Die ID37 Persönlichkeitsanalyse

Was treibt Menschen an? Wie und warum verhalten sich Menschen so unterschiedlich? Menschen sind komplex und die zwischenmenschlichen Interaktionen erst recht. Die ID37 Persönlichkeitsanalyse hilft dabei, die Komplexität des Menschen und menschliches Verhalten anhand von 16 fundamentalen Motiven, die in jedem Menschen verankert sind und zentrale Aspekte der individuellen Persönlichkeit darstellen, zu erfassen und zu erklären.In diesem Fachbuch werden die psychologischen Grundlagen zu Persönlichkeit und Motivation vor dem Hintergrund der 16 Lebensmotive dargestellt. Mit ID37 stellen die Autoren ein Persönlichkeitsmodell sowie psychologischen Testverfahren vor, welches die Persönlichkeit anhand dieser Lebensmotive beschreiben, erklären und erfassen kann, und verdeutlichen, wie sich die Beschäftigung mit der individuellen Persönlichkeit durch effektive Selbststeuerung positiv auf Zufriedenheit und Erfolg auswirken. Praxisnah werden die Inhalte anhand zahlreicher Fallbeispiele und praktischer Tipps für die Anwendung vermittelt.

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Thomas Staller · Cornelia Kirschke

Die ID37 Persönlichkeitsanalyse Bedeutung und Wirkung von Lebensmotiven für effiziente Selbststeuerung

Die ID37 Persönlichkeitsanalyse

Thomas Staller Cornelia Kirschke

Die ID37 Persönlichkeits­ analyse Bedeutung und Wirkung von Lebensmotiven für effiziente Selbststeuerung Mit Geleitworten von Prof. Dr. Samuel Greiff und Jan Dörendahl sowie Clemens W. Krebs Mit 29 Abbildungen

Thomas Staller ID37 Company GmbH, Berlin, Deutschland

Cornelia Kirschke ID37 Company GmbH, Berlin, Deutschland

ISBN 978-3-662-58003-5 ISBN 978-3-662-58004-2  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-58004-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Umschlaggestaltung: deblik Berlin Fotonachweis Umschlag: © PeopleImages / Getty Images / iStock Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

V

Ich wollte ja nichts als das zu leben versuchen, was von selber aus mir heraus wollte. Warum war das so schwer? Hermann Hesse, Demian – Die Geschichte von Emil Sinclairs Jugend

Geleitwort Wissenschaft Ein präzises Messinstrument für individuelle Entwicklungsprozesse

Unsere Persönlichkeit ist das, was uns im täglichen Leben, Handeln und Interagieren ausmacht. Sie ist einzigartig und unverwechselbar, so wie unser Fingerabdruck. Unsere Persönlichkeit hat maßgeblichen Einfluss auf unser Verhalten und unsere Wahrnehmung, sowohl im beruflichen als auch im privaten Kontext. Sie spielt beispielsweise eine Rolle bei Leistung und Zufriedenheit in Studium und Beruf, bei der Widerstandsfähigkeit gegen Stress oder der Lebenszufriedenheit. Sie macht uns zielstrebig und ausdauernd. All dies ist durch eine Reihe von einschlägigen internationalen Forschungsbefunden nachhaltig belegt. Unsere Persönlichkeit ist auch daran beteiligt, wie wir unsere Umgebung und unsere Mitmenschen und deren Verhalten wahrnehmen und wie wir selbst in und mit unserem Umfeld handeln und interagieren. Der Persönlichkeit eines Menschen kommt also in allen Bereichen eines individuellen Lebens, aber auch unserer Gesellschaft eine enorm wichtige Rolle zu. Dabei ist die Persönlichkeit ein sehr komplexes und vom Zusammenspiel verschiedener Eigenschaften und Prozesse geprägtes Konstrukt. Trotz zahlreicher wichtiger und etablierter Modelle gibt es keine umfassende Sammlung an Eigenschaften, mit der sich die Persönlichkeit erschöpfend beschreiben ließe. Je nach Kontext und Zielsetzung liefert die Betrachtung einer Teilmenge an Persönlichkeitseigenschaften aber nützliche und wertvolle Erkenntnisse. Das gilt sowohl für die Forschung als auch im Anwendungskontext, z. B. im Rahmen von Interventionen. So kommt beispielsweise den Motiven eines Menschen in einer zunehmend komplexer werdenden Gesellschaft, die mehr Freiheiten und Möglichkeiten auf der einen Seite, aber auch mehr Verantwortung und Initiative auf der anderen Seite in Bereichen wie Bildung, Beruf und Privatleben bietet als jemals zuvor, eine besondere Bedeutung zu. Als Persönlichkeitseigenschaften repräsentieren Motive das, wonach wir im Leben streben und was uns wichtig ist. Somit bilden sie ein wichtiges Koordinatensystem, an dem wir unser Verhalten und unsere Zielsetzungen in konkreten Alltagssituationen, aber auch in Bezug auf ganze Lebensabschnitte ausrichten können. Interventionen, die Motive evidenzbasiert als Anstoß und zur Begleitung von Entwicklungsprozessen zugrunde legen, geben Menschen somit einen nützlichen Kompass an die Hand, der ihnen die Navigation durch diese komplexe, von unzähligen Möglichkeiten geprägte Gesellschaft erleichtert. Für eine zielgerichtete und nachhaltige Intervention, die Persönlichkeitseigenschaften wie die Motive eines Menschen in den Mittelpunkt rückt, bedarf es eines guten Messinstruments, um diese messen und somit auch sichtbar machen zu können. Die Messung von Motiven auf der Ebene individueller Personen, wie sie für Interventionen notwendig ist, stellt sehr hohe Qualitätsanforderungen an Messinstrumente, was z. B. eine sehr hohe Zuverlässigkeit und auch eine sehr hohe technische Genauigkeit der Messung einschließt. Um diese gewährleisten zu können, haben wir an der Universität Luxemburg modernste Testentwicklungsmethodik eingesetzt, um mit dem ID37 einen Fragebogen zu konstruieren, der hohen wissenschaftlichen Standards gerecht wird, dem aktuellen Stand der Motivationsforschung entspricht und den Anwendern

VII Geleitwort Wissenschaft

eine bislang nicht dagewesene Faktenbasis als Grundlage für Entwicklungsprozesse an die Hand gibt. Mit den gemessenen 16 Lebensmotiven erlaubt die Persönlichkeitsdiagnostik ID37 einen umfangreichen Einblick in die Persönlichkeitseigenschaften, die den Menschen auf einer fundamentalen Ebene zum Handeln und Interagieren motivieren. In diesem spannend und kurzweilig geschriebenen Buch erhält der Leser einen praxisnahen und fundierten Einstieg in das Modell der 16 Lebensmotive und ihre Bedeutung für ein erfolgreiches und zufriedenes Leben. Das Buch bietet auch ohne psychologisches Vorwissen einen verständlichen Zugang zu den psychologischen Grundlagen der Persönlichkeit, ihrer Bedeutung für die Arbeitspraxis und warum es sich lohnt, sich mit der eigenen Persönlichkeit zu beschäftigen. Von der Durchführung, über die Auswertung und die Interpretation bis hin zum Analysegespräch mit dem Klienten wird dem Leser anwendungsorientiert und leicht verständlich an Fallbeispielen illustriert, wo und wie sich die ID37 Persönlichkeitsanalyse einsetzen lässt, um die 16 Lebensmotive sichtbar machen zu können. Dieses Buch bietet Ihnen einen neuen Ansatz, um Menschen zu verstehen, eine Erweiterung Ihres motivationspsychologischen Wissens und die Möglichkeit, eine neue Methode für Ihr Coaching kennenzulernen: Mit diesem Buch erweitern Sie Ihren motivationspsychologischen Horizont! Prof. Dr. Samuel Greiff Jan Dörendahl, M. Sc.

Universität Luxemburg Forschungsgruppe Computer-Based Assessment Luxemburg im Sommer 2018



Geleitwort Praxis Mit Vielfalt zum Erfolg

Menschen auf der ganzen Welt trinken Coca-Cola. So unterschiedlich wie unsere Konsumenten, so unterschiedlich sind auch unsere Mitarbeiter. Bei Coca-Cola arbeiten Menschen verschiedenster Kulturen und Religionen sowie verschiedensten Alters zusammen, und dies bereits seit vielen Jahrzehnten. Menschen mit unterschiedlichen Lebensmodellen, Ansichten und Interessen werden bei uns toleriert und aktiv unterstützt. Coca-Cola ist Unterzeichner der „Charta der Vielfalt“, Mitglied von „Fair Company“ und „Bündnis gegen Homophobie“. Diversity/Vielfalt heißt für uns jeden Tag: Wir leben eine offene, faire und tolerante Unternehmenskultur. Wir wissen, Vielfalt leistet einen Beitrag zu unserem Unternehmenserfolg. Die Förderung von Diversity & Inclusion ist ein wichtiger Bestandteil unserer Unternehmensziele. Das macht sich u. a. darin bemerkbar, dass unsere Teams bewusst heterogen zusammengestellt sind. Heterogen bezieht sich dabei nicht nur auf die Fachdisziplin oder die Kultur, sondern vor allem auf die Persönlichkeit. In diesem Zusammenhang haben wir den Wert von Persönlichkeitsdiagnostikinstrumenten zu schätzen gelernt. Über individuelle Persönlichkeitsprofile haben wir die Möglichkeit, die Lebensmotive jedes Einzelnen besser zu verstehen und besprechbar zu machen. Wir sorgen dafür, dass die Mitglieder eine weitreichende Vorstellungskraft davon erhalten, was Unterschiede und Gemeinsamkeiten bedeuten, und zeigen sie transparent auf. Das fördert gegenseitigen Respekt und Toleranz und ermöglicht jedem, authentisch zu bleiben. Der Zusammenhalt und die Kultur der Vielfalt werden gestärkt und die Qualität der Teamergebnisse verbessert sich. Im Fokus steht der Erkenntnisgewinn darüber, was jemandem wichtig ist, was ihn antreibt, was ihm eher schwerfällt und wo er mit Herzblut Höchstleistungen erbringen kann. Viele Unternehmen setzen Persönlichkeitsdiagnostik im Recruiting bzw. in der Eignungsdiagnostik ein. Wir haben uns entschieden, Persönlichkeitsdiagnostik vorwiegend im Rahmen unserer Talententwicklungsprogramme einzusetzen und es allen Teilnehmenden als freiwillige Maßnahme anzubieten. In Vorbereitung auf eine Teamentwicklungsmaßnahme, bei neuen Zusammensetzungen oder nach Reorganisationen ist es ein gefragtes, hilfreiches Instrument. Unsere Anwender sprechen offen über ihre positiven Erfahrungen und wecken zugleich die Neugier der Kollegen. Wir haben festgestellt, dass das Interesse an der Arbeit mit dem Tool deutlich steigt. Wer viele Jahre wie ich in der Aus- und Weiterbildung tätig ist, kennt verschiedene Persönlichkeitsmodelle, die zu unterschiedlichen Anlässen zum Einsatz kommen. Die großen Vorteile von ID37 sind die hohe Präzision sowie die wissenschaftliche Qualität und Aktualität. Die sehr genauen Analyseergebnisse liefern auf höchst individuelle Art und Weise einen Spiegel der Persönlichkeit. Vergleichbar mit einem „Foto von innen“ sind sie aussagekräftig, facettenreich und leicht verständlich. Selbstverständlich sind die Ergebnisse wertneutral und werden bei uns auch wertneutral behandelt.

IX Geleitwort Praxis

Die ID37 Persönlichkeitsanalyse unterstützt uns Personalentwickler dabei, unseren Mitarbeitern, Führungskräften und Teams zu mehr Selbstständigkeit zu verhelfen. Anhand des Persönlichkeitsprofils können Manager und Mitarbeiter beispielsweise individuelle Karrierewege und -pläne diskutieren, um sicherzustellen, dass sich Mitarbeiter langfristig für das Unternehmen begeistern. Ein Persönlichkeitsprofil ist ein hilfreiches Werkzeug, das die Arbeit effizienter gestaltet und erfolgreicher macht. Wie genau, das erfahren Sie in diesem Buch. Die meisten Leser werden vermutlich nicht auf interne ID37 Master in ihrem Unternehmen zurückgreifen können, um das Analysetool direkt anzuwenden. Ich kann Sie nur dazu ermuntern, mit einem ID37 Master zusammenzuarbeiten oder selbst eine Ausbildung bei Thomas Staller durchzuführen. Die gewonnenen Erkenntnisse zu Lebensmotiven, ihre Bedeutung für die Persönlichkeit und ihren Beitrag für die Wertschätzung von Vielfalt empfinde ich als große Bereicherung. Erfahrenen Mastern bietet dieses Buch eine fundierte Ergänzung für ihre professionelle Arbeit. Den Praktikern unter Ihnen sei das Studium der anschaulich beschriebenen Fallbeispiele nahegelegt. Sie machen Lust darauf, Menschen einen neuen Blick auf sich selbst, ihre Emotionen und ihr Verhalten zu eröffnen und diese Erkenntnisse in die Entwicklungsarbeit einzubeziehen. Wir setzen uns weiter dafür ein, dass unsere Mitarbeiter eine starke Verbundenheit zu ihren Kolleginnen und Kollegen sowie zum Unternehmen und seinen Marken erleben – für das besondere Lebensgefühl mit Coca-Cola. Ich bin davon überzeugt, dass Persönlichkeitsdiagnostikinstrumente wie ID37 uns bei diesem Bestreben unterstützen. Das vorliegende Buch dient uns dabei als Nachschlagewerk, Inspirationsquelle und Einladung zur Selbstreflexion. Clemens W. Krebs

National Sales Training Manager Coca-Cola European Partners BU Germany Berlin im Sommer 2018



Vorwort Was bestimmt unser Denken, Fühlen und Handeln? Wissenschaftler sind sich einig, dass Menschen einem inneren Skript folgen. Wichtige Komponenten dieses inneren Drehbuchs sind Motive. Motive sind Persönlichkeitsmerkmale, die bei jedem unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Sie treiben uns an oder anders gesagt: Sie führen Regie beim Denken, Fühlen und Handeln. Die Persönlichkeitsanalyse ID37 ist ein wissenschaftlich fundiertes diagnostisches Verfahren, um diese Motive zu ermitteln und zu verstehen. Sie wurde in zweijähriger Arbeit an der Universität Luxemburg mit einem interdisziplinären Expertenteam aus Wissenschaft und Praxis empirisch entwickelt. Einer dieser Experten ist der Autor dieses Buches, Thomas Staller. ID37 steht für die Identität eines Menschen – „ID“ als Synonym für die unverwechselbare Identität und „37“ als Kurzform von 37 Grad, der Körper- und Wohlfühltemperatur des Menschen. Motive bestimmen maßgeblich die eigene Persönlichkeit, verraten viel über den individuellen Wohlfühlbereich und erklären Verhalten. Selbstverständlich sind die mit dem Verfahren ermittelten 16 Lebensmotive nur ein Teil dessen, was die Persönlichkeit eines Menschen ausmacht. Es sind jedoch diejenigen Faktoren, die sich über Jahre und Situationen hinweg in relativ konstantem Verhalten zeigen und die ein verhältnismäßig stabiler Teil unserer Identität sind. In diesem Buch konzentrieren wir uns auf diese Persönlichkeitsfaktoren. Wir beschreiben, wie sie mit der ID37 Persönlichkeitsanalyse ermittelt werden und welche Bedeutung sie für Selbststeuerung und Lebenszufriedenheit haben. Wir haben das Buch entlang des Dreiklangs Antrieb, Zufriedenheit und Erfolg konzipiert. Denn dieser bietet eine klare Orientierung auf dem Weg zu einem gelingenden Leben. Dieses Buch richtet sich an Berater, Trainer, Coaches, Human-Resources-Manager, Personalentwickler und Führungskräfte, die mit der Persönlichkeitsanalyse ID37 ihre Klienten und Mitarbeiter unterstützen möchten. Es richtet sich an zertifizierte Anwender, die bereits mit Persönlichkeitsdiagnostik arbeiten, wie bspw. mit dem LUXXprofile oder dem Reiss Motivation Profile. Das Buch liefert auch all jenen wertvolle Erkenntnisse, die noch keine Persönlichkeitsanalyse durchgeführt haben, sich aber mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftigen. Es ist für jeden gedacht, der seine Kompetenzen um ein praktisches Werkzeug für Selbsterkenntnis und Selbststeuerung erweitern möchte. Wir wünschen Ihnen nützliche Erkenntnisse auf dem Weg zu mehr Antrieb, Zufriedenheit und Erfolg.

XI Vorwort

Zuletzt möchten wir darauf hinweisen, dass wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit die männliche Form verwenden. Selbstverständlich sind Menschen allen Geschlechts mit eingeschlossen. Thomas Staller Cornelia Kirschke

Berlin im Sommer 2018



Danksagung Unser größter Dank gilt Kamila Joanna Laures, die mit unermüdlichem Einsatz und Engagement an diesem Buch mitgearbeitet und ganzheitlich mitgedacht hat. Ihre treffsicheren Formulierungen haben die Texte lesbar gemacht und uns immer wieder begeistert. Sie war stets eine Quelle der Inspiration für uns – ohne sie hätten wir dieses Buch nicht realisieren können. Ein besonderer Dank gilt Ilona Bernhart, die mit sicherer Hand redigiert hat und mit vielen fachlichen Hinweisen diesem Buch den Feinschliff gegeben hat. Schon seit sehr vielen Jahren schätzen wir ihre fundierte Expertise, ihre Loyalität und die sehr wertvolle Zusammenarbeit mit ihr. Unserem Geschäftspartner Michael Kloss sind wir dankbar für die anregenden Diskussionen und seine stets konstruktive Kritik. Er hat uns an mehr als nur einer Stelle die Augen geöffnet. Bedanken möchten wir uns auch bei der Universität Luxemburg, namentlich bei Professor Dr. Samuel Greiff, der unserem Buch mit seinem Geleitwort einen besonderen Wert verliehen hat. Zudem bei Jan Dörendahl, M. Sc., der unsere Fragen zum Verfahren während der Buchentwicklung wissenschaftlich beantwortet und uns auf dem spannenden Weg begleitet hat. Unser Dank gilt zudem Dr. Christoph Kemper, der die Testentwicklung geleitet hat. Seinem Know-how in Persönlichkeitsdiagnostik, Persönlichkeits- und Motivationspsychologie und seinem Engagement verdanken wir dieses innovative Testverfahren. Außerdem möchten wir uns beim Springer-Verlag bedanken. Dr. Reinald Klockenbusch hat unser Vorhaben von Anfang an unterstützt. Mit Heiko Sawczuk stellte er uns einen „frischen Geist“ und Profi an die Seite, der uns mit seiner überaus freundlichen Art ermutigt und durch den Prozess der Bucherstellung geführt hat. Stellvertretend für alle weiteren Mitwirkenden seitens des Verlags möchten wir uns bei der Projektmanagerin Dr. Esther Dür und vor allem bei unserer Lektorin Dr. med. Katharina Ruppert bedanken, die das Manuskript mit großer Sorgfalt bearbeitet hat. Dieses Buch basiert auf zahlreichen Gesprächen und regelmäßigem Austausch mit unseren Kunden und Partnern von ID37, LUXXprofile und Reiss Motivation Profile. Sie alle haben unser Buch mit zahlreichen Erfahrungen, Beispielen und Anwendungsfällen bereichert und zum Leben erweckt. Unserem geschätzten Kunden, Clemens W. Krebs, National Sales Training Manager bei Coca-Cola, möchten wir für großartige Projekte danken und dass er sich die Zeit für das Geleitwort genommen hat. Dies wertet unser Buch auf und stellt den Bezug zur Praxis unmittelbar her.

XIII Danksagung

Die große Freude und Zufriedenheit, die die Fertigstellung dieses Buches mit sich bringt, haben wir euch allen zu verdanken. Thomas Staller Cornelia Kirschke

Berlin im Sommer 2018



XV

Inhaltsverzeichnis 1 Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Der Fremde im Zug. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.2 Was ist Persönlichkeit?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.2.1 Die Persönlichkeitsmerkmale: Traits und States. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.2.2 Was ist normal?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.2.3 Persönlichkeit verstehen mit ID37 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.2.4 Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2 Antrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.1 Motive als Ursache von Verhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.1.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.1.2 Woher kommt Motivation?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.1.3 Motivation ist kontextabhängig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.1.4 Selbstmotivierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.1.5 Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.2 Motiviertes Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.2.1 Zwei Motivationssysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.2.2 Welche Motive gibt es?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2.3 Wie es vom Wollen zur Handlung kommt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.2.4 Handlungshindernisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.2.5 Intuitives Handeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.2.6 Die Rolle von Werten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.2.7 Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.3 Emotionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.3.1 Wie entstehen Emotionen?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.3.2 Die Macht der Emotionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.3.3 Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3

Warum es sich lohnt, sich mit der eigenen Persönlichkeit zu beschäftigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

4 Die Persönlichkeitsanalyse ID37. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4.1 So messen wir Persönlichkeit: Der ID37 Test. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.1.1 Durchführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.1.2 Auswertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 4.2 Wissenschaftlichkeit von ID37. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4.2.1 Grundlagen zu psychometrischen Testverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4.2.2 Die Entwicklung des ID37 Tests. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4.2.3 Objektivität, Reliabilität, Validität und Normierung von ID37. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

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Inhaltsverzeichnis

4.3 Was das ID37 Persönlichkeitsprofil aussagt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4.3.1 Vor der Interpretation: Wie Motive erlebt werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4.3.2 Wie das Motivprofil zu lesen ist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4.4 Beschreibung und Wirkung der 16 Motive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4.4.1 Das Motiv NEUGIER (NEU), „curiosity“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4.4.2 Das Motiv SOZIALE ANERKENNUNG (SAN), „social acceptance“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 4.4.3 Das Motiv EINFLUSS (EIN), „influence“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4.4.4 Das Motiv STATUS (STA), „status“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.4.5 Das Motiv BESITZEN (BES), „retention“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4.4.6 Das Motiv AUTONOMIE (AUT), „autonomy“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 4.4.7 Das Motiv SOZIALKONTAKTE (SOZ), „social participation“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4.4.8 Das Motiv PRINZIPIEN (PRI), „principles“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 4.4.9 Das Motiv SOZIALES ENGAGEMENT (SEN), „social engagement“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4.4.10 Das Motiv STRUKTUR (STR), „structure“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 4.4.11 Das Motiv SICHERHEIT (SIC), „safety“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4.4.12 Das Motiv REVANCHE (REV), „revenge“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 4.4.13 Das Motiv BEWEGUNG (BEW), „physical exercise“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4.4.14 Das Motiv ESSENSGENUSS (ESS), „food enjoyment“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4.4.15 Das Motiv FAMILIE (FAM), „family“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4.4.16 Das Motiv SINNLICHKEIT (SIN), „eros“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 4.5 Motivkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4.5.1 Schwierige Motivkonstellationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4.5.2 Besondere Persönlichkeitseigenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.5.3 Kreativität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.5.4 Mut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4.5.5 Resilienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4.5.6 Soziale Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4.5.7 Extraversion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4.5.8 Woran erkenne ich Motive von Menschen ohne ID37? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4.6 Alleinstellungsmerkmale von ID37 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

5 Lebenszufriedenheit und Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 5.1 Was ist Zufriedenheit?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 5.1.1 Zufriedenheit lässt sich erarbeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 5.1.2 Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 5.2 Was der Zufriedenheit im Wege steht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 5.2.1 Natürliche Selbstbezogenheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 5.2.2 Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 5.3 Was ist Erfolg? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5.3.1 Erfolg: Persönliche Ziele erreichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5.3.2 Zum Erfolg gehört auch Misserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5.3.3 Erfolg und Misserfolg brauchen Aufmerksamkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5.3.4 Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

XVII Inhaltsverzeichnis

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ID37 in der Arbeitspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 6.1 Einsatzbereiche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 6.2 Das ID37 Analysegespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 6.2.1 Vorbereitung und Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 6.2.2 Interpretationshilfen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 6.2.3 Ethik- und Qualitätsanspruch von ID37. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 6.3 Selbststeuerung mit ID37 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 6.3.1 Phase 1: Persönlichkeitsklärung | Standortbestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 6.3.2 Phase 2: Zielklärung und Zielsetzung | Selbstwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 6.3.3 Phase 3: Ressourcenaktivierung | Selbstmotivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 6.3.4 Phase 4: Zielverankerung | Handlungsvorbereitung und Transfersicherung . . . . . . . . . 127 6.3.5 Phase 5: Automatisierung | neue Gewohnheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 6.3.6 Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 6.4 Fallbeispiele aus der Wirtschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 6.4.1 Business-Coaching. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 6.4.2 Führung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 6.4.3 Human-Resources-Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 6.5 Wann ist die Arbeit mit ID37 erfolgreich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 6.6 Der Weg zu ID37 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

7 Epilog. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Serviceteil Glossar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169



Über die Autoren Thomas Staller ist Mathematiker und war als Geschäftsführer und Vorstand in den Branchen Informationstechnologie, Telekommunikation, Medien und Unternehmensberatung tätig. Als Berater, Coach und Trainer unterstützt er Führungskräfte und Teams bei ihrer Entwicklung. Er ist Sparringpartner für Vorstände, Fachund Führungskräfte sowie für Athleten und ihre Trainer. Im Jahr 2018 hat Thomas Staller die ID37 Company GmbH gegründet, deren ­geschäftsführender Gesellschafter er ist. Neben der ID37 Persönlichkeitsanalyse werden im Unternehmen ergänzende digitale Tools für Anwendungen in der Praxis entwickelt. Seit mehr als 15 Jahren ist Thomas Staller Wegbereiter für den Einsatz von Persönlichkeitsdiagnostik in Organisationen und der Beratungsbranche. Als einer der Köpfe der LUXXunited GmbH hat er das LUXXprofile mitentwickelt. Von 2006 bis 2017 war er als geschäftsführender Gesellschafter der Reiss Profile Germany GmbH für die erfolgreiche Verbreitung der amerikanischen Persönlichkeitsdiagnostik in Europa mitverantwortlich. Er ist einer der erfahrensten Anwender und Ausbilder auf diesem Gebiet. Seine tiefe Expertise in den Bereichen Persönlichkeit, Motivation und Verhalten sowie seine langjährige Praxiserfahrung machen ihn zu einem gefragten Berater und Redner zu diesen Themen. Als Vorstand der VICTRESS Initiative e. V. – Excellence Knows No Gender – setzt sich Thomas Staller für gelebte Gender-Balance ein. Ausbildungs- und Seminartermine sowie Buchungsanfragen: 7 www.ID37.io.

Cornelia Kirschke ist Wirtschaftsingenieurin und verfügt über umfassende ­Erfahrung als ­Marketing- und Kommunikationsleiterin in internationalen ­Unternehmen der Branchen Telekommunikation, Informationstechnologie und Medien. Als Beraterin und Interim Managerin hat sie sich auf die Herausarbeitung von authentischen Unternehmensidentitäten spezialisiert. Seit 2003 entwickelt sie Marketing- und Brandingstrategien und begleitet Organisationen zudem bei der digitalen Transformation. Zu ihren Kunden zählen u. a. Deutsche Bahn, Deutsche Telekom, Deutsche Post und Vodafone. Sie kombiniert diese Expertise mit fundiertem Wissen über Motivation und Verhaltenspsychologie. Im Zentrum ihres Ansatzes steht stets der Mensch. Das Ergebnis sind flexible Lösungen für zukunftsfähige Marken, Kommunikation, Teams und Organisationskulturen. Versiert in der Anwendung von Design T­ hinking, Design Sprints und Agile Management ist sie eine gefragte Expertin für Innovations- und Veränderungskultur. Cornelia Kirschke ist Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der ID37 Company GmbH.

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Persönlichkeit 1.1 Der Fremde im Zug – 2 1.2 Was ist Persönlichkeit? – 3 1.2.1 Die Persönlichkeitsmerkmale: Traits und States – 4 1.2.2 Was ist normal? – 6 1.2.3 Persönlichkeit verstehen mit ID37 – 7 1.2.4 Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis? – 8

Literatur – 8

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Staller, C. Kirschke, Die ID37 Persönlichkeitsanalyse, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58004-2_1

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Kapitel 1 · Persönlichkeit

1.1  Der Fremde im Zug

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im ICE und ein gerade zugestiegener Fahrgast wird laut, weil sich seine Reservierung als ungültig erweist. Der Zugbegleiter, der ihm freundlich Rede und Antwort steht, bekommt die geballte Wut des Mannes ab. Dreimal fängt der Mann von Neuem an, den Zugbegleiter zu beschimpfen und lässt dabei seinem Ärger freien Lauf. Sie sitzen unweit der Szenerie und waren bis zu diesem Moment selbst entspannt, da Sie auf der Rückreise eines erfolgreichen Geschäftstermins sind. Während andere Reisende unbeeindruckt scheinen, manche ihm sogar recht geben, erleben Sie diese Situation als stressig. Der Mann ist Ihnen unsympathisch – Ihnen selbst ist ein solches Verhalten fremd. Sie finden, dass er rücksichtslos und unbeherrscht ist, alle Mitreisenden aufwühlt und den Zugbegleiter unfair behandelt. Ihre Entspannung ist dahin, und Sie überlegen, wie Sie schlichtend eingreifen könnten. Diese Szene verrät viel über Sie – oder sagen wir über den Beobachter im Zug. Der Beobachter ist wahrscheinlich ein friedfertiger Mensch und empfindet die Behandlung des Zugbegleiters und die Belästigung der Mitreisenden demnach als besonders schlimm. Für den Schimpfenden hingegen ist es höchstwahrscheinlich normal, dass er seine Wut auslebt. Das Beispiel zeigt, wie unterschiedlich Menschen ein und dieselbe Situation erleben. Jeder nimmt die Welt anders wahr. Beobachtung und Erleben sind beeinflusst von der eigenen Persönlichkeit. Menschen verhalten sich, wie es ihre Persönlichkeit ihnen vorgibt. Was veranlasst den Mann im Zug wiederholt auf den Zugbegleiter loszugehen? Was treibt den Beobachter dazu, vermitteln zu wollen? Und wie wird der Zugbegleiter reagieren? Die Antworten auf diese und ähnliche Fragen sind höchst individuell. Sie helfen jedem dabei, sein Zusammenleben- und arbeiten erfolgreich zu gestalten: Wissen, wie der Einzelne tickt, warum er handelt, wie er handelt, welchen Verhaltensmustern er folgt, was Menschen eint und was sie trennt. Menschen sind komplex und die zwischenmenschlichen Interaktionen erst recht. Schon lange beschäftigt sich die Wissenschaft mit der Suche nach geeigneten Modellen, um die Komplexität des Menschen und menschliches Verhalten zu erklären. Das Persönlichkeitsdiagnostikinstrument ID37 ist ein solches Modell, es 5 konzentriert sich auf einen zentralen Aspekt der menschlichen Persönlichkeit: Motive; 5 erfasst und beschreibt die individuelle Persönlichkeit anhand von 16 fundamentalen Motiven, die in jedem Menschen verankert sind. Deshalb eignen sich Motive besonders gut, um zum Kern der Persönlichkeit zu gelangen und Ursachen menschlichen Verhaltens zu erklären; 5 zeichnet ein sehr genaues Persönlichkeitsprofil, das sogar eine gewisse Vorhersagbarkeit von Verhalten erlaubt. Kernstück des ID37 Persönlichkeitsmodells ist ein psychologisches Testverfahren, das wir gemeinsam mit der Universität Luxemburg auf Basis aktueller Forschungsergebnisse u. a. von Murray, McDougall und Reiss entwickelt haben. Zusätzlich zu diesem theoretischen Fundament sind über 10 Jahre Arbeit und Praxiserfahrung mit dem diagnostischen Instrument Reiss Motivation Profile in den wissenschaftlichen Entwicklungsprozess eingeflossen.

1.2 · Was ist Persönlichkeit?

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Die 16 Motive, die mit dem Verfahren ID37 gemessen werden, sind: NEUGIER, SOZIALE ANERKENNUNG, EINFLUSS, STATUS, BESITZEN, AUTONOMIE, SOZIALKONTAKTE, PRINZIPIEN, SOZIALES ENGAGEMENT, STRUKTUR, SICHERHEIT, REVANCHE, BEWEGUNG, ESSENSGENUSS, FAMILIE und SINNLICHKEIT (7 Kap. 4). Das Ergebnis der Analyse wird in Form eines Motivprofils dargestellt, bei dem jedes Motiv in seiner jeweiligen Ausprägung separat ausgewiesen wird (. Abb. 4.1). Mit ID37 erhalten Anwender ein fundiertes Werkzeug, um sich ihrer eigenen Wirklichkeit oder der Wirklichkeit anderer zu nähern. Im professionellen Bereich können Berater, Trainer, Coaches, Human-Resources-Manager, Personalentwickler und Führungskräfte individuelle Strategien und passgenaue Maßnahmen zur persönlichen Weiterentwicklung ableiten. 1.2  Was ist Persönlichkeit?

Der Begriff „Persönlichkeit“ kennt – je nach theoretischer Zuordnung oder Forschungstradition – unzählige Definitionen. Konsens ist, dass der Mensch – mit einer Vielzahl an individuellen Merkmalen ausgestattet – einzigartig ist und die Persönlichkeit im individuellen Lebenskontext betrachtet werden muss. Der Persönlichkeitspsychologe Jens B. Asendorpf definiert Persönlichkeit beispielsweise wie folgt:

» Unter der Persönlichkeit eines Menschen wird die Gesamtheit seiner

Persönlichkeitseigenschaften verstanden: die individuellen Besonderheiten in der körperlichen Erscheinung und in Regelmäßigkeiten des Verhaltens und Erlebens. (Asendorpf 2015, S. 2)

> Persönlichkeit ist in der Psychologie nicht einheitlich definiert. Im Allgemeinen

versteht man darunter die Summe aller Verhaltensmerkmale eines Individuums.

Nachfolgend beleuchten wir einige Begriffe und Phänomene, die im Zusammenhang mit Persönlichkeit stehen. Im alltäglichen Sprachgebrauch kreisen die elementaren Begriffe „Mensch“ und „Individuum“ um die Persönlichkeit: 5 Der Begriff „Mensch“ kennzeichnet sowohl die biologische Art Homo sapiens als auch dessen Dasein als gesellschaftliches Wesen. 5 „Individuum“ bedeutet so viel wie Einzelwesen. Der Begriff trägt der Einzigartigkeit jedes Menschen Rechnung, denn Individuum stammt vom Verb „dividere“ (lateinisch: teilen) ab und bedeutet wörtlich „das Unteilbare“. Das Individuum wird zur Persönlichkeit, indem es sich die Errungenschaften der Kultur aneignet, von der es stammt, sich aber durch persönliche Eigenschaften, eigenverantwortliches Handeln, Interessen oder Besonderheiten abgrenzt und seine individuelle Identität entwickelt. Das impliziert, dass nicht jeder Mensch eine Persönlichkeit ist, am wenigsten ein Neugeborenes (Simon 2006, S. 12 f.). Bei aller Individualität ist der Mensch auch ein soziales Wesen. Nach Anschauung des russischen Psychologen A. Leontjew entsteht Persönlichkeit in der Gesellschaft.

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Kapitel 1 · Persönlichkeit

Er meint damit, dass die Persönlichkeit durch den Austausch mit der Umwelt erzeugt wird. Danach entwickelt sich die Fähigkeit zum Denken, Handeln und Fühlen immer unter den Bedingungen der konkreten Gesellschaft. Die Geburt an einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Epoche verbindet den Menschen mit einem spezifischen sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Milieu, das auf ihn und seinen Lebenslauf einwirkt. Im Laufe seines Lebens bekommt der Mensch im Austausch mit anderen Menschen alles, was er benötigt. Auch in geistiger Hinsicht hängt er von diesen ab, da er von ihnen ebenso Sprache, Wissen und Verhaltensnormen übernimmt (Leontjew 1975, zit. nach Simon 2006, S. 10 f.). > Der Mensch ist sowohl ein individuelles als auch ein soziales Wesen. Daher ist

Persönlichkeit immer in ihrem Kontext zu betrachten.

1.2.1  Die Persönlichkeitsmerkmale: Traits und States

Die Wissenschaft unterscheidet die weitgehend unveränderbaren Persönlichkeitsmerkmale Traits von den veränderbaren Merkmalen States. Persönlichkeitsmerkmale des Menschen 5 Trait (englisch: Charakterzug, Merkmal) = stabile Eigenschaft, z. B. Ängstlichkeit Genetisch veranlagte, weitgehend unveränderbare und kulturübergreifende Grundstruktur. Traits beschreiben sichtbares Verhalten. 5 State (englisch: Zustand) = vorübergehende Zustände, z. B. Angst Umweltbedingte veränderbare Merkmale beeinflusst von Sozialisation, Kultur und situativen Gegebenheiten.

Die Beschreibung eines Individuums anhand von Traits ist deshalb sinnvoll, weil diese Persönlichkeitsmerkmale Verhaltensmuster ergeben und über die Zeit hinweg relativ stabil bleiben. Der Hirnforscher Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth schreibt:

» Menschen zeigen im Lauf ihres Lebens in ihrem Fühlen, Denken und Handeln zeitlich

überdauernde Muster. Diese müssen kein festgefügtes Schema haben, sondern können in ihrer Entwicklung und auch in ihrem Auftreten dynamisch sein – und sind dies in aller Regel auch. Entwicklungsbedingte und situative Dynamik weist schon früh Regelmäßigkeiten auf. Dies nennen wir Persönlichkeit des Menschen. (Roth und Ryba 2016, S. 125)

Exkurs: Selbst wenn wir uns verändern, bleiben wir uns treu Menschen verändern sich nur innerhalb ihrer Persönlichkeit. Menschen, die glauben, dass sie sich in ihrer Persönlichkeit grundlegend verändert haben und behaupten, sie seien heute „ein ganz anderer Mensch“ als früher, irren sich in der Regel. Oftmals lässt sich das aufklären, indem man die Person gezielt überprüfen lässt, ob die eine oder andere markante Eigenschaften nicht auch schon in der Jugend vorhanden war. Meistens werden die Erinnerungen nur durch andere Ereignisse überlagert oder die Person hat über die Jahre gelernt, sich an eine Situation anzupassen. Wenn die Differenz zwischen dem, was eine Person wirklich anstrebt und dem, was sie tagtäglich lebt, zu groß ist, kann dies das Wohlbefinden und die Gesundheit maßgeblich beeinträchtigen. Eine Person, die beispielsweise einen ganz neuen Beruf gewählt hat, war vermutlich sehr unzufrieden mit ihrer vorherigen Tätigkeit. O ­ ffensichtlich haben

1.2 · Was ist Persönlichkeit?

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der Job oder das Umfeld nicht gepasst. Damit hat sich die Person aber nicht in ihrem Wesen geändert – vielleicht hat sie ihrem Wesen dadurch aber mehr Ausdruck verliehen. Nach Untersuchungen des Persönlichkeitspsychologen Jens B. Asendorpf suchen sich Menschen eher Lebensbedingungen, die zu ihnen passen, anstatt sich selbst den Bedingungen anzupassen. Und selbst wenn sie sich anpassen, dann geschieht dies in dem Rahmen, den ihre Persönlichkeit vorgibt (Roth und Ryba 2016, S. 220 f.).

Zur Stabilität versus Veränderbarkeit der Persönlichkeit wird der Bonner Neurowissenschaftler Christian E. Elger in seinem Buch Neuroleadership deutlich:

» Persönlichkeit ist wahrscheinlich keineswegs eine dauerhafte und feste Konstruk-



tion, sondern nur eine Art Zustand, der sich entsprechend der inneren und äußeren Gegebenheiten verändern kann. Somit ist der Mensch einerseits ein Spiegel seiner Umwelt, und andererseits ist das Leben ein permanentes Change Management. Was das Gehirn jeweils antreibt, ist die Suche nach Belohnung, und deshalb hat gerade die aktuelle Glücksforschung auch sehr viel mit den Neurowissenschaften zu tun. (Elger 2009, S. 39) Die Vorstellung, dass die Persönlichkeit eine angeborene Eigenschaft ist, wurde schon vor geraumer Zeit aufgegeben. Natürlich spielen die genetischen Eigenschaften eine Rolle. Sie beeinflussen den Charakter eines Menschen aber nur zu 30 bis 60 Prozent, wie verschiedene Studien an eineiigen Zwillingen nachgewiesen haben. Der Rest wird sozial erworben. Manche Wissenschaftler gehen davon aus, dass bis zum dritten Lebensjahr die wesentlichen Persönlichkeitsmerkmale festgelegt sind. Andere glauben belegen zu können, dass sich die Persönlichkeit erst bis zum 50. Lebensjahr vollständig ausformt. Wahrscheinlich ist es so, dass wir uns aufgrund der neuronalen Plastizität bis zum Lebensende verändern. (Elger 2009, S. 145)

Wissenschaftliche Studien, die über einen längeren zeitlichen Verlauf durchgeführt wurden, zeigen, dass sich die Persönlichkeit eines Menschen in früher Kindheit in den Grundzügen stabilisiert, ab dem Jugendalter weitestgehend konstant ist und zunehmend unempfindlich gegen Umwelteinflüsse wird (Roth und Ryba 2016, S. 221 f.). > Persönlichkeit ist ein dynamisches Konstrukt, das einem ständigen Wandel

unterworfen ist. Motive geben den relativ stabilen Rahmen vor, innerhalb dessen sich die Persönlichkeit verändert.

Auch andere Wissenschaftler gehen von der Existenz dauerhafter und relativ stabiler Eigenschaften aus, die das Verhalten in konkreten Situationen beeinflussen und nicht direkt beobachtbar sind, sondern sich nur über das Verhalten erschließen lassen. Disposition Eine Disposition ist ein Merkmal einer Person, das eine mittelfristige zeitliche Stabilität aufweist, das heißt zumindest Wochen oder Monate überdauert. Eine Disposition veranlasst die Person dazu, in bestimmten Situationen ein bestimmtes Verhalten zu zeigen. (Asendorpf 2015, S. 3)

Demnach ist eine Disposition eine Verhaltensregelmäßigkeit, ein Muster. Es ist nicht Verhalten per se, denn dieses variiert von Sekunde zu Sekunde und ist direkt beobachtbar. Wenn eine Person beispielsweise die Neigung hat, vor öffentlichen Präsentationen

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Kapitel 1 · Persönlichkeit

ängstlich zu sein, dann spricht man von einer Verhaltensdisposition (Asendorpf 2015, S. 3). Die Unterscheidung zwischen Verhaltensdisposition und Verhalten ist wichtig, denn Dispositionen helfen uns dabei, einen genaueren Eindruck von der Persönlichkeit eines Menschen zu erhalten. Anders als bei einem Erstkontakt geben uns wiederkehrende Verhaltensmuster die Gelegenheit, eine Person und ihren Charakter realistischer einzuschätzen. > Verhaltensmuster, auch Disposition genannt, kennzeichnen eine Persönlichkeit,

nicht Verhalten per se.

Die Persönlichkeitsanalyse ID37 ist eine verlässliche Basis, um individuelle Verhaltensmuster sichtbar und erklärbar zu machen und bis zu einem gewissen Grad auf Verhalten einer Person zu schließen. Diese Muster sind im Motivprofil erkennbar. Zum Beispiel zeigt das Motiv STRUKTUR Unterschiede im Bestreben, sich die Umwelt in einfacher und widerspruchsfreier Weise zu strukturieren (. Abb. 1.1a, b). > Das Persönlichkeitsprofil ID37 macht Verhaltensmuster sichtbar.

1.2.2  Was ist normal?

Von einer normalen Persönlichkeit spricht man, wenn die Erfahrungs- und Verhaltensmuster sich innerhalb der kulturell erwarteten und akzeptierten Normen befinden – d. h. die Art und Weise, wie jemand Dinge, Menschen und Ereignisse wahrnimmt, wie jemand fühlt, reagiert, sich selbst im Griff hat oder mit anderen umgeht. Was aber ist „die Norm“? Mit ID37 haben wir einen wirksamen Gradmesser dafür, was als normal gelten kann. ID37 ist ein wissenschaftlich fundiertes Instrument und als solches normiert. Die Ergebnisse zeigen, wie die Persönlichkeit eines Menschen im Vergleich zur kulturellen Norm ausgeprägt ist. Bei der Normierung wurde jedes der 16 Persönlichkeitsmerkmale separat auf eine vergleichbare Referenzpopulation geeicht. Dies ist eine der Stärken von ID37: Es beschreibt weder Typen noch Typologien,

. Abb. 1.1  Unterschiedliche Verhaltensmuster am Beispiel des Motivs STRUKTUR. a Lässt Rückschlüsse auf eine niedrige Ausprägung des Motivs STRUKTUR zu, b lässt Rückschlüsse auf eine hohe Ausprägung des Motivs STRUKTUR zu

1.2 · Was ist Persönlichkeit?

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s­ ondern die unverwechselbare Individualität des Einzelnen im Vergleich zu einer repräsentativen Gruppe der Gesamtbevölkerung (7 Abschn. 4.2.3). Auffällig sind Persönlichkeitsausprägungen, bei denen eine Abweichung von der Norm ermittelt wird (. Abb. 4.5). Sie wirken sich stärker auf das Erleben (z. B. Freude, Frustration) und sichtbare Verhalten aus als Ausprägungen, die im mittleren Bereich liegen. Wir sprechen dann immer noch von einer normalen Persönlichkeit, ggf. von einer extremen Persönlichkeit. Wenn eine Mutter beispielsweise denkt, sie sei nicht normal, weil es ihr nicht wichtig ist, jeden Abend zu Hause zu sein, um die Kinder ins Bett zu bringen, dann ist ihr Empfinden nicht anormal. In ihrem Persönlichkeitsprofil hat sie vielleicht ein sehr niedrig ausgeprägtes Motiv FAMILIE (7 Abschn. 4.4.15). ID37 zeigt die mannigfaltigen Facetten und Ausprägungen normaler Persönlichkeit auf und macht deutlich, wie unterschiedlich und einzigartig wir alle sind. Ein einfaches Zahlenbeispiel untermauert dies: Wenn wir von 16 Persönlichkeitsmerkmalen ausgehen, mit beispielsweise nur 5 Abstufungen pro Motiv, ergibt dies bereits rund 150 Milliarden unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten und Persönlichkeitsausprägungen – alle weiteren persönlichkeitsbeeinflussenden Faktoren bleiben bei diesem Beispiel natürlich unberücksichtigt. Dass eine Person, die viele Ecken und Kanten hat, im Alltag als „nicht normal“ abgestempelt wird, ist in erster Linie ein Verständnisproblem. Starke Persönlichkeitsausprägungen werden gerne mit Persönlichkeitsstörungen oder krankhaftem Verhalten verwechselt. Menschen ecken deswegen oft an, weil sie so unterschiedlich sind, aber dennoch gleichbehandelt werden. Denken wir nur an ein Großraumbüro: Es ist auf Gleichschaltung ausgerichtet. Menschen haben aber unterschiedliche Bedürfnisse. Eine Gleichbehandlung führt deshalb auf Dauer zu Unbehagen, Unzufriedenheit und ­Konflikten. Die Grenzen der Persönlichkeitsanalyse ID37: Anhand des Motivprofils können wir psychisch gesunde von kranken Menschen nicht unterscheiden. Zeigt jemand dauerhaft ein Verhalten, das persönliches Leid und soziale Probleme mit sich bringt oder einem Unternehmen schadet, sollten wir sensibel entscheiden, ob wir die richtige Expertise für die Arbeit mit ihm haben. > ID37 beleuchtet den Facettenreichtum und die Unterschiede von Individuen.

Zudem liefert es konkrete Hinweise darauf, wie diese Facetten positiv genutzt werden können. Es ist kein geeignetes Instrument, um psychische Erkrankungen zu diagnostizieren.

1.2.3  Persönlichkeit verstehen mit ID37

Die Persönlichkeitsanalyse ID37 ermittelt die Motivstruktur eines Menschen anhand von 16 trennscharfen fundamentalen Motiven. Diese Motive sind in jedem Menschen angelegt, ihre Ausprägung und die Intensität, mit der sie erlebt werden, variieren jedoch von Mensch zu Mensch. Motive sind geeignete Persönlichkeitsindikatoren, da sie relativ stabil sind und Verhaltensmuster erkennen lassen. Im Einzelfall sind die Motive, deren Ausprägung von der des Bevölkerungsdurchschnitts abweichen, von besonderem Interesse. Je größer die Abweichung von der Norm ist, desto stärker ist das emotionale Erleben dieses Motivs. Je höher der Wert der

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Kapitel 1 · Persönlichkeit

­ usprägung, desto höher das Streben nach Motivbefriedigung. Umso wahrscheinlicher A ist es auch, dass dieses Motiv als wiederkehrendes Verhalten zu beobachten ist. Im Gesamtbild, also im Zusammenwirken der einzelnen Motive, ergibt sich ein tiefes Verständnis der individuellen Persönlichkeit und des daraus resultierenden Denkens, Fühlens und Handelns (7 Kap. 4). Das Motivprofil liefert einen verlässlichen Bezugsrahmen für das eigene Selbstverständnis. Es hilft dabei, aus dem geschlossenen System des Selbst herauszutreten. Mit dem Bewusstwerden über uns selbst öffnen wir uns. Dies gelingt umso besser, je mehr wir darüber sprechen, z. B. im Analysegespräch mit einem ID37 Master. > ID37 trägt maßgeblich dazu bei, zu verstehen, von welchen Motiven die

Persönlichkeit geleitet wird, und leistet einen Anstoß zur Selbstreflexion. ID37 regt dazu an, sein Selbstbild mit Abstand zu betrachten und sich zu öffnen.

1.2.4  Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis?

Wir können davon ausgehen: Persönlichkeit ist dynamisch. Unsere Persönlichkeit formt, verändert und entwickelt sich in einem gewissen Rahmen ein Leben lang. Für die professionelle Arbeit nutzen wir als Rahmen die 16 Motive von ID37, die die individuelle Persönlichkeit differenziert beschreiben. Motive sind weitestgehend stabile Persönlichkeitsmerkmale. Als überdauernde Aspekte der Persönlichkeit erlauben sie die individuelle Standortbestimmung eines Menschen. Sie verraten, wer wir sind, wo unsere Lebensprioritäten liegen und demzufolge, wie wir Zufriedenheit erlangen können. Persönliche Weiterentwicklung bedeutet gezielte Veränderung. Deshalb ist eine der relevantesten Fragen überhaupt, wie man Verhalten ändern kann. Für ID37 Master ist das Motivprofil der Code zur erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem Klienten, um die gewünschte Entwicklung auf der Individualebene wirksam einzuleiten. So lässt sich aufzeigen, durch welche Motive bei einer Person natürliche Verhaltensmuster entstehen. Es lässt sich klären, ob sie diese unter den gegebenen Umständen so ausleben kann, dass es ihr dabei gut geht. Das Persönlichkeitsdiagnostikinstrument ID37 kann als Ausgangsbasis für die personenzentrierte Beratung und professionelle Entwicklungsarbeit genutzt werden.

Literatur Asendorpf, J. B. (2015). Persönlichkeitspsychologie für Bachelor (3. Aufl.). Berlin: Springer. Elger, C. E. (2009). Neuroleadership. München: Haufe. Roth, G., & Ryba, A. (2016). Coaching, Beratung und Gehirn. Stuttgart: Klett Cotta (E-Book). Simon, W. (Hrsg.). (2006). Persönlichkeitsmodelle und Persönlichkeitstests. Offenbach: Gabal.

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Antrieb 2.1  Motive als Ursache von Verhalten – 10 2.1.1  Motivation – 12 2.1.2  Woher kommt Motivation? – 13 2.1.3  Motivation ist kontextabhängig – 13 2.1.4  Selbstmotivierung – 14 2.1.5  Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis? – 15

2.2  Motiviertes Handeln – 15 2.2.1  Zwei Motivationssysteme – 16 2.2.2  Welche Motive gibt es? – 17 2.2.3  Wie es vom Wollen zur Handlung kommt – 20 2.2.4  Handlungshindernisse – 22 2.2.5  Intuitives Handeln – 24 2.2.6  Die Rolle von Werten – 25 2.2.7  Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis? – 25

2.3  Emotionen – 26 2.3.1  Wie entstehen Emotionen? – 26 2.3.2  Die Macht der Emotionen – 28 2.3.3  Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis? – 29

Literatur – 30

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Staller, C. Kirschke, Die ID37 Persönlichkeitsanalyse, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58004-2_2

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Kapitel 2 · Antrieb

2.1  Motive als Ursache von Verhalten

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Menschen streben danach, solche Ereignisse herbeizuführen, die zu positiven Gefühlszuständen führen – indem sie etwas anstreben (Appetenz) oder vermeiden (Aversion). Wenn Menschen Positives oder Negatives von anderen Personen, von Dingen oder von Situationen erwarten, schlägt sich das in entsprechenden Verhaltensweisen nieder. Exkurs: Neurobiologische Sicht auf Annäherung und Vermeidung Nach Auffassung der Neurowissenschaften hängt die Persönlichkeit eines Menschen unauflöslich mit den Eigenschaften seines Gehirns zusammen. So wurde beispielsweise das limbische System im Gehirn als der Entstehungsort von Affekten, Gefühlen, Motiven, Handlungszielen, Gewissen, Empathie, Moral und Ethik identifiziert. Es gilt als derjenige Bereich bzw. die Instanz im Gehirn, die weitgehend unsere Persönlichkeit bestimmt – einschließlich unseres Handelns. Dort finden u. a. neurobiologische Prozesse statt, die die Grundlage des Motivationssystems bilden. Diese Prozesse veranlassen das Gehirn, Dinge und Handlungen, die in der Vergangenheit zu Belohnung führten, zu wiederholen und Dinge und Handlungen, die zu Bestrafung führten, zu vermeiden (Roth und Ryba 2016, S. 137 ff.). Das bedeutet: Das, was zu Belohnung führt, und das, was vermieden wird, ist bei Menschen individuell verschieden, aber im Gehirn werden die gleichen Prozesse ausgelöst.

Motiv Ein Motiv ist ein Beweggrund für Verhalten im Sinne einer leitenden, aktivierenden, richtungsgebenden Kraft (McClelland 1985, zit. nach Eilles-Matthiessen und Scherer 2011, S. 18).

Für eine Person, für die das Motiv SOZIALKONTAKTE beispielsweise eine hohe Priorität hat, gibt es in der Regel nichts Schöneres, als mit anderen zusammen zu sein (7 Abschn. 4.4.7). Da sie danach strebt, verabredet sie sich häufig, besucht Veranstaltungen oder geht zu Partys. Für eine Person, die diesem Motiv keine hohe Priorität beimisst, ist das Zusammensein mit vielen Menschen nicht attraktiv. Sie richtet ihr Verhalten nicht darauf aus, oft in geselliger Runde zu sein, und versucht, zu viele Sozialkontakte eher zu vermeiden. Wenn wir sagen, jemand misst einem Motiv eine hohe Priorität bei, beinhaltet das eine qualitative und quantitative Aussage. 5 Das Motiv benennt, warum wir handeln: Was ist diesem Menschen wirklich wichtig im Leben, wonach strebt er (qualitativ)? 5 Die Motivausprägung hingegen macht eine quantitative Aussage: Wieviel braucht der Mensch, wie intensiv, wie ausdauernd bzw. wie häufig will das Motiv befriedigt werden? Zur Veranschaulichung stellen wir uns ein Motiv als eine Skala vor, die ein Kontinuum bildet (. Abb. 2.1). Stellen Sie sich vor, Sie sind eine Führungskraft. Sie sollen Ihren Drang nach Bewegung einschätzen und dies auf der Skala BEWEGUNG von sehr niedrig bis sehr hoch eintragen. Sehr hoch bedeutet einen sehr hohen Bewegungsdrang. Sie machen Extremsport, sagen wir Triathlon, Sie verdienen ihr Geld aber nicht mit Sport. Sie trainieren täglich hart und ausdauernd, bis zu 14 Stunden wöchentlich, weil es Ihnen wirklich etwas im Leben bedeutet. Sie planen Ihren Tag rund um den Sport und fühlen sich gestresst, wenn Sie aufgrund von Krankheit oder einer eng durchgeplanten

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2.1 · Motive als Ursache von Verhalten

„Schön, dieser gemütliche Spaziergang nach dem Essen.“

„Der Weg zum Bäcker ist Sport genug.“

NIEDRIG

„Ich sollte mal wieder Sport machen.“

„Ich ärgere mich, weil ich mich heute nicht bewegt habe.“ „Ich könnte mir vorstellen, diese Woche zweimal ins Fitnessstudio zu gehen.“

MITTEL

„Ich liebe die körperliche Erschöpfung.“

„Es gibt nichts Schöneres als harte Trainingseinheiten.“

HOCH

Unterschiedliche Motivausprägungen einer Motivskala triggern unterschiedliche Verhaltensweisen. . Abb. 2.1  Wie funktionieren Motive? Am Beispiel des Motivs BEWEGUNG

Geschäftsreise pausieren müssen und Ihrem Drang nach Bewegung nicht nachgehen können. Sie würden folglich den Wert „sehr hoch“ auf der Skala vergeben. > Motiviertes Verhalten kann zwei Ursachen haben: Annäherung oder Vermeidung.

Wonach eine Person strebt, ist ein essenzieller Bestandteil ihrer Persönlichkeit.

Wenn Sie hingegen jemand sind, der das Bedürfnis nach Bewegung überhaupt nicht kennt und die Fitnessbegeisterung anderer nicht nachvollziehen kann, würden Sie den Wert „sehr niedrig“ auf der Skala BEWEGUNG einzeichnen. Sie würden versuchen, körperliche Belastung, die Sie als unangenehm empfinden, zu vermeiden. Das bedeutet: Unterschiedliche Motivausprägungen führen zu unterschiedlichem Verhalten. Es gibt aber auch Motivausprägungen zwischen den Extremen. Wenn für Sie die körperliche Aktivität beispielsweise nicht elementar wichtig ist, Sie aber ab und zu Bewegung brauchen, würden Sie vermutlich einen Mittelwert angeben. Sie wären bezüglich Ihres Bewegungsverhaltens recht flexibel. Jede Person, deren Motivausprägung sich im mittleren Bereich befindet, kann in ihrem Verhalten beide Tendenzen zeigen, sie will also sowohl sportlich aktiv sein als auch sich in bestimmten Phasen körperlich entspannen. Beobachtet man nur eine der beiden Verhaltensweisen, könnte man schnell falsche Rückschlüsse ziehen, etwa wie: geht regelmäßig ins Fitnessstudio, ist eine bewegungsmotivierte Person. Dies ist der Grund, weshalb beobachtetes Verhalten, das oft nur eine Momentaufnahme darstellt, kaum aussagekräftig ist, wohingegen die Messung der Motivausprägungen eine relativ verlässliche Aussage liefert. Hier zeigt sich der hohe Nutzen des Persönlichkeitsdiagnostikinstruments ID37 für das Erkennen überdauernder ­Verhaltensmuster und für das Verstehen der individuellen Persönlichkeit. > Menschen möchten positive Gefühlszustände herbeiführen, indem sie etwas

anstreben oder vermeiden. Personen mit unterschiedlichen Motivausprägungen verhalten sich unterschiedlich, sie haben andere emotionale Empfindungen, sie denken anders und sie nehmen die Welt anders wahr.

Motivbasiertes Verhalten ist das, was wir als „natürliches“ Verhalten bezeichnen, wenn beispielsweise eine Person mit sehr hoher Ausprägung des Motivs BEWEGUNG intensivem Sport nachgeht. Unabhängig davon, ob sich eine Person ihrer Motivlage bewusst

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Kapitel 2 · Antrieb

ist oder nicht, handelt sie aus einem inneren Antrieb heraus und zeigt eine eindeutige Verhaltenstendenz. Für die Führungskraft mit Triathlon-Leidenschaft aus dem o. g. Beispiel ist es natürlich, dass sie pünktlich von der Arbeit nach Hause geht, um zu trainieren. Das heißt nicht, dass der ambitionierte Triathlet nicht länger in der Firma bleibt, wenn es die Situation erfordert. Er muss sein natürliches Bestreben willentlich unterdrücken und situativ angemessen handeln. Dies ist temporär möglich, erst wenn die Situation zum Dauerzustand wird, wird sie problematisch. Im Praxisteil erläutern wir, wie diese Selbststeuerung erlernt werden kann (7 Abschn. 6.3). 2.1.1  Motivation

Die Begriffe „Motiv“ und „Motivation“ lassen sich beide auf das lateinische Verb „movere“ (lateinisch: bewegen, antreiben) zurückführen. Motivation Motivation ist die aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand (Rheinberg und Vollmeyer 2011, S. 15).

Motive und Motivation hängen eng miteinander zusammen, sind jedoch voneinander zu unterscheiden: 5 Motive sind richtungsgebende, situationsunabhängige Handlungsantriebe. Sie sind tief in der Persönlichkeit verwurzelt, teilweise genetisch bedingt und personenspezifisch unterschiedlich stark ausgeprägt. 5 Der Prozess der Motivanregung wird Motivierung genannt. Er wird durch Anreize ausgelöst. 5 Das Ergebnis der Motivierung ist Motivation. Motivation ist ein Zustand angeregter Motive. Sie löst eine Handlung in Richtung eines positiv erwarteten Zielzustands aus. Erfolgsaussicht als Motivationsanreiz Schätzt ein Teammitglied A eine kniffelige Aufgabe als lösbar ein, wird es sich u. U. melden, diese Aufgabe zu übernehmen – angetrieben von einem positiv bewerteten Zielzustand, z. B. anschließend als fachkompetent oder als „Retter des Teams“ dazustehen. Das dahinterstehende Motiv der Person könnte SOZIALE ANERKENNUNG mit einer hohen Ausprägung sein. Ein Teammitglied B, mit ähnlich hoher Ausprägung des Motivs SOZIALE ANERKENNUNG, das diese Aufgabe als zu schwierig empfindet, findet keinen Anreiz in der Aufgabe. Gegebenenfalls wird diese Person sogar versuchen, die Bearbeitung dieser Aufgabe zu vermeiden, da sie diesbezüglich negative Folgen erwartet, z. B. als Versager dazustehen. Es ist keine Motivation vorhanden.

2.1 · Motive als Ursache von Verhalten

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2.1.2  Woher kommt Motivation?

Motivation entsteht sowohl durch die Vorstellung eines Zielzustandes bzw. die Erwartung einer Belohnung als auch durch die Ausführung einer Tätigkeit oder durch ein Ergebnis, das erreicht werden soll. Der Anreiz zu einer Handlung kommt dabei entweder aus der Person selbst oder von außen (Brandstätter et al. 2013, S. 91). Intrinsische Motivation  Wird eine Tätigkeit um ihrer selbst willen ausgeführt, wirkt die intrinsische Motivation. Eine Person handelt aus eigenem Antrieb. In ihr liegende Präferenzen bewegen sie dazu, etwas zu tun (z. B. regelmäßig intensiv Sport zu treiben). Es ist kein Steuerungsinstrument von außen nötig, um eine Tätigkeit freudvoll und ausdauernd auszuüben. Extrinsische Motivation  Angestoßen wird die extrinsische Motivation durch äußere Faktoren, z. B. materielle Belohnung. Der Anreiz, etwas zu tun, liegt primär in den Folgen der Handlung. Extrinsisch motiviertes Verhalten ist häufig abhängig von äußeren Steuerungsinstanzen und erlischt, wenn deren Kontrollinstrumente wegfallen. Zudem ist erwiesen, dass Anreize von außen nicht nur schnell an Wirkung verlieren, sondern zudem permanent gesteigert werden müssen, um ihre Wirkung zu behalten (Roth und Ryba 2016, S. 229). > Intrinsische und extrinsische Motivation unterscheiden sich darin, woher der Anreiz

zum Handeln kommt – aus dem Inneren oder durch ein von außen in Aussicht gestelltes Ziel.

Auch extrinsische Motivation ist mit den Motiven des zu Motivierenden verbunden. So können beispielsweise eine in Aussicht gestellte Beförderung und der damit verbundene Statusgewinn einen Menschen mit einem hoch ausgeprägten Motiv STATUS motivieren, nicht jedoch einen mit einem niedrig ausgeprägten Motiv STATUS. Eine Führungskraft, die wirksam extrinsisch – d. h. von außen – motivieren will, muss die Motive des jeweiligen Mitarbeiters kennen. 2.1.3  Motivation ist kontextabhängig

Neben der Persönlichkeit spielen Umweltfaktoren wie Handlungsgelegenheiten und Anreize eine wichtige Rolle für das Verhalten. Erst wenn eine Person mit ihren individuellen Motivausprägungen auf eine Situation trifft, in der ihre gewünschten Anreize verfügbar sind, wird sie das entsprechende Verhalten zeigen. Wenn wir das obige Beispiel der Teamaufgabe aufgreifen (7 Abschn. 2.1.1) und nur einen situativen Faktor ändern – sagen wir der Teamleiter ist beim Teammeeting nicht anwesend – kann sich dies auf die Motivation auswirken. Das Teammitglied B könnte beispielsweise etwas mehr Bereitschaft zeigen, die Aufgabe zu lösen, da es sich ohne die Anwesenheit des Leiters weniger kontrolliert fühlt. Die Situation hat Einfluss darauf, wie ein Teammitglied den Zielzustand bewertet. Auch die Kultur oder das soziale System beeinflussen individuelles Handeln. Dies trifft insbesondere auf Personen zu, die ein neutrales Persönlichkeitsprofil aufweisen, bei dem es mittlere, aber keine extremen Motivausprägungen gibt. So ist davon auszugehen,

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Kapitel 2 · Antrieb

dass sich eine Person in einer streng hierarchischen Linienorganisation anders verhält als in einer lockeren Netzwerkstruktur. Das hängt damit zusammen, dass Menschen ständig lernen, mit neuen Situationen umzugehen und sich an Systeme anzupassen. Sie können sich daher schnell in verschiedenen Welten zurechtfinden. Dabei handelt es sich um kontext- und situationsabhängig erlerntes Verhalten (Roth und Ryba 2016, S. 130). > Motive sind immer im Kontext zu betrachten. Wie ein Mensch seine Motive lebt und

was ihn motiviert, hängt auch von seinem Umfeld ab.

Die ID37 Persönlichkeitsanalyse hilft uns zu verstehen, in welchem Umfeld sich Menschen aus ihrer Persönlichkeit heraus wohlfühlen. Zum Beispiel sind Menschen mit einer hohen Ausprägung des Motivs SOZIALKONTAKTE tendenziell glücklicher in Situationen, die soziale Interaktion ermöglichen (7 Abschn. 4.4.7). Sprachen lernen wie von selbst Ein Jugendlicher, der eine sehr hohe Ausprägung des Motivs SOZIALKONTAKTE erkennen lässt, schließt gerne neue Bekanntschaften, weil er – intrinsisch motiviert – Spaß daran hat. Wächst dieser Teenager zufällig in einer Siedlung mit vielen internationalen Gleichaltrigen auf, so wird er sicherlich viel dafür tun, seine englischen Sprachkenntnisse schnell zu verbessern, z. B. englischsprachige Serien in der Originalversion ansehen oder Vokabeln lernen. Würde er nicht zufällig in dieser Umgebung aufwachsen oder hätte er eine niedrige Ausprägung des Motivs SOZIALKONTAKTE, wäre seine Motivation am Erwerb der englischen Sprache aus diesem Antrieb heraus geringer.

Woher kommt also Motivation? Motivation zu einem bestimmten Verhalten entsteht im Zusammenspiel von: 5 Faktoren, die in der Person liegen: Bedürfnisse, Motive, Interessen, Ziele; 5 Faktoren, die in der Umwelt liegen: Gelegenheiten, Anforderungen, Anreize und deren Wechselwirkung. 2.1.4  Selbstmotivierung

Beim Erleben intrinsischer Motivation möchte man die Tätigkeit möglichst lange, häufig und intensiv aufrechterhalten, weil sie als belohnend empfunden wird. Es ist die Motivation, die nicht nachlässt. Eine intrinsisch motivierte Tätigkeit kann sich lange aus sich selbst speisen, denn sie bedient eine Vielzahl eigener Bedürfnisse, Motive, Gefühle und Ziele positiv (Martens und Kuhl 2004, S. 155). Die Tätigkeit wird als selbstkongruent, d. h. als zu einem passend, erlebt. Daher sind Projekte, die man aus einem eigenen Antrieb initiiert hat, in der Regel erfolgreicher als von außen angestoßene Projekte. Antrieb und emotionaler Gewinn sind dabei nachweislich höher (Roth und Ryba 2016, S. 230). Mihály Csíkszentmihályi (2005, S. 11) prägte in diesem Zusammenhang den Begriff Flow als eine besondere Form des subjektiven Erlebens einer intrinsisch motivierten Tätigkeit. Ein Mensch geht dabei ganz in der Tätigkeit auf, das Erlebnis wird als störungsfrei empfunden, alles scheint „im Fluss“ zu sein (7 Abschn. 5.1). Wenn man Selbstmotivierung auf motivbasierte Handlungsantriebe zurückführt, wird verständlich, warum Motive als innere Ressourcen gelten: Darunter verstehen wir alles, auf das ein Mensch bei sich wiederholt zurückgreifen kann, um Handlungen zu aktivieren, die ein positives Ergebnis und einen emotionalen Gewinn versprechen.

2.2 · Motiviertes Handeln

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Selbstmotivierung geschieht sehr häufig unbewusst. Das ist von Vorteil, denn sie funktioniert auch, wenn man gar nicht auf sie aufmerksam gemacht werden muss (­Martens und Kuhl 2004, S. 104). > Man kann Menschen nicht nachhaltig von außen motivieren. Nur

Selbstmotivierung ist von Dauer, da eine Tätigkeit als passend und befriedigend erlebt wird.

2.1.5  Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis?

Das Ziel von persönlicher Weiterentwicklung ist es, Menschen zu befähigen, sich bewusst selbst zu motivieren und zu steuern. So werden sie unabhängig von äußeren Umständen und Zufällen. Dies setzt voraus, dass sie sich selbst besser kennenlernen und sich mit ihren Lebensumständen auseinandersetzen. Auf welche Reize springen sie an, was präferieren sie im Leben, welche Lebensumfelder schaffen sie sich oder brauchen sie, damit es ihnen gut geht? Die Persönlichkeitsanalyse ID37 verschafft uns Zugang zu den individuellen Motiven. Motive wirken sich auf Selbstmotivation, Leistungsbereitschaft und Zufriedenheit aus. So wird schnell klar, welche Ressourcen aktiviert werden können und welche Aspekte zu den Lebensprioritäten einer Person passen. Unsere Aufgabe als Coach, Berater, Führungskraft oder Personaler ist es, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, damit Menschen selbstmotiviert handeln und arbeiten können. Wir können Menschen zu Selbsterkenntnis verhelfen und sie darin unterstützen, Experten für die eigene Person zu werden und souverän handlungsfähig zu sein. Im Idealfall lernt der Klient, auf die eigenen Ressourcen zurückzugreifen und braucht zukünftig weder den Rat des Coaches noch das Lob des Chefs. Je besser wir die Prozesse selbstmotivierten Handels verstehen und je besser es uns gelingt, Persönlichkeit und Kontext zu erfassen und maßgeschneiderte Strategien zu entwickeln, desto nachhaltiger der Erfolg des Klienten. 2.2  Motiviertes Handeln

Wie bereits aufgezeigt sind die Person und die Situation die maßgeblichen Faktoren für das Zustandekommen einer Handlung. Die Beurteilung des emotionalen Gewinns, den eine Situation verspricht, kann eine Handlung auslösen oder nicht. Das Grundschema des Ablaufs von Motivationsprozessen, das auf den Motivationspsychologen Heinz Heckhausen zurückgeht, stellt dies dar (. Abb. 2.2). Beispiel aus der Arbeitswelt Stellt in einem agil arbeitenden Team ein Product Owner eine Aufgabe in den „Expedite-­ Aufgabenpool“ (die Aufgaben müssen mit hoher Priorität behandelt werden), kann dies bei einem Teammitglied zu einer hohen Einsatzbereitschaft führen. Der Impuls könnte durch ein hoch ausgeprägtes Motiv SOZIALE ANNERKENNUNG ausgelöst werden. Die Aufgabenstellung durch den Product Owner könnte für eine derart motivierte Person einen Anreiz darstellen, die Aufgabe zu erledigen – in Erwartung einer positiven Handlungsfolge (z. B. Lob), die sie mit positiven Emotionen (z. B. Freude) verbindet. Die durch kognitive

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Kapitel 2 · Antrieb

Motivation

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Person (P) Bedürfnisse, Motive, Ziele z. B. SOZIALE ANERKENNUNG Situation (S) Gelegenheiten, Anreize z. B. Expedite-Aufgaben

Bewertung P x S Interaktion

Handlung z. B. Einsatz

Ergebnis

Emotionen z. B. Freude, Stolz Folgen z. B. Lob

. Abb. 2.2  Schematischer Ablauf motivierten Handelns. (Adapt. nach Heckhausen und Heckhausen 2010)

und emotionale Prozesse entstandene Motivation äußert sich in einer Handlung, nämlich dem hohen Einsatz des Teammitglieds. Im Anschluss an die Handlung kommt es bei der Person rückwirkend zu Selbstbewertungsprozessen „Habe ich das gut gemacht?“, „Was war der Grund dafür?“ sowie entsprechend ausfallenden emotionalen Reaktionen (z. B. Stolz). Das Ergebnis dieser Selbstbewertung hat wiederum Auswirkungen auf die nächste Situation.

2.2.1  Zwei Motivationssysteme

Die Neurowissenschaft unterscheidet zwei unabhängige Motivationssysteme – das implizite und explizite Motivationssystem. Auch diese sind für die Erklärung motivierten Handelns von Bedeutung, denn viele Prozesse spielen sich im Unbewussten ab und erschließen sich nicht unmittelbar. 5 Implizite Motive sind: 5 unbewusst, 5 nicht sprachlich repräsentiert, 5 früh in der Kindheit erworbene Empfänglichkeit für bestimmte Anreize, 5 affektbasiert und mit physiologischen Parametern (z. B. Hormonen) verbunden, 5 indirekt, z. B. über projektive Messverfahren, erfassbar. 5 Explizite Motive: 5 sind bewusst, 5 sind verbalisierbar, 5 werden in der Kindheit in der Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt erlernt, 5 repräsentieren das Selbstkonzept, 5 sind direkt erfassbar, z. B. mittels Fragebogen. Stimmen implizite und explizite Motive in ihrer Ausprägung miteinander überein, wird dies als Motivkongruenz bezeichnet. Klaffen die Ausprägungsgrade impliziter und expliziter Motive auseinander, ist von Motivinkongruenz die Rede. Dies kann sich im Aufschieben von Handlungen äußern und einer daraus resultierenden Unzufriedenheit. Selbstkontrolle und Selbstregulation können helfen, die Motivationsprobleme zu

2.2 · Motiviertes Handeln

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überwinden. Die Übereinstimmung zwischen impliziten und expliziten Motiven einer Person führt zu stärkerer intrinsischer Motivation (Brandstätter et al. 2013, S. 68 ff.). Motive als verhaltensrelevante Persönlichkeitsmerkmale 5 5 5 5 5 5 5

Motive sind teilweise genetisch verankert und im Zeitverlauf relativ stabil. Motive sind Ausdruck von Bedürfnissen. Motive werden durch Anreize angeregt. Motive triggern Verhalten. Motive bestimmen Richtung und Intensität des Handelns. Motive sind bei verschiedenen Personen unterschiedlich stark ausgeprägt. Motive sind auf zwei voneinander unabhängigen Ebenen existent – der impliziten und der expliziten Ebene.

Die Motivation einer Person hängt von situativen Anreizen, persönlichen Präferenzen und deren Wechselwirkung ab. 2.2.2  Welche Motive gibt es?

Die Motivationspsychologie hat Motive nach thematischen Inhalten unterteilt und zu Motivgruppen zusammengefasst. Es herrscht keine Einigkeit darüber, wie viele Motive ausreichen, um die Persönlichkeit differenziert zu beschreiben. Als die drei Basismotive gelten in der Wissenschaft: Macht, Anschluss und Leistung (Manual der Universität Luxemburg 2018). Machtmotiv  Das Machtmotiv beinhaltet das Bedürfnis, Kontrolle und Einfluss über andere Menschen auszuüben sowie das Streben nach Status und Prestige. Anschlussmotiv  Beim Anschlussmotiv geht es um Aufbau und Pflege befriedigender

zwischenmenschlicher Beziehungen. Später wurde zusätzlich das Intimitätsmotiv als eigenständiges, aber mit dem Anschlussmotiv verbundenes Motiv definiert. Während das Anschlussmotiv eher den Umgang mit fremden Menschen beschreibt, geht es beim Intimitätsmotiv um das Etablieren von Verbundenheit und Zuneigung zu nahestehenden Menschen.

Leistungsmotiv  Das Leistungsmotiv beschreibt Verhaltensweisen, die auf die Erreichung eines Gütemaßstabs abzielen.

Die Persönlichkeitsforschung nutzt häufig das Fünf-Faktoren-Modell, auch Big Five genannt. Es wurde in den 80er-Jahren des vorherigen Jahrhunderts von den Psychologen Paul T. Costa und Robert R. McCrae auf der Grundlage der Vorarbeiten des deutsch-britischen Psychologen Hans-Jürgen Eysenck entwickelt. Das Modell beschreibt die fünf Grundfaktoren Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus und Offenheit, die bei Menschen in unterschiedlicher Ausprägung zwischen den Extremen „stark“ und „schwach“ vorliegen. Vom Fünf-Faktoren-Modell liegen inzwischen zahlreiche Versionen vor (Roth und Ryba 2016, S. 127 f.).

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Kapitel 2 · Antrieb

2017 hat das Forscherteam der Universität Luxemburg ein psychologisches Modell und Testverfahren entwickelt und 16 trennscharfe Motive ermittelt, die die Persönlichkeit präzise unterscheiden (7 Kap. 4). Die 16 Dimensionen von ID37 ermöglichen eine umfassende Beschreibung der Persönlichkeit, die mit anderen Persönlichkeitsmodellen wie beispielsweise dem Fünf-Faktoren-Modell (Big Five) so detailliert nicht möglich ist. Exkurs: Vorläufer des ID37 Persönlichkeitsmodells Forschung bedeutet, an bestehende Erkenntnisse anzuknüpfen und daraus Neues zu entwickeln. Auch das Wissenschaftsteam der Universität Luxemburg hat sich bei der Entwicklung von ID37 auf seit den 1930er-Jahren bestehende Persönlichkeitstheorien und Konzepte der Motivationspsychologie gestützt, die die Forschung noch heute prägen. Die Abbildung von Heckhausen und Heckhausen ermöglicht einen Blick auf die Pioniere der persönlichkeitstheoretisch-orientierten Motivationsforschung (. Abb. 2.3). Als Wegbereiter dieses Entwicklungsstrangs gilt Siegmund Freud (1856–1939) mit seinem psychoanalytischen Motivationsmodell. Er war der Auffassung, was den Menschen antreibe, seien Unlustvermeidung und Lustgewinnung. Mit Kurt Lewin (1890–1947) verzweigen sich die Einflusslinien der Motivationsforschung. Er war vermutlich der erste, der Verhalten als Wechselwirkung zwischen Person und Umwelt formulierte. Aus dieser Zeit stammt die allgemeine Verhaltensgleichung: V = f(P,U), die später durch David McClelland und John William Atkinson um Erfolgswahrscheinlichkeit und Erfolgsanreiz präzisiert und um eine Dispositionsvariable, das Motiv, erweitert wurde. Der deutsche Psychologe William Stern (1871–1938) gilt als Begründer der differenziellen Psychologie, die mithilfe psychometrischer Verfahren Merkmalsunterschiede zwischen Menschen untersucht. Exemplarisch richten wir einen kurzen Blick auf die Forschungen von Murray, McClelland und Reiss als drei Vertreter der motivationspsychologischen Linie. Henry Murray (1893–1988) forschte und lehrte über 30 Jahre an der Harvard University. Dabei orientierte er sich an Grundgedanken der psychoanalytischen Theorie Freuds, entwickelte diese aber weiter. Ihn interessierten die Lebensthemen von Menschen. So ging er der Frage nach, wie Menschen ihren Alltag emotional erleben und was ihre zentralen Bestrebungen sind. Der US-Psychologe entdeckte, dass zielgerichtetes Verhalten in Art und Stärke von Bedürfnissen („needs“) und Handlungsgelegenheiten („press“) bestimmt wird. In seiner Persönlichkeits- und Bedürfnistheorie postulierte er psychogene Grundbedürfnisse und erklärte daraus sowohl spezifische Verhaltensweisen als auch die Mechanismen der Bedürfnisbefriedigung bzw. -frustration. Neben der theoretischen Forschung war seine empirische Forschung bahnbrechend. Murray entwickelte den Thematischen Apperzeptionstest (kurz: TAT) – ein projektives Motiv-Messverfahren, das die Motivationspsychologie bis heute prägt. Die später vom US-amerikanischen Sozial- und Verhaltenspsychologen David McClelland (1917–1989) entwickelte Theorie, dass menschliche Motivation drei dominante Bedürfnisse umfasst (drei Basismotive), knüpft an die Persönlichkeits- und Bedürfnistheorie von Henry Murray an. Einer der jüngeren Vertreter der Motivationsforschung ist Steven Reiss (1947–2016), der auch den Persönlichkeitstest Reiss Motivation Profile entwickelte. Seine empirische Forschungsarbeit zu Bedürfnissen, Motivation und Angstsensitivität ist in die Entwicklung des Persönlichkeitsmodells ID37 ebenso eingeflossen wie die theoretischen und methodischen Arbeiten der Motivationsforschung seit Henry Murray (vgl. Brandstätter et al. 2013, S. 19 f.; Heckhausen und Heckhausen 2010, S. 28 ff.). Das Forscherteam Computer-Based Assessment der Universität Luxemburg verknüpfte 2017 die bestehende Motivationsforschung seit Henry Murray mit aktuellen Daten und neuen Methoden der Testentwicklung. Das Ergebnis ist ein Testverfahren, das als ID37 und als LUXXprofile in den Markt gebracht wurde. Begleitet wurde die Testentwicklung von einem Expertenteam aus der Praxis, deren über 10-jährige Anwendungserfahrung mit dem Reiss Motivation Profile in das neue Testverfahren eingeflossen ist (7 Abschn. 4.2).

Vroom

Wechselwirkung zwischen Person- u. Situationsfaktoren

Situationsfaktoren

Personfaktoren

Motivationspsychologische Linie

Lerntheoretischer Problemstrang

Mowrer

Hull

Tolmann

. Abb. 2.3  Pioniere der persönlichkeitstheoretisch-orientierten Motivationsforschung. (Adapt. nach Heckhausen und Heckhausen 2010, S. 30)

Motivationspsychologische Linie

Kognitionspsychologische Linie

Gegenwärtige Motivationspsychologen (z.B Bochumer Gruppe)

Weiner

Atkinson

McClelland

Murray

Persönlichkeitspsychologische Linie

Festinger

Heider

Lewin

Freud

Gegenwärtige Sozialpsychologen

Thornae

Maslow

Allport

Ach

Darwin

Gegenwärtige Persönlichkeitspsychologen (Eigenschaftstheoretiker)

Cattell

Lersch

Stern

McDougall

Külpe

G.E.Müller

2.2 · Motiviertes Handeln 19

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Kapitel 2 · Antrieb

2.2.3  Wie es vom Wollen zur Handlung kommt

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Wir alle kennen die Situation: In einem Moment sind wir motiviert, etwas zu tun, setzen es dann aber doch nicht um. Trotz bester Vorsätze scheint unsere Motivation auf einmal schnell zu verfliegen. Woher kommt das? Offensichtlich ist motivbasiertes Verhalten störungsanfällig. Wir müssen Widerstände überwinden und durchhalten, um eine Handlung umzusetzen, statt aufzuschieben. Dies ist eine der wesentlichen Herausforderungen, wenn das Ziel eine dauerhafte Veränderung des Verhaltens ist. Wie also schaffen wir es, als Coach, Berater oder ID37 Master den Klienten dabei zu unterstützen, die neuen Maßnahmen umzusetzen und auch wirklich dranzubleiben? Eine Antwort lautet: Neue Verhaltensweisen laufen erst dann unbewusst und automatisch ab, wenn sie sich eingeschliffen haben und zur Gewohnheit geworden sind (7 Abschn. 6.3). Das Geheimnis des Erfolgs ist die Zielsetzung. Ziele sind der Grund, warum Menschen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt für die Aufnahme, Ausführung und Beendigung einer Handlung entscheiden. Ohne Ziele sind Handlungen undenkbar. Wer handeln, sich beispielsweise selbst weiterentwickeln möchte, braucht ein Ziel – eine Vorstellung von dem, was er erreichen will. Ein wichtiger Aspekt von Persönlichkeit und Verhalten ist die Unterscheidung zwischen Zielen und Motiven. Ziele sind das, was sich Menschen bewusst vornehmen, während Motive im Menschen angelegt, also vorhanden sind. Ohne Ziele gibt es keine Motivation. Das nachfolgende Ablaufmodell motivierten Handelns macht dies sichtbar. > Ziele sind der Dreh- und Angelpunkt für die Ausführung einer Handlung. Ziele sind

das, was wir uns bewusst vornehmen.

z Rubikon-Modell der Handlungsphasen

Ein Modell, das einen Überblick über die unterschiedlichen Phasen des Handelns bietet, ist das „Rubikon-Modell der Handlungsphasen“, das auf die Motivationspsychologen Heinz Heckhausen und Peter M. Gollwitzer zurückgeht (. Abb. 2.4).

Motivation Person (P) Bedürfnisse, Motive, Ziele

Bewertung P x S Interaktion

Intention

Planung

Handlung

Ergebnis

Situation (S)

Gelegenheiten, Anreize

„Schritt über den Rubikon“ Zielintention

. Abb. 2.4  Schematischer Ablauf motivierten Handelns anhand des Rubikon-Modells

Folgen

2.2 · Motiviertes Handeln

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Der Ablauf motivierten Handelns anhand des Rubikon-Modells erfolgt in folgenden Phasen: 5 Bedürfnis Am Anfang einer Handlung steht ein Bedürfnis und das Bestreben, dieses zu befriedigen. Grundbedürfnisse sind meist unbewusst. Sie melden einen Mangelzustand mit dem Wunsch, diesen zu beseitigen (Ist-Sollwert-Diskrepanz; Heckhausen und Heckhausen 2010, S. 339). Dabei tritt das Bedürfnis immer wieder auf. Es ist so tief in einer Person verankert, dass es nur zeitweilig befriedigt werden kann. Wir sprechen von psychologischen Bedürfnissen, die befriedigt werden, um dem Leben einen Sinn zu verleihen – in Abgrenzung zu den Bedürfnissen, die befriedigt werden müssen, um zu überleben (z. B. Schlaf). 5 Motiv Ist ein Anreiz vorhanden, wandelt sich das Bedürfnis zum Motiv. Motive sind Gradmesser von Bedürfnissen. Ein hohes Bedürfnis beispielsweise nach Anerkennung will befriedigt werden, weil es als sinnvoll erachtet wird. Motive, die auf Grundbedürfnissen beruhen, sind fundamentale Motive, denn sie motivieren uns ein Leben lang. Daher nennen wir sie auch Lebensmotive. 5 Schritt über den Rubikon/Zielintention Motive müssen auf ihrem Weg bis zum Handlungsvollzug den nächsten Schritt durchlaufen. Dieser Schritt vom Motiv zur Intention wird als „Schritt über den Rubikon“ bezeichnet. Nun wird bewusst ein klares Ziel angestrebt, z. B. „regelmäßig Sport treiben“. Dies ist ein entscheidender Schritt, denn Motive werden in den Willen überführt. Dabei stellt sich ein gutes Gefühl ein: die intrinsische Motivation. Das Motiv wird verbindlich, die Person ist selbstmotiviert. 5 Intention Wenn der Wille klar ist, entwickelt die Person eine Intention. Sie hat jetzt die feste Absicht, ihr Ziel in eine Handlung zu überführen und das Ziel konsequent zu verfolgen. Dieser Prozess der Willensbildung wird als Volition oder umgangssprachlich als Willenskraft bezeichnet. Je attraktiver das Ziel und je eher es durch eigenes Handeln realisiert werden kann, desto stärker der Wille zur Zielumsetzung. 5 Planung Die Handlung wird initiiert. Die Person betritt eine Planungsphase, die Verhaltensvorbereitung. Die Frage nach der Umsetzung steht im Vordergrund, z. B. „Was brauche ich, um Sport zu treiben?“, „Welche Sportart wähle ich?“. Die Phase endet mit einem Handlungsplan, z. B. „Ich kaufe am Wochenende Laufschuhe und gehe ab der nächsten Woche an zwei Abenden laufen“. 5 Handlung Diese Vorbedingungen haben die optimalen Voraussetzungen für die Umsetzung geschaffen. Die Handlung wird ausgeführt und im Idealfall erfolgreich abgeschlossen, das Ziel ist erreicht. 5 Bewertung In der letzten Phase erfolgt die Bewertung durch Affekte. Affekte sind die einfachsten Gefühlsregungen. Sie bewerten jede Situation, jedes Objekt und Handlungen nach ihrer Bedeutung für die Motivbefriedigung. Affekte sind nur in positiv und negativ zu unterscheiden und geben Auskunft darüber, ob uns etwas guttut (resultierendes Impulssignal: wiederholen) oder nicht (resultierendes Impulssignal: vermeiden). Werden die Motive befriedigt, entstehen positive Emotionen.

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Kapitel 2 · Antrieb

Auch rational vergleicht die Person das Erreichte mit dem Ziel: War die Handlung ein Erfolg, z. B. „Meine Kondition hat sich spürbar verbessert“ oder ein Misserfolg, z. B. „Ich kann durch das regelmäßige Laufen leider nicht mehr an den wöchentlichen Afterwork-Events teilnehmen“. Gegebenenfalls kommt es zu einer Neubewertung der ursprünglichen Handlungsalternativen. Das Modell zeigt einen idealtypischen Ablauf. Wie es in die Praxis überführt werden kann, zeigen wir anhand des fünfphasigen Selbststeuerungsprozesses (7 Abschn. 6.3). 2.2.4  Handlungshindernisse

In der Phase der Intention wird der Plan mit den aktuellen Gegebenheiten verglichen, um flexibel reagieren zu können. Es erfolgt eine Beurteilung der Ziel- und Handlungsumsetzung. Dabei kann es sein, dass ein Plan geändert wird (z. B. Verschiebung des Laufens in die Mittagspause) oder die Person situationsbedingt vom Vorhaben abgehalten wird (z. B. wegen eines unvorhergesehenen Kundeneinsatzes). Es kann auch sein, dass die Person an der Umsetzung scheitert, da bestehende Automatismen anspringen, z. B. die Lieblingsserie ansehen. Es kann also sein, dass der neue Vorsatz sich noch nicht als Automatismus im Gehirn verankert hat. Das regelmäßige Laufen am Abend ist noch nicht zur Gewohnheit geworden. Der innere Konflikt zwischen Zielverfolgen und Aufgeben wird auch als Handlungskrise bezeichnet (Krause und Storch 2014, S. 102). Sie ist typisch für Personen, die ihre guten Vorsätze nicht umsetzen, weil sie diese innerlich als unangenehm bewerten. In der Phase der Intention entsteht nicht nur die für die Zielrealisierung wichtige Motivation. Auch lebenslang gesammeltes Erfahrungswissen wird aktiviert. Dabei muss der Mensch noch nicht einmal alle Erfahrungen selbst gemacht haben. Die Angst vor Urgewalten beispielsweise vererbt sich. Der Hirnforscher Roth spricht vom emotionalen Erfahrungsgedächtnis (Roth und Ryba 2016, S. 445). Dieses befindet sich im limbischen System des Gehirns. Es bewertet alles, was der Körper macht, nach den positiven und negativen Konsequenzen dieses Tuns und speichert diese Bewertung ab. Dieses emotionale Erfahrungsgedächtnis hilft einer Person, sich blitzschnell unterhalb der Bewusstseinsschwelle zu orientieren. Es ermöglicht ihr, Gefahren auszuweichen, bevor sie sich der Gefahrenlage bewusst ist (z. B. rechtzeitig im Straßenverkehr zu bremsen) und verschafft ihr einen Überblick über – aus ihrer Sicht – sinnvolle und gute Handlungsalternativen. Sie entwickelt ein Bauchgefühl nach dem Motto „Fühlt sich das gut an? Soll ich das weiterverfolgen?“. Sogenannte affektlogische Muster übernehmen das Ruder. Sie messen verschiedenen Handlungsalternativen einen emotionalen Wert bei und bestimmen das Verhalten. Affektmuster bilden sich über die Jahre und werden automatisch abgerufen – wir reagieren in Konfliktsituationen daher oft nach demselben Schema. Automatismen lassen sich implementieren – diesen Vorgang können wir für gezielte Verhaltensveränderungen nutzen (7 Abschn. 6.3). > Bewusst gewähltes Verhalten kann von Affekten überlagert werden. Die Person

handelt anders als geplant. Erst wenn sich Automatismen gebildet haben, läuft die Handlung störungsfrei ab.

Obwohl es sich um einen motivierten Prozess handelt, bei dem innere Antriebskräfte wirken, verlangt Zielverfolgung oft Strategien, um sie durchzusetzen.

2.2 · Motiviertes Handeln

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Selbstkontrolle  Die Strategie Selbstkontrolle setzt vor allem auf den Verstand. Es ist die

bewusste Fokussierung auf das momentan wichtigste Ziel. Dies ist extrem anstrengend und energieaufwendig. Da es im Alltag viele Störenfriede der Selbstkontrolle gibt (z. B. Ablenkung, „viel um die Ohren haben“), ist Selbstkontrolle nur als Kurzzeitmaßnahme wirksam (z. B. für die Abschlussprüfung lernen, statt mit den Freunden an den Badesee fahren).

Selbstregulation  Handlungsveränderung, die dauerhaft erfolgreich umgesetzt wer-

den soll, erfolgt über Selbstregulation. Eine Person setzt sich selbstkongruente Ziele und kann sie erreichen, weil sie vorhandene Motivatoren nutzt und entstehende Emotionen reguliert. Bei der Selbstregulation sind die regulatorischen Prozesse auf die Persönlichkeit abgestimmt und auf das Ziel hin synchronisiert. Die Person kann ihren Weg fast anstrengungsfrei verfolgen (Krause und Storch 2014, S. 117 ff.). Eine wichtige Rolle bei der Selbstregulation spielt die Emotionsregulation. Diese ist die Fähigkeit, eigene Emotionen zuzulassen, abzuschwächen oder zu unterdrücken. Wer mit seinen Gefühlen umzugehen weiß, kann verhindern, dass sie ihm schaden (z. B. ein unangemessener Wutausbruch) oder kann dazu beitragen, dass sie ihm nützen (z. B. Stimmungsverbesserung). Diese Fähigkeit unterstützt die Zielverfolgung.

> Selbstkontrolle ist nur kurzfristig wirksam. Dauerhafte Verhaltensver-

änderung erfolgt über Selbstregulation. Selbstregulation funktioniert durch die Synchronisation von Motiven mit bewusst gesetzten Zielen.

Belohnen – gewusst wie! Folgende E-Mail einer Klientin verdeutlicht sehr gut, wie Selbstregulation funktioniert: Lieber Thomas, […] Übrigens habe ich eine sehr interessante Erfahrung gemacht: Da ja mein Motiv, mich sportlich zu betätigen, nicht stark ausgeprägt ist, ich aber aufgrund von Rückenschmerzen dringend was tun musste, habe ich folgenden, zu meinem Motivprofil passenden Coup gemacht: Eintritt in ein gemischtes Fitness Studio – wo allein der Anblick der Trainer mein Motiv SINNLICHKEIT sehr befriedigt ;-) und (!) Buchung eines Personal Trainers, der sowohl als Stuntman als auch als Model gearbeitet hat. Diese Kombination lässt mich so motiviert vor ihm und seinem Sixpack in die Knie gehen, dass Sport zur wahren Droge wird. Hier sind sowohl STATUS (diese halbe Stunde gehört er mir ganz allein!) als auch SINNLICHKEIT (was für ein Mann) voll bedient. Du siehst, die Motive bringen Schwung und Erkenntnis in mein Leben! Liebe Grüße, Claudia L.

Wir verstehen das Konzept der Selbstregulation als zentralen Bestandteil der Selbststeuerung. Selbststeuerung umfasst nach unserer Auffassung den gesamten Prozess, um selbstbestimmt zu Lebenszufriedenheit und Leistungssteigerung aus sich selbst heraus zu gelangen. Im Praxisteil erläutern wir, wie Selbststeuerung erlernt werden kann (7 Abschn. 6.3).

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Kapitel 2 · Antrieb

2.2.5  Intuitives Handeln

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Häufig entscheiden und handeln Menschen geleitet von Affekten, Stereotypen und Heuristiken (Faustregeln). Dies kann im Alltag von Vorteil sein, da es ressourcenschonend ist. Doch auch wenn das vielgelobte Bauchgefühl nützlich sein kann, besteht beim intuitiven Handeln die Gefahr, dass es von bestehenden Denkmustern beeinflusst ist. Es kann aber auch von Nachteil sein, da es zu voreiligen und systematisch verzerrten Schlussfolgerungen führt. Wenn das Bauchgefühl trügt Wenn ein beleibter Mann und eine zierliche Frau im Restaurant eine gemeinsame Bestellung mit einer großen und kleinen Portion sowie Bier und Mineralwasser aufgeben, wird der Kellner die große Portion und das Bier dem Mann vorsetzen. Der Kellner handelt intuitiv, weil er es schon oft so erlebt hat. Er denkt gar nicht darüber nach.

In diesem Beispiel hätte die voreilige Schlussfolgerung keine nennenswerten Konsequenzen. In wichtigeren oder komplexeren Situationen können derartige Urteilsfehler aber eine größere Tragweite haben. In Vorstellungsgesprächen, die nach dem Bauchgefühl entschieden werden, kann dies von Nachteil sein. Kommt das Gespräch beispielsweise zufällig auf den Pferdesport, gegen den der Recruiter eine Aversion hat, zählen plötzlich andere Entscheidungskriterien als die Qualifikation. Die Person wird als unsympathisch wahrgenommen. Gleiches kann passieren, wenn der Bewerber dem ungeliebten Onkel des Recruiters ähnelt. Der Recruiter findet ihn unsympathisch, auch wenn ihm die Ähnlichkeit nicht bewusst ist. Selbst wenn wir ihn nach einer Erklärung fragen würden, fände er vermutlich rationale Gründe. > Gefühle und Erfahrungen haben maßgeblichen Einfluss auf Verhalten und

Entscheidungen.

Nicht nur den Gefühlen und Erfahrungen, auch dem Verstand kommt eine wichtige Rolle bei der Verhaltenssteuerung zu. Wir benötigen ihn, wenn wir Dinge überdenken und dabei den Erfahrungsschatz ausblenden, aus dem sich die Intuition bedient. Der Verstand schaltet sich auch dann ein, wenn das Gehirn mit einem Problem konfrontiert wird, für das das emotionale Erfahrungsgedächtnis noch keine Vorgaben machen kann (Roth und Ryba 2016, S. 321). In Situationen, in denen wir noch keine Erfahrungen gespeichert haben, denken wir bewusst. Eine Person, die kein Experte auf einem Gebiet ist, kann sich daher nicht auf ihre Intuition verlassen. Sie muss Informationen sammeln und auswerten, bevor sie handelt. In Veränderungssituationen, in denen neue Denkweisen gefragt sind, brauchen wir Training, damit sich Muster bilden und Automatismen bahnen können und das Gehirn vom Modus des Denkens in den Modus der Handlungsroutinen übergehen kann. Exkurs: Warum dem Handelnden sein Verhalten meist nicht bewusst ist Jeder Mensch hat eine bewusste und unbewusste Ebene, die auf zwei Systeme im Gehirn zurückzuführen sind. Die Vorstellung der beiden Systeme ist ein Hilfsmodell, sie existieren nicht wirklich. Allerdings sind beide Systeme in unterschiedlichen Teilen des Gehirns verortet. Die beiden Systeme unterscheiden sich stark in ihrer Arbeitsweise und Funktion. Während die bewusste Ebene, der Verstand, langsam und mental anstrengend arbeitet (z. B. sich konzentrieren, Ziele setzen), seriell verarbeitet und nach richtig/falsch bewertet, arbeitet die unbewusste Ebene, das Unbewusste, blitzschnell und mühelos, die Informationsverarbeitung läuft parallel und die Bewertung erfolgt positiv/negativ (Affekte). Hier werden unsere Gedanken und Handlungen automatisch gesteuert (Weber 2017, S. 13 f.).

2.2 · Motiviertes Handeln

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Handeln folgt also einem inneren Skript, bei dem vieles unbewusst abläuft. Mit der Persönlichkeitsanalyse ID37 lassen sich die Motive dahinter sichtbar machen. Sie helfen dabei, das Skript zu verstehen – unser unbewusstes, natürlich ablaufendes Verhalten zu erklären und bewusst zu steuern. 2.2.6  Die Rolle von Werten

Werte sind bewertende Gedanken und Einstellungen einer Person zu wichtigen Dingen im Leben im Hinblick auf die eigene Person, auf Freunde oder auf die Gesellschaft und auf den Umgang miteinander (z. B. Vertrauen, Ehrlichkeit, Höflichkeit). Werte sind ein Teil der Identität und bestimmende Elemente im Leben, denn sie definieren für den Einzelnen, aber auch die Gruppe, was für ihn bzw. sie gut oder schlecht bzw. wichtig oder unwichtig ist. Anders als Motive sind Werte nicht angeboren, sondern bilden sich während der Sozialisation in Systemen wie unserer Herkunftsfamilie, Schulen, Berufsleben, Gesellschaften und jeweiligen Kulturkreisen. Sie werden auch in der Peergroup und später im Berufsleben erworben, häufig unbewusst durch Nachahmung und Lernen (Sauer 2018). Mit Genuss: Vom Fleischesser zum Vegetarier Ein junger Mann hat ein sehr hoch ausgeprägtes Motiv ESSENSGENUSS. Nahrungsaufnahme bedeutet für ihn also große Freude, darunter auch Fleischspeisen aller Art. In seiner Wertewelt ist es in Ordnung, Tiere zu essen. Dann lernt er eine Frau kennen, die überzeugte Vegetarierin ist, genau wie ein Großteil ihres Freundeskreises. Im Laufe der Zeit ändert sich sein Werteverständnis. Beeinflusst durch sein neues Umfeld gelangt auch er zu der Überzeugung, dass es gut sei, auf Fleisch zu verzichten. Seine Motivausprägung hat sich aber nicht geändert. Nach wie vor kreisen seine Gedanken um Essen als Genuss und Belohnung.

Werte werden zum Maßstab, wie etwas sein sollte. Sie sind relativ konstant, aber im Gegensatz zu Motiven leichter änderbar, da sie stärker von außen geprägt werden. Wertvorstellungen haben unterschiedliche Ursachen. Auch Motive prägen Werte. Hinter jeder Wertvorstellung stehen Motive, die ein Individuum dazu bringen, diese Wertvorstellung auszuleben (Sauer 2018). Werte und Motive sind voneinander zu unterscheiden, hängen aber eng miteinander zusammen. > Werte sind nicht angeboren, sondern werden vom Umfeld geprägt. Ausgeprägte

Motive liefern uns Hinweise auf die Wertvorstellung einer Person.

2.2.7  Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis?

Das bewusste Setzen von passenden Zielen ist die Voraussetzung, um Verhaltensänderungen oder Vorhaben erfolgreich umzusetzen. Passende Ziele sind auf das individuelle Motivprofil einer Person und ihrer Lebenssituation abgestimmt. Da das Persönlichkeitsdiagnostikinstrument ID37 Motive sehr differenziert analysiert, können die persönlichen Ziele sehr exakt definiert werden. Viele bekannte Probleme bei der Zielumsetzung, wie z. B. das Zurückfallen in gewohnte Verhaltensmuster, lassen sich durch die Unterscheidung zwischen Motiven und Zielen lösen: Eine Zielsetzung, beispielsweise regelmäßig Sport zu treiben, kann so

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Kapitel 2 · Antrieb

auf die Motivausprägungen der Person und ihres Umfeldes zugeschnitten werden, dass Hindernisse überwunden werden können, um ein Vorhaben erfolgreich und nachhaltig umzusetzen (7 Abschn. 2.2.4, „Belohnen – gewusst wie!“). Wenn ein Ziel von einem Motiv oder einer Motivkombination unterstützt wird, erfolgt die Zielrealisierung quasi mit Rückenwind – die Person ist in der Lage, sich selbst zu regulieren. Sind Motive und Ziele hingegen nicht im Einklang, wird die dauerhafte Zielrealisierung schwierig bis aussichtslos. Je besser man seine eigenen Ziele kennt, desto eher gelingt es, sie mit fremdgesetzten Zielen abzugleichen und zu entscheiden, ob man diese auch langfristig akzeptieren will. Wer sich bewusst mit seiner inneren und äußeren Realität auseinandersetzt, kann zielorientiert auf das hinsteuern, was er gerne tut und was ihm entsprechend leichtfällt. Das ist die gute Nachricht: Eine präzise Persönlichkeitsanalyse ermöglicht uns, unsere Ziele so auszurichten, dass wir das für uns größtmögliche Ausmaß an Wohlbefinden erreichen können. 2.3  Emotionen

Freude, Angst, Ärger, Traurigkeit – Emotionen machen sich bemerkbar: die Lieblingsmannschaft, die in der Nachspielzeit das entscheidende Tor zum Sieg schießt. Der Schweißausbruch, wenn der Flieger plötzlich in Turbulenzen gerät. Der Bus, der uns vor der Nase wegfährt, obwohl wir sowieso schon spät dran sind. Das Ende einer Beziehung, die einmal die große Liebe war. Meist sind Emotionen sehr deutlich spürbar, aber manchmal auch nur als allgemeine Stimmung bemerkbar. Dabei können wir uns nicht aussuchen, was oder wann wir fühlen. Denn häufig fühlen wir, bevor wir bewusst denken. Durch ständigen Austausch zwischen Gefühl und Verstand im Gehirn ist jedoch auch das Gegenteil möglich: Wir können mit unserem Denken Einfluss auf unsere Gefühle nehmen. Emotionsregulation – die Fähigkeit, Gefühle und Stimmungen zu regulieren – ist eine relevante Kompetenz. Dazu ist es wichtig, zu verstehen, was Gefühle sind, wie sie ausgelöst werden und warum wir emotional reagieren. Die Psychologie unterscheidet Gefühle von Emotionen, ohne jedoch eine genaue Definition anzubieten: Ein Gefühl ist ein angenehmer oder unangenehmer Zustand und eine komplexere Form von Affekten. Gefühle nehmen Einfluss auf den Organismus, sie lösen Emotionen aus. Emotionen sind als körperliche Signale wahrnehmbar, während Gefühle gar nicht oder nur diffus wahrnehmbar sind. Stimmungen entstehen, wenn Gefühle über eine längere Zeit andauern (Storch et al. 2016, S. 10). Für unsere Zwecke verwenden wir die Begriffe „Gefühl“ und „Emotion“ synonym. 2.3.1  Wie entstehen Emotionen?

Alles beginnt mit einem Reiz, einem Trigger, der ein positives oder negatives Gefühl auslöst. Dieser wird zu einem emotionalen Erleben, initiiert eine Handlung und bewirkt eine Bewertung nach der Durchführung. Emotionale Prozesse begleiten alle Phasen der Handlung:

» Ohne Emotion keine Motivation, und ohne Motivation keine Emotion. (Brandstätter et al. 2013, Vorwort)

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2.3 · Emotionen

. Tab. 2.1  Emotionsentstehung. (Adapt. nach Newen 2013; mit freundl. Genehmigung des Beck-Verlags) Phasen

Emotionen

Prä-Emotionen

Wohlbefinden

Unbehagen

Basisemotionen

Freude

Angst

Ärger

Traurigkeit

Primäre kognitive Emotionen

Heiterkeit, Zufriedenheit

Bedrohung, Beklemmung

Verärgerung, Frustration

Enttäuschung, Niedergeschlagenheit

Sekundäre kognitive Emotionen

Liebe, Glück, Stolz

Scham, Eifersucht, Neid

Zorn, Verachtung

Trauer

Emotionen steuern die Handlungen des Individuums im Hinblick auf die Motivbefriedigung. Gleichzeitig zeigen sie an, ob das Ergebnis stimmt – ob die Motive tatsächlich befriedigt worden sind oder nicht. Emotionen sind sehr eng mit dem individuellen Motivsystem verknüpft. Wir konzentrieren uns bei der Beschreibung von Emotionen auf ein Modell. Tiefergehende neuronale oder physiologische Aspekte bleiben dabei unberücksichtigt. Ein Modell zur Entstehung von Emotionen wurde von dem Philosophen und Psychologen Professor Dr. Albert Newen von der Ruhr-Universität Bochum entwickelt (. Tab. 2.1). Nach dieser Theorie bringen Emotionen bestimmte Muster hervor, die sich aus seelischem Erleben, körperlichem Ausdruck dieses Erlebens sowie Verhaltens- und Denkweisen zusammensetzen. Aus einem diffus positiven Gefühlszustand entwickelt sich eine Basisemotion wie Freude, die sich zu den kognitiven Emotionsstufen wie Zufriedenheit oder Stolz weiterentwickeln kann. Erst in dieser letzten Entwicklungsstufe (z. B. Stolz) spielen sowohl das kulturelle Umfeld als auch die individuellen Lebenserfahrungen eine Rolle (Zinck und Newen 2008). Am Anfang stehen Wohlbefinden oder Unbehagen  Die erste Stufe der Emotionen, die sog. Prä-Emotionen, drücken spontan nur Wohlbefinden oder Unbehagen aus. Zwar sind bei diesen unspezifischen Vorformen schon alle Aspekte von Emotionen vorhanden: physische Erregung, schnelle Bewertung der Situation, physiognomischer Ausdruck, das dazugehörige Gefühl. Aber Prä-Emotionen bleiben unspezifisch und sind nicht mit einer Handlungsabsicht verbunden. Eine Situation wird nur positiv oder negativ bewertet, ohne dass sie näher analysiert wurde. In allen Kulturen gleich: Freude, Angst, Ärger, Trauer  Die Prä-Emotionen differenzieren

sich auf der nächsten Stufe in eine der vier Basisemotionen: Freude im positiven Fall, Angst, Ärger oder Trauer im negativen. „Diese vier Emotionen sind entwicklungspsychologisch betrachtet universell“, erklärt Prof. Newen. „Der Gesichtsausdruck verrät sie, und zwar unabhängig vom kulturellen Umfeld“ (Zink und Newen 2008). Diese Emotionen sind grundlegende Affektprogramme, die unabhängig von der bewussten Reizverarbeitung und auch unabhängig von langsameren kognitiven Prozessen wie Gedanken ablaufen. Sie fokussieren unmittelbar die Aufmerksamkeit und rufen eine schnelle Reaktion hervor: Wir haben Angst, noch bevor wir z. B. wissen, ob ein Objekt eine Schlange oder ein Stock ist. Das ermöglicht uns, ohne Verzögerung auf etwas zu reagieren, das wir als vermutlich „gefährlich“ einstufen und das bei uns Fluchtverhalten

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Kapitel 2 · Antrieb

auslöst. Die langsamere, bewusste Verarbeitung eines Reizes läuft parallel über die Großhirnrinde, den sog. Neokortex, ab. Wir sehen bewusst die Schlange oder den Stock – und werden erst durch diesen Eindruck bestätigt oder entwarnt. Trotzdem sind wir dann schon zur Seite gesprungen. Aus den Basisemotionen entstehen im Zuge der bewussten Verarbeitung des Reizes Verhaltensreaktionen: Gefahr erzeugt Angst und entsprechendes Fluchtverhalten. Aus der Erfahrung von Trennung und Verlust entsteht Traurigkeit. Frustrationen und Hindernisse verursachen Ärger. Die Erfahrung des Erfolges durch eigene Mühe sowie soziale Akzeptanz erzeugt das Gefühl von Freude. Zufrieden oder nicht – eine Frage der Gedanken  Zur körperlichen Reaktion kommt

in der nächsten Entwicklungsstufe der primären kognitiven Emotionen der Inhalt der Gedanken hinzu. „Wenn wir beim Beispiel der Angst bleiben, so wird die Basisemotion Angst allein dadurch erzeugt, dass es eine unbewusste Bewertung einer Situation als gefährlich gibt. Die primäre kognitive Emotion dagegen schließt die bewusste Überzeugung ein, dass die Situation gefährlich ist. Dann sprechen wir von Bedrohung“, erläutert Professor Newen (Zink und Newen 2008). Mit der bewussten Überzeugung wird eine genauere Bewertung der Situation vorgenommen. Im Fall der Freude wäre die primäre kognitive Emotion die Zufriedenheit, wenn jemand feststellt, dass alles gemäß seinen Erwartungen verläuft und zudem noch die Sonne scheint.

Im Kontext entstehen Stolz und Scham  Bei den anschließenden sekundären kogniti-

ven Emotionen ist nicht nur eine Überzeugung, sondern gleich eine Minitheorie über soziale Beziehungen mit im Spiel. „So kann zur Dimension der Angst als sekundäre kognitive Emotion die Eifersucht hinzukommen – als die Angst, den Partner zu verlieren“, so Professor Newen (Zink und Newen 2008). Hier wirkt eine Minitheorie über soziale Erwartungen und Normen, zu der ein Selbstkonzept, Meinungen über soziale Relationen zu bestimmten Individuen und allgemeine soziale Normen sowie Erwartungen und Hoffnungen in Bezug auf die Zukunft gehören. Daher sind diese komplexen Emotionen besonders abhängig von ihrer kulturellen Einbettung und der persönlichen Erfahrung. Deshalb unterscheiden sie sich auch sehr stark sowohl zwischen Individuen als auch zwischen Kulturen. Scham und Stolz z. B. unterscheiden sich, sowohl was die Anlässe als auch das Verhalten oder die Bewertung dieser Emotionen selbst angeht, stark zwischen westlichen und asiatischen Kulturen.

2.3.2  Die Macht der Emotionen

Ohne Emotionen wären wir Menschen orientierungslos und kaum in der Lage, Entscheidungen zu treffen. Emotionen beeinflussen Handlungen und spielen auch bei kognitiven Leistungen eine Rolle. Ein Beispiel, wie Emotionen an das Denken gekoppelt sind: Kommt jemand aus einer Kirche mit Tränen in den Augen, denken wir an einen Trauerfall und empfinden selbst eine gewisse Traurigkeit. Klärt sich im nächsten Augenblick auf, dass in der Kirche eine Hochzeit stattgefunden hat, hellt sich unsere Stimmung auf. Wir passen die emotionale Reaktion unbewusst an unsere kognitive Information an. Wenn Emotionen erst einmal ausgelöst sind, können sie uns daran hindern, klar zu denken.

2.3 · Emotionen

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Rote Karte für den Schiedsrichter Ein Schiedsrichter zeigt dem Kapitän einer Fußballmannschaft die rote Karte. Der Kapitän fühlt sich unfair behandelt (Kontext, Motiv, Erfahrungen etc.), er spürt Wut (emotionales Erleben), sein Puls steigt, sein Kopf läuft rot an (körperlicher Aspekt). Er presst die Lippen aufeinander und zieht die Augenbrauen zusammen (Gesichtsausdruck als beobachtbares Verhalten), er schmeißt seine Kapitänsbinde auf den Boden und verschwindet in die Kabine (beobachtbares Verhalten). Gegen diese Emotionen ist er machtlos. Nach 10 min verfliegt sein Ärger. Er denkt nach und kommt zu der Erkenntnis, dass er vielleicht überreagiert hat.

Das Beispiel macht deutlich, wie Emotionen unser Denken ausschalten: Unser Lösungsund Möglichkeitsraum wird beschränkt, wenn die Emotionen erst einmal ausgelöst sind. In solchen Situationen ist es hilfreich, die Fähigkeit zu besitzen, seine eigenen Emotionen zu regulieren. Wenn wir es schaffen, die Emotionen abklingen zu lassen, können wir bewusst die Handlungsalternative auswählen, die zu uns und zu unseren Zielen passt. > Auch wenn wir gegen Emotionen machtlos sind, können wir lernen, sie zu

regulieren. Sich Emotionen und ihre Entstehung bewusst zu machen, hilft dabei.

2.3.3  Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis?

Das Wissen um die Entstehung von Emotionen ist wertvoll für die persönliche Weiterentwicklung. Die spannende Frage ist, welche Steuerungsmöglichkeiten Menschen auf der Gefühlsebene haben: Wie lassen sich hohes Stressempfinden bei der Arbeit bewusst herunterregulieren, Nervosität vor Präsentationen in den Griff bekommen, ein unangemessener Wutausbruch verhindern oder sportliche Leistung emotional fördern? Das Ziel solcher bewussten Steuerungsmöglichkeiten ist es, aus dem Reiz-Reaktions-Schema kontrolliert auszubrechen, um dauerhaft zu mehr Lebensqualität zu gelangen. Gefühle, körperliche Prozesse und Kognition arbeiten in einem Wechselspiel und bilden nach der Theorie von Newen gemeinsame Muster aus. Durch das schnelle Erkennen solcher Muster sind wir in der Lage, Emotionen frühzeitig wahrzunehmen. Das ist die Voraussetzung, um Emotionen regulieren zu können. Als ID37 Master analysieren wir im Gespräch mit dem Klienten Situationen, in denen es zu starken Emotionen gekommen ist und welche Motive möglicherweise getriggert wurden. Wir können klären, inwiefern der Klient sein Verhalten als passend oder unpassend, als positiv oder negativ erlebt hat. Anschließend können wir gemeinsam Maßnahmen für die Selbstregulierung entwickeln (z. B. Atemübungen, Stoppsignale) oder Maßnahmen zur Selbststeuerung einleiten (z. B. Priming, „Wenndann-Pläne“; 7 Abschn. 6.3). Dadurch lernen Klienten, Zugang zu ihren positiven und negativen Gefühlen zu finden und flexibel mit ihnen umzugehen. Sie können sich in herausfordernden Situationen besser zurechtfinden und bessere Entscheidungen treffen.

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Kapitel 2 · Antrieb

Literatur

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Brandstätter, V., et al. (2013). Motivation und Emotion. Berlin: Springer. Csíkszentmihályi, M. (2005). Flow (12. Aufl.). Stuttgart: Klett-Cotta. Eilles-Matthiessen, C., & Scherer, S. (2011). Bindung, Leistung, Kontrolle und Selbstwertschutz: Die Motive des Mitarbeiters als Perspektive sozial kompetenten Führungsverhaltens. In B. Badura, et al. (Hrsg.), Fehlzeiten-Report 2011 (S. 15–25). Berlin: Springer. Heckhausen, J., & Heckhausen, H. (2010). Motivation und Handeln. Berlin: Springer. Krause, F., & Storch, M. (2014). Selbstmanagement – ressourcenorientiert (5. Aufl.). Bern: Huber. Manual der Universität Luxemburg 2018. Martens, J. U., & Kuhl, J. (2004). Die Kunst der Selbstmotivierung. Stuttgart: Kohlhammer. Newen, A. (2013). Philosophie des Geistes: Eine Einführung. München: Beck. Rheinberg, F., & Vollmeyer, R. (2011). Motivation (8. Aufl.). Stuttgart: Kohlhammer. Roth, G., & Ryba, A. (2016). Coaching, Beratung und Gehirn. Stuttgart: Klett-Cotta (E-Book). Sauer, F. H. (2018). Was sind Werte? In Akademie DA VINVI (Hrsg.), Enzyklopädie der Werte. 7 https:// www.wertesysteme.de/was-sind-werte/#ErsteDefinition. Zugegriffen: 13. März 2018. Storch, J., Morgenegg, C., et al. (2016). Ich blicks. Bern: Hogrefe. Weber, J. (2017). Ich fühle, was ich will. Bern: Hogrefe. Zinck, A., & Newen, A. (2008). Der Ursprung allen Ärgers – und aller Freude. [Classifying emotion: a development account. Synthese, 161(1), 1–25.] Presseinformation vom 10.03.2008. 7 http://www. pm.ruhr-uni-bochum.de/pm2008/msg00073.htm. Zugegriffen: 13. März 2018.

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Warum es sich lohnt, sich mit der eigenen Persönlichkeit zu beschäftigen Literatur – 34

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Staller, C. Kirschke, Die ID37 Persönlichkeitsanalyse, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58004-2_3

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Kapitel 3 · Warum es sich lohnt, sich mit der eigenen Persönlichkeit zu beschäftigen

Wer sich mit der eigenen Persönlichkeit beschäftigt, lernt, diese zu verstehen, zu ­schätzen, und ist in der Lage, mit Verhaltensveränderung dort anzusetzen, wo Verhalten seinen Ursprung hat. Dies sind wesentliche Gründe für den Einsatz von Persönlichkeitsdiagnostik im professionellen Umfeld. Wie bereits aufgezeigt kann eine Person erst aus ihrer Welt heraustreten, wenn sie sich dieser bewusst ist. Sie sieht klarer, wo ihre Wirklichkeit aufhört und die der anderen anfängt. Wichtige Gründe, sich mit Persönlichkeit auseinanderzusetzen, finden sich hier im Überblick: Selbsterkenntnis und Selbststeuerung  Eine gute Selbsterkenntnis umfasst das Wissen

um die eigene Person und um innere Abläufe. Selbsterkenntnis gibt uns Orientierung darüber, was uns im Leben wirklich wichtig ist und welche Ziele die richtigen für uns sind. So kann jeder von uns Entscheidungen treffen, die zu seinen persönlichen ­Zielen passen. Wir sind nur dann zufrieden, wenn wir uns nicht verstellen müssen. Sich selbst zu kennen, ist die Ausgangsbasis für erfolgreiche Selbststeuerung.

Motivation und Verhalten verstehen lernen  Persönlichkeit offenbart sich in zeitlich

überdauernden Verhaltensmustern. Wer seine eigenen Muster reflektiert und versteht, weiß, was ihn von innen motiviert und zum Handeln antreibt, und kann Entwicklungsund Veränderungsprozesse wirksam einleiten.

Emotionen einordnen und regulieren lernen  Emotionen beeinflussen unser Handeln stark. Meistens laufen sie unbewusst ab. Wer jedoch seine affektlogischen Muster versteht, kann sie sowohl antizipieren als auch trainieren, seine Gefühle zu regulieren. Dies ermöglicht, aus Reiz-Reaktions-Mustern auszusteigen und sich mehr Freiraum für die Lösungsfindung zu verschaffen. So lassen sich Stresssituationen reduzieren und die Lebenszufriedenheit erhöhen. Andere verstehen  Wer sich selbst kennt, versteht auch, warum andere Menschen

anders sind. Er kann diese Unterschiede auf rationaler Ebene tolerieren, selbst wenn er sie emotional nicht nachvollziehen kann. Erst mit dem Verständnis des anderen und mit der Absicht, dem anderen Gutes zu unterstellen, ist es möglich, zuzuhören, Empathie zu erlernen und eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Diese Fähigkeit ist insbesondere für heterogene Teams und für die Gestaltung von Beziehungen von hohem Wert.

Konfliktsituation erkennen, vermeiden und lösen  Wir alle sind auf der Persönlichkeitsebene so unterschiedlich, dass wir einander eigentlich gar nicht verstehen können. Dies zeigt sich insbesondere in Stresssituationen. In diesen gelingt es uns in der Regel nicht, rational und sachlich miteinander umzugehen. Erst das Verständnis über unsere Unterschiedlichkeit und daraus resultierende emotionale Spannungen hilft uns dabei, Konflikte zu vermeiden, zeitnah aus dem Weg zu räumen oder konstruktiv mit ihnen umzugehen. So lernen wir beispielsweise Differenzen auszuhalten oder Ungeklärtes auch einmal stehen zu lassen. Das hilft uns dabei, besser miteinander auszukommen. Beziehungen gestalten  Beziehungen sind relativ stabile Interaktionsmuster. Sie führen zwangsläufig zu wiederkehrenden Situationen, da sie auf den gleichen Reiz-ReaktionsMustern basieren. Studien haben gezeigt, dass Beziehungen, in denen die Personen

33 Warum es sich lohnt, sich mit der eigenen Persönlichkeit zu beschäftigen

ähnliche Persönlichkeitseigenschaften haben, zufriedener verlaufen (Burgoon et al. 1995, S. 117 ff.). Ähnliche Partner nähern sich in ihren Eigenschaften sogar an (­Reziprozität), während abweichende Eigenschaften sich weiter auseinanderbewegen. Gegensätze w ­ irken für kurze Zeit zwar anziehend, aber auf lange Zeit sind Personen mit ähnlichen Profilen glücklicher. Dies ist einfacher, wenn sich die Personen ähnlich sind und dadurch gegenseitig in ihren Motivausprägungen, Zielen und Lebensplänen bestätigen. Um Beziehungen aufrechtzuerhalten, ist nichts wirkungsvoller, als den anderen so zu nehmen, wie er ist. Viele Beziehungsmuster sind jedoch durch soziale Normen stark reguliert und entsprechend ritualisiert (z. B. zwischen Vorgesetzten und ihren Untergebenen, zwischen Geschäftspartnern bei Verhandlungen, zwischen Fremden im Wartezimmer). Reflektierte Eigenwahrnehmung  Wir trauen unseren eigenen Wahrnehmungen und Erfahrungen mehr als denen anderer Menschen. Wir tendieren auch dazu, unsere eigenen Werte nicht nur für uns, sondern auch für andere für die besten zu halten. Diese motivationale Selbstbezogenheit schafft „blinde Flecken“, d. h. die natürliche Tendenz, andere Menschen durch die Brille unserer eigenen Interessen, Wünsche und Motive wahrzunehmen. Oft wissen wir zwar vom Kopf her, dass Menschen unterschiedliche Werte und Ziele haben, aber im Grunde genommen begreifen wir nicht wirklich, wie es sein kann, dass sie nicht genauso denken, fühlen und handeln wie wir. Wer sich mit Persönlichkeit auseinandersetzt, wird für die Wirklichkeit des anderen sensibilisiert, aber auch für die eigenen „blinden Flecken“ (7 Abschn. 5.2). Reflektierte Fremdwahrnehmung  Wir tendieren zu der Annahme, dass andere uns so sehen, wie wir uns selbst sehen. Im Alltag ist die Bewusstmachung für verschiedene Wirklichkeiten und Wertewelten von hoher Wichtigkeit. So lernen wir Reaktionen richtig einzuschätzen und zu erkennen, dass unser eigenes Verhalten für andere keine Wertigkeit besitzt. Eine bewusste Auseinandersetzung mit Eigen- und Fremdwahrnehmung bewirkt viele Aha-Momente und ist ein wichtiger Baustein jeder erfolgreichen Zusammenarbeit und Beziehungsgestaltung. Wir lernen, statt in „Richtigfalsch-Kategorien“ in „Sowohl-als-auch-Kategorien“ zu denken. Im Konfliktfall heißt dies, zu akzeptieren, dass im Zweifel niemand recht hat, da es keine Objektivität gibt. Selektive Wahrnehmung  Was wir wahrnehmen, hängt unmittelbar mit unserer

Persönlichkeit zusammen. Wir filtern unsere Umwelt danach: Reize, die beispielsweise extrem ausgeprägte Motive ansprechen, rücken in den Fokus. Gegenteilige Reize werden ausgeblendet. Motive haben somit einen massiven Einfluss auf die subjektive Wirklichkeit. Bei Menschen wird vor allem die visuelle Wahrnehmung beeinflusst, d. h., unser Blick wird unbewusst gelenkt (7 Abschn. 5.2).

Sich selbst motivieren und andere nicht demotivieren  Eine positive Beeinflussung

der Motivation anderer durch äußere Faktoren (z. B. materielle Belohnungen) ist dauerhaft kaum möglich. Statt von außen zu motivieren, ist es viel erstrebenswerter, den anderen darin zu unterstützen, sich selbst zu motivieren. Diese Form der Motivation kann zu Leistung führen, die dauerhaft gerne und mühelos erbracht wird (7 Abschn. 2.1).

3

34

Kapitel 3 · Warum es sich lohnt, sich mit der eigenen Persönlichkeit zu beschäftigen

Die ID37 Persönlichkeitsanalyse ist aufgrund ihres Facettenreichtums und ihrer wissenschaftlichen Fundiertheit ein passendes Instrument, um Entwicklungsprozesse wirksam einzuleiten und zu begleiten (7 Abschn. 4.2).

3

Literatur Burgoon, J. K., Stern, L. A., & Dillman, L. (1995). Interpersonal adaption: Dyadic interaction patterns. New York: Cambridge University Press.

35

Die Persönlichkeitsanalyse ID37 4.1  So messen wir Persönlichkeit: Der ID37 Test – 39 4.1.1  Durchführung – 39 4.1.2  Auswertung – 40

4.2  Wissenschaftlichkeit von ID37 – 42 4.2.1  Grundlagen zu psychometrischen Testverfahren – 42 4.2.2  Die Entwicklung des ID37 Tests – 43 4.2.3  Objektivität, Reliabilität, Validität und Normierung von ID37 – 44

4.3  Was das ID37 Persönlichkeitsprofil aussagt – 48 4.3.1  Vor der Interpretation: Wie Motive erlebt werden – 48 4.3.2  Wie das Motivprofil zu lesen ist – 50

4.4  Beschreibung und Wirkung der 16 Motive – 52 4.4.1  Das Motiv NEUGIER (NEU), „curiosity“ – 53 4.4.2  Das Motiv SOZIALE ANERKENNUNG (SAN), „social acceptance“ – 55 4.4.3  Das Motiv EINFLUSS (EIN), „influence“ – 57 4.4.4  Das Motiv STATUS (STA), „status“ – 59 4.4.5  Das Motiv BESITZEN (BES), „retention“ – 61 4.4.6  Das Motiv AUTONOMIE (AUT), „autonomy“ – 62 4.4.7  Das Motiv SOZIALKONTAKTE (SOZ), „social participation“ – 64 4.4.8  Das Motiv PRINZIPIEN (PRI), „principles“ – 66 4.4.9  Das Motiv SOZIALES ENGAGEMENT (SEN), „social engagement“ – 67 4.4.10  Das Motiv STRUKTUR (STR), „structure“ – 69 4.4.11  Das Motiv SICHERHEIT (SIC), „safety“ – 70 4.4.12  Das Motiv REVANCHE (REV), „revenge“ – 72 4.4.13  Das Motiv BEWEGUNG (BEW), „physical exercise“ – 73

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Staller, C. Kirschke, Die ID37 Persönlichkeitsanalyse, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58004-2_4

4

4.4.14  Das Motiv ESSENSGENUSS (ESS), „food enjoyment“ – 75 4.4.15  Das Motiv FAMILIE (FAM), „family“ – 77 4.4.16  Das Motiv SINNLICHKEIT (SIN), „eros“ – 78

4.5  Motivkonstellationen – 80 4.5.1  Schwierige Motivkonstellationen – 81 4.5.2  Besondere Persönlichkeitseigenschaften – 83 4.5.3  Kreativität – 84 4.5.4  Mut – 85 4.5.5  Resilienz – 86 4.5.6  Soziale Kompetenz – 87 4.5.7  Extraversion – 88 4.5.8  Woran erkenne ich Motive von Menschen ohne ID37? – 89

4.6  Alleinstellungsmerkmale von ID37 – 90 Literatur – 92

37 Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

Bei unserer Beratungstätigkeit mit dem psychologischen Modell und Testverfahren ID37 gibt es fast immer Aha-Erlebnisse. Das Staunen ist groß, wenn wir einer bis dahin unbekannten Person im Analysegespräch aufzeigen können, wie sie sich in bestimmten Situationen verhält. Die Genauigkeit unserer Analyse ist dabei sehr hoch. Warum ID37 so präzise Aussagen über die individuelle Persönlichkeit erlaubt, zeigen wir in diesem Kapitel. ID37 ist ein Modell und Messverfahren, das die Individualität einer Person anhand von 16 trennscharfen Motiven beschreibt. Motive werden dabei im Sinne der Motivationsforschungspioniere McClelland, Atkinson, Clark und Lowell als Ausdruck von Bedürfnissen, als Diskrepanz zwischen situativem Ist-Wert und angestrebtem SollWert verstanden. Das Prinzip des Handelns ist: Menschen versuchen, ihre hoch ausgeprägten Bedürfnisse zu befriedigen (Manual der Universität Luxemburg 2018). Die empirische Forschung der Universität Luxemburg hat ergeben, dass jeder Mensch alle 16 Motive in sich trägt. Die Intensität hingegen, mit der ein Mensch Motive wahrnimmt, ist grundverschieden. Motive erklären, warum sich eine Person in verschiedenen Situationen ähnlich verhält und warum sich verschiedene Personen in ähnlichen Situationen unterschiedlich verhalten. Wir bezeichnen die 16 Motive auch als Lebensmotive. Die 16 Motive, die mit ID37 gemessen werden, sind: NEUGIER, SOZIALE ANERKENNUNG, EINFLUSS, STATUS, BESITZEN, AUTONOMIE, SOZIALKONTAKTE, PRINZIPIEN, SOZIALES ENGAGEMENT, STRUKTUR, SICHERHEIT, REVANCHE, BEWEGUNG, ESSENSGENUSS, FAMILIE und SINNLICHKEIT. Kurzdefinitionen von Motivdimensionen gemäß der Universität Luxemburg 5 Die Skala NEUGIER beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach Wissen, Erkenntnis und intellektueller Herausforderung. 5 Die Skala SOZIALE ANERKENNUNG beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach Bestätigung und Anerkennung. 5 Die Skala EINFLUSS beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach Kontrolle und Einfluss auf Personen und Vorgänge. 5 Die Skala STATUS beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach Ansehen und einer hervorgehobenen Stellung in der Gesellschaft. 5 Die Skala BESITZEN beschreibt interindividuelle Unterschiede im Bestreben, Vorräte anzulegen und zu erhalten. 5 Die Skala AUTONOMIE beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach Unabhängigkeit von den Erwartungen anderer. 5 Die Skala SOZIALKONTAKTE beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach Gesellschaft und dem Interesse an anderen Menschen. 5 Die Skala PRINZIPIEN beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach Konformität mit sozialen Normen, die für bestimmte gesellschaftliche Gruppen bzw. die Gesellschaft als Ganzes gelten. 5 Die Skala SOZIALES ENGAGEMENT beschreibt interindividuelle Unterschiede im Engagement für benachteiligte und notleidende Menschen und für eine gerechtere Gesellschaft. 5 Die Skala STRUKTUR beschreibt interindividuelle Unterschiede im Bestreben, sich die Umwelt in einfacher und widerspruchsfreier Weise zu strukturieren.

4

38

4

Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

5 Die Skala SICHERHEIT beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach einem ruhigen und sicheren Leben. 5 Die Skala REVANCHE beschreibt interindividuelle Unterschiede im Bestreben, erlebtes Unrecht zu vergelten. 5 Die Skala BEWEGUNG beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach Bewegung und körperlicher Aktivität. 5 Die Skala ESSENSGENUSS beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach genussvollen Erfahrungen bei der Nahrungsaufnahme. Diese gehen deutlich über die Befriedigung physiologischer Grundbedürfnisse hinaus. 5 Die Skala FAMILIE beschreibt interindividuelle Unterschiede in der Fürsorge für die Familie (Herkunftsfamilie, ggf. eigene Familie und Partnerschaft). 5 Die Skala SINNLICHKEIT beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach sinnlichen und erotischen Erfahrungen und einem aktiven, erfüllten Sexualleben.

Wenn sich alles um Erkenntnisgewinn dreht Eine Person, die beispielsweise eine hohe Ausprägung des Motivs NEUGIER aufweist, verbringt in der Regel viel Zeit mit gedanklicher und intellektueller Beschäftigung. Daher ist sie stets bemüht, Situationen zu suchen und Lebensumstände zu schaffen, die es ihr ermöglichen, dieser Neigung nachzugehen. Diese Neigung bezieht sich keinesfalls nur auf Themen aus dem beruflichen Tätigkeitsfeld. Es ist vielmehr eine Neigung, die in der Persönlichkeit steckt. Da Motive als Beweggründe von Verhalten verstanden werden, können wir anhand der hohen NEUGIER-Ausprägung erkennen und prognostizieren, dass diese Person eher eine akademische Laufbahn einschlagen und beispielsweise eine Position im strategischen Umfeld eines Unternehmens anstreben oder sich in ihrer Freizeit mehr mit Wissenserwerb beschäftigen wird als eine Person mit einer niedrigen Ausprägung dieses Motivs.

Ganz so einfach ist es natürlich nicht, Persönlichkeit zu entschlüsseln. Für eine verlässliche Aussage, die der gesamten Persönlichkeit und der Einzigartigkeit einer Person gerecht wird, ist es notwendig, alle 16 Motive zu kennen und ihr Zusammenspiel sowohl untereinander als auch im Kontext des Umfeldes zu verstehen. Die Ausbildung zum ID37 Master trainiert, die Ausprägung der einzelnen Motive und ihre Wechselwirkungen zu analysieren und in Handlungsempfehlungen für den Klienten zu übersetzen. So kann eine Motivausprägung eine andere verstärken oder abschwächen – mit entsprechenden Konsequenzen für das Handeln. ID37 Master haben ein umfassendes Verständnis darüber, was eine Person ausmacht. Die ID37 Analyse hat dabei eine gewisse Vorhersagekraft für das künftige Verhalten einer Person und dient als unterstützende Grundlage für Interventionen, die sich mit Motivation, Selbststeuerung und Leistung befassen. > ID37 ist ein Modell und Messverfahren, das die Individualität einer Person anhand

von 16 trennscharfen Motiven beschreibt. Die Bedeutung, die eine Person den einzelnen Motiven beimisst, prägt ihr Denken, Fühlen, Verhalten und ihre individuelle Wirklichkeit.

4.1 · So messen wir Persönlichkeit: Der ID37 Test

39

4.1  So messen wir Persönlichkeit: Der ID37 Test

Leser, die bisher noch keine Gelegenheit hatten, eine ID37 Persönlichkeitsanalyse zu erstellen, werden sich inzwischen gefragt haben, von welchen Motiven sie selbst geleitet werden: „Bin ich neugierig, gesellig oder pflichtbewusst? Und wenn ja, wie sehr?“ Persönlichkeitstests sind die Methode der Wahl, wenn es darum geht, Persönlichkeitsausprägungen zu ermitteln – oder umgangssprachlich, um „Persönlichkeit zu messen“. Der ID37 Test ermittelt die Ausprägungen der 16 Lebensmotive und erlaubt es, Muster zu erkennen. Er erfasst keine Leistung, wie z. B. bei einem Sprachtest, sondern holt auf Basis eines standardisierten wissenschaftlichen Tests eine Selbstauskunft ein. 4.1.1  Durchführung

Der ID37 Persönlichkeitstest ist ein Online-Fragebogen, bestehend aus 144 selbstbeschreibenden Aussagen zu alltäglichen Verhaltensweisen, Einstellungen und Gewohnheiten. Im Schnitt dauert das Ausfüllen 30 min. Das individuelle Motivprofil entsteht, indem eine Person jede der Aussagen auf einer sechsstufigen Skala von „trifft überhaupt nicht zu“ bis „trifft genau zu“ bewertet. Ein Beispiel einer solchen Selbstbeschreibungsskala ist: „Ich lege großen Wert darauf, von anderen gemocht zu werden“. Damit in der Anwendung das Potenzial des Tests voll ausgeschöpft wird, sollten folgende Aspekte beachtet werden: 5 Der Testnehmer sollte zwischen 16 und 69 Jahre alt sein. Für diesen Altersbereich liegen repräsentative Normen vor. 5 Für die Bewertung der Aussagen sollte genügend Zeit zur Verfügung stehen. Testnehmer sollten sich so viel Zeit nehmen können, wie sie benötigen, um den Test spontan zu bearbeiten. 5 Der Einsatz sollte nur dann erfolgen, wenn eine massive Antwortverfälschung ausgeschlossen werden kann, z. B. weil der Testnehmer den Test aus Eigeninteresse durchführt. Im Zusammenhang mit Personalauswahlverfahren lässt sich der Effekt des sozial erwünschten Verhaltens beim Bewerten der Aussagen minimieren, wenn dem Kandidaten klargemacht wird, dass die Persönlichkeitsanalyse niemals als alleiniger Maßstab für eine Personalentscheidung herangezogen wird. 5 Die Akzeptanz für den Test wird erhöht, wenn dem Testnehmer der Einsatzzweck und die Zielsetzung vor der Testbearbeitung transparent dargelegt werden (z. B. um die Teamentwicklung zu unterstützen). 5 Der professionelle Einsatz sollte nur erfolgen, wenn die Möglichkeit für ein Analysegespräch mit dem Testnehmer durch einen ID37 Master besteht. 5 Bei sehr jungen Menschen ist zu überlegen, ob das Motiv FAMILIE abgefragt werden soll. Der Test ist so konstruiert, dass dieses Motiv weggelassen werden kann. 5 Im geschäftlichen Kontext empfehlen wir, auf die Abfrage des Motivs SINNLICHKEIT zu verzichten, um Fragen zur Sexualität auszuklammern. Auch eine darauf angepasste Testversion steht zur Verfügung.

4

40

Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

5 Die Interpretation der Ergebnisse und die Durchführung des Analysegesprächs erfolgen durch zertifizierte ID37 Master. Dabei handelt es sich um Experten aus den Bereichen Personalentwicklung, Human Resources (HR), Consulting, Psychologie und verwandten Bereichen. Sie wurden umfassend geschult, um in den Analysegesprächen ein hohes Maß an Sachverstand, Qualität und Professionalität zu gewährleisten (7 Abschn. 6.6).

4

Beim ID37 Test wird jedes der 16 Motive mit jeweils 9 Items, selbstbeschreibenden Aussagen, erfasst. Die Aussagen zu den einzelnen Motivdispositionen können dabei in Richtung einer hohen Motivausprägung (Item-Beispiel für das Motiv SOZIALE ANERKENNUNG: „Ich lege großen Wert darauf, von anderen gemocht zu werden.“) oder in Richtung einer niedrigen Motivausprägung formuliert sein (Beispiel SOZIALE ANERKENNUNG: „Es macht mir nichts aus, wenn mich jemand zurückweist.“). Die 16 Motive werden im 7 Abschn. 4.4 ausführlich beschrieben. Zudem ist dort dargestellt, mit welchem Verhalten hohe und niedrige Motivausprägungen jeweils verknüpft sind und wie diese emotional erlebt werden. 4.1.2  Auswertung

Die Auswertung des ID37 Tests erfolgt computergestützt, nachdem der Testnehmer alle Aussagen bewertet hat. Vor dem Test kann der ID37 Master festlegen, ob eine verkürzte Version vorgelegt wird, wenn z. B. auf das Motiv FAMILIE oder auf das Motiv SINNLICHKEIT verzichtet werden soll. Das Ergebnis ist ein Motivprofil, auf dem die Motivausprägungen des Testnehmers numerisch und grafisch dargestellt werden (. Abb. 4.1). Zusätzlich wird automatisch eine schriftliche Zusammenfassung erzeugt, in der die Motivskalen und individuellen Ausprägungen beschrieben und mit Beispielfällen veranschaulicht werden; diese Zusammenfassung wird auch als Ergebnisbericht bezeichnet. Das Messen der Persönlichkeitseigenschaften erfolgt immer in Relation zu anderen. Eine Aussage wie „Person X hat eine hohe Ausprägung des Motivs SOZIALKONTAKTE“ bedeutet daher „Im Vergleich zur Normstichprobe ist das Motiv SOZIALKONTAKTE bei Person X hoch ausgeprägt“. Je genauer die Persönlichkeit abgebildet werden soll, desto höher sind die Anforderungen an die Testkonstruktion. Mit diesem Anspruch entwickelte das Wissenschaftsteam des Bereichs Computer-Based Assessment um Professor Dr. Samuel Greiff, Dr. Christoph Kemper und Jan Dörendahl, M. Sc., an der Universität Luxemburg den ID37 Test. Ausgangspunkt der Entwicklung, die von Dr. Christoph Kemper geleitet wurde, war die Überprüfung bestehender Modelle der Persönlichkeitsdiagnostik. Dabei wurden bestehende Motivkonzepte auf den Prüfstand gestellt und modernste Methoden bei der Testentwicklung angewandt (. Abb. 4.2).

41 4.1 · So messen wir Persönlichkeit: Der ID37 Test

1

2%

2

5% NIEDRIG

3

9%

4

15%

5

19%

6

19%

7

15%

8

9%

MITTEL

. Abb. 4.1  Exemplarisches ID37 Persönlichkeitsprofil

9

5% HOCH

10

2%

8

Neugier

2

Soziale Anerkennung

10

Einfluss

7

Status

4

Besitzen

9

Autonomie

7

Sozialkontakte

3

Prinzipien

8

Soziales Engagement

5

Struktur

1

Sicherheit

3

Revanche

9

Bewegung

7

Essensgenuss

6

Familie

8

Sinnlichkeit

www.id37.io

4

42

Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

Was wollen wir messen? > Verhaltensindikatoren finden > 16 Anreizklassen definieren

1247 Testitems

+140 -169

+73 -212

Kon 1 N=300

1637 Items

ID37 Persönlichkeitsprofil

Konstruktdefinition

4

+23 -102

Itementwicklung und Testentwurf

Revision

Normierung

Empirische Erhebung

Prüfung Itemund Testwertgüte

Validierung

Kon 2 N=299

Kon 3 N=333

Kon 4 N=236

EFA CFA/ACO

Konstruktionsstichproben . Abb. 4.2  Ablaufschema der ID37 Testentwicklung (Adapt. nach Kemper et al. 2015; mit freundl. Genehmigung des Huber-Verlags). ACO Ant-Colony-Optimization-Algorithmus, CFA konfirmatorische Faktorenanalyse, EFA exploratorische Faktorenanalyse, Kon Kostruktionsstichprobe

4.2  Wissenschaftlichkeit von ID37

Das Ziel der ID37 Testentwicklung war es, die Persönlichkeit aus der dynamischen Perspektive möglichst ganzheitlich und präzise zu erfassen. Im Zentrum stand die Beantwortung der Frage „Warum handelt ein Mensch?“. Jeder Test, der Persönlichkeitseigenschaften misst, muss grundlegende Qualitätskriterien und psychometrische Gütekriterien erfüllen. Ein guter Test muss laut Simon (2006, S. 44): 5 routinemäßig durchführbar sein, 5 eine relative Positionsbestimmung zu anderen getesteten Personen ermöglichen, 5 empirisch abgrenzbare Persönlichkeitsmerkmale messen, 5 wissenschaftlich begründet sein. > Gütekriterien dienen der Qualitätsbeurteilung und Wissenschaftlichkeit

psychologischer Tests.

4.2.1  Grundlagen zu psychometrischen Testverfahren

ID37 zählt zu den psychometrischen Verfahren, die psychische Merkmale mittels Befragung erheben. Daher können nur Merkmale erhoben werden, die den Befragten bewusst sind und die sie verbalisieren können. Im Falle von ID37 sind das explizite

4.2 · Wissenschaftlichkeit von ID37

43

Motive. Implizite Motive hingegen können nur über projektive Verfahren ermittelt werden (7 Abschn. 2.2.1). Die Begriffe, die in der Psychometrie verwendet werden, um Persönlichkeit zu messen, werden im allgemeinen Sprachgebrauch teilweise etwas anders verwendet: 5 Das Verb „messen“ in der Psychometrie meint „vergleichen“. Das Ergebnis eines Probanden wird mit einer Normstichprobe verglichen – also zu den Ergebnissen anderer Menschen in Relation gesetzt. 5 Das Wort „Test“ wird im Alltag synonym mit dem Wort „Prüfung“ verwendet und assoziiert eine Beurteilung von Fähigkeiten oder gar einer Person. Mit einem Persönlichkeitstest kann man zwar die Persönlichkeit mit den Anforderungen für eine bestimmte Position oder Tätigkeit abgleichen, die Persönlichkeit selbst lässt sich aber nicht „testen“. > Das Ergebnis des ID37 Tests ist immer wertfrei. Es gibt weder richtige noch falsche

Antworten, sondern nur unterschiedliche Ausprägungen von Merkmalen.

Wir verwenden in diesem Buch für „Persönlichkeitstest“ auch synonym die Begriffe „Persönlichkeitsanalyse“, „Persönlichkeitsdiagnostikinstrument“, „Instrument“ oder „Verfahren“. Einige Fachtermini der Psychometrie lassen sich nicht umgehen, um den Sachverhalt präzise wiederzugeben. Sie tauchen daher auch in diesem Buch auf: Fachtermini der Psychometrie 5 Item oder Testitem = eine selbstbeschreibende Aussage im Fragebogen, der abgestuft zugestimmt oder die abgelehnt werden kann. Sie dient dazu, die Motivausprägung zu ermitteln. Bei ID37 gehören 9 Items zu einem Motiv. Beispiel: „Ich versuche häufig, es anderen recht zu machen.“ 5 Konstrukt = ein Sachverhalt, der aufgrund von beobachtbaren Daten erschlossen werden kann. Beispiel: Motive lassen sich durch Verhalten erschließen. 5 Merkmal = eine erkennbare Eigenschaft, die eine Person von einer anderen unterscheidet. Beispiel: autoritär. 5 Motivdimension = das hinter verschiedenen, thematisch ähnlichen Verhaltensweisen stehende theoretische Konstrukt. Beispiel: NEUGIER. 5 Skala oder Testskala = bezeichnet einen Satz von Items, die nach statistischer und theoretischer Analyse zusammengefasst werden können. ID37 hat 16 Selbstbeschreibungsskalen.

4.2.2  Die Entwicklung des ID37 Tests

Die Konstruktion des ID37 Tests erfolgte an der Universität Luxemburg in einem mehrstufigen Verfahren (. Abb. 4.2). Zunächst wurde festgelegt, was genau der Persönlichkeitstest ID37 messen soll: Er soll die intrinsischen Motive der Allgemeinbevölkerung möglichst breit erfassen.

4

44

4

Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

Die Definition des Messgegenstands ist die sog. Konstruktbeschreibung. Diese erfolgt bei ID37 aus unterschiedlichen Modellen der Persönlichkeitspsychologie (z. B. von ­Murray 1938; Reiss 2004), aktuellen Befunden aus der Motivationsforschung sowie auf der Basis von Einflüssen und Erfahrungen aus der Praxis. Nachdem das Wissenschaftsteam aus Persönlichkeits- und Motivationsexperten an der Universität Luxemburg einen Pool von über 1600 Items definiert hatte, wurden sie in insgesamt 4 Konstruktionsstichproben empirisch überprüft. Dabei wurden nach jeder Stichprobe jene Items entnommen, die den statistischen und inhaltlichen Kriterien entsprachen. Die finale Item-Selektion brachte die bereits erwähnten 144 Items hervor, die den Probanden zur Erhebung des individuellen ID37 Persönlichkeitsprofils vorgelegt werden. Alle Stichproben erfolgten in der repräsentativen deutschen Online-Bevölkerung, d. h., die Probanden bewerteten die Aussagen über das Internet. Dabei war ihnen die Messintention nicht bekannt. Aus der Vielzahl an Motiven wurden diejenigen in das Modell aufgenommen, die universell und von psychologischer Relevanz sind. Das sind Motive, die nur um ihrer selbst willen befriedigt werden. Die Bereinigung der Items erfolgte während des Prozesses faktorenanalytisch mit dem Ziel, die Item-Sammlung möglichst eindeutig in einzelne Dimensionen zu untergliedern. Die Faktorenanalyse (Glossar) ist ein datenreduzierendes Verfahren, bei dem die unüberschaubare Vielfalt von Zusammenhängen geordnet und auf die zugrunde liegenden Ursachen zurückgeführt wird. Wenn also ein Proband im Zuge einer der ­Stichproben eine Vielzahl von Items bewertet hat, wurden Faktorenanalysen angewendet, die aufspüren, welche Aussagen des Fragebogens stark korrelieren. Bei der Entwicklung von ID37 kamen die exploratorische Faktorenanalyse (EFA) und konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) zum Einsatz. Optimiert wurde der finale Item-Pool mit dem Ant-­Colony-Optimization-Algorithmus (ACO; Glossar). Die Faktorenanalyse wird auch als Verfahren eingesetzt, um aus dem Beobachtungsmaterial allgemeingültige ­Aussagen abzuleiten, ohne dass diese von einer vorgeprägten Lehrmeinung beeinflusst werden. So konnte beispielsweise das Persönlichkeitsmerkmal SOZIALKONTAKTE faktorenanalytisch ermittelt werden. Personen mit hohen SOZIALKONTAKTE-Werten gaben häufiger an, es zu genießen, Zeit mit anderen Menschen zu verbringen. Im Vergleich zu Personen mit weniger hohen Werten berichten sie, soziale Kontakte als Bereicherung ihres Lebens zu empfinden und geradezu überwältigt zu sein, wenn sie Teil einer Gruppe sein können. 4.2.3  Objektivität, Reliabilität, Validität und Normierung von

ID37

Psychometrische Hauptgütekriterien sind: Objektivität, Reliabilität und Validität. Diese müssen innerhalb einer bestimmten Bandbreite erfüllt sein, damit ein Test die gewünschten Ergebnisse erzielt und in der Fachwelt anerkannt ist. Einen wissenschaftlichen Test unterscheidet von einem unwissenschaftlichen, dass die Erfüllung der ­Gütekriterien empirisch überprüft wurde (. Abb. 4.3). Dies ist bei ID37 der Fall. z Objektivität

Die Objektivität eines Tests soll sicherstellen, dass die Ergebnisse zwischen zwei Personen vergleichbar sind. Objektivität besteht dann, wenn das Testergebnis unabhängig davon ist, ob Testleiter A oder Testleiter B die Testung anleitet, auswertet und interpretiert.

45

4.2 · Wissenschaftlichkeit von ID37

Objektivität

Hauptgütekriterien

Gütekriterien

Nebengütekriterien

Reliabilität

Validität

Durchführung Auswertung Interpretation

Retest-Reliabilität Paralleltest-Reliabilität Interne Konsistenz Konstruktreliabilität

Inhaltsvalidität Kriteriumsvalidität Konstruktreliabilität

Ökonomie Nützlichkeit Normierung Vergleichbarkeit

. Abb. 4.3  Psychometrische Gütekriterien. (Adapt. nach Kemper et al. 2015; mit freundl. Genehmigung des Huber-Verlags)

Der ID37 Test wird von den Testnehmern alleine durchgeführt. Die Personen erhalten vorab eine schriftliche Testanweisung, wie der Ablauf erfolgt und eine Aufklärung darüber, was die Ziele von ID37 sind. Die formale Auswertung von ID37 erfolgt automatisiert, nachdem der Testnehmer den Test ausgefüllt hat. Die Standardisierung der Durchführung und die mathematische Testauswertung garantieren die Durchführungs- und Auswertungsobjektivität von ID37. Zur Interpretation der Ergebnisse erhält der ID37 Master das automatisch generierte Motivprofil und den Ergebnisbericht. Wir empfehlen die Interpretation der Ergebnisse durch ausgebildete ID37 Master, um im Analysegespräch ein hohes Maß an Qualität zu gewährleisten. z Reliabilität (Zuverlässigkeit)

Die Reliabilität beschreibt den Grad der Genauigkeit, mit der ein Test ein bestimmtes Merkmal misst. Präzise ist eine Messung dann, wenn sie möglichst frei von Messfehlern erfolgt. Die Erfassung der Zuverlässigkeit im Reliabilitätskoeffizienten drückt in den Testextremen ein Testergebnis vollkommen ohne Messfehler aus (Koeffizient = 1,0) oder ein Testergebnis, das nur durch Messfehler zustande gekommen ist (Koeffizient = 0). Bei ID37 wurde zur Überprüfung der Zuverlässigkeit die sog. Konstruktreliabilität nach McDonald (1999) berechnet, das gewichtete „Omega“. Dieser Kennwert der Reliabilität ist präziser als der Kennwert „Cronbachs Alpha“. Aufgrund der hohen Verbreitung des „Cronbachs Alpha“ werden beim ID37 beide Koeffizienten angegeben.

4

46

Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

. Tab. 4.1  Reliabilitätskoeffizienten der 16 Skalen von ID37 (Manual der Universität Luxemburg 2018)

4

Skala

Ωw

α

NEUGIER

.89

.88

SOZIALE ANERKENNUNG

.85

.82

EINFLUSS

.91

.87

STATUS

.87

.83

BESITZEN

.85

.81

AUTONOMIE

.65

.62

SOZIALKONTAKTE

.90

.88

PRINZIPIEN

.80

.74

SOZIALES ENGAGEMENT

.91

.86

STRUKTUR

.92

.89

SICHERHEIT

.85

.81

REVANCHE

.91

.84

BEWEGUNG

.96

.90

ESSENSGENUSS

.90

.84

FAMILIE

.92

.89

SINNLICHKEIT

.95

.90

Anmerkung: N = 1001

Als Faustformel gelten Reliabilitätskoeffizienten ab Koeffizient = 0,7 als akzeptabel, ab 0,8 bis 0,9 als gut. Die Werte der Reliabilitätskoeffizienten bei ID37 sprechen dafür, dass die erfassten Motivdispositionen mit großer Genauigkeit messen (. Tab. 4.1). z Validität (Gültigkeit)

Die Validität stellt fest, ob der Test das misst, was er messen soll. Eine hohe Validität ist immer von einer hohen Objektivität und Reliabilität abhängig. Sie gilt in der Testpraxis als das wichtigste Testgütekriterium. Zur Bestimmung der Validität gibt es verschiedenen Zugänge, z. B. Inhaltsvalidität, Konstruktvalidität und Kriteriumsvalidität. Zugänge zur Validität 5 Inhaltsvalidität – Die Inhaltsvalidität klärt die Repräsentativität von Items, also inwieweit die Items eines Tests eine repräsentative Stichprobe aus allen möglichen Testitems darstellen. Die Aussage ist, ob die Items repräsentativ für das zu messende Merkmal sind. 5 Konstruktvalidität (Beziehung zwischen Testinhalt und Konstrukten) – Auf der Basis der Konstruktvalidität wird bestimmt, ob mit dem im Test gezeigten Verhalten auf zugrunde liegende Persönlichkeitskonstrukte geschlossen werden kann.

4.2 · Wissenschaftlichkeit von ID37

47

5 Kriteriumsvalidität (Beziehung zwischen Testinhalt und externen Kriterien) – Die Kriteriumsvalidität gibt an, in welchem Ausmaß ein Messergebnis auf andere Situationen übertragen werden kann. – Für ID37 heißt dies, dass eine Motivskala dann kriteriumsvalide ist, wenn von den Antworten der Testperson im Fragebogen erfolgreich auf ein Verhalten außerhalb der Testsituation (Kriterium) geschlossen werden kann. Je enger die Beziehung zwischen Verhalten innerhalb und außerhalb der Testsituation, desto größer ist die Kriteriumsvalidität. Der Aspekt der Kriteriumsvalidität ist insbesondere für die Praxis wichtig, da ein Test menschliches Erleben und Verhalten nicht nur präzise beschreiben, sondern auch vorhersagen können soll.

Das Team der Universität Luxemburg konnte mit einer umfassenden Validitätsstudie aufzeigen, dass alle 16 Motivskalen Gültigkeit haben (Manual der Universität Luxemburg 2018). Dies geht hin bis zur prädiktiven Validität, also der Vorhersagekraft für künftiges Verhalten einer Person. z Normierung (Eichung)

Ein weiteres Qualitätskriterium für wissenschaftliche Tests ist die Normierung. Ohne Normierung hat man nur Zahlenwerte. Mit Normierung erhält man hingegen Aussagekraft. Denn erst im Vergleich zu anderen Personen und einer Bezugspopulation erhalten individuelle Ergebnisse ihre Aussagekraft: Weist die Testperson im Vergleich zur Normstichprobe eine über- oder unterdurchschnittliche Ausprägung auf oder entspricht sie weitgehend der statistischen Norm? Die Normierung von ID37 erfolgte, indem zunächst eine Vergleichsstichprobe als Bezugsrahmen für die Einzelergebnisse erhoben wurde. Die eigentliche Normstichprobe (Eichstichprobe) wurde 2017 erhoben und umfasst 1001 Teilnehmer (N = 1001). Für ID37 als onlinebasiertes Verfahren ist die gezogene Stichprobe in Bezug auf Alter und Geschlecht repräsentativ für Internetnutzer in Deutschland. ID37 weist also eine zeitgemäße und gültige Normierung auf. Nach Angaben der DINNorm 33430 sollte eine Normstichprobe nicht älter als 8 Jahre sein (vgl. Simon 2006, S. 44 ff.; Pospeschill 2010, S. 16 ff.; Manual der Universität Luxemburg 2018). z Anerkannte Leitlinien für Eignungsdiagnostik

Die Universität Luxemburg orientierte sich bei der Entwicklung von ID37 auch an den anerkannten Leitlinien für Eignungsdiagnostik. Dazu gehören die Qualitätsstandards der DIN-Norm 33430, der sog. DIN-Screen (Kersting 2018). Er dient insbesondere Personalabteilungen als Maßstab, um die Qualität eines Verfahrens zu beurteilen. Zudem folgten die Testentwickler in Luxemburg den Standards for Educational and Psychological Testing der American Educational Research Association (AERA), American Psychological Association (APA) und des National Council on Measurement in Education (American Psychological Association 2014).

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Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

z Hohe wissenschaftliche Qualität

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Das Vorgehen des Wissenschaftsteams der Universität Luxemburg bei der Testkonstruktion und der Überprüfung der Qualitätskriterien entspricht den gängigen Standards für wissenschaftlich fundierte psychologische Tests. Das Testverfahren erfüllt alle psychometrischen Gütekriterien, die der ID37 Persönlichkeitsanalyse eine hohe wissenschaftliche Qualität bescheinigen. Der Test wurde validiert und normiert. Die aktuelle Normierung sorgt für eine hohe Aussagekraft der persönlichen Testwerte. Die Details dazu können im Manual für ID37 Master eingesehen werden (Manual der Universität Luxemburg 2018). 4.3  Was das ID37 Persönlichkeitsprofil aussagt

Was Motive für „natürliches“ Verhalten bedeuten, haben wir bereits gesehen (7 Abschn. 2.1). Das ID37 Persönlichkeitsprofil macht sichtbar, welche Motive eine Person als wichtig erachtet und welchen sie gleichgültig gegenübersteht, welche sie zu befriedigen oder welche sie zu vermeiden versucht. Hohe und niedrig ausgeprägte Motive bestimmen dabei die Persönlichkeit einer Person besonders stark, da sie entweder dazu führen, bestimmte Situationen zu suchen oder zu vermeiden, um die Motive zu befriedigen. ID37 ermittelt die weitestgehend unveränderlichen Wesensmerkmale eines Menschen: die Motive. Es bildet die Motivstruktur eines Menschen ab und erklärt seine Individualität. Menschen versuchen, ihre Lebensmotive zu befriedigen, indem sie Verhaltensweisen und Gewohnheiten entwickeln, um dieses Ziel zu erreichen. Verhaltensweisen und Emotionen sind beobachtbar. Diese Beobachtungen sind jedoch weder genau noch eindeutig. Die ID37 Persönlichkeitsanalyse hingegen misst präzise, welchen Motiven ein Mensch in welcher Intensität welche Bedeutung beimisst. Die Kenntnis über individuelle Motivausprägungen und die Motivkonstellationen einer Person gibt dem ID37 Master eine statistisch relevante Faktenbasis, um Verhaltensmuster dieser Person zu verstehen. Dies ist die Voraussetzung für erfolgreiche Entwicklung und wirksame Selbststeuerung. 4.3.1  Vor der Interpretation: Wie Motive erlebt werden

Motivation ist das komplexe Zusammenspiel vielfältiger Beweggründe im jeweiligen Kontext. Ob ein Motiv tatsächlich ein bestimmtes Verhalten auslöst, hängt nicht nur von der Motivausprägung ab, sondern auch davon, ob ein Anreiz oder eine Gelegenheit da sind. Motive schwanken zwischen Mangelzustand und Sättigung hin und her. In der Phase, in der einer Person ein Bedürfnis noch nicht bewusst ist, sprechen wir von einem nichtaktivierten Motiv. Bedürfnisse werden erst zu einem aktivierten Motiv, wenn einer Person ein Mangelzustand bewusst ist und dieser eine bestimmte Intensität erreicht hat. Die Intensitätsschwelle ist individuell unterschiedlich. Wenn das Motiv aktiviert ist, motiviert es die Person zu einem Verhalten, das den empfundenen Mangelzustand behebt.

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4.3 · Was das ID37 Persönlichkeitsprofil aussagt

Beschreibung des Ablaufs von motiviertem Verhalten am Motiv BEWEGUNG mit hoher Ausprägung 1. Empfinden eines Mangelzustandes Eine Person sitzt beispielsweise seit 8 h am Schreibtisch und merkt ihre „schweren Beine“ und einen verkrampften Nacken. Sie empfindet Bewegungsmangel. 2. Erwartung, dass durch ein spezifisches Verhalten der Mangel beseitigt wird Die Person erwartet, dass ein sportlicher Waldlauf ihr Mangelerlebnis beseitigen wird. 3. Verhalten, das zur Befriedigung führt Die Person zieht ihre Sportsachen an und verlässt das Haus. 4. Endhandlung Die Person läuft eine Stunde durch den Wald. 5. Zustand der Befriedigung oder der Sättigung Der Bewegungsmangel ist beseitigt. Die Person empfindet ein positives Gefühl: Zufriedenheit stellt sich ein. 6. Nach der Befriedigung tritt der Mangelzustand erneut ein

Erlebte Motivstärke

Die . Abb. 4.4 zeigt, wie motiviertes Verhalten abläuft (Graumann 1996, zit. nach Rosenstiel 2010, S. 10). Motive bzw. die dahinterliegenden Bedürfnisse können nur zeitweilig befriedigt werden und melden sich zuverlässig erneut, wenn sie eine gewisse Zeit nicht befriedigt wurden. Der Mangelzustand tritt umso schneller wieder auf, je wichtiger das Motiv für den jeweiligen Menschen ist. Eng mit dem Prozess der Motivbefriedigung verbunden sind die Emotionen. Positive Emotionen sind ein Signal dafür, dass ein Motiv zeitweilig befriedigt worden ist, während negative Emotionen anzeigen, dass ein Motiv unbefriedigt ist oder befriedigt werden muss.

Bewusstseinsschwelle

Zeit Zeitpunkt, in dem das Motiv bewusst wird > Phase der Aufladung

> Phase der Befriedigung

Das Motiv wird wieder bewusst > Phase erneuter Aufladung

. Abb. 4.4  Erlebte Intensität eines Motivs zwischen Mangelzustand und Befriedigung. (Adapt. nach Rosenstiel 2010, S. 10; mit freundl. Genehmigung von Springer Nature)

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Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

Die 16 Motive kann man sich als erstrebenswerte, emotional positiv bewertete, intrinsische Ziele vorstellen. Da uns die Motive vom Jugendalter an (ab einem Alter von ca. 16 Jahren) ein Leben lang antreiben, bezeichnen wir sie auch als Lebensmotive. > Ein empfundener Mangelzustand triggert Verhalten, das dieses Bedürfnis

befriedigt. Dieser Prozess ist ein lebenslanger Kreislauf.

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4.3.2  Wie das Motivprofil zu lesen ist

Die Gesamtheit der 16 Motivausprägungen ergibt das charakteristische ID37 Motivprofil. Motivskalen sind unipolar. Auf solch einem Kontinuum werden anders als auf einer bipolaren Skala Werte von „sehr niedrig“ bis „sehr hoch“ gemessen. Beim Motiv BEWEGUNG messen wir beispielsweise, ob eine Person einen sehr niedrigen oder sehr hohen Bewegungsdrang hat. Das bedeutet, dass jeder Wert ein unterschiedliches Verhalten eines Motivs triggert. Die Wissenschaftler der Universität Luxemburg empfehlen, die unipolaren Motive auf der STEN-Skala abzubilden. ID37 folgt dieser Empfehlung. Dabei werden die Motivausprägungen auf jeder Skala einem Wert zwischen 1–10 (STEN-Normwerte) zugeordnet. Anders als die Persönlichkeitsanalyse LUXXprofile. Sie setzt auf dem gleichem Modell und Testverfahren der Universität Luxemburg auf, bildet die Motive jedoch auf der z-Skala mit einem Mittelwert 0 ab. Die z-Werte eines LUXXprofile können mittels nachfolgender Formel (Kubinger 2009, S. 73) in STEN-Werte umgerechnet werden: Formel: STEN-Wert = z-Wert × SD + M SD = Standardabweichung der Normskala STEN = 2 M = Mittelwert der Normskala STEN = 5,5 Beispiel: Umrechnung des z-Wertes 1,5 in einen STEN-Wert STEN-Wert = 1,5 × 2 + 5,5 = 8,5 STEN-Werte werden auf ganze Zahlen gerundet ⇒ STEN-Wert = 9. . Tab. 4.2 zeigt die Zuordnung von z-Werten zu STEN-Werten.

Die Motive sind in der Bevölkerung normalverteilt, wie in der . Abb. 4.5 dargestellt. . Tab. 4.2  Zuordnung von z-Werten zu STEN-Werten z-Wert

STEN-Wert

Unterschiedliche Motivausprägungen führen zu unterschiedlichem Verhalten.

Je stärker die Abweichung von der Norm, desto mehr unterscheidet sich das Verhalten einer Person von dem anderer Menschen. Das Motivprofil ist immer im individuellen Kontext zu betrachten. So vervollständigt sich das Bild der Persönlichkeit.

4.4  Beschreibung und Wirkung der 16 Motive

Die folgende Beschreibung der 16 Motive des ID37 Persönlichkeitsmodells versucht den Spagat, diese zum einen möglichst allgemeingültig zu beschreiben, und zum anderen, der Komplexität der menschlichen Persönlichkeit Rechnung zu tragen. Zur Lesart: 5 Die Definition der 16 Motive und der Wechselwirkungen, die sich aus Motivkombinationen ergeben, werden in diesem Buch vereinfacht wiedergegeben. Das

4.4 · Beschreibung und Wirkung der 16 Motive

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heißt, wir ziehen zumeist ein oder zwei Motive heran, um ein Verhalten exemplarisch zu erklären und dabei die Breite und Tiefe des Erkenntnisgewinns für die Analyse der Persönlichkeit anzudeuten. In der Realität wirken stets das ganze Motivset sowie eine Vielzahl weiterer – nicht motivbasierter – Faktoren auf die Persönlichkeit und das daraus resultierende Verhalten ein. 5 Niedrige und hohe Motivausprägungen wirken sich besonders stark auf das Erleben und das beobachtbare Verhalten aus. Daher ziehen wir sie in den ausgewählten Beispielen des Buches bevorzugt heran, um die Wirkungsweise von Motiven zu veranschaulichen. 5 Verwendung von Zeichen: 5 Eine sehr hohe Ausprägung (Profilpunkt 10) wird mit zwei Pluszeichen (++) dargestellt. 5 Eine hohe Ausprägung (Profilpunkt 8 oder 9) wird mit einem Pluszeichen (+) gekennzeichnet. 5 Eine mittlere Ausprägung wird mit Plusminuszeichen (±) gekennzeichnet (Profilpunkte zwischen 4 und 7). 5 Eine niedrige Ausprägung (Profilpunkt 2 oder 3) wird mit einem Minuszeichen (−) abgebildet. 5 Eine sehr niedrige Ausprägung (Profilpunkt 1) wird mit zwei Minuszeichen (−−) dargestellt. 5 Für die Motive verwenden wir durchgängig die Schreibweise in Großbuchstaben (z. B. NEUGIER), alternativ auch in ihrer Abkürzung, die ebenfalls in Großbuchstaben dargestellt wird (z. B. NEU). Nachfolgend werden die Motive einzeln in ihrer hohen und niedrigen Ausprägung beschrieben. Sie entsprechen dem Wortlaut der Universität Luxemburg. Dieser wird an den jeweiligen Stellen im Buch blau unterlegt dargestellt. Es ist uns wichtig, jedem Leser diese Originalversion zur Verfügung zu stellen, damit er auf die Reinform zurückgreifen kann. Zudem werden Aspekte des Verhaltens und emotionalen Erlebens, die damit einhergehen, beispielhaft erläutert. Diese Erläuterungen sind das Ergebnis unserer langjährigen Praxiserfahrungen mit Persönlichkeitsanalyse. 4.4.1  Das Motiv NEUGIER (NEU), „curiosity“

Wortlaut der Universität Luxemburg Die Skala NEUGIER beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach Wissen, Erkenntnis und intellektueller Herausforderung. Personen mit hohen Werten auf der Skala legen besonderen Wert auf Wissen und Erkenntnis. Sie genießen es, sich in intellektuelle Tätigkeiten zu vertiefen. Sie bevorzugen Beschäftigungen, die ihren Verstand fordern, wie beispielsweise Lernen, Analysieren, Reflektieren, Hinterfragen oder Denksportaufgaben. Sie sind wissbegierig und erfreuen sich daran, neue Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erlernen. Sie schrecken nicht davor zurück, sich in komplexe Sachverhalte einzuarbeiten und tun dies meist

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Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

so lange, bis sie diese vollkommen verstehen. Sie setzen sich gerne Ziele, die sie mit geistiger Anstrengung erreichen können. Für Personen mit niedrigen Werten auf der Skala spielen Wissen und Erkenntnis eine untergeordnete Rolle im Leben. Sie können intellektuellen Tätigkeiten, wie beispielsweise Lernen, Analysieren, Reflektieren und Hinterfragen oder auch Denksportaufgaben, nichts abgewinnen. Sie genießen es für gewöhnlich nicht, sich intellektuell oder abstrakt mit Sachverhalten und Problemen auseinanderzusetzen. Sie neigen dazu, Aufgaben, die intensive intellektuelle Anstrengungen erfordern, wie das Erlernen neuer Fähigkeiten und Fertigkeiten oder das Einarbeiten in komplexe Sachverhalte, aus dem Weg zu gehen. Selbstbeschreibende Aussagen (Items) – Auszug aus dem ID37 Fragebogen: 5 Es macht mir großen Spaß, darüber nachzudenken, wie bestimmte Ereignisse zusammenhängen könnten. 5 Neue Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erlernen, gehört zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. 5 Ich mag es, mich so lange in komplexe Sachverhalte einzuarbeiten, bis ich sie vollkommen verstanden habe.

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Wie zeigt sich eine hohe Ausprägung des Motivs NEUGIER im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Für einen Theoretiker ist es wichtig, der Neugier zu folgen und zu versuchen, Dinge zu verstehen, von denen man noch gar nicht weiß, wozu das Verständnis am Ende gut ist.“ (Hänsch, zit. nach Gräff 2005) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

abstrakt, analytisch, durchdacht, forschend, intellektuell, geistig, hypothetisch, theoretisch, wissend z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die hohe Motivausprägung befriedigt wird

5 5 5 5 5 5

Erfüllung, das Problem gedanklich durchdrungen zu haben Befriedigung des Wissensdurstes, egal wofür es nützlich ist Faszination über neue Erkenntnisse Freude über geistige Klarheit Stolz, ein Intellektueller zu sein Begeisterung über einen Artikel im Wissenschaftsteil der Zeitung

z z Unbehagen, wenn die hohe Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 5 5 5 5

Langeweile und gedankliche Leere bei praktischen Tätigkeiten Grauen vor Routinearbeiten Freudlosigkeit bei Routinearbeiten Verdrossenheit bei geistlosen Aktivitäten Verachtung von Einfältigkeit und Oberflächlichkeit

4.4 · Beschreibung und Wirkung der 16 Motive

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Wie zeigt sich eine niedrige Ausprägung des Motivs NEUGIER im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Ich müll’ mir doch den Kopf nicht voll.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

handlungsorientiert, konkret, nützlich, pragmatisch, praktisch, sachbezogen, zweckmäßig z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die niedrige Motivausprägung befriedigt wird

5 5 5 5 5 5

Freude am Handeln Gutes Gefühl beim Anwenden von Wissen Hingabe beim Erschaffen Freude über die Klarheit praktischer Lösungen Dankbarkeit über die einfache Darstellung eines komplizierten Sachverhalts Stolz, etwas wirklich Nützliches gebaut zu haben

z z Unbehagen, wenn die niedrige Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 5 5 5

Gereiztheit bei endlosen, theoretischen Diskussionen Verdrossenheit darüber, Details verstehen zu müssen Mühsal bei geistiger Anstrengung Beklemmung beim Anblick fachliterarischer Bücherstapel, die noch durchzuarbeiten sind

> Beim Motiv NEUGIER geht es um Wissen um des Wissens willen.

4.4.2  Das Motiv SOZIALE ANERKENNUNG (SAN), „social

acceptance“

Wortlaut der Universität Luxemburg Die Skala SOZIALE ANERKENNUNG beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach Bestätigung und Anerkennung. Dieses Streben geht einher mit Verhaltensweisen, die darauf zielen, Lob und Anerkennung von anderen, z. B. Partnern, Familienmitgliedern, Vorgesetzten, Freunden, ggf. aber auch vollkommen fremden Menschen zu bekommen und Kritik, Ablehnung oder Zurückweisung zu vermeiden. Für Personen, die hohe Werte auf der Skala haben, spielt es eine zentrale Rolle im Leben, ob sie von anderen gemocht oder abgelehnt werden. Es ist ihnen wichtig, was andere über sie denken. Daher neigen sie dazu, ihr Verhalten an der Bewertung anderer zu orientieren. Beispielsweise überlegen sie im Vorfeld einer Handlung, wie diese auf andere wirken könnte. Sie wollen es anderen recht machen, weswegen es ihnen unangenehm ist, anderen zu widersprechen oder Bitten abzulehnen. Personen mit hohen Werten fürchten Ablehnung und bemühen sich daher, Situationen zu vermeiden, in denen sie abgelehnt werden könnten. Beispielsweise versuchen sie, Arbeiten und Aufgaben, vor allem wenn diese von anderen bewertet werden, möglichst fehlerfrei zu erledigen.

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Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

Personen, die niedrige Werte auf der Skala haben, sind in ihrem Verhalten weitgehend unabhängig von der Meinung anderer. Sie legen auf die positive Bewertung ihrer Mitmenschen wenig Wert und richten ihr Verhalten an alternativen Maßstäben aus. Sie beschäftigen sich nur selten damit, wie andere Personen auf sie reagieren könnten. Es spielt eine untergeordnete Rolle für sie, ob sie von anderen gemocht werden. Es macht ihnen üblicherweise wenig oder gar nichts aus, anderen zu widersprechen oder Bitten abzulehnen. Das heißt, sie neigen nicht dazu, Situationen aus dem Weg zu gehen, in denen sie bewertet oder abgelehnt werden könnten. Sie schrecken beim Erledigen von Aufgaben und Tätigkeiten auch nicht davor zurück, Fehler zu machen, für die sie kritisiert werden könnten. Selbstbeschreibende Aussagen (Items) – Auszug aus dem ID37 Fragebogen: 5 Bevor ich etwas tue, denke ich darüber nach, ob mich andere deswegen ablehnen könnten. 5 Ich muss unbedingt vermeiden, von anderen falsch wahrgenommen zu werden. 5 Ich bemühe mich ständig, keine Fehler zu machen.

4

Wie zeigt sich eine hohe Ausprägung des Motivs SOZIALE ANERKENNUNG im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Es ist sehr wichtig für mich, es anderen recht zu machen.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

außenorientiert, bemüht, bestätigend, freundlich, gefällig, wertgeschätzt, lobend, lobenswert, perfektionistisch, zusagend, zustimmend z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die hohe Motivausprägung befriedigt wird

5 5 5 5 5

Glücksgefühl nach ehrlichem Lob Euphorie nach Bestätigung der Person Stolz auf Leistung nach positiver Rückmeldung Freude, es allen recht zu machen Triumph, dieses eine Mal den eigenen Ansprüchen genügt zu haben

z z Unbehagen, wenn die hohe Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5

Selbstzweifel bei Kritik Unsicherheit, wenn Rückmeldung von anderen ausbleibt Unzufriedenheit, nach einem Tag ohne Bestätigung durch andere Angst davor, nicht zu genügen Angst vor dem Versagen Verzweiflung darüber, den eigenen Ansprüchen nicht zu genügen Furcht davor, dass der Vortrag nicht gut ankommt Befürchtung, mit dem Diskussionsbeitrag falsch rüberzukommen Befürchtung, sich mit diesem Wortbeitrag zu blamieren Furcht davor, etwas Falsches zu sagen Scham darüber, keine Antwort auf eine einfache Frage zu haben

4.4 · Beschreibung und Wirkung der 16 Motive

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5 Wut darüber, wieder einmal zu schüchtern gewesen zu sein 5 Ewige Unzufriedenheit mit der eigenen Leistung

Wie zeigt sich eine niedrige Ausprägung des Motivs SOZIALE ANERKENNUNG im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Lob nehme ich zur Kenntnis. Es macht nichts mit mir.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

bedingungslos, dickschädelig, direkt, eigensinnig, entschlossen, kompromisslos, selbstbewusst, selbstzufrieden, stur, unbequem z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die niedrige Motivausprägung befriedigt wird

5 5 5 5 5 5 5 5 5

Freude an neuen und herausfordernden Aufgaben Selbstsicherheit bei Kritik an der Leistung und der Person Trotz, wenn es von allen Seiten Kritik hagelt Gelassenheit, Nein zu sagen Mut zur Lücke Überlegenheit, sein Ding durchzuziehen Triumph beim Zulassen des eigenen Größenwahns Selbstzufriedenheit, gut und hart verhandelt zu haben Lockerer Umgang mit den eigenen Fehlern

z z Unbehagen, wenn die niedrige Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 5 5 5 5 5

Lustlosigkeit bei zu wenig Herausforderung Irritation bei Misserfolg Ungeduld über zu viel Sensibilität anderen gegenüber Verwunderung über die negative Rückmeldung auf den eigenen Vortrag Misstrauen gegenüber Menschen, die ständig loben Verstörung über die eigene Unsicherheit

> Beim Motiv SOZIALE ANERKENNUNG geht es darum, Kritik und Ablehnung zu

vermeiden.

4.4.3  Das Motiv EINFLUSS (EIN), „influence“

Wortlaut der Universität Luxemburg Die Skala EINFLUSS beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach Kontrolle und Einfluss auf Personen und Vorgänge. Personen mit hohen Werten auf der Skala ist es besonders wichtig, ihr Lebensumfeld kontrollieren zu können. Sie genießen es, Einfluss auszuüben, z. B. indem sie versuchen, andere von ihrer Meinung zu überzeugen und im Sinne der eigenen Ziele zu lenken. Sie streben nach Positionen, in denen sie Verantwortung übernehmen und für andere entscheiden können. Dies kann sich im privaten, aber auch im beruflichen

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Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

Umfeld zeigen, z. B. in einer starken Präferenz für die Führung von Gruppen oder Projektteams. Menschen mit hohen Werten auf der Skala EINFLUSS übernehmen gerne die Rolle des Anführers. Personen mit niedrigen Werten auf der Skala legen wenig Wert darauf, Einfluss auf Menschen und Vorgänge in ihrem Lebensumfeld ausüben zu können. Sie verfolgen andere Ziele im Leben. Es ist ihnen nicht wichtig, dass andere Menschen auf sie hören oder sich von ihnen überzeugen lassen. Sie finden es eher unangenehm, Verantwortung für das Handeln anderer übernehmen und Entscheidungen für andere treffen zu müssen. Sie meiden daher Positionen, die mit Einfluss und Verantwortung einhergehen. Die Führung von Gruppen überlassen sie beispielsweise gerne anderen. Selbstbeschreibende Aussagen (Items) – Auszug aus dem ID37 Fragebogen: 5 Ich mag das Gefühl, die Kontrolle zu haben. 5 Ich übernehme gerne die Rolle des Anführers. 5 Es gefällt mir sehr, wenn andere tun, was ich sage.

4

Wie zeigt sich eine hohe Ausprägung des Motivs EINFLUSS im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Ich liebe es, wenn andere tun, was ich sage.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

autoritär, beeinflussend, bestimmt, dominant, einflussreich, entschieden, kontrollierend, richtungsweisend, tonangebend z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die hohe Motivausprägung befriedigt wird

5 5 5 5 5

Lust an der Beeinflussung von Prozessen und Menschen Erfüllung über Alleinherrschaft Zufriedenheit darüber, alles im Griff zu haben Stolz auf den eigenen Ehrgeiz Triumph einer klaren Ansage, die zeigt, wer das Sagen hat

z z Unbehagen, wenn die hohe Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Hilflosigkeit und Ohnmacht bei Kontrollverlust 5 Machtlosigkeit 5 Ärger, sich im Meeting nicht genug durchgesetzt zu haben 5 Wut auf den, der sich durchgesetzt hat 5 Verzweiflung darüber, nicht selbst eingreifen zu können 5 Verbitterung über die Erkenntnis, ein „Frühstücksdirektor“ zu sein 5 Verachtung für denjenigen, der sich nicht genug anstrengt

Wie zeigt sich eine niedrige Ausprägung des Motivs EINFLUSS im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Mein Führungsstil? Empowerment der Kollegen.“ (Klient)

4.4 · Beschreibung und Wirkung der 16 Motive

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Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

befähigend, befugt, bevollmächtigend, laissez faire, leger, unterstützend, verantwortlich, zuständig, zwanglos z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die niedrige Motivausprägung befriedigt wird

5 Gleichmut gegenüber Einflussnahme 5 Freude darüber, anderen Menschen freie Hand zu lassen z z Unbehagen, wenn die niedrige Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 5 5 5

Belastung bei Alleinherrschaft Widerwillen gegenüber Verantwortung für andere Menschen Beklemmung bei Entscheidungsverantwortung Ärger, als Führungskraft immer für alles verantwortlich zu sein

> Beim Motiv EINFLUSS geht es darum, das Alphatier zu sein.

4.4.4  Das Motiv STATUS (STA), „status“

Wortlaut der Universität Luxemburg Die Skala STATUS beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach Ansehen und einer hervorgehobenen Stellung in der Gesellschaft. Für Personen mit hohen Werten auf der Skala spielt ihr Ruf und ihre gesellschaftliche Stellung eine besondere Rolle im Leben. Sie legen großen Wert darauf, sich von anderen Menschen abzuheben und darauf, dass diese besondere Stellung in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Sie genießen es, wenn andere Menschen ihnen Respekt erweisen. Sie versuchen, ihre Stellung sichtbar zu machen, indem sie sich beispielsweise mit angesehenen Menschen umgeben oder sich Dinge kaufen, um andere damit zu beeindrucken. Personen mit hohen Werten auf der Skala achten häufig darauf, wie sie ihr soziales Ansehen erhalten und verbessern können. Für Personen mit niedrigen Werten auf der Skala spielt ihre gesellschaftliche Stellung eine untergeordnete Rolle. Sie legen keinen besondere Wert darauf, sich von ihren Mitmenschen abzuheben und streben nicht nach Ansehen und Bedeutung. Statussymbolen, wie Besitztümern oder Titeln, können sie wenig abgewinnen. Sie sorgen sich in der Regel kaum um ihren Ruf und machen sich selten Gedanken, wie sie ihr gesellschaftliches Ansehen verbessern können. Sie verfolgen eher andere Ziele in ihrem Leben. Selbstbeschreibende Aussagen (Items) – Auszug aus dem ID37 Fragebogen: 5 Ich genieße es, wenn Menschen mir ihren Respekt erweisen. 5 Ich umgebe mich gerne mit Menschen, die angesehen sind. 5 Mein soziales Ansehen ist mir sehr wichtig.

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Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

Wie zeigt sich eine hohe Ausprägung des Motivs STATUS im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Ich liebe mein Hermès-Tuch – es fühlt sich erhaben an, wenn ich es trage.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

auffällig, auserlesen, elitär, exquisit, hierarchisch, höhergestellt, luxuriös

4

z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die hohe Motivausprägung befriedigt wird

5 5 5 5 5

Überlegenheit, zum ausgewählten Kreis dazuzugehören Freude über einen höheren Stand in der Gesellschaft Freude über Vorrechte und Privilegien Hoffnung auf Weltruhm Zufriedenheit mit dem Respekt der anderen

z z Unbehagen, wenn die hohe Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 5 5 5 5

Verärgerung über Gleichbehandlung Ärger bei Verlust des Lufthansa Senator Status Neid auf die Elite Bitterkeit über ausbleibende Facebook-Likes bei dem Foto aus der VIP-Loge Angst vor Bedeutungslosigkeit

Wie zeigt sich eine niedrige Ausprägung des Motivs STATUS im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Was will ich mit einer Million, wo ich doch weiß, was das Universum zusammenhält.“ (Perelman, zit. nach Spiegel online 2016) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

ebenbürtig, gleich, gleichberechtigt, gleichgestellt, genügsam, natürlich, paritätisch, unauffällig, wesensgleich z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die niedrige Motivausprägung befriedigt wird

5 Zufriedenheit, dass sich alle auf Augenhöhe begegnen 5 Demut darüber, dass alle Geschöpfe gleich sind 5 Freude, dass die Parkplatzreservierung für den Vorstand auf dem Betriebsgelände abgeschafft wird z z Unbehagen, wenn die niedrige Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Unwohlsein bei dem Erhalten von Privilegien 5 Peinlichkeit bei der Bevorzugung der eigenen Person 5 Empörung über die Bevorzugung von VIPs und Prominenten > Beim Motiv STATUS geht es darum, sich von anderen abzuheben.

4.4 · Beschreibung und Wirkung der 16 Motive

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4.4.5  Das Motiv BESITZEN (BES), „retention“

Wortlaut der Universität Luxemburg Die Skala BESITZEN beschreibt interindividuelle Unterschiede im Bestreben, Vorräte anzulegen und zu erhalten. Für Personen mit hohen Werten auf der Skala spielt materieller Besitz eine besondere Rolle im Leben. Von zentraler Bedeutung ist für sie, Besitztümer anzusammeln oder anzusparen, zu pflegen und beisammenzuhalten. Sie sind stets bemüht, Vorräte aufzubauen und Verschwendung zu vermeiden. Es ist ihnen lieber, Geld zu sparen, statt sich dafür etwas zu leisten. Sie denken vor jeder Nutzung ihrer Ressourcen gründlich nach. Sie überlegen beispielsweise vor jeden Kauf genau, ob sie das Geschäft abwickeln oder das Geld lieber sparen sollten. Für Personen mit niedrigen Werten auf der Skala spielt materieller Besitz eine untergeordnete Rolle im Leben. Besitztümer sind ihnen nicht sonderlich wichtig. Sie haben wenig Interesse daran, diese anzuhäufen, zu pflegen und beisammenzuhalten. Sie neigen dazu, ihre Vorräte zu verbrauchen, statt sie anzuhäufen. Sie geben gerne Geld aus. Es kann sein, dass sie bisweilen auch verschwenderisch sind. Selbstbeschreibende Aussagen (Items) – Auszug aus dem ID37 Fragebogen: 5 Ich bevorzuge es, Geld zu sparen, statt es auszugeben. 5 Ich gebe acht auf mein Eigentum. 5 Es ist mein wichtigstes Lebensziel, mein Hab und Gut beisammenzuhalten.

Wie zeigt sich eine hohe Ausprägung des Motivs BESITZEN im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Ich hasse Verschwendung und den unachtsamen Umgang mit meinen Sachen.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

anhäufend, besitzend, bewahrend, festhaltend, haushaltend, hortend, sparsam, zusammentragend z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die hohe Motivausprägung befriedigt wird

5 Zufriedenheit inmitten des eigenen Hab und Guts 5 Erleichterung, die persönlichen Sachen um sich herum zu wissen 5 Triumpf darüber, alles immer ein bisschen günstiger zu bekommen. Am liebsten umsonst 5 Freude darüber, ein kaputtes Lieblingsstück nochmals reparieren zu können z z Unbehagen, wenn die hohe Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 5 5 5 5

Furcht davor, das Hab und Gut zu verlieren Schmerz, sich von Dingen zu trennen Empörung bei Verschwendung Wut darüber, den Schirm verloren zu haben Bedauern über die eigene zerbrochene Werbetasse

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Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

Wie zeigt sich eine niedrige Ausprägung des Motivs BESITZEN im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Ich gehe durch die Wohnung und schaue, was ich wegwerfen kann.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

gebefreudig, großzügig, loslassend, spendabel

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z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die niedrige Motivausprägung befriedigt wird

5 Befreiung von finanziellen und besitzmäßigen Verpflichtungen 5 Vorfreude auf das Ausmisten 5 Erleichterung nach dem Ausmisten z z Unbehagen, wenn die niedrige Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Einengung aus der Verpflichtung gegenüber Besitz 5 Irritation, die gemeinsame Essensrechnung auf den Cent genau auseinanderzudividieren > Beim Motiv BESITZEN geht es um das Horten von materiellen Dingen und darum,

sie nicht mehr loslassen zu wollen.

4.4.6  Das Motiv AUTONOMIE (AUT), „autonomy“

Wortlaut der Universität Luxemburg Die Skala AUTONOMIE beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach Unabhängigkeit von den Erwartungen und dem Einfluss anderer. Für Personen mit hohen Werten auf der Skala spielt Unabhängigkeit eine zentrale Rolle im Leben. Sie bevorzugen es, ihr Leben eigenständig zu gestalten. Sie legen besonderen Wert darauf, sich an selbstgewählten Maßstäben zu orientieren und ihren eigenen Weg zu gehen. Den Einfluss von anderen empfinden sie häufig als Einschränkung, Einmischung oder Einengung ihres Handlungsspielraums und versuchen, ihn nach Möglichkeit zu vermeiden oder zu begrenzen. Beispielsweise lehnen sie Hilfe von anderen ab, wollen nicht bemitleidet werden oder anderen nichts schuldig bleiben. Sie bevorzugen es, alleine zu arbeiten. Sie verlassen sich lieber auf sich selbst, statt auf andere. Bei Personen mit niedrigen Werten auf der Skala spielt Unabhängigkeit eine untergeordnete Rolle im Leben. Sie legen wenig Wert auf Eigenständigkeit und akzeptieren Einflüsse von anderen als Teil ihres Lebens. Beispielsweise kann es sein, dass sie sich bei der Bewältigung von Aufgaben und Problemen oder auch bei ihren Entscheidungen an anderen orientieren oder auf andere verlassen. Sie erleben diese Einflüsse in der Regel nicht als Eingriff, Einmischung oder Einschränkung ihres Handlungsspielraums. Sie sind offen für emotionale Nähe in ihren sozialen Beziehungen und bereit, sich den damit einhergehenden Erwartungen und Verpflichtungen zu stellen.

4.4 · Beschreibung und Wirkung der 16 Motive

63

Selbstbeschreibende Aussagen (Items) – Auszug aus dem ID37 Fragebogen: 5 Ich finde es extrem wichtig, selbst entscheiden zu können, wie nahe mir jemand kommt. 5 Ich bevorzuge es, persönliche Probleme mit mir selbst auszumachen. 5 Ich verlasse mich lieber auf mich selbst als auf andere.

Wie zeigt sich eine hohe Ausprägung des Motivs AUTONOMIE im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Ich verliere bei zu viel Nähe mit einem Menschen den schönen Blick auf ihn.“ (Turrini, zit. nach Schurian 2012) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

autark, autonom, distanziert, reserviert, unabhängig, unaufdringlich, unnahbar, unterkühlt, unzugänglich, verhalten, verschlossen, zurückhaltend z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die hohe Motivausprägung befriedigt wird

5 Freiheit, niemandem emotional verpflichtet sein zu müssen 5 Zufriedenheit, niemandem etwas schuldig zu sein 5 Euphorie darüber, „sein eigenes Ding“ machen zu können z z Unbehagen, wenn die hohe Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 5 5 5 5

Einengung durch die Nähe anderer Beklemmung, wenn der andere die Verantwortung für einen selbst übernimmt Verwunderung über die Umarmung von Fremden Abneigung gegen die körperliche Berührung in der hitzigen Debatte Ärger über sich selbst, wenn man jemanden um Hilfe bitten muss

Wie zeigt sich eine niedrige Ausprägung des Motivs AUTONOMIE im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Hauptsache wir sind zusammen.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

angehörig, brüderlich, gemeinschaftlich, innig, kollektiv, kooperativ, miteinander, teamorientiert, verbunden, vereint, vertraut, zugehörig, zusammenhaltend z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die niedrige Motivausprägung befriedigt wird

5 5 5 5

Glück bei Zugehörigkeit und innerer Verbundenheit Geborgenheit, wenn andere für einen da sind Hochstimmung, wenn die Freunde sich neidlos mitfreuen Begeisterung über den engen Austausch

4

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Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

z z Unbehagen, wenn die niedrige Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 5 5 5 5

Verletzung bei Ausgrenzung Furcht vor innerer Leere Traurigkeit, doch nicht zum engen Freundeskreis dazuzugehören Verbitterung darüber, nicht eingeladen zu sein Enttäuschung, nicht eingeweiht worden zu sein

> Beim Motiv AUTONOMIE geht es um die Wahrung einer selbstbestimmten

4

„emotionalen Pufferzone“.

4.4.7  Das Motiv SOZIALKONTAKTE (SOZ), „social participation“

Wortlaut der Universität Luxemburg Die Skala SOZIALKONTAKTE beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach Gesellschaft und dem Interesse an anderen Menschen. Personen, die hohe Werte auf der Skala haben, genießen es, Zeit mit anderen Menschen zu verbringen und sehen soziale Kontakte als Bereicherung ihres Lebens an. Sie haben üblicherweise einen großen Freundeskreis, den sie regelmäßig pflegen. Sie schätzen es sehr, wenn sie Teil einer Gruppe sein können, wie beispielsweise Teil eines Vereins, einer Clique oder einer Arbeitsgruppe. Sie nehmen verschiedene Möglichkeiten wahr, um neue Kontakte zu knüpfen. Sie bemühen sich häufig darum, ihren Freundeskreis zu erweitern, indem sie Feiern, Partys, Empfänge und andere gesellschaftliche Veranstaltungen besuchen. Von anderen werden diese Personen als gesellig und kontaktfreudig wahrgenommen. Personen, die niedrige Werte auf der Skala haben, sind genügsam im Hinblick auf Sozialkontakte. Soziale Kontakte spielen in ihrem Leben eine untergeordnete Rolle. Sie verspüren nur selten ein Bedürfnis, Zeit mit anderen Menschen zu verbringen. Sie benötigen die Gegenwart anderer nicht, um glücklich zu sein. Sie haben üblicherweise einen eher kleinen Kreis von Freunden und Bekannten, mit denen sie gelegentlich Zeit verbringen. Ihr Interesse, neue Freundschaften und Kontakte zu knüpfen, ist gering. Gesellschaftliche Veranstaltungen wie Feiern, Partys und Empfänge vermeiden sie häufig und gehen alternativen Beschäftigungen nach. Selbstbeschreibende Aussagen (Items) – Auszug aus dem ID37 Fragebogen: 5 Es ist mir sehr wichtig, neue Kontakte zu knüpfen. 5 Ich brauche die Gesellschaft anderer Menschen, um glücklich zu sein. 5 Es macht mir viel Spaß, Partys und Feste zu besuchen.

Wie zeigt sich eine hohe Ausprägung des Motivs SOZIALKONTAKTE im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Ich freue mich über jeden Menschen, den ich kennenlerne.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

extrovertriert, gastfreundlich, gesellig, gesprächig, kontaktfreudig, lebenslustig, leutselig, unterhaltsam, zugänglich

4.4 · Beschreibung und Wirkung der 16 Motive

65

z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die hohe Motivausprägung befriedigt wird

5 5 5 5 5

Lebensfreude unter anderen Menschen Spaß mit Menschen Glück darüber, neue Freunde gefunden zu haben Entzücken über den unerwarteten Besuch von Freunden Freude darüber, in der Kantine nicht alleine essen zu müssen

z z Unbehagen, wenn die hohe Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Furcht vor Vereinsamung 5 Verbitterung über einen Sonntag alleine 5 Neid auf das Grüppchen von Freunden am Nachbartisch, die es gerade nett haben

Wie zeigt sich eine niedrige Ausprägung des Motivs SOZIALKONTAKTE im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Wenn ich mal ausgehe, ist es nur, um mich zu überzeugen, dass ich tatsächlich nichts verpasse.“ (Mateschitz, zit. nach Michlits 2012) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

einsiedlerisch, in sich gekehrt, introvertiert, kontaktscheu, reserviert, ungesellig, verschlossen, wortkarg, zurückgezogen z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die niedrige Motivausprägung befriedigt wird

5 5 5 5 5 5

Erleichterung darüber, sich zurückziehen zu können Freude über die Zeit, die man für sich alleine hat Wohlbehagen bei Alleinsein Erleichterung, wenn die Party abgesagt wird Zufriedenheit darüber, auf der Toilette seine Ruhe zu haben Beschwingtheit darüber, das Wochenende ganz für sich allein zu haben

z z Unbehagen, wenn die niedrige Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 5 5 5 5 5 5 5

Frust über verlorene Zeit während des Small Talks Anstrengung, unter Menschen zu sein Ohnmacht bei geselligen Spielen auf Hochzeiten Sehnsucht, sich auf einer Party in Luft aufzulösen Wut auf die feiernde Reisegruppe im Zugabteil Verdruss über all die Menschen in der engen Fußgängerzone Befürchtung, die Nachbarn im Treppenhaus zu treffen Unbehagen, sich im Restaurant zu anderen Leuten an den Tisch setzen zu müssen

> Beim Motiv SOZIALKONTAKTE geht es darum, seine Zeit mit anderen zu genießen.

4

66

Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

4.4.8  Das Motiv PRINZIPIEN (PRI), „principles“

Wortlaut der Universität Luxemburg

4

Die Skala PRINZIPIEN beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach Konformität mit sozialen Normen, die für bestimmte gesellschaftliche Gruppen bzw. die Gesellschaft als Ganzes gelten. Soziale Normen sind Erwartungen an das Individuum und drücken sich in Form von Sitten, Gebräuchen, Verboten und Gesetzen, ganz allgemein in Form von Regeln und Prinzipien, aus. Personen, die hohe Werte auf der Skala haben, messen Regeln und Prinzipien einen hohen Wert bei. Sie sind in besonderem Maße bestrebt, diesen Regeln und Prinzipien zu entsprechen und nicht von ihnen abzuweichen, auch wenn dies mit Nachteilen oder Einschränkungen einhergeht und persönliche Ziele dadurch beeinträchtigt werden. Im Einzelnen kann dies bedeuten, dass Vereinbarungen, Verabredungen, Gesetze und Vorschriften, aber auch Familientraditionen starke Orientierungspunkte für das Verhalten darstellen und üblicherweise eingehalten werden. Personen mit hohen Werten richten ihr Handeln an moralischen Maßstäben aus. Sie beschreiben sich als pflichtbewusst und loyal. Es fällt ihnen schwer, Normabweichungen bei sich selbst, aber auch bei anderen zu tolerieren. Personen mit niedrigen Werten auf der Skala richten ihr Verhalten an anderen Maßstäben aus. Gesellschaftliche Erwartungen spielen für diese Personen eine untergeordnete Rolle. Kosten-Nutzen-Erwägungen stehen für sie oft im Vordergrund. Sie neigen dazu, sich kaum an moralischen Vorstellungen, Regeln oder Familientraditionen zu orientieren, insbesondere wenn diese mit persönlichen Zielen unvereinbar sind. Sie empfinden Regeln und Vorschriften als einschränkend und können sowohl bei sich selbst als auch bei anderen tolerieren, wenn diese flexibel ausgelegt oder gar nicht befolgt werden. Selbstbeschreibende Aussagen (Items) – Auszug aus dem ID37 Fragebogen: 5 Ich lege höchsten Wert darauf, pflichtbewusst zu handeln. 5 Ich finde es furchtbar, wenn jemand Vorschriften oder Gesetze missachtet. 5 Ich halte meine Zusagen immer ein, auch wenn ich dadurch Nachteile habe.

Wie zeigt sich eine hohe Ausprägung des Motivs PRINZIPIEN im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Ich bleibe auch nachts vor der roten Fußgängerampel stehen und warte bis es grün wird.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

ehrenhaft, gewissenhaft, integer, loyal, moralisch, pflichtbewusst, prinzipientreu, regeltreu, tugendhaft, unbestechlich z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die hohe Motivausprägung befriedigt wird

5 Zufriedenheit darüber, sich an die Spielregeln zu halten 5 Stolz darüber, seit 20 Jahren dem Unternehmen anzugehören

4.4 · Beschreibung und Wirkung der 16 Motive

67

5 Panik, zu spät zur Verabredung zu kommen 5 Ehrgefühl, die verlorene Wette eingelöst zu haben z z Unbehagen, wenn die hohe Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 5 5 5 5

Bitterkeit über die unerwartete Kündigung des langjährigen Mitarbeiters Bitterkeit darüber, dass der Kollege sein Versprechen gebrochen hat Frust darüber, dass andere gegen Regeln verstoßen Beklemmung, eine Notlüge nicht eingestehen zu können Scham beim Erwischtwerden, obwohl es nur eine Kleinigkeit war

Wie zeigt sich eine niedrige Ausprägung des Motivs PRINZIPIEN im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Was kümmert mich mein (törichtes) Geschwätz von gestern?“ (Autor unbekannt, wenn auch oft Konrad Adenauer zugeschrieben) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

eigennützig, nonkonform, opportunistisch, situationsorientiert, skeptisch, zweckmäßig, zweckorientiert z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die niedrige Motivausprägung befriedigt wird

5 Freisein von Festlegungen 5 Freude über eine wirklich gute Ausrede 5 Erleichterung darüber, dass der kleine Versicherungsbetrug nicht aufgeflogen ist z z Unbehagen, wenn die niedrige Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Beklemmung darüber, in Prinzipien und Regeln gefangen zu sein 5 Wut über den Kollegen, der schon wieder sagt: „Das können wir prinzipiell so nicht machen.“ > Beim Motiv PRINZIPIEN geht es darum, moralisch und integer zu leben.

4.4.9  Das Motiv SOZIALES ENGAGEMENT (SEN),

„social engagement“

Wortlaut der Universität Luxemburg Die Skala SOZIALES ENGAGEMENT beschreibt interindividuelle Unterschiede im Engagement für benachteiligte und notleidende Menschen und für eine gerechtere Gesellschaft. Für Personen mit hohen Werten auf der Skala spielt soziale Gerechtigkeit eine besondere Rolle. Wenn sie Not und Benachteiligung sehen, empfinden sie Mitleid mit den Betroffenen. Soziale Ungerechtigkeit ist für sie nur schwer zu ertragen. Sie sorgen sich um das Wohl anderer Menschen und setzen sich häufig aktiv dafür ein, um Notleidenden und Benachteiligten zu helfen. Sie unterstützen andere, indem sie beispielsweise Geld für wohltätige Zwecke spenden oder sich selbst ehrenamtlich engagieren. Mit ihrem Engagement verfolgen sie das Ziel, einen Beitrag zu einer gerechteren Welt zu leisten.

4

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4

Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

Für Personen mit niedrigen Werten auf der Skala spielt soziale Gerechtigkeit eine untergeordnete Rolle. Sie verfolgen andere Ziele im Leben und sehen soziales Engagement, wie beispielsweise Spenden oder ehrenamtliche Tätigkeit, nicht als ihre persönliche Aufgabe an. Es kann beispielsweise sein, dass sie es bevorzugen, sich für Menschen einzusetzen, die ihnen nahestehen, statt für Menschen, die sie kaum oder gar nicht kennen. Sie beschäftigen sich selten mit Themen wie Armut, Hunger oder Unterdrückung. Selbstbeschreibende Aussagen (Items) – Auszug aus dem ID37 Fragebogen: 5 Ich kann soziale Ungerechtigkeit kaum ertragen. 5 Ich habe ein starkes Bedürfnis danach, mich für andere zu engagieren. 5 Eines meiner wichtigsten Ziele im Leben ist, Menschen zu unterstützen, die Hilfe brauchen.

Wie zeigt sich eine hohe Ausprägung des Motivs SOZIALES ENGAGEMENT im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Mein täglicher Kampf für eine gerechtere Welt.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

altruistisch, anteilnehmend, barmherzig, ehrenamtlich, gemeinnützig, humanitär, idealistisch, mitmenschlich, selbstlos, sozial, wohltätig z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die hohe Motivausprägung befriedigt wird

5 Mitgefühl mit den Benachteiligten 5 Erfüllung darüber, geholfen zu haben 5 Zufriedenheit darüber, den Bildungsnotstand in der Gemeinde verbessert zu haben z z Unbehagen, wenn die hohe Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Frust über das Leid, das anderen widerfährt 5 Verzweiflung beim Anblick hungernder Kinder, denen man gerne helfen würde, aber nicht kann

Wie zeigt sich eine niedrige Ausprägung des Motivs SOZIALES ENGAGEMENT im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Wenn jeder an sich denken würde, wäre an alle gedacht.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

egoistisch, eigennützig, rational, realistisch, selbstbezogen z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die niedrige Motivausprägung befriedigt wird

5 Zufriedenheit über den eigenen Realismus 5 Keine Verpflichtung für die Not anderer Menschen 5 Gelassenheit über das eigene Desinteresse an der aktuellen Flüchtlingsproblematik

4.4 · Beschreibung und Wirkung der 16 Motive

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z z Unbehagen, wenn die niedrige Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Unverständnis über Ansprüche, die die eigenen einschränken > Beim Motiv SOZIALES ENGAGEMENT geht es darum, uneigennützig die Welt zu

verbessern.

4.4.10  Das Motiv STRUKTUR (STR), „structure“

Wortlaut der Universität Luxemburg Die Skala STRUKTUR beschreibt interindividuelle Unterschiede im Bestreben, sich die Umwelt in einfacher und widerspruchsfreier Weise zu strukturieren. Personen mit hohen Werten auf der Skala legen besonderen Wert auf Ordnung und Sauberkeit. Sie genießen es auf verschiedene Art und Weise, Struktur in ihren Alltag zu bringen. Beispielsweise neigen sie dazu, ihren Tagesablauf im Voraus zu planen. Sie fühlen sich wohl, wenn ihr Alltag in gewohnten Bahnen verläuft. Sie schätzen Routinen und Rituale. Neben einem geordneten Tagesablauf schätzen sie es ebenfalls, wenn ihre Umgebung geordnet ist. Diese Ordnung schaffen sie, z. B. indem sie ihre Wohnumgebung regelmäßig aufräumen und sauber halten. Ganz allgemein genießen sie Tätigkeiten, die dazu dienen, Struktur und Ordnung herzustellen, sowohl im Denken als auch in ihrem Umfeld. Für Personen mit niedrigen Werten auf der Skala spielen Ordnung und Sauberkeit eine untergeordnete Rolle. Ihr Wohlbefinden hängt nicht davon ab, ob es ihnen gelingt, ihr Denken oder ihre Umwelt zu strukturieren und zu ordnen. Tätigkeiten, die darauf abzielen, wie beispielsweise den Tagesablauf im Voraus zu planen oder Sachen zu sortieren und aufzuräumen, genießen sie in der Regel nicht. Sie legen wenig Wert auf Gewohnheiten, Routinen und Rituale. Es fällt ihnen leicht, ein gewisses Maß an Unordnung in ihrem Umfeld, z. B. auch in ihrer eigenen Wohnumgebung, zu tolerieren. Es kann sein, dass sie ihre Wohnumgebung nur unregelmäßig aufräumen und säubern. Selbstbeschreibende Aussagen (Items) – Auszug aus dem ID37 Fragebogen: 5 Ich brauche meine täglichen Routinen, um glücklich zu sein. 5 Ich kann mich nur dann wohlfühlen, wenn meine Umgebung ordentlich ist. 5 Es gefällt mir, meine Sachen zu sortieren und in Ordnung zu bringen.

Wie zeigt sich eine hohe Ausprägung des Motivs STRUKTUR im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Ordnung ist das halbe Leben.“ (Redewendung) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

akkurat, aufgeräumt, detailliert, exakt, gepflegt, gründlich, hygienisch, ordentlich, ordnungsliebend, pedantisch, präzise, sorgfältig, strukturiert, systematisch z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die hohe Motivausprägung befriedigt wird

5 Entzückung über den exakten Plan 5 Stolz auf die eigene Pingeligkeit

4

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Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

5 Freude darüber, den Urlaub exakt planen zu können 5 Freude über die aufgeräumte Inbox im Mailprogramm z z Unbehagen, wenn die hohe Motivausprägung nicht befriedigt wird

4

5 5 5 5 5

Ärger über die Fusseln am Lieblingsmantel Wut beim Anblick des vollgekrümelten Bettes Fassungslosigkeit über die Schlampigkeit des Kollegen Verwunderung darüber, dass das Projekt trotz chaotischer Planung ein Erfolg wurde Ekel darüber, dass der Kollege den Kaffeebecher über mehrere Tage ungespült benutzt

Wie zeigt sich eine niedrige Ausprägung des Motivs STRUKTUR im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „In meinem Garten kann wachsen, was wachsen will.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

agil, beweglich, chaotisch, flexibel, improvisierend, kunterbunt, spontan, ungeregelt, unorganisiert, vielfältig, 80/20-Regel beherzigend z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die niedrige Motivausprägung befriedigt wird

5 Freisein von Strukturen und Plänen 5 Glückempfinden, ohne Uhr zu reisen 5 Vorfreude darauf, im Urlaub „in den Tag hineinzuleben“ z z Unbehagen, wenn die niedrige Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Frustration über das Gefangensein im Detail > Beim Motiv STRUKTUR geht es um die Freude an der Planung.

4.4.11  Das Motiv SICHERHEIT (SIC), „safety“

Wortlaut der Universität Luxemburg Die Skala SICHERHEIT beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach einem ruhigen und sicheren Leben. Für Personen mit hohen Werten auf der Skala spielt Sicherheit eine besondere Rolle im Leben. Ihr Verhalten ist geprägt von einer starken Sensibilität für potenzielle Gefahren. Sie neigen dazu, insbesondere in unbekannten Situationen, sehr vorsichtig zu sein und Risiken zu vermeiden. Sie lehnen aufregende Tätigkeiten jeder Art ab. Körperliche Empfindungen, die mit aufregenden oder stressreichen Situationen einhergehen, wie z. B. innerliche Anspannung, erleben sie als unangenehm. Von anderen werden sie oft als risikoscheu wahrgenommen. Um sich wohlzufühlen, brauchen Menschen mit hohen Werten auf dieser Skala sichere und vorhersehbare Lebensumstände. Für Personen mit niedrigen Werten auf der Skala spielt Sicherheit eine untergeordnete Rolle im Leben. Sie neigen dazu, Risiken einzugehen und wenn

4.4 · Beschreibung und Wirkung der 16 Motive

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nötig sich Situationen zu stellen, die potenzielle Gefahren mit sich bringen. Bei der Einschätzung, insbesondere neuer und unbekannter Situationen, liegt ihr Fokus nicht auf den Risiken. Wenn sie sich in aufregende oder stressreiche Situationen begeben, erleben sie die innerliche Anspannung, die damit einhergeht, nicht als unangenehm. Es kann sein, dass sie den Nervenkitzel genießen und entsprechende Situationen aktiv suchen, z. B. Extremsportarten nachgehen. Sie beschreiben sich selbst als risikofreudige und abenteuerlustige Menschen. Selbstbeschreibende Aussagen (Items) – Auszug aus dem ID37 Fragebogen: 5 Ich vermeide gefährliche Situationen. 5 Ich finde es furchtbar, wenn ich innerlich angespannt bin. 5 In mir unbekannten Situationen versuche ich, äußerst vorsichtig zu sein.

Wie zeigt sich eine hohe Ausprägung des Motivs SICHERHEIT im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Ich habe immer einen Plan B in der Tasche.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

bedacht, besorgt, risikobewusst, umsichtig, vorausschauend, vorhersehend, vorsichtig, vorsorgend, wachsam z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die hohe Motivausprägung befriedigt wird

5 5 5 5

Gelassenheit über das absehbare kommende Jahr Zufriedenheit über den beständigen Lebensentwurf Zufriedenheit über das ruhige Leben Glück, innere Ruhe zu spüren

z z Unbehagen, wenn die hohe Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Furcht vor dem unbekannten Gewässer, in dem kleine Insekten leben könnten, die ihre Eier unter der Haut ablegen könnten 5 Beklemmung darüber, dass irgendetwas nicht stimmt 5 Angst vor dem schwarzen Loch, das im CERN bei Genf erzeugt werden könnte 5 Furcht, am Zoll herausgepickt zu werden 5 Furcht vor Altersarmut 5 Angst vor einer großen Lebensveränderung 5 Sorge darüber, ob der Herd aus ist 5 Befürchtung, das Projektrisiko als zu gering eingeschätzt zu haben

Wie zeigt sich eine niedrige Ausprägung des Motivs SICHERHEIT im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Inspiration entsteht erst unter Druck.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

abenteuerlustig, furchtlos, gelassen, gewagt, kühn, risikofreudig, sorglos, unbedacht, unbekümmert, unerschrocken

4

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Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die niedrige Motivausprägung befriedigt wird

5 5 5 5 5

4

Triumpf, es in letzter Sekunde doch noch geschafft zu haben Erregung, nicht zu wissen, was auf einen zukommt Hochspannung darüber, wie die Unternehmung ausgeht Freude am „no risk, no fun“ Glück darüber, vom Abenteuer verführt zu werden

z z Unbehagen, wenn die niedrige Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Furcht vor der Langeweile des Alltags 5 Erschöpfung darüber, in einer Tretmühle festzustecken > Beim Motiv SICHERHEIT geht es um den Wunsch nach einem ruhigen und sicheren

Leben.

4.4.12  Das Motiv REVANCHE (REV), „revenge“

Wortlaut der Universität Luxemburg Die Skala REVANCHE beschreibt interindividuelle Unterschiede im Bestreben, erlebtes Unrecht zu vergelten. Personen mit hohen Werten auf der Skala neigen dazu, es anderen heimzuzahlen, wenn sie das Gefühl haben, von jemandem betrogen, beleidigt oder hintergangen worden zu sein. Es fällt ihnen in der Regel schwer, über eine Kränkung oder Verletzung hinwegzusehen. Sie neigen dazu, die für das erlebte Unrecht verantwortliche Person spüren zu lassen, dass diese sie verletzt hat. Die Ausführung solcher Handlungen kann mit positiven Gefühlen einhergehen. Personen mit niedrigen Werten auf der Skala neigen nicht dazu, es anderen heimzuzahlen, wenn sie ungerecht behandelt, gekränkt oder hintergangen werden. Es gelingt ihnen in der Regel, über eine Kränkung oder Verletzung hinwegzusehen und zu verzeihen. Rachegefühle sind ihnen fremd. Sie legen üblicherweise keinen Wert auf Vergeltung. Selbstbeschreibende Aussagen (Items) – Auszug aus dem ID37 Fragebogen: 5 Ich zahle es jemandem heim, wenn er mich beleidigt. 5 Es fällt mir schwer, jemandem zu verzeihen, der mich gekränkt hat. 5 Ich achte darauf, von anderen nicht benachteiligt zu werden.

Wie zeigt sich eine hohe Ausprägung des Motivs REVANCHE im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Nachdem der Regisseur mich bei der Nacktszene gedemütigt hat, habe ich ihm in

der Drehpause in seine Thermoskanne gepinkelt.“ (Beckinsale, zit. nach Michaelsen 2017)

Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

aggressiv, angriffslustig, offensiv, rachsüchtig, streitbar, ungestüm, ungezügelt

4.4 · Beschreibung und Wirkung der 16 Motive

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z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die hohe Motivausprägung befriedigt wird

Freude am Wutanfall Triumph darüber, das Herz der Person gebrochen zu haben, die untreu war Zufriedenheit nach dem Wutschrei Genugtuung darüber, es dem anderen gezeigt zu haben Hoffnung auf ein kurzes, reinigendes Gewitter statt einer langen, quälenden „Harmoniediskussion“ 5 Schadenfreude über die Niederlage des anderen 5 Freude an Vergeltungsfantasien 5 5 5 5 5

z z Unbehagen, wenn die hohe Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Wut darüber, dass der andere während der Auseinandersetzung so ruhig bleiben kann 5 Unbehagen darüber, sich voreilig versöhnt zu haben 5 Rachegelüste gegenüber dem Kollegen, der die eigene Idee als seine verkauft hat

Wie zeigt sich eine niedrige Ausprägung des Motivs REVANCHE im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Auge um Auge lässt die Welt erblinden.“ (Ghandi, zit. nach Oerning 2003) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

ausgleichend, beherrscht, besonnen, defensiv, duldsam, friedfertig, gutmütig, harmonisch, konsensorientiert, nachgiebig z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die niedrige Motivausprägung befriedigt wird

5 5 5 5 5

Zufriedenheit über die ausgeglichenen Freunde Zufriedenheit über die konsensorientierte Besprechung Freude über den gutmütigen neuen Kollegen Glücksempfinden beim Happy End von Rosamunde-Pilcher-Filmen Hingabe beim Ausführen eines Zen-Rituals

z z Unbehagen, wenn die niedrige Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 5 5 5

Unbehagen, wenn sich ein Streit anbahnt Unbehagen in Situationen mit aggressiver Stimmung Frust über die streitbaren Kollegen im Morgenmeeting Verwunderung über Wut- und Gewaltausbrüche anderer

> Beim Motiv REVANCHE geht es um die Genugtuung, mit jemanden quitt zu sein.

4.4.13  Das Motiv BEWEGUNG (BEW), „physical exercise“

Wortlaut der Universität Luxemburg Die Skala BEWEGUNG beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach Bewegung und körperlicher Aktivität.

4

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Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

Für Personen mit hohen Werten auf der Skala spielt Bewegung eine besondere Rolle. Sich körperlich fit zu halten, ist eines ihrer wichtigsten Lebensziele. Sie haben viel Freude daran, sich körperlich zu betätigen. Beispielsweise genießen sie es, intensiv und regelmäßig Sport zu treiben. Zudem macht es ihnen wenig aus, körperlich anstrengende Arbeiten zu erledigen. Sie sind stets bemüht, körperliche Fitness zu erlangen und diese aufrechtzuerhalten. Ohne ein gewisses Maß an Bewegung und körperlicher Beanspruchung würden sie sich im Alltag unwohl fühlen. Bewegung trägt entscheidend zu ihrer Lebenszufriedenheit bei. Für Personen mit niedrigen Werten auf der Skala spielt Bewegung eine untergeordnete Rolle im Leben. Für sie gibt es wichtigere Dinge, als Sport zu treiben und körperlich aktiv zu sein. Sie haben geringen oder gar keinen Drang nach Bewegung und genießen körperliche Beanspruchung üblicherweise nicht. Beispielsweise würden sie nur ungern ein hartes Fitnesstraining absolvieren oder körperlich anstrengende Arbeiten ausführen. Es ist wahrscheinlich, dass sie versuchen, solchen Tätigkeiten aus dem Weg zu gehen. Selbstbeschreibende Aussagen (Items) – Auszug aus dem ID37 Fragebogen: 5 Körperlich fit zu sein, ist eines meiner wichtigsten Ziele im Leben. 5 Ich muss regelmäßig körperlich aktiv sein, um mich im Alltag wohlzufühlen. 5 Ich genieße es sehr, mich zu bewegen.

4

Wie zeigt sich eine hohe Ausprägung des Motivs BEWEGUNG im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Ich weiß nicht, warum ich renne. Es ist eine Selbstverständlichkeit. Mein Körper wollte immer rennen. Ich fühle mich leicht, mächtig.“ (Brice Delsouiller, Skyrunner)1 Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

athletisch, körperlich belastbar, körperbewusst, kraftvoll, sportlich, trainiert z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die hohe Motivausprägung befriedigt wird

5 Das tolle Gefühl des Muskelkaters nach der harten Trainingseinheit 5 Befriedigung nach körperlicher Erschöpfung z z Unbehagen, wenn die hohe Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 5 5 5

Wut über sich selbst, wenn heute wieder kein Sport getrieben wurde Verachtung von körperlicher Schwäche Bitterkeit über den Verfall des eigenen Körpers Ekel über sein „Phantomfett“

1

Zitat aus der 360°-GEO-Reportage: Pyrenäen, ein Hirte zwischen Himmel und Erde, ausgestrahlt am 04.02.2017 auf arte, Regie Sandrine Mörch. 7 http://programm.ard.de/TV/Untertitel/Nach-Rubriken/ Kultur/Alle-Kultursendungen/?sendung=2872419664510531. Zugegriffen: 30.04.2018.

4.4 · Beschreibung und Wirkung der 16 Motive

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Wie zeigt sich eine niedrige Ausprägung des Motivs BEWEGUNG im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Der Weg zum Bäcker ist Sport genug.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

bequem, entspannt, gemütlich, geruhsam, relaxed, unsportlich, untrainiert z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die niedrige Motivausprägung befriedigt wird

5 Freude über den gemütlichen Spaziergang nach dem Essen 5 Behagen nach einem bewegungsarmen Tag z z Unbehagen, wenn die niedrige Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Wut über die „kleine Radtour“, die der Freund ausgearbeitet hat und die sich als anstrengende Tagestour entpuppt > Beim Motiv BEWEGUNG geht es darum, seinen Körper spüren und stärken zu

wollen.

4.4.14  Das Motiv ESSENSGENUSS (ESS), „food enjoyment“

Wortlaut der Universität Luxemburg Die Skala ESSENSGENUSS beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach genussvollen Erfahrungen bei der Nahrungsaufnahme. Diese gehen deutlich über die Befriedigung physiologischer Grundbedürfnisse hinaus. Bei Personen, die hohe Werte auf der Skala haben, spielt Essen eine besondere Rolle im Leben. Sie beschreiben sich selbst häufig als Feinschmecker. Sie genießen es, zu essen und sich mit dem Thema Essen zu beschäftigen. Sie denken beispielsweise auch über Essen nach oder unterhalten sich gerne darüber, wenn sie gerade keinen Hunger haben. Sie nehmen unterschiedliche Gelegenheiten wahr, um ein gutes Essen zu genießen, z. B. durch Restaurantbesuche. Es kann sein, dass sie sich nicht nur ausgiebig mit dem Akt des Essens beschäftigen, sondern auch mit der Vorbereitung und der Zubereitung. Personen mit hohen Werten auf dieser Skala kochen häufig auch gerne selbst. In jeden Fall nehmen sie sich ausreichend Zeit, um ihre täglichen Mahlzeiten einzunehmen und zu genießen. Bei Personen, die niedrige Werte auf der Skala haben, spielt Essen eine untergeordnete Rolle. Sie genießen es nicht sonderlich zu essen. Essen hat für sie über die Befriedigung ihres Hungergefühls hinaus wenig Bedeutung. Es kann sein, dass sie Essen als eine biologische Notwendigkeit (Nahrungsaufnahme) betrachten. Meist können sie den Geruch von Essen oder eine Unterhaltung über das Thema nur dann wertschätzen, wenn sie selbst gerade Hunger haben. Sie nehmen sich üblicherweise wenig Zeit für die Vorbereitung und Zubereitung von Essen oder für die Mahlzeiten selbst. Es kann sein, dass sie unregelmäßig essen und gelegentlich Mahlzeiten ausfallen lassen.

4

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Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

Selbstbeschreibende Aussagen (Items) – Auszug aus dem ID37 Fragebogen: 5 Ich rede gerne über Essen, auch wenn ich gerade satt bin. 5 Ich liebe es, meine täglichen Mahlzeiten einzunehmen. 5 Wenn ich an ein leckeres Essen denke, läuft mir gleich das Wasser im Mund zusammen.

4

Wie zeigt sich eine hohe Ausprägung des Motivs ESSENSGENUSS im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Wer niemals Nutella mit dem Löffel gegessen hat, hat nicht gelebt.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

genießerisch, genussvoll, kulinarisch, opulent, schlemmend z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die hohe Motivausprägung befriedigt wird

5 5 5 5 5

Genussfantasie einer saftigen Zimtschnecke zum Lieblingskaffee Freude beim Blick auf die Einkaufsliste Vorfreude auf den ersten Amarena-Becher des Jahres Freude am Sattsein Beim Blättern im Kochbuch läuft einem das Wasser im Mund zusammen

z z Unbehagen, wenn die hohe Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Verzweiflung darüber, doch zu wenig Essen auf die Wanderung mitgenommen zu haben 5 Furcht vor dem Hungrigsein

Wie zeigt sich eine niedrige Ausprägung des Motivs ESSENSGENUSS im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Wenn es eine Möglichkeit gäbe, auf Essen zu verzichten, damit ich mehr arbeiten kann, würde ich aufhören zu essen. Ich wünschte, man könnte Nährstoffe zu sich nehmen, ohne sich zum Essen hinzusetzen.“ (Musk, zit. nach Vance 2015, S. 51) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

hungerstillend, karg, spartanisch z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die niedrige Motivausprägung befriedigt wird

5 Zufriedenheit darüber, wenn das Essen nebenbei erledigt werden kann 5 Freude am „Leichtsein“ z z Unbehagen, wenn die niedrige Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Angst, „essen zu müssen“ 5 Belästigung durch „das Essen“ > Beim Motiv ESSENSGENUSS geht es um die lustvolle Befriedigung des Hungers statt

nur um Sättigung.

4.4 · Beschreibung und Wirkung der 16 Motive

77

4.4.15  Das Motiv FAMILIE (FAM), „family“

Wortlaut der Universität Luxemburg Die Skala FAMILIE beschreibt interindividuelle Unterschiede in der Fürsorge für die Familie (Herkunftsfamilie, ggf. eigene Familie und Partnerschaft). Für Personen mit hohen Werten auf der Skala ist die Familie ein wichtiger Bezugspunkt für Nähe, Vertrauen und Sicherheit. Ein harmonisches Familienleben, geprägt von dem Gefühl familiärer Verbundenheit, ist für sie von höchster Bedeutung und trägt zu ihrer Lebenszufriedenheit bei. Sie sind jederzeit bereit, für ihre Familie die notwendigen Opfer zu bringen und eigene Interessen und Wünsche zurückzustellen. Sie genießen es, Zeit mit ihrer Familie zu verbringen. Es fällt ihnen häufig schwer, wenn sie, wegen ihrer Arbeit oder anderer Umstände, von der Familie getrennt sind. Beispielsweise wäre es für sie nur schwer vorstellbar, von der Familie getrennt zu leben. Eine Trennung von der Familie geht üblicherweise einher mit Sorgen um das Wohlergehen der Familienmitglieder. Für Personen mit niedrigen Werten auf der Skala spielt die Familie eine untergeordnete Rolle im Leben. Das Familienleben ist für sie von geringer Bedeutung. Ihrer Lebenszufriedenheit speist sich aus anderen Quellen. Sie sind selten bereit, die eigenen Interessen und Wünsche zurückzustellen und Opfer für die Familie zu bringen. Gemeinsame Aktivitäten, zu denen sich die Familie zusammenfindet, wie beispielsweise Familienfeste, werden mitunter als mühsam empfunden. Ihr Denken ist selten geprägt von Sorgen um das Wohlergehen der Familienmitglieder. Für gewöhnlich fällt es ihnen leicht, wenn sie, bedingt durch ihre Arbeit oder andere Umstände, von der Familie getrennt sind. Selbstbeschreibende Aussagen (Items) – Auszug aus dem ID37 Fragebogen: 5 Ich lege sehr viel Wert darauf, Zeit mit meiner Familie verbringen zu können. 5 Ich brauche unbedingt ein harmonisches Familienleben, um glücklich zu sein. 5 Ich mag es sehr, mich meiner Familie verbunden zu fühlen.

Wie zeigt sich eine hohe Ausprägung des Motivs FAMILIE im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Meine Familie ist das Wichtigste in meinem Leben.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

besorgt, fürsorglich, kinderlieb, mütterlich, selbstlos, väterlich z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die hohe Motivausprägung befriedigt wird

5 Erfüllung durch die Liebe der Familie 5 Glück, mit den eigenen Kindern herumzualbern und viel Zeit mit ihnen zu verbringen 5 Vorfreude auf die Rückkehr der Familie aus dem Urlaub 5 Stolz auf das eigene Nest

4

78

Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

z z Unbehagen, wenn die hohe Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 5 5 5

4

Traurigkeit über das nicht intakte Familienleben Sorge darüber, dass den Kindern auf dem Schulweg etwas zustoßen könnte Angst, sich nicht genug gekümmert zu haben Neid auf Menschen mit einem intakten Familienleben

Wie zeigt sich eine niedrige Ausprägung des Motivs FAMILIE im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Man kann sich seine Familie nicht aussuchen – aber man kann ihr möglichst oft aus dem Weg gehen.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

familiär verpflichtet, kameradschaftlich, partnerschaftlich z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die niedrige Motivausprägung befriedigt wird

5 Freude über die Freiheit von Fürsorgeverpflichtungen 5 Erleichterung, nach einer zweitägigen Familienfeier wieder nach Hause zu fahren z z Unbehagen, wenn die niedrige Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Druck (Zwang), sich um die Familie kümmern zu müssen 5 Unfreiheit und Enge durch familiäre Verpflichtungen > Beim Motiv FAMILIE geht es um die Hege und Pflege der eigenen Sippe.

4.4.16  Das Motiv SINNLICHKEIT (SIN), „eros“

Wortlaut der Universität Luxemburg Die Skala SINNLICHKEIT beschreibt interindividuelle Unterschiede im Streben nach sinnlichen und erotischen Erfahrungen und einem aktiven, erfüllten Sexualleben. Erotik, Sinnlichkeit und Leidenschaft spielen eine besondere Rolle für Personen, die hohe Werte auf der Skala haben. Sie legen besonderen Wert darauf, sich sexuell entfalten zu können und tun dies regelmäßig innerhalb und/oder außerhalb einer Partnerschaft. Sie genießen es, sexuell aktiv zu sein und sind bemüht, Situationen aufzusuchen, in denen sie ihre Sexualität ausleben können. Zum Beispiel kann es sein, dass sie aktiv nach möglichen Sexualpartnern suchen. Sie verspüren häufig den Drang, Intimität aufzubauen, z. B. durch Flirten. Ein erfülltes Sexualleben zu haben, trägt wesentlich zur ihrer Lebensqualität bei. Im Leben von Personen mit niedrigen Werten auf der Skala spielen Erotik, Sinnlichkeit und Leidenschaft eine untergeordnete Rolle. Ein erfülltes Sexualleben ist für ihr Lebensglück nicht entscheidend. Ihr Verlangen nach Erotik und Intimität ist üblicherweise eher schwach ausgeprägt. Sie suchen daher nur selten Situationen auf, in denen sie sexuell aktiv sein können. Es kann sein, dass sie sich während körperlicher Intimität nicht besonders wohlfühlen und Situationen, in denen ein Sexualkontakt möglich ist, eher aus dem Wege gehen.

79 4.4 · Beschreibung und Wirkung der 16 Motive

Selbstbeschreibende Aussagen (Items) – Auszug aus dem ID37 Fragebogen: 5 Ich bin am glücklichsten, wenn ich ein erfülltes Sexualleben habe. 5 Ich genieße es, sexuell aktiv zu sein. 5 Es ist mir sehr wichtig, ein erfülltes Sexualleben zu haben.

Wie zeigt sich eine hohe Ausprägung des Motivs SINNLICHKEIT im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „In meinem Kopf dreht sich immer alles um Sex.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

animalisch, begierig, erotisch, liebestoll, lüstern, sexuell, triebhaft, ungehemmt, wollüstig, zügellos z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die hohe Motivausprägung befriedigt wird

5 5 5 5

Immerwährender Drang nach Ekstase Lust auf Sex. Jetzt gleich. Einfach so Verlangen, mit diesem völlig Unbekannten da vorne zu schlafen, jetzt gleich Stolz darauf, neben einer wildfremden Person im Bett aufzuwachen

z z Unbehagen, wenn die hohe Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Angst davor, dass die Lust unerfüllt bleibt

Wie zeigt sich eine niedrige Ausprägung des Motivs SINNLICHKEIT im Verhalten und den damit einhergehenden Emotionen? Zitat: „Intensives Sexualleben! Das würde nur meinen Schlaf stören.“ (Klient) Verhalten: Verhaltensindikatoren und Triggerworte

abstinent, asketisch, enthaltsam, entsagend, keusch, platonisch, schamhaft, züchtig z Emotionen z z Wohlbefinden, wenn die niedrige Motivausprägung befriedigt wird

5 Freude über das partnerschaftliche Zusammensein z z Unbehagen, wenn die niedrige Motivausprägung nicht befriedigt wird

5 Angst davor, Sexualität leben zu müssen 5 Scham, über Sex zu sprechen > Beim Motiv SINNLICHKEIT geht es darum, Sexualität leben zu wollen.

4

80

Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

4.5  Motivkonstellationen

Das Zusammenspiel der 16 Motivausprägungen spielt die entscheidende Rolle für die Erklärung individuellen Verhaltens. Motive können sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken oder abschwächen. Eine Verhaltensregelmäßigkeit (Disposition) kann beispielsweise durch eine Kombination von einem oder mehreren Motiven zu einem prägnanten Charakterzug werden oder kaum als solcher wahrgenommen werden.

4

Sich in ihrer Wirkung verstärkende Motive  Eine Person, die beispielsweise eine

sehr hohe Ausprägung des Motivs EINFLUSS (EIN ++) hat, ist in der Regel autoritär und bestimmt. Hat sie zudem eine niedrige Ausprägung des Motivs SOZIALE ANERKENNUNG (SAN −) und eine hohe Ausprägung des Motivs AUTONOMIE (AUT +) wird ihr Verhalten durch ein starkes Selbstbewusstsein und Distanz zu Menschen unterstrichen. Das Gesamtbild dieser Person wird mit einer hohen Wahrscheinlichkeit als sehr dominant wahrgenommen (. Abb. 4.6a).

a

Sich in ihrer Wirkung verstärkende Motive 1

2%

2

5%

3

9%

4

15%

NIEDRIG

5

19%

6

19%

7

15%

8

9%

MITTEL

9

5%

10

2

Soziale Anerkennung

10

Einfluss

9

Autonomie

9

Soziale Anerkennung

10

Einfluss

2

Autonomie

2%

HOCH

b

Sich in ihrer Wirkung abschwächende Motive 1

2%

2

5% NIEDRIG

3

9%

4

15%

5

19%

6

19%

MITTEL

7

15%

8

9%

9

5%

10

2%

HOCH

. Abb. 4.6 Motivkonstellationen. a Sich in ihrer Wirkung verstärkende Motive, b sich in ihrer Wirkung abschwächende Motive

4.5 · Motivkonstellationen

81

Sich in ihrer Wirkung abschwächende Motive  Eine Person, die beispielsweise eine

sehr hohe Ausprägung des Motivs EINFLUSS (EIN ++) hat, ist in der Regel autoritär und bestimmt. Hat sie zudem eine hohe Ausprägung des Motivs SOZIALE ANERKENNUNG (SAN +) und eine niedrige Ausprägung des Motivs AUTONOMIE (AUT −) wird sie eher gefällig und teamorientiert auftreten. Das Gesamtbild dieser Person wird mit einer hohen Wahrscheinlichkeit als am Menschen orientiert und kooperativ wahrgenommen. Voraussichtlich wird sie nur situativ als dominant erlebt (. Abb. 4.6b). Ein Beispiel zeigt, wie schwierig es unter Stress ist, ausgeprägte Motive zu unterdrücken. Unter Stress leben wir Motivausprägungen in Reinform Nehmen wir an, eine Teamleiterin steht unter hohem Erfolgsdruck. Aufgrund einer sehr hohen Ausprägung des Motivs AUTONOMIE (AUT ++), einer sehr niedrigen Ausprägung des Motivs SOZIALKONTAKTE (SOZ −−) und einer hohen Ausprägung des Motivs SOZIALE ANERKENNUNG (SAN +) vertieft sie sich ganz in ihre Arbeit, lässt Meetings ausfallen und hört auf, mit ihrem Team zu kommunizieren. Ihre Motive verstärken sich dahingehend, dass sie sich immer mehr von ihrem Team distanziert. Eine Folge kann sein, dass das Team verunsichert ist und sich nur noch mit der Frage beschäftigt, was los ist – sodass es damit unnötig Energie verliert. Einige Teammitglieder (SAN +) werden sich vermutlich sogar damit beschäftigen, was sie persönlich falsch gemacht haben, dass die Teamleiterin die Meetings ausfallen lässt und nicht mehr mit ihnen kommuniziert.

Den Motivkonstellationen schenken ID37 Master besondere Aufmerksamkeit, um Verhalten von Personen genauer erklären und Interventionen anregen zu können. Das komplexe Zusammenspiel der Motive unter Berücksichtigung der individuellen Lebensumstände ist am aussagekräftigsten, wenn das Analysegespräch persönlich erfolgt. Im professionellen Einsatz wird diese Leistung von zertifizierten ID37 Mastern erbracht. > ID37 Motive sind trennscharf. Sie können sich aber gegenseitig verstärken oder

abschwächen.

4.5.1  Schwierige Motivkonstellationen

Motivkonstellationen können ein Verhalten bewirken, das auf andere widersprüchlich wirkt, aber für den Betroffenen selbstverständlich ist. „Warum fragt er mich überhaupt?“ Eine Führungskraft hat ein niedrig ausgeprägtes Motiv AUTONOMIE (AUT −) und ein sehr hoch ausgeprägtes Motiv EINFLUSS (EIN ++). Im Verhalten kann sich diese Kombination so auswirken, dass die Führungskraft einerseits ihr Team in Projekte einbezieht und einen Konsens mit ihm anstrebt. Andererseits ist es ihr wichtig zu entscheiden. Dies kann sogar dazu führen, dass sie in Entscheidungen der Mitarbeiter eingreift. Das partizipative Vorgehen auf der einen Seite und das autoritäre Verhalten auf der anderen Seite können im Team zu Irritationen oder sogar zu Demotivation führen: „Warum fragt er mich, wenn er dann doch sein Ding durchzieht?“

Das Wissen um die Wirkung einer solchen Motivkombination ermöglicht es, eine solche Situation zu vermeiden oder ihr frühzeitig souverän gegenzusteuern. Die ID37 Persönlichkeitsanalyse ist der erste Schritt zu Selbsterkenntnis, schafft Transparenz und öffnet

4

82

Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

Handlungsspielräume: Die Führungskraft kann trainieren, ihren Machtimpuls zu unterdrücken, wenn sie Aufgaben delegiert hat. Oder sie entwickelt klare Spielregeln mit dem Team, wie Entscheidungen getroffen werden. Der maximale Nutzen für das Team entsteht, wenn dabei mit den Persönlichkeitsprofilen aller Beteiligten gearbeitet wird.

4

Motivkonflikte sind Konflikte, die eine Person selbst erlebt. Die intrapersonellen Konflikte entstehen, wenn die Befriedigung eigener Motive widersprüchlich oder unvereinbar erscheint. Motivkonflikte werden beispielsweise als Stressor, Paradoxon oder Dilemma wahrgenommen. Sie führen häufig zu Entscheidungskonflikten. Kurt Lewin, einer der einflussreichsten Psychologen in den Bereichen Motivations-, Sozial-, Organisations- und pädagogische Psychologie, hat verschiedene Entscheidungssituationen identifiziert (Lewin 1931, zit. nach Heckhausen und Heckhausen 2010, S. 85 f.): 5 Annäherungskonflikt (Aufsuchen-Aufsuchen-Konflikt oder Appetenz-AppetenzKonflikt) 5 Wahl zwischen zwei Zielen, die gleichermaßen wichtig erscheinen, die aber nicht gleichzeitig erreicht werden können. 5 Beispiel: Eine Führungskraft mit hohem Motiv EINFLUSS (EIN +) und hohem Motiv FAMILIE (FAM +) kann entweder an den abendlichen Strategiemeetings teilnehmen oder ihre kleinen Kinder ins Bett bringen. 5 Vermeidungskonflikt (Meiden-Meiden-Konflikt oder Aversions-Aversions-Konflikt) 5 Wahl zwischen zwei Gegebenheiten, die beide als nachteilig empfunden werden. 5 Beispiel: Ein Teammitglied mit einer hohen Ausprägung der Motive SOZIALE ANERKENNUNG (SAN +) und REVANCHE (REV +) hat einen Kollegen, der mit einer Terminaufgabe aus Nachlässigkeit nicht fertiggeworden ist. Der Mitarbeiter muss seinen Kollegen entweder zur Rede stellen, was er als sehr unangenehm empfindet (SAN +) oder die Aufgabe am Wochenende selbst erledigen, was aus seiner Sicht extrem ungerecht ist (REV +). 5 Annäherungs- und Vermeidungskonflikt gleichzeitig (Aufsuchen-Meiden-Konflikt oder Appetenz-Aversions-Konflikt) 5 Wahl zwischen zwei Optionen, die beide sowohl Wertvolles als auch Nachteiliges enthalten. Auch Ambivalenzkonflikt genannt. 5 Beispiel: Eine Beraterin mit hohem Motiv PRINZIPIEN (PRI +) kann einen Auftrag bei einem sehr renommierten Unternehmen annehmen, was ihrem Motiv STATUS (STA +) entgegenkommen würde. Sie müsste bei der Erledigung des Auftrags jedoch gegen ihre eigene Moralität verstoßen, da der Auftraggeber ein Rüstungskonzern ist. > Wenn eine Person einen Motivkonflikt erlebt, sind Zielsetzung und/oder die

Handlungsalternativen nicht mit den Motiven im Einklang.

Ein erster Schritt für die Lösung aller drei Konfliktsituationen ist die Kenntnis des eigenen Motivprofils. Auf dieser Basis kann eine Person in einem inneren Dialog Verstand und Emotion synchronisieren. 5 Verstand: Sie kann eine individuelle Prioritätenliste auf Basis der ausgeprägten numerischen Werte des ID37 Motivprofils erstellen („Worauf will ich meine Aufmerksamkeit lenken?“). 5 Emotion: Sie kann die Affekte reflektieren, die mit einer konkreten Entscheidung verbunden sind („Fühlt es sich positiv oder negativ an?“).

4.5 · Motivkonstellationen

83

Wenn also die Führungskraft des oben skizzierten Annäherungskonflikts einen höheren Wert des Motivs FAMILIE als des Motivs EINFLUSS hat (z. B. FAMILIE 10 und ­EINFLUSS 8), kann man davon ausgehen, dass die Familie die höchste Priorität in ihrem Leben besitzt. Wenn es sich für die Führungskraft positiv anfühlt, dass sie den Arbeitsplatz verlässt und dies im Einklang mit ihren persönlichen Zielen steht (Karriere ist in diesem Szenario offenbar nicht das oberste Ziel), ist die Entscheidung für die Familie sicherlich richtig. Wenn die Gesamtbetrachtung der Persönlichkeitsstruktur keine anderen Rückschlüsse zulässt, hat das Motiv FAMILIE eine höhere Priorität als das Motiv EINFLUSS. Auf diese Weise kann man sich einfach einer „guten“ Entscheidung annähern. Je öfter man es schafft, mit einem positiven Gefühl aus der Entscheidung zu gehen, desto höher ist die eigene Zufriedenheit. Zusammenfassend lässt sich sagen: Entscheidungen können zu emotionalen Spannungen führen, wenn die Motive mit den gesetzten Zielen und/oder den Handlungsalternativen nicht zu vereinbaren sind. Werden die Spannungen intensiv erlebt, kann man von einem Motivkonflikt sprechen. Motivkonflikte lassen sich lösen, wenn man sich mit dem eigenen Motivprofil auseinandersetzt. Werden keine Entscheidungsspannungen erlebt, kann man davon ausgehen, dass eine Person im Einklang mit ihren Lebensmotiven lebt und zufrieden ist. > Man kann nicht anhand des Motivprofils auf Konflikte schließen. Erst im

persönlichen Gespräch mit dem Klienten klärt sich, ob dieser einen Motivkonflikt empfindet. Wenn eine Person keine Motivkonflikte wahrnimmt, lebt sie im Einklang mit ihren Lebensmotiven: Sie ist zufrieden.

4.5.2  Besondere Persönlichkeitseigenschaften

„Kann man besondere Eigenschaften von Menschen mit Motivkombinationen erklären?“ Diese Frage hören wir häufig in unseren Masterausbildungen und bei Analysegesprächen. Die Antwort darauf ist: ja und nein. Wenn wir „besondere Eigenschaften“ definieren, dann erhalten wir mit der ID37 Persönlichkeitsanalyse meist Anhaltspunkte über die damit verbundenen Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensmuster. Jedoch nicht immer lässt sich eine klare Schlussfolgerung auf ein oder mehrere Motive ziehen. Besondere Eigenschaften von Menschen können niemals nur auf der Motivebene erklärt werden, sondern sind immer eine Mischung aus Persönlichkeitsmerkmalen, Fähigkeiten, Fertigkeiten sowie sozialen und kulturellen Einflüssen. Motive hat man. Fähigkeiten oder Fertigkeiten erlernt man. Fähigkeiten sind Talente oder Begabungen. Fertigkeiten sind durch Übung vollbrachte Realisierungen von Fähigkeiten (vgl. Häcker 2018; Heuer 2018). Bestimmte Motivkombinationen können das Erlernen bestimmter Fähigkeiten begünstigen. > Motive sind gegeben. Fähigkeiten und Fertigkeiten können erlernt werden.

Besonderen Eigenschaften lassen sich besser verstehen, wenn man die dahinterliegenden Motivkombinationen entschlüsselt.

Kann ich vom Motivprofil auf Pragmatismus schließen? Angenommen ein Beratungsunternehmen würde für einen Einsatz beim Kunden einen sehr pragmatischen Projektleiter aus seinem Beraterpool suchen. Wir würden dem Unternehmen

4

84

4

Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

empfehlen, sich für den Berater zu entscheiden, der sehr niedrige ID37 Motivausprägungen bei NEUGIER (NEU ––) und PRINZIPIEN (PRI ––) hat – vorausgesetzt, die fachliche Qualifikation, Verfügbarkeit etc. stimmen mit der Projektanforderung überein. Wie kommen wir zu dieser Empfehlung? Wir würden im Vorfeld mit dem Kunden definieren, was er unter „sehr pragmatisch“ versteht. Um es in diesem Beispiel einfach zu halten, nutzen wir die Definition von Pragmatismus auf Wikipedia (2018): „Der Ausdruck Pragmatismus […] bezeichnet umgangssprachlich ein Verhalten, das sich nach bekannten praktischen Gegebenheiten richtet, wodurch das praktische Handeln über die theoretische Vernunft gestellt wird. Im Pragmatismus bemisst sich die Wahrheit einer Theorie an ihrem praktischen Erfolg, weshalb pragmatisches Handeln nicht an unveränderliche Prinzipien gebunden ist.“ Die Eigenschaften „das praktische Handeln über die theoretische Vernunft stellen“ und „nicht an unveränderliche Prinzipien gebunden sein“ sind klare Indikatoren für die Motivkombination aus NEUGIER (NEU ––) und PRINZIPIEN (PRI ––).

Wieso ist jemand beispielsweise außerordentlich kreativ? Gibt es Motivkonstellationen, die Mut begünstigen? Was sind das für Menschen, die nichts aus der Bahn wirft? Nachfolgend zeigen wir exemplarisch auf, wie man sich den Eigenschaften kreativ, mutig, stressresistent, sozial kompetent und extrovertiert über die ID37 Lebensmotive annähern kann. 4.5.3  Kreativität

Zunächst versuchen wir zu klären, was Kreativität ist. Kreativität wird als Fähigkeit zu schöpferischem Denken und Handeln verstanden: Sie bringt neue Fragen, überraschende Einsichten und originelle Problemlösungen hervor. Kreativität hängt mit Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen und Nonkonformismus zusammen (Asendorpf 2015, S. 83). In dieser Definition können wir die Eigenschaft „Nonkonformismus“ mit einer niedrigen Ausprägung des ID37 Motivs PRINZIPIEN (PRI –) in Verbindung bringen. „Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen“ spricht für das Motiv NEUGIER. Es bleibt jedoch unklar, ob sich die Offenheit eher auf den theoretischen Erkenntnisgewinn bezieht oder ob das Neue zweckdienlich und praktisch ist. Wir können also nicht darauf schließen, wo Kreativität auf der Motivskala NEUGIER verortet ist, sondern könnten sie auf der gesamten Skala finden. Diese Definition lässt demnach lediglich die Vermutung zu, dass Kreative eine niedrige Ausprägung des Motivs PRINZIPIEN aufweisen. Sehen wir uns eine andere Beschreibung von Kreativität an, kommen wir zu anderen Erkenntnissen. Das Insitute for Personality Assessment (IPAR) an der University of Berkeley hat beispielsweise Anfang der 1960er-Jahre umfassende Kreativitätsstudien durchgeführt. Danach verlassen sich Kreative eher auf die eigenen Ressourcen als auf die Unterstützung durch andere (Little 2015, S. 199 f.). Dies spricht für eine hohe Ausprägung des Lebensmotivs AUTONOMIE (AUT +). Ferner beschreiben die IPAR-Studien Kreative wie folgt:

» Auch wenn Kreative zahlreiche bewundernswerte Eigenschaften besitzen, kann es

doch eine wahre Qual sein, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Sie können egozentrisch sein und jähzornig, Kleinarbeit verächtlich abtun und keinerlei Interesse an dem sozialen Austausch haben, der der Nährboden für ein sich gegenseitig stützendes und kollegiales Arbeitsumfeld ist. (Little 2015, S. 228)

4.5 · Motivkonstellationen

85

Dies lässt zudem darauf schließen, dass Kreative niedrige Werte der Motive SOZIALE ANERKENNUNG (SAN –), STRUKTUR (STR −) und SOZIALKONTAKTE (SOZ −) aufweisen. Sehen wir uns eine weitere Definition von Kreativität an, kommen wir zu wieder anderen Erkenntnissen:

» Creativity is not a personality trait. Creativity is process and can be learned and applied. (SlidesShare 2015)

Dies ist das Resultat der langjährigen Forschungsarbeit von Dr. Min Basadur, ehemals Professor für Innovation und treibende Kraft für viele heute innovative Unternehmen wie z. B. Procter & Gamble und Coca-Cola (SlideShare 2015). Aus unserer Sicht handelt es sich bei Kreativität um eine Fähigkeit, die jeder Mensch erlernen und ausüben kann, wenn dies erwünscht und zugelassen wird, und nicht um ein psychologisches Konstrukt. > Kreativität kann man als Fähigkeit verstehen, die sich erlernen lässt und die man

fördern kann.

4.5.4  Mut

Laut Duden ist Mut „die Fähigkeit, in einer als gefährlich und riskant empfundenen Situation seine Angst zu überwinden.“ (Duden online 2018). Mut bedeutet also nicht, keine Angst zu haben. Mut bedeutet vielmehr, trotz Angst zu handeln. Es ist nicht so, dass mutige Menschen keine Angst haben. Im Gegenteil: Angst ist eine menschliche Basisemotion, die uns hilft, in gefährlichen Situationen schnell zu reagieren, und die uns vor Übermut warnt. In unseren Masterausbildungen machen wir die Erfahrung, dass diejenigen Personen vorschnell als mutig bezeichnet werden, die eine niedrige Ausprägung des Motivs SICHERHEIT (SIC −) aufweisen. Menschen mit dieser Motivausprägung suchen „den Kick“ und sind risikobereit, weil sie ein aus ihrer Sicht vorsichtiges und langweiliges Leben vermeiden wollen. Sie sind in gefährlichen Situationen höchstwahrscheinlich handlungsfähiger als andere Menschen. Solche Personen mit einem niedrigen Sicherheitsmotiv (SIC −) können beispielsweise Basejumper sein, die mit einem Fallschirm von Hochhäusern oder anderen Objekten abspringen oder Persönlichkeiten wie der britische Unternehmer und Abenteurer Sir Richard Branson. Sie kennen die Emotion Angst, sie empfinden ihr Handeln aber selbst meist nicht als mutig. Sie agieren in ihrer emotionalen Komfortzone. Die Zuschreibung, dass solche Menschen mutig sind, kommt meist von Personen, die selbst ein hohes Sicherheitsbedürfnis haben und eher nicht bereit sind, unkalkulierbare Risiken einzugehen (SIC +). Die nachfolgenden Beispiele zeigen, dass mutiges Handeln verschiedene Motive betreffen kann: 5 Eine Person, die Angst vor negativer Rückmeldung hat, sich aber trotzdem in einer öffentlichen Debatte zu Wort meldet, um gegen den „prominenten Redner“ ihre Position zu vertreten, beweist in dieser Situation Mut. Sie macht sich in diesem Moment vom Urteil anderer frei. In diesem Beispiel steht Mut im Zusammenhang mit dem Motiv SOZIALE ANERKENNUNG (SAN +).

4

86

4

Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

5 Als mutig kann eine Person betrachtet werden, die in einem diktatorischen Regime öffentlich für Menschenrechte eintritt. Dies ist wahrscheinlich die Wahrnehmung von Menschen, denen die „Weltverbesserung“ nicht sehr wichtig ist, SOZIALES ENGAGEMENT (SEN −). Hat der Menschenrechtler eine hohe Ausprägung des Motivs SOZIALES ENGAGEMENT (SEN +), wird er sich vermutlich selbst nicht als mutig sehen, sondern sein Engagement als selbstverständlich betrachten. 5 In der 90sten Minute ist der mutige Elfmeterschütze nicht derjenige, der ein niedriges Sicherheitsmotiv hat (SIC −), sondern derjenige mit einem hohen Sicherheitsbedürfnis (SIC +). Für diesen ist die Wahrscheinlichkeit, in der Extremsituation cool zu bleiben, deutlich geringer. Aber den Schritt in die Unsicherheit zu wagen und dabei leistungsfähig zu bleiben, ist mutig. 5 Eine mutige Führungskraft ist nach unserem Verständnis eine Person, die erkennt, dass sie situativ gegen ihre persönlichen Motive angehen muss, wenn es der Erfüllung der Unternehmensziele dient. Dies kann beispielsweise ein mitmenschlicher, moralisch verantwortungsvoller und kritiksensibler Geschäftsführer sein (hohe Ausprägungen der Motive SOZIALES ENGAGEMENT und SOZIALE ANERKENNUNG), der sich aus einer strategischen Überlegung heraus dafür entscheidet, einen Geschäftsbereich aufzugeben und die Mitarbeiter dieses Bereichs zu entlassen. Die mutige Entscheidung des Geschäftsführers ist es, diesen Weg einzuschlagen, obwohl er gegen seine Motive handeln muss. > Jedes Motiv kann mutiges Handeln bewirken. Denn sobald ein Mensch in einer

Situation Angst empfindet und trotzdem handelt, ist er mutig.

4.5.5  Resilienz

Manche Menschen sind ruhig und gelassen, andere sind sensibel und selbstkritisch. Deshalb fällt es einigen leichter, mit Stress umzugehen, während andere unter den gleichen Bedingungen leiden. Der Hirnforscher Gerhard Roth erklärt dazu:

» Menschen unterscheiden sich darin, wie schnell und effektiv sie potenziell negative und bedrohliche Dinge erkennen, wie schnell die Stressachse Körper und Gehirn aktiviert und wie schnell diese wieder die Aufregung herunterregulieren kann. Dies wird Stress-Resilienz genannt. (Roth und Ryba 2016, S. 147)

Resilienz Abgeleitet vom lateinischen Wort „resilire“ (zurückspringen, abprallen) bezeichnet Resilienz die Fähigkeit von Menschen, Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklung zu nutzen (Stangl 2006).

Resilienz zeigt sich, wenn ein Mensch gesund bleibt, obwohl er psychisch belastenden Situationen ausgesetzt ist oder war. Wer resilient ist, hat einen guten Zugang zu sich selbst, besitzt die Fähigkeit, sich und seine Emotionen zu regulieren und kann aus sich heraus geeignete Handlungsstrategien entwickeln, um aus der belastenden Situation

4.5 · Motivkonstellationen

87

herauszukommen. Auch Aufbau und Erhalt eines guten sozialen Netzes sind laut aktuellen Forschungsansätzen ein wichtiger Baustein von Resilienz (Storch et al. 2017). Folgende Motivkonstellation lässt sich für Stress-Resilienz ableiten: ein sehr niedrig ausgeprägtes Motiv SICHERHEIT (SIC ––) in Verbindung mit einem sehr niedrig ausgeprägten Motiv SOZIALE ANERKENNUNG (SAN ––). Denn wer nicht viel Sicherheit im Leben benötigt und selbstbewusst mit seinen Fehlern umgehen kann, besitzt die motivationalen Voraussetzungen, um Unsicherheiten und drohenden Gefahren gelassen zu begegnen und sich von Krisen nicht unterkriegen zu lassen. Zudem unterstützen eine niedrige Ausprägung des Motivs AUTONOMIE (AUT −) und eine hohe Ausprägung des Motivs SOZIALKONTAKTE (SOZ +) die Resilienz einer Person. Diesen Menschen fällt es leicht, ein tragfähiges soziales Netz aufzubauen, auf das sie in schwierigen Lebenslagen zurückgreifen können. Was lange Zeit nicht klar war, hat sich inzwischen wissenschaftlich bestätigt: Resilienz kann auch noch im Erwachsenenalter erfolgreich entwickelt werden. So können etwa Selbstregulation und eine resiliente Grundhaltung erlernt werden. Dies ist ein langer Prozess, doch schon die Trainings wirken sich positiv auf die psychische Gesundheit aus und helfen beim wirksamen Umgang mit den persönlichen Ressourcen (Ayan 2017). > Resilienz wird durch eine bestimmte Motivkonstellation begünstigt. Doch auch

Personen mit einer anderen Motivkonstellation können Resilienz erlernen.

Vulnerabilität, psychische Labilität, wird häufig als gegensätzliches Konzept zur Resi-

lienz genannt (Fichte 2017, S. 11). Eine Person, die negative Erfahrungen, Kritik oder Krisen an sich heranlässt und schlecht verarbeiten kann, ist psychisch leichter verletzbar. Das motivationale Grundgerüst ist gegenteilig zur Resilienz. Vulnerable Personen haben demzufolge ein sehr hoch ausgeprägtes Motiv SICHERHEIT (SIC ++) in Verbindung mit einem sehr hoch ausgeprägten Motiv SOZIALE ANERKENNUNG (SAN ++). Haben diese Personen zudem eine hohe Ausprägung des Motivs AUTONOMIE (AUT +) und eine niedrige Ausprägung des Motivs SOZIALKONTAKTE (SOZ −), fehlt ihnen vermutlich auch ein soziales Netz, das ihnen Halt bieten könnte. Auch vulnerable Personen können Resilienz erlernen, indem sie sich Fähigkeiten wie Selbstwirksamkeit und Selbstregulation aneignen. Der Entwicklungsprozess dauert vermutlich länger als bei Personen, deren motivationale Voraussetzungen günstiger sind.

4.5.6  Soziale Kompetenz

Der Psychologe Professor Dr. Jens B. Asendorpf bezeichnet soziale Kompetenz als die Fähigkeit, durchsetzungs- und beziehungsfähig zu sein: 5 Durchsetzungsfähigkeit ist die Fähigkeit, die eigenen Interessen gegenüber anderen zu wahren. 5 Beziehungsfähigkeit ist die Fähigkeit, positive Beziehungen mit anderen einzugehen und aufrechtzuerhalten.

» Sozial kompetent ist, wer beide Fähigkeiten hat und so in der Lage ist, zwischen

seinen eigenen Interessen und den Interessen anderer ein balanciertes Verhältnis herzustellen. Rücksichtsloses Durchsetzen eigener Ziele geht langfristig auf Kosten positiver Beziehungen zu anderen und ist deshalb sozial inkompetent. Umgekehrt ist

4

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Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

auch die Tendenz, es anderen immer recht machen zu wollen, kein Zeichen sozialer Kompetenz, weil sie langfristig zur Selbstaufgabe führt. (Asendorpf 2015, S. 85)

Soziale Kompetenz ist also mehr, als nur gut mit anderen Menschen zurechtzukommen.

4

Durchsetzungsfähigkeit  Betrachten wir die Eigenschaft soziale Kompetenz von der Motivebene her, lässt sich die Komponente Durchsetzungsfähigkeit auf ein hohes Selbstbewusstsein SOZIALE ANERKENNUNG (−) und einen hohen Entscheidungswillen EINFLUSS (+) zurückführen. Beziehungsfähigkeit  Die Komponente Beziehungsfähigkeit wird durch eine hohe

Ausprägung des Motivs SOZIALKONTAKTE (+) und eine niedrige Ausprägung des Motivs AUTONOMIE (–) begünstigt. Beide Motive SOZIALKONTAKTE und AUTONOMIE geben Auskunft darüber, wie Beziehungen zu anderen Personen gestaltet werden. Eine Person mit dem hoch ausgeprägten Motiv SOZIALKONTAKTE ist sehr offen gegenüber Menschen und knüpft viele Kontakte. Das Motiv AUTONOMIE in seiner niedrigen Ausprägung bedeutet, dass eine Person Nähe und enge Beziehungen sucht. Beide Motive in der genannten Ausprägung drücken aus, dass die Personen sehr am Menschen orientiert sind, dass ihnen Menschen wichtig sind. Sie verstärken sich in dieser Konstellation. Aber – das möchten wir an dieser Stelle nochmals erwähnen – beide Motive sind trennscharf und machen daher auch andere Aussagen. Personen mit einer solchen Motivkonstellation fällt es leichter, soziale Konflikte umsichtig und behutsam zu lösen.

> Soziale Kompetenz ist eine Kombination aus Durchsetzungs- und Beziehungs-

fähigkeit. Es gibt Motive, die sie begünstigen. Soziale Kompetenz ist erlernbar.

Sozial kompetentes Handeln erfordert meist auch empathische Fähigkeiten (Asendorpf 2015, S. 86). Empathie ist die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, zu verstehen, was sie denken und fühlen, und sogar mit ihnen zu fühlen (Brandstätter et al. 2013, S. 193). Empathie kann durch ein Motivprofil mit überwiegend mittleren Ausprägungen begünstigt werden. Zum Beispiel können Personen, die eine mittlere Ausprägung des Motivs SOZIALKONTAKTE haben, sowohl die Gesellschaft als auch das Alleinsein als gleichwertig empfinden: Sie können sich daher einfacher in das Fühlen, Denken und Handeln beider Welten hineinversetzen. Auch Empathie ist erlernbar. Den Chef führen Ein sozial kompetenter Mitarbeiter stimmt seinen Chef bei einer Entscheidung um, der sich normalerweise nie etwas von seinen Mitarbeitern sagen lässt. Dies gelingt ihm, indem er ihm zunächst signalisiert, dass er dessen Autorität als Vorgesetzter respektiert und deutlich macht, dass er die von ihm getroffene Entscheidung größtenteils nachvollziehen kann. Dann trägt er die Gegenargumente des Teams überzeugend vor und zeigt auf, wie diese zur Zielerreichung beitragen.

4.5.7  Extraversion

Oft werden im Arbeitsleben Zusammenhänge zwischen den Eigenschaften Extraversion und Introversion und der Eignung für einen bestimmten Beruf hergestellt. Hartnäckig

4.5 · Motivkonstellationen

89

hält sich etwa die Annahme, dass Extraversion einen guten Verkäufer ausmacht (Little 2015, S. 57). Extraversion ist eine der fünf Persönlichkeitsdimensionen im Fünf-Faktoren-Modell (Big Five). Sie besteht aus den sechs Facetten Aktivität, Erlebnishunger, Frohsinn, Herzlichkeit, Geselligkeit und Durchsetzungsfähigkeit. Auf der Verhaltensebene sind Personen mit hohen Extraversionswerten eher lebhaft, risikofreudig, gut gelaunt, freundlich, kontaktfreudig und dominant. Sie sind empfänglich für Reize und Stimuli aus der Umgebung (Asendorpf 2015, S. 69).

» Introversion sollte nicht als Gegensatz zu Extraversion, sondern eher als Fehlen von

Extraversion verstanden werden. Introvertierte erledigen Dinge oft lieber alleine und wirken eher verschlossen, aber nicht wegen mangelnder sozialer Kompetenzen oder aufgrund sozialer Ängste, sondern einfach, weil sie es oft vorziehen, allein und unabhängig zu sein. Deshalb sind sie aber nicht unbedingt unglücklich; es fehlt ihnen lediglich das Bedürfnis nach Geselligkeit und die zugewandte Herzlichkeit der Extravertierten. (Asendorpf 2015, S. 69)

Die Validitätsstudie, die die Universität Luxemburg im Rahmen der Entwicklung von ID37 durchführte, analysierte auch Zusammenhänge zwischen den ID37 Motivdimensionen und den Persönlichkeitsdimensionen des Fünf-Faktoren-­Modells. Die Forscher konnten belegen, dass eine konvergente und diskriminante Validität der 16 Motivskalen und den Persönlichkeitsdimensionen des Fünf-Faktoren-Modells gegeben ist (Manual der Universität Luxemburg 2018). Der erwartete größte positive Zusammenhang zwischen Geselligkeit als Eigenschaft der Extraversion und dem Lebensmotiv SOZIALKONTAKTE konnte bestätigt werden. Auch ein mittlerer Zusammenhang zwischen Durchsetzungsfähigkeit und dem Lebensmotiv EINFLUSS wurde bestätigt. Zudem war ein negativer Zusammenhang zwischen Erlebnishunger in den Big Five und der Motivskala SICHERHEIT gegeben (Manual der Universität Luxemburg 2018). Demzufolge haben extravertierte Menschen in der Regel hoch ausgeprägte Motive SOZIALKONTAKTE und EINFLUSS und tendenziell ein niedrig ausgeprägtes Motiv SICHERHEIT. Trotz der weit verbreiteten Annahme, dass die Extravertierten die produktivsten Verkäufer sind, haben beispielsweise Forschungen des Unternehmenspsychologen Adam Grant schwache und widersprüchliche Beziehungen zwischen Extraversion und ­Verkaufsleistung gezeigt. Nach diesen Studien erbringen die Ambivertierten, sowohl Extra- als auch Introvertierte, diesbezüglich die besseren Leistungen (Grant 2013, zit. nach Little 2015, S. 57 f.). 4.5.8  Woran erkenne ich Motive von Menschen ohne ID37?

Nicht immer besteht die Möglichkeit, eine Persönlichkeitsanalyse durchzuführen. Mit dem Wissen um menschliche Antriebe kann jeder ein gutes Gespür dafür entwickeln, mit welchen Persönlichkeiten er es zu tun hat. Zwar liegen die wenigsten Lebensmotive oder Verhaltensdispositionen in Reinform vor. Wenn wir jedoch Menschen über einen längeren Zeitraum beobachten, liefern ihr Verhalten, ihre Sprache und ihre Umgebung Anhaltspunkte für das Gesamtbild.

4

90

Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

Verhalten  Bei der Beobachtung von Verhalten sollten wir berücksichtigen, dass zwar

4

jeder seine persönlichkeitsgeprägten Vorlieben hat, aber auch in der Lage ist, andere Verhaltensweisen zu zeigen. Eine Person, die sich beispielsweise gern in geselliger Runde aufhält und das Feierabendbier mit den Kollegen genießt, tut dies zumeist gern, aber nicht immer. Auch eine Person, die gern mit sich alleine ist, ist dies nicht immer. Daher ist es wichtig, sich nicht gleich nach dem ersten Eindruck eine feste Meinung zu bilden. Am natürlichsten verhalten sich Menschen in Stresssituationen und unter Druck, da das Gehirn dann keine Zeit hat, kognitiv regulierend einzugreifen.

Sprache  Menschen bringen ihre Persönlichkeit meist unbewusst über Sprache zum

Ausdruck. Die Wortwahl eines Menschen, vor allem aber wie jemand etwas sagt, verrät viel über seine Persönlichkeit. Tonfall, Stimmlage und Klangfarbe sind wichtige Anhaltspunkte dafür „wer da spricht“. Je ähnlicher die Persönlichkeit, desto ähnlicher ist die Art und Weise, wie Menschen sprechen. So kann Sprache, die von einem hohen Einflussmotiv geprägt ist, dominant wirken: „Gehen Sie aus dem Weg!“ (Nöllke 2016, S. 45). Diese Anweisung versetzt den Adressaten unmittelbar unter Handlungsdruck. Adressaten mit einer ähnlichen Motivlage sprechen die gleiche Sprache. Einen Empfänger mit einer anderen Motivlage kann die dominante Sprache abstoßen oder sogar abschrecken. Der Sender wirkt unsympathisch – es kommt für den Adressaten gar nicht mehr darauf an, was er sagt.

Umgebung  Hinweise auf das Lebensmotiv STRUKTUR erhalten wir beispielsweise mit einem Blick auf den Schreibtisch oder in die Wohnung einer Person. Unordnung und die benutzte Kaffeetasse vom Vortag können Erkennungsmerkmale einer niedrigen Ausprägung dieses Motivs sein. Einen Bügel mit sauberen Hemden für Notfälle findet man im Wagen dieser Persönlichkeit eher selten vor. Doch auch hier zählt der Gesamteindruck, der sich aus verschiedenen Parametern erschließen lässt: Eine Person, die beispielsweise in einer blitzblanken Wohnung ihre Gäste empfängt, könnte von STRUKTUR, aber beispielsweise auch von einem hohen Motiv SOZIALE ANERKENNUNG motiviert sein.

Wir können durch Beobachtung auf Motive schließen. Allerdings müssen wir immer die Möglichkeit des Irrtums in Betracht ziehen, da Motivausprägungen von nicht trennscharfen oder sich überlagernden Sprach- und Verhaltensweisen überdeckt werden können. Da es jedoch der menschlichen Natur entspricht, andere „in Schubladen“ zu stecken, liefert das Wissen um Motive und ihre Auswirkung eine weitaus fundiertere Basis, um Einschätzungen vorzunehmen. Vergleiche, zum Beispiel „XY ist wie ein Beamter“, helfen nicht weiter. Wir sollten akzeptieren, dass Menschen unvergleichlich und einzigartig sind. 4.6  Alleinstellungsmerkmale von ID37

Der hohe Differenzierungsgrad der 16 trennscharfen ID37 Motive und die Genauigkeit der Messung sind ein Alleinstellungsmerkmal. Die resultierende Analyse gewährt Zugang zum individuellen Verhalten und Erleben eines Menschen. Als eines der wenigen Diagnostikinstrumente im weiten Feld verfügbarer Persönlichkeitstests bietet ID37 einen standardisierten, objektiven, sehr zuverlässigen wissenschaftlichen Test, dessen Ergebnisse auf Basis aktueller Daten genormt sind.

91 4.6 · Alleinstellungsmerkmale von ID37

Die ID37 Persönlichkeitsanalyse liefert fundierte Informationen, um Personen dabei zu unterstützen, ihr Leben mit ihren Motiven in Einklang zu bringen, besser zu steuern und ihre Ziele zu erreichen. Das Forschungsteam der Universität Luxemburg hat ID37 vollständig neu konzeptioniert. Dabei wurden existierende Motivationsmodelle kritisch hinterfragt und empirisch überprüft. Das Ergebnis: ein Persönlichkeitstest auf aktuellem Forschungsstand und einem hohen Qualitätsniveau. Neu ist das Kriterium der Transparenz. ID37 legt die Gütekriterien offen und macht sie ID37 Mastern zugänglich. Der Laie wird die wissenschaftliche Qualität und die präzise Messung des ID37 Analyseinstruments als selbstverständlich voraussetzen. Tatsächlich sind dies ausgewiesene Stärken. Nur durch die wissenschaftliche Fundierung und hohe Präzision des Ergebnisses ist es möglich, persönliches Verhalten und Erleben zu ermitteln und zu prognostizieren. Die Erfahrungen bestätigen, dass die Aussage- und Vorhersagekraft der ID37 Persönlichkeitsanalyse so präzise ist, dass sie in der praktischen Anwendung im Coaching, im Personalbereich, in der Führung, in Teams oder im Leistungssport wirksam eingesetzt werden kann. Es gibt andere Persönlichkeitstests, die Persönlichkeit ebenfalls genau messen, aber für die Anwendung im Beratungs- und Businessumfeld zu kompliziert sind. Wieder andere Verfahren, die einfach in der Handhabung sind, basieren auf dem Primat der Augenscheinvalidität (d. h. auf gesundem Menschenverstand beruhend) oder sind unzureichend theoretisch verankert. Wie etwa der in den 60er-Jahren entwickelte Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI), der auf C. G. Jungs inzwischen als überholt geltende Persönlichkeitstypologie zurückgeht und auch heute noch sehr populär ist. Die Hauptkritik lautet, dass er weder wissenschaftlich haltbar ist noch aktualisiert wurde (Little 2015, S. 35 f.). Da sich Forschung, Wissenschaft und Wirtschaft ständig weiterentwickeln, müssen entsprechende Tests die daraus resultierenden neuen Erkenntnisse berücksichtigen. ID37 ist ein einfach anzuwendendes Instrument, das dieser Anforderung gerecht wird. Es basiert nicht nur auf neuesten wissenschaftlichen Methoden der Testentwicklung, sondern auch auf über zehnjähriger Praxiserfahrung mit dem Persönlichkeitstest Reiss Motivation Profile. Auf der Website 7 www.ID37.io wird die ID37 Persönlichkeitsanalyse angeboten. Die wichtigsten Merkmale der ID37 Persönlichkeitsanalyse auf einen Blick 5 Neue Konzeptualisierung von 16 Motiven auf der Grundlage aktueller Befunde aus der Motivationsforschung 5 Nachprüfbare psychometrische Daten 5 Präzise Erfassung der Motivdimensionen durch: – 9 Items pro Motiv – Positiv und vereinzelt negativ gepolte Items – 6-stufiges Antwortformat 5 Keine typisierende Klassifizierung von Menschen 5 Normierung: aktuell, transparent, umfangreich (N = 1001), deutsch, Zufallsauswahl 5 Orientierung an der DIN-Norm 33430 für Eignungsbeurteilung 5 Berücksichtigung der Standards for Educational and Psychological Testing der American Educational Research Association (AERA), American Psychological Association und des National Council on Measurement in Education

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Kapitel 4 · Die Persönlichkeitsanalyse ID37

Berater, Coaches, Human-Resources-Manager, Führungskräfte oder Teams können sich mit dem ID37 Persönlichkeitstest schnell und ohne großen Aufwand ein recht präzises Bild von einer Person machen. Statt mühsam herauszufinden, wie eine Person tickt, oder bei diesem Vorhaben lediglich dem Bauchgefühl zu folgen, können sie mit der ID37 Analyse direkt und fundiert in die Beratung einsteigen (7 Abschn. 6.4).

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Lebenszufriedenheit und Erfolg 5.1  Was ist Zufriedenheit? – 96 5.1.1  Zufriedenheit lässt sich erarbeiten – 98 5.1.2  Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis? – 100

5.2  Was der Zufriedenheit im Wege steht – 100 5.2.1  Natürliche Selbstbezogenheit – 100 5.2.2  Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis? – 105

5.3  Was ist Erfolg? – 106 5.3.1  Erfolg: Persönliche Ziele erreichen – 106 5.3.2  Zum Erfolg gehört auch Misserfolg – 106 5.3.3  Erfolg und Misserfolg brauchen Aufmerksamkeit – 107 5.3.4  Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis? – 108

Literatur – 109

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Staller, C. Kirschke, Die ID37 Persönlichkeitsanalyse, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58004-2_5

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Kapitel 5 · Lebenszufriedenheit und Erfolg

„Wäre es nicht richtig cool, zufrieden zu sein?“, fragt Wolf Lotter im Wirtschaftsmagazin brand eins unter dem Eindruck, dass nur noch Superlative und emotionale Höhepunkte zählen und alle auf der Jagd nach dem Glück sind (Lotter 2016). Wir zeigen in diesem Kapitel auf, warum Zufriedenheit das „wahre Glück“ ist und was wir tun können, um Menschen zu persönlichem Erfolg zu verhelfen. 5.1  Was ist Zufriedenheit?

5

Freude, Zufriedenheit, Glück – im Alltag werden die Begriffe weitestgehend synonym verwendet und bezeichnen eine Vorstellung vom guten, gelingenden Leben. Die Begriffe sind eng miteinander verwandt und beschreiben subjektiv erlebte Emotionszustände des Wohlbefindens. Subjektives Wohlbefinden ist von zahlreichen Faktoren wie persönlichen Erinnerungen, gesellschaftlichen Normen oder Zeit abhängig. Empirische Studien zeigen, dass die objektive Lebenssituation, etwa materieller Wohlstand, auch eine Rolle spielt. Ihr Einfluss auf das Wohlbefinden ist im Vergleich zu emotionalen und kognitiven Aspekten jedoch gering (Brandstädter 2015, S. 41 f.). Der Psychologe Todd B. Kashdan definiert das Glücklichsein folgendermaßen:

» Glücklich ist, wer das Gefühl der Zufriedenheit kennt (Kashdan 2013, zit. nach Reinhardt 2014).

Exkurs: Flow Der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi untersuchte, wie man Glück durch Kontrolle über das eigene Innenleben erlangen kann. Der sog. Flow, der von ihm namentlich geprägt und erforscht wurde, bezeichnet einen Zustand, bei dem Menschen über einen längeren Zeitraum eine anstrengende Aufgabe erledigen, ohne Willenskraft aufwenden zu müssen. Csíkszentmihályi selbst bezeichnet den Flow als eine „optimale Erfahrung“ (Csíkszentmihályi 2005, S. 11) und „Freude, Kreativität und den Prozess vollständigen Einsseins mit dem Leben“ (Csíkszentmihályi 2005, S. 15). Jemand gerät in den Flow-­Zustand, wenn er intrinsisch motiviert ist. Im 7 Kap. 2 wurde die Selbstmotivation, ein Zustand, in dem man gänzlich intrinsisch motiviert eine Tätigkeit um ihrer selbst willen ausführt, bereits beschrieben. Im Flow-­ Zustand kommt hinzu, dass eine sehr hohe Passung zwischen Anforderung und Tätigkeit besteht. In diesem Zustand erledigt eine Person eine Aufgabe ohne Aufwand. Die Person ist zufrieden und leistungsfähig und setzt dabei viel Energie und Ressourcen frei, die für andere Aufgaben eingesetzt werden können. In der Arbeitswelt kann ein selbstmotivierter Zustand bei einer Person erreicht werden, wenn sie ein attraktives Ziel mit einer Aufgabe verbindet, die vom Schwierigkeitsgrad zu ihr passt – wenn also die Aufgabe weder zu leicht noch zu schwierig ist. Mit unmittelbarem Feedback auf das eigene Tun korrigiert die Person sich selbst und erweitert ihre Fähigkeit, ohne sich überfordert zu fühlen (z. B. ein Musiker beim Musizieren). Die Persönlichkeitsanalyse ID37 zeigt, welche individuellen Motive zu diesem belohnenden und produktiven Zustand führen (7 Abschn. 4.3).

Wenn wir in diesem Buch von Zufriedenheit sprechen, meinen wir nicht das situative, kurzzeitige Glückserleben, sondern eine grundsätzliche Lebenszufriedenheit, die sich auf einen längeren Zeitraum bezieht und eng mit der Persönlichkeit verknüpft ist. Drei wesentliche Aspekte der Zufriedenheit haben wir im Zusammenhang mit Motiven bereits kennengelernt: 1. Jeder Mensch strebt danach, dass es ihm unter den gegebenen Umständen maximal gut geht. Gleichzeitig versucht er, Traurigkeit, Angst und Schmerzen zu vermeiden. Dabei sind Motive die Treiber und die positive Emotion ist das Ziel (7 Abschn. 2.1).

5.1 · Was ist Zufriedenheit?

97

2. Zufriedenheit ist ein positiver, komplexer Emotionszustand, der erst erreicht wird, wenn Gedanken (Kognitionen) mit im Spiel sind, z. B. bewerten, vergleichen, abwägen. Glück ist die maximale Entwicklungsstufe positiver Emotionen, bei der die Kultur und die persönliche Erfahrung mit einfließen (7 Abschn. 2.3). 3. Was einen Menschen zufrieden macht, ist individuell verschieden. Da jeder Mensch andere Präferenzen im Leben hat (die sich in seinem Motivprofil sehr gut ablesen lassen), hat jeder auch individuelle Lebensziele (7 Abschn. 2.1). Zufriedenheit Die Psychologie beschreibt Zufriedenheit ganz allgemein als das Ergebnis eines Vergleichs zwischen Erwartung und dem tatsächlichen Eintreffen dieser Erwartung. Je geringer die erlebte Diskrepanz, desto zufriedener ist ein Mensch. Bereits der Eindruck, auf einem guten Weg der Zielerreichung zu sein, kann zufrieden machen (Stangl 2017a).

Lebenszufriedenheit ist die Einschätzung der allgemeinen Lebenslage einer Person durch sie selbst. Sie ist ein individuelles Phänomen, das sich aus einem Komplex von Empfindungen, bewussten und unbewussten Komponenten, darunter auch genetisch bedingten Komponenten wie Motiven, zusammensetzt (Roth und Ryba 2016, S. 219). Dabei gilt: Alles, was für einen Menschen intrinsisch motiviert und somit persönlich sinnvoll ist und erreicht wird oder werden kann, hebt seine Zufriedenheit (Brandstädter 2015, S. 46, 84). Wesensmerkmale und damit verbundene Verhaltensweisen, die nachweislich zufrieden machen, sind beispielsweise: Nicht zu selbstkritisch  Studien des Psychologen Todd B. Kashdan zeigen, dass sich

zufriedene Menschen nicht ständig selbst beobachten, ihre Leistungen weniger streng beurteilen und auch nicht so perfektionistisch sind wie weniger zufriedene Menschen (Kashdan 2013). Übertragen auf ID37 geht es um das Motiv SOZIALE ANERKENNUNG. Die abgeleitete Erkenntnis aus der Studie ist, dass Menschen mit einer niedrigen Ausprägung dieses Motivs (SAN −) ein positiveres Selbstbild haben und Kritik gegenüber unempfindlicher sind. Dadurch können sie leichter zufrieden sein als Personen mit einer hohen Ausprägung dieses Motivs (SAN +).

Beziehungsfähig  Eine andere Grundlage für hohe Zufriedenheit kann soziale Bindung sein (Brandstädter 2015, S. 59 f.). Menschen treffen in der Regel bessere Lebensentscheidungen, wenn ein Dritter mitdenkt und mitfühlt. Sie sind beispielsweise gesünder oder rutschen bei Problemen weniger häufig in Suchtverhalten ab, wenn sie mit jemandem über ihre Sorgen sprechen können. Menschen mit einer niedrigen Ausprägung des Lebensmotivs AUTONOMIE (AUT −) und einer hohen Ausprägung des Motivs SOZIALKONTAKTE (SOZ +) fällt es leicht, eine Vielzahl von Beziehungen aufzubauen. Ein tragfähiges soziales Netz heißt jedoch nicht viele, sondern vor allem gute Beziehungen zu haben. Beziehungen zu einigen wenigen Menschen zu pflegen, ist auch für Menschen mit hohem Motiv AUTONOMIE (AUT +) und niedrigem Motiv SOZIALKONTAKTE (SOZ −) möglich.

5

98

Kapitel 5 · Lebenszufriedenheit und Erfolg

Sozial engagiert  Auch Altruismus kann zur Zufriedenheit beitragen (Brandstädter 2015, S. 85). Eine Person, die eine hohe Ausprägung des Motivs SOZIALES ENGAGEMENT (SEN +) hat und dies ausleben kann, ist demnach zufrieden. Ein gutes Beispiel sind Ärzte, die ihren Jahresurlaub dafür verwenden, um in notleidenden Gebieten Hilfe zu leisten. > Alle 16 Motive von ID37 bilden die Grundlage für Lebenszufriedenheit. Denn die

Befriedigung der ausgeprägten Motive ist das, was unserem Leben Sinn gibt. Wenn wir unser Motivprofil kennen und entsprechend unseren Ausprägungen leben können, stellt sich Zufriedenheit ein.

5 5.1.1  Zufriedenheit lässt sich erarbeiten

Wie der Hirnforscher Gerhard Roth aufzeigt, sind die meisten Menschen in ihrer generellen Lebenshaltung eher leicht positiv bzw. glücklich als leicht negativ bzw. unglücklich. Während die Mehrheit ein relativ stabiles Zufriedenheitsempfinden hat, zeigt eine Minderheit deutliche Schwankungen. Nachweislich sind etwa Lotteriegewinner längerfristig nicht glücklicher als diejenigen, die nie eine größere Summe gewonnen haben, und körperlich behinderte Menschen sind im Durchschnitt nicht unglücklicher als unversehrte (Roth und Ryba 2016, S. 217). Es gibt fundierte Konzepte, die zu höherer Zufriedenheit und Leistung führen, zum Beispiel: Synchronisation von Motiven und Zielen  Mit der Persönlichkeitsanalyse ID37 wird

schnell deutlich, was für eine Person wichtig und sinnvoll ist und was sie braucht, um sich in ihrem Leben wohlzufühlen. Sind es die sozialen Kontakte oder eher das Alleinsein? Durch den Abgleich mit der Lebensrealität wird die Diskrepanz zwischen Ist-Situation und Soll-Zustand deutlich. Daran anknüpfend lassen sich passgenaue Ziele setzen, die aus eigener Kraft erreicht werden können. Motive mit persönlichen Zielen in Einklang zu bringen, ist ein wesentlicher Schritt für dauerhafte Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit. Diese Selbstkongruenz ist nachvollziehbar: Man kann sich besser mit seinen Zielen identifizieren, wenn sie mit einem selbst übereinstimmen. Wenn ein Mensch etwas macht, das nicht seinem Motivprofil entspricht, handelt es sich um eine Motiv-/Ziel-Inkongruenz, was in der Regel zu Unzufriedenheit führt. Passen Ziele nicht zur eigenen Persönlichkeit, ist die Zielerreichung erschwert und Leistungsfähigkeit und Effektivität sind verringert. Auf Dauer macht ein solcher Zustand krank (Roth und Ryba 2016, S. 228).

Selbstwirksamkeitserfahrung: realistische Ziele setzen und erreichen  Eine Person, die

selbstbestimmt Ziele setzt und diese erreicht, belohnt sich für diesen Erfolg selbst. Sie macht dann die Erfahrung der Selbstwirksamkeit (Roth 2007, S. 255). Selbstwirksamkeit ist die subjektive Einschätzung, dass die Verwirklichung von Zielen durch das eigene Handeln beeinflusst werden kann bzw. die Überzeugung, künftige Herausforderungen von sich aus meistern zu können. Selbstwirksame Menschen sind solche, die kontinuierlich ihren realistischen, aber herausfordernden Zielen nachgehen und

5.1 · Was ist Zufriedenheit?

99

sich an ihrem Erfolg freuen können. Sie zeigen Ausdauer, auch Persistenz genannt, und Flexibilität bei der Verfolgung von Handlungszielen. Sie sind auch in der Lage, realistisch abzuschätzen, wie lange die Zielverfolgung sinnvoll ist oder wann die Zielsetzung angepasst werden muss. Dabei ist die Kenntnis über den Zielfortschritt wichtig (Roth und Ryba 2016, S. 228). Selbstwirksamkeitserwartung kann den Anstoß für eine intrinsische Motivationssteigerung geben und eine positive Selbstwirksamkeitserfahrung kann das Anspruchsniveau für die nächste Aufgabe heben. Verschiedene Studien zeigen, dass Selbstwirksamkeitserleben sich positiv auf die Reduzierung von Stress und das Wohlbefinden auswirkt (Brandstädter 2015, S. 252). Individuelle Stressbewältigung  Personen, die sich bewusst mit Lebensproblemen auseinandersetzen und diese bewältigen können, sind zufriedener, weil sie weniger Stress empfinden (Roth und Ryba 2016, S. 219 f.). Wie leicht es jemandem fällt, Stress zu bewältigen, hängt von seiner Persönlichkeit ab (7 Abschn. 4.5). Stressbewältigung ist eine Fähigkeit, die sich erlernen und trainieren lässt. Gelassenheit nimmt bei den meisten Menschen mit den Jahren sogar zu. Das hat einerseits mit dem zunehmenden Erfahrungsschatz zu tun, aber auch mit dem Gehirn. Die Bereiche im Gehirn, die negative Gefühle verarbeiten, sind im Alter weniger aktiv (Brandstädter 2015, S. 65). Kontrolle über das eigene Leben  Ein zentraler Aspekt für Zufriedenheit ist der indi-

viduelle Handlungsspielraum, den sich ein Mensch schaffen kann. Wie viele Möglichkeiten er für Veränderung oder welche Freiräume er hat, beeinflusst das subjektive Wohlbefinden stark. Denn dieses korreliert eng mit dem Gefühl persönlicher Kontrolle über das eigene Leben (Asendorpf 2015, S. 117 f.). Die individuellen Umstände sind ebenfalls dafür ausschlaggebend, wann eine Person zufrieden ist oder wann sie Handlungen als zufriedenstellend erlebt. Deshalb ist der Kontext für die eigenen Zielerreichungs- und Stressbewältigungsstrategien zu berücksichtigen. Zum Beispiel kann ein einfacher Spaziergang eine Handlung sein, die eine Person sehr zufrieden macht. Etwa wenn diese Person lange Zeit nicht die Gelegenheit hatte, sich sportlich zu betätigen, weil sie krankheitsbedingt ans Bett gefesselt war. Wenn diese Person eine hohe Ausprägung des Motivs BEWEGUNG hat, erhalten Spaziergänge eine noch größere Bedeutung.

> Je besser Motive und Ziele synchronisiert sind, desto mehr trägt die Zielerreichung

zur Zufriedenheit bei. Alles, was wir als sinngebend empfinden, hebt unsere Zufriedenheit.

Wenig hilfreich hingegen für die Erlangung von Zufriedenheit sind Ansätze wie: 5 Allgemeine Ratschläge: „Sei glücklich und zufrieden.“ Sie sind vage und nicht an individuelle Voraussetzungen geknüpft. Daher bleiben sie wirkungslos. 5 Ausschließlich positives Denken: „Konzentriere dich darauf, was du erreichen willst, stell dir diesen positiven Zustand vor, dann klappt das schon.“ Zwar ist es durchaus wichtig, sich einen zufriedenen Zustand vorzustellen zu können, doch auch negative Emotionen müssen zugelassen werden. Sie haben eine Warn- und Aktivierungsfunktion, die dafür sorgt, dass wir aufmerksam sind. Diese Aufmerksamkeit ermöglicht es, Wege aus einer unangenehmen Situation zu finden (Wilhelm 2014).

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Kapitel 5 · Lebenszufriedenheit und Erfolg

5 Verharren in seiner Haltung: Gedanken wie „So bin ich halt“ oder ständiges Wiederholen seines Ziels „Hätte ich nur einen anderen Job“ bleiben ohne Wirkung, wenn darauf keine Handlung folgt. Es kann dann sogar sein, dass sich diese Menschen in ihren alten Denkmustern verfangen, positive Möglichkeiten nicht mehr erkennen und alternative Handlungsoptionen nicht in Erwägung ziehen. Sie können nicht loslassen, keine neue Gedanken zulassen und kommen aus ihrer Unzufriedenheitsschleife nicht mehr heraus (Sauerland 2015, S. 11).

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5.1.2  Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis?

Jeder kann selbst zur Steigerung seiner Lebenszufriedenheit beitragen, wenn er sich selbst gut kennt. Er kann dann beispielsweise Projekte angehen, in denen er Sinn findet, und Ziele definieren, die für ihn sinnvoll und motivierend sind. Der Wille, sich persönlich weiterzuentwickeln, das Vertrauen darauf, sein Leben selbstgesteuert in den Griff bekommen zu können, und das Gefühl der Kontrolle sind Grundpfeiler für die Gestaltung von Lebensqualität. Mit ihrem ID37 Persönlichkeitsprofil können wir Klienten den Weg dahin aufzeigen und sie bei diesem Prozess begleiten. Das Ziel ist, Menschen zu befähigen, ihr Leben selbst zu steuern und so ihre Lebenszufriedenheit zu verbessern. Lebenszufriedenheit ist alles andere als flüchtig. Es lohnt sich, daran zu arbeiten. 5.2  Was der Zufriedenheit im Wege steht

Es gibt bei Menschen natürliche Tendenzen von Selbstbezogenheit, die ihrer Zufriedenheit im Wege stehen. 5.2.1  Natürliche Selbstbezogenheit

Selbstbezogenheit ist die natürliche Neigung von Menschen zu denken, dass ihre eigenen Wertvorstellungen richtig sind. Die eigene Maxime wird zur Wert- und Handlungsmaxime. Selbstbezogenheit ist nicht zu verwechseln mit Egoismus, bei dem eine Person ausschließlich ihr eigenes Wohlergehen zum Ziel hat. Selbstbezogenheit macht sich insbesondere bei hohen und niedrigen Motivausprägungen bemerkbar. Bei starken Ausprägungen ist das Streben, das Motiv zu befriedigen, hoch und kann viel Raum im Denken, Fühlen und Handeln einnehmen. Dies verengt die Wahrnehmung. Auch eine niedrige Motivausprägung kann die Wahrnehmung beschränken – verursacht durch das starke Bedürfnis der Vermeidung. Dies führt häufig zu Konflikten, das Zusammenleben- und arbeiten wird erschwert und die Lebenszufriedenheit gemindert. Typische natürliche Tendenzen sind zum Beispiel: 5 „blinde Flecken“, 5 Wertetyrannei, 5 Bestätigungstendenz.

5.2 · Was der Zufriedenheit im Wege steht

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„Blinde Flecken“ „Blinde Flecken“ bezeichnen Eigenschaften, die Menschen selbst an sich nicht wahrnehmen. Sie sind quasi blind für ein oder mehrere Merkmale ihrer eigenen Persönlichkeit. Dies kann zu Fehlurteilen darüber führen, was andere von ihnen denken. „Blinde Flecken“ bergen auch das Risiko, Situationen falsch einzuschätzen und falsch zu reagieren. So kann es beispielsweise dazu kommen, dass eine Person mit einer hohen Ausprägung des Motivs NEUGIER (NEU +) nicht daran denkt, dass ihre Zuhörer womöglich nicht dieselbe Wissbegierde teilen wie sie selbst. Es kann passieren, dass sie mit einem hochgradig intellektuellen und detailgespickten Vortrag ihr Publikum oder Teilnehmer eines Meetings mit ihrer Informationstiefe überfordert und verliert. Die Konsequenz: Die Botschaft erreicht nur ähnlich geprägte Personen im Publikum. Die Eigenwahrnehmung von Menschen ist tendenziell positiv. Jeder lebt in seiner Wirklichkeit, ist prinzipiell von seinen Vorstellungen überzeugt und glaubt seinen eigenen Gefühlen. Begegnet eine Person jemandem mit ähnlichen Motivausprägungen, glaubt sie, ihn zu kennen. Hier kann spontan Vertrauen und Sympathie entstehen. Die Wahrnehmung von Personen mit deutlich anderen Motivausprägungen ist tendenziell negativ, weil das Verhalten und die Wertvorstellungen fremd sind. Dies kann Misstrauen und Antipathie verursachen und wiederkehrende Missverständnisse hervorrufen. Beispiele möglicher Auswirkungen von „blinden Flecken“, wenn sie nicht erkannt werden 5 Konflikte in Teams Ein Teamleiter ist sehr organisiert, detailorientiert und arbeitet selbst sehr exakt. Sein ID37 Persönlichkeitsprofil weist eine hohe Ausprägung des Motivs STRUKTUR (STR +) auf. Er selbst sieht das nicht, denn ein durchstrukturiertes Leben und planvolles Vorgehen sind für ihn normal. Der Teamleiter ärgert sich regelmäßig über ein Teammitglied, das er für disziplinlos, chaotisch und nachlässig hält. Der Betroffene hat eine niedrige Ausprägung des Motivs STRUKTUR (STR −). Er sieht sich selbst als flexibel, spontan, offen und reaktionsschnell und fühlt sich von den Äußerungen des Leiters gegenüber seiner Arbeitsweise unfair behandelt. Er denkt wiederum über seinen Teamleiter, dass dieser ein Pedant ist, der übertrieben genau ist und sich in der agilen, oft nicht planbaren Arbeitswelt nicht zurechtfinden kann. Das Konfliktpotenzial liegt in der Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung des Teamleiters und der Wahrnehmung des Teammitglieds. Bleibt der „blinde Fleck“ unaufgeklärt, birgt er auf Dauer emotionale Sprengkraft. Was zwischen zwei Personen gilt, gilt auch für Teams. Für eine erfolgreiche Teamarbeit ist es entscheidend, dass Teammitglieder verstehen, wie sie von anderen wahrgenommen werden. Das gegenseitige Verständnis und das kontinuierliche Arbeiten am Umgang mit der Vielfalt führen in einer offenen Arbeitsatmosphäre zu einer effektiveren Zusammenarbeit. 5 Fehleinschätzung der Führungskraft In Unternehmen, die beispielsweise Hierarchien reduziert oder sogar abgeschafft haben, wird von allen Mitarbeitern Eigenverantwortung gefordert. Personen, die aufgrund ihrer Motivkonstellation viel Freiraum und wenig Vorgaben benötigen, die also beispielsweise eine niedrige Ausprägung der Motive STRUKTUR (STR −) und PRINZIPIEN (PRI −) haben, kommen mit diesen neuen Organisationsstrukturen gut zurecht und können selbstmotiviert Leistung erbringen. Unreflektierte Führungskräfte mit solch einem Motivprofil haben an dieser Stelle einen „blinden Fleck“: Sie gehen

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davon aus, dass jeder im Team genauso gut mit der neuen Organisationsstruktur klarkommt wie sie selbst. Wird sich eine solche Führungskraft dieser Fehleinschätzung nicht bewusst und ergreift keine individuellen Maßnahmen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, Teammitglieder zu verlieren. Selbstreflexion sowie die Bereitschaft, zuzuhören und andere zu verstehen, sind essenzielle Voraussetzungen erfolgreicher Führung. 5 Verblendung Ein anderes Beispiel dafür, welche Blüten „blinde Flecken“ treiben können, ist die Elefantenrunde in der Wahlnacht 2005, in der die Spitzenvertreter aller Parteien über den Ausgang der Wahl diskutierten. Der damalige Noch-Kanzler Schröder konnte sich seine Niederlage nicht eingestehen. Mehr noch: Die Zuschauer bekamen den Eindruck, er hätte das Wahlergebnis gar nicht wahrgenommen. Er strahlte ein Selbstbewusstsein aus, das an Selbstüberschätzung grenzte. In der Live-TV-Diskussionsrunde mit seiner Nachfolgerin Dr. Angela Merkel und den Vorsitzenden der damals im Bundestag vertretenen Parteien war er weiterhin von seinem Machtanspruch überzeugt. Wir können davon ausgehen, dass Gerhard Schröder ein hoch ausgeprägtes Bedürfnis nach EINFLUSS (EIN +) und ein niedrig ausgeprägtes Motiv SOZIALE ANERKENNUNG (SAN −) hat, weshalb er unbeeindruckt weiterhin seinen Machtanspruch geltend machte. Er mag sich über die Reaktionen und die aus seiner Sicht unpassenden verbalen Attacken gewundert haben.

Wertetyrannei Als Wertetyrannei bezeichnen wir die Tendenz, eigene Motive zum Maß aller Dinge zu machen. Wir beurteilen oder verurteilen andere anhand unserer Werte, die auf unseren persönlichen Motiven basieren. Wenn eine Person eine andere beispielsweise wiederholt davon überzeugen möchte, dass diese ohne STRUKTUR im Leben nicht glücklich werden kann, obwohl diese die Flexibilität schätzt, nennen wir das Wertetyrannei. Sehr oft möchte der eine dabei das Beste für den anderen, denn aus seiner Sicht ist sein Werteverständnis die Maxime. Anders als das Wort impliziert, steckt hinter Wertetyrannei nicht zwangsweise eine schlechte Absicht, sondern der Wunsch, den anderen für seine Überzeugung gewinnen zu wollen. Diesen Menschen fehlt ggf. Selbstdistanz. Sie erkennen oder akzeptieren nicht, dass andere Menschen andere Prioritäten und Maßstäbe haben. Es kann passieren, dass sie Individualität mit Anomalität verwechseln: „Der ist aber merkwürdig“ oder „Mit dem stimmt was nicht.“ Typische Beispiele für Wertetyrannei im Alltag 5 Eltern-Kind-Beziehungen Ein Vater mit hohen Motivausprägungen EINFLUSS (EIN +) und STATUS (STA +) möchte aus diesem Denken heraus seinen Sohn von der Wichtigkeit von Höchstleistungen in der Schule überzeugen: „Die Note 2 ist nicht gut genug. Das musst du beim nächsten Mal besser machen, sonst wird nichts aus dir.“ Ohne zu erkennen und zu akzeptieren, dass der Sohn selbst mit seiner schulischen Leistung zufrieden ist, selbst ein niedriges STATUS-Motiv (STA −) hat und sein SOZIALES ENGAGEMENT bei Greenpeace (SEN +) als viel wichtiger erachtet.

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5 Paar-Beziehungen Auch in Beziehungen kann Wertetyrannei stattfinden. So möchte der eine Partner mit einer hohen Ausprägung des Motivs SOZIALKONTAKTE (SOZ +) den anderen beispielsweise davon überzeugen, wie bereichernd es ist, jedes Wochenende auszugehen oder Menschen zu sich nach Hause einzuladen. Der Partner mit einer niedrigen Ausprägung dieses Motivs (SOZ −) kann nicht nachvollziehen, wie man an oberflächlichen Kontakten und Gesprächen Freude haben kann. Der jeweils andere kann nicht verstehen, wie jemand etwas ablehnen kann, woraus er selbst viel Energie zieht.

Sind die Motivlagen sehr unterschiedlich, fehlt diesbezüglich die Passung auf der Persönlichkeitsebene. Wiederkehrende Streitigkeiten sind vorhersehbar. Natürlich heißt dies nicht, dass Menschen deshalb keine gute Beziehung führen können. Es erfordert allerdings mehr gegenseitige Rücksicht, Wertschätzung und Aufmerksamkeit. Doch selbst wenn wir wissen und respektieren, dass jedermann seine individuellen Wertvorstellungen hat, ist es kaum nachzuvollziehen, wie andere wirklich denken, fühlen und handeln. Die tatsächliche emotionale Bedeutung bleibt uns verschlossen, da wir sie nie oder selten als erfüllend erleben. Kognitiv können wir lernen, zu verstehen, was auf der „anderen Seite“ abläuft – die damit einhergehenden Emotionen bleiben uns fremd. Kommt bei der Wertetyrannei ein berufliches oder privates Abhängigkeitsverhältnis hinzu, kann aus dem Nichtverstehen Frustration werden. Eine Zeit lang kann sich der, der seine Motive unterdrücken muss, anpassen und versuchen, zu verstehen, was dem anderen so wichtig ist. Auf Dauer kann ein solches „Verbiegen“ mindestens zu Unzufriedenheit führen. In der Folge können daraus Demotivation, Aggression und am Ende sogar psychische und physische Beeinträchtigungen entstehen. An der inneren Überzeugung wird das angepasste Verhalten nichts ändern, da die motivationalen Persönlichkeitsmerkmale kaum veränderbar sind.

Bestätigungstendenz Die Bestätigungstendenz ist die Neigung von Menschen, vorwiegend jene Informationen zu suchen oder Dinge wahrzunehmen, die sie in ihrer vorgefassten Meinung bestätigen. Demnach bekräftigen Menschen bevorzugt ihre (Vor-)Urteile, anstatt sie infrage zu stellen. Durch die Bestätigungstendenz bewerten Menschen neue Informationen als weniger richtig, wenn die Informationen nicht zu ihrem Weltbild passen. Sie glauben tendenziell nur, was sie glauben wollen (Stangl 2017b). Wenn der Teamleiter aus o. g. Beispiel (7 Abschn. 5.2.1, „Mögliche Auswirkung und Dynamiken von ‚blinden Flecken‘, wenn sie nicht erkannt werden“) mit einer hohen Ausprägung des Motivs STRUKTUR (STR +) davon überzeugt ist, dass das Teammitglied (STR −) chaotisch ist, wird er vermutlich vorwiegend dessen undiszipliniertes Verhalten wahrnehmen – beispielsweise regelmäßiges Zuspätkommen. Vermutlich blendet der Teamleiter unbewusst sämtliche Informationen aus, die seine Erwartungen widerlegen – wie beispielsweise die Tatsache, dass das Teammitglied genauso häufig pünktlich erscheint.

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Exkurs: Hochkonjunktur im Internet – Bestätigungstendenz Das Phänomen der Bestätigungstendenz zeigt sich in der Art, wie Menschen das Internet nutzen: Vor allem in den sozialen Netzwerken neigen Menschen dazu, Informationen zu suchen und zu konsumieren, die ihren eigenen Überzeugungen entsprechen. Es entstehen „Hallräume“, in denen man vorwiegend sich wechselseitig bestätigende Meinungen antrifft. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Algorithmen, mit denen Suchmaschinen, Facebook und andere ihre Ergebnisse personalisieren. In diesen „Filterblasen“ werden Nutzer nur noch mit Nachrichten versorgt, die ihren bereits vorhandenen Präferenzen entsprechen (Holzer 2016). Ein solcher „Hallraum“ ist per se nicht negativ, sofern sich der Nutzer dessen bewusst ist. Mit dem Bewusstsein, dass er sich eventuell nur noch einseitig informiert und sich anderen Informationsperspektiven verschließt, kann er selbst die Entscheidung treffen, in der Filterblase zu verbleiben oder sie zu verlassen.

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Folgen von Bestätigungstendenzen können die selbsterfüllende Prophezeiung und selektive Wahrnehmung sein. Selbsterfüllende Prophezeiung  Wenn Menschen ein Verhalten oder ein Ereignis erwarten und unbewusst dazu beitragen, dass diese Erwartung auch eintritt, spricht man von der selbsterfüllenden Prophezeiung. Eine selbstbezogene Sichtweise kreiert die Voraussetzungen für das Eintreten der erwarteten Ereignisse. Die selbsterfüllende Prophezeiung kann sowohl in einer optimistischen (z. B. der Glaube an den eigenen Erfolg) als auch in einer pessimistischen Variante (z. B. Stigmatisierung) wirksam werden (Asendorpf 2015, S. 101). Bekannt geworden ist das wissenschaftliche Experiment der amerikanischen Psychologen Robert Rosenthal und Lenore F. Jacobson, die an amerikanischen Grundschulen forschten (u. a. Rosenthal und Jacobson 1968). Die Wissenschaftler führten mit allen Schülern einen Intelligenztest durch und wählten anschließend von diesen einige Schüler zufällig aus. Den Lehrern erklärten sie jedoch, dass diese Kinder besonders intelligent seien. Tests nach einem Jahr zeigten, dass der „Intelligenzzuwachs“ genau bei diesen zufällig ausgewählten Schülern am größten war. Der Grund: Die Erwartung der Lehrer hat ihr Verhalten gegenüber den vermeintlich intelligentesten Schülern beeinflusst. Sie förderten und lobten sie besonders, sodass die Prophezeiung der Wissenschaftler wahr wurde. Ziehen wir nochmals den Teamleiter (STR +) als Beispiel heran (7 Abschn. 5.2.1, „Mögliche Auswirkung und Dynamiken von ‚blinden Flecken‘, wenn sie nicht erkannt werden“): Er ist vermutlich in seiner Denkhaltung gefangen und traut dem aus seiner Sicht hoffnungslos chaotischen Teammitglied (STR −) nicht zu, dass dieses verantwortungsbewusst arbeitet. Denn das passt nicht zu seiner eigenen Wertvorstellung und demzufolge nicht zu seiner Erwartung: „Ohne Struktur kein Erfolg.“ Er wird das Teammitglied vermutlich unbewusst weitestgehend ignorieren, übergehen und ihm keine verantwortungsvollen Aufgaben zuteilen. Der prophezeite Misserfolg tritt ein, wodurch der Teamleiter sich bestätigt fühlt. Selektive Wahrnehmung  Auch das, was wir visuell wahrnehmen, wird unbewusst von

unserer Persönlichkeit beeinflusst. Wir nehmen nur bestimmte Aspekte der Umwelt wahr, während wir andere ausblenden – wir filtern unsere Umwelt. Diese selektive Wahrnehmung orientiert sich immer an den unbewussten oder bewussten Motiven, Zielen, Überzeugungen und Erwartungen einer Person: Sie ist auf Reize ausgerichtet, die diesen dienen. Das ist auf der einen Seite praktisch und effizient, da es schnelle Reaktionen und Entscheidungen ermöglicht. Auf der anderen Seite können sich dadurch Meinungen und Urteile hartnäckig halten. Handlungen von sympathischen

5.2 · Was der Zufriedenheit im Wege steht

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Personen werden beispielsweise viel positiver wahrgenommen als Handlungen von unsympathischen. Auch Emotionen sind einer der zentralen Einflussfaktoren im Wahrnehmungsprozess. Starke Gefühle wie Angst können beispielsweise im Sinne einer Wahrnehmungsverschärfung wirken. Jeder Mensch nimmt die Welt so auf eine subjektive und individuelle Weise wahr (Stangl 2017c). Exkurs: Missverständnisse in der Kommunikation sind die Regel Konflikte haben ihre Ursache darin, dass Menschen einander nicht verstehen. Der eine kann nicht nachvollziehen, was dem anderen wichtig ist und welche Emotionen ein Ereignis, eine Situation, eine Person bei ihm auslöst. Wenn Personen miteinander kommunizieren, tauschen sie Signale aus. Der Sender sendet ein Signal, der Empfänger decodiert es und aktiviert dabei sein ganz individuelles Erfahrungs- und Assoziationsnetzwerk. Es wird schnell klar, dass es schwierig ist, dass Sender und Empfänger die Bedeutung gleich interpretieren. Gerhard Roth macht die Schwierigkeit an dem einfachen Wort (= Signal) „Pferd“ deutlich: „Das Wort ‚Pferd‘ kann beispielsweise bei einer Person Freude auslösen, die eben diese Freude beim Turnierreiten empfand. Bei einer anderen Person kann der Begriff eine unangenehme, angstbesetzte Erinnerung hervorrufen, weil sie in der Vergangenheit von einem aggressiven Pony gebissen wurde. Die Bedeutung der Erfahrung ergibt sich somit aus der Beziehung zwischen den einzelnen Elementen, d. h., sie ist kontextgebunden“ (Roth und Ryba 2016, S. 309). Hinzu kommt, dass vielen Menschen diese Schwierigkeiten des Nichtverstehens nicht bewusst sind. Sie gehen mit dem Gefühl auseinander, sich verstanden zu haben. Dies passiert verstärkt in Situationen, in denen Menschen Emotionen teilen. Gefühle sind „ansteckend“. In solchen Momenten denken wir, wir verstehen uns prächtig. Zum Konflikt kommt es meist erst dann, wenn man bemerkt, dass der andere nicht so handelt, wie man es von ihm erwartet (z. B. der Mitarbeiter macht nicht das, was der Chef ihm gesagt hat; das Kind tut nicht das, was die Eltern wollen). Dies kann passieren, weil der Empfänger es in seinem Verständnis anders gedeutet hat oder weil er in seiner Handlungsabsicht gestört wurde.

5.2.2  Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis?

Menschen zeigen Neigungen, die zu Wahrnehmungsverengungen führen und Konfliktpotenziale bergen. Mit ihrem ID37 Persönlichkeitsprofil können wir sie für Wahrnehmungsfallen sensibilisieren. Anhand seines Motivprofils können wir einem Klienten beispielsweise mögliche „blinde Flecken“ aufzeigen. Dies hilft ihm dabei, zu verstehen, dass er womöglich selbst oft die Ursache eines Problems ist. Wir können uns dank des individuellen Motivprofils in die Wirklichkeit des Klienten hineindenken. Aus dieser Wirklichkeit heraus – mit dem Blick aus seiner „Motivbrille“ – können wir ihn dabei unterstützen, sein Wahrnehmungsfeld dort zu erweitern, wo seine Motivausprägungen besonders hoch oder niedrig sind. Dabei wollen wir einen Prozess anstoßen, der sowohl die Selbsterkenntnis und die Bereitschaft zur Selbstreflexion fördert, als auch dazu anregt, eingefahrene Denkweisen zu verlassen, verengte Wahrnehmungsfelder zu öffnen und Unterschiede als Bereicherung zu verstehen. Diese reflexiven Auseinandersetzungen dienen der zukünftigen Stressreduktion und Konfliktvermeidung. Auch als Coach, Führungskraft oder als ID37 Master können wir der Tendenz zur Selbstbezogenheit oder der Bestätigungstendenz unterliegen. Es ist deshalb ratsam, sich immer wieder das eigene Persönlichkeitsprofil vor Augen zu führen, um Fehlurteile zu vermeiden und zu korrigieren.

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Kapitel 5 · Lebenszufriedenheit und Erfolg

5.3  Was ist Erfolg?

Die einfachste Antwort auf die Frage, was Erfolg ist, lautet: das Erreichen persönlicher Ziele. 5.3.1  Erfolg: Persönliche Ziele erreichen

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Erfolg ist etwas Individuelles – es ist das, was jeder für sich selbst als Erfolg definiert. Das kann durchaus eine Position mit Macht und Einfluss sein, das können aber auch eine glückliche Familie, eine gute Beziehung oder ein Beitrag für eine bessere Gesellschaft sein. In jedem Fall ist Erfolg mit einem positiven Gefühl verbunden. Wenn wir wissen, was uns emotional befriedigt, haben wir eine Orientierung, nach der wir unser Leben ausrichten können. Gelingt uns das, sind wir zufrieden und Erfolg stellt sich ein. Der Musiker und Literaturnobelpreisträger Bob Dylan definiert den Erfolg folgendermaßen:

» Ein Mensch ist dann erfolgreich, wenn er zwischen Aufstehen und Schlafengehen das tut, was ihm gefällt (Dylan 1967, zit. nach Lachetta 1967).

5.3.2  Zum Erfolg gehört auch Misserfolg

Jeder, der sich persönliche Ziele gesetzt hat, kann daran scheitern, sie umzusetzen. Was Scheitern für den Einzelnen bedeutet, ist verschieden. Für den einen gibt es keine Niederlagen. Der andere glaubt, ständig zu versagen – schon eine Präsentation vor dem Kunden, die nicht optimal gelaufen ist, kann für ihn Scheitern heißen. Über das Motivprofil erhalten wir Hinweise darauf, wie Menschen mit dem Scheitern umgehen. Betrachten wir beispielsweise das Motiv SOZIALE ANERKENNUNG: 5 SOZIALE ANERKENNUNG hoch ausgeprägt 5 Der spontane Impuls solcher Menschen sind Selbstzweifel und Angst vor dem Scheitern. Sie fürchten eher den Misserfolg, als dass sie sich auf den Erfolg freuen. Personen mit dieser Ausprägung wollen mögliche Konsequenzen wie Missachtung oder Verachtung vermeiden. Daher handeln sie nicht oder nur zögerlich. Mögliche Chancen lassen sie sich vermutlich entgehen. Die Angst vor dem Scheitern kann lähmen. 5 Die Angst vor dem Scheitern kann aber auch bewirken, dass sich die Person besonders anstrengt. Angst ist dann ein Antreiber, der die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns sogar reduziert. Man kann lernen, mit der Angst vor Misserfolg umzugehen. 5 SOZIALE ANERKENNUNG niedrig ausgeprägt 5 Der spontane Impuls solcher Menschen ist, das Scheitern relativ nüchtern zu analysieren, daraus zu lernen und es abzuhaken. Sie sind eher erfolgszuversichtlich. Findet keine genaue Analyse der Fehler statt, kann dies fatale Folgen haben:

5.3 · Was ist Erfolg?

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Personen mit dieser Ausprägung können zur Selbstüberschätzung neigen, sehen ggf. keine Warnzeichen, ignorieren diese oder machen die gleichen Fehler erneut. Dies kann zu einer Abwärtsspirale führen. Aus dem Scheitern lernen Für den Extrembergsteiger Reinhold Messner ist das Scheitern eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg: „Ich lerne durch das Scheitern mehr als durch meine Erfolge. Wenn ich Erfolg hatte, weiß ich in der Regel anschließend nicht, warum ich Erfolg hatte. Es spielt dann auch keine Rolle mehr. Was bleibt, ist nur ein Erfolgsgefühl, ein Lernprozess ist nicht gegeben. Wenn ich aber gescheitert bin, weiß ich, dass ich etwas falsch gemacht haben muss. Ich überdenke dann meine Expedition, um den Knackpunkt herauszufinden: Vielleicht hatte ich den falschen Partner“ (Walther 2008).

5.3.3  Erfolg und Misserfolg brauchen Aufmerksamkeit

Um Erfolgserlebnissen dauerhaft den Weg zu ebnen, ist es wesentlich zu wissen, wie man mit Erfolg und Niederlagen umgeht. Manchmal wird eine erfolgreiche Handlung nur bemerkt, wenn sie mit Anstrengung verbunden war (z. B. Abschluss eines schwierigen Projekts) oder wenn eine dritte Person den Erfolg bestätigt. Der störungsfreie Ablauf einer Zielerreichung selbst wird oft gar nicht als Erfolg wahrgenommen. Dann verpasst man die Gelegenheit, diesen Prozess als Erfolgserlebnis zu verbuchen. Dabei ist die bewusste Bewertung zielrealisierender Handlungen aus zwei Gründen wichtig: Erstens für das Selbstwirksamkeitserleben und zweitens für dauerhaftes Erfolgserleben, das sich im Gehirn als Schema bahnen muss:

» Jede bestätigende Rückmeldung bekräftigt die bestehenden synaptischen

Verbindungsgewichte des dem Schema zugrunde liegenden neuronalen Erregungsmusters, so dass in Zukunft dieses Schema noch leichter aktiviert werden kann (Grawe 1998, zit. nach Krause und Storch 2014, S. 185 f.).

Persönlicher Erfolg braucht wiederholte Aufmerksamkeit. Auch Misserfolg braucht Aufmerksamkeit. Dabei steht die Analyse des erlebten Geschehens im Vordergrund. Dies kann beispielsweise die Aufarbeitung des Reiz-Reaktions-Musters sein: Was hat eine Entscheidung beeinflusst oder eine Handlung getriggert, die zur Niederlage geführt hat? Auf Basis der Analyse lassen sich Strategien entwickeln, die dabei helfen, es beim nächsten Mal besser zu machen (z. B. Vorbereitung auf Reaktionen, wenn die Reize wieder auftreten). Auf eine längere Lebensspanne bezogen vollzieht sich das Erreichen persönlicher Ziele meist im Wechsel zwischen Erfolg und Scheitern. Wer flexibel damit umgehen lernt, gewinnt Souveränität und Zufriedenheit.

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Kapitel 5 · Lebenszufriedenheit und Erfolg

5.3.4  Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis?

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Auch wenn es sich einfach darstellen mag: Der Weg zum Erfolg ist anspruchsvoll. Ziele sind der Schlüssel für Zufriedenheit und Erfolg, weil wir sie selbst bestimmen. Anders als die teilweise genetisch determinierten Persönlichkeitsmerkmale oder das veränderliche Umfeld unterliegen die eigenen Ziele dem persönlichen Einfluss. Ziele können jederzeit flexibel in Richtung eines zufriedeneren Lebens angepasst und nachjustiert werden. Das ID37 Motivprofil ermöglicht, selbstkongruente Ziele zu setzen. Menschen sind erfolgreicher bei der Verwirklichung von Zielen, wenn diese mit ihren Motiven ­übereinstimmen. Kennen Menschen ihre Motive, finden sie auch Zugang zu ihren inneren Ressourcen, die die Zielerreichung unterstützen. Im Alltag gibt es jedoch auch viele Faktoren, die die Zielrealisierung beeinträchtigen können, z. B. der Rückfall in alte Handlungsmuster bei Stress. Dem können wir mit individuellen Strategien erfolgreich entgegenwirken. Hierzu erarbeiten wir mit dem Klienten, wie er seine Emotionen selbst regulieren kann und auch in schwierigen Situationen der Handelnde bleibt. Wir können uns nicht immer gemäß unserer Persönlichkeit verhalten, aber wir können daran arbeiten, bei Bedarf aus unserem Selbst herauszutreten. Auch ein konstruktiver Umgang mit Misserfolg ist erlernbar, wenn man sich kennt. Antrieb, Zufriedenheit und Erfolg sind ein Dreiklang. Während man über die Reihenfolge von Zufriedenheit und Erfolg philosophieren kann, ist Antrieb der Anfang von allem. Wissen wir, was uns antreibt, finden wir zu uns passende Ziele und die Motivation, diese zu verfolgen. Es ist der Antrieb, der uns beflügelt und den Weg zu Zufriedenheit und Erfolg ebnet (. Abb. 5.1).

Selbstverantwortung

Erfolg Karriere Müssig gang

Selbststeuerung

… Zufriedenheit

Familie



Antrieb

… Ziele 16 Motive

Anreize Sinn

Bedürf nisse

. Abb. 5.1  Zusammenhang von Antrieb, Zufriedenheit und Erfolg

109 Literatur

Literatur Asendorpf, J. B. (2015). Persönlichkeitspsychologie für Bachelor (3. Aufl.). Berlin: Springer. Brandstädter, J. (2015). Positive Entwicklung (2. Aufl.) Berlin: Springer (E-Book). Csíkszentmihályi, M. (2005). Flow (12. Aufl.). Stuttgart: Klett-Cotta. Holzer, B. (2016). Gefangen in der Filterblase? 7 http://www.faz.net/aktuell/wissen/ins-netz-gegangen/ internetnutzer-befinden-sich-in-einer-filterblase-14503725.html. Zugegriffen: 21. März 2018. Kashdan, T. B. (2013). Mindfulness, acceptance and positive psychology. Oakland: Context Press. Krause, F., & Storch, M. (2014). Selbstmanagement – ressourcenorientiert (5. Aufl.). Bern: Huber. Lachetta, M. (08. Mai 1967). New York Daily News. Lotter, W. (2016). Das Lustprinzip. brand eins, 8, 38–45. Reinhardt, S. (2014). Zufriedenheit: Das wahre Glück. Psychologie Heute, 1, 20–27. Rosenthal, R., & Jacobson, L. (1968). Pygmalion in the classroom. The Urban Review, 3(1), 16–20. Roth, G. (2007). Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. Stuttgart: Klett-Cotta. Roth, G., & Ryba, A. (2016). Coaching, Beratung und Gehirn. Stuttgart: Klett-Cotta (E-Book). Sauerland, M. (2015). Design your mind – Denkfallen entlarven und überwinden. Wiesbaden: Springer. Stangl, W. (2017a). Stichwort: Zufriedenheit. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik. 7 http:// lexikon.stangl.eu/6737/zufriedenheit/. Zugegriffen: 21. März 2018. Stangl, W. (2017b). Stichwort: Bestätigungstendenz. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik. 7 http:// lexikon.stangl.eu/3159/bestaetigungstendenz-bestaetigungsfehler/. Zugegriffen: 21. März 2018. Stangl, W. (2017c). Stichwort: selektive Wahrnehmung. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik. 7 http://lexikon.stangl.eu/1708/selektive-wahrnehmung/. Zugegriffen: 21. März 2018. Walther, P. (2008). Der Mensch lernt nur durch Versuch und Irrtum. Interview mit Reinhold Messner. managerSeminare, 122, 30. Wilhelm, K. (2014). Glück kann unaufmerksam und verführbar machen. Psychologie Heute, 1, 28–30.

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ID37 in der Arbeitspraxis 6.1  Einsatzbereiche – 112 6.2  Das ID37 Analysegespräch – 115 6.2.1  Vorbereitung und Durchführung – 116 6.2.2  Interpretationshilfen – 118 6.2.3  Ethik- und Qualitätsanspruch von ID37 – 120

6.3  Selbststeuerung mit ID37 – 120 6.3.1  Phase 1: Persönlichkeitsklärung | Standortbestimmung – 122 6.3.2  Phase 2: Zielklärung und Zielsetzung |  Selbstwahrnehmung – 123 6.3.3  Phase 3: Ressourcenaktivierung | Selbstmotivation – 125 6.3.4  Phase 4: Zielverankerung | Handlungsvorbereitung und Transfersicherung – 127 6.3.5  Phase 5: Automatisierung | neue Gewohnheiten – 128 6.3.6  Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis? – 129

6.4  Fallbeispiele aus der Wirtschaft – 130 6.4.1  Business-Coaching – 130 6.4.2  Führung – 136 6.4.3  Human-Resources-Management – 151

6.5  Wann ist die Arbeit mit ID37 erfolgreich? – 154 6.6  Der Weg zu ID37 – 154 Literatur – 155

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Staller, C. Kirschke, Die ID37 Persönlichkeitsanalyse, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58004-2_6

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Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

Wir befinden uns in einem permanenten Lernprozess, insbesondere in der heutigen Arbeitswelt: Wir lernen neue Technologien, bewältigen die wachsende Informationsflut, kommen in heterogenen und oftmals kulturell vielfältigen Teams zurecht und finden neue Arten der Zusammenarbeit, und auch vor dem Privatleben machen die Veränderungsprozesse nicht halt. Für die einen ist dies ein Segen, für die anderen bedeutet es große Verunsicherung, Stress oder sogar Angst. Wie schaffen wir es also, mit diesen Herausforderungen klarzukommen und sie für uns zu nutzen? Die dafür erforderliche Selbststeuerung kann man lernen. Dabei hat es sich unserer Erfahrung nach bewährt, die individuellen Ressourcen – z. B. die eigenen Motive – zu identifizieren und zu aktivieren. Die Persönlichkeitsanalyse ID37 ist ein effektives Instrument, um dies zu tun. Es ist zugleich die Verständigungsgrundlage für eine verbesserte Zusammenarbeit und Kommunikation – zwischen Coach und Klient, zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, innerhalb von Teams und auch im ganz alltäglichen Miteinander. 6.1  Einsatzbereiche

Jeder Mensch kann den wissenschaftlichen ID37 Test durchführen (7 Abschn. 4.1). Daher sind die Einsatzmöglichkeiten dieses Instruments vielfältig. Der folgende Überblick stellt eine Auswahl dar: 5 Coaching Im Coaching hilft ID37, den persönlichen Standort zu bestimmen und in Veränderungssituationen handlungsfähig zu sein. Es dient als Ausgangsbasis, um Menschen dabei zu unterstützen, ein selbstgestaltetes, zufriedeneres Leben zu führen. 5 Business-Coaching Oft wird ID37 im Business-Coaching eingesetzt, wenn der Schwerpunkt darauf liegt, berufliche Zufriedenheit zu erlangen, denn dies ist die Voraussetzung für dauerhafte Leistung. Die Analyse der Motive hilft dabei, eventuelle Diskrepanzen zwischen persönlichen Zielen und Anforderungen einer Rolle aufzudecken. 5 Unternehmen und Organisationen Im Human-Resources-Management wird das Persönlichkeitsdiagnostikinstrument ID37 von der Personalauswahl und -entwicklung bis zur Führungskräfte- und Teamentwicklung eingesetzt. Unternehmen brauchen ganzheitliche Personalstrategien sowie vernetzte und individualisierbare Konzepte, um passende Bewerber zu gewinnen, die Potenziale ihrer Mitarbeiter zu entfalten und sie im Unternehmen zu halten. Mit ID37 können Unternehmen diese Aufgaben systematisch angehen. Ein fundiertes Talentmanagement dient Unternehmen nicht nur dazu, ihre Mitarbeiter bestmöglich zu entwickeln, sondern ist auch der Erfolgsfaktor im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte (McKinsey Deutschland et al. 2011). 5 Personalauswahl und Weiterentwicklung Die Persönlichkeit spielt bei der Stellenbesetzung eine erhebliche Rolle (Hossiep und Weiß 2017). Ein Bewerber, der die passenden Anlagen für eine Rolle mitbringt, wird sich bei der Ausführung seines Jobs grundsätzlich leichter tun und mehr Leistung bringen als eine Person, die gegen ihre natürlichen Neigungen handeln muss. Eine persönlichkeitsdiagnostische Analyse mit ID37 kann für Unternehmen zu einem strategischen Instrument werden, um festzustellen, inwiefern ein Kandidat vor dem Hintergrund seiner Persönlichkeit den Anforderungen

6.1 · Einsatzbereiche

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einer Rolle gerecht wird und welche zielgerichteten Entwicklungsmaßnahmen er benötigt. Unternehmen legen so ihren Personalentscheidungen eine fundierte Systematik zugrunde.

5 Führung Eine gute Führungskraft ist aus unserer Sicht diejenige, die ihre eigene Persönlichkeit kennt und sich selbst steuern kann. Sie ist in der Lage, mit sich, verschiedenen Situationen und Menschen so flexibel umzugehen, dass sie stets handlungsfähig bleibt und dabei die Belange des Mitarbeiters und des Unternehmens bestmöglich berücksichtigt. Aus unserer Erfahrung gibt es für die Führungskraft keine ideale Motivkonstellation und demzufolge kein Idealprofil. Der Vorteil der Arbeit mit ID37 im Führungskontext besteht vielmehr darin, die individuellen Potenziale einer Führungskraft zu entschlüsseln, damit sie Klarheit über ihre eigene Persönlichkeit gewinnt und diese bestmöglich für ihre Führungsrolle einsetzen kann. Führungskräfte können ID37 zudem als Instrument für die individuelle Führung und Teamentwicklung einsetzen. 5 Teamentwicklung Eine ID37 Teamanalyse zeigt, wie man leistungsfähige und -willige Teams aufbaut und erfolgreich führt. Teamleiter nutzen das Instrument, um: – die Wirksamkeit eines Teams und gemeinsame Identifikation zu steigern; – Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Team herauszuarbeiten; – ein Vokabular zur Verfügung zu stellen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu besprechen; – Gruppendynamiken und Verhaltensweisen zu erklären; – gegenseitiges Verständnis und Respekt zu fördern; – Strategien zur Förderung von Teamstärken zu entwickeln; – potenzielle Konfliktherde zu erkennen und zu beseitigen; – Team-Werte und wertschätzende Spielregeln zu erstellen; – Rollen- und Aufgabenverteilungen anzupassen. Weitere Anwendungsbereiche von ID37 sind: 5 Leistungssport Trainer und Sportpsychologen erarbeiten mit der ID37 Analyse individuelle Strategien mit den Athleten, die optimal auf deren Persönlichkeit angepasst sind. Sie gehen dabei differenziert vor und entscheiden zwischen Wettkampf-, Trainings- und Regenerationsphasen. Jede Phase verlangt andere individuelle Anreize, um punktgenau die Voraussetzungen für Höchstleistungen, Weiterentwicklung oder Erholung zu schaffen. Auch die Trainer selbst lernen anhand ihres Motivprofils, wo möglicherweise eigene „blinde Flecken“ sind, die sie unbewusst auf ihre Athleten übertragen. Durch permanentes Beobachten und Steuern führen Trainer ihre Sportler individuell zu mentaler Stärke. Bei Teamsportarten liegt der Fokus zusätzlich auf der mannschaftlichen Geschlossenheit, der Steigerung des Teamgeists und der Ansprache, mit der das Team zu Höchstleistungen geführt werden kann. 5 Beziehungen Gegensätze mögen sich kurzzeitig anziehen. Es ist jedoch mittlerweile hinreichend erforscht, dass Beziehungen auf Dauer umso glücklicher verlaufen, je ähnlicher sich Menschen sind und sich aufeinander einstellen können. Die Beziehungs- und Paarberatung mit ID37 macht sich das zunutze und legt offen, in welchen Motiven sich Paare ähneln und wo Konflikte ihre Ursachen haben.

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Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

5 Marketing und Markenführung Warum kaufen Menschen bestimmte Marken? Die Antwort lautet: Menschen kaufen keine Marken, sie kaufen das, was (Motiv-)Befriedung verspricht (Schreier et al. 2010, S. 86 f.). Branding, das mit menschlichen Werten arbeitet, bringt die Marke mit den Werten ihrer Zielgruppe in ein gemeinsames Bezugssystem und kann (Kauf-) Verhalten triggern. Werte entsprechen hier Motiven. So adressiert beispielsweise die Automarke Volvo Menschen mit einem hohen Sicherheitsbedürfnis. Mercedes-Benz hingegen spricht mit seiner konsequenten Positionierung primär Autofahrer mit einer hohen Ausprägung des Motivs STATUS an (Chlupsa 2017, S. 63). Marken, die implizit und konsistent vermitteln, dass ihre Käufer durch sie eine gefühlte Motivbefriedigung erlangen könnten, haben einen Wettbewerbsvorteil. Für solche Branding-Konzepte liefert ID37 ein fundiertes Bezugssystem. 5 Forschung Für die psychologische Grundlagenforschung und anwendungsbezogene Psychologie leistet ID37 ebenfalls einen Beitrag, indem es die wichtigsten Dispositionskonstrukte der dynamischen Persönlichkeit erfasst. Seine Anwendung findet dies z. B. bei der Erforschung der Motivation im Kontext von Gesundheit und Prävention. > Das Persönlichkeitsmodell ID37 betrachtet den Menschen ganzheitlich. Es ist

branchen- und fachübergreifend einsetzbar.

z Einsatz von ID37 in Unternehmen – rechtliche Aspekte

Aufgrund seiner guten Testgütekriterien (7 Abschn. 4.2) und seiner praktischen Anwendbarkeit gehört ID37 zu den psychologischen Tests, die für den Einsatz im Unternehmenskontext geeignet sind. ID37 Master sind Experten für die professionelle Testdurchführung, Analyse und Auswertung. Folgende rechtlichen Rahmenbedingungen sind beim Einsatz von ID37 in Unternehmen zu berücksichtigen (Hossiep und Weiß 2017): 5 Mitbestimmung des Betriebsrats Von unmittelbarer Relevanz ist das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), das die Arbeit von Betriebsräten regelt. Nach den Paragraphen 94 und 95 (§ 94 zum Thema Personalfragebogen im Betrieb und § 95 Auswahlrichtlinien) bedürfen Personalfragebogen im Unternehmen meist der Zustimmung des Betriebsrates. Professionelle Anwender von ID37 sollten rechtzeitig klären, wie der Betriebsrat in die Arbeit mit dem ID37 Persönlichkeitsdiagnostikinstrument eingebunden wird. 5 Datenschutz 5 Für alle abhängig Beschäftigten gilt das Arbeitsrecht, das Gesetze, Verordnungen und verbindliche Bestimmungen zum Schutz von Arbeitnehmern umfasst, wie beispielsweise den Beschäftigtendatenschutz. 5 Die Europäische Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) betrifft auch den Schutz personenbezogener Daten von Beschäftigten und Bewerbern. Auch wenn der Beschäftigtendatenschutz selbst keinen Eingang in Form einer eigenständigen Regelung in die EU-DSGVO gefunden hat, gehen deren Vorgaben teilweise weit über die des deutschen Bundesdatenschutzgesetzes hinaus – z. B. in Bezug auf Informations- und Auskunftspflichten durch den Arbeitgeber. 5 Nach § 32 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) ist die Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten eines Beschäftigten nur dann zulässig, wenn ein unmittelbarer Bezug zu dem zu besetzenden Arbeitsplatz besteht. Das gilt

6.1 · Einsatzbereiche

115

selbstverständlich auch für Bewerber. Daher muss gewährleistet sein, dass mithilfe des Persönlichkeitstests ausschließlich anforderungsrelevante Merkmale zur Prüfung der Eignung einer Person in Bezug auf die Anforderungen in der (zukünftigen) Arbeitstätigkeit erhoben werden. ID37 bietet Testvarianten, die beispielsweise die Möglichkeit haben, das Motiv „SINNLICHKEIT“ auszublenden und somit auf Items zu verzichten, die die Intimsphäre von Menschen berühren könnten. 5 Als eine weitere grundlegende Voraussetzung für die Zulässigkeit des Einsatzes eines Persönlichkeitstests ist die Aufklärung des Testnehmers über die Art, die Funktionsweise und den Umfang des Tests sowie über die Verwendung der Persönlichkeitsdaten und die diesbezügliche Einwilligung. Testnehmer des ID37 Tests geben mit Ausfüllen des Fragebogens ihr Einverständnis über die kontextbezogene Verwendung ihrer Daten. Zudem werden sie im vorbereitenden Gespräch durch den ID37 Master darüber aufgeklärt. Wird ID37 im Personalauswahlverfahren eingesetzt, ist die schriftliche Zustimmung des Bewerbers Pflicht. 5 Ergebnisse persönlichkeitsorientierter Fragebogen sind sensible personenbezogene Daten, hinsichtlich deren Aufbewahrung auch die Persönlichkeitsrechte zu wahren sind. Zudem muss die Vertraulichkeit gewahrt bleiben. Die Rohdaten der ID37 Testnehmer liegen bis zum Widerruf auf europäischen Servern. Erfolgt ein Widerruf, dann werden sie rückstandslos gelöscht.

5 Schutz vor Diskriminierung Das Verfahren ID37 ist konform zu den Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Ziel des AGG ist die Verhinderung bzw. Beseitigung von Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts, des Alters, einer Behinderung, der sexuellen Identität, der Religion oder Weltanschauung sowie hinsichtlich Rasse oder ethnischer Herkunft (§ 1 AGG). 5 DIN-Norm 33430 Die DIN-Norm 33430 definiert Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen. Sie ist keine Rechtsnorm, sondern legt als Prozessnorm Anforderungen und den Umgang mit psychometrischen Verfahren im beruflichen Kontext fest. ID37 folgt den Qualitätsstandards der DIN-Norm 33430. Die Norm ist für Unternehmen nicht bindend, aber in einem Rechtsstreit, wie beispielsweise einer Personalauswahlentscheidung, könnte es sich als positiv für das Unternehmen erweisen, dass der ID37 Test den Anforderungen entspricht. > Transparenz, Aufklärungswille, eine offene und vertrauensvolle Kommunikation

sind Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit mit der ID37 Persönlichkeitsanalyse in Unternehmen. Wir empfehlen, zu Beginn eines Projekts mit dem Auftraggeber zu klären, wann welche relevanten Stellen und Beauftragten einzubeziehen sind.

6.2  Das ID37 Analysegespräch

Der ID37 Master führt das Analysegespräch, nachdem der Testnehmer den Test ausgefüllt hat und ihm das computergenerierte Testergebnis – also das individuelle Motivprofil – vorliegt. Er kann bereits am Motivprofil erkennen, wen er vor sich haben wird und sich so optimal auf das Analysegespräch vorbereiten.

6

116

Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

Wir empfehlen, zu Beginn des Analysegesprächs etwas Zeit einzuräumen, damit sich beide Personen aufeinander einstellen können und eine vertrauensvolle Atmosphäre entsteht. Der ID37 Master findet mit dem Wissen um die Persönlichkeit des Klienten und aus der Vorgeschichte immer einen Anknüpfungspunkt, womit er den Klienten wertschätzend in seiner Welt abholen kann. Dem Analysegespräch kommt eine besondere Bedeutung zu, da die Auswertung nun durch den persönlichen Kontext und die Lebenssituation des Testnehmers ergänzt wird. Der ID37 Master ist daher gefordert, dem Klienten besonders gut zuzuhören, den Gesamtzusammenhang zu verstehen und mit dem Motivprofil in Verbindung zu bringen. Ziele des Analysegesprächs

6

5 Vorstellung des wertfreien Testergebnisses 5 Gemeinsame Interpretation und Reflexion 5 Einbeziehung von Zielsetzung und Kontext des Klienten

Das Ergebnis des Analysegesprächs ist Verständnis und Akzeptanz des persönlichen Motivprofils seitens des Klienten. > Bei der Persönlichkeitsanalyse ID37 geht es darum, die Informationen, die das

Motivprofil über die Persönlichkeit verrät, klar herauszuarbeiten, Verhaltensmuster zu erkennen und zu verstehen, wie sich das Zusammenspiel der 16 Motive in der individuellen Lebenssituation auswirkt.

6.2.1  Vorbereitung und Durchführung

Der ID37  Master taucht im Analysegespräch in die speziellen Lebensumstände des Klienten ein, gewinnt ein besseres Verständnis von ihm und kann Abläufe und Zusammenhänge zwischen Bedürfnis, Motiv und Emotion begreifbar machen. Das eigene Fühlen, Denken und Handeln wird dem Klienten bewusst – der erste Schritt in Richtung Selbststeuerung. Das Analysegespräch: Der Nebel lichtet sich Vor dem Analysegespräch sieht der ID37 Master am Motivprofil, dass sein Klient ein niedriges Motiv SICHERHEIT (SIC −) und ein sehr hohes Motiv SOZIALE ANERKENNUNG (SAN ++) hat. Er erkennt daraus, dass diese Person gerne Risiken eingeht, durch Wertschätzung motiviert wird und sehr selbstkritisch ist. Vielleicht hat der ID37 Master schon öfter Personen mit einer ähnlichen Ausprägung betreut, die in Entscheidungskonflikte gerieten, wenn sie sich in neuen Umfeldern behaupten mussten. Er beschließt, konkret nachzufragen. Im Analysegespräch berichtet der Klient daraufhin, wie es sich für ihn angefühlt hatte, als ihm die Leitung für ein Innovationsprojekt angeboten wurde. Auf der einen Seite freute er sich auf das herausfordernde Projekt und auf spannende neue Erfahrungen (SIC −). Auf der anderen Seite regten sich Zweifel, ob er diesem Projekt überhaupt gewachsen sei (SAN ++). Er hatte damals widersprüchliche Gefühle: Er fühlte sich zugleich angstfrei und ängstlich. Am Ende entschied er sich gegen die Projektleitung, ohne genau zu wissen warum. Der ID37 Master konnte die diffuse Gefühlslage im Analysegespräch aufklären: Aufgrund der sehr hohen Ausprägung des Motivs SOZIALE

6.2 · Das ID37 Analysegespräch

117

ANERKENNUNG überwog die Sorge, dem hohem Anspruch und den Erwartungen nicht genügen zu können. Dies ist eine wertvolle Erkenntnis für den Klienten bei zukünftigen Entscheidungen.

Aufgrund der hohen Aussagekraft bildet die ID37 Analyse häufig den Auftakt für ein nachgelagertes Coaching oder eine Beratung, in denen individuelle Interventionsmaßnahmen entwickelt werden. Für das Analysegespräch werden 90 min avisiert. Wir empfehlen folgenden Ablauf: Ablauf eines Analysegesprächs 5 Einstieg – „Warmlaufen“. – Abklärung der Zielsetzung des Gesprächs. – Kurzvorstellung des ID37 Verfahrens. – Einstieg ins Thema (z. B. „Wie ging es Ihnen beim Ausfüllen?“, Hinweis auf die Wertfreiheit des Ergebnisses, Trennschärfe der Motive). 5 Profilbesprechung – Der ID37 Master bespricht das Motivprofil ausführlich mit dem Klienten. – Die Analyse und Interpretation der Ausprägung der Motive orientiert sich an den standardisierten Beschreibungen des Ergebnisberichts. – Im Analysegespräch geht der ID37 Master wertfrei auf jedes der Lebensmotive sowie deren Bedeutung in der Gesamtwirkung ein (z. B. Wechselwirkungen, Motivkonflikte). – Der ID37 Master geht auf die Eigen- und Fremdwahrnehmung ein, um dem Klienten mögliche „blinde Flecken“ aufzuzeigen und die ihm emotional fremden Ausprägungen zu erklären. – Er kann den Impuls setzen, Ressourcen und Potenziale nutzbar zu machen. – Der ID37 Master ist zu jeder Zeit wertschätzend, hört zu und stellt Rückfragen, sodass er die Lebenssituation gut versteht und eine Gesamtbetrachtung erfolgen kann. 5 Abschluss – Resümee ziehen: Der ID37 Master nimmt sich ausreichend Zeit, um alle Rückfragen des Klienten zu beantworten. – Der ID37 Master kann das Vertrauen des Klienten erwidern, indem er sein eigenes Motivprofil dem des Klienten gegenüberstellt. Dies ist kein Muss, es hat sich aber in der Praxis bewährt.

Unabhängig davon, mit welcher Zielsetzung eine Person sich dazu entschlossen hat oder angeregt wurde, ihr ID37 Motivprofil zu erstellen – die Person gewinnt an Selbsterkenntnis, was meist einen intensiven Reflexionsprozess auslöst. Daraufhin werden weiterführende Ansätze und Maßnahmen für die Selbstentwicklung abgeleitet. > Im Analysegespräch erläutert der ID37 Master wertschätzend und

verantwortungsvoll das Motivprofil. Er kann den Impuls setzen, Ressourcen und Potenziale nutzbar zu machen.

6

118

Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

6.2.2  Interpretationshilfen

6

Der ID37 Master erhält im Rahmen seiner Ausbildung Werkzeuge, um die Gesamtwirkung des zu besprechenden Motivprofils zu erfassen, z. B. Ergebnisbericht, Leitsätze, Emotionen, Eigen- und Fremdwahrnehmung, Item-Zuordnung, Gegenüberstellung. Das Motivprofil bildet eine individuelle Kombination von Motivausprägungen ab, das die Persönlichkeit in ihrer Einzigartigkeit wertfrei beschreibt. Typologisierungen, Generalisierungen und Idealprofile hingegen entsprechen nicht der Philosophie von ID37. Auch wenn bestimmte Motivkonstellationen für bestimmte Anforderungen hilfreiche Voraussetzungen sind, so gibt es keine Idealprofile. Die einzelne Motivausprägung gibt nicht nur Auskunft darüber, welche Priorität eine Person einem Motiv beimisst, sondern auch wie viel davon: Wie intensiv will das Motiv befriedigt werden? Wie häufig macht sich ein Mangelzustand bemerkbar? Erst bei einer Motivausprägung von ≤ 4 und ≥ 7 gehen wir davon aus, dass sie das Verhalten signifikant beeinflusst. Die Motivausprägungen, die besonders stark von der Norm abweichen (≤ 3 und ≥ 8, d. h. ab der 1. Standardabweichung), sind für die Beschreibung der Persönlichkeit und der individuellen Bedürfnisse des Klienten besonders aufschlussreich, weil sie sein Erleben und Verhalten am stärksten leiten und beeinflussen. Dabei gilt: Je höher die Abweichung von der Norm, desto stärker wirkt sich das Motiv im Leben der Person aus – im Verhalten und emotional (weitere Details zur Motivausprägung 7 Abschn. 4.3). Auszug aus einem Analysegespräch am Beispiel eines einzelnen Motivs Der ID37 Master beginnt die Profilanalyse mit dem Motiv EINFLUSS, da es einen sehr hohen Wert von 10 aufweist (EIN ++). Er fängt an, den Grundsatz eines Motivs zu erklären: „Das Motiv EINFLUSS beschreibt Unterschiede im Streben nach Kontrolle und Einfluss auf Personen und Vorgänge. Umgangssprachlich kann man auch sagen, es misst den Anteil des Alphatiers in Ihnen.“ Dann geht er auf die Motivausprägung des Klienten ein: „Ihre Selbsteinschätzung mit dem Wert 10 hat ergeben, dass es sich für Sie sehr gut anfühlt, wenn Sie als Alphatier agieren können. Sie wollen Anführer sein.“ Der ID37 Master beobachtet auf diese Beschreibung hin die Körpersprache des Klienten, stellt Zustimmung fest und fährt – bestätigt in der Analyse des Motivs EINFLUSS – fort. Er beschreibt nun Verhaltensindikatoren des Motivs EINFLUSS mit einer niedrigen Ausprägung (EIN −): „Menschen, die – anders als Sie – einen niedrigen Wert des Motivs EINFLUSS haben, brauchen das Gefühl der Kontrolle über andere nicht. Im Gegenteil, sie versuchen ggf. Situationen der Einflussnahme zu vermeiden. Eine typische Verhaltensweise einer Führungskraft mit niedriger Ausprägung des Motivs EINFLUSS ist, Rahmenbedingungen für ihr Team zu schaffen und sie zu befähigen, selbst Entscheidungen zu treffen. Aber Achtung: Das heißt nicht, dass diese Führungskraft nicht entscheiden kann – sie braucht lediglich dieses Gefühl nicht.“ Der Klient überlegt kurz und erzählt dem ID37 Master von einem Führungskollegen, bei dem er dieses Verhalten wiedererkennt. Er hat diesen Kollegen bis heute leicht verächtlich als entscheidungsschwache Führungskraft „abgestempelt“.

Das Zusammenspiel mehrerer Motive präzisiert die Verhaltensprognose. So können beispielsweise zwei Menschen mit der gleichen Ausprägung des Motivs EINFLUSS diese Motivausprägung völlig unterschiedlich ausleben, je nachdem, welche anderen Motive bei ihnen wirken. Bei der Kombination EINFLUSS sehr hoch (EIN ++), SOZIALE

119

6.2 · Das ID37 Analysegespräch

ANERKENNUNG niedrig (SAN −) und SICHERHEIT niedrig (SIC −) wird sich Person A in Entscheidungssituationen vermutlich sehr dominant, selbstbewusst und risikofreudig verhalten (. Abb. 6.1a). Person B mit der Kombination EINFLUSS sehr hoch (EIN ++), SOZIALE ANERKENNUNG hoch (SAN +) und SICHERHEIT hoch (SIC +) wird vermutlich kooperativ, zustimmungssuchend und sicherheitsorientiert entscheiden (. Abb. 6.1b). a

Person A 1

2%

2

5%

3

9%

4

15%

NIEDRIG

5

19%

6

19%

7

15%

8

9%

MITTEL

9

5%

10

2

Soziale Anerkennung

10

Einfluss

2

Sicherheit

9

Soziale Anerkennung

10

Einfluss

9

Sicherheit

2%

HOCH

Person A wahrscheinlich dominant, selbstbewusst und risikofreudig

b

Person B 1

2%

2

5% NIEDRIG

3

9%

4

15%

5

19%

6

19%

MITTEL

7

15%

8

9%

9

5%

10

2%

HOCH

Person B wahrscheinlich kooperativ, zustimmungssuchend und sicherheitsorientiert . Abb. 6.1  Zusammenspiel von Motiven präzisiert Verhaltensprognose. a Person A wahrscheinlich dominant, selbstbewusst und risikofreudig, b Person B wahrscheinlich kooperativ, zustimmungssuchend und sicherheitsorientiert

6

120

Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

> Starke Motivausprägungen beeinflussen Verhalten und damit auch das Führungs-

verhalten und den Führungsstil. Die Motivkonstellation alleine macht jedoch keine Aussage darüber, ob es sich um eine gute Führungskraft handelt oder ob diese erfolgreich sein kann. Dies hängt neben der Persönlichkeit von vielfältigen Faktoren und deren Wechselwirkungen ab.

Reflexion für ID37 Master

6

5 Das Ergebnis ist wertfrei – es gibt keine Stärken oder Schwächen. 5 ID37 ermittelt keine Fähigkeiten oder Fertigkeiten, sondern persönliche Prioritäten auf Basis der 16 Lebensmotive. 5 Die Analyse ist kein Gefälligkeitsgutachten: Es geht nicht darum, dem Klienten zu sagen, was er hören will. 5 Verhaltensveränderung ist möglich, aber nur innerhalb des Rahmens, den das persönliche Motivprofil vorgibt. 5 Jeder ID37 Master reflektiert vor dem Gespräch sein eigenes Motivprofil – auch er ist nicht frei von „blinden Flecken“ und Bestätigungstendenz. 5 Wie jedes Modell hat auch ID37 seine Grenzen: Es kann nicht jede Verhaltensweise erklären.

6.2.3  Ethik- und Qualitätsanspruch von ID37

Im professionellen Einsatz werden die Ergebnisse der ID37 Persönlichkeitsanalyse im Zusammenhang mit einem persönlichen Analysegespräch ausgehändigt, um Fehlinterpretationen, Überinterpretationen und Unklarheiten auszuschließen. Das Analysegespräch ist: 5 wert- und wertungsfrei, 5 rücksichtsvoll, wertschätzend und aufmerksam, 5 offen und selbstreflektiert. Diese Ethik ist ausdrücklicher Bestandteil der Ausbildung zum ID37 Master. Wissenschaftlicher Qualitätsstandard und Beratungsethik geben einen hohen Standard für die Arbeit mit ID37 vor. 6.3  Selbststeuerung mit ID37

Selbststeuerung mit ID37 hilft Anwendern, die Erkenntnisse aus der Motivanalyse in die tägliche Praxis zu transferieren. Mit diesem systematischen und zugleich offenen Ansatz bieten wir einen roten Faden, um wirksam Veränderungsprozesse einzuleiten. Die Methode zielt auf das Erlernen von wirksamer Selbststeuerung, um die persönliche

6.3 · Selbststeuerung mit ID37

121

Lebensqualität zu verbessern. Dabei kombinieren wir die ID37 Persönlichkeitsanalyse mit den Forschungen und Anwendungen des Zürcher Ressourcen Modells (ZRM; Krause und Storch 2014). Wir möchten Impulse für die Praxis setzen und jeden dazu anregen, diesen Ansatz mit eigenen Erfahrungen zu ergänzen. Selbststeuerung Selbststeuerung mit ID37 bedeutet, Menschen dabei zu unterstützen, selbstbestimmt persönliche Veränderungsprozesse zu initiieren, zu entwickeln und so zu implementieren, dass gewünschte Handlungen automatisiert ablaufen. Die Kenntnis der eigenen Persönlichkeit bildet dabei den Dreh- und Angelpunkt für ein zufriedenes und erfolgreiches Leben.

Unser persönlichkeits- und ressourcenorientierter Ansatz arbeitet mit dem, was Menschen wollen und was ihnen wichtig ist. Es geht darum, vorhandene Potenziale und Ressourcen zu erkennen, zu nutzen und zu stärken. Die individuell ermittelten 16 Lebensmotive sind dabei die wichtigsten. Wir zeigen anhand von 5 Phasen, wie vor dem Hintergrund der eigenen Motivausprägungen persönliche Ziele gesetzt und erfolgreich umgesetzt werden können. Jeder handelt entsprechend seiner Persönlichkeit, aber erst die gezielte Handlungssteuerung ermöglicht es einem Menschen, aus dem geschlossenen System des Selbst herauszutreten und aktiv einzugreifen, wann immer es erforderlich ist – beispielsweise beim Durchhalten einer strengen Diät, obwohl das Motiv ESSENSGENUSS hoch ausgeprägt ist, beim Spaß der Lehrerin an der Klassenfahrt, obwohl das Motiv SOZIALKONTAKTE niedrig ausgeprägt ist, oder bei der Fähigkeit, ruhig zu bleiben, obwohl das Motiv REVANCHE hoch ausgeprägt ist. Im Kern geht es darum, sich auf Basis der persönlichen Ziele neue Verhaltensweisen anzueignen und diese in Automatismen zu überführen. Die Zahl der Handlungsalternativen, die in schwierigen Situationen spontan abgerufen werden können, vergrößert sich dadurch – und damit die Wahrscheinlichkeit, zufriedener und weniger gestresst durchs Leben zu gehen. > Durch Selbststeuerung eröffnen sich Menschen neue Handlungsspielräume.

Der Selbststeuerungsprozess verläuft in 5 Phasen: 5 Phase 1: Persönlichkeitsklärung | Standortbestimmung (7 Abschn. 6.3.1), 5 Phase 2: Zielklärung und Zielsetzung | Selbstwahrnehmung (7 Abschn. 6.3.2), 5 Phase 3: Ressourcenaktivierung | Selbstmotivation (7 Abschn. 6.3.3), 5 Phase 4: Zielverankerung | Handlungsvorbereitung und Transfersicherung (7 Abschn. 6.3.4), 5 Phase 5: Automatisierung | neue Gewohnheiten (7 Abschn. 6.3.5).

6

122

Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

6.3.1  Phase 1: Persönlichkeitsklärung | Standortbestimmung

6

Am Anfang steht die ID37 Persönlichkeitsanalyse. Der ID37 Master unterstützt den Klienten dabei, die Ursachen von Verhalten und Gefühlen besser zu verstehen und zu beschreiben. Der Klient kennt nun seine Motivstruktur und weiß, warum er sich in bestimmten Situationen so verhält, wie er sich verhält. Daraufhin folgt eine weitere Diagnostik, um das Bedürfnis nach bzw. die Notwendigkeit einer Veränderung im Leben des Klienten zu klären. Wo besteht in der aktuellen Lebensphase eine Unzufriedenheit, wo liegen die individuellen Stressoren, welche Barrieren verhindern, Geplantes und Beabsichtigtes umzusetzen, welche Denkmuster bestehen? Mit dem Motivprofil und der Vertiefung der Gegebenheiten wird klar, wo die Arbeit ansetzen kann. Der Klient erhält eine Orientierung, auf welche Ressourcen er zurückgreifen kann. In dieser reflexiven Auseinandersetzung wird dem Klienten zudem bewusst, dass er nur selbstverantwortlich Veränderung nachhaltig bewirken kann. Selbstverantwortlich sein Leben zu steuern, gelingt mit Faktoren, die man selbst beeinflussen, kontrollieren und anpassen kann: mit Zielen. Sobald die individuelle Motivlage, die Lebensumstände und die Grundhaltung geklärt sind, kann der Prozess der Zielsetzung beginnen. Wir veranschaulichen den Prozess der Selbststeuerung mit ID37 anhand eines Beispiels. Fallbeispiel: Selbstsicher vor Publikum In unserem Beispiel gehen wir von einer Führungskraft aus, die u. a. folgende Motivstruktur aufweist: SOZIALE ANERKENNUNG (SAN +), STATUS (STA +), AUTONOMIE (AUT −), SOZIALKONTAKTE (SOZ +), . Abb. 6.2.

1

2%

2

5% NIEDRIG

3

9%

4

15%

5

19%

6

19%

MITTEL

7

15%

8

9

9%

5% HOCH

. Abb. 6.2  Auszug aus dem Motivprofil der Führungskraft

10

2%

9

Soziale Anerkennung

8

Status

3

Autonomie

9

Sozialkontakte

6.3 · Selbststeuerung mit ID37

123

6.3.2  Phase 2: Zielklärung und Zielsetzung | Selbstwahrnehmung

Welche Ziele gesetzt werden sollen, hängt genauso von der Motivlage ab wie von den persönlichen Lebensumständen. Dies können Ziele sein, die sich auf ein Motiv zurückführen lassen oder Ziele, die sich aus Verhaltensmustern ergeben, wie etwa der Wunsch, mutiger, offener oder stressresistenter zu werden. Fallbeispiel: Selbstsicher vor Publikum Die Führungskraft findet, dass sie in Präsentationssituationen Unsicherheit ausstrahlt. Sie möchte zukünftig einen selbstsicheren und souveränen Eindruck hinterlassen.

Die Frage, wie Ziele formuliert sein müssen, um handlungswirksam zu sein, wurde bereits von vielen Forschern und Studien untersucht. Wir lehnen uns an die Erkenntnisse und die Vorgehensweise des ZRM (Krause und Storch 2014) an. Demnach ist es erst sinnvoll, ein konkretes Handlungsziel zu formulieren, nachdem sich ein Wille gebildet hat – „nach dem Schritt über den Rubikon“ (Rubikon-Modell, . Abb. 2.4). Vorher braucht es eine allgemeine Zielformulierung, ein Haltungsziel. Wir unterscheiden also zwischen einem Haltungsziel und einem Handlungsziel. z Haltungsziel

Ein Haltungsziel hat richtungsweisenden Charakter und ist allgemein formuliert. Die Kriterien für ein gut formuliertes Haltungsziel sind: Das Ziel beschreibt eine Haltung  Haltungsziele sind so formuliert, dass sie immer gel-

ten. Sie beschreiben eine innere Haltung, statt eines konkreten, beobachtbaren Verhaltens. Folgendes Ziel ist demnach kein (!) Haltungsziel: „Ich möchte in der nächsten Präsentation keine Unsicherheit ausstrahlen und angstfrei auftreten.“

Das Ziel ist im Präsens formuliert  Die Ziele beziehen sich auf die Gegenwart und

implizieren, dass sie sofort erreicht werden können – nicht erst in der Zukunft.

Das Ziel benutzt eine bildhafte Sprache  Es ist von Vorteil, ein Bild von dem entstehen zu lassen, was man erreichen will, also sein Ziel sprachlich anschaulich darzustellen.

Das Haltungsziel wird so gewählt, dass es das emotionale Erfahrungsgedächtnis der Person aktiviert und zur Willensbahnung (Volition) beiträgt. Fallbeispiel: Selbstsicher vor Publikum Die Führungskraft könnte das Haltungsziel formulieren: „Ich strahle Selbstsicherheit aus.“

Ist das Haltungsziel gefunden, gilt es, dieses zu konkretisieren und so zu formulieren, dass es durch Bahnung zu einer automatisierten Handlung werden kann.

6

124

Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

Exkurs: Was ist Bahnung?

6

Der Begriff Bahnung oder Priming (engl. to prime = vorbereiten) bezeichnet in der Psychologie einfach gesagt das Auslösen von Verhaltensreaktionen durch unterschwellige Reize. Bei der Bahnung wird die Verarbeitung eines Reizes beeinflusst, indem ein vorangegangener Reiz implizite Gedächtnisinhalte aktiviert. Diese Aktivierung spezieller Assoziationen im Erfahrungsgedächtnis geschieht zum größten Teil unbewusst. Ein bahnender Reiz kann beispielsweise ein Wort, ein Symbol, eine Geste oder Ähnliches sein (Wikipedia 2018). Ein Forscherteam um den Psychologen Peter M. Gollwitzer ließ beispielsweise Probanden Wortlisten aus dem Bedeutungsfeld „Kooperation“ lesen, darunter Wörter wie „fair“, „teilen“ oder „zusammenarbeiten“. Die Forscher aktivierten damit bei den Probanden unbewusst den Wunsch, mit anderen zusammenzuarbeiten. Ohne sich darüber im Klaren zu sein, legten die Versuchspersonen ein besseres Miteinander an den Tag als die Kontrollgruppe, die die Wortlisten nicht zu sehen bekommen hatte. Priming-Effekte wurden in vielen experimentellen Studien nachgewiesen – je multipler Sinne angesprochen werden, desto besser werden die Netzwerke im Gehirn aktiviert – das heißt auch Düfte, Bilder, Gegenstände oder Sounds sind wirksame Primes (Westerhoff 2009).

z Handlungsziel

Kennzeichen handlungswirksamer Ziele sind: Formulierung als Annäherungsziel (in Abgrenzung zu einem Vermeidungsziel)  Die

Person soll an nichts Belastendes denken. Das Nichtgewollte soll nicht aktiviert werden – denn sonst kommt es zu dem bekannten Effekt, dass bei der Aufforderung „Versuchen Sie, nicht an ein einen rosafarbenen Elefanten zu denken“, genau dieser Gedanke getriggert wird.

100 % unter eigener Kontrolle  Wenn ein Mensch das Gefühl hat, mit eigenen Kräften

sein Ziel erreichen zu können, wirkt sich das positiv auf seine Motivation aus – und umso stärker ist das Selbstwirksamkeitserleben bei erfolgreicher Zielerreichung. Diese Motivation wird gebraucht, um den „Rubikon zu überschreiten“ und die Intention, den Willen, zu bilden. Eine Zielformulierung, die nicht steuerbare Elemente enthält, ist nicht förderlich.

Positive Affekte  Das angestrebte Ziel sollte mit positiven Affekten verbunden werden. Je positiver die Empfindung (der Affekt), desto höher ist die Motivation, die Handlung umzusetzen und das Ziel zu erreichen. Hierbei ist es wichtig, sich an eine vergleichbare Situation zu erinnern, in der das Motiv aktiviert war und in der die Person ihr selbstbewusstes Auftreten positiv erlebt hat. Im Zuge der persönlichen Entwicklung sind Menschen permanent dazu aufgefordert, die Wahrnehmung auf ihr Empfinden zu lenken und auf ihre Gefühle zu achten.

Fallbeispiel: Selbstsicher vor Publikum Das verfeinerte Handlungsziel der Führungskraft, das auf dem Haltungsziel aufbaut, könnte lauten: „Selbstbewusst trete ich vor mein Publikum und strahle wie die Sonne Südafrikas.“

Die genaue Zieldefinition und -formulierung hat eine hohe Bedeutung für die Zielerreichung. Mit der Zielsetzung wird die Vorbereitung einer Handlung beeinflusst. Aus neurobiologischer Perspektive besteht die entscheidende Aufgabe darin, die Zielsetzung

6.3 · Selbststeuerung mit ID37

125

so im Gehirn zu bahnen, dass sie in schwierigen Situationen zuverlässig anspringt und handlungsleitend wirksam wird. Nach der Zielformulierung sind die neuronalen Verbindungen dafür im Gehirn noch ganz dünn. Sie werden stärker, je öfter sie benutzt werden, d. h., sie müssen möglichst oft aktiviert werden, damit die gewünschte Handlung zukünftig automatisch anspringt (Krause und Storch 2014, S. 101 f.). Die Forscher des ZRM haben die Erfahrung gemacht, dass es mindestens 4 Wochen dauert, bis Ziele in automatisierte Handlungen überführt werden können (Krause und Storch 2014, S. 186). 6.3.3  Phase 3: Ressourcenaktivierung | Selbstmotivation

Die Aktivierung des neuen neuronalen Zielnetzes ist gekoppelt an die Aktivierung der inneren Ressourcen des Klienten. Alles, was der Klient unternimmt, um sich selbst zu motivieren, ist Ressourcenaktivierung. Diese Ressourcen müssen wir finden und zugänglich machen. Es gibt eine Reihe von Ressourcen, die sich aktivieren lassen – Motive sind nicht die einzigen. Coach, Berater, aber auch vertraute Personen können dem Klienten Hilfestellung geben, diese Ressourcen zu identifizieren. So lassen sich beispielsweise folgende Ressourcen einsetzen, um die gewünschten neuen Handlungsprozesse wiederholt und dauerhaft anzuregen: Motive aktivieren  Welche Motive kann ich aktivieren, um das Ziel zu erreichen? Jedes

Motiv ist geeignet, um die Selbstmotivierung und Handlungsrealisierung zu unterstützen. Je ausgeprägter ein Motiv, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es mit positiven Erfahrungen und positiven Emotionen verknüpft ist, und desto besser eignet es sich für die Unterstützung der Zielrealisierung. Fallbeispiel: Selbstsicher vor Publikum Die Führungskraft könnte ihr sehr hoch ausgeprägtes Motiv SOZIALKONTAKTE als Ressource nutzen. Sie könnte vor dem Vortrag ganz bewusst den Small Talk mit dem Publikum suchen. Das liegt ihr, das macht ihr Spaß, und darin ist sie gut. Das Motiv ist wirksame Ressource, um ihre Nervosität ab- und ihr Selbstbewusstsein aufzubauen. Bisher hat sie dies vermutlich nicht gemacht, da sie bis zum Auftritt auf ihren Vortrag fokussiert war.

Fähigkeiten, Kompetenzen und Interessen finden  Es gibt eine Vielzahl vorhandener

Fähigkeiten, kognitiver Kompetenzen und Interessen, die mit der Zielerreichung in Zusammenhang gebracht werden können. Die Idee dabei: Der Klient sucht gezielt nach seinen Stärken, wie beispielsweise Expertenwissen oder vorhandenen Talenten, die er bewusst einsetzen kann. Auch der systematische Aufbau von Fähigkeiten kann den Prozess unterstützen. Fallbeispiel: Selbstsicher vor Publikum Die Führungskraft könnte z. B. ein Achtsamkeitstraining, Präsentations- oder Rhetoriktraining absolvieren.

6

126

Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

Unbewusste Erinnerungshilfen setzen  Mittels Bahnung können Personen selbst Reize setzen, die sie mit ihrem persönlichen Ziel assoziieren. So können sie die gewünschte Verhaltensreaktion bewusst vorbahnen, sodass diese automatisch ablaufen kann. Unbewusste Erinnerungshilfen sollen die Zielumsetzung auslösen. Hierfür werden die persönlichen Ziele mit positiven Gegenständen des Alltags in Zusammenhang gebracht und wortwörtlich „vergegenständlicht“.

Fallbeispiel: Selbstsicher vor Publikum

6

Die Führungskraft hat sich zum Ziel gesetzt, Selbstsicherheit auszustrahlen. Sie könnte ihr Ziel um ein Bild aus ihrem Erfahrungsschatz erweitern: „erhaben wie eine Giraffe“. Mit einer Giraffe verbindet sie viele positive Assoziationen, wie beispielsweise ein einzigartiges Erlebnis im Südafrika-Urlaub. Dort hat sie die Giraffe als selbstbewusstes, im Verbund lebendes, großartiges Tier wahrgenommen (dies triggert ihre hohe Ausprägung des Motivs SOZIALKONTAKTE und ihre niedrige Ausprägung des Motivs AUTONOMIE). Die Führungskraft kann ihre Alltagsumgebung variantenreich mit Abbildungen von Giraffen gestalten: Giraffen-Schlüsselanhänger, T-Shirt mit Giraffenherde, Handy-Bildschirmhintergrund und Computerpassword. Diese Erinnerungshilfen können auch als zielauslösende Reize dienen – die Führungskraft kann kurz vor dem Vortrag den Bildschirmschoner ihres Handys aktivieren, an ihr Ziel denken und den Vortrag beginnen. Den Körper unterstützend einsetzen  Zudem können Körperhaltung oder motorische

Prozesse bewusst in den Zielerreichungsprozess einbezogen werden. Das sog. Embodiment, die Verkörperung, geht davon aus, dass dem Körper beim Verarbeiten von Information eine maßgebliche Rolle zukommt. Körper und Psyche wirken permanent aufeinander ein. In der Fachliteratur findet man unter Stichworten wie „Embodiment“ oder „Körperpsychotherapie“ Übungen, die als Anregung dienen können. Bei der Auswahl geeigneter Übungen ist es wichtig, dass diese zu dem individuellen Ziel passen.

Umgebung anpassen  Es lohnt sich, auch die Umgebung zu gestalten, um sich von

Gewohnheiten und Verhaltensautomatismen zu lösen. Dafür lassen sich sowohl die physische Umgebung als auch eingeschliffene Abläufe verändern. Fallbeispiel: Selbstsicher vor Publikum Die Führungskraft könnte zukünftig bei einem Vortrag auf das Rednerpult, die Barriere zwischen ihr und dem Publikum, verzichten.

Soziales Umfeld einbeziehen  Das soziale Umfeld ist ein entscheidender Einflussfaktor auf das persönliche Leben. Mit Familie, Partnern, Freunden und Kollegen stehen wir in einer dauernden Wechselbeziehung. Es kann sein, dass Mitmenschen unserem Veränderungsprozess unbewusst oder bewusst im Wege stehen. Andererseits kann das soziale Umfeld den Anpassungsprozess auch aktiv unterstützen. Daher ist es bei der Zielumsetzungsplanung sinnvoll, das soziale Umfeld mit einzubeziehen.

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6.3 · Selbststeuerung mit ID37

Fallbeispiel: Selbstsicher vor Publikum Nach Abschluss von Phase 3 könnte das verfeinerte Ziel der Führungskraft lauten: „Selbstbewusst und erhaben wie eine Giraffe trete ich vor mein Publikum und strahle wie die Sonne Südafrikas.“

6.3.4  Phase 4: Zielverankerung | Handlungsvorbereitung und

Transfersicherung

In dieser Phase wird die Handlungsabsicht präzise formuliert und mit einer passenden Handlungsgelegenheit verknüpft. Dabei ist die WOOP-Methode nach Peter M. Gollwitzer und Gabriele Oettingen von Nutzen (Oettingen 2015). Anhand von vier Elementen stellt man sich die Durchführung konkret vor: 5 erreichbares Ziel (Wish), 5 Ergebnis (Outcome), 5 mögliches Hindernis (Obstacle), 5 Überwindung des Hindernisses (Plan). Die daraus resultierenden Handlungspläne werden als „Wenn-dann-Satz“ formuliert: „Wenn Situation X eintritt, dann mache ich Y.“ Werden die „Wenn-dann-Pläne“ mit den relevanten persönlichen Motiven verknüpft, sind sie besonders wirkungsvoll. Die . Abb. 6.3 zeigt, dass für die wirksame Implementierung die spezifische Gelegenheit (Hindernis) und ein spezifisches Verhalten (Überwindung) miteinander kombiniert werden und motivationale Ressourcen zum Einsatz kommen. Diese Art der Zielverankerung erleichtert die Implementierung von Handlungsabsichten. Denn erstens wird die Handlung prompt und ohne weiteres Nachdenken ausgeführt, sobald die Gelegenheit da ist. Zweitens ist man auf Hindernisse mental vorbereitet und kann diese leichter überwinden. Drittens macht die Zielerreichung Spaß, weil die Handlung Motivbefriedigung verschafft. Wirksame Implementierung

Spezifische Gelegenheit (Hindernis) - „wenn“ Mentale Repräsentation ist im Gedächtnis hochaktiviert und zugänglich Zieht Aufmerksamkeit auf sich

Spezifisches Verhalten (Überwindung) - „dann“ Handlungsinitiierung erfolgt Prompt Effizient Ohne bewusste Verarbeitung > Automatische Prozesse

Motivationale Ressourcen

. Abb. 6.3  Wirkungsweise der Zielverankerung mit „Wenn-dann-Plänen“

6

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Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

Fallbeispiel: Selbstsicher vor Publikum

6

Die Führungskraft, die vor Präsentationen mit dem Publikum interagieren möchte, um an Selbstsicherheit zu gewinnen, könnte vor folgendem Hindernis stehen: Es ergibt sich aus Zeitgründen keine Gelegenheit für einen Small Talk mit dem Publikum, weil sie erst in letzter Minute vor Ort eintrifft. Ihr Plan B könnte sein: Sie eröffnet ihren Vortrag auf der Bühne mit einer Geschichte darüber, wie sie normalerweise vor Vorträgen Small Talk mit dem Publikum macht, um ihre Nervosität abzubauen. Diesen Plan B kann sie so einstudieren, dass sie ihn souverän vortragen kann. Ein möglicher „Wenn-dann-Plan“ könnte demnach lauten: „Wenn ich vor meiner selbstsicheren Präsentation keinen Small Talk mit dem Publikum machen kann, dann kommt meine einstudierte Vortragseröffnung zum Einsatz.“ Optimiert wird dieses Vorgehen durch den Einsatz von Primes, wie in diesem Beispiel durch den Einsatz der Giraffe.

Der Vorteil der sog. Wenn-dann-Pläne ist, dass sie Sofort-Automatismen erzeugen. Die Person kann die Gelegenheit des zielgerechten Handels sofort ergreifen. Studien haben nachgewiesen, dass intendiertes Verhalten mit „Wenn-dann-Plänen“ um 15–20 Prozentpunkte häufiger umgesetzt wird (u. a. Studie Bamberg 2002 zu umweltrelevanten Konsumentenentscheidungen, zit. nach Krause und Storch 2014, S. 177). > Mit „Wenn-dann-Plänen“ lassen sich gewünschte Verhaltensweisen sofort umsetzen

und automatisieren. Sie funktionieren am besten, wenn man sie mit persönlichen Motiven kombiniert.

6.3.5  Phase 5: Automatisierung | neue Gewohnheiten

Zu einer erfolgreichen Selbststeuerung gehört, dass sich die Personen tagtäglich mit ihren Zielen, den Veränderungsfortschritten und den Gelegenheiten der Zielumsetzung auseinandersetzen. Nur durch Reflexion und Übung können sich die neuen Verhaltensweisen einbahnen und laufen auch unter Stress oder in unerwarteten Situationen automatisch ab. Fallbeispiel: Selbstsicher vor Publikum Die Führungskraft könnte zur Unterstützung der Automatisierung ein Tagebuch führen oder eine mobile App verwenden.

Die Vergegenwärtigung der Veränderungsfortschritte und der Zielerreichung ist ein entscheidender Schritt im Lernprozess. Das Gehirn benötigt das bestätigende Feedback, d. h. eine positive Bewertung, damit beim nächsten Mal die gleiche Handlung leichter aktiviert werden und erfolgen kann. Die Belohnungen sollten dabei durchaus auch in realer Form stattfinden – jeder weiß, was ihn selbst motiviert. Die Person lernt auf diese Weise Selbstregulierung. Sie hat nicht nur ihr Verhalten im Griff, sondern auch ihre Emotionen. Das nachfolgende Fallbeispiel zeigt kompakt, dass Selbststeuerung mit ID37 ein pragmatischer Weg zur zielgerichteten Verhaltensveränderung im täglichen Leben ist.

6.3 · Selbststeuerung mit ID37

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Lernen, Nein zu sagen Eine Nachwuchskraft hat sich zum Ziel gesetzt, öfter Nein zu sagen. Es fällt ihr schwer, die Bitten anderer abzulehnen. Eine Erklärung findet sich in der ID37 Persönlichkeitsanalyse, die ihr u. a. ein hoch ausgeprägtes Motiv SOZIALE ANERKENNUNG bescheinigt. Bisher hat die junge Führungsperson die Extraarbeitsstunden in Kauf genommen, da sie sich profilieren wollte und ihr das Lob nach erledigter Aufgabe sicher war. Allerdings geht die Mehrarbeit zunehmend zulasten des Privatlebens, die Führungskraft fühlt sich ausgebeutet und ist unzufrieden. Sie beschließt, ihr Verhalten zu ändern und Zusatzaufgaben künftig nicht mehr zu bearbeiten. Ihr Haltungsziel lautet: „Ich delegiere souverän.“ Daraufhin formuliert sie ihr Handlungsziel: „Wie ein Hafenmeister orchestriere ich mühelos den Schiffsverkehr.“ Die Nachwuchskraft hat dafür auch eine Analogie gefunden, die sie als Erinnerungshilfe einsetzen kann: eine Flussmündung. Der Hauptfluss verästelt sich in viele Seitenarme, die alle das Flusswasser ins Meer bringen. Dieses Bild hat sie in Varianten sowohl an ihrem Arbeitsplatz als auch zu Hause verteilt. Mithilfe ihres ID37 Motivprofils hat sie sich vor Augen geführt, warum sie zum Ja-Sagen tendiert und welche Hindernisse es zu überwinden gilt. Die Nachwuchskraft wird es nicht verhindern können, dass Vorgesetzte und Kollegen sie weiter um die Erledigung von Sonderaufgaben bitten werden. Sie entwickelt für diese Fälle jedoch einen „Wenn-dannPlan“: „Wenn mir jemand mit einer Zusatzaufgabe kommt, dann teile ich sie in kleine Arbeitspakete und gebe sie souverän ab.“ Es dauert nicht lange, bis man ein internes Projekt an die Führungskraft heranträgt und sie ihren „Wenn-dann-Plan“ anwendet. Die Führungskraft delegiert selbstbewusst, lässt ihre Kompetenz einfließen und stößt niemanden vor den Kopf. Sie verbessert damit sogar ihr Ansehen. Ohne nennenswerte Überstunden geht sie zufrieden und stolz nach Hause. Die gelungene Umsetzung ihres Ziels füllt ihren Erfolgsspeicher und sie erlebt Selbstwirksamkeit.

Wenn die Nachwuchskraft mit dieser Strategie öfter Nein sagt, kann das neue Verhalten zur unbewusst ablaufenden Gewohnheit werden. Kommt es zwischendurch zu Rückschlägen – etwa, weil die Person es nicht schafft, den ersten Sonderwunsch des Vorgesetzten abzulehnen – sollte sie die Situation reflektieren und aufarbeiten. Sie kann beispielsweise Störmuster identifizieren, das Vorhaben in verschiedene Schwierigkeitsstufen kategorisieren (klein anfangen!) oder weitere Ressourcen hinzuziehen. Die Beeinträchtigung der Zielerreichung gibt immer Anlass zur Reflexion. Analysiert man die Gründe, ergibt sich die Chance, sein Ziel zu korrigieren oder ein alternatives Ziel zu entwickeln. Die regelmäßige Reflexion führt zu einer verbesserten Selbstwahrnehmung. 6.3.6  Was bedeutet das für meine Arbeitspraxis?

Das Ziel der Methode, Selbststeuerungsprozesse in 5 Phasen zu durchlaufen, ist es, Menschen systematisch zu wirksamer Selbststeuerung zu führen. Eine Person, die sich wirksam selbst steuert, kennt und versteht ihre Persönlichkeit und weiß, wie sie selbstbestimmt zu Wohlbefinden und einem zufriedenen Leben gelangt. Sie ist unabhängig von äußeren Faktoren und anderen Menschen wie Mitarbeitern, Vorgesetzten, Coaches oder Lebenspartnern. Das heißt nicht, dass sie keine Unterstützung von anderen in Anspruch nimmt. Im Gegenteil: Soziale Unterstützung kann in Veränderungsprozessen sehr wichtig sein.

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Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

Aktive Selbststeuerung ist eine bewusste Entscheidung. Selbststeuerung bedeutet, Zugang zu den eigenen Ressourcen zu haben, ihre Potenziale zu nutzen, persönliche Veränderungen einzuleiten und ohne weiteres Nachdenken handeln zu können. Eine Person, die sich selbst steuert, gleicht ihr Handeln mit dem Umfeld ab und kann flexibel agieren. 6.4  Fallbeispiele aus der Wirtschaft

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Die ID37 Persönlichkeitsanalyse bietet raschen Erkenntnisgewinn über die individuelle Persönlichkeit. Denn trotz seiner Informationstiefe ist das Motivprofil für den Klienten leicht verständlich. Er erhält unmittelbar eine Standortbestimmung und eine zuverlässige Basis für die weitere Reflexion. Der ID37 Master wiederum gelangt bereits in der Analysephase zum Kern der Persönlichkeit seines Klienten und kann seine Interventionen von Beginn an darauf abstimmen. Bei einfachen Fragestellungen können bereits die Informationen aus der Analyse ausreichende Antworten liefern. Bei komplexeren Ausgangssituationen muss der Rahmen weiter gespannt werden. Da die Persönlichkeitsdiagnostik selbst wenig Zeit beansprucht, können sich Coaches, Berater oder Führungskräfte auf die Entwicklung individueller Strategien und Maßnahmen fokussieren. Nachfolgend zeigen wir konkrete Fälle aus unserer eigenen Beratungspraxis auf, in denen die ID37 Persönlichkeitsanalyse einen erfolgreichen Beitrag für Selbststeuerung, Führungsverhalten, Verbesserung der Teamperformance oder im Talentmanagement leistete. Bei all diesen Fallbeispielen standen die Analyse und Reflexion der Persönlichkeit am Anfang der Lösung. 6.4.1  Business-Coaching

Für ein erfolgreiches Business-Coaching ist es von hoher Relevanz, die Persönlichkeit der Klienten einzubeziehen. Aus fast zwei Jahrzehnten Erfahrung wissen wir, dass Beratung wirksamer ist, wenn sie individualisiert durchgeführt und auf die Persönlichkeit abgestimmt wird. Denn nur dann können passgenaue Maßnahmen mit nachhaltiger Wirkung entwickelt werden.

Fallbeispiel: Der Weg aus dem Dilemma Eine selbstständige Unternehmensberaterin konnte ihre Kompetenz und ihr Händchen für Großprojekte schon öfter unter Beweis stellen. Eines Tages erhielt sie eine Anfrage von einem ihrer wichtigsten Kunden. Allerdings handelte es sich um ein aus ihrer Sicht unmoralisches Angebot. Der Auftrag lautete: Unterstützung von 100 Führungskräften bei der Entlassung von 10.000 Mitarbeitern. Dieser mit ca. 15 Beratertagen eher kurze Einsatz sollte mit einem sehr hohen Tagessatz vergütet werden. Die Beraterin war auf das finanziell attraktive Angebot nicht angewiesen. Es würde ihr jedoch Freiraum geben, um sich Herzensprojekten widmen zu können.

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6.4 · Fallbeispiele aus der Wirtschaft

z Herausforderung

Die Beraterin spürte eine innere Zerrissenheit, als die Anfrage eintraf. Sie fühlte sich unwohl bei dem Gedanken an das Projekt und suchte Unterstützung in der Entscheidungsfindung. Sie wandte sich an uns, da wir die ID37 Analyse mit ihr durchgeführt und ihr danach schon häufiger als Sparringpartner zur Seite gestanden hatten. z Analyse der Motive

Das Motivprofil der Beraterin, das wir uns vor dem Coaching-Telefonat noch einmal vor Augen führten, wies eine hohe Ausprägung der Motive SOZIALES ENGAGEMENT (SEN) und PRINZIPIEN (PRI) auf (. Abb. 6.4). Für sie hatten also soziale Gerechtigkeit und Moral einen hohen Stellenwert. Dies hatte dazu geführt, dass sie das Angebot nicht sofort angenommen hatte. Das Motivprofil zeigte zudem hohe Ausprägungen der Motive SOZIALE ANERKENNUNG (SAN) und EINFLUSS (EIN). Anhand dieses Motivkonflikts erklärte sich das Dilemma der Klientin in Bezug auf das vorliegende Beratungsangebot: Sie fühlte sich auf der einen Seite wertgeschätzt, dass man sie für dieses Projekt engagieren wollte (SAN +). Die große Verantwortung dieses Projekts befriedigte gleichzeitig ihr Bedürfnis nach Einfluss (EIN +). Auf der anderen Seite lehnte sie aufgrund ihrer hohen Moralität (PRI ±) und aufgrund ihres hohen Idealismus (SEN +) Gewinnstreben auf Kosten der Arbeitnehmer ab. z Lösung

Wir konnten die Ursache der gefühlten Zerrissenheit im Telefonat schnell aufdecken. Aber damit war das negative Gefühl der Beraterin nicht verschwunden. Wir schlugen ihr ein Gedankenexperiment vor: „Stellen Sie sich vor, Sie vermittelten das Projekt Beraterkollegen und bekämen dafür eine Provision. Wie fänden Sie das?“ „Das geht gar nicht,“ kam es wie aus der Pistole geschossen zurück. „Ich habe Angst, dass ich dann nicht mehr zum Kunden zurückkomme. Genau das ist mir nämlich schon einmal mit 1

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. Abb. 6.4  Auszug aus dem Motivprofil der Unternehmensberaterin

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Soziale Anerkennung

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Sicherheit

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Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

einem anderen Großkunden passiert. Außerdem behagt mir der Gedanke nicht, dass ein Kollege dieses wirklich spannende Projekt macht.“ Gemeinsam entwickelten wir eine zweite Idee: Die Beraterin könnte vorschlagen, dass sie nach zwei Tagen aussteigen und einen ebenso kompetenten Beraterkollegen vermitteln könne, sollte sie die Thematik vor sich nicht verantworten können. Nun war die Beraterin begeistert. Mit dem Vorschlag einer Ausstiegsklausel könne sie mit gutem Gefühl die Gespräche führen. Es gehe ihr jetzt wieder richtig gut. Aufgrund ihres ebenfalls hoch ausgeprägten Motivs SICHERHEIT hatte die Beraterin nun das beruhigende Gefühl des „doppelten Bodens“. z Ergebnis

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Innerhalb eines einstündigen Telefonats konnte geklärt werden, welche Motivkonstellation den Konflikt verursachte und wir konnten der Klientin zu einem guten Gefühl im Umgang mit der Situation verhelfen. Sie empfand den Lösungsimpuls als psychologisch wertvolle Grundlage für die Verhandlungen. Sie berichtete uns später, dass es ihr sogar Spaß gemacht hatte, die gefundene Lösung im Gespräch auszuprobieren. Sie konnte sich mit dem Auftraggeber auf eine Ausstiegsklausel einigen und führte das Projekt nach ihren Vorstellungen durch.

Fallbeispiel: Darth Vader erwacht Ein junges Fußballtalent eines Vereins, mit dessen Profimannschaft wir eine Teamanalyse durchgeführt hatten, kam mit der Bitte um ein vertrauliches Gespräch auf uns zu. z Herausforderung

Der Spieler konnte mit persönlichen Niederlagen im Spiel nicht umgehen. Selbstverschuldete Fehler oder geringste Anzeichen von Kritik stürzten ihn in Selbstzweifel und führten zu Leistungsminderung auf dem Platz. „Wenn ich den ersten Zweikampf verliere und kurz darauf auch den zweiten und dann noch zwei Fehlpässe spiele, ist das Spiel für mich gelaufen.“ An manchen Tagen stellte er sogar seine Profikarriere infrage: „Wenn mich die gegnerischen Zuschauer auspfeifen, falle ich in ein tiefes Loch und frage mich, ob Fußballprofi das Richtige für mich ist.“ Wir schlugen dem Spieler, der ohne Zweifel ein großes fußballerisches Talent hatte, vor, mit seinen eigenen Ressourcen zu arbeiten und sich in der Selbststeuerung zu trainieren. Wir versicherten ihm, er könne lernen, seine Zweifel auf dem Platz zu reduzieren. Er willigte sofort ein. z Analyse der Motive

Die Analyse seines Motivprofils bestätigte, dass der Fußballprofi hochsensibel bezüglich seines Selbstwerts war (. Abb. 6.5). Die hohe Ausprägung des Motivs SOZIALE ANERKENNUNG (SAN +) hatte für ihn da eine unmittelbare Auswirkung, wo es darauf ankam: auf dem Platz. Lob und Anerkennung wichtiger Menschen, inklusive der Fans, Fußballfunktionäre und Förderer, verliehen ihm Energie. Abweisung, Fehler und die Erwartung von Kritik hingegen verursachten Angst, die seine fußballerische Leistung minderte. Auch seine hohe Ausprägung des Motivs SICHERHEIT (SIC +) verstärkte seine Unsicherheit im Spiel.

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6.4 · Fallbeispiele aus der Wirtschaft

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. Abb. 6.5  Auszug aus dem Motivprofil des Fußballprofis

z Lösung

Der Umgang mit Selbstzweifeln wurde zum Gegenstand der Beratung. Nachfolgend einige Ansätze der gemeinsamen Arbeit: 5 Der Fußballer äußerte den Wunsch, zukünftig weniger verwundbar zu sein. Er hatte dabei auch schon ein konkretes Bild vor Augen, das er als folgendes Haltungsziel formulierte: „Beim Betreten des Spielfeldes bin ich die dunkle Seite der Macht.“ 5 Um diese für ihn positive Haltung während des Spiels zu aktivieren, halfen wir ihm dabei, praktische Ressourcen zu finden. Die Star-Wars-Figur Darth Vader, die die dunkle Seite der Macht verkörpert, wurde zu seinem zentralen Prime. Er ließ sich sogar ein kleines Darth-Vader-Symbol am Unterarm tätowieren, das ihn jederzeit an sein Ziel erinnern konnte, wenn er es auf dem Platz brauchte. Er weihte seine Eltern und seine Geschwister ein, die sich als wichtige Ressource herausgestellt hatten (FAM +). Sie begleiteten ihn öfter als vorher zu seinen Auswärtsspielen und dienten ihm im Stadion als Bezugspunkt in den von ihm als schwierig empfundenen Situationen. 5 Der Fußballprofi involvierte zudem seinen Trainer, zu dem er ein Vertrauensverhältnis hatte. Wir stimmten mit dem Trainer passende Kommunikations- und Handlungsmaßnahmen ab, die hauptsächlich auf die Motive SOZIALE ANERKENNUNG, SICHERHEIT und FAMILIE abzielten und gaben dem Coach Werkzeuge an die Hand, mit denen er den Spieler vor, während und nach dem Spiel „abholen“ konnte (z. B. Blickkontakt und „Daumen-nach-oben-Geste“ vom Spielrand aus). 5 Zur Zielverankerung legte sich der junge Profi einen „Wenn-dann-Plan“ zurecht, der so einfach war, dass er ihn in der Hektik eines Spiels auch tatsächlich umsetzen konnte: „Wenn ich einen Zweikampf verliere, dann atme ich bewusst tief ein und wieder aus.“ Diese Atemtechnik konnte er im Training üben, ohne dass die anderen Spieler davon etwas mitbekamen. Er nannte es sein persönliches Darth-Vader-Erwachen.

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Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

In der Zusammenarbeit mit dem Spieler konnten wir die Interventionsmaßnahmen stetig feinjustieren. Wir analysierten gemeinsam das emotionale Erleben in Wettkampf und Training. Obwohl es mehrere Wochen dauerte, bis sich seine neue Haltung und die dazugehörigen Automatismen gefestigt hatten, konnten wir schon in der Anfangszeit sicherstellen, dass der junge Fußballer eine bessere Selbstwahrnehmung und durch Fortschritte Selbstwirksamkeit erlebte. z Ergebnis

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Wir machten aus diesem Menschen keinen abgezockten, eiskalten „Fußballkrieger“. Selbststeuerung mit ID37 zielt nie darauf ab, die Persönlichkeit zu ändern. Vielmehr lernte der Fußballprofi mit seiner Versagensangst umzugehen. Er hatte die Situation meistens im Griff, sodass seine sportliche Leistung weniger beeinträchtigt wurde und er seinem Traumjob Profifußballer mit Freude nachgehen konnte.

Fallbeispiel: Ressourcen erkennen und aktivieren Ein Architekt mittleren Alters hatte sich nach seinem Studium selbstständig gemacht. Er hatte vorwiegend regionale Kunden. Gute Kundenbeziehungen waren ihm wichtiger als Expansion. z Herausforderung

In einer wirtschaftlichen Krisenphase merkte der Architekt, wie schwer es ihm fiel, seine Interessen gegenüber den Kunden zu vertreten – insbesondere, wenn es um Honoraroder Nachtragsverhandlungen oder das Eintreiben säumiger Zahlungen ging. Er führte aus, dass er es kaum schaffte, Aufträge – auch von schlecht zahlenden Kunden – abzulehnen bzw. ein Nein zu begründen. Der Architekt wandte sich an uns, weil er den Eindruck hatte, mit ihm stimme etwas nicht. Im Sinne einer schnellen und präzisen Diagnose führten wir mit dem Architekten eine ID37 Analyse durch. Zugleich wollten wir faktenbasiert untermauern, dass er eine normale Persönlichkeit hatte. z Analyse der Motive

Im Analysegespräch konnten wir aufzeigen, warum es dem Architekten schwerfiel, seinen Kunden Absagen zu erteilen und Geld von ihnen einzufordern (. Abb. 6.6). Sein natürlicher Impuls war, keinen Druck auf Menschen auszuüben (EINFLUSS −) und Disharmonien auszubalancieren (REVANCHE −). Es war ihm wichtig, Menschen zu unterstützen – am liebsten mit gutem Handwerk und bestmöglicher Architektur. Diese Konstellation zusammen mit dem niedrig ausgeprägten Motiv AUTONOMIE (−) zeigt, wie sehr er sich Menschen verbunden fühlte. Er bestätigte unsere Analyse und betonte, wirklich davon überzeugt zu sein, dass ein Geschäft nur dann ein gutes sei, wenn alle Geschäftspartner ihren Vorteil daraus ziehen könnten. Genau das lieferte ihm die Motivation für seine Arbeit. Vor dem Hintergrund dieser Persönlichkeitsstruktur wird nachvollziehbar, wieso der Architekt gestresst war, wenn er einen Auftrag ablehnen sollte, der zwar inhaltlich attraktiv war, bei dem aber Probleme wegen der Nachvertragsverhandlungen vorprogrammiert wären.

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6.4 · Fallbeispiele aus der Wirtschaft

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. Abb. 6.6  Auszug aus dem Motivprofil des Architekten

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Der Architekt war sichtlich erleichtert. Er erkannte, dass er zwar ein starkes Harmoniebedürfnis hatte, dass er aber „normal“ war. Er verstand, warum ihm seine Persönlichkeit bei bestimmten Aspekten seiner Arbeit im Wege stand. Wir vereinbarten drei Coaching-Sitzungen mit dem Architekten. Damit er seine Aufgaben als Geschäftsführer vollumfänglich wahrnehmen konnte, sollte er zukünftig noch nicht genutzte Ressourcen seiner Persönlichkeit einsetzen. Hierfür wollten wir die Motive SOZIALE ANERKENNUNG (SAN −) und PRINZIPIEN (PRI −) aktivieren. 5 Da der Architekt sein Selbstbild nicht über andere Personen aufbaute (SAN −), fiel es ihm relativ leicht, einen klaren Standpunkt zu vertreten. Unter Fachleuten hatte er es schon immer so gehandhabt. Nur gegenüber seinen Kunden, die für ihn stets Vertraute waren, wurde sein Selbstbewusstsein von anderen, stärker ausgeprägten Motiven unterdrückt. 5 Mit seiner sehr niedrigen Ausprägung des Motivs PRINZIPIEN (PRI −) wies der Architekt hohe Nutzenorientierung auf. Vor jedem kritischen Gespräch mit Kunden konnte er sich vorbereiten und klar formulieren, mit welchem konkreten Ziel zugunsten seines Unternehmens er aus dem Gespräch gehen wollte. Mit diesem Fokus haben wir in den Coaching-Sitzungen verschiedene Maßnahmen entwickelt und nach Anwendung in der Praxis iterativ verfeinert. z Ergebnis

Als sich der Klient an uns wandte, hatte er sich auf lange „Therapiesitzungen“ mit ungewissem Ausgang eingestellt, wie er beim letzten Treffen verriet. Er war hocherfreut über die schnelle und unkomplizierte Lösungsfindung, die seinen Geschäftsalltag nachhaltig positiv verändert hatte. Der Architekt konnte mit den gemeinsam erarbeiteten Maßnahmen mit gutem Gefühl und deutlich effizienter arbeiten.

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Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

6.4.2  Führung

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Führungskräfte haben aufgrund ihrer Steuerungsfunktion eine hohe Verantwortung für den Fortbestand einer Organisation. Ihre Aufgabe ist es, das Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Heute stehen viele Führungskräfte vor der Herausforderung, diese Verantwortung in einem dynamischen und volatilen Unternehmensumfeld zu übernehmen. Sie sind daher zunehmend auf Mitarbeiter angewiesen, die eigenverantwortlich im Sinne des Unternehmens entscheiden und handeln – Fachverantwortung wird heute verstärkt auf viele Köpfe, Kompetenzen und Erfahrungen verteilt. Diese Anforderungen erfordern ein zeitgemäßes Führungsverständnis, das sich dadurch auszeichnet, dass Führungskräfte für den nötigen Rahmen sorgen, damit Mitarbeiter ihre Leistungsfähigkeit und ihr Potenzial individuell entfalten können. Zugleich bleiben sie sich selbst – d. h. ihrer Persönlichkeit – treu. Führung lässt sich nicht isoliert betrachten. Sie hängt von vielfältigen Faktoren ab – den Marktbedingungen, von Kultur, der Branche, den Unternehmenszielen, der Firmengröße etc. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Rollenanforderungen an Führungskräfte. Wann eine Führungskraft erfolgreich ist, hängt davon ab, wie man Erfolg definiert, und dies wiederum ist kontextabhängig. Manche erfolgreichen Führungskräfte sind daher analytisch, kalkulierend und strukturiert, andere spontan, intuitiv und sprunghaft. Einige verfügen über herausragende, andere über durchschnittliche Intelligenz. Manche sind wahre Workaholics, andere bequem. Die einen sind offen, zugänglich und extrovertiert, die anderen eher verschlossen, menschenscheu und zurückgezogen. Wirksame Führungskräfte sind so verschieden, wie Menschen nur sein können. Dies wiederum bedeutet, dass es kein ideales Führungsprofil geben kann.

Fallbeispiel: Selbstreflexion für besseres Führungsverhalten Der Inhaber und Geschäftsführer eines Automobilzulieferers meldete sich bei uns mit dem Wunsch, an seiner Empathie arbeiten zu wollen. Er schilderte kurz, dass es im letzten Meeting mit seiner Führungsmannschaft Kritik an seiner Person gegeben habe. Derartige Äußerungen seien äußerst selten, aber Aussagen wie „Du stehst über allen und du nimmst niemanden mit“ hätten ihn zu diesem Schritt veranlasst. z Herausforderung

Der Inhaber war Firmennachfolger in der dritten Generation und führte die traditionelle Firma alleine. Mit dem Unternehmen hatte er den autoritären Führungsstil seiner Vorgänger übernommen. Der Inhaber sah sich selbst nicht als Unmensch, sondern als Mann der klaren Worte. Anlässe für eine kritische Auseinandersetzung mit seinem Führungsstil sah er bis dato nicht. z Analyse der Motive

Das Motivprofil zeigte eine sehr niedrige Ausprägung des Motivs SOZIALE ANERKENNUNG (SAN –) (. Abb. 6.7). Er war ein selbstbewusster Mensch, der es nicht gewohnt war, sich infrage zu stellen oder sich in andere hineinzuversetzen. Die hohen Ausprägungen der Motive EINFLUSS (EIN +), STATUS (STA +), AUTONOMIE (AUT +) und REVANCHE (REV +) verstärkten seine dominante und distanzierte Wirkung. Zusätzlich trug seine Position dazu bei, dass er Autorität zugeschrieben bekam

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. Abb. 6.7  Auszug aus dem Motivprofil des Inhabers

und diese Rollenerwartung nicht hinterfragte. Der Inhaber hatte „blinde Flecken“, was seine Persönlichkeit und sein Verständnis von Führung und Leistung betraf. z Lösung

Bereits im Analysegespräch konnten wir dem Unternehmer seine „blinden Flecken“ aufzeigen. Als wir ihm seine Ausprägung des Motivs SOZIALE ANERKENNUNG erklärten, bestätigte er seine niedrige Motivausprägung mit Äußerungen wie „Lobhudeleien“ hätten im professionellen Umfeld nichts zu suchen. Er lobte, indem er keine Kritik äußerte. Er war hochzufrieden mit seiner Assistentin und war überzeugt, dass sie selbst es auch wisse, wie gut sie war. Nachdem wir mit ihm über die Eigenwahrnehmung von Menschen mit hoher SOZIALE ANERKENNUNG gesprochen hatten – sie vergleichen sich permanent mit ihren eigenen Ansprüchen, suchen die Wertschätzung anderer, sind bereit, dafür besondere Anstrengung zu unternehmen, und sehr kritiksensibel – wurde ihm klar, dass seine Assistentin öfter in Tränen ausbrach, weil er ihre außergewöhnlichen Leistungen nicht lobte. Er wurde nachdenklich und sagte, er brauche gute Leute und wolle niemanden verlieren. Wir vereinbarten nach dem Analysegespräch drei Coaching-Sitzungen, um zunächst den Umgang mit Wertschätzung und Anerkennung zu vertiefen. Als Übung gaben wir dem Firmenleiter Textbausteine zu Eigen- und Fremdwahrnehmung mit. In den Folgesitzungen trainierten wir Situationen aus dem Führungsalltag anhand von Rollenspielen zur Reflexion seiner ausgeprägten Motive. z Ergebnis

Am Ende des Coachings fasste der Inhaber zusammen: „Wenn ich in meinem Wohlfühlbereich agiere, bin ich für die anderen wohl der dominante, kompromisslose und arrogante Patriarch.“ Einige wenige Sitzungen hatten gereicht, um dem Inhaber zu

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Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

verdeutlichen, welche Wirkung er auf andere hatte, die ihm selbst bis dahin nicht bewusst war. Ihm wurde klar, dass er im Umgang mit seinen Angestellten mehr erreichen konnte, wenn er situativ sein Verhalten anpasste und beispielsweise besondere Leistungen seiner Assistentin lobte. Er schätzte sie ja wirklich. Es brauchte einen Außenstehenden, um die „blinden Flecken“ anzusprechen, Verhaltensmuster und deren Konfliktpotenziale aufzuzeigen. Mit Training gelang es dem Inhaber, seine natürlichen Impulse zu regulieren. Sein reflektiertes Verhalten trug deutlich zu einer verbesserten Arbeitsatmosphäre bei.

Fallbeispiel: In der Persönlichkeit steckt die Lösung Führungskraft Jordana, die im Marketing eines internationalen Konzerns tätig war, sorgte sich um ihren Mitarbeiter Tim. Der fachlich exzellente Mediamann wirkte unmotiviert und gelangweilt.

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z Herausforderung

Nach einem internationalen strategischen Großprojekt, das Tim geleitet hatte, war er seit gut 3 Monaten wieder auf seinem alten Posten zurück. Er arbeitete an lokalen Kampagnen, für die er sich eng und detailreich mit den Kollegen aus den Fachbereichen abstimmen musste. Er war destruktiv und wenig kooperativ gegenüber seinen Kollegen. Jordana fragte uns, was sie tun sollte, damit Tim nicht zu einem Problem für das Marketingteam würde und damit sie den sehr qualifizierten Fachmann binden könnte. Wir besprachen mit Jordana die Situation und schlugen vor, mit Tim eine ID37 Analyse durchzuführen. Nur wenige Tage später willigte Tim ein. z Analyse der Motive

Nach der Motivprofilanalyse war klar, dass die emotionalen Stressoren bei Tim die Motive SOZIALE ANERKENNUNG (SAN −), AUTONOMIE (AUT +), STRUKTUR (STR −) und SICHERHEIT (SIC −) betrafen (. Abb. 6.8). Die aktuelle Tätigkeit bot 1

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. Abb. 6.8  Auszug aus dem Motivprofil des Mitarbeiters

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kaum Abwechslung, er lernte nichts Neues und war unterfordert. Tim wurde passiv, weil er unter seinem Leistungsniveau war. z Lösung

Jordana als Vorgesetzte musste reagieren und für Tim schnellstmöglich ein herausforderndes Projekt oder gar eine Erweiterung seines Kompetenzbereichs finden. Da dies in einem internationalen Konzern nicht von heute auf morgen möglich ist, vereinbarten wir mit Jordana, Verständnis für Tim zu zeigen und die Sachlage klar auf den Tisch zu bringen. Sie sollte ihm deutlich machen, dass dieser Zustand nur vorübergehend wäre und dass sie für große Projekte oder andere Möglichkeiten sorgen würde. Diese Perspektive und die Nennung eines realistischen Zeithorizonts waren wichtige Signale für Tim, dass sie es ernst meinte. z Ergebnis

Die ID37 Analyse hatte Tim dazu gebracht, sich mit seiner Persönlichkeit und der aktuellen Situation auseinanderzusetzen. Ihm war klargeworden, dass er ein Abenteurer war. Lange hatte er diese Leidenschaft auf Reisen ausgelebt und später dann im Job Möglichkeiten ergriffen, die dazu passten. Er einigte sich mit Jordana auf ein halbjähriges Sabbatical. Die Auszeit gab Jordana Luft, den Aufgabenbereich für Tim zu erweitern, und Tim konnte sein Bedürfnis nach Abwechslung auf Reisen wieder befriedigen. Bis die Rahmenbedingungen geklärt waren, war Tim merklich kooperativer und bemüht, seine Langeweile vor dem Team zu verbergen. Dadurch, dass Jordana die Unterforderung von Tim rechtzeitig erkannt und mit ID37 ein wirksames Instrument zur Personalentwicklung ins Spiel gebracht hatte, hatte Tim das Marketingteam nicht voreilig verlassen.

Fallbeispiel: Verweigerer zum Mitstreiter machen Ein Unternehmen war dabei, im Zuge der Digitalisierung agile Arbeitsmethoden einzuführen. In diesem Rahmen wurden wir von Führungskraft Jan um einen Rat gebeten. Jan hatte die Rolle des Product Owners eingenommen. Zu den Mitgliedern des Teams zählte die ehemalige Führungskraft Richard. Seitdem der unternehmensweite Veränderungsprozess eingeleitet und Führungsebenen abgebaut wurden, hatte Richard keine leitende Funktion mehr inne. In Jans neuem Team war er aufgrund seiner hohen fachlichen Expertise für Software-Testing und Qualitätssicherung unverzichtbar. z Herausforderung

Nachdem das Team ein paar Wochen zusammengearbeitet hat, bekam Product Owner Jan zufällig mit, dass sich das Team sehr negativ über Richard äußerte: „Der nervt! Er hat immer was zu meckern.“ In einem der nächsten Reviews fehlten sowohl Richard als auch zwei Mitglieder aus dessen früheren Team. Als Jan ihn darauf ansprach, polterte Richard los: „Die ganze Transition wird sowieso den Bach runtergehen. Keiner hat mehr den Überblick, und es wird nur Overhead erzeugt. Ich verstehe nicht, wozu die Transition gut sein soll … mein früheres Team … wir haben damals echt gut performed!“

6

140

Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

Jan sah Richards Frustration, erzeugt durch den Machtverlust, und erkannte die Gefahr der Leistungsminderung bei Richard mit negativen Auswirkungen auf das Teamergebnis und auf die Atmosphäre im Team. Er wollte die Ex-Führungskraft schnell „einfangen“. z Analyse der Motive

Wir vereinbarten mit Jan, dass er Richard zum Vier-Augen-Gespräch bitten würde – mit folgender Zielsetzung für Jan: 5 die ehemalige Führungskraft als Individuum respektieren; 5 Rahmenbedingungen vereinbaren, unter denen Richards Motivation auch in seiner neuen Rolle entfacht würde.

6

Zur Vorbereitung des Gesprächs diente Jan das ID37 Motivprofil von Richard. Es lag ihm aus einem früheren gemeinsamen Führungsworkshop vor (. Abb. 6.9). Das Motivprofil wies u. a. folgende hohe Motivausprägungen auf: EINFLUSS (++), STRUKTUR (+), SICHERHEIT (+). z Lösung

Jan hatte den Bereich Qualitätssicherung als neuralgischen Punkt für das Team identifiziert. Er wollte daher das Gespräch mit Richard so lenken, dass er den Bereich an ihn delegieren und ihm die volle Verantwortung anvertrauen könnte. Denn so könnte er zwei Motive auf einmal bedienen:

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2%

2

5% NIEDRIG

3

9%

4

15%

5

19%

6

19%

MITTEL

7

15%

8

9%

9

5% HOCH

. Abb. 6.9  Auszug aus dem Motivprofil der ehemaligen Führungskraft

10

2%

10

Einfluss

7

Status

7

Prinzipien

9

Struktur

8

Sicherheit

6.4 · Fallbeispiele aus der Wirtschaft

141

5 Richard könnte sein Motiv EINFLUSS (EIN ++) wieder leben und selbst entscheiden, ob er dem Vertrieb beispielsweise schnelle oder gründliche Ergebnisse zur Verfügung stellt. 5 Richard könnte sein ausgeprägtes Motiv SICHERHEIT leben und als wertvolle Ressource für das Team nutzen. Er hatte ein feines Gespür dafür, wenn Messergebnisse zu einem Risikofaktor wurden, was für das Teamergebnis sehr relevant war. Es war kein Zufall, dass Richard auf dem Gebiet Qualitätssicherung Spezialist war, denn hier gab es eine hohe natürliche Übereinstimmung (SIC +). In Vorbereitung auf das Gespräch führte sich Jan auch sein eigenes Profil vor Augen, um mögliche „blinde Flecken“ zu reflektieren. Er erkannte, dass sein niedrig ausgeprägtes Motiv STRUKTUR (STR −) im Widerspruch zu der Motivausprägung von Richard stand. Er wollte sich daher bemühen, pünktlich zum Gespräch zu erscheinen und dafür zu sorgen, dass der Besprechungstisch sauber wäre. Zudem nahm er sich vor, klare Absprachen mit Richard zu treffen – wie es Richard wichtig war (STR +). z Ergebnis

Jan lenkte das Gespräch so, dass Richard und er die Lösung gemeinsam erarbeiteten. Jan versprach, die Lösung im nächsten Meeting zum Agendapunkt zu machen und mit dem Team zu besprechen. Das Führungsverhalten von Jan trug zum Erfolg bei. Die persönlichkeitsorientierte Vorbereitung von Feedbackgesprächen deckt Motiv- und Interessenslagen auf und macht sie ansprechbar. Sie erhöht die Wahrscheinlichkeit, eine wertschätzende Atmosphäre und ein gutes, konstruktives Gesprächsergebnis zu erzielen. Jan besaß Gesprächsführungskompetenz und war in seiner Kommunikation sehr klar. Er hatte Richard eine Perspektive aufgezeigt, die zu seiner aktuellen Situation und zu seiner Persönlichkeit passte. Hätte sich Jan nicht auf die Persönlichkeit von Richard eingelassen, hätte die Verweigerungshaltung vermutlich angehalten. Stattdessen bestätigte Jans Lösungsvorschlag das gewünschte Verhalten von Richard. Dies steigerte nachhaltig Richards Selbstmotivation, seinen Leistungswillen und die Effektivität und Zufriedenheit des gesamten Teams.

Fallbeispiel: Vielfalt im Team verstehen, erleben und nutzen Ein mittelständisches internationales Unternehmen wurde restrukturiert. Betroffen war ein Unternehmensbereich mit rund 7000 Mitarbeitern. Ein siebenköpfiges Team sollte den Wandel gestalten und zum Erfolg führen. Innerhalb des neuen Führungsteams herrschte Skepsis, da man sich untereinander nicht gut kannte. z Herausforderung

Die Unternehmensleitung kannte das Potenzial des neuen Führungsteams. Sie wusste jedoch nicht, wie sie dieses Potenzial am besten freisetzen konnte. Das Team sollte schnell – unmittelbar nach dem offiziellen Kick-off – die Arbeit aufnehmen. Unter anderem herrschte noch Unklarheit über die interne Rollen- und Aufgabenaufteilung. Wir wurden beauftragt, im Rahmen des Kick-off eine zweitägige Teamentwicklung mit ID37 durchzuführen.

6

142

Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

z Lösung

Da das Team zukünftig eng zusammenarbeiten und sich abstimmen müsste, sollten alle von Beginn an wissen, mit wem sie es zu tun hätten. Als Zielsetzungen für den Workshop formulierten wir u. a.: 5 einander besser kennenlernen; 5 Vertrauen und eine offene Feedback-Kultur fördern; 5 den Weg klären, wie das Führungsteam zu einem Vorbild einer neuen Projektkultur im Unternehmen werden konnte; 5 die Ressourcen der Teammitglieder aktivieren; 5 die zukünftigen Rollen und Verantwortlichkeiten ausloten.

6

Wir machten die Teilnehmer 3 Wochen vor dem Workshop mit ID37 vertraut und zeigten auf, wie es der Zielerreichung dienen würde. Alle Teilnehmer wurden vor dem Workshop mit dem ID37 Verfahren vertraut gemacht und erhielten ihr individuelles Analysegespräch. Die Offenlegung der Profile innerhalb des Teams wurde vereinbart. Die aus den Profilen der Teilnehmer entwickelte ID37 Teamübersicht diente uns als Basis für die Workshop-Vorbereitung (. Abb. 6.10). z Auszug aus dem Workshop-Design z z Fokus Gemeinsamkeiten im Team

Wir analysierten die Teamzusammensetzung und erkannten ähnliche Ausprägungen des Motivs NEUGIER (NEU). Kein Teammitglied wies eine niedrige Ausprägung dieses Motivs auf (. Abb. 6.11).

NEU

SAN

EIN

STA

BES

AUT

SOZ

PRI

SEN

STR

SIC

REV

BEW

ESS

FAM

P01

8

7

8

8

5

3

8

5

5

7

5

7

7

5

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P02

9

5

9

8

8

3

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5

5

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8

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5

P03

5

6

6

6

1

8

3

2

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1

6

8

7

6

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P04

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5

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P05

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5

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P07

8

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4

2

7

2

3

2

5

2

5

9

9

6

. Abb. 6.10  Übersicht über die Motivprofile aller Teammitglieder P01–P07. NEU Neugier, SAN Soziale Anerkennung, EIN Einfluss, STA Status, BES Besitzen, AUT Autonomie, SOZ Sozialkontakte, PRI Prinzipien, SEN Soziales Engagement, STR Struktur, SIC Sicherheit, REV Revanche, BEW Bewegung, ESS Essensgenuss, FAM Familie

6

143

6.4 · Fallbeispiele aus der Wirtschaft

10

Neugier = Starke Ähnlichkeit

9 8

P2/5

P1/6/7

7 6

P4

5

NEU

P3 P01

8

P02

9

3

P03

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P04

6

P05

9

P06

8

P07

8

Neugier

4

1

1

2

3

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5

6

7

8

9

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Neugier . Abb. 6.11  Ähnlichkeit im Team beim Motiv NEUGIER (NEU)

Übung: Mitarbeiter finden Zugang zueinander Analyseergebnis Das Motiv NEU ist eine gemeinsame Ressource des Teams. Übung Die Teilnehmer sollten binnen 10 sec die folgende Aussage nach einem einfachen Raster bewerten: „Über die Zusammenhänge bestimmter Ereignisse nachzudenken, finde ich …“ Die Ergebnisse wurden gruppiert, sodass Tendenzen deutlich wurden. 5 Ziel der Übung – Teamanalyseergebnisse zum Motiv NEU werden reflektiert. – Mitglieder finden Zugang zueinander. 5 5

Prognose: Die Mitglieder würden in dem Motiv NEU vermutlich eine gemeinsame Motivationsplattform finden. Alle könnten sich beispielsweise in Themen vertiefen, dabei ähnliche Emotionen erleben und über Wissen und Erkenntnisse eine gemeinsame Sprache finden. Die gemeinsame Plattform birgt jedoch auch die Gefahr von „blinden Flecken“:

144

Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

5 Es könnte sein, dass das Team sich im Arbeitsalltag in endlosen Diskussionen um Erkenntnisgewinn verfängt, Themen nicht zum Abschluss bringt und sich als Wissenselite sieht. 5 Mögliche Selbstwahrnehmung des Teams: „Wir sind smart, interessiert, geistvoll.“ 5 Mögliche Fremdwahrnehmung des Teams: „Unsere neue Führung ist verkopft, denen mangelt es an gesundem Menschenverstand, sie sind kompliziert und oberlehrerhaft.“ 5 Es könnte sein, dass das Team andere Teams, z. B. operative Einheiten, als wenig intellektuell und wenig intelligent „abstempelt“. Die Teilnehmer vereinbarten im Workshop gegensteuernde Maßnahmen.

z z Fokus Unterschiede im Team

Die Teamanalyse legte offen, dass es einen möglichen Außenseiter im Führungsteam geben und es dadurch zu Konflikten und Leistungshemmung kommen könnte (. Abb. 6.12).

möglicher Außenseiter

10

P5

9 8 7 6 5

Soziales Engagement

6

Praxistransfer: Es wurde beschlossen, in Meetings den Reflexionspunkt NEUGIER zum festen Agendapunkt zu machen. 5 Als Erinnerungshilfe für das niedrig ausgeprägte Motiv NEUGIER bei anderen entwickelte das Team als Symbol einen Werkzeugkasten, der Handwerk und Handlungsorientierung symbolisiert. 5 Bei diesem Agendapunkt berichtet jede Führungskraft, wie sie Beschlüsse konkret vermittelt und praktisch in die Tat umgesetzt hat.

P3

4 3

PRI

SEN

P01

5

5

P02

5

5

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Prinzipien . Abb. 6.12  Motivaufstellung: PRINZIPIEN (PRI) und SOZIALES ENGAGEMENT (SEN)

6.4 · Fallbeispiele aus der Wirtschaft

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Übung: Emotionale Distanz erleben 5 Analyseergebnis – P05 weicht mit der hohen Ausprägung der Motive PRINZIPIEN (PRI +) und SOZIALES ENGAGEMENT (SEN +) stark von den anderen ab. – Im Hinblick auf diese Motive leben P05 und die anderen Führungskräfte in unterschiedlichen Wertewelten. 5 Übung – Die Teilnehmer stellen sich auf einer ausreichend großen Fläche entsprechend ihrer Motivausprägungen der Motive PRI und SEN auf. – Die Gruppe unterhält sich (. Abb. 6.12). Dabei wird deutlich, dass der „Außenseiter“ nicht hört, was gesprochen wird. 5 Ziel der Übung – Außenseiterrolle symbolisch deutlich machen. – Aufzeigen, wie sich emotionale Distanz anfühlt.

Praxistransfer: P05 hatte die höchste Sensibilität für moralische und soziale Themen.

Es wurde beschlossen, dass P05 jederzeit eine „Moral-Diskussion“ initiieren könnte, wenn er sich unwohl fühlte.

Fokus Lagerbildung  Das Teamprofil zeigte zudem die Gefahr einer möglichen Lagerbildung. Die Prognose lautete: Es könnte zu Problemen bei den Themen Feedback, Umgang mit Kritik und Fehlerkultur kommen (. Abb. 6.13).

Übung: Eigen- und Fremdwahrnehmung erleben 5 Analyseergebnis – P04 und P05 haben eine hohe (Lager SAN +) und P06 und P07 eine niedrige (Lager SAN −) Ausprägung des Motivs SOZIALE ANERKENNUNG. – In einer Krisensituation könnte der Umgangston beispielsweise von P06 oder P07 recht rau werden. Der wöchentliche Jour fixe könnte für P04 und P05 mangels eines wertschätzenden Umgangs miteinander unangenehm werden. 5 Übung – Es wurden Tandems zusammengestellt, die in einzelnen Lebensmotiven signifikant unterschiedliche Ausprägungen hatten. – Die Paarungen unterhielten sich über ihre hohen und niedrigen Ausprägungen, berichteten von Lebenssituationen, in denen sie diese Motive wahrgenommen und welche Emotionen sie dabei gespürt hatten. – Wir stellten Unterlagen zu Eigen- und Fremdwahrnehmung zur Verfügung. 5 Ziel der Übung – Eigen- und Fremdwahrnehmung bewusstmachen. – Aufdecken von Teilen der Persönlichkeit, die selbst nicht wahrgenommen werden. – Einblick in und Respekt vor der Wertewelt der Kollegen. – Umgang mit Emotionen.

6

146

Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

10

P5

Lager SAN: Hoch 9 8

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7

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Soziale Anerkennung

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P3 SAN

P2

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Lager SAN: Niedrig P7

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P01

7

P02

5

P03

6

P04

8

P05

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P06

3

P07

1

Soziale Anerkennung . Abb. 6.13  Unterschiede im Team: Mögliche Lagerbildung zwischen P04 & P05 sowie P06 & P07. SAN Soziale Anerkennung

Praxistransfer: P04 und P05 sollten immer dann wortwörtlich die Gelbe Karte zei-

gen, wenn der Umgangston aus ihrer Sicht nicht stimmte und sie sich unwohl fühlten. Zudem sollten P02 und P03 mit ihrer mittleren Ausprägung als Vermittler fungieren.

Fokus Vielfalt als Stärke  Wir überlegten, wie sich die vorhandene Motivvielfalt als

Stärke nutzen lassen könnte. Wir identifizierten SICHERHEIT (SIC) als Motiv mit dem größten Potenzial dafür (. Abb. 6.14). Hier lagen die Ausprägungen von P02 und P07 am weitesten auseinander.

Praxistransfer: P02 und P07 bekamen zwei unterschiedliche Rollen:

5 P02 wurde zum „Risikomanager“, da er sensibel für mögliche Risiken war (SIC +), 5 P07 wurde zum „Pionier“, da er offen war und einen Radar für neue Chancen hatte (SIC −).

6

147

6.4 · Fallbeispiele aus der Wirtschaft

10

„,Risikomanager“

9

P2

8 7 6

P3/5

5

SIC

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Sicherheit

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P7

„,Pionier“

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4

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P01

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P02

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P03

6

P04

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P05

6

P06

5

P07

2

Sicherheit . Abb. 6.14  Vielfalt im Team beim Motiv SICHERHEIT (SIC)

Da P02 und P07 zwei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten waren, erstellten wir für die Arbeitspraxis eine Profilgegenüberstellung, die dies visualisierte (. Abb. 6.15). z Ergebnis

Die gegenseitige Skepsis schlug bereits während des Workshops in Akzeptanz um. Die erlebte Transparenz über die Vielfalt im Team erzeugte eine nachhaltige Offenheit unter den Führungskräften: Ein Verständnis für unterschiedliches Verhalten und unterschiedliche Führungsstile entstand. Durch den Workshop fanden die Führungskräfte eine gemeinsame Sprache für Feedback und Konflikte und entwickelten erste Maßnahmen für einen wertschätzenden Umgang. Regelmäßige Reflexion wurde zur festen Routine. Nach dem Workshop entwickelte sich die Zusammenarbeit im Team zu einem effektiven Miteinander und strahlte positiv auf die Gesamtorganisation ab. Das Beispiel zeigt, dass die Arbeitsfähigkeit eines Teams erheblich davon abhängt, wie offen die Mitglieder untereinander umgehen und dass gegenseitiges Verständnis trainiert werden kann.

Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

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3

4

5

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8

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5% NIEDRIG

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15%

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Soziale Anerkennung

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Sozialkontakte

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Prinzipien

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„,Risikomanager“

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„,Pionier“

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. Abb. 6.15  Gegenüberstellung „Risikomanager“ und „Pionier“

Gespräch: Mehr Unterstützung, weniger Anweisung Im Sommer 2018 führten wir ein Gespräch mit dem Berater Michael Kloss über den Einsatz der ID37 Persönlichkeitsanalyse als Führungsinstrument. Wir wollten von ihm wissen, wie er die Analyse in seinem Führungsalltag einsetzt: Michael Kloss ist Partner bei der IT Beratung Conciso GmbH. Als Partner ist er Führungskraft im Unternehmen. Beim Kunden ist er meist als Agile Coach im Einsatz und unterstützt Teams bei der

6.4 · Fallbeispiele aus der Wirtschaft

149

Einführung agiler Arbeitsweisen und bei deren kontinuierlicher Verbesserung. Vor seinem Einstieg bei Conciso war der Diplom-Informatiker mit unterschiedlichen agilen Führungsrollen betraut. Er kennt daher die Anforderungen an effektive Teamsteuerung in neuen Arbeitsumfeldern sehr genau. Sie arbeiten seit 2006 in agilen Arbeitsumgebungen und haben diese teilweise mitgeprägt. Wie verstehen Sie die Führungsaufgabe im agilen Kontext?

Agilität ist eine Haltung und eine neue Art, wie Arbeit organisiert wird. Es geht dabei vor allem um den direkten Bezug zum Kunden und um schnelles Lernen, damit die Gesamtorganisation beweglich bleiben kann. Dieses Mindset hat unmittelbare Auswirkungen auf die Zusammenarbeit und die Führungsaufgabe: Die Führungskraft ist „Servant Leader“. Als Dienstleister der Mitarbeiter schafft sie die Rahmenbedingungen, damit diese ihr Potenzial optimal entfalten können. Dabei ist kein Mitarbeiter wie der andere, und jeder benötigt auch etwas anderes. Als dienende Führungskraft ist es meine Aufgabe, diese Unterschiede zu erkennen, die notwendigen Dinge bereitzustellen und alles zu ermöglichen, damit jeder Mitarbeiter seine Arbeit bestmöglich erledigen und sich entwickeln kann. Wie setzen Sie Ihren Führungsanspruch um?

Als agiler Coach helfe ich Teams, sich kontinuierlich zu verbessern, sich zu hinterfragen und daraus neue Aktionen abzuleiten. Als Führungskraft bin ich zur Unterstützung der Mitarbeiter da, nicht um ihnen Anweisungen zu erteilen. Beides erfordert, dass ich mich sehr genau kenne und weiß, wie ich auf Menschen wirke. Die erste und wichtigste Antwort ist daher: Ich fange bei mir an. Meine Arbeit verlangt jeden Tag, mit Menschen zu arbeiten, diese zu verstehen und zu reflektieren, und zwar sowohl mich zu reflektieren als auch erlebte Situationen. Dafür ist es wichtig, dass ich filtern kann, welche Sichtweisen und Hypothesen durch meine Eigenwahrnehmung entstehen. Welchen Nutzen liefert dabei die Persönlichkeitsanalyse ID37?

ID37 hilft mir einerseits, um mir meiner selbst und meiner Wahrnehmungsfilter bewusst zu sein, andererseits um schnell ein gutes Verständnis für die Mitarbeiter zu erhalten. Wenn ich weiß, wer ich bin, kann ich viel besser einschätzen, wo der andere anders oder gleich ist. Die Möglichkeit, eine Situation durch die Augen des anderen zu betrachten, hilft mir täglich dabei, auf den Punkt zu beraten und zu führen. Das öffnet viele Türen und wir können das sonst so ominöse Bauchgefühl durch eine Sprache ersetzen, die uns im Dialog schneller ans Ziel bringt. Und was bedeutet das für die Teamsteuerung?

In Teams ist das besonders spannend, da ich viele Facetten der Gruppe aufdecken kann. Meine bisherige Arbeit mit ID37 in Teams zeigt, dass die Basistoleranz bei den Teammitgliedern wächst, wenn wir zuvor eine Teamanalyse durchgeführt haben und offen mit den Erkenntnissen arbeiten. Der Vorteil liegt auf der Hand: Jeder weiß um die „blinden Flecken“ – die eigenen und die der anderen – geht bewusster damit um und reduziert unnötige Reibungsverluste. Dies gilt auch für den Umgang mit Experten oder Kunden: Hier holt sich jemand schon mal Rat von Teammitgliedern mit

6

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Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

anderer ­Motivlage, die eine Situation emotional ggf. besser verstehen. Im I­T-Umfeld ist es recht neu, dass auf Kommunikation und den offenen Umgang mit Emotionen Wert gelegt wird. Durch die Digitalisierung unseres Lebens werden die Aufgaben und Herausforderungen immer komplexer, erfordern immer mehr Abstimmungen und gemeinsames Handeln. Die Funktion oder Dysfunktion eines Teams ist sehr oft entscheidend für den Erfolg eines Produkts am Markt und deswegen auch entscheidend für viele Unternehmen. Das heißt nicht, dass Werkzeuge wie ID37 sofort akzeptiert werden. Meine Erfahrung ist jedoch, dass sich Menschen mehr und mehr öffnen, sobald sie den Mehrwert erlebt haben, wenn sie sich einfacher verständigen können und verstanden fühlen. Was waren die eindrücklichsten Erfahrungen mit dem Instrument?

6

Ein Schlüsselerlebnis war für mich das Analysegespräch mit einem Kunden, dessen hohe Ausprägung auf EINFLUSS und REVANCHE seine ebenfalls hohe Ausprägung auf SOZIALE ANERKENNUNG im Arbeitsalltag vollkommen überdeckt haben. Ich kannte den Kunden schon länger und mir war nie aufgefallen, dass diese Person Anerkennung benötigte. Erst im Analysegespräch wurde klar, dass mangelnde Anerkennung auch ein Grund war, weshalb der Kunde im Job unzufrieden war. „Das war echt gute Arbeit!“, bekam er nie zu hören, seine Führungskräfte lobten ihn nicht. Wir erarbeiteten einen Weg, wie der Kunde selbst aktiv werden kann, wenn er Anerkennung braucht. Er bestätigte mir später, dass die Analyse Klarheit brachte und ein echter Wendepunkt in seinem Leben war. Welchen Mehrwert bringt ID37 dem Unternehmen Conciso?

Mitarbeiter, mit denen wir die Persönlichkeitsanalyse durchgeführt haben, können wir besser verstehen und unterstützen. Es steht natürlich jedem frei, sein Motivprofil zu erstellen. Wir merken, dass das Interesse zunimmt. Meiner Meinung nach passt dieser Ansatz auch sehr gut zu der Generation Y, die wir als Mitarbeiter adressieren. Nehmen Sie als Beispiel einen Mitarbeiter, der eine hohe Ausprägung auf dem Motiv FAMILIE hat. Nichts wäre fataler, als diesen Mitarbeiter 5 Tage in der Woche zu einem 500 km entfernten Kunden zu schicken. Das Wissen über die individuellen Lebenspräferenzen hilft uns, ein möglichst passendes Umfeld für unsere Mitarbeiter zu schaffen. Gerade im Beratungsgeschäft ist es wichtig, zufriedene Mitarbeiter zu haben. Je zufriedener die Berater sind, desto mehr Energie haben sie und desto ausgeglichener sind sie. Dies kommt auch beim Kunden an. Was bringt es Ihnen persönlich?

Ich kann nur etwas trainieren oder mich verbessern, wenn ich erkenne, wo das Defizit liegt. Durch mein ID37 Persönlichkeitsprofil weiß ich beispielsweise, dass ich eine sehr niedrige Ausprägung des Motivs STRUKTUR habe. Wenn mir jemand sagt, ich solle mehr Ordnung halten und weniger sprunghaft sein, dann kann ich heute weniger emotional damit umgehen als früher, denn ich weiß, dass für den anderen Struktur vermutlich viel wichtiger ist als für mich. Ich habe verstanden, wo ich ansetzen muss und kann trainieren, solche Situationen zu erkennen, meinen ersten Impuls zu zügeln und mein Verhalten stattdessen an die Situation anzupassen – gerade in einer Vorbildfunktion, die ich als Führungskraft habe.

6.4 · Fallbeispiele aus der Wirtschaft

151

Wie lange arbeiten Sie schon mit ID37?

ID37 Master bin ich seit Anbeginn, da ich als Reiss Motivation Profile Master direkt mitgewechselt bin. Insgesamt arbeite ich inzwischen seit 6 Jahren kontinuierlich mit Persönlichkeitsdiagnostik. Der wichtigste Punkt an ID37 ist für mich die Darstellung der vielfältigen Dimensionen, die unsere Individualität ausdrücken. Außerdem bin davon überzeugt, dass dieses Werkzeug sehr zukunftsfähig mit der Universität Luxemburg entwickelt wurde. Zu guter Letzt: Möchten Sie noch etwas ergänzen?

Agiles Arbeiten beruht auf drei wichtigen Säulen: Transparenz, Inspektion und Adaption – genau inspizieren was passiert und das weitere Vorgehen darauf aufbauend adaptieren. Voraussetzung dafür ist, Transparenz zu leben, um ein Gesamtbild zu erhalten. Wenn wir dies in unserer Arbeit anwenden wollen, wie können wir es bei uns selbst vernachlässigen? Die drei Prinzipien lassen sich wunderbar bei uns selbst anwenden: ID37 verschafft mir vor allem Transparenz und hilft mir dabei, mich mit diesen Prinzipien kontinuierlich weiterzuentwickeln, um meine Flexibilität und Anpassungsfähigkeit als Person zu stärken. 6.4.3  Human-Resources-Management

Im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte ist Persönlichkeitsdiagnostik ein Erfolgsfaktor für eine wirksame Human-Resources-Strategie (HR-Strategie). So kann Persönlichkeitsdiagnostik in die HR-Strategie integriert werden, um das Talentmanagement zu objektivieren: von der Gewinnung passender Fach- und Führungskräfte über deren individuelle Weiterentwicklung bis zur Bindung von Talenten.

Fallbeispiel: Der Kandidat ist König – erfolgreiches Employer Branding Ein auf IT-Beratung und Softwareentwicklung spezialisiertes wachsendes Unternehmen suchte händeringend Experten aus begehrten Fachdisziplinen. Der Wettbewerb um IT-Architekten, erfahrene Programmierer oder Softwareentwickler war groß. Das schnell wachsende Beratungsunternehmen war jung am Markt und wenig bekannt. z Herausforderung

Das Beratungsunternehmen musste potenzielle Kandidaten von der ersten Minute an überzeugen und begeistern. Die Unternehmensgründer legten großen Wert darauf, dass bereits jeder Kontakt im Bewerbungsprozess und in der Einarbeitungsphase sehr professionell und positiv verliefe und dass die wertschätzende Kultur des jungen Unternehmens vermittelt würde. z Lösung

Das Unternehmen verstand, dass es den Recruitingprozess als Vorteil für sich nutzen konnte. Dieser fing bereits vor der Bewerbung an. Um gute Kontakte zu potenziellen Talenten aufzubauen und um die Zahl an qualifizierten Bewerbungen hochzuhalten, kooperierte das Unternehmen eng mit der örtlichen Technischen Universität. Es

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6

Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

vergab Projekte und Studentenjobs und war auf Hausmessen als Sponsor aktiv. Potenzielle Kandidaten machten so schon zu einem frühen Zeitpunkt gute Erfahrungen mit dem Unternehmen. Der Bewerbungsprozess selbst verlief online und zügig. Kandidaten hatten die Möglichkeit, die Berater auf der Unternehmenswebsite kennenzulernen, um sich ein Bild davon machen zu können, welche Menschen die Beratung durchführen. Im Unternehmen herrschte die Devise: Einstellung kann nicht ohne Berücksichtigung der Unternehmenskultur stattfinden. Wurde ein Kandidat eingeladen, lernte er sowohl einen der Unternehmensgründer als auch verschiedene Projektteams kennen. Die Fachgespräche fanden nach dem Mehr-Augen-Prinzip statt, denn auf der einen Seite sollten die Kandidaten das Unternehmen transparent erleben und auf der anderen Seite sollten die Berater einen Eindruck vom Kandidaten gewinnen und Feedback geben. Seit der Unternehmensgründung setzte das Beratungshaus auf die ID37 Persönlichkeitsanalyse. Gerade in der Einarbeitungsphase hatte es sich bewährt, um neue Kollegen schnellstmöglich in das schnell wachsende Unternehmen zu integrieren und um die Zusammenarbeit in den Teams optimal zu gestalten. Im persönlichen Interview kam diese Besonderheit daher direkt zur Sprache. Bei erfolgreicher Einstellung konnte der Neueinsteiger sein ID37 Persönlichkeitsprofil durchführen. Dies war eine freiwillige Maßnahme, die sich als erfolgreiches Mittel für einen gelungenen Einstieg erwiesen hatte. Sie erlaubte jedem Berater, von Beginn an authentisch zu sein und erleichterte seine Integration in bestehende Projektteams. Mit dem verfügbaren Persönlichkeitsprofil wurden Feedbackgespräche individuell gestaltet und Entwicklungs- und Förderungsmaßnahmen passend zugeschnitten. z Ergebnis

Der Einstellungsprozess inklusive der Einarbeitungsphase war sehr professionell und führte dazu, dass die Mitarbeiter die Organisationskultur schnell kennenlernten und das Unternehmen frühzeitig als attraktiven Arbeitgeber wahrnahmen. Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Brauch, dass abgelehnte Bewerber, die vorstellig wurden, über eine „Talent Community“ in Kontakt mit der Beratung blieben. Die Botschaft der Beratung, dass Talente als Persönlichkeiten geschätzt und behandelt wurden, sprach sich herum. Der Bewerbungs- und Integrationsprozess entwickelte sich zu einem wichtigen Employer-Branding-Instrument für das junge Beratungsunternehmen.

Fallbeispiel: Personalauswahl – unvoreingenommen zum richtigen Kandidaten Wenn neue Kandidaten eingestellt oder Mitarbeiter gefördert werden sollen, sind Fingerspitzengefühl und Professionalität gefragt. Dass Einstellungsgespräche jedoch nicht immer professionell vorbereitet und geführt werden, diese Erfahrung machte Personalberaterin Ulrike. Ulrike blickt auf eine über 25-jährige Laufbahn in verschiedenen HR-Positionen zurück und gehört zu den ersten ID37 Mastern, die wir ausgebildet haben. z Herausforderung

Aus Sicht der Personalberaterin stellen mehrere Aspekte bei der Personalsuche und -auswahl eine Herausforderung dar: „Viele Verantwortliche denken nur darüber nach, welche Kompetenzen und Soft Skills ein Kandidat mitbringen muss. Was fehlt, ist ein

6.4 · Fallbeispiele aus der Wirtschaft

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Blick auf gewünschte Verhaltensweisen, Wesenszüge und Wertvorstellungen. Ohne ein ganzheitliches Bild der gesuchten Persönlichkeit sollte man keine Auswahlgespräche führen. Zudem muss ich als Personalentscheider mich und meine ‚blinden Flecken‘ kennen. Worauf springe ich besonders an? Sonst bin ich Sklave meiner eigenen Voreingenommenheit und bevorzuge unbewusst Kandidaten, die einen Stall voll Kinder haben, weil ich auch ein Familienmensch bin. Oder ich disqualifiziere jemanden, nur weil er nicht so sportbegeistert ist wie ich. Diese Aspekte haben rein gar nichts mit der Stelle zu tun, aber vom ersten Eindruck kann sich niemand wirklich freimachen – auch wir Personaler nicht“, so Ulrike, als sie uns einmal über die Schwierigkeiten von Einstellungsgesprächen berichtete. z Lösung

„Ich rate meinen Kunden zu einer klaren Strategie und zum Einsatz von Persönlichkeitsdiagnostik in der Personalauswahl.“ Dabei empfiehlt Ulrike nicht etwa, ein Persönlichkeitsprofil von den Kandidaten zu erstellen, sondern von denjenigen, die die Personalauswahl treffen. „Wenn die Entscheider sich und ihre Präferenzen kennen, sind sie eher in der Lage, sich vom Einfluss des ersten Eindrucks freizumachen. So können sie während des Gesprächs offenbleiben und sich auf die eigentlichen Anforderungen konzentrieren“, begründete Ulrike. Ulrike selbst arbeitet mit ID37. Das Wissen, das die Auseinandersetzung mit der eigenen Person mit sich bringe, sei auch wertvoll, um die Kandidaten besser einschätzen zu können. So lasse sich beispielsweise an den Aussagen eines Bewerbers recht schnell überprüfen, ob er als Führungskraft in der Vergangenheit wirklich eng mit seinen Mitarbeitern zusammengearbeitet hat und welches Führungsverhalten er zukünftig an den Tag legen wird. Auch die Frage, welche Eigenschaften ein Kandidat mitbringen soll, lässt sich auf Basis eines Persönlichkeitsdiagnostikverfahrens fundiert klären. Aus Sicht der Personalberaterin bedarf es vor allem eines durchdachten Anforderungsprofils und professionell geführter, gut vorbereiteter Interviews und selbstreflektierter Personalentscheider, um eine gute Auswahlentscheidung zu treffen. Für die Vorbereitung und Durchführung von Interviews sei das ID37 ein sehr nützliches Instrument. z Ergebnis

Da der Personalauswahl eine hohe Bedeutung zukommt und jede Stellenbesetzung eine hohe Treffsicherheit erfordert – jede Fehlentscheidung verursacht finanziellen Aufwand im Unternehmen, sorgt ggf. für Unruhe in Fachteams oder beim Kunden und ist unangenehm für die Neueinsteiger –, hat sich die Arbeit mit ID37 für die Kunden der Personalberaterin bewährt. Diese schätzen die fundierten Informationen, die das Verfahren mit sich bringt. Fehlbesetzungen passieren trotzdem, aber der Einsatz von Personaldiagnostikinstrumenten reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass sie eintreten. Denn er setzt voraus, dass sich die Personalverantwortlichen im Vorfeld ausgiebig Gedanken machen, was sie suchen und wo sie selbst ihre „blinden Flecken“ haben. Ulrike berichtete, dass ihr dieser neue Ansatz eine hohe Weiterempfehlungsquote als Personalberaterin verschafft hat.

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Kapitel 6 · ID37 in der Arbeitspraxis

6.5  Wann ist die Arbeit mit ID37 erfolgreich?

Die Ergebnisse der ID37 Persönlichkeitsanalyse lassen meist niemanden unberührt, führen zu nachhaltigen Aha-Effekten und dem Wunsch, das eigene Leben stärker entlang der Persönlichkeit auszurichten.

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Die Arbeit mit ID37 ist erfolgreich, wenn der Profilierte: 5 sich in seinem Motivprofil wiederfindet und es annimmt, 5 Selbsterkenntnis über das eigene Denken, Erleben und Handeln gewonnen hat, 5 zur Selbstreflexion bereit ist, 5 versteht, dass andere anders denken und fühlen, 5 differenzierter und vorurteilsfreier über Menschen nachdenkt, 5 dem Individuum mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegenbringt. Die Arbeit mit ID37 lohnt sich schon allein aufgrund der reflexiven Prozesse, die sie auslöst. Ohne Selbsterkenntnis ist keine Selbstreflexion möglich. Ohne Selbstreflexion können keine passgenauen Ziele gesetzt werden, und ohne Ziele ist keine persönliche Weiterentwicklung möglich. Es braucht etwas Übung, um passgenaue persönliche Ziele zu klären und zu formulieren. 6.6  Der Weg zu ID37

Die ID37 Persönlichkeitsdiagnostik bietet einen wissenschaftlich fundierten Ansatz, der sich in bestehende Beratungs-, Coaching- oder Trainingskonzepte integrieren lässt und neue Möglichkeiten eröffnet. Idealerweise steht die motivorientierte ID37 Analyse dabei am Anfang eines Weiterentwicklungsprozesses. Professionelle Anwender von ID37 müssen eine Lizenz, die sog. ID37 Masterlizenz, erwerben. z Voraussetzung für den Erwerb einer ID37 Masterlizenz

Berufserfahrene mit einer Ausbildung in Coaching, Beratung oder Psychologie und verwandten Fachgebieten sowie HR-Manager, Führungskräfte oder Teamleiter können sich zum ID37 Master weiterqualifizieren. Der Einsatz von ID37 hat sich in der Praxis bewährt bei: 5 Coaches, die Menschen helfen, zu Gelassenheit und Balance zu finden oder zufriedener zu sein. 5 Beratern und Business-Coaches, die Menschen in Veränderungs- und Transformationsprozessen begleiten. 5 Trainern, die mit Weiterbildung und -entwicklung beschäftigt sind. 5 HR-Managern und Personalentwicklern, die an neuen Recruitingprozessen arbeiten und mit Talentmanagement beauftragt sind. 5 Führungskräften, die vertiefendes Wissen über Menschen erwerben wollen, weil sie neue Organisationsstrukturen schaffen, neue Rollen im Unternehmen einführen oder eine berufliche Veränderung anstreben. 5 Teams, die sich so aufstellen wollen, dass sie unter Berücksichtigung des Einzelnen optimale Teamleistung erbringen.

155 Literatur

z Zertifizierung zum ID37 Master

Mit der Ausbildung erwirbt der ID37 Master das Wissen und die Lizenz, um mit dem Persönlichkeitsdiagnostikinstrument ID37 professionell zu arbeiten und dieses Instrument in sein eigenes Geschäftsmodell zu integrieren. Vor der Ausbildung führen wir mit jedem Teilnehmer eine persönliche ID37 Analyse durch, um seine Motiv- und Antriebsstruktur kennenzulernen und im Kontext seiner beruflichen Rolle zu reflektieren. Themenmodule der Zertifizierung zum ID37 Master 5 Grundlagen der Motivationspsychologie: wie Motive, Motivation und Verhalten funktionieren 5 Vertiefter Einblick in die Theorie der Lebensmotive nach den Erkenntnissen der Universität Luxemburg und Forschungshintergrund 5 Wirkung und Auswirkung der individuellen Persönlichkeit im Alltag und im Arbeitsprozess 5 Analyse von Persönlichkeitsprofilen anhand von Fallbeispielen 5 Wechselwirkung von Lebensmotiven im jeweiligen Kontext verstehen, Verhaltensmuster erkennen 5 Anwendungsformate und Einsatzbereiche: Talentmanagement, Führung, Teams, agile Arbeitswelt 5 Ganzheitliche Steuerung der eigenen Person: effektives Selbstmanagement 5 Gestaltung und Training des Analysegesprächs

z Weiterbildung für ID37 Master

ID37 Master haben die Möglichkeit, sich regelmäßig bei uns weiterzubilden und sich innerhalb des Netzwerks mit anderen Persönlichkeitsexperten auszutauschen. Derzeit gibt es in Deutschland ein Netzwerk von rund 900 Mastern, die mit dem Persönlichkeitsdiagnostikinstrument der Universität Luxemburg arbeiten (Stand 2018). z Zum persönlichen Motivprofil

Auf der Website 7 www.ID37.io kann jeder Interessierte sein persönliches Motivprofil erstellen.

Literatur Chlupsa, C. (2017). Der Einfluss unbewusster Motive auf den Entscheidungsprozess. Wiesbaden: Springer. Hossiep, R., & Weiß, S. (2017). Testverfahren II: Persönlichkeit und personenbezogene Attribute. In D. E. Krause (Hrsg.), Personalauswahl (S. 159–180). Wiesbaden: Springer. Krause, F., & Storch, M. (2014). Selbstmanagement – ressourcenorientiert (5. Aufl.). Bern: Huber. McKinsey Deutschland, Projektleitung Raabe, N., & Holleben K. v. (2011). Wettbewerbsfaktor Fachkräfte. 7 https://www.mckinsey.de/files/fachkraefte.pdf. Zugegriffen: 25. März 2018. Oettingen, G. (2015). Die Psychologie des Gelingens. München: Pattloch. Schreier, C., et al. (2010). Die geheime Sprache der Produkte. Freiburg: Haufe. Westerhoff, N. (2009). Könnte, müsste, wollte. Gehirn & Geist, 10, 20–26. Wikipedia. (2018). Priming. 7 https://de.wikipedia.org/wiki/Priming_(Psychologie). Zugegriffen: 25. März 2018.

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Epilog

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Staller, C. Kirschke, Die ID37 Persönlichkeitsanalyse, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58004-2_7

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Kapitel 7 · Epilog

Wir haben einen tiefen Einblick in die Thematik Antrieb, Zufriedenheit und Erfolg gegeben und erläutert, wie dieser Dreiklang zusammenhängt, um bei einem Menschen ein optimales Zusammenspiel zu erreichen. Es ist unmöglich, die Einzigartigkeit eines Menschen vollständig zu begreifen. Aber es lohnt sich unbedingt, sich mit der individuellen Persönlichkeit auseinanderzusetzen, sei es, um sich selbst weiterzuentwickeln und die Fähigkeit zur Selbststeuerung zu erwerben oder um andere dabei zu unterstützen. Wer Menschen auf einer individuellen Ebene versteht, kann sie dabei begleiten, zu mehr Selbstbestimmung, Leistungsfähigkeit und Lebenszufriedenheit zu gelangen.

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Diese Take-aways halten wir für besonders wichtig: 1. Jeder Mensch ist einzigartig – seine individuelle Persönlichkeit prägt sein Denken, Fühlen und Handeln. 5 Jeder verhält sich, wie seine Persönlichkeit es vorgibt. Auch die Interaktion zwischen der Person und ihrem Umfeld beeinflusst ihr Verhalten. 5 Verhalten ist beobachtbar, lässt aber keine genauen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit zu. 5 Menschen unterscheiden sich maßgeblich in ihren Lebensprioritäten und Zielen. Das kann zu interpersonellen Konflikten führen. 5 Alle Menschen eint ihr Bestreben nach einem für sie als positiv empfundenen Zustand. 2. Antreiber des Handelns sind Motive, Emotionen und Motivation. 5 Motive sind Beweggründe individuellen Verhaltens. Sie erklären, warum ein Mensch handelt. 5 Menschen entwickeln Verhaltensweisen, um Motivbefriedigung zu erreichen. 5 Motivausprägungen zeigen auf, welche Lebensprioritäten eine Person hat und wie intensiv sie diese befriedigen möchte. 5 Positive Emotionen bestätigen, dass ein Motiv zeitweilig befriedigt worden ist. Negative Emotionen weisen auf einen Mangel hin. 5 Intrinsische Motivation entsteht bei der Verfolgung persönlicher Ziele. 3. Das Persönlichkeitsdiagnostikinstrument ID37 analysiert Persönlichkeit wissenschaftlich genau anhand von 16 Motiven. 5 Das komplexe Zusammenspiel der 16 Motive beschreibt die Einzigartigkeit der Persönlichkeit. 5 ID37 ermittelt die Motivstruktur und individuelle Lebensprioritäten anhand von Motivausprägungen und – macht Verhaltensmuster sichtbar, – zeigt intra- und interpersonelle Konfliktpotenziale auf, – identifiziert Entwicklungs- und Leistungspotenziale, – verdeutlicht, wie sich die Motive in der individuellen Lebenssituation auswirken, – unterstützt eine Person dabei, individuelle Strategien für die Weiterentwicklung zu definieren. 4. Die Kenntnis der eigenen Persönlichkeit ist die Voraussetzung für Selbststeuerung. 5 Wer sich selbst kennt und bereit zur Reflexion ist, versteht, dass andere Menschen anders sind. 5 Selbsterkenntnis hilft, die eigenen Motive zu erkennen, passende Ziele festzulegen und entsprechende Veränderungen anzustoßen. 5 Handlungshindernisse zu überwinden, braucht Selbststeuerung.

159 7 Epilog

5. Selbststeuerung ist die aktive Lebensgestaltung für mehr Zufriedenheit und Erfolg. 5 Gezielte Handlungssteuerung ist möglich. Jeder kann lernen, sein Verhalten situativ so anzupassen, wie es die Umstände erfordern. 5 Zufriedenheit entsteht, wenn die 16 Motive mit den persönlichen Zielen in Einklang gebracht werden. 5 Erfolg ist das Erreichen persönlicher Ziele. Bei Selbststeuerung geht es darum, sich selbst besser zu verstehen, eigene Verhaltensmuster auf Basis seiner Lebensmotive zu erkennen und auch in schwierigen Situationen handlungsfähig zu bleiben. Das schließt den Respekt vor anderen und die Wertschätzung ihrer Wirklichkeit ein. Als wissenschaftliches Modell und pragmatisches Werkzeug ist die ID37 Persönlichkeitsanalyse der Ausgangspunkt für Menschen, die Selbsterkenntnis gewinnen und Selbststeuerung erlernen wollen. Wir möchten Berater, Trainer, Coaches, Human-Resources-Manager und Führungskräfte dazu anregen, ID37 in ihre Arbeit zu integrieren. ID37 ermöglicht es, passgenau auf individuelle Fragestellungen und Anforderungen einzugehen. Die Beratung auf Basis von ID37 hat nicht zum Ziel, Menschen zu ändern, sondern sie bei der persönlichen Weiterentwicklung zu begleiten. Wir möchten jeden dazu ermutigen, sich besser kennenzulernen, seine individuelle Persönlichkeit zu akzeptieren und das Leben zu führen, das zu ihm passt. > „Was die Arbeit mit dem Persönlichkeitsinstrument ID37 auszeichnet, ist der große

Respekt vor der Individualität jedes Menschen.“

Individualität ist etwas sehr Schönes. Es lohnt sich, sich mit der eigenen Persönlichkeit zu beschäftigen, denn sie ist der Schlüssel zu mehr Zufriedenheit und Erfolg.

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Serviceteil Glossar – 162 Sachverzeichnis – 169

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Staller und C. Kirschke, Die ID37 Persönlichkeitsanalyse, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58004-2

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Glossar

Glossar1 Affekt (→ Emotion, → Gefühl)  Affekte sind die einfachsten Gefühlsregungen eines Menschen. Sie sind entweder positiv oder negativ und geben Auskunft darüber, ob etwas guttut (resultierendes Impulssignal: wiederholen) oder nicht (resultierendes Impulssignal: vermeiden). Aus Affekten können sich Gefühle, Emotionen oder Stimmungen entwickeln. Affektiv (Synonym: emotional)  bedeutet gefühlsbetont. Affektregulation  s. Emotionsregulation Analysegespräch  s. ID37 Analysegespräch Anreiz  s. Reiz Ant-Colony-Optimization-Algorithmus (ACO)  Der Ameisenalgorithmus ist ein Algorithmus zur näherungsweisen Lösung von komplexen Optimierungsproblemen. Das Verfahren orientiert sich an Verhaltensweisen von Ameisen bei ihrer Futtersuche. Antrieb (→ Bedürfnis, → Emotion, → Motiv, → Motivation)  Antreiber haben das Ziel, einen empfundenen Mangelzustand aufzuheben bzw. Bedürfnisse zu befriedigen. Antreiber des Handelns sind vor allem Motive, Emotionen und Motivation. Das ID37 Persönlichkeitsprofil macht wichtige Antreiber einer Einzelperson, ihre Motive, sichtbar. Diese zu kennen, bedeutet, die Ursachen ihres Handelns zu verstehen, ihre individuellen Lebensprioritäten zu kennen und Verhaltensprognosen formulieren zu können. Appetenz (→ Aversion)  Annäherung. Ein Mensch zeigt ein bestimmtes Verhalten, weil er einen positiven Gefühlszustand erlangen möchte. Nach der Motivationspsychologie ist menschliches Verhalten davon angetrieben, nach etwas Positivem zu streben (Appetenz) oder etwas Negatives zu vermeiden (Aversion). Unter einem Appetenz-Appetenz-Konflikt (Annäherungskonflikt) versteht man beispielsweise einen Konflikt, bei dem eine Person die Wahl zwischen zwei Zielen hat, die gleichermaßen wichtig erscheinen, die aber nicht gleichzeitig erreicht werden können.

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Automatisierung  In der Neurowissenschaft spricht man davon, dass Verhaltensweisen automatisch ablaufen, wenn sie sich im Gehirn gebahnt haben. Sie sind dann zur Gewohnheit geworden, weil synaptische Verbindungen zwischen Nervenzellen durch häufige Aktivierung verstärkt wurden. Neue Verhaltensweisen lassen sich trainieren, sodass sie zu Automatismen werden und im Alltag unbewusst ablaufen. In Veränderungssituationen ist dies ein nützliches Vorgehen. Das ID37 Persönlichkeitsprofil macht Motivausprägungen sichtbar. Diese lassen sich als Ressourcen für die gezielte Verhaltensveränderung nutzen. Aversion (→ Appetenz)  Vermeidung. Ein Mensch zeigt ein bestimmtes Verhalten, weil er einen negativen Gefühlszustand vermeiden möchte. Nach der Motivationspsychologie ist menschliches Verhalten davon angetrieben, nach etwas Positivem zu streben (Appetenz) oder etwas Negatives zu vermeiden (Aversion). Unter einem Aversions-Aversions-Konflikt (Vermeidungskonflikt) versteht man beispielsweise einen Konflikt, bei dem eine Person die Wahl zwischen zwei Optionen hat, die beide als nachteilig empfunden werden. Bahnung  Der Begriff Bahnung oder Priming (engl. to prime = vorbereiten) bezeichnet in der Psychologie das Auslösen von Verhaltensreaktionen durch unterschwellige Reize. Es handelt sich dabei um die automatische Aktivierung von Gedächtnisinhalten durch Präsentation von damit assoziierten Inhalten. In Studien haben Menschen beispielsweise besser zusammengearbeitet, wenn sie sich vorab unwissentlich mit Worten aus dem Bedeutungsfeld „Kooperation“ beschäftigt haben. Bei ihnen wurden das Thema Zusammenarbeit assoziiert und entsprechende Handlungsautomatismen aktiviert. Bedürfnis (→ Antrieb)  ist ein meist unbewusst erlebter Mangelzustand, verbunden mit dem Wunsch, diesen zu beseitigen (Ist-Sollwert-Diskrepanz). Bedürfnisse sind so tief in einer Person verankert, dass sie nur zeitweilig befriedigt werden können und immer wieder auftreten. Psychologische Bedürfnisse wollen befriedigt werden, um dem Leben einen Sinn zu verleihen. In Abgrenzung dazu gibt es z. B. physische Bedürfnisse, die befriedigt werden müssen, um zu überleben (z. B. Schlaf).

In diesem Glossar werden Begriffe erläutert, die im Buch mehrfach vorkommen und deren Verständnis von Bedeutung ist. Es enthält keine Definitionen im Sinne eines Lexikons. Zur Erläuterung: s. = Der Begriff wird unter einem anderen Schlagwort erklärt; (→) = Verweis auf eine inhaltliche Zusammengehörigkeit zu einem anderen Begriff; (Synonym) = Hinweis auf einen geläufigen anderen Begriff mit gleicher Bedeutung.

Glossar

Bestätigungstendenz (→ Selbstbezogenheit)  ist die natürliche Neigung von Menschen, ihre bestehende Meinung und (Vor-)Urteile immer wieder zu bestätigen, anstatt sie infrage zu stellen. Dadurch glauben Menschen vorwiegend das, was sie glauben wollen. Es kann zu Wahrnehmungsverzerrungen kommen, die ggf. Missverständnisse und Konflikte nach sich ziehen. Blinder Fleck (→ Selbstbezogenheit)  bezeichnet das Phänomen, wenn Menschen quasi blind sind für ein oder mehrere Merkmale ihrer eigenen Persönlichkeit. „Blinde Flecken“ führen oft zu Fehleinschätzungen von Situationen und können unpassendes Verhalten verursachen. ID37 Master können Klienten anhand ihres Motivprofils auf mögliche „blinde Flecken“ aufmerksam machen und zur Selbstreflexion anregen. Disposition (→ Verhalten)  ist eine Verhaltensregelmäßigkeit, ein individuelles Verhaltensmuster einer Person. Dispositionen beruhen auf relativ stabilen Persönlichkeitsmerkmalen und sind – anders als Verhalten – geeignet, eine Persönlichkeit zu kennzeichnen bzw. zu charakterisieren. Im ID37 Motivprofil lassen sich individuelle Verhaltensmuster erkennen. Dynamische Perspektive auf Persönlichkeit (→ Persönlichkeit)  Persönlichkeit ist kein fixes Konstrukt, sondern dynamisch und einem ständigen Wandel unterworfen. Jeder Mensch kann sich ändern, aber nur innerhalb seines Bezugsrahmens. Die 16 Lebensmotive von ID37 beschreiben den individuellen Rahmen der Persönlichkeit, innerhalb dessen sie sich entwickeln kann. Emotion (→ Affekt, → Antrieb, → Gefühl)  Emotionen sind kurzlebige psychologisch-physiologische Zustände, die eine lebenswichtige Bewertungsaufgabe haben. Sie begleiten den gesamten Handlungsprozess. Unter anderem steuern sie die Handlungen einer Person im Hinblick auf Bedürfnis- und Motivbefriedigung. Emotionen zeigen beispielsweise an, ob Motive tatsächlich befriedigt worden sind (positive Bewertung) oder nicht (negative Bewertung). Die Psychologie unterscheidet Gefühle von Emotionen. Emotionsregulation (→ Selbstregulation)  ist die Fähigkeit, eigene Emotionen und Stimmungen zu regulieren. Menschen, die ihre Emotionen regulieren können, können Einfluss darauf nehmen, welche Emotionen sie haben, wann sie diese haben und wie sie diese erleben. Bei der Selbstregulation spielt die Emotionsregulation eine wichtige Rolle. Erfolg (→ Misserfolg)  ist das Erreichen persönlicher Ziele. Das Setzen passender Ziele ist die Voraussetzung dafür. Erfolg ist individuell: Erfolg ist, was jeder

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für sich selbst als Erfolg definiert. Auf eine längere Lebensspanne bezogen vollzieht sich das Erreichen persönlicher Ziele meist im Wechsel zwischen Erfolg und Scheitern. Das ID37 Motivprofil gibt Auskunft darüber, welche Ziele zu einer Person passen. Explizite Motive (→ Implizite Motive, → Motiv, → Intrinsische Motivation)  sind Motive, die bewusst und verbalisierbar sind. Sie werden in der Kindheit in der Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt erlernt, repräsentieren das Selbstkonzept und sind direkt erfassbar, z. B. mittels Fragebogen. Die Übereinstimmung impliziter und expliziter Motive erhöht die intrinsische Motivation. Das Persönlichkeitsdiagnostikinstrument ID37 ermittelt explizite Motive. Extrinsische Motivation (→ Intrinsische Motivation, → Motivation)  ist die Motivation, die durch äußere Faktoren, z. B. materielle Belohnung, angestoßen wird. Der Anreiz etwas zu tun, liegt primär in den Folgen der Handlung. Faktorenanalyse  Die Faktorenanalyse ist ein Verfahren der multivarianten Statistik. Mit der Faktorenanalyse wird generell überprüft, ob Items aus einem Test hoch mit den antizipierten Faktoren korrelieren, die auf der Grundlage dieser Items gemessen werden sollen. Flow (→ Intrinsische Motivation)  Im Flow-Zustand ist eine Person intrinsisch motiviert, zudem besteht eine hohe Passung zwischen Tätigkeit und Anforderung. In diesem Zustand geht eine Person ganz in der Tätigkeit auf, sie erledigt sie ohne Aufwand, ist zufrieden und leistungsfähig. Die Flow-Erforschung und der Begriff gehen auf den Psychologen Mihály Csíkszentmihályi zurück, der untersuchte, wie man Glück durch Kontrolle über das eigene Innenleben erlangen kann. Gefühl (→ Affekt, → Emotion)  Die Psychologie unterscheidet Gefühle von Emotionen, ohne jedoch eine genaue Definition anzubieten: Ein Gefühl ist ein angenehmer oder unangenehmer Zustand und eine komplexere Form von Affekten. Gefühle nehmen Einfluss auf den Organismus, sie lösen Emotionen aus. Emotionen sind als körperliche Signale wahrnehmbar, während Gefühle gar nicht oder nur diffus wahrnehmbar sind. Stimmungen entstehen, wenn Gefühle über eine längere Zeit andauern. Haltungsziel (→ Automatisierung, → Handlungssziel)  Ein Haltungsziel ist ein Ziel mit richtungsweisendem Charakter. Es ist allgemein formuliert und wird so gewählt, dass es das emotionale Erfahrungsgedächtnis der Person aktiviert. Um gewünschte Verhaltensweisen zu automatisieren, hat es sich bewährt, zunächst ein Haltungsziel zu

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Glossar

definieren und dieses in ein konkretes Handlungsziel zu überführen, sobald sich ein Wille hinsichtlich des Ziels gebildet hat. Handlung (→ Verhalten)  bezeichnet ein zielgerichtetes Verhalten. Die Person und die Situation sind die maßgeblichen Faktoren für das Zustandekommen einer Handlung. Die Beurteilung des emotionalen Gewinns, den eine Situation verspricht, kann eine Handlung auslösen oder nicht. Handlungsziel (→ Automatisierung, → Haltungsziel, → Intention)  Ein Handlungsziel ist so formuliert, dass es zu einer automatisierten Handlung werden kann. Ein Handlungsziel ist als Annäherungsziel formuliert, 100 % unter eigener Kontrolle und mit positiven Affekten verbunden. Handlungsziele werden im Idealfall erst definiert, nachdem ein Haltungsziel formuliert wurde und sich ein Wille hinsichtlich des Ziels gebildet hat (Intention). ID37 (Synonym: ID37 Persönlichkeitsanalyse, ID37 Persönlichkeitsdiagnostikinstrument)  ID37 ist ein psychologisches Modell und Testverfahren, das die Individualität einer Person anhand von 16 trennscharfen Motiven beschreibt. Dabei handelt es sich um eine Neukonzeption der Universität Luxemburg aus dem Jahr 2017. ID37 beruht auf der Grundlage aktueller Forschungsbefunde. Die 16 Lebensmotive sind: NEUGIER, SOZIALE ANERKENNUNG, EINFLUSS, STATUS, BESITZEN, AUTONOMIE, SOZIALKONTAKTE, PRINZIPIEN, SOZIALES ENGAGEMENT, STRUKTUR, SICHERHEIT, REVANCHE, BEWEGUNG, ESSENSGENUSS, FAMILIE und SINNLICHKEIT. ID37 ist eine eingetragene Marke der ID37 Company GmbH. ID37 Analysegespräch (→ ID37 Master)  Das Analysegespräch erfolgt, nachdem ein Testnehmer den ID37 Fragebogen ausgefüllt hat und das computergenerierte Testergebnis, das individuelle Motivprofil, vorliegt. Ein ID37 Master führt das Analysegespräch. Im Kern geht es darum, die Persönlichkeit klar herauszuarbeiten, Verhaltensmuster zu erkennen und zu verstehen, wie sich das Zusammenspiel der 16 Lebensmotive in der individuellen Lebenssituation auswirkt. Dem Analysegespräch kommt eine besondere Bedeutung zu, da die Auswertung durch den persönlichen Kontext, die Lebenssituation und die Emotionen des Testnehmers ergänzt wird. Das Ergebnis des Auswertungsgesprächs ist Verständnis und Akzeptanz des persönlichen Motivprofils seitens des Testnehmers. Er erhält meist neue Aspekte der Selbsterkenntnis und wird zur Selbstreflexion angestoßen. Der ID37 Master kann den Impuls setzen, Ressourcen und Potenziale nutzbar zu machen.

ID37 Master  sind zertifizierte Experten, die mit einer Ausbildung das Wissen und die ID37 Masterlizenz erworben haben, um mit der ID37 Persönlichkeitsanalyse professionell zu arbeiten. ID37 Master sind Experten für Persönlichkeitsanalyse im Hinblick auf Motive, Motivation und Verhalten. Alle Berufserfahrenen mit einer Ausbildung in Coaching, Beratung oder Psychologie und verwandten Fachgebieten sowie Human-ResourcesManager, Führungskräfte oder Teamleiter können sich zum ID37 Master weiterqualifizieren. Aus- und Weiterbildungstermine finden sich auf: 7 www.ID37.io. ID37 Masterlizenz  s. ID37 Master ID37 Motivprofil (→ Motivausprägung)  Die Gesamtheit der 16 Motivausprägungen ergibt das charakteristische ID37 Motivprofil. Es bildet eine individuelle Kombination von Motivausprägungen ab, beschreibt wertfrei die Persönlichkeit in ihrer Einzigartigkeit und ist immer im individuellen Kontext zu betrachten. Erst im individuellen Kontext vervollständigt sich das Bild der Persönlichkeit. Identität (→ Individuum, → Persönlichkeit)  Die Bildung von Identität ist das Ausbalancieren der persönlichen und sozialen Dimension. Sie erfordert vom Individuum seine eigenen Wertmaßstäbe, Bedürfnisse, Motive und Interessen einzubringen und sich gleichzeitig auf die Anforderungen und Erwartungen der Umwelt einzulassen. Implizite Motive (→ Explizite Motive, → Intrinsische Motivation, → Motiv)  sind Motive, die unbewusst und nicht sprachlich repräsentierbar sind. Es ist eine früh in der Kindheit erworbene Empfänglichkeit für bestimmte Anreize. Implizite Motive sind affektbasiert, mit physiologischen Parametern (z. B. Hormonen) verbunden und nur indirekt erfassbar, z. B. über projektive Messverfahren. Die Übereinstimmung impliziter und expliziter Motive erhöht die intrinsische Motivation. Individuum (→ Identität, → Persönlichkeit)  bedeutet so viel wie Einzelwesen. Der Begriff trägt der Einzigartigkeit jedes Menschen Rechnung, denn Individuum stammt vom Verb „dividere“ (lateinisch: teilen) ab und bedeutet wörtlich „das Unteilbare“. Ein Individuum wird zur Persönlichkeit, indem es sich die Errungenschaften der Kultur aneignet, von der es stammt, aber sich durch persönliche Eigenschaften, eigenverantwortliches Handeln, Interessen oder Besonderheiten abgrenzt und seine individuelle Identität entwickelt. Menschen unterscheiden sich maßgeblich in ihren Lebensprioritäten und Zielen. Die

Glossar

Persönlichkeitsanalyse ID37 macht diesen Ausdruck der Individualität sichtbar. Inneres Skript  s. Skript Intention  Handlungsabsicht. Intention ist eine Phase im Ablauf motivierten Handelns. Es ist der Willensprozess zur Umsetzung von Handlungsabsichten. Nachdem der Wille klar ist, entwickelt die Person eine Intention: Sie hat die feste Absicht, ihr Ziel in eine Handlung zu überführen und das Ziel konsequent zu verfolgen. In der Phase der Intention entsteht die für die Zielrealisierung wichtige Motivation. Trotz Motivation kann es sein, dass eine Handlung nicht wie beabsichtigt erfolgt (z. B. Aufschiebung, Ablenkung). Menschen können lernen, Probleme bei der Handlungsumsetzung zu minimieren, z. B. durch Selbstkontrolle oder Selbstregulation. Interpersonell (→ Intrapersonell)  bedeutet zwischen zwei oder mehreren Individuen. Ein Beispiel: Interpersonelle Konflikte sind Konflikte, die zwischen Teammitgliedern bestehen. Intrapersonell (→ Interpersonell)  meint innerhalb eines Individuums. Ein Beispiel: Intrapersonelle Konflikte sind Motivkonflikte, die eine Person erlebt. Intrinsische Motivation (→ Extrinsische Motivation, → Flow)  Der Anreiz zum Handeln liegt in der Tätigkeit selbst (Selbstmotivierung). Es ist kein Steuerungsinstrument von außen nötig, um eine Tätigkeit freudvoll und ausdauernd auszuüben. Eine intrinsisch motivierte Tätigkeit kann sich lange aus sich selbst speisen, denn sie bedient eine Vielzahl eigener Bedürfnisse, Motive, Gefühle und Ziele positiv. Kommen weitere Aspekte hinzu, kann aus einer intrinsischen Motivation ein Flow-Zustand werden. Item  ist eine selbstbeschreibende Aussage in einem Fragebogen, der abgestuft zugestimmt oder die abgelehnt werden kann. Beim ID37 Testverfahren ermitteln Items die Motivausprägung. Neun Items definieren ein Motiv. Beispiel für ein Item im ID37 Fragebogen: „Ich versuche häufig, es anderen recht zu machen.“

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Motive. Unbefriedigte Bedürfnisse treten immer wieder auf und motivieren einen Menschen ein Leben lang. Daher werden Motive auch als Lebensmotive bezeichnet. Lebenszufriedenheit  s. Zufriedenheit Merkmal  s. Persönlichkeitsmerkmal Misserfolg (→ Erfolg)  bedeutet, persönlich gesetzte Ziele nicht umzusetzen. Scheitern ist individuell und wird individuell unterschiedlich erlebt. Eine Person kann aus ihrer Niederlage lernen, um es beim nächsten Mal besser zu machen. Auf eine längere Lebensspanne bezogen vollzieht sich das Erreichen persönlicher Ziele meist im Wechsel zwischen Erfolg und Scheitern. Das ID37 Persönlichkeitsprofil gibt Hinweise darauf, wie Menschen mit dem Scheitern umgehen. Daraus lassen sich individuelle Maßnahmen für den Umgang mit Misserfolg ableiten. Motiv (→ Lebensmotiv, → Motivation, → Motivausprägung)  Motive sind richtungsgebende, situationsunabhängige Handlungsantriebe. Sie sind tief in der Persönlichkeit verwurzelt, teilweise genetisch bedingt und personenspezifisch unterschiedlich stark ausgeprägt. Als solche sind sie geeignete Persönlichkeitsindikatoren, da sie relativ stabil sind und Verhaltensmuster erkennen lassen. Menschen versuchen, ihre Motive bzw. dahinterliegende Bedürfnisse zu befriedigen, indem sie Verhaltensweisen und Gewohnheiten entwickeln, um dieses Ziel zu erreichen. Die Persönlichkeitsanalyse ID37 misst 16 Lebensmotive und macht Verhaltensmuster im Motivprofil sichtbar. Erst im individuellen Kontext vervollständigt sich das Bild der Persönlichkeit. Motivation (→ Motiv, → Extrinsische Motivation, → Intrinsische Motivation)  ist ein Zustand angeregter Motive. Sie löst eine Handlung in Richtung eines positiv erwarteten Zielzustands aus. Motivation zu einem bestimmten Verhalten entsteht im Zusammenspiel von Faktoren, die in der Person, der Umwelt und in deren Wechselwirkung liegen.

Kontinuum  ist etwas lückenlos Zusammenhängendes, z. B. eine Motivskala.

Motivausprägung (→ Motiv)  Motivausprägungen zeigen auf, welche Lebensprioritäten eine Person hat und wie intensiv sie sie befriedigen möchte. Je nach Motivausprägung verhalten sich Menschen unterschiedlich, sie haben andere emotionale Empfindungen, sie denken anders, und sie nehmen die Welt anders wahr. Je stärker die Abweichung von der Norm, desto stärker wirkt sich das Motiv im Leben der Person aus – im Verhalten und emotional.

Lebensmotiv (→ Motiv)  Motive, die auf Grundbedürfnissen beruhen, sind fundamentale

Motivdimension (→ Konstrukt)  ist das hinter verschiedenen, thematisch ähnlichen Verhaltensweisen

Konstrukt  ist ein Sachverhalt, der aufgrund von beobachtbaren Daten erschlossen werden kann. Beim ID37 Testverfahren ist ein Konstrukt beispielsweise ein Motiv. Motive lassen sich durch Verhalten erschließen.

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Glossar

stehende theoretische Konstrukt. Zum Beispiel NEUGIER. Motivkonflikt (→ Appetenz, → Aversion, → Intrapersonell)  Motivkonflikte sind Konflikte, die eine Person erlebt, wenn die Befriedigung eigener Motive widersprüchlich oder unvereinbar erscheint. Sie werden von der Person als Stressor, Paradoxon oder Dilemma wahrgenommen und führen häufig zu Entscheidungskonflikten (z. B. Aversions-AversionsKonflikt). Wenn eine Person einen Motivkonflikt erlebt, sind Zielsetzung und/oder die Handlungsalternativen nicht mit den Motiven im Einklang. Ein Entscheidungsdilemma lässt sich in der Regel auflösen, wenn das persönliche Motivprofil vorliegt. Umgekehrt lässt sich nicht anhand des Motivprofils auf Konflikte schließen. Ein Testnehmer oder Klient äußert in der Regel im Analysegespräch, ob er einen Motivkonflikt empfindet. Motivkonstellation  Das Zusammenspiel der Motive spielt eine entscheidende Rolle für die Erklärung individuellen Verhaltens. Eine Verhaltensregelmäßigkeit (Disposition) kann beispielsweise durch eine Kombination von mehreren Motiven zu einem prägnanten Charakterzug werden oder kaum wahrnehmbar sein. Den Motivkonstellationen schenken ID37 Master besondere Aufmerksamkeit, um Verhalten von Personen genauer erklären und passende Interventionen anregen zu können.

Persönlichkeit (→ Dynamische Perspektive auf Persönlichkeit, → Identität, → Individuum)  Unter der Persönlichkeit eines Menschen wird die Gesamtheit seiner Persönlichkeitseigenschaften verstanden: die individuelle Besonderheit in der körperlichen Erscheinung sowie in der Regelmäßigkeit und Konsistenz des Verhaltens und Erlebens über Situationen und Zeiträume hinweg. Persönlichkeitstest (→ ID37)  ermittelt Persönlichkeitsausprägungen. Umgangssprachlich spricht man davon, dass ein Persönlichkeitstest Persönlichkeit „misst“. Da der Begriff „Test“ im allgemeinen Sprachgebrauch mit einer Bewertung verbunden ist, werden häufig andere Begriffe verwendet, z. B. Persönlichkeitsanalyse. Die Ergebnisse eines Persönlichkeitstests sind immer wertfrei. Der ID37 Persönlichkeitstest ist ein Online-Fragebogen, bestehend aus 144 selbstbeschreibenden Aussagen zu alltäglichen Verhaltensweisen, Einstellungen und Gewohnheiten. Persönlichkeitsmerkmal (→ Trait, → State)  ist eine erkennbare Eigenschaft, die eine Person von einer anderen unterscheidet. Die Wissenschaft differenziert Persönlichkeitsmerkmale in die weitgehend unveränderbaren Traits und die veränderbaren Merkmale States. Persönlichkeitsprofil  s. Motivprofil

Motivprofil  s. ID37 Motivprofil

Priming  s. Bahnung

Normierung  ist ein Qualitätskriterium für einen wissenschaftlichen Test. Die Normierung wird auf der Basis von Testdurchführungen an einer repräsentativen Stichprobe (Normstichprobe) vorgenommen und statistisch aufgearbeitet. Sie dient der Vergleichbarkeit des Testergebnisses einer Einzelperson mit einer repräsentativen Vergleichspopulation: Weist die Testperson im Vergleich zur Normstichprobe eine über- oder unterdurchschnittliche Ausprägung auf oder entspricht sie weitgehend der statistischen Norm? Die Normierungsstichprobe muss aktuell und repräsentativ sein. Nach Angaben der DIN 33430 sollte eine Normstichprobe nicht älter als 8 Jahre sein. Die Normstichprobe von ID37 ist von 2017 und umfasst 1001 Teilnehmer.

Reiz (Synonym: Trigger, Auslöser)  ist ein Stimulus zur Aktivierung eines Verhaltens.

Objektivität (→ Reliabilität, → Validität)  ist eines der Hauptqualitätskriterien für einen wissenschaftlichen Test. Die Objektivität soll sicherstellen, dass die Ergebnisse zwischen zwei Personen vergleichbar sind. Objektivität besteht dann, wenn das Testergebnis unabhängig davon ist, ob Testleiter A oder Testleiter B die Testung anleitet, auswertet und interpretiert.

Reliabilität (→ Objektivität, → Validität)  ist eines der Hauptqualitätskriterien für einen wissenschaftlichen Test. Die Reliabilität (Zuverlässigkeit) beschreibt den Grad der Genauigkeit, mit der ein Test ein bestimmtes Merkmal misst. Präzise ist eine Messung dann, wenn sie möglichst frei von Messfehlern erfolgt. Ressource  bezeichnet alles, auf das ein Mensch bei sich wiederholt zurückgreifen kann, um Handlungen zu aktivieren, die ein positives Ergebnis und einen emotionalen Gewinn versprechen. Dazu gehören neben den Motiven und Emotionen beispielsweise auch Fähigkeiten, Fertigkeiten und Interessen. Die Persönlichkeitsanalyse ID37 deckt die motivationalen Ressourcen auf. Der ID37 Master kann dabei unterstützen, diese Ressourcen zugänglich zu machen. Scheitern  s. Misserfolg

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Glossar

Selbstbezogenheit (→ Bestätigungstendenz, → Blinder Fleck, → Wertetyrannei)  ist die natürliche Neigung von Menschen zu denken, dass ihre eigenen Wertvorstellungen richtig sind. Die eigene Maxime wird zur Wert- und Handlungsmaxime. Konfliktverursachende Folgen der Selbstbezogenheit können beispielsweise „blinde Flecken“, Wertetyrannei oder Bestätigungstendenz sein. Im ID37 Persönlichkeitsprofil macht sich Selbstbezogenheit insbesondere bei hohen und niedrigen Motivausprägungen bemerkbar. Selbsterkenntnis (→ Skript)  umfasst das Wissen um die eigene Person und um innere Abläufe. Selbsterkenntnis setzt voraus, dass eine Person bereit und fähig ist, Erkenntnisse und neue Einsichten über sich selbst zu gewinnen. Selbsterkenntnis ist eine Voraussetzung für wirksame Selbststeuerung. Es gibt verschiedene Quellen zur Gewinnung von Selbsterkenntnis (z. B. Beobachtung des eigenen Verhaltens, Feedback durch andere). Das individuelle ID37 Motivprofil und die damit einhergehende Kenntnis über die persönlichen Motivatoren ist eine davon. Selbstkongruenz (→ Motiv, → Ziel)  ist die erlebte Passung zwischen persönlichen Motiven und Zielen. Selbstkontrolle (→ Selbstregulation)  ist eine bewusste Handlungssteuerung, die auf den Verstand setzt. Es ist die Fokussierung auf das momentan wichtigste Ziel. Dies ist extrem anstrengend und energieaufwendig. Selbstkontrolle ist vor allem als Kurzzeitmaßnahme wirksam (z. B. für die Abschlussprüfung lernen, statt mit den Freunden an den Badesee fahren). Selbstmotivierung  s. Intrinsische Motivation Selbstregulation (→ Emotionsregulation, → Selbstkontrolle)  Bei der Selbstregulation werden die regulatorischen Prozesse auf die Persönlichkeit abgestimmt und mit dem Handlungsziel synchronisiert. Anders als bei der Selbstkontrolle verläuft die Handlungssteuerung fast anstrengungsfrei. Selbstregulation ist geeignet, um dauerhafte Verhaltensveränderungen durchzusetzen. Eine wichtige Rolle bei der Selbstregulation spielt die Emotionsregulation. Selbstverantwortung  Ein Mensch möchte sein Leben aktiv steuern und gestalten, anstatt sich von äußeren Faktoren fremdbestimmen zu lassen. Er ist bereit, für seine Einstellungen und Verhaltensweisen Verantwortung zu übernehmen und tut dies auch. Selbstverantwortung ist eine Voraussetzung für wirksame Selbststeuerung.

Selbststeuerung  umfasst das Bestreben und die Bemühungen einer Person, selbstbestimmt persönliche Veränderungsprozesse zu initiieren, zu entwickeln und zu implementieren, um ihre Lebensqualität zu verbessern. Im Wesentlichen eröffnet sie sich mehr Handlungsspielraum und macht sich weder von ihrem inneren Skript noch von äußeren Faktoren vollständig abhängig. Die Kenntnis der eigenen Persönlichkeit bildet dabei den Dreh- und Angelpunkt. Die Begriffe „Selbststeuerung“, „Selbstmanagement“ oder „Selbstführung“ werden häufig synonym verwendet. Die fünfphasige Selbststeuerungsmethode mit ID37 ist eine Möglichkeit, um Veränderungsprozesse einzuleiten. Selbstwirksamkeit  ist die subjektive Einschätzung einer Person, dass sie die Verwirklichung von Zielen durch ihr eigenes Handeln beeinflussen und künftige Herausforderungen von sich aus meistern kann. Selbstwirksame Menschen zeigen Ausdauer und Flexibilität bei der Verfolgung von Handlungszielen. Selbstwirksamkeitserleben wirkt sich nachweislich positiv auf die Reduzierung von Stress und das Wohlbefinden aus. Skala (→ Item)  bezeichnet einen Satz von Items, die nach statistischer und theoretischer Analyse zusammengefasst werden können. ID37 hat 16 Selbstbeschreibungsskalen. Diese sind unipolar. Skript (→ Selbsterkenntnis)  Die Muster, die das Erleben und Verhalten eines Menschen bestimmen, können als persönliches Grundprogramm oder Drehbuch (engl. script = Drehbuch) verstanden werden. Menschen sind sich ihres inneren Skripts meist nicht bewusst. Im Zuge eines Veränderungsvorhabens oder Selbststeuerungstrainings ist es nützlich, sein inneres Skript zu analysieren. State (→ Persönlichkeitsmerkmal, → Trait)  (engl. state = Zustand) bezeichnet einen vorübergehenden Zustand, z. B. Angst. Test-Item  s. Item Testskala  s. Skala Trait (→ Persönlichkeitsmerkmal, → State)  (engl. trait = Charakterzug, Merkmal) bezeichnet eine stabile menschliche Eigenschaft, z. B. „ängstlich“. Trigger  s. Reiz Validität (→ Objektivität, → Reliabilität)  ist eines der Hauptqualitätskriterien für einen wissenschaftlichen Test. Die Validität (Gültigkeit) stellt fest, ob der Test das misst, was er messen soll. Eine hohe Validität ist immer

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Glossar

von einer hohen Objektivität und Reliabilität abhängig. Zur Bestimmung der Validität gibt es verschiedene Zugänge, z. B. Inhaltsvalidität, Konstruktvalidität und Kriteriumsvalidität. Verhalten (→ Disposition, → Handlung)  ist beobachtbar. Meist handelt es sich um eine motorische Aktivität. Verhalten variiert von Sekunde zu Sekunde und lässt – anders als eine Verhaltensdisposition – keine genauen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit zu. Verhaltensmuster  s. Disposition Verstand  Der Verstand kommt bei einer Handlungssteuerung zum Einsatz, wenn Gefühle und Erfahrungen nicht greifen. Dies ist z. B. in neuen Situationen der Fall, wenn eine Person noch keine Erfahrungen speichern konnte. Sie muss dann bewusst denken und Informationen sammeln, bevor sie handelt. „Wenn-dann-Plan“ (→ Automatisierung)  ist eine Maßnahme zur Selbststeuerung. Dabei wird eine Handlungsabsicht präzise formuliert und mit einer passenden Handlungsgelegenheit verknüpft mit dem Ziel, neue Verhaltensweisen zu automatisieren. Der Vorteil von „Wenn-dann-Plänen“ ist, dass sich gewünschte Verhaltensweisen sofort umsetzen lassen. „Wenn-dann-Pläne“ gehen auf die Psychologen Peter M. Gollwitzer und Gabriele Oettingen zurück. „Wenn-dann-Pläne“ funktionieren am besten, wenn man sie mit persönlichen Motiven kombiniert. Wert (→ Motiv)  Werte sind bewertende Gedanken und Einstellungen einer Person zu wichtigen Dingen, zu der eigenen Person, zu Freunden oder zur Gesellschaft. Die Werte einer Person werden zu ihrem Maßstab. Sie sind relativ konstant. Anders als Motive sind Werte nicht angeboren, sondern bilden sich während der Sozialisation in Systemen. Hinter jeder Wertvorstellung stehen Motive, die ein Individuum dazu bringen, diese Wertvorstellung auszuleben. Wertetyrannei (→ Selbstbezogenheit)  Menschen neigen dazu, zu denken, dass ihre eigenen

Wertvorstellungen richtig sind (Selbstbezogenheit). Wenn sie versuchen, andere von ihren eigenen Werten und den dahinterliegenden Motiven wiederholt zu überzeugen, spricht man von Wertetyrannei. Wiederkehrende Streitigkeiten sind meist die Folge. Wirklichkeit  ist die Realität der erlebten Welt. Diese Realität ist nur eine Interpretation des Gehirns. Jeder Mensch konstruiert sich seine eigene Wirklichkeit und bewertet Situationen oder Menschen aus seiner Wirklichkeit heraus. Dieser begrenzte Wahrnehmungsraum führt oft zu Missverständnissen und Konflikten, die das Zusammenleben und -arbeiten erschweren. Mit dem individuellen Motivprofil kann sich ein ID37 Master in die Wirklichkeit des anderen hineindenken. Aus dieser Wirklichkeit heraus kann er ihn dabei unterstützen, sein Wahrnehmungsfeld zu erweitern. Ziel  Ziele sind der Grund, warum Menschen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt für die Aufnahme, Ausführung und Beendigung einer Handlung entscheiden. Ohne Ziele sind Handlungen undenkbar. Wer handeln, sich beispielsweise weiterentwickeln möchte, braucht ein Ziel, eine Vorstellung von dem, was er erreichen will. Das ID37 Motivprofil ermöglicht, selbstkongruente Ziele zu setzen. Zufriedenheit  Die Psychologie beschreibt Zufriedenheit ganz allgemein als das Ergebnis eines Vergleichs zwischen Erwartung und dem tatsächlichen Eintreffen dieser Erwartung. Je geringer die erlebte Diskrepanz, desto zufriedener ist ein Mensch. Bereits der Eindruck, auf einem guten Weg der Zielerreichung zu sein, kann zufrieden machen. Jeder Mensch strebt nach Zufriedenheit. Wie der Einzelne Zufriedenheit definiert, erreicht und erlebt, ist individuell. Es gibt fundierte Konzepte, die zu höherer Zufriedenheit und Leistung führen. Lebenszufriedenheit bezieht sich auf einen längeren Zeitraum und ist eng mit der Persönlichkeit verknüpft. Lebenszufriedenheit ist die Einschätzung der allgemeinen Lebenslage einer Person durch sie selbst.

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A–I

Sachverzeichnis

A Affekt  10, 21–24, 26, 122, 160 Altruismus  96 American Educational Research ­Association (AERA)  47 American Psychological Association (APA)  47 Analyse s. ID37 – Persönlichkeitsanalyse Anforderungsprofil  151 Angst s. Basisemotion Annäherung  10, 11 Annäherungsziel  122 Anreiz  12–14, 17, 21, 48 Anschlussmotiv  17 Ant-Colony-Optimization-­ Algorithmus (ACO)  160 Antipathie  99 Antrieb  12–14, 22, 89, 104, 106, 156, 160 Appetenz  10, 81, 82, 160 Arbeitspraxis  8, 15, 25, 29, 98, 103, 105, 127 Ärger s. Basisemotion Asendorpf, Jens B.  3, 5, 87 Automatismus  22, 119, 126, 132 –– automatisierte Handlung  123 –– Automatisierung  126, 160 Autorität  135 Aversion  10, 81, 82, 160

B Bahnung  121, 122, 124, 160 Basisemotion  28 –– Angst  26–28, 85, 86, 94, 103, 104 –– Ärger  26, 27 –– Freude  26, 27, 94 –– Traurigkeit  26–28, 94 Bauchgefühl  22, 24, 91 Bedürfnis  14, 20, 21, 48–50, 52, 114, 116, 160 Beeinflussung  33 Belohnung  5, 10, 13, 126 Bestätigungstendenz  98, 101–103, 161 Bestrafung  10 Betriebsrat  112 Bewerbung  110, 149, 150 Beziehung  32, 87, 95, 100, 111 Beziehungsfähigkeit  87

Beziehungsgestaltung  33 Beziehungsmuster, ritualisiertes  33 blinder Fleck  33, 98–100, 103, 161 Business-Coaching  110, 128

C Csíkszentmihályi, Mihály  14, 94

D Datenschutz  112 Demotivation  33 Denkhaltung  102 Denkweise  103 DIN-Norm 33430  47, 91, 113 Disposition  5, 6, 79, 89, 161 Durchsetzungsfähigkeit  87, 89

E Eigenschaft  4, 5, 33 –– genetische  5 Eigenwahrnehmung  33, 99, 143 Einstellungsgespräch  150, 151 Einzigartigkeit  156 Elger, Christian E.  5 Embodiment  124 Emotion  21, 26–29, 48, 49, 52, 54–79, 82, 86, 94, 101, 103, 114, 126, 156, 161 Emotionsentstehung  27 Emotionsregulation  23, 26, 32, 161 Empathie  32, 88 Employer Branding  149, 150 Entwicklungspotenzial  156 Erfolg  15, 20, 104–106, 156, 157, 161 Ergebnisbericht  45, 115, 116 Ethik  118 Extraversion  17, 88, 89

F Faktorenanalyse  44 Fehleinschätzung  99 Fehlurteil  99, 103 Flow  14, 94, 161 Fremdwahrnehmung  33, 143 Freude s. Basisemotion Frustration  7, 18, 27, 28, 101 Führung  111, 134, 135

Führungskraft  111, 116, 117, 127, 128, 134, 147, 152 Führungskräfteentwicklung  110 Führungsprofil  134 Führungsstil  117 Führungsteam  139 Führungsverhalten  134 Führungsverständnis  134 Fünf-Faktoren-Modell (Big Five)  17, 88, 89

G Gauß’sche Normalverteilung  52 Gefühl  21, 24, 26, 29, 99, 103, 104, 161 Gehirn  5, 10, 22, 24, 26, 105, 122, 123, 126 Gewohnheit  20, 48, 52, 124, 126 Glück  94, 95 Gollwitzer, Peter M.  20, 122, 125 Gütekriterium  42, 44, 48, 90

H Haltungsziel  121, 161 Handeln  128 –– intuitives  24 –– motiviertes  15, 16, 20 Handlung  20–22, 105, 162 Handlungsabsicht  125 Handlungsgelegenheit  125 Handlungshindernis  22, 156 Handlungskrise  22 Handlungsmuster  106 Handlungsroutine  24 Handlungssteuerung  157 Handlungsvorbereitung  125 Handlungsziel  97, 122, 162 Harmoniebedürfnis  133 Heckhausen, Heinz  15, 18, 20

I ID37  6, 8, 18, 37, 45, 52, 90, 91, 94–96, 98, 99, 103, 105, 111–113, 119, 120, 126, 132, 137, 147, 151, 156, 157 –– Analysegespräch  37, 39, 40, 45, 80, 83, 114–117, 162 –– Einsatzbereich  110–112

170

Sachverzeichnis

–– Fragebogen  39, 44, 54, 56, 58, 59, 61, 62, 64, 66, 67, 69, 70, 72, 74, 75, 77, 78 –– Interpretation  114–116 –– Master  8, 20, 29, 38, 40, 45, 48, 80, 90, 103, 112, 114–117, 120, 152, 153, 162 –– Masterausbildung  38, 83, 85 –– Masterlizenz  152 –– Motivprofil  3, 6–8, 25, 39, 40, 50–52, 82, 88, 95, 96, 103, 105, 111, 114–116, 127, 128, 162 –– Persönlichkeitsanalyse  6, 7, 14, 15, 24, 34, 37, 39, 43, 48, 53, 81, 83, 90, 91, 110, 114, 115, 120, 128, 152 –– Persönlichkeitsdiagnostik  32, 128, 152 –– Persönlichkeitsdiagnostikinstrument  2, 8, 11, 25, 43, 110 –– Persönlichkeitsmodell  18 –– Persönlichkeitsprofil  2, 103 –– Persönlichkeitstest  39, 43, 90, 91, 164 –– Test  39, 40, 42–48, 90 –– Testentwicklung  40, 42, 91 –– Testergebnis  114 –– Testkonstruktion  40 –– Testverfahren  2, 18, 37, 42, 48, 50 –– Weiterbildung  152 ID37 Motiv –– 16 Motive  2, 3, 37–40, 50, 52, 90, 91, 96, 114, 156, 157 –– Autonomie  3, 37, 62, 63, 79, 81, 84, 86, 87, 95, 120, 124, 132, 135, 136 –– Besitzen  3, 37, 60–62 –– Bewegung  3, 10, 11, 38, 49–51, 73, 74, 97 –– Einfluss  3, 37, 57–59, 79, 81, 82, 87, 89, 100, 116, 117, 129, 132, 135, 138, 139, 148 –– Essensgenuss  3, 25, 38, 75, 76, 119 –– Familie  3, 38, 39, 76, 77, 81, 82, 131, 148 –– Neugier  3, 37, 38, 53–55, 83, 84, 99, 140, 142 –– Prinzipien  3, 37, 65–67, 82–84, 99, 129, 133, 142 –– Revanche  3, 38, 72, 73, 81, 119, 132, 135, 148 –– Sicherheit  3, 38, 70, 71, 85, 86, 89, 114, 117, 130, 131, 136, 138, 139, 144 –– Sinnlichkeit  3, 23, 38, 40, 78, 79 –– Soziale Anerkennung  3, 12, 15, 37, 40, 55–57, 79, 81, 84–87, 90, 95, 100, 104, 114, 115, 117, 120, 127, 129–131, 133, 135, 136, 148

–– Soziales Engagement  3, 37, 67, 68, 85, 96, 100, 129, 142 –– Sozialkontakte  3, 10, 14, 37, 44, 64, 65, 79, 84, 86–89, 95, 101, 119, 120, 123, 124 –– Status  3, 23, 37, 59, 60, 82, 100, 112, 120, 135 –– Struktur  3, 6, 37, 68–70, 84, 90, 99–101, 136, 138, 139, 148 Idealprofil  111, 116 Identität  3, 25, 162 Individualität  7, 37, 48, 100, 149, 157 Individuum  3, 4, 162 Intention  21, 22, 122, 163 Introversion  88 Intuition  24 Item  40, 43, 44, 54, 56, 58, 59, 61, 62, 64, 66, 67, 69, 70, 72, 74, 75, 77, 78, 91, 163

K Kompetenz, soziale  87, 88 Konflikt  22, 32, 33, 81, 82, 99, 103, 130, 156 –– Annäherungskonflikt  81, 82 –– Entscheidungskonflikt  81 –– Vermeidungskonflikt  81 Konfliktvermeidung  103 Konstrukt  40, 43, 46, 48, 84, 163 Konstruktbeschreibung  44 Kontinuum  10, 50, 163 Kontrolle  97, 98 Kreativität  84

L Lebensmotiv  48, 50, 82, 157, 163 Lebensqualität  98 Lebenszufriedenheit  32, 94–96, 98, 156 Leistung  89, 96, 99 Leistungsfähigkeit  134, 156 Leistungsmotiv  17 Leistungspotenzial  156 Leistungssport  111 Leistungssteigerung  23 Lewin, Kurt  81 limbisches System  10, 22

M Machtmotiv  17 Machtverlust  138

Mangelzustand  21, 48–50, 52, 116 Markenführung  112 Marketing  112 McClelland, David  10, 18 McDougall, William  2 Merkmal s. Persönlichkeitsmerkmal Messung  90 Messverfahren  37 Misserfolg  104, 106, 163 Missverständnis  99, 103 Modell  2, 17, 20, 22, 24, 27, 37, 40, 44, 90, 117, 157 Moralität  129 Motiv  5, 7, 8, 10–18, 20, 21, 23–26, 44, 48–50, 82, 83, 90, 94, 96, 97, 100, 101, 106, 110, 114, 116, 121, 123, 125, 126, 156, 163 –– explizites  16, 43, 161 –– implizites  16, 43, 162 –– intrinsisches  43 Motivation  12–14, 17, 20, 26, 32, 48, 106, 122, 156, 163 –– extrinsische  13, 161 –– intrinsische  13, 14, 17, 21, 156, 163 Motivationsforschung  18 Motivationsprozess  15 Motivationspsychologie  18 Motivationssteigerung  97 Motivationssystem  10 –– explizites und implizites  16 Motivator  23 Motivausprägung  10, 11, 13, 25, 38, 40, 48, 52, 79, 85, 90, 98, 103, 116, 117, 156, 163 –– hoch  51, 53, 54, 56, 58, 59, 61, 63, 64, 66, 68, 69, 71, 72, 74, 75, 77, 78, 112, 115–117, 124, 129, 130, 135, 138, 142, 148 –– mittel  51, 52 –– niedrig  51, 53, 55, 57, 58, 60, 61, 63, 65, 67, 68, 70, 71, 73, 74, 76, 77, 79, 116, 117, 124, 133, 135, 139 –– sehr hoch  51 –– sehr niedrig  51 Motivbefriedigung  8, 21, 26, 49, 125, 156 Motivdimension  37, 43, 164 Motivierung  12 Motivkombination  26, 52, 81, 83 Motivkonflikt  81, 82, 164 Motivkongruenz  16 Motivkonstellation  48, 79–81, 83, 86–88, 99, 111, 130, 164 Motivprofil s. ID37 – Motivprofil Motivskala  47, 51, 52 Motivstruktur  120, 156

171 Sachverzeichnis

Motivsystem  27 Murray, Henry  2, 18 Muster  4, 5, 27, 29, 39 –– affektlogisches  22, 32 –– Denkmuster  24, 98, 120 –– Erfahrungsmuster  6 –– Interaktionsmuster  32 –– Verhaltensmuster  2, 4–6, 8, 11, 25, 32, 83, 157 Mut  83, 85 Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI)  91

N National Council on Measurement in Education  47 Neurowissenschaft  5, 10, 16 Newen, Albert  27–29 Niederlage  104, 105 Norm  6, 7, 39, 47, 52, 94, 116 Normierung  6, 47, 48, 164

O Objektivität  33, 44, 46, 164 Oettingen, Gabriele  125

P Paarberatung  111 Persistenz  97 Personalauswahl  110, 150, 151 Personalauswahlverfahren  39 Personalentscheider  151 Personalentscheidung  39, 111 Personalentwickler  152 Personalentwicklung  137 Personalstrategie  110 Personalsuche  150 Personalverantwortlicher  151 Persönlichkeit  2–8, 18, 32, 33, 52, 89, 94, 97, 114, 116, 119, 132, 139, 156, 157, 164 –– dynamische  4, 5, 8, 112 –– extreme  7 –– individuelle  8, 156, 157 –– normale  6, 7 –– stabile  4, 5 Persönlichkeitsdiagnostik, allgemein  149, 151 Persönlichkeitsdiagnostik s. ID37 – Persönlichkeitsdiagnostik Persönlichkeitsforschung  17

Persönlichkeitsmerkmal  4–6, 17, 43, 52, 83, 101, 105, 164 Potenzial  110, 111, 115, 116, 119, 128, 134 Prä-Emotion  27 Pragmatismus  83 Priming  29, 122, 160 Psychometrie  43

Q Qualitätskriterium  42, 47, 48 Qualitätsstandard  113, 118

R Recruitingprozess  149 Reflexion  116, 117, 127, 128, 156 Regelmäßigkeit  4, 5 –– des Verhaltens und Erlebens  3 Reiss Motivation Profile  2, 18, 91 Reiss, Steven  2, 18 Reiz  26, 33, 102, 122, 124, 164 Reiz-Reaktions-Muster  32, 105 Reiz-Reaktions-Schema  29 Reizverarbeitung  27 Reliabilität  44–46, 164 Resilienz  86, 87 Respekt  157 Ressource  14, 84, 86, 110, 115, 116, 119, 120, 123, 127, 128, 130, 132, 164 Ressourcenaktivierung  123 Reziprozität  33 Roth, Gerhard  4, 22, 96, 103 Rubikon –– Modell  20 –– Schritt über den  21, 121, 122

S Scham  28 Scheitern  104, 105 Schmerzen  94 Selbst  106 Selbstbeschreibung  39 Selbstbestimmung  156 Selbstbewusstsein  123, 133 Selbstbezogenheit  33, 98, 103, 165 Selbstbild  8, 95, 133 Selbstdistanz  100 Selbsteinschätzung  39, 99, 116 Selbstentwicklung  116 selbsterfüllende Prophezeiung  102

I–T

Selbsterkenntnis  15, 32, 81, 103, 116, 152, 156, 157, 165 Selbstkongruenz  96, 165 Selbstkontrolle  16, 22, 87, 165 Selbstmotivation  15, 33, 94, 123 Selbstmotivierung  14, 15 Selbstreflexion  8, 100, 103, 152 Selbstregulation  16, 23, 86, 87, 126, 165 Selbststeuerung  23, 32, 110, 114, 119, 120, 126–128, 130, 156, 157, 165 Selbstüberschätzung  104 Selbstverantwortung  165 Selbstverständnis  8 Selbstwahrnehmung  121, 127, 132 Selbstwirksamkeit  87, 96, 127, 132, 165 Selbstwirksamkeitserfahrung  96, 97 Selbstwirksamkeitserleben  97, 105 Selbstwirksamkeitserwartung  97 Selbstzweifel  104 Sinn  21, 96, 98 Skala  37–39, 43, 46, 50, 51, 53–62, 64–70, 72, 73, 75, 76, 78, 84, 165 Skript  165 Souveränität  105 Standards for Educational and Psychological Testing  47 Standortbestimmung  8, 120 State  4, 165 Stellenbesetzung  110 STEN-Skala  50, 51 Stichprobe  44, 47 Stolz  27, 28 Stress  32, 79, 106, 126 Stressbewältigung  97 Stressreduktion  103 Sympathie  99

T Talentmanagement  110, 128, 149 Team  111, 152 Teamanalyse  111 Teamentwicklung  110, 111, 139 Teamleiter  111 Teamprofil  143 Teamsteuerung  147 Trait  4, 165 Traurigkeit s. Basisemotion Trigger  26 Triggerwort  54–61, 63–79 Typ  6 Typologie  6, 91 Typologisierung  116

172

Sachverzeichnis

U Unbehagen  54–63, 65–74, 76–79 Universität Luxemburg  2, 18, 37, 40, 43, 44, 47, 48, 53, 89, 90 Unzufriedenheit  7, 16, 96, 101

V Validität  44, 46, 89, 165 Validitätsstudie  47, 89 Veränderung  120, 128 Veränderungsfortschritt  126 Veränderungsprozess  119, 124, 127 Verhalten  5, 6, 8, 11, 13, 24, 29, 32, 48, 50, 89, 90, 116, 119, 126, 156, 166 –– erlerntes  14 –– motivbasiertes  11 –– natürliches  11, 24, 48 Verhaltensänderung  25 Verhaltensindikator  54–61, 63–79, 116 Verhaltensmerkmal  3 Verhaltensmuster  114, 121 Verhaltensprognose  117 Verhaltensregelmäßigkeit  79 Verhaltenssteuerung  24 Verhaltensveränderung  22, 23, 32, 126 Vermeidung  10, 98

Verstand  22, 24, 26, 82, 166 Vertrauen  99 Volition  21, 121 Vorurteil  101 Vulnerabilität  87

W Wahrnehmung  52, 98, 99 –– selektive  33, 102 –– visuelle  33 Wahrnehmungsfalle  103 Wahrnehmungsverengung  103 Wechselwirkung  14, 17, 18, 52 Weiterentwicklung  3, 8, 15, 110, 111, 149, 152, 156, 157 Wenn-dann-Plan  125–127, 131, 166 Wert  25, 33, 100, 112, 166 Wertetyrannei  98, 100, 101, 166 Werteverständnis  25, 100 Wertewelt  25, 33 Wertschätzung  101, 152, 157 Wertvorstellung  25, 98, 99, 101, 102, 151 Wille  21, 98, 122 Willensbahnung  121 Willensbildung  21 Willenskraft  21 Wirklichkeit  99, 103, 166 Wissenschaftlichkeit  42

Wohlbefinden  54–79, 97 WOOP-Methode  125

Z Zertifizierung  153 Ziel  13, 14, 20, 21, 25, 32, 33, 50, 90, 94–97, 104, 105, 120–122, 124, 152, 156, 157, 166 –– alternatives  127 Zieldefinition  122 Zielerreichung  95, 97, 105, 106, 122, 127 Zielformulierung  122 Zielfortschritt  97 Zielklärung  121 Zielrealisierung  26, 106 Zielsetzung  20, 25, 82, 97, 114, 120–122 Zielumsetzung  126 Zielumsetzungsplanung  124 Zielverankerung  125 Zielverfolgung  22, 23, 97 Zielzustand  12 z-Skala  50 Zufriedenheit  8, 15, 23, 27, 28, 94–97, 105, 106, 156, 157, 166 Zürcher Ressourcen Modell (ZRM)  119, 121, 123

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