexibilität: Priorisierung schafft Handlungssicherhe

257

Abb. 5.23  Priorisierung und Einschränkung von Pflegeaufgaben

5.2.3 Fallbeispiel In Fallbeispiel 8 erläutert der Pflegedirektor eines Krankenhauses den strukturierten Umgang mit Unterschreitungen der Soll-Besetzung.

Fallbeispiel 8: Sicherstellung der Besetzungsvorgaben – auch in außergewöhnlichen Situationen

Matthias Düker, Pflegedirektor des Paulinenkrankenhauses, Berlin Das Paulinenkrankenhaus in Berlin ist eine moderne Spezialklinik mit einer Fachabteilung für Innere Medizin. Es behandelt Patienten von der postoperativen Phase nach thorakalen Eingriffen bis zur Entlassung in die stationäre oder ambulante Rehabilitation oder nach Hause. Das Paulinenkrankenhaus hat 148 Betten und circa 250 Mitarbeiter. Unterschreitung der Soll-Besetzung  – größte Herausforderung des Personaleinsatzes Ziel ist es, die Patienten immer, also auch bei hohem Pflegeaufwand oder reduzierter Mitarbeiterzahl, gemäß den Qualitätsstandards sicher zu versorgen. Dazu werden

2585  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Soll-Besetzungen festgelegt, die bei entsprechendem Besetzungsbedarf dienstplanseitig möglichst durchgehend realisiert werden. Allerdings kommt es auch im Paulinenkrankenhaus zu unvorhersehbarem, raschen Reaktionsbedarf. Gewährleistung der Patientensicherheit durch strukturiertes Vorgehen Damit auch in solchen besonderen Situationen die Qualitätsansprüche erfüllt werden können und nicht jedes Mal neue Reaktionsmöglichkeiten „erfunden“ werden müssen, hat der Pflegedienst im Paulinenkrankenhaus in einer „Dienstanweisung zur Gewährleistung einer sicheren Pflege in außergewöhnlichen Situationen“ geregelt, welche Maßnahmen die Pflegekräfte der Intensiv- und Normalstationen in welcher Reihenfolge ergreifen müssen. So wurden verschiedene Grundsätze, Entscheidungsgrundlagen, eine Liste zur Verlagerung von Tätigkeiten, das Konzept der priorisierten Pflege (Tab. 5.2) und die Informationsweitergabe verankert. Die Grundsätze 1. Grundsatz: Bereichs- beziehungsweise Stationsleitungen und Schichtleitungen sind im Fall einer „besonderen Situation“ erster Ansprechpartner für die Mitarbeiter. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass die Pflege für die Patienten sicher ist. Sie müssen nach entsprechender Information durch den Mitarbeiter umgehend geeignete Maßnahmen ergreifen, um die sichere Patientenpflege aufrechtzuerhalten, wiederherzustellen und um kritische Situationen zu verhindern. Zu diesem Zweck muss der Verantwortliche alle organisatorischen Möglichkeiten nutzen. Dazu gehört auch, Tätigkeiten in andere Schichten zu verlagern. Bei Bedarf muss der Arzt Prioritäten für die Reihenfolge der Patientenbetreuung und/oder die Aufgabenerledigung zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit festlegen. Wenn der unmittelbare Vorgesetzte (am Wochenende die diensthabende Bereichs- oder Stationsleitung) nicht zu erreichen ist, ruft der Empfang – zunächst – die verantwortliche Pflegekraft in Rufbereitschaft an. 2. Grundsatz: Als erste Maßnahme greifen Änderungen im internen Personaleinsatz innerhalb einer Station. Diese werden in der Regelarbeitszeit durch die Bereichsleitungen, tagsüber am Wochenende durch die diensthabende Bereichs- oder Stationsleitung und zu allen anderen Zeiten durch den Pflegedienstleiter in Rufbereitschaft koordiniert. Bei Bedarf kann der jeweilige Verantwortliche Unterstützung von anderen Stationen, ggf. auch nur für bestimmte, allein nicht zu erledigende Tätigkeiten, organisieren. 3. Grundsatz: Sofern Maßnahmen des internen Personaleinsatzes für die Sicherstellung der Patientensicherheit nicht ausreichen, kann der jeweils Verantwortliche externe Personalressourcen (Pool von geringfügig Beschäftigten, Leasing, ggf. Einsatz von Pflegehelfern der Servicegesellschaft) aktivieren. 4. Grundsatz: Mitarbeiter, die vorübergehend die sichere Patientenversorgung nicht gewährleisten können, müssen die nachstehende Meldung ausfüllen und an die Leitungskraft weiterleiten. Die Mitarbeiter entscheiden eigenverantwortlich über die Durchführung der priorisierten Pflege. Darüber hinaus legen sie auch fest, welche

5.2  Leistungs- und Serviceflexibilität: Priorisierung schafft Handlungssicherhe

259

Tab. 5.2  Dokumentation der Maßnahmen zur Pflege in außergewöhnlichen Situationen Station:

Datum:

Dienst:

Uhrzeit:

Als Mitarbeiter/in oben genannter Station habe/n ich/wir folgende Maßnahmen veranlasst, um eine sichere Pflege in außergewöhnlichen Situationen zu gewährleisten: 1. Reduzierte bzw. in andere Schichten übertragene Tätigkeiten

Ankreuzen

Mobilisation



Grundpflege/Waschen



Lagerungsintervalle

1 × □ 2 × □

Wiegen



Routinewechsel von venösen Zugängen



Assistenz bei ärztlichen Eingriffen (nur auf unmittelbare Anordnung)



Medikamente stellen für den Frühdienst



2. Reduzierung des Pflegeaufwandes/entlastende Maßnahmen

Ankreuzen

Körperpflege

Intimbereich, Gesäß, Gesicht, Achseln u. Prophylaxen



keine Zusatzpflege (Haarwäsche u. ä.)



Bett beziehen nur bei dringendem Bedarf



Beschränkung auf komplexe Patienten



keine routinemäßige Visitenbegleitung



nur patientenbezogene Dokumentation (Expresspflege in m.life)



Visitenbegleitung Administration

3. Besetzung der Schicht

Eintragen

Anzahl Pflegekräfte Anzahl Leasingkräfte Anzahl Hilfskräfte Anzahl Patienten 4. Zusatzleistungen

Eintragen

Anzahl Aufnahmen von Extern Anzahl interner Aufnahmen Patienten mit akuter Zustandsverschlechterung Reanimationsfälle Sonstiges (Verlegungen etc.) 5. Vom Arzt veranlasste Maßnahmen zur Gewährung der Versorgungssicherheit

Tätigkeiten ggf. in eine andere Schicht verlagert werden müssen – es sei denn, die verantwortliche Pflegeleitung hat das schon getan. Darüber hinaus muss der Mitarbeiter den Stationsarzt beziehungsweise den diensthabenden Arzt über die besondere Situation informieren, damit dieser die Verlegung von

2605  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Patienten auf andere Stationen prüfen und – gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem Oberarzt – hierüber entscheiden kann. Entscheidungsgrundlagen Bei der Entscheidung, ob und ggf. welche speziellen Maßnahmen für die sichere Pflege ergriffen werden müssen, greift der jeweilige Pflegeverantwortliche auf folgende Informationen zurück: • Einschätzung der Tagesbesetzung: die qualitative und quantitative Zusammensetzung des Personals im Früh-, Spät- beziehungsweise Nachtdienst • Möglichkeiten des Personaltausches innerhalb der Station und stationsübergreifend über alle Stationen des Hauses • Aktueller Pflegeaufwand gemessen über Patientenbewegungen, notwendige Prozeduren, besondere Überwachungsintensität, erhöhten Grundpflegeaufwand (unter anderem Patienten im Delir), Bettenbelegung der einzelnen Stationen, im Intensivbereich beatmete Patienten und frisch operierte Patienten. • Laufende Neueinschätzung der Abteilungssituation und Entscheidung über Weiterführung oder Aufhebung des „Express-Pflegeplans“ während der betreffenden Schicht Verlagerung von Routinetätigkeiten in andere Schichten Um den Pflegekräften Sicherheit dahingehend zu geben, welche Aufgaben sie bei Bedarf verlagern können, wurden diese in der Dienstanweisung aufgeschrieben: • • • • •

Auffüllen von Schränken Routinekontrolle und Auffüllen von Reanimations- und Verbandswagen Hol- und Bringedienste Ausbildungsaufgaben: Anleitung von Schülern und Praktikanten In besonderen Fällen: Verteilung der Medikamentenstellung für den nächsten Tag vom Nachtdienst auf alle Schichten

Priorisierte Pflege Mögliche Leistungseinschränkungen in der Pflege sollen auf den absoluten Ausnahmefall begrenzt werden. Für drei Tätigkeitsbereiche wurden die zwingend zu erledigenden Aufgaben sowie eventuell verzichtbare Aufgaben festgelegt. Diese Maßnahmen betreffen vorübergehend die Körperpflege, die Visitenbegleitung und die Mobilisierung. • Körperpflege: Die Pflegekräfte pflegen den Intimbereich, das Gesicht, die Achseln, machen Mundpflege und Prophylaxen. Es erfolgt allerdings keine „Zusatzpflege“ wie zum Beispiel das Waschen der Haare oder die Pflege der Nägel. Betten werden nur bei dringendem Bedarf bezogen. Im Dokumentationssystem erfolgt ein Vermerkt über die priorisierte Pflege.

5.2  Leistungs- und Serviceflexibilität: Priorisierung schafft Handlungssicherhe

261

• Visitenbegleitung: Die Pflegekräfte begleiten die Visite nur bei schwierigen, komplexen Patienten beziehungsweise stimmen sich mit dem zuständigen Arzt darüber ab, ob dieser alleine visitiert. • Mobilisierung: Die Pflegekraft bespricht mit dem zuständigen Arzt, ob ggf. mobilisierende, aktivierende und rehabilitierende Pflegemaßnahmen eingeschränkt werden können. Informationsweitergabe Das nachfolgende Schema zeigt, wer wen über die ergriffenen Maßnahmen zur Gewährleistung der Patientensicherheit informiert (Tab. 5.3). Erleichterung des (Pflege-)Alltags Nach einigen Jahren der Praxis stellen wir fest, dass unsere Dienstanweisung für sichere Pflege in außergewöhnlichen Situationen im Paulinenkrankenhaus funktioniert. Für die Pflegekräfte bietet sie die Möglichkeit, bei kurzfristig nicht zu ersetzendem Personalausfall geeignete Prioritäten zu setzen, um die Versorgungssicherheit auf der Station aufrechtzuerhalten.

Zusammenfassung 

Mittels Leistungs- und Serviceflexibilität kann der Vertretungsbedarf reduziert werden, indem innerhalb einer bestimmten Toleranzbandbreite nicht vertreten, sondern der Umfang der Arbeitsaufgaben „gedrosselt“ wird. Dazu bedarf es verbindlicher Orientierungsschemata, in denen festgehalten wird, welche Aufgaben die Mitarbeiter gegebenenfalls weglassen oder verschieben sollen. Zudem muss so verbindlich wie möglich – in Form von Indikatoren – festgelegt werden, in welchen Arbeitssituationen das Orientierungsschema greift und ab wann eine Vertretung der Ausfallzeiten aktiviert werden muss.

Tab. 5.3  Matrix zur Informationsweitergabe Wer?

Wen?

Worüber?

Pflegefachkraft

Verantwortliche Führungskraft

Situative Belastung

Stationsarzt oder diensthabenden Arzt

Einsatz der Expresspflege und Aussetzung anderer Tätigkeiten

PDL (schriftlich) Verantwortliche Führungskraft

Oberarzt

Einsatz der Expresspflege Abstimmung über reduzierende Maßnahmen

2625  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

5.3 Kurzfristige Arbeitszeitflexibilität: Stand-By-Dienste oder Rufbereitschaft? 5.3.1 Stand-By-Dienste Stand-By-Dienste eignen sich vor allem für personell kleinere Organisationseinheiten, in denen aus qualifikatorischen oder logistischen Gründen keine teamübergreifenden und damit einsatzflexiblen Vertretungsformen etabliert werden können. Mögliche übergreifende Vertretungsformen sollten immer vorrangig geprüft werden: Stand-By-Dienste verbessern zwar den Umgang mit den Einspringen aus dem Frei durch bessere Vorplanung deutlich. Aber sie bleiben eben weiterhin ein Instrument der Arbeitszeitflexibilisierung. Diese sollte unter dem Gesichtspunkt der Verlässlichkeit der Dienstplanung jedoch auf das Notwendige und Unvermeidbare reduziert werden. Stand-by-Modelle sind derzeit in der Praxis häufiger im Einsatz als einsatzflexible Lösungen (insbesondere Joker-Dienste) – auch dann, wenn größere Vertretungseinheiten gebildet werden könnten. Dies zeigt, dass die meisten Ausfallzeitenkonzepte derzeit noch zu kurz greifen, indem sie den unseres Erachtens langfristig erfolgsentscheidenden Aspekt – die Vergrößerung der Steuerungseinheiten – noch nicht oder nicht ausreichend aufgreifen. Ein zweiter Anwendungsgrund für Stand-By-Dienste kann sein, dass sie – in größeren Vertretungseinheiten – einsatzflexible Instrumente ergänzen. Das ist in zwei Fällen sinnvoll: • Einfach oder lediglich doppelt besetzte Dienstlagen wie vor allem Nachtdienste weisen auch in größeren personellen Einheiten eine zu geringe Eintrittswahrscheinlichkeit des krankheitsbedingten Ausfalls auf. Das zeigt die Anwendung des Tools G (siehe Abschn. 5.1.5). Daher kann es sinnvoll sein, für einzelne Dienstlagen Stand-By-Dienste vorzusehen. Alternativ würde die Vertretung dünnbesetzter Dienstlagen entweder durch Einspringen aus dem Arbeitsfrei oder durch eine Verschiebung anderer Dienste in die Nacht – etwa des Spätdienstes – aufgefangen werden müssen. • Für die hoch ausfallwahrscheinlichen Ereignisse wurde bereits eine einsatzflexible Lösung entwickelt. Jedoch soll auch für weniger wahrscheinliche Ereignisse – wie den zweiten oder dritten Kranken am selben Tag – ein Vertretungsinstrument bereitgestellt werden, das aufgrund der geringeren Inanspruchnahme nur ein arbeitszeitflexibles Instrument sein kann. Beispielsweise liege die Ausfallwahrscheinlichkeit eines ersten Kranken in einem Vertretungsbereich bei 80 Prozent. Dann ist dafür ein JokerDienst das perfekte Instrument. Die Ausfallwahrscheinlichkeit eines zweiten Kranken am selben Tag betrage jedoch immer noch 40 Prozent, also beträgt die Gesamtwahrscheinlichkeit 120 Prozent. Dann kann es sinnvoll sein, den zweiten Kranken mit einem Stand-By-Dienst aufzufangen.

5.3.1.1 Wie funktioniert ein Stand-By-Dienst? Stand-By-Dienste werden wie andere Dienste auch definiert, mitbestimmt und bei der Dienstplanung verwendet. Sie werden zusätzlich zur Soll-Besetzung eingeteilt, treten aber

5.3  Kurzfristige Arbeitszeitflexibilität: Stand-By-Dienste oder Rufbereitschaft?

263

an die Stelle von Überschreitungen der Soll-Besetzung im Rahmen von „Krankheitslotterien“ (Abschn. 5.1.3). Durch Stand-By-Dienste wird die vorgehaltene Reserve für die Vertretung von Ausfallzeiten aktiviert. Bei Monatsdienstplanung erfolgt die Stand-By-Dienstverteilung im Rahmen der Monatsplanung. Bei Grunddienstplänen oder Rahmendienstplänen kann die Einteilung der Stand-By-Dienste entweder jahresbezogen erfolgen oder im Rahmen der Monatsfeinplanung. In jedem Fall führt die dienstplanmäßige Verteilung der Stand-By-Dienste dazu, dass der mögliche Einsatz verlässlicher vorhersehbar ist. Die Mitarbeiter, die arbeitsfrei haben, können sich – abgesehen von Notfällen oder extremen Krankheitsballungen – darauf verlassen, dass ihr Arbeitsfrei ungestört bleibt. Die Nutzungsquote des Stand-By-Dienstes sollte, wie bereits beschrieben, möglichst zwischen circa 20 und circa 50 Prozent liegen. Der Stand-By-Dienst besteht aus einer Bereithaltezeit und einer möglichen Einsatzzeit. Die Bereithaltezeit beträgt meist 15 bis 30 Minuten und liegt in der Regel mindestens eine halbe Stunde vor Beginn der zu vertretenden Dienstzeit, damit der Mitarbeiter im Falle eines Einsatzes noch rechtzeitig eintreffen kann. Die mögliche Einsatzzeit entspricht der zu vertretenden Dienstzeit. Zum Beispiel wird für den Zwischendienst in unserem MusterBeispiel ein Stand-By-Dienst eingerichtet: Da dieser Dienst um 07:30 Uhr beginnt, wird als Bereithaltezeit die Zeitspanne 06:30–06:45 Uhr vereinbart. Die Einsatzzeit bei Bedarf entspricht der des Zwischendienstes. Der in einem Stand-By-Dienst eingeteilte Mitarbeiter hält sich während der Bereithaltezeit telefonisch verfügbar. Wird er in dieser Zeit angerufen (oder, wenn dies so vereinbart wurde: hat er selbst angerufen oder wurde via „WhatsApp“ oder per SMS informiert), tritt er bei Bedarf den regulären Dienst – in der Regel über die gesamte Dienstzeit – an. Wird er nicht zur Krankheitsvertretung benötigt, so hat er nach Ende der Bereithaltezeitspanne arbeitsfrei. Wird er im Muster-Beispiel bis 06:45 Uhr nicht zum Einsatz gebeten, kann er den verbleibenden Tag für sich frei nutzen. Für eine sinnvolle Nutzbarkeit des Instruments ist es erforderlich, dass etwaige Krankmeldungen rechtzeitig die disponierende Führungskraft erreichen. Nur dann kann sie den Einsatz bei Bedarf noch innerhalb der Bereithaltephase organisieren. Die Mitarbeiter sind daher angehalten, etwaige kurzfristig auftretende Krankheitssymptome vor dem eigenen Dienstbeginn rechtzeitig – etwa direkt nach dem Aufwachen am Morgen – daraufhin zu prüfen, ob sie zur eigenen Arbeitsunfähigkeit führen. Dies ist jedoch meist unproblematisch, denn bis auf extrem akute Erkrankungen – etwa ein Unfall auf dem Weg zur Arbeit oder ein Krankwerden während des schon angetretenen Dienstes – lassen sich Arbeitsunfähigkeiten rechtzeitig genug ankündigen. Abb. 5.24 zeigt das Prinzip des Stand-By-Dienstes in grafischer Form.

5.3.1.2 Arbeitszeitanrechnung von Stand-By-Diensten Pro Stand-By-Dienst wird ein bestimmtes Arbeitszeitvolumen angerechnet, das oberhalb der reinen Bereithaltezeit liegt. In einigen Häusern wird anstelle von Arbeitszeitanrechnungen auch eine Vergütung von Stand-By-Diensten vereinbart – in Geld oder manchmal

2645  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden Abb. 5.24  Prinzipdarstellung des Stand-By-Dienstes

auch Sachmitteln wie Tankgutscheinen oder dergleichen. Damit wird auch die Einschränkung materiell kompensiert, den Tag erst ab Ende der potenziellen Dienstzeit garantiert für sich nutzen zu können. Die vereinbarte angerechnete Arbeitszeit liegt bei den meisten Regelungen, die eine zeitliche Kompensation vorsehen, zwischen 1 und 1,5 Stunden pro Stand-By-Dienst. Teilweise werden in der Praxis aber auch höhere Anrechnungsvolumina zwischen den Betriebsparteien ausgehandelt. Selbstverständlich wird die gegebenenfalls erbrachte Dienstzeit stets dem Zeitkonto gutgeschrieben – zusätzlich zur Arbeitszeitanrechnung für die Bereithaltung. In manchen Häusern wird die Bereithaltezeit nur für den Fall angerechnet, dass kein Einsatz stattfand. Betriebswirtschaftlich ist ein Stand-By-Dienst trotz der zusätzlichen Arbeitszeitanrechnung meist günstig, weil er hinsichtlich der Einsätze sehr passgenau dosiert werden kann: Ist kein Einsatz erforderlich, findet er auch nicht statt. Hingegen lösen alternative Verfahren wie die „Krankheitslotterie“ höhere Verpuffungseffekte aus, die an anderer Stelle zu Zeitguthabenaufbau beziehungsweise Überstunden führen. Sie lösen damit in der Regel höhere Kosten aus als Stand-By-Dienste. Ein häufiger Fehler bei der Ausgestaltung eines Stand-By-Dienstes ist es, dass er im PEP-System nicht mit einer bestimmten Arbeitszeit hinterlegt wird, sondern zum Beispiel planmäßig zunächst mit 0 Stunden oder nur mit der Bereithaltezeit. Die korrekte zu hinterlegende Arbeitszeit kann jedoch einfach dadurch bemessen werden, dass die potenziell zu vertretende Dienstzeit mit der Einsatzwahrscheinlichkeit multipliziert wird. Ist beispielsweise ein Dienst mit einer Dienstdauer von 10 Stunden Arbeitszeit zu vertreten und beträgt die Einsatzwahrscheinlichkeit 50 Prozent (in jedem zweiten Stand-By-Dienst erfolgt durchschnittlich ein Einsatz), so könnte sich ein anzusetzende Arbeitszeit von (10 Stunden × 0,5 =) 5 Stunden empfehlen. Warum ist diese Handhabung wichtig? Aus zwei Gründen: • Zeitkontenführung: Für die Zeitkontenführung ist es empfehlenswert zu wissen, wie sich der Zeitsaldo dienstplanmäßig voraussichtlich entwickeln wird. Wird der StandBy-Dienst mit 0 Stunden hinterlegt, entstünde der falsche Eindruck, dass der Zeitsaldo trotz Stand-By-Diensteinteilung ins Minus läuft. Der Zeitsaldo muss ja aufgrund der Nettoarbeitszeiteinteilung im Dienstplan vor Berücksichtigung der Ausfallzeiten durchschnittlich ins Minus laufen, jedoch nicht nach Berücksichtigung derselben. Die angerechnete Arbeitszeit sollte daher die Wahrscheinlichkeit ausdrücken, mit der ein

5.3  Kurzfristige Arbeitszeitflexibilität: Stand-By-Dienste oder Rufbereitschaft?

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Stand-By-Dienst aufgrund der Einsätze, die aus ihm heraus erfolgen, angerechnet wird und in das Zeitkonto einfließt. • Krankheitsausfall: Fällt der im Stand-By-Dienst eingeteilte Mitarbeiter selbst krankheitsbedingt aus, muss es für ihn eine Anrechnung von Arbeitszeit geben – schließlich hätte er ja mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit gearbeitet, wäre er nicht erkrankt. Er darf bei Krankheit nicht schlechter gestellt werden, als wenn er (im Stand-By-Dienst durchschnittlich) gearbeitet hätte (siehe dazu auch Abschn. 5.6).

5.3.1.3 Planung von Stand-By-Diensten Hinsichtlich der dienstplanmäßigen Einteilung von Stand-By-Diensten ist darauf zu achten, dass die gesetzliche Mindestruhezeit bis zum nächsten Dienst auch bei Einsatz im Vertretungsdienst gewährleistet ist. Ein Spätdienst-Stand-By sollte daher nicht vor einem Frühdienst am Folgetag eingeteilt werden – es sei denn, es liegen zehn Stunden zwischen potenziellem Spätdienstende und nachfolgendem Frühdienstbeginn. Stand-By-Dienste können auch in größeren Vertretungsbereichen zum Einsatz kommen. Dann bilden die einbezogenen Teams eine Stand-By-Gruppe, so dass die Verteilung der Dienste über die Dienstpläne bereichsübergreifend festgelegt werden muss. Es bilden beispielsweise drei Stationen eine Stand-By-Gruppe, einsetzbar sind circa 30 Mitarbeiter. Die Häufigkeit der dienstplanmäßigen Einteilung der Stand-By-Dienste bestimmt sich selbstverständlich nach der Anzahl der einbezogenen Mitarbeiter. Bei 30 Mitarbeitern besetzt jeder Kollege etwa einmal im Monat einen Stand-By-Dienst. Daher wird neben einer akzeptablen Inanspruchnahme im Stand-By-Dienst eine Zusammenlegung zu StandBy-Gruppen schon deshalb sinnvoll sein, um die Anzahl der Stand-By-Dienste je Mitarbeiter möglichst gering zu halten; siehe dazu das Beispiel in Abb. 5.25.

Abb. 5.25  Häufigkeit der Einteilung von Stand-By-Diensten im Dienstplan in einer Station und einer Doppelstation im Vergleich

2665  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Für die Verteilung der Stand-By-Dienste über die Mitarbeiter gibt es zwei Alternativen: • Einbeziehung aller Mitarbeiter: Alle im Stand-By-Dienst einsetzbaren Mitarbeiter – zum Beispiel sämtliche examinierten Pflegekräfte – werden in die Stand-By-Organisation einbezogen. Dann beteiligen sich sämtliche Mitarbeiter an der Vertretungsorganisation – wie ja auch sämtliche Mitarbeiter erkranken können. Diese Variante ermöglicht eine gleichmäßige Beteiligung der Mitarbeiter an der Vertretungsorganisation. Eine von Seiten der Mitarbeiter gewünschte ungleiche Verteilung der Dienste kann über Tauschverfahren ermöglicht werden (Abschn. 4.5). • Freiwilligkeit: Der Einsatz erfolgt auf freiwilliger Basis, sofern sich genügend Freiwillige finden. Andernfalls – gegebenenfalls als Rückfallebene – wird der Stand-ByDienst beziehungsweise die nicht freiwillig besetzbaren Stand-By-Dienste dienstplanmäßig reihum vergeben.

5.3.1.4 Fallbeispiel Fallbeispiel 9 stellt anhand einer Altenpflege-Einrichtung die Einführung und Funktionsweise eines Stand-By-Dienstes vor. Er wird dort unter dem Namen „variabler Freizeitdienst“ praktiziert. Fallbeispiel 9: Variable Freizeitdienste und Ressourcendienste in der Altenhilfe

Dorothea Petrat, Leiterin des Altenpflegeheims „Dora-Schmitt-Haus“, Herrnhuter Diakonie, Bautzen Das Altenpflegeheim „Dora-Schmitt-Haus“ befindet sich in Trägerschaft der Herrnhuter Diakonie, einer Stiftung der Evangelischen Brüder-Unität. Die Herrnhuter Diakonie bietet Betreuungsangebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit geistiger Behinderung, für pflegebedürftige alte Menschen sowie schwerkranke und sterbende Menschen und ihre Angehörigen. Circa 400 Mitarbeiter kümmern sich an sechs Standorten um rund 500 Menschen. Im Bereich der Altenhilfe findet die Betreuung in drei Altenpflegeheimen, einer Diakoniestation und im Rahmen der Tagespflege statt. Reorganisation von Lagerhaltung und Stationsablauf Unsere Mitarbeiter waren mit der Dienstplangestaltung und insbesondere dem Umgang mit kurzfristigen Ausfallzeiten sehr unzufrieden. Das haben uns auch Äußerungen von Mitarbeitern gezeigt: „Der Dienstplan ist katastrophal. Manche gehen schon gar nicht mehr ans Telefon, weil man denkt, dass man kommen muss.“ oder „Wir brauchen hier mal eine klare Linie und auch Konsequenzen statt ewigen Ausnahmen. Mir ist wichtig, dass alle gleich behandelt werden.“ Deshalb haben wir ein dreiphasiges Projekt ins Leben gerufen, um die Situation zu verbessern und wieder zufriedene(re) Mitarbeiter beschäftigen zu können. Als Ergebnis zweier Kick-off-Veranstaltungen, an denen nahezu alle Mitarbeiter teilnahmen, kristallisierten sich drei Bereiche heraus, in denen Veränderungen

5.3  Kurzfristige Arbeitszeitflexibilität: Stand-By-Dienste oder Rufbereitschaft?

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durchgeführt werden sollten – Lagerhaltung, Stationsablauf sowie das eigentliche „Problemkind“ Dienstplanung. Die Neuorganisation der Lagerhaltung sowie die Neustrukturierung des Stationsablaufs waren dabei für uns auch Mittel zum Zweck auf dem Weg zur Einführung eines Rahmendienstplans, die wir uns schon auf die Tagesordnung geschrieben hatten. Hiermit wollten wir die Mitarbeiter in den Wandel einbeziehen und unmittelbar spürbare Maßnahmen ergreifen, um so ihre Akzeptanz für die Veränderungen zu gewinnen. Dienstplanverlässlichkeit durch langlaufende Rahmendienstpläne, Ressourcen- und variable Freizeitdienste Da unsere Mitarbeiter auch kritisiert hatten, dass die Dienstplanung wenig verlässlich sei, hatten wir uns im Kick-off vor allem darüber Gedanken gemacht, wie wir die Planungssicherheit verbessern können, wissend, dass es auch künftig keine 100-prozentige Sicherheit geben wird. Dabei waren für uns ein längerer Planungshorizont jenseits der Monatsebene sowie die Vermeidung kurzfristiger Dienstplanänderungen aufgrund von Ausfallzeiten ganz besonders wichtig. Rahmendienstplan Heute gibt es bei uns für die Pflege einen sich im Vier-Wochen-Rhythmus wiederholenden Rahmenplan. Dieser ist das Gerüst für die monatliche Feinplanung. In diesem sind alle Rahmenbedingungen verankert, die wir gemeinsam mit den Mitarbeitern – unter Einbeziehung der Mitarbeitervertretung – erhoben haben. Hierzu gehören die Standardbesetzung für den Bereich, die Dienstzeiten sowie alle „festen“, regelmäßig durchzuführenden Besprechungen, Weiterbildungstage und ähnliches. Darüber hinaus – und das war naturgemäß für die Mitarbeiter ein enorm wichtiger Aspekt der Gespräche – haben wir alle sich wiederholenden zeitlichen Wünsche der Mitarbeiter erfasst, zum Beispiel „montags kein Spätdienst“. Die Ergebnisse dieser Bedarfserhebung wurden durch die Projektleitung, bestehend aus Heim- und Pflegedienstleitung und stellvertretender Pflegedienstleitung in den Rahmendienstplan übertragen und weitere Festlegungen getroffen: • So haben wir uns für die Wochenenddienste überlegt, dass ein Mitarbeiter grundsätzlich an einem Wochenende Früh- und an dem anderen Spätdienst leisten muss, aber auch das unter Berücksichtigung etwaiger spezieller Mitarbeiterwünsche. • Wir haben die Schichtfolgen harmonisiert, das heißt im Rahmenplan darauf geachtet, dass z. B. keine kurzen Wechsel enthalten oder nur Einzeldienste geplant sind. • Außerdem fanden wir es unter Erholungsgesichtspunkten wichtig, in diesem 4-Wochen-Rahmenplan ein langes Wochenende mit drei arbeitsfreien Tagen am Stück einzuplanen. • Und schließlich haben wir unsere Ressourcen- und variablen Freizeitdienste als die neuen Instrumente zur Verbesserung des Umgangs mit kurzfristigen Ausfallzeiten eingeplant.

2685  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Alle Anforderungen sind im Rahmendienstplan verankert und entsprechend im Dienstplanprogramm hinterlegt. Unser Rahmendienstplan lässt aber noch Gestaltungsspielraum für die Monatsdienstplanung: vom Rahmendienstplan abweichende Wünsche der Mitarbeiter, erst kurzfristig planbare Weiterbildungen und ähnliches können noch berücksichtigt werden. Ressourcendienst Mit dem Ressourcendienst decken wir langfristig planbare Ausfallzeiten wie vor allem Urlaub und Fort- und Weiterbildung ab. Hierfür hinterlegen wir im Rahmendienstplan einen Platzhalter an einem Tag, an dem der Mitarbeiter entsprechend eingeplant werden könnte, wobei dieser nur für den Dienstplanverantwortlichen sichtbar ist. Auf dem tatsächlichen Monatsdienstplan erscheint der Ressourcentag nicht mehr, sondern der Mitarbeiter hat einen normalen Dienst oder frei. Idealerweise sind im Rahmenplan an allen Wochentagen Ressourcentage geplant. Variabler Freizeitdienst Der variable Freizeitdienst ist für uns die Maßnahme, um vorstrukturiert kurzfristig auf Krankheitsfälle reagieren zu können. Auch diese Dienstart wird im Rahmendienstplan eingeteilt, um den Dienst bei Bedarf „abrufen“ zu können, und ist für die Mitarbeiter sichtbar. Konkret wandeln wir den Freizeitdienst in den zu vertretenden Dienst – also Früh-, Spätoder Nachtdienst um, je nachdem welcher Dienst benötigt wird. Dabei ist natürlich zu beachten, dass die Schichtfolge des betreffenden Mitarbeiters passt. Es kann also sein, dass der Mitarbeiter, der den variablen Freizeitdienst hat, nicht den fehlenden Nachtdienst übernimmt, sondern einen weiteren Frühdienst und der andere Kollege, der ohnehin im Dienst wäre, macht den fehlenden Nachtdienst, weil es bei ihm mit den Folgeschichten besser passt. Sobald wir die Information erhalten, dass ein Kollege erkrankt ist, wird geprüft, wer die entsprechenden variablen Freizeitdienste hat, und diese werden entsprechend aktiviert. Im Idealfall erfolgt das mehrere Tage vor dem tatsächlichen Einsatz. Wenn wir den Freizeitdienst taggleich benötigen, können wir diesen bei dem hierfür eingeteilten Mitarbeiter zwischen 06:00 Uhr und 08:00 Uhr abrufen. Wenn der Mitarbeiter nicht eingesetzt wird, schreiben wir ihm zwei Stunden für die Bereithaltungszeit auf dem Zeitkonto gut. Leistet der Mitarbeiter einen Vertretungsdienst, rechnen wir nur die Dienstzeit des jeweiligen Dienstes ab. Der variable Freizeitdienst ist immer an einen arbeitsfreien Tag geplant, so dass die arbeitsfreie Zeit gegebenenfalls verlängert wird. Idealerweise sind im Rahmenplan an allen Wochentagen variable Freizeitdienste geplant. Abb. 5.26 zeigt beispielhaft einen vierwöchigen Rahmendienstplanauszug, in dem Ressourcen- und variable Freizeitdienste eingeteilt sind. Höhere Planungssicherheit Insgesamt zeigen unsere Erfahrungen, dass wir unser Hauptziel, die Verbesserung der Planungssicherheit, mit den neuen Dienstplanungsinstrumenten – Rahmendienstplan, Ressourcen- und variabler Freizeitdienst – erreicht haben.

5.3  Kurzfristige Arbeitszeitflexibilität: Stand-By-Dienste oder Rufbereitschaft?

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Abb. 5.26  Zu Fallbeispiel 9: Rahmendienstplanauszug mit Ressourcen- und variablen Freizeitdiensten

Lediglich die Berücksichtigung der Wünsche hat sich als schwierig herausgestellt, wobei diese auch in der Monatsdienstplanung nie zu 100 Prozent erfüllt werden konnten. Hier müssen wir Einschränkungen vornehmen, um nicht in eine neue Ungerechtigkeit zu rutschen. Krankheitsbedingte Ausfallzeiten können wir durch die variablen Freizeitdienste für ein bis zwei Mitarbeiter kompensieren, wodurch die Notwendigkeit, Mitarbeiter aus dem Frei zu holen, gesunken ist. Unsere Mitarbeiter haben die variablen Freizeitdienste sehr gut angenommen und erleben diese nicht zuletzt für ihre individuelle Zufriedenheit als extrem hilfreich. Außerdem brauchen die Dienstplanverantwortlichen jetzt viel weniger Zeit für die Bewältigung kurzfristiger Ausfallzeiten, wie überhaupt für die Dienstplanung. Bei der Erstellung des Monatsdienstplans wird der Rahmenplan über den jeweiligen Monat gelegt und anschließend müssen nur noch Urlaube, Fortbildungen und eventuell geplante Kranktage über die Ressourcendienste abgedeckt und mögliche Mitarbeiterwünsche eingearbeitet werden. Die erforderlichen Dienste an sich sind im Rahmenplan hinterlegt.

5.3.1.5 Rechtliche Rahmenbedingungen von Stand-By-Diensten Häufig werden im Zusammenhang mit der Einführung von Stand-By-Diensten arbeitszeitrechtliche Fragen aufgeworfen. Das Arbeitszeitgesetz enthält keine Normen zum zeitlichen Vorlauf der Einteilung zur Arbeit. Betriebliche Regelungen zur Verteilung der Arbeitszeit sind arbeitszeitgesetzkonform, wenn sie mit den gesetzlichen Vorgaben für die werktägliche Höchstarbeitszeit, Ruhepausen und Ruhezeiten sowie Bestimmungen des Sonn- und Feiertagsschutzes vereinbar sind. Auf die Beachtung der Ruhezeitvorschrift schon bei dienstplanmäßiger Einteilung eines Stand-By-Dienstes hatten wir bereits hingewiesen. Die vereinbarte Erreichbarkeitszeit sowie eventuelle Wegezeiten zum Arbeitsort sind arbeitszeitschutzrechtlich keine Arbeitszeit, da der Arbeitnehmer insoweit keine „Arbeit“ im Sinne der arbeitsvertraglich vereinbarten Hauptleistung erbringt. Eine abweichende vergütungsrechtliche Bewertung bleibt hiervon unbenommen. Die Bestimmungen des Teilzeit-und Befristungsgesetzes (TzBfG) zur Arbeit auf Abruf sind nur anwendbar, wenn die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer als Abrufarbeit vereinbart sind. Es ist allerdings zu beachten, dass das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil

2705  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

die Geltung der viertägigen Ankündigungsfrist des TzBfG auch auf ein Arbeitsverhältnis, das keine Arbeit auf Abruf beinhaltete, angewendet hat [2]. Hierbei handelte es sich allerdings nicht um ein Stand-By-Modell. Zu Stand-By-Modellen bei nicht vorhandener expliziter tarifvertraglicher Öffnung liegt keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Die Regelung von Stand-By-Diensten gehört in den Zuständigkeitsbereich der beiden Betriebsparteien, sofern keine tarifvertragliche Regelung besteht. Eine Unbilligkeit kann bei Stand-By-Diensten grundsätzlich verneint werden, da die Berücksichtigung kurzfristiger Personalausfälle zur Sicherstellung ausreichender Besetzungsstärken in der Krankenversorgung unausweichlich und auch im öffentlichen Interesse einer sorgfaltsgerechten Krankenversorgung liegt, so dass die Einschränkungen bis zu einem gewissen Grad für die Ausübung von Berufen in diesem Bereich typisch sind – sofern der Vertretungsbedarf korrekt kalkuliert wurde und dies nachgewiesen werden kann. Es sollte zudem keine unangemessene Verlagerung des Risikos schwankenden Arbeitsanfalls auf den Mitarbeiter vorliegen – etwa, indem die Anzahl der Stand-By-Dienste, die der einzelne Arbeitnehmer leisten muss, begrenzt ist. Unseres Erachtens sollten nicht mehr als rund sieben Prozent aller zu erbringenden Dienste Stand-By-Dienste sein. Das entspricht bei Vollzeitmitarbeitern in der Regel einem, manchmal zwei Diensten pro Monat.

5.3.2 Rufbereitschaft – eine mögliche Alternative zum Stand-By-Dienst 5.3.2.1 Die Unterschiede zwischen Stand-By-Diensten und Rufbereitschaften Stand-By-Dienste ähneln Rufbereitschaften (auch als „Rufdienste“ bezeichnet). In beiden Fällen erfolgt ein kurzfristiger Abruf aus dem Arbeitsfrei. Zwar erfolgt der Abruf ad hoc, doch wird bei beiden Instrumenten die Möglichkeit des Abrufes dienstplanmäßig vorgesehen. Es gibt jedoch eine Reihe wichtiger Unterschiede – siehe auch Abb. 5.27: • Während bei Stand-By-Diensten die Bereithaltephase kurz ist und vor der eigentlichen potenziellen Dienstzeit liegt, ist sie bei Rufbereitschaft mit der potenziellen Dienstzeit identisch. Der Mitarbeiter muss sich daher bei Rufbereitschaft über die gesamte Dienstdauer hinweg bereithalten. Bei Stand-By-Diensten hat er diese Zeit zur freien Verfügung, sofern vor dem Dienst kein Abruf erfolgte. Deshalb gelten Stand-By-Dienste zu Recht als für die Mitarbeiter verträglicher. Meist ist die kurze Bereithaltephase bei Stand-By-Diensten auch aus betrieblicher Sicht ausreichend, weil Arbeitsunfähigkeiten ganz überwiegend rechtzeitig vor Dienstbeginn bekannt gemacht werden können. Umgekehrt kann die Führungskraft bei Rufbereitschaft noch im Laufe des Dienstes über einen Einsatz entscheiden – wodurch diese auch zur Abdeckung akut auftretenden höheren Arbeitsanfalls nutzbar ist. • Während bei Stand-By-Diensten der Abruf nur einmal erfolgen kann, kann der Mitarbeiter bei Rufbereitschaft innerhalb der Bereithaltezeit mehrmals abgerufen werden.

5.3  Kurzfristige Arbeitszeitflexibilität: Stand-By-Dienste oder Rufbereitschaft?

271

Abb. 5.27  Unterscheidung von Stand-By-Dienst und Rufbereitschaft

Entsprechend wird bei Stand-By-Diensten im Falle eines Abrufes der gesamte Dienst erbracht, während bei Rufdiensten die Inanspruchnahme auch stundenweise dosiert werden kann. • Während Stand-By-Dienste überwiegend innerbetrieblich zwischen den Betriebsparteien geregelt werden (sofern keine tarifvertragliche Regelung besteht), sind Rufbereitschaften in Tarifverträgen fixiert. Tarifvertragsgebundene Häuser haben daher bezüglich der Ausgestaltung der Rufbereitschaft wenig betriebliche Spielräume. In vielen pflegerelevanten Tarifverträgen ist geregelt, dass Rufbereitschaft nur im Ausnahmefall aktiviert werden, was die mögliche Inanspruchnahme inhaltlich und hinsichtlich des zeitlichen Umfangs begrenzt. • Typischerweise werden Stand-By-Dienste innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erbracht und daher über die Zeitkonten auf die Vertragsarbeitszeiten angerechnet. Rufbereitschaft hingegen ist in der Regel tarifvertraglich so geregelt, dass sowohl die Pauschale für das Bereithalten als auch die Einsatzzeiten über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus in Form vergüteter Überstunden erbracht werden.

5.3.2.2 Vorteile und Nachteile von Rufbereitschaften gegenüber Stand-By-Lösungen • Lange Abrufzeit der Rufbereitschaft: Rufbereitschaften sind über die gesamte Dienstdauer aktivierbar, so dass sie auch für extrem kurzfristige Anforderungen innerhalb des

2725  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden









Dienstes „von jetzt auf gleich“ geeignet sind. Auf diese Weise sind sie nicht nur für Krankheitsvertretungen nutzbar, sondern auch für die Bewältigung extrem kurzfristiger Arbeitsanfall-Spitzen – auch durch zeitlich exakte Dosierbarkeit der Inanspruchnahme. Dagegen sind Stand-By-Dienste während der Laufzeit des Dienstes nicht mehr aktivierbar und müssen bei Bedarf meist für den gesamten Dienst aktiviert werden. Das passt dann nicht, wenn nur zeitweilige – etwa stundenweise – Mehrbedarfe abzudecken sind. Gesonderte Vergütung: Der wichtigste Vorteil von Rufbereitschaften ergibt sich aus ihrer gesonderten Vergütung – auch der Einsatzzeit. Dadurch werden höhere durchschnittliche Arbeitszeitdauern ermöglicht, was auf einem angespannten Arbeitsmarkt die andernfalls erforderliche Suche nach den wenigen verfügbaren Arbeitskräften verringert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Einsatzzeiten innerhalb der Rufbereitschaftszeit nicht durch Freizeit ausgeglichen, sondern vergütet werden – wie dies in der Regel tarifvertraglich vorgesehen ist. Umgekehrt kann genau darin auch ein Nachteil der Rufbereitschaft liegen, wenn nämlich Mitarbeiter stärker freizeitorientiertere Dienstformen nachfragen. Dann sinkt die Akzeptanz einer Dienstform, die stattdessen gesonderte Vergütungen vorsieht. Erfolgt die Vertretung von Krankheitszeiten durch gesondert vergütete Rufbereitschaften, so gilt dies als stellenplanexterne Vertretung, die den Personalbedarf entsprechend mindert (Abschn. 5.1.5). Kein Aufwand für Freizeitausgleichsteuerung: Bei vergüteten Rufbereitschaften entsteht infolge der gesonderten Vergütung kein zusätzlicher Dispositionsaufwand für die Realisierung von (unterschiedlichen) Freizeitausgleichen, wie er bei Stand-By-Inanspruchnahmen je nach Abrufquote auftreten kann. Skalierbarkeit: Bei Rufbereitschaft kann die Abrufquote je nach Bedarf skaliert werden. Rufbereitschaft wird jeweils genau so in Anspruch genommen, wie sie benötigt wird. Das ist einfach – insbesondere, wenn sich Krankenstände mit der Zeit ändern. Bei Stand-By besteht hingegen das Risiko, dass durch Abweichungen von Prognosen ein „Soll-Krankenstand“ aufrechterhalten wird. Rechtliche Diskussionen bei Stand-By-Diensten: Bezüglich der Stand-By-Dienste werden in manchen Häusern unfruchtbare rechtliche Diskussionen geführt, weil tarifvertragliche Regelungen zum Stand-By nur in wenigen Tarifverträgen existieren. Daher vermissen diesbezüglich Ängstliche die Sicherheit suggerierende Wirkung einer tarifvertraglichen Fixierung (siehe die rechtlichen Hinweise zum Stand-By-Dienst in Abschn. 5.3.1).

5.3.2.3 Fallbeispiel In Fallbeispiel 10 beschreibt die Pflegedirektorin eines Krankenhauses eine Rufbereitschaftslösung auf einer neonatologischen Intensivstation.

5.3  Kurzfristige Arbeitszeitflexibilität: Stand-By-Dienste oder Rufbereitschaft?

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Fallbeispiel 10: Auf Belegungsschwankungen in der neonatologischen Intensivstation reagieren

Brigitte Schneider, Pflegedirektorin, Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus Speyer, Speyer Warum wir stärker als zuvor auf Belegungsschwankungen in der neonatologischen Intensivstation reagieren mussten Wir sind mit unseren rund 2700 Geburten pro Jahr als Perinatalzentrum Level I zertifiziert. Die QFR-RL (Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Neugeborene) schreibt vor, dass auf der Neonatologischen Intensivstation eines Perinatalzentrums Level 1 jederzeit mindestens ein Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger je intensiv therapie pflichtigem Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1500 Gramm und je ein Gesundheitsund Kinderkrankenpfleger je zwei intensiv überwachungs pflichtigen Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1500 Gramm eingeteilt sein müssen. Der Begriff „jederzeit“ bedeutet, dass im Falle von ungeplanten Neuaufnahmen unverzüglich, aber spätestens zur nächsten Schicht, die oben beschriebenen Vorgaben sichergestellt werden müssen. Da sich gerade bei Früh- und Neugeborenen die Belegung wenig bis gar nicht planen lässt, war es für uns essenziell notwendig, auf Belegungsschwankungen sehr kurzfristig reagieren zu können. Der durch die Verordnung vorgegebene Betreuungsschlüssel für Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1500 Gramm wird durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen überprüft und muss zu 95 Prozent erfüllt werden. Bei Nichterfüllung laufen wir Gefahr, das Level aberkannt zu bekommen und erhebliche Rückzahlungen an die Kassen leisten zu müssen. Somit war es für uns sehr wichtig, eine Regelung zu finden, wie wir die Personalausstattung kurzfristig auf einen gestiegenen Bedarf anpassen können. Wieso wir uns für den Rufdienst entschieden haben Da auf der neonatologischen Intensivstation nicht jede Pflegekraft arbeiten kann, ist eine kurzfristige Kompensation durch andere Stationen im Haus leider keine Option. Daher war für uns schnell klar, dass die Mitarbeiter in ihrer Arbeitszeit flexibel sein müssen. Ein Stand-by-Dienst kam auch nicht infrage, da nicht immer bereits vor Beginn eines Dienstes absehbar ist, ob der Mitarbeiter auch gebraucht wird. Geburten geschehen ja sehr spontan, so dass wir die Besetzung manchmal schon während eines Dienstes anpassen müssen. Diese Überlegungen führten uns schließlich dazu, einen Rufdienst einzuführen. Dieser wird in einen jeweils zwölfstündigen Tag- und einen Nacht-Rufdienst geteilt, so dass neben der regulären Besetzung im Früh-, Spät- und Nachtdienst immer noch ein Mitarbeiter in „Alarmbereitschaft“ ist. Der Tag-Rufdienst kann auch in zwei sechsstündige Abschnitte eingeteilt werden, wenn sich zwei Mitarbeiter die Dienste teilen wollen. Der Nacht-Rufdienst kann auch nach einem regulären Tagdienst eingeteilt werden, wichtig ist dann nur, dass der Mitarbeiter am nächsten Tag auch auf jeden Fall frei hat. Im Falle eines Einsatzes über die gesamte Nacht – und damit mehr als

2745  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

insgesamt zwölf Stunden Arbeitszeit – dürfte die Pflegekraft ja am nächsten Morgen nicht mehr weiterarbeiten, weil dann eine Ruhezeit von elf Stunden eingehalten werden muss (§ 7 Abs. 9 ArbZG). In vielen Fällen zeichnet sich ein zusätzlicher Bedarf schon vor dem eigentlichen Rufdienstbeginn ab. Im Sinne der Mitarbeiter versuchen wir immer, die Ankündigung für einen Einsatz so früh wie möglich zu geben. Die Mitarbeiter sind allerdings nicht verpflichtet, außerhalb der eigentlichen Rufdienstzeit an ihr Telefon zu gehen. Weil aber neben den Kollegen auf der Station auch die Kollegen im Rufdienst davon profitieren, möglichst früh über einen möglichen Arbeitseinsatz Bescheid zu wissen, sind bisher alle Mitarbeiter auch vor ihrem eigentlichen Rufdienstbeginn gut erreichbar. Wie die Rufdienste auf die Mitarbeiter verteilt und vergütet werden Die Rufdienste werden gleichmäßig auf alle Pflegekräfte der Intensivstation verteilt. Wir haben etwa 50 Pflegekräfte, so dass im Monat pro Pflegekraft durchschnittlich circa (365 Tage × 2 Rufdienste pro Tag/50 Pflegekräfte/12 Monate =) 1,2 Rufdienste eingeteilt werden. Die Anzahl ist so niedrig, dass die durch die Rufdienste ergebenden zusätzlichen Einschränkungen von den Kollegen gut verkraftet werden. Vergütet wird der Rufdienst nach den Vorschriften unserer AVR: Für die Bereithaltung erhält der Mitarbeiter immer 12,5 Prozent der Bereithaltungszeit mit dem Überstundenentgelt vergütet. Die Inanspruchnahmen werden ebenfalls mit dem Überstundenentgelt vergütet. Der Rufdiensteinsatz hat den Vorteil, dass die Besetzung im Tagdienst unabhängig von teilweise stark schwankenden Einsatzzeiten im Rufdienst trotzdem planbar ist – und damit auch der Dienstplan für die Mitarbeiter selbst.

Zusammenfassung 

Durch Stand-By-Dienste und alternativ auch Rufbereitschaftsdienste können kurzfristige Personalausfälle beziehungsweise Mehrbedarfe aufgrund erhöhten Arbeitsanfalls abgedeckt werden. Die Dienste sind dienstplanmäßig vorstrukturiert und damit für die Mitarbeiter planbar. Die Einsatzzeit selbst bleibt jedoch hinsichtlich Dauer und Häufigkeit flexibel. Daher sollten diese arbeitszeitflexiblen Steuerungsinstrumente nur dann zum Einsatz kommen, wenn einsatzflexible Lösungen organisatorisch nicht möglich sind.

5.4

Einsatzflexibilität: Joker-Dienste oder Poolmodelle

5.4.1 Joker-Dienste 5.4.1.1 Wie funktioniert ein Joker-Dienst? Einsatzflexibilität bezeichnet die Möglichkeit zu teamübergreifendem Arbeiten bei entsprechendem Bedarf. Teams werden Vertretungseinheiten zugeordnet. Sie erreichen dadurch Eintrittswahrscheinlichkeiten des Krankheitsereignisses, die bei mindestens 70

5.4  Einsatzflexibilität: Joker-Dienste oder Poolmodell

275

Abb. 5.28  Prinzipdarstellung des Joker-Dienstes

Prozent und mehr liegen sollten. Dann kann der Krankheitsvertreter als ganz normaler, lediglich gesondert gekennzeichneter Dienst im Dienstplan eingeteilt werden. Dieser Dienst wird als Joker-Dienst bezeichnet. Andere Bezeichnungen hierfür sind mitunter Vertretungsdienst oder Springerdienst. Das Prinzip von Joker-Diensten zeigt Abb. 5.28. Alle Joker-Dienste eines Tages bilden quasi einen virtuellen Vertretungspool – „virtuell“ deshalb, weil die Joker ja keine sichtbare Einheit bilden, sondern in ihren Arbeitsbereichen verbleiben und von hier aus bei Bedarf in den zu vertretenden Bereich wechseln. Im Unterschied zum Pool (Abschn. 5.4.2) wechselt die personelle Zusammensetzung des virtuellen Joker-Teams grundsätzlich täglich.

5.4.1.2 Personelle Größe der Vertretungsbereiche In größeren personellen Einheiten lassen sich Joker-Dienste auch teambezogen praktizieren. Zum Beispiel ist das in Intensivstationen häufig der Fall, die aus qualifikatorischen Gründen ohnehin nicht ohne Weiteres mit anderen Stationen verknüpft werden können. Wenn eine organisatorische Einheit beispielsweise aus 25 VK besteht, dann sind bei einem Krankenstand von 5,5 Prozent (14 Tage pro Mitarbeiter und Jahr) und einer Vertretungsquote in gleicher Höhe durchschnittlich (25 × 0,055 =) circa 1,4 VK krank. Dies entspricht bei 200 möglichen Diensten pro Jahr und Mitarbeiter circa (1,4 × 200 =) 275 Diensten pro Jahr, die für eine Vertretung krankheitsbedingter Ausfallzeiten zur Verfügung stehen. Belegt man dennoch jeden Tag von Montag bis Sonntag das ganze Jahr über mit einem Joker-Dienst, so ergibt sich ein durchschnittlicher Nutzungsgrad des Joker-Dienstes von circa 75 Prozent, was ein praktikabler Wert ist. Aus dieser Berechnung lässt sich ersehen, dass 25 Mitarbeiter (VK) auch bei teamübergreifendem Einsatz in Vertretungseinheiten ungefähr die Mindestgröße sind, ab der ein Joker-Modell an allen Tagen Montag bis Sonntag praktiziert werden kann. Wird diese Größenordnung unterschritten, können entweder nicht an allen Tagen Joker-Dienste eingeteilt werden, was meist nicht sinnvoll ist. Oder es muss mit Kombinationen aus JokerDienst und Stand-By gearbeitet werden (siehe dazu auch unser Fallbeispiel weiter unten). Eine komplette Abdeckung von drei Dienstlagen mit Joker-Diensten (hier einmal vereinfachend unterstellt, dass die Eintrittshäufigkeit etwa gleich ist, weil alle Dienstlagen in etwa gleich stark besetzt sind) erfordert, wenn wieder circa 75 Prozent Nutzungsquote erzielt werden sollen (3 × 365 × circa 0,75 =) 800 Vertretungsdienste. Das entspricht bei 200 dienstplanmäßig einteilbaren Diensten also (800/200 =) 4 durchschnittlich Kranken. Bei einem Krankenstand von 5,5 Prozent entspricht dies (4/0,055 =) circa 70 VK. Das sind zum Beispiel im Krankenhaus oft etwa fünf Stationen.

2765  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Liegt die personelle Stärke der einbezogenen Einheiten in diesem Bereich, sind JokerModelle sehr gut einsetzbar. Doch was soll man tun, wenn Vertretungseinheiten unterhalb der „idealen“ 70 VK liegen? Dann ist es, wenn Stand-By-Dienste vermieden werden sollen, sinnvoll, vorwiegend die Spätdienste mit Joker-Diensten abzudecken, nachrangig hingegen Nacht- und Frühdienste – aus folgenden Gründen: • Vertretungsbedarf im Spätdienst: Die Besetzungsstärke der Spätdienste ist oft so hoch, dass ein Personalausfall nachbesetzt werden muss. • Geringer Vertretungsbedarf im Frühdienst: Ausfälle im Frühdienst können oft vertretungsfrei mit Anpassungen der Leistungs- und Serviceflexibilität oder auch durch verstärktes „Mitanpacken“ der Stationsleitung aufgefangen werden. Reicht dies nicht und muss vertreten werden, wechselt der Spätdienst-Joker (oder für ihn ein anderer im Spätdienst eingeteilter Mitarbeiter) in den Frühdienst. Die Bereitschaft, von Spät- auf Frühdienst zu wechseln ist erfahrungsgemäß deutlich höher als umgekehrt, so dass sich dies meist problemlos organisieren lässt. Wie solche Verschiebungen im Rahmen sogenannter Dienstfenster organisiert werden können, greifen wir in Abschn. 6.1.4 erneut auf. • Vertretung im Nachtdienst: Ausfälle im Nachtdienst, die bei geringerer Besetzungsstärke als in Früh- und Spätdienst ohnehin seltener auftreten, werden ebenfalls aus dem Spätdienst heraus vertreten, wenn nicht genügend Joker-Dienste für alle Dienstlagen zur Verfügung stehen können. Denkbar ist auch, den Joker überhaupt nicht in den Nachtdiensten einzusetzen, sondern für die Nacht gesonderte Lösungen zu erarbeiten: etwa eine Hauptnachtwache, die bei Ausfall die vakante Position besetzt oder das stations-/bereichsübergreifende Vertretungssystem, wenn es darunter Bereiche gibt, die mit mehr als einem Nachtdienst besetzt sind. Ähnliche Modell der Vertretungsorganisation werden ja auch für die Sicherstellung von Pausenvertretungen benötigt (siehe auch Abschn. 2.5.3). Der Spätdienst-Joker ist damit der am besten geeignete „Platzhalter“ für eine Vertretung „seiner“ Dienstlage – aber auch die Vertretung anderer Dienstlagen. Dabei muss nicht unbedingt der Joker selbst derjenige Mitarbeiter sein, der zum Beispiel in den Frühdienst wechselt. Er wird dies nur dann tun, wenn kein anderer Kollege sich dafür interessiert. Möchte jemand anderes wechseln, entsteht eine Vertretungskaskade: Der Mitarbeiter im Joker-Dienst tritt an die Stelle des die Dienstlage wechselnden Kollegen. Tab. 5.4 zeigt zusammenfassend verschiedene Varianten der Joker-Dienst-Organisation je nach Größe des Vertretungsbereichs.

5.4.1.3 Qualifikationsanforderungen Da sich im Unterschied zum Pool (Abschn. 5.4.2) grundsätzlich sämtliche Mitarbeiter am Joker-Dienst beteiligen (können), ist vor der Einführung von Joker-Diensten die Frage der Qualifikationsanforderungen für teamübergreifende Einsätze zu klären. Oftmals erfolgt der Einsatz im Joker-Dienst nur durch die examinierten Pflegekräfte. Diese sollten jedoch – jenseits von Spezialbereichen; im Krankenhaus zum Beispiel Intensivpflege,

5.4  Einsatzflexibilität: Joker-Dienste oder Poolmodell

277

Tab. 5.4  Varianten der Joker-Dienst-Organisation Personelle Größe des Vertretungsbereichs (VK)[Orientierungswerte]

Anwendung des Joker-Modells

unter circa 25

Abdeckung von weniger als einer Dienstlage (zum Beispiel nur Montag bis Freitag Spätdienst) → Kombination mit Stand-By-Diensten

circa 25 bis 30

Abdeckung einer Dienstlage (vorrangig des Spätdienstes) → Regelungen zum Einsatz auch in anderen Dienstlagen

circa 30 bis 75

Abdeckung von mehr als einer Dienstlage → Regelungen zur Mitabdeckung der anderen Dienstlagen beziehungsweise eigenständige NachtdienstVertretungsorganisation

über circa 75

Abdeckung sämtlicher Dienstlagen → bei Bedarf Regelungen für den Wechsel der Dienstlagen bei Krankheitsballungen

Kinderkrankenpflege, ZNA und Psychiatrie – in den zugeordneten Vertretungsbereichen qualifikationsgemäß einsetzbar sein. Oftmals ist dies durch interdisziplinäre Belegung von Stationen ohnehin bereits gewährleistet. In kleineren Häusern werden meist sämtliche Normalstationen zu einem Vertretungsbereich zusammengefasst. In größeren Krankenhäusern wird hinsichtlich der Vertretungsbereiche oftmals zwischen den operativen und den konservativen Fächern unterschieden. Mitunter ist die breite stationsübergreifende Einsatzfähigkeit anfangs dadurch erschwert, dass in bislang stationsbezogenen Strukturen erforderliche Fachkenntnisse und Fertigkeiten anderer Fachdisziplinen mangels Anwendungspraxis „verlernt“ wurden. In diesen Fällen sollte eine entsprechende Einarbeitung erfolgen. Dazu ist es sinnvoll, eine Qualifikationsmatrix zu erstellen. Auf der einen Achse stehen die zu beherrschenden Fertigkeiten je Fachbereich, auf der anderen Seite die Mitarbeiter. Dann wird nach dem Ampelprinzip der Handlungsbedarf beurteilt: Rot steht für vor Einsatz in der anderen Station unbedingt zu beherrschende Kenntnisse und Fertigkeiten, Gelb für Fertigkeiten, die sinnvollerweise beherrscht werden sollten, bei einer nichtalleinigen Besetzung in der anderen Station aber „on the job“ erlernt werden können. Grün steht für wünschenswerte, jedoch nicht unbedingt erforderliche Qualifikationen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass eine vollständige Beherrschung der qualifikatorischen Spezifika aller infrage kommenden Stationen weder sinnvoll noch notwendig ist. Hier werden mitunter unnötige „Hürden“ konstruiert. Es ist weder realistisch noch erforderlich, dass alle Mitarbeiter alles können. Schließlich werden Joker in den seltensten Fällen ganz allein auf einer anderen Station sein. Auch wenn einmal eine Einzelbesetzung zu vertreten sein sollte, etwa nachts, wird diese nicht zwingend der Joker abdecken müssen. Stattdessen wird man Vertretungsketten bilden: Ein Mitarbeiter, der allein arbeiten kann, rückt in den Dienst, während der Joker dessen Position besetzt.

2785  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Dennoch hört man mitunter, Mitarbeiter, die nur circa 70 Prozent des Spektrums beherrschen, könne man als Vertreter nicht gebrauchen. Schaut man sich dann den bisherigen Umgang mit Ausfallzeiten an, sind die genannten 70 Prozent jedoch schon ein sehr guter Wert. Denn an vielen Tagen wurde bis dato gar nicht vertreten – also 0 Prozent. Oder es wurde mit Leiharbeitnehmern gearbeitet, die je nach Kenntnis der häuslichen Spezifika mit 70 Prozent auch schon einen guten Wert erreichen. Es geht hier also um eine realistische Einschätzung des Einarbeitungsbedarfs, nicht um Maximalansprüche – zumal sich Qualifikationsdefizite ja nach einer Weile durch praktischen Einsatz in anderen Bereichen schrittweise reduzieren. Der Anteil der „roten“ Felder – und auf diese kommt es an, um Mitarbeiter für den übergreifenden Einsatz fit zu machen – wird in der Regel so gering sein, das ihm mit wenigen Maßnahmen begegnet werden kann: • Es werden Auffrischungsunterweisungen durchgeführt. • Die Mitarbeiter hospitieren vor Einführung des Ausfallzeitenmanagements für einen oder zwei Tage auf Stationen, in denen ihre Qualifikation verbessert werden muss. • Es finden in den Frühdiensten Rotationen statt, um Mitarbeiter vor Einführung des Ausfallzeitenmanagements auf Einsätze in den anderen Stationen vorzubereiten. • Mitarbeiter mit Qualifikationsbedarf werden „Mentoren-Kollegen“ zur Seite gestellt, die sie bei der Einarbeitung in erforderliche Qualifikationen vorrangig unterstützen. Bei erforderlichen Auffrischungen kommt es insbesondere auf Initiative und Eigenbeiträge der Beteiligten an, denn grundsätzlich liegt es in der Verantwortung der Mitarbeiter, ihre formale Qualifikation im Haus auch tatsächlich nutzbar zu halten. Es gibt ja keinen Anspruch auf Einsatz auf einer bestimmten Station – übrigens auch dann nicht, wenn das Haus jahrelang nicht von stationsübergreifenden Einsätzen Gebrauch gemacht hat. Häufig tritt bei der Vorbereitung und Einführung von teamübergreifenden Vertretungsstrukturen auch organisatorischer Standardisierungsbedarf zutage. Einzelne Arbeitsbereiche entfalten ja häufig ein Eigenleben. Bestimmte Tätigkeiten werden in einem Bereich so, in einem anderen Bereich so erbracht. Die Ablage ist hier so, dort anders organisiert, und so weiter. Oft sind diese Dinge „gewachsen“. Die Beteiligten haben sich daran gewöhnt. Teamübergreifendes Arbeiten kann hier Anstoßgeber für eine Vereinheitlichung bestimmter Tätigkeiten und Abläufe sein. Wird hieran gearbeitet, vereinfacht dies zugleich den übergreifenden Einsatz im Vertretungsfall. Dies gilt auch für die Dienstzeiten. Hier kann ein Joker-Dienst-Modell Vereinheitlichungsbedarf auslösen. Andernfalls werden übergreifende Einsätze unnötig erschwert, weil zum Beispiel eine Teilnahme an der Dienstübergabe nicht möglich ist.

5.4.1.4 Dienstplanung von Joker-Diensten Für die effiziente Steuerung der Joker-Dienst-Einsätze ist eine zentralisierte Disposition erforderlich – bei mehreren Vertretungsbereichen zumindest je Vertretungsbereich (siehe dazu Abschn. 5.5.2).

5.4  Einsatzflexibilität: Joker-Dienste oder Poolmodell

279

Wie oft jeder Mitarbeiter dienstplanmäßig in einem Joker-Dienst eingeteilt ist, hängt selbstverständlich von der Anzahl der einbezogenen Mitarbeiter ab. Nehmen wir dazu wieder unser Muster-Beispiel. Hier wird vereinbart, dass der Vertretungsbereich aus vier Stationen besteht. Dazu verwenden wir wieder Tool G, das wir bereits vorgestellt haben (Abschn. 5.1.5). ▶▶

Tool G: Berechnung des Vertretungspotenzials

Im Vertretungsbereich kommen 53,8 VK zusammen. Somit sind bei einem Krankenstand von 5,5 Prozent (14 Arbeitstage pro Mitarbeiter und Jahr) und bei vollständiger Abdeckung desselben im Rahmen des Ausfallzeitenmanagements (53,8 × 0,055 =) circa 3 Mitarbeiter (VK) krank. Die Joker-Dienste sollen in unserem Beispiel nur im Zwischendienst eingeteilt werden. Von dort aus können sie die Früh- und Spätdienste gleichermaßen vertreten, da dafür nur eine relativ geringfügige Verschiebung der Lage des Zwischendienstes erforderlich ist. Abb. 5.29 zeigt die Berechnung des Vertretungsvolumens durch JokerDienste mit Hilfe von Tool G. Das zeigt im Übrigen, dass die in unserem Muster-Beispiel gewählte ungewöhnliche Dienststruktur unter anderem den Vorteil hat, über gute Vertretungspotenziale zu verfügen. Da die Zwischendienste 10 Stunden Arbeitszeit enthalten, können pro Jahr (3 × 200 × 7,7 Stunden [also 1/5 von 38,5 Stunden/Woche]/10 Stunden =) circa 470 Joker-Dienste eingeteilt werden. Damit lassen sich alle Zwischendienste besetzen. Es bleibt sogar eine schöne Reserve von circa (470 − 365 =) 100 Diensten, die für Früh- und Spätdienste verwendbar sind, die durchschnittlich über alle Tage von Montag bis Sonntag circa 6,5 Stunden lang sind, so dass die verbliebene Reserve für circa (100 × 10/6,5 =) 150 Vertretungstage reicht. Nun wird zum Beispiel entschieden, diese zusätzliche Reserve nicht einfach im Dienstplan zu „verbraten“, sondern sie für die Vertretung langfristiger Krankheiten einzusetzen. Erkrankt ein Mitarbeiter länger, werden dessen Dienste dann entsprechend aus der Reserve vertreten, indem sie im Rahmen der Monatsfeinplanung in den Dienstplan eingearbeitet werden. Damit bleibt der Zwischendienst-Joker (überwiegend) für die Vertretung der kurzfristigen Erkrankungen erhalten. In unserem Muster-Beispiel muss jeder Mitarbeiter knapp ([365 Zwischendienste + 150 Früh/Spätdienste]/53,9 VK =) 10 Joker-Dienste pro Jahr erbringen, also ungefähr einen pro Monat. Dies gilt dann, wenn die Joker-Dienste gleichmäßig über alle Mitarbeiter vergeben werden.

5.4.1.5 Verteilung der Joker-Dienste über die Mitarbeiter Die Verteilung der Dienste über die Stationen/Bereiche bedarf der übergreifenden Koordination. Denkbar ist zwar, die Joker-Dienste (hier zumindest die Zwischendienst-Joker) reihum zu vergeben. In unserem Muster-Beispiel könnte bei vier einbezogenen Stationen einfach jede Station jeden vierten Joker-Dienst erbringen – Montag Station I, Dienstag Station II, Mittwoch Station III, Donnerstag Station IV, Freitag dann wieder Station I

2805  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Abb. 5.29  Tool G (Auszug) – Tabellenblatt „Gruppe A“

und so weiter. Dies würde zwar die Joker-Dienst-Vergabe vereinfachen. Aber es hätte den Nachteil, dass bei der Joker-Dienst-Einteilung nicht auf bereits vorhandene andere Ausfallzeiten-Eintragungen in den dafür vorgesehenen Vertretungsdiensten „V“ Rücksicht genommen würde. Dann käme es in einer Station zu Ballungen von Diensten, während in einem anderen Bereich gerade noch viel „Dienstplan-Luft“ wäre. Deshalb ist es sinnvoller, die Dienstpläne der vier Bereiche „übereinander“ zu legen, um dann in günstige „Lücken“ die Joker-Dienste einzutragen – vorrangig durch Nutzung vorhandener Vertretungsdienste, also der in der Grunddienstplanung vorgehaltenen dienstplanerischen

5.4  Einsatzflexibilität: Joker-Dienste oder Poolmodell

281

„Spielmasse“ (Abschn. 3.4.1). Es ist bei diesem Verfahren lediglich darauf zu achten, dass jeder Bereich durchschnittlich seinen proportionalen Joker-Dienst-Beitrag erbringt. In unserem Muster-Beispiel verfügt der Bereich I über 12,3 VK, so dass er von den 365 Zwischendienst-Jokern im Jahr (12,3/53,9 × 365 =) 83 Zwischendienst-Joker übernehmen muss. Dieses Joker-Dienst-Kontingent muss innerhalb des Bereichs nicht in gleicher Anzahl über alle Mitarbeiter verteilt werden. Auch hier sollten die Joker-Dienst-Eintragungen mit den anderen Ausfallzeitenvertretungen – insbesondere dem Urlaub – abgestimmt werden: Wer schon viele Vertretungsdienst für Urlaub „verbraucht“ hat, übernimmt weniger Joker als ein Mitarbeiter, dessen Vertretungsdienste noch unterdurchschnittlich genutzt wurden. Auf diese Weise werden die Zeitsalden der Mitarbeiter aneinander angepasst. Individuelle Unterschiede in den Präferenzen für oder gegen Joker-Dienste sollten wiederum über das Tauschsystem (Abschn. 4.5) berücksichtigt werden. Abb. 5.30 zeigt an unserem Muster-Beispiel den Dienstplanzustand nach Eintrag der Zwischendienst-Joker (hier mit dem Kürzel: „JZ“). Alternativ ist auch eine Verteilung der Joker-Dienste vorrangig nach Freiwilligkeit möglich. Um diese zu realisieren, werden einfach bei Mitarbeitern, die mehr JokerDienste leisten möchten, Zwischendienste in „JZ“ umgewandelt. Dafür erbringen dann andere Kollegen den „normalen“ Zwischendienst. Bei Freiwilligkeitsmodellen muss stets eine Rückfallebene mitvereinbart werden, für den Fall, dass sich nicht genug Freiwillige finden sollten. Diese könnte zum Beispiel darin bestehen, dass diejenigen, die sich im laufenden Jahr am seltensten für Joker-Dienste eingetragen haben, dann die verbleibenden Dienste vorrangig besetzen. Dies würde dann durch den zentralen Planer disponiert.

Abb. 5.30  Einplanung von Joker-Diensten im Grunddienstplan (Muster-Beispiel)

2825  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

5.4.1.6 Wie sich „Verpuffungen“ vermeiden lassen Joker-Dienstmodelle ermöglichen neben deutlich höherer Verlässlichkeit bei der Dienstplanung eine passgenauere Abdeckung nicht planbarer Ausfallzeiten. Dennoch wird es auch bei Joker-Modellen zu einer Rest-„Verpuffung“ kommen – sie sollte sogar entstehen: Möchte man mehr als die durchschnittliche Krankenquote abdecken, ist eine gewisse Überbesetzung der Joker-Dienste sinnvoll. Umgekehrt stehen dann aber bei unterdurchschnittlichem Krankenstand zu viele Joker bereit. In unserem Muster-Beispiel betrug der durchschnittliche Krankenstand im Vertretungsbereich (53,9 VK × 0,055 =) circa 3 VK. Dann liegt die Schwankungsbandbreite zwischen einem und fünf Kranken – von Extremausschlägen abgesehen, die sich durch systematisches Ausfallzeitenmanagement ohnehin nicht bewältigen lassen. Bei solcher Verteilung der Krankheitshäufigkeit wird es im Muster-Beispiel an circa 10 Prozent der Tage vorkommen, dass kein Mitarbeiter krank ist – eine fast zu vernachlässigende Verpuffung. Es gibt aber auch dann, wenn dieses Ereignis eintritt, eine Reihe von möglichen Maßnahmen, um den Joker-Einsatz auch bei fehlendem oder geringem Vertretungsbedarf effizient auszugestalten: • Der Joker wird dort eingesetzt, wo zugleich erhöhter Arbeitsanfall besteht, wo also andernfalls Belastungen durch verdichtete Arbeit und/oder Zeitguthabenaufbau/Überstunden entstünden. • Bei vorhersehbar fehlendem Bedarf wird der Joker-Dienst rechtzeitig vorher, spätestens am Vortag, zur Reduzierung des Zeitsaldos abgesagt (siehe dazu Abschn. 6.1.5). • Andere Kollegen (oder der Joker selbst) verkürzen auf freiwilliger Basis an Tagen mit erhöhter Besetzung ihre Dienstzeiten. • Der Joker wird in anderen Arbeitsbereichen außerhalb des Vertretungsbereichs eingesetzt. • Die Soll-Besetzung wird – insbesondere bei leichter Joker-Überplanung – entsprechend abgesenkt. Dann bleibt der Joker-Dienst bei fehlendem Vertretungsbedarf einfach in seiner „Heimat“-Station und füllt die Soll-Besetzung auf. • Anstelle von Joker-Diensten werden Stand-By-Dienste (Abschn. 5.3.1) besetzt, die treffgenauer eingesetzt werden können.

5.4.1.7 Wie Joker-Mangel aufgefangen wird Umgekehrt kann es natürlich vorkommen, dass mehr Dienste kurzfristig entfallen, als im Ausfallzeitenmanagement vorgehalten werden. Nicht nur für diesen Fall sollte zuvor definiert werden, nach welchen Indikatoren die Joker-Dienste verteilt werden. Generell ist auch für das Ausfallzeiten-Instrument Joker-Dienst eine nachvollziehbare Indikation erforderlich – also vor allem die Besetzungskennzahl (Abschn. 7.2). Zeigt diese an, dass der Joker-Bedarf höher ist als die verfügbaren Joker, muss über den zentralen Koordinator eine Priorisierung erfolgen. Dies kann auch dazu führen, dass der Einsatz zur Hälfte in einem, zur anderen Hälfte in einem anderen Bereich erfolgt, damit beide Bereiche eine Teilentlastung erfahren.

5.4  Einsatzflexibilität: Joker-Dienste oder Poolmodell

283

Keinesfalls erhält der Bereich den Joker, der zuerst oder am lautesten nach ihm ruft. Auch gibt es keine vorrangiges „Anrecht“ der „Heimat-Station“, den Joker im eigenen Bereich zu behalten. Zwar findet sich der Joker zu Dienstbeginn möglicherweise in seinem Bereich ein, sofern ihm nicht zuvor der Einsatzbereich mitgeteilt werden konnte. Er wechselt dann aber in den vom Koordinator mitgeteilten Bereich.

5.4.1.8 Fallbeispiel Fallbeispiel 11 zeigt das Ausfallzeitenmanagement eines Krankenhauses, das durch eine geschickte Kombination von Joker-Diensten und Stand-By-Diensten – in Verknüpfung mit weiteren Maßnahmen – eine deutliche Stabilisierung der Dienstplanung erreicht hat. Fallbeispiel 11: Systematisches Ausfallzeitenmanagement: Verbesserung der Arbeitszeitund Einsatzflexibilität durch Stand-By- und Joker-Dienste

Elke Pfeifer, Pflegedirektorin der Main Kinzig Kliniken GmbH, Gelnhausen und Schlüchtern Die Main Kinzig Kliniken versorgen mit insgesamt circa 800 Pflegekräften Patienten an den beiden Standorten in Gelnhausen und Schlüchtern. Überlaufende Zeitkonten erzwingen Weiterentwicklung der pflegerischen Arbeitszeiten Es gab verschiedene Gründe dafür, dass die Zeitkonten unserer Pflegekräfte enorm hohe Zeitguthaben aufwiesen. Der wichtigste: Wir hatten früher eine „offene Arbeitszeit“: Jeder Mitarbeiter konnte seine Dienstzeit eigenständig überschreiten, und solche Längerarbeit wurde dann dem Zeitkonto gutgeschrieben. Hierdurch war der Anreiz, durch Disziplin und Arbeitsorganisation für die Einhaltung der dienstplanmäßigen Arbeitszeit eigenverantwortlich zu sorgen, gering. Ein zweiter Grund für die überlaufenden Zeitkonten: Kollegen sprangen „aus dem Frei“ für erkrankte Kollegen ein. Jedoch hatten wir den Fehler gemacht, die Sollarbeitszeit des Mitarbeiters jeweils komplett im Monatsdienstplan zu verplanen, so dass kein Puffer für solche Vertretungseinsätze blieb. Damit führte jeder Vertretungseinsatz zu Zeitguthabenaufbau. Hohe Zeitguthaben schmälern aufgrund der zu leistenden Rückstellungen zukünftige Beschäftigungsumfänge. Die Unzufriedenheit der Mitarbeiter wegen mangelnder Ausgleichsmöglichkeiten stieg. Und für die Stations- und Pflegedienstleitungen war der Aufwand für die Vertretungsorganisation durch das „Holen aus dem Frei“ enorm hoch. So blieb uns gar nichts anderes übrig, als alternative Arbeitszeiten für den Pflegedienst zu gestalten. Gemeinsame Entwicklungsschritte Uns war klar, dass die Arbeitszeitgestaltung ein gemeinsames Thema von Arbeitgeber und Betriebsrat ist – jenseits der ohnehin selbstverständlich zu beachtenden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Deshalb bildeten wir eine Arbeitszeitprojektgruppe – bestehend aus der Personalleitung und einem weiteren Vertreter des

2845  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Personalmanagements, der Pflegedirektion und zwei Pflegedienstleitungen sowie drei Vertretern des Betriebsrates. Es wurden drei wichtige Ziele formuliert: • Verlässlichkeit und Gerechtigkeit in der Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung • Transparente und nachvollziehbare Regelungen • Einbeziehung der Mitarbeiter des Pflegedienstes in den Gestaltungsprozess. In den ersten beiden Entwicklungsschritten hat das Gremium Dienstzeiten mit festen Anfangs- und Endzeiten definiert und wenige, übersichtliche Dienstzeit-Muster entwickelt. Das systematische Ausfallzeitenmanagement wird etabliert Als dritte Aufgabe haben wir uns im Arbeitszeitausschuss die Verbesserung des Ausfallzeitenmanagements vorgenommen – und haben Stand-By- und Joker-Dienste etabliert: Stand-By-Dienste Mit unseren Stand-By-Diensten kompensieren wir taggleich bekannt werdende Personalausfälle (vor allem) im Spätdienst. Ein im Stand-By-Dienst eingeteilter Mitarbeiter ist im Spätdienst im Dienstplan eingeteilt. Der Stand-By-Mitarbeiter muss zwischen 12:00 Uhr und 12:30 Uhr telefonisch erreichbar sein. Für die halbstündige Stand-ByZeit schreiben wir dem Mitarbeiter eine Stunde Arbeitszeit auf seinem Zeitkonto gut. Wenn der Mitarbeiter den Spätdienst leisten muss, wird ihm hierfür die tatsächlich geleistete Arbeitszeit angerechnet. Stand-By-Dienste haben wir vor allem für kleinere und spezielle Pflegebereiche vorgesehen, in denen die Krankheitswahrscheinlichkeit entsprechend gering ist. Zudem ergänzen wir mit Stand-by-Diensten unser zweites Instrument für ein systematisches Ausfallzeiten-Management: die Joker-Dienste. Während diese für hochwahrscheinlichen Krankheitsvertretungsbedarf benötigt werden, können Stand-by-Dienste bei erhöhtem Krankheitsaufkommen aktiviert werden. Joker-Dienste Die Joker-Dienste dienen dazu, im Spätdienst eingeteilte Mitarbeiter, die sich am Tag ihres Dienstes krank melden, zu ersetzen. Zu diesem Zweck werden Mitarbeiter einer Station mit einem Spätdienst über die Soll-Besetzung hinaus eingeplant. Sie werden im PEP-System mit einem „J“ versehen. Im Unterschied zum Stand-By-Dienst ist der Joker-Dienst-Mitarbeiter im Dienst fest eingeteilt, versieht dann den Dienst aber auf der Station, auf der der Krankheitsfall eintraf. Erkrankt ein Mitarbeiter seiner „Heimatstation“, verbleibt er auf dieser. Sonst wechselt er in die Station, die in das Vertretungscluster einbezogen wurde. Wenn kein Vertretungsbedarf besteht, kann der Mitarbeiter die Kollegen seiner Station unterstützen; er kann aber auch frei nehmen und hierdurch Zeitguthaben abbauen oder einen anderen Kollegen, der frei nehmen möchte, vertreten (Abb. 5.31). Die Vertretungscluster für die Joker-Dienste haben wir zusammen mit den Stationsleitungen festgelegt.

5.4  Einsatzflexibilität: Joker-Dienste oder Poolmodell

285

Abb. 5.31  Zu Fallbeispiel 11: Nutzung der Joker-Dienste

Die nachfolgende Aufstellung (Tab. 5.5) zeigt, wie viele Stand-By- beziehungsweise Joker-Dienste wir in welchen Kliniken geplant haben (Hinweis zum Spätdienst: Dieser Dienst dient auch zur Vertretung von Früh und Nacht durch Wechsel aus Spät). Alle Stand-By- und Joker-Dienste können auch für Vertretungseinsätze im Frühund im Nachtdienst genutzt werden. Ist dies der Fall, strukturiert die Station, die vom Einsatz des Mitarbeiters im Joker-Dienst profitiert, die Dienste ihrer Mitarbeiter entsprechend um. Oder der Mitarbeiter im Joker-Dienst ist bereit, einen anderen Dienst zu übernehmen. Diese Bereitschaft ist häufig dann gegeben, wenn er einen Ausfall auf der eigenen Station vertritt. Stand-By- und Joker-Dienste werden im Rahmen von Mitarbeiter-Workshops evaluiert und anschließend modifiziert Um die Umsetzung der neuen Dienstarten zu erleichtern, hatten wir in der Arbeitsgruppe beschlossen, nach einigen Monaten zu erheben, ob wir die selbst gestellten Ziele – insbesondere größere Verlässlichkeit und Gerechtigkeit bei der Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung und damit auch weniger Abrufe aus dem Frei – erreichen. Und da wir uns gleichzeitig die Einbeziehung der Mitarbeiter auf die Fahnen geschrieben hatten, wollten wir natürlich die Rückmeldungen der Mitarbeiter zu den Stand-By- und Joker-Diensten berücksichtigen.

2865  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden Tab. 5.5  Überblick über die geplanten Joker- und Stand-By-Dienste Standort Gelnhausen (GN) Innere

Chirurgie

Gynäkologie

Notaufnahme

Intensiv

4 Stationen

4 Stationen

2 Stationen

MO-FR

1 Joker

1 Joker





1 Joker

SA/SO/FT

1 Stand-By

1 Stand-By

1 Stand-By

1 Stand-By

1 Joker

MO-FR











SA/SO/FT









1 Stand-By

Inn./ Geriatrie

Chirurgie

KPP

Notaufnahme

Intensiv

4 Stationen

2 Stationen

4 Stationen

MO-FR

1 Joker







SA/SO/FT

1 Stand-By

1 Stand-By

1 Stand-By

1 Stand-By

(mit SL)

Spätdienst*

Nachtdienst

Standort Schlüchtern (SL)

(mit GN)

Spätdienst* siehe GN

* auch zur Vertretung in Früh/Nacht durch Wechsel aus Spät

Unsere Mitarbeiter-Workshops brachten viele positive Rückmeldungen. Allerdings gab es auch konstruktive Kritik und konkrete Verbesserungsvorschläge, wie die nachstehende Liste mit Auszügen aus den Rückmeldungen zeigt: Positiv: • • • •

gerechte Lösung („Jeder kommt mal dran!“) weniger „Einspringen aus dem Frei“ Joker-Dienste sind besser, weil man nicht in Anspannung ist weniger Aufwand für die Ausfallorganisatoren

Negativ: • • • • •

am Stand-By-Tag angespanntes Warten („Das Warten dauert gefühlt eine Stunde!“) Stationsablauf/Patienten auf fremder Station sind unbekannt Ungewissheit – wo komme ich hin? Mitarbeiter, die Joker- oder Stand-By-Dienst haben, fehlen auf der eigenen Station keine gesonderte Vergütung für die Dienste

5.4  Einsatzflexibilität: Joker-Dienste oder Poolmodell

287

Verbesserungsvorschläge: • lieber Joker- statt Stand-By-Dienst • kurze Einweisung in den Ablauf der fremden Station durch den Frühdienst • Gültigkeit der Dienste für kleinere Bereiche – Partnerstationen Die Rückmeldungen zeigten uns, dass die Mitarbeiter die Joker-Dienste gegenüber Stand-By-Diensten deutlich präferierten, weshalb wir die Anzahl der Stand-By-Dienste reduziert und durch Joker-Dienste ersetzt haben – siehe die nachfolgende Aufstellung (Tab. 5.6). Darin sind die gegenüber dem Ausgangskonzept geänderten Vertretungsdienste fett und unterstrichen dargestellt. Dass wir nicht gänzlich auf Stand-By-Dienste verzichten, hat mit der kleinen Größe mancher Bereiche zu tun. Eine weitere Verbesserung des Ausfallzeitenmanagements haben wir im Zuge unseres Projektes zur Einführung langlaufender Dienstpläne vorgenommen, indem wir Tab. 5.6  Überblick über die geplanten Joker- und Stand-By-Dienste – Anpassung nach Praxisphase Standort Gelnhausen (GN) Innere

Chirurgie

Gynäkologie

4 Stationen

4 Stationen

2 Stationen

Notaufnahme

Intensiv

MO-FR Partner

MO-FR Partner

MO-FR

2 Joker

2 Joker





1 Joker

SA/SO/FT

1 Stand-By

1 Stand-By

1 Stand-By

1 Stand-By

1 Joker

MO-FR











SA/SO/FT











Inn./ Geriatrie

Chirurgie

KPP

Notaufnahme

Intensiv

4 Stationen

2 Stationen

4 Stationen

Spätdienst*

Nachtdienst

Standort Schlüchtern (SL)

(mit GN)

MO-FR Partner Spätdienst* MO-FR

2 Joker









SA/SO/FT

1 Stand-By

1 Stand-By

1 Stand-By

1 Stand-By

1 Stand-By

* auch zur Vertretung in Früh/Nacht durch Wechsel aus Spät

2885  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

innerhalb der Pflegedienstleitung an jedem Standort eine Stelle „Personaldisposition und Organisation“ geschaffen haben. Der Stelleninhaber ist auch für das Ausfallzeitenmanagement verantwortlich. Die Mitarbeiter überprüfen zum einen die Dienstpläne, geben diese „frei“ und drucken die Dienstpläne in einer farbigen Version aus. Dieser Ausdruck signalisiert den Mitarbeitern die Gültigkeit des Dienstplanes. Die Überprüfung umfasst die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, betrieblicher Regelungen und die Einhaltung der Soll-Besetzung. Personalausfälle werden von dieser Stelle aus auch durch kurzfristige (aktuelle Schicht) Versetzungen von Mitarbeitern kompensiert. Ein kleinerer Pool von Aushilfen und der Einsatz von Zeitarbeitnehmern werden von diesen Mitarbeitern ebenfalls koordiniert. Durch die Zentralisierung dieser Aufgaben wird die Verlässlichkeit der Dienstpläne für die Mitarbeiter zusätzlich erhöht. Allerdings ist die Belastung für die beiden Mitarbeiter in Phasen hoher Ausfallzeiten enorm hoch. Einer Tendenz von Stationsleitungen, unliebsame Aufgaben, wie das Ausfallmanagement, weiterzugeben, muss entgegengewirkt werden. Wir sind den für uns richtigen Weg gegangen Obgleich wir nicht gänzlich ohne Abrufe aus dem Frei auskommen – es gibt immer Ausfallzeitenspitzen –, sind diese um 70 Prozent enorm zurückgegangen. Das systematische Ausfallzeitenmanagement in Form von Stand-By- und Joker-Diensten hat seine Potenziale für verlässlichere und gerechtere Arbeitszeitgestaltung in unseren Häusern entfaltet. Die Pflegekräfte schätzen die höhere Dienstplansicherheit. Erfreulicherweise ist auch unsere Krankheitsquote rückläufig: von 7,2 Prozent (2013) über 6,4 Prozent (2014) auf 5,9 Prozent (2015); im Jahre 2016 ist sie leider wieder leicht gestiegen auf 6,2 Prozent. Vor allem haben sich durch die Maßnahmen die Zeitguthaben auf einem Altlastenkonto, das wir zu Umsetzungsbeginn aus den bis dahin aufgelaufenen Zeitguthaben gebildet haben, um fast 50 Prozent von 41.500 (2014) auf 21.900 Stunden (2015) verringert. Und seit November 2017 steht das Altlastenkonto im Pflegedienst auf 0 Stunden.

5.4.2 Poolmodelle 5.4.2.1 Wie funktioniert ein Pool? Springerpools oder Vertretungspools haben in vielen Krankenhäusern eine längere Tradition – jedoch vielfach keine gute. Oftmals waren sie als Auffangbecken für leistungsoder verfügbarkeitseingeschränkte Mitarbeiter etabliert worden. Manchmal waren sie gar „Abstellgleis“ für die weniger Leistungsbereiten, mit denen man auf den Stationen nichts mehr anfangen konnte. Diese Pools waren zudem oft personell viel zu klein, um einen wirksamen Beitrag zur Stabilisierung von Dienstplänen leisten zu können. Daher „schlucken“ manche Führungskräfte vernehmlich, wenn man ihnen von der Renaissance des Pools berichtet. Die Pools, von denen wir nun sprechen, sind jedoch nicht das „fünfte Rad am Wagen“, sondern vereinen besonders einsatzflexible und daher hochqualifizierte und engagierte Mitarbeiter. Es ist daher schon des Öfteren vorgekommen,

5.4  Einsatzflexibilität: Joker-Dienste oder Poolmodell

289

Abb. 5.32  Prinzipdarstellung des Pools

dass ein „richtiger“ Springerpool aufgebaut wird, ohne dass dieser auf den bestehenden Basispools aufsetzt, um den Neuanfang in dieser Frage von Beginn an klarzustellen. Mitunter wird in diesen Fällen auch ein neuer Name gefunden werden müssen, um sich vom Image des bisherigen Pools zu lösen. Das Prinzip des Pools ist die Bündelung des Ausfallzeitenmanagements auf weniger Mitarbeiter. Anders als das Joker-Modell (Abschn. 5.4.1), das ja als ein „virtueller Pool“ aus sich täglich abwechselnden Beteiligten beschrieben werden kann, handelt es sich hier um einen „festen Pool“. Die Mitarbeiter bilden ein festes Team mit allerdings täglich wechselnden Arbeitsbereichen. Die Mitarbeiter im Pool wechseln zumindest für längere Zeit in den Pool hinein, um dann aus ihm heraus in den Arbeitsbereichen Vertretungseinsätze zu erbringen. Das Grundprinzip des Pools zeigt die schematische Abb. 5.32.

5.4.2.2 Wie entsteht ein Pool? Die Stationen geben rechnerisch die entsprechend für die Vertretung benötigte Personalkapazität ab. In unserem Muster-Beispiel wird mithin der für Krankheit erforderliche Stellenanteil von 0,7 VK in den Pool transferiert, so dass der Stellenplan der Station von 12,2 VK auf 11,5 VK absinkt „Psychologisch“ günstiger ist der Aufbau eines Pools, indem ansonsten in die Arbeitsbereiche hinein erfolgende Stellenzuwächse nicht dort, sondern im Pool landen. Dies ist dann möglich, wenn die Stellenkapazität ausgeweitet werden kann (etwa aufgrund gestiegener Leistung oder aufgrund einer möglichen Budgetausweitung) oder wenn im Stellenplan bereits vorgesehene Stellen noch unbesetzt waren. In diesen Fällen erscheint der Poolaufbau den Beteiligten als Erweiterung, nicht als Umschichtung der Stellenkapazität. Daran, dass die arbeitsplatzbezogenen Personalbedarfsberechnungen der Arbeitsbereiche angepasst werden müssen, wenn ein Pool die Ausfallzeiten oder Teile davon vertritt, führt aber auch bei dieser Variante kein Weg vorbei. Die Gesamtzahl der benötigten Mitarbeiter bleibt – unter sonst identischen Budgetumständen – gleich, nur werden sie anderen organisatorischen Einheiten zugeordnet. Betriebswirtschaftlich ist also auch dieses Instrument nicht teurer als andere, sofern es denn korrekt umgesetzt wird. Die Personal-Kalkulation eines Pools bereitet anfangs Mühe, weil aus den vom Pool profitierenden Stationen die anteiligen kleinzahligen Stellenanpassungen nicht adäquat umgesetzt werden können. Dieses temporäre Phänomen kann mitunter zu dem objektiv nicht zutreffenden Eindruck

2905  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

beitragen, Poollösungen seien betriebswirtschaftlich teurer als der herkömmliche Umgang mit dem Ausfallzeitenmanagement. Oft wird ein Pool schrittweise aufgebaut, denn er sollte sich vorrangig aus Freiwilligen rekrutieren, die Interesse an bereichsübergreifendem Arbeiten haben. Der Anteil der Mitarbeiter, die Freude an übergreifendem Arbeiten, häufig wechselnden Anforderungen und vielfältigen sozialen Kontakten haben, ist übrigens häufig größer als gedacht. Es wird dafür ja nicht die Mehrheit der Mitarbeiter benötigt. Mehrere Befragungen in Krankenhäusern, die über keinen oder lediglich einen „Rumpfpool“ verfügten, ergaben ein grundsätzliches Interesse in der Größenordnung von circa 20 Prozent der infrage kommenden Mitarbeiter. Wenn sich nur ein Drittel dieser Interessenten tatsächlich für den Pool entscheidet, ist dieser funktionsfähig. Die tatsächliche Eintrittsbereitschaft in einen Pool hängt von Faktoren ab, die wir weiter unten beschreiben. Mitunter werden frisch examinierte Pflegekräfte für eine gewisse Zeit im Pool beschäftigt; dies hat sich jedoch nach unserem Eindruck nicht bewährt. Andere Häuser haben es zur Bedingung für Führungsaufgaben gemacht, zuvor einige Monate im Pool gearbeitet zu haben. Diese Zeit ermöglicht breite, stationsübergreifende Sichtweisen, die der angestrebten Führungsarbeit zu Gute kommen. Diese Idee halten wir für sinnvoll. Das temporäre Unterstützen des Pools symbolisiert die gewünschte Wertschätzung desselben. Ebenso sinnvoll ist die Integration von Aushilfen und Mitarbeitern mit spezifischen Verfügbarkeitsbeschränkungen, wie Mitarbeitern in Elternzeit. Diese können auf diese Weise im Betrieb und im Arbeitsleben gehalten werden. Ihre Arbeitsbefähigung bleibt erhalten. Aushilfen können in der Regel dann erfolgreich in Pools integriert werden, wenn der Pool nicht ausschließlich aus ihnen besteht. Die vorrangige Fähigkeit der Poolmitarbeiter liegt in der breiten stationsübergreifenden Einsetzbarkeit. Bei größeren Pools kann dabei – um Spezialisierungen zu ermöglichen – eine Aufteilung nach Disziplinen sinnvoll sein. Hinsichtlich der Arbeitsgebiete Intensivstation, Kinderkrankenpflege, ZNA und Psychiatrie ist sie ohnehin geboten.

5.4.2.3 Vertretungspotenzial des Pools Volumen, Anteil und Dienstlagen der zu vertretenden Ausfallzeiten können auch im Pool in der gleichen Weise kalkuliert werden wie bei den zuvor vorgestellten Instrumenten. In der bereits vorgestellten Abb. 5.20 – dem Auszug unseres Muster-Beispiels aus dem Arbeitstool G – kann man im Reiter „Überblick Ausfallzeiten“ sehen, dass über die drei Vertretungsbereiche (hier: Gruppen A bis C) hinweg 9,8 VK für die Krankheitsvertretung zu Verfügung einkalkuliert werden können. Diese Zahl entspricht dem Poolpotenzial, wenn zum einen nur die Krankheit aus dem Pool heraus vertreten werden soll und zum anderen aber die gesamte Krankenquote. Beide Bedingungen sind ja, wie wir in Abschn. 5.1.5 dargelegt haben, auch anders bewertbar. Zum Beispiel könnte der Pool weitere Ausfälle vertreten – wie Fortbildungen, aber auch Beschäftigungsverbote, fluktuationsbedingte Besetzunglücken und so weiter. Eine umfassendere Integration von Ausfallzeiten in den Pool kann sich bei durchlaufenden Grunddienstplänen anbieten, um die jahresbezogene Dienstplanung so weit wie möglich zu stabilisieren. Hat der Pool eine

5.4  Einsatzflexibilität: Joker-Dienste oder Poolmodell

291

personelle Ausstattung von 9,8 VK, so entspricht das (9,8 VK/183 =) circa 5,3 Prozent der Personalkapazität. Wir sehen – abhängig von der Vertretungsquote – sinnvolle Poolgrößen bei 4 bis 10 Prozent der Pflege-Mitarbeiter, wobei der höhere Wert tendenziell für kleinere, der niedrigere für größere Häuser anzusetzen ist. Solche Pools haben damit häufig Stationsgröße. In größeren Häusern können sie sogar (neben den Intensivstationen) die personell größte Station sein. Viele bestehende Pools in Krankenhäusern sind allerdings deutlich kleiner – und damit zu klein, um ein verlässliches Ausfallzeitenmanagement bewirken zu können. In unserem Muster-Beispiel sollen nun Ausfallzeiten in sämtlichen Dienstlagen vertreten werden. Entsprechend der Verteilung der Besetzung und damit der Krankheitshäufigkeit soll der Pool in sämtlichen Dienstlagen zweifach besetzt werden – mit Ausnahme des Wochenendes und der Nachtdienste, an denen die Dienste nur einmal besetzt werden. Für die arbeitsplatzbezogene Berechnung des Besetzungs- und Personalbedarfs kann wieder Tool B behilflich sein; die Berechnung zeigt Abb. 5.33. ▶▶

Tool B: Arbeitszeitmethode

Abb. 5.33  Tool B (Auszug) – arbeitsplatzbezogener Besetzungs- und Personalbedarf im Pool

2925  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Aus dem Pool heraus sollten im obigen Beispiel die zu vertretenden Ausfallzeiten in allen Dienstlagen vertreten werden. Alternativ kann die Vertretung auch auf Früh-, Zwischenund Spätdienste konzentriert werden. Dann wird die Nacht weiterhin stationsintern vertreten. Das ändert aber an der oberen Berechnung des Vertretungspotenzials nichts: Dann sind die Spätdienste zu verstärken, um in diesen auf den peripheren Stationen dabei zu unterstützen, Verschiebungen dortiger Spätdienste zur Nachtvertretung zu ermöglichen. Ohnehin ist – wie bei Joker-Diensten – eine gegenüber dem anteiligen Krankheitsaufkommen höhere Gewichtung der Spätdienste in der Regel ratsam (Abschn. 5.4.1).

5.4.2.4 Personaleinsatz des Pools Das Besondere an der Berechnung des Poolpersonalbedarfs ist nun, dass für die Ermittlung des Personalbedarfs im Pool Ausfallzeiten – mit Ausnahme des Vorwegabzugs von Feiertagsarbeit – außer Betracht bleiben. Dem liegen folgende Überlegungen zugrunde: • Krankheitsausfall der Poolmitarbeiter wird nicht vertreten, denn das würde bedeuten, dass man für den Pool wiederum ein Ausfallzeitenmanagement bräuchte – quasi den Pool für den Pool. De facto stellt ja die Erkrankung eines Poolmitarbeiter einen „Volltreffer“ dar – der Ausfallzeitenvertreter wird selbst krank. • Urlaub wird ebenfalls nicht vertreten. Stattdessen reduziert sich die Besetzung. Vorrangig sollten Früh- und Spätdienste entfallen, um die besonders vertretungsgeeigneten Zwischendienste zu erhalten. Im Pool ist übrigens eine stärkere Ungleichverteilung des Urlaubs möglich als in anderen Bereichen, sofern der Urlaub überwiegend im Frühjahr und Sommer genommen wird. Weil zu dieser Zeit die Krankheitsquote meist niedriger ist (Abschn. 5.1.3), korrespondiert dies gut mit einer höhere Urlaubsabdeckung. In unserem Muster-Beispiel könnte beispielsweise im Sommer die Urlaubsquote drei (von zwölf Mitarbeitern in VK) betragen und damit etwa dem Doppelten des Durchschnitts – ein Wert, der in den anderen Arbeitsbereichen nicht erreicht werden kann (Abschn. 5.1.2). Aus diesen Gründen können Mitarbeiter, sofern sie dies wünschen, nach besonders planbaren Dienstplänen arbeiten. Es ist im Pool ebenso möglich, mit langfristigen Grunddienstplänen zu arbeiten. Dies ist sogar einfacher – mangels eigenen Ausfallzeitenmanagements. Oftmals suggerieren mit Aushilfskräften besetzte Pools mit kurzfristigen Einsatzzeitvorläufen, dass Pools neben dem einsatzflexiblen Einsatz auch kurzfristig arbeitszeitflexibel sein müssen. So würden sie die „Flexibilitätslasten“ allein tragen, wovon die anderen dann profitieren. Doch das muss keineswegs so sein. Was von Aushilfskräften, die sich je nach Verfügbarkeit gern auch kurzfristig zu Diensten einteilen lassen, gewünscht ist, muss keineswegs auf „feste“ Mitarbeiter im Pool übertragen werden. Die meisten Pools in der Praxis dürften ohnehin bereits reine Einsatzflexibilitätspools sein – mit stabilen sowie individualisierten Arbeitszeiten. Der Personaleinsatz in den jeweiligen Bereichen muss analog zu Joker-Modellen zentral disponiert werden. Den Einsatzentscheidungen sollten wiederum klare Indikationen

5.4  Einsatzflexibilität: Joker-Dienste oder Poolmodell

293

zugrunde liegen. Die anfordernden Einheiten sollten auch hier keinen Einfluss auf die Einsatzentscheidung ausüben können. Beim Pool kann die Poolleitung zugleich die Disponentin sein. Dann erfolgt die zentrale Disposition über den Leiter des Pools, in den Spät- und Nachtdiensten über entsprechend von ihm beauftragte Schichtleitungen. Der Poolmitarbeiter erfährt seinen Einsatzort so rechtzeitig wie möglich. Ist er noch nicht eingeteilt, kommt er zu Dienstbeginn in das Poolbüro, wo sein Einsatzort festgelegt wird. Hinsichtlich möglicher „Verpuffungseffekte“ gilt das bereits zum Joker-Dienst dargelegte analog (siehe Abschn. 5.4.1). Niemand muss befürchten, dass ein Poolmitarbeiter „herumsitzt“, weil selbstverständlich für die Ausfallzeitenvertretung und für Spitzenabdeckungen nicht benötigte Mitarbeiter jeweils festgelegten Prioritäten – etwa auf Basis der Besetzungskennzahl oder mit dem Angebot eines kurzfristigen freiwilligen Freizeitausgleichs für andere Mitarbeiter – in die Arbeitsbereiche abfließen.

5.4.2.5 Vorteile des Pools Etablierte Springerpools verfügen über hochqualifizierte, polyvalente (breit einsetzbare) und oftmals gut motivierte Mitarbeiter. Da sie permanent in anderen Arbeitsbereichen eingesetzt werden, verfügen sie über umfassendere Kenntnisse für die Behandlung und Betreuung der Patienten/Bewohner als die stations-/bereichsspezifisch eingesetzten Mitarbeiter. Sie sind gewohnt, sich zügig in neue Arbeitsfelder einzuarbeiten und integrieren sich rasch in unterschiedliche Teams. Die übergreifende Kompetenz kann auch nutzbar gemacht werden für die Aufgaben im Qualitätsmanagement – insbesondere hinsichtlich der Standardisierung von Arbeitsabläufen. Das kann durchaus soweit gehen, dass Pools tageweise eine ganze Station „schmeißen“, um diese „nebenbei“ auf mögliche Verbesserungspotenziale bei den Arbeitsabläufen zu durchforsten. Die in der Station „beheimateten“ Kollegen können währenddessen ihre Zeitsalden herunterfahren. Regelmäßige Feedbackrunden der Poolmitarbeiter zur Ablaufverbesserung sind ein willkommener Nebeneffekt. 5.4.2.6 Wie Pools gefördert werden Das Interesse zur Mitarbeit in einem Springerpool kann durch attraktive Rahmenbedingungen gefördert werden. Dazu gehören vor allem: • Der Pool sollte als eigenständiger Organisationsbereich mit Entscheidungskompetenzen bei der zentralen Personaldisposition ausgestattet werden. Die Qualität der Führung ist besondere in der Aufbauphase von entscheidender Bedeutung. • Es muss eine einheitliche Kommunikation durch sämtliche pflegerische Führungskräfte und eine professionalisierte interne wie externe Mitarbeiter-Akquise geben. Der Pool muss dabei stets als besonders qualifizierte, wertvolle und geschätzte Mitarbeitergruppe herausgestellt werden. Eine gewisse „elitäre“ (Selbst-)Positionierung des Pools ist gerechtfertigt und wünschenswert. Dazu gehört auch, dass ein wertschätzender wie qualifikationsgerechter Einsatz in den zu vertretenden Bereichen sichergestellt werden

2945  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden



• •

• •

muss. Poolmitarbeiter sind keine „Ausputzer“. Arbeitsbereiche, die gegen diese Regel verstoßen, sollten zeitweilig aus der Poolnutzung ausgeschlossen werden. Die Dienstplanung der Poolmitarbeiter sollte weitestmöglich die Interessen der Mitarbeiter berücksichtigen – auch hinsichtlich gewünschter Verlässlichkeit. Ausfallzeiten im Pool sollten nicht vertreten werden müssen. Attraktive Urlaubstagen – etwa in den Schulferien – können gefördert werden. Der Pool sollte offen sein für unterschiedlichste Vertragsarbeitszeit-Varianten der Mitarbeiter – und gegebenenfalls auch deren Variation im Zeitablauf. Damit ist er auch interessant als Brücke zwischen Freistellungs- und Arbeitsphasen. Pools sollten Motor für die Weiterentwicklung von Pflegestandards und Arbeitsabläufen sein. Poolteilnahmen sollten auch befristet möglich sein. Die Mitarbeit im Pool sollte bei der Mitarbeiterbeurteilung positiv gewichtet werden. Für Karrieren sollte – wie in anderen Branchen längst Standard – der Nachweis der umfänglichen Einsetzbarkeit und Kenntnis der betrieblichen Gegebenheiten Voraussetzung sein, was durch die Mitarbeit im Pool für einen vereinbarten Mindestzeitraum nachgewiesen werden kann. Im Pool sollten Maßnahmen zur Teambildung für das ansonsten weitgehend virtuelle Team stattfinden – zum Beispiel in Form gemeinsamer Fortbildungen. Es kann die Gewährung einer Zulage für breite Qualifikation („Polyvalenzzulage“) erwogen werden, wobei dieser Punkt in erfolgreichen Pools nicht die oberste Bedeutung hat, während er in der Diskussion um mögliche Anreize für eine Neuetablierung eines Pools häufig zuerst genannt wird.

5.4.2.7 Fallbeispiele Anhand zweier Fallbeispiel seien nun Poollösungen aus der Praxis näher vorgestellt. Zunächst berichtet die Leiterin des Springerpools einer Universitätsklinik im Fallbeispiel 12 über ihre langjährige Erfahrung damit, wie sie einen Pool schrittweise aufgebaut und etabliert hat. Im Fallbeispiel 13 wird von der stellvertretenden Pflegedirektorin ein Aushilfenpool vorgestellt, der in diesem Fall vorrangig aus Studenten besetzt wird, in dem aber auch interessierte weitere Mitarbeiter mitwirken können.

Fallbeispiel 12: Der Springerpool des Universitätsklinikums Jena – „Pflegefeuerwehr“ zur Kompensation kurzfristiger Personalausfälle

Bärbel Rademacher, Leiterin des Springerpools Wie sich der Springerpool entwickelt hat Unser Klinikum beschäftigt an drei Standorten mit circa 1300 Betten etwa 1500 Pflegekräfte. Ende der 90er Jahre kamen immer mehr Mütter mit kleinen Kindern auf uns zu, die nach der Babypause wieder als examinierte Pflegekräfte arbeiten wollten, wegen der

5.4  Einsatzflexibilität: Joker-Dienste oder Poolmodell

295

Kinder aber keinen Schichtdienst mehr leisten konnten. Das war für uns der Anstoß, einen Pool einzurichten, mit dem gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden konnten: Wir konnten nicht nur Mitarbeiter am Klinikum halten, sondern auch kurzfristige Personalausfälle leichter bewältigen. Der letzte Punkt hat sich jedoch erst im Laufe der Zeit herauskristallisiert. Er ist mittlerweile für uns der wichtigste Aspekt des Pools. Unser Pool startete im November 2000 klein: mit 4,5 VK beziehungsweise 6 Köpfen. Da dieser Pool durch Mütter mit kleinen Kindern besetzt wurde, boten wir den Kolleginnen vor dem Hintergrund ihrer zeitlichen Präferenzen zunächst nur Frühdienste und vereinzelt Spätdienste an, die Montag bis Freitag zu leisten waren. Zu dieser Zeit wurden die Springerpoolmitarbeiter nur auf chirurgischen und internistischen Stationen eingesetzt. Im Laufe der Jahre wurde die Stellenausstattung des Pools mehrfach aufgestockt, da die Mitarbeiter sich bewährten und es gute Rückmeldungen von den Bereichen zu verzeichnen gab. Der Ruf nach mehr Personal im Springerpool wurde lauter. 2002 erweiterten wir auf 8,0 VK, 2004 auf 17,5 VK und 2008 auf 30,0 VK. Mit dieser Aufstockung ging eine grundlegende Neuorientierung des Springerpools einher: Die Poolmitarbeiter sollten auch am Wochenende und in Spät- und Nachtdiensten eingesetzt werden. Darüber hinaus spezialisierten sich die Mitarbeiter auf bestimmte Einsatzorte wie die Allgemeinstationen, die Intensivstationen oder den Zentral-OP. Eine Untergliederung des Springerpools wurde aufgrund der speziellen Tätigkeiten und Anforderungen der Bereiche notwendig. Zudem richteten wir einen eigenen, nur mit Studenten vielfältigster Studienrichtungen besetzten Springerpool ein; die etwa 350 Studenten unterstützen die Pflege- und Funktionsbereiche als Hilfskräfte. Die Ziele des Springerpools haben sich mit seinem Wachstum verändert: Während dieser zunächst nur dazu diente, Mitarbeitern mit besonderen zeitlichen Vorgaben eine Beschäftigung zu ermöglichen, nutzen wir ihn heute am Universitätsklinikum Jena zur Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Pflege, indem wir mit dem Einsatz unserer Poolmitarbeiter Leistungsspitzen auffangen und Leistungseinbußen z. B. in Form von Bettensperrungen weitgehend vermeiden – getreu unserem Motto „Wir kommen, wenn es ‚brennt‘“. Der Pool arbeitet in allen Arbeitsbereichen unseres Hauses und in allen Schichten an allen Wochentagen. Warum die Gewinnung von Poolmitarbeitern kein Problem ist Heute macht uns der gute Ruf, den der Pool am Klinikum genießt, die Personalausstattung leicht. Alle Mitarbeiter arbeiten freiwillig und gern im Pool – viele schon seit vielen Jahren. Unsere Mitarbeiter schätzen am Pool besonders folgende Vorteile: • Die individuelle zwei- bis zwölfmonatige Einarbeitung • Die familienfreundlichen und festen Arbeitszeiten, zum Beispiel sind kurzfristige Arbeitszeitreduzierungen/-erhöhungen möglich, verbindlicher Soll-Plan • Eine hohe Planungssicherheit bei der Personaleinsatzplanung

2965  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

• Die Personalentwicklungsmöglichkeiten (zum Beispiel das Erreichen von Führungspositionen und/oder die Teilnahme an Fachweiterbildungen) • Die Unabhängigkeit, zu keinem Stationsteam mit dem täglichen Klein-Klein des Stationsalltags gehören zu müssen • Das fachübergreifende Arbeiten • Das gute Klima im Pool • Das hohe Ansehen des Pools auf den Stationen, der auch von den ärztlichen Kollegen anerkannt wird Diese Vorteile machen sich übrigens im deutlich geringeren Krankenstand im Vergleich zu den regulären Stationen und der niedrigen Fluktuation der Poolmitarbeiter bemerkbar. Die zweijährige Mindestzugehörigkeit, die wir für den Pool vereinbart haben, ist daher kein Problem. Wie die strukturellen Rahmenbedingungen gestaltet sind Der Springerpool ist seit seiner Entstehung der Pflegedirektion zugeordnet und ihr direkt unterstellt. Ebenso ist er eine eigenständige Organisationseinheit mit eigener Leitung. Hierüber hinaus haben wir einen Koordinator, der die tägliche Vergabe der Mitarbeiter organisiert und koordiniert, sowie je einen Teamleiter für die einzelnen Poolbereiche (Allgemeinstationen-, ITS/IMC-, OP-Pool und Kinderstationenpool). Wir sind „ständig“ für die Pflege- und Funktionsbereiche über unser Poolbüro mit eigener Telefonnummer sowie via Handy ansprechbar. Das Poolbüro ist Montag bis Freitag von 07:00 Uhr bis 21:00 Uhr durch einen Koordinator besetzt; die Erreichbarkeit über Handy ist ebenso über den Koordinator von Freitag 21:00 Uhr bis Montag 07:00 Uhr sichergestellt. Wie die Poolmitarbeiter „abgerufen“ werden Unsere Poolmitarbeiter werden zu circa 20 Prozent „planbar“ von den Bereichen angefordert, z. B. bei geplanten Supervisionen, Fort- und Weiterbildungen, die restlichen circa 80 Prozent der Einsätze erfolgen kurzfristig, das heißt täglich, zu jeder Zeit. Für einen lang- und kurzfristigen Abruf füllt die Leitung des anfordernden Bereichs das Anforderungsformular digital aus (Tab. 5.7): Die Koordinatoren des Springerpools entscheiden über den Einsatz von Poolmitarbeitern im anfordernden Bereich grundsätzlich anhand von drei Kriterien: • Pflegeaufwand der Patienten auf Basis der PPR • Bettenbelegung • Personalbestand der anfordernden Station/Funktionsabteilung wie im Dienstplan ersichtlich Wir arbeiten mit der Software SAP und haben Sicht auf die Bettenbelegung, PPR (pflegerelevante Einstufung) und Dienstplanung der einzelnen Stationen.

5.4  Einsatzflexibilität: Joker-Dienste oder Poolmodell

297

Tab. 5.7  Formular zum Abruf von Poolmitarbeitern Klinik/Funktionsbereich

MKG

Station

B340

Telefonnummer

−340

Anfordernder Mitarbeiter



Anforderungsdatum

20.06.2017

Bemerkungen

Kurzfristiger Personalausfall von 2x Examinierten und 1x Hilfskraft. Wir erbitten personelle Unterstützung! Datum

für die Dienste

Dienst

Qualifikation

1

21.06. (Mi)

F0

Exam. PD

2

22.06. (Do)

S2

exam. PD

3

23.06. (Fr)

N2

exam. PD

4

21.06. (Mi)

F0

Pfl. Assist.

5

22.06. (Do)

S2

Student.

6

23.06. (Fr)

S1

Student.

Besetzung Mindestbesetzung

5

Ist-Besetzung

3 Abwesenheiten

Urlaub

1

Krankheit

3

Fortbildung

0

Freizeitausgleich

0

Beschäftigungsverbot

0

Besonderheiten gibt es für die ITS-/IMC-Stationen, wo die Pflegedienstleitung/ Stationsleitungen den Einsatz der Poolmitarbeiter bestimmen. Die Stationsleitungen erhalten kurzfristig eine Information, wie viele Intensiv-/IMC-Springer im Dienst sind. Für die OPs wird täglich vor Ort über den Einsatz von Poolmitarbeitern entschieden, da diese hier nur im Frühdienst zum Kerngeschäft zur Verfügung stehen. Das Poolbüro gibt dem anfordernden Bereich eine Rückmeldung via Fax und trägt den Mitarbeiter im SAP-Dienstplanprogramm auf den Dienstplan des Bereichs ein, in dem der Poolmitarbeiter eingesetzt wird. Sofern nicht alle Poolmitarbeiter „abgerufen“ werden, prüft das Poolbüro den Stand der Mehrarbeitsstunden in den Bereichen und sendet gegebenenfalls „freie“ Poolmitarbeiter dorthin, wo die Mehrarbeit besonders hoch ist, damit diese Mitarbeiter gezielt Mehrstunden abbauen können. Das Poolbüro ist hierfür gegenüber diesen Mitarbeitern weisungsberechtigt.

2985  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Abrufe aus dem Springerpool erfolgen aus allen Bereichen des Hauses – von den Allgemein- und psychiatrischen Stationen über die ambulanten Bereiche wie die Betriebsambulanz oder Tageskliniken bis zu operativen Bereichen und der zentralen Notaufnahme. Das zeigt, dass unser Pool als Instrument des Personaleinsatzes akzeptiert ist. Interessantes und wichtiges Ergebnis einer Befragung in den Bereichen, die Poolmitarbeiter anfordern, war, dass die Arbeitsqualität der Poolmitarbeiter mit jener der Stamm-Mitarbeiter absolut vergleichbar ist. Welche positiven Nebeneffekte der Einsatz von Poolmitarbeitern auf die Abläufe hat Dadurch, dass unsere Poolmitarbeiter sozusagen mit dem Blick des Externen sowie aufgrund der Kenntnis zahlreicher Abteilungen und damit einhergehender hoher fachlicher Kompetenz in die Bereiche kommen, fällt es ihnen leicht(er), etwaige Probleme bei der Aufgabenerledigung zu erkennen. Da die Poolmitarbeiter immer wieder mit neuen Situationen und anderen Kollegen zurechtkommen müssen, ist ihre soziale Kompetenz besonders ausgeprägt: So können die Poolmitarbeiter anderen Bereichen Hinweise und Ratschläge geben und mit den jeweiligen Leitungen Problemlösungen entwickeln. Was zunächst nur nebenbei „lief“, wurde mit dem „Tag des Springerpools“ als Instrument zur Ablaufoptimierung fest verankert. An diesem Tag, dessen Ziel im Voraus mit dem Bereich besprochen wird, wird eine Dienstlage ausschließlich mit Poolmitarbeitern besetzt. Das Stammpersonal hält sich im Hintergrund und „beobachtet“. So können sie sich einen eigenen Eindruck von den Gegebenheiten wie der Organisation beispielsweise von Pausenzeiten oder Möglichkeiten zu pünktlichem Dienstende verschaffen. Die jeweils anderen Berufsgruppen wie ärztlicher Dienst und/oder Therapeuten werden in die Prozessoptimierung einbezogen. Am Ende des Dienstes erfolgt eine Dienstübergabe inklusive Auswertung des Tages mit dem Stammpersonal und den anderen Berufsgruppen, in deren Rahmen die Poolmitarbeiter Hinweise für Prozessänderungen und die Optimierung von Abläufen geben. Die vielseitige Einsetzbarkeit der Poolmitarbeiter hat diese im Laufe der Zeit nicht nur zur „Feuerwehr“ für die Bewältigung kurzfristiger Ausfallzeiten und die Entlastung der Mitarbeiter auf den peripheren Stationen, sondern auch zum „Notfallteam“ für besondere Situationen wie die schnellere Öffnung neuer Stationen, die Triageausbildung in der Notaufnahme, das eigenverantwortliche Führen der Flüchtlingsambulanz und ähnlichem werden lassen.

Fallbeispiel 13: Der flexible Aushilfenpool zur Vermeidung von Besetzungslücken im Pflegedienst

Sabine Kesting, Stellv. Pflegedirektorin, Katholisches Klinikum Bochum Das Katholische Klinikum Bochum gehört mit 1400 Betten zu den größten Krankenhaus-Unternehmen im Ruhrgebiet. In fünf Krankenhäusern werden jährlich circa 50.000 Patienten stationär und circa 157.500 Menschen ambulant versorgt. Im Pflegedienst beschäftigen wir etwa 1400 Mitarbeiter.

5.4  Einsatzflexibilität: Joker-Dienste oder Poolmodell

299

Stabilerer Personaleinsatz trotz kurzfristigen Reaktionsbedarfs Nicht nur die kurzfristige krankheitsbedingte Ausfallzeitenvertretung machte uns zu schaffen, auch für kurzfristig höheren Besetzungsbedarf war eine Lösung zu finden: So ergibt sich zum Beispiel in der – vor allem nächtlichen – Betreuung hochaufwändiger Patienten und dem Ausbruch saisonbedingter Infektionen Reaktionsbedarf. Mit unserem Konzept zur Kompensation kurzfristiger Ausfallzeiten wollten wir zugleich eine gleichmäßigere Besetzung auf den Stationen zugunsten einer hochwertigen Betreuung der Patienten erreichen, den Dienstplan durch Verzicht auf das „Holen aus dem Frei“ stabilisieren, Überstunden reduzieren und den Zeitaufwand für die Vertretungssuche minimieren. „Konzept zum Ausfallmanagement zur Kompensation von kurzfristigen Personalausfällen im Pflegedienst“ Bereits 2010 haben wir an allen fünf Standorten unseres Hauses unser „Konzept zum Ausfallmanagement zur Kompensation von kurzfristigen Personalausfällen im Pflegedienst“ eingeführt. Dieses kombiniert verschiedene Modelle, mit denen wir heute kurzfristige Ausfallzeiten bewältigen: • Aushilfspool (im Detail siehe unten) • Umsetzungsmodell (Rotation von Mitarbeitern innerhalb eines Bereiches auf eine andere Station) • Anreizdienste (Rückkehrer aus der Elternzeit mit familiär bedingten Arbeitszeiteinschränkungen erhalten die von ihnen benötigte Arbeitszeit und werden in allen Betriebsstätten eingesetzt) Dabei nutzen die Kollegen die oben genannten Instrumente entsprechend ihrer persönlichen Möglichkeiten, um das Ausfallzeitenmanagement zu unterstützen. Zeitgleich haben wir den Pflegedienst neu strukturiert und pflegerische Bereichsleitungen als Netzwerker zwischen Pflegedirektion und Stationsleitungen eingeführt. Eine Bereichsleitung ist jeweils für alle Stationen einer einzelnen Fachklinik zuständig und verantwortet hierbei die Dienstplanung inklusive Ausfallzeitenmanagement. Somit können wir kurzfristige Personalausfälle stations- und sogar bereichsübergreifend kompensieren. Ausgestaltung des flexiblen Aushilfspools Unser pflegerischer Aushilfspool wurde sukzessive ausgebaut und umfasst heute etwa 80 Personen unterschiedlicher Qualifikationen: • • • •

Gesundheits- und Krankenpfleger, die nach der Elternzeit zurückkommen, Gesundheits- und Krankenpflegeassistenten, Rettungsassistenten sowie Medizinstudenten, nach ihrem Pflegepraktikum mindestens zwei Monate Praxiserfahrung haben.

3005  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Die Aushilfen werden in allen Betriebsstätten und auf allen Stationen eingesetzt. Die Poolmitarbeiter werden am Wochenanfang via E-Mail gefragt, ob sie in der kommenden Woche und, wenn ja, wann sie arbeiten können. Alle diese Mitarbeiter können so ihre Wunscharbeitszeiten angeben, die in ihre individuelle Lebensplanung passen. Den Einsatz der Poolmitarbeiter steuert zentral die Pflegedirektion. Im Fall ihrer Abwesenheit, also außerhalb der Geschäftszeiten, übernimmt die Pflegedienstleitung in Rufbereitschaft diese Aufgabe. Die Bereichsleitungen beziehungsweise die Stations- oder Schichtleitung prüfen zunächst, ob erhöhter Personalbedarf und/oder ein kurzfristiger Personalausfall mit eigenen Personalressourcen bewältigt werden kann. Sollte das nicht der Fall sein, können sie bei der Pflegedirektion beziehungsweise Pflegedienstleitung in Rufbereitschaft eine Aushilfe anfordern. Diese rufen die Aushilfen entsprechend an und koordinieren die Einsätze. Der flexible Aushilfenpool – eine gute Lösung für alle Wir haben mit unserem Aushilfenpool sehr gute Erfahrungen gemacht. So war es nie ein Problem, hierfür Mitarbeiter zu gewinnen, obgleich es naturgemäß keine feste Stationszuordnung gibt. Die Rückkehrer aus Elternzeit schätzen die Möglichkeit, auf diesem Weg sukzessive wieder arbeiten und den „richtigen“ Wiedereinstieg vorbereiten zu können. Alle profitieren von der Arbeit am und mit dem Patienten für die persönliche Entwicklung. Für die Pflegeverantwortlichen wird der Aufwand für die Bewältigung von Arbeitsspitzen und kurzfristigem Personalausfall minimiert. Und last but not least wird eine besetzungsstabile Patientenbetreuung sichergestellt.

5.4.2.8 Pool oder Joker? Der Vorteil der Poollösung gegenüber Joker-Diensten liegt vor allem darin, nur wenige Mitarbeiter für den Einsatz auf vielen Stationen gewinnen und vorbereiten zu müssen. Entsprechende Einarbeitungsphasen sind somit wesentlich kürzer, so dass die Qualität des Einsatzes potenziell höher ist. Für den Einsatz im Pool lassen sich zudem eher Mitarbeiter finden, die an einer Tätigkeit in einem großen Einsatzbereich besonders interessiert sind und dies dem Einsatz auf der immer gleichen Station vorziehen. Joker-Lösungen tragen gegenüber dem Pool dazu bei, ein „Vertretungs-Konsumverhalten“ zu vermeiden, da jeder Mitarbeiter Vertretungsbeiträge leisten muss. Allerdings lässt sich dieser unerwünschte Effekt verhindern, indem es bei keiner der beiden Lösungen einen direkten Automatismus zwischen Krankheitsereignis und Nutzung der Vertretungsreserve geben darf. Zusammenfassung 

Einsatzflexibilität stabilisiert Dienstpläne, indem Ausfallzeiten (und auch Arbeitsanfall-Spitzen) vorrangig durch teamübergreifende Einsätze abgefedert werden – aus verbindlichen Dienstplänen heraus.

5.5  Wer ist verantwortlich? – Aufgabenverteilung beim Personaleinsatz

301

Die beiden Grundvarianten Joker-Dienst oder Springerpool unterscheiden sich dadurch, dass die Vertreter bei Joker-Diensten in ihren Organisationseinheiten verbleiben und dann tageweise innerhalb der festgelegten Vertretungsbereiche eingesetzt werden können. Beim Pool wird dagegen das Ausfallzeitenmanagement auf eine kleine Gruppe interessierter Mitarbeiter konzentriert, die eine eigene Organisationseinheit bilden und aus dieser heraus ausschließlich in den vertretungsnotwendigen Arbeitsbereichen tätig werden. Joker-Lösungen sind kurzfristig umsetzbar – sofern die entsprechenden Qualifikationen für den Einsatz in anderen Arbeitsbereichen erworben oder wiedererlernt wurden. Poollösungen erfordern einen schrittweisen Aufbau durch freiwilligen Eintritt und sukzessive Umschichtung der Stellenpläne zugunsten des Pools. Effektive Pools umfassen mindestens 5 Prozent des Gesamtstellenplans. Die besten Erfolge erzielen Pools, bei denen die im Pool tätigen Mitarbeiter eine herausgehobene Wertschätzung genießen und ihnen weiterführende Entwicklungsmöglichkeiten angeboten werden.

5.5

Wer ist verantwortlich? – Aufgabenverteilung beim Personaleinsatz

5.5.1 Die Balance zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung 5.5.1.1 Mögliche aufbauorganisatorische Perspektiven Eine wesentliche Ursache des dienstplanerischen „Stückwerks“ vieler Häuser liegt darin, die erforderlichen Aufgaben nicht aufbauorganisatorisch klar zu bündeln. Ein systematisches Ausfallzeitenmanagement erfordert in der Regel eine zentrale Disposition. Ob man diese dann „Personaleinsatzplaner“ oder – wie in anderen Branchen üblich – „Personaldisponent“ nennt, ist zweitrangig. Auch bei der Dienstplanung selbst sollte sich jedes Haus die Frage stellen, ob es bei der „Kleinstaaterei“ bleibt. Vielfach erweist sich eine stärkere Zentralisierung der Personaleinsatzplanung und -steuerung – auch und gerade über Dienstplangrenzen hinweg – als wesentliche Voraussetzung für deren Professionalisierung. Hiervon können positive Auswirkungen gleichermaßen auf Effizienzsteigerung und Mitarbeiterorientierung ausgehen. Die personelle Bündelung von Personaleinsatzplanungsaufgaben gehört derzeit zu den wichtigsten Trends beim pflegerischen Personaleinsatz. Hier gibt es drei Perspektiven; sie werden in Abb. 5.34 grafisch verdeutlicht: 1. Zentrales Arbeitszeitmanagement: Personaleinsatzplanung und -steuerung werden weiter dezentral gesteuert. Jedoch wird ein zentrales Arbeitszeitmanagement institutionalisiert, um die Qualität von Planung und Steuerung und die Einhaltung gesetzlicher und betrieblicher Regelungen fortlaufend zu überprüfen und Anstöße zu dessen Verbesserung zu geben. Es kann mit der Verantwortung für das PEP-System verknüpft

3025  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Abb. 5.34  Aufbauorganisatorische Perspektiven bei der Dienstplanung

werden, geht aber über diese deutlich hinaus, wenn diese sich bislang eher auf die korrekte technische Abwicklung der Dienstplanung konzentrierte. Die Aufgaben des Arbeitszeitmanagement werden in Abschn. 5.5.3 vertieft. Diese Aufgabe kann mit den Varianten 2 und 3 kombiniert werden und ist daher letztlich unverzichtbar. 2. Zentrales Ausfallzeitenmanagement: Nur das Ausfallzeitenmanagement wird zentralisiert, wobei damit auch die übergreifende Arbeitszeitsteuerung bei Schwankungen des Arbeitsanfalls eingeschlossen wird (Kap. 5). Dieser „kleinen Alternative“ widmet sich Abschn. 5.5.2. 3. Zentrale Personaleinsatzplanung: Neben dem Ausfallzeitenmanagement wird auch die Erstellung der Dienstplanung zentralisiert. Die verbleibenden, dezentral zu erbringenden Tätigkeiten – insbesondere bei der Feinplanung und Anpassung der (Jahres-) Dienstpläne und der teambezogenen Steuerung des Personaleinsatzes – werden von den zentralisierten Aufgaben sauber abgegrenzt. Denkbar ist auch, die Planungsbereiche selbst zu vergrößern. Ein typisches Beispiel für diese Restrukturierung der Aufbauorganisation ist die Zusammenlegung kleiner Stationen zu größeren Pflegebereichen unter Neugestaltung auch der Führungsverantwortung. Zum Beispiel treten Pflegerische Bereichs- oder Klinikleitungen an die Stelle der

5.5  Wer ist verantwortlich? – Aufgabenverteilung beim Personaleinsatz

303

Stationsleitungen. Diese Variante lässt sich mit den beiden Alternativen 2 und 3 kombinieren. An die Stelle kleiner Planungsbereiche treten dann größer gefasste, die wiederum von noch größeren Dispositionsbereichen umfasst werden.

5.5.1.2 Entscheidungskriterien Für die Auslotung der „richtigen“ Größe der Planungs- wie der Dispositionsbereiche kann es keine allgemeinen Empfehlungen geben. Die diesbezüglichen Bedingungen sind von Haus zu Haus unterschiedlich. Grundlage für eine Entscheidung über die strategische Ausrichtung der Personaleinsatzplanung sollten vor allem folgende Parameter sein: • Die logistischen wie qualifikatorischen Gegebenheiten • Die unvoreingenommene Betrachtung bestehender Team- und Führungsqualitäten • Die Qualität der bisherigen Personaleinsatzplanung und -steuerung – aus Sicht der drei Interessengruppen (Abschn. 1.3) Für die Abwägung des Pro und Kontra hatten wir ja bereits im Abschn. 1.2.2 einige Argumente geliefert. Zweifellos aber haben größere Planungs- und Dispositionsbereiche erhebliche Vorteile. Die wichtigsten Punkte seien hier zusammengefasst: • Die Sprünge bezüglich der Anzahl der zu betreuenden Patienten sind umso kleiner, je personell größer die Einheit ist, die zusammen geplant und gesteuert wird. Damit sind sie robuster bei Ausfallzeiten, so dass Dienstpläne seltener angepasst werden müssen, weil Leistungs- und Serviceflexibilität greifen können. • Die Dienstplanverlässlichkeit wird erhöht. • Größere Einheiten sind elastischer bei Schwankungen des Arbeitsanfalls, weil auf kleinere Schwankungen in größeren Einheiten mit kleineren und damit passgenaueren Schritten reagiert werden kann. • Ein systematisches Ausfallzeitenmanagement kann (einfacher) etabliert werden. • Die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter kann infolge von Robustheit und Elastizität vergleichmäßigt werden. • Dies wirkt sich zugleich positiv auf die Betreuungsstabilität aus. Wird die Personaleinsatzplanung zentralisiert (möglicherweise verknüpft mit einem Neuzuschnitt der Planungsbereiche, möglicherweise unabhängig davon), müssen die dezentral verbleibenden Aufgaben klar abgegrenzt werden, um eindeutige personell Verantwortlichkeiten zu erreichen. Ein Beispiel aus einem Krankenhaus für eine einfache Verantwortungsmatrix zeigt Abb. 5.35. Hier wurde im Zuge der Einführung von Grunddienstplänen und eines systematischen Ausfallzeitenmanagements eine Neuverteilung der Aufgaben bei der Personaleinsatzplanung vorgenommen. In diesem Zuge kam es zu einer deutlichen Verschiebung in Richtung einer Zentralisierung dieser Aufgaben.

3045  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Abb. 5.35  Verantwortlichkeiten bei der pflegerischen Personaleinsatzplanung

5.5.1.3 Vorteile einer zentralen Personaleinsatzplanung Welche Vorteile hat eine Zentralisierung? • Spezialisierungseffekt: Die Qualität der Personaleinsatzplanung und -steuerung steigt durch hierauf spezialisierte Experten – bei sinkendem Aufwand. Zugleich werden Stationsleitungen oder andere bereichsbezogene Dienstplanverantwortliche entlastet. Das Anforderungsprofil an einen zentralen Personaleinsatzplaner umfasst insbesondere analytisch-mathematische Fähigkeiten. Diese sind bekanntermaßen zwischen den Menschen sehr ungleich verteilt. Es sollten aber nur Personaleinsatzplaner eingesetzt werden, die diese Anforderungen erfüllen. Als Orientierungswert kann gelten: Leser, denen es schwerfällt, dieses Buch zu verstehen und die vorgestellten Arbeitstools anzuwenden, sollten keine (zentralen) Personaleinsatzplaner sein oder werden wollen. • Größeneffekt: Durch größere Planungseinheiten lässt sich eine höhere Besetzungsund Planungsverlässlichkeit und Planungsqualität erreichen. • Dispositionseffekt: Eine systematische Vertretungsorganisation wird durch den bereichsübergreifenden Blick vereinfacht, teilweise überhaupt erst möglich. • Kommunikationseffekt: Konflikte und Diskussionen um Dienstpläne in den Dienstplaneinheiten werden aufgrund der Trennung von Führungsfunktion und Dienstplanung reduziert. • Effizienz- und Entlastungseffekt: Der sparsame Umgang mit knappen Arbeitszeit-Ressourcen wird durch kennzahlen- und regelgesteuerte Personaleinsatzplanung

5.5  Wer ist verantwortlich? – Aufgabenverteilung beim Personaleinsatz

305

und -steuerung gefördert. Dies dient auch der Vermeidung unnötiger Belastungen der Mitarbeiter. • Professionalisierungseffekt: Der Umgang mit arbeitszeitbezogenen empfundenen Überlastungen (zum Beispiel auch mit Gefährdungsanzeigen; siehe Abschn. 7.3.1) wird vereinheitlicht, wenn eine direkte Möglichkeit zur Meldung an eine zuständige Person besteht. Der zentrale Personaleinsatzplaner kann zudem anhand der Kennzahlen und Daten rasch und fundiert entscheiden, ob eine Überbelastung objektiv vorliegt und mit welchen Maßnahmen Abhilfe erfolgen kann.

5.5.2 Zentrale Disposition des Ausfallzeitenmanagements Ein Beispiel für die „kleine Alternative“ – die zentrale Disposition nur des Ausfallzeitenmanagements – zeigt Abb. 5.36.

5.5.3 Institutionalisiertes Arbeitszeitmanagement Unabhängig von der Entscheidung über die Ausrichtung und „Tiefe“ der zentralen Personaleinsatzdisposition ist eine zentrale Instanz erforderlich, die die Personaleinsatzplanung und -steuerung bewertet und Vorschläge zu dessen fortlaufender Verbesserung macht. Zunächst seien ein paar Beispiele für typische Aufgaben des Arbeitszeitmanagements benannt. Anschließend beschreibt der Arbeitszeitmanager eines Universitätsklinikums im Fallbeispiel 14, wie er dieses in seinem Hause etabliert hat.

Abb. 5.36  Zentrale Koordination der Ausfallzeitenvertretung

3065  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

5.5.3.1 Typische Aufgaben des Arbeitszeitmanagement • Fortlaufend: – Aktualisierung der Soll-Besetzungstabellen und Dienstzeiten im PEP-System – Stichprobenartige Prüfung des tatsächlichen dienstplanmäßigen Einsatzes; bei Bedarf Rückmeldung gegenüber dem Dienstplanverantwortlichen – Prüfung der Abwesenheitsplanung entsprechend der zuvor definierten Regeln (Urlaub, arbeitsfreie Tage) • Monatlich: – Überprüfung der Nutzung des Ausfallzeitenkonzeptes auf Basis von Auswertungen der Inanspruchnahme der Flexi-Instrumente (Flexi-Dienste, Stand-By-Dienste, Joker-Dienste) – Stichprobenartige Prüfung der Monatsdienstpläne: Einhaltung der Soll-Besetzungsvorgaben und gegebenenfalls der Toleranzbandbreite der Besetzungskennzahlen – Prüfung der Genehmigungen von Dienstplanabweichungen bis zum 10. des Folgemonats – Prüfung der Rechtskonformität des Personaleinsatzes und Reaktion bei Bedarf – Auswertung der Zeitkonten bezüglich der Rotphase – und bei Bedarf Rückmeldung an die Führungskräfte – Monitoring im Rahmen eines Berichtes an die Führungskräfte zu Soll-Besetzungseinhaltung, Zeitkonten-Rotphase, Änderungshäufigkeit der Dienstpläne nach Festschreibung, Nutzung des Ausfallzeitenkonzeptes, Häufigkeit der Abrufe aus dem Frei, Vergütete Überstunden, Vollständigkeit der Urlaubsplanung, Verstöße gegen arbeitszeitrechtliche Rahmenbedingungen • Anforderungsbezogen (durch die Pflegedienstleitung): – Auswertung der Rufdienst-Inanspruchnahme und der Stand-By-Nutzungsquote – Durchführung leistungsbezogener Personalbedarfsberechnungen – Entwicklung von neuen Dienstmodellen – Analysen zur Personaleinsatzplanung und -steuerung

5.5.3.2 Hinweis zu Arbeitshilfen (Tools H, I und J) Für die wichtigsten Aufgaben im Rahmen des Monitorings haben wir vier Arbeitshilfen entwickelt, die wir an anderer Stelle in diesem Buch ausführlicher vorstellen: ▶▶

Tool H: Monitoring der Besetzungskennzahl

Mit dieser Arbeitshilfe lässt sich die fortlaufende Entwicklung der Besetzungskennzahl anzeigen – als Qualitätsindikator für einen belastungs- und qualitätsgerechten Personaleinsatz. Es wird in Abschn. 7.2.3 ausführlich erläutert. ▶▶

Tool I: Monitoring der Dienstplanung

5.5  Wer ist verantwortlich? – Aufgabenverteilung beim Personaleinsatz

307

Das Tool ermöglicht einen einfachen Abgleich zwischen Soll- und Ist-Besetzungsstärke. Es wird in Abschn. 7.3.2. vorgestellt. ▶▶

Tool J: Monitoring des Ausfallzeitenmanagements

Die Nutzung der Instrumente des Ausfallzeitenmanagements lässt sich mittels dieser Arbeitshilfe nachhalten. Sie wird in Abschn. 8.1.3 eingeführt.

5.5.3.3 Fallbeispiel Fallbeispiel 14: Etablierung eines strukturierten Arbeitszeitmanagements

Dr. Ulli Schäfer, Arbeitszeitmanager des Universitätsklinikums Jena Am Universitätsklinikum Jena stehen den Patienten in 26 Kliniken insgesamt 1396 Betten zur Verfügung. Jährlich werden circa 52.600 Patienten stationär betreut und über 272.000 ambulante Konsultationen durchgeführt. In der Krankenversorgung, Forschung und Lehre arbeiten über 5000 Mitarbeiter (davon etwa 1750 Mitarbeiter im Pflege- und Funktionsdienst) – siehe auch Fallbeispiel 12. Grundlagen und Ziele des Arbeitszeitmanagements Grundlage für unser strukturiertes Arbeitszeitmanagement und ein standardisiertes Arbeitszeit-Reporting ist die elektronische Arbeitszeiterfassung. Diese ist mit Ausnahme weniger theoretischer und vorklinischer Institute komplett am Universitätsklinikum Jena ausgerollt; die aktuelle Dokumentationsquote liegt bei rund 95 Prozent. Mit Hilfe des SAPHCM-Modul PEP (Personaleinsatzplanung) oder für die Gleitzeitbereiche mit einer individuellen ESS-Lösung werden die Arbeitszeiten pro Mitarbeiter erfasst und abgerechnet. Das Gesamtziel ist es, dass die für die Personaleinsatzplanung Verantwortlichen aus den in der Vergangenheit dokumentierten Arbeitszeiten für die Zukunft lernen können. Kernaufgabe ist dabei die Optimierung der Arbeitszeitsysteme – vor allem die berufsgruppenübergreifende Harmonisierung der Arbeitszeiten und der Betriebsabläufe mit dem Ziel der Reduktion von Leerlauf- und Wartezeiten, welche durch nicht abgestimmte Arbeitsabläufe entstehen können. Es geht uns um die wirtschaftliche Nutzung der Ressource Arbeitszeit. Es sollen in unserem Hause idealerweise keine Dienste zusätzlich zu den dienstplanmäßig eingeteilten Arbeitszeiten, Mehrarbeit oder Überstunden angeordnet werden. Die Dienstpläne sollen einen hohen verbindlichen Charakter haben – auch zur Vermeidung der Entstehung von Überstundenzuschlägen. Weitere Rahmenbedingungen für das Arbeitszeitmanagement sind die Einhaltung der gesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen und, im Rahmen der oben genannten Bedingungen, die Berücksichtigung der individuellen Wünsche und Anforderungen in Verbindung mit der Vereinbarkeit von Familie/Privatleben und Beruf. Die wichtigsten Rahmenbedingungen sind in Abb. 5.37 dargestellt.

3085  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Abb. 5.37  Zu Fallbeispiel 14: Zieldreieck des Arbeitszeitmanagements

Verantwortlichkeiten der Leiter der Struktureinheiten Der jeweilige Leiter der Struktureinheit ist für die Einhaltung der arbeitszeitgesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen persönlich verantwortlich. Hier erfolgte eine eindeutige Delegierung durch den Vorstand an die Leiter der Struktureinheiten vor Ort (§ 9 Abs. 2 in Verbindung mit § 130 OWiG). Die Leiter der Struktureinheiten müssen jedoch Instrumente und Unterstützung durch das Arbeitszeitmanagement erhalten, um zeitnah reagieren und neue Arbeitszeitmodelle für die Zukunft entwickeln zu können. Hier bedarf es individueller und objektiver Beratungen mit konkreten Lösungsvorschlägen, um die unterschiedlichen Abhängigkeitsaspekte des Arbeitszeitmanagements berücksichtigen zu können. Grundlage dieser Beratung durch das Arbeitszeitmanagement ist ein standardisiertes Prüfschema. Standardisiertes Prüfschema • Im ersten Schritt wird der Ist-Stand der Dienstzeitenregelungen aufgenommen. • Als Zweites folgte eine Standard-Prüfung der Kriterien aus dem Arbeitszeitgesetz und aus den jeweils gültigen Tarifverträgen. Diese umfassen unter anderem folgende Aspekte: – Arbeitszeitüberschreitungen > 10 Stunden pro Tag – Durchschnittliche Wochenarbeitszeit – Einhaltung der Ruhezeiten und Ruhepausen – Überschreitungen von max. zwölf Regeldiensten am Stück gemäß den Regeln des bei uns geltenden Tarifvertrags – Mindestens 15 freie Sonntage pro Jahr (§ 11 Abs. 1 und 3 ArbZG)

5.5  Wer ist verantwortlich? – Aufgabenverteilung beim Personaleinsatz

309

• Der dritte Schritt führte zu einer intensiveren Prüfung der unständigen Bezüge – also auch von Zuschlägen. Dazu gehörten neben der hier nicht vertieften Prüfung der Bereitschaftsdienste und Rufdienste insbesondere: – Saldostunden (Mehrarbeitsstunden): Die Prüfung der Zeitsalden dient der gezielten Fehleranalyse dokumentierter Arbeitszeiten, die entweder durch fehlerhaft gesetzte Parameter – zum Beispiel falsche oder fehlerhafte Teilzeit-Arbeitszeitplanregeln – verursacht werden oder durch Fehleintragungen der Dienstplaner zustande kommen. Fehleintragungen von Arbeitsbeginn/-ende sowie der Ruhepausen führen in unserem Hause allein zu 20.000 korrigierten Stunden pro Jahr. Dadurch wurden zum Beispiel die Abwesenheiten von Urlaub und Arbeitsunfähigkeiten ebenfalls falsch und gegebenenfalls zu hoch (inkl. des Urlaubs- und Krankenaufschlages) bewertet. Wenn hier keine manuelle Korrektur vorgenommen worden wäre, dann wären diese fehlerhaften Stunden vergütet oder bilanziell in den Rückstellungen sichtbar gewesen. – Prüfung von atypischen Zeitzuschlägen: Es wird auf Plausibilität geprüft, ob zum Beispiel im Ambulanzbereich oder in der Administration derartige Zuschläge überhaupt gerechtfertigt sind. Nur in begründeten betrieblichen Ausnahmefällen sind diese zulässig. Pro Jahr werden hier circa 400 Stunden kritisch hinterfragt und teilweise nicht bestätigt. – Interdisziplinäre Arbeitszeitprüfungen: Die Dienstzeiten der Berufsgruppen divergieren teilweise erheblich. Das Arbeitszeitmanagement prüft daher berufsgruppenübergreifend Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie den Tagesablauf und gleicht dies miteinander ab. Die Synchronisierung der Arbeitszeiten dient dazu, Leerlauf- und Wartezeiten für die Patienten und Mitarbeiter zu reduzieren. In einer ambulanten ärztlichen Struktureinheit wurden beispielsweise die Präsenzzeiten von bisher 16:30 Uhr auf 19:00 Uhr verlängert. Parallel hierzu müssen die Arbeitszeiten im Regeldienst für Pflegekräfte und Aufnahmekräfte in der Ambulanz ebenfalls harmonisiert und angeglichen werden. Durch regelmäßige Optimierung der Arbeitszeitsysteme werden pro Jahr circa 1000 Stunden kompensiert. Rentiert sich das Arbeitszeitmanagement? Als Faustformel haben wir festgestellt, dass je tausend Mitarbeiter im Krankenhaus eine Stelle im Arbeitszeitmanagement refinanziert ist. Unsere wichtigsten Erfahrungen • Eine regelmäßige Unterstützung und Beratung der Dienstplaner und Führungskräfte ist Grundlage für eine gute Dienst- und Personaleinsatzplanung. • Regelmäßige technische Plausibilitätsprüfungen sind notwendig, ersetzen jedoch nicht die separaten Beratungen durch das Arbeitszeitmanagement (beispielsweise meldet das System eine Warnung oder einen Fehler, wenn ein Mitarbeiter über zehn Stunden netto pro Tag gearbeitet hat, ohne dass dies ein Regelverstoß sein muss).

3105  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

• Es müssen klare organisatorische Regelungen mit Fristen und Verantwortlichkeiten zentral vom Arbeitszeitmanagement definiert werden. • Eine zentrale Beratung für die Beschäftigten zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben inkl. Angebote zur Flexibilisierung von Arbeitszeit- und -ort ist für die Arbeitgeberattraktivität für eine lebensphasenorientierte Arbeitszeitplanung zwingend notwendig. • Ein strukturiertes Arbeitszeitmanagement kann möglichen Arbeitszeitverstößen zuvorkommen und eventuelle Bußgelder der Aufsichtsbehörden verhindern.

Zusammenfassung 

Dienstpläne sollten nur dezentral in jedem Team erstellt und gesteuert werden, wenn es nicht anders geht. Dies gilt jedenfalls für die grundlegenden Entscheidungen: den Besetzungsbedarf, die Grunddienstplanung, das Ausfallzeitenmanagement und das Arbeitszeit-Controlling. Es empfiehlt sich, diese Aufgaben gebündelt oder zentralisiert durch professionelle Personaleinsatzplaner erledigen zu lassen. Bei weiterhin dezentraler Dienstplanung muss zumindest ein systematisches Ausfallzeitenmanagement zentral disponiert werden, sofern es einen teamübergreifenden Einsatz vorsieht. Unabhängig von der Frage der Zentralisierung der Personaleinsatzplanung und des Ausfallzeitenmanagements ist eine zentrale Instanz erforderlich, die – jenseits der Betreuung der technischen Infrastruktur des PEP-Systems – die Qualität der Dienstplanung fortlaufend anhand von Kriterien und Kennzahlen prüft und Verbesserungsmaßnahmen einleitet.

5.6

Ausfallzeiten richtig anrechnen

5.6.1 Das Ausfallprinzip Ausfallzeiten müssen korrekt auf die Arbeitszeit angerechnet werden. Das bereitet mitunter Probleme, weil es arbeitsrechtlich im Detail gern kompliziert wird. Die Entgeltberechnung bei Ausfallzeiten (wie Krankheit, Feiertage, Urlaub) muss neben der auszuzahlenden Vergütung (dem „Geldfaktor“) auch die Anrechnung der regelmäßigen Arbeitszeit (dem „Zeitfaktor“) im PEP-System berücksichtigen. Die wichtigsten Rahmenbedingungen dieses Zeitfaktors seien hier benannt. Zunächst gilt folgender einfacher Grundsatz: Gemäß dem im Entgeltfortzahlungsgesetz vorgeschriebenen Ausfallprinzip besteht an entgeltfortzahlungspflichtigen Ausfalltagen Anspruch auf Anrechnung der tatsächlich ausfallenden Arbeitszeit („wie gearbeitet worden wäre“). Dieses Prinzip wird auch als „Hätte-Prinzip“ bezeichnet, weil es aussagt, dass der Mitarbeiter die Arbeitszeit angerechnet bekommt, die er erbracht hätte, wäre er nicht ausgefallen. Auch wird hierbei häufig vom „Glück-Pech-Prinzip“ gesprochen:

5.6  Ausfallzeiten richtig anrechnen

311

Wer an einem Tag zu einem 10-Stunden-Dienst wie zu einem Zwischendienst unseres Muster-Beispiels eingeteilt worden ist und dann erkrankt, erhält auch diese 10 Stunden Arbeitszeit auf seinem Zeitkonto angerechnet – und nicht etwa nur die anteilige Vertragsarbeitszeit (häufig „Sollarbeitszeit“ genannt), die meist ein Fünftel der vertraglichen Arbeitszeit an den Arbeitstagen Montag und Freitag beträgt. Dieser Mitarbeiter hat sozusagen „Glück“ gehabt – im Gegensatz zu dem Fall, dass er an einem dienstplanmäßig arbeitsfreien Tag erkrankt wäre. Dann hat er „Pech“ gehabt; er erhält keine Anrechnung auf dem Zeitkonto. Wäre er nicht erkrankt, hätte er ja auch keine Anrechnung erhalten. Es gibt keinen vernünftigen Grund, Kranke besser zu stellen als Arbeitende – aber auch nicht schlechter. Deshalb treffen es die Begriffe „Glück“ und „Pech“ nicht wirklich. Der Mitarbeiter wird ja nur so gestellt, als wenn er seinen Dienstplan durchlaufen hätte. In der Regel gleichen sich „Glück“ und „Pech“ bei zufallsverteilter Krankheit im längeren Zeithorizont aus.

5.6.2 Probleme bei der Anwendung des Ausfallprinzips Leider wird von dem Grundsatz des Ausfallprinzips manchmal abgewichen werden müssen. Und dann wird es komplizierter. Das betrifft fünf Konstellationen: • Es ist nicht klar, wie ohne die Erkrankung gearbeitet worden wäre, weil kurzfristige Abweichungen von dienstplanmäßig eingeteilten Arbeitszeiten auftreten. Dieser Fall tritt beispielsweise auch ein, wenn ein Stand-By-Dienst-Habender erkrankt. Es ist dann ja nicht klar, ob und wie der Mitarbeiter an dem Tag gearbeitet hätte. • Der Mitarbeiter erhält einen arbeitsfreien Tag nicht daraus, dass er ihn dienstplanmäßig „angespart“ hat, sondern als Ausgleich für tatsächliche Längerarbeit über die dienstplanmäßig eingeteilte Arbeitszeit hinaus oder einen spontan zugesagten Vertretungsdienst am freien Tag. Erkrankte der Mitarbeiter an diesem arbeitsfreien Tag, könnte man auf den ersten Blick sagen: Pech gehabt. Doch in diesem Fall würde das nicht als gerecht empfunden – auch wenn es nach der BAG-Rechtsprechung zulässig wäre. Denn der Mitarbeiter hat den Freizeitanspruch ja erworben, weil er „außer der Reihe“ kurzfristig zusätzlich gearbeitet hat. Wäre er beispielsweise an seinem freien Tag, als er vom Vorgesetzten gebeten wurde, einzuspringen, erkrankt, wären ihm diese Stunden ja auch nicht gutgeschrieben worden. Wenn ihm also die so erworbenen Freizeitstunden bei Erkrankung am betreffenden Tag nicht nachgewährt würden, würde er es sich bei der nächsten kurzfristigen Einspring-Bitte sicherlich gut überlegen, ob er sich darauf nochmals einlassen sollte. • Die vertragliche Arbeitszeit wird dienstplanmäßig zunächst nicht erreicht, indem zum Beispiel bewusst eine entsprechende Arbeitszeitreserve vorgehalten wird, etwa für Vertretungen im Rahmen des Ausfallzeitenmanagement. Wird der Dienstplan zunächst nur auf die Soll-Besetzung bezogen, erreicht der Mitarbeiter ja seine Vertragsarbeitszeit (Sollarbeitszeit) nicht. Dann würden bei Anwendung des Ausfallprinzips dem

3125  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Mitarbeiter, der erkrankt, währenddessen womöglich zusätzlich erbrachte Arbeitszeiten nicht gutgeschrieben werden. Das kann dazu führen, dass er seine Sollarbeitszeit nicht erreicht, während er diese im gesunden Zustand erreicht hätte. • Es muss mit einer gewissen Stetigkeit immer wieder über die dienstplanmäßig eingeteilte Arbeitszeit hinaus gearbeitet werden. Der Kranke erhielte aber nur die dienstplanmäßig eingeteilte Arbeitszeit angerechnet – und stellte sich damit schlechter, als wenn er gearbeitet hätte. • Die Krankheit tritt ein, bevor die Dienstplanung erfolgte. Oder sie reicht über die Dienstplanung hinaus. Beispielsweise erkrankt der Mitarbeiter am 15. eines Monats, und die Krankschreibung reicht bis zum 15. des Folgemonats, während der Monatsdienstplan erst am 20. des Monats für diesen Folgemonat abgeschlossen wurde. Dann ist es nicht möglich, die ausfallende Arbeitszeit anzurechnen, da diese noch nicht feststeht. In all diesen Fällen wird es also passieren, dass sich die konkret ausfallende Arbeitszeit nicht feststellen lässt. Oder sie lässt sich feststellen, führt aber zu einer falschen Ableitung der anzurechnenden Arbeitszeit. Je flexibler ein Arbeitszeitmodell ist, desto häufiger tritt dieser Fall ein.

5.6.3 Das Durchschnittsprinzip Anstelle des Ausfallprinzips tritt dann das Durchschnittsprinzip. Beim Durchschnittsprinzip wird auf die anteilige Vertragsarbeitszeit (tägliche „Sollarbeitszeit“) abgestellt. Die anteilige Vertragsarbeitszeit ist im einfachsten Fall die Grundverteilung der Vertragsarbeitszeit auf die Arbeitstage. In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen wird meist eine Verteilung auf die Arbeitstage Montag bis Freitag zu je einem Fünftel vorgenommen, so dass für die Feiertage sowie die Wochenenden 0 Stunden angesetzt werden. Alternativ sind aber auch andere Verteilungen möglich. Am einfachsten wäre ja bei einem 7-TageBetrieb wie in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, eine Verteilung auf alle sieben Wochentage zu je einem Siebtel vorzunehmen. Doch das ist in der Pflege selten. Fällt der Mitarbeiter krankheitsbedingt aus, wird ihm, wenn eine dienstplanmäßige Arbeitszeit nicht ermittelbar ist, die anteilige Vertragsarbeitszeit gutgeschrieben. Bei einer 38,5-Stunden-Woche und einer Grundverteilung auf die Tage Montag bis Freitag erhält der Kranke in diesem Fall mithin (38,5 Stunden/Woche/5 =) 7,7 Stunden gutgeschrieben, wenn er an einem Mittwoch erkrankt. Erkrankt er am Sonntag, erhält er bei dieser Grundverteilung keine Arbeitszeit angerechnet. Diese Regel gilt aber eben nur, wenn Ausfallzeiten nicht gemäß Ausfallprinzip anrechenbar sind. Das Durchschnittsprinzip ist in vielen Konstellationen deutlich einfacher und wird in der Praxis auch als gerechter empfunden. Rechtlich besteht bei nicht vorhandener tarifvertraglicher Öffnung das Risiko dann in der Nachforderung (innerhalb der arbeitsrechtlichen Verfallklauseln) von Entgeltfortzahlungsansprüchen durch den Mitarbeiter an solchen Tagen, an denen das Durchschnittsprinzip zu einem geringeren Zeitwert führt als das

5.6  Ausfallzeiten richtig anrechnen

313

Ausfallprinzip. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn ein eingeteilter Dienst 10 Stunden lang ist, bei Krankheit jedoch nur 7,7 Stunden angerechnet würden.

5.6.4 Umsetzung von Ausfall- und Durchschnittsprinzip bei der Dienstplanung 5.6.4.1 Verteilung der anteiligen Vertragsarbeitszeit Um die Anrechnung von Ausfallzeiten handhabbar zu machen, empfehlen wir grundsätzlich für die Bewertung des „Zeitfaktors“ bei der Entgeltfortzahlung bei Arbeit nach Dienstplänen danach zu entscheiden, ob die Erkrankung vor oder nach dem Zeitpunkt der Dienstplanerstellung beziehungsweise -änderung erfolgt ist. Im ersten Fall wird das Ausfallprinzip angewandt. Im zweiten Fall wird das Durchschnittsprinzip gewählt, sofern die Sollarbeitszeit so verteilt ist, dass die Vertragsarbeitszeit erreicht wird. Man benötigt für die Ermittlung des anzurechnenden Zeitwertes also einmal die planmäßige Arbeitszeit und einmal die anteilige Vertragsarbeitszeit. An jedem Tag des Jahres müssen für eine korrekte Ausfallzeitenanrechnung im Dienstplan oder im PEP-System die planmäßige sowie die anteilige Vertragsarbeitszeit erkennbar sein. Letztere stellt im Übrigen auch die Grundlage der Saldierung der Zeitkonten (Abschn. 6.2) dar. Die beiden nachfolgenden Prinzip-Darstellungen zeigen die Anwendung des Ausfallprinzips (Abb. 5.38) sowie des Durchschnittsprinzips (Abb. 5.39) bei Krankheit.

Abb. 5.38  Berücksichtigung von Krankheitszeiten in Dienstplänen (Ausfallprinzip)

3145  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Abb. 5.39  Berücksichtigung von Krankheitszeiten in Dienstplänen (Durchschnittprinzip)

Wie die beiden Parameter dienstplanmäßige Arbeitszeit und anteilige Vertragsarbeitszeit ausgestaltet werden sollten, sei anhand eines Beispiels erläutert. Abb. 5.40 zeigt den Grunddienstplan unseres Muster-Beispiels. Hier enthält die Abbildung zusätzlich die Übersicht der planmäßigen Arbeitszeit und der anteiligen Vertragsarbeitszeit (eines Vollzeitmitarbeiters); erstere wird zugrunde gelegt, wenn die Ausfallzeit planbar ist, letztere, wenn dies nicht der Fall ist. Wird der Urlaub vor Feststehen des Planes erstellt, wie es bei Monatsdienstplänen der Fall und auch bei Jahresdienstplänen üblich ist, so wird für ihn die anteilige Vertragsarbeitszeit zugrunde gelegt. Ein Urlaubstag wird dann mit 7,7 Stunden bewertet. Der Mitarbeiter nimmt an den Tagen Montag bis Freitag Urlaub. Für die nicht mit Urlaub zu belegenden Tagen Samstag und Sonntag muss dann eine Festlegung getroffen werden, inwieweit sie Teil des Urlaubs sind; siehe Abb. 5.7. Ein Krankheitstag wird mit der planmäßigen Arbeitszeit bewertet. Zum Beispiel erhält ein am Samstag im Zwischendienst (Dienstplanwoche 1) erkrankter Mitarbeiter 10 Stunden angerechnet. Hingegen erhält der Mitarbeiter, erkrankt er am Freitag der ersten Woche, also an einem dienstplanmäßig arbeitsfreien Tag, keine Anrechnung. Abweichend hiervon erhält er im ersten Fall 0 Stunden, im zweiten Fall 7,7 Stunden, nämlich die jeweilige anteilige Vertragsarbeitszeit, wenn zum Zeitpunkt der Erkrankung der Dienstplan noch nicht bestand. Je länger der Dienstplanzyklus, desto seltener kann das der Fall sein – nämlich nur beim Einstieg in einen Plan oder wenn die Krankheit über die Laufzeit des Planes hinausreicht.

5.6  Ausfallzeiten richtig anrechnen

315

Abb. 5.40  Verteilung der anteiligen Vertragsarbeitszeit im Grunddienstplan (Muster-Beispiel) – Standardverteilung auf die Tage Montag bis Freitag

Diese Variante ist auch nur dann anwendbar, wenn bei Beginn des Plandurchlaufs feststeht, ob und wie in den Vertretungstagen gearbeitet wird.

5.6.4.2 Alternative Verteilung der anteiligen Vertragsarbeitszeit Die gewählte Form der Verteilung der anteiligen Vertragsarbeitszeit – nämlich die in der Pflege übliche Verteilung auf die Tage Montag bis Freitag – ist bei solch langen Dienstplanzyklen dennoch ungünstig, weil die anteilige Vertragsarbeitszeit ja zugleich Grundlage der Zeitkontenführung ist. In unserem Muster-Beispiel führt die gewählte Verteilung zu merkwürdigen Zeitkontenbewegungen: • An einem dienstplanmäßig arbeitsfreien Tag bewegt sich der Zeitkontensaldo, zum Beispiel am Freitag der 1. Dienstplanwoche um (0 − 7,7 Stunden =) − 7,7 Stunden. • Am Samstag und Sonntag bewegt sich das Zeitkonto anders als unter der Woche, zum Beispiel beim Zwischendienst am Samstag der 1. Dienstplanwoche um (10 − 0 Stunden =) + 10 Stunden, hingegen am Montag der 2. Dienstplanwoche um (10 − 7,7 Stunden =) + 2,3 Stunden. Bei langlaufenden Grunddienstplänen, die möglicherweise sogar über die Jahresplanung hinweg rollieren, kann daher eine alternative Verteilung der anteiligen Vertragsarbeitszeit sinnvoll werden. Die anteilige Vertragsarbeitszeit wird einfach auf alle dienstplanmäßig eingeteilten Tage gelegt, während die arbeitsfreien Tage, unabhängig davon, ob sie unter der Woche oder am Wochenende liegen, mit 0 Stunden angesetzt werden. In unserem Muster-Beispiel ergibt sich dann folgende alternative Verteilung der anteiligen Vertragsarbeitszeit (siehe Abb. 5.41). Der Grunddienstplan enthält 68 eingeteilte Dienste. Pro Schichtplanzyklus sind von einem Vollzeitmitarbeiter (38,5 Stunden/Woche × 12 =) 462 Stunden zu erbringen. Das

3165  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Abb. 5.41  Verteilung der anteiligen Vertragsarbeitszeit im Grunddienstplan (Muster-Beispiel) – Alternative Methode

ergibt pro eingeteiltem Dienst eine anteilige Vertragsarbeitszeit (Sollarbeitszeit) von (462 Stunden/68 Dienste =) 6,8 Stunden pro Dienst. Dieses Verfahren hat gegenüber der Montag-Freitag-Verteilung folgende Vorteile: • Der Zeitkontensaldo bewegt sich nur an dienstplanmäßig eingeteilten Arbeitstagen. Einzige Ausnahme ist das Einspringen an einem arbeitsfreien Tag, an dem die erbrachte Arbeitszeit in vollem Umfang in den Zeitkontensaldo einfließt. • Die Mitarbeiter müssen nur an Tagen Urlaub nehmen, die mit anteiliger Vertragsarbeitszeit belegt sind, also an dienstplanmäßig zu arbeitenden Tagen. Dies gilt in diesem Fall auch für die Tage Samstag und Sonntag. Die Urlaubstageanzahl ist dazu entsprechend umzurechnen. Im Muster-Beispiel würden sich anstelle von 30 Tagen Urlaub zu 7,7 Stunden (30 Tage × 7,7 Stunden/6,8 Stunden =) 34 Tage Urlaub zu 6,8 Stunden ergeben. • Bei Krankheit an Vertretungstagen erhält der Mitarbeiter die anteilige Vertragsarbeitszeit angerechnet, sofern diese zum Zeitpunkt der Erkrankung noch nicht dienstplanmäßig verteilt wurde, wodurch das Ausfallprinzip noch nicht greifen kann. Damit wird verhindert, dass der Mitarbeiter mangels Planung dieser Vertretungstage ins Minus läuft, obwohl er bei Nichterkrankung mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit an einigen der Vertretungsdienste gearbeitet hätte.

5.6.4.3 Weitere Verfeinerung der Alternative Diese Variante lässt sich noch weiter optimieren. Nehmen wir an, die Vertretungstage „V“ sollen zumindest teilweise kurzfristig verplant werden – zum Beispiel als Joker-Dienste im Rahmen der Monatsdienstplanung. Dann ist es sinnvoll, bei der anteiligen Vertragsarbeitszeit zwischen „normalen“ Diensten und Vertretungsdiensten zu unterscheiden. Dies zeigt Abb. 5.42.

5.6  Ausfallzeiten richtig anrechnen

317

Abb. 5.42  Verteilung der anteiligen Vertragsarbeitszeit im Grunddienstplan (Muster-Beispiel) – Alternative mit Differenzierung zwischen festen Diensten und Vertretungsdiensten

Die Dienste teilen sich im Muster-Beispiel auf in 47 feste und 21 Vertretungsdienste „V“. Die festen Dienste summieren sich – bei korrekter Jahresberechnung (Abb. 3.29) – auf 362,8 Stunden pro Dienstplanzyklus. Das entspricht einer anteiligen Vertragsarbeitszeit für die festen Dienste von (362,8 Stunden/47 Dienste =) 7,72 Stunden/Dienst. Damit ergibt sich bei einer 38,5-Stunden-Woche ja auch die durchschnittliche 5-Tage-Woche im Muster-Beispiel (38,5 Stunden/Woche/7,72 Stunden/Tag = 4,99 Tage/Woche). Die restliche Vertragsarbeitszeit ist damit in den Vertretungsdiensten zu erbringen. Dieser Rest beträgt (38,5 Stunden/Woche × 12 Wochen/Zyklus − 362,8 Stunden =) 99,2 Stunden/ Zyklus. Verteilt auf 21 potenzielle Vertretungsdienste ergibt sich eine anteilige Vertragsarbeitszeit je Vertretungsdienst von (99,2 Stunden/Zyklus/21 Dienste/Zyklus =) 4,73 Stunden. Die anteilige Vertragsarbeitszeit liegt damit nur auf möglichen eingeteilten Diensten, wird zusätzlich aber noch differenziert zwischen festen Diensten und potenziellen Vertretungsdiensten. Vorteil dieser Variante ist es (zusätzlich zu den bei der vorigen Alternative genannten), dass Vertretungsdienste niedriger bewertet werden als feste Dienste. Die Bewertung entspricht übrigens exakt der durchschnittlichen Wahrscheinlichkeit ihrer Inanspruchnahme. Wenn ein Vertretungsdienst mit 4,73 Stunden bewertet wird und ein fester Dienst mit 7,72 Stunden, so beträgt der Nutzungsgrad der Vertretungsdienste (4,73 Stunden/7,72 Stunden * 100 Prozent =) circa 60 Prozent. Das bedeutet, dass knapp zwei Drittel der Vertretungsdienste tatsächlich benötigt werden, ein Drittel wird im Rahmend der Ausplanung des Dienstplans arbeitsfrei (siehe hierzu auch Abschn. 3.4.3). Allerdings muss nun wegen unterschiedlicher anteiliger Vertragsarbeitszeiten der Urlaub quotiert werden, weil er zeitlich unterschiedlich viel „kostet“. Im Muster-Beispiel ist dies am einfachsten, indem der Urlaub an einem Vertretungstag nur 60 Prozent eines Urlaubstages „kostet“. Nimmt der Mitarbeiter zum Beispiel in der 6. Dienstplanwoche komplett Urlaub, so kosten die fünf Vertretungstage nur (5 × 60 Prozent/100 =) 3

3185  Wie Ausfallzeiten bei der Dienstplanung systematisch berücksichtigt werden

Urlaubstage. Da dies der Wahrscheinlichkeit der späteren Nutzung der Vertretungstage entspricht, wären durchschnittlich ja auch nur drei Vertretungstage tatsächlich im Rahmen der Ausplanung genutzt worden. Diese auf den ersten Blick kompliziertere Handhabung mit zwei anteiligen Vertragsarbeitszeiten hat aber einen wünschenswerten Nebeneffekt: Der Anreiz für die Mitarbeiter, an Vertretungstagen Urlaub einzusetzen, steigt. Wenn dadurch mehr Ausfallzeiten mit der eingeteilten Vertretung zusammenfallen, reduziert dies den Vertretungsbedarf. Dadurch wird der Dienstplan zusätzlich stabilisiert: An Vertretungstagen muss weniger vertreten werden und an den festen Diensttagen muss der Dienstplan entsprechend seltener umgebaut werden.

5.6.4.4 Sonderfall Nun bleibt noch einer der eingangs erwähnten Sonderfälle offen: Der arbeitsfreie Tag, der aufgrund von Dienstplanabweichungen entstand. In der Praxis stellt sich nicht selten das Problem, wie man mit dem Freizeitausgleich umgeht, der durch tatsächliche Längerarbeit erworben wurde, so dass der Mitarbeiter diese Stunden im Krankheitsfall nicht gutgeschrieben bekommen hätte. Er muss – abweichend vom Ausfallprinzip – bei Krankheit nachgewährt werden, weil ansonsten für den erkrankten Mitarbeiter nicht ein „Pech“-Fall, sondern ein Nachteil eintritt: Er hat diesen Tag ja an anderen Tagen durch Längerarbeit angespart, ohne dass er diese Ansparzeit bei Krankheit in der Ansparphase hätte gutgeschrieben bekommen. Das Bundesarbeitsgericht hat für einen solchen Fall entschieden, dass hier eine Anrechnung der Arbeitszeit erfolgen muss, so dass ein auf diese Weise angesparter arbeitsfreier Tag im Falle von Krankheit nicht „weg“ ist, sondern nachgewährt werden muss [3]. Wie aber kann man das praktisch umsetzen? Nur, indem man einen Freizeitausgleich für Längerarbeit im Dienstplan gesondert kennzeichnet. Pragmatisch kann man es auch so lösen, dass man im betreffenden Einzelfall schaut, wen es „getroffen“ hat – und dann eine einvernehmliche Lösung für den konkreten Fall findet. Zusammenfassung 

Grundsätzlich erfolgt – aufgrund des Entgeltfortzahlungsrechtes – bei Ausfallzeiten eine zeitliche Anrechnung der ausfallenden Arbeitszeit auf dem Zeitkonto. Steht die konkret ausfallende Arbeitszeit jedoch im Moment des Ausfallzeitenereignisses (insbesondere bei der Urlaubsplanung beziehungsweise bei Krankheitseintritt) nicht fest, so muss auf das Durchschnittsprinzip zurückgegriffen werden. Bei diesem wird anstelle der dienstplanmäßigen Arbeitszeit bei Ausfallzeiten die anteilige Vertragsarbeitszeit („Sollarbeitszeit“) zugrunde gelegt.

Literatur

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Literatur 1. Bundesarbeitsgericht (2015): Pressemitteilung Nr. 3/15 zum BAG, Urt. v. 10. 02.2015;Az.: 9 AZR 53/14; https://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht= bag&Art=pm&Datum=2015-2&nr=17869&pos=4&anz=6&titel=Urlaub_bei_Wechsel_in_ eine_Teilzeitt%E4tigkeit_mit_weniger_Wochenarbeitstagen (Zugegriffen: 20. 07.2018) 2. BAG, Urt. v. 26.01.2011; Az.: 5 AZR 819/09 3. BAG, Urt. v. 13.02.2002; Az.: 5 AZR 470/00; Leitsatz

6

Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

6.1

Was Flexi-Spielregeln ausmacht

6.1.1 Das Flexi-Paradoxon: Warum Verlässlichkeit und Flexibilität zusammengehören In diesem Kapitel geht es um die Regelungen, mit denen das „Dienstplan-Skelett“ beweglich gehalten wird. Es kommt zu bei der Dienstplanung nicht vorhersehbaren Schwankungen • des Arbeitsanfalls (der Belegung, der Betreuungsintensität) einerseits und • der Personalverfügbarkeit (der Ausfallzeiten) andererseits. Dienstpläne müssen durch Steuerungsregeln auf nicht planbare Änderungen reagieren können, jedoch ohne die Verlässlichkeit der Dienstpläne unnötig einzuschränken. Damit das gelingt, muss nicht nur das Planbare geplant werden. Auch das Flexible sollte, soweit möglich, vorstrukturiert werden. Wie geht das? Das Flexibilitätsereignis selbst ist ja nicht vorhersehbar. Was jedoch zumindest ungefähr kalkulierbar ist, ist der Flexibilitätsbedarf. Den Bedarf an Flexibilität zu kalkulieren bedeutet, in etwa zu wissen, • wie oft und mit welcher Wahrscheinlichkeit ein nicht planbares Ereignis eintritt; • in welcher maximalen und durchschnittlichen Ausprägung es eintritt. Hier geht es auch um den Unterschied zwischen gefühlter und gemessener Arbeitszeitflexibilität, der gerade in der Pflege oft hoch ist. Die Antworten auf die obigen Fragen ermöglichen die Vorstrukturierung der Flexibilitätsanforderungen. Solche Regeln weitestmöglich vorstrukturierter Flexibilität werden auch Flexi-Spielregeln genannt.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Herrmann, C. Woodruff, Dienstplanung im stationären Pf legedienst, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22581-0_6

321

3226  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

Es ist an dieser Stelle gar nicht notwendig, die prinzipiellen Grundlagen von FlexiSpielregeln abstrakt zu erläutern, denn wir haben sie in diesem Buch bereits an konkreten Instrumenten vorgestellt – beim Ausfallzeitenmanagement (Kap. 5). Orientierungsschemata, Stand-By-Dienste, Joker-Dienste – all das sind Flexi-Spielregeln. Wir ordnen diese Instrumente nun lediglich ihrem Oberbegriff zu. Beim systematischen Ausfallzeitenmanagement ging es darum, Schwankungen der Personalverfügbarkeit durch weitestmöglich planbare Instrumente abzufedern. Damit zugleich die zweite Art der Schwankung – die des Arbeitsanfalls – auffangen zu können, ist nicht ausgeschlossen, im Gegenteil: Die Instrumente können verwendungsoffen genutzt werden. In unseren Fallbeispielen in Kap. 5 wurde bereits deutlich, dass Instrumente bei beiden Schwankungsarten nutzbar sind. Wir können – unter dem Oberbegriff Flexi-Spielregeln – nun die Palette möglicher Instrumente über die bisher dargelegten hinaus erweitern. Der Fantasie sind hier im Übrigen kaum Grenzen gesetzt. Alles, was dazu dient, Flexibilitätsanforderungen strukturiert zu erfüllen, gehört zu den Flexi-Spielregeln. Diese sollten zwischen den Betriebsparteien vereinbart werden. Sie sollten daher wesentlicher Bestandteil von betrieblichen Regelungen – gegebenenfalls auch von Betriebsvereinbarungen (Dienstvereinbarungen) – sein (Abschn. 8.2). Es verwundert, wie wenig Raum Flexi-Spielregeln in vielen Arbeitszeitregelungen bislang einnehmen – selbst wenn diese sich zum Ziel gesetzt haben, die Verlässlichkeit der Arbeitszeit zu fördern. Die Erklärung liegt darin, dass häufig etwas als Paradoxon erscheint, was in Wahrheit zusammengehört: Planung und Flexibilität. Was zunächst widersprüchlich erscheint, ist eine der wichtigsten Erkenntnisse der Personaleinsatzsteuerung: Soll ein Schichtplan für die Mitarbeiter möglichst verlässlich sein, dann ist eine kurzfristige Reaktionsfähigkeit, etwa bei ungeplantem Personalausfall, umso wichtiger. Diesem Flexi-Paradoxon wird am besten dadurch begegnet, dass ein Grunddienstplan Vertretungszeiträume ausweist oder dass für die Dienstplansteuerung Spielregeln vereinbart werden, durch die kurzfristige Flexibilität gebündelt wird, um den Mitarbeitern in der verbleibenden Zeit Planänderungen möglichst zu ersparen. Auch die Perspektive auf die Einsatzflexibilität eröffnet sich erst, wenn man den unvermeidbaren Flexibilitätsbedarf erkannt und akzeptiert hat. Wer ihn kennt, kann so strukturiert wie möglich darauf reagieren. Welche Instrumente dabei auch immer im konkreten Einzelfall am geeignetsten sind: Ein systematisches Flexibilisierungskonzept ist erfahrungsgemäß Voraussetzung für die Erhöhung der Verlässlichkeit der Dienstplanung. Der durch die Anforderungen der Patienten beziehungsweise Bewohner in Verbindung mit den finanziellen Spielräumen vorgegebene betriebliche Bedarf muss den Mitarbeitern immer wieder durch die Führungskräfte kommuniziert werden. Dazu gehören nicht nur die Schwankungen des Arbeitsanfalls. Gerade die Notwendigkeit, Besetzungsstärken konstant zu halten, ist ein Flexibilitätsauslöser. Kurzfristige Ausfallzeiten können gerade deshalb Flexibilitätsbedarf auslösen, weil die Besetzung konstant gehalten werden muss. Könnte man die Arbeit in großem Umfang verschieben oder die Patienten beziehungsweise

6.1  Was Flexi-Spielregeln ausmacht

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Bewohner von geeigneteren Zeitpunkten der Leistungserbringung überzeugen, gäbe es keinen Bedarf für ein Ausfallzeitenmanagement. In der Pflege geht das aber nicht. Daher muss es eine „Flexibilitäts-Muskulatur“ geben – diese sollte jedoch so strukturiert wie möglich ausgestaltet und auf das notwendige Maß beschränkt sein. Zur Kommunikationsaufgabe der Führungskräfte gehört daher auch die realistische Vermittlung der unternehmerischen Anstrengungen, die durch Flexibilitätsbedarf entstehenden Anforderungen und Belastungen für die Mitarbeiter so gering wie möglich zu halten. Führungskräfte sind zudem gut beraten, Flexibilität nicht vorrangig als Belastungsfaktor zu thematisieren beziehungsweise Mitarbeitereinstellungen mit solchem Duktus nicht zu viel Raum zu geben. Es kommt wesentlich auf die innere Haltung zu den Anforderungen an, ob sie als belastend empfunden werden oder nicht. Eine unrealistische Flexibilitätsblockade kann sogar selbst zum Belastungsfaktor werden, wenn zu große Abweichungen von Erwartungen und Realität permanente Dissonanzen auslösen.

6.1.2 Feste Dienstzeiten haben Vorrang 6.1.2.1 Wie feste Dienstzeiten gelingen Bei der Entwicklung von Flexi-Spielregeln sollte man sich von drei Fragen leiten lassen: • Instrumente: Welche Instrumente und Regeln sollen angewandt werden? • Indikatoren: Nach welchen Kriterien/Indikatoren sollen die Regelungen zur Anwendung kommen? • Bedarfsgerechter Einsatz: Wie kann deren unnötiger Einsatz verhindert werden? Der letzte Punkt führt auf unseren Grundsatz zurück, dass gute Dienstpläne so planbar wie möglich und so flexibel wie nötig ausgestaltet werden sollten. Daher muss vor jeder Entwicklung von Flexi-Spielregeln die Frage beantwortet werden, wie Dienstpläne so stabil wie möglich gehalten werden, so dass sie so wenig wie möglich geändert werden müssen. Darauf gibt es drei Antworten: • Service- und Leistungsflexibilität: Dienstpläne sind stabil, wenn es gelingt, verbindliche Orientierungsschemata für Service- und Leistungsflexibilität (Abschn. 5.2) zu etablieren, denn dann können sie unverändert bleiben, obwohl der Arbeitsanfall beziehungsweise die Personalverfügbarkeit schwankt, ohne zugleich Belastungen zu erhöhen und Qualitätsansprüche zu missachten. • Einsatzflexibilität: Dienstpläne bleiben stabil, indem bei Flexibilitätsanforderungen vorrangig auf Einsatzflexibilität (Abschn. 5.4) gesetzt wird. Dann werden Schwankungen des Arbeitsanfalls und der Personalverfügbarkeit durch räumliche anstelle von zeitlicher Flexibilität bewältigt. • Feste Dienstzeiten: Die Dienstzeiten selbst werden weitestmöglich eingehalten. Abweichungen von eingeteilten Diensten werden daher auf Ausnahmen beschränkt.

3246  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

Während die ersten beiden Punkte im letzten Kapitel bereits erläutert wurden, soll – bevor es um mögliche Abweichungen von Dienstzeiten geht – das Augenmerk auf die größtmögliche Einhaltung der Dienstzeiten gelegt werden. Dienstplanmäßig eingeteilte Dienstzeiten sollten grundsätzlich pünktlich enden (der Beginn ist ohnehin meist fixiert). Abweichungen von Dienstzeiten durch Kürzer- oder insbesondere Längerarbeit sollten auf nicht vermeidbare Anlässe begrenzt werden – etwa akuten, also nicht vorhersehbaren und nicht verschiebbaren Arbeitsbedarf, dessen Bewältigung wirklich erst kurz vor Dienstschluss angegangen werden konnte. Dazu sind Maßnahmen infolgenden Bereichen erforderlich, die wir anschließend näher beleuchten: • in der Arbeitszeitregelung • in der Arbeitsorganisation • im Führungsverhalten

6.1.2.2 Arbeitszeitregelung Zu den wichtigsten Arbeitszeitregelungen sollte es gehören, dass Dienstzeiten vorrangig einzuhalten sind und Abweichungen hiervon nur nach Absprache mit der Führungskraft oder einer von ihr beauftragten Person (etwa im Spätdienst eine Schichtleitung) möglich sind. Dies ist die Mindestbedingung verlässlicher Dienstplanung und sollte in keiner Regelung fehlen. Solche Absprachen können auch auf den Fall der Längerarbeit begrenzt werden, während die Verkürzung des Dienstes eigenverantwortlich im Team abgesprochen werden kann (nicht selten trifft man in der Praxis auf die umgekehrte Handhabung!). Mitarbeiter haben selbstverständlich ohnehin keinen Anspruch darauf, den Dienst außerhalb der eingeteilten Dienstzeit zu beenden. Hierzu bedarf es mithin immer des Einverständnisses des Arbeitgebers. Von der expliziten Abspracheregelung kann in zwei Fällen abgewichen werden: • Erstens muss zur Bewältigung akuter Notfälle, die sich über den Zeitpunkt des Dienstwechsels hinaus erstrecken und nicht personell abgelöst werden können, ohne Absprache vom Dienstplan abgewichen werden können. • Zweitens kann vom Abspracheerfordernis abgewichen werden, wenn notwendige Tätigkeiten über die Dienstzeit hinaus erbracht werden müssen, jedoch die Führungskraft nicht zur Absprache verfügbar ist. In diesen beiden Fällen erfolgt die Absprache nachträglich – unter Angabe einer Begründung für die Abweichung. Zum Beispiel meldet der Mitarbeiter die Dienstverlängerung für den Eintrag im PEP-System bei der Führungskraft an oder trägt diese, wenn eine Selbsterfassungsfunktion im PEP-System besteht (sogenanntes „ESS“ [„Empoyer Self Service“]), selbst ein. Die Führungskraft gibt den Eintrag des Mitarbeiters erst nach Prüfung frei. Wäre aus Sicht der Führungskraft die Dienstverlängerung nicht erforderlich gewesen, muss sie die Freigabe der Längerarbeit mit der Botschaft verknüpfen, solche Abweichungen zukünftig weitestmöglich zu vermeiden.

6.1  Was Flexi-Spielregeln ausmacht

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Diese einfache Maßnahme fördert die Verlässlichkeit der Dienstzeiten und den sparsamen Umgang mit der Arbeitszeit wirksamer als viele Prozessorganisationsprojekte. Die Abspracheregelung verhindert einen unkontrollierten Aufbau von Zeitsalden beziehungsweise von Überstunden. Eigenmächtige Dienstverlängerungen sind ein wesentlicher Treiber für unnötigen Arbeitszeitverbrauch. Die Wirkung grundsätzlich festgelegter Dienstzeiten ist in der Praxis, wenn sie zuvor „offen“ gehandhabt wurden, immer wieder erstaunlich. An der Mehrheit der Tage gelingt, was zuvor als Ausnahme angesehen wurde. Der wesentliche Grund dafür ist die Orientierung, die feste Dienstzeiten der Arbeitsorganisation verleihen: Ist der Rahmen fixiert, wird die Arbeit anders organisiert als bei einem offenen Rahmen. Die Setzung bei der Dienstzeit bewirkt, dass diszipliniert auf ihre Einhaltung geachtet wird. Budgetierung – hier: der Dienstzeit – ist die einzige Möglichkeit, auf einen effizienten Umgang mit Ressourcen – hier: der Arbeitszeit – hinzuwirken. Beispielsweise sind auch Übergaben zwischen den Diensten besser organisiert, wenn der dafür zur Verfügung gestellte Zeitrahmen klar begrenzt wird. Dienstzeitstabilität erhält darüber hinaus die Motivation derjenigen, die es schon bislang meist schafften, pünktlich zu gehen. Denn diese Mitarbeiter beklagen oft, dass die Längerbleibenden mehr Vorteile haben als die Pünktlichen. Das ist fatal, denn welchen Anreiz gibt es dann noch dafür, sich so zu organisieren, dass man pünktlich fertig wird? Nicht nur, dass Längerbleibende sich gern engagierter fühlen: Indem sie ihre Zeitsalden erhöhen, müssen sie an anderen Tagen hierfür Freizeitausgleich erhalten. Dieser wird meist in ganzen arbeitsfreien Tagen gewährt – nicht gerade ein Anreiz zum pünktlichen Feierabend. Und die „Pünktlichen“? Sie müssen die arbeitsfreien Tage der anderen mit abdecken. Es ist daher auch gerecht, für stabile Dienstzeiten zu sorgen. Und es dient der Kontinuität der Versorgung der Patienten und Bewohner. Zu den arbeitszeitorganisatorischen Maßnahmen gehört es auch, einzelne Dienstzeiten oder den gesamten Dienstzeitenaufbau (Abschn. 2.2) neu zu gestalten, wenn Dienstzeiten trotz arbeitsorganisatorischer Optimierung häufig nicht eingehalten werden können.

6.1.2.3 Exkurs 1: Feste Dienstzeiten mit elektronischer Zeiterfassung? In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach Sinn und Zweck einer elektronischen Kommt-Geht-Anwesenheitszeiterfassung, die immer noch in einigen, wenn auch wenigen Häusern praktiziert wird oder über deren Einführung nachgedacht wird. Sie verstärkt durch die Fokussierung auf (zudem minutengenaue) Abweichungen den Anreiz zur Dienstzeitenabweichung. Denn welche Funktion soll sie haben, wenn nicht die Erfassung solcher Abweichungen – die Dienstzeiten selbst sind ohnehin im PEP-System hinterlegt worden. Als Sinn bliebe sonst nur die Kontrolle der Anwesenheit der Mitarbeiter. Wir bezweifeln, dass diese erforderlich ist. Festgelegte Dienstzeiten verlieren durch Überschreibung mit erfassten Zeiten die erwünschte Verbindlichkeit. Durch die Möglichkeit zur Längerarbeit nimmt der Effizienzdruck im Umgang mit der Dienstzeit ab. Und die Dienstplanverantwortlichen sollen dann für die Steuerung der aufgelaufenen Zeitsalden verantwortlich gemacht werden, deren Entstehen sie jedoch nicht oder nur zum Teil beeinflussen können.

3266  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

Statt sich der „Stechuhr“ zu entledigen, machen immer mehr Häuser, die sie einstmals angeschafft haben, diese zumindest unschädlich: Manche verengen die zulässigen Anrechnungs-Korridore – zum Beispiel auf fünf Minuten – so weit, dass autonome Ansparprozesse der Mitarbeiter enger begrenzt werden. Aber auch dann stellt sich die Frage, mit welchem Argument es beispielsweise vor Dienstbeginn überhaupt eine „Eingleitphase“ geben soll. Auch nur fünf Minuten pro Dienst summieren sich pro Jahr immerhin auf zwei bis zweieinhalb zusätzlich arbeitsfreie Tage pro Mitarbeiter, die aufgefangen werden müssen. Manche Häuser wiederum erfassen die Zeiten nur unter Vorbehalt der späteren Freigabe durch die Führungskraft: • Entweder „winken“ dann die Führungskräfte jedoch diese Zeiten „durch“ – mangels Prüfbarkeit oder mangels Bereitschaft, unangenehme Gespräche führen zu müssen. • Oder die Mitarbeiter empfinden es als ungerecht, wenn ihnen erfasste Zeiten nicht angerechnet werden – schließlich haben sie diese ja erbracht. Nicht einmal das Versprechen geringen Aufwandes beim Arbeitszeitmanagement erfüllt die Kommt-Geht-Zeiterfassung. Vielmehr erhöht sich der zeiterfassungsbedingte Regelungs-, Kontroll- und Pflegeaufwand. Viele Fragen, die es ohne die „Stechuhr“ nicht gäbe, werden durch sie erst aufgeworfen: Man denke an das Thema der arbeitsplatznahen Terminal-Positionierung, an Rüst- und Wegezeiten, den Umgang mit privaten Arbeitsunterbrechungen und verlängerten Pausenzeiten und dergleichen mehr. Verbindliche, gerechte Dienstplanung sowie effiziente Arbeitszeitnutzung und Kommt-Geht-Zeiterfassung passen daher grundsätzlich nicht zusammen.

6.1.2.4 Exkurs 2: Überstunden durch verlängerte Dienste Schließlich sei noch ein weiteres Argument für eine grundsätzlich verbindliche Dienstzeiteinhaltung genannt: Die Abgrenzung verlängerter Dienstzeiten zu Überstunden kann andernfalls zum Problem werden – siehe dazu Abschn. 6.3. 6.1.2.5 Arbeitsorganisation und Führung Fixierte Dienstzeiten senden den wertvollen impliziten Anreiz aus, die Arbeitsorganisation so auszurichten, dass sie die Einhaltung der Dienstzeiten ermöglicht. Werden hingegen Dienstverlängerungen offen zugelassen, verschwindet dieser Anreiz. Es ist beispielsweise keine gute Idee, Mitarbeitern, die mit ihrer Arbeit nicht fertig werden, obwohl dies machbar ist und andere Kollegen die Arbeit gut schaffen, Längerarbeit zu ermöglichen. Die Einhaltung der Dienstzeiten muss als arbeitsorganisatorische Herausforderung verstanden werden. Den Führungskräften kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu: • Vorbild: Führungskräfte müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Erfahrungsgemäß leidet die Dienstzeitpünktlichkeit besonders dort, wo Führungskräfte diesbezüglich

6.1  Was Flexi-Spielregeln ausmacht

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selbst kein Vorbild abgeben – sei es, weil sie ihr Engagement und ihre Leistungsbereitschaft über Zeitverbrauch beweisen wollen, sei es, weil sie vom „Helfersyndrom“ betroffen sind, oder sei es, weil ihre persönliche Arbeitsorganisation verbesserungswürdig ist. Das bedeutet übrigens nicht, dass die Führungskraft für ihre Arbeit nicht höhere Zeitbudgets aufwenden kann als die Mitarbeiter. Aber sie sollte darin Vorbild sein, vereinbarte Zeitbudgets für einzelne Tätigkeiten (Übergaben, Visiten, Besprechungen und so weiter) einzuhalten. In der Praxis haben wir einen erheblichen Rückgang von Zeitguthabenaufbau und Überstunden allein dadurch sehen können, dass Führungskräfte den pünktlichen Feierabend vorleben. • Realistische Erwartungen: Es kann emotionalen Stress auslösen, wenn die Mitarbeiter das Gefühl haben, den eigenen Ansprüchen an die Arbeitserledigung hinterherzulaufen. Dann befriedigt auch die „Ansage“ des pünktlichen Feierabends sie nicht. Führungskräfte haben daher die Aufgabe, unrealistische Erwartungen der Mitarbeiter zu relativieren. Dies gelingt vor allem, indem sie den innerhalb der Dienstzeit zu erbringenden Aufgabenumfang als zweckmäßig und ausreichend betonen (natürlich nur, wenn dem tatsächlich so ist) und indem sie dem Mitarbeiter das Gefühl geben, guten Gewissens pünktlich nach Hause gehen zu dürfen. Zudem sollten Führungskräfte stets betonen, dass es von ihnen geschätzt wird, wenn Mitarbeiter auch einmal früher gehen, wenn der Aufgabenumfang dies zulässt. Damit verdeutlichen sie am prägnantesten, dass sie aus der Höhe der Zeitguthaben (Abschn. 6.2) keine Aussage über die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter ableiten werden. • Unterstützung: Führungskräfte müssen Mitarbeiter unterstützen, die ihre Arbeitsaufgaben häufig nicht innerhalb der Dienstzeiten schaffen. Bezogen auf den einzelnen Mitarbeiter bedarf es gezielter individuell vereinbarter Maßnahmen zur Reduzierung zeitlicher Überziehungen – etwa, indem das persönliche Arbeitszeitmanagement angesprochen wird. Von Mitarbeitern, die ihre Arbeit überwiegend oder wesentlich eigenverantwortlich ausführen, sollten auch entsprechende Verbesserungsvorschläge erwartet werden. Im Rahmen eines Entlastungs- und Effizienzgesprächs sollte die Führungskraft, wenn die Ursachen für die Dienstzeitüberschreitung nicht identifiziert werden konnten, den Mitarbeiter bitten, für eine bestimmte Zeit (zum Beispiel für ein bis zwei Wochen) die verbrauchte Arbeitszeit nebst den jeweiligen Verwendungszwecken aufzuzeichnen; zum Entlastungs- und Effizienzgespräch siehe Abschn. 6.2. • Prozessorganisation: Führungskräfte sollten prozessorganisatorische Standards vorgeben, die die Einhaltung der Dienstzeiten unterstützen. Dazu gehören zum einen die bereits vorgestellten Maßnahmen zur Leistungs- und Serviceflexibilität (Abschn. 5.2). Zum anderen sind Standardtagesabläufe so zu strukturieren, dass die Einhaltung der dienstplanmäßigen Arbeitszeit möglich ist. Ein Beispiel zeigt Abb. 6.1. Hier wurde in den jeweils zwei Pflegegruppen einer Station der Standardtagesablauf – in Zusammenarbeit mit dem ärztlichen Dienst – umgestellt, um die sichere Einhaltung der eingeteilten Dienstzeiten zu ermöglichen.

3286  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

Abb. 6.1  Standardtagesablauf-Planung

6.1.3 Vorstrukturierte Arbeitszeitsteuerung mittels Flexi-Spielregeln Viele Häuser befinden sich in einem Dilemma: Unzureichende Flexibilität führt zu unnötigen Belastungen der Mitarbeiter, weil die Arbeitsdichte zu stark schwankt. Denn Flexibilität bedeutet ja gerade, Schwankungen der Auslastung im Interesse von Belastungsreduzierung und Qualitätssicherung zu vermindern. Andererseits aber ist Flexibilität immer weniger gewünscht und kann ihrerseits als Belastung wahrgenommen werden. Da es jedoch gerade Kennzeichen guter Dienstpläne ist, dass sie die Betreuungsquoten (Besetzungskennzahlen) konstant halten (also Schwankungen der Auslastung auffangen), führt an flexiblen Anpassungen im Rahmen des Personaleinsatzes kein Weg vorbei. Die Lösung liegt vielmehr darin, Dienstplanabweichungen auf das Notwendige zu begrenzen und sie so strukturiert wie möglich ablaufen zu lassen (Abschn. 6.1.1). Warum tut man sich hiermit vielerorts noch schwer? Schaut man auf die typische Regelungswelt im Umgang mit flexiblen Anforderungen, findet man darauf eine erste Antwort: Die meisten Regelungen kennen nur die beiden Extreme Freiwilligkeit auf der einen Seite oder Disposition auf der anderen Seite. Entweder sollen flexible Anforderungen freiwillig durch die Mitarbeiter erbracht werden. Dazu zählen beispielsweise das kurzfristige Einspringen aus dem Arbeitsfrei, das grundsätzlich nur auf freiwilliger Basis organisierbar ist. Dazu zählt auch eigenverantwortliches Längerbleiben über die Dienstzeit hinaus. Oder flexible Anforderungen sollen durch betriebliche Disposition bewältigt werden. Dazu gehört insbesondere die Anordnung von Überstunden. Entweder der Mitarbeiter disponiert sich selbst – oder die Führungskraft disponiert ihn. Diese auf den ersten Blick einleuchtenden Alternativen, die auch bei einseitig rechtlicher Fokussierung des Themas Flexibilität stabilisiert werden, sind längst nicht mehr „der

6.1  Was Flexi-Spielregeln ausmacht

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Weisheit letzter Schluss“. Wahrscheinlich waren sie es nie. Denn beide Alternativen haben ihre Vorteile, aber eben auch deutliche Nachteile.

6.1.3.1 Freiwilligkeit bei der Arbeitszeitsteuerung Potenziell können freiwillige Regelungen motivierend wirken, weil sie das Gefühl von Autonomie und eigenverantwortlichen Gestaltungsspielräumen verleihen. Es kann erfüllend wirken, zur richtigen Zeit flexibel zu reagieren. Flexibilität kann man, wenn man Freude an ihr hat, mit Leichtigkeit bewältigen. Allerdings besteht das Risiko, dass sich nicht hinreichend viele Mitarbeiter finden, die bereit sind, diese Spielräume auch in für die Anforderungen ausreichender Form wahrzunehmen. Insbesondere gibt es Flexibilitätsanforderungen, die nicht ausreichend attraktiv sind, um von genügend Freiwilligen bewältigt zu werden. Zudem ist die Freiwilligkeitsbereitschaft bei flexiblen Anforderungen in der Pflege bekanntlich insgesamt rückläufig (Abschn. 1.2.2). Finden sich zu wenige Freiwillige, kann die Überforderung der Willigen drohen. Die Folge können zudem langwierige Abstimmungsprozesse sein. Noch häufiger kommt es dazu, dass der Freiwilligkeit „nachgeholfen“ werden muss – durch materielle Belohnungen für diejenigen, die mitmachen, oder Bevorteilungen bei der Dienstplanung. Damit wird aber die ursprüngliche intrinsische Motivation in ihr Gegenteil verkehrt. Wird extrinsisch motiviert, lässt man sich nur noch „freiwillig“ bitten, wenn die Konditionen stimmen. (Bisher) Selbstverständliches muss erkauft werden – mit steigenden Kosten. Im Zweifel leidet der Patient/Bewohner unter der Unfähigkeit der Organisation, die auf eine Freiwilligkeit bei der Leistungserbringung setzt, ohne über entsprechende Potenziale zu verfügen. Unerfreulicher Nebeneffekt eines materiellen „Nachhelfens“ bei vormals freiwilligen Lösungen ist es zudem, dass das Planungsinteresse der Beteiligten – entgegen den eigentlich formulierten Ansprüchen – rückläufig ist. Materielle Belohnungen für Flexibilität fördern diese statt sie einzugrenzen. 6.1.3.2 Betriebliche Disposition Umgekehrt kann betriebliche Disposition der Arbeitszeit als demotivierend erlebt werden. Wenn die Mitarbeiter ansonsten in einem eigenverantwortlichen Arbeitsumfeld viele Entscheidungen selbst treffen können, ist es ihnen schwer vermittelbar, warum dies bei der Arbeitszeit nicht auch möglich sein soll. Die Gegenreaktion auf arbeitgeberseitige Disposition kann sich in einem dispositionskonformen Verhalten zeigen – zum Beispiel durch Umgehungstaktiken wie „operative Hektik“ im Beisein der Führungskraft, wenn mit einem „Nachhauseschicken“ gerechnet werden muss. Oder es findet eine Inflationierung von entgegenstehenden dringenden persönlichen Gründen statt. Denn dies ist ein weiterer Nachteil rein arbeitgeberdisponierter Modelle: Da eine arbeitgeberseitige Disposition nach „billigem Ermessen“ erfolgen muss, müssen entgegenstehende persönliche Gründe des Mitarbeiters angemessen berücksichtigt werden.

3306  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

Hier bewegt man sich aber in einem juristisch höchst unscharfen „Gelände“. Viele Führungskräfte sind verunsichert, was sie dürfen – und was nicht. Damit kann das Ziel der Disposition – möglichst viele Mitarbeiter an der Abdeckung möglichst vieler Flexibilitätsanforderungen zu beteiligen – eventuell verfehlt werden. Die beiden Extrempositionen – Freiwilligkeit versus Disposition – suggerieren die Verantwortung dafür, die Anforderungen für die Patienten/Bewohner zu erfüllen – und nur diese lösen ja den Flexibilitätsbedarf aus –, läge entweder allein beim Mitarbeiter (Freiwilligkeit) oder beim Arbeitgeber (Disposition). Dabei sollten zeitgemäße Dienstplanverfahren von der Annahme ausgehen, dass Mitarbeiter wie Betrieb ihren Beitrag dazu leisten, die betrieblichen Aufgaben belastungs- und qualitätsgerecht erbringen zu können. Beide können dies nur gemeinsam schaffen. Insgesamt setzt die Pflege bislang noch stark auf Freiwilligkeitspotenziale – mit abnehmendem Erfolg. Die Lösung kann aber aus den dargestellten Gründen umgekehrt auch nicht allein in disponierten Systemen der Dienstplansteuerung liegen. In dem Zwischenfeld können Flexi-Spielregeln wirksam werden.

6.1.3.3 Wo Flexi-Spielregeln ansetzen Flexi-Spielregeln sind der Versuch, eine „gesunde Mitte“ zwischen den beiden Polen Freiwilligkeit und Disposition herzustellen. Damit sie dies leisten können, sollten in FlexiSpielregeln folgende Eigenschaften kultiviert werden: • Transparenz: Flexibilitätsanforderungen liegen konkrete Bedürfnisse und Anforderungen der Patienten und Bewohner zugrunde. Daher muss über diese Anforderungen Transparenz herrschen. Das bedeutet, dass der Einsatz der Instrumente nachvollziehbar anhand von Kriterien (Indikatoren) ist und dass Flexibilitätsanforderungen jederzeit gegenüber den Mitarbeitern gut begründet werden können. • Handlungssicherheit: Flexi-Spielregeln sind zwischen den Betriebsparteien vereinbart. Sie schaffen damit Handlungssicherheit – für die Führungskraft, was sie darf, für den Mitarbeiter, was er muss. Sie erleichtern damit die Führungsaufgabe und sorgen insbesondere auch für eine einheitliche Handhabung. Die Improvisation bei den immer gleichen Fragestellungen wird durch eine systematische Vorgehensweise abgelöst. • Struktur: In Flexi-Spielregeln werden Flexibilitätsanforderungen weitestmöglich vorstrukturiert, damit zumindest das „Ob“ der Flexibilität klar ist und nur das „Wie viel“ an dem jeweiligen Ereignis ausgerichtet wird. • Zumutbarkeit statt Belohnung: Flexi-Spielregeln setzen an der – zwischen den Betriebsparteien – konsentierten Zumutbarkeit von Flexibilität an, nicht an deren Belohnung. • Gleichbehandlung: Flexi-Spielregeln fördern die Gleichbehandlung der Mitarbeiter. Kein Mitarbeiter kann sich mehr „verstecken“, wenn die Regeln für alle gelten. Und je ausdifferenzierter die Mitarbeiterinteressen sind, desto wichtiger sind verbindliche gemeinsame Regeln. Zugleich werden „Flexibilitätslasten“ gerecht auf viele Schultern verteilt. Abb. 6.2 zeigt die Gegenüberstellung von Freiwilligkeits-, Dispositions- und SpielregelModell im Überblick.

6.1  Was Flexi-Spielregeln ausmacht

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Abb. 6.2  Wo Flexi-Spielregeln ansetzen

6.1.3.4 Einige rechtliche Hinweise zu kurzfristiger Arbeitszeitflexibilität Bevor wir einige Flexi-Spielregeln beispielhaft ansehen, sollen überblicksartig wichtige rechtliche Rahmenbedingungen kurzfristiger Arbeitszeitflexibilität vorgestellt werden. Sie sind umso relevanter, je mehr ein Modell starke Anteile betrieblicher Disposition enthält. Neben Flexi-Spielregeln kann es immer auch Bedarf an stärker führungsseitig disponierten Konstellationen geben – • zum einen in Zeiten abnehmender rein freiwilliger Flexibilitätsbereitschaft der Mitarbeiter, • zum anderen, weil es immer Situationen geben kann, in denen auch die ausgereifteste „Flexibilitäts-Muskulatur“ an ihre Grenzen stößt und trotzdem reagiert werden muss. Natürlich lässt sich nicht alles in Flexi-Spielregeln packen – dafür ist das Arbeitsleben (wie das Leben insgesamt) zu vielfältig: Für solche Fragestellungen wird es weiterhin explizit Bedarf jenseits von Flexi-Spielregeln geben. Wenn es beispielsweise erhöhten Bedarf aufgrund einer größeren Grippewelle gibt, dann ist weiterhin flexibler Einsatz vonnöten. Hier kommt es idealerweise zu einem Geben und Nehmen. So wie eine Reaktion der Mitarbeiter erwartet wird, wird auch der Betrieb alles möglich machen, wenn persönliche Akutfälle eintreten. Gelingt diese Balance, so steigt wechselseitig die Bereitschaft, im Bedarfsfall alles zu ermöglichen.

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Grundsätzlich können folgende Empfehlungen für disponierte kurzfristige Flexibilität gegeben werden (was aus arbeitsrechtlicher Perspektive die Prüfung konkreter Anwendungskonstellationen in jedem Einzelfall leider dennoch nicht ersetzt): • Kriterien-Definition: Die Betriebsparteien können Kriterien und Grundsätze vereinbaren, nach denen der Arbeitgeber auch ohne Mitbestimmung im Einzelfall die Konkretisierung beziehungsweise (kurzfristige) Veränderung von Lage und Verteilung der Arbeitszeit vornehmen kann. Inwieweit dabei auch eine Konkretisierung der Maßstäbe billigen Ermessens durch Betriebs-/Dienstvereinbarungen zulässig ist, ist seitens der Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärt. • Kurzfristigkeit: Ein Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien dürfte insoweit insbesondere bei der kurzfristigen Abweichung von längerfristig aufgestellten Schicht- oder Dienstplänen bestehen, wenn die kurzfristige Flexibilisierung der Arbeitszeit in der Natur der zu erbringenden Arbeitsleistung liegt und im Dienstplan zumindest vorstrukturiert ist, wie es das Kennzeichen von Flexi-Spielregeln ist. • 4-Tage-Frist: Ohne gemeinsame Regelungen zwischen den Betriebsparteien zur Flexibilisierung der Arbeitszeit beziehungsweise Konkretisierung der Maßstäbe billigen Ermessens ist bei rein betrieblich disponierter Arbeitszeitflexibilisierung zumindest bei der Ansage von Arbeitszeiten im Zweifel auf die 4-Tage-Frist des § 12 Abs. 2 TzBfG als Maßstab billigen Ermessens bei der Ausübung des Direktionsrechts abzustellen. • Grenzfälle: Bei einer Nichteinhaltung der Grenzen „billigen Ermessens“ bei der Konkretisierung der Arbeitspflicht kann die kurzfristige Änderung des Dienstplans gegenüber dem Mitarbeiter individualrechtlich unwirksam sein. Bei einer zu kurzfristigen Absage von Arbeitszeit bestehen im Streitfall möglicherweise individualrechtliche Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers (Anrechnung beziehungsweise Vergütung der ursprünglich geplanten Arbeitszeit, sofern der Mitarbeiter die Arbeitsleistung anbietet). • Unbilligkeitsrisiko: Es wird im Zweifel schwierig sein, im Einzelfall ad hoc die Entscheidung darüber zu treffen, ob ein disponierter Eingriff in den Dienstplan noch zumutbar war oder nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu seine bisherige Auffassung geändert und entschieden, dass Mitarbeiter einer unbilligen Weisung nicht Folge leisten müssen [1].

6.1.3.5 Beispielhafte Flexi-Spielregeln Neben dem im Kapitel zum Ausfallzeitenmanagement (Kap. 5) vorgestellten Instrumenten wollen wir uns nachfolgend auf drei Beispiele für Flexi-Spielregeln konzentrieren: • Flexi-Dienste (Abschn. 6.1.4) • Dienstfenster-Dienste (Abschn. 6.1.5) • Zeitfenster beziehungsweise Abwesenheitssteuerung (Abschn. 6.1.6)

6.1  Was Flexi-Spielregeln ausmacht

333

6.1.4 Wann Flexi-Dienste nützlich sind 6.1.4.1 Prinzip des Flexi-Dienstes Ein Flexi-Dienst ist ein Dienst, der dienstplanmäßig eingeteilt wird, dessen Arbeitsende (seltener: Arbeitsbeginn) jedoch nicht im Voraus kalkulierbar ist. Der Flexi-Dienst besteht aus zwei Teilen: einem festen Teil – in der Regel zu Beginn des Dienstes – und einem flexiblen Teil. Er wird wegen dieser Mischung aus festem und flexiblem Dienstanteil vereinzelt auch als „Fix-Flex-Dienst“ bezeichnet. Zum Beispiel reicht der feste Teil von 06:00 Uhr bis 12:00 Uhr, an den sich ein flexibler Teil von 12:00–15:00 Uhr anschließt. Je nach konkretem Arbeitsanfall entscheidet der Mitarbeiter nun vorrangig eigenverantwortlich, wann er den Dienst beendet. Frühestmöglich ist das um 12:00 Uhr, spätestens um 15:00 Uhr der Fall. Es sollten Indikatoren festgelegt werden, auf deren Grundlage der Mitarbeiter über das Dienstende entscheidet. Im Durchschnitt sollte eine mittlere Dienstdauer angestrebt werden, damit sich längere und kürzere Flexi-Dienste gegeneinander ausgleichen. Im Beispiel wäre das um 13:30 Uhr. Die mittlere Dienstdauer wird auch im PEP-System als Dienstdauer zugrunde gelegt. Diese Dienstdauer wird damit auch im Falle eines Krankheitsausfalls des im Flexi-Dienst eingeteilten Mitarbeiters angerechnet. Im PEP-System wird der Flexi-Dienst gegenüber „normalen“ festen Diensten gesondert gekennzeichnet – zum Beispiel ein Frühdienst statt als „F“ als „Fx“. Meist werden Flexi-Dienste im Dienstplan reihum über die Mitarbeiter verteilt. Eine Alternative ist, Flexi-Dienste durch die Mitarbeiter im Team je nach Interesse zu vergeben. Häufig wird dazu der Dienstplan ausgedruckt, in dem noch keine Flexi-Dienste enthalten sind. Dann markieren die Mitarbeiter die jeweils von ihnen zu besetzenden Flexi-Dienste. Zum Beispiel setzen sie auf dem Ausdruck an einer Pinnwand eine oder mehrere Nadeln auf die betreffenden Dienste und markieren diese so als Flexi-Dienste. Pro Arbeitsbereich werden meist nur einzelne Flexi-Dienste pro Tag benötigt. Der Mitarbeiter im Flexi-Dienst übernimmt bei Bedarf die Flexibilitätsanforderungen – gerade damit die anderen Kollegen pünktlich Feierabend haben, indem klar ist, wer im Zweifel länger bleibt. Er kann beispielsweise in Stationen, in denen häufiger einige Arbeitsaufgaben längere Dienstzeiten erfordern, als „Abräumer“ dienen, der den Kollegen den pünktlichen Feierabend sichert. Oder er ist derjenige, der bei verringertem Arbeitsanfall weiß, dass er guten Gewissens früher nach Hause gehen kann. Der Mitarbeiter im Flexi-Dienst kann sich auf diesen Bedarf einstellen, indem er für sich mit der maximalen Dienstdauer des Flexi-Dienstes kalkuliert, dann aber möglicherweise Freizeit gewinnt, wenn er diesen früher beenden kann. Prinzip und Vorteile von Flexi-Diensten zeigt Abb. 6.3. Abb. 6.4 zeigt an einem Beispiel den Einsatz von Flexi-Diensten im Frühdienst einer Rehaklinik. Die Anzahl der Aufnahmen schwankt, was durch eine bedarfsabhängige Festlegung eines späteren Frühdienstbeginns durch die Stationsleitung spätestens am Vortag erfordert. Bei normaler Auslastung beginnen diese Dienste um 07:00 Uhr, bei geringerer

3346  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

Abb. 6.3  Prinzip und Vorteile von Flexi-Diensten

Abb. 6.4  Dienstaufbau mit Flexi-Diensten in einer neurologischen Rehabilitationsklinik

Auslastung erst später, spätestens jedoch um 09:30 Uhr. Das Dienstende der Frühdienste kann um eine halbe Stunde verkürzt oder verlängert werden, wobei der Mitarbeiter über das konkrete Dienstende – auf der Basis bestimmter Auslastungskriterien – eigenverantwortlich entscheidet.

6.1  Was Flexi-Spielregeln ausmacht

335

6.1.4.2 Fallbeispiel In Fallbeispiel 15 stellt der Pflegedirektor eines Krankenhauses sein Modell „Variable Dienste“ vor, wie in seinem Haus die Flexi-Dienste genannt werden.

Fallbeispiel 15: Mit variablen Diensten auf Schwankungen von Arbeitsanfall und Personalverfügbarkeit reagieren

Karl-Heinz Schmitz, Pflegedirektor, Dreifaltigkeits-Hospital gGmbH, Lippstadt Zur Dreifaltigkeits-Hospital gGmbH gehören Krankenhäuser an drei Standorten – das Dreifaltigkeits-Hospital Lippstadt, das Marien-Hospital Erwitte und das Hospital zum Hl. Geist Geseke. Die drei Häuser erfüllen einen überregionalen Versorgungsauftrag im Kreis Soest. Mit 455 Betten und über 950 Mitarbeitern versorgen sie jährlich über 17.000 stationäre Patienten in 17 Fachbereichen. Am Standort Lippstadt beträgt die Zahl der Planbetten knapp 270. Die Patienten werden im Pflegedienst von circa 200 Mitarbeitern betreut. Ablösung alter Dienstplanmethoden – Einführung moderner Personaleinsatzinstrumente in der Pflege Der Anstieg der Überstunden, die unbefriedigende Bewältigung kurzfristiger Ausfallzeiten mittels „Holen aus dem Frei“ und nicht zuletzt das 2013er Überstunden-Urteil des BAG waren für uns Anlass, uns Gedanken über die ganz grundsätzliche Neugestaltung unserer Dienstplanung zu machen. Wir haben vielfältige Instrumente entwickelt, die uns heute den Personaleinsatz erleichtern: • länger laufende, rollierende Dienstpläne, wobei wir uns für einen zwölfwöchigen Dienstplanturnus entschieden haben, • ein in die langlaufende Dienstplanung integriertes Ausfallzeitenmanagement in Form von Stand-By-Diensten, • einen Springerpool, den es schon länger gab, den wir aber personell auf eine handlungsfähige Einheit aufgestockt haben, sowie • variable Dienste, die es uns gestatten, kurzfristig reagieren zu können, wenn sich im Tagesverlauf der Arbeitsanfall und/oder die Personalverfügbarkeit verändern. Konkrete Ausgestaltung der variablen Dienste An dieser Stelle stellen wir das Instrument der variablen Dienste vor. In unserer Dienstvereinbarung „Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung im Pflegedienst“ ist festgelegt, dass der Dienstplanverantwortliche auf variable Dienste in Früh- und in Spätdienst zurückgreifen kann, um im laufenden Tagesgeschäft mit kurzfristigen Bedarfsschwankungen auf vorstrukturierter Basis umgehen zu können. Unsere Dienstvereinbarung sieht vor, dass dem Mitarbeiter im variablen Dienst eine Mindestarbeitszeit von fünf Stunden garantiert wird. Maximal kann der variable Dienst bei entsprechendem Bedarf auf neun

3366  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

Stunden verlängert werden. Der variable Dienst wird im über zwölf Wochen laufenden Dienstplan eingeplant. Er wird im Dienstplanprogramm mit einem eigenen Kürzel versehen, damit der Mitarbeiter schnell erkennen kann, wann er für diesen Dienst eingeteilt ist. Die Funktionsweise erläutern wir an einem Beispiel: Unsere unfallchirurgische Station besetzte an den Tagen Montag bis Freitag ursprünglich auch einen kurzen Dienst, der um 11:00 Uhr endete. Die Praxis zeigte uns, dass diese Vorgabe für den Arbeitsalltag zu starr war. Die Stationsleiterin hat uns berichtet: „Uns kam der variable Dienst gerade recht. Dieser gibt uns die Möglichkeit, tagesaktuell auf den Arbeitsanfall reagieren zu können.“ Auf dieser Station ist nun täglich Montag bis Freitag ein Mitarbeiter im variablen Frühdienst (06:00–15:30 Uhr) eingeteilt. Der variable Dienst endet bei geringem Arbeitsanfall bereits um 11:00 Uhr. Mithin hat der variable Dienst eine feste Dienstzeit von fünf Stunden und ein sich daran anschließendes flexibles Zeitfenster zwischen 11:00 und 15:30 Uhr. Das morgendliche „Geschäft“ mit Visiten, Entlassungen, Verbandswechseln und OPs ist um diese Zeit normalerweise vorbei. Bei höherem Arbeitsanfall entscheidet sich erst gegen 11:00 Uhr, ob der weitere Einsatz des Mitarbeiters erforderlich ist oder nicht. In der Regel entscheidet die Stationsleitung über die variable Verkürzung des entsprechenden Frühdienstes, während ihres Urlaubs oder Krankheit übernimmt die Schichtleitung diese Aufgabe. Sie sprechen mit dem diensthabenden Kollegen den weiteren Bedarf ab. Es kommt übrigens häufiger vor, dass der Dienst verkürzt als verlängert wird (Abb. 6.5). Werden für die Dienstplanung variable Dienste neu benötigt, stimmt die Stationsleitung sich über die Nutzung des variablen Dienstes einfach mit der Pflegedienstleitung ab, die die erforderlichen Dienstzeiten via Formblatt mit der Mitarbeitervertretung vereinbart.

Abb. 6.5  Zu Fallbeispiel 15: Dienststruktur mit variablem Frühdienst

6.1  Was Flexi-Spielregeln ausmacht

337

Kurzfristige Dienstplanabweichungen werden vermieden In der Vergangenheit, vor Einführung der kurzen Dienste, musste die Stationsleiterin der Station 11 bei geringerem Arbeitsanfall unter den Mitarbeitern herumfragen, wer früher nach Hause gehen würde. „Ab und zu gab es hierbei Schwierigkeiten. Manche Mitarbeiter gehen gern, andere bleiben lieber im Haus, so dass es letztlich immer dieselben Kollegen waren, die ihren Dienst verkürzt und damit Überstunden abgebaut haben.“ Die Mitarbeiter sind mit den variablen Diensten zufrieden, was wir unter anderem daran sehen, dass sich hierüber niemand mehr beschwert. Der variable Dienst hat nicht nur den Vorteil, dass der „variable“ Mitarbeiter im Voraus feststeht, sondern auch, dass • wir über das „kürzer“ oder „länger“ Arbeiten nicht mehr diskutieren müssen, • aufgrund der Verankerung des variablen Dienstes im rollierenden Dienstplan jeder Mitarbeiter mal „dran“ ist, was zu mehr Gerechtigkeit bei der Dienstplanung beiträgt, und • sich die anderen, an einem Tag nicht für den variablen Dienst eingeteilten Mitarbeiter grundsätzlich auf ein pünktliches Dienstende verlassen können. Ausdehnung des Anwendungsgebiets Angesichts der überaus positiven Erfahrungen mit dem Personaleinsatzinstrument „variabler Dienst“ ist es unser Ziel, dass über kurz oder lang alle Stationen an allen drei Standorten unseres Hauses die Möglichkeiten der neuen Dienstvereinbarung zur Dienstplangestaltung nutzen.

6.1.5 Dienstfenster: Flexibilität der Arbeitszeitlage Dienstfenster sind Dienste, die grundsätzlich in ihrer Dauer feststehen, jedoch in ihrer Lage verschoben werden können. Eine solche Verschiebung wird es beispielsweise im Rahmen des Ausfallzeitenmanagements immer dann geben müssen, wenn nicht für alle Dienstlagen eine Vertretung vorgesehen werden kann oder die Vertretung in einer Dienstlage bei erhöhtem Krankheitsaufkommen nicht ausreicht. Die Verschiebung kann dann fallweise spontan erfolgen – oder eben vorstrukturiert mittels Dienstfenster. In einem Krankenhaus (Abb. 6.6) konnten zum Beispiel aufgrund der Kalkulation möglicher Joker-Dienste an den Tagen Montag bis Freitag zwei (je einmal im Früh- und Spätdienst), am Wochenende ein Joker-Dienst (nur im Spätdienst) besetzt werden. Zusätzlich wurde nun vereinbart, dass der im Frühdienst eingeteilte „Joker“ bei höherem Vertretungsbedarf im Spätdienst in diesen wechselt, zum Beispiel auch dann, wenn der Nachtdienst ausfällt: Dann findet eine Vertretungskaskade statt, in dem der Spät-„Joker“ in den Nachtdienst und dafür der Früh-„Joker“ in den Spätdienst wechselt. Am Wochenende wird möglichst rechtzeitig über die Dienstlage entschieden, in der der Joker-Dienst benötigt wird.

3386  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

Abb. 6.6  Flexible Verschiebung von Joker-Diensten über die Dienstlagen

6.1.6 Zur richtigen Zeit weniger arbeiten: Abwesenheitssteuerung 6.1.6.1 Warum das „Ausatmen“ schwerer fällt als das „Einatmen“ Ist zu wenig Personal eingeteilt, muss reagiert werden. Die Sensibilität dafür ist bei den Beteiligten in der Regel hoch – jedoch sind die Reaktionsmöglichkeiten nicht trivial, wie wir bisher gezeigt haben. Tendenziell umgekehrt verhält es sich, wenn zu viel Personal „an Bord“ ist – etwa bei verringerter Belegung. Hier sind die Reaktionsmöglichkeiten naheliegend und einfach: Der Arbeitszeitverbrauch wird gedrosselt, was ja auf den ersten Blick deutlich attraktiver ist, als länger bleiben zu müssen oder zusätzlich zum Dienst eingeteilt zu werden. Bei betrieblicherseits disponierten Arbeitszeiten wird eine Absage von Arbeitszeiten meist als sozialverträglicher empfunden als deren Ansage. Schließlich gewinnt der Mitarbeiter bei verkürzten Dienstzeiten kurzfristig Freizeit (wenngleich diese bei kurzfristiger Reaktion nicht planbar ist), während er bei der Ansage von Arbeitszeit in der Gestaltung der Freizeit deutlich eingeschränkt werden wird. Plakativ könnte man sagen, schon in der Schule galt: „Hitzefrei“ ist attraktiver als „Nachsitzen“. Und doch fällt es in vielen Häusern schwerer, „auszuatmen“, wenn weniger zu tun ist. Es gelingt häufig besser, bedarfsgerecht mehr Arbeitszeit einzuteilen, wenn mehr zu tun ist, als weniger, wenn weniger zu tun ist. Dies hat aber nichts mit der Disposition der Arbeitszeit zu tun. Auch in eigenverantwortlich gesteuerten Arbeitszeitsystemen sieht es in dem Punkt nicht besser aus: Es ist deutlich unwahrscheinlicher, dass die Mitarbeiter früher gehen, wenn weniger zu tun ist, als umgekehrt – was ein wesentlicher Grund für überlaufende Zeitkonten sein kann. Dieses Phänomen verdient deshalb besondere Aufmerksamkeit. Ist doch die Fähigkeit, zur richtigen Zeit weniger zu arbeiten, der wichtigste Hebel gleichermaßen für die Verbesserung der Produktivität wie die Entlastung der Mitarbeiter. Wann, wenn nicht dann, wenn es ruhiger ist, soll denn ein Ausgleich für notwendige längere oder zusätzliche Dienste erfolgen? Bevor wir die Ursachen für dieses Phänomen beleuchten – und wie man mit ihnen umgehen kann –, ist zu betonen: Hier geht es nicht um den Abbau dienstplanmäßig

6.1  Was Flexi-Spielregeln ausmacht

339

überplanter Besetzungen. Diese sollten im Rahmen der Dienstplanung ohnehin ausgeschlossen werden. Es wird – außer bei begründetem Bedarf – jeweils nur die Soll-Besetzung im Dienstplan zuzüglich Ausfallzeitenvertretung verplant. Deswegen wird ja dienstplanmethodisch von Soll- und nicht von Mindestbesetzung gesprochen. Die Einhaltung dieser Regel sollte stets höchste Priorität haben – schon deshalb, weil jede außerhalb des Bedarfs zugelassene Überbesetzung bei korrekter Personalbedarfskalkulation an anderen Tagen zu Unterbesetzungen führt. An dieser Stelle geht es mithin nicht um die bedarfsgerechte Planung der Anwesenheit, sondern um deren Steuerung, wenn der Bedarf hinter die eingeteilte Besetzung zurückfällt, nachdem der Dienstplan erstellt wurde. Warum gelingt die Abwesenheitssteuerung so häufig nicht? • Ungeeignete Anreizstruktur bei den Mitarbeitern: Zum einen besteht hierfür für alle „Stakeholder“ in der Regel kein ausreichender intrinsischer Anreiz. Die Mitarbeiter schätzen zusätzlich arbeitsfreie Tage zwar durchaus, verkürzte Dienste wegen des ungünstigen Arbeitszeit-Wegezeiten-Verhältnisses aber schon deutlich weniger. Und auch arbeitsfreie Tage werden ohne vorher angespartes Zeitguthabenpolster unattraktiver, wenn Minussalden im Zeitkonto als Mangel oder Makel gedeutet werden. Meist fühlt man sich mit einem gewissen „Polster“ wohler. Diese Orientierung kann durch Führungsverhalten verstärkt werden, indem diese Zeitguthaben als Zeichen von Leistungsbereitschaft (miss-)deuten oder indem sie Mitarbeiter, die „im Minus sind“, vorrangig für zusätzliche Anforderungen heranziehen. Zudem verschärfen logischerweise Überstunden-Zuschläge die Orientierung an Länger- statt an Kürzerarbeit. • Unzureichende Anreize der Führungskräfte: Die Führungskräfte wiederum benötigen für eine Orientierung hinsichtlich eines sparsamen Umgangs mit der Arbeitszeit zwei Voraussetzungen: Erstens leidet ohne klare Budgetverantwortung – hier für den wirtschaftlichen Einsatz der wertvollen Arbeitszeit – der bewusste Umgang mit den Ressourcen. Dazu gehört auch, dass Zeitguthaben allein für Aussagen über Stellen-Zusatzbedarfe ungeeignet sind. Und zweitens muss von der Pflegedienstleitung beziehungsweise der Geschäftsführung ein Risikomanagement betrieben werden: Abwesenheit ist ein Risiko, denn es könnte immer eine plötzliche Arbeitsspitze auftreten – ungünstig, wenn sich zuvor Mitarbeiter ins Frei verabschiedet haben. Eine Führungskraft ist daher ohne eindeutige Risiko-Unterstützung „von oben“ stets „auf der sicheren Seite“, wenn sie für die Verfügbarkeit der Mitarbeiter sorgt, nicht für deren Abwesenheit. • Ungeeignete Organisationsstruktur und -abläufe: Was schon für das Ausfallzeitenmanagement (Kap. 5) gezeigt wurde, gilt auch hier: Zu kleine Einheiten sind weniger reaktionsfähig, wenn der Arbeitsanfall sinkt: Der Betrieb bleibt auf der Mindestbesetzung sitzen, wenn wenig zu tun ist, weil den Schwankungen des Arbeitsanfalls personaleinsatzseitig nicht elastisch genug entsprochen werden kann. Auch die Ablauforganisation steht kürzeren oder verkürzten Dienstzeiten oft entgegen. Wenn Übergaben so ausgestaltet werden, dass sämtliche Mitarbeiter daran teilnehmen müssen, können Dienste nur verlängert, jedoch nie verkürzt werden.

3406  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

6.1.6.2 Beispiele für Flexi-Spielregeln zur Abwesenheitsplanung Die Hemmnisse, früher zu gehen oder auf die Besetzung eines Dienstes zu verzichten, sind in den Verhaltensweisen von Führungskräften und Mitarbeitern tief verankert. Deshalb reicht es in der Regel nicht, Flexi-Spielregeln zur Abwesenheitssteuerung zu konzipieren. Die Akzeptanz solcher Maßnahmen muss zugleich geschaffen werden, indem diese von einigen grundsätzlichen Veränderungen begleitet werden. Zunächst stellen wir beispielhaft einige Flexi-Spielregeln zur Förderung der Abwesenheitssteuerung vor. Danach geben wir einige Hinweise darauf, wie ihre Wirksamkeit und Akzeptanz führungsseitig unterstützt werden kann. • Zeitfenster-Prinzip: Als Zeitfenster wird eine mögliche Reduzierung der Besetzungsstärke in einer Dienstlage bezeichnet. Es wird so genannt, weil der Mitarbeiter, der dann abweichend vom Dienstplan einen arbeitsfreien Tag erhält, das „Zeitfenster“ belegt. Die Abwesenheitsregel ist dabei nicht personalisiert. Es wird also kein Mitarbeiter festgelegt, den es bei Bedarf „trifft“. Tritt das vereinbarte Ereignis ein, angezeigt durch einen entsprechenden Indikator (etwa ein Belegungsrückgang um mindestens 20 Prozent), so verständigen sich die Kollegen, die in der Dienstlage eingeteilt sind, wer das Zeitfenster belegt, also arbeitsfrei macht. Abb. 6.7 zeigt die Frühdienste einer Abb. 6.7  Das Zeitfenster-Prinzip

6.1  Was Flexi-Spielregeln ausmacht

341

Station. Die Soll-Besetzung beträgt fünf Mitarbeiter. Allerdings verzeichnet die Station größere Schwankungen des Arbeitsanfalls. Diese werden durch die Besetzungskennzahl angezeigt. Bei einer Betreuungsquote von acht Patienten pro Mitarbeiter können fünf Mitarbeiter (5 × 8 = ) 40 Patienten versorgen. Sinkt die Belegung auf eine Größenordnung von circa 30–34 Betten, so wird ein Frühdienst weniger benötigt, um die Betreuungsquote konstant zu halten. Dies wird über das Zeitfenster-System organisiert: Die Mitarbeiter sprechen sich darüber ab, welcher Kollege einen arbeitsfreien Tag nimmt. Üblicherweise wird diese Regel durch folgende Ergänzung unterstützt: Einigen sich die Kollegen nicht, wer frei hat, so hat derjenige arbeitsfrei, der auf seinem Zeitkonto über den höchsten Zeitsaldo verfügt. Das ist im Übrigen ein schöner „Nebenanreiz“, nicht über das höchste Zeitguthaben zu verfügen. Er trägt zu einer sinnvollen Anpassung der Zeitkontensalden zwischen den Kollegen bei. • Flexi-Dienste: Flexi-Dienste wurden bereits in Abschn. 6.1.4 vorgestellt. Sie sind auch für die Abwesenheitssteuerung interessant, indem sie eigenverantwortliche Spielräume eröffnen, vorgeplant und mit gutem Gewissen früher gehen zu können, wenn weniger los ist.

6.1.6.3 Wodurch Abwesenheitssteuerung unterstützt werden kann Auch die vorgenannten Flexi-Spielregeln setzen wieder auf weitestmöglichen Verzicht auf betriebliche Disposition: „Nachhauseschicken“ durch die Führungskraft soll vermieden werden. Wie aber können die Mitarbeiter für einen sparsamen Umgang mit der Arbeitszeit sensibilisiert werden, um weitestmöglich eigenverantwortlich auf Schwankungen des Arbeitsanfalls reagieren zu können? • Transparenz: Auch hier ist die Veranschaulichung des Reaktionsniveaus auf Schwankungen mittels Auswertungen und Kennzahlen (vor allem Besetzungskennzahlen) die Voraussetzung für eine verbesserte Synchronisation von Arbeitsanfall und Arbeitszeitverbrauch. • Führung: Legt die Führung auf den Leitgedanken des „Mitarbeiters als Mitunternehmers“ wert und weckt sie Spaß am Aufspüren und Beseitigen von Arbeitszeit-Verschwendung, wird Abwesenheitssteuerung zum hierzu besonders gut geeigneten Hebel für die Mitarbeiter. Dies schließt ausdrückliches Lob für Abwesenheiten zur richtigen Zeit ein. Auch die explizite Akzeptanz ausgeglichener und negativer Zeitkontensalden durch Führungskräfte trägt zum sparsamen Arbeitszeitumgang bei. • Regelungen: Bei der Ausgestaltung von Arbeitszeitregelungen geht es vor allem darum, alle Regelungselemente (siehe auch Abschn. 8.2) daraufhin zu durchforsten, ob sie einen Anreiz auslösen, Arbeitszeitverbrauch zu fördern. In der Vermeidung solcher Anreize liegt der wesentliche Beitrag der Arbeitszeitregelung zum Gelingen eines sparsamen und entlastenden Umgangs mit der Arbeitszeit. In den in der Pflege üblichen Arbeitszeit-Regelungen finden sich solche Fehlanreize gleich zuhauf: angefangen von Zeitkontensalden, die stärker ins Plus als ins Minus laufen dürfen (Abschn. 6.2)

3426  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

über die Bevorzugung von Zeitguthaben und ganztägigen Zeitausgleichen bis hin zum Fehlen jedweder Spielregeln, wie auf reduzierten Arbeitsanfall sinnvoll und strukturiert bei der Personaleinsatzsteuerung reagiert werden kann.

6.1.6.4 Alternative: Arbeitszeit-Absage Zwischen den Betriebsparteien können auch reine Absageregelungen durch führungsseitige Disposition in gemeinsam vorbestimmten Konstellationen und Häufigkeiten vereinbart werden. Dies ist in Form von disponierten Dienstverkürzungen („Nachhauseschicken“) und Dienstabsagen denkbar. Um etwaige diesbezügliche mitarbeiterseitige Härten zu vermeiden, ist es in diesem Fall allerdings ratsam und rechtskonform, wenn der Mitarbeiter bei einer sehr kurzfristigen Absage – etwa bei einer kompletten Absage eines Dienstes am Vortag – auf Wunsch einen Beschäftigungsanspruch bis Ende der geplanten Arbeitszeit des Dienstes hat. Die Führungskraft weist ihm dann im Rahmen des Arbeitgeber-Direktionsrechts anderweitige (gleichwertige) Tätigkeiten im Haus zu, durch deren Erbringung er entsprechenden Nutzen stiften kann. Keinesfalls sollte allerdings in einem solchen Fall zugelassen werden, dass der Mitarbeiter in seinem ursprünglichen Arbeitsbereich verbleibt, wenn die Besetzung zu drosseln war. In diesem Zusammenhang ist wieder ein Verweis auf die rechtlichen Gestaltungsspielräume sinnvoll. Wie bei sämtlichen Regelungen zur kurzfristigen Steuerung des Personaleinsatzes geht es insbesondere um die Ausgestaltung zwischen den beiden Betriebsparteien im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung. Durch gemeinsam getroffene Absprachen und Regelungen (durch Betriebs- oder Dienstvereinbarungen oder anderweitig) wird das Dispositionsrecht des Arbeitgebers konkretisiert und strukturiert und zugleich von der Mitarbeitervertretung der Rahmen mitbestimmter Regelungspunkte definiert. Beide Parteien „verbrauchen“ somit bewusst und im Interesse einer vernünftigen Flexibilitätskultur durch verbindliche Standards bestimmte Teile ihrer Rechte (zur Disposition einerseits wie zur Mitbestimmung andererseits). 6.1.6.5 Flexi-Spielregeln und Besetzungskennzahlen gehören zusammen – Fallbeispiel Solange nicht für alle Beteiligten hinreichend einfache und nachvollziehbare Messwerte – die möglichst „per Knopfdruck“ generiert werden können – verfügbar sind, wird es schwer sein, eine verlässliche Grundlage für die kurzfristige Steuerung des Personaleinsatzes zu schaffen. Diese jedoch ist erforderlich, um diesbezügliche Entscheidungen den Betroffenen mindestens zu vermitteln – und idealerweise die Basis für eigenverantwortliche Reaktionen der Mitarbeiter zu schaffen. Andererseits verhindert eine in der Pflege leider weit verbreitete „Zahlenphobie“, dass messbare Kriterien überhaupt diskutiert werden. Im nächsten Kapitel (Kap. 7) wird es darum gehen, wie mess- und beurteilbare Kriterien für den Personaleinsatz entwickelt werden können. An dieser Stelle lassen wir wieder einen Pflegedirektor direkt zu Wort kommen. In Fallbeispiel 16 erläutert er, wie und warum der Personaleinsatz in „seinem“ Krankenhaus kennzahlengestützt erfolgt.

6.1  Was Flexi-Spielregeln ausmacht

343

Fallbeispiel 16: Kennzahlengesteuerter Personaleinsatz – Objektivierung des Ausfallzeitenmanagements

Matthias Merten, Pflegedirektor, Capio Deutsche Klinik Büdingen GmbH Capio ist ein europäisches Unternehmen für Gesundheitsversorgung. Der Konzern mit Hauptsitz in Schweden betreibt rund 190 Einrichtungen in fünf europäischen Ländern – Schweden, Norwegen, Dänemark, Frankreich und Deutschland. Zum deutschen Tochterunternehmen Capio Deutsche Klinik GmbH (Fulda) gehören bundesweit 20 Einrichtungen an 10 Standorten. Dazu zählen insbesondere Krankenhäuser, Spezialkliniken (insbesondere für Venenerkrankungen), Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und eine Augenklinik. Das Krankenhaus in Büdingen hat circa 180 Betten, die von rund 150 Mitarbeitern im Pflegedienst und circa 60 Mitarbeitern im Funktionsdienst betreut werden. Objektive Kriterien statt subjektiver Wahrnehmungen Wir stehen in Büdingen hinsichtlich des pflegerischen Personaleinsatzes wie viele andere Krankenhäuser vor der Herausforderung, erhöhte Arbeitsdichte und steigende Anforderungen an die Pflegequalität mit weniger Personalressourcen bewältigen zu müssen. Damit wir die knappen Personalressourcen effizient einsetzen, also den Personaleinsatz vernünftig steuern können, brauchen wir objektive Kennzahlen, die im Capio-Konzern ohnehin weit verbreitet sind. Warum wir so gerne Kennzahlen nutzen? Messbare Kenngrößen haben gegenüber subjektiven Wahrnehmungen den entscheidenden Vorteil, dass sie für alle – auch für die Mitarbeiter – aufgrund ihrer Transparenz leicht überprüfbar sind. Die Mitarbeiter können Personaleinsatzmaßnahmen leicht(er) nachvollziehen und verstehen. Deshalb entscheiden wir heute über den Einsatz unserer Instrumente zur Bewältigung kurzfristiger Ausfallzeiten auf Basis einer einfachen Kennzahl, die es bei der Einführung des Einspringdienstes 1993 noch nicht gab. Die Einhaltung unserer Kennzahl als Grundlage für die Aktivierung von Einspring- und Joker-Diensten Für den Pflege- und Funktionsdienst existieren im Capio-Konzern vor allem Verhältniskennzahlen, die den Personaleinsatz mit einer Leistungskennzahl verbinden. So können wir einschätzen, ob unser Personaleinsatz gemessen am Leistungsvolumen effizient ist und bei Bedarf nachjustieren. Freie Kapazitäten werden durch die jeweilige Kennzahl ebenso sichtbar wie Überlastungssituationen. Um unser Instrument Einspringdienst noch besser nutzen zu können, haben wir 2009 für seinen Einsatz als Schlüsselindikator die pro Belegungstag eingesetzten Stunden des Pflegepersonals entwickelt. Wir nennen diese Kennzahl in Englisch „ward staff hours per bed day“ (WSH, Pflegekraft-Stunden pro Belegungstag). Die Kennzahl ergibt sich als Quotient aus den im Pflegedienst eingesetzten Stunden und den Belegungstagen. Die folgende Tabelle zeigt das Beispiel einer Normalstation mit 18 Betten. Die pro Woche auf dieser Station eingesetzten Pflegestunden ergeben sich wie in der Tabelle zu sehen.

3446  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

Dienstkürzel

h/Dienst

Besetzungsstärke

Anzahl/Woche

F

8

1

7

56

F kurz

4

1

7

28

S

8

1

7

56

S kurz

4

1

7

28

ND

9

1

7

63

E

1,5

1

7

10,5

Summe

h/Woche

241,5

Die Normalstation ist zu 90 Prozent ausgelastet, was einer durchschnittlichen Bettenbelegung von 16,2 Betten entspricht. Damit ergeben sich pro Woche (16,2 Betten × 7 Tage =) 113,4 Belegungstage. Die Summe der pro Woche eingesetzten pflegerischen Arbeitszeit von 241,5 Stunden teilen wir dann durch die 113,4 Belegungstage, so dass die pro Belegungstag eingesetzten Stunden des Pflegepersonals circa 2,13 Stunden betragen. Es stehen also für jeden Patienten durchschnittlich 2,13 Stunden zur Verfügung. Der Wert von 2,13 Stunden stellt die Soll-WSH für diese Station dar und ist das Maß aller (Personaleinsatz-) Dinge auf dieser Station. Die Soll-WSH muss auch bei Abweichungen von der Durchschnittsbelegung eingehalten werden. Für die Personaleinsatzsteuerung und damit auch für den Einsatz von Einspring- und Joker-Diensten, die wir inzwischen in Büdingen auch praktizieren, vergleichen wir die für den jeweiligen Tag ermittelte WSH mit dem Wert von 2,13. Eine Unterschreitung der Soll-WSH bedeutet, dass die eingesetzten Pflegestunden – letztlich zur Einhaltung der Pflegequalität – erhöht werden müssen. Eine Überschreitung der Soll-WSH legt offen, dass pflegerische Ressourcen verfügbar sind und anderweitig – für den Abbau von Überstunden bei Mitarbeitern mit einem Plussaldo auf dem Zeitkonto oder bei Bedarf auf anderen Stationen – eingesetzt werden können. Beim Ausfallzeitenmanagement hat eine Unterschreitung der Soll-WSH zur Folge, dass Vertretungsdienste in Form von Einspring- und/oder Joker-Diensten „abgerufen“ werden müssen, wohingegen eine Überschreitung der Soll-WSH den Ersatz des erkrankten Mitarbeiters nicht zwangsläufig erforderlich macht. Der konkrete Workflow für die Entscheidung über die Aktivierung von Einspringund Joker-Diensten Um die Vertretungsnotwendigkeit zu ermitteln, durchlaufen wir den in Abb. 6.8 dargestellten Workflow. Der verantwortliche Mitarbeiter, der die Krankmeldung entgegen nimmt, berechnet die WSH, wofür in Excel ein einfaches, rechnendes Tabellenblatt zur Verfügung steht. In der Excel-Datei werden die Plan-WSH und die Ist-WSH gegenübergestellt. Unabhängig von einem kurzfristigen Personalausfall wird täglich um 16:00 Uhr die aktuelle

6.1  Was Flexi-Spielregeln ausmacht

345

WSH von der Stationsbereichsleitung für den Folgetag ermittelt. Wenn die Ist-WSH der Plan-WSH entspricht (oder maximal ± 5 Prozent davon abweicht), aktivieren wir bei kurzfristigen Ausfällen keinen Einspring- beziehungsweise Joker-Dienst. Unterschreitet der ermittelte WSH den Vergleichs-WSH, dann kommt es zum Vertretungseinsatz, um die Anzahl pflegerischer Stunden zu erhöhen. Ein WSH im sogenannten Grenzbereich von ± 5 Prozent und unter Berücksichtigung des Pflegegrades hat zur Folge, dass kein Vertretungsdienst aktiviert wird. Stattdessen reichen andere Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Pflegequalität, wie zum Beispiel die Priorisierung von Aufgaben auf Basis unseres diesbezüglichen Ablaufplans, aus. Die Ausgestaltung von Einspring- und Joker-Diensten im Detail Bevor wir uns für Einspring- und Joker-Dienste als Instrumente zur Bewältigung kurzfristiger Ausfallzeiten entschieden haben, haben wir unsere pflegerischen Ausfallzeiten im Detail stationsbezogen analysiert. Das Ergebnis bestimmt heute, welches Instrument in der Dienstplanung zum Einsatz kommt, wobei auch beide Vertretungsdienstarten zusammen eingesetzt werden können. Wenn wir beispielsweise auf einer Station festgestellt haben, dass an 90 Prozent der Tage mindestens ein Mitarbeiter kurzfristig ausfiel und dies meist im Spätdienst Montag bis Freitag der Fall war, haben wir für diese Station festgelegt, dass in jedem Spätdienst Montag bis Freitag ein Mitarbeiter der Station zusätzlich im Joker-Dienst geplant wird.

Abb. 6.8  Zu Fallbeispiel 16: Workflow zur Ermittlung des Vertretungsbedarfs

3466  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

Einspringdienste Jede Station teilt an jedem Wochentag Montag bis Sonntag einen Mitarbeiter aus ihren Reihen im Einspringdienst ein. Dieser Mitarbeiter muss sich am Tag des Einspringdienstes zweimal telefonisch erreichbar halten – von 06:00 Uhr bis 06:30 Uhr und von 13:00 Uhr bis 14:00 Uhr, um im Früh-, Spät- oder Nachtdienst eingesetzt zu werden. Verantwortlich für die Einplanung des Einspringdienstes im Rahmen der Monatsdienstplanung sind die Stations- beziehungsweise Bereichsleitungen oder der Dienstplanverantwortliche. Sie müssen darauf achten, dass die Einspringdienste gleichmäßig auf die Mitarbeiter verteilt sind und je Mitarbeiter pro zwei Einspringdienste einen zusätzlichen freien Tag einplanen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass der Mitarbeiter bei Abruf des Einspringdienste zu schnell in den Mehrarbeitsbereich kommt. Der Einspringdienst wird durch den verantwortlichen Mitarbeiter aktiviert, der die Information über die Erkrankung entgegennimmt. Das heißt, dieser Mitarbeiter muss die WSH berechnen und zunächst prüfen, ob eine Priorisierung der Aufgaben zur Aufrechterhaltung der angestrebten Pflegequalität ausreichend ist. Kommt er zu dem Ergebnis, dass der Einspringdienst benötigt wird, kann er den entsprechenden Mitarbeiter innerhalb der oben genannten Zeitspannen „aktivieren“. Für die Zeit der Bereiterhaltung werden dem Mitarbeiter 1,5 Stunden und im Fall des Abrufs zusätzlich die entsprechende Dienstzeit angerechnet. Durchschnittlich werden 10 bis 50 Prozent der geplanten Einspringdienste abgerufen. Joker-Dienste Jede Station, für die wir den Joker-Dienst für ein geeignetes Instrument halten, stellt an den Tagen, an denen es erforderlich ist, aus eigenen Reihen einen Joker-Dienst in der entsprechenden Dienstlage zur Verfügung. Dieser wird in der Sollplanung berücksichtigt. Stations- beziehungsweise Bereichsleitungen oder der Dienstplanverantwortliche sind im Rahmen der Monatsdienstplanung dafür zuständig, die Mitarbeiter für den Joker-Dienst auf Basis der Zeitkontensalden einzuplanen. Der Joker-Dienst wird im Dienstplan gesondert markiert. Wenn der Joker-Dienst zum Einsatz kommt, wird dem Mitarbeiter hierfür die Dienstzeit gutgeschrieben, die für den jeweiligen Dienst gilt. Sofern ein Joker-Dienst nicht auf der eigenen Station benötigt wird, kann der Dienst im Einvernehmen zwischen pflegerischer Leitung und Mitarbeiter abgesagt werden, ansonsten kann der Mitarbeiter entsprechend seiner Qualifikation auch auf anderen Stationen zur Vertretung eingeteilt werden. Ausfallzeitenbewältigung: Nie wieder ohne Kennzahl Bei uns möchte niemand mehr auf die WSH verzichten. Sie erleichtert allen die Bewältigung kurzfristiger Ausfallzeiten. Während wir in der Vergangenheit – wie viele andere Krankenhäuser auch – unzählige Stunden mit der Vertretungsorganisation und langen Diskussionen über die Notwendigkeit eines Ersatzes verbracht haben, ist es heute ein schneller Schritt von der Meldung der Erkrankung bis zur Entscheidung über den Einsatz eines Einspring- oder Joker-Dienstes.

6.2  Zeitkonten richtig gestalten

347

Zusammenfassung 

Feste Dienstzeiten sollten Priorität haben. Deshalb müssen arbeitszeitbezogene, arbeitsorganisatorische und führungsseitige Maßnahmen ergriffen werden, um Dienstzeiten zu stabilisieren. Flexi-Spielregeln setzen da an, wo Dienstzeiten realistischerweise nicht fest eingehalten werden können. Der Flexibilitätsbedarf aufgrund von Schwankungen des Arbeitsanfalls wie der Personalverfügbarkeit sollte möglichst mittels solcher zwischen den Betriebsparteien zu vereinbarenden Spielregeln bewältigt werden. FlexiSpielregeln strukturieren den Flexibilitätsbedarf soweit es geht vor und schaffen so Handlungssicherheit für Führungskräfte wie Mitarbeiter und eine gerechte Verteilung der Flexibilitätsanforderungen über die Mitarbeiter. Sie sind Grundlage eines ebenso bedarfs- wie belastungsgerechten Personaleinsatzes.

6.2

Zeitkonten richtig gestalten

6.2.1 Was Zeitkonten leisten sollten – und was sie nicht leisten können Zeitkonten werden überschätzt. Oft sind sie „Herzstück“ betrieblicher Regelungen. Dies kann man daran erkennen, wenn sie ins Zentrum betrieblicher Arbeitszeitregelungen gestellt werden und sich mehr Regelungen um ihre Ausgestaltung ranken als um die Frage der Personaleinsatzplanung und -steuerung. Es ist aber umgekehrt richtig: Die ausgefeilteste Zeitkontenregelung nützt nichts, wenn nicht sichergestellt wird, dass das Volumen von Zu- und Abfluss korrekt kalkuliert wurde. Hier kommt es bei dienstplanmäßigem Arbeiten in erster Linie auf die exakte Berechnung der Soll-Besetzung an (Abschn. 2.3.1), weniger auf Zeitkontenregeln. Zugleich sind Zeitkonten unverzichtbar – als Medium zur Saldierung von Abweichungen zwischen der vertraglichen Arbeitszeit einerseits und der tatsächlich erbrachten (beziehungsweise – vor allem bei Ausfallzeiten – angerechneten) Arbeitszeit. Die tägliche Einhaltung der anteilig für diesen Tag vertraglich geschuldeten Arbeitszeit muss ja bei der Dienstplanung ein seltener Zufall sein. Weil aber die entstehenden Abweichungen im Zeitablauf ausgeglichen werden müssen, um die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit durchschnittlich einzuhalten, müssen Zeitkonten geführt werden. In der Regel lassen tarifvertragliche Ausgleichzeiträume zwölf Monate oder – bei Schicht- und Wechselschicht – länger Zeit, um Ausgleiche auf die Vertragsarbeitszeit zu realisieren. Das Problem ist also nicht, dass Zeitkonten geführt werden, sondern ob die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt werden. Alle Pflegeeinrichtungen und Kliniken verfügen über Zeitkonten – auch solche, die meinen, noch über keine zu verfügen. Schaut man ins PEP-System, wird in der Senkrechten stets ein Saldo gebildet, der auch häufig als „Saldo“ benannt wird – dieser bezeichnet das Zeitkonto. Zur Verwirrung hat auch beigetragen, dass in tarifvertraglichen Regelungen oftmals nur das Wort „Ausgleichszeitraum“ vorkommt, nicht jedoch das Wort

3486  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

„Zeitkonto“. Ersteres beinhaltet jedoch das Letztere: Um die Arbeitszeit innerhalb eines Ausgleichszeitraum ungleichmäßig verteilen zu können, muss diese in einem Zeitkonto saldiert werden. Vollständig wird die Verwirrung, wenn – wie im Bereich des TVöD – das Wort Zeitkonto nicht verwendet wird, sondern lediglich die Begriffe „Zeitguthaben“ und „Zeitschuld“ auftauchen, um dann unter § 10 TVöD ein „Arbeitszeitkonto“ einzuführen, das mit einem Zeitkonto nur zum Teil etwas zu tun hat. Vielmehr setzt dieses Arbeitszeitkonto – sofern man es betrieblich nutzt – gerade erst dann an, um am Ende des Ausgleichszeitraums nicht ausgeglichene Zeitsalden aus dem eigentlichen Zeitkonto aufzufangen. Es dient also gerade nicht dem fortlaufenden Ausgleich von Arbeitszeitabweichungen auf die Vertragsarbeitszeit (das „Arbeitszeitkonto gemäß § 10 TVöD findet jedoch in der Praxis wegen zahlreicher im Grunde genommen unpraktikabler Vorschriften nur selten Anwendung; manche Häuser haben es in Verwechslung mit dem Zeitkonto nur irrtümlicherweise eingeführt).

6.2.2 Nachteile von Zeitkonten Um Zeitkontenregelungen richtig gestalten zu können, sollte man die folgenden beiden Nachteile des Zeitkontos kennen.

6.2.2.1 Plusneigung Zeitkonten neigen dazu, ins Plus zu laufen, wenn man sie nicht ausreichend steuert. Das hat schon damit zu tun, dass der Mensch lieber über ein Guthaben verfügt als über Schulden. Wird ein Zeitkonto nicht (ausreichend) gesteuert, stellt es sich üblicherweise – unabhängig vom Arbeitsanfall – in einer Plusguthaben-„Wohlfühlzone“ ein, die den Beteiligten hohes Arbeitsaufkommen ebenso signalisiert wie einen angenehmen Freizeitpuffer. Mitunter weisen Mitarbeiter geradezu eine „Minusphobie“ auf – wobei diese in starken Ausprägungen in der Regel betrieblich genährt wurde: durch entsprechende negative Konnotation von Minusstunden. Durch die Plusorientierung des Zeitkontos wird der fortlaufende Ausgleich erschwert oder auf „die lange Bank“ geschoben. Statt durch stringente Maßnahmen für den Ausgleich in Richtung 0 Stunden zu sorgen, wird ein bequemer Problemverschiebe-Bahnhof angesteuert. Viele Zeitkonten sind „resignativ“ ausgestaltet – und verstärken so das Problem. Weil alle davon ausgehen, dass die Zeitkonten ins Plus tendieren, lässt man in der Regelung deutliche höhere Plus- als Minusgrenzen zu – mit dem Effekt der selbsterfüllenden Prophezeiung: Die Zeitsalden bewegen sich tatsächlich nur im Plus. Ähnliches kann man beobachten, wenn man die Saldengrenzen ausweitet: Dann weiten sich die Zeitkonten aus. Es wird zu spät gesteuert und – mit zunehmender Entfernung vom Zielwert 0 Stunden – in der Regel auch schwächer: Die Rücksteuerungskräfte erlahmen

6.2  Zeitkonten richtig gestalten

349

mit zunehmender Entfernung vom Ziel. Das Problem wird auf den „St. Nimmerleinstag“ verschoben. Übergroße Bandbreiten sind in der Regel kein Ausweis hoher Flexibilität, sondern mangelnden Steuerungsinteresses. Obwohl Zeitkonten keine Kapazität schaffen, sondern die Arbeitszeit nur ungleich verteilen, wird so getan, als schöpften Zeitkonten Kapazität quasi alchemistisch aus dem Nichts. Zeitkonten dürfen daher nicht zum Instrument eines verdeckten Arbeitszeit-Kapazitätsaufbaus werden, der sich dann in Form von Arbeitszeit-Altlasten anstaut und zukünftige Gestaltungsspielräume bei der Dienstplanung schmälert. Dies unterstützen falsch konstruierte Zeitkonten sogar noch dadurch, dass sie Signale zum Guthabenaufbau geben – etwa indem höhere Plus- als Minusbandbreiten vorgesehen werden, indem die Mitarbeiter Zeitausgleichs-Spielräume nur bei Plussalden „eingeräumt“ bekommen oder indem Mitarbeiter bei Minusstunden mit kritischen Aussagen der Führungskräfte rechnen müssen, zu denen auch die Einteilung zu unattraktiven Tätigkeiten zum „Auffüllen“ des Zeitkontos gehört.

6.2.2.2 Reaktionsorientierung von Zeitkonten Zeitkontensteuerung ist reaktiv. Alle Arbeitsstunden, die auf dem Zeitkonto saldiert werden, sind ja schon entstanden, so dass nun nachträglich dafür gesorgt werden muss, dass ihr Ausgleich auf die Vertragsarbeitszeit stattfindet. Zeitkonten setzen also verspätet an. Der Zustand ist bereits eingetreten. Hat der Betrieb den Zufluss des Zeitkontos nicht im Griff – vor allem durch zugelassene „autonome“ Abweichungen der Mitarbeiter vom Dienstplan –, läuft er auf der Abfluss-Seite dem Problem permanent hinterher. Wichtiger als die Steuerung des Zeitkontos ist es daher, den Zufluss zu beherrschen. Ist dies gewährleistet, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass von Zeitkontensalden geeignete Signale ausgehen – insbesondere in Richtung Handlungsbedarf bei Organisation oder Kapazitätsbedarf. Was sind die Hauptursachen für auflaufende Zeitsalden ohne Abbauperspektive – beziehungsweise, je nach Abgrenzung, von auflaufenden Überstunden? Denn diese Ursachen müssen ja vollkommen unabhängig von der Zeitkonten-Ausgestaltung bekämpft werden, sonst setzt man zu spät an: • ungeeignete Dienstzeiten, etwa aufgrund zu langer Übergaben (Abschn. 2.5.1) • fehlendes Ausfallzeitenmanagement und hierdurch doppelte Krankheitsvertretung, durch welche die Sollarbeitszeit überschritten wird (Abschn. 5.1.3) • Orientierung an der Monatssollarbeitszeit bei Monatsdienstplanung anstatt an der SollBesetzung bei der Dienstplanung; hieraus folgend die Überplanung in Monaten mit vielen Feiertagen ohne Ausgleich in anderen Monaten (Abschn. 3.3.1) • Überschreitungen der Soll-Besetzung bei der Dienstplanung (Abschn. 2.3.1) • ungesteuerte Längerarbeit durch Dienstzeitverlängerungen (Abschn. 6.1.2) • Freizeitausgleich statt Vergütung von Überstunden zum Ausgleich unbesetzter Stellen (Abschn. 6.3.1)

3506  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

6.2.3 Gestaltungsempfehlungen Für eine richtige Gestaltung von Zeitkonten haben sich wenige einfache Regeln bewährt. Sämtliche nachfolgenden Gestaltungsempfehlungen erfolgen selbstverständlich vorbehaltlich etwaiger (anderweitiger oder entgegenstehender) tarifvertraglicher Regelungen.

6.2.3.1 Tägliche Saldierung Üblicherweise werden Zeitkonten arbeitstäglich saldiert. Dazu wird ein Referenzwert, um den herum sich das Zeitkonto bewegt, benötigt. Diesen nennen wir die „anteilige Vertragsarbeitszeit“ oder „Tages-Vertragsarbeitszeit“. Sie wird auch für die korrekte Anrechnung von Ausfallzeiten (wie Urlaub) benötigt; siehe dazu Abschn. 5.6. Der allgemein nicht nur in der Pflege übliche Begriff ist etwas anders: Sollarbeitszeit oder – da es um die tägliche Anrechnung geht – Tages-Sollarbeitszeit. Die anteilige Vertragsarbeitszeit beträgt üblicherweise an den Arbeitstagen Montag bis Freitag ein Fünftel der wöchentlichen Vertragsarbeitszeit – außer, wenn eine abweichende Grundverteilung festgelegt oder individualvertraglich vereinbart wurde. 6.2.3.2 Keine Abrechnung Das Zeitkonto wird zu keinem Zeitpunkt abgerechnet. Das wäre auch ungünstig, weil ein Stichtag immer zu einem willkürlichen Ergebnis führen wird. Schließlich lassen bedarfsgerechte Arbeitszeiten es allenfalls zufällig zu, genau zu einem festen Zeitpunkt mit der Vertragsarbeitszeit identisch zu sein. Der tarifvertraglich vorgesehene Ausgleichszeitraum dauert in der Regel längstens zwölf Monate. Bei Schicht- und Wechselschicht kann aber zum Beispiel im Bereich des TVöD auch ein längerer Ausgleichszeitraum vereinbart werden. Der Ausgleichszeitraum wird – eine tarifvertragliche Regelung, die das zulässt, vorausgesetzt – dadurch eingehalten, dass er von vorn beginnt, wenn die Nulllinie berührt oder gekreuzt wurde. Es muss nur individuell pro Mitarbeiter darauf geachtet werden, dass dieser Vorzeichenwechsel spätestens am Ende des Ausgleichszeitraums stattgefunden hat. Dies wird als individuell rollierender Ausgleichszeitraum bezeichnet; siehe Abb. 6.9. Er ist immer dann möglich, wenn kein fester Ausgleichstermin vorgegeben ist (zum Beispiel das Ende des Kalenderjahres). Idealerweise gibt es dazu im PEP-System eine Anzeige des Datums des letzten Nulllinienwechsels. Bei funktionierenden Grunddienstplänen wird aufgrund schwankender Ausfallzeiten ohnehin im Jahresverlauf die Nulllinie in aller Regel gekreuzt, so dass sich die Einhaltung des Ausgleichszeitraums dann „automatisch“ ergibt. Der Zeitsaldo wird bei Unterbrechung des aktiven Arbeitsverhältnisses (zum Beispiel bei Mutterschutz und Elternzeit) eingefroren, sofern die Plus- beziehungsweise Minusstunden nicht bis zum Eintritt in das ruhende Arbeitsverhältnis ausgeglichen werden können.

6.2  Zeitkonten richtig gestalten

351

Abb. 6.9  Rollierender Ausgleichszeitraum bis zu zwölf Monaten

6.2.3.3 Vor einer Abrechnung steuern Im Fall des Ausscheidens des Mitarbeiters beziehungsweise dann, wenn ein Ausgleich innerhalb des Ausgleichszeitraums nicht gelang, muss doch abgerechnet werden. Dann werden – sofern die tarifvertragliche Regelung dies vorsieht – verbliebene Plussalden ausgezahlt, sofern sie betrieblicherseits nicht abbaubar waren. Dazu sollte vereinbart werden, dass rechtzeitig vor Erreichen des Ausgleichszeitraums (zum Beispiel zwei Monate davor) beziehungsweise ab dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Ausscheidens des Mitarbeiters die Steuerung des Zeitkontos allein auf die Führungskraft übergeht, damit sie für den weitestmöglichen Ausgleich sorgen kann. Dadurch sollte es nur ausnahmsweise zur Auszahlung kommen müssen. Sonstige Auszahlungen aus dem Zeitkonto sollten ausgeschlossen werden. Minusstunden verfallen am Ende des Ausgleichszeitraums und bei Ausscheiden grundsätzlich (sogenannter Annahmeverzug). Dies sollte gelten, soweit der Mitarbeiter den Nichtausgleich nicht zu vertreten an. Dem Mitarbeiter muss dazu angeboten werden, in der verbleibenden Zeit etwaige Minusstunden durch zusätzliche Dienste oder verlängerte Dienste hereinzuarbeiten. Die Angst vor einem Verfall von Arbeitsstunden im Minusbereich dient manchen Häusern gar als Argument gegen Minusstunden. Was in der Praxis so gut wie nie vorkommt, führt dann dazu, umso mehr in Plusstundenpolster hineinzugeraten. 6.2.3.4 Abgrenzung von Überstunden Zeitkonten müssen klar von Überstunden abgegrenzt sein: Weder darf es einen Zeitkontenüberlauf in Form bezahlter Überstunden geben noch dürfen Überstundenzuschläge daran geknüpft sein, wie viele Plusstunden schon auf dem Zeitkonto angesammelt wurden.

3526  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

Zeitguthaben sind keine Überstunden und werden keine. Überstunden kann es in flexiblen Arbeitszeitsystemen eigentlich nur als bezahlte zusätzliche Arbeitszeit-Kapazität geben, über deren Notwendigkeit die Führungskraft unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates vorab entscheidet; siehe Abschn. 6.3.1. Und diese Kapazitätsentscheidung sollte unabhängig vom aktuellen Stand des Zeitkontos getroffen werden – ausschließlich daran orientiert, ob der hierdurch zu bewältigende zusätzliche Arbeitsanfall tatsächlich auf Sicht nicht mehr durch Freizeit ausgeglichen werden kann. Übernimmt beispielsweise ein Mitarbeiter zusätzliche Dienste, um eine Stellenplanlücke auszugleichen, sollten die erbrachten Arbeitszeiten nicht auf dem Zeitkonto auftauchen.

6.2.3.5 Steuerung Zeitkonten sollten zwar, wie oben empfohlen, möglichst durchlaufen – aber nicht überlaufen! Ein ungesteuerter Zeitkontenaufbau muss verhindert werden. Er kann ja auch dann geschehen, wenn man den Zufluss im Griff hat – weil nicht abgestimmte Dienstverlängerungen nicht zugelassen werden und so weiter –, nämlich dadurch, dass die Arbeitszeit sich ungleich über die Mitarbeiter verteilt. Dies ist sogar eine der wichtigsten Aufgaben von Zeitkonten: Dafür zu sorgen, dass die Salden zwischen den Mitarbeitern nicht zu weit auseinanderlaufen. „Unendlich, aber nicht unbegrenzt“: Dieses Prinzip der Zeitkontengestaltung setzt auf die fortlaufende Steuerung der Arbeitszeiten, wobei das Zeitkonto sowohl aus Produktivitätsgründen wie auch im Interesse der Entlastung der Mitarbeiter unter permanentem Ausgleichsdruck stehen sollte. Drei Zeitkonten-Modelle, die die Zeitkontensteuerung entsprechend den genannten Gestaltungsempfehlungen unterstützen, stellen wir nun vor. 6.2.3.6 Ampelkonto Zeitkontensalden sollten symmetrisch um die Nulllinie pendeln, um den Ausgleichszeitraum einhalten zu können und um die oben beschriebenen Zeitverbrauchssignale zu vermeiden. Das bedeutet, dass die Steuerungsgrenzen (Bandbreiten) des Zeitkontos im Plus und Minus gleich groß sind. Das Ampelkonto – bereits seit den 90er Jahren in deutschen Betrieben in unzähligen Varianten sehr verbreitet – ist so aufgebaut, dass Grün-, Gelb- und Rotphase symmetrisch um die Nulllinie herum angeordnet sind; siehe Abb. 6.10. Solange der persönliche Zeitsaldo in der Grünphase bleibt, erfolgt die Steuerung der Arbeitszeit nach den standardmäßig geltenden betrieblichen Regeln zur Personaleinsatzplanung und -steuerung. Wie groß die Bandbreite der Grünphase ist, sollte anhand der Schwankungen der Auslastung ermittelt werden. Sind überwiegend Schwankungen der Personalverfügbarkeit bei ansonsten relativ gleichmäßigem Arbeitsanfall aufzufangen, reicht eine Größenordnung von circa ± 50 Stunden in der Regel aus. Kommen größere Schwankungen des Arbeitsanfalls hinzu, kann diese Bandbreite höher sein. Eine Bandbreite im dreistelligen Bereich ist aber in aller Regel weder erforderlich noch sinnvoll. Schlägt die zweite Steuerungsphase zu spät an, geht zu viel Zeit verloren, bis gesteuert wird.

6.2  Zeitkonten richtig gestalten

353

Abb. 6.10  Dienstplan-Konto nach dem Ampelprinzip

Gelegentlich werden die Saldenbandbreiten proportional zur Vertragsarbeitszeit definiert. Sie sind dann also für Teilzeitmitarbeiter kleiner als für Vollzeitmitarbeiter. In den meisten Fällen unterbleibt eine solche Differenzierung jedoch. Wir halten sie bei relativ eng gefassten Saldenbandbreiten auch nur dann für sinnvoll, wenn die Teilzeitmitarbeiter überwiegend in entsprechend kurzen Diensten eingesetzt werden. Werden sie jedoch in den gleichen Diensten wie die Vollzeitmitarbeiter eingeteilt, ist die proportionale Kürzung der Bandbreite keine gute Idee. Bei Teilzeitmitarbeitern pendeln dafür die Zeitsalden entsprechend stärker – wegen der höheren Differenz zwischen anteiliger Vertragsarbeitszeit (Sollarbeitszeit) und dienstplanmäßiger Arbeitszeit. Überschreitet der Zeitsaldo den Korridor der Grünphase – im Minus wie im Plus –, so schließt sich die Gelb- oder mitunter direkt die Rotphase an („Fußgängerampel“). Gibt es eine Gelbphase, so sollte sie – wie im Verkehrsbereich auch – nur kurz sein, also eine Bandbreite von nicht mehr als circa 20 Stunden umfassen – sonst wird sie erfahrungsgemäß als Steuerungszwischenstufe nicht ernst genommen. Mit Austritt aus der Grünphase setzt das Zeitkonto einen eigenen Rücksteuerungsimpuls, der über die üblichen Steuerungsregeln hinausgeht. Die Verantwortung für die Zeitkonten(rück)steuerung geht auf die Führungskraft über. Entscheidend ist nun, dass

3546  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

hier „harte“ Steuerungsregeln greifen – nicht etwa: „Jetzt müssen wir das diskutieren“, sondern entsprechende Dispositionsrechte und -pflichten. Bei Ungleichverteilung der Salden im Team (einige noch in Grün, andere in Gelb/Rot) plant die Führungskraft die Dienstpläne bei Bedarf um. „Bei Bedarf“ heißt in diesem Fall: Die Führungskraft hat zunächst im Blick, wie sich das Zeitkonto ohne ihren zusätzlichen Eingriff entwickelt. Möglich ist ja, dass aufgrund überdurchschnittlichen Urlaubsaufkommens die Zeitkonten in die Gelb-/Rotphase laufen, jedoch aufgrund der Urlaubsplanung absehbar ist, wann diese Phase endet. Dann bewegen sich unter sonst gleichen Umständen die Zeitkontensalden wieder nach unten. Eine beispielhafte Muster-Formulierung für die Regelung der Zeitkontensteuerung enthält Abschn. 8.2.2, in dem es um Dienst- und Betriebsvereinbarungen geht.

6.2.3.7 Was tun, wenn Zeitkonten überlaufen? Wichtig ist, dass etwaige Reaktionen auf hohe Zeitsalden nicht ausschließlich arbeitszeitlicher Art sein müssen – auch wenn diese zuerst geprüft werden: • Steuerung: Die Steuerung des Arbeitszeitsystems sollte optimiert werden – beziehungsweise die Anwendung der vereinbarten Regeln durch die Führungskräfte. Dazu sollten wiederum Auswertungen und Kennzahlen verwendet werden, aus denen hervorgeht, ob und inwieweit die Effizienz der Personaleinsatzplanung verbessert werden kann. Wurde beispielsweise an einzelnen Tagen ohne nachvollziehbaren Grund überplant? Wurde der Einsatz von Schülern bei der Personaleinsatzplanung wertschöpfend berücksichtigt? Wurde bei vermindertem Arbeitsanfall arbeitszeitseitig „ausgeatmet“? • Besetzung und Arbeitsorganisation: Die Soll-Besetzung muss angepasst werden (nach oben wie nach unten) – nach unten etwa aufgrund von nicht besetzten Stellen. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, welche arbeitsorganisatorischen Maßnahmen erforderlich sind, um die Soll-Besetzung anpassen zu können. Dies betrifft vor allem den Aufgabenumfang und die Prozessorganisation. Hierdurch ist die Leistungs- und Servicequalität bei veränderten Besetzungen aufrechtzuerhalten – ohne unnötige oder zu hohe Belastungen der Mitarbeiter. Infrage kommt hier auch die Betrachtung mitarbeiterbezogener Gründe für überschießende Zeitsalden. Sie ist dann sinnvoll, wenn einzelne Mitarbeiter hohe Zeitsalden aufweisen. In diesen Fällen hat sich das Instrument des „Entlastungs- und Effizienzgespräches“ bewährt. Die Führungskraft bespricht mit dem Mitarbeiter die Ursachen. Die Einstiegsfrage sollte lauten: Was hat sich geändert? Denn schließlich hat es einen Zustand vor der zeitlichen Überlastung gegeben – und die Veränderung dorthin nachzuvollziehen, ist fast immer lehrreich. Beide suchen dann nach geeigneten Wegen, das Arbeitsvolumen zu reduzieren beziehungsweise die persönliche Produktivität zu erhöhen. Voraussetzung für ein Entlastungsgespräch ist die Bereitschaft beider Gesprächspartner, bisherige Arbeitsabläufe und Gewohnheiten zur Disposition zu stellen. Hinter den meisten Überlastsituationen stecken betriebliche Probleme: organisatorische Schwachstellen, Planungs- und Steuerungsdefizite, Überspezialisierung, ineffiziente Kommunikation und so weiter. Ein Entlastungs- und Effizienzgespräch sollte mit konkreten Maßnahmen enden, die kurz protokolliert werden.

6.2  Zeitkonten richtig gestalten

355

• Kapazität: Sind die Bandbreitenprobleme objektiv kapazitätsbedingt – aufgrund nicht besetzter Stellen, länger als einkalkuliert ausfallender Mitarbeiter oder aufgrund gegenüber der Stellenplanfestlegung erhöhten Arbeitsaufkommens –, muss rasch reagiert werden, wenn Lösungen aufgrund von Punkt 2 nicht infrage kommen oder nicht ausreichen. Wer solche Probleme verschleppt, gefährdet das Ziel der durchschnittlichen Einhaltung der regelmäßigen Arbeitszeit und nutzt das Zeitkonto für die Problemverschleppung. Also muss dann kapazitativ reagiert werden – was die zügige und vorherige Einbeziehung der Pflegedienstleitung erfordert: durch gesondert zu vergütende Überstunden oder durch Bereitstellung zusätzlicher Personalkapazität (bei Bedarf auch in Form von Aushilfen beziehungsweise Zeitarbeitnehmern).

6.2.3.8 Vorschaukonto Eine Untervariante des Ampelkontos ist das Vorschaukonto. Das Ampelkonto zeigt den Zeitsaldo im tagesaktuellen Zustand an. Das kann dann ein Problem sein, wenn die Bandbreite tagesaktuell überschritten wird, ohne dass aber der Personaleinsatzverantwortliche überhaupt reagieren muss: Er sieht, dass der Saldo sich in einem angemessenen Zeitraum „von allein“ zurückbewegen wird. Diesen Fall hatten wir oben bereits am Beispiel von Schwankungen des Urlaubsanfalls vorgestellt. Damit ist die Zeitkonten-Bandbreite als Steuerungsimpuls jedoch eingeschränkt nutzbar: Es kann sein, dass die Rotphase erreicht ist, ohne dass eine Reaktion erforderlich ist. In einem anderen Fall muss hingegen bei gleichem Signal umgehend gehandelt werden, weil der Zeitsaldo sich von allein nicht ausgleicht. Umgekehrt kann eine aktuelle Grünphase trügerisch sein, wenn diese absehbar ohne weitere Eingriffe in die Rotphase mutiert. Die unklare Indikation durch die gegenwartsbezogene „Ampelschaltung“ versucht das Vorschaukonto zu beheben; siehe Abb. 6.11. Es zeigt (neben dem tagesaktuellen Saldo) an, wo der Zeitsaldo stehen wird, wenn die bisherige Planung weiter beibehalten wird. Dies ist vor allem für langlaufende Grunddienstpläne interessant. Steht beispielsweise der Zeitsaldo in Plus-Rot, ist aber eine Rückkehr in die Grünphase absehbar, wenn nichts geändert wird, besteht auch kein Handlungsbedarf. Steht der Zeitsaldo im Grün, wird aber ein Plus-Rot erwartet, ist es sinnvoll, alle Möglichkeiten zu nutzen, noch stärker ins Minus zu steuern, um mit ausreichender Reserve in die erwartete Hochphase hineinzugehen. 6.2.3.9 Zeitbudgetkonto Eine weitere – in der Praxis selten anzutreffende – „Spielart“ des Ampelkontos ist das Zeitbudgetkonto. Es geht von der einfachen Überlegung aus, dass Zeitkonten – betrachtet man Arbeitszeit konsequent als Budgetgröße – mit falschen Vorzeichen ausgestattet sind. Welches Budget saldiert denn ins Plus, je mehr man es verbraucht? Im Zeitbudgetkonto wird die Kontierung einfach umgedreht: Übersteigt die verbrauchte Arbeitszeit die anteilige Vertragsarbeitszeit – die nun als Tages-Arbeitszeitbudget aufgefasst wird –, so saldiert das Zeitkonto ins Minus. Wurde das Tages-Arbeitszeitbudget nicht vollständig verbraucht, erhöht der Rest den Zeitkontensaldo. Die Umkehrung der Vorzeichen ist zunächst einmal lediglich ein gewünschter, nicht zu unterschätzender psychologischer Effekt. Abbildung Abb. 6.12 zeigt das Prinzip. In

3566  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

Abb. 6.11  Vorschaukonto zur Dienstplansteuerung

Abb. 6.12  Zeitbudgetkonto

6.3  Überstunden in flexiblen Systemen – wie passt das zusammen

357

Fallbeispiel 18 (Abschn. 8.2.2) wird das Zeitbudgetkonto in einem Praxisfall eines Krankenhauses auftauchen. Neben diesem Effekt werden aber auch seine Steuerungsimpulse abweichend vom Ampelkonto ausgestaltet. Die Grünphase ist die Plusphase. Sobald das Zeitkonto ins Minus läuft (bei üblicher Saldierung: ins Plus (!)), beginnt erst die Gelb- und später die Rotphase. Damit ist das Zeitkonto ähnlich eines Girokontos aufgebaut: Besondere Steuerungssignale gehen nur von Dispophase (Gelb) und Überziehungsphase (Rot) aus. Bewegt sich der Mitarbeiter mit seinem Zeitkonto in der Grünphase (dem früheren Minus (!)), hat er sein Arbeitszeitbudget nicht verbraucht, so dass er über größere Gestaltungsspielräume bei der Arbeitszeitgestaltung verfügen kann.

Zusammenfassung 

Zeitkonten sind unverzichtbarer Bestandteil jedes Personaleinsatzplanungssystems, denn Abweichungen der erbachten von der vertraglichen Arbeitszeit, die keine Überstunden sind, müssen fortlaufend saldiert werden können. Bei der Ausgestaltung von Zeitkonten muss man sich bewusst sein, dass diese selbst zeitverbrauchende Anreize auslösen und stets nur reaktiv gesteuert werden können. Wurden Fehler bei der Dienstplanung und -steuerung gemacht, können Zeitkonten lediglich ein oftmals ungeeigneter Reparaturbetrieb sein. Da Zeitkonten das Medium sind, verbrauchte Arbeitszeiten fortlaufend zu saldieren, liegen die Ursachen überlaufender Zeitkonten außerhalb der Zeitkonten und müssen daher gesondert bearbeitet werden. Der Beitrag der Zeitkontengestaltung zur Einhaltung der Vertragsarbeitszeit liegt aber darin, dass sie • Reaktionsgrenzen aufweisen, ab deren Überschreitung die Arbeitszeiten durch die Führungskräfte gesteuert werden müssen, • keine Anreize zu unnötiger Längerarbeit aussenden dürfen und • keine Stichtage oder Abrechnungszeitpunkte enthalten sollten, sondern durchlaufen.

6.3

Überstunden in flexiblen Systemen – wie passt das zusammen?

6.3.1 Kapazität und Flexibilität voneinander unterscheiden Wer über Überstunden spricht, muss sie zunächst immer von der regelmäßigen Arbeitszeit abgrenzen. Die regelmäßige Arbeitszeit kann gemäß den üblichen tarifvertraglichen Regelungen geplant und flexibel ungleichmäßig verteilt werden. In der Regel wird dafür ein Ausgleichszeitraum von bis zu einem Jahr vorgesehen. Daher ist es meist nicht trivial, wie innerhalb des Ausgleichszeitraums ungleich verteilte regelmäßige Arbeitszeit von Überstunden sauber abzugrenzen ist. Flexible Arbeitszeiten und Überstunden passen zunächst

3586  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

einmal nicht recht zusammen. Ist das Kriterium für die Überstunde die Anordnung durch die Führungskraft und die Mitbestimmung durch den Betriebsrat (den Personalrat/die Mitarbeitervertretung)? Leider ist es etwas komplizierter. Der Überstundenbegriff ist zunächst abzugrenzen von seiner oft allerweltlichen Verwendung: Oft wird von Überstunden gesprochen, die im rechtlichen Sinne keine sind. Wenn zum Beispiel in einem Dienstplan lange Dienste eingeteilt werden oder eigenverantwortlich im Rahmen eines Flexi-Dienstes von Dienstzeiten abgewichen werden kann, sind in der Regel keine Überstunden entstanden, auch wenn oft davon gesprochen wird. Auch die Arbeitszeit, die im Rahmen des Ausgleichszeitraums nicht ausgeglichen werden kann, wird nicht automatisch zu einer Überstunde. Was Überstunden sind, wird erst ein Blick in den jeweiligen Tarifvertrag klären, vorausgesetzt, daraus wird verständlich, wie die Tarifvertragsparteien die schwierige Abgrenzung zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung im Ausgleichszeitraum gelöst haben. Genau das ist aber im Bereich des Tarifvertrages des Öffentlichen Dienstes der Krankenhäuser (TVöD-K) und damit in vielen anderen Regelwerken, die die entsprechenden Bestimmungen wortwörtlich übernommen haben, nicht gelungen. Grundsätzlich wollten wir uns in diesem Buch angesichts der Vielfalt von Tarifverträgen nicht zu tarifvertraglichen Themen äußern – und machen hier wegen der besonderen Bedeutung dieses Themas eine Ausnahme: Die vielbeachteten und -diskutierten Urteile des Bundesarbeitsgerichtes zur Auslegung des „verkorksten“ Überstundenpassus dieses Tarifvertrages haben wir wegen ihrer Bedeutung und ihrer Aktualität aufgenommen (siehe Abschn. 6.3.2). Die einfachste und klarste Unterscheidung, an der – unter Beachtung etwaiger entgegenstehender tarifvertraglicher Regelungen – bei einer sauberen Abgrenzung von Überstunden und regelmäßiger Arbeitszeit kein Weg vorbei führt, ist diejenige zwischen Kapazität und Flexibilität. Was ist damit gemeint? • Flexibilität meint in diesem Zusammenhang die Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit (also der Vertragsarbeitszeit der Mitarbeiter) entsprechend den betrieblich vereinbarten Planungs- und Steuerungsregeln. Die regelmäßige Arbeitszeit wird auf den Zeitkonten der Mitarbeiter saldiert. Diese Verteilung der Arbeitszeit dient dazu, Schwankungen des Arbeitsanfalls und der Personalverfügbarkeit im Zeitablauf aufzufangen. Der Mitarbeiter erhält unabhängig von der erbrachten Arbeitszeit ein gleichmäßiges Monatsgrundentgelt. Dafür werden die Abweichungen von der anteiligen Vertragsarbeitszeit („Sollarbeitszeit“) zur Ist-Arbeitszeit fortlaufend im Zeitkonto saldiert. Zusätzliche Kapazität entsteht nicht, weil jede zu einer Zeit mehr oder weniger als die Sollarbeitszeit erbrachte Arbeitsstunde zu einer anderen Zeit ausgeglichen wird, um im Durchschnitt die regelmäßige Arbeitszeit (Vertragsarbeitszeit) des Mitarbeiters zu erreichen. • Kapazität bedeutet, dass über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus gearbeitet wird, ohne dass ein Ausgleich dieser zusätzlichen Arbeitszeit zu anderen Zeiten, weder innerhalb noch außerhalb des Ausgleichszeitraums, erfolgt und erfolgen soll. Es wird also zusätzliche Personalkapazität geschöpft. Das Stellenbudget wird um die erbrachten Arbeitsstunden erweitert. Damit mit diesem Instrument sparsam umgegangen wird und auch nicht mögliche Ersatzeinstellungen des Arbeitgebers umgangen werden, wird es an

6.3  Überstunden in flexiblen Systemen – wie passt das zusammen

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die (in der Regel vorherige) Anordnung (Zustimmung) der Führungskraft und die Mitbestimmung des Betriebsrates (Personalrates/Mitarbeitervertretung) gebunden. Dies wären dann dieser „reinen Lehre“ nach Überstunden. Es ist leicht, sie von regelmäßiger Arbeitszeit abzugrenzen. • Möglich als eine handhabbare Mischform ist noch eine dritte Kategorie: Die Überstunden, die nicht aus Kapazitäts- sondern aus Fristgründen entstehen – durch die kurzfristige betriebliche Anordnung, vorrangig am selben Tag. Wenn diese „Kurzfriststunde“ als Überstunde behandelt wird, kann ein Überstundenzuschlag auch entstehen, wenn die Überstunde selbst dem Zeitkonto gutgeschrieben wird. Der Zuschlag wirkt in diesem Fall als Entschädigung oder Prämie für den Mitarbeiter für den extrem kurzfristigen Freizeitverlust und als „Strafzuschlag“ für den Arbeitgeber, um ihn dazu anzuhalten, mit solch kurzfristiger Disposition sparsam umzugehen. Diese ÜberstundenMischform wird beispielsweise in der Praxis häufig dann angewandt, wenn Mitarbeiter freiwillig für einen Dienst einspringen und dies kurzfristig passiert – auch dann, wenn keine betriebliche Anordnung erfolgte. Vermischungen dieser einfachen Prinzipien – mit Ausnahme der noch vergleichsweise gut abgrenzbaren Mischform „Kurzfriststunde“ – führen zu unnötigen Verkomplizierungen. Dies sieht man, wenn man einmal beispielhaft solche typischen Vermischungen betrachtet: • Überstunden als Verschiebungsprämie: Werden Überstunden mit Freizeit ausgeglichen, so wirkt der Überstundenzuschlag als „Arbeitszeitverschiebungsprämie“. Es kommt zu einer Überstunden-Kaskade: Eine zu einer Zeit gemachte Überstunde muss zu einer anderen Zeit ausgeglichen werden, was wiederum ein „Loch“ reißt, das durch neuerliche Überstunden ausgeglichen werden muss. Mit Freizeit ausgeglichene Überstunden können daher den Fehlanreiz auslösen, instabile Dienstzeiten zu fördern. Wer Überstunden trotz Freizeitausgleich bepreist, fördert sie und bringt sie in eine Konkurrenz zur regelmäßigen Arbeitszeit, die letztere nur verlieren kann. Der Freizeitausgleich von Überstunden verknappt zudem in Zeiten eines engen Arbeitsmarktes das Arbeitszeitangebot und verteuert so den Personaleinsatz: durch aufwändige Suche und Einarbeitung von Personal, das es ohne den Freizeitausgleich nicht gäbe. Hingegen ermöglicht eine Auszahlung von Überstunden eine flexible Anpassung an den jeweiligen tatsächlichen Kapazitätsbedarf. • „Verschiebe-Bahnhof“: Werden von Mitarbeitern Zusatzaufgaben übernommen – etwa ein Projekt oder eine Spezialaufgabe – so hat es keinen Sinn, solche Stunden dem Zeitkonto zuzuschlagen, wenn bereits vorher klar ist, dass ihre sonstige Arbeit unverändert bleibt. Dann wird der Ausgleich des Zeitkontos auf den „St. Nimmerleinstag“ verschoben. Hier wäre die mit dem Mitarbeiter vereinbarte Überstunde die richtige Lösung gewesen. • Freizeitausgleichswünsche: In vielen Krankenhäusern werden gesondert zu vergütende Überstunden dennoch mit Freizeit ausgeglichen – mit dem Hauptargument, die Mitarbeiter wünschten lieber Freizeitausgleich, und mit dem Nebenargument, bezahlte

3606  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

Überstunden seien zu teuer. Beide Argumente sind problematisch: Wenn ein Freizeitausgleich im Tarifvertrag nicht vorgesehen ist, kann dieser nicht einfach dennoch erfolgen. Und dass eine Überstundenauszahlung teurer als Freizeitausgleich ist, stimmt unter sonst gleichen Bedingungen natürlich nicht – siehe den ersten dieser drei Punkte.

6.3.2 Die Überstundenurteile (2013 und 2017) des Bundesarbeitsgerichtes 6.3.2.1 Was ist der Kern der Überstundenurteile des BAG? Die Auslegung durch das Bundesarbeitsgericht wurde notwendig, weil sich die beiden Tarifvertragsparteien des TVöD-K nicht darauf verständigen konnten, wie sie den Überstundenpassus gemeint haben könnten. Grundsätzlich sollte es ja ein Leichtes sein, unklare Formulierungen gemeinsam auszuräumen. Dass dies nicht geschah, wirft selbstverständlich kein gutes Licht auf beide Tarifvertragsparteien. Das Bundesarbeitsgericht hielt die entsprechende Norm noch gerade für auslegungsfähig – und kam zu folgendem Auslegungsergebnis, wie nach der Rechtsprechung nun der Überstundenpassus neu zu lesen ist. • Wortlaut des § 7 Abs. 8 TvöD-K (Sonderformen der Arbeit): „Abweichend von Absatz 7 sind nur die Arbeitsstunden Überstunden, die (…) im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden einschließlich der im Schichtplan vorgesehenen Arbeitsstunden, die bezogen auf die regelmäßige wöchentliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden, angeordnet worden sind.“ • Lesart des Bundesarbeitsgerichtes: „Nach § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K sind abweichend von Abs. 7 nur die Arbeitsstunden Überstunden, die im Fall von Wechselschicht- oder Schichtarbeit über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden einschließlich der im Schichtplan vorgesehenen Arbeitsstunden, die bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden, angeordnet worden sind [2].“ Die beiden Urteile des BAG – zu dem oben genannten „gehört“ noch das Urteil aus dem Jahr 2013 [3] – lassen sich nach unserer Interpretation in den folgenden Kernpunkten zusammenfassen : • Nur bei Schicht- und Wechselschicht relevant: Für Überstunden, die nicht in Schichtund Wechselschicht anfallen, hat sich an der bisherigen Rechtslage nichts geändert. Hier ist gemäß § 7 Abs. 7 des TVöD weiterhin eine angeordnete Überstunde gesondert zu vergüten, wenn sie nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen wird. Solche Überstunden sollten gegebenenfalls auch tatsächlich vergütet werden – siehe oben. Wichtig ist dieser Punkt deshalb, weil es durchaus Monate geben kann, in

6.3  Überstunden in flexiblen Systemen – wie passt das zusammen

361

denen die tarifvertraglichen Bedingungen für Schicht- und Wechselschichtarbeit trotz dienstplanmäßiger Arbeit nicht erfüllt sind. In diesen Monaten greift daher der vom BAG ausgelegte Passus nicht. Ob das BAG irgendwann seine Auslegung zur Vergütung von Überstundenzuschlägen bei Teilzeitmitarbeitern – siehe unten unter „ungeplante Überstunden“ – auf diesen Passus überträgt, ist derzeit unklar. • Zwei Arten von Überstunden: Es gibt bei Schicht- und Wechselschichtarbeit nach der Lesart des BAG zwei Arten von Überstunden. Sie werden im obigen Text durch das Wort „und/oder“ voneinander getrennt.

6.3.2.2 „Geplante Überstunden“ (BAG, Urt. v. 25.04.2013 – 6 AZR 800/11) Geplante Überstunden werden in der obigen zweiten Überstundenalternative beschrieben. Geplante Überstunden fallen demnach an, wenn die Vollzeit-Vertragsarbeitszeit eines Mitarbeiters am Ende des „Schichtplanturnus“ überschritten ist. Bei Teilzeitmitarbeitern fällt sie erst dann an, wenn die Vollzeitschwelle überschritten ist. Der Schichtplanturnus ist der Zeitraum, für den der Dienstplan im Vorhinein aufgestellt wurde. Bei Monatsdienstplänen ist es der Monat, so dass sich am letzten Tag des Monats entscheidet, ob eine Überstunde entstanden ist. Bei Jahresdienstplänen ist es in der Regel der 31.12. – auch dann, wenn eine Feinplanung des Jahresplans monatsweise erfolgt. Dies bedeutet zugleich, dass innerhalb des Schichtplanturnus der Ausgleich von zusätzlichen Arbeitsstunden oder Diensten möglich ist, sofern nur am Ende des Schichtplanturnus die Sollarbeitszeit nicht überschritten wurde. 6.3.2.3 „Ungeplante Überstunde“ (BAG, Urt. v.23.03.2017 – 6 AZR 161/16) Diese wird in der ersten der obigen beiden Überstundenarten beschrieben. Sie wird hier als zweites aufgeführt, weil das BAG-Urteil hierzu auf das oben Genannte aus dem Jahr 2013 aufbaut. Ungeplante Überstunden müssen zunächst einmal über die tägliche Arbeitszeit angeordnet worden sein: • Zum einen müssen sie also angeordnet worden sein. • Zum anderen müssen sie ungeplant sein. Ungeplant sind sie, wenn sie im Dienstplan auch nicht mehr in Form einer Dienstplanänderung berücksichtigt werden konnten. Daher kommt es hier nach unserer Auslegung auf den tagesbezogenen Bezug an – also ein Abruf aus dem Frei am selben Tag oder um eine angeordnete Dienstverlängerung. Die genaue zeitliche Abgrenzung zwischen „kurzfristig geplant“ und „ungeplant“ geht aus dem Urteil jedoch nicht hervor. Hierbei ist zu beachten, dass Anordnungen auch konkludent erfolgen können (Führungskraft: „Bitte machen Sie das heute noch fertig.“) oder Überstunden geduldet worden sein können (Mitarbeiter: „Niemand hat widersprochen, dass ich den Dienst verlängert habe.“).

3626  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

Abb. 6.13  Prüfschema ungeplante Überstunden

Eine weitere Bedingung dafür, dass es sich um eine ungeplante Überstunde handelt, ist nun gemäß der Auslegung des BAG, dass die „Teilzeitquote“ überschritten worden sein muss. Der Bezug kann unseres Erachtens wieder nur der Schichtplanturnus sein. Dann erhalten auch Teilzeitkräfte den Überstundenzuschlag. Die Teilzeitquote ist die individuelle Sollarbeitszeit, die ein Teilzeitmitarbeiter im Schichtplanturnus überschritten haben muss, um den Überstundenzuschlag zu erhalten. Das BAG hat nämlich in der diesbezüglichen Unterscheidung im TVöD zwischen Mehrarbeit (Teilzeit) und Überstunden (Vollzeit) eine Diskriminierung der Teilzeitmitarbeiter erkannt. Das BAG-Urteil enthält keine Hinweise zu Ankündigungsfristen bei „kurzfristig geplanten“ und „ungeplanten“ Überstunden. Eine „ungeplante“ Überstunde ist laut BAG dadurch gekennzeichnet, dass keine Möglichkeit besteht, sie im Schichtplanturnus durch Freizeit auszugleichen. Ungeplante Überstunden sind daher – gegebenenfalls mit Zuschlag – gesondert zu vergüten. Ein Prüfschema für ungeplante Überstunden, das diese recht komplizierte Herleitung etwas übersichtlicher macht, zeigt Abb. 6.13.

6.3.2.4 Welche praktischen Konsequenzen folgen aus den Überstundenurteilen des BAG? Aus beiden Urteilen lassen sich deutliche Hinweise darauf ableiten, wie ein (auch hierdurch erhöhtes) Überstundenaufkommen verringert oder ganz vermieden werden kann.

6.3  Überstunden in flexiblen Systemen – wie passt das zusammen

363

• Vorliegen von Schicht und Wechselschichtarbeit: Zunächst ist sorgfältig zu prüfen, ob die tarifvertragliche Grundlage für die Anwendung des Überstundenpassus – das Vorliegen von Schicht- und Wechselschichtarbeit – überhaupt gegeben ist. Dies ist ja auch bei Dienstplanung monatlich zu prüfen. Liegt keine Schicht- und Wechselschichtarbeit vor, gilt anstelle des Überstundenpassus eine abweichende Überstundenregelung, die einen Ausgleich von Überstunden auf die vertragliche Wochenarbeitszeit bis zum Ende der Folgewoche ermöglicht. • Verlängerung des Schichtplanturnus: Zur Vermeidung von geplanten Überstunden ist der Schichtplanturnus zu verlängern – durch Umstellung auf längerlaufende Pläne oder durch Grund- beziehungsweise Jahresdienstpläne. • Feste Dienstzeiten: Die Dienstplanstabilität sollte so hoch wie möglich sein. Es sollten keine Dienstplanabweichungen zugelassen werden, die nicht abgestimmt wurden, um das Risiko geduldeter (konkludenter) ungeplanter Überstunden zu vermeiden. Eine entsprechende Musterformulierung könnte lauten: „Bei Arbeit nach einem Dienstplan werden Zeiten außerhalb der dienstplanmäßigen Arbeitszeit nur nach Gegenzeichnung/ Freigabe durch die jeweilige Führungskraft angerechnet.“ • Arbeitszeit-Reserve: Dienstpläne müssen nicht bis zur Einhaltung der Sollarbeitszeit voll verplant werden. Eine Reserve zur Sollarbeitszeit verschafft „Luft“ zur Einhaltung der (Teilzeit- wie Vollzeit-) Sollarbeitszeitgrenzen. Für Spitzenabdeckungen sollten damit Reserven vorgehalten werden. Ebenso sollte ein systematisches Ausfallzeitenmanagement auf Basis der Soll-Besetzungsplanung eingeführt werden, um eine überstundenträchtige „doppelte Krankheitsvertretung“ ebenso zu vermeiden wie unnötige kurzfristige Arbeitszeitflexibilität (Abschn. 5.1.3), die unter den vom BAG festgelegten Bedingungen als „ungeplante“ Überstunde zu behandeln wäre. • Flexi-Spielregeln: Flexi-Spielregeln im Rahmen der flexiblen Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit – zum Beispiel mittels Flexi-Diensten mit eigenverantwortlichen Steuerungsbestandteilen – sollten anstelle einer Überstunden-Anordnung treten. • Vergütung: „Ungeplante“ Überstunden sollten, so verlangt es das BAG im Einklang mit dem TVöD, trotz überwiegender Unbeliebtheit bei den Mitarbeitern vergütet werden. Eine Freizeitgewährung erhöht die Gefahr, dass der Überstundenzuschlag zweimal anfällt – einmal für die ungeplante Überstunde, einmal am Ende des Dienstplanzyklus. • Arbeitszeitsteuerung: Etwaige „geplante“ Überstunden sollten innerhalb des jeweiligen Schichtplanturnus konsequent durch entsprechende Arbeitszeitsteuerung ausgeglichen werden; siehe zum Prinzip Abb. 6.14 mit einem Beispiel für den Überstundenausgleich im Rahmen einer Quartalsplanung.

Zusammenfassung 

Überstunden und flexible Arbeitszeiten lassen sich am einfachsten gegeneinander abgrenzen, indem erstere zusätzlicher Kapazität gleichkommen (was ihre Budgetierung, vorherige Vereinbarung und Mitbestimmung sowie zumeist ihre gesonderte Vergütung erfordert), während letztere stets durch fortlaufenden Ausgleich auf die vertragliche Arbeitszeit mittels Zeitkonten gekennzeichnet sind.

3646  Flexi-Spielregeln: Flexibilität strukturieren

Abb. 6.14  Ausgleich von Überstunden im Dienstplanzyklus am Beispiel einer Quartalsdienstplanung

In der Praxis gibt es von diesem Prinzip teils erhebliche Abweichungen, von denen einige durch tarifvertragliche Vorschriften vorbestimmt sind. Dies macht die Abgrenzung schwieriger, was auch durch die jüngste Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur Überstundendefinition bei Schicht- und Wechselschicht nicht einfacher geworden ist. Jedes Haus kommt nicht umhin, vor dem Hintergrund der jeweiligen tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen den Betriebsparteien zu einer weitest möglich „sauberen“ und handhabbaren Unterscheidung von flexibel gestalteter Regelarbeitszeit einerseits und Überstundenregelung andererseits zu kommen. Dabei sollte der obige erste Satz Richtschnur sein.

Literatur 1. BAG, Anfragebeschl. v. 14.06.2017; Az.: 10 AZR 330/16 2. BAG, Urt. v. 23.03.2017; Az.: 6 AZR 161/16, Rn 13 3. BAG, Urt. v. 25.04.2013; Az.: 6 AZR 800/11

7

Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung

7.1

Arbeitszeit-Controlling zur Objektivierung bislang gefühlter Realitäten

7.1.1 Der Wert „kühler“ Zahlen Arbeitszeit-Controlling – also die Überprüfung der Qualität des Personaleinsatzes mittels Kennzahlen – ist eine essenzielle Voraussetzung guter Dienstpläne. Das ist unsere Antwort auf den Mythos von der Untauglichkeit „kühler“ Zahlen (Abschn. 1.2.7). In vielen Häusern wird zwar darüber geklagt, dass die Dienstpläne „nicht gut“ seien, aber es gibt keine objektiven Kriterien, was denn eigentlich ein „guter“ Dienstplan ist. Was wir darunter verstehen, haben wir ja bereits in Abschn. 1.4 ausgeführt. Wenn es aber noch keine Kriterien für gute Dienstpläne gibt, kann auch nicht überprüft werden, ob diese eingehalten wurden. Oft sind geradezu „fake news“ bezüglich des Dienstplans im Umlauf: Der Dienstplan sei „schlecht“ – wobei hier in den meisten Fällen eine Konkretisierung fehlt, was denn nun „schlecht“ sei – oder ungerecht – wobei hier oftmals diejenigen besonders lautstark sind, die bei der „Wunschdienstplanung“ ebenfalls laut und durchsetzungsstark sind. Oft wird undifferenziert über fehlendes Personal geklagt. Die eigene Station und der eigene Bereich ist immer am härtesten betroffen … In einigen Bereichen kann tatsächlich ein personalkapazitatives oder -strukturelles Problem bestehen. Beispielsweise ist es in neonatologischen Intensivstationen aufgrund Elektronisches Zusatzmaterial Dieses Kapitel (https://doi.org/10.1007/978-3-658-22581-0_7) enthält Dateien, die mit der kostenfreien Springer Nature More Media App aus dem IOS- und Android-Store downloadbar sind. Dazu einfach die Abbildungen, die das App-Logo tragen, scannen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Herrmann, C. Woodruff, Dienstplanung im stationären Pf legedienst, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22581-0_7

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3667  Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung

eines GB-A-Beschlusses zur Versorgung von Frühgeborenen schwierig, die Positionen wie gefordert zu besetzen. Doch größtenteils steckt hinter diesen diffusen Klagen eine nicht stringente Planung und Steuerung. Und es fehlt dann meist auch an objektiven Kriterien, Defizite zu messen und zu beurteilen. Arbeitszeit-Controlling hat dabei viele Facetten: In diesem Kapitel konzentrieren wir uns auf die Einhaltung der Soll-Besetzung (Abschn. 7.3.3) und die Besetzungskennzahl als Stellgröße für die Reaktion auf hohen Arbeitsanfall oder kurzfristige Ausfälle (Abschn. 7.2). Weitere Aspekte des Arbeitszeit-Controllings stellen wir in Abschn. 8.1.3 vor; hier wird es dann um das Monitoring des Ausfallzeitenmanagements sowie der Zeitkontenentwicklung gehen. Kennzahlenbasierte Personaleinsatzsteuerung ist gerade dann, wenn es um Menschen(leben) geht, unverzichtbar. Sie ist ethisch geboten, denn vor allem bei den wichtigsten Themen sollte man so genau wie möglich sein. Gerade, weil es um Menschen(leben) geht, muss eine gleichbleibende Qualität der Versorgung sichergestellt werden. Insofern geben wir nun die im Eingangskapitel noch nicht gegebene Antwort auf den Mythos von der Ungeeignetheit kühler Zahlen (siehe Abschn. 1.2.7). Ohnehin wird bei der Arbeitszeit ja in jeder Pflegeeinrichtung und jedem Krankenhaus gemessen: der Arbeitszeitverbrauch. Wenn einer der wichtigsten Grundsätze des Managements gilt: Man bekommt, was man misst und bewertet und belohnt, dann ist es umso wichtiger, nicht nur zu messen, sondern das Richtige zu messen. Sonst wird der Arbeitszeitverbrauch als wichtiger angesehen als die Qualität und Produktivität des Personaleinsatzes. Diese kann nicht davon abhängen, ob Herr Müller grundsätzlich dienstags am Nachmittag zum Yogakurs geht und deswegen ein Kollege weniger im Spätdienst eingeplant werden kann. Herr Müller mag am nächsten Tag ausgeglichener zum Dienst erscheinen, aber im Spätdienst am Dienstag lässt sich nicht darüber hinwegsehen, dass für die anwesenden Mitarbeiter mehr zu tun ist. Die Aufgabe der Pflege ist es, zu allen Zeiten eine adäquate Versorgung der Patienten und Bewohner sicherzustellen. Dies kann sie nur dann erreichen, wenn vorausschauend und gleichmäßig geplant wird. Ob Herr Müller dienstags zum Yoga möchte, darf hierbei keine Rolle spielen. Es sollte nur immer bei der Dienstplanung berücksichtigt werden, sofern dies möglich ist – gegebenenfalls durch Tausche, siehe hierzu auch Abschn. 4.3 und 4.5. Für den Arbeitgeber ist es daher von essenzieller Bedeutung, objektive Kriterien der guten Dienstplanung zu finden und diese regelmäßig zu überprüfen. Teils wird dies auch von den Kostenträgern verlangt, sei es vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) oder der Heimaufsicht bei der Prüfung von Dienstplänen in Pflegeheimen, sei es auf neonatologischen Intensivstationen bei der Versorgung von Frühgeborenen. Nur durch regelmäßige Überprüfung von zuvor definierten Kriterien lassen sich strukturelle Schieflagen erkennen und Veränderungen anstoßen. Eine einfache erste Auswertung zeigt beispielhaft Abb. 7.1 für eine Station in einem Krankenhaus. Die Kurve haben wir schon in Abb. 3.4 gesehen. Hier wird nun zusätzlich die tatsächliche Besetzung an den einzelnen Wochentagen für drei Monate der jeweiligen Belegung gegenübergestellt. Es

7.1  Arbeitszeit-Controlling zur Objektivierung bislang gefühlter Realitäten

367

Abb. 7.1  Belegungsschwankungen und Besetzungsauswertung

zeigt sich, dass die Belegung und die Besetzung nicht synchron schwanken, sondern unabhängig voneinander. Im Sinne der gleichbleibenden Qualität der Versorgung ist dies nicht. An einigen Tagen müssen viele Patienten von wenigen Mitarbeitern versorgt werden, an anderen Tagen sind viele Mitarbeiter für wenige Patienten da.

7.1.2 Arbeitszeit-Controlling als Veränderungsauslöser Die schönsten Auswertungen haben jedoch nur geringen Mehrwert, wenn sie den Verantwortlichen nicht vorliegen und/oder nicht mit ihnen besprochen werden. Daher sollten solche Auswertungen immer die Basis für Gespräche zur Verbesserung der Dienstplanung und damit der Versorgungsqualität sein. Grundsätzlich ist es hilfreich, neben reinen Zahlenwerten einfach zu überschauende Grafiken zu erstellen, die auf den ersten Blick die wichtigsten Erkenntnisse liefern. Dies ist im oberen Beispiel noch nicht ganz gelungen, da sehr viele Informationen in einer Grafik gebündelt sind. Wie dies auch anders gehandhabt werden kann, zeigen das nachfolgende Fallbeispiel sowie Abschn. 7.2 und 7.3. Zudem sollten die Ergebnisse regelmäßig den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden. Schließlich sind die Daten auch für sie als Rückmeldung zur Objektivierung der Arbeitsbelastung wichtig. Kennzahlen fördern die Versachlichung von Argumentationen – insbesondere auch zur Bearbeitung von Gefährdungsanzeigen, die einen expliziten Bezug zur Auslastung enthalten. Hier kann eine gemeinsame Besprechung der Datenlage viel Wind aus den Segeln nehmen. Den Beitrag des Arbeitszeit-Controllings zu einem

3687  Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung

strukturierten Umgang mit Gefährdungsanzeigen und insbesondere auch zu ihrer Vermeidung erläutern wir in Abschn. 7.3. Zusätzlich sollten die gesammelten Informationen als Entscheidungsgrundlage für den täglichen Personaleinsatz genutzt werden. Hier ist insbesondere die Besetzungskennzahl von großem Nutzen. Detailliert wird diese in Abschn. 7.2 erläutert. Damit wird die Voraussetzung für eine indikationsorientierte Personaleinsatzsteuerung geschaffen, wie sie in Fallstudie 16 in Abschn. 6.1.6 beschrieben wurde.

7.1.3 Fallbeispiel Zu den Kennzahlen bezüglich der Qualität der Personaleinsatzplanung gehört auch die Einhaltung tariflicher und insbesondere gesetzlicher Vorgaben zur Dienstplanung – beispielsweise die Einhaltung der gesetzlichen Tageshöchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten. So manches Haus ist nach einer Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde und dem anschließend eingehenden oft teuren Bescheid in dieser Hinsicht aufmerksamer geworden. Hier gilt: Vorbeugen ist besser (und günstiger) als Nachbessern. Wie diese Aspekte in einem Krankenhaus umgesetzt werden können, zeigt das folgende Fallbeispiel 17 aus dem Städtischen Klinikum Magdeburg.

Fallbeispiel 17: Arbeitszeit-Controlling zur Objektivierung gefühlter Probleme

Dipl.-Ing Hannes Krausholz, Arbeitszeitmanager, Klinikum Magdeburg Rund 1800 Mitarbeiter geben im KLINIKUM MAGDEBURG tagtäglich das Beste für die Patienten. Insgesamt 21 Kliniken und Institute bieten eine nahezu lückenlose medizinische Versorgung – und das zertifiziert nach aktuellsten Qualitätsstandards. In 913 aufgestellten Betten werden jährlich circa 82.000 Patienten behandelt. Warum wir ein Arbeitszeit-Controlling eingeführt haben Das Arbeitszeitmanagement im Klinikum Magdeburg sieht seine Aufgabe insbesondere darin, neben der Verwaltung des Dienstplanprogramms Veränderungen in der Arbeitszeitorganisation anzustoßen. Für dieses Vorhaben muss jedoch zuerst geklärt werden, an welchen Stellen der Handlungsdruck besonders stark ist. Die Konzentration liegt dabei zunächst auf der arbeitszeitrechtlichen Seite, um sicherzustellen, dass die Dienstmodelle in allen Berufsgruppen nicht nur arbeitszeitgesetz- und tarifkonform angelegt sind, sondern auch korrekt gelebt werden. Um dieses Vorhaben umzusetzen, wird monatlich ein Reporting in alle Bereiche gegeben, das auf den Eingaben im Dienstplanprogramm basiert. Die Größe des Hauses macht es erforderlich, die Auswertungen direkt aus dem Dienstplanprogramm zu ziehen. Diese automatisierten Daten tragen der Größe des Hauses Rechenschaft. Eine händische Auswertung wäre uneffektiv und zeitaufwendig. Mit der Aufarbeitung der Daten in übersichtlichen Grafiken konnte den Führungskräften des Klinikums Magdeburg ein Instrument zur Steuerung und Kontrolle in die Hand gegeben werden.

7.1  Arbeitszeit-Controlling zur Objektivierung bislang gefühlter Realitäten

369

Wie das Arbeitszeit-Controlling funktioniert Das Arbeitszeit-Controlling stützt sich auf die Ist-Dienstpläne aus dem Dienstplanprogramm CGM On Duty. Den Ausgangspunkt zur Initiierung eines Arbeitszeit-Controllings bildete der Versand von Plausibilitätslisten an alle Führungskräfte. In diesen sind Abweichungen von arbeitszeitgesetzlichen und tariflichen Vorschriften sowie Regelungen der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit in den Ist-Dienstplänen aufgeführt. Monatlich werden die Führungskräfte gebeten, diese Abweichungen daraufhin zu überprüfen, ob sie auf Eingabefehler zurückzuführen sind oder tatsächlich so gearbeitet wurde. Sofern es sich um Eingabefehler handelt, sind diese zu korrigieren. Während in der Anfangsphase noch viel Handarbeit in die Aufarbeitung und Weitergabe gesteckt werden musste und der Versand der Plausibilitätslisten über die Hauspost erfolgte, konnte der Prozess mittlerweile stark automatisiert und mit einem automatisch generierten E-Mail-Versand an die Bereichsleiter optimiert werden. Folgende Informationen können monatlich aus den Ist-Dienstplänen des Dienstplanprogramms ausgelesen werden. Diese beziehen sich teils auf einzelne Dienste und teils auf einzelne Mitarbeiter in der Monatsbetrachtung. Dienstbezogen • • • •

Nichteinhaltung der gesetzlichen Pausenzeiten Nichteinhaltung der gesetzlichen Ruhezeiten Überschreitung der gesetzlichen und tarifvertraglichen Tageshöchstarbeitszeiten Überschreitung der nach der Betriebsvereinbarung maximal zulässigen Anzahl Arbeitstage am Stück • Überschreitung der nach der Betriebsvereinbarung maximal zulässigen Anzahl Nachtdienste am Stück Mitarbeiterbezogen • Überschreitung der zulässigen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit • Überschreitung der nach der Betriebsvereinbarung maximal zulässigen Anzahl Bereitschaftsdienste je Mitarbeiter In der Pflege wurde das Arbeitszeit-Controlling bereits weiterentwickelt. Monatlich erhält jede Stationsleitung einen Tachometer sowie eine grafische Auswertung der tatsächlichen Besetzung und die Pflegedienstleitungen alle für sie relevanten Stationen zusammengefasst. Im Tachometer werden die oben genannten möglichen Verstöße gebündelt, wobei arbeitszeitgesetzliche Verstöße stärker gewichtet sind als solche gegen Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung. Dieser Prozess gründet sich auf den Fokus der aufsichtsbehördlichen Überprüfungen auf die arbeitszeitgesetzlichen Vorschriften. Insbesondere hier wird nach schneller, korrekter Arbeit gestrebt. Auf Basis des Tachometers kann man schnell und effektiv ablesen, welche Stationen im grünen Bereich sind und an welcher Stelle großer Handlungsbedarf besteht (roter Bereich),

3707  Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung

um bei Notwendigkeit in den einzelnen Bereichen in eine tiefere Analyse einzusteigen (Abb. 7.2). Gleiches gilt auch für die Überprüfung der tatsächlichen Schichtbesetzung je Station, die ebenfalls Teil des Reportings ist. In manchen Bereichen sind hier große Schwankungen sichtbar (Abb. 7.3). Auch diese Stationen werden detailliert betrachtet und mit den Stationsleitungen besprochen, dass eine gleichmäßige Soll-Besetzung das ausschlaggebende Kriterium der Dienstplanung sein muss, nicht die Erreichung der Monatssollarbeitszeit für jeden Mitarbeiter. Das Arbeitszeit-Controlling stößt Veränderungen an Das Reporting ist nur der erste Schritt. Wie oben bereits geschildert, ist auch das Aufdecken von Veränderungspotenzialen in den Bereichen bedeutend, um die nötigen Veränderungen anzustoßen. Eine erster Schritt sind Dienstplanprogramm-Schulungen für die jeweiligen Dienstplaner. Dort erlernen sie das Handwerk, um das Dienstplanprogramm korrekt zu nutzen. Gleichzeitig wird aber auch ein Augenmerk auf die zu beachtenden gesetzlichen und tariflichen Vorgaben gelegt mit dem Ziel, die Dienstplaner für diese Punkte besonders zu sensibilisieren. Weitere Handlungsfelder sind die Anpassungen von Dienstmodellen auf Basis des tatsächlichen Leistungsanfalls, was auch eine Berechnung des Personalbedarfs nach

Abb. 7.2  Zu Fallbeispiel 17: Controlling der arbeitszeitrechtlichen Verstöße im Pflegedienst

7.1  Arbeitszeit-Controlling zur Objektivierung bislang gefühlter Realitäten

371

Abb. 7.3  Zu Fallbeispiel 17: Reporting der tatsächlichen Schichtbesetzung

unterschiedlichen Methoden (Arbeitsplatz, Leistung oder Erlös) beinhaltet. Da Anpassungen des Dienstmodells in den meisten Fällen Anpassungen der Organisationsstruktur bedürfen, ist das Klinikum Magdeburg auch auf diesem Feld aktiv. Die ersten Schritte ermutigen, weitere regelmäßige Auswertungen vorzubereiten, beispielsweise zur Krankheitsquote oder der Urlaubsvergabe. Denn aus Erfahrung sind Veränderungen nur dann möglich, wenn gefühlte Probleme an Zahlen objektiviert werden, um darauf aufbauend konkrete Anpassungen vorzunehmen.

Zusammenfassung 

Häufig werden in Hinsicht auf die Arbeitsauslastung und die Dienstplanung Gefühle und Befindlichkeiten in den Vordergrund gestellt. Um die Diskussionen zu versachlichen und zu objektivieren, sollte ein Arbeitszeit-Controlling eingeführt werden. Dieses objektiviert die Qualität des Personaleinsatzes. Sie sollte insbesondere Voraussetzung für die Indikationsstellung im Rahmen eines systematischen Ausfallzeitenmanagement (Kap. 5) und der Nutzung von Flexi-Spielregeln allgemein (Kap. 6) sein. Aspekte des Arbeitszeit-Controllings können sein: • • • • •

Einhaltung gesetzlicher und tariflicher Vorschriften Einhaltung der Soll-Besetzung Einhaltung der Besetzungskennzahl Höhe und Schwankungen der Zeitkontensalden Nutzung von Ausfallzeiteninstrumenten

3727  Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung

Die Auswertungen sollten so einfach wie möglich sein. Dazu gehört auch, dass auf den ersten Blick klar erkennbare Grafiken mit den wichtigsten Aspekten erstellt werden, die auch von Kollegen verstanden werden, die sich nicht ständig mit Dienstplanung und Arbeitszeit beschäftigen. Alle Auswertungen sollten regelmäßig mit den Personaleinsatzverantwortlichen besprochen werden, um Verbesserungspotenziale aufzudecken und Lösungsansätze zu entwickeln.

7.2

Die Besetzungskennzahl: Wie man sie fortlaufend ermittelt

7.2.1 Was die Besetzungskennzahl aussagt Das Ziel der Besetzungskennzahl – also des Verhältnisses von betreuten Patienten oder Bewohnern zu eingeteilten Diensten – ist es, die Betreuungszeit für die Patienten/die Bewohner und damit zugleich die Dienstdichte für die Mitarbeiter – also die Arbeitsbelastung je eingeteiltem Mitarbeiter – im Zeitablauf möglichst konstant zu halten. Nicht die absolute Höhe der Besetzungskennzahl entscheidet über die Qualität der Personaleinsatzes. Diese wird bestimmt durch die zur Verfügung stehende Personalkapazität entsprechend der Stellenplanung (Abschn. 2.4). Entscheidend ist die Konstanz der Besetzungskennzahl im Zeitablauf. Je konstanter sie ist, desto stabiler sind Betreuungsquoten und desto gleichmäßiger ist die zeitliche Arbeitsbelastung. Auch hinsichtlich der gesetzgeberischen Bestrebungen von Pflegepersonaluntergrenzen ist die Besetzungskennzahl weiter in den Fokus gerückt.

7.2.2 Ermittlung der einfachen Besetzungskennzahl Die Besetzungskennzahl zeigt an, wie viele Patienten oder Bewohner von einem anwesenden Mitarbeiter betreut werden. Die Grundformel ist dabei denkbar einfach: (belegte Betten)/(besetzte Dienstein einer Dienstlage) = Besetzungskennzahl Wenn beispielsweise durchschnittlich im Frühdienst neun Patienten von einer Pflegekraft versorgt werden müssen, so ist dies die anzustrebende Besetzungskennzahl. Wichtig ist, dass nicht die aufgestellten Betten zugrunde gelegt werden, sondern die tatsächliche Belegung. Die Besetzungskennzahl muss natürlich auf die einzelnen Dienstlagen heruntergebrochen werden. In der Regel reichen hierfür Früh- und Spätdienste, gegebenenfalls unter Mitberücksichtigung von Zwischen- oder Tagdiensten. Für die Nachtdienste wird auf den peripheren Stationen oder in den Altenpflegeeinrichtungen meist keine Besetzungskennzahl benötigt, wenn hier eine Mindestbesetzung eingeteilt werden muss, die in der Regel bei der Dienstplanung ohnehin weder über- noch unterschritten wird. Immer dann, wenn die Besetzung planmäßig nicht schwankt, reicht als Indikator also die Soll-Besetzung völlig aus. Auch bei einer erforderlichen Einer-Besetzung benötigt man mithin keine Besetzungskennzahl.

7.2  Die Besetzungskennzahl: Wie man sie fortlaufend ermittelt

373

Die Berechnung der anzustrebenden Besetzungskennzahl ergibt sich dann wie folgt:

durchschnittliche Belegung einer Station anzustrebende Soll-Besetzungskennzahl = f ür eine Dienstlage Soll − Besetzung in einer Dienstlage

Nehmen wir zunächst ein einfaches Beispiel: Eine Station ist Montag bis Freitag mit drei Frühdiensten, zwei Spätdiensten und einem Nachtdienst besetzt. Die durchschnittliche Belegung beträgt 27 Betten. Im Frühdienst beträgt die anzustrebende Besetzungskennzahl damit 9, im Spätdienst 13,5. Im Durchschnitt über beide Dienstlagen ergibt sich eine Besetzungskennzahl von (27 durchschnittlich belegte Betten/((3 zu besetzende Frühdienste + zu besetzende 2 Spätdienste)/2) =) 10,8. Von einer Pflegekraft werden also im Durchschnitt über den Früh- und Spätdienst 10,8 Patienten versorgt. Bei unterschiedlich langen Dienstdauern ist die Besetzungskennzahl natürlich entsprechend zu gewichten.

7.2.3 Festlegung tolerierter Schwankungsbandbreiten Natürlich ist es unrealistisch, dass an allen Tagen exakt die zuvor definierte Soll-Besetzungskennzahl erreicht wird. Das ergibt sich schon daraus, dass bei der Anwendung der Formel selten ganzzahlige Ergebnisse entstehen. Daher muss eine tolerierte Schwankungsbreite festgesetzt werden, innerhalb der die Ist-Besetzungskennzahl von der Soll-Besetzungskennzahl abweichen darf, ohne dass eine Reaktion erfolgen muss. Im obigen Beispiel könnte festgelegt werden, dass erst bei einer Überschreitung der Besetzungskennzahl-Bandbreite im Frühdienst zwischen 7 und 11 reagiert werden muss. Dazu müsste die Belegung entweder unter 21 Betten sinken oder über 33 Betten steigen. Erneut möchten wir auf unser Muster-Beispiel zurückkommen: Die Station ist durchschnittlich mit 44 Betten belegt. Im Früh- und Spätdienst sind Montag bis Freitag jeweils 2 Mitarbeiter eingeteilt, dazu kommen zwei Zwischendienste. Diese werden jeweils hälftig den Früh- und den Spätdiensten zugeordnet, somit fallen neben den 6,25-stündigen Früh- und Spätdiensten nochmals 5-stündige Zwischendienste an, die 80 Prozent eines regulären Früh- und Spätdienstes ausmachen. Damit sind in beiden Dienstlagen jeweils (2 Dienste + 2 Zwischendienste × 0,8 = ) 3,6 Dienste eingeteilt. Bei einer durchschnittlichen Belegung mit 40 Betten ergibt sich also eine Besetzungskennzahl von (40 durchschnittlich belegte Betten/3,6 zu besetzende Dienste =) etwa 11,1. Von einer Pflegekraft werden also im Durchschnitt 11,1 Patienten versorgt. Als zulässige Schwankungsbreiten wird ein Wert von 20 Prozent festgelegt. Für das Muster-Beispiel würde dies bedeuten, dass eine Besetzungskennzahl zwischen 8,9 und 13,3 keinen Handlungsbedarf anzeigt.

3747  Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung

7.2.4 Ist-Besetzungskennzahl Die Ist-Besetzungskennzahl sollte täglich ermittelbar sein – unter Umständen zweimal am Tag zu den Zeitpunkten, zu denen die durchschnittliche Belegung des Tages absehbar ist, aber noch so rechtzeitig, dass noch reagiert werden kann, wenn die Ist-Besetzungskennzahl die Bandbreite der Sol-Besetzungskennzahl überschreitet. Mögliche Konstellationen für den Handlungsbedarf zeigt Tab. 7.1. • Niedrige Belegung bei niedriger Besetzung: Hier besteht kein Handlungsbedarf, wenn sich die Besetzungskennzahl im vorab gesetzten Rahmen bewegt. • Niedrige Belegung bei hoher Besetzung: Hier muss nachgesteuert werden, idealerweise durch den Entfall von Diensten oder dem kurzfristigen Aushelfen in anderen Bereichen (siehe hierzu die Flexi-Spielregeln in Abschn. 6.1). • Hohe Belegung bei niedriger Besetzung: Hier muss – sofern die Soll-Besetzungskennzahl nicht erreicht wird – ebenfalls nachgesteuert werden. Oft resultiert die niedrige Besetzung aus kurzfristigen Ausfällen, allerdings kann auch der Arbeitsanfall höher liegen als üblich. In beiden Fällen sollte jedoch auf Instrumente des Ausfallmanagements zurückgegriffen werden, siehe hierzu Abschn. 5.2, 5.3 und 5.4. • Hohe Belegung bei hoher Besetzung: Hier besteht wie bei der Konstellation „niedrige Belegung bei niedriger Besetzung“ kein Handlungsbedarf, wenn sich die Besetzungskennzahl innerhalb der vorab gesetzten Schwankungsbreite befindet. Es sollte immer einen Anreiz geben, sich täglich möglichst nah an der Soll-Besetzungskennzahl zu bewegen. Dieser kann unterschiedlich ausfallen, muss aber klar kommuniziert sein. Mögliche Anreize sind: • Personalentscheidungen: Wenn Personal eingestellt wird, kann die Entscheidung für den Einsatzort vorrangig davon abhängig gemacht werden, welcher Bereich besonders häufig die Soll-Besetzungskennzahl eingehalten hat. Damit wird falschen Anreizen Tab. 7.1  Handlungsbedarf bei unterschiedlichen Konstellationen von Besetzung und Belegung Belegung (Arbeitsaufkommen)

Besetzung (Personalverfügbarkeit)

Niedrig

Hoch

Niedrig

Kein Handlungsbedarf

Handlungsbedarf: Aufgabenpriorisierung, Nachbesetzung

Hoch

Handlungsbedarf: Entfall von Diensten, Aushelfen auf anderen Bereichen

Kein Handlungsbedarf

7.2  Die Besetzungskennzahl: Wie man sie fortlaufend ermittelt

• •





375

entgegengewirkt: Häufig wird ein besonders hohes Maß an Mehrarbeit als Indiz für fehlendes Personal angesehen, auch wenn eine unzureichende Personaleinsatzplanung und -steuerung der Grund ist. Oder es werden immer die Bereiche bevorzugt, welche sich besonders lautstark äußern – ähnlich der Erfüllung von Wünschen in Monatsdienstplänen, in denen den lautesten Mitarbeitern die meisten Wünsche erfüllt werden. Führungskräfte-Beurteilungen: Hier sollte die Qualität der Personaleinsatzplanung ein wichtiges Beurteilungskriterium sein. Anerkennung im Vergleich mit anderen: Die Ergebnisse des Controllings sollten ständig ausgehängt und oder anderweitig breit zugänglich gemacht, so dass ein Vergleich mit anderen Stationen und Bereichen möglich ist. Dabei sollte schnell erkennbar sein, wer besonders sparsam mit der wertvollen Ressource Personal umgeht. Dies kann beispielsweise in Form einer Ampel oder eines Tachometers erfolgen (siehe hierzu auch die Erläuterung zum Einsatz von Tachometern im Klinikum Magdeburg in der Fallstudie in Abschn. 7.1). Monetäre Prämien für Führungskräfte: Die Führungskräfte, welche im Ist besonders selten von der Soll-Besetzungskennzahl abgewichen sind, erhalten am Jahresende eine zusätzliche Prämie. Monetäre Prämien für Mitarbeiter: Nach einer gewissen Anzahl von Einsätzen auf einer anderen Station außerhalb des regulären Ausfallzeitenmanagements, die dem Ausgleich einer niedrigeren Ist-Besetzungskennzahl dienten, erhält der Mitarbeiter eine Prämie.

Auf Basis der Informationen aus Abb. 7.1, in der die tatsächliche tägliche Besetzung und die Belegung aufgeführt sind, lässt sich die Besetzungskennzahl errechnen. Um es einfach zu halten, wurde hier nicht nach Früh- und Spätdiensten differenziert, sondern eine übergreifende Besetzungskennzahl berechnet. Das Ergebnis für die drei Monate April, Mai und Juni zeigt Abb. 7.4. Es lässt sich gut ablesen, dass auf Auslastungsschwankungen noch nicht ausreichend reagiert wurde. Die Besetzung korreliert nicht mit der Belegung: An einem Tag im Mai liegt die Besetzungskennzahl bei annähernd zehn Patienten je anwesendem Mitarbeiter, Ende Juni sinkt sie auf nur noch vier Patienten je anwesendem Mitarbeiter ab. Schwankungen um den Faktor 2 bis 2,5 wie im dargestellten Beispiel sind übrigens in der Praxis keine Seltenheit. Das bedeutet, dass an einzelnen Tagen eine um das 2,5-fache höhere Arbeitsdichte herrscht als an anderen Tagen. Es ist gut nachvollziehbar, wenn dies von den Mitarbeitern als Belastung empfunden wird. Und es liegt auf der Hand, dass die Einhaltung konstanter Versorgungsqualitätsstandards hier schwierig ist. Es muss also in einem Gespräch mit der Führungskraft – aber auch mit den Mitarbeitern – nachvollzogen werden, wie es zu diesen massiven Schwankungen kommt und inwiefern in Zukunft gegengesteuert werden kann. Gibt es schon intern vereinbarte Maßnahmen, die bei solchen großen Abweichungen eigentlich zu ergreifen wären, muss deren Einsatz stärker forciert werden.

3767  Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung

Abb. 7.4  Schwankende Ist-Besetzungskennzahlen

7.2.5 Die Besetzungskennzahl verfeinern Besetzungskennzahlen haben natürlich wie alle Kennzahlen Stärken und Schwächen: • Zu den Stärken gehört, dass sie Entscheidungsgrundlagen für die Planung und Steuerung des Personals objektivieren. Zudem sind sie unverzichtbarer Bestandteil pflegerischen Qualitätsmanagements. Sie helfen, Schwächen aufzudecken, und sensibilisieren für die Bedeutung eines belastungs- und patienten-/bewohnergerechten Personaleinsatzes. • Zu den Schwächen gehört, dass fragmentierte und einseitige Kennzahlen zu einer Überbewertung der mit ihnen gemessenen Ausprägungen führen können. Die Konzentration auf leicht messbare Daten kann dazu verführen, Zahlen überzuinterpretieren, und andere, weniger leicht messbare Sachverhalte zu unterschätzen. Zudem muss dem Risiko einer Pseudoexaktheit entgegengewirkt werden, das mit einer zunehmender Verfeinerung der Kennzahl eher wächst als fällt. Und schließlich steigt der Aufwand für die Ermittlung. Er muss aber begrenzt werden. Schließlich stellt das Arbeitszeit-Controlling ja selbst keine wertschöpfende Tätigkeit im Sinne der Patienten- und Bewohnerorientierung dar.

7.2  Die Besetzungskennzahl: Wie man sie fortlaufend ermittelt

377

Daher geht es bei der Frage der Ausgestaltung der Kennzahl stets um die Abwägung von Erkenntnisgewinn und Aufwand. Dies ist vor allem deshalb wichtig, weil viele Kliniken und Pflegeeinrichtungen das technische Problem haben, dass die Informationen zur Belegung und zum Arbeitsaufwand allgemein im Informationssystem verfügbar sind – also beispielsweise im KIS –, während die Daten zur Besetzung aus dem PEP-System stammen. Oftmals besteht jedoch keine automatische Schnittstelle, so dass beide Datenhälften händisch oder halbautomatisch über zusätzlich geschaffene Schnittstellen zusammengeführt werden müssen. Da kommt es besonders auf die Abwägung an, ob eine Verfeinerung der Kennzahl sinnvoll und effizient ist. Die reine Besetzungskennzahl ist als erste Orientierung eine gute Größe, um Entscheidungen treffen zu können, die bislang „aus dem Bauch heraus“ gefällt wurden. Dies gilt umso mehr, als man bei ihrer Anwendung immer das „Fingerspitzengefühl“ behalten sollte, auch einmal begründete Abweichungen zu tolerieren – etwa bei an einem Tag besonders aufwändigen Patienten/Bewohnern oder bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiter und so weiter. Hier sollte das Motto gelten: Lieber halbwegs genau als entweder komplett „gefühlt“ oder aber übersteuert scheingenau. Zu Recht wird jedoch immer wieder darauf verwiesen, dass eine Zählung der anwesenden Mitarbeiter und der belegten Betten nicht das allein ausschlaggebende Kriterium sein kann: • Qualifikationen: Es werden Mitarbeiter mit unterschiedlichen Qualifikationen eingesetzt, deren Beitrag zur Besetzung unterschiedlich gewichtet werden könnte. In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel die Anrechnung von wertschöpfenden Einsätzen von Auszubildenden zu nennen (Abschn. 3.8). • Betreuungs- und Behandlungsschwere: Zudem stellen unterschiedliche Patienten unterschiedliche Betreuungs- und Behandlungsanforderungen, welche sich wiederum in einem höheren oder niedrigeren Arbeitsaufwand niederschlagen. Daher kann es nötig sein, die Besetzungskennzahl zu verfeinern. Zunächst jedoch ein Wort der Vorsicht: Es sollten nicht alle Eventualitäten in einer Besetzungskennzahl abgebildet werden, denn dann wird zum einen die Ermittlung der Kennzahlen zu aufwändig, zum anderen die Besetzungskennzahl selbst immer weniger vergleichbar. Ziel ist es aber immer, dass die Vergleichbarkeit auch über mehrere Stationen oder Bereiche gegeben ist, denn nur so kann Anpassungspotenzial erkannt werden. Wenn zusätzliche Informationen in die Besetzungskennzahl einfließen, müssen diese schnell und leicht (am besten direkt aus dem KIS oder sonstigen Datenbanken und dem Dienstplanprogramm) zu ermitteln und genügend aussagekräftig sein. Für die Besetzungsstärke bedeutet dies, dass das Dienstplanprogramm bei Ausfällen und Veränderungen des Dienstplans zeitnah (am besten direkt morgens) gepflegt wird, denn ansonsten stehen die Daten nicht aktuell zur Verfügung und es werden Entscheidungen auf Basis veralteter Informationen getroffen. Auch Aufnahmen und Entlassungen müssen zügig in das KIS eingetragen werden.

3787  Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung

In Abschn. 7.2.1 wurde die Formel zur Berechnung der einfachen Besetzungskennzahl eingeführt. Bei der Differenzierung beginnen wir zunächst mit dem Zähler des Bruchs: den belegten Betten. Hier kann eine Aufschlüsselung nach unterschiedlichen Kriterien sinnvoll sein, allerdings sollten erfahrungsgemäß nur zwei, maximal bis zu drei zusätzliche Kriterien neben der reinen Belegung aufgenommen werden. Die Werte werden bei mehr Kriterien kaum aussagekräftiger, aber auf jeden Fall steigt der Aufwand für die Erhebung der Besetzungskennzahl. Das wiederum kann dazu führen, dass sie – bei ungenauer Datenpflege – nicht so aussagekräftig ist wie gewünscht oder aber – wenn die Daten gar nicht mehr gepflegt werden – nicht genutzt wird. Folgende Kriterien können dabei zusätzlich berücksichtigt werden. Einige Fachdisziplinen haben einen höheren Pflegeaufwand als andere. Daher sollte für Stationen, die vorwiegend Patienten eines bestimmten Fachgebiets betreuen, ein Auf- oder Abschlag auf die durchschnittliche Besetzungskennzahl vorgenommen werden. Eine Aufteilung zeigt Tab. 7.2. Dabei errechnet sich die Besetzungskennzahl wie folgt:

( Basis − Besetzungskennzahl ) / (1 + Aufschlag / 100) = gewichtete Besetzungskennzahl

Für eine geriatrische Station ergibt sich beispielsweise bei einer Basis-Besetzungskennzahl von 10, dass die gewichtete Besetzungskennzahl bei etwa (10/(1 + 40/100) =) 7 liegt. Wenn also auf einer Normalstation je eingesetzter Pflegekraft im Durchschnitt 10 Patienten versorgt werden, so sind es in der Geriatrie je Pflegekraft nur 7 Patienten. Diese Besetzungskennzahlen sind dabei über Früh- und Spätdienste gemittelt. Daher ist es möglich, für Früh- und Spätdienste differenzierte Besetzungskennzahlen festzulegen. Dann verändert sich die Berechnung nicht, jedoch wird die Basis-Besetzungskennzahl zwei Mal festgelegt, und damit erfolgt auch die Berechnung der Besetzungskennzahl nach Fachdisziplin doppelt.

Tab. 7.2  Mögliche fachdisziplinbezogene Aufschläge auf die Besetzungskennzahl (Beispiel aus einem Krankenhaus) Fachdisziplin

Auf- oder Abschlag auf die Besetzungskennzahl im Tagdienst

Chirurgie, Innere Medizin, Neurologie

0 Prozent

Geburtshilfe/Gynäkologie

–15 Prozent

Allg. Pädiatrie

+ 10 Prozent

Geriatrie

+ 35 Prozent

IMC-Station

+ 120 Prozent

Intensivstation

+ 340 Prozent

7.2  Die Besetzungskennzahl: Wie man sie fortlaufend ermittelt

379

7.2.6 PPR oder andere schweregradbezogenen Gewichtungen wie Pflegegrade Sofern die PPR-Minuten beziehungsweise -stufen erfasst werden, können die PPREinstufungen als Gewichtungsfaktor für die Besetzungskennzahl genutzt werden. Ausgangspunkt sollte dabei immer die durchschnittliche PPR-Gewichtung im Hause sein, so dass eine Basis-Besetzungskennzahl zugrunde gelegt werden kann. In diesem Zusammenhang ist darauf zu achten, dass PPR-Einstufungen sich nicht deshalb in Richtung A3/S3 verschieben, weil die Besetzungskennzahl für den Personaleinsatz relevant ist. Erfahrungen mit parallelen Auswertungen von PPR-Minuten und Belegungen zeigen übrigens, dass – von wenigen Ausnahmen abgesehen – ein hoher Zusammenhang zwischen beiden Größen besteht, weil sich „schwere“ und „leichte“ Fälle oft mitteln. Dies sollte intern exemplarisch betrachtet werden – vor der Entscheidung, ob es überhaupt sinnvoll ist, die PPR als Gewichtungsfaktor einzubeziehen. Bei besonders aufwändigen Patienten/Bewohnern oder Ballungen betreuungsintensiver Patienten/Bewohner an einem Tag wird man ohnehin in gegenseitiger Absprache Abweichungen von der Soll-Besetzungskennzahl zulassen – unabhängig davon, ob die Toleranz-Bandbreite überschritten wurde oder nicht. Das gilt auch für den TISS-Score: Auf Intensivstationen wird routinemäßig der sogenannte TISS-Score erfasst. Da es verschiedene Versionen gibt (auch differenziert nach ärztlichen und pflegerischen Tätigkeiten), ist hier darauf zu achten, die einfachste und damit meist aussagekräftigste Version zu wählen. Analog ist bei Bedarf mit Pflegegraden zu verfahren: In Pflegeheimen bietet es sich an, eine Differenzierung nach Pflegegraden vorzunehmen. Schließlich bilden diese den Pflegeaufwand ab und werden bei Verhandlungen mit den Kostenträgern als Grundlage für die Personalausstattung herangezogen.

7.2.7 Weitere Gewichtungsfaktoren • PKMS: Patienten, die als PKMS-Fälle abgerechnet werden, haben einen hohen Pflegeaufwand. Dies kann durch die Erhebung der mit PKMS-Fällen belegten Betten berücksichtigt werden. • Isolationspatienten: Sofern es sich nicht um eine explizite Isolationsstation handelt, sind isolierte Patienten aufwändiger, da vor und nach jedem Kontakt intensive Hygienemaßnahmen zu ergreifen sind. • Patienten mit Delir: Dies kann insbesondere auf Stationen mit postoperativen Patienten eine Rolle spielen. Allerdings wird ein Delir nicht immer explizit dokumentiert und ist damit auch nicht einfach aus dem Informationssystem auslesbar. Dieser Parameter sollte also nur dann genutzt werden, wenn aktuell schon eine auslesbare Dokumentation erfolgt.

3807  Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung

Abgesehen von PPR-Graden und den Fachdisziplinen sollten alle anderen zusätzlichen Kriterien so kalibriert werden, dass bei einer durchschnittlichen Belegung kein Aufschlag erfolgt. Hierfür muss der durchschnittliche Zusatzaufwand für das zu betrachtende Kriterium bekannt sein. Bei PKMS-Patienten kann davon ausgegangen werden, dass dies durchschnittlich 100 Minuten über den Früh- und Spätdienst sind. Bei einer durchschnittlichen Dienstdauer von 7,7 Stunden und einer Basis-Besetzungskennzahl von 10 ergibt sich, dass je PKMS-Patient die Besetzungskennzahl um (((100 Minuten je PKMS-Fall/7,7 Stunden pro Dienst)/2 Dienstlagen)/10 Basis-Besetzungskennzahl =) etwa 1 Prozent schwankt. Diese Schwankung ist so gering, dass sich eine Einberechnung nur dann lohnt, wenn auch sehr hohe Schwankungsbreiten in der Belegung mit PKMSFällen vorliegen. Daher sollte vor der Aufnahme zusätzlicher Kriterien immer sorgfältig geprüft werden, inwiefern sich ein messbarer Unterschied in der Besetzungskennzahl ergibt. Hier liegt die Gefahr einer Scheingenauigkeit – nach dem Prinzip: „Wir nehmen möglichst viele Kriterien auf, um alle Eventualitäten zu berücksichtigen.“ Dadurch verkompliziert sich die Berechnung, die dann niemand mehr nachvollziehen kann – das Ergebnis wird dadurch aber nicht klarer. Besser ist es, sich auf wenige, dafür aber aussagekräftige Kriterien zu stützen, und das wichtigste Kriterium ist und bleibt immer noch die Belegung. Daher empfehlen wir, bei der Besetzungskennzahl möglichst eine Beschränkung auf die Fachdisziplin oder eine Gewichtung über die PPR-Minuten (im Pflegeheim über die Pflegegrade) vorzunehmen und alle anderen möglichen Kriterien nur nach kritischer Überprüfung zu berücksichtigen. Nun geht es zum Nenner des Bruches: den eingeteilten Diensten. Als Basis-Anrechnungsfaktor gilt immer die 3jährig examinierte Pflegekraft, welche zu 100 Prozent gezählt wird. Für abweichende Mitarbeiterqualifikationen können Abschläge von diesen 100 Prozent vorgenommen werden, wie Tab. 7.3 zeigt. Zudem sollten wiederkehrende Tätigkeiten wie Praxisanleitung, Study Nurse, Wundschwester, Pain Nurse, Stillberatung oder Hygienefachkraft miteinbezogen werden. Diese Mitarbeiter sind dann entweder in einem Dienst nicht vollständig in ihrem Bereich

Tab. 7.3  Anrechnungsfaktor für Mitarbeiter mit unterschiedlichen Qualifikationsprofilen Mitarbeitergruppe

Minimaler Anrechnungsfaktor

Maximaler Anrechnungsfaktor

Häufigster Anrechnungsfaktor

Schüler 1. Ausbildungsjahr

0 Prozent

25 Prozent

0 Prozent

Schüler 2. Ausbildungsjahr

25 Prozent

75 Prozent

50 Prozent

Schüler 3. Ausbildungsjahr

50 Prozent

100 Prozent

75 Prozent

Medizinische Fachangestellte

50 Prozent

100 Prozent

75 Prozent

Stationshilfen

50 Prozent

100 Prozent

75 Prozent

Hauswirtschaft

25 Prozent

75 Prozent

50 Prozent

7.2  Die Besetzungskennzahl: Wie man sie fortlaufend ermittelt

381

einsetzbar, oder aber sie werden bei der Einteilung grundsätzlich mit einem Anrechnungsfaktor berücksichtigt. Dies ist je nach Einrichtung sehr unterschiedlich, da die außerhalb des „Heimatbereichs“ eingebrachte Arbeitszeit unterschiedlich hoch ausfällt. Daher sollten hier individuelle Regelungen getroffen werden. Sofern ein Mitarbeiter in einem Dienst nicht im eigenen Bereich einsetzbar ist, so darf er auch nicht gezählt werden. Dazu zählen zum Beispiel Mitarbeiter im Betriebs-/Personalrat beziehungsweise der Mitarbeitervertretung, die an bestimmten Tagen oder stundenweise für ihre Tätigkeit in den Gremien freigestellt sind. Gleiches gilt für die Leitungskräfte, wenn diese (zeitweilig) nicht regulär im Stationsbereich mitarbeiten. Komplett können sie nicht mitgezählt werden, denn sie müssen ja auch ihren Leitungstätigkeiten wie Mitarbeitergesprächen, interdisziplinären Besprechungen und Organisationsentwicklung nachkommen. Auch hier muss eine individuelle, dem Haus angepasste Regelung gefunden werden. Beauftragte für Medikamentensicherheit, Strahlenwesen oder Qualitätsmanagement sollten hier jedoch nicht berücksichtigt werden. Auch wenn diese Aufgaben wichtig und häufig rechtlich notwendig sind, so sind sie in der großen Masse der Gesamt-Arbeitszeit aller Mitarbeiter so geringfügig, dass sie sich in der Regel kaum auf die Besetzungskennzahl auswirken würden. Ähnlich den Gewichtungsfaktoren bezüglich der belegten Betten sollte hier daher nur solche Fälle berücksichtigt werden, die sich auch signifikant auf die Besetzungskennzahl auswirken. Ein Mitarbeiter, der monatlich fünf Stunden für die Medikamentensicherheit aufwendet, macht sich in der Besetzungskennzahl nicht bemerkbar. Denn solche Tätigkeiten können meist gut in die auslastungsschwächeren Phasen gelegt werden. Wenn die Gewichtungsfaktoren geklärt sind und die Anzahl der anwesenden Mitarbeiter je Qualifikationsgruppe bekannt ist, kann eine gewichtete Ist-Besetzung errechnet werden. Nehmen wir wieder das Beispiel mit einer Soll-Besetzung von drei Frühdiensten. An einem Tag sind zwei examinierte Pflegekräfte (Gewichtung: 100 Prozent), ein Schüler im 3. Ausbildungsjahr (Gewichtung: 75 Prozent) und eine Stationshilfe (Gewichtung: 75 Prozent) im Frühdienst. In Summe sind somit (2 Examinierte × 100 Prozent + 1 Schüler 3. Jahr × 75 Prozent + 1 Stationshilfe × 75 Prozent =) 3,5 gewichtete Dienste besetzt. Bei 27 belegten Betten bedeutet dies, dass die Ist-Besetzungskennzahl bei (27 belegte Betten/3,5 gewichtete eingeteilte Dienste =) 7,7 Patienten je eingeteiltem Dienst liegt. Die Ziel-Besetzungskennzahl aus Abschn. 7.2.1 liegt für den Frühdienst bei 9 Patienten je eingeteiltem Dienst. Wenn eine Abweichung bis 20 Prozent toleriert wird, so liegt diese Besetzung im akzeptierten Bereich – obwohl nur zwei examinierte Pflegekräfte eingeteilt waren. Wenn keine Gewichtung der Besetzung vorgenommen würde, so ergäbe sich eine Besetzungskennzahl von (27 belegte Betten/4 besetzte Dienste = ) etwa 6,8 Patienten je besetztem Dienst, was unterhalb der tolerierten Bandbreite läge. Hätte man die nicht examinierten Kräfte hingegen bei der Besetzungskennzahl gar nicht berücksichtigt, hätte die Ist-Besetzungskennzahl (27 belegte Betten/2 besetzte Dienste =) 13,5 betragen und hätte Handlungsbedarf signalisiert, ohne dass dieser bestanden hätte. Einen Überblick über alle Gewichtungsfaktoren gibt Abb. 7.5.

3827  Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung

Abb. 7.5  Gewichtungsfaktoren für die Errechnung der Besetzungskennzahl

7.2.8 Der Einsatz der Besetzungskennzahl in der täglichen Personaleinsatzplanung Die Besetzungskennzahl sollte täglich – am besten mehrfach – überprüft werden, um zeitnah auf Auslastungs- und Besetzungsschwankungen reagieren zu können. Sinnvoll ist es dabei, wenn die Ermittlung der Besetzungskennzahl und die Ableitung von Maßnahmen von einer zentralen Stelle übernommen werden. Da diese Aufgaben eng mit dem Ausfallzeitenmanagement verknüpft werden sollten, bietet es sich an, die zentrale Personaleinsatzplanung damit zu betrauen (siehe auch Abschn. 5.5). Wenn es für das Ausfallzeitenmanagement einen Pool und damit einen Poolkoordinator gibt, kann er diese Aufgabe in Personalunion übernehmen (siehe auch Abschn. 5.4.2). Denn erst, wenn neben dem Ausfallzeitenmanagement auch die Besetzungskennzahl übergreifend koordiniert wird, ergeben sich Synergieeffekte. So kann es ja sein, dass trotz Ausfalls kein Handlungsbedarf besteht, da die Belegung entsprechend niedrig ist. Oder aber es liegt kein kurzfristiger Ausfall vor, die Belegung ist aber überdurchschnittlich hoch und daher muss trotzdem nachgesteuert werden. Dies kann auch bedeuten, dass Mitarbeiter im Rahmen von vereinbarten Flexi-Spielregeln über das Ausfallzeitenmanagement hinaus auf anderen Bereichen und Stationen aushelfen (siehe auch Abschn. 6.1). Es hat sich bewährt, die aktuelle Besetzungskennzahl zweimal täglich zu überprüfen. Zunächst für den Frühdienst, wenn die Ausfälle bekannt sind und auch die aktuelle Belegung eingepflegt wurde. Idealerweise erfolgt diese erste Überprüfung vor 08:00

7.2  Die Besetzungskennzahl: Wie man sie fortlaufend ermittelt

383

Uhr – eventuell auch schon für den Spätdienst. Die Reaktion sollte so zeitnah erfolgen, dass der Frühdienst insbesondere in den Hochlastphasen der Grundpflege noch ausgeglichen besetzt ist. Wenn der Vormittag für die Überprüfung der Spätdienst-Besetzungskennzahl zu früh ist, sollte dies nachmittags erfolgen. Bei frühzeitigen Krankmeldungen ist es möglich, gegen 14:00 Uhr die zweite Runde zu starten und Maßnahmen für den Nachmittag und Abend sowie gegebenenfalls die Nacht abzuleiten. Am Wochenende und eventuell auch am späten Abend – sofern sich dann regelmäßig große Veränderungen gegenüber der am Nachmittag festgestellten Besetzungskennzahlen ergeben – sollte diese Aufgabe an einen Mitarbeiter übertragen werden. Denn die konsequente Nutzung der Besetzungskennzahl darf nicht vor der Anwesenheit einer Person abhängen. Da sich meist jeder selbst der nächste ist und nur wenige Bereiche oder Stationen von sich aus anmelden, dass sie „Luft“ haben, muss auch in Abwesenheitszeiten des sonstigen Disponenten jemand auf die Einhaltung der Soll-Besetzungskennzahl achten. In einigen Häusern ist dies ein „Chef vom Dienst“. Das ist ein erfahrener Mitarbeiter, der dann neben seiner üblichen pflegerischen Tätigkeit die Steuerung der Besetzungskennzahl übernimmt. In größeren Häusern gibt es häufig einen Rufdienst für die Pflegedirektion. Die Aufgaben dieses Dienstes können dann um die Besetzungskennzahlsteuerung erweitert werden. Mit den heutigen EDV-Möglichkeiten besteht auch keine Notwendigkeit dafür, dass diese Aufgabe vor Ort erledigt werden muss. Wenn der Zugang zu den wichtigsten Kriterien (Bettenbelegung, eventuelle Gewichtungsfaktoren und das Dienstplanprogramm) auch von außen möglich ist, kann diese Aufgabe leicht in einen Rufdienst integriert werden. Sinnvoll ist es, für die Berechnung ein kleines Tool zu nutzen, in dem Abweichungen vom Soll-Zustand automatisch farbig gekennzeichnet werden. Hier lohnt sich die Einführung eines Ampel-Prinzips: Gelb steht dabei für die Überschreitung der Besetzungskennzahl (es werden also mehr Patienten von einer Pflegekraft betreut, als die Soll-Besetzungskennzahl vorgibt), rot für eine Unterschreitung (es werden also weniger Patienten von einer Pflegekraft betreut, als die Soll-Besetzungskennzahl vorgibt). Der Vorteil eines solchen Tools ist es, dass es die Berechnungen transparent macht und auch das Augenmerk auf die eigentlich Problematik lenkt: Nicht nur die Hochlastphasen sind problematisch – sondern gerade auch die Phasen mit niedriger Auslastung! Denn in diesen wird wertvolle Arbeitszeit verbraucht, die für die Hochlastphasen später nicht mehr zur Verfügung steht. Ein solches Tool kann auch den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden, um die Debatte um die Soll-Besetzung weiter zu objektivieren. Denn hierin sind die zugrunde gelegten Kriterien einfach nachvollziehbar. Auch die Frage nach den Besonderheiten der Patienten kann schnell entkräftet werden, wenn eine objektive Bemessungsgrundlage vorliegt. Zusätzlich sollte aber immer erläutert werden, warum bestimmte Kriterien nicht mit aufgenommen wurden. Die Gefahr der Scheingenauigkeit bei einer Vielzahl von Kriterien wurde in Abschn. 7.2.5 am Beispiel von PKMS-Patienten erläutert. Dies sollte auch den Mitarbeitern vermittelt werden.

3847  Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung

Neben den Pflegekräften sollten auch andere Mitarbeitergruppen Zugriff auf die Auswertung haben. Dann ist auch für diese nachvollziehbar, warum bestimmte Maßnahmen ergriffen wurden und bei der Priorisierung einiger Aufgaben andere Tätigkeiten nicht oder nicht zeitnah erledigt werden (siehe auch Abschn. 5.2). Für die Ärzte ist dies relevant, wenn beispielsweise die Visite nicht oder nur eingeschränkt von den Pflegekräften begleitet wird. Der Transportdienst muss informiert sein, wenn bestimmte, sonst von der Pflege übernommene Transporte von den eigenen Mitarbeitern durchgeführt werden sollen. Für die Hauswirtschaft hat dies Auswirkungen, wenn die Rückgabe der Essenswagen später als üblich erfolgt und so weiter. Um die Kontrolle der Besetzungskennzahl zu erleichtern, stellen wir im Folgenden ein kleines Tool vor, welches die aus unsere Sicht wichtigsten Aspekte vereint: Die Soll-Besetzungskennzahl hat eine tolerierte Schwankungsbreite, qualifikatorische Abschläge für einzelne Mitarbeitergruppen werden berücksichtigt und das Ergebnis wird nach einem Ampelprinzip farbig ausgewiesen, so dass der Handlungsbedarf schnell ersichtlich wird. ▶▶

Tool H – Monitoring der Besetzungskennzahl

In diesem Tool kann für bis zu 10 Stationen oder Bereiche die Besetzungskennzahl differenziert nach Früh-, Spät- und Nachtdienst berechnet werden. Um einen Abgleich zu ermöglichen, wird zunächst die Soll-Besetzungskennzahl je Bereich und Dienstlage definiert, wie Abb. 7.6 zeigt. Die Soll-Besetzungskennzahl kann dabei nach den Wochentagen Montag bis Freitag sowie Samstag/Sonntag/Feiertag differenziert werden. Dies ist sinnvoll, da am Wochenende die Besetzungskennzahl häufig etwas höher liegt als unter der Woche. Dies hat zum einen mit der gewünschten abgesenkten Wochenendbesetzung zu tun, um den Mitarbeitern mehr freie Wochenenden zu ermöglichen. Zum anderen liegt dies aber insbesondere daran, dass am Wochenende weniger Tätigkeiten durchgeführt werden (keine Visitenbegleitung, keine prä- und postoperativen Versorgungen), so dass eine Pflegekraft auch mehr Patienten oder Bewohner versorgen kann. Zudem können hier neben examinierten Pflegekräften noch zwei weitere Qualifikationsgruppen angegeben werden, deren Einsatz gewichtet bewertet werden soll (siehe hierzu auch Abschn. 7.2.5). Der Gewichtungsfaktor kann dabei je Station frei gewählt werden – wenn gewünscht, auch unterschiedlich je nach Dienstlage. Zuletzt kann ein Toleranzbereich angegeben werden, in dem die tatsächliche Besetzungskennzahl schwanken darf. Üblicherweise wird die Abweichung nach oben und unten gleich groß gewählt, sie kann aber auch nach Bedarf differenziert werden. Dieser Toleranzbereich gilt für alle Stationen. Nun gibt es jeweils ein Tabellenblatt für die Wochentage Montag bis Freitag sowie Samstag/Sonntag/Feiertag, in dem die tatsächliche Bettenbelegung und das eingesetzte Personal eingetragen werden. Letzteres kann natürlich nach den drei vorab definierten Qualifikationsgraden differenziert werden, wie beispielhaft für Montag bis Freitag gezeigt. Auf dieser Basis ergibt sich, wie in Abschn. 7.2.5 dargestellt, die Besetzungskennzahl. Zunächst wird nochmals angezeigt, in welchem Rahmen sie sich auf Basis der definierten

7.2  Die Besetzungskennzahl: Wie man sie fortlaufend ermittelt

385

Abb. 7.6  Tool H (Auszug) – Tabellenblatt „Grunddaten“ (Tool mit Springer Nature More Media App ansehen)

Soll-Besetzungskennzahl und dem Toleranzbereich bewegen sollte. Ist und Soll-Ist-Differenz zeigen dann an, ob die angestrebte Besetzungskennzahl eingehalten wird. Ist dies der Fall, färben sich die beiden Felder grün. Liegt die Besetzungskennzahl über dem angestrebten Niveau, werden also weniger Patienten als angestrebt von einer Pflegekraft versorgt, färben sich die Felder rot. Liegt sie über dem angestrebten Niveau, werden also mehr Patienten von einer Pflegekraft versorgt als angestrebt, färben sich die Felder gelb. Die Differenz zeigt an, wie viele Patienten mehr oder weniger als im Durchschnitt angestrebt von einer Pflegekraft betreut werden. Verändert sich nun infolge von arbeitszeit- oder einsatzorganisatorischer Maßnahmen die Besetzung, so kann diese wiederum korrigiert werden und die Besetzungskennzahl passt sich entsprechend dem neuen Niveau an. Im Beispiel Abb. 7.7 ist in der Station „Innere I“ ein Spätdienst ausgefallen. Daher schnellt die Besetzungskennzahl auf 20,0

3867  Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung

und damit in den roten Bereich. Zugleich ist sie aber in der Station „Innere II“ mit 9,4 zu niedrig. Es kann also ein Ausgleich der Spätdienstbesetzung zwischen den beiden Stationen erfolgen – zum Beispiel, indem der Schüler die Station „Innere I“ unterstützt. In der Station „Chirurgie“ ist ebenfalls im Spätdienst ein Dienst ausgefallen. Hier wäre im Rahmen des Ausfallzeitenmanagements die Indikation für einen Vertretungsbedarf gegeben – zum Beispiel durch Einsatz eines Joker-Dienstes.

Zusammenfassung 

Die Besetzungskennzahl stellt ein objektives Kriterium für Arbeitsdichte und Betreuungsqualität dar, wenn ihre Schwankungen im Zeitablauf betrachtet werden. Erst aus dem Zusammenspiel von Belegung und Besetzung lässt sich ableiten, ob Handlungsbedarf bei der Steuerung des Personaleinsatzes besteht. Die Kennzahl wird eingehalten, wenn sich die Schwankungen der Ist-Besetzungskennzahl innerhalb einer bestimmten

Abb. 7.7  Tool H (Auszug) – Tabellenblatt „MO-FR“

7.3  Fortlaufendes Monitoring statt Gefährdungsanzeigen

387

Toleranz-Bandbreite halten lassen. Überschreitet die Ist-Besetzungskennzahl diese Bandbreite, besteht in der Regel Handlungsbedarf. Da sich die Besetzung aber insbesondere durch kurzfristige Ausfälle verändert, ist eine zentrale Koordination in Verbindung mit dem Ausfallzeitenmanagement sinnvoll. Denn nur in der Sicht über mehrere Bereiche oder Stationen ist es möglich, überhaupt sinnvolle Personaleinsatzentscheidungen zu treffen. Die Besetzungskennzahl sollte sehr einfach gehalten werden und nur die Anzahl der belegten Betten in Relation zur aktuellen Besetzung setzen – um den Aufwand ihrer Ermittlung gering zu halten und um Scheingenauigkeiten zu vermeiden. Meist ist eine gewisse verfeinerte Besetzungskennzahl sinnvoll, insbesondere hinsichtlich der Kriterien Fachdisziplin der Station, Berücksichtigung des Schweregrads durch PPR-Einstufungen (Krankenhaus) oder der Pflegegrade (Pflegeheim) sowie der Mitarbeiterqualifikation – beispielsweise unterschieden nach examinierten Pflegekräften, Stationshilfen und Schülern. Weitere Aspekte wie PKMS-Fälle, Delir oder Isolation sollten also nur dann berücksichtigt werden, wenn sie in sehr unterschiedlichen Größenordnungen vorkommen und tatsächlich einen großen Einfluss auf die Besetzungskennzahl haben. Die Kriterien wie auch die tägliche Besetzungskennzahl sollte allen Mitarbeitern – und auch anderen Berufsgruppen – zur Verfügung gestellt werden. Damit erhöht sich die Transparenz des Personaleinsatzes. Gleichzeitig werden Diskussionen über Belastungen auf eine objektive Basis gestellt. Die Informationen sollten in einem einfachen Tool gebündelt werden, das schnell (idealerweise automatisch) zu befüllen ist und übersichtlich alle Informationen zusammenfasst. Damit ist nicht nur den Mitarbeitern geholfen, sondern auch dem (zentralen) Koordinator des Personaleinsatzes, der schnell und evidenzbasiert die richtigen Entscheidungen treffen kann.

7.3

Fortlaufendes Monitoring statt Gefährdungsanzeigen

7.3.1 Das Phänomen der Gefährdungsanzeigen Die Zahl der Gefährdungsanzeigen – vielfach auch als Überlastungsanzeigen bezeichnet – nimmt in der Pflege noch immer zu. Die Gründe hierfür sind vielschichtig, aber häufig nicht an der Oberfläche zu erkennen. Prinzipiell können Gefährdungsanzeigen in allen Branchen und von allen Arbeitnehmern geschrieben werden, denn Arbeitnehmer sind nach § 15 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, „für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen […] [und] auch für die Sicherheit und Gesundheit der Personen […], die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind.“ Der Arbeitgeber selbst hat Interesse daran, über solche Situationen informiert zu werden. Allerdings ist hierfür die Gefährdungsanzeige (von der im Arbeitsschutzgesetz übrigens nirgends die Rede ist) das falsche Instrument. Sie kann sogar Schaden anrichten:

3887  Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung

• Vergangenheitsorientierung: Gefährdungsanzeigen werden oft erst im Nachhinein geschrieben und an die Führungskräfte weitergeleitet. Die Gefahrensituation ist dann bereits vorüber und wurde nicht zeitnah gelöst. • Problemorientierung: Gefährdungsanzeigen sind problem- und nicht lösungsorientiert. Der Mitarbeiter fühlt sich (fälschlicherweise) von möglichen Fehlern entlastet und nicht in der Verantwortung, die Situation selbstständig zu meistern. • Branchenspezifik: Zudem ist auffällig, dass Gefährdungsanzeigen tatsächlich ein branchenspezifisches Phänomen sind: Während Pflegekräfte 2 Prozent aller abhängig Beschäftigten in Deutschland ausmachen, so finden sich über 40 Prozent der Top-100Einträge bei Google von ihnen [1]. Hier scheint eine strukturelle Schieflage vorzuliegen, die genauer beleuchtet werden sollte.

7.3.2 Ursachen für Gefährdungsanzeigen In Gefährdungsanzeigen werden üblicherweise folgende Punkte genannt, die jedoch durch noch mehr, nicht offen kommunizierte Gründe komplementiert werden, wie Abb. 7.8 zeigt [1]: • Gefahrenprävention und -bekämpfung: Der Mitarbeiter macht auf mögliche Gefahren aufmerksam. • Haftungsentlastung: Durch die Beschreibung der Situation und der Gefahren erhofft sich der Mitarbeiter haftungsrechtliche Entlastung, sollte in der Situation ein Fehler verursacht worden sein. • Sorge um Gesundheit der Patienten/Bewohner und Kollegen: In vielen Gefährdungsanzeigen werden Situationen geschildert, die zu möglichen Gefährdungen der Patienten/Bewohner und Kollegen führen könnten. Dies sind nicht immer konkrete Fälle, sondern häufig auch der Hinweis darauf, dass eine Dauerbelastung vorliege. • Hinweis auf arbeitsorganisatorische Probleme: Arbeitsabläufe können nicht in der gewünschten Form erfolgen. Möglicherweise entfallen auch Tätigkeiten. Vielfältiger als die tatsächlich genannten Gründe für die Gefährdungsanzeige und häufig auch der eigentliche Auslöser für das Schreiben dieser sind die unter der Oberfläche kommunizierten Aspekte: • Ausdruck von Unzufriedenheit und Frustration: Das Berufsbild der Pflege wandelt sich, gefragt sind in vielen Fällen eher technische Fähigkeiten und nicht mehr die „emotionale helfende Hand“. Für einen Großteil der Pflegekräfte ist aber der Wunsch des Helfens das ausschlaggebende Kriterium für die Berufswahl gewesen. Diese Diskrepanz zwischen pflegerischem Selbstbild und Berufsrealität kann frustrieren und unzufrieden machen.

7.3  Fortlaufendes Monitoring statt Gefährdungsanzeigen

389

Abb. 7.8  Der Gefährdungsanzeigen-Eisberg

• Wunsch nach erhöhter Wertschätzung: Pflegekräfte fühlen sich oft nicht wertgeschätzt – eine Selbsteinschätzung, die beispielsweise aus sämtlichen Umfragen zur gesellschaftlichen Wertschätzung unterschiedlicher Berufsgruppen in der Gesellschaft überhaupt nicht bestätigt werden kann. Hier sind Pflegekräfte neben Ärzten immer besonders hoch eingestuft. Auch in der Höhe der Vergütung im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen schlägt sich (derzeit noch mit Ausnahme der Altenpflege) eine mangelnde Wertschätzung nicht nieder. Hier scheint es vielmehr ebenfalls um eine Diskrepanz zwischen Anspruch an das eigene Berufsbild und der Arbeitswirklichkeit zu gehen. • Ablenkung von persönlicher psychischer beziehungsweise physischer Überforderung; Rechtfertigung für verursachte Fehler; Angst vor künftigen Fehlern: Dies ist nicht nur in der Pflege verbreitet, sondern eine breite gesellschaftliche Tendenz: Statt die Ursachen für Fehler bei sich selbst zu suchen, wird der äußere Druck hierfür verantwortlich gemacht. Dies geschieht häufig weder bewusst noch böswillig, ist aber ein entscheidender Teil dessen, warum Gefährdungsanzeigen so gefährlich sein können. Statt Ursachen zu beheben, werden lediglich die Probleme beschrieben und weiter fortgeschrieben. • Druckmittel für die Durchsetzung berufs- und gewerkschaftspolitischer Forderungen: Die meisten Gefährdungsanzeigen weisen darauf hin, dass das Personal nicht ausreiche. Dies kann bei Fehlplanung und Überschreitung der Soll-Besetzungskennzahl (Abschn. 7.2) durchaus begründet sein. Häufig geht es aber darum, grundsätzlich mehr Personal auf der Station oder im Pflegebereich einzustellen, was mit der

3907  Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung

(berufs- und gewerkschaftspolitischen) Forderung nach mehr Pflegekräften einhergeht. Dieser Instrumentalisierung sind sich die Pflegekräfte gar nicht immer bewusst. Ein gehäuftes Auftreten von Gefährdungsanzeigen ist nicht gleichzusetzen ist mit einer dauerhaften Überlastungssituation für die Mitarbeiter. Das zeigt schon die Ballung solcher Anzeigen in einigen wenigen Häusern und dort oftmals auf wenigen Stationen, ohne dass diese vergleichsweise besonders enge Stellenpläne aufweisen. Es ist daher wichtig, insbesondere auch die unausgesprochenen Motive für die Erstellung zu kennen und diesen intern nachzugehen. Nur dann kann adäquat reagiert werden – und dies bedeutet nicht, diese bürokratisch korrekt abzuarbeiten. Vielmehr kommt es darauf an, proaktiv vor oder während einer möglichen Überlastungssituation zu reagieren. Dabei sollten wiederum „harte Fakten“ zugrunde gelegt werden: Zum einen die Soll-Besetzung, zum anderen die Besetzungskennzahl. Wie dies funktioniert, zeigen Abschn. 7.3.3 und 7.3.5.

7.3.3 Fortlaufendes Monitoring der Besetzungsstärken Der häufigste Grund für Gefährdungsanzeigen ist die Klage, dass zu wenig Personal vorgehalten werde. Dies kann natürlich durch kurzfristige Ausfälle ausgelöst worden sein, wobei hier durch ein Ausfallzeitenmanagement (Kap. 5) und die tägliche, zeitnahe Überprüfung der Ist-Besetzungskennzahl (Abschn. 7.2) gegengesteuert werden sollte. Wenn jedoch bereits in der Planung ein Fehler vorliegt, so muss auch dies klar werden und mit dem Dienstplaner besprochen werden.

7.3.4 Monitoring von Soll- und Ist-Besetzung In den meisten Dienstplanungsprogrammen ist ein Abgleich der geplanten Besetzung mit der Soll-Besetzung möglich. Häufig fehlen jedoch grafische Auswertungen, es wird vielmehr nur angezeigt, ob die Soll-Besetzung je Kalendertag eingehalten wurde oder nicht, und in den meisten Fällen wird auch nicht markiert, wenn die Soll-Besetzung überschritten wurde! Da aber gerade dies ein Problem ist, kann es sich lohnen, die geplante Besetzung und die Soll-Besetzung nochmals in einem kleinen Excel-Tool einander gegenüberzustellen. Dienstpläne dürfen immer nur dann freigegeben werden und in Kraft treten, wenn an allen Tagen die Soll-Besetzung eingehalten wird. ▶▶

Tool I – Monitoring der Dienstplanung

Im ersten Tabellenblatt „Grunddaten“ (Abb. 7.9) wird die Soll-Besetzung definiert, die im weiteren Verlauf als Referenzgröße gilt. Sie kann für bis zu acht unterschiedliche Dienste differenziert nach allen Wochentagen sowie den Feiertagen und Vorfesttagen Heiligabend und Silvester eingegeben werden. Hier sollte auch die zu betrachtende Station oder die zu

7.3  Fortlaufendes Monitoring statt Gefährdungsanzeigen

391

betrachtende Einheit hinterlegt werden, um bei Nutzen des Tools für mehrere Bereiche den Überblick nicht zu verlieren. Um den Vergleich mit der Soll-Besetzung zu ermöglichen, ist hierbei wichtig zu wissen, welcher Wochentag betrachtet wird. Das ist natürlich von Kalenderjahr zu Kalenderjahr unterschiedlich. Daher kann hier ebenfalls das zu betrachtende Kalenderjahr ausgewählt werden, im Beispiel das Jahr 2018. Wir greifen wieder auf unser Muster-Beispiel zurück. Die Darstellung der Soll-Besetzung in Tool I ist identisch mit dem schon bekannten Beispiel aus Tool B. Im Tabellenblatt „Monitoring“ wird anschließend die tatsächliche geplante Besetzung monatsweise je Dienstlage eingetragen. Wichtig ist hierbei, nur die blauen Felder zu beschreiben, da ansonsten die hinterlegten Formeln und damit der Abgleich mit der Soll-Besetzung nicht mehr funktioniert. In den meisten Fällen kann die geplante Besetzung je Dienstlage sogar direkt aus dem Dienstplanprogramm herüberkopiert werden. Geplante Abweichungen von der Soll-Besetzung zeigen sich dann sofort: Wenn gegenüber der Soll-Besetzung in einer Dienstlage zu viele Mitarbeiter eingeteilt sind, färbt sich die entsprechende Zelle in der Spalte „Differenz“ gelb. Sind zu wenig Mitarbeiter eingeteilt, färbt sie sich rot. Außerdem wird die Höhe der Abweichung angezeigt. Abb. 7.10 zeigt als Ausschnitt den Monat Januar. Die Soll-Besetzung wurde hier sehr stabil eingehalten. Lediglich an wenigen Tagen weicht die Ist-Besetzung ab. Zum Beispiel ist am 08.01.2018 der Frühdienst um einen Dienst zu hoch, dafür der Zwischendienst um einen Dienst zu niedrig besetzt. Dies muss selbstverständlich kein Problem sein, wenn eine entsprechende Begründung vorliegt – etwa eine abweichende Besetzungsanforderung.

Abb. 7.9  Tool I (Auszug) – Tabellenblatt „Grunddaten“ (Tool mit Springer Nature More Media App ansehen)

3927  Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung

Abb. 7.10  Tool I (Auszug) – Tabellenblatt „Monitoring“

7.3.5 Die Besetzungskennzahl als wesentliches Kriterium für die Bearbeitung von Gefährdungsanzeigen Neben der planmäßigen Einhaltung der Soll-Besetzung ist insbesondere die zeitnahe Reaktion auf Veränderungen in der Ist-Besetzungsstärke besonders wichtig. Erfahrungsgemäß werden durch das bereits unter Abschn. 7.2.8 beschriebene Vorgehen bei Abweichungen der Besetzungskennzahl weniger Gefährdungsanzeigen geschrieben. Unabhängig davon sollte ein Standardverfahren zum Umgang mit Gefährdungsanzeigen etabliert werden: • Gespräch: Dazu zählt insbesondere, dass der Mitarbeiter kurzfristig mit der Führungskraft über das Geschehen sprechen kann. • Kennzahl: Dabei sollten immer die wichtigsten Kennzahlen bekannt sein – und dazu zählt sicherlich die Besetzungskennzahl. Häufig entspricht die gefühlte Belastung nicht der tatsächlichen. Dies liegt auch in der Natur der Sache, denn Menschen nehmen Belastung und Stress sehr unterschiedlich wahr und verarbeiten diese Situation ebenso unterschiedlich. Da aber in einem Unternehmen nicht alles auf Basis von Gefühlen entschieden werden kann, sollten die Zahlen immer offen in den Gesprächen – besser noch: täglich einsehbar für alle Mitarbeiter – kommuniziert werden.

7.3  Fortlaufendes Monitoring statt Gefährdungsanzeigen

393

• Ergriffene Maßnahmen: Wenn eine tatsächliche Abweichung der Ist- von der SollBesetzungskennzahl vorlag, ist mit dem Mitarbeiter zu besprechen, welche Alternativen ergriffen wurden. Dies betrifft insbesondere die Verschiebung von Tätigkeiten (Abschn. 5.2), aber auch den Einsatz von weiteren Instrumenten des Ausfallzeitenmanagements wie Arbeitszeit- (Abschn. 5.3) und Einsatzflexibilität (Abschn. 5.4). • Unterstützungsangebot: Wurden adäquate Maßnahmen ergriffen, der Mitarbeiter fühlt sich aber trotz allem überlastet, so muss ihm Unterstützung beim zukünftigen Umgang mit solchen Situationen angeboten werden. Dabei sollte auch die Eigenverantwortung gestärkt werden, schließlich ist eine Pflegekraft aufgrund ihrer Ausbildung prinzipiell in der Lage, die pflegerischen Tätigkeiten zu priorisieren beziehungsweise mit Hilfe einer Priorisierungsliste entsprechende Entscheidungen zu treffen. • Bewohner-/Patientenorientierung: Zudem sollte immer wieder darauf hingewiesen werden, dass eventuell nicht zufriedenstellende Arbeitsbedingungen an einem Tag nicht an die Patienten oder Bewohner weitergegeben werden dürfen. Man stelle sich vor, in einem Geschäft klagt eine Verkäuferin über die hohe Arbeitsbelastung gegenüber einem Kunden, der bereits seit zehn Minuten darauf wartet, dass er bedient wird. Dieser Kunde wird vermutlich nicht mehr in das Geschäft zurückkehren – und das zu Recht. Gleiches sollte auch im Pflegedienst gelten. Natürlich gibt es Tage, die stressiger sind und an denen die Arbeitsbelastung höher ist als durchschnittlich. Hier muss gegebenenfalls auch den Patienten und Bewohnern gegenüber kommuniziert werden, dass bestimmte Abläufe etwas anders als üblich sein werden. Das bedeutet aber nicht, dass dies zu einer Klage über das allgemein hohe Arbeitsaufkommen führen darf. Die getroffenen Maßnahmen sollten dazu beitragen, Gefährdungsanzeigen obsolet werden zu lassen. Denn ein nachträgliches Anzeigen einer Gefährdung hilft niemandem mehr, schließlich hätte ja in der Situation direkt reagiert werden müssen. Daher sollte die tägliche Überprüfung der Besetzungskennzahl oberste Priorität haben, um anschließend nötige Maßnahmen ableiten zu können – wenn nötig, in Rücksprache mit einer stets hierfür ansprechbaren Führungskraft.

Zusammenfassung 

Gefährdungsanzeigen treten gehäuft in der Pflegebranche auf, sind also ein Branchenphänomen. In ihnen werden neben offen ausgesprochenen Punkten – wie der Sorge um die Gesundheit und Belastung von Bewohnern/Patienten und Kollegen – auch viele unausgesprochene Punkte transportiert. Dies sind beispielsweise Unzufriedenheit und gefühlt geringe Wertschätzung, aber auch die Rechtfertigung für verursachte oder möglicherweise eintretende Fehler. Häufig wird als einzige Lösung der Einsatz von mehr Personal gesehen, Gefährdungsanzeigen werden für Forderungen instrumentalisiert, für die sie nicht vorgesehen sind. Zielführend sind Gefährdungsanzeigen kaum, denn sie werden immer im Nachhinein geschrieben und evaluiert. Dann ist die möglicherweise gefährliche Situation bereits vorüber. Immerhin kann dann für die Zukunft etwas gelernt werden. Sinnvoller

3947  Wissen, ob es „passt“: Von „gefühlter“ zu nachvollziehbarer Personaleinsatzplanung

ist es jedoch, proaktiv die Situation zu entschärfen. Dabei spielen wiederum Kennzahlen und ein regelmäßiges Monitoring eine große Rolle. Dazu muss darauf geachtet werden, dass die definierte Soll-Besetzung oder die vereinbarte Besetzungskennzahl täglich eingehalten wird, um mögliche Überlastungssituationen frühzeitig zu erkennen und zeitnah Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. So können Gefährdungsanzeigen obsolet werden, denn es wird schnell und effektiv auf auftretende Schieflagen reagiert.

Literatur 1. Leydecker J, Kutscher J (2017): Wenn Gefährdungsanzeigen zur Gefahr werden – Vier Säulen, die Gefährdungsanzeigen in der Pflege entbehrlich machen. In: CNE Pflegemanagement 01/2017, Stuttgart

8

Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung

8.1

Gute Dienstpläne einführen

8.1.1 Warum ein Sprung notwendig ist Einen guten Dienstplan entwickelt zu haben, reicht nicht: Entscheidend ist die Einführung in den praktischen Betrieb. Es gibt jedoch kein Kontinuum von Ideen, Zielen und Konzepten einerseits zur Umsetzung andererseits – dazwischen liegt ein Sprung. Er basiert auf der Entscheidung, den Dienstplan nun auszuprobieren. Diese Entscheidung muss fallen, weil sonst alles „Trockenübung“ bleibt und nichts Anwendung findet. Der Sprung trennt die notwendigen, oft kleinteiligen und mühseligen Vorüberlegungen, wie das Neue auszugestalten ist, vom Eintritt in den „Ernstfall“ – der Bewährung im „richtigen Leben“. Der Verhaltensmodus vor dem Sprung ist jedoch ein anderer als derjenige danach: Je länger das Projekt dauert, desto mehr versuchen die Beteiligten, Sicherheiten zu gewinnen, wie das Neue praktisch wirken soll – um dann doch der Unsicherheit gewahr zu werden, nicht zu wissen, wie das Neue praktisch wirken wird. Deshalb zögern viele Projektbeteiligte den Sprung hinaus. Auch dann, wenn alles gründlich durchdacht, bewertet und abgewogen wurde. Plötzlich kommt die Angst vor der Mühsal des Ernstfalls. Erst soll doch noch weiter abgesichert werden. Oder man möchte zunächst nur einzelne Teile umsetzen, um die Unsicherheit zu mildern. Und Einige verlässt der Mut ganz, angesichts der mit der Projektlaufzeit fast immer zunehmenden Bedenken gegen das Neue, die die Projektbeteiligten erreichen. Elektronisches Zusatzmaterial Dieses Kapitel (https://doi.org/10.1007/978-3-658-22581-0_8) enthält Dateien, die mit der kostenfreien Springer Nature More Media App aus dem IOS- und Android-Store downloadbar sind. Dazu einfach die Abbildungen, die das App-Logo tragen, scannen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Herrmann, C. Woodruff, Dienstplanung im stationären Pf legedienst, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22581-0_8

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3968  Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung

8.1.1.1 Entscheidungen müssen getroffen werden All dies ist verständlich – und zugleich falsch. Ohne den mutigen Sprung geht es nicht. Es bedarf der Setzung der Entscheidungsträger, es zu wagen, nachdem alle Pros und Contras abgewogen wurden. Je länger mit ihm gewartet wird, je zögerlicher man ihn angeht, je mehr man das Ergebnis in Einzelteile zerlegt, desto schlechter wird erfahrungsgemäß das Ergebnis der Umsetzung. Der Erfolg hängt nämlich nach unserer Erfahrung weit weniger davon ab, wie ausgefeilt die gefundenen Regelungen sind, sondern vor allem davon, ob man den Absprung ins Reale rechtzeitig und konsequent angeht. Der Spruch „man kann gar nicht genug kommunizieren“ war schon immer falsch, wenn er als Ausrede dafür herhalten musste, dass nicht entschieden wird. Nur ein Spruch ist noch fataler: „Wir müssen vorher alle Betroffenen für das Projekt gewinnen.“ Man hört ihn in dieser und abgewandelter Form gar nicht selten. Er ertönt als die sichere Erkennungsmelodie, dass aus einem Projekt nichts wird. Wer solchen Unfug glaubt, sollte den Weg zu guten Dienstplänen erst gar nicht antreten. Er sollte mit Management insgesamt nichts am Hut haben. Neues ist stets eine Sache von Minderheiten. Innovationen sind keine Konsensprojekte. Es heißt daher ja auch zu Recht: „Innovation im Konsens ist Nonsens.“ Können sich vor Umsetzung 10 bis 30 Prozent der Mitarbeiter für das Projekt begeistern, ist das ein guter Wert. Er entspricht in etwa der Quote der Mitarbeiter, die sich auch sonst für Neues begeistern können, das mit Anforderungen und Umgewöhnungen verbunden ist. Es ist also kein Zeichen eines scheiternden Projektes, wenn die Zahl der Fürsprecher vor dem Sprung auf diese Größenordnung geschätzt wird – es ist der Normalfall. Wer höhere Quoten erreicht, umso besser. Man wird aber die Quote der Begeisterten vor dem Sprung auch mit noch so viel Kommunikation nur in den seltensten Fällen zur Mehrheit steigern können. 8.1.1.2 Das Zeitbudget für Widerstandsmanagement begrenzen Eher wird man mit zeitraubender Überzeugungsarbeit die Gegner des Projektes ermutigen, denn sie haben von allen die meiste Zeit. Auch ihre Quote liegt üblicherweise im Bereich von 10 bis 30 Prozent. Die übrigen Mitarbeiter – in der Regel die deutliche Mehrheit – sind mehr oder weniger neutral und passiv eingestellt, sind wohlwollend oder stellen kritisch-konstruktive Fragen, lassen das Projekt auf sich zukommen und tragen bestenfalls die eine oder andere Idee bei. Die meisten Menschen orientieren sich daran, wie andere sich verhalten. Die Kritiker, besonders die Gegner, fallen mehr auf als die „Neutralen“ – und auch mehr als die Befürworter, indem sie energischer und beharrlicher auftreten. Deshalb binden sie oft um die 80 Prozent der Zeit und Energie der Projektbeteiligten. Man sollte darauf bedacht sein, diesen Aufwand zu reduzieren. Bestimmen Gegner den Diskurs, bleiben zu wenige zeitliche Ressourcen und Kräfte für die Klärung der konstruktiven Fragen. Auch wenn es gelingen mag, den einen oder anderen der Projektgegner zu gewinnen – werden Projekte deshalb verzögert, „wachsen“ eher mehr neue Kritiker nach als durch intensivierte Kommunikation gebunden werden können. Wartet man zu lange, kann vieles zerredet werden.

8.1  Gute Dienstpläne einführen

397

Deshalb bedarf es des Sprungs. Es ist die Aufgabe des pflegerischen Managements, als sinnvoll und notwendig erkannte Maßnahmen umzusetzen. Das Konzept ist nur die Grundlage. Wirksam wird es erst nach seiner Einführung. Deshalb sollte bereits in der Konzeptphase alles auf die Einführung ausgerichtet werden.

8.1.1.3 Die normative Kraft des Faktischen Schon einige Monate später, wenn das Neue läuft, werden viele der Beteiligten nicht mehr genau rekapitulieren können, worin die ganze Aufregung begründet lag. Wird man aktiv, stellen sich erste Erfolge ein, und die Sicht auf die Dinge wird optimistischer. Ist ein Jahr vergangen, wird man die meisten gewonnen haben. Die ewigen Miesepeter gewinnt man ohnehin für fast nichts. Und blickt man eine ganze Zeit später auf die Situation, beginnen viele, das nun längst etablierte neue, inzwischen schon wieder „alte“ Dienstplansystem zu verteidigen, wenn das Management mit wiederum neuen Ideen kommt. Personaleinsatzsysteme haben, wenn man nicht alles falsch macht, eine hohe Neigung zu Gewöhnungseffekten bei den Beschäftigten. Nach Dienstplänen arbeitende Menschen agieren allein schon deshalb konservativ, weil ihre Lebensumstände damit verknüpft sind, die nicht alle naselang geändert werden sollten. Daraus lässt sich zusammenfassend dreierlei lernen: • Wenige Innovatoren: Anfangs sind Neuerungen die Sache von wenigen, was das Management, wenn es nach reiflicher Ausarbeitung und Abwägung vom Konzept überzeugt ist, nicht davon abhalten darf, in die Umsetzung zu starten. • Wachsende Zustimmung: Je länger neue Modelle erprobt werden, desto höher ist die Zustimmung zu ihnen. • Seltene, aber grundlegende Änderungen: Man sollte die Mitarbeiter nicht damit überfordern, ständig neue Dienstplanmethoden zu erproben. Es ist besser, bestehende Dienstplanverfahren einmal einer grundlegenden Revision zu unterziehen als immer wieder daran herumzulaborieren. Insbesondere empfiehlt es sich eher, Gesamtpakete zu schnüren, als aus falschverstandener Rücksichtnahme die Mitarbeiter über längere Zeit mit immer neuen Einzelmaßnahmen zu konfrontieren.

8.1.2 Wie der Sprung leichter wird Es gibt eine Reihe von Empfehlungen, wie der Übergang von der Konzeption zur Einführung erleichtert werden kann. Es ist ja nicht möglich, Projektverläufe komplett zu steuern und vorauszusehen. Man muss mit Unwägbarkeiten rechnen. Die Ausgangssituationen unterscheiden sich, ebenso die Herausforderungen. Der im Betrieb miteinander eingeübte Umgang ist von Haus zu Haus sehr verschieden. Wir staunen oft, wie unterschiedlich Projekte auch bei ähnlich gelagerter Konstellation verlaufen. Wenn es auch keine Projektrezeptur geben kann, an die sich die Beteiligten einfach nur halten müssen, um zum Erfolg zu kommen: Von den Erfolgreichen kann man doch lernen, wie Wege aussehen, die den erforderlichen Sprung erleichtern.

3988  Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung

8.1.2.1

Sechs Projektphasen voneinander unterscheiden

1. Analysephase: Hier werden die Daten zusammengetragen und ausgewertet, die für eine Bewertung der Ausgangslage erforderlich sind. Hinweise dafür, welche das sind, haben wir in Kap. 2 und 7 geliefert. Dabei sollte der Grundsatz gelten: Messbares vor Beurteilbarem vor Subjektivem. Der rationale Kern der Fragestellung muss ergründet werden. Oftmals fehlt es schon hieran. Es sollte darauf geachtet werden, ein Projekt nicht auf Basis gefühlter Unzufriedenheit, generalisierter Einzelvorkommnisse oder unklarer Problemgemengelage zu beginnen. Für diese Phase sollte in einem mittelgroßen Krankenhaus mit einem Arbeitsaufwand von zwei bis drei Arbeitstagen kalkuliert werden. Man sollte es damit also auch nicht übertreiben. Die Konzentration auf wenige aussagekräftige Aspekte reicht vollkommen aus. 2. Strategie- und Zielfindungsphase: Hier wird – gleich in der Projektgruppe oder zunächst im engeren Managementkreis, empfehlenswerterweise aber sogleich unter Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung – der Sinn und Zweck des Projektes festgelegt. Dazu wird zu Beginn das Ergebnis der Analyse vorgestellt. Die verwendeten Daten und die präsentierten Fakten müssen für alle Beteiligten dieser Besprechungen verständlich und nachvollziehbar sein. Auf ihrer Grundlage muss Einvernehmen über Sinn und Zweck des Projektes hergestellt werden. Gute Dienstpläne, selbst wenn man genau definieren könnte, was sie ausmacht (was ja schon schwierig genug ist), sind ja kein Ziel an sich. Sie sind ein Instrument zur Zielerreichung. Eine starke Zielfokussierung richtet das weitere Projekt daran aus. Sie verhindert rein kompromisshafte Ergebnisse. Erst einmal muss jede Idee erlaubt sein, sofern der Ideengeber deutlich machen kann, in welcher Weise sie zu den vereinbarten Zielen beitragen kann. Es werden am Ende eines Projektes oft Kompromisse gemacht werden müssen – nicht jedoch gleich zu Beginn. Vor klarer Verständigung über Sinn und Zweck des Projektes darf es nicht fortgeführt werden. Eine überzeugende Projekt-„Story“, die auch über diverse Klippen noch „trägt“, sollte auf einem der beiden der folgenden Motive gründen: Entweder großer Handlungsdruck aufgrund nachvollziehbar erklärbarer Probleme oder eine attraktive, überzeugend kommunizierte Perspektive. Fehlt es an beiden Motiven, werden Veränderungsprojekte schwierig. 3. Konzeptionsphase: Hierfür sollte eine Projektgruppe gebildet werden, sofern sie nicht schon für die Zielfindung etabliert wurde. Die wichtigsten Regeln der Projektgruppenarbeit stellen wir weiter unten vor. 4. Entscheidungsphase: Das Projektgruppenergebnis wird als Empfehlung den Entscheidungsträgern vorgelegt. Bei Arbeitszeitprojekten sind dies das Management auf der einen Seite sowie der Betriebsrat (beziehungsweise Personalrat oder Mitarbeitervertretung) auf der anderen Seite. 5. Umsetzungsvorbereitungsphase: Nun kommen die ausgearbeiteten Regelungen zur konkreten Anwendung, indem Dienstpläne erstellt werden und die weiteren vereinbarten Instrumente in die Personaleinsatzplanung eingebaut werden – etwa das Ausfallzeitenmanagement. Zudem findet in dieser Phase die Information und Schulung von

8.1  Gute Dienstpläne einführen

399

Mitarbeitern und Führungskräften statt. Und schließlich sind parallel ggf. technische Voraussetzungen zu schaffen – insbesondere am PEP-System. 6. Erprobungsphase: Der Sprung wurde gewagt, nun kommt es darauf an, wie die neuen Dienstplanverfahren begleitet werden. Besonders am Anfang gibt es zahlreichen Nachsteuerungsbedarf und viele Fragen.

8.1.2.2 Klare, erreichbare und überprüfbare Zielsetzungen Die Ziele müssen so klar sein, dass ihr Erreichungsgrad am besten gemessen, mindestens aber objektiv beurteilt werden kann. Einige Beispiele: • Arbeitszeit-„Altlasten“ in Form aufgelaufener Zeitguthaben sollen innerhalb von 24 Monaten ab Einführung um 80 Prozent abgebaut werden. • Abrufe aus dem Frei sollen binnen des ersten Umsetzungsjahres um mindestens 50 Prozent zurückgeführt werden. • Verstöße gegen arbeitszeitrechtliche Rahmenbedingungen sollen nach einem halben Jahr Übergangsfrist auf 0 zurückgehen. • Die Anzahl der Tage, an denen die Besetzungskennzahl außerhalb einer Toleranz von ± 20 Prozent liegt, soll um 25 Prozent zurückgeführt werden. • Die Anzahl der Überlastungsanzeigen soll binnen eines Jahres um 75 Prozent gesenkt werden. • Die Zahl der Dienste, an denen von der dienstplanmäßig eingeteilten Arbeitszeit abgewichen werden muss, soll 10 Prozent aller eingeteilten Dienste nicht übersteigen. • Der zeitliche Übergabeaufwand soll um 25 Prozent gesenkt werden. Hingegen raten wir von hübsch klingenden und daher leichter konsentierbaren, aber zugleich „windelweichen“ Zielen ab. Ebenso sollten Ziele, die durch das Projekt allein nicht hinreichend erreicht werden können, nicht gesetzt werden – jedenfalls nicht, ohne auch andere erfolgsentscheidende Maßnahmen zu ergreifen. In diese Kategorie gehören zum Beispiel „höhere Zufriedenheit“ oder „Senkung des Krankenstandes“. Diese Ziel-Kategorien wären zwar durchaus messbar. Dies gilt auch für die Zufriedenheit. Ihre Entwicklung lässt sich beurteilen, indem Mitarbeiterbefragungen vor und nach der Einführung neuer Dienstpläne durchgeführt und dann über den Vorher-Nachher-Vergleich etwaige Änderungen bemerkt werden. Doch ergeben sich drei Probleme: • Erstens ist es methodisch kaum leistbar, Kausalzusammenhänge zwischen Dienstplanänderungen und Zufriedenheit herzustellen, weil dafür alle anderen Faktoren, die eine Veränderung der Zufriedenheit im Zeitablauf ausgelöst haben können, isoliert werden müssten, was kaum machbar ist. • Zweitens wird unterstellt, dass gute Dienstplanung einen signifikanten Beitrag zur Erhöhung der Zufriedenheit oder zur Senkung des Krankenstandes leisten könne. Wir wissen, dass gute Dienstpläne durchaus dazu beitragen können. Wir wissen aber auch,

4008  Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung

dass gute Dienstpläne dazu führen können, weitere Bedürfnisse zu wecken, deren NichtRealisierbarkeit dann eher Unzufriedenheit fördert. Und ein Zusammenhang zwischen Krankenstand und Qualität der Dienstplanung ist empirisch (bislang) überhaupt nicht nachgewiesen worden. Vielmehr hängt der Krankenstand von diversen Faktoren ab, die mit der Dienstplanung überhaupt nichts zu tun haben. Insofern ist es spekulativ, welchen Beitrag gute Dienstpläne zur Krankenstandsenkung leisten können; siehe auch Abschn. 1.2.5. • Drittens sei ein grundsätzliches Argument genannt: Überfordert es nicht jede Organisation, wenn man zu ihrem wichtigsten Ziel erklärt, die Mitarbeiter zufrieden zu machen? Wir meinen, es ist sehr viel erreicht, wenn die Mitarbeiter an ihrer Arbeit selbst Freude haben. Dies beispielsweise könnte man durchaus zu messen versuchen (was sicherlich nicht weniger schwierig ist). Es sollte jedoch nicht mit dem Ziel der Zufriedenheit verwechselt werden. Es ist vielmehr das Gegenteil: Im ersten Fall macht es Freude, die Arbeit gut zu tun; im zweiten Fall erwarte ich Zufriedenheit, um die Arbeit gut tun zu können.

8.1.2.3 In kleiner Projektgruppe arbeiten Die Projektgruppe sollte sich • aus Vertretern des Pflegedienstes (neben der Pflegedienstleitung zwei bis drei Führungskräfte), • ein oder zwei Vertretern der Personalabteilung (der Personalleiter und/oder der Spezialist für das EDV-gestützte Personaleinsatzplanungssystem), • zwei bis drei Vertretern des Betriebsrats (analog: des Personalrats, der Mitarbeitervertretung) und • gegebenenfalls ein bis zwei Mitarbeitern, von denen konstruktive Beiträge erwartet werden können, zusammensetzen. • Hinzu kommt bei Bedarf eine interne oder externe Person, die die Moderation übernimmt. Bei Projekten größerer Tragweite sollte die Geschäftsführung Teil der Projektgruppe sein. Bei potenziell konfliktbehafteten Projekten kann es hingegen ratsam sein, die in der Entscheidungsphase Verantwortlichen nicht in die Projektgruppe einzubeziehen, um diesen später größere Entscheidungsspielräume vorzubehalten. Es genügen für die Arbeit der Projektgruppe üblicherweise folgende Regeln: • Häufigkeit der Arbeitsgruppentreffen: Sie trifft sich drei- bis maximal fünfmal im Abstand von jeweils zwei bis drei Wochen, so dass sie insgesamt nicht länger als circa zwei bis drei Monate benötigt, um mit ihrer Arbeit fertig zu werden. Dauert Projektarbeit länger, stimmt etwas mit dem Projekt nicht. Es hat dann meist keinen Zweck, sie

8.1  Gute Dienstpläne einführen











401

im selben Format fortzuführen. Möglicherweise ist ein kompletter Neustart erforderlich – unter Umständen mit teilweise anderen Beteiligten. Moderation: Ein Projektgruppenmitglied fungiert als Moderator und erstellt im Nachgang das Protokoll. In diesem werden nur die Ergebnisse, nicht jedoch Diskussionsverläufe, verworfene Ideen oder Zitate festgehalten. Zudem schreibt der Moderator das von Mal zu Mal ausgereiftere Konzept mit den Spielregeln der Dienstplanung und -steuerung nieder. Vertraulichkeit: Die Projektgruppe arbeitet grundsätzlich vertraulich. Dies bedeutet, dass Art und Umfang der zwischenzeitlichen Kommunikation aus der Projektgruppe heraus jeweils im Rahmen der Projektbesprechungen konsentiert werden. „Hausaufgaben“: Zwischen den Projektgruppensitzungen werden vereinbarte Arbeitsaufträge abgearbeitet. Dazu können vertiefte Analysen, Berechnungen und Kalkulationen gehören. Vor allem aber müssen beispielhaft Dienstpläne anhand erwogener oder bereits vereinbarter Regeln und Methoden erstellt werden, um diese auf Praxistauglichkeit hin zu erproben. Diese Arbeitsaufgaben werden jeweils persönlich adressiert und mit Erledigungsfristen versehen. Vorbereitung: Unvorbereitete Teilnahmen von Projektbeteiligten werden nicht geduldet. Eine Vertretung bei Abwesenheit findet nicht statt, um nicht jedes Mal neue Beteiligte „abholen“ zu müssen. Ergebnis: Die Projektgruppe endet mit einer schriftlichen Entscheidungsvorlage für Geschäftsführung und Arbeitnehmervertretung in Form der Konzept-Endfassung.

8.1.2.4 Beteiligungsorientiertes Projektverfahren Die mögliche Einbeziehung weiterer Mitarbeiter über die Projektgruppe hinaus während der Konzeptphase sollte im Rahmen der Projektgruppe besprochen werden. Folgende Beteiligungsformen haben sich bewährt: • die frühzeitige Kommunikation über Sinn und Zweck des Projektes sowie über die Vorgehensweise; • die zeitweilige Einbeziehung einzelner Mitarbeiter und Führungskräfte in die Projektgruppenbesprechung, um spezifische Erkenntnisse zu gewinnen oder Teilaspekte substanziell zu vertiefen; • die in der Projektgruppe abgestimmte schriftliche Zwischeninformation (möglicherweise auch in Form eines Projekt-Newsletters); • Feedbackgespräche mit ausgewählten Mitarbeitern, um Rückmeldungen zu ersten Erkenntnissen einzuholen; diese Gespräche sollten jedoch in der Regel vertraulich gehalten werden. Zudem muss gegenüber den Gesprächspartnern während der laufenden Projektarbeit auf den vorübergehenden Charakter der Ideen hingewiesen werden; • Sprechstunden für interessierte Mitarbeiter vor Umsetzung zur Beantwortung von Einzelfragen.

4028  Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung

Abzuraten ist hingegen von folgenden Beteiligungsformen: • eine tröpfchenweise Kommunikation von Halbfertigkonzepten in die Mitarbeiterschaft hinein; diese ist geeignet, Gerüchte auszulösen oder zu verstärken; • selektive Kommunikation mit einzelnen Dritten ohne Abstimmung in der Projektgruppe; • Fragebogenaktionen; sie können Erwartungen auslösen, die dann möglicherweise nicht einzulösen sind, bieten in der Regel – bezogen auf ihren Aufwand – deutlich zu wenig Erkenntnis, und sie suggerieren Beteiligungsintensitäten, die die Entscheidungskompetenz der Verantwortlichen untergraben.

8.1.2.5 Lösungsorientiert denken Veränderungsprozesse sind oftmals vorrangig problemorientiert angelegt. Die Lösungen werden weniger herausgestellt als die Probleme. Destruktives Denken ist aber für Projekte zerstörerisch. Es sollte daher so schnell wie möglich eingestellt werden. Positives, lösungsorientiertes Denken im Sinne eines optimistischen Blicks auf die Dinge wird durch folgende Maßnahmen unterstützt: • Bewährtes: In neue Vorschläge werden vorhandene Stärken und Bewährtes integriert. Dies erleichtert auch die Umsetzung, denn es ist einfacher, auf vorhandene Stärken aufzubauen, als ausschließlich Defizite, die erst beseitigt werden müssen, beziehungsweise bislang fehlende Stärken, die erst aufgebaut werden müssen, zu betonen. Beispielsweise wird im Zusammenhang mit der Entwicklung eines systematischen Ausfallzeitenmanagements oftmals verkannt, dass es Menschen gibt, die durchaus bereitwillig und gerne aus dem Frei einspringen. Es ist daher naheliegend, auch die positiven Seiten bisheriger Dienstplanverfahren betonen zu können. • Zukunftsblick: Über das, was geändert werden soll, wird nicht der Stab gebrochen. Die meisten Dinge waren nützlich und sinnvoll zu dem Zeitpunkt, als man sie einführte. Die Frage kann daher eher so gestellt werden: Was von dem, was wir heute tun, würden wir nicht noch einmal tun, wenn wir es nicht schon täten? • Ideenorientierung: Sämtliche Ideen dürfen im Projektverfahren zunächst geäußert werden, auch wenn andere sie ablehnen. Der Ideengeber muss nur zeigen können, dass die Idee zur Zielerreichung beiträgt. • Realismus: Die Projektmitglieder sollten realistische Erwartungen bezüglich der „Euphorie“ der Beteiligten haben. Es kann zu Enttäuschungen der Projektverantwortlichen beitragen, wenn die Resonanz auf ihr Tun eher kritisch ist. Solche Stimmungslagen sind aber normal: Zum einen sitzen in der Projektgruppe überwiegend Akteure, die dem Thema offener gegenüberstehen als der Durchschnitt der Belegschaft. Zum anderen macht die Beteiligung in einer konstruktiven Projektgruppe an sich zufriedener, denn je mehr man sich mit einer Sache befasst und je gründlicher man es tut, desto interessanter wird sie. Gleichwohl hat es sich in der Regel nicht bewährt, als besonders kritisch bekannte Mitarbeiter oder Führungskräfte in die Projektgruppe einzubeziehen, um sie auf diese Weise zu „überzeugen“ – zur Ausnahme von dieser Regel kommen wir weiter unten.

8.1  Gute Dienstpläne einführen

403

8.1.2.6 Begrenztes Projekt-Zeitbudget Budgets sind das einzige Mittel, um Ressourcen produktiv zu machen. Das gilt auch für Projekte. Daher verwundert es, wie viele Projekte nicht zeitlich budgetiert sind – als müsse man erwartete Irrationalitäten und Störungen schon vor Beginn des Projektes antizipieren. Bei Projekten gilt im Großen, was unter Abschn. 6.1.2 im Kleinen für die Einhaltung dienstplanmäßig eingeteilter Dienste beschrieben wurde: Ohne eine im Voraus gesetzte zeitliche wie inhaltliche Eingrenzung wird daraus nichts. Je länger ein Projekt dauert und je aufwändiger das Verfahren, desto höher wird die Erwartungshaltung und desto lauter werden die Bedenken der notorischen Skeptiker. Sie haben stets den längsten Atem. Daher empfehlen wir, Projekte zeitlich klar im Voraus zu strukturieren, sich von Projektstörungen möglichst nicht aufhalten zu lassen und den selbst gesetzten Projektplan einzuhalten – auch durch fortlaufendes Controlling des Projektfortschritts anhand von Zwischenschritten und Meilensteinen. Zögerlichkeit und Unschlüssigkeit entmutigen die Befürworter und stärken die Gegner der geplanten Maßnahmen. Aus dem Ruder gelaufene Projekte sollten abgebrochen und komplett neu aufgesetzt werden – nach gründlicher Analyse der Ursachen. Gerade bei größeren Projekten mit einer Vielzahl von Themen, die zu Beginn wie ein Berg vor den Projektverantwortlichen liegen, empfiehlt es sich, das Projekt klar in beherrschbare Unterschritte aufzuteilen. Aufgabenstellungen in überschaubare Größenordnung zu zerlegen, wird auch als „Abschichten“ bezeichnet. Überschaubar ist ein Projekt, wenn Anfang und Ende klar erkennbar sind. Einige Beispiele für solche Abschichtungen: • In einem Projekt, in dem es um neue Dienstpläne für den Pflegedienst und den Funktionsdienst geht, beschließt die Projektgruppe vorsorglich, die Projektthemen beider Berufsgruppen zeitlich nacheinander abzuarbeiten. • In einem Haus wird das systematische Ausfallzeitenmanagement zuerst eingeführt. Erst anschließend geht man daran, die bisherigen Monatsdienstpläne auf durchlaufende Grunddienstpläne umzustellen. • Zunächst werden in einem Krankenhaus neue Dienstzeiten entwickelt und erprobt, mit deren Hilfe die eingeteilten Dienste weitestmöglich einzuhalten sind. Erst im zweiten Schritt wird das Dienstplanverfahren selbst überarbeitet.

8.1.2.7 Keine Pilotprojekte Von Pilotprojekten raten wir in fast allen denkbaren Konstellationen ab: • Ist man von der Richtigkeit einer Maßnahme nach reiflicher Abwägung und unter Einbeziehung der fähigsten Köpfe des Hauses überzeugt, gibt es keinen Grund dafür. Ist man nicht überzeugt, bringen auch Pilotprojekte nichts. • Die Anfangsprobleme der Umsetzung, auf die wir unten näher eingehen, sind nicht zu unterschätzen. Man wird daher entweder lange warten müssen, bis das Pilotprojekt „ausgerollt“ werden kann – nämlich dann, wenn sich die Umsetzung der Maßnahmen im Pilotbereich etabliert hat. Oder man wird riskieren müssen, dass das gewollte „Schaufenster“ aufgrund der Startschwierigkeiten gegenteilige, nämlich abschreckende Wirkung entfaltet.

4048  Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung

• Umgekehrt funktionieren auf ausgewählte Organisationseinheiten beschränkte Pilotprojekte oftmals „zu gut“, ohne dass dadurch Probleme beim anschließenden flächendeckenden Ausrollen geringer würden. Denn die Teilnehmer am Pilotprojekt wissen, dass alle auf sie schauen – und setzen daher für das Gelingen außerordentliche Energien frei, die im Pflegealltag jedoch nur selten aufgewendet werden können. • Die harten Kritiker und Gegner überzeugt auch ein Pilotprojekt nicht. Gelingt es, sagen sie: „Bei uns ist aber dies und jenes ganz anders.“. Gelingt es nicht, sagen sie: „Wir haben es ja gleich gewusst.“ • Es wird oftmals gegenüber breiter angelegten Projekten keine oder wenig Projektzeit gespart – schließlich muss man später erneut an das Thema „ran“. Dennoch wird als Argument für Pilotierungen oft vorgetragen, dass die Einführungsschwelle niedriger liegt, so dass die Beteiligten den Sprung rascher wagen. Das ist allerdings nur in wenigen Fällen wirklich so.

8.1.2.8 Gegner, Kritiker und Benachteiligte im Zaum halten Über Kritiker und Gegner haben wir zuvor schon einiges gesagt. Wir wollen hier nun etwas genauer differenzieren. Zunächst: Die Mehrheit der Mitarbeiter bewegt sich in einer eher passiven Mittelzone – sie sind weder ausdrücklich für noch ausdrücklich gegen arbeits(zeit)organisatorische Neuerungen. Sie orientieren sich vor allem daran, was die anderen machen. Sie sind mainstream-orientiert. Daher wird man sie nach der Umsetzung der Neuerungen gewinnen. Man kann sie aber auch verlieren, wenn ihnen gegenüber gezaudert wird. Denn ebenso, wie die Mehrheit die Chance zum praktischen Erleben des Neuen nutzt, kann sie zu unfruchtbaren Diskussionen verleitet werden, wenn eben diese „Kultur“ des Umgangs mit Projekten zum Mainstream geworden ist. Deswegen erleben wir zwischen den Häusern große Unterschiede in der Umsetzungskompetenz, die fast immer eng mit der Qualität der Führung korreliert. Jedem lösungsorientierten Menschen fällt auf, wie viele Menschen in der Lage sind, genau zu sagen (und dies auch zu begründen), was nicht geht, was nicht funktioniert, was falsch läuft. Man sollte sich damit nicht lange aufhalten. Es gibt zu fast allen Themen mehr Dagegen- als Dafür-Argumente. Das liegt in der Natur der Sache. Die Aufmerksamkeit sollte daher auf die Dinge gerichtet werden, die „gehen“. Hier setzt eine wichtige Unterscheidung an – zwischen Gegnern, Benachteiligten und Kritikern. • Gegner: „Betroffene zu Beteiligten machen“ – solche und ähnliche Sinnsprüche sind im Umgang mit Gegnern die denkbar schlechteste Taktik. Gegner sind dies prinzipiell, es ist eine Persönlichkeitskonstante. Sie sind Argumenten gegenüber nicht zugänglich. Sie binden aber Projektzeit. Kommt nach Einführung eines Konzeptes von den Gegnern als Hauptvorwurf, es hätte aber wirklich mehr kommuniziert werden können, sollte man das als Lob verstehen. Meist hat man dann vieles richtig gemacht. Denn innerbetriebliche Kommunikation ist kein Selbstzweck – auch sie muss der Zielerreichung dienen. Gegner aber werden noch jeden „Haken“ suchen. Selbst wenn sie ihn noch nicht gefunden haben, „sagt“ ihnen ihre Lebenserfahrung, es müsse einen geben – schließlich war es die Geschäftsführung oder die Arbeitnehmervertretung oder

8.1  Gute Dienstpläne einführen

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die Pflegedirektion oder wer auch immer, die die Projektidee hatte. Andere wiederum erinnern sich plötzlich der vielen guten Seiten des derzeitigen Modelles – obwohl sie auch dieses zuvor gern kritisiert haben. Man muss Gegner im Zaum halten und darf sich von ihnen niemals erpressen lassen. An der Sache vorbeigehende Angriffe sollten unterbunden werden. • Kritiker: Anders verhält es sich mit Kritikern. Sie setzen an der Sache an, die sie anders sehen – oder (noch) nicht verstehen. Ihnen sollte Raum gegeben werden – am besten in kleinem Kreis oder in Einzelgesprächen (etwa im Rahmen der Projektsprechstunden oder in Form des Gesprächs mit der Führungskraft). Überzeugt man Kritiker, können aus ihnen die robustesten Befürworter der Maßnahmen werden. • Benachteiligte: Dies sind Mitarbeiter, die aus ihrer eigenen Perspektive berechtigte persönliche Gründe haben, gegen die Neuerung zu sein. Ein paar Beispiele: – Der Mitarbeiter hat sich beim Ausfallzeitenmanagement bislang „vornehm zurückgehalten“ – es hatten sich genügend andere gefunden, die bereit waren, bei Bedarf einzuspringen. Nachdem ein Stand-By-System eingeführt wurde, soll nun jeder seinen Beitrag leisten. (1) – Der Mitarbeiter hat an seinen Wunschtagen dienstplanmäßig immer freibekommen – jetzt soll er sich im Tausch mit den Kollegen verständigen müssen. (2) – Der Mitarbeiter verliert unständige Bezüge – etwa Überstundenzuschläge – im Zuge der Einführung, weil weniger Überstunden anfallen werden. (3) – Der Mitarbeiter wollte aufgelaufene Zeitguthaben nicht im Rahmen eines Abbauplans abbauen, sondern am liebsten vor Ausscheiden zu seinem vorgezogenen Einstieg in den Ruhestand einsetzen. (4) Die häufigsten Gründe für persönliche Benachteiligungen sind also entweder materieller oder sozialer Art. Es kostet Mühe, wird aber unvermeidlich sein, sich mit diesen Argumenten auseinanderzusetzen. Hierfür empfehlen sich vorrangig Einzelgespräche, um gruppendynamische Hochschaukelungseffekte zu vermeiden. Benachteiligte sollten Kritiker bleiben, aber nicht zu Gegnern werden. Folgende Möglichkeiten gibt es, mit den Benachteiligten umzugehen; sie sind auch miteinander kombinierbar: – Den Mitarbeitern wird begreiflich gemacht werden müssen, dass man auf individueller Ebene etwas opfern muss, wenn man auf der Gesamtebene etwas gewinnen will. Es geht um das für gute Dienstpläne wichtige Thema der Gerechtigkeit, das oftmals durch den Blick aus der eigenen Perspektive verzerrt wird und das den Blick auf die Gesamtheit der Mitarbeiter erfordert. – Für individuelle Besitzstände werden – auch wenn diese ohne rechtliche Grundlage sind – „weiche Landungen“ entwickelt. Greifen wir, um dies beispielhaft zu illustrieren, die obigen Beispiele auf – siehe die Nummerierung hinter den Beispielen: – (1) Die Vorteile einer gerechteren Verteilung der Vertretungseinsätze im StandBy-System werden dem Mitarbeiter eingehend erläutert. Es wird ihm gezeigt, welche Nachteile die Beibehaltung der derzeitigen Handhabung für andere Kollegen und für die Führungskraft haben. Die Auswirkungen auf die Dienstplanung werden ihm eingehend erklärt.

4068  Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung

– (2) Es wird dem Mitarbeiter angeboten, bei nicht erfolgreichem Tausch zumindest vorübergehend mit der Führungskraft nach einer anderen Lösung für den wunschfreien Tag zu suchen. Dem Mitarbeiter wird erklärt, dass andere Mitarbeiter durch vorrangige Berücksichtigung der Wünsche benachteiligt würden – sonst würde es ja auch in einem funktionierenden Tauschsystem ohne Probleme zum gewünschten Arbeitsfrei kommen. – (3) Dem Mitarbeiter werden die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erläutert. Ihm werden Möglichkeiten eröffnet, sich durch Zusatzeinsätze weiterhin unständige Bezüge zu verdienen – nicht aber auf bisheriger Basis (zum Beispiel in Form von Arbeitszeitverschiebungsprämien; siehe Abschn. 6.6). – (4) Dem Mitarbeiter werden die unter (3) genannten Argumente erklärt; erforderliche Rückstellungen für Arbeitszeitaltlasten schmälern die zukünftigen Spielräume für die Stellenbesetzung. Zudem wird der Abbauplan je nach Höhe des Volumens des Zeitsaldos und der persönlichen Präferenzen individuell mit dem Mitarbeiter vereinbart – auf der Basis von ein paar allgemeingültigen Grundsätzen. So könnte zum Beispiel eine Teilauszahlung auf Wunsch ermöglicht werden. Und der Abbauzeitraum kann gestreckt werden. Abb. 8.1 zeigt ein Beispiel aus einem Krankenhaus, in dem insgesamt hohe, bei einigen Mitarbeitern höhere dreistellige Zeitguthaben im Zuge eines „Neuanfangs“ bei der Dienstplanung in ein Altlastenkonto umgebucht wurden. Mit den Mitarbeitern ist nun – neben einer Teilauszahlung auf Wunsch – eine Vereinbarung getroffen worden, über welchen Zeitraum sich der Altlastenabbau erstrecken soll, wobei eine Laufzeit von maximal 36 Monaten zugelassen wurde. Zudem mussten mindestens fünf Stunden pro Monat abgebaut werden. Das auf dieser Grundlage entsprechend vereinbarte monatliche Abbaubudget wurde dann zum jeweiligen Monatsersten vom Altlastenkonto automatisch durch das PEP-System in das Zeitkonto umgebucht, um einen sukzessiven Abbau im Rahmen der Dienstplanung zu ermöglichen.

8.1.2.9 Mit Risiken umgehen Wichtige Entscheidungen sind mit Risiken verbunden. Dies ist unvermeidbar und an sich kein Grund, das Projekt abzusagen. Es kommt nur darauf, die Art des Risikos zu kennen. Zudem sollten Führungskräfte Risiko von Gefahr unterscheiden können. Dann kann man die Nebenwirkungen beurteilen – und im Rahmen der Umsetzung ein Auge darauf haben, um sie im Griff zu behalten. Zum Beispiel wird im Zusammenhang mit der Einführung eines systematischen Ausfallzeitenmanagements befürchtet, dass sich der Krankheitsstand erhöht. Die Arbeitshypothese hierzu lautet: „Wenn aufgrund der zur Verfügung stehenden Vertretungslösungen die Vertretung unaufwändig und automatisch bereitsteht, sinkt die Hürde der Mitarbeiter zur Krankmeldung, weil man ja die Kollegen, die sonst Minussalden aufbauen würden, nicht mehr im Stich lässt.“ Es ist nicht unplausibel, dass eine solche unerwünschte Nebenwirkung eintreten kann. Wir haben selbst Fälle erlebt, in denen das Ausfallzeitenmanagement

8.1  Gute Dienstpläne einführen

407

Abb. 8.1  Proportionaler Altlastenabbau

bereits kurze Zeit nach Einführung revidiert werden musste, nachdem es zu einem erhöhten Krankheitsaufkommen kam – freilich ohne dass in dem Fall untersucht worden war, ob das Ausfallzeitenmanagement dafür ursächlich war und ob dieser Effekt auch über längere Zeit angehalten hätte. Dennoch ist es ratsam, sich mit Risiken von neuen Dienstmodellen zu befassen, um angemessen reagieren zu können, wenn sie eintreten.

8.1.2.10 Gemeinsam kommunizieren, Führungskräfte gut informieren Die Projektkommunikation sollte unbedingt zwischen den Projektgruppenmitgliedern abgestimmt sein. Hinsichtlich größerer Zuhörergruppen sollte sie gemeinsam erfolgen – also durch beide Betriebsparteien. Bei der Kommunikation sollte immer wieder auf Sinn und Zweck des Projektes zurückgekommen werden. Auch ohne gesteuerte Kommunikation findet ja bei betrieblichen Arbeitszeitthemen ein reger, oftmals emotionaler Austausch statt. Gemeinsame Kommunikation verhindert aber, dass sich Gerüchte – die sich nie ganz vermeiden lassen – verselbstständigen und dass Beteiligte gegeneinander ausgespielt werden. Das Prinzip gemeinsamer beziehungsweise abgestimmter Kommunikation sollte

4088  Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung

vor allem bezüglich der Mitarbeiter-Information zu den Projektergebnissen gelten. Diese erfolgt, nachdem die Entscheidungsphase des Projektes abgeschlossen wurde – also im Rahmen der Umsetzungsvorbereitungsphase. Bezüglich der Führungskräfte, die nicht in die Konzeptionsphase einbezogen wurden, empfiehlt sich eine dreistufige Vorgehensweise: • Im ersten Schritt werden sie durch die Pflegedienstleitung über die Ergebnisse informiert, ohne dass dabei bereits letzte Details besprochen werden. Es werden aber Verständnisfragen geklärt. Der Sinn und Zweck der Maßnahmen sollte spätestens jetzt allen beteiligten Führungskräften bewusst sein. Diese Besprechung sollte kurz vor der Mitarbeiter-Information erfolgen. • Im zweiten Schritt werden die betrieblichen Führungskräfte eingehend in die Details eingewiesen. Sie können und sollten in diesem Rahmen offene Fragen besprechen. Ihnen kommt eine entscheidende Rolle im Umsetzungsprozess zu. Da sie die ersten Ansprechpartner für die Mitarbeiter sind, müssen sie über Ziele, Regeln und Werkzeuge am besten von allen Auskunft geben können. Es versteht sich von selbst, dass von Führungskräften – ist die Umsetzungsentscheidung durch das Management erfolgt und hat der Betriebsrat mitbestimmt – eine loyale Unterstützung der Umsetzung erwartet werden kann. Dies gilt auch, wenn sie von den Maßnahmen unmittelbar betroffen sind – etwa durch Neuverteilung der Aufgaben bei der Personaleinsatzplanung. Die Pflegedienstleitung achtet hierauf und bietet Einzelgespräche und Coachings im Fall von diesbezüglichem Klärungs- und Handlungsbedarf an. • Im dritten Schritt werden die Führungskräfte intensiv in die Umsetzungsvorbereitungsphase einbezogen – sei es durch Schulungen des „Handwerkzeugs“, sei es durch Gespräche mit den Mitarbeitern, sei es dadurch, dass sie einzelne Umsetzungsaufgaben übernehmen. Dieses Vorgehen gewinnt an Bedeutung, wenn sich im Zuge der Veränderung des Dienstplanverfahrens auch die Zuordnung der persönlichen Verantwortlichkeiten und Rollen bei der Dienstplanung verändert – etwa im Rahmen einer (teilweisen) Zentralisierung der Personaleinsatzplanung (Abschn. 5.4). Dann ist es unabdingbar, ein Einvernehmen mit den betreffenden Führungskräften herzustellen, bevor Ergebnisse an die Mitarbeiter kommuniziert werden. Sie sind es schließlich, die in der anschließenden Umsetzungsvorbereitungsphase besonders gefragt sind – und dazu muss zunächst ihre zukünftige eigene Rolle geklärt sein.

8.1.2.11 Kein „Kulturprojekt“ Arbeitszeitveränderungen stoßen Verhaltensänderungen an. Es empfiehlt sich jedoch nicht, solche Verhaltensänderungen anders anzusteuern als indirekt. Das bedeutet: Mitarbeitern und Führungskräften sollte die Gelegenheit eröffnet werden, neue Dienstplanmodelle

8.1  Gute Dienstpläne einführen

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umzusetzen, dadurch zu lernen und schrittweise ihre Verhaltensweisen darauf einzustellen. Nicht wenige werden sich hierauf zur eigenen Zufriedenheit einlassen. Hingegen werden Projekte, die eine wie auch immer zu verändernde „Kultur“ direkt in den Blick nehmen, deutlich überschätzt. Nach unserem Eindruck sind sie zudem überwiegend erfolglos. Wer die Substanz steuern kann, sollte nicht auf die Form ausweichen. Wer über Form, Stil und Kultur steuert, hat oft wenig Substanz. Wichtige Verknüpfungen sehen wir zu den Themen Führung und Prozessorganisation. Oftmals legen neue Dienstmodelle hier Handlungsbedarf offen. Diese Arbeitsgebiete sollten bei Bedarf begleitend angestoßen werden, um den Umsetzungsprozess zu unterstützen.

8.1.2.12 Begleiten, erproben und evaluieren Im Einführungsprozess bedarf es insbesondere dreier Maßnahmen: • Begleitung: Die Projektgruppe sollte (unter Umständen in abgespeckter Form, mindestens aber mit je einem Vertreter von Arbeitgeber und Betriebsrat) in den ersten Monaten der Umsetzung weiter bestehen bleiben. Sie steht für Rückfragen allen Beteiligten zur Verfügung. Sie klärt Fragen und Meinungsverschiedenheiten – möglichst einvernehmlich – und deeskaliert damit rechtzeitig. Sie entwirft für häufig gestellte Fragen Antwortkataloge (sogenannte FAQ-Listen) und veröffentlicht erste Erfahrungen im Rahmen von Projektnewslettern (zum Beispiel im Intranet). Sie schlägt bei Handlungsbedarf die Weiterentwicklung der Spielregeln vor beziehungsweise stößt zusätzlichen Schulungsbedarf an. Fortlaufende Verbesserungsbedarfe sind bei Projekten normal; der gleich vom Start weg gelungene „große Wurf“ ist hingegen selten. • Erprobung: Neue Dienstplanverfahren sollten erprobt werden. Wir empfehlen, dafür mindestens zwölf Monate vorzusehen – weil sich die Zustimmungsraten mit zunehmender Laufzeit erfahrungsgemäß deutlich erhöhen. Die Monate direkt nach dem Umbruch geben daher kein verlässliches Bild. Anfangs sind Umgewöhnungseffekte erforderlich, und nicht alles läuft glatt. Man erkennt das Gute ja nicht an seinen Wurzeln, sondern an seinen Früchten – und diese müssen reifen. Abb. 8.2 zeigt die typische Stimmungskurve bei Innovationsprojekten. Sie verdeutlicht, dass es in der Anfangsphase neben fortlaufender Begleitung, Nachsteuerung und Stabilisierung vor allem auf eines ankommt: durchzuhalten. • Evaluierung: Ungefähr nach zwölf Monaten sollten Dienstplanprojekte gute Ergebnisse vorweisen können – bezogen auf die selbstgesteckten Ziele. Neben der Bewertung der Zielerreichung – am besten wiederum in der Projektgruppe – sollten Kennzahlenergebnisse (siehe Kap. 7) in den Evaluationsprozess einbezogen werden. Je besser diese mess- und beurteilbar gesetzt wurden, desto genauer lassen sich die Umstellungseffekte bewerten. Mess- und beurteilbare Ergebnisse sind auch für die Argumentation gegenüber den (noch vorhandenen) Kritikern hilfreich. Sie helfen aber insbesondere,

4108  Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung

Abb. 8.2  Stimmungskurve bei Projekten

dort durch Anpassung der Regelungen beziehungsweise der Dienstpläne nachzusteuern, wo es noch „hakt“. Zudem sollten in den Beurteilungsprozess die Mitarbeiter einbezogen werden. Sie haben die Regelungen erprobt und sind daher erste Ansprechpartner für Rückmeldungen. Hierzu kommen folgende Instrumente infrage: – die Abfrage von Rückmeldungen – positiven wie negativen – durch die Führungskräfte im Rahmen einer Team-Besprechung; – strukturierte, circa zweistündige Arbeitszeit-Workshops zu den Stärken und Schwächen des erprobten Dienstmodells mit einer zufällig ausgewählten Teilmenge der Mitarbeiter; empfehlenswert ist hier die Beteiligung von 5 bis 10 Prozent der gesamten einbezogenen Mitarbeiter (in kleineren Häusern sollte diese Quote höher sein); – eine Mitarbeiterbefragung via Fragebogen, wobei das Fragedesign sorgfältig vorbereitet werden sollte, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten und Beeinflussungen durch Suggestionen zu vermeiden.

8.1.3 Monitoring der Projektergebnisse mittels einfacher Arbeitshilfen Für das Monitoring der Umsetzungsergebnisse sollten entsprechende IT-gestützte Auswertungsmöglichkeiten und Tools bereitstehen – vorrangig direkt im PEP-System, bei Bedarf aber auch gesondert. In diesem Buch wurden bereits zwei einfache MonitoringArbeitshilfen vorgestellt – einmal für die Besetzungskennzahl (Abschn. 7.2.3), einmal für die Soll-Besetzung (Abschn. 7.3.2). ▶▶

Tool H – Monitoring der Besetzungskennzahl

▶▶

Tool I – Monitoring der Dienstplanung

8.1  Gute Dienstpläne einführen

411

Nun sollen zwei weitere Arbeitshilfen vorgestellt werden. Mit den Tools J und K können die Zeitkontenentwicklung (Abschn. 6.2) und die Nutzung der Ausfallzeiteninstrumente (Kap. 5) dargestellt werden. Die darin verwendeten Kennzahlen können bei Bedarf selbstverständlich angepasst und erweitert werden. Beispielhafte Auszüge aus den beiden Arbeitshilfen enthalten Abb. 8.3 bis 8.7. ▶▶

Tool J – Monitoring des Ausfallzeitenmanagements

Während die Zeitkontenentwicklung in den meisten Häusern direkt aus dem PEP-System ableitbar ist, wird für das Ausfallzeitenmanagement möglicherweise eine gesonderte Analyseform benötigt. Der entscheidende Reiter im Tool J ist derjenige für die Dateneingabe. Diesen zeigt Abb. 8.3. Hier wird einfach erfasst, wie oft die einzelnen Instrumente des Ausfallzeitenmanagements genutzt wurden – unterschieden nach Abruf aus dem Frei, Stand-By-Dienst und Joker-Dienst. Bei Stand-By- und Joker-Dienst wird zudem erfasst, wie oft diese Dienste dienstplanmäßig eingeteilt waren. Damit ist das Tool in der Lage, den Nutzungsgrad (eingeteilte zu genutzten Diensten) zu ermitteln. Bei Joker-Diensten kann darüber hinaus differenziert werden, welche davon auf der „eigenen“, welche auf einer anderen Station erbracht wurden. Der voreingestellte Auswertungszeitraum ist wiederum ein Kalenderjahr. Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt von 14 Tagen im Januar 2018. Eingeteilt wurden an jedem Tag zwei Joker-Dienste und ein Stand-By-Dienst. Man sieht, dass zum Beispiel am 04. Januar 2018 zusätzlich zwei Mitarbeiter aus dem Frei eingesprungen sind. Abb. 8.4 zeigt nun die Ergebnisse im Überblick. Der Stand-By-Dienst kam beispielsweise im Januar 2018 an 42 Prozent der Tage zum Einsatz. Die beiden Joker-Dienste wurden zu 97 Prozent genutzt, davon waren sie zu 29 Prozent auf der „eigenen“ Station eingesetzt – mithin zu 69 Prozent in anderen Stationen. Abb. 8.5 zeigt die Nutzungshäufigkeit von Abrufen aus dem Frei in grafischer Form, Abb. 8.6 den Nutzungsgrad der Stand-By-Dienste. Abb. 8.7 stellt den Nutzungsgrad der Joker-Dienste in grafischer Form dar.

Abb. 8.3  Tool J (Auszug) – Tabellenblatt „Dateneingabe“ (Tool mit Springer Nature More Media App ansehen)

4128  Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung

Abb. 8.4  Tool J (Auszug) – Tabellenblatt „Überblick“

Abb. 8.5  Tool J (Auszug) – „Abruf aus dem Frei“

8.1  Gute Dienstpläne einführen

Abb. 8.6  Tool J (Auszug) – „Stand-By-Dienst“

Abb. 8.7  Tool J (Auszug) – „Joker-Dienst“

413

4148  Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung

Zusammenfassung 

Erfolgskritische Faktoren beim Projektmanagement sind klare Zielsetzung, vernünftige Datenanalyse, zeitliche Projekt-Budgetierung, beteiligungsorientierter Projektablauf, positives Denken und professioneller Umgang mit Gegnern, Kritikern und Benachteiligten. Die Entscheidung für die Einführung erfordert mutige und konsequente Führung. Der Einführungsprozess sollte sorgfältig begleitet werden. Im Rahmen einer mindestens zwölfmonatigen Erprobung neuer Dienstpläne und Dienstplanverfahren sollte ein fortlaufendes Monitoring des Projektfortschritts auf der Grundlage aussagekräftiger Kennzahlen erfolgen. Dieses Projekt-Monitoring sollte auch Grundlage der fortlaufenden Weiterentwicklung und der Evaluation der in der Praxis angewandten Dienstpläne sein.

8.2

Der Regelungsrahmen für gute Dienstpläne

8.2.1 Was bringen Betriebs-/Dienstvereinbarungen? Projektergebnisse können in einer Betriebsvereinbarung (analog: Dienstvereinbarung) festgehalten werden – sie müssen es aber nicht. Es reicht vielfach auch, die Regelungen in einem von beiden Betriebsparteien getragenen Konzeptpapier zusammenzutragen. Alternativ ist es zum Beispiel auch möglich, eine Mitarbeiter-Information zu erstellen und diese zwischen den Betriebsparteien abzustimmen. Solche Darstellungsvarianten haben den Vorteil, dass sie in einem zugewandten und verständlichen Ton verfasst und durch Schaubilder und Beispiele aufgelockert werden können. Dies ist bei einer Betriebsvereinbarung meist nicht möglich. Sie ist an bestimmte juristische Formalien in Struktur und Tonlage gebunden. Zudem wird eine Betriebsvereinbarung zumeist nur eine Teilmenge der Projektergebnisse enthalten, weil sie sich auf mitbestimmungspflichtige Tatbestände konzentriert. Die übrigen Ergebnisse müssen ohnehin gesondert festgehalten werden. Und diese „übrigen“ Punkte sind oft die wichtigsten Instrumente neuer Dienstplanmodelle: vor allem Rechenregeln zur Gestaltung von Dienstplänen, aber auch die Kennzahlen zu ihrer Steuerung. Arbeitszeit-Betriebsvereinbarungen sind daher als konkrete Handlungsanleitung für Mitarbeiter und Führungskräfte eher ungeeignet. Deshalb werden auch dann, wenn sie vereinbart werden, häufig zusätzlich schriftliche Mitarbeiter-Informationen (oder -Broschüren) verfasst, die die Betriebsvereinbarung in verständlicher Form erläutern und mit den übrigen Projektpunkten zusammenführen. In die Betriebsvereinbarung selbst schauen dann nur noch Eingeweihte – und meist auch nur dann, wenn es um rechtliche Fragen ihrer Auslegung geht, besonders also im Konfliktfall. Es kann keine allgemeine Empfehlung für oder gegen eine Arbeitszeit-Betriebsvereinbarung geben. Wenn eine der beiden Betriebsparteien sie wünscht, wird man sie

8.2  Der Regelungsrahmen für gute Dienstpläne

415

vereinbaren. Wenn man gemeinsam vor der Wahl steht, kann als Faustregel gelten: Lieber keine Betriebsvereinbarung zur Dienstplanung, als eine schlechte. In der Praxis würden wir die meisten bestehenden Betriebsvereinbarungen vorsichtig mit „suboptimal gelungen“ umschreiben. Besonders Betriebsvereinbarungen, die vor oder unabhängig von konkreten Arbeitszeitprojekten entwickelt wurden, fehlt oft das Potenzial, praktische Verbesserungen bei der Dienstplanung bewirken zu können. Ihr Beitrag zu guten Dienstplänen ist gering – auch wenn die Präambel einen solchen mit warmen Worten suggerieren möchte. Mitunter ist es gar unmöglich, auf der Grundlage der Regelungen in einer Betriebsvereinbarung gute Dienstpläne zu erstellen. Wenn überhaupt, sollten Betriebsvereinbarungen zur Dienstplanung also am Ende entsprechender Projekte stehen, indem sie das mit einem juristischen Rahmen umgeben, was zuvor von den Praktikern entwickelt wurde. Wenn es beiden Betriebsparteien gelingt, im Dickicht juristischen Klein-Kleins nicht das gemeinsam definierte Ziel und die konzeptionelle Linie zu verlieren, können ArbeitszeitBetriebsvereinbarungen den Weg zu guten Dienstplänen effektiv unterstützen, indem sie den Anwendern Handlungssicherheit durch gemeinsam getragene Spielregeln verleihen.

8.2.2 Was in einer Betriebs-/Dienstvereinbarung geregelt sein sollte 8.2.2.1 Warum gibt es keine Muster? In den vorangegangenen Kapiteln haben wir entlang der behandelten Themen jeweils beispielhafte Regelungen vorgestellt. Hieraus lässt sich auch einiges für mögliche Regelungen in einer Betriebsvereinbarung entnehmen. Muster-Betriebsvereinbarungen sollte es hingegen nicht geben – aus drei Gründen: • Erstens unterscheiden sich Ziele, Regelungsthemen und -inhalte einer Betriebsvereinbarung je nach Projektausrichtung voneinander, so dass Muster nicht treffgenau genug sind. • Zweitens beeinflussen die jeweils geltenden tarifvertraglichen Rahmenbedingungen einzelne Regelungsinhalte. Insbesondere kann, was in einem Tarifvertrag abschließend geregelt ist beziehungsweise üblicherweise geregelt wird, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (§ 77 Abs. 3 BetrVG). • Und drittens ist nach unserer Erfahrung gerade die gemeinsame Entwicklung der Betriebsvereinbarung zwischen den beiden Betriebsparteien Voraussetzung dafür, dass sie von den Beteiligten nach Abschluss getragen wird. Zur Anregung stellen wir einzelne Beispielformulierungen zu einigen typischen Regelungsthemen vor. Die vorstehend genannten Vorbehalte gelten jedoch auch für diese Einzelformulierungen. Zudem weisen wir zum einen darauf hin, dass die Summe der Beispieltexte noch keine vollständige Betriebsvereinbarung ergibt, zum anderen darauf, dass ggf. hiervon abweichende tarifvertragliche Vorschriften selbstverständlich einzuhalten sind.

4168  Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung

8.2.2.2 Beispieltext zur Dienstplanung „Der Arbeitgeber beziehungsweise eine von ihm beauftragte Person plant die Arbeitszeit der Mitarbeiter entsprechend den vorhersehbaren Arbeitsanforderungen auf der Grundlage der verfügbaren Personalkapazität, der nachfolgenden Regelungen und unter Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen, tarifvertraglichen und betrieblichen Rahmenbedingungen. Bei der Arbeitszeitplanung berücksichtigt der Arbeitgeber beziehungsweise die von ihm beauftragte Person die Entwicklung der Zeitkonten sowie persönliche Urlaubswünsche der Mitarbeiter, soweit diese mit den im ersten Satz genannten Bedingungen vereinbar sind. Auf eine gleichmäßige Belastung der Mitarbeiter im Rahmen der Arbeitszeitplanung ist, soweit möglich, zu achten. Die geltenden rechtlichen Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes sind einzuhalten. Sobald der Mitarbeiter erkennt, dass die Einhaltung einer arbeitszeitgesetzlichen Bestimmung nicht möglich sein wird, hat er sich unverzüglich an seine Führungskraft zu wenden, die über die zu treffenden Maßnahmen entscheidet. Der Arbeitgeber beziehungsweise die von ihm beauftragte Person stellt den Dienstplan unter Beachtung der patienten-/bewohnerbezogenen und der wirtschaftlichen Belange sowie – in diesem Rahmen – unter Berücksichtigung der Mitarbeiterwünsche auf. Die Erstellung des Grunddienstplans erfolgt bis zum X für den Folgedienstplan. Der Schichtplanturnus für Grunddienstpläne beträgt X Wochen. Grunddienstpläne werden monatsweise bis zum X des Vormonats auf der Grundlage vorhersehbarer Änderungen von Arbeitsanfall beziehungsweise Personalverfügbarkeit konkretisiert. Nach Abschluss dieser Monatsfeinplanung gilt dieser Plan als Soll-Dienstplan. Der Betriebsrat erhält vollumfängliche Leserechte im PEP-System. Wenn die in der Betriebsvereinbarung vereinbarten Regelungen eingehalten wurden und der Betriebsrat bis zum X des Vormonats keine Einwände erhebt, gilt die Mitbestimmung als durchgeführt. Sieht der Arbeitgeber beziehungsweise die von ihm beauftragte Person keine Möglichkeit, Einwände des Betriebsrats im Dienstplan zu berücksichtigen, hat er bis X des Vormonats das Begleitgremium anzurufen. Das Begleitgremium trifft bis X des Vormonats eine abschließende Entscheidung. Es besteht aus je zwei Vertretern des Arbeitgebers und des Betriebsrats. Neben der Konfliktlösung in Einzelfällen unterbreitet es bei Bedarf beiden Betriebsparteien Vorschläge zur Weiterentwicklung der betrieblichen Arbeitszeitregelungen. Bei der Dienstplanung sind folgende Bedingungen einzuhalten: • Es dürfen nicht mehr als X (zum Beispiel zehn) Dienste in unmittelbarer Folge geplant werden. • Mehr als X (zum Beispiel vier) Nachtdienste infolge dürfen nur mit Zustimmung des Mitarbeiters geplant werden. • Nach einer Nachtdienstfolge von mindestens X (zum Beispiel zwei) Nachtdiensten sind mindestens 48 Stunden arbeitsfrei zu planen. • … (weitere Punkte)“

8.2  Der Regelungsrahmen für gute Dienstpläne

417

8.2.2.3 Beispieltext zu Diensten „In einer Anlage zur Betriebsvereinbarung werden die jeweils vom Betriebsrat mitbestimmten Dienste (inklusive der Pausenzeiten) festgehalten. Bei Bedarf können auch Dienste vereinbart werden, deren Lage und Dauer erst am Tag der Diensterbringung konkretisiert wird (zum Beispiel Flexi-Dienste, Stand-By-Dienste). Bei der Dienstplanung werden ausschließlich mitbestimmte Dienste verwendet.“ Abweichungen vom Soll-Dienstplan „Die dienstplanmäßig eingeteilten Dienste sind weitest möglich einzuhalten. Änderungen an der Dienstplanung sind zulässig: • jederzeit durch Tausch (auch von Urlaubstagen) zwischen den Mitarbeitern nach Absprache mit dem Arbeitgeber beziehungsweise der von ihm beauftragten Person; • jederzeit auf Wunsch des Mitarbeiters nach Absprache mit dem Arbeitgeber beziehungsweise der von ihm beauftragten Person, sofern die Besetzungsanforderungen qualifikationsadäquat abgedeckt bleiben und nicht unter- und überschritten werden und die Zeitkontoregeln eingehalten werden; • jederzeit in gegenseitigem Einvernehmen zwischen Arbeitgeber beziehungsweise der von ihm beauftragten Person und dem Mitarbeiter; • durch den Arbeitgeber beziehungsweise die von ihm beauftragte Person bei begründetem veränderten betrieblichen Bedarf, wenn einvernehmliche Möglichkeiten nicht greifen und wenn die übrigen vereinbarten Instrumente nicht ausreichen oder noch nicht genutzt werden konnten – unter Beachtung dringender entgegenstehender persönlicher Belange im Einzelfall. Folgende Abweichungen vom Dienstplan sind zulässig: – zusätzliche Dienste an ursprünglich dienstplanmäßig arbeitsfreien Tagen mit mindestens X Arbeitstagen Ankündigungsfrist, – Absagen dienstplanmäßig eingeteilter Dienste mit mindestens X Stunden Ankündigungsfrist vor Dienstbeginn, – Dienstverkürzungen bis höchstens auf die Hälfte der planmäßigen Arbeitszeit des Dienstes.“

8.2.2.4 Beispieltext zur anteiligen Vertragsarbeitszeit/Zeitkontenführung „Die anteilige Vertragsarbeitszeit als Bezugsgröße für die Verrechnung von Arbeits- und anzurechnenden Abwesenheitszeiten wird grundsätzlich gleichmäßig auf die Wochentage Montag bis Freitag verteilt, soweit nicht bei Teilzeitarbeit im Einzelfall eine andere Verteilung vertraglich vereinbart ist. Für jeden Mitarbeiter wird ein persönliches Zeitkonto geführt, auf dem die Abweichungen der dienstplanmäßigen beziehungsweise der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit von der anteiligen Vertragsarbeitszeit beziehungsweise der anzurechnenden Arbeitszeit tagesgenau fortlaufend saldiert werden. Auf dem Zeitkonto verbuchte Arbeitszeiten sind regelmäßige Arbeitszeit und daher keine Überstunden. Das Zeitkonto wird nach dem Ampelprinzip geführt:

4188  Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung

Grünphase: Zeitsaldo innerhalb der Bandbreite ±40 Stunden: Die Arbeitszeitplanung und -steuerung erfolgt im Rahmen der Regelungen dieser Betriebsvereinbarung. Gelbphase: Zeitsaldo größer + 40 Stunden bis + 60 Stunden beziehungsweise kleiner -40 Stunden bis -60 Stunden: Ein weiterer Plus- beziehungsweise Minusstundenaufbau ist nur nach vorheriger Zustimmung des Arbeitgebers beziehungsweise der von ihm beauftragten Person zulässig. Rotphase: Zeitsaldo über + 60 Stunden beziehungsweise unter -60 Stunden: Der Arbeitgeber beziehungsweise die von ihm beauftragte Person steuert innerhalb von maximal X Monaten den Zeitsaldo in die Grünphase zurück. Spätestens alle X (in der Regel zwölf) Monate muss der Saldo des Zeitkontos die Nulllinie berühren oder kreuzen (individuell rollierender Ausgleichszeitraum). Im Falle der Nulllinienkreuzung oder -berührung beginnt der Ausgleichszeitraum von vorn. Um den Ausgleich zu gewährleisten, geht die Steuerung X (in der Regel neun) Monate nach dem letzten Ausgleich auf den Arbeitgeber beziehungsweise auf die von ihm beauftragte Person über. Gelingt der Ausgleich nicht, werden Plusstunden vergütet. Minusstunden verfallen, sofern der Mitarbeiter den Nichtausgleich nicht zu vertreten hat.“

8.2.2.5 Fallbeispiel In unserem letzten Fallbeispiel 18 wird anhand eines Krankenhauses der Weg zum Abschluss einer Arbeitszeit-Betriebsvereinbarung beschrieben. Zudem werden wichtige Regelungselemente näher erläutert. Und schließlich werden die Kennzahlen zur fortlaufenden Überprüfung der Umsetzung der Betriebsvereinbarung vorgestellt.

Fallbeispiel 18: Wichtige Regelungselemente einer Arbeitszeit-Betriebsvereinbarung für den Pflegedienst (und nicht nur für diesen)

Karin Burtscher, Personaldirektorin der Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen GmbH, Villingen-Schwenningen und Donaueschingen Das Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen ist mit 1000 Betten an den Standorten Villingen-Schwenningen und Donaueschingen einer der großen Zentralversorger im südlichen Baden-Württemberg. Mit knapp 3000 Mitarbeitern betreuen wir als Maximalversorger pro Jahr circa 50.000 stationäre und circa 140.000 ambulante Patienten. Ablösung des alten Regelungswerkes durch rechtskonforme und moderne Arbeitszeit-Regelungen 2013 sind wir in Villingen-Schwenningen in einen Klinikneubau gezogen. Das haben wir zum Anlass genommen, verschiedene Themen auf den Prüfstand zu stellen. Auslöser, sich hierbei auch mit der Arbeitszeit zu befassen, war die Überlegung, angesichts der negativen Erfahrungen mit der bislang praktizierten Kommt-Geht-AnwesenheitsZeiterfassung hierauf im Neubau verzichten zu wollen – zugunsten eines verlässlicheren und sorgsameren Umgangs mit der wertvollen Ressource Arbeitszeit.

8.2  Der Regelungsrahmen für gute Dienstpläne

419

Durch die vormalige „Stempeluhr“ und einen in diesem Zusammenhang offen-ungesteuerten Arbeitszeitumgang hatten unsere planmäßigen Dienstzeiten durch regelmäßige „Überschreibung“ der Ist-Zeiten keine ausreichende Verbindlichkeit – mit der Folge aufgelaufener Arbeitszeit-„Altlasten“. Diesen Zustand wollten und konnten wir im Neubau nicht fortführen – und haben uns daher gemeinsam mit dem Betriebsrat entschieden, den Umzug für einen grundlegenden Neuanfang der Personaleinsatzplanung und -steuerung zu nutzen. Hinzu kam, dass zugleich ein neues PEP-System einzuführen war, nachdem der bisherige Anbieter seine Dienste eingestellt hatte. Unser Ziel war es zudem, eine Betriebsvereinbarung für alle Berufsgruppen unseres Hauses zu entwickeln – wohl wissend, dass unterschiedliche Anforderungen auch unterschiedliche Arbeitszeitmodelle erfordern. Die Verankerung der Themen sämtlicher Mitarbeiter unseres Hauses in einer Betriebsvereinbarung vereinfacht unsere Regelungswelt und behandelt die Mitarbeiter hinsichtlich identischer Sachverhalte gleich. In diesem Fallbeispiel konzentriere ich mich auf die Regelungen, die für den Pflegedienst relevant sind – lasse also zum Beispiel Regelungen zur flexiblen Tagesarbeitszeit mit Servicezeiten, die für Verwaltungsbereiche gelten, und Bereitschaftsdienstregelungen, die für den ärztlichen Dienst und die Funktionsdienste relevant sind, außen vor. Beteiligungsorientierte Projektarbeit und Einbeziehung von Führungskräften und Mitarbeitern Wir haben eine Arbeitsgruppe gebildet, die hochrangig aus je drei Vertretern des Klinikums (Personaldirektor, Ärztlicher Direktor, Pflegedirektorin) und des Betriebsrats (Vorsitzender sowie zwei Mitglieder) bestand und die in insgesamt fünf Treffen im Abstand von jeweils zwei bis drei Wochen unsere neue Arbeitszeit-Betriebsvereinbarung schrittweise entwickelt hat. Im Kick-off haben wir uns zunächst auf die Ziele der Neugestaltung der Arbeitszeiten verständigt. So wollten wir Instrumente zur Flexibilisierung der Arbeitszeit entwickeln, • die den Mitarbeitern – unter der Voraussetzung, dass der betriebliche Bedarf abgedeckt ist – die Berücksichtigung individueller Zeitinteressen ermöglichen, insbesondere auch für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, • die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern verbessern, • die für alle Beteiligten Anreize setzen, mit der wertvollen Arbeitszeit sparsam umzugehen. In unseren Arbeitstreffen haben wir die Anforderungen der unterschiedlichen Berufsgruppen gesammelt und daraus konkrete Gestaltungsvorschläge entwickelt. Diese haben die jeweiligen Arbeitsgruppenvertreter zwischen den Arbeitsgruppensitzungen auch jeweils mit Betriebsrat und Geschäftsführung besprochen und dabei Zustimmungen für die entsprechende Weiterentwicklung eingeholt. Darüber hinaus nahmen an

4208  Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung

einzelnen Arbeitsgruppen Vertreter der Pflege beziehungsweise des ärztlichen Dienstes als Gäste teil, um ihre Erfahrungen und Anforderungen einzubringen. Ergebnis unserer Arbeit war schließlich die unterschriftsreife Arbeitszeit-Betriebsvereinbarung, die dann von den beiden Betriebsparteien im Abschluss des Mitbestimmungsprozesses unterzeichnet wurde. Zeitgemäße Arbeitszeitgestaltung – unsere wichtigsten Regelungselemente Im Folgenden möchte ich die wichtigsten Grundsätze herausgreifen: • Oberstes Gestaltungsprinzip ist, dass die Führungskraft – bei uns der dienstplanverantwortliche Vorgesetzte – die Arbeitszeit seiner Mitarbeiter entsprechend den vorhersehbaren Arbeitsanforderungen auf der Grundlage der verfügbaren Personalkapazität, der Regelungen der Betriebsvereinbarung und unter Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen und tarifvertraglichen Rahmenbedingungen plant. Dabei soll sie persönliche Arbeitszeit- und Freizeitwünsche der Mitarbeiter berücksichtigen, soweit diese mit den Besetzungsanforderungen vereinbar sind. • Die Mitarbeiter werden in Monatsdienstpläne eingeplant. • Die Einhaltung der dienstplanmäßig eingeteilten Arbeitszeit muss die Regel sein. Etwaige erforderliche Abweichungen sollen auf nicht vorhersehbare und nicht verschiebbare Akutanforderungen begrenzt werden. Regelmäßigem Flexibilitätsbedarf tragen wir durch eine entsprechende Vorstrukturierung der Flexibilität in Form von Flexi-Spielregeln Rechnung. Diese beinhalten zum einen Flexi-Dienste – in unserem Haus „FixFlex-Dienste“ genannt – sowie zum anderen für ein systematisches Ausfallzeitenmanagement Joker-Dienste und Stand-By-Dienste. Zudem ist der schrittweise Aufbau eines pflegerischen Vertretungspools vereinbart worden. • FixFlex-Dienste ermöglichen Abweichungen von der eingeplanten Dienstdauer entsprechend dem Arbeitsanfall innerhalb des Zeitkorridors. Dieser wird in den einzelnen Bereichen konkretisiert und ist dabei so zu wählen, dass der Mitarbeiter mindestens die Hälfte der geplanten Dienstdauer leistet. Damit jeder Mitarbeiter schnell erkennt, ob er im FixFlex-Dienst eingeteilt ist, werden diese im PEP-System gesondert gekennzeichnet. • In Stand-By-Diensten hält sich der Mitarbeiter eine Stunde vor einem ggf. zu vertretenden Dienst telefonisch abrufbereit. Oder er stellt seine telefonische Erreichbarkeit in einem hierfür festgelegten anderen Zeitraum sicher. Für die 30 Minuten lange Bereithaltungszeit erhält der Mitarbeiter eine Stunde Arbeitszeit auf dem Zeitkonto gutgeschrieben. Im Fall seines Einsatzes wird zusätzlich die erbrachte Arbeitszeit auf dem Zeitkonto angerechnet. • Ist ein Mitarbeiter in einem Joker-Dienst eingeteilt, kann er bei Bedarf flexibel in einem anderen Arbeitsbereich eingesetzt werden. Ist absehbar, dass der Joker-Dienst nicht benötigt wird, kann die zuständige Führungskraft diesen mit mindestens 16 Stunden Vorlauf auf den Arbeitsbeginn absagen.

8.2  Der Regelungsrahmen für gute Dienstpläne

421

• Abrufe aus dem Frei soll es bei uns nur noch im absoluten Ausnahmefall geben. Sie werden ggf. als zuschlagspflichtige Überstunde gewertet, wobei die geleistete Arbeitszeit auf dem Zeitkonto gebucht wird. • Unsere Zeitkontoregelung haben wir übrigens – im Sinne unserer Zielsetzung eines sparsamen Umgangs mit der Arbeitszeit – nach dem Zeitbudgetprinzip ausgestaltet. Dazu haben wir die Vorzeichen umgekehrt: Überschreitungen der anteiligen Vertragsarbeitszeit (bei Vollzeit: 7,8 Stunden) werden ins Minus, Unterschreitungen ins Plus saldiert. Es findet also ein Vorzeichenwechsel statt, der unsere beabsichtigte Kulturänderung hin zu einem sorgsameren Arbeitszeitumgang symbolisieren und unterstützen soll. Damit ist das Zeitkonto dann ähnlich einem Girokonto aufgebaut: Bewegt sich der Zeitsaldo im Plus – dem früheren Minus (!) – genießt der Mitarbeiter größere Spielräume als im Minus (dem früheren Plus); in dieser Phase, die bereits bei einem Zeitsaldo von null Stunden beginnt, müssen Überschreitungen der dienstplanmäßig eingeteilten Arbeitszeit jeweils mit der dienstplanverantwortlichen Führungskraft abgesprochen werden (Gelbphase), beziehungsweise muss bei weiterem Vordringen in die Minusphase ein dienstplanmäßiger Ausgleich im Voraus geplant sein (Rotphase). • Zusätzlichen Kapazitätsbedarf halten wir vom Zeitkonto fern, denn Zeitkonten schaffen ja keine Kapazität, sondern verteilen die Arbeitszeit nur im Zeitablauf ungleich. Hierfür haben wir das Instrument des Zusatzbudgets entwickelt: Im Voraus und an bestimmte Bedingungen geknüpft – insbesondere bei unbesetzten Stellen – kann die Führungskraft mit dem Mitarbeiter unter Mitbestimmung des Betriebsrats zusätzliche Arbeitszeit vereinbaren, die dann vorrangig gesondert vergütet wird. Controlling von Einsatz und Erfolg der Arbeitszeit-Betriebsvereinbarung Die besten Regelungen nützen nichts, wenn sie nicht so, wie vorgesehen, in der Praxis wirken. Deshalb haben wir uns frühzeitig Gedanken darüber gemacht, wie wir die Qualität der Umsetzung unserer Arbeitszeit-Betriebsvereinbarung fortlaufend überprüfen können. Dazu haben wir uns für die wichtigsten Regelungselemente Evaluationskriterien überlegt – und wie wir diese messen können. Wir teilen diese Kriterien auf in • Kriterien zur korrekten Anwendung der Betriebsvereinbarung • Kriterien zur Messung des Umsetzungserfolgs Tab. 8.1 zeigt die Möglichkeiten zur Messung der Qualität der Anwendung der Betriebsvereinbarung. Tab. 8.2 die Optionen zur Messung von Umsetzungserfolgen. Dieses Controlling führen wir regelmäßig durch und berichten den Führungskräften von den Ergebnissen beziehungsweise zeigen – gemeinsam mit unserem Betriebsrat – Handlungsbedarf auf. Seit 2018 haben wir dafür ein Software-Tool im Einsatz, mit dessen Hilfe wir das Arbeitszeit-Controlling klinikweit standardisiert für alle Berufsgruppen und Organisationseinheiten ermöglichen können.

4228  Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung Tab. 8.1  Messung der Qualität der Anwendung der Betriebsvereinbarung Regelungselement

Evaluationskriterium

Messung

Stand-By-Dienste

Wie häufig und wo eingesetzt?

Anzahl der Stand-By-Dienste

Joker-Dienste

Wie häufig und wo eingesetzt?

Anzahl der Joker-Dienste

FixFlex-Dienste

Wie häufig? Relation von länger bleiben zu früher gehen?

Anzahl der FixFlex-Dienste im Verhältnis zu festen Diensten

Zusatzbudget

Wie viele; wie viele Arbeitsstunden; wie häufig im Nachhinein?

Anzahl Stunden pro Jahr und nach Berufsgruppen; Anteil im Nachhinein?

Fixieren/Festschreiben des Dienstplanes

Wie häufig nicht vorgenommen?

Anteil der Dienstpläne, Auswertung am 16. und am letzten Tag eines Vormonats – nach Berufsgruppen in Prozent

Ampelphasen

Anteil der Mitarbeiter in den jeweiligen Zeitkontenphasen

Prozent Grün/Gelb/Rot pro Berufsgruppe zum 31.03.15

Begleitgremium

Wie oft genutzt und durch wen einberufen?

Häufigkeit und Initiator

Ablehnung/Nichtbearbeitung von beantragten Abweichungen

Nicht bearbeitet, Abweichungen

Häufigkeit in Prozent nach Berufsgruppen

Erfolgsfaktoren: Unterstützung der Klinikleitung sowie umfangreiche Kommunikation Unsere Erfahrung zeigt, dass die Klinikleitung deutlich machen muss, wie wichtig ihr das Thema ist, damit neue Regelungen erfolgreich umgesetzt werden. Deshalb haben wir die Betriebsvereinbarung nicht nur auf einer Tagung der oberen Führungsebene vorgestellt, sondern unsere Führungskräfte auch ausführlich und mehrfach im Umgang mit den Regelungsinstrumenten geschult. Auch die regelmäßigen Evaluationen helfen uns, an der Umsetzung „dran“ zu bleiben. Eine besondere Rolle spielt bei der Umsetzungsbegleitung unser Arbeitszeit-Begleitgremium: Es entspricht personell der vormaligen Arbeitsgruppe zur Entwicklung der Betriebsvereinbarung und steht allen Beteiligten bei Umsetzungsfragen und/oder -schwierigkeiten zur Verfügung. Im Fall von Meinungsverschiedenheiten entscheidet das Gremium übrigens einvernehmlich. Auf Basis der Erfahrungen der Schulungen und der Arbeit des Begleitgremiums haben wir zudem einen Frage-Antwort-Katalog erstellt, der ebenso wie die Schulungsunterlagen im Intranet abrufbar ist.

8.2  Der Regelungsrahmen für gute Dienstpläne

423

Tab. 8.2  Messung der Umsetzungserfolge Regelungselement

Evaluationskriterium

Messung

Abweichungen vom festgeschriebenen Dienstplan

Auswertung der Ist- zur Sollzeile im Dienstplan

Vergleich der Häufigkeiten im Zeitvergleich in Prozent je Berufsgruppe

Abruf aus dem Frei

AF-Kürzel auswerten

Vergleich der Häufigkeiten im Zeitvergleich in Prozent je Berufsgruppe

Altstundenabbau

Abbau

jahresbezogen kumulativ – je Berufsgruppe

Zeitkontenentwicklung

Rückstellungsspiegel

Vergleich jährlich pro Berufsgruppe

Urlaubskonten

Rückstellungsspiegel

Vergleich jährlich pro Berufsgruppe

Ausgleichszeitraum

Verlängerungsanträge, ausbezahlte Stunden

Monatsverlauf ab Juli 2014 je Berufsgruppe

Überstundenauszahlung

Verlauf über mehrere Jahre

Summe in Stunden je Berufsgruppe

Überschreitung des 48- beziehungsweise – bei OptOut – 58-Stunden-Wochendurchschnitts im halben beziehungsweise ganzen Jahr

Überschreitungen

Häufigkeit je Berufsgruppe in Prozent

Ruhezeitverletzung

Überschreitungen

Häufigkeit je Berufsgruppe in Prozent

Überschreitung der täglichen Höchstarbeitszeit von 10 Stunden/12 Stunden (bei Schicht)/24 Stunden (bei Bereitschaftsdienst)

Überschreitungen

alle Mitarbeiter nach Dienstgruppen

Abwesenheitsplanung: im Dienstplanprogramm verplanter Jahresurlaub

Planungsstand

Verplanungsstand in Prozent des Urlaubsanspruchs je Berufsgruppe

Zusammenfassung 

Arbeitszeit-Betriebsvereinbarungen sind dann sinnvoll, wenn die Betriebsparteien diese wünschen und wenn es gelingt, die vereinbarten Ziele und Spielregeln klar und verständlich festzuhalten. Da viele Regelungen im Zusammenhang mit neuen Dienstplanverfahren jedoch keine juristischen beziehungsweise mitbestimmungsrelevanten Bestimmungen enthalten,

4248  Der Sprung: Vom Konzept zur Umsetzung

sind ergänzende schriftliche Informationen für Mitarbeiter und Führungskräfte erforderlich – die auch dazu genutzt werden, die oft abstrakten Formulierungen in Betriebsvereinbarungen für die Anwender zu „übersetzen“. Viele Häuser verzichten auf Betriebsvereinbarungen zur Dienstplanung und -steuerung: Die Betriebsparteien vereinbaren die anzuwendenden Regeln dann fortlaufend in praxisorientierteren Darstellungsformen.

9

Auf einen Blick: Die wichtigsten Schritte zum guten Dienstplan

Abschließend lassen wir die methodischen Schritte auf dem Weg zum guten Dienstplan noch einmal kompakt Revue passieren – in zwölf Schritten: 1. Besetzungsbedarf Der zeitliche Besetzungsbedarf (Abschn. 2.1) ist die wichtigste Ausgangsbasis für die Dienstplanung. Mit dem Besetzungsbedarf wird – zunächst noch ganz ohne Bezug auf konkrete Dienste – festgelegt, zu welcher Zeit pro Wochentag und bei Bedarf im Jahresverlauf schwankend die Patienten beziehungsweise Bewohner mit wievielen Mitarbeitern planmäßig zu behandeln und zu betreuen sind. Dies geschieht möglichst objektiv – immer mit Blick auf die Anforderungen der Patienten und Bewohner. Als Arbeitshilfe für diesen Schritt kann Tool A genutzt werden. ▶▶

Tool A: Tagesbezogene Ermittlung des Besetzungsbedarfs

2. Dienststruktur Der Besetzungsbedarf wird nun in Dienste „übersetzt“ (Abschn. 2.2). Dazu muss zunächst festgelegt werden, (a) mit welchem Wochenfaktor gearbeitet werden soll (Abschn. 2.5.4) – also wie viele Arbeitstage pro Woche bei Vollzeitmitarbeitern durchschnittlich geplant werden sollen –, (b) wie kurz und wie lang Dienste sein dürfen – gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Umkleide- und Wegezeiten – (Abschn. 2.5.2) sowie (c) wie die Übergaben (Abschn. 2.5.1) und Pausen (Abschn. 2.5.3) gestaltet werden sollen. 3. Soll-Besetzung Für jeden Dienst (2.) wird auf der Basis des Besetzungsbedarfs (1.) die planmäßige Besetzungsstärke an jedem Wochentag festgelegt (Abschn. 2.3.1).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Herrmann, C. Woodruff, Dienstplanung im stationären Pf legedienst, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22581-0_9

425

4269  Auf einen Blick: Die wichtigsten Schritte zum guten Dienstplan

4. Überprüfung des Personalbedarfs Um die Einhaltung des Stellenplans überprüfen zu können, wird mittels der Arbeitsplatzmethode (a) aus Soll-Besetzung (3.) und Diensten (2.) der Arbeitszeitbedarf (Abschn. 2.3.2), (b) das Arbeitszeitangebot – das ist die tatsächlich zur Verfügung stehende Arbeitszeit nach Abzug der zu vertretenden Ausfallzeiten – (Abschn. 2.3.3) und (c) aus der Division von (a) mit (b) der Personalbedarf (Abschn. 2.3.4) ermittelt. Er sollte weitestmöglich mit der verfügbaren Personalkapazität gemäß Stellenplan übereinstimmen. Für diese Berechnungen kann Tool B verwendet werden. ▶▶

Tool B: Arbeitszeitmethode

5. Dienstplanung Nach Auswahl des gewünschten Dienstplanverfahrens (Abschn. 3.1) – kurzfristig oder langfristig, schwach vorstrukturiert oder stark vorstrukturiert, teambezogen oder personenbezogen – werden die Dienstpläne auf Basis der Dienstzeiten (2.) und unter Einhaltung der der Soll-Besetzung (3.) erstellt (Abschn. 3.3 bis Abschn. 3.7). Entscheidet man sich für langlaufende Grunddienstpläne (Abschn. 3.4) oder Rahmendienstpläne (Abschn. 3.5), kann dies mittels der Arbeitshilfen Tool C und D erfolgen. ▶▶

Tool C: Erstellung von Grunddienstplänen

▶▶

Tool D: Ausrollen von Grunddienstplänen

6. Dienstplan-Individualisierung Mitarbeiterindividuell gewünschte oder aus rechtlichen Gründen notwendige Einschränkungen der Einsetzbarkeit der Mitarbeiter sowie reduzierte Vertragsarbeitszeiten bei Teilzeitmitarbeitern werden (a) durch Einbau in die Dienstpläne berücksichtigt (Abschn. 4.2), (b) durch von vornherein mitarbeiterindividuelle Dienstpläne umgesetzt (Abschn. 4.3.) oder durch eigenverantwortliche Dienst-Tausche zwischen den Mitarbeitern (Abschn. 4.5.) realisiert. 7. Urlaubsplanung und planbare Ausfallzeiten Für die Urlaubsplanung werden höchstzulässige Urlaubsquoten ermittelt (Abschn. 5.1.2); dabei kann Tool E behilflich sein. Auf dieser Basis erfolgt eine jahresbezogene Planung planbarer Ausfallzeiten. Mit Hilfe von Tool F kann dies ausprobiert werden. ▶▶

Tool E: Berechnung der Urlaubsquote

▶▶

Tool F: Jahresbezogene Abwesenheitsplanung

8. Einbau Ausfallzeitenmanagement Für nicht planbare Ausfallzeiten – vor allem den krankheitsbedingten Personalausfall – wird auf der Grundlage des Vertretungsbedarfs (Abschn. 5.1.5) ein systematisches

9  Auf einen Blick: Die wichtigsten Schritte zum guten Dienstplan 

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Ausfallzeitenmanagement entworfen (Abschn. 5.2, 5.3 und 5.4) und in die Dienstpläne eingebaut. Dabei werden auch Indikatoren festgelegt, die anzeigen, wann die Vertretung greifen soll – zum Beispiel die Unterschreitung der Soll-Besetzung oder die Abweichung von einer Soll-Besetzungszahl. Diese Kennzahl gibt an, wie viele Patienten oder Bewohner ein Mitarbeiter pro Dienst betreuen muss. Bei jahresbezogenen Grunddienstplänen erfolgt der Einbau des Ausfallzeitenmanagements vorrangig in die im Dienstplan dafür vorgesehenen Vertretungs-Dummys hinein. Für die Ermittlung des Vertretungsbedarfs je Dienstlage kann Tool G zu Hilfe genommen werden. Zudem wird festgelegt, wer das Ausfallzeitenmanagement (zentral) koordiniert (Abschn. 5.5). ▶▶

Tool G: Berechnung des Vertretungspotenzials

9. Anrechnung von Ausfallzeiten Für die Anrechnung von Ausfallzeiten (vor allem des Urlaubs und von Krankheitstagen) auf dem Zeitkonto werden – je nach Dienstplanverfahren und unter Beachtung der diesbezüglichen rechtlichen Vorgaben – die Regeln festgelegt (Abschn. 5.6). 10. Flexi-Spielregeln Zwischen den beiden Betriebsparteien wird vereinbart, (a) nach welchen Spielregeln – über das Ausfallzeitenmanagement (8.) hinaus – auf nicht planbare Schwankungen der Personalverfügbarkeit und des Arbeitsaufkommens reagiert werden können soll (Abschn. 6.1), (b) wie die Steuerung der Zeitkonten erfolgen soll (Abschn. 6.2) und (c) wie Überstunden von der regelmäßigen Arbeitszeit abgegrenzt werden (Abschn. 6.3). 11. Monitoring Für eine fortlaufende Überprüfung, ob die selbstgesetzten sowie die arbeitszeitrechtlich vorgegebenen Regelungen der Dienstplanung und -steuerung eingehalten werden und damit für die Qualitätssicherung der Personaleinsatzplanung und zur Vermeidung unnötiger Belastungen der Mitarbeiter wird ein Personaleinsatz-Monitoring beziehungsweise -Controlling etabliert (Kap. 7). Dafür geben die Arbeitshilfen der Tools H, I und J Anregungen. ▶▶

Tool H: Monitoring der Besetzungskennzahl

▶▶

Tool I: Monitoring der Dienstplanung

▶▶

Tool J: Monitoring des Ausfallzeitenmanagements

12. Regelung Im Zuge der Umsetzung werden die vereinbarten Regelungen zur Dienstplanung und -steuerung gegenüber Führungskräften und Mitarbeitern kommuniziert und schriftlich fixiert – hinsichtlich der mitbestimmungspflichtigen Bestandteile bei Bedarf in Form einer Betriebs- beziehungsweise Dienstvereinbarung (Abschn. 8.2).

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